Das sogenannte gesetzliche Begleitschuldverhältnis: Ansprüche bei der Grunddienstbarkeit [1 ed.] 9783428545254, 9783428145256

Judith Ulshöfer untersucht das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienende

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Das sogenannte gesetzliche Begleitschuldverhältnis: Ansprüche bei der Grunddienstbarkeit [1 ed.]
 9783428545254, 9783428145256

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 443

Das sogenannte gesetzliche Begleitschuldverhältnis Ansprüche bei der Grunddienstbarkeit

Von

Judith Ulshöfer

Duncker & Humblot · Berlin

JUDITH ULSHÖFER

Das sogenannte gesetzliche Begleitschuldverhältnis

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 443

Das sogenannte gesetzliche Begleitschuldverhältnis Ansprüche bei der Grunddienstbarkeit

Von

Judith Ulshöfer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-14525-6 (Print) ISBN 978-3-428-54525-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84525-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2014 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Neuere Literatur und Rechtsprechung konnten bis September 2014 berücksichtigt werden. Ganz besonders danke ich meinem hochverehrten Doktorvater Professor Dr. Christian Baldus für die hervorragende Betreuung der Arbeit. Er hat nicht nur das Thema dieser Arbeit angeregt und ihr Entstehen durch seine Ratschläge und konstruktive Krititk stets wohlwollend gefördert, sondern mich auch ansonsten großzügigst unterstützt. Großen Dank schulde ich dem Europäischen Graduiertenkolleg „Systemtransformation und Wirtschaftsintergration im zusammenwachsenden Europa“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft für das gewährte Promotionsstipendium. Schließlich gilt mein Dank all jenen, die mich beim Verfassen der Arbeit begleitet und unterstützt haben, zuvorderst meinen Eltern, Susanne und Friedrich Ulshöfer. Ihnen widme ich diese Arbeit. Mannheim, im Winter 2014

Judith Ulshöfer

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Kapitel Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

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§ 1 Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das BGB als Verwirklichung der Rechtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorbildfunktion des gemeinen Rechts bei Ausarbeitung des BGB . . . . . . . C. Die Bedeutung der Entstehungsgeschichte für das heutige Verständnis der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Inhalt der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grunddienstbarkeit als Dienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung des Oberbegriffs „Dienstbarkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung der Grunddienstbarkeit von den anderen Dienstbarkeiten 1. Abgrenzung der Grunddienstbarkeit vom Nießbrauch . . . . . . . . . . a) Verschiedene Abgrenzungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit . . . . . . . B. Arten der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Benutzungsgrunddienstbarkeit, § 1018 Var. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterlassungsgrunddienstbarkeit, § 1018 Var. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Verbot einer ohnehin durch Gesetz untersagten Handlung . . 2. Keine Beschränkung der Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht . . 3. „Gewisse Handlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschluss der Ausübung von Eigentumsrechten, § 1018 Var. 3 BGB C. Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grunddienstbarkeit als dingliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konstruktion des Nebeneinanders von Eigentum und beschränktem dinglichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkte dingliche Rechte als Abspaltungen aus dem Eigentum oder als selbständige, neben dem Eigentum stehende Rechte? 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Voraussetzungen und Eigenschaften der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . I. Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks, § 1019 BGB

31 31 31 37 37 39 41 44 44 44 45 45 46 49 50 51 51

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52 52 55 59 59

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Inhaltsverzeichnis

II. III. IV. V. VI.

1. Zweck des § 1019 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff des Vorteils für die Benutzung des herrschenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge bei Fehlen eines Vorteils, § 1019 S. 1 BGB . . . . . . . . . 4. Vorteil als inhaltliche Grenze der Grunddienstbarkeit, § 1019 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Servitus servitutis esse non potest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nemini res sua servit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfordernis der unentgeltlichen Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Servitus in faciendo consistere nequit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Privatautonome Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung als Besonderheit der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine benannten Grunddienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auslegungsbedürftigkeit aufgrund privatautonomer Ausgestaltung a) Vorgehensweise bei der Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Auswirkungen der unterschiedlichen Ansichten . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Exkurs: Die Bedeutung von Einigung und Eintragung bei der Übertragung des Eigentums gemäß § 873 I BGB . . . . . bb) Schlussfolgerung für die Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 62 65 65 65 66 68 70 70 70 71 75 80 81 84 85 85 91

2. Kapitel Ansprüche der Beteiligten ohne Berücksichtigung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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§ 3 Abhängigkeit der Ansprüche von der Eigenschaft der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 4 Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einschränkung der aus dem Eigentum folgenden Ansprüche . . . . . . . . . . . . B. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktion und Stellung von § 1004 BGB innerhalb des BGB . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruchsinhalt: Beseitigung und Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Duldungspflicht des Eigentümers, § 1004 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schadensersatzanspruch, § 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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D. Schadensersatzanspruch, § 823 II i.V. m. § 1004 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 103 E. Anspruch wegen Besitzstörung, § 862 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 § 5 Ansprüche des Eigentümers des herrschenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB . C. Ansprüche gemäß §§ 985, 987 ff. BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schadensersatzanspruch, § 823 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Besitzschutz des Rechtsbesitzers, § 1029 i.V. m. §§ 861, 862 BGB . . . . . . F. Anspruch wegen Besitzentziehung und Besitzstörung, §§ 861, 862 BGB § 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter auf Seiten des Eigentümers des herrschenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Dritten I. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 I BGB . . . . . . . . . . 1. Passivlegitimation des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Duldungspflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber dem Dritten gemäß § 1004 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkt dinglich Nutzungsberechtigte an dem herrschenden Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorgehensweise bei der eigenen Untersuchung . . . . . . . . . . cc) Grundsätzliche Möglichkeit der Wirkung der Grunddienstbarkeit zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausübungsrecht des Dritten als dingliches oder obligatorisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Johows Vorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Entwurf erster Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Entwurf zweiter Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wirkung des obligatorischen Ausübungsrechts des Dritten auch gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks: § 986 I 1 Alt. 2 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Voraussetzungen einer Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schadensersatzanspruch, § 823 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch wegen Besitzstörung, § 862 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis B. Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 I BGB . . . . . . . . . . . II. Schadensersatzanspruch, § 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch wegen Besitzstörung, § 862 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ansprüche des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Kapitel Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB § 7 Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses durch Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil des BGH vom 28. Juni 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung und Begründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vergleich der Entscheidungsgründe mit den Entscheidungsgründen des Urteils des BGH vom 25. Februar 1959 . . . . . . . . . d) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Reaktion der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aus der Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses abgeleitete Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung schuldrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des Inhalts des gesetzlichen Schuldverhältnisses im Rahmen der sogenannten Baulastfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Einordnung des Schuldverhältnisses als Zwitter zwischen Schuld- und Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aus der angenommenen Zwitterstellung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses abgeleitete Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirkung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses gegenüber Rechtsnachfolgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen . . 3. Inhalt des Begleitschuldverhältnisses: gesetzlicher Umfang und privatautonome Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auffassung für eine strenge Orientierung an den §§ 1020 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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b) Auffassungen für einen weitreichenden Ausgestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 § 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff „Schuldverhältnis“ im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis zwischen „Schuldverhältnis im weiteren Sinn“ und „Schuldverhältnis im engeren Sinn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der schuldrechtliche Anspruch in Abgrenzung zum dinglichen Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 1020 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 1020 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verständnis des § 1020 S. 1 BGB in Rechtsprechung und Literatur a) Inhalt der Schonungspflicht gemäß § 1020 S. 1 BGB . . . . . . . . b) Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Schonungspflicht . . . . . c) Verhältnis der Schonungspflicht zur Grunddienstbarkeit . . . . . 2. Untersuchung des § 1020 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut des § 1020 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehungsgeschichte des § 1020 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das gemeine Recht als Vorbild für § 1020 S. 1 BGB . . . . . bb) Johows Vorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entwurf erster Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entwurf zweiter Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sinn und Zweck des § 1020 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Systematik: Vergleich zu § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verständnis des § 1020 S. 2 BGB in Rechtsprechung und Literatur a) Tatbestandsmerkmale des § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge des § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB auch im Fall der Mitbenutzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchung des § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Einordnung des § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsinhalt des § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Halten der Anlage: Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Befugnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB im Fall der Mitbenutzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 192 192 195 197 201 201 201 202 203 205 205 206 206 206 208 210 212 213 213 215 217 217 218 218 219 220 222 226 227 230 238 239

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Inhaltsverzeichnis C. § 1021 und § 1022 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verständnis der §§ 1021 und 1022 BGB in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1021 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der „Unterhaltung“: Verhältnis des § 1021 zu § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 1021 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 1021 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ansprüche der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 1022 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Untersuchung der §§ 1021 und 1022 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Einordnung der §§ 1021 und 1022 BGB . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vom BGB-Gesetzgeber vorgefundene Rechtslage . . . . . . . . (1) Gemeines Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundsätzliche Regelung der Unterhaltung von Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Besonderheit bei der servitus oneris ferendi . . . . . . (2) Partikularrechte und partikularrechtliche Gesetzesentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Johows Vorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entwurf erster Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entwurf zweiter Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche der Beteiligten gemäß den §§ 1021, 1022 BGB . . . . . . a) Ansprüche des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks, §§ 1021 I 1 und § 1022 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten, § 1021 I 2 BGB . . . . 3. Verhältnis des § 1021 I 1 BGB zu § 1020 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungsspielraum der Parteien im Rahmen des § 1021 I BGB 5. Fehlende Vereinbarung bei gemeinsam benutzter Anlage: analoge Anwendung des § 748 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. § 1023 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verständnis in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 242 242 242 244 246 247 249 250 251 251 252 253 253 253 253 254 254 258 265 268 272 277 280 281 281

281 283 284 287 291 294 294

Inhaltsverzeichnis 1. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . aa) Beschränkung der Ausübung auf einen Teil des belasteten Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erfordernis einer Lokalisierung des Ausübungsbereichs? . . cc) Besondere Beschwerlichkeit der Ausübung an der bisherigen Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle . . . . bb) Der Begriff der „Verlegung“ gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten . . . . . . . . . . d) Analoge Anwendungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . . . . . 2. § 1023 I 1 Hs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten, § 1023 II BGB . . . . . . II. Untersuchung des § 1023 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs durch § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Johows Vorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entwurf erster Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entwurf zweiter Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründete schuldrechtliche Anspruch als Teil des dinglichen Rechts? . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt des Anspruchs aus § 1023 I 1 Hs. 1, 2 BGB: „Verlegung der Ausübungsstelle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von § 1023 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB . . . . . . . . aa) Verlegung auf ein anderes Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige inhaltliche Änderungen der Grunddienstbarkeit . cc) Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 1023 I 1 Hs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 294 295 295 297 299 300 301 301 304 305 307 308 309 309 310 310 310 310 312 314 317 317 320 320 321 322 324 325 325 328 331 331

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Inhaltsverzeichnis a) Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs durch § 1023 I 1 Hs. 2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in 44 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Abkürzungsverzeichnis AcP AG AK-BGB Anm. ArchBR BayObLG BayObLGZ

Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht Alternativkommentar Anmerkung Archiv für bürgerliches Recht Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen BeckRS Beck-Rechtsprechung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg CM Civilistisches Magazin DB Der Betrieb DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht f. folgend ff. folgende FG Festgabe FS Festschrift Gruchot Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot GS Gedenkschrift Hrsg. / hrsg. Herausgeber / herausgegeben Hs. Halbsatz i.V. m. in Verbindung mit JbDrdPR Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, hrsg. von C. F. von Gerber u. R. Jhering JbgdR Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts Jhdt. Jahrhundert JherJb Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts JR Juristische Rundschau Jura Juristische Ausbildung juris Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland jurisPR-BGHZivilR juris Praxis Report BGH-Zivilrecht JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung

18 KG KritV KZgR LG LZ MDR MfRG MittBayNot MittRhNotK m.w. N. NJOZ NJW NJWE-MietR NJW-RR NK-BGB NotBZ Nr. NVwZ NZBau OLG OLGZ RdNr. Recht RG RGZ RhMJ RNotZ Rpfleger S. SeuffA VersR VRS WM ZEuP ZfCP ZfgR zit. ZMR ZRG ZRG Rom. Abt.

Abkürzungsverzeichnis Kammergericht Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kritische Zeitschrift für die gesammte Rechtswissenschaft Landgericht Leipziger Zeitschrift für das Deutsche Recht Monatsschrift für Deutsches Recht Magazin für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Mietrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nomos Kommentar Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Randnummer Das Recht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinisches Museum für Jurisprudenz Rheinische Notar-Zeitschrift Der deutsche Rechtspfleger Seite J. A. Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Versicherungsrecht Verkehrsrechts-Sammlung Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß; 1 (1828) – 20 (1844); N. F. 1 (1845) – N. F. 22 (1865) Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft zitiert Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für Rechtsgeschichte Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung

Einleitung Auf den ersten Blick sind Schuldrecht und Sachenrecht im BGB strikt getrennt voneinander geregelt. Formal wird das Schuldrecht im zweiten, das Sachenrecht im dritten Buch des BGB geregelt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass Schuldverhältnisse nicht nur im zweiten, sondern auch im dritten Buch normiert sind. Ein bekanntes Beispiel ist das in den §§ 987 ff. BGB geregelte sogenannte Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Um den Eigentümer und den Besitzer vermögensmäßig möglichst so zu stellen, als ob der Besitzer nie im Besitz der Sache gewesen wäre1, regeln die §§ 987 ff. BGB – in Ergänzung zu der allein auf Besitzverschaffung gerichteten Vindikation2 – schuldrechtliche Ansprüche sowohl des Eigentümers gegen den Besitzer als auch des Besitzers gegen den Eigentümer3. Nach heute einhellig vertretener Auffassung4 soll auch bei der Grunddienstbarkeit ein gesetzliches Schuldverhältnis normiert sein. Demnach sollen die §§ 1020 bis 1023 BGB schuldrechtliche Ansprüche zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten begründen. Die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Eigentümers eines anderen Grundstücks soll also nicht nur zur Folge haben, dass der Eigentümer des anderen Grundstücks ein Herrschaftsrecht an dem belasteten Grundstück erhält. Mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit soll vielmehr auch ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des belasteten Grundstücks und dem Eigentümer des anderen Grundstücks zustande kommen, auf das die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften grundsätzlich Anwendung finden5. So soll etwa in dem Fall, dass eine Grunddienstbarkeit den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks zur Nutzung eines über das belastete Grundstück führenden Weges berechtigt, der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gemäß § 278 BGB das Verschulden seines Mieters zu vertreten 1

MüKo/Baldus Vor § 985 RdNr. 15. MüKo/Baldus Vor § 985 RdNr. 15. 3 Dazu MüKo/Baldus Vor §§ 987 bis 1003 RdNr. 1. 4 Siehe nur: BGH NJW 1992, 2885 ff.; BGH NVwZ 1990, 192 ff.; BGH NJW 2008 3703, 3704; BGH NJW-RR 1991, 333, 334; BGH NJW 1985, 2944 f.; BGH NJW-RR 1995, 15, 16; LG Konstanz NVwZ 1992, 1022, 1022 f.; LG Bochum RNotZ 2002, 405, 405; Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1982, 396, 410; MüKo/ Joost § 1018 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 134 ff.; Möller, Servituten, S. 404; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1152; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1. 5 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1, 6, 13. 2

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Einleitung

haben, wenn dieser bei der Benutzung des Weges schuldhaft einen Schaden verursacht6. Nach Auffassung der Literatur soll es sich bei diesem auch als Begleitschuldverhältnis bezeichneten7 Schuldverhältnis um kein gewöhnliches Schuldverhältnis handeln. Die Besonderheit dieses Begleitschuldverhältnisses soll in seiner „Zwitterstellung“ 8 zwischen Schuld- und Sachenrecht liegen. Das kraft Gesetz entstehende Begleitschuldverhältnis soll nicht neben dem dinglichen Recht Grunddienstbarkeit stehen, sondern Teil seines Inhalts sein9. Als solches soll das Begleitschuldverhältnis im Unterschied zu schuldrechtlichen Vereinbarungen, welche die Grundstückseigentümer bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit treffen, nicht nur zwischen den ursprünglichen Eigentümern, sondern auch zwischen etwaigen späteren Eigentümern bestehen10. Welche Auswirkungen das Bestehen eines Schuldverhältnisses und dessen angenomme Zwitterstellung zwischen Schuld- und Sachenrecht haben, ist Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen geworden. So hat sich der BGH im Rahmen der sogenannten Baulastfälle mit der Frage beschäftigt, ob und in welchem Umfang sichaus dem von ihm angenommenen gesetzlichen Schuldverhältnis weitere, im Gesetz nicht geregelte Pflichten ableiten lassen11. Besonders kontrovers wird in der Literatur die Frage diskutiert, in welchem Umfang das gesetzliche Schuldverhältnis für eine privatautonome, auch etwaige Rechtsnachfolger bindende Ausgestaltung zugänglich ist12. Uneinigkeit herrscht, um ein weiteres Beispiel zu nennen, in der Literatur auch darüber, inwiefern sich die behauptete Zwitterstellung des Begleitschuldverhältnisses auf die Anwendbarkeit der allgemeinen schuldrechtlichen Normen auswirkt13. Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen: Die wissenschaftliche Auseinandersetzung beschränkt sich bisher darauf, die Rechtsfolgen zu bestimmen, die sich aus dem Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit und dessen angenommener Zwitterstellung zwischen Schuld- und

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BGH NJW 1985, 2944, 2945. Amann DNotZ 1989, 531, 534; Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; MüKo/ Joost § 1018 RdNr. 9. 8 Amann DNotZ 1989, 531, 536. 9 Amann DNotZ 1989, 531, 543; Heß AcP 197 (1997), 489, 502 f.; Staudinger/ Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 2, 6, 20. 10 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1989, 531, 535 f.; Heß AcP 197 (1997), 489, 493; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 2. 11 BGH NJW 1989, 1607 ff.; BGH NJW 1992, 2885 ff.; BGH NVwZ 1990, 192 ff.; BGH NJW-RR 1991, 333 f.; BGH NJW-RR 1995, 15 f. 12 Für einen Überblick über den Streitstand siehe: Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 144 ff.; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25 ff. 13 Dazu NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 7 ff.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. 7

Einleitung

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Sachenrecht ergeben. Der Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen, nämlich die Annahme, dass die §§ 1020 bis 1023 BGB schuldrechtliche Ansprüche zwischen dem Grunddienstbarkeitsberechtigten und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und damit ein Schuldverhältnis begründen, wird nicht in Frage gestellt. Dies überrascht. Schließlich ist diese Annahme nichts weiter als eine bloße Behauptung. Sie wurde bisher nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Dabei sind Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme schon deshalb angebracht, weil der BGH in seiner früheren Rechtsprechung14 das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ebenso ohne jegliche Begründung verneint hatte, wie er es mittlerweile bejaht. Damit steht die Frage im Raum, ob die §§ 1020 bis 1023 BGB tatsächlich als schuldrechtliche Ansprüche ein gesetzliches Begleitschuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten begründen oder ob diese Normen nicht vielmehr rechtlich anderweitig einzuordnen sind. Um die §§ 1020 bis 1023 BGB rechtlich einordnen zu können, ist zunächst zu klären, in welchem rechtlichen Verhältnis der Eigentümer des dienenden Grundstücks und der Grunddienstbarkeitsberechtige als die Inhaber zweier verschiedener dinglicher Rechte an derselben Sache, nämlich dem belasteten Grundstück, stehen. Erst wenn dies geschehen ist, kann die Frage beantwortet werden, welche rechtliche Bedeutung den Vorschriften der §§ 1020 bis 1023 BGB in diesem Rahmen zukommt. Nach einem Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB (1. Kapitel) wird daher zunächst untersucht, welche Ansprüche dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gegeneinander zustehen, wenn man die §§ 1020 bis 1023 BGB außer Acht lässt (2. Kapitel). In diesem Rahmen soll auch darauf eingegangen werden, wie es sich auswirkt, wenn auf Seiten des Grunddienstbarkeitsberechtigten dritte Personen wie Mieter, Familienangehörige oder Besucher beteiligt sind. Anschließend wird untersucht, ob zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten tatsächlich ein gesetzliches Schuldverhältnis gemäß den §§ 1020 bis 1023 BGB besteht (3. Kapitel). Dabei wird zunächst auf den Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung eingegangen. Hiernach werden die Regelungen der §§ 1020 bis 1023 BGB jeweils danach untersucht, ob sie tatsächlich schuldrechtliche Ansprüche zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten begründen oder ob sie nicht vielmehr rechtlich anderweitig einzuordnen sind.

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BGH DNotZ 1959, 240, 241; BGH NJW 1969, 673, 673.

1. Kapitel

Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB § 1 Entstehungsgeschichte Die Grunddienstbarkeit ist keine Erfindung des BGB-Gesetzgebers. Vielmehr orientierte sich dieser bei der Regelung der Grunddienstbarkeit, deren Wurzeln bis ins frühe römische Recht zurückreichen1, an dem im Deutschen Reich bei der Ausarbeitung des BGB geltenden Recht.

A. Das BGB als Verwirklichung der Rechtseinheit Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806 war das Gebiet des Deutschen Reiches in zahlreiche souveräne Einzelstaaten mit unterschiedlichen Rechtsordnungen gegliedert2. So galt beispielsweise das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten in den östlichen Gebieten sowie in Teilen von Westfalen. Im Rheinland wiederum galt der Code civil, welcher leicht modifiziert als Badisches Landrecht auch in Baden geltendes Recht war. Die Rechtslage wurde zudem dadurch kompliziert, dass in allen Gebieten des Reiches subsidiär zu den einzelnen Partikularrechten das sogenannte gemeine Recht (ius commune)3 „für Deutschland als Deutschland, für Deutschland als 1 Die Entwicklungsgeschichte der Grunddienstbarkeit ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die Ursprünge der Grunddienstbarkeit sind untersucht worden von Elvers, Servitutenlehre, S. 1 ff.; Möller, Servituten, S. 39 ff.; letztere umfassend zur Entwicklungsgeschichte der Servituten bis zur Gegenwart. 2 Siehe dazu die Darstellung des im Deutschen Reich geltenden Privatrechts vor dem BGB (1871 bis 1899) bei Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte III, S. 174; für eine kartographische Darstellung siehe Klippel, Deutsche Rechts- und Gerichtskarte. 3 Zum Begriff des „gemeinen Rechts“ siehe Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1 Fn. 1 m.w. N. Stellvertretend für die gemeinrechtliche Literatur seiner Zeit definiert er das gemeine Recht als das Recht, welches für ein Rechtsgebiet als Ganzes – verstanden nicht als die Summe, sondern als die Einheit seiner Teile – gelte und aus einer einzigen Quelle fließe. Dem gemeinen Recht gegenüber stehe das für die einzelnen Gebiete als solche geltende, das besondere, das partikulare Recht. Enthielten verschiedene partikulare Quellen den gleichen Inhalt, so seien sie mangels einheitlicher Rechtsquelle nicht „gemeines“, sondern lediglich „gemeinsames“ Recht. Ausführlich zum Begriff des „gemeinen Rechts“ im 19. Jahrhundert siehe Daniel, Gemeines Recht, S. 59 ff.; zum Begriff des ius commune siehe auch Nève, FS Kroeschell (1997), S. 871 ff.

§ 1 Entstehungsgeschichte

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Ganzes“ 4 galt. Das gemeine Recht bestand aus dem römischen Recht des Corpus Iuris Civilis Justinians5, jedoch modifiziert durch kanonisches Recht, deutsche Reichsgesetze sowie deutsches Gewohnheitsrecht6. Mit Inkrafttreten umfassender Zivilrechtskodifikationen wie dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) oder dem Code civil (1807) hatte das gemeine Recht aufgrund seiner lediglich subsidiären Geltung7 im Geltungsbereich dieser Kodifikationen stark an praktischer Bedeutung verloren. In den übrigen Gebieten des Reiches und vor allem in der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatte, zur ursprünglichen Form des im Mittelalter mit einheimischem Recht durchmischten antiken Rechtstoffs zurückzukehren, ihn zu ordnen und systematisch zu durchdringen8, war die Bedeutung des gemeinen Rechts jedoch ungebrochen9. Die Zersplitterung des Rechts erschwerte nicht nur den Handel der wirtschaftlich im Deutschen Zollverein zusammengeschlossenen deutschen Staaten untereinander, sondern widersprach auch dem nach dem Sieg über Napoléon erwachenden Nationalgefühl10. Nach dem Sieg des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Staaten im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 gründeten die Sieger am 18. Januar 1871 das Deutsche Reich und verwirklichten so die Reichseinheit in Form der sogenannten kleindeutschen Lösung11. Mit Auflösung der Souveränität der Einzelstaaten zugunsten dieses Nationalstaates war zugleich die Voraussetzung dafür 4

So Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1. Als Corpus Iuris Civilis bezeichnet man die vom oströmischen Kaiser Justinian (527 bis 565 n. Chr.) geschaffene Rechtssammlung. Sie besteht aus vier Teilen: den Digesten oder Pandekten (eine Kodifikation zusammengestellt aus den rechtswissenschaftlichen Schriften von etwa vierzig römischen Juristen aus der Zeit zwischen ca. 100 v. Chr. und 250 n. Chr. zur Neuordnung des gesamten Rechtsstoffs, vorwiegend des Privatrechts), den Institutionen (ein Anfängerlehrbuch), dem Codex Iustinianus (eine Zusammenstellung von Konstitutionen, Erlassen und Entscheidungen römischer Kaiser von der Zeit Hadrians [117 bis 138 n. Chr.] bis zum Jahre 534 n. Chr.) und den Novellen (die nach 534 n. Chr. ergangenen Konstitutionen); dazu und zur Wirkungsgeschichte des Corpus Iuris Civilis siehe Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. XIII ff.; Rainer, Das römische Recht in Europa, S. 1 ff. 6 Dernburg, Pandekten I, S. 4 ff.; Windscheid, Pandekten I, S. 6 ff. 7 Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 5. 8 Dazu Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. XX f. Siehe zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Entwicklung der Servituten Möller, Servituten, S. 365 ff. 9 Die große Bedeutung in der Wissenschaft belegt schon die Anzahl neu erschienener oder aufgelegter Pandektenlehrbücher noch kurz vor Inkrafttreten des BGB. Siehe dazu die Auflistung bei Maas ArchBR 16 (1899), 7 ff. 10 Meder, Rechtsgeschichte, S. 296. 11 Als kleindeutsche Lösung bezeichnet man die Vereinigung der deutschen Einzelstaaten in einem Nationalstaat unter Ausschluss des Kaiserreichs Österreich im Gegensatz zur großdeutschen Lösung, die das Kaiserreich Österreich umfasst hätte. 5

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

geschaffen, nun auch der Rechtszersplitterung auf dem Gebiet des Deutschen Reiches mithilfe eines im gesamten Reich einheitlich geltenden bürgerlichen Gesetzbuches ein Ende zu bereiten12. Bis ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch der Rechtszersplitterung tatsächlich ein Ende setzte, sollte es allerdings noch bis 1. Januar 1900 dauern13. Zuvor mussten das Reichsgesetz vom 20. Dezember 1873 die Gesetzgebungskompetenz des Reiches auf das gesamte Bürgerliche Recht ausdehnen14, die vom Bundesrat einberufene15 Vorkommission das Gutachten über Plan und Methode für die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs verfassen16, die erste Kommission17 auf der

12 Die Verwirklichung der Rechtseinheit durch eine nationale Kodifikation wurde als elementarer Teil der Verwirklichung der nationalen Einheit angesehen; so etwa schon 1814 Thibaut, Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts. Siehe zur Idee der Rechtseinheit als Teil der nationalen Einheit im 19. Jhdt. Staudinger/Honsell Einl zum BGB RdNr. 19 ff.; Laufs JuS 1973, 740 ff.; ausführlich Getz, Deutsche Rechtseinheit; Schöler, Deutsche Rechtseinheit (für die Zeit bis 1866). 13 Zur Entstehungsgeschichte des BGB siehe: Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 468 ff.; Schulte-Nölke NJW 1996, 1705 ff.; Staudinger/Honsell Einl zum BGB RdNr. 1 ff.; Lüderlitz, FS Reichsjustizamt, S. 213 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil I, S. 42 ff.; Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 27 ff.; Rainer, Das römische Recht in Europa, S. 376 ff. 14 Gesetz betreffend die Abänderung der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 20. Dezember 1873 (sog. lex Miquel-Lasker), Reichs-Gesetzblatt 1873, S. 379. Durch dieses Gesetz erhielt Art. 4 Nr. 13 der Reichsverfassung (Gesetzes betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, ReichsGesetzblatt 1871, S. 63 ff.), der ursprünglich lautete: „Der Beaufsichtigung Seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten: 13) die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, Strafrecht, Handelsund Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren;“ folgenden Wortlaut: „Die gemeinsame Gesetzgebung über das gesammte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren.“ Siehe zu den Hintergründen und der Vorgeschichte dieser Verfassungsänderung Laufs JuS 1973, 740 ff. 15 Das Protokoll der Bundesratssitzung vom 28. Februar 1874 findet sich bei Jakobs/ Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 163. 16 Bundesratsdrucksache Nr. 54 von 1874, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170 ff. Die Ergebnisse des Gutachtens hat die Vorkommission in Vorschlägen zusammengefasst (Bundesratsdrucksache Nr. 53 von 1874). Diese sind abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 182 ff. Das Gutachten der Vorkommission wurde vom Bundesrat am 22. Juni1874 gebilligt (Protokoll der Bundesratssitzung abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 199). Es hebt die Herstellung der Rechtseinheit innerhalb des Deutschen Reichs als zentrale Aufgabe eines einheitlichen bürgerlichen Gesetzbuches hervor, macht methodische Vorgaben für die Aufstellung des künftigen Gesetzbuches, begrenzt dessen Umfang inhaltlich und regelt das weitere Verfahren zur Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs. 17 Die erste Kommission, der elf Mitglieder überwiegend aus der Praxis angehörten, konstituierte sich am 17. September 1874 (Protokoll der Sitzung bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 206). Zur genauen Zusammensetzung der ersten Kommission siehe Staudinger/Honsell Einl zum BGB RdNr. 77.

§ 1 Entstehungsgeschichte

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Grundlage von Teilentwürfen einzelner Redaktoren18 den Entwurf erster Lesung19 aufstellen20, die zweite Kommission21 den Entwurf zweiter Lesung22 ver18 Nachdem die erste Kommission zunächst gemeinsam die Grundzüge der Einteilung des künftigen Bürgerlichen Gesetzbuches festgelegt hatte (Protokolle dieser Vorberatungen bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 206 ff.), wählte sie Redaktoren für die einzelnen Teilentwürfe aus und legte in der „Instruktion für die Redaktoren“ das bei der Ausarbeitung der Teilentwürfe einzuhaltende Verfahren fest (siehe dazu das Protokoll der ersten Kommission vom 28. September 1874 samt Anlage Nr. 7 und das vom 29. September 1874, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 220 ff.). Nach dieser waren die Redaktoren verpflichtet, sich während der Ausarbeitung der Teilentwürfe auf gemeinsamen Redaktorenkonferenzen untereinander auszutauschen, um die einzelnen Teilentwürfe formell und inhaltlich aufeinander abzustimmen und eine möglichst erschöpfende Behandlung der zu regelnden Materie zu gewährleisten. Tatsächlich fanden während der Ausarbeitung der einzelnen Teilentwürfe die Redaktorenkonferenzen nur anfangs wöchentlich statt. Später wurden sie nur noch alle zwei bis drei Wochen abgehalten und konzentrierten sich zunehmend auf Fragen der Terminologie und geschäftliche Mitteilungen (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 42). 19 Dieser ist für das Sachenrecht abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, S. I ff. 20 Die gemeinsamen Hauptberatungen der Kommission über die von den Redaktoren mit Motiven vorgelegten Teilentwürfe begannen am 1. Oktober 1881. Die Protokolle der Kommission über die Bestimmungen der Teilentwürfe sind, geordnet nach den einzelnen Paragraphen des BGB, jeweils unter „A.I.“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB. Die von der Kommission gefassten Beschlüsse wurden von Pape in einer Vorlage für die Redaktionskonferenz zusammengestellt; sie ist unter „A.II.1“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB. Unter Berücksichtigung von Papes Vorlage verfassten einzelne Redaktoren ihre eigenen Redaktionsvorlagen; diese sind, soweit vorhanden, jeweils unter „A.II.1.“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB. Beide Vorlagen dienten der Redaktionskonferenz als Formulierungsvorschlag für die „Vorläufige Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen“ zu den einzelnen Büchern des BGB; diese ist unter „A.II.1“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB. Die Beratung über die Änderungen dieser Zusammenstellung (bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB unter „A.II.3.“) floss in den Kommissionsentwurf (bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB unter „A.III.“) ein, der als Manuskript für den internen Gebrauch der Kommission diente. Nach zweimaliger Beratung dieses Entwurfs fanden die Arbeiten der ersten Kommission ihren Abschluss im Entwurf erster Lesung (sog. erster Entwurf). Dieser wurde am 27. Dezember 1887 dem Reichskanzler überreicht, der ihn am 5. Januar 1888 dem Bundesrat zuleitete. Der Entwurf erster Lesung wurde zusammen mit von Hilfsarbeitern zusammengestellten, nicht von der Kommission genehmigten Motiven veröffentlicht (abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, S. I ff. (Entwurf) und S. 1 ff. (Motive)). Letztere enthalten nebst Auszügen aus den Begründungen der Redaktoren und aus den Protokollen der ersten Kommission auch eigene Ausführungen der Hilfsarbeiter. 21 Trotz aller Kritik am Entwurf erster Lesung, die das Reichsjustizamt (zu dessen Gründung und Entwicklung Hattenhauer, FS Reichsjustizamt, S. 9 ff.; zur Rolle des Reichsjustizamtes bei der Entstehung des BGB Schulte-Nölke, Reichsjustizamt) in einer sechs Bände umfassenden Darstellung zusammenfasste, beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung vom 4. Dezember 1890 den Entwurf erster Lesung einer zweiten Lesung zu unterziehen und setze hierfür eine Kommission von zehn, später elf, ständigen und zwölf, später dreizehn, nicht ständigen Mitgliedern ein. Innerhalb der Kommission fasste die Gesamtkommission die sachlichen Beschlüsse (Protokolle der Sitzungen bei Mugdan, Materialien III, S. 486 ff.), auf deren Grundlage der Generalreferent den Entwurf erster Lesung einer redaktionellen Revision unterzog. Die abschließende redaktio-

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fassen und Bundesrat und Reichstag über das künftige Gesetzbuch entscheiden23, das Kaiser Wilhelm II. am 18. August 1896 ausfertigte und das am 24. August 1896 als „Bürgerliches Gesetzbuch“ publiziert wurde.

B. Vorbildfunktion des gemeinen Rechts bei Ausarbeitung des BGB Bei der Ausarbeitung des BGB ging der Gesetzgeber, wie aus dem Gutachten der Vorkommission vom 15. April 187424 hervorgeht, vom gemeinen Recht als der „gemeinsamen Grundlage“ der deutschen Partikularstaaten aus25. Wichen Bestimmungen der innerhalb des deutschen Reichs bestehenden Partikularrechte und/oder etwaiger Reichsgesetze vom gemeinen Rechtab, sollten diese nur nach sorgsamer Prüfung beibehalten oder ihr Wegfall ausgeglichen werden26. Die Entscheidung sollte dabei „in erster Linie nach Rücksicht des Bedürfnisses und der Zweckmäßigkeit, in zweiter Linie nach juristisch-logischer Folgerichtigkeit“ 27 getroffen werden. Trotz aller Orientierung am geltenden Recht wurde die Ausarbeitung des BGB doch als „selbständige, an keine bestimmte Vorlage gebundene“ Aufgabe betrachtet28. Das gemeine Recht und die innerhalb des Reichs bestehenden Gesetzbücher, Einzelgesetze und Gesetzesentwürfe dienten dem Gesetzgeber daher lediglich als „Bausteine“ 29 für die Ausarbeitung der Regelungen des BGB. Bei der Regelung der Grunddienstbarkeit bediente sich der Gesetzgeber – dies sei im Vorgriff auf spätere Ausführungen bereits an dieser Stelle angemerkt – nelle Arbeit übernahm eine gesonderte Redaktionskommission, die durch den Generalreferenten als Vorsitzenden, den Referenten des betreffenden Buches und ein von der Gesamtkommission gewähltes Mitglied gebildet wurde. Am 22. Oktober 1895 wurde der endgültig redigierte Entwurf II dem Reichskanzler überreicht. 22 Dieser ist abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, S. I ff. 23 Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Reichsverfassung waren die Mehrheitsbeschlüsse von Bundesrat und Reichstag Voraussetzung für das Zustandekommen eines im ganzen Reich einheitlich geltenden bürgerlichen Gesetzbuches. Der Entwurf der zweiten Kommission wurde in der Zeit vom 7. Oktober 1895 bis zum 11. Januar 1896 vom Justizausschuss des Bundesrats beraten. Die ständigen Mitglieder der zweiten Kommission übernahmen dabei die Redaktion der vom Ausschuss beschlossenen Änderungen. Diesen sogenannten dritten Entwurf (unter „D.III.“ bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB) nahm das Plenum des Bundesrats am 16. Januar 1896 an. Der Reichstag nahm den Entwurf dritter Lesung nach dessen Überarbeitung durch eine Reichstagskommission in dritter Lesung am 1. Juli 1896 an. Der Bundesrat billigte in seiner Sitzung vom 24. August 1896 die vom Reichstag beschlossenen Änderungen. 24 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170 ff. 25 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170. 26 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170 f. 27 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170. 28 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170. 29 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170.

§ 1 Entstehungsgeschichte

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überwiegend römisch-rechtlicher Bausteine. An manchen Stellen wich er jedoch vom römisch-rechtlichen Vorbild ab, sei es, indem er römisch-rechtliche Elemente wegließ, sei es, indem er gewohnheitsrechtlich bereits anerkannte oder gänzlich neue, ihm aber aus Zweckmäßigkeitsgründen erforderlich erscheinende Elemente hinzufügte. Ob es dem Gesetzgeber trotz Verwendung unterschiedlicher Bausteine gelungen ist, die Grunddienstbarkeit als Rechtsinstitut so auszugestalten, dass sie sowohl in sich widerspruchsfrei ist als auch sich ohne Brüche ins übrige BGB einfügen lässt, wird die spätere Untersuchung zeigen.

C. Die Bedeutung der Entstehungsgeschichte für das heutige Verständnis der Grunddienstbarkeit Welche Bedeutung die Entstehungsgeschichte einer Regelung für deren heutiges Verständnis hat, ist Gegenstand eines „bis zur Redundanz“ 30 geführten in seinen einzelnen Verästelungen kaum zu überblickenden Meinungsstreits31. Vereinfacht dargestellt stehen sich dabei die sogenannte subjektive Auslegungstheorie und die sogenannte objektive Auslegungstheorie gegenüber. Für die subjektive Theorie32 spielt die Entstehungsgeschichte einer Norm bei deren Auslegung eine entscheidende Rolle. Lässt der Wortlaut einer Norm mehrere Deutungen zu, soll diejenige Deutung der Norm gelten, die dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht33. Schließlich, so die Begründung, sei es aufgrund des Prinzips der Gewaltenteilung Aufgabe des Richters, dem Willen des Gesetzgebers zur Geltung zu verhelfen34. Die subjektive Theorie fragt also nicht nur nach dem „Willen des historischen Gesetzgebers“ 35, also dem von ihm mit der Norm verfolgten Regelungszweck, und versucht diesen mithilfe der Ge-

30 So Schluep, Rechtstheorie, S. 443. Aktuelle Diskussionsbeiträge aus Wissenschaft und Praxis hierzu in Baldus/Theisen/Vogel, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, sowie in Fleischer, Mysterium „Gesetzesmaterialien“. 31 Siehe zu diesem Meinungsstreit die Darstellungen von Fleischer AcP 211 (2011), 317, 321 ff.; Fleischer, Mysterium „Gesetzesmaterialien“, 1, 5 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 121 ff.; Lorz, Gesetzgebung, III.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 627 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 472 ff. RdNr. 796 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 17 ff. 32 Beaucamp/Treder, Rechtsanwendung, S. 48 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 28 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 627 ff.; Schoppmeyer, Juristische Methode, S. 273 ff.; Wank, Auslegung, S. 32 f. 33 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 21 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 632. 34 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 628; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 48 ff. 35 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 29; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 627.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

setzesmaterialien und des historischen Kontextes des Normerlasses zu ermitteln36. Sie hält diesen Willen grundsätzlich auch für verbindlich37. Demgegenüber fragt die objektive Theorie38 bei einer ihrem Wortlaut nach mehrdeutigen Regelung nicht nach dem „Willen des Gesetzgebers“, sondern nach dem „Willen des Gesetzes“ 39. Sie stellt auf den dem Gesetz selbst innewohnenden objektiv-teleologisch zu ermittelnden Zweck ab40; dieser soll sich mit dem Zeitablauf ändern können41. Entscheidend sei nicht, welche Bedeutung der historische Gesetzgeber dem Gesetz beigemessen habe42. Es komme vielmehr auf die Bedeutung an, die dem Gesetz unter den gegenwärtigen Umständen „vernünftigerweise“ 43 beizumessen sei44. Pointiert hat Radbruch diese Auffassung mit den vielfach wiedergegebenen45 Worten: „. . ., das Gesetz kann klüger sein als seine Verfasser – es muss sogar klüger sein als seine Verfasser“ 46 zusammengefasst. Sowohl die subjektive als auch die objektive Theorie werden heute nicht mehr in ihrer Reinform vertreten47. So nähern sich die heutigen Vertreter der subjektiven Theorie der objektiven Theorie an, indem auch sie den Normanwender bei der Auslegung von Gesetzen nicht rigide an die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers binden wollen, sondern im Gegenteil von ihm verlangen, veränderte Verhältnisse zu berücksichtigen48. Insbesondere wenn die Verabschiedung einer Norm schon längere Zeit zurückliege, sei es Aufgabe des Normanwenders, diese anhand der im Gesetz verkörperten Wertentscheidungen rechtsschöpfend fortzuschreiben49. 36

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 627. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 627. 38 Etwa Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 175 ff.; Kramer, Methodenlehre, S. 138 ff. 39 Dazu Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 627 f. 40 So die Beschreibung von Fleischer AcP 211 (2011), 317, 322. 41 Kramer, Methodenlehre, S. 144, 153. 42 Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung. S. 175, 183. 43 Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 186. 44 Kramer, Methodenlehre, S. 141. 45 Fleischer AcP 211 (2011), 317, 322; Kramer, Methodenlehre, S. 133; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 39; Meder, Mißverstehen und Verstehen, S. 120; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 628; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 473 RdNr. 797. 46 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 107 [110/111]. 47 So auch die Einschätzung von Fleischer AcP 211 (2011), 317, 326. Bisweilen bekennen sich Autoren nicht klar zu einer der beiden Theorien, sondern betonen, dass sowohl die subjektive als auch die objektive Theorie zutreffende Teilaspekte erfasse, so etwa Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 488 RdNr. 820; ebenso Bydlinski/Bydlinski, Methodenlehre, S. 34. 48 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 628. 49 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 628. 37

§ 1 Entstehungsgeschichte

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Auch die objektive Theorie wird heute nicht mehr in dem Sinne vertreten, dass die Entstehungsgeschichte einer Norm bei deren Auslegung unberücksichtigt bleiben müsse. Vielmehr wird vertreten, dass die Entstehungsgeschichte einer Norm bei deren Auslegung stets zu berücksichtigen sei50. So könne die Entstehungsgeschichte herangezogen werden, um ein anderweitig gefundenes Auslegungsergebnisses zu bestätigen51. Eine Bindung des Normanwenders an den Willen des historischen Gesetzgebers bestehe jedoch nicht52. Entscheidend sei, welche Bedeutung der Norm insbesondere unter Berücksichtigung einer etwaigen Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vernünftigerweise zukommen müsse53. Auch wenn die subjektive und die objektive Theorie der Entstehungsgeschichte einer Norm zumindest theoretisch einen unterschiedlichen Stellenwert beimessen, dürften die beiden Theorien praktisch nicht zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen führen54. Schließlich ist es nach beiden Theorien für die Auslegung einer Norm zwar notwendig, die Entstehungsgeschichte einer Norm zu berücksichtigen, nicht aber hinreichend. Nach beiden Auffassungen bedarf es stets einer Berücksichtigung der momentanen Verhältnisse. Sowohl die Rede von der Suche nach dem „Willen des Gesetzgebers“ auf der einen als auch die Rede von der Suche nach dem „Willen des Gesetzes“ auf der anderen Seite verschleiern das Problem, vor dem der Richter als Rechtsanwender bei der Auslegung einer Norm zur Lösung eines konkreten Falls steht: Weder die in einer Norm verwendeten Begriffe noch das System, in das die Norm sich einfügt, noch das Regelungsziel einer Norm lassen sich – wie Baldus zutreffend ausführt – abstrakt und aus sich selbst heraus verstehen55. Eine Norm ist anders als ein Naturgesetz das Produkt menschlicher Überlegungen56. Sie ist die Reaktion des Gesetzgebers auf ein Regelungsproblem seiner

50 Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 177; Kramer, Methodenlehre, S. 141 f. 51 Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 177; Kramer, Methodenlehre, S. 143; Larenz, Methodenlehere, S. 318. 52 Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 177; Kramer, Methodenlehre, S. 144 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass zwar „eine Konsultierungspflicht, aber keine unbedingte Befolgungspflicht“ bestehe. 53 Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 186; Kramer, Methodenlehre, S. 141. 54 Vorsichtiger die Einschätzung von Funke, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 175, 185, nach dessen Auffassung sich die beiden Theorien in ihrer neueren Ausprägung im Ergebnis „oft“ decken dürften. 55 Baldus, Gesetzgebung, Verwerfungsargument, II. 2; Baldus, Europäische Methodenlehre, S. 26, 110. 56 Larenz, Methodenlehre, S. 316; Meyer-Seitz, Gesetzgebung, I.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

Zeit57. Mit ihrer Hilfe versucht der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrung dieses Regelungsproblem zu lösen58. Eine Norm lässt sich daher nur anhand des Eingriffs, der Veränderung, die sie bewirken sollte, verstehen59. Nur vor dem Hintergrund ihrer historischen Vorgeschichte, ihrer Erlassgeschichte und der bei ihrer Entstehung geführten Diskussion kann die Frage beantwortet werden, warum eine Norm so und nicht anders erlassen wurde60. Dabei geht es keinesfalls darum, den subjektiven Willen irgendeines als Person gedachten Gesetzgebers zu erforschen, um diesem Folge leisten zu können. Schließlich ist zwar der Erlass von Normen Aufgabe des Gesetzgebers. Die Anwendung der Normen und damit die Entscheidung darüber, wie eine Norm ausgelegt wird, ist jedoch allein Aufgabe des Richters61. Bei der historischen Auslegung geht daher einzig darum, mithilfe der Vor- und Erlassgeschichte einer Norm, diese um deren besseren Verständnisses wegen in ihren historischen Kontext einzuordnen62. Dies gilt in besonderem Maße für das Sachenrecht. Die einzelnen Normen des Sachenrechts stehen nicht isoliert voneinander, sondern sind ähnlich den Zahnrädern eines Uhrwerks einzelne ineinandergreifende Teile eines größeren Regelungssystems, von dem der Gesetzgeber bei Schaffung der einzelnen Normen ausgegangen ist. Aufgabe des Normanwenders ist es, anhand der Vor- und Erlassgeschichte der Norm herauszufinden, welche Stellung die einzelne Norm innerhalb des Systems einnimmt und wie sie darin wirkt. Dazu hat er die Norm, soweit es deren Wortlaut zulässt, so in das Gesamtsystem einzuordnen, dass ein in sich stimmiges Gesamtbild entsteht. Dies gilt selbst dann, wenn diese Einordnung in Einzelfällen derjenigen widersprechen mag, die der Gesetzgeber selbst etwa aufgrund unrichtiger Schlussfolgerungen vorgenommen hat. Andernfalls könnten – um in der Metapher zu bleiben – die Zahnräder des Uhrwerks nicht ineinander greifen; das Uhrwerk würde ins Stocken geraten.

57 Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 15; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 486 RdNr. 816; ähnlich Larenz, Methodenlehre, S. 318. 58 Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 15. 59 Baldus, Europäische Methodenlehre, S. 26, 110. 60 Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 23; Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 75, 77. Auch Puppe, Juristisches Denken, S. 143 betont, dass es sich bei der historischen Auslegung nicht um eine weitere neben der grammatischen, der systematischen und der teleologischen Auslegung stehende Auslegungsmethode handelt. 61 Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 20, 26. 62 Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 5, 24; Baldus, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 75, 77; Baldus, Europäische Methodenlehre, S. 26, 110.

§ 2 Inhalt der Grunddienstbarkeit

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§ 2 Inhalt der Grunddienstbarkeit A. Grunddienstbarkeit als Dienstbarkeit Die Grunddienstbarkeit ist im vierten Abschnitt des dritten Buches des BGB geregelt. Dieser mit „Dienstbarkeiten“ überschriebene vierte Abschnitt des Sachenrechts behandelt in drei aufeinander folgenden Titeln die drei beschränkten dinglichen Rechte Grunddienstbarkeit (§§ 1018 bis 1029 BGB), Nießbrauch (§§ 1030 bis 1089 BGB) und beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 bis 1093 BGB). I. Bedeutung des Oberbegriffs „Dienstbarkeiten“ Eine Definition des Begriffs „Dienstbarkeit“ enthält das BGB nicht. Der Begriff der „Dienstbarkeit“ wird im BGB lediglich als Überschrift des vierten Abschnittes und damit als Oberbegriff für die in diesem Abschnitt getrennt voneinander geregelten beschränkten dinglichen Rechte Grunddienstbarkeit, Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeit verwendet. Die Behandlung dieser drei beschränkten dinglichen Rechte unter einem gemeinsamen Oberbegriff führt eine Tradition der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts fort. Diese nahm D.8.1.1. zum Vorbild63, welcher lautet: „Marcianus libro tertio regularum. Servitutes aut personarum sunt, ut usus et usus fructus, aut rerum, ut servitutes rusticorum praediorum et urbanorum.“ „Marcian im 3. Buch der Rechtsregeln. Dienstbarkeiten bestehen entweder zugunsten von Personen, wie das Gebrauchsrecht und der Nießbrauch, oder zugunsten von Sachen, wie die Dienstbarkeiten an ländlichen und städtischen Grundstücken.“ 64

Unter Berufung auf diese Digestenstelle65 war es in der Pandektenliteratur üblich, den Oberbegriff servitutes für die beiden Untergruppen der persönlichen Nutzungsrechte (servitutes personarum: usus, usus fructus) einerseits und der Grunddienstbarkeiten (servitutes rerum: servitutes rusticorum praediorum et urbanorum) andererseits zu gebrauchen66. Allerdings ist der Ausdruck servitutes in 63 Auch MüKo/Joost Vor 1018 RdNr. 2; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 430 weisen auf den Ursprung des Oberbegriffes „Dienstbarkeit“ im römischen Recht hin. 64 Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 665. 65 Johow, Sachenrecht II, S. 1108; Luden, Servituten, S. 30 Fn. 1; Schönemann, Servituten, S. 6. 66 Siehe dazu nur Luden, Servituten, S. 30; Zielonacki, Servituten, S. 25. Im älteren und noch im klassischen römischen Recht vor Marcian verstand man unter servitutes hingegen lediglich die Grunddienstbarkeiten (Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht,

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

den Digesten nicht nur als Oberbegriff verwendet, sondern bezeichnet an mehreren Stellen, wie zum Beispiel in der Überschrift des ersten Titels des achten Buches der Digesten „De servitutibus“, auch ausschließlich die Untergruppe der Grunddienstbarkeiten67. Um begrifflich besser zwischen den servitutes im weiten Sinne, also den Dienstbarkeiten allgemein, und den servitutes im engen Sinne, also den Grunddienstbarkeiten, unterscheiden zu können, benutzte die Pandektenwissenschaft für letztere häufig auch den Begriff „Real-/Prädialservituten“, wohingegen sie die persönlichen Nutzungsrechte als „Personalservituten“ bezeichnete68. Gebräuchlich waren auch die begriffliche Unterteilung in „dingliche“ und „persönliche Servituten“ oder „Dienstbarkeiten69“ sowie Mischformen jener Unterteilungen, wie etwa die Unterteilung in „persönliche Dienstbarkeiten“ einerseits und „Grunddienstbarkeiten“ andererseits70. In Anlehnung an diese begriffliche Einteilung der Dienstbarkeiten oder Servituten71 waren die meisten Untersuchungen des Servitutenrechts aufgebaut72. Im Gegensatz zum Aufbau der Digesten, die in D.8.1.1. zwar den Oberbegriff servitutes verwenden, die persönlichen Nutzungsrechte und die Grunddienstbarkeiten aber ansonsten getrennt voneinander in unterschiedlichen Büchern – jene im siebten, diese im achten Buch – behandeln, unterzog die Pandektenwissenschaft die persönlichen Nutzungsrechte und die Grunddienstbarkeiten meist einer gemeinsamen Untersuchung73. Diese war so aufgebaut, dass nach einer Definition S. 164 (§ 28 RdNr. 2); Möller, Servituten, S. 34; Bund ZRG Rom. Abt. 73 (1956), 155, 157 ff.). 67 Elvers, Servitutenlehre, S. 19 ff. vermutet den Grund für die doppelte Bedeutung des Begriffs servitus in der Entwicklungsgeschichte der Servituten. 68 Brinz, Pandekten I, S. 252, 263; Keller, Pandekten, S. 314, 333; Puchta, Pandekten, S. 251, 263; Seuffert, Pandekten I, S. 206, 220; Zielonacki, Servituten, S. 25. 69 Luden, Servituten, S. 30; Thibaut, Pandekten II, S. IX. 70 So Arndts, Pandekten (1865), S. 273, 282. 71 Schönemann, Servituten, S. 8 führt die Verwendung des Begriffs servitus als gemeinsame Bezeichnung von persönlichen Nutzungsrechten und Grunddienstbarkeiten auf den arbor servitutum der Glossatoren zurück, die unter den Begriff servitus jede Unterwerfung einer Person oder Sache unter eine andere Person oder Sache fassten. Ein arbor servitutum ist abgebildet bei Möller, Servituten, S. 367. 72 Das stellt unter Hinweis auf Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1026 ff. auch Just, FS Trusen, S. 493, 493 fest. 73 Siehe dazu nur die Inhaltsverzeichnisse der Abhandlungen über die Servituten im 19. Jhdt.: Elvers, Servitutenlehre; Hoffmann, Servituten I; Luden, Servituten; Schönemann, Servituten; Zielonacki, Servituten. Die gleiche Einteilung findet sich in der allgemeinen Pandektenliteratur: Arndts, Pandekten (1865), S. XIV; Dernburg, Pandekten I, S. XVII; Keller, Pandekten, S. XIII; Seuffert, Pandekten IXVIII f.; Thibaut, Pandekten II, S. IX f. Anders Brinz, Pandekten I, mit einer gesonderten Behandlung der Prädialservituten (S. 252 ff.) und der Personalservituten (S. 263 ff.) ohne vorangestellte Erörterung ihrer Gemeinsamkeiten; diese erfolgt im Rahmen der Untersuchung der Prädialservituten (S. 362 f.).

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des Oberbegriffs der servitutes74 oder zumindest einem Überblick über die die servitutes im weiten Sinne verbindenden und sie von anderen dinglichen Rechten unterscheidenden Eigenschaften75 in einer Art allgemeinem Teil die für alle Servituten geltenden Grundsätze herausgearbeitet wurden. Erst im Anschluss hieran wurde auf die inhaltlichen Besonderheiten der beiden Untergruppen und deren Unterarten eingegangen. Die sich anschließende Untersuchung des Entstehens, des Endes und des Rechtsschutzes erfolgte wiederum für alle Servituten gemeinsam. Auch Johow wählte für seinen Vorentwurf in Fortführung der pandektenwissenschaftlichen Tradition und in Übereinstimmung mit den meisten deutschen partikularrechtlichen Zivilrechtskodifikationen oder Kodifikationsentwürfen seiner Zeit76 einen gemeinsamen Oberbegriff für die Grunddienstbarkeiten einerseits und die persönlichen Dienstbarkeiten andererseits. Im Einklang mit der in den Kodifikationen bzw. Kodifikationsentwürfen üblichen Terminologie77 entschied er sich dabei für die deutsche Bezeichnung „Dienstbarkeiten“ 78. Auch der Aufbau des Vorentwurfs79 gleicht dem der wissenschaftlichen Untersuchungen des Servitutenrechts im 19. Jahrhundert. So beginnt der fünfte, mit dem Begriff „Dienstbarkeiten“ überschriebene Abschnitt des Sachenrechts mit einer Aufstellung „Allgemeine[r] Bestimmungen“ im ersten Titel. In diesem Titel wird im Anschluss an die Regelung der rechtlichen Natur der Dienstbarkeiten auf deren Begründung, Erlöschen und rechtlichen Schutz eingegangen. Im zweiten Titel wird die Untergruppe der Grunddienstbarkeiten behandelt. Der dritte Titel über die persönlichen Dienstbarkeiten ist nochmals unterteilt in Regelungen über den Nießbrauch einerseits und die beschränkte persönliche Dienstbarkeit andererseits. Grundlegend anders ist demgegenüber der Aufbau des Abschnitts über die Dienstbarkeiten im Entwurf erster Lesung; dieser Aufbau wurde unverändert ins BGB übernommen. Zwar ist im Entwurf erster Lesung der Oberbegriff „Dienstbarkeiten“ als Überschrift des siebten Abschnittes beibehalten80. Anders als im Vorentwurf Johows enthält der Entwurf erster Lesung jedoch weder eine Definition des Begriffs 74 Eine umfangreiche Liste der vertretenen Definitionen stellt Schönemann, Servituten, S. 25 ff. auf. 75 So Zielonacki, Servituten, S. 1 ff. 76 Siehe dazu die Aufzählung bei Johow, Sachenrecht II, S. 1108 f. Dort auch ein Eingehen auf das Fehlen eines gemeinsamen Oberbegriffs im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten und im Code civil. 77 Dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1109. 78 Johow, Sachenrecht I, S. IX. 79 Johow, Sachenrecht I, S. IX. 80 Siehe dazu die Inhaltsübersicht bei Mugdan, Materialien III.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

„Dienstbarkeit“, noch stellt er für alle Dienstbarkeiten einheitlich geltende Bestimmungen auf. Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sind vielmehr getrennt voneinander in unterschiedlichen Titeln geregelt. Der Entwurf erster Lesung und mit ihm das BGB wenden sich damit von dem in der Pandektenwissenschaft üblichen Aufbau ab und kehren insoweit zu den Quellen dieser Wissenschaft, den Digesten, zurück. Dort sind die persönlichen Nutzungsrechte und die Grunddienstbarkeiten getrennt voneinander behandelt, diese im siebten, jene im achten Buch. Der im BGB wie schon im Entwurf erster Lesung beschrittene Mittelweg – Behandlung von Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit unter einem gemeinsamen Oberbegriff und im selben Abschnitt auf der einen und der Verzicht auf allgemeine Regelungen als Bruch mit der bis dahin üblichen wissenschaftlichen Darstellung des Servitutenrechts auf der anderen Seite – wirft die Frage auf, welche Bedeutung der Zusammenfassung dieser Rechte unter dem Oberbegriff „Dienstbarkeiten“ beizumessen ist. Handelt es sich lediglich um eine historisch gewachsene, rein äußerliche Zusammenfassung verschiedener Rechte, die mit keinerlei Rechtsfolgen verbunden ist? Oder beruht die Zusammenfassung auf einer inneren Einheit, die es beispielsweise im Rahmen der systematischen Auslegung einzelner Dienstbarkeitsregelungen zu berücksichtigen gilt? Einerseits ist sowohl die Regelung von Grunddienstbarkeit, Nießbrauch und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit in verschiedenen Titeln desselben Abschnittes als auch die Verwendung des Oberbegriffs „Dienstbarkeiten“ als Überschrift dieses Abschnittes ein Hinweis darauf, dass diese drei beschränkten dinglichen Rechte eine Gemeinsamkeit verbindet, die sie zugleich von den anderen beschränkten dinglichen Rechten unterscheidet81. Diese Gemeinsamkeit sah der Gesetzgeber darin, dass der Inhalt des Rechts bei allen Dienstbarkeiten auf eine Benutzung der belasteten Sache gerichtet sei82. Dennoch könne, so heißt es in den Motiven, die Dienstbarkeit nicht als Benutzungsrecht oder Nutzungsrecht an der belasteten Sache definiert werden83. Denn als Bestandteil einer solchen Definition müsste der Begriff der Nutzung oder – gleichbedeutend mit diesem Begriff – der der Benutzung in einem anderen, nämlich weiteren Sinne als in der 81

Hierauf weisen auch die Motive III, S. 475 = Mugdan, Materialien III, S. 265. Motive III, S. 475 = Mugdan, Materialien III, S. 265. 83 Motive III, S. 475 = Mugdan, Materialien III, S. 265. Im Gegensatz dazu war es in der Pandektenwissenschaft des 19 Jhdts. durchaus üblich gewesen, die Dienstbarkeiten als Benutzungs- oder Nutzungsrecht an einer fremden Sache zu definieren, so etwa Arndts, Pandekten (1865), S. 269; Dernburg, Pandekten I, S. 552; Puchta, Pandekten, S. 251; Elvers, Servitutenlehre, S. 31 f. Dabei sah man von dem Begriff der Nutzungsoder Benutzungsrechts mit der Begründung, dass Benutzen Nutzen ziehen bedeute, auch das Recht umfasst, dass der Eigentümer der belasteten Sache bestimmte Handlungen zu unterlassen habe. Schließlich könne der Berechtigte auch hieraus Nutzen ziehen; dazu Elvers, Servitutenlehre, S. 31 f. 82

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Legaldefinition des § 793 des Entwurfs erster Lesung84 verstanden werden, stünde also zu dieser in Widerspruch85. Während Nutzungen gemäß § 793 des Entwurfs erster Lesung nur Früchte und die mit dem Gebrauch verbundenen Vorteile seien, komme als Inhalt von Grunddienstbarkeiten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten schließlich auch das Recht in Betracht, vom Eigentümer des belasteten Grundstücks die Unterlassung von Handlungen zu verlangen86. Auch eine Definition, wonach der Eigentümer des belasteten Grundstücks etwas zu dulden oder zu unterlassen habe, scheide mangels Verpflichtungswirkung eines dinglichen Rechts aus87. Allein aufgrund dieser sprachlichen Schwierigkeiten, nicht aber mangels einer diese drei Arten von Dienstbarkeiten verbindenden und sie gleichzeitig von den anderen beschränkten dinglichen Rechten unterscheidenden Gemeinsamkeit entschied sich die erste Kommission schließlich gegen eine Definition des Begriffs der Dienstbarkeit. Anderseits enthalten sowohl der Entwurf erster Lesung als auch das BGB im Unterschied zu Johows Vorentwurf keinen Allgemeinen Teil des Dienstbarkeitsrechts, der für alle Dienstbarkeiten einheitlich geltende Regelungen aufstellt. Als Grund hierfür wird in den Motiven zum einen angeführt, dass zwischen der Grunddienstbarkeit und der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit einerseits und dem Nießbrauch andererseits insofern ein tiefgreifender Unterschied bestehe, als der Inhalt des Nießbrauchs gesetzlich bestimmt und nur beschränkbar sei, während der Inhalt der Grunddienstbarkeit und der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit durch das diese Rechte begründende Rechtsgeschäft bestimmt werde88. Unklar an dieser Begründung ist jedoch, weshalb dieser Strukturunterschied zwingend gegen die Aufstellung von allgemeinen Regelungen für alle Arten von Dienstbarkeiten sprechen soll. Schließlich schließt dieser eine Unterschied nicht die Aufstellung von Regelungen aus, die aufgrund einer alle Dienstbarkeiten verbindenden Gemeinsamkeit einheitlich für alle Grunddienstbarkeiten gelten sollen. Zum anderen wird in den Motiven die Entscheidung gegen einen Allgemeinen Teil des Dienstbarkeitsrechts damit begründet, dass der Vorentwurf keine Regelungen enthalte, die sich aus einer alle Dienstbarkeiten verbindenden und diese zugleich von den anderen beschränkten dinglichen Rechten unterscheidenden Eigenschaft ableiten ließen und daher zwar für alle Arten von Dienstbarkeiten,

84 § 793 des Entwurfs erster Lesung, welcher im Wesentlichen § 100 BGB entspricht, lautet: „Nutzungen einer Sache oder eines Rechtes im Sinne des Gesetzes sind die Früchte derselben sowie die Vortheile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.“ (Mugdan, Materialien III, S. III). 85 Motive III, S. 475 = Mugdan, Materialien III, S. 265. 86 Motive III, S. 475 = Mugdan, Materialien III, S. 265. 87 Motive III, S. 475 f. = Mugdan, Materialien III, S. 265. 88 Motive III, S. 476 = Mugdan, Materialien III, S. 265.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

nicht aber zugleich für andere beschränkte dingliche Rechte Geltung beanspruchen könnten89. Zwar unterschieden sich die Dienstbarkeiten untereinander nicht in ihrer Begründung, Aufhebung und des ihnen gewährten Schutzes. Jedoch unterschieden sie sich darin auch nicht von anderen beschränkten dinglichen Rechten90. Darüber hinaus gebe es jedoch „kaum“ 91 Vorschriften, die für alle Dienstbarkeiten einheitlich und gleichzeitig nur für diese gälten92. Um welche Vorschriften es sich dabei handeln soll, lassen die Motive allerdings offen. Wie aus den Protokollen der Beratungen der ersten Kommission ersichtlich ist, hielt von den Regelungen der „Allgemeinen Bestimmungen“ in Johows Vorentwurf keine einzige Regelung einer Überprüfung auf Erfüllung dieser Anforderungen stand93. Es liegt daher der Schluss nahe, dass die erste Kommission der Auffassung war, dass es keine Regelung gebe, die für alle Dienstbarkeiten einheitlich und nur für diese gelten solle, und sich nur nicht zu einer die Existenz einer solchen Regelung eindeutig ausschließenden Aussage durchringen konnte94. Nahm der Gesetzgeber demnach zwar eine Gemeinsamkeit von Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit an, welche deren Behandlung unter einem gemeinsamen Oberbegriff im selben Abschnitt seiner Meinung nach rechtfertigte, so sprach er dieser Gemeinsamkeit doch jedwede rechtliche Folge ab, die die Aufstellung gemeinsamer Regelungen in einem Allgemeinen Teil hätte rechtfertigen können. Tatsächlich enthält denn auch das BGB in den drei Titeln über die einzelnen Dienstbarkeiten keine für alle Dienstbarkeiten parallel geltenden Vorschriften95. Die einzige Norm, die sämtliche Dienstbarkeiten erfasst, § 916 BGB, gilt nicht nur für diese, sondern auch für das Erbbaurecht96. Die Behandlung von Grunddienstbarkeit, Nießbrauch und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit unter einem gemeinsamen Oberbegriff im selben Abschnitt beruht daher nicht auf einer Gemeinsamkeit dieser Rechte, welche sie zugleich von den anderen beschränkten dinglichen Rechten unterscheidet. Sie folgt keiner 89 Motive III, S. 476 = Mugdan, Materialien III, S. 265; Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 1 f. 90 Motive III, S. 476 = Mugdan, Materialien III, S. 265; Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 2. 91 Motive III, S. 476 = Mugdan, Materialien III, S. 265. 92 Motive III, S. 476 = Mugdan, Materialien III, S. 265. 93 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 1 f. 94 Die Frage nach der Existenz einer Regelung, welche für alle Dienstbarkeiten einheitlich, aber ausschließlich für diese gilt, wurde – soweit ersichtlich – in der zeitgenössischen Literatur nicht diskutiert. 95 So auch Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 430, 430 Fn. 4. 96 Darauf weist auch Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 430 Fn. 4 hin.

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inneren, von einheitlichen Grundsätzen getragenen Ordnung. Sie ist vielmehr nichts anderes als eine historisch gewachsene rein äußerliche Zusammenfassung unterschiedlich konstruierter beschränkter dinglicher Rechte, welche die Nutzung einer fremden Sache zum Inhalt haben97. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Auslegung von Dienstbarkeitsvorschriften, die allein aufgrund der Regelung aller Dienstbarkeiten in demselben Abschnitt unter einem gemeinsamen Oberbegriff zu dem Ergebnis kommt, dass das, was für eine Art der Dienstbarkeiten gilt, auch für die beiden anderen Arten gelten müsse98. Im Gegenteil zeigt der bewusste Verzicht des Gesetzgebers auf einen Allgemeinen Teil des Dienstbarkeitsrechts, dass für jede Dienstbarkeit grundsätzlich eigene Regeln gelten. Dies wird auch an § 1090 BGB deutlich, der für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit auf Normen verweist, welche die Grunddienstbarkeit und den Nießbrauch betreffen. Denn richteten sich alle Dienstbarkeiten grundsätzlich nach den gleichen Rechtsgrundsätzen, so wäre ein entsprechender Verweis auf einzelne für eine andere Dienstbarkeit getroffene Regelungen überflüssig. Von der Geltung einer Regelung für eine Art der Dienstbarkeit auf die Geltung dieser Regelung auch für eine andere Art der Dienstbarkeit zu schließen, ist daher nur ausnahmsweise und nur mit Argumenten möglich, die nicht den Standort aller Dienstbarkeiten in ein und demselben Abschnitt betreffen. Zu denken ist hier beispielsweise an das teleologische Argument derselben Funktion aller Dienstbarkeiten als Nutzungsrechte an einer fremden Sache oder einem fremden Recht. II. Abgrenzung der Grunddienstbarkeit von den anderen Dienstbarkeiten 1. Abgrenzung der Grunddienstbarkeit vom Nießbrauch Sowohl Grunddienstbarkeit als auch Nießbrauch sind beschränkte dingliche Nutzungsrechte99. Die Grunddienstbarkeit ist ein subjektiv-dingliches Recht, das gemäß § 1018 BGB dem jeweiligen Eigentümer eines bestimmten, nämlich des 97 Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 430 Fn. 4 bezeichnet den Dienstbarkeitsbegriff gar als „toten Schulbegriff“. Angesichts dessen, dass der Begriff „Dienstbarkeiten“ in § 916 BGB verwendet wird, kann ihm jedoch nicht jegliche Bedeutung abgesprochen werden. Seine Bedeutung reicht nur nicht über die als Sammelbezeichnung für die beschränkten dinglichen Rechte Grunddienstbarkeit, Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeit hinaus. 98 So aber Amann DNotZ 1982, 396, 411, der die „gemeinsame Zugehörigkeit aller dieser beschränkten dinglichen Rechte zu der im 5. Abschnitt des Sachenrechts vereinigten Familie der ,Dienstbarkeiten‘“ als Argument dafür anführt, dass bei dem „zum Inhalt des Wohnungsrechts oder anderer Dienstbarkeiten gehörenden Schuldverhältnis“ die gleiche Dispositionsfreiheit der Beteiligten bestehen müsse wie beim zum Inhalt des Nießbrauchs gehörenden Schuldverhältnis. 99 Dazu: MüKo/Joost Vor § 1018 RdNr. 1; Staudinger/Mayer Vorbem §§ 1018–1019 RdNr. 2; Soergel/Stürner Vor § 1018 RdNr. 1.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

herrschenden, Grundstücks zusteht100. Der Nießbrauch hingegen ist ein subjektiv-persönliches Recht, das als solches nicht dem jeweiligen Eigentümer eines bestimmten Grundstücks, sondern gemäß § 1090 BGB einer bestimmten Person zusteht101. Der Nießbrauch ist gemäß § 1061 BGB nicht vererblich und gemäß § 1059 BGB grundsätzlich nicht übertragbar (Ausnahmen: §§ 1059a ff. BGB102). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Nießbrauch im Gegensatz zur Grunddienstbarkeit nicht nur an Grundstücken, sondern auch an beweglichen Sachen (§ 1030 BGB) und Rechten (§ 1068 BGB) bestellt werden kann. Auch inhaltlich unterscheiden sich Grunddienstbarkeit und Nießbrauch. Die Grunddienstbarkeit räumt gemäß § 1018 BGB dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks die Befugnis zur teilweisen Nutzung des belasteten Grundstücks ein, indem entweder gemäß § 1018 Var. 1 BGB dieser das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder gemäß § 1018 Var. 2 BGB auf dem belasteten Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder gemäß § 1018 Var. 3 BGB die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt103. Demgegenüber gibt der Nießbrauch gemäß § 1030 I BGB dem Berechtigten die Befugnis, sämtliche Nutzungen einer Sache zu ziehen. Allerdings besteht auch beim Nießbrauch gemäß § 1030 II BGB die Möglichkeit, das durch ihn eingeräumte umfassende Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück durch den Ausschluss einzelner Nutzungen zu beschränken. Die Möglichkeit, das umfassende Nutzungsrecht des Nießbrauchers gemäß § 1030 II BGB durch den Ausschluss einzelner Nutzungen zu beschränken, erschwert die Abgrenzung des Nießbrauchs von der Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB, der Benutzungsgrunddienstbarkeit. Handelt es sich im Einzelfall noch um eine, wenn auch umfangreiche, Benutzung „in einzelnen Beziehungen“ des Grundstücks gemäß § 1018 Var. 1 BGB und damit um eine Grunddienstbarkeit oder ist dem Berechtigten nicht doch das Recht eingeräumt, gemäß 100 MüKo/Joost Vor § 1018 RdNr. 4; Staudinger/Mayer Vorbem zu §§ 1018–1029 RdNr. 5; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 6; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 2. 101 MüKo/Joost Vor § 1018 RdNr. 6; Staudinger/Mayer Vorbem zu §§ 1018–1029 RdNr. 7; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 2. 102 Die §§ 1059 a ff. BGB wurden anstelle der gleichlautenden §§ 1 bis 4 des Gesetzes über die Veräußerung von Nießbrauchsrechten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten vom 13.12.1935 (RGBl. I S. 1468 f.) und des § 1 der Verordnung zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes vom 12.06.1936 (RGBl. I S. 489) durch Artikel 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des Bürgerlichen Rechts vom 05.03.1953 (BGBl. I (Nr. 8) S. 34) ins BGB eingefügt; dazu Heß AcP 197 (1997), 489; Just, FS Trusen, S. 493, 508 f.; Wessel DB 1994, 1605, 1605, die letzten beiden auch zu den Hintergründen dieser Regelungen. 103 Staudinger/Mayer Vorbem zu §§ 1018–1029 RdNr. 5 differenziert zwischen unmittelbarer (Var. 1) und mittelbarer (Var. 2, 3) Nutzung. Zu den einzelnen Varianten des § 1018 BGB siehe ausführlich S. 44 ff.

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§ 1030 I BGB sämtliche Nutzungen der Sachen zu ziehen, von dem gemäß § 1030 II BGB lediglich einzelne Nutzungen ausgeschlossen sind, so dass ein Nießbrauch vorliegt? a) Verschiedene Abgrenzungsversuche Über die Abgrenzung von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch herrscht in Literatur und Rechtsprechung Streit104. Dieser beruht auf unterschiedlichen Auffassungen über die Bedeutung des Tatbestandmerkmals „Benutzung in einzelnen Beziehungen“ in § 1018 Var. 1 BGB und – damit einhergehend – der Tatbestandmerkmale „Nutzungen der Sache“ in § 1030 I BGB und „Ausschluss einzelner Nutzungen“ in § 1030 II BGB. Eine Auffassung105 stellt an das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Benutzung in einzelnen Beziehungen“ in § 1018 Var. 1 BGB sowohl formelle als auch materielle Anforderungen. Über die sich schon aus dem Wortlaut der Norm ergebende rein formale Anforderung der Einräumung lediglich einzelner, spezifizierter Nutzungsmöglichkeiten in der Bestellungsurkunde hinaus verlangt diese Auffassung, dass die den Gegenstand der Grunddienstbarkeit bildende Benutzung die Benutzungsmöglichkeiten, die das Grundstück bietet, nicht erschöpfen dürfe. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks dürfe durch die Grunddienstbarkeit nicht von der Benutzung seines Grundstücks praktisch ausgeschlossen werden106. Ihm müsse daher eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit seines Grundstückes verbleiben107. Entsprechend diesem Verständnis von der „Benutzung in einzelnen Beziehungen“ i. S. d. § 1018 Var. 1 BGB nimmt diese Auffassung die Abgrenzung von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch in zwei Schritten vor108. In einem ersten, formellen Schritt überprüft sie den Inhalt der Bestellungsurkunde. Dabei kann

104 Eine Übersicht über den Streitstand findet sich bei Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 112 f.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 94 ff.; Schippers MittRhNotK 1996, 197, 198 f. Der BGH hat die Frage nach der Abgrenzung von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch bisher offen gelassen; da in den von ihm zu entscheidenden Fällen nach allen Auffassungen das Vorliegen einer Grunddienstbarkeit zu bejahen war (siehe BGH DNotZ 1993, 55, 55; BGH DNotZ 2003, 533, 536). 105 KG DNotZ 1992, 673, 673 f.; KG NJWE-MietR 1996, 108, 108; OLG Köln DNotZ 1982, 442, 442 f.; BayObLG DNotZ 1986, 622, 623; BayObLG DNotZ 1981, 438 ff.; Dietzel Rpfleger 1987, 296, 296; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 28. 106 KG NJWE-MietR 1996, 108, 108; BayObLG DNotZ 1980, 540, 542. 107 OLG Köln DNotZ 1982, 442, 443; LG Regensburg NJW-RR 1987, 791, 792; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 49. 108 KG DNotZ 1992, 673, 674; BayObLG DNotZ 1986, 622, 623; Dietzel Rpfleger 1987, 296, 297. Zum zweistufigen Vorgehen dieser Meinung siehe auch die Ausführungen bei Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 113 f.; Kanzleiter DNotZ 1986, 624 f.; Schippers MittRhNotK 1996, 197, 198.

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nach dieser Meinung eine Grunddienstbarkeit nur vorliegen, wenn dem Berechtigten einzelne, genau spezifizierte Nutzungen eingeräumt sind109, ein Nießbrauch hingegen nur, wenn ihm die Nutzungen grundsätzlich umfassend eingeräumt werden, wobei allerdings einzelne Nutzungen ausgeschlossen sein können110. Genügt die Bestellungsurkunde diesen formellen Anforderungen an das Vorliegen einer Grunddienstbarkeit nicht, weil nach ihrem Wortlaut beispielsweise eine Grunddienstbarkeit dem Berechtigten ein umfassendes Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück einräumt, soll sich eine weitere Prüfung erübrigen111. Ist formell eine Grunddienstbarkeit zu bejahen, prüft diese Auffassung in einem zweiten Schritt, ob auch materiell eine „Benutzung in einzelnen Beziehungen“ i. S. d. § 1018 Var. 1 BGB vorliegt112, ob also dem Eigentümer des belasteten Grundstücks weiterhin eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung seines Grundstücks möglich ist113. Sind dem Berechtigten in der Bestellungsurkunde formell grundsätzlich sämtliche Nutzungen eingeräumt und nur einzelne spezifizierte Nutzungen ausgeschlossen, bejaht diese Auffassung das Vorliegen eines Nießbrauchs meist ohne darüber hinaus noch materielle Anforderungen zu prüfen114. Als materielle Anforderung wird lediglich vereinzelt verlangt, dass dem Nießbraucher trotz des Ausschlusses „einzelner Nutzungen“ i. S. d. § 1030 II BGB die der wirtschaftlichen Zweckbestimmung der Sache entsprechende Hauptnutzung verbleiben müsse115. Eine andere Auffassung116 legt die Tatbestandsmerkmale „Benutzung in einzelnen Beziehungen“ in § 1018 Var. 1 BGB und „Ausschluss einzelner Nutzun109 KG DNotZ 1992, 673, 674; KG NJWE-MietR 1996, 108, 108; BayObLG DNotZ 1986, 622, 623; BayObLG DNotZ 1981, 438, 440 ff. 110 OLG Zweibrücken DNotZ 1982, 444, 445; BayObLG DNotZ 1981, 438, 440 ff.; Dietzel Rpfleger 1987, 296, 297. 111 KG DNotZ 1992, 673, 674; KG NJWE-MietR 1996, 108, 108; BayObLG DNotZ 1986, 622, 623; Dietzel Rpfleger 1987, 296, 297. 112 BayObLG DNotZ 1986, 622, 623; Dietzel Rpfleger 1987, 296, 297. 113 Siehe Nachweise in S. 39 Fn. 107. 114 Schippers MittRhNotK 1996, 197, 198 weist darauf hin, dass sich aus den Aussagen dieser Meinung, dass der Charakter des Nießbrauchs als grundsätzlich umfassendes Nutzungsrecht nicht beeinträchtigt werden dürfe (so Soergel (1989)/Stürner § 1030 RdNr. 9; weitere Nachweise bei Schippers MittRhNotK 1996, 197, 198), nicht klar erkennen lässt, ob es sich dabei um eine lediglich formelle oder auch eine materielle Anforderung handeln soll. 115 Staudinger(1994)/Frank § 1030 RdNr. 55; Schön, Nießbrauch, S. 302 f. 116 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 113; Staudinger/Frank § 1030 RdNr. 55; Kanzleiter DNotZ 1986, 624, 624 ff.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 101; NK-BGB/ Otto § 1018 RdNr. 67; Schippers MittRhNotK 1996, 197, 199; Schöner DNotZ 1982, 416, 416 ff.; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 12 (a. A. in der Vorauflage); Stürner AcP 194 (1994), 265, 282; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 913; OLG Köln

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gen“ in § 1030 II BGB rein formell ausschließlich nach dem Inhalt der Bestellungsurkunde aus. Sind nach dem Wortlaut der Vereinbarung dem Berechtigten einzelne, spezifizierte Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt, bejaht diese Auffassung eine Grunddienstbarkeit unabhängig davon, ob dem Eigentümer des belasteten Grundstücks noch irgendwelche wirtschaftlich sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten verbleiben. Ist dem Berechtigten hingegen formell ein grundsätzlich umfassendes Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück eingeräumt, so wird ein Nießbrauch ohne Rücksicht darauf angenommen, in welchem Umfang einzelne, spezifizierte Nutzungsrechte ausgeschlossen sind. Nach dieser Auffassung können die Parteien also, solange sie die formalen Anforderungen einhalten, frei wählen, ob sie ein Nutzungsrecht an einem Grundstück als Nießbrauch oder als Grunddienstbarkeit ausgestalten wollen117. Im Gegensatz zu dieser rein formellen Abgrenzung von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch sprechen sich andere118 für eine rein materielle Abgrenzung danach aus, ob die wesentlichen Nutzungsbefugnisse dem Eigentümer des belasteten Grundstücks oder dem aus dem dinglichen Recht Berechtigten zustehen119. In diesem Fall liege unabhängig vom formellen Inhalt der Bestellungsurkunde ein Nießbrauch vor, in jenem Fall eine Grunddienstbarkeit. b) Stellungnahme Vorzugswürdig erscheint die rein formelle Abgrenzung von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch. Schon der Wortlaut des § 1018 BGB und des § 1030 BGB gibt einen Anhaltspunkt dafür, dass für das Vorliegen der Nutzung „in einzelnen Beziehungen“ i. S. d. § 1018 Var. 1 BGB bzw. der umfassenden Nutzung unter Ausschluss „einzelner Nutzungen“ i. S. d. § 1030 BGB lediglich formell auf den Inhalt der Bestellungsurkunde abzustellen ist und es nicht darüber hinaus oder sogar ausschließlich auf die Verteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten zwischen dem Eigentümer des belasteten Grundstücks und dem Berechtigten ankommt. „In einzelnen Beziehungen“ genutzt wird eine Sache solange vom Berechtigten, wie dem Eigentümer der Sache von der Gesamtheit der Nutzungsmöglichkeiten einer Sache wenigstens eine Nutzungsmöglich-

BeckRS 2012, 18850; zustimmend, aber letztlich offen gelassen auch BayObLG DNotZ 1989, 254, 254 f.; BayObLG DNotZ 1988, 313, 313 ff. Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 459 hält diese Auffassung gegenüber jener zwar für vorzugswürdig, findet letztlich aber beide Ansichten nicht überzeugend. 117 Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 12 (a. A. in der Vorauflage); Stürner AcP 194 (1994), 265, 282. 118 RGZ 67, 378, 379; Hub, Inhalt von Dienstbarkeiten, S. 46 ff.; Soergel (1989)/ Stürner § 1018 RdNr. 12, § 1030 RdNr. 10. 119 Soergel (1989)/Stürner § 1018 RdNr. 12.

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keit verbleibt. Auf die Anzahl der ihm verbleibenden Nutzungsmöglichkeiten kommt es dabei ebenso wenig an, wie auf deren wirtschaftlichen Wert120. Zudem bedarf es, um die Verteilung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten beurteilen zu können, häufig der Berücksichtigung von Umständen, die nicht aus dem Grundbucheintrag und der darin in Bezug genommen Eintragungsbewilligung ersichtlich sind. Doch sind – dies sei im Vorgriff auf spätere Ausführungen bereits an dieser Stelle erwähnt121 – aus dem Grundbucheintrag oder der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung nicht hervorgehende Umstände bei der Bestimmung des Inhalts der Eintragung, aus dem sich wiederum – zumindest im Falle der Übereinstimmung mit der dinglichen Einigung – der Inhalt der Grunddienstbarkeit ergibt, grundsätzlich gar nicht zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt nur, wenn diese außerhalb der Eintragung und der Eintragungsbewilligung liegende Umstände „für jedermann ohne weiteres“ ersichtlich sind. Auch wenn eindeutige Kriterien dafür, wann ein Umstand für jedermann und ohne weiteres ersichtlich ist, bisher fehlen122, dürfte die wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit eines Grundstückes wohl nicht jedermann und ohne weiteres, sondern erst nach eingehender wirtschaftlicher Prüfung ersichtlich sein. Als nicht ohne weiteres für jedermann erkennbaren Umstand kann die Verteilung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit des belasteten Grundstücks daher für die Abgrenzung von Nießbrauch und Grunddienstbarkeit ebenso wenig eine Rolle spielen wie für die Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit. Gegen eine Abgrenzung von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch anhand eines materiellen Kriteriums wie der Verteilung von Nutzungsbefugnissen spricht außerdem, dass die Zulässigkeit des von den Parteien gewählten Nutzungsrechts im Grundbucheintragungsverfahren gar nicht anhand materieller Maßstäbe überprüft werden kann123. In diesem sind gemäß § 29 GBO grundsätzlich nur Urkunden als Beweismittel zugelassen124. Die Zulässigkeit in materieller Hinsicht könnte erst in einer späteren gerichtlichen Prüfung festgestellt werden, was eine erhebliche Belastung für den Grundstücksverkehr darstellen würde125. Systematisch gegen eine Kombination von formellen und materiellen Kriterien spricht, dass so nicht alle Nutzungsrechte entweder vom Nießbrauch oder der

120 Zurecht verweist Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 113 verweist daher darauf, dass die Berücksichtigung von außerhalb der Bestellungsurkunde liegender tatsächlicher wirtschaftlicher Verhältnisse im Wortlaut „keine Stütze“ findet. 121 Siehe zur Bestimmung des Inhalts des Grundbucheintrags und der Rolle, die die Eintragung dabei spielt, ausführlich S. 80 ff. 122 Es existiert lediglich eine umfangreiche Kasuistik, siehe dazu die Nachweise bei Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 138. 123 Staudinger/Frank § 1018 RdNr. 101, § 1030 RdNr. 55. 124 Siehe dazu: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 152. 125 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 113; Schippers MittRhNotK 1996, 197, 199.

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Grunddienstbarkeit erfasst werden können126. Denn in den Fällen, in denen eine bestimmte Nutzungsart die einzige wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ist, könnte weder eine Grunddienstbarkeit noch ein Nießbrauch bestellt werden. Dies verdeutlicht das in der Literatur gern gebrauchte Beispiel eines Holznutzungsrechts an einem reinen Waldgrundstück127. In einem solchen Fall wäre die Bestellung einer Grunddienstbarkeit aus materiellen Gründen ausgeschlossen, da neben der forstwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks durch den Berechtigten keine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit existiert. Die Bestellung eines Nießbrauchs hingegen scheiterte an dem formellen Erfordernis, dass nach dem Inhalt der Bestellungsurkunde dem Berechtigten sämtliche Nutzungsrechte und nicht nur ein bestimmtes eingeräumt sein müssen. Den Parteien wäre in diesem Fall auch nicht immer damit geholfen, dass sie das Holznutzungsrecht als einzig wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsart durch die Bestellung eines sämtliche Nutzungen umfassenden Nießbrauches dinglich absichern. Schließlich sind Fälle denkbar, in denen die Parteien dem Berechtigten gerade nur diese Nutzungsmöglichkeit gestatten wollen, alle anderen denkbaren, wirtschaftlich nicht sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten hingegen beim Eigentümer des belasteten Grundstückes belassen wollen. Vermeiden zwar sowohl eine rein materielle als auch eine rein formelle Abgrenzung solche Lücken, so sprechen gegen eine rein materielle Abgrenzung doch die zuvor angeführten Argumente. Gegen eine rein formelle Abgrenzung lässt sich auch nicht das systematische Argument anführen, dass § 1047 BGB bei den dinglichen Nutzungsrechten eine Korrelation von Nutzungsmöglichkeit und Lastentragung voraussetze, die nur bei einer Abgrenzung zumindest auch anhand materieller Maßstäbe gewährleistet sei128. Hiergegen spricht schon, dass § 1047 BGB dispositiver Natur ist129. Aus diesen Gründen hat die Abgrenzung zwischen Grunddienstbarkeit und Nießbrauch rein formell ausschließlich nach dem Inhalt der Bestellungsurkunde zu erfolgen. Sind dem Berechtigten nach dem Wortlaut der Vereinbarung einzelne, spezifizierte Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt, handelt es sich bei dem beschränkten dinglichen Recht um eine Grunddienstbarkeit. Ist dem Berechtigten hingegen formell grundsätzlich das umfassende Nutzungsrecht an dem belasteten 126 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 113; Staudinger/Frank § 1018 RdNr. 101; NKBGB/Otto § 1018 RdNr. 67; Schippers MittRhNotK 1996, 197, 199; Schöner DNotZ 1982, 416, 417; Stürner AcP 194 (1994), 265, 271. 127 So bei Hub, Inhalt von Dienstbarkeiten, S. 46; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 101; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 67 Fn. 241; Schöner DNotZ 1982, 416, 419. Dieser Fall wurde für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit von BayObLG DNotZ 1981, 438 dahingehend entschieden, dass entweder für diese einzelne Nutzungsart eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bestellen sei oder, falls dies die praktisch einzige Nutzungsart des Grundstückes sei, ein Nießbrauch (S. 442). 128 So aber Stürner AcP 194 (1994), 265, 270. 129 Schippers MittRhNotK 1996, 197, 199; Staudinger/Frank § 1047 RdNr. 2, 31.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

Grundstück eingeräumt, so liegt ein Nießbrauch vor, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang einzelne, spezifizierte Nutzungen hiervon ausgeschlossen sind. 2. Abgrenzung zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit Gemäß § 1090 I BGB kann ein Grundstück mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist ebenso wie die Grunddienstbarkeit und der Nießbrauch ein beschränktes dingliches Nutzungsrecht130. Im Gegensatz zur Grunddienstbarkeit, die als subjektiv-dingliches Recht dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zusteht, handelt es sich bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ebenso wie beim Nießbrauch um ein subjektiv-persönliches Recht, das einer bestimmten Person zusteht131. Sie ist nicht vererblich und grundsätzlich nicht übertragbar (§ 1092 BGB). Inhaltlich entspricht die beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Wesentlichen der Grunddienstbarkeit, deren Vorschriften gemäß § 1090 II BGB mit Ausnahme der §§ 1019, 1025 BGB entsprechende Anwendung finden. Mangels Grundstücksbezogenheit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit entfällt die Notwendigkeit eines Vorteils für die Benutzung des herrschenden Grundstücks gemäß § 1019 BGB. Stattdessen bestimmt sich der Umfang des Rechts gemäß § 1091 BGB im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten. Auch eine Regelung für den Fall der Teilung des herrschenden Grundstücks entsprechend § 1025 BGB ist mangels Grundstücksbezogenheit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit entbehrlich.

B. Arten der Grunddienstbarkeit I. Benutzungsgrunddienstbarkeit, § 1018 Var. 1 BGB Gemäß § 1018 Var. 1 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf. „Benutzen in einzelnen Beziehungen“ bedeutet ein fortgesetztes oder zumindest regelmäßig wiederkehrendes, sich nicht in einer einmaligen Handlung er130 131

Staudinger/Mayer Vorbem zu §§ 1018–1029 RdNr. 2. Dazu Staudinger/Mayer § 1030 RdNr. 1 ff.

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schöpfendes132 Gebrauchmachen von dem belasteten Grundstück zu bestimmten Zwecken133. Allerdings kommt gemäß § 1019 BGB als Inhalt der Grunddienstbarkeit nur ein Gebrauch des Grundstücks in Betracht, der für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet134. Beispiele für Benutzungsgrunddienstbarkeiten sind Wege- und Zufahrtsrechte zum herrschenden Grundstück, Leitungsrechte zu dessen Versorgung oder zur Entsorgung, Rechte zum Halten und Benutzen baulicher Anlagen auf dem belasteten Grundstück oder auch Überbaurechte135. Immer größere Bedeutung erlangt die Benutzungsgrunddienstbarkeit auch im Zusammenhang mit dem Betrieb von Photovoltaik- oder Windkraftanlagen auf fremden Grundstücken136. Nur „in einzelnen Beziehungen“ darf die Grunddienstbarkeit dem Berechtigten das Recht zur Benutzung des belasteten Grundstücks einräumen. Das Recht zur umfassenden Nutzung eines fremden Grundstücks kann demgegenüber nur Inhalt eines Nießbrauchs sein. Auf die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Benutzungsgrunddienstbarkeit vom Nießbrauch wurde bereits137 eingegangen. II. Unterlassungsgrunddienstbarkeit, § 1018 Var. 2 BGB Gemäß § 1018 Var. 2 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen. 1. Kein Verbot einer ohnehin durch Gesetz untersagten Handlung Der Eigentümer des belasteten Grundstücks darf also auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vornehmen, die ihm als Eigentümer gemäß § 903 BGB eigentlich gestattet wären138. Handlungen, die dem Eigentümer ohnehin kraft Gesetzes gemäß § 903 BGB verboten sind, können daher von vorneherein nicht In132 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 27; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 92; NK-BGB/ Otto § 1018 RdNr. 78. Die Berechtigung zur Vornahme einer einmaligen Handlung, wie etwa das Verlegen einer Leitung, kann nur dann (Teil-)Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein, wenn diese Handlung die vereinbarte Nutzung des Grundstücks erst ermöglicht, MüKo/Joost § 1018 RdNr. 27; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 92 jeweils m.w. N. 133 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 92 (m.w. N.); MüKo/Joost § 1018 RdNr. 27 verwendet den inhaltlich gleichen Begriff der Inanspruchnahme. 134 Dazu ausführlich S. 59 ff. 135 Eine nach Fallgruppen geordnete Zusammenstellung mit Rechtssprechungsnachweisen findet sich bei Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 103; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 15 ff. 136 Siehe dazu Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 104a. 137 Siehe S. 37 ff. 138 BayObLG MDR 1981, 52, 52; BayObLG MittBayNot 1989, 212, 213; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 105.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

halt einer Unterlassungsgrunddienstbarkeit sein139. Unter Gesetz ist dabei nach § 2 EGBGB jede Rechtsnorm zu verstehen. Darunter fallen alle Rechtsregelungen, die die Merkmale tatsächliche und normative Geltung, Außenwirkung, Drittbindung und Generalität aufweisen140. Als Gründe, weshalb das Verbot der Vornahme einer gesetzlich ohnehin verbotenen Handlung nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein kann, nennen Rechtsprechung und Literatur neben der Vermeidung einer unnötigen Belastung des Grundbuchs die mangelnde Notwendigkeit und – damit einhergehend – das fehlende (Rechtsschutz-)Interesse, ein solches Verbot zum Inhalt einer Grunddienstbarkeit zu machen141. Jedoch fehlt es nicht erst an der Notwendigkeit, dem Eigentümer die Vornahme solcher Handlungen durch eine Unterlassungsgrunddienstbarkeit zu verbieten, sondern bereits an der Möglichkeit dazu. Ist eine Handlung gesetzlich verboten und gehört daher von vorneherein nicht zu den dem Eigentümer gemäß § 903 BGB zustehenden Befugnissen, so besteht gar kein Recht, dessen Ausübung durch die Grunddienstbarkeit ausgeschlossen werden könnte142. Lediglich bei Unsicherheiten über das Bestehen und den Umfang gesetzlicher Verpflichtungen ist nach allgemeiner Ansicht die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zur Klarstellung möglich143. Gleiches gilt, wenn von einer bestehenden Rechtsnorm durch Verwaltungsakt eine Ausnahme oder Befreiung erteilt werden kann144 oder die gesetzliche Regelung nicht auf Dauer angelegt ist145. 2. Keine Beschränkung der Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht Wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal „auf dem Grundstück“ ergibt146, darf die Unterlassungsgrunddienstbarkeit nur tatsächliche Handlungen, die in räumlicher Beziehung zum Grundstück stehen, zum Gegenstand haben. Beschränkun139 OLG Köln Rpfleger 1982, 463, 464; BayObLG MittBayNot 1989, 212, 214; RGZ 119, 211, 213; RGZ 130, 350, 354; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 49; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 85; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 47; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 7; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 43. 140 Staudinger/Seiler § 903 RdNr. 14. 141 RGZ 119, 211, 213; RGZ 130, 350, 354; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 49; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 85; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 47. 142 So auch RGZ 119, 211, 213. 143 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 50; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 86; NK-BGB/ Otto § 1018 RdNr. 49; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 7; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 43. 144 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 87; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 50; Soergel/ Stürner § 1018 RdNr. 7. 145 NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 50; Soergel (1989)/Stürner § 1018 RdNr. 7. 146 Kristic MittBayNot 2003, 263, 265; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 77; Prütting, GS Schultz, S. 287, 290.

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gen der rechtgeschäftlichen Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis des Eigentümers des belasteten Grundstücks können hingegen nicht Inhalt der Unterlassungsgrunddienstbarkeit sein147. Nur das Eigentumsrecht an dem Grundstück, nicht aber die persönliche Freiheit der Person des Eigentümers im Übrigen148 kann durch die Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht eingeschränkt werden149. Über den Wortlaut des § 1018 Var. 1 BGB hinaus150 haben Rechtsprechung151 und herrschende Literatur152 aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als einer das Eigentum einschränkenden Grundstücksbelastung abgeleitet, dass sich das Verbot auf die Benutzung des Grundstücks in tatsächlicher Hinsicht dergestalt auswirken müsse, dass das Verbot zu einer unmittelbaren Verschiedenheit in der Benutzungsart des Grundstücks führe. Ob die Änderung der Nutzungsart mittelbar zu einer Beschränkung des Eigentümers in seinen rechtlichen Handlungsmöglichkeiten wie etwa der Verpachtung des Grundstückes führe, spiele hingegen keine Rolle153. Die Frage, ob es sich nach dem Verbot um eine andere Art der Grundstücksnutzung handelt als zuvor, bereitet der Praxis vor allem154 Schwierigkeiten in den Fällen, in denen schuldrechtliche Warenbezugspflichten durch eine Unterlassungsgrunddienstbarkeit dinglich abgesichert werden sollen. In diesen Fällen soll dem Eigentümer des belasteten Grundstücks durch eine Grunddienstbarkeit verboten werden, bestimmte Waren oder andere Waren als die des Berechtigten auf dem Grundstück zu lagern oder zu verkaufen, so dass dieser wirtschaftlich gezwungen ist, die Waren vom Berechtigten zu beziehen. So soll beispielsweise ein Bierlieferungsvertrag dadurch abgesichert werden, dass das Grundstück, auf dem 147 BayObLG DNotZ 1998, 122, 124; BayObLG DNotZ 1986, 228, 229; BayObLG NJW 1982, 1054, 1055; BGH NJW 1959, 670, 672; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 77; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 63; Prütting, GS Schultz, S. 287, 290. 148 Walberer NJW 1965, 2138, 2139 weist zutreffend darauf hin, dass derjenige, der gewisse Handlungen nicht vornehmen darf, stets in seiner persönlichen Freiheit beschränkt ist. Bezieht sich das Verbot gerade auf Handlungen auf dem Grundstück, so soll laut Walberer darüber hinaus eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse vorliegen. Doch sind die Befugnisse, die einer Person als Eigentümer einer Sache zustehen, Bestandteil der persönlichen Freiheit der Person. 149 BGH NJW 1959, 670, 672; Kristic MittBayNot 2003, 263, 265. 150 Prütting, GS Schultz, S. 287, 291 weist darauf hin, dass sich das Erfordernis einer Nutzungsänderung des Grundstücks aus dem Gesetz nicht herleiten lässt. So auch Bauer/Oefele/Bayer/Lieder, GBO, AT III RdNr. 321; Walberer NJW 1965, 2138, 2140. 151 BayObLG DNotZ 1998, 122, 124; OLG Zweibrücken MittBayNot 2001, 481, 482; BayObLG DNotZ 1986, 228, 229; BayObLG MDR 1981, 52, 52; BayObLG NJW 1982, 1054, 1055; BGH NJW 1959, 670, 672; BGH DNotZ 2003, 533, 535. 152 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 78; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 64 f.; Soergel/ Stürner § 1018 RdNr. 4. 153 BGH NJW 1959, 670, 672; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 78. 154 Für weitere problematische Fälle siehe Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 78a.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

sich die Gaststätte befindet, mit einer Grunddienstbarkeit belastet wird, die es verbietet, anderes Bier als das des Vertragspartners zu verkaufen. Rechtsprechung155 und herrschende Literatur156 bejahen in diesen Fällen das von ihnen aufgestellte Erfordernis der unmittelbaren Änderung der Nutzungsart des dienenden Grundstücks durch die Unterlassungsgrunddienstbarkeit und damit deren Zulässigkeit, wenn die Lagerung oder der Vertrieb einer bestimmten Warengattung verboten wird. Daher soll beispielsweise der Verkauf von Weizenbier eine andere Art der Grundstücksnutzung als der Verkauf sonstiger Biersorten157 und der Verkauf von Lebensmitteln ausschließlich Flaschenbier eine andere Art der Grundstücksnutzung als der Verkauf von Lebensmitteln einschließlich Flaschenbier158 darstellen. Der Verkauf eines bestimmten Produkts einer anderen Marke wird hingegen nicht als eine andere Art der Grundstücksnutzung angesehen159. Diese Grenzziehung zwischen Warengattung und Marke ist nicht unproblematisch160. Je enger man nämlich die einzelne Warengattung fasst, desto eher stimmt sie mit dem einzelnen Produkt eines bestimmten Herstellers überein161. Die Grenzen zwischen Warengattung und Marke verschwimmen. Auch der Vorschlag auf Grundlage der herrschenden Meinung danach zu unterscheiden, ob durch die Grunddienstbarkeit zulässigerweise lediglich der sachliche Nutzungsrahmen eines Grundstücks festgelegt wird, oder ob unzulässiger Weise persönliche Auswahlkriterien aufgestellt werden162, stellt letztlich nur eine Formulierung des Problems, nicht aber dessen Lösung dar. Es fehlt an klaren Kriterien für die Unterscheidung. Auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung im Einzelfall stößt auch die Ansicht163, die die Frage nach dem Vorliegen einer anderen Nutzungsart wertend anhand einer typisierten objektivierten Verkehrsanschauung beantworten will. Unabhängig von der Frage, was unter dem Begriff der „Verkehrsanschauung“ eigentlich zu verstehen ist164, kann es schließlich Fälle geben, bei 155 BayObLG DNotZ 1998, 122, 124; BGH NJW 1981, 343, 344; BGH NJW 1962, 486, 486 f. 156 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 112. 157 BayObLG DNotZ 1998, 122, 124. 158 BGH NJW 1962, 486, 486 f. 159 BayObLG DNotZ 1998, 122, 124; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 78, 112. Siehe zu den von der Praxis entwickelten und vom BGH anerkannten Gestaltungen, die in diesen Fällen eine mittelbare Sicherung von Bezugspflichten durch Dienstbarkeiten ermöglichen: Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 114 ff. 160 Kritisch AK-BGB/Ott § 1018 RdNr. 7a; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 65; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 928. Eine ausführliche Kritik der h. M. findet sich bei MüKo/Joost § 1090 RdNr. 12 ff. Kritik, wenn auch bereits am Kriterium der Nutzungsänderung ansetzend, auch bei Prütting, GS Schultz, S. 287, 291. 161 MüKo/Joost § 1090 RdNr. 11; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 65. 162 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 78a; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 4. 163 Kristic MittBayNot 2003, 263, 265.

§ 2 Inhalt der Grunddienstbarkeit

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denen sich aufgrund ihrer Singularität eine allgemeine Verkehrsanschauung noch gar nicht bilden konnte. Gänzlich vermeiden lassen sich Abgrenzungsschwierigkeiten letztlich nur, wenn man mit einer Auffassung in der Literatur auf das Erfordernis der unmittelbaren Verschiedenheit der Nutzungsart infolge des Verbots verzichtet und dem Wortlaut des § 1018 Var. 2 BGB folgend ohne Ausnahme alle in Bezug zum Grundstück stehenden Handlungen als möglichen Inhalt einer Unterlassungsdienstbarkeit ansieht, die keine Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis des Eigentümers des belasteten Grundstücks zum Inhalt haben165. Damit ist freilich noch nicht abschließend über die Zulässigkeit von Unterlassungsgrunddienstbarkeiten, die den Verkauf bestimmter Marken verbieten, entschieden. Vielmehr müssen im konkreten Fall die Anforderungen erfüllt sein, denen Grunddienstbarkeiten im Allgemeinen166 und Unterlassungsgrunddienstbarkeiten im Besonderen genügen müssen167. 3. „Gewisse Handlungen“ Das Tatbestandsmerkmal „gewisse Handlungen“ in § 1018 Var. 2 BGB enthält eine Einschränkung des Inhalts der Unterlassungsgrunddienstbarkeit dergestalt, dass dem Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht sämtliche Handlungen verboten sein dürfen. Ihm muss wenigstens eine Handlungsmöglichkeit verbleiben168. Das Merkmal „gewisse Handlungen“ ist demnach das Äquivalent zu den „einzelnen Beziehungen“ bei der Benutzungsdienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB169. Die Voraussetzungen, denen die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks verbleibende Handlungsmöglichkeit genügen muss, entsprechen daher den Voraussetzungen, die an die dem Eigentümer in § 1018 Var. 1 BGB verbleibende Nutzungsmöglichkeit gestellt werden170. 164 Zur Verkehrsauffassung im Sachenrecht siehe Schenk, Verkehrsauffassung, S. 27 ff. 165 Bauer/Oefele/Bayer/Lieder, GBO, AT III RdNr. 326; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 34; Prütting, GS Schultz, S. 287, S. 290 ff.; Walberer NJW 1965, 2138, 2140; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 928. 166 Siehe dazu S. 59 ff. 167 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 34; Prütting, GS Schultz, S. 287, 296; Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 928 stellen vor allem die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz servitus in faciendo consistere nequit in Frage. Einen Überblick über die zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Anforderungen, denen eine zur Sicherung von Vertriebsbindungen und Warenbezugsverpflichtungen bestellte Grunddienstbarkeit genügen muss, gibt Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 109 ff. 168 Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 22. 169 Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 22. 170 So MüKo/Joost § 1018 RdNr. 31; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 105; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 57. Anders Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 22, laut

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

Aus dem Ausdruck „gewisse Handlungen“ wird außerdem abgeleitet, dass bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit in Bezug auf die dem Eigentümer untersagten Handlungen der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt werden müsse171. Dieser gilt jedoch ohnehin nach den allgemeinen Grundsätzen172. III. Ausschluss der Ausübung von Eigentumsrechten, § 1018 Var. 3 BGB Gemäß § 1018 Var. 3 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt. Die Rechte des Eigentümers, deren Ausübung durch die Grunddienstbarkeit ausgeschlossen werden kann, müssen nach Wortlaut des § 1018 Var. 3 BGB zwei Anforderungen erfüllen. Zum einen muss das ausgeschlossene Recht „aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück“ folgen. Es darf sich also – entsprechend der Rechtsnatur der Grunddienstbarkeit als Eigentumsbeschränkung173 – nur um ein Recht handeln, das dem Eigentümer des belasteten Grundstücks als solchem gem. § 903 BGB zusteht174. Rechte, die der Person des Eigentümers aus anderen Gründen zustehen, sind hingegen als Inhalt der Grunddienstbarkeit ausgeschlossen. Zum anderen muss das ausgeschlossene Recht „dem anderen Grundstück gegenüber“ bestehen. Ist diese Formulierung auch ungenau, da ein Recht nicht eidem sich – anders als bei der Benutzungsdienstbarkeit nach § 1018 Var. 1 BGB für die verbleibende Nutzungsmöglichkeit des Eigentümers – die Frage, ob die dem Eigentümer verbleibende Handlungsmöglichkeit zur Abgrenzung vom Nießbrauch bestimmte materielle Voraussetzungen erfüllen muss, von vorneherein nicht stellt. Zutreffend ist sicherlich, dass sich bei der Unterlassungsgrunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 2 BGB anders als bei der Benutzungsgrunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB das Abgrenzungsproblem zum Nießbrauch nicht stellt. Schließlich kann dieser gemäß § 1030 I BGB nicht den Ausschluss von Handlungen des Eigentümers des belasteten Grundstücks enthalten. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb allein wegen der fehlenden Notwendigkeit der Abgrenzung zum Nießbrauch an die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks verbleibende Möglichkeit zur Vornahme von Handlungen bei der Unterlassungsgrunddienstbarkeit nach § 1018 Var. 2 BGB andere Anforderungen gestellt werden sollten als an die ihm in Var. 1 verbleibende Möglichkeit zur Benutzung seines Grundstückes. In beiden Fällen werden die dem Eigentümer gemäß § 903 BGB zustehenden Befugnisse eingeschränkt. Deshalb sind auch in beiden Fällen parallele Anforderungen an die dem Eigentümer verbleibenden Befugnisse zu stellen. Siehe zu der Voraussetzung der Benutzung in „einzelnen Beziehungen“ in § 1018 Var. 1 BGB S. 38 ff. 171 So MüKo/Joost § 1018 RdNr. 31; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 5. 172 Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 22. 173 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 37; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 33. 174 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 37; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 126; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 33.

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nem Grundstück, sondern nur dessen Eigentümer gegenüber bestehen kann175, zeigt sie doch, dass auch auf der anderen Seite eine Grundstücksbezogenheit erforderlich ist. Das ausgeschlossene Recht muss also nicht nur dem Eigentümer des belasteten Grundstücks gerade wegen seiner Eigenschaft als Grundstückseigentümer zustehen, sondern sich auch gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks gerade wegen dessen Stellung als Grundstückseigentümer richten176. Inhalt einer Grunddienstbarkeit nach § 1018 Var. 3 BGB können daher sein: der Ausschluss von Einwirkungsrechten des Eigentümers des belasteten Grundstücks auf das herrschende Grundstück wie etwa der Verzicht auf die gemäß § 906 BGB zulässigen Immissionen177, der Ausschluss von Abwehrrechten des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks sowie der Ausschluss von Ausgleichsansprüchen, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks anstelle eines Abwehranspruches gemäß § 1004 BGB zustehen, etwa § 906 II 2 BGB178. Auch in dieser Variante der Grunddienstbarkeit kann, wie sich anhand der Formulierung „eines Rechts“ erkennen lässt179, nicht die Ausübung sämtlicher Rechte ausgeschlossen werden. Zudem ist es wie bei der Unterlassungsgrunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 2 BGB nicht möglich, die Ausübung eines Rechtes auszuschließen, das dem Eigentümer des belasteten Grundstücks von vorneherein kraft Gesetzes nicht zusteht180.

C. Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht Die Grunddienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht. Welche Rechtsfolgen sich hieraus ableiten lassen, hängt davon ab, wie die beschränkten dinglichen Rechte im BGB konstruiert sind. I. Grunddienstbarkeit als dingliches Recht Die Grunddienstbarkeit ist wie das Eigentum ein dingliches Recht. Nach dem dem BGB zugrunde liegenden Verständnis bildet das dingliche Recht den Gegenbegriff zum persönlichen, auch als obligatorisch bezeichneten Recht181. Während das obligatorische Recht die rechtlichen Beziehungen von Personen untereinan175 176 177 178 179 180 181

Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 34. MüKo/Joost § 1018 RdNr. 38. Für weitere Beispiele siehe Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 128. Siehe für weitere Beispiele Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 129 ff. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 126. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 126. Siehe dazu S. 45 f. Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

der ordnet182, indem es für den Berechtigten einen Anspruch auf Leistung gegenüber dem Verpflichteten begründet183, ordnet das dingliche Recht die rechtlichen Beziehungen der Person zur Sache184, ergreift die Sache selbst185 und gewährt seinem Inhaber eine unmittelbare Herrschaft über die Sache186. Dem Inhaber des dinglichen Rechts werden also durch die Rechtsordnung bestimmte Herrschaftsrechte an einer Sache zugewiesen. Vom unbeschränkten dinglichen Recht Eigentum unterscheidet sich ein beschränktes dingliches Recht dadurch, dass dem beschränkt dinglich Berechtigten nur eine begrenzte, dem Eigentümer jedoch eine grundsätzlich umfassende Herrschaftsmacht über die Sache zusteht. II. Konstruktion des Nebeneinanders von Eigentum und beschränktem dinglichem Recht Können demnach an einer Sache neben dem Eigentümer auch andere Personen ein dingliches Recht und damit in gewissen Umfang Herrschaftsmacht über eine Sache haben, drängt sich die Frage auf, wie das Nebeneinander von Eigentum und beschränktem dinglichem Recht an derselben Sache rechtlich zu konstruieren ist. Hat man sich das Nebeneinander von Eigentum und beschränktem dinglichem Recht so vorzustellen, dass aus dem Eigentum einzelne in diesem enthaltene Befugnisse – wie etwa die Befugnis, die Nutzungen aus der Sache zu ziehen – abgespalten und auf den beschränkt dinglich Berechtigten übertragen werden? Oder bestehen die beschränkten dinglichen Rechte unabhängig vom Eigentum, so dass sie das Eigentum in seinem Umfang unberührt lassen, dessen Ausübung aber, solange sie bestehen, einschränken? 1. Beschränkte dingliche Rechte als Abspaltungen aus dem Eigentum oder als selbständige, neben dem Eigentum stehende Rechte? Weit verbreitet ist die Auffassung, dass der Gesetzgeber die beschränkten dinglichen Rechte – laut Füller187 entsprechend den dogmatischen Vorstellungen des ausklingenden 19. Jahrhunderts – als Abspaltungen aus dem Eigentum konstruiert habe188. Mit der Bestellung der beschränkten dinglichen Rechte würden 182

Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Motive III, S. 2 = Mugdan, Materialien III, S. 1. 184 Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. 185 Motive III, S. 2 = Mugdan, Materialien III, S. 1. 186 Johow, Sachenrecht I, S. 3. 187 So, aber ohne Nachweise Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 65; ebenso Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 3. 188 Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 19, 863; Jauernig/Berger Vorbemerkungen Sachenrecht RdNr. 6; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 65; Hattenhauer, Eigentum, S. 81, 92; Heß AcP 197 (1997), 489, 491; Just, FS Trusen, S. 493, S. 504; Kern, Typizität, S. 112; Kühne AcP 140 (1935), 1, 5; Staudinger/Mayer Vorbem zu §§ 1018–1029 183

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einzelne Eigentumsbefugnisse vom Eigentum abgespalten und auf den Berechtigten mit der Folge übertragen, dass dieser nun neben dem Eigentümer ein Herrschaftsrecht an der Sache habe. In der Minderheit189 sind die Stimmen190, die behaupten, dass ein beschränktes dingliches Recht gerade nicht als ein aus dem Eigentumsrecht ausgesondertes Teilstück konstruiert sei, sondern als selbständiges Recht an der Sache parallel zum Eigentum bestehe. Für den Zeitraum der Existenz dieses Rechts sei der Eigentümer lediglich in der Ausübung seiner ihm weiterhin ungeschmälert zustehenden Herrschaftsmacht insoweit gehindert, wie die Herrschaftsmacht des beschränkt dinglich Berechtigten an der Sache reiche191. Diese beiden Meinungen decken sich mit den beiden Auffassungen, welche schon das Meinungsbild zur Konstruktion der beschränkten dinglichen Rechte, insbesondere der Dienstbarkeiten, in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts bestimmten. Entgegen der Behauptung Füllers192 wurden die beschränkten dinglichen Rechte in der Pandektenwissenschaft des späten 19. Jahrhunderts nämlich keineswegs allgemein als aus dem Eigentum ausgeschiedene verselbständigte Eigentumsbestandteile verstanden. Vielmehr fand – im Gegensatz zu heute – eine heftige Diskussion193 über die Konstruktion der beschränkten dinglichen Rechte im Verhältnis zum Eigentum statt194. RdNr. 2, § 1018 RdNr. 4, § 1020 RdNr. 1; NK-BGB/Ring § 903 RdNr. 3; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 1 RdNr. 10; unklar Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 176, laut dem beschränkte dingliche Rechte das Vollrecht einerseits nicht ändern, ihm aber andererseits zeitweilig einzelne Befugnisse entziehen sollen; unklar auch Wiegand AcP 190 (1990), 112, 117, der das Eigentum einerseits als „umfassende und totale Sachherrschaft, die als solche unteilbar und immer und überall gleich ist“, beschreibt, andererseits aber davon spricht, dass „einzelne Befugnisse jemand anderem übertragen [Kursivstellung nicht im Original] werden“. Raiser, FS Sontis, S. 167, 170 betont, dass beim Bestehen eines dinglichen Rechts jedenfalls eine wirtschaftliche Funktionsteilung eintrete, bei der im Eigentum enthaltene Nutzungs- oder Verwertungsrechte auf Zeit vom Eigentum abgelöst würden (Fn. 9). Inwieweit eine solch rein wirtschaftliche Betrachtungsweise die Frage nach der rechtlichen Konstruktion der beschränkten dinglichen Rechte beantworten soll, bleibt unbeantwortet. 189 A.A. Sontis, FS Larenz, S. 981, 993 im Jahre 1973. Das Verhältnis dürfte sich mittlerweile jedoch umgekehrt haben. 190 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil I, S. 457; Staudinger/Frank Vorbem zu §§ 1030 ff. RdNr. 5; Müller, Sachenrecht, S. 109; AK-BGB/Ott § 903 RdNr. 20; Sontis, FS Larenz, S. 981, 991 ff.; Wieling, Sachenrecht I, S. 261; Zitelmann AcP 99 (1906), 1, 33. 191 Sontis, FS Larenz, S. 981, 991; Wieling, Sachenrecht I, S. 261; Zitelmann AcP 99 (1906), 1, 33 ff.; ähnlich Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil I, S. 457, das Eigentum trete hinter das fremde Recht zurück und trete nach dem Wegfall dieses Rechts wieder in volle Wirksamkeit. 192 Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 65. 193 Kuntze KZgR 2 (1855), 227, 237 f. spricht in Bezug auf mehrere zu diesem Problem erschienene Schriften sogar von einem „Schauspiel gymnastischer Verstandesübun-

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

Diese Diskussion lässt sich im Wesentlichen195 in die zwei Hauptmeinungen unterteilen, die auch heute noch vertreten werden196. Dabei war bis Mitte des 19. Jahrhunderts das Verständnis der beschränkten dinglichen Rechte als Bestandteile des Eigentums, welche aus diesem herausgelöst und auf den beschränkt dinglich Berechtigten übertragen sind, vorherrschend197. In der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts hingegen beherrschten die Anhänger der Auffassung, die die beschränkten dinglichen Rechte als selbständige, parallel zum Eigentum an der Sache bestehenden Rechte ansah198, mit ihrer umfassenden Kritik199 an der Gegenmeinung zunehmend die Diskussion200. gen . . ., wie es spätere Literärgeschichtsschreiber sich nicht besser zu einer Charakteristik der rechtswissenschaftlichen Gegenwart wünschen können“. 194 Ein Überblick über das Meinungsspektrum findet sich bei Schönemann, Servituten, S. 17 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1022 ff. Fn. 3. 195 Die daneben vertretenen Ansichten fanden zu Recht keine weiteren Anhänger. So sah beispielsweise Elvers, Servitutenlehre, S. 29 ff. die Grunddienstbarkeit als die Herrschaft über eine als selbständige Sache fingierte Eigenschaft der dienenden Sache an und dementsprechend die Bestellung einer Grunddienstbarkeit als eine Ausscheidung dieser Eigenschaft aus der körperlichen Sache und Übertragung derselben auf den Servitutenberechtigten (dagegen: Arndts, Pandekten (1883), S. 312 Fn. 3; ausführlich Kuntze KZgR 2 (1855), 227, 232 ff.; Schönemann, Servituten, S. 21 f.). Siebenhaar, Correalobligationen, S. 153 f., 193 ff. vertrat, dass bei der Grunddienstbarkeit eine einen Gebrauchsvorteil gewährende natürliche Eigenschaft der Sache als von dieser getrennt und als auf eine andere Sache übergegangen gelte. Laut Neuner, Privatrechtsverhältnisse, S. 58 ff. hat der beschränkt dinglich Berechtigte kein Herrschaftsrecht an der Sache, sondern an dem unkörperlichen sachlichen Gut der beispielsweise pfandrechtlichen „Brauchlichkeit“ der Sache, welches mit Entstehung des beschränkten dinglichen Rechtes entsteht. 196 Sintenis, Civilrecht I, S. 560 f. Fn. 2 hingegen hielt den Meinungsstreit mit der Begründung für entbehrlich, dass es sich rechtlich nicht auswirke, ob man die Grunddienstbarkeit als abgelöste Bestandteil des Eigentums oder als selbständiges dingliches das Eigentum einschränkende Recht ansehe. 197 Arndts, Pandekten (1883), S. 312; Arndts ZfCP N. F. 3 (1847), 245, 250 ff.; Bachofen, Pfandrecht I, S. 97 ff.; Brinz, Pandekten I, S. 258 f.; Guyet, Abhandlungen, S. 5, 9; Hoffmann, Servituten I, S. 10; Keller, Pandekten, S. 310; Löhr MfRG 3 (1820), 483, 486; Luden, Servituten, S. 6 ff., 10 ff.; Puchta RhMJ 1 (1827), 286, 287; Scheurl ZfgR 12 (1845), 237, 241 ff., 255. So auch Vangerow, Pandekten I, S. 688 ff. für die servitutes praediorum urbanorum; bei den servitutes praediorum rusticorum sei dagegen dem Berechtigten lediglich die Ausübung der entsprechenden Eigentumsbefugnis als selbständiges dingliches Recht gestattet. Ähnlich Zielonacki, Servituten, S. 12, laut dem nicht einzelne Eigentumsbestandteile selbst abgelöst und auf einen anderen übertragen werden, sondern nur ihrem „Gebrauche“ nach eine Übertragung stattfinde. 198 Bremer, Pfandrecht und Pfandobjecte, S. 15 ff.; Degenkolb, Platzrecht und Miethe, S. 160 f.; Dernburg, Pfandrecht I, S. 126 ff.; Dernburg, Pandekten I, S. 558 f.; Kuntze KZgR 2 (1855), 227, 238 ff.; Schönemann, Servituten, S. 18 ff.; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 570 f. Fn. 3. 199 Als Argumente gegen das Verständnis der beschränkten dinglichen Rechte als abgetrennte Eigentumsbestandteile wurden dabei vor allem angeführt: der nach dieser Konstruktion stets erforderliche Rückerwerb der abgetrennten Bestandteile durch den Eigentümer im Widerspruch zur automatischen Konsolidierung des Eigentums (Dernburg, Pandekten I, S. 558 f.; so zum geltenden Recht Sontis, FS Larenz, S. 981, 994;

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2. Stellungnahme Schlüssel zur Beantwortung der Frage, ob die beschränkten dinglichen Rechte im BGB als abgespaltene Eigentumsbestandteile oder als selbständige Herrschaftsrechte parallel zum Eigentum konstruiert sind, ist der Eigentumsbegriff des BGB. Denn Ausgangspunkt der Überlegung, wie die beschränkte Herrschaftsmacht über eine Sache rechtlich zu konstruieren ist, muss die Frage nach der Konstruktion der unbeschränkten Herrschaftsmacht sein. Schließlich setzen die Abspaltung und die Verselbständigung einzelner Eigentumsbestandteile die Möglichkeit zur Aufteilung des Eigentums in seine einzelnen Bestandteile voraus. Existiert diese Möglichkeit nach dem Eigentumsbegriff des BGB nicht, ist es von vorneherein ausgeschlossen, die beschränkten dinglichen Rechte als abgetrennte Eigentumsbestandteile zu konstruieren. Das BGB enthält keine Definition des Eigentums201, sondern bestimmt in § 903 S. 1 BGB lediglich dessen Inhalt dahingehend, dass der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. In der Formulierung des § 903 S. 1 BGB, wonach der Eigentümer „mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann“, kommt lediglich das Verständnis des BGB vom Eigentum als dinglichem Recht im Gegensatz zum obligatorischen Recht zum Ausdruck. Dem Eigentümer wird eine alle anderen Personen ausschließende, grundsätzlich umfassende Herrschaftsmacht über die Sache eingeräumt, ihm allein wird die Sache zugewiesen. Dabei regelt § 903 BGB nur die Beziehung des Eigentümers zu der Sache, nicht wie ein obligatorisches Recht die Beziehung zu anderen Personen. Freilich bedarf es – hierauf sei an dieser Stelle kurz hingewiesen – zur Durchsetzung des Rechts des Eigentümers, andere von jeder Einwirkung auszuschließen, eines sich gegen eine andere Person richtenden dinglichen Anspruchs202. Eine darüber hinaus gehende Antwort auf die Frage nach dem Eigentumsbegriff des BGB, insbesondere auf die Frage, ob sich das Eigentum in seine einzelStadler AcP 189 (1989), 425, 429 Fn. 7), dass der Inhalt der Servitut nicht immer mit dem identisch sei, was der Eigentümer aufgebe (Dernburg, Pandekten I, S. 559; Kuntze KZgR 2 (1855), 227, 238 f.; so für das geltende Recht Stadler AcP 189 (1989), 425, 429) und die Möglichkeit des Bestehens einer Servitut an herrenlosen Sachen (Schönemann, Servituten, S. 16; so zum geltenden Recht Sontis, FS Larenz, S. 981, 993). 200 So auch die Einschätzung von Sontis, FS Larenz, S. 981, 993. 201 Vgl. die Aussage in den Motiven III, S. 262 = Mugdan, Materialien III, S. 145: „Der Entwurf will weniger eine Definition geben, als den wesentlichen Inhalt der dem Eigenthümer zustehenden Rechte feststellen.“ So auch die ganz h. M. (Hattenhauer, Eigentum, S. 81, 85; NK-BGB/Ring § 903 RdNr. 2 siehe auch die Nachweise bei Sontis, FS Larenz, S. 981, 994; a. A. Sontis, FS Larenz, S. 981, 994 ff.; Wieling, Sachenrecht I, S. 260 Fn. 24. 202 Siehe dazu S. 97 ff. und 199 ff.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

nen Bestandteile zerlegen lässt, enthält die Formulierung des § 903 S. 1 BGB nicht. Zwar fällt auf, dass in § 903 S. 1 BGB der Inhalt des Eigentumsrechts nicht durch die Nennung der einzelnen, dem Eigentümer in Bezug auf die Sache zustehenden Befugnisse bestimmt wird, sondern dadurch, dass dem Eigentümer zunächst ein unbegrenztes Herrschaftsrecht über die Sache eingeräumt wird, das erst durch die Worte „soweit nicht das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen“ in einem zweiten Gedankenschritt wieder eingeschränkt wird. Doch spricht das Fehlen einer Aufzählung der einzelnen im Eigentum enthaltenen Befugnisse keineswegs gegen eine Zusammensetzung des Eigentums aus einzelnen, dem Eigentümer zustehenden Befugnissen in Bezug auf die Sache, von denen einzelne abgespalten und auf eine andere Person übertragen werden können. Denn auch nach diesem Verständnis wäre eine Aufzählung der einzelnen im Eigentum enthaltenen Befugnisse nicht erforderlich. Die zahlreichen Eigentumsbefugnisse, deren erschöpfende positive Auflistung ohnehin auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt203, könnten sprachlich in dem Ausdruck „mit der Sache nach Belieben verfahren“ gebündelt sein. Gerade weil der Eigentümer grundsätzlich alle Befugnisse in Bezug auf seine Sache hat, wäre es unnötig sie einzeln aufzuzählen204. Mehr Aufschluss über den Eigentumsbegriff des BGB als der Wortlaut des § 903 BGB gibt die Entstehungsgeschichte dieser Norm. Wie bereits erwähnt205, ging der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung des BGB vom gemeinen Recht als der „gemeinsamen Grundlage“ der deutschen Partikularstaaten aus und behielt davon abweichende partikularrechtliche Regelungen nur ausnahmsweise bei. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wandelte sich das Verständnis des Eigentums grundlegend. Zu Beginn des 19. Jahrhundert bestimmte die im Mittelalter entstandene206 sogenannte Lehre vom geteilten Eigentum das Bild207. Ausgehend von der Vorstellung, dass das Eigentum teilbar sei und von ihm einzelne Befugnisse abgespalten und übertragen werden könnten, unterschied diese Lehre zwischen dem das Verfügungsrecht enthaltenen Obereigentum (dominum directum) und dem Untereigentum (dominum utile), das verschiedene Nutzungsberechtigte wie zum 203

Motive III, S. 262 = Mugdan, Materialien III, S. 145. So auch Puchta, Institutionen II, S. 331 (§ 231.2). 205 Siehe S. 26. 206 Hattenhauer, Eigentum, S. 81, 83; Staudinger/Seiler Vorbem zu §§ 903 ff. RdNr. 60; Wieling, Sachenrecht I, S. 259. 207 Zur Lehre vom geteilten Eigentum und deren Widerlegung durch Thibauts Abhandlung Über dominium directum und utile siehe ausführlich Wiegand, Wissenschaft und Kodifikation III, S. 118 ff. Zur geschichtlichen Entwicklung der Lehre vom geteilten Eigentum siehe Krauss, Geteiltes Eigentum, S. 17 ff.; Strauch, FS Hübner, S. 273 ff. 204

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Beispiel der Lehensmann innehätten208. Die Vorstellung vom teilbaren Eigentum hatte auch Eingang in verschiedene Zivilrechtskodifikationen gefunden, so in das Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794209 und das Badische Landrecht von 1809210. Demgegenüber setzte sich in der Pandektenwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein anderes Bild vom Eigentum durch211. Das Eigentum wurde nicht mehr als die Summe der in ihm enthaltenen Befugnisse verstanden, sondern als ein „einheitliches Recht totaler Sachbeherrschung“ 212, welches nicht in einzelne Befugnisse zerlegt werden könne213. Der Vorstellung der Pandektenwissenschaft vom Eigentum als unteilbarem Recht schloss sich auch der BGB-Gesetzgeber an214. So findet sich in den Motiven als Begründung, warum die dem Eigentümer zustehenden Befugnisse im Gesetz nicht einzeln aufgezählt werden, neben dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer vollständigen Aufzählung215 die Aussage: „. . . das Bedürfnis einer solchen Aufzählung liegt auch nicht vor, da das Eigentum nicht eine Summe einzelner Befugnisse ist.“ 216 Mit der unmittelbar im Anschluss folgenden Aussage: „Deshalb lässt sich das Eigenthum auch nicht so theilen, dass dem Einen und dem Anderen eine Reihe bestimmter im Eigenthume liegender Befugnisse zugewiesen werden und dem 208

Staudinger/Seiler Vorbem zu §§ 903 ff. RdNr. 60; Wieling, Sachenrecht I, S. 259. So lautet § 16 des achten Titels des ersten Teils des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794: „Das Eigenthum einer Sache ist getheilt, wenn die darunter begriffnen verschiednen Rechte, verschiednen Personen zukommen.“ Siehe zur Lehre des geteilten Eigentums im Preußischen Allgemeinen Landrecht Johow, Sachenrecht I, 523; Wiegand, Wissenschaft und Kodifikation III, S. 118, 131 ff. 210 So wurde das Badische Landrecht, das größtenteils aus einer Übersetzung des Code civil besteht, gegenüber letzterem um einige Vorschriften ergänzt, nach denen ein Ober- und Untereigentum an derselben Sache zulässig ist; dazu Johow, Sachenrecht I, S. 523 f.; Wiegand, Wissenschaft und Kodifikation III, S. 188, 133 f. So bestimmt z. B. Satz 544. a: „Die Befugniß zu einzelnen Gattungen der in dem Eigenthum begriffenen Verfügungen kann durch das Gesez oder den Willen des Eigenthümers von dem Umfang des Eigenthums im Ganzen getrennt werden und auf Andere kommen.“ 211 Zur Überwindung der Lehre vom geteilten Eigentum im 19. Jahrhundert und dem maßgeblichen Einfluss von Thibauts Abhandlung „Ueber dominum directum und utile“ in Thibaut, Versuche II, S. 67 ff. siehe Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 627 f.; Wiegand, Wissenschaft und Kodifikation III, S. 118 ff. 212 Schönemann, Servituten, S. 20. 213 Dernburg, Pandekten I, S. 439; Förster, Privatrecht III, S. 126 Fn. 11; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 464. So bezeichnet denn auch Johow, Sachenrecht I, S. 502 das Eigentum als „untheilbares Recht“ ohne auf die gegenteilige Ansicht überhaupt noch einzugehen. 214 Dazu Wiegand, Wissenschaft und Kodifikation III, S. 118, 149. 215 Motive III, S. 262 = Mugdan, Materialien III, S. 145. 216 Motive III, S. 262 = Mugdan, Materialien III, S. 145. 209

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

beiderseitigen Rechte der Charakter des Eigenthumes wird“ 217, wird der Lehre vom geteilten Eigentum eine deutliche Absage erteilt. Die erste Kommission sah die Unteilbarkeit des Eigentums als so selbstverständlich an, dass sie § 87 des Vorentwurfs218, der klarstellen sollte, dass eine Teilung des Eigentums nach Befugnissen, insbesondere die Teilung in ein das Verfügungsrecht über die Sache enthaltenes Obereigentum und ein die Nutzungsrechte enthaltenes Untereigentum, nicht möglich war219, für entbehrlich hielt und strich220. Mit diesem dem BGB zugrunde liegenden Begriff des Eigentums als einheitlichem Recht ist es unvereinbar, die beschränkten dinglichen Rechte als aus dem Eigentum abgespaltene Teilbefugnisse zu betrachten. So lehnt denn auch Johow in den Motiven zu seinem Vorentwurf für das Sachenrecht die gegenteilige Ansicht mit der Begründung als „unhaltbar“ ab, dass das Eigentum ein unteilbares Recht sei, welches zwar eine Reihe von Befugnissen gewähre, sich aber nicht aus solchen zusammensetzte, weshalb der Eigentümer gar nicht in der Lage sei, eine solche Befugnis aus seinem Recht herauszunehmen und auf einen anderen zu übertragen221. Diese von Johow für die Konstruktion der beschränkten dinglichen Rechte gezogene Schlussfolgerung ergibt sich so zwingend aus dem Eigentumsbegriff des BGB, dass es als überflüssig erschienen sein muss, sie in die Motive zum ersten Entwurf, denen die Motive zum Vorentwurf als Vorlage dienten, zu übernehmen oder auf sie im Rahmen der weiteren Gesetzgebungsarbeiten nochmals einzugehen. Anders ist das Schweigen von Motiven und Protokollen zur Konstruktion der beschränkten dinglichen Rechte nicht zu erklären. Dieses Schweigen ist möglicherweise die Ursache dafür, dass auch nach dem Inkrafttreten des BGB die Auffassung, die beschränkten dinglichen Rechte seien Abspaltungen aus dem Eigentum, so weit verbreitet ist, obwohl sie mit dem Eigentumsbegriff des BGB, nach dem das Eigentum nicht nur die Summe einzelner Befugnisse ist, in unlösbarem Widerspruch steht222.

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Motive III, S. 262 = Mugdan, Materialien III, S. 145. § 87 des Vorentwurfs lautet: „Das Eigenthum an einer Sache kann mehreren Personen zu gleicher Zeit nur ungetheilt zustehen. Insbesondere findet die Theilung des Eigenthums in Ober- und Nutzungseigenthum nicht statt.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 14). 219 So die erste Kommission über Sinn und Zweck des § 87 des Vorentwurfs, Jakobs/ Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 448. Siehe zu § 87 des Vorentwurfs auch Johow, Sachenrecht I, S. 522 ff. 220 Siehe dazu und zur weiteren Kritik an § 87 des Vorentwurfs Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 448. 221 Johow, Sachenrecht I, S. 502. 222 So behauptet etwa Heß AcP 197 (1997), 489, 491 ohne nähere Begründung: „Das BGB konzipiert die Bestellung der beschränkten dinglichen Rechte als eine „Belastung des Grundstücks“, d.h. als Übertragung einzelner Eigentumsbefugnisse.“ Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 67 schließt sich dieser Aussage unreflektiert an. 218

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Nach der Konzeption des BGB, nach der das Eigentum nicht in einzelne Befugnisse teilbar ist, kann ein beschränktes dingliches Recht demnach nur als selbständiges Recht konstruiert sein, das neben dem Eigentum an der Sache besteht. Solange das beschränkte dingliche Recht existiert, hat der Eigentümer zwar weiterhin die umfassende Herrschaftsmacht über seine Sache. Er ist jedoch insoweit und solange von der Ausübung dieser Herrschaftsmacht ausgeschlossen, wie das beschränkte dingliche Recht an seiner Sache besteht. So weist denn auch Johow unter Verweis auf die Ausführungen Bremers223 und Försters224 darauf hin, dass durch die beschränkten dinglichen Rechte nicht das Eigentum, sondern nur dessen Ausübung beschränkt werde225. Anders als die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen, mit deren Hilfe sich der dehnbare Inhalt der dem Eigentümer durch die Rechtsordnung eingeräumten Herrschaftsmacht über die Sache überhaupt erst konkret bestimmen lässt226, verändert also das Bestehen eines beschränkten dinglichen Rechts an der Sache den Umfang der Herrschaftsmacht des Eigentümers nicht227.

D. Voraussetzungen und Eigenschaften der Grunddienstbarkeit228 I. Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks, § 1019 BGB § 1019 BGB, nach dessen Satz 1 eine Grunddienstbarkeit nur in einer Belastung bestehen kann, die für die Benutzung des Berechtigten Vorteil bietet, und 223

Bremer, Pfandrecht und Pfandobjecte, S. 144, insb. Fn 1. Förster, Grundbuchrecht, S. 107; Förster, Privatrecht III, S. 126 Fn. 11. 225 Johow, Sachenrecht I, S. 502. 226 Dazu Johow, Sachenrecht I, S. 499; anschaulich dazu AK-BGB/Ott § 903 RdNr. 3, 3a. 227 Diesen Unterschied betont Johow, Sachenrecht I, S. 502. 228 Schon in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts war eine gebündelte Erörterung der besonderen Eigenschaften und Voraussetzungen der Grunddienstbarkeit üblich, siehe nur Luden, Servituten, S. 14 ff. Die Eigenschaften und Voraussetzungen der Grunddienstbarkeit im BGB decken sich nicht vollständig mit denen, die in der pandektenrechtlichen Literatur erörtert werden. So ging z. B. die in der Pandektenwissenschaft noch als selbständig behandelte Voraussetzung der Nachbarschaft von dienendem und herrschendem Grundstück (sog. Vizinität; dazu nur Zielonacki, Servituten, S. 61 ff.) im BGB in der Voraussetzung des dauerhaften Vorteils für die Benutzung des herrschenden Grundstücks auf, siehe dazu S. 64 Fn. 247. Auf das Erfordernis der perpetua causa auf Seiten des dienenden Grundstücks verzichtet das BGB völlig, auch dazu S. 64 Fn. 247. Zum Teil wird in der Pandektenwissenschaft noch der Grundsatz servitus dividi non potest, also der Grundsatz der Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit, gesondert angeführt (so z. B. bei Dernburg, Pandekten I, S. 570 ff.; Luden, Servituten, S. 19 ff.), welcher in § 1025 BGB Eingang ins BGB gefunden hat. Siehe dazu Staudinger/Mayer § 1025 RdNr. 1 ff. Die Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung des Rechtsinhalts der Grunddienstbarkeit (dazu S. 70 ff.) wird in der gemeinrechtlichen Literatur nicht erörtert. Aufgrund der Existenz sogenannter benannter Grunddienstbarkeiten im gemeinen Recht stellte sich dieses Problem nicht in demselben Ausmaß wie im BGB; siehe dazu unten S. 75 ff. 224

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

nach dessen Satz 2 der Inhalt der Grunddienstbarkeit über das sich hieraus ergebende Maß nicht erstreckt werden kann, regelt die auch als Utilität bezeichnete229 Voraussetzung der Vorteilhaftigkeit der Grunddienstbarkeit für die Benutzung des herrschenden Grundstücks. 1. Zweck des § 1019 BGB Nach der soeben230 erläuterten Eigentumskonzeption des BGB hat der Eigentümer stets die vollumfängliche Herrschaft über seine Sache. Das Eigentum kann gerade nicht in einzelne Befugnisse zwischen verschiedenen Personen aufgeteilt werden. Der Eigentümer kann lediglich in der Ausübung seiner Herrschaftsmacht solange und in dem Umfang beschränkt sein, wie einer anderen Person an der Sache ein beschränktes dingliches Recht zusteht. Obwohl sich demnach die Herrschaftsmacht des Eigentümers nicht dadurch vermindert, dass ein Dritter ein dingliches Nutzungsrecht an der Sache hat, ist die Belastung der Sache mit beschränkten dinglichen Nutzungsrechten nach dem Eigentumsbegriff des BGB nur in begrenztem Umfang möglich. Denn behält der Eigentümer zwar stets die vollumfängliche Herrschaftsmacht an seiner Sache, so kann er doch sein Recht zur Nutzung des Grundstücks solange und in dem Umfang nicht ausüben, wie das Nutzungsrecht des Dritten besteht. Je weiter das Nutzungsrecht des Dritten zeitlich und inhaltlich reicht, desto weiter fallen die Möglichkeit zur Verfügung über die Sache und die Möglichkeit zur Nutzung der Sache auseinander. Dieses Auseinanderfallen hat dieselbe Auswirkung wie die durch das BGB überwundene Aufteilung des Eigentums in ein Obereigentum, welches das Verfügungsrecht über die Sache enthält, und ein Untereigentum, welches einzelne Nutzungsrechte an der Sache enthält: Die Verkehrs- und Beleihungsfähigkeit der belasteten Sache leidet231. Denn je umfangreicher und länger der Eigentümer durch die Belastung seiner Sache mit einem beschränkten dinglichen Recht von der Möglichkeit der Sachnutzung ausgeschlossen ist, desto schwerer wird es dem Eigentümer fallen, für die Sache einen Käufer zu finden oder sie als Sicherungsmittel einzusetzen; die Mobilität des Güterverkehrs wird gehemmt. Vermeidet der Eigentumsbegriff des BGB durch die Zuweisung der vollumfänglichen Herrschaftsmacht an den Eigentümer im Gegensatz zur Lehre vom geteilten Eigentum ein Auseinanderfallen von Verfügungs- und Nutzungsrecht und erleichtert damit

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Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 1. Siehe S. 55 ff. 231 Zur Herstellung von Mobilität und Beleihungsfähigkeit des Grundeigentums durch die Entscheidung des Gesetzgebers für ein einheitliches Eigentum: Heß AcP 197 (1997), 489, 496; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 4. 230

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die Mobilität des Grundeigentums232, muss gewährleistet sein, dass dem Eigentümer grundsätzlich auch das Recht zur Ausübung seines Nutzungsrechts verbleibt und ihm dieses Recht nicht nur auf dem Papier zusteht233. Es reicht nicht aus, wenn er das Recht zur vollumfänglichen Sachnutzung hat, er muss dieses Recht auch ausüben können. Aus eben diesem Grund ist die Möglichkeit, eine Sache mit einem zeitlich und inhaltlich unbegrenzten dinglichen Nutzungsrecht zu belasten, das den Eigentümer insoweit dauerhaft und in vollem Umfang an der Ausübung seines Herrschaftsrechts an der Sache hindert, also die Möglichkeit zur Sachnutzung vollständig und dauerhaft von der Möglichkeit zur Sachverfügung trennt, im BGB nicht vorgesehen234. Zwar ist es möglich, einem Dritten durch die Bestellung eines Nießbrauchs das gesamte Nutzungsrecht an der Sache einzuräumen, jedoch erlischt der Nießbrauch gemäß § 1061 BGB mit dem Tod der natürlichen oder mit dem Ende der juristischen Person und ist gemäß § 1059 BGB zumindest grundsätzlich unübertragbar. Ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Sachnutzung und Sachverfügung wird verhindert. Umgekehrt kann der Eigentümer durch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit auf unabsehbare Zeit an der Ausübung seiner Herrschaftsmacht gehindert sein, jedoch nur in begrenztem Umfang. Doch auch die Möglichkeit, eine Sache mit einem dinglichen Nutzungsrecht zu belasten, welches entweder wie der Nießbrauch zeitlich oder wie die Grunddienstbarkeit inhaltlich begrenzt ist, muss nach dem Eigentumsbegriff die Ausnahme darstellen. Schließlich leidet die Mobilität des Eigentums nicht erst, wenn der Eigentümer dauerhaft und vollständig von der Ausübung seines Nutzungsrechts ausgeschlossen ist, sondern bereits bei jeder noch so geringen Einschränkung in der Ausübung seines Nutzungsrechts. Der Eigentumsbegriff des BGB bedingt es also, dass die Möglichkeit, eine Sache mit einem Nutzungsrecht eines Dritten zu belasten, aufgrund der damit verbundenen Einschränkung der Mobilität des Eigentums nur vorgesehen ist, wenn es einen Grund gibt, der es rechtfertigt, den Eigentümer von der Ausübung seiner vollumfänglichen Herrschaftsmacht über die Sache auszuschließen235. Ob und welche Gründe die Zulassung eines bestimmten beschränkten dinglichen Nutzungsrechtes trotz der damit verbundenen Einschränkung des Eigentümers an der Ausübung seines vollumfängli232 Dazu Hattenhauer, Eigentum, S. 81, 88 ff.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 4; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 638. 233 Im Ergebnis auch Hattenhauer, Eigentum, S. 81, 92 f., der jedoch die beschränkten dinglichen Rechte als vom Eigentum abgespaltene Befugnisse ansieht. 234 Dazu Motive III, S. 262 = Mugdan, Materialien III, S. 145; siehe auch Hattenhauer, Eigentum, S. 81, 92 f. 235 So auch Johow, Sachenrecht II, S. 1085 f., 1375; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 629. Dieser Gedanke findet sich für das gemeine Recht bei Sintenis, Civilrecht I, S. 561, bei dem von einer „Vermeidung nutzloser Beschränkungen des Eigenthums“ die Rede ist.

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chen Nutzungsrechts rechtfertigen, ist dabei freilich letztlich eine rechtspolitische Entscheidung. Durch die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit wird der Eigentümer dieses Grundstücks dauerhaft an der Ausübung eines Teils seiner Herrschaftsmacht gehindert. Die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück und die Möglichkeit zur Benutzung des Grundstücks fallen, soweit die Grunddienstbarkeit reicht, auf unabsehbare Zeit auseinander. Trotz dieses schweren Eingriffs in die umfassende Herrschaftsmacht des Eigentümers des belasteten Grundstücks entschied sich der Gesetzgeber für die Aufnahme der Grunddienstbarkeit ins BGB, und zwar wegen ihres volkswirtschaftlichen Nutzens236. Ist beispielsweise das Grundstück A von einer öffentlichen Straße aus nur über das Grundstück B erreichbar, erhöht die Belastung des Grundstücks B mit einer Grunddienstbarkeit, welche dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks A die Mitbenutzung eines über das belastete Grundstück B führenden Weges gestattet, dauerhaft die Nutzbarkeit und damit den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks A regelmäßig in größerem Umfang, als die Nutzbarkeit und der wirtschaftliche Wert des Grundstücks B gemindert werden237. Ist die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit, welche den Eigentümer, soweit die Grunddienstbarkeit reicht, dauerhaft an der Ausübung seiner Herrschaftsmacht hindert, allein durch den Zweck gerechtfertigt, die Benutzbarkeit des herrschenden Grundstücks dauerhaft zu erhöhen, bedarf es einer Regelung, die sicherstellt, dass die Belastung des Grundstückes nicht weiter reicht, als eben dieser Zweck es verlangt238. Eben diese Regelung enthält § 1019 BGB. 2. Begriff des Vorteils für die Benutzung des herrschenden Grundstücks Dem nicht dispositiven239 § 1019 S. 1 BGB gemäß kann eine Grunddienstbarkeit nur in einer Belastung bestehen, „die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet“ (sog. Utilität240). 236 Johow, Sachenrecht II, S. 1086, 1203, 1375; Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268. 237 Generell hierzu Dernburg, Pandekten I, S. 553; Johow, Sachenrecht II, S. 1086. 238 Johow, Sachenrecht II, S. 1206; Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268. Entgegen Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 1 bezweckt § 1019 BGB gerade nicht die Verhinderung von ewig wirkenden Dienstbarkeiten, sondern beschränkt lediglich die Möglichkeit hierzu auf Fälle, in denen durch sie die Nutzbarkeit des herrschenden Grundstücks dauerhaft erhöht wird. 239 Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1019 RdNr. 1; Soergel/Stürner § 1019 RdNr. 7. 240 Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 1.

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Seinem Zweck entsprechend, eine Grunddienstbarkeit nur zuzulassen, wenn sie die Benutzbarkeit des herrschenden Grundstücks dauerhaft erhöht, verlangt § 1019 S. 1 BGB einen Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks. Es reicht also nicht aus, wenn dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks aus der Belastung des dienenden Grundstücks irgendein persönlicher Vorteil erwächst241. Der Vorteil muss sich vielmehr für die Nutzung des herrschenden Grundstücks als solche ergeben und unabhängig von der jeweiligen Person generell jedem Eigentümer zukommen242. Zum Beispiel ist eine Grunddienstbarkeit, die zum Betrieb einer Photovoltaikanlage berechtigt, daher nur möglich, wenn sie die Versorgung des herrschenden Grundstücks bezweckt, nicht aber, wenn der Strom verkauft werden soll243. Der Vorteil kann sich auf generell jede Nutzung des Grundstücks beziehen244, sei es, dass der Eigentümer die Substanz des herrschenden Grundstücks beispielsweise durch Kiesabbau nutzt, sei es, dass er das Grundstück als Standort seines Wohnhauses oder Betriebes nutzt. Allerdings gibt es eine Einschränkung. Zwar nicht aus dem Wortlaut245, aber aus dem Zweck des § 1019 S. 1 BGB, dass eine Grunddienstbarkeit nur zuzulassen ist, wenn sie die Nutzbarkeit des herrschenden Grundstücks dauerhaft erhöht246, ergibt sich das Erfordernis einer per241

Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 6. Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 4. Ob der Vorteil ein wirtschaftlicher sein muss oder ob auch bloße Annehmlichkeiten oder ästhetische Gesichtspunkte genügen (so die Fragestellung bei Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 4; NK-BGB/Otto § 1019 RdNr. 15), ist eine Frage, die sich so nicht stellt. Denn jede Annehmlichkeit, die sich auf die Grundstücksnutzung positiv auswirkt, hat auch einen wirtschaftlichen Wert. So steigert etwa die dingliche Absicherung einer unverbauten Aussicht oder einer einheitlichen Bauweise des ganzen Siedlungsgebiets (BGH, NJW 1983, 115, 116) stets den Wert eines Wohngrundstückes. Einzig in Fällen, in denen die Grunddienstbarkeit nicht generell für die Benutzung des Grundstücks, sondern nur für den derzeitigen Eigentümer aufgrund seiner persönlichen Interessen vorteilhaft ist, kommt ihr auch kein wirtschaftlicher Wert zu. In diesen Fällen scheitert eine Grunddienstbarkeit jedoch bereits an der fehlenden Grundstücksbezogenheit des Vorteils (ähnlich NK-BGB/Otto § 1019 RdNr. 16). 243 Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 6. 244 Selbst die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zum Vorteil einer künftigen Benutzung des Grundstückes ist möglich, wenn nach objektiven Anhaltspunkten bei einem normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge mit der entsprechenden Nutzung des Grundstückes und der Vorteilhaftigkeit der Grunddienstbarkeit für diese Nutzung zu rechnen ist; dazu Motive III, S. 482 = Mugdan, Materialien III, S. 268; BGH NJW 1984, 2157, 2158; MüKo/Joost § 1019 RdNr. 6; NK-BGB/Otto § 1019 RdNr. 17. 245 Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 7. 246 Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268; Johow, Sachenrecht II, S. 1206. Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 7 stellt demgegenüber ab auf das „Wesen der Grunddienstbarkeit, wonach die tatsächliche Grundlage zu ihrer Ausübung vorhanden sein muss“, erläutert jedoch nicht, welche Eigenschaften er diesem „Wesen“ zuschreibt und aus welcher dieser Eigenschaften sich das Erfordernis einer tatsächlichen Ausübungsgrundlage ergeben soll. Zu der gebotenen Vorsicht im Umgang mit dem Begriff „Wesen“ eines Rechts siehe Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 82. 242

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petua causa auf Seiten des herrschenden Grundstücks247: Der Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks muss ein dauerhafter sein. Dies setzt voraus, dass die Benutzung, deren Verbesserung die Grunddienstbarkeit bezweckt, auf Dauer angelegt ist, also dem Grundstück auf Dauer anhaftet und dessen Charakter prägt248. Ein lediglich vorübergehender Wegfall des Vorteils, etwa aufgrund von Betriebsferien des begünstigten Gewerbebetriebes, spielt aber dabei keine Rolle249. Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, ob eine Benutzung, für die eine Anlage auf dem herrschenden Grundstück errichtet ist, auf Dauer angelegt ist, bereiten der Praxis häufig die Fälle, in denen durch eine Verbotsdienstbarkeit der Betrieb eines bestimmten Gewerbes auf dem dienenden Grundstück, wie zum Beispiel der Vertrieb von Backwaren250, untersagt werden soll, um so bei der Ausübung dieses Gewerbes auf dem herrschenden Grundstück einen Vorteil zu haben251. Beschränkt sich in diesen Fällen die Ausstattung des Betriebes auf dem herrschenden Grundstück auf Einrichtungen, die ebenso für die Ausübung eines anderen Gewerbebetriebes geeignet wären, und sind keine für gerade diesen Gewerbebetrieb typischen Dauereinrichtungen vorhanden, so ist die Belastung des anderen Grundstücks mit einer Unterlassungsgrunddienstbarkeit zugunsten dieses Gewerbebetriebs aufgrund der Austauschbarkeit der Benutzung des Grundstücks nicht möglich252. Einen Ausweg in solchen Fällen bietet freilich die Be247 Das in der Pandektenwissenschaft umstrittene (siehe dazu Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1063 m.w. N.) Erfordernis einer perpetua causa auch auf Seiten des dienenden Grundstücks, also die Fähigkeit des dienenden Grundstücks, dem herrschenden Grundstück dauerhaft einen Vorteil zu gewähren, fand keine Aufnahme ins BGB (Johow, Sachenrecht II, S. 1210; Motive III, S. 482 = Mugdan, Materialien III, S. 269). Auch verzichtet das BGB auf die Erwähnung des Erfordernisses der Nachbarschaft des herrschenden und des dienenden Grundstücks (sog. Vizinität; dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1211; Motive III, S. 482 = Mugdan, Materialien III, S. 269; siehe auch S. 59 Fn. 228). War in der Pandektenwissenschaft zwar streitig, ob die römischen Quellen mit dem Erfordernis eines fundus vicinus (abgeleitet z. B. aus D. 8.3.7.1.; weitere Stellen bei Dernburg, Pandekten I, S. 569 Fn. 10) ein unmittelbares Aneinandergrenzen der Grundstücke verlangten (so für die Felddienstbarkeiten Dernburg, Pandekten I, S. 569 Fn. 10) oder damit nichts anderes ausdrücken wollten, als dass die Grundstücke in einem derartigen räumlichen Verhältnis liegen müssten, dass das dienende dem herrschenden einen Vorteil bringen könne (so Elvers, Servitutenlehre, S. 166 ff.; Vangerow, Pandekten I, S. 709; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 598), herrschte zumindest Einigkeit darüber, dass dem Erfordernis der Vizinität im gemeinen Recht neben dem Erfordernis der Vorteilhaftigkeit für die Benutzung des herrschenden Grundstücks (sog. Utilität) keine eigenständige Bedeutung mehr zukomme (siehe dazu nur Dernburg, Pandekten I, S. 569). Diesen Überlegungen schloss sich der Gesetzgeber an (Johow, Sachenrecht II, S. 1211). 248 Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 12. 249 OLG Frankfurt OLGZ 1989, 88, 90; MüKo/Joost § 1019 RdNr. 6; Staudinger/ Mayer § 1019 RdNr. 8; Protokolle III, S. 3897 = Mugdan, Materialien III, S. 732. 250 OLG München NJW 1957, 1765, 1766. 251 Siehe dazu Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 12. 252 OLG München NJW 1957, 1765, 1766.

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stellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, vorzugsweise zugunsten einer juristischen Person, um die Grundstücksbelastung über die Lebensdauer einer natürlichen Person hinaus zu gewährleisten253. 3. Rechtsfolge bei Fehlen eines Vorteils, § 1019 S. 1 BGB Fehlt es der Grunddienstbarkeit schon bei ihrer Bestellung an einem Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks, ist sie nichtig254. Fällt ein bei der Bestellung noch bestehender Vorteil nachträglich endgültig weg, erlischt die Grunddienstbarkeit255. 4. Vorteil als inhaltliche Grenze der Grunddienstbarkeit, § 1019 S. 2 BGB Gemäß § 1019 S. 2 BGB reicht der Inhalt der Grunddienstbarkeit höchstens soweit, wie sie für die Benutzung des herrschenden Grundstücks einen Vorteil bietet. Wie schon aus dem Wortlaut ersichtlich, ist der Berechtigte über diese Grenze hinaus nicht nur an der Ausübung seines Rechts gehindert, vielmehr existiert sein Recht insoweit gar nicht256. II. Servitus servitutis esse non potest Der von der Pandektenwissenschaft257 eigens erörterte Grundsatz servitus servitutis esse non potest, nach dem es eine Dienstbarkeit an einer Dienstbarkeit nicht geben kann, bedurfte im BGB keiner gesonderten Regelung258. Er ergibt sich für die Grunddienstbarkeit bereits aus § 1018 BGB, wonach Belastungsgegenstand einer Grunddienstbarkeit nur ein Grundstück, nicht aber ein Recht sein kann. Für den Nießbrauch – dies sei der Vollständigkeit halber erwähnt – ergibt sich aus §§ 1069 II, 1059 S. 1, 1059 b BGB, dass ein Nießbrauch nicht mit einem Nießbrauch belastet werden kann; für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit

253

Siehe dazu Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 12; Soergel/Stürner § 1019 RdNr. 12. Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 15; NK-BGB/Otto § 1019 RdNr. 22; Soergel/ Stürner § 1019 RdNr. 7. 255 BGH, NJW 1984, 2157, 2158; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 66; Staudinger/Mayer § 1019 RdNr. 17; NK-BGB/Otto § 1019 RdNr. 26; Soergel/Stürner § 1019 RdNr. 8. 256 Dazu prägnant Johow, Sachenrecht II, S. 1211; siehe auch Motive III, S. 482 = Mugdan, Materialien III, S. 269. 257 Siehe z. B. Hoffmann, Servituten I, S. 11 ff.; Luden, Servituten, S. 17 ff.; Schönemann, Servituten, S. 24; Zielonacki, Servituten, S. 49 ff. 258 Bereits Johow, Sachenrecht II, S. 1111 verzichtete auf die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in seinen Vorentwurf mit der Begründung, dass der Gegenstand einer Dienstbarkeit stets eine Sache sei. 254

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

folgt dies daraus, dass gemäß § 1090 I BGB Belastungsgegenstand nur ein Grundstück sein kann. III. Nemini res sua servit Im gemeinen Recht galt, wenn auch nicht ohne Ausnahmen259, der Grundsatz nemini res sua servit260. Dieser besagt, dass der Eigentümer eines Grundstücks nicht zugleich der Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts an seinem Grundstück sein kann. Das BGB rückt von diesem Grundsatz ab, indem es in § 889 BGB bestimmt, dass ein Recht an einem fremden Grundstück nicht dadurch erlischt, dass der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Eine Grunddienstbarkeit erlischt also nicht dadurch, dass das Eigentum an dem herrschenden und dem dienenden Grundstück nachträglich in einer Person zusammenfallen. Allerdings regelt § 889 BGB ausweislich seines Wortlauts nur den speziellen Fall eines nachträglich entstandenen Eigentümerrechts261, enthält jedoch keine Aussage über die Möglichkeit einer ursprünglichen Eigentümergrunddienstbarkeit, also der Möglichkeit eine Grunddienstbarkeit so zu bestellen, dass eine Person zugleich Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstücks ist. Die Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts an der eigenen Sache sieht das BGB nur in § 1196 I BGB für die Grundschuld und in § 1199 I BGB für die Rentenschuld als Sonderfall der Grundschuld vor. Für die Grunddienstbarkeit enthält das BGB keine § 1196 I BGB entsprechende Vorschrift. Dennoch wird auch die ursprüngliche Eigentümergrunddienstbarkeit seit einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1933262 von Rechtsprechung263 und herrschender Literatur264 für zulässig gehalten, wenn auch größtenteils265 nur mit der Einschränkung, dass der Eigentümer für die Bestellung einer Eigentümergrunddienstbarkeit ein eigenes oder fremdes schutzwürdiges Interesse ha259 Dazu mit Quellennachweisen Motive III, S. 201 = Mugdan, Materialien III, S. 111. 260 Dazu Arndts, Pandekten (1883), S. 313; Hoffmann, Servituten I, S. 10 f.; Luden, Servituten, S. 16 f.; Puchta, Pandekten, S. 251; Schönemann, Servituten, S. 24; Sintenis, Civilrecht I, S. 560 f.; Zielonacki, Servituten, S. 49. 261 Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 469; siehe auch Motive III, S. 201 = Mugdan, Materialien III, S. 111. 262 RGZ 142, 231 ff. 263 BGH NJW 1964, 1226, 1226 f.; BGH NJW 1988, 2362, 2363. 264 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 107; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 22; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 48; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 38; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 38; Bamberger/Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 19. 265 Gegen diese Einschränkung Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 48; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 38.

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ben müsse266. Zur Bejahung eines solchen Interesses genügt der Rechtsprechung bereits eine geplante Grundstücksveräußerung267. Das Reichsgericht begründet seine Entscheidung für die Möglichkeit der Bestellung einer Eigentümergrunddienstbarkeit damit, dass der Rechtssatz nulli res sua servit im BGB nicht gelte268. Vielmehr erkenne das BGB die Möglichkeit des Bestehens beschränkter Rechte an der eigenen Sache an269. Für die Grunddienstbarkeit ergebe § 1018 BGB nichts Gegenteiliges270. § 1018 BGB spreche lediglich von zwei verschiedenen Grundstücken, enthalte aber keine Aussage über die Notwendigkeit der Personenverschiedenheit der Eigentümer dieser Grundstücke271. Schon der Ausgangspunkt dieser Überlegungen, die Nichtgeltung des Rechtssatzes nulli res sua servit im BGB, ist von Füller272 zu Recht scharf angegriffen worden. Die Nichtgeltung des Rechtssatzes leitet das Reichsgericht in seiner Entscheidung daraus ab, dass das Gesetz zum einen in § 889 BGB das nachträgliche Entstehen eines beschränkten dinglichen Rechts am eigenen Grundstück ausdrücklich vorsehe273 und zum anderen auch die Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts an der eigenen Sache in einzelnen Fällen erlaube, so die Bestellung einer Eigentümergrundschuld in § 1196 BGB und die Belastung zugunsten eines Miteigentümers in § 1009 BGB274. Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar. § 889 BGB regelt nur den speziellen Fall des nachträglichen Entstehens eines Eigentümerrechts. § 889 BGB enthält also keine Aussage darüber, ob die beschränkten dinglichen Rechte originär als eigene Rechte bestellt werden können275. Gegen diese Möglichkeit spricht jedoch die Existenz des vom Reichsgericht gerade für diese Möglichkeit angeführten § 1196276. Ginge das Gesetz von der generellen Möglichkeit der originären Bestellung von beschränkten dinglichen Rechten an der eigenen Sache aus, so hätte es diese nicht in § 1196 BGB für die Grundschuld und über die Verweisung in § 1199 BGB für die Rentenschuld gesondert festschreiben müssen. Von einer planwidrigen Regelungslücke bei den anderen beschränkten dinglichen

266 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 107; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 22; Soergel/ Stürner § 1018 RdNr. 38. 267 BGH NJW 1964, 1226, 1226; BGH NJW 1988, 2362, 2363. 268 RGZ 142, 231, 235. 269 RGZ 142, 231, 234. 270 RGZ 142, 231, 235. 271 RGZ 142, 231, 234. 272 Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 472 ff. 273 RGZ 142, 231, 234 f. 274 RGZ 142, 231, 235. 275 So auch Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 469. 276 Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 469 f.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

Rechten, welche im Wege einer Analogie zu § 1196 BGB geschlossen werden könnte, kann daher keine Rede sein277. Mag zwar der Eigentümer im Einzelfall ein praktisches Bedürfnis an der Bestellung einer Eigentümergrunddienstbarkeit haben278, so ist doch die Möglichkeit einer Eigentümergrunddienstbarkeit im BGB schlichtweg nicht vorgesehen. IV. Erfordernis der unentgeltlichen Ausübung Als beschränktes dingliches Recht regelt die Grunddienstbarkeit die Rechtsbeziehung einer Person zu einer Sache, indem sie der Person ein Herrschaftsrecht über die Sache einräumt279. Im Gegensatz zu einem obligatorischen Recht regelt sie gerade nicht die Rechtsbeziehung zwischen zwei Personen. Daraus folgt, dass die Grunddienstbarkeit nicht die Pflicht zur Erbringung einer Gegenleistung enthalten kann280, welche als Inhalt des dinglichen Rechts neben dem derzeitigen auch alle künftigen Eigentümer des herrschenden Grundstücks verpflichten würde281. Eine Verknüpfung der Grunddienstbarkeit mit der Erbringung einer Leistung durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks an den Eigentümer des dienenden Grundstücks lässt sich lediglich dadurch erreichen, dass die Erbringung zur auflösenden Bedingung der Grunddienstbarkeitsbestellung gemacht wird282. Als Folge hiervon erlischt die Grunddienstbarkeit mit dem Aus277 So auch Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 469, der darauf hinweist, dass der Typenzwang des BGB eine begriffliche Geschlossenheit der beschränkten dinglichen Rechte impliziert. Ausführlich zum Typenzwang siehe Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 370 ff.; Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 38 ff.; Kern, Typizität, S. 18 ff. Der Gesetzgeber entschloss sich bewusst gegen eine Eigentümergrunddienstbarkeit (Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 267). Unabhängig davon, ob man bei der Bestimmung einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie auf den Willen des Gesetzgebers oder das System des Gesetzes abstellt, liegt mithin hier eine planwidrige Regelungslücke nicht vor. 278 Während der Gesetzgeber ein praktisches Bedürfnis nach einer Eigentümergrunddienstbarkeit noch verneinte (Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 267), existiert ein solches tatsächlich vor allem bei der Erschließung und Gestaltung von Baugelände, weil auf diese Weise der Eigentümer vor dem Verkauf an Dritte die notwendigen Leitungs- und Wegerechte bestellen könnte (siehe dazu Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 50). Da das Gesetz die Möglichkeit einer Eigentümergrunddienstbarkeit aber nun mal nicht vorsieht, kann die Bestellung einer Grunddienstbarkeit erst im Rahmen der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück erfolgen. 279 Siehe dazu S. 51 ff. 280 Luden, Servituten, S. 25; Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268. Ohne Begründung Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 14; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 101; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 40. Zum Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB siehe BayObLG NJW-RR 1993, 283, 284; BayObLG NJW-RR 1989, 14, 15. 281 Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268. 282 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 14; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 40; Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268. Eine über die derzeitige Person des Eigentümers des herrschenden Grundstücks hinausgehende Bindung kann auch durch die Be-

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bleiben dieser Leistung gemäß § 158 II BGB mit Wirkung ex nunc283 oder wandelt sich – je nach Vereinbarung – bis zur Erfüllung der Leistung in eine aufschiebend bedingte Grunddienstbarkeit um284. lastung des herrschenden Grundstücks mit einer Reallast zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks erreicht werden. Der Bestand des einen Rechts kann dabei zur auflösenden Bedingung des anderen Rechtes gemacht werden. Wenn es in den Motiven (Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268) heißt: „. . ., so fallen Reallast und Dienstbarkeit auseinander“, ist die Möglichkeit der gegenseitigen Bedingung wohl übersehen worden. 283 Staudinger/Bork § 158 RdNr. 21. 284 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 7. Umstritten ist, ob auch die Befugnis zur Ausübung der Grunddienstbarkeit unter die auflösende Bedingung einer Leistung des Eigentümers des herrschenden Grundstücks gestellt werden kann (bejahend BGH NJW 1970, 1371, 1372; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 14 m.w. N.; ablehnend: MüKo/Joost § 1018 RdNr. 7; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 102; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 40). Dabei unterscheiden sich die unterschiedlichen Meinungen im Ergebnis nicht. Denn unabhängig davon, ob die Grunddienstbarkeit selbst oder nur das Recht zu deren Ausübung mit Bedingungseintritt, also dem Ausbleiben der Leistung vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks an den Eigentümer des dienenden Grundstücks, erlischt, ist der Eigentümer des herrschenden Grundstücks an der Vornahme der ihm durch die Grunddienstbarkeit gestatteten Handlung gehindert. Auch wenn er zu einem späteren Zeitpunkt die Leistung doch noch erbringt, ist es unerheblich, ob die Grunddienstbarkeit selbst oder nur das Recht zu deren Ausübung mit Bedingungseintritt erloschen sind. Weder das eine noch das andere Recht leben mit der Leistungserbringung von selbst wieder auf. In beiden Fällen bedarf es hierzu einer Vereinbarung, nach der sich die Grunddienstbarkeit bzw. das Recht zu deren Ausübung mit Ausbleiben der Leistung in unter der aufschiebenden Bedingung der Erbringung der Leistung stehendes Recht umwandelt. Es hat also keine Vorteile, anstatt der Grunddienstbarkeit bloß das Recht zu deren Ausübung zu bedingen. Dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass der von der bejahenden Ansicht gezogene Erst-recht-Schluss, dass, wenn schon der Bestand eines Rechtes durch die Erbringung einer Gegenleistung bedingt werden könne, dies erst recht für das Recht zur Ausübung dieses Rechts gelten müsse (Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 14), letztlich am Typenzwang des Sachenrechts scheitert. Dieser schränkt nicht die Abschlussfreiheit der Parteien im Sinne einer Entscheidung über das „Ob“ der Rechtsbegründung ein (Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 39), weshalb die Parteien auch das Bestehen der Grunddienstbarkeit unter eine Bedingung stellen können. Der Typenzwang schränkt vielmehr die Inhalts- oder Gestaltungsfreiheit im Sinne einer freien Entscheidung über den Inhalt des zu begründenden Rechts ein (Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 39). Es stellt jedoch gerade eine Modifizierung des Inhalts der Grunddienstbarkeit dar, wenn das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht nur unter einer bestimmten Bedingung ausgeübt werden darf (Prägnant Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 440 Fn. 3: „Jede Beschränkung der Ausübung eines Rechts ist Bestimmung des Rechtsinhalts.“). Haben die Parteien beispielsweise vereinbart, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte sein Recht, den über das dienende Grundstück führenden überdachten Weg zu benutzen, nur unter der Bedingung ausüben darf, dass es regnet, so handelt es sich bei dieser Vereinbarung um nichts anderes als um eine inhaltliche Konkretisierung der Grunddienstbarkeit dergestalt, dass dem Berechtigten das Recht eingeräumt ist, den über das dienende Grundstück führenden Weg bei Regen zu benutzen. Es verbietet sich daher, von einer Norm (§ 158 I BGB), welche das „Ob“ der Begründung eines in seiner Gestalt vom Gesetz festgeschriebenen Rechts betrifft, mithilfe eines Erst-Recht-Schlusses auf die Möglichkeit der privatautonomen Ausgestaltung des Rechtsinhaltes zu schließen.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

V. Servitus in faciendo consistere nequit Aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht leitet sich auch die von der Pandektenwissenschaft formulierte285 und zum Gegenstand zahlreicher Abhandlungen gemachte286 Parömie servitus in faciendo consistere nequit ab, nach der das Recht auf ein Tun nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein kann. Als beschränktes dingliches Recht regelt die Grunddienstbarkeit, indem sie dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks ein Herrschaftsrecht an dem belasteten Grundstück einräumt, die Beziehung einer Person, des Eigentümers des herrschenden Grundstücks, zu einer Sache, dem belasteten Grundstück, nicht aber die Beziehung von Personen untereinander287. Daher kann sie auch nicht die Pflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks zu einem Tun enthalten. Eine solche Pflicht kann nur Inhalt eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses sein. An dieser Stelle nur kurz erwähnt sei die in den Digesten vorgesehene Pflicht des Eigentümers des dienenden Grundstückes bei der servitus oneris ferendi, seine Mauer, die nach dem Inhalt dieser Servitut einem Bauwerk auf dem herrschenden Grundstück als Stütze dienen sollte, zu reparieren. In ihr sah die Pandektenwissenschaft eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Obwohl über den Grund für diese Ausnahme trotz intensiver Bemühungen der Wissenschaft288 auch bei der Ausarbeitung des BGB noch Uneinigkeit herrschte289, nahm der Gesetzgeber die Reparaturpflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks bei der servitus oneris ferendi zum Vorbild für die Schaffung der §§ 1021 und 1022 BGB290. Auf die Pflicht zur Vornahme von Handlungen bei der servitus oneris ferendi und deren unbedachte Ausdehnung auf andere Fälle durch den Gesetzgeber des BGB wird an anderer Stelle zurückzukommen sein291. VI. Privatautonome Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit 1. Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit genießen die Parteien einen großen Freiraum. So gibt § 1018 Var. 1 BGB mit der Bestimmung, 285 Die Parömie servitus in faciendo consistere nequit ist so in den römischen Quellen nicht enthalten; sie wurde durch die Pandektenwissenschaft formuliert (darauf weist Möller, Servituten, S. 199 Fn. 593 hin) und ist seither allgemein gebräuchlich (vgl. etwa Wilhelm, Sachenrecht, S. 779 f.). 286 Emmerich ZfCP N. F. 19 (1862), 469 ff.; Heisler, Abhandlungen, S. 3 ff., 19 ff.; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321 ff.; Thibaut, Versuche I, zweite Abhandlung, S. 26 ff. 287 Siehe dazu S. 51 f. 288 Siehe die Literatur in S. 70 Fn. 286. 289 Dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1231. 290 Motive III, S. 484 = Mugdan, Materialien III, S. 269. 291 Siehe dazu S. 258 ff.

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dass ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstückes in der Weise belastet werden kann, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, lediglich einen inhaltlichen Rahmen für die Ausgestaltung der Benutzungsdienstbarkeit durch die Parteien vor. Dieser Rahmen verlangt lediglich, dass Inhalt einer Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB nur das – an das Eigentum am herrschenden Grundstück geknüpfte – Recht sein kann, das dienende Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, nicht aber sämtliche Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen292. Aufgabe der Parteien ist es, innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens Art und Umfang der Nutzung, zu der die Grunddienstbarkeit berechtigen soll, selbst festzulegen. Ihnen bleibt die „Spezialisierung des Servituteninhaltes“ 293 überlassen. Diese „Spezialisierung“, also die inhaltliche Ausgestaltung des Nutzungsrechts durch die Parteien ist notwendige Voraussetzung für das Zustandekommen der Benutzungsgrunddienstbarkeit. Ohne dass die Parteien den Inhalt des Nutzungsrechts nicht zumindest insoweit festlegen, dass sich – worauf an anderer Stelle zurückzukommen sein wird294 – der genaue Inhalt des Nutzungsrechts nicht wenigstens durch Auslegung oder mithilfe des Grundsatzes der schonenden Ausübung bestimmen lässt, kommt keine Grunddienstbarkeit zustande. Ebenso wie § 1018 Var. 1 BGB verlangen auch die anderen Varianten des § 1018 BGB, dass die Parteien innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens den Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts selbst festlegen. 2. Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung als Besonderheit der Grunddienstbarkeit Die Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung des Rechtsinhalts ist eine Besonderheit der Grunddienstbarkeit, die ansonsten nur noch bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und der Reallast zu finden ist. Bei allen anderen beschränkten dinglichen Rechten hingegen gibt das Gesetz den Inhalt des dem beschränkt dinglich Berechtigten eingeräumten Herrschaftsrechts an der belasteten Sache so genau vor, dass die Parteien sich nur noch über das „Ob“ des jeweiligen beschränkten dinglichen Rechts einigen müssen, nicht mehr aber über das „Wie“ 295. 292 Siehe zum Merkmal der Benutzung „in einzelnen Beziehungen“ und den damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten der Grunddienstbarkeit zum Nießbrauch S. 37 ff. 293 Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 267. 294 Siehe zur Auslegung des Inhalts der Grunddienstbarkeit S. 80 ff.; siehe zum in § 1020 S. 1 BGB geregelten Grundsatz der schonenden Ausübung S. 201 ff. 295 Zur Untergliederung der Vertragsfreiheit in die Abschlussfreiheit, welche das „Ob“ der Rechtsbegründung betrifft, die Inhalts- oder Gestaltungsfreiheit, welche den Inhalt des zu begründenden Rechts, also das „Wie“, betrifft, die Formfreiheit, die Abänderungsfreiheit sowie die Vertragsbeendigungsfreiheit siehe MüKo/Busche Vor § 145

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

Zwar können und müssen die Parteien sich auch bei den beschränkten dinglichen Verwertungsrechten über gewisse Punkte einigen, wie beispielsweise die Höhe des Verwertungsrechtes bei der Grundschuld oder die gesicherte Forderung bei der Hypothek, so dass ihnen auch bei diesen Rechten ein gewisser Gestaltungsspielraum zusteht. Doch betrifft der Gestaltungsspielraum hier lediglich den Umfang des Rechts, nicht aber dessen inhaltliche Ausgestaltung. Das dem Berechtigten zustehende Herrschaftsrecht an der belasteten Sache ist in seiner inhaltlichen Gestalt vom Gesetz genau festgelegt. Die Parteien bestimmen lediglich, welchen Umfang dieses – inhaltlich festgelegte – Herrschaftsrecht haben soll. Anders als bei der Grunddienstbarkeit müssen die Parteien nicht erst die genaue inhaltliche Gestalt des Rechts festlegen, sondern können auf ein inhaltlich bereits vollständig vorgegebenes Herrschaftsrecht zurückgreifen. Sie verwenden – bildlich gesprochen – eine vom Gesetz vorgegebene Schablone und variieren lediglich deren Größe. Der den Parteien bei der Grunddienstbarkeit eingeräumte Gestaltungspielraum unterscheidet sich außerdem von dem Gestaltungsspielraum, den die Parteien bei manchen beschränkten dinglichen Rechten haben, weil das Gesetz ihnen ausdrücklich erlaubt, vom gesetzlich vorgesehenen Inhalt des beschränkten dinglichen Rechts abweichende Regelungen zu treffen, an den sie ansonsten aufgrund des im Sachenrecht geltenden Numerus-clausus-Prinzips gebunden wären296. Das Numerus-clausus-Prinzip, nach dem die dinglichen Rechte nach Art und Inhalt abschließend normiert sind297, bindet die Parteien an den gesetzlich vorgegebeRdNr. 10 ff. (mit den weiteren Aspekten der Endigungs- und der Formfreiheit); Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 39. Zum Prinzip der Selbstverantwortung im Vertragsrecht: Martinek, Prinzip der Selbstverantwortung, S. 247; ausführlich zur Privatautonomie siehe Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff. 296 Ausführlich zum Numerus-clausus-Prinzip: Kern, Typizität, S. 18 ff., 36 ff.; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623 ff. 297 Kern, Typizität, S. 19; Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 38. Das Numerus-clausus-Prinzip ist eng mit dem Eigentumsbegriff des BGB verknüpft (dazu Hattenhauer, Eigentum, S. 81, S. 91; Stadler, Verkehrsschutz, S. 111; Wiegand AcP 190 (1990), 112, 117; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 627 ff.; kritisch Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 376 ff.). Nach der Eigentumskonzeption des BGB (dazu ausführlich S. 55 ff.) hat der Eigentümer stets die vollumfängliche ungeteilte Herrschaft über seine Sache. Durch die Belastung seiner Sache mit einem beschränkten dinglichen Recht wird er lediglich in der Ausübung seiner Herrschaftsmacht solange und in dem Umfang beschränkt, wie das beschränkte dingliche Recht besteht. Hat die Belastung der Sache mit einem beschränkten dinglichen Recht damit zwar nicht zur Folge, dass der Eigentümer Herrschaftsmacht an seiner Sache einbüßt, so kann er doch, solange und soweit ein Nutzungs- oder Verwertungsrecht eines Dritten seine Sache belastet, sein Recht zur Nutzung oder Verwertung der Sache nicht ausüben. Als Folge hiervon wird es ihm schwerer fallen, seine Sache zu veräußern oder als Sicherungsmittel einzusetzen. Vermeidet der Eigentumsbegriff des BGB durch die Zuweisung der vollumfänglichen Herrschaftsmacht an den Eigentümer im Gegensatz zur Lehre vom geteilten Eigentum ein Auseinanderfallen von Verfügungs- und Nutzungsrecht und erleichtert damit die Mobilität des Grundeigentums (Heß AcP 197 (1997), 489, 496; Staudinger/Mayer

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nen Inhalt eines beschränkten dinglichen Rechts. Zwar können die Parteien nach dem Numerus-clausus-Prinzip auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung § 1018 RdNr. 4), ist es folgerichtig, eine Belastung der Sache mit einem beschränkten dinglichen Recht als einen nur vorübergehenden „Ausnahmezustand“ (Wiegand AcP 190 (1990), 112, 117; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 629) nur in den gesetzlich vorgesehenen und vom Gesetzgeber aus besonderen Gründen für notwendig erachteten Fällen zu gestatten (so auch Johow, Sachenrecht II, S. 1085 f.; Stadler, Verkehrsschutz, S. 111; Wiegand AcP 190 (1990), 112, 119; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 629). Das Numerus-clausus-Prinzip der beschränkten dinglichen Rechts stellt demnach sicher, dass dem Eigentümer, dem nach dem Eigentumsbegriff des BGB die vollumfängliche Herrschaftsmacht an seiner Sache zugewiesen ist, diese nicht nur auf dem Papier zusteht, sondern er diese grundsätzlich auch ausüben kann und verwirklicht damit die Eigentumskonzeption des BGB (Brehm/Berger, Sachenrecht, S. 22; Wiegand AcP 190 (1990), 112, 117; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 629). Kern, Typizität, S. 131 f. führt das Numerus-clausus-Prinzip auf die „Überordnung des Eigentums“ zurück, wonach mit dem Ende des beschränkten dinglichen Rechts die in ihm enthaltenen Befugnisse automatisch wieder dem Eigentum zufallen sollen. Dieser Argumentation liegt die unzutreffende Vorstellung zugrunde, dass es sich bei den beschränkten dinglichen Rechten um Abspaltungen aus dem Eigentum handelt (siehe dazu S. 52 ff.). Neben der Verwirklichung der Eigentumskonzeption des BGB wird der Zweck des Numerus-clausus-Prinzips der beschränkten dinglichen Rechte zum Teil im Schutz des Rechtserwerbers gesehen, so Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 638; (ohne den Schutz des Rechtserwerbers als Zweck des Numerus-clausus-Prinzips anzuführen allerdings Wiegand AcP 190 (1990), 112); Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 4; Stadler, Verkehrsschutz, S. 111. Zwar ist Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623, 638 darin zuzustimmen, dass sich Dritte beim Erwerb von Sachen aufgrund des Numerus-clausus-Prinzips der beschränkten dinglichen Rechte darauf verlassen können, dass die Sache nur mit den gesetzlich vorgesehenen beschränkten dinglichen Rechten belastet ist. Doch ist damit noch nicht gesagt, ob dies eine bloße Folge der Begrenzung der beschränkten dinglichen Rechte auf die im Gesetz festgelegten Rechte ist oder dessen Zweck. Für letzteres finden sich weder Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien noch legt die Systematik des Gesetzes diesen Schluss nahe. Schließlich sieht das BGB zum Schutz des Rechtserwerbers in § 936 BGB für bewegliche Sachen und in § 892 BGB für Grundstücke die Möglichkeit des gutgläubigen Wegerwerbs von beschränkten dinglichen Rechten mit der Folge vor, dass der Erwerber vor ihm unbekannten oder nicht ins Grundbuch eingetragenen Belastungen der Sache geschützt ist. Einen Grund, zum Schutz des Rechtserwerbers zusätzlich die Auswahl an möglichen beschränkten dinglichen Rechten zu begrenzen, lässt die Systematik des Gesetzes nicht erkennen. Vielmehr liegt es nahe, das Numerus-clausus-Prinzip der beschränkten dinglichen Rechte und die Möglichkeit des gutgläubigen Wegerwerbs beschränkter dinglicher Rechte als sich ergänzende, aber von unterschiedlichen Richtungen her ansetzende Mittel zur Mobilisierung des Eigentums anzusehen: Die Möglichkeit des gutgläubigen Wegerwerbs beschränkter dinglicher Rechte stellt sicher, dass der potentielle Erwerber in seine Überlegung, ob er die Sache erwerben will, nur Belastungen einbeziehen muss, soweit sie ihm bekannt oder – bei Grundstücken – aus dem Grundbuch ersichtlich sind. Das Numerus-clausus-Prinzip der dinglichen Rechte hingegen beeinflusst die Entscheidung des potentiellen Erwerbers insofern positiv, als die Sache von vorneherein nur mit denjenigen beschränkten dinglichen Rechten belastet sein kann, die der Gesetzgeber aus besonderen Gründen ins BGB aufnahm. Während also die Möglichkeit des gutgläubigen Wegerwerbs beschränkter dinglicher Rechte das Mittel ist, dem Erwerber eine sichere Entscheidungsgrundlage zu schaffen, ist das Numerus-clausus-Prinzip das Mittel, die gegen einen Erwerb sprechenden Belastungen der Sache auf die gesetzlich vorgesehene Auswahl zu beschränken.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

von den gesetzlichen Regelungen abweichen, jedoch nur insoweit, als nicht der Wesensgehalt des Rechts betroffen ist298. Unabhängig davon, wo man angesichts der inhaltlichen Unklarheit des Begriffs „Wesensgehalt“ dessen Grenzen zieht299, gehören Regelungen über den Inhalt des Rechts sicherlich nicht zu den abdingbaren Vorschriften. Gestattet das Gesetz, vom inhaltlich vorgesehenen Inhalt eines sonstigen beschränkten dinglichen Rechts abzuweichen und räumt den Parteien damit einen gewissen Gestaltungsspielraum ein, so unterschiedet sich dieser doch von dem Gestaltungsspielraum bei der Grunddienstbarkeit. Denn anders als bei der Grunddienstbarkeit müssen die Parteien in den Fällen, in denen ihnen das Abweichen vom gesetzlich vorgegebenen Inhalt eines beschränkten dinglichen Rechts erlaubt ist, von ihrer inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen300. Sie können vielmehr auf die inhaltliche Ausgestaltung zurückgreifen, welche das Recht durch das BGB erhalten hat. Besonders deutlich wird dieser Unterschied im Vergleich zwischen Nießbrauch und Grunddienstbarkeit. Die Grunddienstbarkeit unterscheidet sich vom Nießbrauch gerade nicht durch ihre besonders umfangreichen Gestaltungsmöglichkeiten301. Denn auch beim Nießbrauch steht den Parteien mit der Möglichkeit, gemäß § 1030 II BGB einzelne Nutzungen vom umfassenden Nutzungsrecht an der belasteten Sache auszuschließen, ein Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten offen, das demjenigen bei der Grunddienstbarkeit entspricht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Nießbrauch zwar grundsätzlich ein umfassendes Nutzungsrecht an der Sache gewährt, letztlich aber die Parteien durch den Ausschluss einzelner Nutzungsrechte über den genauen Inhalt des Nutzungsrechts bestimmen können, während sie bei der Grunddienstbarkeit von vorneherein die einzelnen zugelassenen Nutzungsarten positiv festlegen. Freilich müssen sie dabei in beiden Fällen die vom Gesetz vorgegebenen Schranken beachten302. Dass die Parteien den Inhalt des Nutzungsrechtes sowohl bei der Grunddienstbarkeit als auch beim Nießbrauch innerhalb der gesetzlichen Schranken frei gestalten können, wirft gerade die – bereits untersuchte303 – Frage auf, wie Nießbrauch und Grunddienstbarkeit im Einzelfall voneinander abzugrenzen sind.

298

Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 39. Wie die Abgrenzung, was zum „Wesensgehalt“ eines dinglichen Rechts gehört, im Einzelfall zu erfolgen hat, ist unklar (ähnlich Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 41); handhabbare Kriterien fehlen. Eine Diskussion hierüber findet weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung statt. 300 Angedeutet bei Johow, Sachenrecht II, S. 1201. 301 Demgegenüber wird in der Literatur als Besonderheit der Grunddienstbarkeit der den Parteien eingeräumte Gestaltungsspielraum genannt (Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 75; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 2). 302 Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Grunddienstbarkeit siehe S. 59 ff. 303 Siehe dazu S. 37 ff. 299

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Der Nießbrauch und die Grunddienstbarkeit unterscheiden sich demnach nicht in der Mannigfaltigkeit der Ausgestaltungsmöglichkeiten des Rechtsinhalts. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Rechten liegt vielmehr darin, dass die Parteien nur bei der Grunddienstbarkeit von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch machen müssen, während sie beim Nießbrauch wählen können, ob sie von ihrer Ausgestaltungsmöglichkeit Gebrauch machen oder es bei der gesetzlichen Regelung belassen. Während es also bei den anderen beschränkten dinglichen Rechten entweder aufgrund des Numerus-clausus-Prinzips ausgeschlossen oder – im Falle eines gesetzlich eingeräumten inhaltlichen Gestaltungspielraumes der Parteien – zumindest nicht erforderlich ist, dass die Parteien den Inhalt des beschränkten dinglichen Rechts festlegen, ist die inhaltliche Ausgestaltung durch die Parteien bei der Grunddienstbarkeit notwendige Voraussetzung für deren Zustandekommen. Dabei ist dem Erfordernis der inhaltlichen „Spezifizierung“ der Grunddienstbarkeit freilich schon dann Genüge getan, wenn sich der genaue Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts durch Auslegung oder mithilfe des Grundsatzes der schonenden Ausübung bestimmen lässt304. 3. Keine benannten Grunddienstbarkeiten Als Hilfestellung für die Parteien bei der Ausgestaltung des Grunddienstbarkeitsinhalts hätte der Gesetzgeber insbesondere für einzelne besonders häufig vorkommende Nutzungsarten den typischen Inhalt solcher Grunddienstbarkeiten vorformulieren und diese Grunddienstbarkeiten gesondert benennen können. So hätte beispielsweise eine Grunddienstbarkeit mit der Bezeichnung „Wegerecht“ und dem Inhalt, einen über das dienende Grundstück führenden Weg mitbenutzen zu dürfen, ins BGB aufgenommen werden können. Bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit hätten die Parteien dann entweder auf eine vom BGB inhaltlich ausgestaltete und gesondert benannte Grunddienstbarkeit zurückgreifen und diese gegebenenfalls ihren Vorstellung anpassen oder den Inhalt der Grunddienstbarkeit völlig frei gestalten können. Im Schuldrecht hat sich der Gesetzgeber für diesen Weg entschieden. Ebenso wie die Parteien bei der Grunddienstbarkeit den Inhalt des Nutzungsrechts inner304 Da die Parteien die Art des Nutzungsrechts meist zumindest schlagwortartig, etwa mithilfe des Begriffs „Wegerecht“, bestimmen werden und damit die Möglichkeit eröffnen, den genauen Inhalt des Nutzungsrechts mithilfe der Auslegung und des Grundsatzes der schonenden Ausübung zu bestimmen, sind kaum Fälle denkbar, in denen die Entstehung an der Grunddienstbarkeit an der fehlenden inhaltlichen Ausgestaltung durch die Parteien scheitert. Soweit ersichtlich ist denn auch bisher von der Rechtsprechung kein Fall entschieden worden, in dem die Entstehung der Dienstbarkeit an der fehlenden inhaltlichen Spezifizierung der Grunddienstbarkeit durch die Parteien gescheitert wäre. Siehe zur Auslegung des Inhalts der Grunddienstbarkeit S. 64 ff.; siehe zum in § 1020 S. 1 BGB geregelten Grundsatz der schonenden Ausübung S. 201 ff.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

halb des gesetzlichen Rahmens privatautonom regeln können und müssen, sind auch im Schuldrecht die Parteien in der Gestaltung des Vertragsinhaltes innerhalb der gesetzlichen Grenzen305 frei306. Anders als bei der Grunddienstbarkeit wurden jedoch in den §§ 433 ff. BGB für bestimmte, besonders häufige Vertragstypen spezielle Regelungen getroffen und diese Vertragstypen mit einer eigenen Bezeichnung, wie beispielsweise Kauf- oder Werkvertrag, versehen307. Auf diese Weise ist den Parteien im Schuldrecht die inhaltliche Gestaltung ihres Vertrages insofern erleichtert, als sie den Inhalt nicht selbst festlegen müssen, sondern auf einen dieser sogenannten benannten Verträge308 zurückgreifen können309. Selbstverständlich haben sie auch die Möglichkeit, einen im BGB gesondert geregelten Vertrag als Vorlage zu nehmen und diesen ihren Bedürfnissen anzupassen310. Wirft man einen Blick auf das gemeine Recht, von dem der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung des BGB als der „gemeinsamen Grundlage“ 311 der deutschen Partikularstaaten ausging312, überrascht das Fehlen einzelner speziell geregelter Grunddienstbarkeitstypen im BGB. Denn wie das BGB für das Schuldrecht sah das gemeine Recht auch für die Grunddienstbarkeit einzelne Grunddienstbarkeitstypen vor, zwischen denen die Parteien wählen konnten. So enthalten die römischen Quellen viele in Bezeichnung und Inhalt verschiedene Servituten, wie beispielsweise die Wegeservituten313 iter314, actus315 und via316, Wasserservituten317 wie das Wasserleitungs305

Siehe dazu MüKo/Busche Vor § 145 RdNr. 25. Zur sog. Gestaltungsfreiheit als Teil der Vertragsfreiheit im Schuldrecht siehe MüKo/Busche Vor § 145 RdNr. 24 ff. 307 Palandt/Grüneberg Überbl v § 311 RdNr. 11; Flume, Rechtsgeschäft, S. 12 f. 308 Palandt/Grüneberg Überbl v § 311 RdNr. 11. 309 MüKo/Busche Vor § 145 RdNr. 24, allerdings unter dem Blickwinkel, dass die Parteien nicht an einen der im Gesetz geregelten Vertragstypen gebunden sind, sondern innerhalb der gesetzlichen Grenzen Schuldverträge jeden beliebigen Inhalts abschließen können. Zur Vertragstypenbildung in Europa: Andrés Santos/Baldus/Dedek, Vertragstypen in Europa. 310 Siehe dazu nur Greiner, Schuldrecht BT, S. 2. 311 Gutachten der Vorkommission vom 15.04.1874, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170. 312 Dazu auch oben S. 26. 313 Bei der Auflistung der verschiedenen Felddienstbarkeiten stehen die Wegeservituten meist am Anfang; sie gehören zu den in der Pandektenwissenschaft des 19. Jhdts. am umfangreichsten behandelten Servituten. Siehe dazu nur Dernburg, Pandekten I, S. 573 ff.; Elvers, Servitutenlehre, S. 385 ff.; Luden, Servituten, S. 59 ff.; Puchta, Abhandlungen, Ueber die Wegeservituten des römischen Rechts, S. 77 ff.; Zielonacki, Servituten, S. 75 ff. 314 D. 8,3,1 pr.: „iter est ius eundi ambulandi homini, non etiam iumentum agendi.“ (Das Durchgangsrecht ist das Recht einer Person, über ein Grundstück zu gehen oder zu spazieren, nicht auch das Vieh darüber zu treiben; Übersetzung von Behrends/Knütel/ Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 684). 306

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recht (aquae ductus)318 und das Wasserschöpfungsrecht (aquae haustus)319, das Weiderecht (ius pascendi)320, das Recht, die Balken des eigenen Hauses in die des Nachbarhauses einzufügen (servitus tigni immittendi)321, das Recht, das eigene Gebäude auf bauliche Einrichtungen des Nachbargebäudes zu stützen (servitus oneris ferendi)322 oder das Recht, dem Nachbarn das Höherbauen zu untersagen (servitus altius non tollendi)323. Die Auflistung324 der in den römischen 315 D. 8, 3, 1 pr.: „actus est ius agendi vel iumentum vel vehiculum.“ (Das Viehtriftrecht ist das Recht, über ein Grundstück Vieh zu treiben oder mit einem Wagen darüber zu fahren; Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 684). Und weiter heißt es zur Abgrenzung von iter und actus: „itaque qui iter habet, actum non habet, qui actum habet, et iter habet etiam sine iumento.“ (Wer daher nur ein Durchgangsrecht hat, hat kein Viehtriftrecht. Wer aber ein Viehtriftrecht hat, der hat zugleich das Recht, auch ohne Vieh über das Grundstück zu gehen; Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 684). 316 D. 8, 3, 1 pr.: „via est ius eundi et agendi et ambulandi: nam et iter et actum in se via continent.“ (Das Wegerecht ist das Recht, über ein Grundstück zu gehen, das Recht, Vieh darüber zu treiben oder [auch zum Transport von Lasten] mit einem Wagen darüber zu fahren, und das Recht, auf ihm spazieren zu gehen. Denn es schließt sowohl das Durchgangs- als auch das Viehtriftrecht ein; Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 684). 317 Zu den einzelnen Wasserdienstbarkeiten siehe z. B. Elvers, Servitutenlehre, S. 404 ff.; Zielonacki, Servituten, S. 79 f. 318 D. 8, 3, 1 pr.: „aquae ductus est ius aquam ducendi per fundum alienum.“ (Das Wasserleitungsrecht ist das Recht, Wasser über ein fremdes Grundstück zu leiten; Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 684). 319 Erwähnt in D. 8, 3, 1, 1; D. 8, 3, 2, 1 u. 2; D. 8, 3, 5, 1; D. 8, 3, 20, 3; D. 8, 5, 4, 6. 320 Erwähnt in D. 8, 3, 1, 1; D. 8, 3, 4. 321 Erwähnt in D. 8, 2, 2; D. 8, 5, 8, 1. 322 Erwähnt in D. 8, 5, 6, 2. Ausführlich zur servitus oneris ferendi unten S. 258 ff. 323 Erwähnt in D. 8, 2, 2. 324 Die Behandlung der verschiedenen Servituten erfolgte stets – entsprechend der Überschriften des zweiten und dritten Titels des achten Buches der Digesten – eingeteilt in servitutes praediorum urbanorum (Gebäudedienstbarkeiten) und servitutes praediorum rusticorum (Felddienstbarkeiten); siehe dazu nur Dernburg, Pandekten I, S. 564, 573 ff., 575 ff.; Luden, Servituten, S. 385 ff., 420 ff.; Schönemann, Servituten, S. 126 ff., 129 ff. Streitig war nicht nur, ob die unterschiedlichen Bezeichnungen lediglich den Charakter des herrschenden Grundstücks als Feld- oder Gebäudegrundstück ausdrücken (so z. B. Dernburg, Pandekten I, S. 564 f.) oder darüber hinaus eine inhaltliche Verschiedenheit von Feld- und Gebäudegrunddienstbarkeiten widerspiegeln sollten (so z. B. Vangerow, Pandekten I, S. 700 ff.; siehe ausführlich zum Streitstand Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1068 f. Fn. 2) sondern auch, ob an die unterschiedliche Bezeichnung auch ein Unterschied in der rechtlichen Behandlung geknüpft sein sollte (dazu ebenfalls Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1068 f. Fn. 2). Da im BGB keine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Feld- und Gebäudedienstbarkeit vorgesehen war, verzichtete der Gesetzgeber auf eine solche Unterteilung der Grunddienstbarkeiten (siehe dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1202; Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 267). Aus dem gleichen Grund verzichtete der Gesetzgeber auch auf die Aufnahme der in der Pandektenwissenschaft getroffenen Einteilung der Servituten in servitutes continuae und discontinuae danach, ob die Servitut ständig oder nur zu gewissen Zeiten oder bei gewissen Gelegenheiten ausgeübt werden darf (vgl. z. B. Dernburg, Pan-

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Quellen benannten Servituten, deren inhaltliche Beschreibung und gegenseitige Abgrenzung nimmt denn auch in der gemeinrechtlichen Literatur einen großen Raum ein325. Dabei sah die gemeinrechtliche Literatur die in den römischen Quellen erwähnten und von ihr zusammengestellten Servituten jedoch nicht als abschließenden Katalog möglicher Grunddienstbarkeiten an326. Allgemeine Ansicht327 war vielmehr, dass die Parteien nicht an die in den Quellen erwähnten Grunddienstbarkeiten gebunden waren, sondern innerhalb der gesetzlichen Schranken328 den Inhalt der Grunddienstbarkeit privatautonom festlegen, also den Inhalt von benannten Grunddienstbarkeiten abändern oder gänzlich neue Grunddienstbarkeitstypen erfinden konnten329. Nach dem Vorbild der römischen Quellen waren auch in zahlreichen partikularrechtlichen und ausländischen Zivilrechtskodifikationen Spezialregelungen für dekten I, S. 566), sowie auf die Einteilung in servitutes apparentes und non apparentes nach deren Erkennbarkeit nach außen (dazu Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 100; zu beidem Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 267; Johow, Sachenrecht II, S. 1202). 325 Siehe nur Elvers, Servitutenlehre, S. 385–419, 430–447; Luden, Servituten, S. 40–56, 59–69; Schönemann, Servituten, S. 126–133; Zielonacki, Servituten, S. 75–94. 326 Arndts, Pandekten (1883), S. 329; Dernburg, Pandekten I, S. 573; Hoffmann, Servituten I, S. 100 f.; Puchta, Pandekten, S. 263 f.; Schönemann, Servituten, S. 107; Sintenis, Civilrecht I, S. 581; Vangerow, Pandekten I, S. 707; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 603. Eine ausführliche Begründung findet sich bei Elvers, Servitutenlehre, S. 134 ff. Möller, Servituten, S. 369 weist nach, dass auch im Mittelalter nicht von einem numerus clausus der Realservituten ausgegangen wurde (anders Elvers, Servitutenlehre, S. 136). 327 Anders Rainer, FS Ankum, S. 415, 422 mit dem Hinweis darauf, dass in der privatrechtlichen Literatur des 19. Jhdts. „vielerorts die Nennung der Servituten auf die in den römischen Quellen überlieferten Kataloge beschränkt“ sei. Als Beispiele führt er die Pandektenlehrbücher von Vangerow (§ 342) und Dernburg (§ 244) sowie den Pandektenkommentar von Glück an (§ 673). Listeten diese Autoren zwar die in den römischen Quellen enthaltenen einzelnen Servituten auf, so gingen doch zumindest Dernburg und Vangerow für das gemeine Recht nicht von einer Bindung der Parteien an die einzelnen römischen Typen aus, siehe Dernburg, Pandekten I, S. 573 (§ 242); Vangerow, Pandekten I, S. 707 (§ 340 Anm. 1). Die Aussagen von Glück, Pandekten X, S. 138 f. sprechen zumindest nicht zweifelsfrei dafür, dass er von einem numerus clausus der Servituten ausging. Möller, Servituten, S. 379 Fn. 67 führt das Missverständnis, dass im 19. Jhdt. den römischen Quellen ein numerus clausus von Grunddienstbarkeiten entnommen worden sei, auf eine bloß flüchtige Betrachtung der in der Pandektenliteratur enthaltenen Auflistungen der einzelnen in den römischen Quellen genannten Servituten zurück. 328 So ausdrücklich Elvers, Servitutenlehre, S. 138 mit Hinweis auf die anschließend behandelten Erfordernisse der Nützlichkeit, der perpetua causa und der Nachbarschaft der Grundstücke. Ebenso Hoffmann, Servituten I, S. 101; Vangerow, Pandekten I, S. 707; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 603. 329 Elvers, Servitutenlehre, S. 137; Vangerow, Pandekten I, S. 707; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 603. In den römischen Quellen selbst ist – soweit ersichtlich – die Möglichkeit, den Inhalt der Servitut abweichend von den ausdrücklich geregelten Servituten zu regeln, weder ausdrücklich vorgesehen noch wird sie ausdrücklich ausgeschlossen.

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einzelne Grunddienstbarkeiten enthalten330. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten beispielsweise enthielt in nicht weniger als 191 Paragraphen (§§ 55 bis 246)331 Spezialregelungen für einzelne Grunddienstbarkeiten. Ebenfalls gab es solche Spezialregelungen – wenn auch in geringerem Umfang als im Preußischen Allgemeinen Landrecht – im Bayerischen Landrecht sowie im sächsischen und österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch332. Im Gegensatz dazu enthielt der Code civil, dem sich auch der bayerische und der hessische Entwurf für ein Bürgerliches Gesetzbuch angeschlossen hatten, keinerlei Spezialregelungen für einzelne Dienstbarkeiten, sondern überließ die inhaltliche Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit innerhalb der gesetzlichen Schranken gänzlich den Parteien333. Bereits Johow traf für seinen Vorentwurf die Entscheidung, in Abweichung vom gemeinen Recht keine speziellen Regelungen für einzelne Grunddienstbarkeiten aufzunehmen, auf die die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit hätten zurückgreifen können. Ebenso wie im Code civil sollte die inhaltliche Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit alleinige Aufgabe der Parteien sein. Zur Begründung seiner Entscheidung führt Johow an, dass Spezialregelungen für einzelne Grunddienstbarkeiten nur Auslegungsregeln sein könnten, da bei der Grunddienstbarkeit der Rechtsinhalt nicht durch den Gesetzgeber bestimmt und durch die Parteien nur modifiziert werde, sondern allein die Parteien den Rechtsinhalt bestimmten334. Da die Auslegung jedoch stets an lokale Eigentümlichkeiten anknüpfe, sei die Aufstellung allgemeiner Auslegungsregeln aufgrund der im Deutschen Reich bestehenden lokalen Verschiedenheiten ausgeschlossen335. Zwar kann man dem Ausgangspunkt der Begründung Johows entgegenhalten, dass sich aus dem Erfordernis der privatautonomen Ausgestaltung des Inhalts der Grunddienstbarkeit nicht zwangsläufig ergibt, dass Spezialregelungen, welche den Inhalt einzelner Grunddienstbarkeiten betreffen, nur Auslegungsregelungen sein können. Ein vergleichender Blick auf die schuldrechtlichen Verträge, deren Inhalt ebenfalls innerhalb der gesetzlichen Grenzen privatautonom bestimmt wird, verdeutlicht, dass es nicht im Widerspruch zur Privatautonomie steht, wenn das Gesetz als Hilfestellung für die Parteien nicht nur Auslegungsregeln aufstellt, 330 Beispiele bei Johow, Sachenrecht II, S. 1225 und Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 268. 331 Laut Johow, Sachenrecht II, S. 1225 sollen es nur 187 Paragraphen (§§ 52 bis 242) sein. Doch enthalten auch die §§ 243 bis 246 Spezialregelungen. 332 Siehe dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1225. 333 Dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1225. 334 Johow, Sachenrecht II, S. 1226. 335 Johow, Sachenrecht II, S. 1226.

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sondern darüber hinaus für typische Fallgestaltungen die inhaltliche Ausgestaltung selbst vornimmt, solange die Parteien nicht an diese Ausgestaltung gebunden sind. Doch sprechen die von Johow erwähnten lokalen Verschiedenheiten in dem Maße, wie sie gegen die Aufstellung von Auslegungsregeln sprechen, auch gegen die Aufnahme einzelner speziell geregelter Grunddienstbarkeiten. So wird in den Motiven, in denen für einzelne Grunddienstbarkeitstypen nicht nur die Aufstellung von Auslegungsregeln, sondern auch von „Vorschriften dispositiver Natur“ in Erwägung gezogen wird336, sowohl die Entscheidung gegen Auslegungsregeln als auch die Entscheidung gegen Inhaltsregelungen dispositiver Natur damit begründet, dass „eine passende Ergänzung und Auslegung des Vertragswillens von lokalen Verschiedenheiten beeinflusst wird.“ 337. Aufgrund lokaler Verschiedenheiten sah sich der Gesetzgeber nicht nur an der Aufstellung von Auslegungsregelungen für einzelne Grunddienstbarkeiten gehindert, sondern auch an der Aufstellung spezieller inhaltlicher Regelungen für einzelne Grunddienstbarkeitstypen, deren Inhalt typischerweise dem Willen der Parteien entsprochen hätte und deshalb den Parteien die inhaltliche Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit hätte erleichtern können. Gerade aufgrund lokaler Verschiedenheiten gab es nach Meinung des Gesetzgebers einen typischen Parteiwillen, den man bei der Ausgestaltung der verschiedenen Grunddienstbarkeitstypen hätte zugrunde legen können, schlichtweg nicht338. 4. Auslegungsbedürftigkeit aufgrund privatautonomer Ausgestaltung Je weniger der Inhalt eines dinglichen Rechts gesetzlich vorgegeben ist und je größer damit der inhaltliche Gestaltungsspielraum der Parteien ist, in desto größerem Umfang können Unsicherheiten über den Inhalt des konkreten dinglichen Rechts auftreten, die es durch Auslegung zu beseitigen gilt. Daher ist das Bedürfnis nach Auslegung bei der Grunddienstbarkeit besonders hoch. Schließlich müssen die Parteien den Inhalt der Grunddienstbarkeit stets eigenständig und ohne Rückgriff auf einzelne gesetzlich ausgestaltete Grunddienstbarkeiten festlegen.

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Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 267. Motive III, S. 480 = Mugdan, Materialien III, S. 268. 338 Ob die vom Gesetzgeber angestellte Überlegung, dass sich aufgrund lokaler Verschiedenheiten keine Grunddienstbarkeitstypen aufstellen lassen, deren Inhalt dem typischen Parteiwillen entspricht, tatsächlich zutreffend ist, mag bezweifelt werden, spielt an dieser Stelle aber in Hinblick auf das hier allein entscheidende Ergebnis dieser Überlegung, nämlich dass es im BGB keine benannten Grunddienstbarkeitstypen gibt, letztlich keine Rolle. 337

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a) Vorgehensweise bei der Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit? Wie der Inhalt der Grunddienstbarkeit im Einzelfall zu ermitteln ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten339. Bei dem Streit geht es im Kern um die Frage, ob bei Rechtsgeschäften i. S. d. § 873 I BGB – zu denen ja auch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit gehört – angesichts der Zweckbestimmung des Grundbuchs, jedem Dritten über Bestand und Reichweite der dinglichen Rechte zuverlässig Auskunft zu geben340, andere Auslegungsmaßstäbe gelten müssen als bei Rechtsgeschäften, welche nur zwischen den beteiligten Personen Wirkung entfalten. Die in Rechtsprechung341 und Teilen der Literatur342 vertretene sogenannte objektive Auslegungstheorie bestimmt Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit mit Verweis auf die Auskunftsfunktion des Grundbuches343 anhand der Eintragung im Grundbuch. Nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel ist bei der Auslegung der Eintragung „vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung [abzustellen], wie er sich aus dem Grundbuch selbst und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung344 für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind“ 345. Ein von der Eintragung abweichender Parteiwille spiele hingegen keine Rolle346. 339 Eine Übersicht über den Streitstand bieten MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 16 ff., § 1105 RdNr. 14; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 137 ff. 340 BGH DNotZ 1976, 16, 17; BGH NJW-RR 1990, 457, 457. 341 OLG Koblenz NJW-RR 2014, 401, 402; OLG Koblenz NJOZ 2007, 2674, 2677; OLG Düsseldorf MittRhNotK 1997, 133, 133; BGH DNotZ 2002, 721, 722; BGH NJW 1985, 385, 386; BGH NJW 1983, 115, 116; BGH DNotZ 1976, 16, 17; BGH NJW-RR 1990, 457, 457; BGH NJW 2008, 3703, 3703; BGH DNotZ 1959, 240, 242; BGH NJW 1992, 2885, 2886; BGH NJW 2002, 1797, 1798. 342 NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 71; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 8. 343 BGH DNotZ 1976, 16, 17; BGH NJW-RR 1990, 457, 457. 344 Gemäß § 874 BGB kann bei der Eintragung eines Rechts, mit dem ein Grundstück belastet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. 345 BGH NJW 1985, 385, 386;. Mit lediglich geringen sprachlichen Abweichungen OLG Düsseldorf MittRhNotK 1997, 133, 133; OLG Kolenz NJW-RR 2014, 401, 402; BGH DNotZ 2002, 721, 722; BGH NJW 1983, 115, 116; BGH NJW 1992, 2885, 2886; BGH NJW 2002, 1797, 1798. 346 So ausdrücklich RG JW 1930, 3851, 3852; BGH NJW 1960, 673, 673; wohl auch BGH NJW-RR 1990, 457, 458; für ein Entstehen des dinglichen Rechts nur insoweit, wie sich Einigung und Eintrag decken allerdings BGH NJW 1990, 112, 114; unklar BGH NJW 1969, 502, 503. Angesichts der gesetzlichen Vermutung des § 891 I BGB zugunsten des im Grundbuch eingetragenen Rechts, welche nur durch den Beweis des

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Demgegenüber bestimmt eine andere Auffassung347 Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit, indem sie in einem ersten Schritt die Einigung i. S. d. § 873 I BGB auslegt, und zwar nach den allgemein gemäß §§ 133, 157 BGB für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen geltenden Grundsätzen348. Maßgebend kommt es ihr daher zunächst auf das an, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben, unabhängig davon, ob es im Inhalt der Erklärung Ausdruck gefunden hat (falsa demonstratio non nocet)349. Auch bezieht sie in die Ermittlung des Erklärungsinhaltes sämtliche außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände mit ein, nicht nur diejenigen, die „nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind“. Ist der Erklärungsinhalt der Einigung durch Auslegung ermittelt, wird in einem zweiten Schritt abgeglichen, ob der Inhalt der Einigung sich in der Eintragung als der zweiten Bestellungsvoraussetzung der Grunddienstbarkeit gemäß § 873 I BGB wiederfindet. In welchem Umfang dies der Fall sein muss, ist innerhalb dieser Ansicht allerdings umstritten. Eine Untermeinung350 fasst die Eintragung gemäß § 873 I BGB als bloßes Formerfordernis der Einigung auf. Dementsprechend sieht sie – in Anwendung der für formbedürftige Rechtsgeschäfte von der herrschenden Meinung vertretenen Andeutungstheorie351 – den durch die Auslegung der Erklärung ermittelten Inhalt der Grunddienstbarkeit nur insoweit als wirksam an, als dieser in der Eintragung einen, wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden habe352. Auf den objektiven Inhalt des Grundbuches, wie er sich aus dem Eintrag, den darin in Bezug genommen Eintragungsbewilligung und den Gegenteils als Hauptbeweis widerlegt werden kann (§ 292 ZPO), kommt es auf die Frage, ob ein entgegenstehender Parteiwille zu beachten ist, in der Praxis meist nicht an. 347 MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 19; Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 62; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 18 f.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 140; Westermann DNotZ 1958, 259, 261 f. 348 Dazu Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 65. 349 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 65; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 140. 350 MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 19; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 18 f., § 1105 RdNr. 14. 351 Siehe zur Andeutungstheorie und der an ihr geübten Kritik Staudinger/Singer § 133 RdNr. 31 ff. m.w. N. 352 MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 19; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 18, § 1105 RdNr. 26. Im Widerspruch dazu MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 18: „Dass die Einigung als formfreier und, wie § 873 II BGB zeigt, gegenüber der Eintragung selbständiger Teil der Bestellung nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen ist, dürfte kaum zu bestreiten sein.“ Unklar Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 140, der einerseits ausdrücklich auf MüKo/Joost § 1105 RdNr. 26 („. . ., dass es [die Einigung i. S. d. § 873 I BGB] sich wegen der zum Entstehen des dinglichen Rechts erforderlichen Eintragung im Grundbuch um eine in diesem Sinne formbedürftige Erklärung handelt.“) und MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 19 („bei der Auslegung formbedürftiger Erklärungen . . .“) Bezug nimmt, andererseits aber betont, dass die Einigung formlos möglich

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ohne weiteres für jedermann erkennbaren Umständen ergebe, komme es hingegen einzig im Rahmen der §§ 891 bis 893 BGB an353. Eine andere Untermeinung354 sieht die Eintragung als gegenüber der Einigung selbständiges, gleichwertiges, wesensverschiedenes Tatbestandsmerkmal des § 873 I BGB an, welches sich als „Kundbarmachungselement“ von der Einigung als „Willenselement“ in seinen Entstehungsvoraussetzungen und Einzelwirkungen unterscheide355. Zunächst nimmt diese Meinung daher eine gesonderte Auslegung des Grundbucheintrags vor. Anders als bei der Einigung i. S. d. § 873 I BGB legt sie den Grundbucheintrag jedoch nicht nach den §§ 133, 157 BGB aus, sondern zieht die von der objektiven Auslegungstheorie für die Auslegung von Grundbucheintragungen entwickelte Formel heran356. Sie stellt also auf Wortlaut und Sinn der Eintragung ab und berücksichtigt außerhalb von Eintragung und Eintragungsbewilligung liegende Umstände nur, wenn diese ohne weiteres für jeden erkennbar sind. Anschließend vergleicht diese andere Untermeinung den Inhalt des Grundbucheintrags mit dem der Einigung357. Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt sie dabei beispielsweise in den Fällen, in denen die Parteien zwar übereinstimmend einen bestimmten Inhalt der Grunddienstbarkeit wollen, dieser jedoch weder aus der Einigung noch aus dem Grundbucheintrag objektiv hervorgeht358. Aufgrund der unterschiedlichen Auslegungsmaßstäbe für Einigung und Eintragung werde das Gewollte zwar Inhalt der Einigung, Inhalt der Eintragung hingegen werde das objektiv Erklärte359. Schließlich ist der Grundsatz falsa demonstratio non nocet nach dieser Meinung nur auf die Einigung, nicht aber auf die Eintragung anwendbar360. Nur soweit der Vergleich von Einigung und Eintragung eine inhaltliche Übereinstimmung ergibt, tritt nach dieser Meinung die Rechtsfolge des § 873 I BGB ein361, entsteht beispielsweise die Grunddienstbarkeit. Geht der Inhalt der Eintragung über den der Einigung hinaus, so tritt die Rechtsänderung nur soweit ein, wie die Einigung reicht362. Im umgekehrten Fall, in dem der Inhalt der Einigung

sei und sich aus der für formbedürftige Willenserklärungen geltenden sogenannten Andeutungstheorie keine Einschränkungen ergäben. 353 MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 19. 354 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 64 ff. 355 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 7. 356 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 62, 269. 357 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 64, 190 ff. 358 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 190. 359 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 190. 360 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 65, 190. 361 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 64, 190 ff. 362 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 192.

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über den der Eintragung hinausgeht, soll eine um den nicht eingetragenen Teil inhaltlich reduzierte Grunddienstbarkeit freilich nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 139 BGB entstehen, also wenn die Grunddienstbarkeit mit diesem eingeschränkten Inhalt bestehen kann und die Parteien die Grunddienstbarkeit auch ohne den nicht eingetragenen Teil bestellt hätten363. b) Praktische Auswirkungen der unterschiedlichen Ansichten Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie der Inhalt einer Grunddienstbarkeit zu bestimmen ist, führen beispielsweise364 dann zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn der Grundbucheintrag objektiv einen anderen Inhalt hat als das von den Parteien übereinstimmend Gewollte365. Verlangt man mit der soeben erläuterten Ansicht eine inhaltliche Übereinstimmung von Einigung und Eintragung und hält man gleichzeitig für den Inhalt der Einigung das von den Parteien übereinstimmend Gewollte, für den Inhalt der Eintragung hingegen das aus Grundbucheintrag, Eintragungsbewilligung und den ohne weiteres für jedermann erkennbaren Umständen objektiv Hervorgehende für maßgeblich, so entsteht die Grunddienstbarkeit nur, soweit das von den Parteien Gewollte ins Grundbuch eingetragen wurde366. Soweit die Eintragung über das Gewollte hinausgeht, ist das Grundbuch unrichtig. Sieht man hingegen die Eintragung als bloßes Formerfordernis der nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegenden Einigung an, so entsteht die Grunddienstbarkeit mit dem von den Parteien gewollten Inhalt bereits dann, wenn dieser Wille in der Eintragung lediglich angedeutet ist367. In konsequenter Anwendung der von der Rechtsprechung vertretenen objektiven Auslegungstheorie, nach der sich der Inhalt der Grunddienstbarkeit nach dem rein objektiv auszulegenden Grundbucheintrag inklusive der darin in Bezug genommen Eintragungsbewilligung unter Berücksichtigung der für jedermann ohne weiteres erkennbaren äußeren Umstände bestimmt, dürfte ein entgegenstehender Parteiwille keine Rolle spielen. Tatsächlich jedoch hat die Rechtsprechung vereinzelt368 vertreten, dass bei einer Divergenz zwischen dinglicher Einigung und Grundbucheintragung das Recht nur insoweit entstehe, wie sich Einigung und Eintragung deckten.

363 So allgemein für jedes Rechtsgeschäft i. S. d. § 873 I BGB Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 196. 364 Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt es außerdem in dem Fall, dass die Eintragung inhaltlich unbestimmt, die Einigung aber präzise genug war; dazu Staudinger/ Gursky § 873 RdNr. 62. 365 Dazu MüKo(2004)/Falckenberg § 1018 RdNr. 18; Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 62. 366 Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 192. 367 MüKo/Joost § 1018 RdNr. 18. 368 BGH, NJW 1990, 112, 114.

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c) Stellungnahme Wie bei der Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit vorzugehen ist und welche Rolle Einigung und Eintragung dabei spielen, ist abhängig davon, welche Bedeutung ihnen bei der Belastung eines Grundstückes mit einem beschränkten dinglichen Recht gemäß § 873 I BGB jeweils zukommt und in welchem Verhältnis sie untereinander stehen. Die Bedeutung von Einigung und Eintragung innerhalb des § 873 I BGB lässt sich am besten am Beispiel der Übertragung des Eigentums an Grundstücken gemäß § 873 I BGB untersuchen. Schließlich legte der Gesetzgeber zunächst die Voraussetzungen für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück fest, bevor er diese auch für die Belastung eines Grundstücks mit einem beschränkten dinglichen Recht übernahm369. An dieser Stelle soll daher zunächst in einem Exkurs auf die Bedeutung von Einigung und Eintragung im Rahmen der Übertragung des Eigentums gemäß § 873 I BGB eingegangen werden. aa) Exkurs: Die Bedeutung von Einigung und Eintragung bei der Übertragung des Eigentums gemäß § 873 I BGB Die Ausgestaltung der Grundstücksübertragung im BGB hängt eng mit der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers zusammen, über die Rechte an Grundstücken ein öffentliches Buch, das Grundbuch, zu führen370. Schließlich zieht die Eintragung von Rechten in einem öffentlichen Buch stets die Frage nach sich, welche Rechtsfolgen mit dieser Eintragung verbunden sein sollen371. Mit der Einführung des Grundbuchs bezweckte der Gesetzgeber, Dritten zuverlässig Auskunft über die Rechte an Grundstücken zu geben und damit die Sicherheit des Rechtsverkehrs bei Immobiliengeschäften zu gewährleisten372. Um dieses Ziel zu erreichen, reichte es dem Gesetzgeber nicht aus, die Eintragung von Rechten ins Grundbuch sowie deren Löschung von einer sorgfältigen Prüfung durch die zuständige Behörde abhängig zu machen373. Schließlich ver369 Vgl. dazu Motive III, S. 162 ff. = Mugdan, Materialien III, S. 90 ff., wo die Bestellung und Belastung jedes beschränkten dinglichen Rechtes einzeln auf die Notwendigkeit der Eintragung hin untersucht wird. 370 Die Einführung eines Grundbuches hielt der Gesetzgeber für unerlässlich zur Sicherung des Rechtsverkehrs mit Immobilien. Eine ausführliche und anschauliche Begründung dazu gibt Johow, Sachenrecht I, S. 94 ff. Einen Überblick die Ausgestaltung des Immobilienrechts in den einzelnen Partikularstaaten findet sich in den Motiven III, S. 9 ff. = Mugdan, Materialien III, S. 6 ff. 371 So auch Staudinger/Gursky § 891 RdNr. 1. 372 Johow, Sachenrecht I, S. 97 f. 373 Johow, Sachenrecht I, S. 182 f.; Motive III, S. 208 = Mugdan, Materialien III, S. 115. Dagegen begnügten sich noch einige Partikularrechte zur Gewährleistung der Übereinstimmung von Grundbuchinhalt und materieller Rechtslage mit Verfahrensvor-

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mag auch die sorgfältigste Prüfung nicht zu garantieren, dass der Inhalt des Grundbuches stets mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt374. So kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass auch dem sorgfältigsten Beamten bei der Eintragung ein Fehler unterläuft, der zu einer von der materiellen Rechtslage abweichenden Eintragung führt375. Für die Sicherheit des Rechtsverkehrs ist es jedoch unerlässlich, dass sich Dritte vollumfänglich auf die Richtigkeit des Grundbuches verlassen können376. Andernfalls nämlich könnte sich der Dritte nie sicher sein, dass er auch tatsächlich Inhaber des Rechts wird. Schließlich gilt – solange das Gesetz nichts Gegenteiliges anordnet – der Grundsatz, dass niemand mehr Rechte auf einen Anderen übertragen kann, als er selbst hat (nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet)377. Das Ziel, durch die Führung eines öffentlichen Buches über die Rechte an Grundstücken die Sicherheit des Rechtsverkehrs mit Immobilien zu gewährleisten, wäre nicht erreicht. Um die Verlässlichkeit des Grundbuches für den Rechtsverkehr zu gewährleisten, entschied sich der Gesetzgeber, das Grundbuch mit öffentlichem Glauben auszustatten378. Der in §§ 892, 893 BGB Gesetz gewordene öffentliche Glaube des Grundbuches schützt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuches379. Er beinhaltet, dass der Inhalt des Grundbuches gegenüber Dritten als richtig gilt, sofern diese keine positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuches haben oder ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen ist. Der öffentliche Glaube durchbricht damit zugunsten desjenigen, der auf die Richtigkeit des Grundbuches vertraut, den Rechtssatz, dass niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat380. Eine darüber hinausreichende Wirkung wollte der Gesetzgeber der Eintragung im Grundbuch hingegen nicht beimessen. Anders als bei dem in Hamburg, Lübeck, Mecklenburg und Sachsen geltenden sogenannten Prinzip der formalen schriften; dazu Johow, Sachenrecht I, S. 182; Motive III, S. 208 = Mugdan, Materialien III, S. 115, beide mit einer Auflistung der entsprechenden Immobiliengesetze. 374 Johow, Sachenrecht I, S. 183. 375 Johow, Sachenrecht I, S. 183. 376 Johow, Sachenrecht I, S. 182; Motive III, S. 153, 208 = Mugdan, Materialien III, S. 85, 115. 377 Motive III, S. 208 = Mugdan, Materialien III, S. 115. 378 Neben dem Prinzip des öffentlichen Glaubens hatte Johow, Sachenrecht I, S. 183 für seinen Vorentwurf noch das sogenannte Verschwiegenheitsprinzip, nach dem die Übertragung des Eigentums nach dem Ablauf einer bestimmten Widerspruchsfrist auch Dritten gegenüber wirksam wird, erwogen. Zu den Ursprüngen dieses Prinzips und den Gründen gegen die Aufnahme ins BGB siehe ausführlich Johow, Sachenrecht I, S. 98 ff., 183 ff. Zur Entwicklung des Prinzips des öffentlichen Glaubens siehe Motive III, S. 209 f. = Mugdan, Materialien III, S. 115 f. 379 Staudinger/Gursky § 892 RdNr. 2. 380 Johow, Sachenrecht I, S. 186 f.

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Rechtskraft der Eintragung381, nach dem die Eintragung alleinige Voraussetzung einer Rechtsänderung, die Einigung der Parteien hingegen bloß verfahrensrechtliche Voraussetzung dieser Eintragung ist382, sollte die Eintragung ins Grundbuch allein zu keiner Rechtsänderung führen, ihr gerade keine sogenannte formale Rechtskraft zukommen383. Ausgehend von der Überlegung, dass die Verfügung über ein Recht grundsätzlich dem Inhaber dieses Rechtes zustehe und derjenige, zu dessen Gunsten die Verfügung erfolge, nicht ohne seinen Willen berechtigt werden könne, kam der Gesetzgeber vielmehr zu dem Ergebnis, dass für die Übertragung des Eigentums sowie für die Begründung, Übertragung und Belastung der übrigen Rechte an Grundstücken grundsätzlich ein gemeinsamer Wille der Parteien, also ein auf die Rechtsänderung gerichteter dinglicher Vertrag384, erforderlich sein sollte385. Die Eintragung allein sollte keine konstitutive, also rechtsbegründende, Wirkung haben. Gegen diese Entscheidung scheint auf den ersten Blick folgender Einwand zu sprechen: Solange die Eintragung im Grundbuch nicht die einzige Voraussetzung für das Entstehen, Erlöschen oder die Abänderung von Rechten an Grundstücken ist, sondern der Inhalt des Grundbuches nur aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs gegenüber Dritten als richtig gilt, kann es zu einem Auseinanderfallen von Grundbuchinhalt und materieller Rechtslage kommen. Zwischen den Parteien gilt ein anderes Recht als gegenüber Dritten. Doch ließ der Gesetzgeber diesen Einwand zu Recht nicht gelten. Diese sogenannte Duplizität der Rechte, die beispielsweise in dem Fall entsteht, dass ein Recht zwar im Grundbuch eingetragen ist und daher gegenüber Dritten als wirksam gilt, aber mangels wirksamer Einigung der Parteien gar nicht entstanden ist, sei kein hinreichender Grund dafür, den hoheitlichen Akt der Eintragung mit formeller Rechtskraft auszustatten386. Denn von dem Grundsatz, dass die Änderung der Rechtslage vom Willen der Parteien abhängig sein soll, könne nur insoweit abgewichen und der Eintragung allein rechtsbegründende Wirkung beigemessen werden, als es aufgrund der Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs geboten sei387. Den Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs sei jedoch bereits durch den öffentlichen Glauben 381 Johow, Sachenrecht I, S. 194; Motive III, S. 137 = Mugdan, Materialien III, S. 76 (Randbemerkung II.1.). 382 Zum Prinzip der formalen Rechtskraft ausführlich Johow, Sachenrecht I, S. 187, 194 ff. 383 Dazu Johow, Sachenrecht I, S. 194 ff. 384 Es ist umstritten, ob die Einigung i. S. d. § 873 I BGB als solche ein dinglicher Vertrag ist oder ob Einigung und Eintragung nur gemeinsam den dinglichen Vertrag bilden; siehe dazu ausführlich Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 34 ff. m.w. N. Die zweite Kommission hat die Klärung dieser Frage bewusst der Wissenschaft überlassen (Protokolle III, S. 3398 = Mugdan, Materialien III, S. 527). 385 Motive III, S. 138 = Mugdan, Materialien III, S. 76 f. 386 Johow, Sachenrecht I, S. 197. 387 Johow, Sachenrecht I, S. 197.

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des Grundbuches Genüge getan388. Einer konstitutiven Wirkung der Eintragung nicht nur Dritten, sondern auch den Parteien gegenüber bedürfe es daher nicht389. Die Entscheidung, der Eintragung im Grundbuch keine konstitutive Wirkung zu verleihen, sondern für die Übertragung des Eigentums an Grundstücken die Einigung des Rechtsinhabers und des anderen Teils vorauszusetzen, zog die Frage nach sich, ob man neben der Einigung auch die Eintragung ins Grundbuch zur Voraussetzung für den Eintritt einer Rechtsänderung machen sollte. Um den Rechtsverkehr nicht unnötig zu belasten, durfte nach Meinung des Gesetzgebers eine von den Parteien gewollte Rechtsänderung nur aus einem bedeutenden Grund von mehr Voraussetzungen als der entsprechenden Einigung der Parteien abhängig gemacht werden390. Zur Gewährleistung der Sicherheit des Rechtverkehrs jedenfalls war die Eintragung ins Grundbuch als Voraussetzung einer Rechtsänderung nicht erforderlich. Der öffentliche Glauben des Grundbuches funktioniert schließlich unabhängig davon, ob der Eintritt einer Rechtsänderung von der Eintragung ins Grundbuch abhängig gemacht wird391. Denn auch, wenn man die Rechtsänderung einzig aufgrund der Einigung der Parteien eintreten lässt, kann der Schutz des Rechtsverkehrs dadurch bewirkt werden, dass die Rechtsänderung Dritten gegenüber nur Wirkung entfaltet, wenn sie auch im Grundbuch eingetragen wird392. Doch käme es, wenn man die Eintragung zwar nicht für die Übertragung von Grundstücken, sondern nur für deren Wirkung gegenüber Dritten voraussetzte, in großem Umfang zu einem Auseinanderfallen des für die am betreffenden Rechtsgeschäft Beteiligten geltenden Rechts und des für Dritte geltenden Rechts. In der Vermeidung dieser Duplizität der Rechte sah der Gesetzgeber denn auch einen hinreichenden Grund, um die Eintragung zur Voraussetzung der Eigentumsübertragung an Grundstücken zu machen393. Zwar lasse sich die Duplizität der Rechte letztlich nur durch die gerade nicht gewollte konstitutive Wirkung der Eintragung gänzlich vermeiden, doch könne man durch das Erfordernis der Eintragung für eine Rechtsänderung zumindest erreichen, dass der Inhalt des Grundbuches regelmäßig mit der materiellen Rechtslage übereinstimme394. 388

Motive III, S. 139 = Mugdan, Materialien III, S. 77; Johow, Sachenrecht I, S. 97. Motive III, S. 139 = Mugdan, Materialien III, S. 77. 390 Johow, Sachenrecht I, S. 189. 391 Motive III, S. 139 = Mugdan, Materialien III, S. 77. 392 So galt im Geltungsbereich des Code civil das sogenannte Transkriptionensystem, wonach die Übertragung des Eigentums durch den im Abschluss des obligatorischen Vertrages zum Ausdruck gebrachten Konsens allein erfolgte und deren fakultative Eintragung in Transkriptionenregister nur rechtssichernde Wirkung gegenüber weiteren Käufern hatte. Dazu Johow, Sachenrecht I, S. 631; Motive III, S. 161 = Mugdan, Materialien III, S. 89. 393 Johow, Sachenrecht I, S. 189; Motive III, S. 17, 161 = Mugdan, Materialien III, S. 10, 89. 389

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Als Voraussetzung der Eigentumsübertragung sollte die Eintragung ins Grundbuch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Funktion wahrnehmen, die der Übergabe bei der Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen zukommt395. Wie die Übergabe soll die Eintragung ins Grundbuch dazu dienen, den auf die Eigentumsübertragung gerichteten Willen der Parteien nach außen zu manifestieren, damit dieser von der Rechtsordnung anerkannt wird396. Während der Gesetzgeber bei der Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen die Übergabe als ausreichend ansah, damit „der Wechsel in der Person des Eigenthümers, der Wichtigkeit des Aktes entsprechend, scharf und zweifellos in die Erscheinung tritt und dadurch der Eigenthumsübergang nicht blos den Kontrahenten zum klaren und ernstlichen Bewußtsein gebracht, sondern auch dritten Personen erkennbar wird“ 397, hielt er es bei der Übertragung des Eigentums an Grundstücken für erforderlich, diese von dem hoheitlichen Akt der Grundbucheintragung abhängig zu machen. Die Eintragung gewährleiste anders als die Übergabe von Grundstücken, die für Dritte oft nicht erkennbar sei, dass der Eigentumsübergang nach außen in Erscheinung trete398. Auch vermeide sie die mit der Übergabe von Grundstücken verbundenen praktischen Schwierigkeiten und damit die Gefahr, dass die Parteien auf sie verzichten und sich mit der Eintragung der Rechtsänderung ins Grundbuch mit der Folge begnügen, dass der Übergang des Eigentums oder zumindest dessen Zeitpunkt ungewiss ist399. Diesen Vorstellungen von Einigung und Eintragung als den beiden Voraussetzungen der Übertragung des Eigentums an Grundstücken entsprechend ist der § 873 I BGB formuliert worden, der Einigung und Eintragung durch die Konjunktion „und“ verbindet und damit schon sprachlich zum Ausdruck bringt, dass nur das Zusammenspiel von Einigung und Eintragung die Rechtsfolge des § 873 I BGB eintreten lässt. Setzt demnach ein Rechtsgeschäft i. S. d. § 873 I BGB sowohl die Einigung der Parteien über die Rechtsänderung als auch die Eintragung dieser Rechtsänderung ins Grundbuch voraus, kann es für die Bestimmung des Inhalts dieses Rechtsgeschäfts nicht nur auf den Inhalt der Eintragung im Grundbuch ankommen. Stellt man nämlich zur Bestimmung des Inhalts des Rechtsgeschäfts nach § 873 I BGB einzig auf den Grundbucheintrag unabhängig davon ab, ob sich dieser mit der Einigung deckt oder zumindest in ihr angedeutet ist, so misst man letztlich allein der Eintragung eine konstitutive Wirkung bei, die ihr nach dem BGB gerade nicht zukommt. Den Inhalt der Grunddienstbarkeit mit der einen Auffassung al394 395 396 397 398 399

Johow, Sachenrecht I, S. 189. Johow, Sachenrecht I, S. 190. Johow, Sachenrecht I, S. 190; Motive III, S. 162 = Mugdan, Materialien III, S. 89. Johow, Sachenrecht I, S. 190. Johow, Sachenrecht I, S. 190; Motive III, S. 162 = Mugdan, Materialien III, S. 89. Johow, Sachenrecht I, S. 190.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

lein aus dem Grundbucheintrag, der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung und den für jedermann ohne weiteres erkennbaren Umständen zu bestimmen, ist nichts anderes als eine Rückkehr zu dem gerade nicht ins BGB übernommenen Prinzip der formalen Rechtskraft der Einigung, das vor Inkrafttreten des BGB in einigen Partikularstaaten galt, und daher mit dem geltenden Recht unvereinbar. Zur Bestimmung des Inhalts einer Grunddienstbarkeit muss es daher sowohl auf die Einigung als auch auf die Eintragung ankommen. Damit ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, in welchem Verhältnis die Tatbestandsmerkmale Einigung und Eintragung zueinander stehen. Handelt es sich bei der Eintragung, wie die einen behaupten, um ein bloßes Formerfordernis der gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegenden Einigung mit der Folge, dass das von den Parteien übereinstimmend Gewollte schon dann wirksam wird, wenn es in der Eintragung bloß angedeutet ist, also nur unvollkommenen Ausdruck gefunden hat? Oder sind Einigung und Eintragung selbständig nebeneinander stehende Tatbestandsmerkmale, die die Rechtsfolge des § 873 I BGB nur soweit auslösen, wie deren – jeweils eigenständig zu bestimmender – Inhalt übereinstimmt? Schon die Formulierung des § 873 I BGB spricht gegen die Eintragung als bloßes Formerfordernis der Einigung. Durch die Konjunktion „und“ wird Einigung und Eintragung innerhalb des Tatbestandes des § 873 I BGB der gleiche Stellenwert beigemessen und das eine Merkmal nicht lediglich als Voraussetzung des anderen behandelt. Soll ein Merkmal lediglich Voraussetzung eines anderen Merkmals sein, wird dies im Gesetz auch sprachlich eindeutig zum Ausdruck gebracht. Dies zeigt ein Vergleich mit Normen, die unstreitig ein Formerfordernis für die Einigung enthalten. Bei diesen Normen wird, wie beispielsweise in § 766 BGB, die Einhaltung der Form zur Voraussetzung eines gültigen Vertrages erklärt und nicht das Formerfordernis innerhalb des Tatbestandes sprachlich mit dem Vertrag selbst auf gleiche Stufe gestellt. Gegen die Behandlung der Eintragung als bloßes Formerfordernis der Einigung spricht zudem das systematische Argument, dass die gesetzlich vorgeschriebene Einhaltung einer bestimmten Form als Voraussetzung für die Wirksamkeit eines bestimmten Rechtsgeschäfts stets Aufgabe der dieses Rechtsgeschäft vornehmenden Parteien sein muss400. Bei der Grundbucheintragung handelt es sich jedoch um einen gerichtlichen Hoheitsakt, den das Grundbuchamt als das dafür zuständige Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit kraft hoheitlicher Gewalt vornimmt401. Mag die Eintragung aufgrund ihrer Warnfunktion sowie ihrer Klarstellungs- und Beweisfunktion auch die Funktion einer Formvorschrift haben, so kann sie doch – wie bereits Johow in den Motiven zu seinem 400 401

Umschrieben bei Johow, Sachenrecht I, S. 191. Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 7.

§ 2 Inhalt der Grunddienstbarkeit

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Vorentwurf bemerkt402 – mangels Vornahme durch die Parteien kein bloßes Formerfordernis der Einigung sein. Stehen demnach Einigung und Eintragung als selbständige Tatbestandsmerkmale des § 873 I BGB nebeneinander, so ist auch ihr Inhalt jeweils gesondert zu ermitteln. Dabei können die gemäß §§ 133, 157 BGB für die dingliche Einigung geltenden Grundsätze nicht einfach auf den Grundbucheintrag übertragen werden. Dagegen spricht schon, dass die Eintragung eben nicht, wie von §§ 133, 157 BGB vorausgesetzt, eine empfangsbedürftige Willenserklärung, sondern ein hoheitlicher Akt ist. Erfolgt die Auslegung des Grundbucheintrags im Rahmen der Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§§ 892, 893 BGB) rein objektiv, kann für die Auslegung des Grundbucheintrags im Rahmen des § 873 I BGB nichts anderes gelten. Dient die Eintragung als Tatbestandsvoraussetzung des § 873 I BGB auch nicht dem Schutz des Rechtsverkehrs, welcher allein durch die §§ 892, 893 BGB verwirklicht wird und daher nur im Rahmen dieser Vorschriften nach einer objektiven Auslegung der Eintragung verlangt, so kann doch die Eintragung ihre Funktion, die Duplizität der dinglichen Rechte an Grundstücken grundsätzlich zu vermeiden, nur erfüllen, wenn sie auch im Rahmen des § 873 I BGB objektiv ausgelegt wird. Nur durch eine einheitliche Auslegung der Eintragung sowohl im Rahmen der §§ 892, 893 BGB als auch im Rahmen des § 873 I BGB kann letztlich vermieden werden, dass zwischen den am Rechtsgeschäft gemäß § 873 I BGB Beteiligten grundsätzlich ein anderer Rechtsinhalt gilt als für gutgläubige Dritte. Der Inhalt eines Rechtsgeschäfts i. S. d. § 873 I BGB ist daher so zu bestimmen, dass zunächst der Inhalt der Einigung anhand der allgemeinen Grundsätze gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt und anschließend mit dem Inhalt des objektiv auszulegenden Grundbucheintrags abgeglichen wird. Soweit diese sich decken, ist die Rechtsfolge des § 873 I BGB eingetreten. bb) Schlussfolgerung für die Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit Nichts anderes kann für die Bestimmung des Inhalts einer Grunddienstbarkeit gelten. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass dieses Ergebnis nicht mit den Überlegungen übereinstimmt, welche die erste Kommission zur ersatzlosen Streichung der noch in Johows Vorentwurf in § 267 Nr. 1 enthaltenen Bestimmung über die „Bemessung der den Inhalt der Dienstbarkeit bildenden Befugnisse“ bewogen haben.

402

Johow, Sachenrecht I, S. 191.

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1. Kap.: Überblick über die Grunddienstbarkeit im BGB

§ 267 Nr. 1 des Vorentwurfs lautet: „Das Maß der den Inhalt der Grunddienstbarkeit bildenden Befugnisse ist, soweit die Festsetzungsurkunde hierüber Zweifel beläßt, zu beurtheilen: 1. nach der ausdrücklichen oder der aus der bisherigen Uebung, insbesondere aus den gemachten Anlagen, zu entnehmenden stillschweigenden Uebereinkunft der Betheiligten“ 403.

Während der Beratungen der ersten Kommission über diese Norm waren zwei Auffassungen vertreten worden. Nach der einen Auffassung sollte der dingliche Vertrag nur Gültigkeit haben, soweit er in das Grundbuch eingetragen war oder durch Bezugnahme auf die Vertrags- oder Bewilligungsurkunde als eingetragen galt404. Dabei sei der Inhalt der Eintragung und der in Bezug genommen Urkunden aus der Eintragung selbst auszulegen; tatsächliche nicht aus der Eintragung oder den Urkunden ersichtliche Umstände dürften hingegen nicht berücksichtigt werden405. Nach der anderen Auffassung sollten für die Auslegung des Inhalts der Eintragung und der in Bezug genommenen Urkunden die allgemeinen für die Auslegung von Rechtsgeschäften geltenden Grundsätze gelten406. Für letztere Auffassung sprach sich die Mehrheit der Kommission aus, hielt aber eine Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift mit der Begründung für entbehrlich, dass § 72 des Kommissionsentwurfs, der als § 133 unverändert ins BGB übernommen wurde, überall gelte407. Eine Sonderbestimmung für das Grundbuchrecht sei entbehrlich, da davon auszugehen sei, dass die Vertragsschließenden sich bei Abschluss des dinglichen Vertrages den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen unterworfen hätten408. Allerdings haben die der Streichung des § 267 Nr. 1 des Vorentwurfs zugrunde liegenden Überlegungen von der Geltung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze auch für die Eintragung keinen Eingang ins BGB gefunden. Denn, wie gezeigt, unterscheidet das BGB in § 873 I BGB für sämtliche dingliche Rechte zwischen den Tatbestandsmerkmalen Einigung und Eintragung, welche selbständig nebeneinander stehen und daher auch getrennt voneinander auszulegen sind. Dies gilt 403 Johow, Sachenrecht I, S. 45, Nr. 2 und 3 des § 267 des Vorentwurfs lauten: „2. nach dem durch die Dienstbarkeit zu befriedigenden, bei der Benutzung des herrschenden Grundstücks obwaltenden Bedürfnisse; 3. nach dem örtlichen Sprachgebrauch und der Ortsübung.“ Die Streichung dieser beiden Nummern ist in den Sitzungsprotokollen der ersten Kommission mit der Selbstverständlichkeit der Berücksichtigung sowohl des Bedürfnisses bei der Benutzung des herrschenden Grundstücks als auch des örtlichen Sprachgebrauchs und der Ortsübung bei der Bestimmung des Umfangs der Dienstbarkeit begründet (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 69). 404 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 69. 405 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 69. 406 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 69. 407 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 70. 408 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 70.

§ 2 Inhalt der Grunddienstbarkeit

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mangels einer von § 873 I BGB abweichenden Vorschrift auch für die Grunddienstbarkeit. Im Gegensatz dazu trennt die erste Kommission die Einigung als den Willensakt der Parteien noch nicht klar von der Eintragung als hoheitlichem Akt. Sie vermischt vielmehr in ihren Ausführungen Einigung und Eintragung, indem sie sich einerseits die Frage nach den für die Eintragung geltenden Auslegungsgrundsätzen stellt, ihre Antwort darauf andererseits aber mit dem Hinweis auf den für Verträge geltenden § 72 des Kommissionsentwurfs und auf die mit dem Vertragsabschluss verbundene Unterwerfung der Parteien unter die allgemeinen Auslegungsgrundsätze begründet. Grund hierfür dürfte sein, dass im Entwurf erster Lesung die Trennung von materiellem und formellem Grundstücksrecht noch nicht so klar vollzogen ist wie im BGB409. So bestimmt beispielsweise § 828 Abs. 2 des Entwurfs erster Lesung: „Der Vertrag erfordert die Erklärung des Berechtigten, daß er die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewillige, und die Annahme der Bewilligung von Seiten des anderen Theiles.“ 410

Für das geltende Recht, das klar zwischen der Einigung und der Eintragung unterscheidet, treffen die Ausführungen der ersten Kommission jedoch nur hinsichtlich der dinglichen Einigung zu. Für die Eintragung jedoch gelten, wie gezeigt, andere Auslegungsmaßstäbe. Trotz abweichender Ausführungen der ersten Kommission zur Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit kann daher aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 873 I BGB, der eine Berücksichtigung eines etwaigen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers von vorneherein ausschließt411, für die Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit nichts anderes gelten als für die anderen Rechtsgeschäfte i. S. d. § 873 I BGB. Der Inhalt der Grunddienstbarkeit ist daher so zu bestimmen, dass zunächst der Inhalt der Einigung nach den allgemein gemäß §§ 133, 157 BGB für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen geltenden Grundsätzen ermittelt und anschließend mit dem Inhalt des objektiv auszulegenden Grundbucheintrags abgeglichen wird. Soweit sich der Inhalt der Einigung und der Inhalt des Grundbucheintrages decken, ist die Rechtsfolge des § 873 I BGB eingetreten und die Grunddienstbarkeit entstanden.

409

Dazu Staudinger/Gursky § 873 RdNr. 3. Mugdan, Materialien III, S. VIII. 411 Auch nach der sogenannten subjektiven Theorie ist der Wille des historischen Gesetzgebers unbeachtlich, wenn nach dem Wortlaut der Norm eine dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechende Auslegung nicht möglich ist; siehe dazu S. 27 f. 410

2. Kapitel

Ansprüche der Beteiligten ohne Berücksichtigung der §§ 1020 bis 1023 BGB Bevor untersucht wird, ob die §§ 1020 bis 1023 BGB tatsächtlich, wie allgemein angenommen, ein gesetzliches Schuldverhältnis begründen oder ob sie nicht rechtlich anderweitig einzuordnen sind, soll, wie bereits erwähnt1, zunächst geklärt werden, welche Ansprüche dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegeneinander zustehen, wenn man die §§ 1020 bis 1023 außer Acht lässt.

§ 3 Abhängigkeit der Ansprüche von der Eigenschaft der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht Aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht2 ergeben sich verschiedene Ansprüche, die den Beteiligten untereinander zustehen. Ein beschränktes dingliches Recht ordnet dem Berechtigten gewisse Rechte an der Sache des Eigentümers zu. Es legt die Herrschaftssphäre des beschränkt dinglich Berechtigten an der Sache fest und zieht damit die Grenze zwischen der Einwirkungsbefugnis des Eigentümers und der des beschränkt dinglich Berechtigten auf die Sache. Hierin erschöpft sich die mit der Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts verbundene Wirkung. Sie geht über die Zuordnung von einzelnen Rechten an der Sache nicht hinaus. Der Eigentümer und der beschränkt dinglich Berechtigte haben zwar ein Recht an derselben Sache. Das allein vermag jedoch keine rechtliche Sonderverbindung in Gestalt eines Schuldverhältnisses zwischen ihnen zu begründen. Ein solches bedarf der Vereinbarung von Rechten und Pflichten der Parteien untereinander3 oder deren gesetzlicher Anordnung. 1

S. 21. Dazu S. 51 ff. 3 Bei den ursprünglichen, an der Bestellung der Grunddienstbarkeit beteiligten Eigentümern ist hier freilich insbesondere an das der Bestellung der Grunddienstbarkeit zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft zu denken. 2

§ 4 Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks

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Haben der Eigentümer des belasteten Grundstücks und der Eigentümer des herrschenden Grundstücks nach der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht zwar ein Recht an derselben Sache, stehen sie aber grundsätzlich in keiner anderen rechtlichen Beziehung zueinander als beliebige Dritte, die die Grenzen der Herrschaftsrechte des jeweils anderen zu beachten haben, so richten sich ihre gegenseitigen Ansprüche nach den allgemeinen Vorschriften. Einzig im Rahmen dieser Vorschriften können sich Modifizierungen dadurch ergeben, dass die Grunddienstbarkeit dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks Befugnisse in Bezug auf das belastete Grundstück einräumt und damit die Herrschaftssphäre des Eigentümers des belasteten Grundstücks zu Gunsten des Eigentümers des herrschenden Grundstücks verschiebt. Gegenstand der folgenden Untersuchung bilden zunächst die Ansprüche, die dem Eigentümer des belasteten gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks zustehen (§ 4). Daran schließt sich die Untersuchung der Ansprüche des Eigentümers des herrschenden Grundstücks an (§ 5). Danach wird auf die Frage eingegangen, inwieweit es sich auf die Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks auswirkt, wenn nicht der Eigentümer des herrschenden Grundstücks, sondern ein Dritter die Grunddienstbarkeit ausübt (§ 6). Inwieweit stehen ihm in diesem Fall Ansprüche gegen den ausübenden Dritten (A.) und gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks (B.) zu? Inwieweit der Dritte in der Ausübung der Grunddienstbarkeit geschützt ist, bildet den Abschluss der folgenden Erörterungen (C.).

§ 4 Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks A. Einschränkung der aus dem Eigentum folgenden Ansprüche Als beschränktes dingliches Recht begrenzt die Grunddienstbarkeit die Rechte des Eigentümers des belasteten Grundstücks zugunsten des Eigentümers des herrschenden Grundstücks. Die aus dem Eigentum resultierenden Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks sind im Vergleich zu den Ansprüchen gegen beliebige Dritte in dem Umfang eingeschränkt, in dem dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks aufgrund der Grunddienstbarkeit Befugnisse in Bezug auf das belastete Grundstück zustehen. Auf etwaige possessorische Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks hat das Bestehen einer Grunddienstbarkeit hingegen keinen Einfluss4.

4

Siehe dazu S. 104 f.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

B. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 I BGB § 1004 I BGB gibt dem Eigentümer einen Anspruch auf Beseitigung bei gegenwärtigen (S. 1) und auf Unterlassung bei drohenden (S. 2) Beeinträchtigungen seines Eigentums. I. Funktion und Stellung von § 1004 BGB innerhalb des BGB Die Funktion des § 1004 BGB innerhalb des Anspruchssystems des BGB ist maßgeblich für die Voraussetzungen und den Inhalt dieses Anspruchs5. § 1004 I BGB und § 985 BGB verwirklichen die Befugnis des Eigentümers gem. § 903 BGB, andere von jeder Einwirkung auf die eigene Sache auszuschließen. Während § 985 BGB den Eigentümer davor schützt, dass ein Dritter unbefugtermaßen den Besitz an der Sache ausübt, gibt § 1004 BGB dem Eigentümer einen Anspruch auf Beseitigung gegenwärtiger Beeinträchtigungen oder auf Unterlassung drohender Beeinträchtigungen des Eigentums „in anderer Weise“. Zusammen gewähren diese beiden Ansprüche dem Eigentümer so einen umfassenden Schutz vor Beeinträchtigungen seiner Rechte durch Dritte6. Dabei ist § 985 BGB die Spezialregelung für eine ganz spezielle, in ihren Folgen weitreichende und deshalb besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Eigentums, nämlich die Vorenthaltung des Besitzes als tatsächlicher Sachherrschaft, ohne die der Eigentümer viele seiner Befugnisse faktisch gar nicht wahrnehmen kann. § 1004 I BGB deckt als Generalnorm alle sonstigen Beeinträchtigungen des Ei5 Dies wird auch von Rechtsprechung und (noch) herrschender Lehre (in ihren Grundzügen und Untermeinungen knapp dargestellt bei Lettl JuS 2005, 871, 872; Neuner NJW 2005, 385, 387 f.; Waas VersR 2002, 1205, 1206 ff.) immer wieder betont, siehe nur: Herrmann, Störer nach § 1004 BGB, S. 5. Bei der praktischen Handhabung des § 1004 BGB missachten Rechtsprechung und herrschende Lehre jedoch Aufgabe und Stellung des § 1004 BGB innerhalb des BGB und wenden § 1004 BGB weit über den ihm nach seiner Funktion zugedachten Anwendungsbereich hinaus an. Siehe dazu: Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 3–12; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 25 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 322 ff. Einzig die sogenannte Usurpationstheorie, die von Picker begründet wurde (Picker, Beseitigungsanspruch; Picker JuS 1974, 357 ff.; Picker, FS Lange, S. 625 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 316 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269 ff.) und immer größere Zustimmung findet (siehe z. B. MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 87 ff.; Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung im EBV, S. 69 ff.; Buchholz/Radke Jura 1997, 454 ff.; Gursky JR 1989, 397 ff.; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 5 ff. m.w. N.; Lobinger JuS 1997, 981, 982 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 288 f.), bestimmt Tatbestandsvoraussetzungen und Anspruchsinhalt konsequent nach der Stellung des § 1004 BGB im Anspruchssystem des BGB. Eine Auseinandersetzung mit der gegen die Usurpationstheorie vorgebrachten Kritik soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Die Anhänger der Usurpationstheorie haben diese Einwände wiederholt entkräftet (Buchholz/Radke Jura 1997, 454, 461 ff.; Gursky JR 1989, 397, 398 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 345 ff.) und ihre Konzeption aus dem geltenden Recht positiv abgeleitet. Siehe dazu nur: Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49 ff. 6 Picker, FS Bydlinski, S. 269, 298.

§ 4 Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks

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gentums ab7. § 1004 BGB und § 985 BGB sind, wie schon die Formulierung „in anderer Weise“ in § 1004 I BGB zeigt8, funktional und dogmatisch komplementäre Vorschriften9. Sie bilden ein einheitliches Anspruchssystem zum Schutz des Eigentums10. § 1004 BGB ist ein dinglicher Anspruch. Dingliche Ansprüche haben – wie später näher auszuführen sein wird11 – die Aufgabe, die von der Rechtsordnung vorgesehene Güterzuordnung tatsächlich zu verwirklichen, indem sie den Zustand herstellen, der dem Inhalt des dinglichen Rechts, bei § 1004 BGB dem des Eigentums, entspricht12. Ohne sie könnte die von der Rechtsordnung vorgesehene Güterzuordnung dauerhaft nicht aufrechterhalten werden13. Andernfalls wäre z. B. dem Eigentümer zwar „auf dem Papier“ das Recht eingeräumt, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 BGB). Er könnte dieses Recht jedoch eingreifenden Dritten gegenüber aufgrund des Gewaltmonopols des Staates nicht durchsetzen14, sieht man vom seltenen Fall der erlaubten Selbsthilfe in Form des Notstandes gem. § 904 BGB ab. Sein Recht wäre weithin wertlos. Dingliche Ansprüche sind zwingende Voraussetzung für den tatsächlichen Fortbestand einer auf Güterzuordnung basierenden Rechtsordnung. Dingliche Ansprüche beenden einen tatsächlichen Zustand, der der rechtlichen Güterzuordnung deshalb widerspricht, weil ein Dritter durch sein Verhalten oder den Zustand einer ihm gehörigen Sache einen fremden Rechtsraum für sich in Anspruch nimmt und damit die Sachherrschaft des Berechtigten verkürzt15. Sie zwingen den Dritten zur Aufgabe der Inanspruchnahme des fremden Rechtskrei7 MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 45; Gursky JR 1989, 397, 398; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 333. 8 Gursky JR 1989, 397, 398; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 288. 9 So prägnant: Picker, FS Bydlinski, S. 269, 298. 10 Dazu Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 2; Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 748 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269 ff. Picker, FS Bydlinski, S. 269, 300 bezeichnet beide Ansprüche als „homogene Teile eines einheitlichen Eigentumsanspruchs“. Johow, Sachenrecht I, S. 1018 fasst den Anspruch wegen Vorenthaltung des Besitzes und den Anspruch wegen sonstiger Angriffe auf die Freiheit des Eigentums unter dem Oberbegriff „Eigenthumsanspruch“ zusammen. In den Motiven heißt es, „dass der negatorische Anspruch der Vindikation in seinem Wesen gleichartig ist und von derselben nur durch die Art der Eigentumsverletzung, deren Beseitigung erstrebt wird, sich unterscheidet.“ (Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236). Vertiefend zur Beziehung der Vindikation zum negatorischen Anspruch: Picker, FS Bydlinski, S. 269, 290 ff. 11 Siehe dazu S. 199 ff. 12 Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236; Motive III, S. 393 = Mugdan, Materialien III, S. 218. 13 Picker, FS Lange, S. 625, 657 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 340; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 286. 14 Dazu Picker, FS Gernhuber, S. 316, 334. 15 Gursky JR 1989, 397, 398; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 10.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

ses und stellen damit die von der Rechtsordnung vorgesehene Güterzuordnung wieder her. Grund der Haftung ist allein die Abweichung des momentanen tatsächlichen Zustandes von dem durch die Rechtsordnung vorgegebenen Sollzustand ohne Rücksicht auf Geschehnisse in der Vergangenheit16. Damit unterscheiden sich die dinglichen Rechtsverwirklichungsansprüche grundlegend von Schadensersatzansprüchen des Rechtsinhabers17. Bei diesen geht es um die (Um-)Verteilung von erlittenen Vermögenseinbußen18, bei jenen um die bedingungslose Wiederherstellung der von der Rechtsordnung vorgegebenen Güterzuordnung. Beschädigt zum Beispiel ein Dritter die Sache des Eigentümers, liegt darin kein dem Inhalt des Eigentums widersprechender Zustand. Der Eigentümer kann entsprechend § 903 BGB mit seiner Sache noch immer nach Belieben verfahren. Dass seine Sache in ihrem Wert gemindert ist, ändert hieran nichts. Eine Störung der rechtlichen Güterzuordnung, die es zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zu beseitigen gilt, besteht in diesem Fall gerade nicht19. Bei den Schadensersatzansprüchen geht es allein darum, ob der Geschädigte, im Beispielsfall der Eigentümer, die Vermögenseinbuße selbst tragen muss oder auf einen anderen abwälzen kann. Dies ist eine reine Wertungsfrage. Zur Aufrechterhaltung der rechtlichen Güterzuordnung und damit der Grundlagen der Rechtsordnung ist ein Ausgleich dieser Vermögenseinbuße nicht notwendig. Das BGB sieht einen Schadensausgleich abweichend vom Grundsatz, dass jeder die ihn treffenden Vermögenseinbußen selbst zu tragen hat (casum sentit dominus), nur in Fällen vor, in denen ein in der Vergangenheit liegender verpflichtender Akt eines Dritten20 es angemessen erscheinen lässt, dass nicht der Geschädigte, sondern der Dritte für den Schaden aufkommt. Der bloße Eintritt einer Vermögensminderung auf Seiten des Geschädigten ist nicht ausreichend. Anders als bei den dinglichen Ansprüchen, für deren Bestehen es allein auf den gegenwärtigen tatsächlichen Istzustand im Vergleich zum rechtlich vorgegebenen Sollzustand ankommt21, entscheidet bei den Schadensersatzansprüchen ein in der Vergangen16 So MüKo/Baldus § 1004 Rn. 87; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 10; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 340 f. 17 Dazu umfassend Picker, FS Lange, S. 625 ff.; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 331 ff. 18 Picker, FS Gernhuber, S. 316, 332. 19 Im Ergebnis hält auch Armbrüster NJW 2003, 3087, 3089 im Falle einer Substanzverletzung lediglich § 823 I BGB für anwendbar. Nach seiner Auffassung soll zwar jede Eigentumsverletzung i. S. von § 823 I BGB tatbestandlich zugleich eine Eigentumsbeeinträchtigung i. S. von § 1004 I BGB sein; jedoch soll im Falle einer Sachsubstanzverletzung § 823 I BGB lex specialis zu § 1004 I BGB sein, da in diesem Fall der „Kern des deliktsrechtlichen Eigentumsschutzes“ (Armbrüster NJW 2003, 3087, 3089) betroffen sei. 20 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 10. 21 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 10.

§ 4 Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks

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heit liegendes Verhalten eines Dritten oder ein diesem zurechenbares Verhalten einer anderen Person über das Bestehen eines Anspruchs gegen diesen Dritten. Die Funktion des § 1004 BGB als dinglicher Eigentumsverwirklichungsanspruch mit seinen strukturellen Unterschieden zum Schadensersatzrecht bestimmt die Auslegung der Tatbestandsmerkmale und gibt den Inhalt des Anspruchs vor. II. Tatbestandsvoraussetzungen Gemäß § 1004 I BGB kann der Eigentümer, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung (S. 1) oder im Falle der Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (S. 2) deren Unterlassung verlangen. Den Begriff der tatbestandsmäßigen Eigentumsbeeinträchtigung bestimmt das Gesetz nicht positiv22, sondern negativ mit den Worten „in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes“. Mit dieser Bezugnahme auf § 985 BGB wollte der Gesetzgeber ausweislich der Motive klarstellen, „dass in analoger Weise, wenn auch in einem geringeren Umfange, wie bei dem Besitzer oder der Inhabung des Nichteigentümers, ein das Recht des Eigenthümers objektiv verletzender Zustand vorliegen muss, auf dessen Beseitigung der negatorische Anspruch abzielt.“ 23 Eine tatbestandsmäßige Eigentumsbeeinträchtigung liegt demnach in einem das Recht des Eigentümers verletzenden Zustand, der zur Vorenthaltung des Besitzes in § 985 BGB analog ist. Mit Blick auf die mit § 985 BGB gemeinsame Funktion des § 1004 BGB als dinglicher Eigentumsverwirklichungsanspruch kann ein solcher das Recht des Eigentümers objektiv verletzender Zustand nur darin bestehen, dass der momentane Istzustand von dem von der Rechtsordnung vorgegebenen Sollzustand abweicht24. Dies ist der Fall, wenn ein anderer durch sein Verhalten oder durch die räumliche Lage oder die Ausstrahlungen seiner Sache faktisch eine Herrschaftsposition in Bezug auf eine Sache einnimmt, die nach der Eigentumsordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer dieser Sache zukommt25. Eine weitere Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Beeinträchtigung des Eigentums“, die auch Substanzschäden erfasst26, ist mit 22 Der Gesetzgeber sah sich „unüberwindliche[n] Schwierigkeiten“ bei einer positiven Bezeichnung aller einschlägigen Eigentumsverletzungen ausgesetzt, Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236. 23 Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236. 24 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 10. 25 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 17; Picker AcP 176 (1976), 28, 50. 26 Unter Missachtung der Funktion des § 1004 BGB als Eigentumsverwirklichungsanspruch weiten herrschende Lehre und Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 1004 BGB durch extensive Interpretation des Merkmals der Beeinträchtigung aus, indem sie eine solche auch bei Vorliegen eines Substanzschadens bejahen, wenn dieser die Quelle neuer oder fortwirkender Beeinträchtigungen ist (siehe nur Erman/Hefermehl

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

Blick auf die Funktion des § 1004 BGB als dinglicher Eigentumsverwirklichungsanspruch ausgeschlossen. Liegt demnach eine Eigentumsbeeinträchtigung nur vor, wenn Dritte faktisch Befugnisse wahrnehmen, die rechtlich dem Eigentümer der Sache zustehen, erscheint eine Eigentumsbeeinträchtigung auf den ersten Blick ausgeschlossen, wenn der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Befugnisse ausübt, die ihm die Dienstbarkeit einräumt. Überquert beispielsweise der Inhaber eines Wegerechts das belastete Grundstück, scheint er, solange er sich innerhalb der durch sein beschränktes dingliches Recht gesetzten Grenzen bewegt, gerade keine Befugnisse in Anspruch zu nehmen, die nach der Rechtsordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer zugeordnet sind. Schließlich überschreitet er gerade nicht die Grenzen seines Rechtskreises. Dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts werden jedoch nach der dem BGB zugrunde liegenden Konzeption vom ungeteilten Eigentum mit der Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts gerade nicht einzelne vom Eigentum abgespaltene Befugnisse übertragen27. Der Eigentümer behält vielmehr alle seine Befugnisse; er hat weiterhin die umfassende Herrschaftsbefugnis in Bezug auf seine Sache. Bei der Feststellung der Eigentumsbeeinträchtigung ist allein entscheidend, ob der Eigentümer in dieser umfassenden Herrschaftsmacht beeinträchtigt wird. Das Bestehen eines beschränkten dinglichen Rechts wie der Grunddienstbarkeit gerät erst im Rahmen der rechtshindernden Einwendung des § 1004 II BGB ins Blickfeld, und zwar bei der Frage, ob der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet und der Anspruch daher gemäß § 1004 II BGB ausgeschlossen ist28. Aus der Funktion des § 1004 I BGB, einen dem Inhalt des Eigentumsrechts widersprechenden Zustand zu beseitigen, ergibt sich automatisch auch der Gegner dieses dinglichen Anspruchs29. „Störer“ i. S. d. § 1004 I BGB ist danach jeder, der der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes im Wege steht30, in dessen Rechte der Eigentümer eingreifen muss, wenn er den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand tatsächlich wieder herstellen will. Das ist derjenige, der durch sein Verhalten oder durch die räumliche Lage bzw. die Ausstrahlungen seiner Sache auf die Sache des Gläubigers einwirkt oder aber eine Einwirkung des letzteren auf die ihm gehörende Sache be- oder verhindert und auf diese Weise faktisch eine Herrschaftsposition einnimmt, die ihm nach der Eigentumsordnung gar § 1004 RdNr. 6 f.; Baur AcP 160 (1961), 465, 489). Folge hiervon sind unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einem Schaden i. S. von § 823 I BGB und einer Beeinträchtigung i. S. von § 1004 BGB, dazu Picker, Beseitigungsanspruch, S. 18 ff. 27 Siehe dazu S. 52 ff. 28 MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 203; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 193; siehe dazu § 4 B. IV. 29 Picker, FS Gernhuber, S. 316, 343 ff. 30 Motive III, S. 392 = Mugdan, Materialien III, S. 218.

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nicht zukommt31. Ob er diesen Zustand durch sein Verhalten (schuldhaft) verursacht hat, spielt dabei im Unterschied zum Schadensersatzrecht keine Rolle32. Schließlich ist das Abweichen des momentanen Istzustandes vom rechtlich vorgegeben Sollzustand einzige Voraussetzung des Eigentumsverwirklichungsanspruchs gemäß § 1004 I BGB. Die Gründe für die Entstehung dieses momentanen Zustandes sind unbeachtlich. III. Anspruchsinhalt: Beseitigung und Unterlassung § 1004 I 1 BGB verpflichtet den Störer zur Beseitigung von gegenwärtigen Beeinträchtigungen. In welchem Umfang der Störer tätig werden muss, um dieser Verpflichtung nachzukommen, ergibt sich aus dem Ziel des § 1004 I BGB, für die Zukunft den Zustand wieder herzustellen, der dem Inhalt des Eigentums entspricht33. Der Störer hat die tatsächliche Inanspruchnahme des fremden Eigentums zu beenden, er darf der ungehinderten Ausübung der Rechte durch den Eigentümer nicht weiter im Wege stehen. Was genau er dafür tun oder unterlassen muss, hängt von der konkreten Art der Beeinträchtigung ab34. So muss er zum Beispiel seine auf einem fremden Grundstück befindlichen Sachen entfernen. Besteht die Beeinträchtigung darin, dass der Anspruchsgegner durch sein Handeln auf die Sache einwirkt, so muss er seine Einwirkungshandlung beenden. Etwaige nachteilige Folgen seines Eingriffs muss er nicht beseitigen. Ob eine solche Verpflichtung besteht, ist allein eine Frage des Schadensersatzrechts. § 1004 I 2 BGB verpflichtet den Störer zur Unterlassung künftig zu erwartender Beeinträchtigungen des Eigentums35. Er verhindert eine drohende Rechtsüberschreitung des Anspruchsgegners in die Eigentumssphäre des Klägers. Inhalt des Unterlassungsanspruchs ist die Verpflichtung des Störers, dafür zu sorgen, dass die zu erwartende Rechtsüberschreitung nicht eintritt. Sie kann also durch-

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Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 4. Anders die h. M., die zwischen Handlungs- und Zustandsstörer unterscheidet (dazu Pikart WM 1973, 2, 4 f.; Pikart WM 1976, 606, 608). Handlungsstörer ist demnach derjenige, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten (positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen) adäquat verursacht hat (BGH, NJW 2007, 432, 432 m.w. N.). Als Zustandsstörer wird derjenige angesehen, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird. Notwendig dafür soll sein, dass der Anspruchsgegner die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat, und ihm die Beeinträchtigung zurechenbar ist (BGH, NJW 2007, 432, 432 m.w. N.). Siehe dazu auch Wenzel NJW 2005, 241 ff. 33 Motive III, S. 393 = Mugdan, Materialien III, S. 218; Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236. 34 Zusammenstellung von Einzelfällen bei Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 141. 35 Vertiefend siehe Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 210 ff.; MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 289 ff. 32

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aus in einem positiven Tun bestehen. Art und Umfang der Handlungspflicht richten sich wiederum nach Art der drohenden Beeinträchtigung des Eigentums. IV. Duldungspflicht des Eigentümers, § 1004 II BGB Nach der rechtshindernden Einwendung des § 1004 II BGB ist der Anspruch aus Absatz 1 ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Damit greift § 1004 II BGB für den Anspruch aus Absatz 1, mit dessen Hilfe der Eigentümer die ihm gemäß § 903 BGB zustehenden Befugnisse gegenüber Dritten durchsetzen kann, die Aussage wieder auf, die § 903 BGB für die Befugnisse des Eigentümers trifft36. Gemäß § 903 BGB endet die Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auf die Sache auszuschließen, dort, wo das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen. An derselben Stelle endet denklogisch auch der der tatsächlichen Durchsetzung dieser Befugnis dienende Anspruch aus § 1004 I BGB. Schließlich kann der Anspruch auf Durchsetzung der dem Eigentümer zustehenden Befugnis nicht weiter reichen als die Befugnis selbst. Zu den „Rechten Dritter“ im Sinne des § 903 S. 1 BGB werden allgemein die dinglichen Rechte eines Dritten an der Sache gezählt37. Ob neben diesen dinglichen Rechten, welche den Eigentümer als solchen in der Ausübung seines Rechtes einschränken, auch die schuldrechtlichen Ansprüche eines Dritten in Bezug auf die Sache zu den „Rechten Dritter“ zählen, welche nicht den Eigentümer als solchen verpflichten, sondern lediglich dessen persönliche Verpflichtung als Vertragspartner oder gesetzlich Verpflichteten zu Folge haben, wird unterschiedlich beantwortet38. Im Rahmen des § 1004 II BGB kann diese Frage jedenfalls dahinstehen. Denn ausweislich des Wortlauts von § 1004 II BGB umfasst die Duldungspflicht des Eigentümers neben den dinglichen Rechten Dritter auch schuldrechtliche Ansprüche Dritter in Bezug auf die Sache. Schließlich verpflichten diese den Eigentümer ebenso wie dingliche Rechte Dritter zur Duldung von Einwirkungen auf seine Sache39. Die Grunddienstbarkeit begründet als beschränktes dingliches Recht und damit als „Recht Dritter“ im Sinne von § 903 BGB eine Duldungspflicht gemäß § 1004

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Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 172. Jauernig/Berger § 903 RdNr. 5; Bamberger/Roth/Fritzsche § 903 RdNr. 65; Staudinger/Seiler § 903 RdNr. 25; Wieling, Sachenrecht, S. 90. 38 Dagegen: Staudinger/Seiler § 903 RdNr. 25; dafür wohl: OLG Bamberg NZM 2009, 859; offen gelassen von Bamberger/Roth/Fritzsche § 903 RdNr. 67. 39 Zur Frage, warum obligatorische Rechte den aus dem Eigentum folgenden dinglichen Anspruch des § 1004 I BGB beeinflussen können, sowie zu dem sich bei § 986 BGB bezüglich des Anspruchs aus § 985 BGB stellenden Parallelproblem siehe ausführlich unten S. 142 ff. 37

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II BGB. Der Eigentümer ist dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gegenüber insoweit zur Duldung verpflichtet, als dieser als Inhaber des beschränkten dinglichen Rechts zu Einwirkungen auf die Sache berechtigt ist. Welche Beeinträchtigungen seines Eigentums der Eigentümer im Einzelfall hinzunehmen hat, wo genau die Grenze des noch zu duldenden Umgangs mit der Sache verläuft, richtet sich nach dem genauen Inhalt der Grunddienstbarkeit, welcher durch Auslegung zu ermitteln ist40.

C. Schadensersatzanspruch, § 823 I BGB Der Eigentümer eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks hat bei einer rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung seines Eigentums41 durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf Ersatz des aufgrund der Verletzung entstandenen Schadens gemäß § 823 I BGB. Die Verletzung des Eigentums durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist jedoch nur insoweit rechtswidrig, als er die Grenzen der durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse überschreitet. Bewegt er sich innerhalb dieser Grenzen, besteht eine Duldungspflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks, die die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Eigentümers des herrschenden Grundstücks ausschließt. Überschreitet der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Grenzen seines Rechts an der Sache aus der Grunddienstbarkeit, ist zur Begründung eines Schadensersatzanspruches des Eigentümers des belasteten Grundstücks außerdem erforderlich, dass er schuldhaft gehandelt hat. Dies unterscheidet die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 823 I BGB auf Seiten des Anspruchsgegners von denen des § 1004 I BGB.

D. Schadensersatzanspruch, § 823 II i.V. m. § 1004 I BGB Neben dem Anspruch aus § 823 I BGB steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bei schuldhafter und rechtswidriger Beeinträchtigung des Eigentums durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 II BGB zu, da es sich bei § 1004 I BGB nicht um ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB handelt42.

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Siehe dazu S. 80 ff. Eine Verletzung des Eigentums als umfassendes Herrschaftsrecht über eine Sache, kraft dessen der Eigentümer gemäß § 903 S. 1 BGB mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, liegt sowohl bei einer Entziehung oder Belastung des Eigentumsrechts als auch einer nachteiligen Einwirkung auf die Sache, insbesondere durch Substanzverletzung und durch Vorenthaltung des Besitzes als auch sonstigen Störungen der Nutzbarkeit der Sache vor (MüKo/Wagner § 823 RdNr. 102). 42 Siehe dazu m.w. N. auch zur Gegenansicht Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 171. 41

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E. Anspruch wegen Besitzstörung, § 862 BGB Ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks zugleich Besitzer dieses Grundstücks, so steht ihm, wenn er durch verbotene Eigenmacht des Eigentümers des herrschenden Grundstücks in seinem Besitz gestört wird, neben dem Anspruch aus § 1004 I BGB ein Anspruch gemäß § 862 BGB auf Beseitigung der Besitzstörung (S. 1) und Unterlassung (S. 2) weiterer Besitzstörungen zu43. Unter Besitzstörung ist jede Beeinträchtigung des Besitzes zu verstehen, die in Bezug auf die betroffene Sache in ihrer Gesamtheit nicht Entziehung ist44. Der besitzrechtliche Störungsbegriff ist mit dem der Eigentumsbeeinträchtigung in § 1004 I BGB nahezu identisch45. Letzterer ist nur insofern weiter, als es auch Beeinträchtigungen von Eigentümerbefugnissen gibt, die nicht zugleich Besitzstörungen sind46; sie betreffen nur die rechtliche, nicht aber die tatsächliche Sachherrschaft. Zu denken ist hier an Angriffe auf die Rechtsposition des Eigentümers47. Gemäß § 863 BGB kann gegenüber den in den §§ 861, 862 BGB bestimmten Ansprüchen ein Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, dass die Entziehung oder die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei. § 863 BGB ist nicht wörtlich zu nehmen, sondern so zu lesen, dass zwar die verbotene Eigenmacht bestritten, ein Recht zum Besitz aber nicht geltend gemacht werden kann48. Demnach kann der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegen den Anspruch aus § 862 BGB nicht einwenden, dass er aufgrund der Grunddienstbarkeit zum Besitz des Grundstücks berechtigt sei. Denn anders als bei den Ansprüchen aus § 1004 I BGB und § 823 BGB bleiben bei § 862 BGB Einwendungen aus materiellem Recht unberücksichtigt, um eine rasche Wiederherstellung des durch die verbotene Eigenmacht beeinträchtigten Besitzstandes zu ermöglichen49. Dem Eigentümer des herrschenden Grundstückes steht allenfalls50 die

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Siehe zu § 862 BGB ausführlich MüKo/Joost § 862 RdNr. 1 ff. Staudinger/Gutzeit § 858 RdNr. 14. 45 Staudinger/Gutzeit § 858 RdNr. 14; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht S. 152. 46 Staudinger/Gutzeit § 858 RdNr. 14. 47 Vgl. dazu BGH NJW 1975, 778 f.; BGH NJW 2011, 749, 749 f. (Unterlassungsanspruch aus § 1004 I BGB bei gewerblichen Fotografien ohne Eigentümererlaubnis); Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 31. 48 Zutreffend MüKo/Joost § 863 RdNr. 6 mit der Begründung, dass ein Recht zum Besitz an der verbotenen Eigenmacht gerade nichts ändert. 49 Palandt/Bassenge § 863 RdNr. 1. 50 Ob die Widerklage aufgrund eines Rechts zum Besitz gegen die Klage wegen eines Besitzschutzanspruchs zulässig ist, ist umstritten. Nach Auffassung der Rspr. ist die Widerklage möglich (BGH NJW 1970, 707, 707; BGH NJW 1979, 1358, 1358; BGH NJW 1999, 425, 427). Siehe zum Streitstand MüKo/Joost § 863 RdNr. 9 ff.; NK-BGB/ Hoeren § 863 RdNr. 12 ff. 44

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prozessuale Möglichkeit der Widerklage gegen die Klage des in seinem Besitz gestörten Eigentümers offen. Gemäß § 866 BGB findet, wenn mehrere eine Sache gemeinschaftlich besitzen, ein Besitzschutz in ihrem Verhältnis zueinander insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt. Der Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks aus § 862 BGB ist demnach ausgeschlossen, wenn beide Eigentümer Mitbesitzer des dienenden Grundstücks oder Teilmitbesitzer des betroffenen Teils des dienenden Grundstücks sind und keine vollständige Besitzentziehung des Eigentümers des dienenden Grundstücks vorliegt51. Mitbesitz beider Eigentümer liegt vor, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks, dem ein Recht zur Mitbenutzung von Anlagen auf dem dienenden Grundstück zusteht, neben dem Eigentümer des belasteten Grundstücks die tatsächliche Sachherrschaft über diese Anlagen ausübt52. Ansonsten ist § 866 BGB auf das Verhältnis des Eigentümers des herrschenden und des Eigentümers des dienenden Grundstücks nicht anwendbar. Dies ist selbst dann der Fall, wenn man die Auffassung vertritt, dass § 866 BGB auch auf die durch Besitzmittlung entstehende Mehrheit von Besitzern anwendbar ist53. Dann nämlich scheitert die Anwendung des § 866 BGB jedenfalls daran, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dem Eigentümer des dienenden Grundstücks keinen Besitz mittelt. Denn zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks besteht kein Besitzmittlungsverhältnis gemäß § 868 BGB, das den mittelbaren Besitz des Eigentümers des dienenden Grundstücks begründen könnte. Dies folgt freilich nicht schon daraus, dass die Grunddienstbarkeit nicht in die Aufzählung möglicher Besitzmittlungsverhältnissein § 868 BGB aufgenommen wurde. Der Grund hierfür könnte schließlich ebenso darin liegen, dass der Gesetzgeber – worauf an anderer Stelle zurückzukommen sein wird54 – demjenigen, der die Grunddienstbarkeit durch sich wiederholende Ausübungshandlungen auf dem dienenden Grundstück ausübt, fälschlicherweise die tatsächliche Sachherr51 Zu Letzterem siehe: BGH NJW 1959, 1364, 1365; BGH NJW 1974, 1189, 1191; Staudinger/Gutzeit § 866 RdNr. 25; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 171. 52 Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 14 (für § 1209 BGB). 53 Die durch Besitzmittlung entstehende Mehrheit von Besitzern (sog. gestufter Mitbesitz) sieht eine Meinung dann als Mitbesitz im Sinne des § 866 BGB an, wenn mittelbarer und unmittelbarer Besitzer zu gleichartigen Zwecken besitzen und der unmittelbare Besitzer sowohl für sich als auch für den mittelbaren Besitzer besitzt (so Staudinger/Gutzeit § 866 RdNr. 21; Soergel/Stadler § 866 RdNr. 4; dagegen MüKo/Joost § 866 RdNr. 10 in konsequenter Fortführung seiner Auffassung, dass mittelbarer Besitz keine tatsächliche Sachherrschaft sei; siehe zum Problemkreis des gestuften Mitbesitzes auch Hummel MDR 1967, 967 ff.). 54 Siehe dazu S. 111.

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schaft über das dienende Grundstück absprach. Geht man nämlich – fälschlicherweise – davon aus, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks trotz sich wiederholender Ausübungshandlungen auf dem dienenden Grundstück keine tatsächliche Sachherrschaft an dem dienenden Grundstück innehat, so ist es nur folgerichtig, die Stellung des Eigentümers des dienenden Grundstücks als mittelbarer Besitzer zu verneinen. Denn hat jemand nicht die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache inne, so kann er auch nicht als unmittelbarer Besitzer einer anderen Person den Besitz mitteln. Außerdem handelt es sich in § 868 BGB nicht um eine abschließende, sondern nur um eine beispielhafte Aufzählung möglicher Besitzmittlungsverhältnisse. Für das Vorliegen eines Besitzmittlungsverhältnisses gemäß § 868 BGB zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks fehlt es allerdings an dem sich schon aus dem Wortlaut des § 868 BGB ergebenden Erfordernis, dass die Berechtigung oder Verpflichtung des Besitzmittlers zum Besitz zeitlich begrenzt sein muss55; nur wenn die Sachherrschaft des Besitzmittlers zeitlich begrenzt ist, behält der mittelbare Besitzer den für § 868 BGB erforderlichen tatsächlichen Einfluss auf die Sache56. Anders als beim Nießbrauch wird bei der Grunddienstbarkeit durch deren Bindung an das herrschende Grundstück ein dauerhaftes Nutzungsrecht57 und damit ein grundsätzlich zeitlich unbegrenztes Recht zum Besitz am dienenden Grundstück oder zumindest an den von der Grunddienstbarkeit betroffenen Teilen des Grundstücks begründet. Einzig das Erfordernis der Vorteilhaftigkeit der Grunddienstbarkeit für das herrschende Grundstück gemäß § 1019 kann der Grunddienstbarkeit auch gewisse zeitliche Schranken setzen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass im Gegensatz zu den anderen in § 868 BGB aufgeführten Rechtsverhältnissen die Grunddienstbarkeit und damit auch das aus ihr folgende Recht zum Besitz weder wie beim Nießbrauch nach einer gewissen Zeit sicher erlischt, noch es – wie zum Beispiel bei der Miete – im Machtbereich des Hintermanns liegt, die Grunddienstbarkeit zum Erlöschen zu bringen. Mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit hat der Eigentümer des herrschenden Grundstücks sich insoweit endgültig des für den mittelbaren Besitz erforderlichen tatsächlichen Einflusses auf die Sache58 entledigt, als die Grunddienstbarkeit die Nutzungsbefugnis an dem dienenden Grundstück endgültig dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zuweist. Mangels Besitzmittlungsverhältnisses gemäß § 868 BGB zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks schließt daher § 866 BGB den Besitzschutzanspruch vom diesem gegen jenen 55 56 57 58

Siehe zu diesem Erfordernis Staudinger/Gutzeit § 868 RdNr. 15. Staudinger/Gutzeit § 868 RdNr. 5. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 4. Protokolle III, S. 3728 = Mugdan, Materialien III, S. 513.

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selbst dann nicht aus, wenn man für das Eingreifen des § 866 BGB das Vorliegen von gestuftem Mitbesitz ausreichen lässt. § 866 BGB schließt den Anspruch aus § 862 BGB demnach nur aus, wenn sowohl der Eigentümer des herrschenden Grundstücks als auch der Eigentümer des dienenden Grundstücks die tatsächliche Sachherrschaft über das dienende Grundstücks ausüben.

§ 5 Ansprüche des Eigentümers des herrschenden Grundstücks A. Allgemeines Der Schutz der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht ist im BGB grundsätzlich parallel zum Schutz des Eigentums ausgestaltet; er richtet sich nach den §§ 1027 i.V. m. § 1004 BGB (B.) und den §§ 985 ff. BGB analog (C.) sowie nach § 823 I, II BGB (D.). Dieser Schutz wird, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zugleich dessen Besitzer ist, ergänzt durch § 1029 i.V. m. §§ 861, 862 BGB (E.). Ist der Eigentümer des herrschenden Grundstücks Besitzer des dienenden Grundstücks oder eines Teils davon, so stehen ihm bei Störungen dieses Besitzes die Ansprüche gemäß §§ 861, 862 BGB zu (F.).

B. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB Gemäß § 1027 BGB stehen dem Grunddienstbarkeitsberechtigten bei Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit die in § 1004 BGB bestimmten Rechte zu. Als sachenrechtlicher Rechtverwirklichungsanspruch59 ist § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB gerichtet auf die Beseitigung fortdauernder (S. 1) oder die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen (S. 2). Als dinglicher Anspruch dient § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB der Wiederherstellung oder Sicherung des dem Inhalt der Grunddienstbarkeit entsprechenden Zustandes. Eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit liegt gemäß § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB in jedem das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten objektiv verletzenden Zustand60, der nicht in der Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes besteht61. Dies ist der Fall, wenn der momentane Istzustand von dem von der Rechtsordnung vorgegebenen Sollzustand abweicht62, also ein anderer faktisch eine Herrschaftsposition in Bezug auf die belastete Sache einnimmt, die 59

Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 2. Siehe zur Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I BGB oben S. 99 f. 61 Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 2; a. A. ohne Begründung Staudinger (1994)/Ring § 1027 RdNr. 4. 62 So zu § 1004 BGB Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 10. 60

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nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks als Grunddienstbarkeitsberechtigtem zukommt63. Wann im Einzelfall ein Eingriff in die Herrschaftssphäre des Eigentümers des herrschenden Grundstücks vorliegt, richtet sich angesichts der Mannigfaltigkeit der Ausgestaltungsmöglichkeiten der Grunddienstbarkeit nach dem jeweiligen Inhalt der Grunddienstbarkeit64. Der Anspruch aus § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB richtet sich gegen jeden, der als „Störer“ faktisch eine Herrschaftsposition in Bezug auf die Sache einnimmt, die nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zusteht65. Störer können daher neben dem Eigentümer des dienenden Grundstücks auch sonstige Dritte sein. Der Anspruch gemäß § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB ist ausgeschlossen, wenn der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist, § 1004 II BGB66.

C. Ansprüche gemäß §§ 985, 987 ff. BGB analog § 1027 BGB enthält im Gegensatz zu den parallelen Vorschriften der §§ 1065, 1227 BGB keinen allgemeinen Verweis auf die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften. Umfasst die Grunddienstbarkeit ein Recht zum Besitz am belasteten Grundstück, stehen dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks daher im Gegensatz zum Nießbraucher oder Pfandrechtsinhaber nach dem Wortlaut des § 1027 BGB die Ansprüche aus den §§ 985, 987 ff. BGB wegen unrechtmäßiger Vorenthaltung oder Entziehung des Besitzes nicht zu. Der Verweis lediglich auf § 1004 I BGB beruht auf einem Versehen des Gesetzgebers67. Dieser übersah, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte an dem Teil des belasteten Grundstücks, an dem er sein Recht ausübt, unmittelbaren Be63 So zu § 1004 BGB Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 17; Picker AcP 176 (1976), 28, 50; die Definition, nach der eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit vorliegt, wenn das Recht durch Unterbindung, Behinderung oder Erschwerung der Rechtsausübung, durch Einwirkung auf die Substanz des belasteten Grundstücks samt den Anlagen, oder durch rechtsgeschäftliche Verfügungen über das dienende Grundstück verletzt wird oder gar untergeht (so MüKo/Joost § 1027 RdNr. 3; Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 3; NK-BGB/Otto § 1027 RdNr. 5) besteht lediglich aus einer Aufzählung der möglichen Beeinträchtigungen. Sie führt zu den gleichen Ergebnissen. Zu Einzelfällen von Grunddienstbarkeitsbeeinträchtigungen siehe Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 4. 64 Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 3. 65 Siehe dazu für § 1004 I BGB S. 100 f. 66 Die Vorschriften des Nachbarrechts gemäß § 906 ff. BGB finden in diesem Rahmen entsprechende Anwendung (MüKo/Joost § 1027 RdNr. 6; Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 9). Siehe zur umstrittenen analogen Anwendung der § 912 ff. BGB über die gesetzliche Regelung in § 916 BGB hinaus Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 9 m.w. N. 67 MüKo/Joost § 1027 RdNr. 1. Grundlegend dazu Heck, Sachenrecht, S. 59 ff.

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sitz haben kann68, sei es in Form des Alleinbesitzes (§ 865 BGB) oder des Mitbesitzes (§ 866 BGB), vor dessen unrechtmäßiger Vorenthaltung oder Entziehung er geschützt werden muss. Diese planwidrige Lücke ist zwingend durch die analoge Anwendung des § 985 BGB zu schließen69. Umfasst ein beschränktes dingliches Recht das Recht zum Besitz an der belasteten Sache, so bedarf es, wenn dem Berechtigten der Besitz entzogen oder vorenthalten wird und damit der tatsächliche Zustand von dem von der rechtlichen Güterzuordnung vorgesehenen Sollzustand abweicht, eines dinglichen Anspruchs, der den rechtlichen Sollzustand wiederherstellt. Das kann bei einer das Recht zum Besitz umfassenden Grunddienstbarkeit nicht anders sein als beim Vollrecht Eigentum oder bei den das Recht zum Besitz umfassenden beschränkten dinglichen Rechten des Nießbrauchs und des Pfandrechts. Der Grunddienstbarkeitsberechtigte hat daher, soweit die Grunddienstbarkeit ein Recht zum Besitz am belasteten Grundstück umfasst, bei unrechtmäßiger Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes gegen den Besitzer einen Anspruch gemäß §§ 985, 986 BGB analog. Für den Zeitraum des unrechtmäßigen Besitzes richten sich die Ausgleichsansprüche des Grunddienstbarkeitsberechtigten und des unrechtmäßigen Besitzers nach den §§ 987 ff. BGB analog70. 68 Motive III, S. 489 = Mugdan, Materialien III, S. 272 („Da der Servitutenberechtigte vermöge seines Rechtes weder in den Besitz noch in die Inhabung des belasteten Grundstücks gelangt, . . .“); Motive III, S. 478 = Mugdan, Materialien III, S. 266 („Da der Entwurf die Inhabung zur Grundlage des possessorischen Schutzes gemacht hat, so ist für den Fall des Erbbaurechts und des Nießbrauches gesorgt. Es bleibt mithin nur das Bedürfnis eines possessorischen Schutzes bei Grunddienstbarkeiten und beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten in Frage; . . .“). Aufgrund dieses Missverständnisses schuf der Gesetzgeber § 1029 BGB, dazu sogleich S. 111. Dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des (Sach-)Besitzes des Grunddienstbarkeitsberechtigten übersehen hat, mag daran liegen, dass im römischen Recht die faktische Gewalt des Servitutenberechtigten nicht als Interdiktenbesitz, den nur der Eigenbesitzer und einzelne Fremdbesitzer innehatten, durch die regelmäßigen Besitzinterdikte geschützt war, sondern durch besondere Interdikte, sog. quasi possessio. Dieser Schutz kam auch demjenigen zugute, der die Servitut als Nichtberechtigter ausübte, sog. possessio iuris. Siehe dazu: Heck, Sachenrecht, S. 60; Kaser/Knütel, Privatrecht, S. 120 (§ 19 RdNr. 19). Die faktische Gewalt des (vermeintlich) Servitutenberechtigten wurde denn auch in der Pandektenwissenschaft unter dem Begriff „Rechtsbesitz“ behandelt, siehe dazu nur Dernburg, Pandekten I, S. 435 (§ 190). 69 MüKo/Joost § 1027 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 23; AK-BGB/Ott § 1027 RdNr. 2; NK-BGB/Otto § 1027 RdNr. 2. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks der Besitz an diesem vorenthalten wird und sich dies auch auf die Ausübung der Grunddienstbarkeit auswirkt. In diesem Fall ist der Eigentümer des herrschenden Grundstücks bereits nach §§ 985, 93, 96 BGB geschützt (Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 22; NK-BGB/Otto § 1027 RdNr. 2; Soergel/ Stürner § 1027 RdNr. 5; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 448). 70 MüKo/Joost § 1027 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 23; NK-BGB/Otto § 1027 RdNr. 2. Im Verhältnis zwischen dem Grunddienstbarkeitsberechtigtem und dem Eigentümer des belasteten Grundstücks sieht Staudinger/Mayer § 1027 RdNr. 23 die

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

D. Schadensersatzanspruch, § 823 BGB Die Grunddienstbarkeit ist als dingliches Recht ein „sonstiges Recht“ 71 im Sinne des § 823 I BGB, bei deren schuldhafter und rechtswidriger Verletzung durch einen Dritten dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks als Grunddienstbarkeitsberechtigtem gegen den Dritten ein Anspruch auf Ersatz des daraus entstandenen Schadens zusteht72. Daneben steht dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks in einem solchen Fall gegen den Dritten kein Anspruch gemäß § 823 II BGB zu, da es sich bei § 1027 i.V. m. § 1004 I BGB nicht ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB handelt73.

E. Besitzschutz des Rechtsbesitzers, § 1029 i.V. m. §§ 861, 862 BGB Gemäß § 1029 BGB finden, wenn der Besitzer eines Grundstücks in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört wird, die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung, sei es auch nur einmal, ausgeübt worden ist. § 1029 BGB gewährt dem Besitzer des herrschenden Grundstücks den Besitzschutz gemäß den §§ 858 ff. BGB unabhängig davon, ob dieser an dem durch die Störung betroffenen Teil des dienenden Grundstücks tatsächliche Sachherrschaft hat. § 1029 BGB knüpft damit als einzige Norm des BGB die Anwendung von Besitzschutzvorschriften nicht an die tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache (sog. Sachbesitz), sondern an ein durch ein Recht – das der Ausübung der Grunddienstbarkeit – vermitteltes Verhältnis zur Sache (sog. Rechtsbesitz)74. Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis durch die Ansprüche aus dem zwischen diesen Personen bestehenen gesetzlichen Schuldverhältnis verdrängt. Bevor das Konkurrenzverhältnis geklärt werden kann, bedarf es jedoch der Prüfung, ob ein solches Schuldverhältnis überhaupt besteht und welche Ansprüche gegebenenfalls daraus erwachsen. 71 Angesichts der Nennung hinter „Eigentum“ sind als „sonstige Rechte“ solche zu verstehen, die denselben rechtlichen Charakter wie das Eigentum haben, also Rechte mit Ausschließlichkeitscharakter und damit insbesondere dingliche Rechte, Palandt/ Sprau § 823 RdNr. 11, 12. 72 Gemäß § 993 I Hs. 2 BGB analog ist freilich ein Anspruch auf Schadensersatz gegen denjenigen ausgeschlossen, der dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gutgläubig und unverklagt den Besitz vorenthält. 73 Siehe dazu auch oben § 4 D. (S. 103). 74 Staudinger/Gutzeit Vorbem zu §§ 854 ff. RdNr. 45 ff.; Heck, Sachenrecht, S. 60; MüKo/Joost § 1029 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 74 ff. Ausführlich zur Entstehung des § 1029 BGB siehe Beermann, Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten, S. 90 ff. Zur Geschichte des Rechtsbesitzes siehe Beermann, Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten; Gräfe, Rechtsbesitz in der Neuzeit.

§ 5 Ansprüche des Eigentümers des herrschenden Grundstücks

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Hintergrund dieser Ausnahmeregelung ist die irrtümliche Annahme des Gesetzgebers75, dass bei der Grunddienstbarkeit der Besitzer des herrschenden Grundstücks mangels tatsächlicher Sachherrschaft an dem dienenden Grundstück jedenfalls dann nicht gemäß §§ 858 ff. BGB geschützt sei, wenn er die Grunddienstbarkeit durch zeitlich unterbrochene Benutzungshandlungen ausübe76. Um einen ausreichenden Schutz des Besitzers des herrschenden Grundstücks vor Störungen bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit in jedem Fall zu gewährleisten77, seien daher zu seinen Gunsten die §§ 858 ff. BGB für entsprechend anwendbar zu erklären. Doch hat auch derjenige, der die Grunddienstbarkeit an dem herrschenden Grundstück ausübt, nach der Verkehrsanschauung78 tatsächliche Einwirkungsmacht auf die Sache und ist damit als unmittelbarer Besitzer, sei es auch als Teil(§ 865 BGB) oder Mitbesitzer (§ 866 BGB), bereits nach den §§ 858 ff. BGB geschützt79. Daher beschränkt sich das Bedürfnis nach einer Norm, die den Kreis der vor Störungen geschützten Personen um den Besitzer des herrschenden Grundstücks erweitert, auf die seltenen Fälle, in denen diesem nicht als Besitzer zumindest eines Teils des dienenden Grundstücks die Ansprüche direkt gemäß den §§ 861, 862 BGB zustehen; dies sind insbesondere80 Fälle negativer Dienstbarkeiten, die dem Berechtigten einen Unterlassungsanspruch gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks vermitteln, ohne dass durch die Zuwiderhandlung der Besitz am herrschenden Grundstück beeinträchtigt würde81. Auf diese seltenen Fälle beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 1029 BGB. Ist der Besitzer des herrschenden Grundstücks zugleich Besitzer des dienenden Grundstücks, finden die §§ 858 ff. BGB bereits unmittelbare Anwendung82.

75 Ausführlich dazu Heck, Sachenrecht, S. 59 ff. Siehe auch MüKo/Joost § 1027 RdNr. 1. 76 Motive III, S. 490 = Mugdan, Materialien III, S. 273. 77 Motive III, S. 490 = Mugdan, Materialien III, S. 273. 78 Zum Kriterium der Verkehrsauffassung im Sachenrecht siehe Schenk, Verkehrsauffassung, S. 27 ff. 79 MüKo/Joost § 1027 RdNr. 1. 80 Ob über die Fälle von Unterlassungsdienstbarkeiten hinaus auch bei Benutzungsdienstbarkeiten der Besitz am dienenden Grundstück fehlen kann (so, entgegen Staudinger/Gutzeit Vorbem §§ 854 ff. RdNr. 48, MüKo(2004)/Falckenberg § 1029 Fn. 2 mit dem Beispiel, dass der Berechtigte sein Recht, etwa ein Wegerecht, nicht auf einem bestimmten Teil des Grundstücks ausübt, sondern die Ausübungsstelle ständig wechselt), hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob dem Berechtigten nach der Verkehrsauffassung die tatsächliche Einwirkungsmacht auf das herrschende Grundstück zusteht (siehe zu den die Beurteilung im Einzelfall erleichternden Gesichtspunkten Staudinger/Gutzeit § 854 RdNr. 7 ff.). 81 Staudinger/Gutzeit Vorbem zu §§ 854 ff. RdNr. 48; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 1. 82 Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 1. Dies verkennen AG Ulm ZMR 1977, 244, 244 und OLG Hamm Urteil vom 22.04.2010 (Juris) Rn. 29, die im Fall der Behinderung der

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

Der Tatbestand des § 1029 BGB setzt dafür, dass der Besitzer des herrschenden Grundstücks83 vor Störungen gemäß §§ 858 ff. BGB analog geschützt wird, neben der Eintragung einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch84 die mindestens einmalige Ausübung der Grunddienstbarkeit innerhalb des Jahres vor der Störung voraus. Was zur mindestens einmaligen Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlich ist, richtet sich dabei nach deren jeweilig eingetragenen Inhalt. Bei einer mit einer direkten Einwirkung auf das herrschende Grundstück verbundenen Dienstbarkeit genügt die einmalige Betätigung der Nutzung85, wobei in diesen Fällen jedoch regelmäßig Sachbesitz am dienenden Grundstück vorliegen wird, so dass die §§ 858 ff. BGB bereits unmittelbare Anwendung finden86. Bei einer auf ein Unterlassen oder den Ausschluss von Eigentümerrechten gerichteten Grunddienstbarkeit liegt ihre Ausübung darin, dass das, was nach dem Inhalt der Eintragung nicht vorgenommen werden darf, unterlassen und dem Verbot bzw. Ausschluss nicht zuwider gehandelt wird87. Subjektive Voraussetzungen wie zum Beispiel die Absicht der Verwirklichung des Rechts müssen zur Bejahung der Rechtsausübung nicht erfüllt sein; es genügt ein Verhalten, das sich bei objektiver Betrachtung als Ausübung der Grunddienstbarkeit darstellt88. Des Weiteren darf der Rechtsbesitz nicht analog § 856 BGB erloschen sein. Dies ist der Fall, wenn der Besitzer des herrschenden Grundstücks entweder die Ausübung der Grunddienstbarkeit willentlich und nach außen erkennbar endgültig aufgibt (§ 856 I Alt. 1 BGB analog) oder die Möglichkeit der Ausübung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft (§ 856 I Alt. 2, II BGB analog) verliert89. Wann eine Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit vorliegt, wird üblicherweise parallel zur Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit gemäß § 1027

Ausübung eines Wegerechts durch den Mieter/Pächter des herrschenden Grundstücks § 1029 BGB i.V. m. §§ 858 ff. BGB und nicht § 862 BGB direkt anwenden. 83 Dieser kann freilich zugleich Eigentümer des herrschenden Grundstücks sein, Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 5. 84 Das tatsächliche Bestehen der Grunddienstbarkeit ist nicht erforderlich. Entscheidend für Bestehen und Umfang des Schutzes nach § 1029, 858 ff. BGB ist ausweislich des Wortlauts der Norm allein der Inhalt des Grundbuchs, MüKo/Joost § 1029 RdNr. 3; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 4; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 75; Motive III, S. 491 f. = Mugdan, Materialien III, S. 273 f. 85 Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 7. Die Errichtung und Unterhaltung einer Anlage ist auch bei deren Nichtgebrauch stets als Ausübung anzusehen (MüKo/Joost § 1029 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 7; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 75). 86 Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 7; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 75. 87 MüKo/Joost § 1029 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 8; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 75. 88 MüKo/Joost § 1029 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 10; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 76. 89 MüKo/Joost § 1029 RdNr. 6; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 12; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 77. Eine analoge Heranziehung des § 856 BGB hielt auch der Gesetzgeber nicht für ausgeschlossen (Motive III, S. 492 = Mugdan, Materialien III, S. 274).

§ 5 Ansprüche des Eigentümers des herrschenden Grundstücks

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BGB bestimmt90 und definiert als jede Unterbindung, Behinderung oder Erschwerung der Ausübung des Rechts durch tatsächliche oder rechtliche Maßnahmen91. Mit der Bestimmung der Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit in § 1029 BGB unter Rückgriff auf § 1027 BGB wird jedoch übersehen, dass § 1029 BGB im Gegensatz zum dinglichen Anspruch des § 1027 BGB gerade kein Recht schützt. Denn während § 1027 BGB dem Schutz des beschränkten dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit dient, schützt § 1029 BGB schon nach seinem Wortlaut nicht das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit92, sondern den „Zustand der Ausübung der Grunddienstbarkeit bzw. den [im Original „der“] Zustand der thatsächlichen Geltung der Prädialservitut“ 93. In diesem tatsächlichen Zustand sah der Gesetzgeber das Analogon zu dem von den §§ 858 ff. BGB geschützten Besitz als der tatsächlichen Sachherrschaft94. Geht es also sowohl in § 1029 BGB als auch in den §§ 858 ff. BGB um den Schutz eines tatsächlichen Zustandes, ist die Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit aus systematischen Gründen parallel zu den Begriffen Besitzentziehung und Besitzstörung in den §§ 861, 862 BGB95 zu bestimmen. Eine Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit liegt daher analog zu den §§ 861, 862 BGB in jeder Beeinträchtigung der Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts; dabei richtet sich der Inhalt der Grunddienstbarkeit ausweislich des Wortlauts des § 1029 BGB nicht nach dem materiellen Recht, sondern dem Grundbucheintrag96. Der Begriff der Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit in den §§ 1029, 861, 862 BGB ist – parallel zu dem Verhältnis der Begriffe Besitzstörung (§§ 861, 862 BGB) und Eigentumsbeeinträchtigung (§ 1004 I BGB) – insofern enger als der Begriff der Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit in § 1027 BGB, als letzterer auch Beeinträchtigungen umfasst, die lediglich Angriffe auf die Rechtsposition des Grunddienstbarkeitsberechtigten sind, ohne zugleich den faktischen Zustand der Ausübung der Grunddienstbarkeit zu stören97. Freilich ist ein solcher Fall nur schwer vorstellbar. Denn zumeist wird der Angriff auf die Rechtsposition des Grunddienstbarkeitsberechtigten mit einer Störung der Ausübung der aus der Grunddienstbarkeit folgenden Befugnisse einhergehen.

90 So ohne ausdrücklichen Hinweis, aber im Ergebnis durch Verweis auf die entsprechenden Ausführungen zu § 1027 BGB MüKo/Joost § 1029 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 6. 91 MüKo/Joost § 1029 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 6. 92 So aber Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 1. 93 Motive III, S. 490 = Mugdan, Materialien III, S. 273. 94 Motive III, S. 490 = Mugdan, Materialien III, S. 273. 95 Siehe zum Begriff der Besitzstörung S. 104. 96 MüKo/Joost § 1029 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 6. 97 So für das parallele Verhältnis von Besitzstörung und Eigentumsbeeinträchtigung: Staudinger/Gutzeit § 858 RdNr. 14; siehe dazu S. 104.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

Als Rechtsfolge des § 1029 BGB stehen dem Besitzer des herrschenden Grundstücks gegen denjenigen, der ihn ohne seinen Willen in der Ausübung der Grunddienstbarkeit stört (§ 858 BGB), neben den Selbsthilferechten des § 859 BGB die Ansprüche auf Wiedereinräumung der Ausübungsmöglichkeit nach § 861 I BGB und auf Beseitigung oder Unterlassung der Störung der Ausübung nach § 862 I BGB zu98. Die possessorischen Einwendungen der §§ 861 II, 862 II, 864 BGB finden entsprechende Anwendung99. Der Besitzschutz gemäß § 1029 BGB i.V. m. §§ 858 ff. BGB ist analog § 866 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks das Grundstück oder den von der Grunddienstbarkeit betroffenen Teil gemeinsam mit dem Besitzer des herrschenden Grundstücks benutzt. Denn der Rechts(mit-)besitzer kann nicht besser stehen als der Sach(mit-)besitzer100. Schließlich dient § 1029 BGB lediglich dazu, dem Rechtsbesitzer den gleichen Schutz wie dem Sachbesitzer einzuräumen101. Zumeist wird jedoch der Besitzer des herrschenden Grundstücks Sachbesitz an dem dienenden Grundstück haben, so dass die §§ 862, 862 BGB und damit auch § 866 BGB bereits direkte Anwendung finden.

F. Anspruch wegen Besitzentziehung und Besitzstörung, §§ 861, 862 BGB § 1029 BGB sollte den bei der Grunddienstbarkeit als nicht ausreichend angesehenen Schutz der §§ 858 ff. BGB erweitern, nicht ersetzen102. Dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks, der zugleich Besitzer des dienenden Grundstücks bzw. der von der Grunddienstbarkeit betroffenen Teile ist, steht daher bei Besitzentziehung der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes gemäß § 861 I BGB, bei Besitzstörung der Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung der Störung gemäß § 862 I BGB zu103. Diese Ansprüche sind gemäß § 866 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer des dienenden und der des herrschenden Grundstücks Mitbesitzer sind104.

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Dazu Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 13. Dazu Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 16. Streitig ist, ob es bei § 861 II, 862 II BGB nur auf die Erlangung des Besitzes am herrschenden Grundstück ankommt (so MüKo(2004)/Falckenberg § 1029 RdNr. 7; Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 16, mit der Begründung, dass dieser den Rechtsbesitz nach § 1029 BGB vermittelt) oder ob die erste Ausübungshandlung am dienenden Grundstück gegen den Willen desjenigen erfolgt sein muss, der dort unmittelbarer Besitzer ist Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 78. 100 MüKo/Joost § 1029 RdNr. 7; zweifelnd Staudinger/Mayer § 1029 RdNr. 14. 101 Motive III, S. 490 = Mugdan, Materialien III, S. 273. 102 Motive III, S. 490 = Mugdan, Materialien III, S. 273; MüKo/Joost § 1027 RdNr. 1. 103 Siehe zu dem Anspruch wegen Besitzstörung S. 104 ff. 104 Siehe dazu S. 105. 99

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter auf Seiten des Eigentümers des herrschenden Grundstücks Gemäß § 1018 BGB besteht die Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks. Häufig nutzen jedoch neben dem Eigentümer auch dritte Personen das herrschende Grundstück, sei es über einen längeren Zeitraum, indem sie es z. B. als Nießbraucher, Familienangehörige oder Mieter bewohnen, sei es nur kurzfristig, indem sie es z. B. als Besucher oder als Lieferanten aufsuchen. Kommt es in einem solchen Fall zu Beeinträchtigungen des Eigentümers des dienenden Grundstücks in seinem Eigentum durch den Dritten oder wird der Eigentümer durch den Dritten in seinem Besitz an dem dienenden Grundstück gestört, drängen sich zwei Fragen auf: Kann der Dritte gegen die Ansprüche des Eigentümers des dienende Grundstücks aus den §§ 1004 I, 823 und 862 BGB das Bestehen der Grunddienstbarkeit einwenden (A.)? Stehen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks in diesem Fall auch Ansprüche gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu (B.)? Wird auf der anderen Seite der Dritte bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit gestört, stellt sich die Frage, welche Ansprüche dem Dritten gegen den Störer zustehen (C.). Selbstverständlich können auch auf Seiten des Eigentümers des belasteten Grundstücks dritte Personen ins Spiel kommen, was die Frage aufwirft, inwieweit Ansprüche von ihnen und gegen sie geltend gemacht werden können und inwieweit der Eigentümer des belasteten Grundstücks für sie einstehen muss. Die hierbei auftretenden Probleme sind jedoch nicht abhängig vom Bestehen der Grunddienstbarkeit, sondern vielmehr allgemeiner Natur und daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

A. Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Dritten I. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 I BGB Mit dem Anspruch aus § 1004 I BGB kann sich der Eigentümer einer Sache dagegen wehren, dass ein Dritter Befugnisse wahrnimmt, die nach der Rechtsordnung eigentlich ihm zustehen. 1. Passivlegitimation des Dritten Der Dritte ist Gegner des Anspruchs aus § 1004 I BGB, wenn er das fremde Eigentum durch die gegenwärtige räumliche Lage seiner Sache oder deren ge-

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

genwärtige Beschaffenheit beeinträchtigt105 oder durch aktives Tun auf die Sache des Anspruchsteller oder dessen Rechtsposition einwirkt106. Im Gegensatz zur Parallelsituation bei der Vindikation ist er dabei auch dann passivlegitimiert, wenn er zum Beispiel als Hausangestellter des Eigentümers des herrschenden Grundstücks die Einwirkung auf die fremde Sache lediglich für diesen kraft dessen Weisung in einem Abhängigkeitsverhältnis zu diesem vorgenommen hat107. Die Vindikation gegen den Besitzdiener ist gemäß § 855 BGB, wonach der Besitzdiener nicht Besitzer der Sache ist, ausgeschlossen108. Die dahinter stehende Überlegung, dass dem Besitzdiener in jedem Fall die Erfüllung der Herausgabepflicht rechtlich unmöglich109 wäre, da er andernfalls gegenüber seinem Besitzherrn verbotene Eigenmacht gemäß § 858 BGB begehen müsste110, trifft auf den Parallelfall des § 1004 I BGB nicht zu111. Schließlich muss der Handelnde im Rahmen des § 1004 I BGB zur Beseitigung der Störung lediglich sein eigenes beeinträchtigendes Verhalten einstellen112. Der Umstand, dass er mit der Einstellung seines Verhaltens eventuell schuldrechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Weisungsbefugten verletzt, begründet im Gegensatz zu § 858 BGB noch keine rechtliche Unmöglichkeit113. Eine Analogie zu § 855 BGB bei der Bestimmung des Anspruchsgegners im Rahmen des § 1004 I BGB scheidet daher mangels Vergleichbarkeit der Interessenlage aus. 2. Duldungspflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegenüber dem Dritten gemäß § 1004 II BGB Der Anspruch aus § 1004 I BGB ist gemäß § 1004 II BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Ist sein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit belastet, hat der Eigentümer insoweit eine Duldungspflicht gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks, als dieser nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit zu Einwirkungen auf das belastete

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Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 102. Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 99. 107 So für den Arbeitnehmer Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 125; a. A. Wetzel, Zurechnung, S. 135 ff. 108 MüKo/Baldus § 985 RdNr. 16; Bamberger/Roth/Fritzsche § 985 RdNr. 8; Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 56; AK-BGB/Joerges § 985 RdNr. 4. 109 Da § 985 BGB ein dinglicher Anspruch ist, handelt es sich freilich nicht um die Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB; dazu Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 7. 110 Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 56, § 1004 RdNr. 149. Lutter/Overrath JZ 1968, 345, 353 mit dem Hinweis, dass rechtliche Unmöglichkeit vorliegt, wenn in den absolut geschützten Rechtskreis eines Dritten eingegriffen werden müsste. 111 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 125 für den Fall der Eigentumsbeeinträchtigung durch den Arbeitnehmer. 112 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 125. 113 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 152; Lutter/Overrath JZ 1968, 345, 353. 106

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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Grundstück berechtigt ist. So hat beispielsweise der Eigentümer die Benutzung eines über sein Grundstück führenden Weges durch den Eigentümer des angrenzenden Grundstücks zu dulden, wenn sein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit belastet ist, die dem jeweiligen Eigentümer des angrenzenden Grundstücks eben diese Benutzung des Weges gestattet. Ob und, wenn dies der Fall ist, unter welchen Voraussetzungen sich neben dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks auch dritte Personen auf das Bestehen einer Grunddienstbarkeit berufen können, so dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks gemäß § 1004 II BGB auch ihnen gegenüber zur Duldung verpflichtet ist, ist eine Frage von großer praktischer Bedeutung. So hat sich die Rechtsprechung114 im Rahmen der Einwendung des § 1004 II BGB wiederholt mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Eigentümer eines mit einem Wegerecht belasteten Grundstücks es zu dulden hat, dass außer dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks auch gewisse andere Personen diesen Weg benutzen, sich das Bestehen einer Grunddienstbarkeit also auch zu ihren Gunsten auswirkt. Bei der Beantwortung dieser Frage wird differenziert zwischen Personen, denen die Benutzung des herrschenden Grundstücks aufgrund eines beschränkten dinglichen Rechts zusteht (a), und Personen, die sich aus anderen Gründen, sei es über einen kurzen oder langen Zeitraum, auf dem herrschenden Grundstück aufhalten (b). a) Beschränkt dinglich Nutzungsberechtigte an dem herrschenden Grundstück Der Inhaber eines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts am herrschenden Grundstück wird allgemein für die Dauer seines dinglichen Rechts als aus der Grunddienstbarkeit berechtigt angesehen, sofern nur die Ausübung der Grunddienstbarkeit für ihn vorteilhaft ist115. Dabei wird der Kreis der aus der Grunddienstbarkeit Berechtigten um die dinglich Nutzungsberechtigten erweitert, ohne dass – soweit ersichtlich – untersucht wird, ob eine solche Ausdehnung über den nur den Eigentümer des herrschenden Grundstücks benennenden Wortlaut des § 1018 BGB hinaus überhaupt möglich ist und wie eine solche Ausdehnung rechtlich zu konstruieren wäre116. Als subjektiv-dingliches Recht ist die Grunddienstbarkeit ein Recht, das mit dem Eigentum am herrschenden Grundstück verbunden ist, und gilt daher gemäß § 96 BGB als Bestandteil des herrschenden Grundstücks. Da sie vom herrschen114 BGH DNotZ 1971, 471 ff.; OLG Koblenz Urteil vom 2.12.1993 5 U 1429/93; LG Memmingen MDR 2000, 329 f. 115 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 39. 116 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9; Löscher Rpfleger 1962, 432, 432; NK-BGB/ Otto § 1018 RdNr. 39.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

den Grundstück nicht getrennt werden kann, teilt die Grunddienstbarkeit als wesentlicher Bestandteil gemäß § 93 BGB117 das rechtliche Schicksal des herrschenden Grundstücks118. Steht einer Person ein Nutzungsrecht am herrschenden Grundstück zu, erstreckt sich dieses Nutzungsrecht automatisch auch auf eine für dieses Grundstück bestellte Grunddienstbarkeit119. Dies ist zwingend120. Eine anderweitige Gestaltung des beschränkten dinglichen Nutzungsrechts ist nicht möglich. Zum Inhalt eines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts an einem Grundstück gehört also stets die Berechtigung, eine für dieses Grundstück bestellte Grunddienstbarkeit durch Ausübung der durch sie eingeräumten Befugnisse zu nutzen. Diese Berechtigung zur Ausübung der durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse ist dem Inhaber des beschränkten dinglichen Nutzungsrechts für die Dauer seines Nutzungsrechts nach der sachenrechtlichen Güterzuordnung mit Wirkung gegenüber jedermann zugewiesen. Der Berechtigung des beschränkt dinglich Nutzungsberechtigten zur Ausübung der durch Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse entspricht daher die Pflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks, die Beeinträchtigungen seines Eigentums durch den Nutzungsberechtigten insoweit zu dulden, als sie nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit gestattet sind. Nach Auffassung von Wolff/Raiser121 erwächst die Duldungspflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks dabei nicht aus der Grunddienstbarkeit, sondern aus dem beschränkten dinglichen Nutzungsrecht des Dritten. Dabei verkennt er allerdings, dass sich das Recht zur Nutzung des dienenden Grundstücks weiterhin aus der Grunddienstbarkeit und nicht aus dem beschränkten dinglichen Nutzungsrecht ergibt und letzteres seinem Inhaber lediglich die Befugnis zur Ausübung dieses Rechts zuweist. Die Duldungspflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks ergibt sich allein weder aus der Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB noch aus dem beschränkten dinglichen Nutzungsrecht am dienenden Grundstück, sondern aus der Grunddienstbarkeit in Verbindung mit dem beschränkten dinglichen Nutzungsrecht, also aus beiden Rechten gemeinsam.

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Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 10. Staudinger/Jickeli/Stieper § 96 RdNr. 9. 119 Für den Nießbrauch: Staudinger/Frank § 1030 RdNr. 10. Für den Nießbrauch sah die zweite Kommission die Erstreckung auf die subjektiv-dinglichen Rechte als so selbstverständlich an, dass er § 987 BGB des Entwurfs erster Lesung strich. Dieser lautete: „Der Nießbrauch an einem Grundstücke erstreckt sich auf die Vermögensrechte, welche mit dem Eigenthume an dem Grundstücke verbunden sind.“, Mugdan, Materialien III, XLIV. Siehe dazu Protokolle III, S. 4064 = Mugdan, Materialien III, S. 745. 120 RGZ 62, 410, 411; Staudinger/Jickeli/Stieper § 93 RdNr. 24. 121 Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 447. 118

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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b) Sonstige Dritte aa) Literatur und Rechtsprechung Neben dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks und den beschränkt dinglich Nutzungsberechtigten an diesem Grundstück sollen sich nach allgemeiner Meinung122 auch andere Personen, die mit dem herrschenden Grundstück in Berührung kommen, auf das Bestehen einer Grunddienstbarkeit berufen können. Ansonsten, so der dahinterstehende Gedanke, wäre das Recht der Grunddienstbarkeit in den meisten Fällen „illusorisch“ 123. So könnte beispielsweise der Eigentümer eines mit einem Wegerecht belasteten Grundstücks verhindern, dass die Familie des Eigentümers des herrschenden Grundstücks, dessen Mieter und Pächter oder dessen Lieferanten Zugang zum herrschenden Grundstück haben. Deshalb herrscht in Rechtsprechung124 und Literatur125 Einigkeit darüber, dass die Grunddienstbarkeit auch von dritten Personen ausgeübt werden könne. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Ausübungsberechtigung dritter Personen finde sich in § 1019 BGB. Gemäß § 1019 BGB sei die Grunddienstbarkeit dem Interesse des herrschenden Grundstücks und nicht bloß dem persönlichen Vorteil seines jeweiligen Eigentümers zu dienen bestimmt126. Die Berechtigung Dritter zur Ausübung der Grunddienstbarkeit sei jedoch von verschiedenen Voraussetzungen abhängig: Der Dritte müsse zum Eigentümer in besonderer Beziehung stehen, der Bestellungsakt der Grunddienstbarkeit dürfe nichts Gegenteiliges ergeben und bei ihrer Bestellung müsse mit der Ausübung der Grunddienstbarkeit durch den Dritten zu rechnen gewesen sein127. Schon die Bestimmung des Personenkreises, der zu dem Eigentümer in jener „besonderen Beziehung“ stehen soll, bereitet bei der praktischen Falllösung Schwierigkeiten. Ist man sich im Grundsatz noch darüber einig, dass zur Bejahung der „besonderen Beziehung“ des Dritten zum Eigentümer des herrschenden Grundstücks wegen § 1019 BGB zumindest ein konkreter Bezug zu der Benutzung des herrschenden Grundstücks und dessen Bedürfnissen erforderlich sei128, kommt man im konkreten Fall sowohl bezüglich des Kreises der Ausübungsberechtigten als auch des Umfanges ihrer Ausübungsberechtigung zu unterschiedlichen Ergebnissen. So fasst zum Beispiel das LG Memmingen129 im Falle eines 122 BGH DNotZ 1971, 471, 471; Löscher Rpfleger 1962, 432, 432; Staudinger/ Mayer § 1018 RdNr. 9; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 38. 123 Löscher Rpfleger 1962, 432, 432. 124 BGH DNotZ 1971, 471, 471 f. 125 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 38. 126 BGH DNotZ 1971, 471, 471; Löscher Rpfleger 1962, 432, 432. 127 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9. 128 LG Memmingen MDR 2000, 329, 329. 129 LG Memmingen MDR 2000, 329 f.

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Wegerechts den Kreis der Ausübungsberechtigten eng und gewährt Besuchern nur ein Übergangs-, nicht aber ein Überfahrtrecht; ein Befahren des Weges sei für die Durchführung von bloßen Besuchen nicht notwendig. Andere130 hingegen gewähren auch Besuchern ein Überfahrtrecht. Die Unsicherheiten bei der Bestimmung des Kreises der ausübungsberechtigten Dritten im Einzelfall sind Ausdruck einer tieferliegenden Unsicherheit über Begriff und rechtliche Konstruktion der Ausübungsberechtigung Dritter. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich dieser Unsicherheit anscheinend gar nicht bewusst ist. So findet eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Begriff der Ausübungsberechtigung schlicht nicht statt. Oft ersetzt eine beispielhafte Aufzählung von Personengruppen, die dem Kreis der Ausübungsberechtigten angehören sollen131, sowohl die Herleitung als auch eine genaue Definition des Begriffs der Ausübungsberechtigung. Allein anhand der Wortwahl bei den Ausführungen über die Wirkung der Grunddienstbarkeit auch zugunsten Dritter lässt sich das diesen Ausführungen jeweils zugrunde liegende Verständnis von der Konstruktion der Ausübungsberechtigung Dritter erahnen. Das LG Bremen132 sieht die Berechtigung des Dritten zur Ausübung der Grunddienstbarkeit als eine „Erweiterung“ des Kreises der aus der Grunddienstbarkeit Berechtigten. Der Begriff der „Erweiterung“ deutet darauf hin, dass der Dritte mit dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks rechtlich auf einer Ebene steht, also selbst Inhaber der Grunddienstbarkeit oder diesem zumindest rechtlich gleichgestellt sein soll. Schon mit Blick auf den Wortlaut des § 1018 BGB, der als Inhaber der Grunddienstbarkeit einzig den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nennt, ergeben sich Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung. Andere133 sprechen von einer „Ausübung“ der Grunddienstbarkeit durch Dritte, wobei teils die Rede davon ist, dass die Grunddienstbarkeit von dritten Personen „ausgeübt“ werden könne134, teils, dass der Eigentümer die „Ausübung“ seines Rechts anderen Personen „übertragen“ könne135. Während nach dieser Wortwahl die Ausübungsberechtigung eines Dritten von einem Übertragungsakt durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks abhängig ist, steht sie nach jener bestimmten Personen von vorneherein als „natürliche Folge“ 136 zu. Aufgrund gegenseitiger Bezugnahmen und mangels näherer Ausführungen über das Verständnis der verwendeten Begriffe lässt sich allerdings 130 131 132 133 134 135 136

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9; NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 40 Fn. 170. So bei BGH DNotZ 1971, 471, 472; LG Memmingen MDR 2000, 329, 329. BlGBW 1957, 383, 383. BGH DNotZ 1971, 471, 471; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9. BGH DNotZ 1971, 471, 471. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9. Löscher Rpfleger 1962, 432, 432.

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nicht mit Sicherheit sagen, ob Unterschiede lediglich dem Wortlaut oder auch der Sache nach gemacht werden. Auch bezüglich der rechtlichen Stellung, die der Dritte aufgrund seiner Ausübungsberechtigung innehaben soll, wird nur insoweit eine Aussage getroffen, als der Dritte seine Ausübungsberechtigung vom jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks ableite und daher nicht mehr Rechte als dieser habe137. So bleibt letztlich unklar, wie der Begriff der Ausübungsberechtigung verstanden wird. Ist eine Berechtigung zur Ausübung der Grunddienstbarkeit neben der Grunddienstbarkeit selbst überhaupt möglich? Falls ja, unter welchen Voraussetzungen? Inwiefern unterscheidet sich die rechtliche Stellung des Ausübungsberechtigten von der des Inhabers der Grunddienstbarkeit, also des Eigentümers des herrschenden Grundstücks? Zusammenfassend ergibt sich bezüglich der Wirkung der Grunddienstbarkeit zugunsten Dritter folgendes Bild: Man ist sich darüber einig, dass sich auch Dritte im Rahmen des § 1004 II BGB unter gewissen Umständen auf das Bestehen einer Grunddienstbarkeit berufen können sollen und deshalb der Eigentümer des dienenden Grundstücks auch ihnen gegenüber zur Duldung der durch die Grunddienstbarkeit gestatteten Einwirkungen auf sein Grundstück verpflichtet ist. Jedoch werden weder das Bestehen einer solchen Befugnis selbst noch deren rechtliche Konstruktion, Voraussetzungen, Inhalt und Rechtsfolgen aus dem Gesetz abgeleitet. bb) Vorgehensweise bei der eigenen Untersuchung Die Frage, ob und auf welche Weise eine Grunddienstbarkeit auch zugunsten dritter, nicht dinglich berechtigter Personen gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks Wirkung entfalten kann, bedarf aufgrund der in der Praxis auftauchenden Unsicherheiten einer Klärung. Hierfür wird zunächst untersucht, ob das BGB überhaupt eine Wirkung der Grunddienstbarkeit zugunsten Dritter vorsieht oder eine solche nicht von vorneherein ausschließt (cc). Gegebenenfalls ist anschließend auf die rechtstechnische Konstruktion der Wirkung der Grunddienstbarkeit zugunsten Dritter innerhalb des BGB einzugehen (dd) und darauf, was sich aus dieser Konstruktion für die Voraussetzungen dieser Wirkung, deren Inhalt und Rechtsfolgen ergibt (ee). cc) Grundsätzliche Möglichkeit der Wirkung der Grunddienstbarkeit zugunsten Dritter Während § 1059 S. 2 BGB für den – gemäß § 1059 S. 1 BGB selbst nicht übertragbaren – Nießbrauch bestimmt, dass dessen Ausübung einem anderen überlassen werden kann, fehlt für die Grunddienstbarkeit eine solche Bestimmung. 137

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 9.

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Im Gegensatz dazu ordnete noch Johows Vorentwurf zum Sachenrecht in § 237138 an: „Das Recht zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit kann einem anderen nur mit dem Rechte auf Benutzung des herrschenden Grundstücks übertragen werden.“

§ 237 des Vorentwurfs sah demnach vor, dass die Ausübung der Grunddienstbarkeit im Unterschied zur Grunddienstbarkeit selbst, die gemäß § 237 S. 1 des Vorentwurfs139 nicht übertragbar war, auf einen Dritten übertragen werden konnte, sofern nur gleichzeitig das Recht auf Benutzung des herrschenden Grundstücks übertragen wurde. Auch im ersten Entwurf findet sich in § 974 S. 2 eine Regelung, die die Ausübung der Grunddienstbarkeit durch Dritte vorsieht. § 974 S. 2 des ersten Entwurfs lautet140: „Die Ausübung der Grunddienstbarkeit kann einem Anderen nur zugleich mit der Benutzung des herrschenden Grundstücks überlassen werden.“

Diese Regelung wurde durch die zweite Kommission gestrichen. Grund hierfür war jedoch nicht, dass die zweite Kommission die Möglichkeit zur Ausübung der Grunddienstbarkeit durch Dritte ausschließen wollte. Sie sah den Inhalt dieser Regelung vielmehr als selbstverständlich an141. Die Möglichkeit der Ausübung der Grunddienstbarkeit durch Dritte wird denn auch im BGB nicht gesondert formuliert, sondern vorausgesetzt. So regelt § 1029 BGB die entsprechende Anwendung der Besitzschutzvorschriften für den Fall, dass der Besitzer eines Grundstücks in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört wird. dd) Ausübungsrecht des Dritten als dingliches oder obligatorisches Recht Das BGB unterscheidet, wie soeben ausgeführt, zwischen der Inhaberschaft am beschränkten dinglichen Recht Grunddienstbarkeit, also der Rechtszuständigkeit, und der Ausübung dieses Rechts durch Dritte142. Es geht dabei von der Möglichkeit der Ausübung der Grunddienstbarkeit durch Dritte aus, normiert aber weder Voraussetzungen noch Rechtsfolgen der Ausübung durch Dritte. 138

Johow, Sachenrecht I, S. 55. Dieser lautet: „Grunddienstbarkeiten sind untrennbar von dem herrschenden Grundstücke und gehen bei der Veräußerung und der Vererbung desselben auf den neuen Erwerber über.“ Diese Regel folgt nach Johow daraus, dass Grunddienstbarkeiten keine selbständigen Vermögensobjekte bilden, Johow, Sachenrecht II, S. 64. 140 Mugdan, Materialien III, S. XLII. 141 Protokolle, S. 3913 = Mugdan, Materialien III, S. 738. Zu den Hintergründen siehe unten S. 130. 142 Zur vom BGB getroffenen prinzipiellen Unterscheidung zwischen Rechtszuständigkeit und Rechtsausübung Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 98 m.w. N. in Fn. 72. 139

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Diese sind abhängig davon, wie die Ausübungsbefugnis des Dritten rechtlich konstruiert ist. Die Befugnis eines Dritten zur Ausübung des beschränkten dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit lässt sich rechtstechnisch auf zwei Arten konstruieren. Entweder räumt man dem Dritten ein eigenes dingliches und damit absolut wirkendes Recht zur Benutzung des dienenden Grundstücks ein; ein solches kann der Dritte nicht nur dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks, sondern auch dem Eigentümer des dienenden Grundstücks im Rahmen des § 1004 II BGB direkt entgegenhalten. Oder man konstruiert die Ausübungsbefugnis des Dritten als lediglich obligatorisches Recht gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks; der Dritte ist dann diesem gegenüber berechtigt, die diesem durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse wahrzunehmen. In diesem Fall muss dem Dritten in einem zweiten Schritt gestattet werden, die ihm aufgrund seines relativen Rechts gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zustehende Befugnis zur Wahrnehmung der aus der Grunddienstbarkeit folgenden Rechte auch dem Eigentümer des dienenden Grundstücks im Rahmen des § 1004 II BGB entgegenzuhalten. (1) Entstehungsgeschichte Welchen der beiden Wege das BGB gewählt hat, erhellt ein Blick auf dessen Entstehungsgeschichte. (a) Johows Vorentwurf § 237 des Vorentwurfs zum Sachenrecht143 spricht von einem „Recht zur Ausübung“, das einem anderen „übertragen“ werden kann. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift existiert also neben dem Recht, der Grunddienstbarkeit, selbst ein davon zu unterscheidendes Recht zur Ausübung als eigenständiges Recht. Das Verb „übertragen“ setzt dabei voraus, dass dieses Recht zur Ausübung als Übertragungsobjekt schon vor der Übertragung neben der Grunddienstbarkeit besteht und nicht erst in der Person des Dritten neu entsteht. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist also Inhaber des beschränkten dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit und zugleich Inhaber eines in der Grunddienstbarkeit enthaltenen Rechts zur Ausübung der Grunddienstbarkeit, welches ihn zur Vornahme der Ausübungshandlungen berechtigt. Dieses von der Grunddienstbarkeit zu unterscheidende Recht kann dem Dritten gemeinsam mit dem Recht auf Benutzung des herrschenden Grundstücks übertragen werden. Der Dritte wird Inhaber des 143 Dieser lautet: „Das Recht zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit kann einem anderen nur mit dem Rechte auf Benutzung des herrschenden Grundstücks übertragen werden.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 55).

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Rechts zur Ausübung der Grunddienstbarkeit. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks bleibt Inhaber der Grunddienstbarkeit. Als Bestandteil der Grunddienstbarkeit teilt das Recht zur Ausübung zwangsläufig die Rechtsnatur der Grunddienstbarkeit und ist daher als dingliches Recht anzusehen. Dieses sich aus dem Wortlaut des § 237 des Vorentwurfs ergebende Verständnis von der Rechtsnatur der Ausübungsberechtigung als eigenständiges dingliches Recht wird durch die Begründung Johows bestätigt. Zwar äußert sich Johow im Rahmen der Begründung zu § 237 des Vorentwurfs nicht zur Rechtsnatur der Ausübung der Grunddienstbarkeit, sondern setzt sich nur mit deren Abhängigkeit von der Benutzung des herrschenden Grundstücks auseinander144. Jedoch lassen seine Ausführungen zur Übertragung der Ausübung des Nießbrauches gemäß § 238 S. 1145 des Vorentwurfs Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Rechts zur Ausübung bei der Grunddienstbarkeit zu. Ein solcher Rückgriff auf die Ausführungen über das Recht zur Ausübung des Nießbrauchs durch Dritte ist aus folgenden Gründen zulässig. Im Vorentwurf stehen sowohl die Normen zur Übertragung der Ausübung der Grunddienstbarkeit auf Dritte als auch die zur Übertragung der Ausübung des Nießbrauchs bei den allgemeinen Bestimmungen über die Dienstbarkeiten, und zwar unmittelbar nacheinander146. Der allgemeine Teil stellt für alle Arten von Dienstbarkeiten, also die Grunddienstbarkeit, den Nießbrauch und die beschränkte persönliche Dienstbarkeit, gemeinsame Grundsätze auf. Daher spricht die systematische Stellung des § 237 des Vorentwurfs dafür, dass das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit ebenso konstruiert ist wie das Recht zur Ausübung des Nießbrauchs in § 238 des Vorentwurfs. Dies bestätigt die Marginalie I.5.147, die die §§ 237 bis 238 des Vorentwurfs unter den gemeinsamen Oberbegriff „Uebertragung des Rechts zur Ausübung“ 148 fasst. In der Begründung seines Entwurfs trifft Johow denn auch zunächst für alle Dienstbarkeiten gültige Aussagen über die Ausübungsüberlassung149, bevor er auf die Besonderheiten bei den einzelnen Arten näher eingeht. 144

Johow, Sachenrecht II, S. 1125. § 238 des Vorentwurfs lautet: „Die Ausübung des Nießbrauchs kann auf einen Anderen zu dessen eigenem Rechte übertragen werden. Zu solcher Uebertragung ist die Uebergabe der dienenden Sache, bei einem im Grundbuch eingetragenen Nießbrauch aber die Eintragung im Grundbuch erforderlich. Auf die Haftung des Nießbrauchers gegenüber dem Eigenthümer bleibt die Uebertragung der Ausübung ohne Einfluß.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 41). 146 Johow, Sachenrecht I, S. 41. 147 Marginalien hat Johow neben den einzelnen Paragraphen des Entwurfs angebracht. Sie dienten der ersten Kommission lediglich zur leichteren Übersicht, waren aber nicht zur Aufnahme in das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt (Johow, Sachenrecht I, Vorwort). 148 Johow, Sachenrecht I, S. 41. 149 Johow, Sachenrecht II, S. 1125. 145

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Zweifel an der Zulässigkeit eines Rückgriffs auf die Ausführungen zur Übertragbarkeit der Ausübung des Nießbrauchs gemäß § 238 ergeben sich auch nicht daraus, dass § 237 des Vorentwurfs für die Grunddienstbarkeit von dem „Recht zur Ausübung“ spricht, während für den Nießbrauch in § 238 des Vorentwurfs der Ausdruck „Ausübung zu dessen eigenem Rechte“ verwendet wird. Die unterschiedliche Ausdrucksweise spricht zwar zunächst für einen Unterschied auch der Sache nach. Der sprachliche Unterschied beschränkt sich jedoch letztlich auf das Vorhandensein des Adjektivs „eigen“. Da jedes Recht das „eigene“ Recht seines Inhabers ist, dient dieses Adjektiv lediglich der Betonung der Rechtsinhaberschaft, begründet aber keinen Unterschied in der Sache. Johow selbst begründet die unterschiedliche Ausdrucksweise damit, dass die Übertragbarkeit der Ausübung an einen anderen zu dessen eigenem Recht bei der Grunddienstbarkeit dadurch ausgeschlossen sei, dass diese begriffsmäßig der besseren Benutzung eines Grundstücks diene150. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks könne zwar sein Recht zur Benutzung des herrschenden Grundstücks auf einen anderen übertragen, nicht aber die Grunddienstbarkeit für sich ohne die Benutzung des herrschenden Grundstücks151. Entscheidend kam es Johow also darauf an, die Unterschiede bezüglich der Übertragung des Rechts zur Ausübung zwischen Nießbrauch und Grunddienstbarkeit zu betonen. Bei der Grunddienstbarkeit sollte wegen deren Koppelung an das herrschende Grundstück das Recht zur Ausübung derselben nicht losgelöst von der Benutzung des herrschenden Grundstücks auf eine andere Person übertragen werden können. Der Nießbrauch war nach dem Vorentwurf an eine Person, nicht an ein Grundstück gekoppelt, so dass Johow denn auch die Übertragung des Rechts zu seiner Ausübung nicht von der Übertragung der Benutzung eines Grundstücks abhängig machte. Das Recht zur Ausübung des Nießbrauchs sollte anders als das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit ohne eine zusätzliche Voraussetzung auf eine andere Person übertragbar sein. Das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit unterscheidet sich im Vorentwurf von dem Recht zur Ausübung des Nießbrauchs also nur bezüglich seiner Übertragungsvoraussetzungen, nicht aber bezüglich seiner rechtlichen Konstruktion, so dass ein Rückgriff auf die Ausführungen Johows über das Recht zur Ausübung des Nießbrauchs zulässig ist, um auf sein Verständnis von der Rechtsnatur des Rechts zur Ausübung der Grunddienstbarkeit zu schließen. Johow konzipiert das Recht zur Ausübung des selbst nicht übertragbaren Nießbrauchs durch einen Dritten so, dass der Dritte kein obligatorisches, sondern ein dingliches Recht erhält152. 150 151 152

Johow, Sachenrecht II, S. 1125. Johow, Sachenrecht II, S. 1125. Johow, Sachenrecht II, S. 1126.

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Die sich aufdrängende Frage, ob die Übertragung des dinglichen Rechts zur Ausübung des Nießbrauchs sich mit der Übertragung des Rechts selbst deckt und man deshalb konsequenter Weise nicht den Nießbrauch selbst für übertragbar erklären müsste, sieht Johow als rein theoretische Frage ohne praktische Auswirkungen an153. Entscheidend sei allein, dass das Recht des Erwerbers als eigenes, also durch den Willen des Veräußerers nicht beeinflussbares Recht gestaltet sei, welches sich jedoch in allen Punkten aus der Person des Veräußerers heraus bestimme154. Dies sei bei der gewählten Konzeption des Rechts zur Ausübung des Nießrauchs als dingliches Recht der Fall. Sowohl beim Nießbrauch als auch bei der Grunddienstbarkeit unterscheidet Johow also zwischen dem beschränkten dinglichen Recht selbst und dem in diesem Recht enthaltenen Recht zur Ausübung desselben. Während bei der Grunddienstbarkeit jedoch sowohl das Recht selbst als auch das Recht zur Ausübung des Rechts auf eine andere Person übergehen kann, ist beim Nießbrauch ein Übergang des Rechts selbst auf eine andere Person nicht möglich. Lediglich das Recht zur Ausübung des Nießbrauchs ist übertragbar. Dieser Unterschied ist freilich nicht das Ergebnis einer unterschiedlichen Konstruktion der Ausübungsberechtigung. Er beruht allein auf den unterschiedlichen Bezugsobjekten von Grunddienstbarkeit und Nießbrauch: Bei der Grunddienstbarkeit ist das Bezugsobjekt das herrschende Grundstück, welches auch bei einem Wechsel in der Person des Eigentümers des herrschenden Grundstücks, also des Rechtsinhabers, stets dasselbe bleibt. Beim Nießbrauch ist das Bezugsobjekt hingegen die Person des Rechtsinhabers, weshalb ein Wechsel in der Person des Rechtsinhabers gleichzeitig stets einen Austausch des Bezugsobjektes zur Folge hätte. Demnach bringt die Konstruktion der Ausübungsberechtigung als dingliches Recht nur beim Nießbrauch das Problem der Umgehung der Unübertragbarkeit des Rechts auf eine andere Person mit sich. Bei der Grunddienstbarkeit stellt sich aufgrund der Möglichkeit des Übergangs des Rechts auf eine andere Person die beim Nießbrauch auftretende Problematik, durch die Zulassung der Übertragbarkeit des Rechts zur Ausübung auf eine andere Person die Unübertragbarkeit des Rechts selbst zu umgehen, von vorneherein nicht. Dies mag der Grund dafür sein, dass erst im Rahmen der Begründung zum Recht der Ausübung des Nießbrauchs durch Dritte auf dessen rechtliche Konstruktion eingegangen wird, im Rahmen der Begründung zu § 237 des Vorentwurfs hingegen auf diesbezügliche Ausführungen verzichtet wird. Der Rückgriff auf die Ausführungen zum Recht zur Ausübung des Nießbrauchs durch Dritte bestätigt damit das sich bereits am Wortlaut des § 237 des

153 154

Johow, Sachenrecht II, S. 1129. Johow, Sachenrecht II, S. 1129.

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Vorentwurfs abzeichnende Ergebnis. Das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit ist im Vorentwurf Johows als in der Grunddienstbarkeit enthaltenes, aber von dieser zu unterscheidendes dingliches Recht konzipiert; dieses Recht kann einem Dritten gemeinsam mit dem Recht auf Benutzung des herrschenden Grundstücks übertragen werden. Liegt diese Konzeption auch dem BGB zu Grunde, kann der Dritte dem Eigentümer des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks im Rahmen des § 1004 II BGB sein Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit unmittelbar entgegenhalten. (b) Entwurf erster Lesung Die erste Kommission fasste § 236 und § 237 des Vorentwurfs in § 974 des Entwurfs erster Lesung zusammen. § 237 des Vorentwurfs erhielt als § 974 II des Entwurfs erster Lesung folgende Fassung155: „Die Ausübung der Grunddienstbarkeit kann einem Anderen nur zugleich mit der Benutzung des herrschenden Grundstücks überlassen werden.“

Die Änderung der Ausdrucksweise von einem „Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit“, das einem anderen „übertragen“ werden kann, hin zur „Ausübung der Grunddienstbarkeit“, die einem anderen „überlassen“ werden kann, bringt eine Änderung bezüglich der Rechtsposition zum Ausdruck, welche dem die Grunddienstbarkeit ausübenden Dritten zusteht. Diese dem Dritten zustehende Rechtsposition wird offensichtlich nicht mehr als ein von der Grunddienstbarkeit abtrennbares eigenständiges Recht mit dinglicher Wirkung verstanden. In den Motiven wird denn auch betont, dass der Entwurf die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Rechts lediglich der Ausübung nach mit dem Charakter der Rechtsnachfolge in Abkehr vom Vorentwurf nicht vorsehe156. Auf den dahinterstehenden Grund wird im Rahmen der Begründung dafür eingegangen, warum man von der Übertragbarkeit des Rechts zur Ausübung des Nießbrauches Abstand genommen und sich stattdessen für die Übertragbarkeit des Nießbrauchs selbst entschieden habe: Materiell bestehe kein Unterschied zwischen der Übertragung des Nießbrauchs selbst und der Übertragung des Rechts zur Ausübung des Nießbrauchs157. Mit der Übertragung des Rechts zur Ausübung des Nießbrauchs behalte der Nieß-

155 Mugdan, Materialien III, XLII. § 974 I des Entwurfs erster Lesung lautet: „Die Grunddienstbarkeit kann von dem herrschenden Grundstücke nicht getrennt werden; sie geht auf jeden neuen Eigenthümer mit dem Erwerbe des Eigenthumes über.“ (Mugdan, Materialien III, XLII). 156 Motive III, S. 525 = Mugdan, Materialien III, S. 293. 157 Motive III, S. 526 = Mugdan, Materialien III, S. 293.

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braucher ein Recht ohne Inhalt158. Ein solches dürfe der Gesetzgeber ohne zwingenden Grund nicht anerkennen159. Diese Erwägung mag zwar explizit nur gegen das Recht zur Ausübung des Nießbrauchs angeführt sein, wird aber auch der Entscheidung gegen ein Recht zur Ausübung jedes anderen Rechts zugrunde gelegen haben. Denn in allen Fällen führt seine Anerkennung zu einer Verdopplung des beschränkten dinglichen Rechts. Dabei geht das Recht zur Ausübung des Rechts ganz in dem Recht selbst auf und lässt letzteres bei seiner Übertragung als leere Hülle zurück. Daher entschied man sich generell gegen die Existenz zweier inhaltlich deckungsgleicher Rechte160. Die Entscheidung gegen ein dingliches Recht auf Ausübung eines anderen Rechts wirkte sich auf Nießbrauch und Grunddienstbarkeit unterschiedlich aus. Beim Nießbrauch entschied man sich, dessen Bindung an den ursprünglichen Inhaber aufzugeben und den Nießbrauch selbst als ein an jeden Dritten übertragbares beschränktes dingliches Recht zu konzipieren161. Bei der Grunddienstbarkeit war der Inhaberwechsel schon nach der Definition der Grunddienstbarkeit in § 966 des Entwurfs erster Lesung162, nach der der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks der Inhaber der Grunddienstbarkeit ist, abhängig vom Übergang des Eigentums am herrschenden Grundstück. Der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks war zwingend auch der Inhaber der Grunddienstbarkeit. Eine vom Eigentum am herrschenden Grundstück losgelöste Übertragung der Grunddienstbarkeit schied damit von vorneherein aus. Auf diese sich bereits aus der Definition der Grunddienstbarkeit ergebenden Rechtsfolgen weist § 974 I des Entwurfs erster Lesung für die Grund-

158 Motive III, S. 526 = Mugdan, Materialien III, S. 293. So auch: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 12. 159 Motive III, S. 526 = Mugdan, Materialien III, S. 293. So auch: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 12. 160 Motive III, S. 526 = Mugdan, Materialien III, S. 293. So auch: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 12. 161 Siehe § 1011 des Entwurfs erster Lesung. Dieser lautet: „Der Nießbrauch kann veräußert und belastet werden. Durch die Veräußerung des Nießbrauches erleidet der Inhalt des Rechts, insbes. in Ansehung der Dauer, keine Aenderung. Auf die Veräußerung des Nießbrauches an einer beweglichen Sache finden die Vorschriften des § 983 entsprechende Anwendung.“ 162 § 966 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks (herrschendes Grundstück) in der Weise belastet werden, daß derselbe das belastete Grundstück (dienendes Grundstück) in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder daß auf dem dienenden Grundstücke etwas zu unterlassen ist, oder daß ein gesetzliches aus dem Eigenthume an dem dienenden Grundstücke sich ergebendes und auf das herrschende Grundstück sich beziehendes Recht aufgehoben oder beschränkt ist (Grunddienstbarkeit).“ (Mugdan, Materialien III, XL).

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dienstbarkeit hin163, indem er bestimmt, dass die Grunddienstbarkeit von dem herrschenden Grundstück nicht getrennt werden kann und sie mit dem Erwerb des Eigentums auf jeden neuen Eigentümer übergeht164. Aufgrund der Bindung der Grunddienstbarkeit an das Eigentum am herrschenden Grundstück und der gleichzeitigen Entscheidung gegen ein dingliches Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit im Entwurf erster Lesung war es somit ausgeschlossen, dass andere Personen als der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks Inhaber eines dinglichen Rechts sein konnten, welches sie unmittelbar gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zur Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts berechtigte. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks konnte Dritten damit lediglich ein obligatorisches Recht auf Ausübung des ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts einräumen165. § 974 II des Entwurfs erster Lesung, nach dem die Ausübung der Grunddienstbarkeit einem anderen nur zugleich mit der Benutzung des herrschenden Grundstücks überlassen werden kann, hatte dabei lediglich die Aufgabe, klarzustellen, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Grenzen seines Rechts nicht überschreitet, wenn er einem anderen zugleich mit der Benutzung des herrschenden Grundstücks auch ein obligatorisches Recht auf Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts einräumt, ihm die Ausübung der Grunddienstbarkeit überlässt166. Die Regelung des § 236 des Vorentwurfs hat sich in ihrer geänderten Fassung als § 974 II des Entwurfs erster Lesung also von einer Norm, die dem Dritten ein dingliches Recht an dem dienenden Grundstück einräumt, zu einer Norm gewandelt, die sich an den Eigentümer des herrschenden Grundstücks richtet; sie trifft dabei eine Aussage über Inhalt und Grenzen seines Rechts. Die Ausübungsberechtigung des Dritten besteht nach dieser im Entwurf erster Lesung gewählten Konstruktion also in nichts anderem als in einem schuldrechtlichen Anspruch des Dritten gegen den Inhaber der Grunddienstbarkeit auf Ausübung der sich aus der Grunddienstbarkeit ergebenden Rechte. Sollte diese von der ersten Kommission gewählte Konzeption des Rechts zur Ausübung der Grunddienstbarkeit als lediglich obligatorisches Recht gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks auch dem BGB zugrunde liegen, so wäre in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob und, wenn ja, wie dieses 163 Darauf, dass § 974 I des Entwurfs erster Lesung lediglich die Konsequenzen aus dem Begriff der Grunddienstbarkeit ausspricht, weisen die Motive III, S. 487 = Mugdan, Materialien III, S. 271 hin. 164 § 974 I des Entwurfs erster Lesung lautet: „Die Grunddienstbarkeit kann von dem herrschenden Grundstücke nicht getrennt werden; sie geht auf jeden neuen Eigenthümer mit dem Erwerbe des Eigenthumes über.“ (Mugdan, Materialien III, XLII). 165 Darauf weisen die Motive III, S. 525 = Mugdan, Materialien III, S. 293 hin. 166 Motive III, S. 525 = Mugdan, Materialien III, S. 293.

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obligatorische Recht auch dem Eigentümer des dienenden Grundstücks im Rahmen des § 1004 II BGB entgegengehalten werden kann. (c) Entwurf zweiter Lesung Die zweite Kommission strich § 974 II des Entwurfs erster Lesung wie auch dessen Absatz 1 ersatzlos. Sie begründete dies damit, dass der in ihm ausgesprochene Satz zum einen ebenso wie der des Absatzes 1 als selbstverständlich zu betrachten sei und kein Bedürfnis vorliege, ihn im Gesetz auszusprechen167. Zum anderen sei der in ihm ausgesprochene Satz seinem Wortlaut nach nicht ganz richtig, da das die Grunddienstbarkeit unter Umständen auch von einem Dritten, der das herrschende Grundstück nicht benutze, ausgeübt werden könne, zum Beispiel bei Wegegerechtigkeiten von Besuchern des Eigentümers des herrschenden Grundstücks168. Auch nach Vorstellung der zweiten Kommission konnte sich also der Eigentümer des herrschenden Grundstücks einem Dritten gegenüber verpflichten, die Wahrnehmung der ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse durch den Dritten zu dulden, ohne damit die Grenzen der ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse zu überschreiten. Das Ausübungsrecht des Dritten ist nach dieser Konzeption also kein dingliches, sondern ein obligatorisches Recht des Dritten auf Ausübung der durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass die zweite Kommission von der Entscheidung der ersten Kommission, den Nießbrauch als ein an jeden Dritten übertragbares beschränktes dingliches Recht auszugestalten, wieder abgerückt ist. Sie hat in § 986 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung, der als § 1059 S. 1 unverändert ins BGB übernommen wurde, die Unübertragbarkeit des Nießbrauchs festgesetzt169. An der Ansicht der ersten Kommission, dass es neben einem dinglichen Recht ein eigenständiges dingliches Recht auf die Ausübung 167

Anders beim Nießbrauch, siehe dazu S. 128 Fn. 161. Protokolle III, S. 3914 = Mugdan, Materialien III, S. 738. 169 Siehe dazu Schüller, Zwangsvollstreckung in den Nießbrauch, 39 f.; kritisch: Haase JherJb 36 (1896), 249, 282 ff. Die Entscheidung gegen die Übertragbarkeit des Nießbrauchs wird in den Protokollen im Wesentlichen damit begründet, dass die Hauptanwendungsfälle des Nießbrauchs, der testamentarisch angeordnete Nießbrauch zu Gunsten des überlebenden Ehegatten und der „vertragsmäßige Nießbrauch in der Form der Leibzucht bei Gutsübergaben“, durch eine persönliche, familiäre Vertrauensstellung geprägt seien, der es nicht entspräche, wenn der Nießbraucher durch Veräußerung andere Personen an seine Stelle setzen könnte (Protokolle III, S. 4100 f. = Mugdan, Materialien III, S. 762). Zu den Argumenten der Gegenmeinung siehe Protokolle III, S. 4098 f. = Mugdan, Materialien III, S. 761 f.; von Blume JherJb 34 (1895), 281 ff. 168

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jenes Rechts nicht geben könne, sondern der Inhaber des dinglichen Rechts einem Dritten lediglich ein obligatorisches Recht auf die Ausübung des dinglichen Rechts einräumen konnte, hielt die zweite Kommission freilich nicht nur für die Grunddienstbarkeit, sondern auch für den Nießbrauch fest170. Hiervon ausgehend wird in § 986 S. 2 des Entwurfs zweiter Lesung, der als § 1059 S. 2 unverändert ins BGB übernommen wurde, denn auch lediglich klargestellt, dass die Ausübung des Nießbrauchs einem anderen überlassen werden kann, der Nießbraucher also mit der Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs die Grenzen seines dinglichen Rechts nicht überschreitet171. Das Ausübungsrecht des Dritten ist nach dieser Konzeption also weder beim Nießbrauch noch bei der Grunddienstbarkeit ein selbständiges dingliches Recht auf die Ausübung des Nießbrauchs bzw. der Grunddienstbarkeit. Es handelt sich bei dem Ausübungsrecht des Dritten vielmehr sowohl bei der Grunddienstbarkeit als auch bei dem Nießbrauch um ein obligatorisches Recht des Dritten auf die Ausübung der durch das dingliche Recht eingeräumten Befugnisse gegenüber dem Inhaber des dinglichen Rechts. (2) Systematik Spricht schon die Entstehungsgeschichte des BGB dafür, das Recht des Dritten zur Ausübung der Grunddienstbarkeit so zu verstehen, dass der Dritte lediglich ein obligatorisches Recht gegenüber dem Inhaber der Grunddienstbarkeit auf Ausübung seiner Rechte aus der Grunddienstbarkeit hat, lässt die Gesetzessys170 Protokolle III, S. 4102 = Mugdan, Materialien III, S. 763. Den Dritten, dem ein lediglich obligatorisches Recht gegenüber dem Nießbraucher auf Ausübung desselben eingeräumt werden konnte, sah die zweite Kommission auch ohne ein dingliches Recht als hinreichend geschützt an (Protokolle III, S. 4101 = Mugdan, Materialien III, S. 762). 171 Darauf, dass es der Aufnahme des § 1059 S. 2 ins BGB nicht bedurft hätte, da der Nießbraucher grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Nutzungen in eigener Person zu ziehen und deshalb die tatsächliche Ausübung des Nießbrauchs durch andere selbstverständlich ist, weisen Schüller, Zwangsvollstreckung in den Nießbrauch, S. 33, 58 ff. und Kretzschmar Gruchot 65 (1921), 432, 439 hin. In der Hervorhebung der als selbstverständlich zu betrachtenden Zulässigkeit der Ausübungsüberlassung mag der Grund dafür zu finden sein, dass auch nach Inkrafttreten des BGB die Diskussion um die rechtliche Stellung des Dritten zunächst nicht abebbte (siehe nur: Mendel, Ausübungsüberlassung, S. 4 ff.). Einen Überblick über die Diskussion bietet Schüller, Zwangsvollstreckung in den Nießbrauch, S. 40 ff. Die Stimmen zugunsten eines dinglichen Rechts des Dritten (Eccius Gruchot 50 (1906), 503, 505 ff.; Kretzschmar Gruchot 65 (1921), 432, 435 f.; Oertmann JherJb 66 (1916), 130, 144 ff. nimmt je nach Eigenart des der Gebrauchsüberlassung zugrunde liegenden Kausalverhältnisses ein obligatorisches oder dingliches Recht an) sind mittlerweile aufgrund der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers gegen ein dingliches Recht auf Ausübung eines anderen Rechts und im Hinblick auf das Numerus-clausus-Prinzip der beschränkten dinglichen Rechte verstummt. Dass der das Nießbrauchsrecht ausübende Dritte lediglich ein obligatorisches Recht hat, wird heute allgemein anerkannt, siehe nur: RGZ 159, 193, 208; BGH NJW 1971, 422, 422; Staudinger/Frank § 1059 RdNr. 18.

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tematik gar kein anderes Verständnis zu. Für ein eigenständiges dingliches Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit ist neben dem dinglichen Recht der Grunddienstbarkeit aufgrund des Numerus-clausus-Prinzips der dinglichen Rechte172 kein Raum, zumal seine Anerkennung nichts anderes wäre als eine Reproduktion inhaltsgleicher Rechte mit lediglich unterschiedlicher Bezeichnung173. (3) Zwischenergebnis Sowohl nach der Entstehungsgeschichte als auch der Systematik des BGB ist das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit Dritter kein dingliches Recht des Dritten, sondern ein obligatorisches Recht des Dritten gegen den Inhaber der Grunddienstbarkeit auf Ausübung der durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechte. Art und Umfang des Ausübungsrechts des Dritten ergeben sich aus dem Inhalt des zwischen dem Inhaber der Grunddienstbarkeit und dem Dritten bestehenden vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses, den es durch Auslegung zu ermitteln gilt. Vermietet beispielsweise in dem Fall, dass ein Grundstück mit einem Wegerecht belastet ist, der Eigentümer des herrschenden Grundstücks sein Grundstück, so wird eine Auslegung des Mietvertrages regelmäßig ergeben, dass der Mieter dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber berechtigt ist, das Wegerecht auszuüben. ee) Wirkung des obligatorischen Ausübungsrechts des Dritten auch gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks: § 986 I 1 Alt. 2 BGB analog Da das Recht des ausübungsberechtigten Dritten lediglich als obligatorisches Recht gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks konstruiert ist, gilt es nun in einem zweiten Schritt zu ermitteln, ob dieses obligatorische Recht auch eine Duldungspflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks gemäß § 1004 II BGB begründet. Obligatorische Rechte wirken aufgrund der sich aus § 241 I BGB ergebenden174 Relativität der Schuldverhältnisse nur gegenüber dem jeweiligen Partner des Schuldverhältnisses175, es sei denn, dass eine Norm diesen Grundsatz durch-

172 Schüller, Zwangsvollstreckung in den Nießbrauch, S. 42; Staudinger/Frank § 1059 RdNr. 18 führen dieses Argument zwar nur gegen ein dingliches Ausübungsrecht beim Nießbrauch an, es trifft jedoch auch auf die Grunddienstbarkeit zu. 173 Motive III, S. 526 = Mugdan, Materialien III, S. 293. So auch Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 12. 174 Koppenfels, Die cessio legis, S. 173 f.; Peukert, Güterzuordnung, S. 50. 175 Koppenfels, Die cessio legis, S. 173 f.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 3; Peukert, Güterzuordnung, S. 50; Weller, Vertragstreue, S. 447; Westermann/Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, S. 7 RdNr. 1/17.

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bricht und die Wirkung des obligatorischen Rechts über die Parteien des Schuldverhältnisses hinaus auf einen Dritten erstreckt176. Für die Einwendung des § 1004 II BGB existiert keine Norm, die die Wirkung eines obligatorischen Einwirkungsrechts des Störers über den Partner des Schuldverhältnisses hinaus auf den beeinträchtigten Eigentümer erstreckt. Dem Anspruch aus § 1004 I BGB kann demnach ein obligatorisches Recht nur entgegengehalten werden, wenn der Eigentümer der Sache zugleich Partner des Schuldverhältnisses ist. Im Gegensatz dazu steht § 986 I 1 BGB, der bei § 985 BGB als dem gegenüber § 1004 I BGB spezielleren Anspruch als Einwendung eingreift. Einerseits bildet § 986 I 1 BGB in seiner ersten Alternative die Parallelnorm zu § 1004 II BGB, andererseits geht er in seiner zweiten Alternative über den Regelungsgehalt des § 1004 II BGB hinaus. In seiner ersten Alternative schließt § 986 I 1 BGB den Anspruch aus § 985 BGB beim Bestehen eines Besitzrechts aus177. Dabei begründet er selbst kein Besitzrecht, sondern setzt dessen Existenz ebenso voraus, wie § 1004 II BGB ausweislich seines Wortlauts selbst keine Duldungspflicht des Eigentümers begründet, sondern lediglich bei einer bereits bestehenden vertraglichen oder gesetzlichen Duldungspflicht des Eigentümers dessen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I BGB ausschließt. Insoweit ist § 986 I 1 BGB die Parallelnorm zu § 1004 II BGB. Im Gegensatz zu § 1004 II BGB durchbricht § 986 I 1 BGB in seiner zweiten Alternative den Relativitätsgrundsatz178 und schließt die Vindikation auch bei einem über einen Zwischenmann weitergeleiteten Besitzrecht des Vindikationsgegners aus. Er gibt demjenigen, dem aufgrund eines Schuldverhältnisses ein Recht zum Besitz zusteht, für den Sonderfall des weitergeleiteten Besitzrechts 176 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 3; Westermann/Bydlinski/ Weber, Schuldrecht AT, S. 7 RdNr. 1/18. 177 Ob § 986 BGB eine Einrede darstellt, auf die sich der Vindikationsgegner berufen muss, oder eine Einwendung, deren rechtshindernde Wirkung ipso iure eintritt, ist aufgrund der für eine Einrede typischen Formulierung „kann verweigern“ einerseits und der Paragraphenüberschrift „Einwendungen des Besitzers“ andererseits umstritten. Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 81 sieht eine wesentliche Ursache für den Meinungsstreit in der bei Entstehung des BGB im gemeinen Recht geführten Diskussion über den Einfluss obligatorischer Besitzberechtigungen auf den dinglichen Herausgabeanspruch. Zum Meinungsstand vergleiche nur MüKo/Baldus § 986 RdNr. 58 f.; Gröschler AcP 201 (2001), 48, 51 ff.; Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 1; Raiser, FS Wolff, S. 123, 123 ff. Spricht für die Einrede zwar der Wortlaut des § 986 I 1 BGB („kann verweigern“), überwiegt das systematische Argument zugunsten der Annahme einer Einwendung. § 986 I BGB ist aufgrund der strukturellen Verwandtschaft von § 1004 BGB und § 985 BGB parallel zu § 1004 II BGB und damit als rechtshindernde Einwendung auszulegen (MüKo/Baldus § 986 RdNr. 57; Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 1; Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 82). 178 Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 36.

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die Möglichkeit, dieses Besitzrecht dem Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 BGB auch dann entgegenzuhalten, wenn der Eigentümer nicht Partner des Schuldverhältnisses ist. Insoweit geht § 986 I 1 BGB in seinem Regelungsgehalt über § 1004 II BGB hinaus. Angesichts dessen, dass § 986 I 1 Alt. 2 BGB die Wirkung obligatorischer Rechte, die dem Anspruchsgegner lediglich gegenüber einem Dritten zustehen, auf den vindizierenden Eigentümer erstreckt, gleichzeitig aber eine solche Erweiterung bei dem ansonsten parallel zur Vindikation ausgestalteten negatorischen Anspruch in § 1004 BGB fehlt, liegt der Gedanke einer analogen Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB im Rahmen des § 1004 II BGB nahe179. Eine analoge Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB im Rahmen des § 1004 II BGB hätte zur Folge, dass dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des § 1004 I BGB auch obligatorische Rechte, die lediglich gegenüber einem Dritten bestehen, entgegengehalten werden könnten; sie böte dem Dritten, der gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks ein obligatorisches Recht auf Ausübung der Grunddienstbarkeit hat, die Möglichkeit, dieses Recht unter den Voraussetzungen des § 986 I 1 Alt. 2 BGB analog auch dem Eigentümer des dienenden Grundstücks entgegenzuhalten. (1) Voraussetzungen einer Analogie Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt neben einer planwidrigen Regelungslücke voraus, dass der von der analog angewendeten Norm geregelte Tatbestand bezüglich der für die in der Norm zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen maßgebenden Hinsichten mit dem gesetzlich nicht geregelten Tatbestand vergleichbar ist180.

179 So wird denn auch die analoge Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB bei § 1004 II BGB ohne nähere Begründung allgemein angenommen. Siehe nur OLG Köln NJW 1955, 1072; BGH NJW 1958, 2061, 2062; LG Karlsruhe NJW 1961, 1166, 1167; BGH NJW 1998, 3273; BGH NJW 2007, 146, 147; Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 140; Brehm/Berger, Sachenrecht, S. 113; Derleder NJW 2007, 812, 813; Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, S. 298; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 349. Mit der Frage nach der analogen Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB im Rahmen des § 1004 II BGB ist freilich zugleich die Frage aufgeworfen, ob aus dem Fehlen einer dem § 986 I 1 Alt. 2 BGB im Rahmen des § 1004 II BGB e contrario zu schließen ist, dass die ansonsten parallel ausgestaltenen Ansprüche aus § 985 BGB und § 1004 BGB insoweit unterschiedlich ausgestaltet sind. Darauf, dass „das sog. argumentum e contrario [im Original: ist also] keine eigenständige Argumentationsform, sondern lediglich die Ablehnung einer bestimmten Analogie“ ist, weist Puppe, Juristisches Denken, S. 175 hin. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 169 f. spricht von einem „wissenschaftlichen Schaukelspiel“. 180 Exemplarisch zur Analogie siehe Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 521 ff. RdNr. 889 ff.

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(2) Planwidrige Regelungslücke Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, obwohl nach dem Regelungszusammenhang des Gesetzes eine Regelung dieser Fallgestaltung zu erwarten wäre181. Bei der Beantwortung der Frage, ob das Fehlen einer Norm, nach der der Anspruch aus § 1004 I BGB auch dann ausgeschlossen ist, wenn dem Anspruchsgegner lediglich gegen einen Zwischenmann ein obligatorisches Recht auf Duldung der Beeinträchtigung zusteht, eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes darstellt, hilft ein Blick auf die Erlassgeschichte des § 1004 II BGB. Im Entwurf erster Lesung ist der negatorische Anspruch in § 943182 nur dem Wortlaut, nicht aber der Sache nach anders als in § 1004 I BGB geregelt. § 944183 bestimmt, dass auf die in § 943 geregelten Ansprüche die Vorschriften des § 942 und, wenn der Beklagte behauptet, im Namen eines Dritten gehandelt zu haben, die in § 73 ZPO enthaltenen Vorschriften entsprechende Anwendung finden. § 942 des Entwurfs erster Lesung184 bestimmt, dass der Anspruch auf Herausgabe der Sache ausgeschlossen ist, wenn der Besitzer oder der Inhaber185 auf 181 Bydlinski/Bydlinski, Methodenlehre, S. 81 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 373; Schacke, Juristische Methodik, S. 125. 182 § 943 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Der Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem sein Eigenthum in anderer Art als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung beeinträchtigt wird, soweit die Beeinträchtigung noch fortbesteht, den Anspruch auf Wiederaufhebung derselben; er kann, auch wenn die Beeinträchtigung nicht mehr fortbesteht, die Verurtheilung desjenigen, welcher dieselbe bewirkt hat, zur Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen verlangen, sofern solche nach den Umständen zu besorgen sind.“ (Mugdan, Materialien III, XXXVI). 183 § 944 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Auf die im § 943 bezeichneten Ansprüche finden die Vorschriften des § 942 und, wenn der Beklagte behauptet, im Namen eines Dritten gehandelt zu haben, die im § 73 ZPO enthaltenen Vorschriften entsprechende Anwendung.“ (Mugdan, Materialien III, XXXVI). 184 § 942 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Der Anspruch auf Herausgabe der Sache ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer oder der Inhaber aufgrund eines Rechts an der Sache oder aufgrund einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten.“ (Mugdan, Materialien III, XXXVI). 185 Der Entwurf erster Lesung unterscheidet noch nicht zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Die Rechtsfigur des mittelbaren Besitzes wurde erst durch die zweite Kommission geschaffen (dazu: Picker AcP 188 (1988), 510, 527 ff.; zur Gesetzgebungsgeschichte der Besitzvorschriften im BGB siehe: Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 3 ff.; einen Überblick zur historischen Entwicklung des Besitzes gibt Schenk, Verkehrsauffassung, S. 30 ff.). Im Entwurf erster Lesung findet sich demgegenüber noch die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen Besitz und Inhabung (zu dieser Unterscheidung im gemeinen Recht Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, S. 70 ff.). Der Begriff des Besitzes bezeichnete dabei nach heutiger Terminologie den Eigenbesitzer (Staudinger/Gutzeit Vorbem zu §§ 854 ff. RdNr. 9). Der Begriff der Inhabung entsprach dem gemeinrechtlichen Begriff der Detention. Darunter verstand

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Grund eines Rechts an der Sache oder aufgrund einer ihm gegen den Eigentümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten. Indem § 944 des Entwurfs erster Lesung die entsprechende Anwendung des § 942 erster Lesung auf den negatorischen Anspruch anordnet, wird die in § 943 begonnene Linie konsequent fortgesetzt: So wie in § 943 des Entwurfs erster Lesung der Tatbestand des negatorischen Anspruchs mit den Worten „in anderer Art als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung“ unter Rückgriff auf die Tatbestandsmerkmale der Vindikation bestimmt werden, wird in § 944 die den negatorischen Anspruch ausschließende Einwendung parallel zu der die Vindikation ausschließenden Einwendung des § 942 geregelt, indem dessen entsprechende Anwendung ausdrücklich angeordnet wird. Als sich gegenseitig ergänzende Vorschriften eines einheitlichen Systems zum umfassenden Schutz des Eigentums sind Vindikation und negatorischer Anspruch im Entwurf erster Lesung also als in ihrem „Wesen“ gleichartige Ansprüche186 parallel ausgestaltet, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Tatbestandsmerkmale als auch bezüglich der dem Anspruchsgegner zustehenden Einwendung. Den Gleichlauf von Vindikation und negatorischem Anspruch beschränkt der Entwurf erster Lesung nicht auf das materielle Recht, sondern dehnt ihn auf das Prozessrecht aus, indem § 944 die entsprechende Anwendung des für die Vindikation geltenden § 73 ZPO187 auf den negatorischen Anspruch anordnet und daman die bloße Inhabung der unmittelbaren tatsächlichen Sachgewalt, welche nicht Besitz war (Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, S. 70). Die heutigen Besitzmittler waren nach gemeinem Recht mit Ausnahme des Pfandgläubigers bloße Detentoren (Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, S. 70). Zum römischen Recht mit seiner Unterscheidung in possessio civilis, Interdiktenbesitz und naturalis possessio (gemeinrechtlicher Begriff: Detention) siehe Dedek ZEuP 1997, 342, 343 ff.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 117 ff. (§ 19 RdNr. 8 ff.). 186 Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236. Wird mit dem Argument vom „Wesen“ einer Sache auch eher eine Begründung behauptet als gegeben (Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 82), so zeigt die Verwendung dieses Ausdrucks in den Motiven doch zumindest, dass der Gesetzgeber sich zur parallelen Ausgestaltung der beiden Ansprüche zum Schutz des Eigentums gezwungen sah. 187 § 73 der ZPO in der bis heute unveränderten Fassung vom 30. Januar 1877 lautet: „Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er im Namen eines Dritten zu besitzen behauptet, kann, wenn er diesem vor der Verhandlung zur Hauptsache den Streit verkündet und ihn unter Benennung an den Kläger zur Erklärung ladet, bis zu dieser Erklärung oder bis zum Schlusse des Termins, in welchem sich der Benannte zu erklären hat, die Verhandlung zur Hauptsache verweigern. Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klageantrage zu genügen. Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozess zu übernehmen. Die Zustimmung des Klägers ist nur insoweit erforderlich, als derselbe Ansprüche geltend macht, welche unabhängig davon sind, dass der Beklagte im Namen eines Dritten besitzt. Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch

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mit auch dem Gegner dieses Anspruchs eine sogenannte laudatio auctoris gewährt188. Ebenso wie es demjenigen, der eine Sache im Namen eines anderen zu besitzen behauptet, durch § 73 ZPO in der Fassung vom 30. Januar 1877 ermöglicht wird, den anderen zum Eintritt in den Vindikationsprozess an seiner Stelle zu veranlassen oder aber dem Klageantrag gefahrlos zu genügen, wird auch dem Gegner des negatorischen Anspruchs, der behauptet, im Namen eines Dritten gehandelt zu haben, erlaubt, dem Dritten mit den Rechtsfolgen des § 73 ZPO den Streit zu verkünden. Die Möglichkeit der laudatio auctoris greift also stets in Fällen ein, in denen der Klagegegner unter Berufung auf ein Recht, das nicht ihm, sondern einem Dritten zustehe, dem Eigentümer gegenüber handelt. Durch sie soll erreicht werden, dass über die Rechtmäßigkeit der Eigentumsbeeinträchtigung nur einmal verhandelt wird189. Die im Entwurf erster Lesung gewählte Regelungstechnik, die Einwendung gegen den negatorischen Anspruch unter Verweis auf die entsprechende Einwendung bei der Vindikation und damit parallel zu dieser auszugestalten, wird von der zweiten Kommission noch im BGB-Entwurf nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches“ 190 beibehalten. So bestimmt der zweite Absatz des § 943 des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusammenstellung, dessen erster Absatz191 die Tatbestandsvoraussetzungen des negatorischen Anspruchs enthält: „Die Vorschriften des § 929 II finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass im Falle des Satzes 3 der Eigenthümer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann.“

§ 929 II des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusammenstellung192 entspricht inhaltlich § 986 I BGB: In § 929 II 1 des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusamgegen den Beklagten wirksam und vollstreckbar.“ (Hahn/Mugdan, Reichs-Justizgesetze VIII, S. 552). 188 Dazu Motive III, S. 428 f. = Mugdan, Materialien III, S. 239. 189 Motive III, S. 429 = Mugdan, Materialien III, S. 239. 190 Diese vom Generalreferenten Planck ausgearbeitete Zusammenstellung ist geordnet nach den Paragraphen des BGB jeweils unter „C. II.“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I. 191 § 943 I des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusammenstellung lautet: „Der Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem das Eigenthum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so ist auf Verlangen des Eigenthümers der Thäter zur Unterlassung zu verurtheilen.“ (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 861). 192 § 929 des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusammenstellung lautet: „Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er dem Eigenthümer gegenüber berechtigt ist, die Sache im Besitze zu behalten. Das Gleiche gilt, wenn der Besitzer das Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ableitet und dieser dem Eigenthümer gegenüber berechtigt ist, die Sache im Besitz zu behalten. Ist der mittelbare Besitzer dem

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menstellung ist der Fall des direkten Besitzrechts geregelt, in Satz 2 der Fall des von einem mittelbaren Besitzer weitergeleiteten Besitzrechts. Satz 3, der für den Fall, dass der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber nicht befugt war, den Besitz der Sache dem Dritten zu überlassen, bestimmt, dass der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe an den mittelbaren Besitzer, oder wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen will oder kann, an sich selbst verlangen kann, wird von § 943 des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusammenstellung für die Einwendung gegen den vindikatorischen Anspruch nur insofern für entsprechend anwendbar erklärt, dass der Eigentümer in jedem Fall die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Aufgrund der Anordnung der entsprechenden Anwendung des § 929 II des Entwurfs nach der Vorläufigen Zusammenstellung standen dem Gegner des negatorischen Anspruchs die Einwendungen entsprechend zu, die der Besitzer gegen die Vindikation geltend machen konnte. Dem Eigentümer konnte daher nicht nur ein unmittelbar ihm gegenüber bestehendes dingliches oder obligatorisches Einwirkungsrecht auf die Sache entgegengehalten werden. Vielmehr konnte sich der Störer dem Eigentümer gegenüber auch darauf berufen, ein obligatorisches Recht zur Einwirkung auf die Sache gegenüber einem Zwischenmann zu haben, der seinerseits gegenüber dem Eigentümer ein Recht zur Einwirkung hatte und befugt war, dieses an einen Dritten weiterzuleiten. Hatte ein Dritter ein obligatorisches Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks, so war es gemäß dem Entwurf nach der Vorläufigen Zusammenstellung (§§ 943 i.V. m. 929 II) also grundsätzlich möglich, dieses Recht auch gegen den negatorischen Anspruch des Eigentümers des belasteten Grundstücks einzuwenden. Dies änderte sich im weiteren Verlauf der Gesetzgebungsarbeiten. Die Redaktionskommission der zweiten Kommission193 rückte von der im Entwurf nach der Vorläufigen Zusammenstellung gewählten Technik ab, die Einwendung gegen den negatorischen Anspruch aufgrund dessen Gleichartigkeit zur Vindikation durch Verweis auf diese zu regeln. Sie wählte für die Einwendung gegen den negatorischen Anspruch des Eigentümers in § 1004 II des Entwurfs nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission“ 194 folgende Fassung195:

Eigenthümer gegenüber nicht befugt, den Besitz der Sache dem Dritten zu überlassen, so kann der Eigenthümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer, oder wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen will oder kann, an sich selbst verlangen.“ (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 771). 193 § 10 der Geschäftsordnung der 2. Kommission (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 357 ff.) sah ein Protokoll über die Sitzungen der Redaktionskommission vor. Allerdings sind bisher weder Protokolle der Redaktionskommission aufgefunden worden noch ist bekannt, ob solche tatsächlich geführt worden sind (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 359 Fn. 4).

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„Der Anspruch des Eigenthümers ist ausgeschlossen, wenn der Thäter dem Eigenthümer gegenüber zur Vornahme berechtigt war.“

Diese Fassung unterscheidet sich von der in § 916 des Entwurfs zweiter Lesung gewählten Fassung der Norm, welche in § 1004 II BGB Gesetz geworden ist196, nur insofern, als § 916 des Entwurfs zweiter Lesung bzw. § 1004 II BGB die Berechtigung des Störers vom Blickwinkel des gestörten Eigentümers aus als Duldungspflicht formuliert. Mit dem Verzicht auf den Verweis auf die entsprechende Einwendung gegen die Vindikation wählte die Redaktionskommission in § 1004 II des Entwurfs nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission“ erstmals eine Fassung, nach deren Wortlaut die Einwendung gegen den negatorischen Anspruch eigenständig und ohne Rückgriff auf die entsprechende Einwendung gegen die Vindikation bestimmt wird. Ein Rückgriff auf die entsprechende Regelung bei der Vindikation ist nach dieser Fassung nur im Rahmen der teleologischen Auslegung und nur insoweit zulässig, wie der Wortlaut der Norm nicht überschritten wird. Nach dem Wortlaut des § 1004 II ist der negatorische Anspruch nur ausgeschlossen, wenn der Anspruchsgegner gegenüber dem Eigentümer zur Vornahme berechtigt war, ihm also ein direktes Recht auf Vornahme gegenüber dem Eigentümer zusteht. Die Möglichkeit, ein lediglich von einem Zwischenmann weitergeleitetes obligatorisches Recht auf Einwirkung dem Eigentümer entgegenzuhalten, scheidet nach dem klaren Wortlaut der Norm im Zusammenspiel mit dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse aus. Damit änderte die Redaktionskommission die Norm, welche die Einwendung gegen den negatorischen Anspruch enthält, gegenüber der Vorgängernorm § 943 II des Entwurfs nach der vorläufigen Zusammenstellung nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich. Die dem Gegner des negatorischen Anspruchs zustehenden Einwendungen wurden um die Einwendung eines lediglich von einem Zwischenmann weitergeleiteten Rechts zur Einwirkung auf die Sache geschmälert. Es liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass mit dieser Änderung des Wortlautes die Norm auch inhaltlich dahingehend geändert werden sollte, dass die Möglichkeit, gegen den negatorischen Anspruch des Eigentümers auch weitergeleitete obligatorische Rechte einzuwenden, nicht mehr möglich sein sollte. Vielmehr spricht einiges dafür, dass es sich bei der mit der sprachlichen Änderung einhergehenden inhaltlichen Änderung der Norm um ein bloßes Versehen der Redaktionskommission handelt.

194 Der BGB-Entwurf nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der RedaktionsKommission“ ist geordnet nach den Paragraphen des BGB jeweils unter „C.2.III.“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I. 195 Abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 862. 196 Siehe Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 862.

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Der Redaktionskommission der zweiten Kommission war zwar ein größerer Spielraum eingeräumt, als dem Redaktionsausschuss der ersten Kommission zugestanden hatte, da es nicht Aufgabe der Hauptkommission der zweiten Kommission war, sich mit Fragen des Systems und der sprachlichen Fassung der Beschlüsse zu beschäftigten197. Die Befugnisse der Redaktionskommission dürften aber nicht so weit gereicht haben, dass sie die sich in der Verweisung des § 943 II des Entwurfs der Vorläufigen Zusammenstellung manifestierende grundsätzliche Entscheidung der Hauptkommission, den negatorischen Anspruch entsprechend der Vindikation zu regeln, teilweise wieder aufgeben konnte. Inhaltliche Änderungen waren der Hauptkommission vorbehalten. So musste gemäß § 14 S. 1 der Geschäftsordnung der zweiten Kommission198 der von der Redaktionskommission festgestellte Entwurf der Hauptkommission zur Genehmigung vorgelegt werden. Dass dabei die Wiederaufnahme der sachlichen Beratungen durch die Hauptkommission nach § 14 S. 2 der Geschäftsordnung nur aufgrund eines besonderen Kommissionsbeschlusses vorgesehen war, verdeutlicht, dass die Kommission die inhaltlichen Arbeiten am Gesetzbuch bereits im Stadium des BGB-Entwurfs nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches“ als abgeschlossen betrachtete. Aufgabe der Redaktionskommission waren nicht Änderungen an der inhaltlichen, sondern nur an der äußeren Form des Entwurfs. Dafür, dass es sich bei der inhaltlichen Änderung der Einwendung gegen den negatorischen Anspruch um ein bloßes Versehen der Redaktionskommission gehandelt haben muss, spricht zudem die Schaffung des § 73a ZPO alter Fassung bzw. § 77 ZPO n. F.199. Diese Norm erklärt § 73 ZPO in der Fassung vom 30. Januar 1877 für entsprechend anwendbar und enthält damit den Verweis, der im Entwurf erster Lesung in § 944 enthalten war200. Die zweite Kommission hatte sich entschieden, den Verweis auf den das Prozessrecht betreffenden § 73 ZPO aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch heraus- und stattdessen in die ZPO aufzunehmen201. Der Verweis auf § 73 ZPO in der Fassung vom 30. Januar 1877 eröffnet dem Gegner des negatorischen Anspruchs, der behauptet, die Beeinträchtigung in Ausübung des Rechts eines Dritten vorgenommen zu haben, sich also auf ein von 197

Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 359. Abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 359. 199 § 77 ZPO in der Fassung vom 20. Mai 1898, die bis heute unverändert ist, lautet: „Ist von dem Eigenthümer einer Sache oder von demjenigen, dem ein Recht an einer Sache zusteht, wegen einer Beeinträchtigung des Eigenthums oder seines Rechts Klage auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen erhoben, so finden die Vorschriften des § 76 entsprechende Anwendung, sofern der Beklagte die Beeinträchtigung in Ausübung des Rechts eines Dritten vorgenommen zu haben behauptet.“ (Hahn/Mugdan, Reichs-Justizgesetze VIII, S. 553). 200 Siehe dazu S. 136 f. 201 Protokolle III, S. 4048 = Mugdan, Materialien III, S. 697. 198

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einem Zwischenmann abgeleitetes Einwirkungsrecht auf die Sache beruft, die prozessuale Möglichkeit, diesem Zwischenmann mit den Rechtsfolgen des § 73 ZPO den Streit zu verkünden. War und ist – und damit handelt es sich hierbei zugleich um ein systematisches Argument für das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes – bis heute prozessual der Fall geregelt, dass ein Dritter sich im Rahmen der Einwendung gegen den negatorischen Anspruch des Eigentümers auf ein obligatorisches Recht gegenüber einem Zwischenmann beruft, so kann es nur auf einem gesetzgeberischen der Gesetzessystematik zugleich widersprechendem Versehen beruhen, dass das materielle Recht die Möglichkeit der Einwendung eines lediglich abgeleiteten Rechts gar nicht vorsieht. Denn welchen Sinn gäbe die prozessrechtliche Regelung einer Situation, die materiell-rechtlich gar nicht eintreten kann? Warum hätte sich die Redaktionskommission – die Entscheidung der zweiten Kommission für die Verlagerung des Verweises auf § 73 ZPO (§ 76 ZPO n. F.) in das Prozessrecht202 vor Augen – mit einer Entscheidung gegen Möglichkeit der Einwendung abgeleiteter Einwirkungsrechte bewusst in Widerspruch zu der prozessrechtlichen Regelung setzen sollen? Zudem steht das Fehlen der Möglichkeit, dem negatorischen Anspruch des Eigentümers ein von einem Zwischenmann abgeleitetes Recht zur Einwirkung auf die Sache als Einwendung entgegenhalten zu können, im Widerspruch dazu, dass dem spezielleren vindikatorischen Anspruch ein von einem Dritten abgeleitetes Recht zum Besitz der Sache als Einwendung entgegenhalten werden kann. Schließlich handelt es sich bei Vindikation und negatorischem Anspruch um zwei sich gegenseitig ergänzende Ansprüche eines einheitlichen Systems zum Schutz des Eigentums. Nach alledem handelt es sich dabei, dass es nach der Gesetz gewordenen Fassung der Einwendung gegen den negatorischen Anspruch des Eigentümers nicht möglich ist, dem Eigentümer ein lediglich weitergeleitetes Einwirkungsrecht auf die Sache entgegen zu halten, um eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. (3) Vergleichbarkeit Liegt damit für den Fall, dass dem Gegner des Anspruchs aus § 1004 I BGB lediglich ein obligatorisches Recht zur Einwirkung auf die Sache gegenüber einem Zwischenmann zusteht, eine planwidrige Regelungslücke vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die entsprechende Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB diese Lücke zu schließen vermag. Dies setzt voraus, dass der Fall, dass einem Dritten, gegen den der Anspruch aus § 1004 I BGB erhoben wird, ein ob202 Protokolle III, S. 4048 = Mugdan, Materialien III, S. 697; Begründung der Novelle zur ZPO, S. 87 (§ 73 a) = Hahn/Mugdan, Reichs-Justizgesetze VIII, S. 86.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

ligatorisches Recht zur entsprechenden Einwirkung gegenüber einem Zwischenmann zusteht, mit dem von § 986 I 1 Alt. 2 BGB geregelten Fall, dass der Vindikationsgegner ein von einem Zwischenmann weitergeleitetes Besitzrecht hat, in den Hinsichten vergleichbar ist, die für die in § 986 I 1 Alt. 2 BGB zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen maßgeblich sind. In einem ersten Schritt gilt es daher offenzulegen, auf welchen gesetzlichen Wertungen § 986 I 1 Alt. 2 BGB basiert, um in einem zweiten Schritt positiv feststellen zu können, ob die beiden Fälle sich in den für die in § 986 I 1 Alt. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Wertungen maßgeblichen Hinsichten gleichen203. § 986 I 1 Alt. 2 BGB schließt den Anspruch des Eigentümers gemäß § 985 BGB aus, wenn der mittelbare Besitzer, von dem der in Anspruch genommene unmittelbare Besitzer sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Zudem muss e contrario zu S. 2204 der mittelbare Besitzer zur Überlassung des Besitzes an den Vindikationsgegner befugt sein. Die Regelung der zweiten Alternative in § 986 I 1 BGB, die auch dem Inhaber eines weitergeleiteten obligatorischen Rechts zum Besitz eine rechtsvernichtende Einwendung gibt, knüpft an die in der ersten Alternative umgesetzte grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers an, nicht nur dinglichen, sondern auch obligatorischen Besitzrechten eine die Vindikation ausschließende Wirkung einzuräumen. Die grundsätzliche Frage, ob auch eine lediglich schuldrechtliche Verpflichtung des Eigentümers, dem Vindikationsgegner den Besitz an seiner Sache zu gewähren, seinem dinglichem Herausgabeanspruch entgegengehalten werden kann, galt bei Entstehung des BGB als nicht geklärt205. Zwar erhoben sich nur vereinzelte Stimmen206, die eine Einschränkung des dinglichen Anspruchs durch obligatorische Rechte des Beklagten von vorne203 Zu diesem Vorgehen Larenz, Methodenlehre, S. 381 f. Da die Frage nach der Unvollständigkeit des Gesetzes und der Vergleichbarkeit des gesetzlich nicht geregelten Falls mit dem gesetzlich geregelten Fall ineinander übergehen, hätten sich die anschließenden Überlegungen ebenso gut bereits bei der Frage nach dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke anstellen lassen. 204 Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 37. 205 So Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 81. 206 Soweit ersichtlich nur Ziebarth, Realexecution und Obligation, S. 49 ff. (dagegen Degenkolb KritV 9 (1867), 191, 221 ff.) mit der in den Motiven III, S. 421 = Mugdan, Materialien III, S. 235 wiedergegebenen Begründung, dass der dinglich Berechtigte die Herstellung des dem Inhalt seines Rechts entsprechenden Zustandes durchsetzen könne, wohingegen der bloß obligatorisch Berechtigte kein Recht auf Naturalerfüllung habe und dem Verpflichteten die Freiheit lassen müsse, nicht in Natur zu erfüllen, sondern statt dessen Schadensersatz zu leisten; dem obligatorisch Berechtigten stehe vielmehr ein eigenes „relativ dingliches Recht von eigenthümlicher Beschaffenheit“ zu (Ziebarth, Realexecution und Obligation, S. 183 ff.). Gegen diese Auffassung spricht bereits, dass ein obligatorisches Recht dem Schuldner gerade nicht die Wahl lässt, ob er erfüllen oder Schadensersatz leisten will (so Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I, S. 947; Motive III, S. 421 = Mugdan, Materialien III, S. 235).

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herein ablehnten, gegen die überwiegende Mehrheit der gemeinrechtlichen Literatur, die eine Einschränkung des dinglichen Anspruchs durch obligatorische Rechte für möglich hielt207. Auch enthielten mehrere Partikularrechte Regelungen, nach denen dem Herausgabeanspruch des Eigentümers auch ein obligatorisches Recht zum Besitz entgegengehalten werden konnte208. Dass man jedoch dem Streit trotz des geringen quantitativen Gewichts der Gegenstimmen eine nicht unerhebliche Bedeutung beimaß, zeigt die sowohl in der Begründung des Vorentwurfs Johows209 als auch in den Motiven210 enthaltene Begründung für die Aufnahme einer solchen Regelung ins Gesetz. Der Streit über die Möglichkeit des Einflusses obligatorischer Rechte auf dingliche Ansprüche hatte seine Wurzeln vermutlich211 im römischen Legisaktionenverfahren, welches durch das Prinzip „ein Prozess, eine Frage“ 212 beherrscht war213. So führte die der Eigentumsverfolgung dienende legis actio sacramento in rem zur bloßen Feststellung, welche der beiden jeweils das Eigentum für sich beanspruchenden Parteien tatsächlich Eigentümer der Sache war214. Die Frage, ob der Beklagte gegenüber dem Eigentümer einen Anspruch auf Gewährung des Besitzes hatte, spielte dabei sachlogisch keine Rolle215. So konnte beispielsweise der Mieter die Rückholung der vermieteten Sache durch den vermietenden Eigentümer vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit nicht verhindern. Ihm stand lediglich ein Schadensersatzanspruch aus der actio conducti gegen den Vermieter zu, wenn dieser wider die bona fides gehandelt hatte216. Im Gegensatz dazu betrachtet das BGB die Rechte zweier Personen nicht isoliert voneinander, sondern berücksichtigt bei der Frage, ob der einen Person gegen die andere ein Anspruch zusteht, auch deren Gegenrechte, so zum Beispiel im Rahmen der rechtsvernichtenden Einwendung der Aufrechnung gemäß § 387 BGB. Dennoch erscheint es vor dem Hintergrund des im BGB vorherrschenden Trennungsprinzips nicht als selbstverständlich, einem schuldrechtlichen An207 Degenkolb, KritV 9 (1867), 191, 221 ff.; Keller, Pandekten § 93 (S. 184 f.); Windscheid, Pandekten I (1873), S. 557 Fn. 2. 208 Siehe dazu Johow, Sachenrecht I, S. 946 f.; Motive III, S. 422 = Mugdan, Materialien III, S. 235. 209 Johow, Sachenrecht I, S. 947. 210 Motive III, S. 421 = Mugdan, Materialien III, S. 235. 211 Diesen Grund deutet Degenkolb KritV 9 (1867), 191, 229 an. 212 Jhering, Geist des römischen Rechts III/1, S. 23. 213 Zum Hergang der legis actio secramento in rem: Kaser/Knütel, Privatrecht, S. 156 f. (§ 27 RdNr. 3 ff.). 214 Kaser/Knütel, Privatrecht, S. 156 (§ 27 RdNr. 2). 215 Siber, Passivlegitimation, S. 5; Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 81. 216 Kaser, Eigentum und Besitz, S. 12 (§ 3 Fn. 51); Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 81.

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spruch unmittelbare, anspruchsausschließende Wirkung auf dinglicher Ebene zuzusprechen217. So lebt der bei Entstehung des BGB offen ausgetragene Streit über die Einwirkungsmöglichkeit obligatorischer Rechte auf den dinglichen Herausgabeanspruch in veränderter Form bis heute fort. Angesichts der positiven Regelung in § 986 I BGB bestreitet zwar freilich niemand die Auswirkungen obligatorischer Besitzrechte auf die Vindikation. Die sich daraus vor dem Hintergrund der Anerkennung des § 986 I BGB als rechtsvernichtende Einwendung ergebende Konsequenz, dass auch obligatorische Rechte den dinglichen Herausgabeanspruch ausschließen können, umgeht jedoch eine Ansicht218, indem sie das obligatorische „Recht zum Besitz“ i. S. d. § 986 I BGB als ein gegenüber der schuldrechtlichen Verpflichtung des Eigentümers verselbständigtes subjektives Recht ansieht, das eine Zwitterstellung zwischen Sachenrecht und Schuldrecht einnehme219. Dieses verselbständigte obligatorische Recht zum Besitz sei einerseits wie ein beschränktes dingliches Recht konstruiert, das für die Dauer seines Bestehens die umfassende Herrschaftsmacht des Eigentümers um die Besitzbefugnis mindere220. Andererseits sei seine Wirksamkeit auf das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer begrenzt221. Hinter dieser – ohne jegliche praktische Auswirkung bleibenden – Konstruktion des Rechts zum Besitz als ein gegenüber der schuldrechtlichen Verpflichtung des Eigentümers verselbständigtes sogenanntes relatives Herrschaftsrecht222 verbirgt sich letztlich nichts anderes als die Ablehnung der vindikationsausschließenden Wirkung obligatorischer Rechte. Lehnt man nämlich die vindikationsausschließende Wirkung schuldrechtlicher Ansprüche des Besitzers gegen den Eigentümer ab, ist man aufgrund der Tatsache, dass § 986 I BGB die obligato-

217

So zutreffend Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 100. Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 87 ff.; Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 205 f.; Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 1. Die Diskussion über die Konstruktion des obligatorischen „Rechts zum Besitz“ (siehe Scherk JherJb 1917, 301 ff.; guter Überblick bei Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 85 ff.) weist Parallelen auf zu der Frage, wie die „Ausübungsberechtigung“ Dritter bei der Grunddienstbarkeit zu konstruieren ist. Hier wie dort gibt es den Ansatz, das Recht zur Ausübung eines dinglichen Rechts durch den obligatorisch Berechtigten als ein von dem dinglichen Recht zu trennendes eigenständiges Recht zu begreifen, das auf den Dritten übertragen wird. Die parallel gelagerte Problematik der Überlassung der Ausübung einzelner aus dem dinglichen Recht fließender Befugnisse an einen Dritten bei Eigentum und Grunddienstbarkeit spricht freilich für die gleiche rechtstechnische Konstruktion in beiden Fällen. 219 Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 95. 220 Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 92. Die weit verbreitete Auffassung, dass beschränkte dingliche Rechte die umfassende Herrschaftsmacht des Eigentümers für die Dauer ihres Bestehens mindern, ist bereits an anderer Stelle widerlegt worden; siehe oben S. 55 ff. 221 Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 93. 222 Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 95; Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 1. 218

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rischen Besitzrechte von der vindikationsausschließenden Wirkung nicht ausnimmt, gezwungen, das Recht zum Besitz gegenüber dem Schuldverhältnis zu verselbständigen und diesem Recht eine die Herrschaftsmacht des Eigentümers einschränkende, dingliche Wirkung beizumessen223. Die Entscheidung des Gesetzgebers, auch demjenigen eine rechtsausschließende Einwendung gegen den Anspruch aus § 985 BGB zu gewähren, dem ein lediglich obligatorisches Recht gegen den Eigentümer zusteht, wird nur verständlich, wenn man sich die Funktion, die § 985 BGB innerhalb des BGB wahrnimmt, vergegenwärtigt. Der dingliche Anspruch des § 985 BGB hat ebenso wie § 1004 I BGB die Aufgabe, den tatsächlichen Zustand wieder herzustellen, der der rechtlichen Güterzuordnung entspricht. Eine Sache ist ihrem Eigentümer rechtlich unabhängig davon zugeordnet, ob dem Besitzer gegen den Eigentümer ein schuldrechtlicher Anspruch auf den Besitz der Sache, genauer auf Ausübung des Rechts zum Besitz als Teil der dem Eigentümer zustehenden Rechte, zusteht. Steht dem Besitzer jedoch ein solch schuldrechtlicher Anspruch auf den Besitz der Sache zu, so stimmt die tatsächliche Lage mit derjenigen überein, auf die der Vindikationsgegner einen schuldrechtlichen Anspruch hat und die – zumindest bei vertraglichen Schuldverhältnissen – dem Willen des Eigentümers entspricht: Der Vindikationsgegner ist im Besitz der Sache224. Würde der Eigentümer in diesem Fall seinen dinglichen Herausgabeanspruch geltend machen, so müsste er die Sache aufgrund seiner schuldrechtlichen Verpflichtung zur Besitzüberlassung umgehend wieder an den Besitzer herausgeben225. Daher entschied sich der Gesetzgeber226, gemäß § 986 I BGB den dinglichen Anspruch auch dann auszuschließen, wenn der tatsächliche Zustand zwar nicht der sachenrechtlichen Zuordnung entspricht, er aber insofern mit der Rechtslage in Einklang steht, als der Eigentümer schuldrechtlich zur Duldung dieses Zustandes verpflichtet ist. § 986 BGB verwirklicht das Sachenrecht als Zuordnungsrecht mithin nur dann, wenn der wiederherzustellende Zustand mit der Rechtsordnung insgesamt in Einklang steht, der Eigentümer also dem Besitzer auch nicht obligatorisch zur Überlassung des Besitzes verpflichtet ist.

223 Ein anderer Grund, das obligatorische „Recht zum Besitz“ gemäß § 986 I BGB als gegenüber der schuldrechtlichen Verpflichtung des Eigentümers verselbstandiges subjetives Recht des Besitzers anzusehen, als auf diese Weise trotz der Regelung des § 986 I BGB die vindikationsausschließende Wirkung obligatorischer Rechte ablehnen zu können, ist nicht ersichtlich. 224 Windscheid, Pandekten I (1873), S. 557 Fn. 2; auf diese Argumentation griff Johow, Sachenrecht I, S. 947 f. zurück. 225 Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 100. 226 Johow, Sachenrecht I, S. 947 f. Auf Johows Begründung wird in den Motiven nicht mehr eingegangen; aufgrund der inhaltlich gleichen Regelung werden der Entscheidung der ersten Kommission wohl die gleichen Überlegungen zugrunde gelegen haben.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

§ 986 I 1 BGB liegt die Wertentscheidung des Gesetzgebers zugrunde, auch obligatorischen Besitzrechten vindikationsausschließende Wirkung beizumessen. Dabei ist das obligatorische Recht zum Besitz kein gegenüber dem schuldrechtlichen Anspruch auf Besitzeinräumung und/oder Besitzüberlassung verselbständigtes Recht mit dinglichen Eigenschaften, sondern nichts anderes als der schuldrechtliche Anspruch des Besitzers gegen den Eigentümer auf die Ausübung eines dem Eigentümer der Sache von der Rechtsordnung zugewiesenen Rechts, nämlich dem Recht zum Besitz an der Sache227. Die in § 986 I 1 Alt. 1 BGB umgesetzte Wertentscheidung, den Anspruch aus § 985 BGB auszuschließen, wenn die tatsächliche Besitzlage der materiellen Rechtslage entspricht, und sei es nur aufgrund eines lediglich obligatorischen Besitzrechtes, wird in § 986 I 1 Alt. 2 BGB konsequent fortgeführt, indem auch einem lediglich von einem Zwischenmann abgeleiteten Besitzrecht vindikationsausschließende Wirkung beigemessen wird. Auch in dem Fall, dass der Vindikationsgegner einem Dritten gegenüber zum Besitz berechtigt ist228, der seinerseits dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist und darüber hinaus zur Überlassung des Besitzes an den Vindikationsgegner befugt war, entspricht die tatsächliche Besitzlage der materiellen Rechtslage229, so dass es keiner Korrektur der tatsächlichen Besitzlage bedarf 230. Eben diesen Fall erfasst der seinem Wortlaut nach zu enge und daher um das Erfordernis des mittelbaren Besitzes des Zwischenmanns teleologisch zu reduzierende231 § 986 I 1 Alt. 2 BGB. Der in § 986 I 1 Alt. 2 BGB geregelte Fall des Vindikationsausschlusses aufgrund eines weitergeleiteten Besitzrechts ist insofern mit dem vom Gesetz nicht geregelten Fall, dass dem Gegner des mit § 985 BGB verwandten Anspruchs aus § 1004 I BGB ein von einem Dritten weitergeleitetes Einwirkungsrecht zusteht, vergleichbar, als in beiden Fällen der tatsächliche Zustand zwar nicht der rechtlichen Güterzuordnung, aber doch der materiellen Rechtslage insgesamt entspricht. Es bestehen keine Unterschiede, die es rechtfertigten, im Fall des gegenüber § 1004 BGB spezielleren § 985 BGB die rechtliche Güterzuordnung nur dann zu verwirklichen, wenn der tatsächliche Zustand der materiellen Rechtslage insgesamt widerspricht, im Fall des § 1004 BGB die sachenrechtliche Güterzuordnung hingegen ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage durchzusetzen. 227

Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 103. Da die tatsächliche Rechtslage nur dann der materiellen Rechtslage entspricht, wenn das Rechtverhältnis zwischen dem Anspruchsgegner und dem Zwischenmann wirksam ist, reicht ein Besitzmittlungsverhältnis auf unwirksamer Vertragsgrundlage nicht aus. Dies ist streitig; siehe für einen Überblick über den Meinungsstand Firsching AcP 162 (1963), 440, 451; Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 38; zur entsprechenden Anwendung des § 986 I 2 BGB in diesem Fall Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 38. 229 Wolff, FG Koch, S. 150, 163. 230 MüKo/Baldus § 986 RdNr. 36; Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 37. 231 Staudinger/Gursky § 986 RdNr. 37. 228

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(4) Ergebnis Dem Gegner des Anspruchs aus § 1004 I BGB ist in analoger Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB eine rechtsvernichtende Einwendung zu geben, wenn er dem Eigentümer gegenüber zwar kein unmittelbares Recht zur beeinträchtigenden Einwirkung hat, er jedoch ein obligatorisches Recht zu der fraglichen Einwirkung auf die Sache gegenüber einem Zwischenmann hat, der wiederum dem Eigentümer gegenüber zu dieser Einwirkung und auch zur Weiterleitung der Einwirkungsbefugnis berechtigt ist232. Die analoge Anwendbarkeit des § 986 I 1 Alt. 2 BGB gegen den Anspruch aus § 1004 I BGB bedeutet für den Dritten, dem die Ausübung der Grunddienstbarkeit von dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks obligatorisch überlassen wurde, Folgendes: In analoger Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB steht dem Dritten eine rechtshindernde Einwendung gegen den Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks aus § 1004 I BGB zu, wenn erstens die fragliche Einwirkung auf das belastete Grundstück zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört, der Eigentümer des herrschenden Grundstücks also als Zwischenmann ein Recht zu der Einwirkung auf das dienende Grundstücks hat, zweitens das Recht zur Einwirkung nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit dem Dritten zur Ausübung überlassen werden durfte und drittens der Dritte dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber obligatorisch berechtigt ist, die fragliche Einwirkung vorzunehmen. Ob die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt sind, ergibt eine Auslegung des Inhalts der Grunddienstbarkeit. Aus der Auslegung des zwischen dem Dritten und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks bestehenden Schuldverhältnisses folgt, ob der Dritte letzterem gegenüber berechtigt ist, gerade die fragliche, sich aus der Grunddienstbarkeit ergebende Einwirkungsbefugnis auszuüben. ff) Zusammenfassung Dritte, denen kein beschränktes dingliches Nutzungsrecht am herrschenden Grundstück zusteht, können sich im Rahmen des § 1004 II BGB auf das Bestehen einer Grunddienstbarkeit berufen, wenn ihnen gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks ein obligatorischer Anspruch auf Ausübung aller aus der Grunddienstbarkeit folgenden Rechte oder zumindest auf Ausübung des Rechts auf die fragliche Einwirkung zusteht. Dazu muss jedoch zusätzlich dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein Recht auf die fragliche Einwirkung zustehen und er des Weiteren befugt sein, die Ausübung dieses aus der Grunddienstbarkeit folgenden Rechts dem 232 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 200; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 349, dieser mit der falschen Annahme, dass der Dritte, von dem die Duldungspflicht abgeleitet wird, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz (und nicht zur entsprechenden Einwirkung auf die Sache) berechtigt sein muss.

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Dritten zu überlassen. In einem solchen Fall kann der Dritte analog § 986 I 1 Alt. 2 BGB sein obligatorisches Recht auf Ausübung der Grunddienstbarkeit dem Anspruch des Eigentümers aus § 1004 I BGB entgegenhalten. II. Schadensersatzanspruch, § 823 BGB Der Eigentümer hat gegen jeden, der vorsätzlich oder fahrlässig sein Eigentum verletzt, gemäß § 823 I BGB einen Anspruch auf Ersatz des daraus entstandenen Schadens, es sei denn, dass die Verletzung im Einklang mit der Rechtsordnung steht und er sie deswegen als rechtmäßig hinnehmen muss. Hat der Anspruchsgegner im Einklang mit der Rechtsordnung gehandelt, ist der Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB wegen Verletzung des Eigentums ebenso ausgeschlossen, wie gemäß § 1004 II BGB der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I BGB233. Denn jede Eigentumsverletzung i. S. d. § 823 I BGB stellt zugleich eine Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I BGB dar234, wobei freilich die Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I BGB nur so lange andauert wie die Einwirkungshandlung selbst, weil der Anspruchsgegner nur während dieser Zeitspanne auf die fremde Sache einwirkt und damit seinen eigenen Rechtskreis überschreitet235. Während mit dem Anspruch des § 1004 I BGB die Aufgabe der schädigenden Einwirkung für die Zukunft verlangt werden kann, ist § 823 I BGB auf die Rückgängigmachung bzw. den Ausgleich der der Einwirkungsfolgen gerichtet236. § 823 I BGB und § 1004 I BGB korrespondieren also insofern miteinander, als ein Anspruch gemäß § 823 I BGB, der auf die Rückgängigmachung bzw. den Ausgleich der Verletzungsfolgen gerichtet ist, davon abhängig ist, dass der Eigentümer das diese Folgen herbeiführende Verhalten mit einer auf § 1004 I BGB gestützten Abwehrklage hätte verhindern können. Ist das Grundstück des Eigentümers mit einer Grunddienstbarkeit belastet, die die fragliche Verletzung des Eigentums gestattet, so handelt auch derjenige im Einklang mit der Rechtsordnung, der zwar nicht Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist, der aber entweder dinglich nutzungsberechtigt an dem herrschenden Grundstück ist oder dem gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks ein Anspruch auf Ausübung gerade dieses aus der Grunddienstbarkeit folgenden (Verletzungs-)Rechts zusteht, sofern dieser nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit zur Überlassung der Ausübung befugt war. Deswegen scheidet nicht nur der Abwehranspruch des § 1004 I BGB gemäß § 1004 II BGB bzw. § 986 I 1 Alt. 2 BGB analog aus, sondern es ist auch der Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB mangels Rechtswidrigkeit der Verletzung zu verneinen. 233 234 235 236

Palandt/Sprau § 823 RdNr. 23. Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 20. Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 20. Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 20.

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III. Anspruch wegen Besitzstörung, § 862 BGB Ist der Eigentümer des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks zugleich Besitzer, so steht ihm, wenn er durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört wird, gemäß § 862 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der Störung (S. 1) und auf Unterlassung weiterer Störungen (S. 2) zu. Der Anspruchsgegner kann gegen den Anspruch gemäß § 863 BGB anders als gegen den Anspruch gemäß § 1004 I BGB nicht einwenden, dass ihm die Ausübung der Grunddienstbarkeit von dem dazu berechtigten Eigentümer des herrschenden Grundstücks überlassen worden sei. Ihm steht, ebenso wie dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks selbst, allenfalls die prozessuale Möglichkeit der Widerklage offen237.

B. Ansprüche des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks Übt nicht der Eigentümer des herrschenden Grundstücks selbst, sondern ein Dritter die Grunddienstbarkeit aus, stellt sich die Frage, inwieweit der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks für das Verhalten des Dritten einzustehen hat. Kann beispielsweise der Eigentümer eines mit einem Wegerecht belasteten Grundstücks, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dieses vermietet hat und der Mieter den Weg über das belastete Grundstück in einer vom Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht gedeckten Art und Weise benutzt, neben dem Mieter auch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder Schadensersatz in Anspruch nehmen? I. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 I BGB Unter welchen Voraussetzungen jemand für das eigentumsbeeinträchtigende Verhalten eines Dritten gemäß § 1004 I BGB als „Störer“ in Anspruch genommen werden kann, wird in Rechtsprechung und Literatur vor allem anhand des in der Praxis relevanten Falls der von einem Mieter ausgehenden Eigentumsbeeinträchtigung diskutiert238. In diesem Fall soll nach Meinung der Rechtspre237

Siehe dazu S. 104 f. Zur Problematik des Vermieters als Störer bei § 1004 I BGB siehe Gruber JR 2000, 485 ff.; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 122 f.; Lutter/Overrath JZ 1968, 345 ff. Weitere Fallgruppen, bei denen das Problem der negatorischen Verantwortlichkeit für das eigentumsbeeinträchtigende Verhalten Dritter in der Praxis relevant wird, sind die negatorische Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für das Verhalten seiner weisungsgebundenen Arbeitnehmer (Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 125; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 153 ff.; Pleyer AcP 161 (1962), 500 ff.), die des Werkbestellers für das Verhalten des Werkunternehmers (RGZ 97, 290, 293; RGZ 167, 14, 28; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 126 f.) und die des Unternehmers für das Verhalten seiner Kunden, Lieferanten und sonstigen Besucher (Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 128 ff.; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 154 f.). 238

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

chung239 und der überwiegenden Ansicht in der Literatur240 nicht nur der Mieter, sondern auch der vermietende Eigentümer (mittelbarer) Störer sein, wenn er dem Mieter den störenden Benutzungsumfang ausdrücklich gestattet hat oder es unterlässt, den Mieter von dem fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch der Mietsache abzuhalten. Ist dem Vermieter die Störungsbeseitigung aufgrund etwaiger vertraglicher Rechte des Mieters unmöglich, soll dies nicht die Störereigenschaft des Vermieters ausschließen, sondern lediglich den Inhalt des Anspruchs beeinflussen241; soweit dem Vermieter die Beseitigung der Störung unmöglich ist, soll der Anspruch aus § 1004 I BGB nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur ausgeschlossen sein242. Den Vermieter allein deshalb als Störer anzusehen, weil er gegen die von seinem Mieter ausgehenden Störungen nicht einschreitet, hält ein Teil der Literatur mit der Begründung für falsch, dass das BGB niemals aufgrund der bloßen Möglichkeit zum Einschreiten eine Pflicht zum Einschreiten vorsehe243. Der Rechtsprechung sei nur insoweit beizupflichten, als der Vermieter dann als Störer anzusehen sei, wenn er dem Mieter den störenden Benutzungsumfang ausdrücklich gestattet hat244. Unabhängig von einzelnen Fallgruppen wie der der Störereigenschaft des Vermieters ist die Störereigenschaft bei § 1004 I BGB grundsätzlich parallel zu der Anspruchsgegnerschaft bei § 985 BGB zu bestimmen. Schließlich dienen beide Ansprüche einem einheitlichen Schutz des Eigentums und sind daher, etwa durch die Bezugnahme in § 1004 I BGB auf § 985 BGB, parallel ausgestaltet. Sowohl bei § 985 BGB als auch bei § 1004 I BGB nimmt der Anspruchsgegner faktisch eine Rechtsposition für sich in Anspruch, die nach der Eigentumsordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer zusteht. In beiden Fällen steht er der ungehinderten Ausübung des Eigentums im Weg. Ob und unter welchen Voraussetzungen

239 RGZ 47, 162, 164; BGH NJW 1985 2823, 2824; BayObLG NJW-RR 1987, 463, 464; BGH NJW 2000, 2901, 2902. 240 MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 176; Palandt/Bassenge § 1004 RdNr. 18; Bamberger/ Roth/Fritzsche § 1004 RdNr. 17, 26; NK-BGB/Keukenschrijver § 1004 RdNr. 51. Noch weiter Lutter/Overrath JZ 1968, 345 ff., laut denen der Vermieter gemäß § 1004 BGB in Anspruch genommen werden kann, wenn er die störenden Handlungen des Mieters durch eigenes sorgfaltswidriges Verhalten ermöglicht hat, welches auch in einer nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maße erfolgten Überwachung des Mieters bestehen kann. Dagegen spricht bereits, dass die Haftung aus § 1004 BGB nicht an ein irgendwie pflichtwidriges Verhalten des Anspruchsgegners anknüpft. 241 BGH NJW 2000, 2901, 2902; a. A. MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 181 ff., der bei Unmöglichkeit der Störungsbeseitigung bereits die Störereigenschaft verneint, im Ergebnis aber zu den gleichen Ergebnissen wie die Rechtsprechung gelangt. 242 BGH NJW 1974, 1552, 1554; BGH NJW 2000, 2901, 2902; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 148. 243 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 123; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 150; Wetzel, Zurechnung, S. 143; Paschke JZ 1986, 147, 147. 244 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 123; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 151; Wetzel, Zurechnung, S. 141.

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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jemand aufgrund des eigentumsbeeinträchtigenden Verhaltens eines Dritten als Störer gemäß § 1004 I BGB anzusehen ist, wird daher im Folgenden anhand des entsprechenden Falles bei der Vindikation geklärt. Bei der Vindikation kennt das BGB zwei Fälle, in denen jemand Anspruchsgegner ist, obwohl nicht er, sondern ein Dritter der herauszugebenden Sache als Inhaber der unmittelbaren tatsächlichen Sachherrschaft am nächsten steht, nämlich den des mittelbaren Besitzers (§ 868 BGB) und den des Besitzherrn (§ 855 BGB). Im Fall des mittelbaren Besitzes gemäß § 868 BGB kann der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB nicht nur gegen den unmittelbaren Besitzer, sondern auch gegen den mittelbaren Besitzer gerichtet werden245. Die Passivlegitimation des mittelbaren Besitzers ist mittlerweile unbestritten. Sie folgt schon aus dem Sprachgebrauch des BGB, nach dem unter den Begriff des „Besitzes“ solange jegliche Art des Besitzes fällt, wie sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt246. Zudem ist sie in § 991 I BGB aE vorausgesetzt247. Welche Überlegungen hinter der Entscheidung der zweiten Kommission für die Passivlegitimation auch des mittelbaren Besitzers gestanden haben, zeigen die Ausführungen in den Protokollen zur ersatzlosen Streichung der die Vindikation gegen den mittelbaren Besitzer ausschließenden Regelung des § 899 II248. Die Erstreckung der Vindikation auf den mittelbaren Besitzer rechtfertige sich dadurch, dass der mittelbare Besitz wirklich eine Art des Besitzes sei; dies ergebe sich daraus, dass auch der mittelbare Besitzer Besitzschutz genieße und der mittelbare Besitz die Grundlage für die Ersitzung und den Fruchterwerb bilde, weshalb die betreffende Sache als zum Vermögen des mittelbaren Besitzers gehörig erscheine249. 245 BGH NJW 1970, 241, 242; MüKo/Baldus § 985 RdNr. 17; Bamberger/Roth/ Fritzsche § 985 RdNr. 8; Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 43; NK-BGB/Schanbacher § 985 RdNr. 15; a. A. Wendt AcP 87 (1897), 40, 68 ff. Dass der Gegner nur mittelbarer Besitzer der Sache ist, hat lediglich Auswirkungen auf den Inhalt des Anspruchs. So ist streitig, ob der Eigentümer bei einer Klage gegen den mittelbaren Besitzer darauf beschränkt ist, die Übertragung des mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß § 870 BGB zu fordern, oder ob er die Herausgabe der Sache selbst fordern kann (so die herrschende Meinung, etwa BGH NJW 1970, 241, 242; MüKo/Baldus § 985 RdNr. 17; Bamberger/Roth/Fritzsche § 985 RdNr. 18; Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 71). 246 So ist zum Beispiel in den §§ 861, 862 BGB der unmittelbare Besitz gemeint, wie sich aus § 869 I 1 BGB ergibt, der die Anwendung eben dieser Vorschriften auch auf den mittelbaren Besitzer anordnet. 247 Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 43. Dass § 991 I BGB die Klagemöglichkeit gegen den mittelbaren Besitzer dem Wortlaut nach voraussetzt, räumt selbst Wendt AcP 87 (1897), 40, 74 f. ein, erklärt sich dies aber mit der dem verklagten unmittelbaren Besitzer eingeräumten Möglichkeit, dem mittelbaren Besitzer den Streit zu verkünden. 248 § 899 II des Entwurfs nach den Beschlüssen der Redaktionskommission lautet: „Gegenüber einem mittelbaren Besitzer steht dem Eigenthümer ein Anspruch auf Ueberlassung des mittelbaren Besitzes nicht zu.“ (Mugdan, Materialien III, XXXVI). 249 Protokolle III, S. 8558, 3942 = Mugdan, Materialien III, S. 670, 667.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

In diesen Ausführungen klingt an, dass auch der mittelbare Besitzer, der als „wirklicher“ Besitzer neben dem unmittelbaren Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache des Eigentümers innehat250, faktisch eine Herrschaftsposition einnimmt, die nach der Eigentumsordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer der Sache zukommt. Der mittelbare Besitzer maßt sich an, ein Recht zum Besitz an der Sache zu haben, dessen Ausübung er dem unmittelbaren Besitzer überlässt. Mit der tatsächlichen Ausübung des ihm nicht zustehenden Rechts zum Besitz durch den unmittelbaren Besitzer greift der mittelbare Besitzer in die Herrschaftssphäre des Eigentümers ein. In der bloßen Überlassung der Ausübung des ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Rechts zum Besitz an den unmittelbaren Besitzer liegt hingegen noch kein Eingriff in die Herrschaftsphäre des Eigentümers. Schließlich ist die Überlassung der Ausübung des dem Eigentümer und nicht ihm zustehenden Rechts zum Besitz nichts anderes als die Einräumung des lediglich obligatorischen Rechts, nämlich es zu dulden, dass der unmittelbare Besitzer die Sache in seinem Besitz hat. Diese obligatorische Verpflichtung stört den Eigentümer, der durch sie ja nicht verpflichtet wird, solange nicht in der Ausübung der ihm gemäß § 903 BGB in Bezug auf seine Sache zustehenden Befugnisse, wie nicht der obligatorisch Berechtigte die Sache tatsächlich in Besitz nimmt. Erst zu diesem Zeitpunkt hat nicht mehr der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über die Sache, sondern der mittelbare Besitzer, der die Ausübung des Rechts zum Besitz dem unmittelbaren Besitzer überlassen hat. Es besteht eine Abweichung des tatsächlichen Zustandes von dem von der rechtlichen Güterzuordnung vorgesehenen Zustand, die es mithilfe des dinglichen Anspruchs gemäß § 985 BGB zu beseitigen gilt. Der mittelbare Besitzer ist Gegner des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB, weil er selbst faktisch eine nach der Rechtsordnung dem Eigentümer zustehende Herrschaftsposition einnimmt, indem ein anderer, dem er ein obligatorisches Recht auf Ausübung eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Rechts zum Besitz eingeräumt hat, dieses vermeintliche Recht ausübt. Dies kann beim Gegner des negatorischen Anspruchs nicht anders sein251. In Analogie zu der Situa250 Der unrechtmäßige mittelbare Besitz ist wie der unmittelbare Besitz als tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache einzustufen (so die überzeugende herrschende Lehre, siehe etwa BGH NJW 1955, 499; NK-BGB/Hoeren § 868 RdNr. 7) und nicht lediglich als Rechtsverhältnis zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Besitzer (so MüKo/Joost § 868 RdNr. 5 mit der Begründung, dass der mittelbare Besitz in dem personenbezogenen Herausgabeanspruch seinen Kristallisationskern habe und ohne ihn nicht denkbar sei, weswegen die Annahme einer neben diesem Anspruch bestehenden tatsächlichen Sachherrschaft mangels an sie geknüpften Rechtsfolgen ohne Erkenntniswert sei). Zu den Argumenten gegen letzteren siehe Staudinger/Gutzeit § 868 RdNr. 5; NK-BGB/Hoeren § 868 RdNr. 7. 251 Ebenso Wetzel, Zurechnung, S. 141 ff.; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 123, 126 verweist für die Bestimmung der Störereigenschaft des Vermieters und des Werkbestellers auf die analoge Situation des unrechtmäßigen mittelbaren Besitzers bei der Vindikation. Siehe auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 151 ff.

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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tion des unrechtmäßigen mittelbaren Besitzes einer fremden Sache bei der Vindikation ist daher auch derjenige Gegner des negatorischen Anspruchs gemäß § 1004 I BGB, der einem anderen die Ausübung von Befugnissen gestattet hat, die nach der Eigentumsordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer der Sache zustehen252. Dabei greift derjenige, der dem Dritten die Ausübung einer ihm selbst gar nicht zustehenden Befugnis überlässt, nicht schon mit der Überlassung der Ausübung in den fremden Herrschaftsbereich ein, sondern erst mit dem eigentumsbeeinträchtigenden Verhalten des Dritten. Die Überlassung der Ausübung selbst kann als lediglich obligatorische Verpflichtung des Überlassenden, die auf die Situation des Eigentümers keinerlei Einfluss hat, nicht Anknüpfungspunkt der negatorischen Haftung sein. Erst wenn der Dritte die vom Überlassenden in Anspruch genommenen Befugnisse tatsächlich wahrnimmt, widerspricht der tatsächliche Zustand dem von der Eigentumsordnung vorgesehenen Zustand, so dass der Überlassende gemäß § 1004 I BGB in Anspruch genommen werden kann. Freilich muss der Eigentümer nicht abwarten, bis der Dritte die ihm überlassenden Befugnisse tatsächlich wahrnimmt. Sobald die Beeinträchtigung seines Eigentums durch das Verhalten des Dritten hinreichend nahe bevorsteht253, steht ihm gegen den Dritten gemäß § 1004 I 2 BGB ein Anspruch auf Unterlassung dieses Verhaltens zu. Außerdem hat er gegen denjenigen, der dem Dritten die Ausübung der ihm selbst gar nicht zustehenden Befugnisse überlassen hat, gemäß § 1004 I 2 BGB einen Anspruch darauf, dass dieser – soweit rechtlich möglich – verhindert, dass der Dritte die ihm zuvor eingeräumten Befugnisse tatsächlich wahrnimmt. Analog zur Situation des unrechtmäßigen mittelbaren Besitzer bei der Vindikation ist also bei einem eigentumsbeeinträchtigenden Verhalten eines Dritten, zum Beispiel des Mieters, ein anderer, zum Beispiel der Vermieter, nur dann Gegner des negatorischen Anspruchs, wenn er dem Dritten dessen eigentumsbeeinträchtigendes Verhalten gestattet hat. Beim Bestehen einer Grunddienstbarkeit bedeutet dies für den Eigentümer des herrschenden Grundstücks, dass er, wenn ein Dritter das Eigentum des Eigentümers des belasteten Grundstücks beeinträchtigt, nur dann als Störer gemäß § 1004 I BGB in Anspruch genommen werden kann, wenn er dem Dritten diese Beeinträchtigung gestattet hat, obwohl sie oder zumindest die Überlassung der Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Recht an den Dritten nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist. Gestattet beispielsweise in 252 So Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 123, 126 für die Störereigenschaft des Vermieters und des Werkbestellers. Wetzel, Zurechnung, S. 143 rechnet dem Überlassenden die Herrschaftsausdehnung des „Unterstörers“ als eigene zu. 253 MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 289; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 214. Entgegen dem ungenauen Wortlaut des § 1004 I 2 BGB („weitere Beeinträchtigungen“) besteht ein Unterlassungsanspruch bereits, wenn die erste Beeinträchtigung bevorsteht; siehe dazu MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 289; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 214.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

dem Fall, dass ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit des Inhalts belastet ist, dass der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks berechtigt sein soll, den über dieses Grundstück führenden Weg zwischen 8 und 22 Uhr mitzubenutzen, der Eigentümer des herrschenden Grundstücks seinem Mieter die Benutzung des Weges rund um die Uhr, so ist er, soweit die Benutzung nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist, als Störer anzusehen. Ebenso liegt es in dem Fall, dass er einem anderen die Ausübung seines Wegerechts überlassen hat, obwohl nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Überlassung der Ausübung an andere Personen nicht gestattet ist. Benutzt der Mieter im ersten Fall hingegen den Weg in der Zeit zwischen 22 und 8 Uhr, obwohl ihm der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dies nicht gestattet hat, ist nur der Mieter, nicht aber der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dem Eigentümer des belasteten Grundstücks negatorisch verantwortlich. Die zweite Situation bei der Vindikation, zu der man für die Bestimmung des Störers gemäß § 1004 I BGB bei einem eigentumsbeeinträchtigenden Verhalten eines Dritten eine Parallele ziehen könnte, ist die des Besitzdieners gemäß § 855 BGB. Übt jemand als Besitzdiener gemäß § 855 BGB die tatsächliche Gewalt über die Sache für einen anderen aus, zu dem er in einem Weisungsverhältnis steht, so richtet sich die Vindikation ausschließlich gegen den anderen, den Besitzherrn254. § 855 BGB korrigiert die Rechtsfolge des § 854 BGB dahin, dass in Fällen, in denen jemand die tatsächliche Sachherrschaft offensichtlich nur im Dienste eines anderen als dessen „Werkzeug“ 255 ausübt, von dessen Willen die Ausübung der tatsächlichen Gewalt nach der Verkehrsanschauung256 abhängig zu sein scheint257, nicht der tatsächliche Inhaber der unmittelbaren Sachherrschaft Besitzer ist, sondern derjenige, dem er sich aufgrund seiner Stellung unterordnen muss258. Gemäß § 855 BGB ist daher nur der Besitzherr als Besitzer anzusehen, nicht aber der Besitzdiener. In analoger Anwendung des § 855 BGB auf den Anspruch aus § 1004 I BGB sieht Wetzel 259 in dem Fall, dass „jemand Herrschaft für einen anderen in einem ähnlichen Verhältnis aus[dehnt], vermöge dessen er den sich auf die Herrschaftsausdehnung beziehenden Weisungen Folge zu leisten hat“, den anderen als Störer an.

254

Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 43, 56; MüKo/Baldus § 985 RdNr. 16. Protokolle III, S. 3341 = Mugdan, Materialien III, S. 504. 256 Das Kriterium der Verkehrsauffassung ist mit Blick auf seine inhaltliche Unbestimmtheit nicht unproblematisch. Siehe zur Verkehrsauffassung im Sachenrecht Schenk, Verkehrsauffassung, S. 27 ff.; zur Funktion der Verkehrsauffassung beim Verlust des Besitzes siehe: Baldus ZEuP 2006, 766 ff. 257 Staudinger/Gutzeit § 855 RdNr. 1. 258 NK-BGB/Hoeren § 855 RdNr. 1. 259 Wetzel, Zurechnung, S. 135 ff. 255

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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Ist schon die Störereigenschaft desjenigen, der die Eigentumsbeeinträchtigung aufgrund einer Weisung für einen anderen vornimmt, nicht aufgrund der Parallelsituation des Besitzdieners bei der Vindikation zu verneinen260, so ist der Rückgriff auf die Situation des Besitzherrn bei der Vindikation zur Bestimmung der Störereigenschaft des „Hintermanns“ zumindest überflüssig. Schließlich unterscheidet sich die Vindikation gegen den Besitzherrn von der gegen den mittelbaren Besitzer allein dadurch, dass der mittelbare Besitzer nicht der einzige ist, der als Gegner der Vindikation in Frage kommt. Derjenige, der einem anderen ein obligatorisches Recht zur Ausübung der in Wirklichkeit nicht ihm, sondern dem Eigentümer der Sache zustehenden Besitzbefugnis einräumt, kann in jedem Fall, sei es als mittelbarer Besitzer, sei es als Besitzherr in Anspruch genommen werden. Dass derjenige, der die unmittelbare tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, sie im letzten Fall für den Besitzherrn innerhalb eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses261 und vermöge dessen Weisungen ausübt, ist nur für die Frage relevant, ob die Vindikation gegen den Inhaber der unmittelbaren tatsächlichen Gewalt möglich ist. Daher genügt für die Bestimmung der Störereigenschaft bei § 1004 I BGB ein genereller Rückgriff auf die Parallelsituation desjenigen bei der Vindikation, der einem Dritten die Ausübung einer ihm nicht zustehenden Besitzbefugnis überlassen hat oder zumindest zur Überlassung nicht befugt war. Einer Differenzierung danach, ob der ausübende Dritte für den Überlassenden kraft dessen Weisung in einem Abhängigkeitsverhältnis gehandelt hat, bedarf es dabei nicht. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks im Fall des eigentumsbeeinträchtigenden Verhaltens eines Dritten dann Gegner des negatorischen Anspruchs des Eigentümers ist, wenn er dem Dritten gerade dieses eigentumsbeeinträchtigende Verhalten gestattet hat, obwohl dieses Verhalten nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist oder er nicht befugt ist, das Verhalten einem Dritten zu gestatten. Die bloße Tatsache, dass er gegen ein eigentumsbeeinträchtigendes Verhalten des Dritten nicht einschreitet, begründet hingegen nicht die Störereigenschaft262. Der Umfang der Beseitigungspflicht des Eigentümers des herrschenden Grundstücks gemäß § 1004 I 1 BGB richtet sich danach, inwieweit ihm die Beseitigung tatsächlich und – vor

260

Siehe dazu S. 116. Ob es dieses zusätzlichen Kriteriums bedarf, ist umstritten. Die h. M. verlangt ein soziales Abhängigkeitsverhältnis. Siehe zum Streitstand nur Staudinger/Gutzeit § 855 RdNr. 6 m.w. N. 262 Hat der Eigentümer des belasteten Grundstücks bei der Grunddienstbarkeit demnach keinen Anspruch gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf Einschreiten gegen beispielsweise den Mieter, so sieht dies im Falle des Nießbrauchs anders aus. Beim Nießbrauch folgt ein solcher Anspruch aus der Erhaltungspflicht des Nießbrauchers gemäß § 1041 S. 1 BGB (Protokolle III, S. 4103 = Mugdan, Materialien III, S. 763). 261

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

allem in Ansehung etwaiger entgegenstehender Rechte263 des Dritten – rechtlich möglich ist264. II. Schadensersatzanspruch, § 823 I BGB Verletzt ein Dritter, dem der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Ausübung der Grunddienstbarkeit überlassen hat, schuldhaft das Eigentum des Eigentümers des belasteten Grundstücks und ist entweder sein Verhalten oder die Überlassung der Ausübung gerade an ihn nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt, hat der Eigentümer des belasteten Grundstücks in vielen Fällen ein Interesse daran, neben dem Dritten auch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf Schadensersatz gemäß § 823 I BGB in Anspruch nehmen zu können. Man denke nur an den Fall, dass der Mieter des Eigentümers des herrschenden Grundstücks das mit einem Wegerecht belastete Grundstück nicht nur, wie nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit erlaubt, zu Fuß, sondern auch mit dem Auto überquert. In diesem Fall hat der Eigentümer des belasteten Grundstücks ein Interesse daran, den an seinem Weg durch die Überfahrt mit dem Auto entstandenen Schaden nicht nur vom Mieter, sondern auch vom unter Umständen solventeren Eigentümer des herrschenden Grundstücks ersetzt zu bekommen. Ein Anspruch aus § 823 I BGB aufgrund eines eigenen rechtswidrigen Verhaltens des Eigentümers des herrschenden Grundstücks ist – parallel zu dem Anspruch aus § 1004 I BGB265 – nur in dem Fall gegeben, dass er dem Dritten gerade das eigentumsverletzende Verhalten gestattet hat, obwohl dieses entweder nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist oder die Grunddienstbarkeit ein solches Verhalten zwar erlaubt, nicht aber, das Verhalten auch dem Dritten zu gestatten. In anderen Fällen kommt mangels Verantwortlichkeit des Grunddienstbarkeitsberechtigten für das Verhalten des Dritten ein Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten aus § 823 I BGB nicht in Betracht. Zur Erfüllung des Tatbestandes von § 823 I BGB ist im Gegensatz zu § 1004 I BGB des Weiteren das Verschulden des Eigentümers des herrschenden Grundstücks erforderlich. Für einen Verrichtungsgehilfen haftet der Eigentümer des herrschenden Grundstücks daneben gegebenenfalls gemäß § 831 BGB. 263 Zu denken ist beispielsweise an § 858 BGB, Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 149. Allein der Umstand, dass der Anspruchsgegner mit der Störungsbeseitigung schuldrechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Dritten verletzen müsste, stellt hingegen noch keine rechtliche Unmöglichkeit dar (Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 152). 264 Siehe zum Umfang der Beseitigungspflicht bei tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit MüKo/Baldus § 1004 RdNr. 181 ff., der die Möglichkeit der Beseitigung bereits als persönliche Voraussetzung der Störereigenschaft ansieht; Bamberger/Roth/ Fritzsche § 1004 RdNr. 70 ff.; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 148 ff. 265 Siehe dazu ausführlich S. 150 ff.

§ 6 Ansprüche bei Beteiligung Dritter

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Ein Anspruch des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf Schadensersatz gemäß § 823 I BGB nicht wegen seines eigenen, sondern wegen des eigentumsverletzenden Verhaltens des Dritten scheitert am Fehlen einer gesetzlichen Regelung, die dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks dieses Verhalten als eigenes zurechnete. III. Anspruch wegen Besitzstörung, § 862 BGB Ist der Eigentümer eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks zugleich dessen Besitzer, so hat er in dem Fall, dass er durch einen Dritten in seinem Besitz gestört wird, gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nur dann einen Anspruch auf Störungsbeseitigung gemäß § 862 I 1 BGB, wenn dieser dem Dritten das störende Verhalten gestattet hat. Schließlich ist der besitzrechtliche Störungsbegriff vollständig in dem der Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 I BGB enthalten266. Der Anspruch aus § 862 I BGB gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks kann daher nicht weiter gehen als der aus § 1004 I BGB, dem jener in seinen beiden Ausprägungen nachgebildet ist267. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks kann gemäß § 863 BGB gegen den possessorischen Anspruch des Eigentümers des belasteten Grundstücks freilich nicht einwenden, dass das besitzstörende Verhalten des Dritten vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt und er danach dieses dem Dritten auch erlauben durfte.

C. Ansprüche des Dritten Wird ein Dritter in der Ausübung der Grunddienstbarkeit gestört, so ist bezüglich der ihm in diesem Fall zustehenden Ansprüche danach zu differenzieren, ob er die Grunddienstbarkeit aufgrund eines dinglichen Nutzungsrechts an dem herrschenden Grundstück oder aufgrund eines lediglich obligatorischen Ausübungsrechts gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks ausübt. Ist der Dritte Inhaber eines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts an dem herrschenden Grundstück, so umfasst dieses Recht gemäß §§ 93, 96 BGB auch die Grunddienstbarkeit. Jede Störung in der Ausübung der aus der Grunddienstbarkeit folgenden Befugnisse stellt daher eine Störung des beschränkten dinglichen Nutzungsrechts selbst dar. Die Ansprüche des Dritten sind daher diejenigen, die dem Schutz seines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts dienen. Hat der Dritte beispielsweise den Nießbrauch an dem herrschenden Grundstück, so 266 Der Begriff der Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I BGB geht insofern über den Begriff der Besitzstörung i. S. d. § 862 BGB hinaus, als es auch Eigentumsbeeinträchtigungen gibt, welche nicht zugleich Besitzstörungen sind. Siehe dazu auch S. 104. 267 Staudinger/Gutzeit § 862 RdNr. 2.

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2. Kap.: Ansprüche der Beteiligten ohne §§ 1020 bis 1023 BGB

finden gemäß § 1065 BGB bei einer Beeinträchtigung seines Rechts die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften, also die §§ 985, 1004, 823 BGB entsprechende Anwendung. Ist der Dritte zugleich Besitzer des herrschenden Grundstücks, steht ihm daneben gegebenenfalls der Anspruch aus § 1029 BGB zu; ist er zugleich Besitzer des dienenden Grundstücks, greifen zu seinem Schutz die §§ 858 ff. BGB ein. Steht dem Dritten ein obligatorisches Ausübungsrecht gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu, so hat er, wenn er in der Ausübung gestört wird, gegen den Störer weder einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung gemäß §§ 1004 BGB, noch einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB. Sein obligatorisches Recht begründet nur Rechte und Pflichten gegenüber dem jeweiligen Partner des Schuldverhältnisses. Ist er jedoch im Besitz des herrschenden Grundstücks, greift zu seinem Schutz gegebenenfalls § 1029 BGB ein. Ist er Besitzer des dienenden Grundstücks, stehen ihm die Rechte aus den §§ 858 ff. BGB zu; auch der Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB ist in diesem Fall gegeben, sofern man den rechtmäßigen Besitz als Schutzgut des § 823 I BGB anerkennt268.

268

Siehe dazu MüKo/Wagner § 823 RdNr. 220 f. m.w. N.

3. Kapitel

Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB Wie soeben ausgeführt haben der Eigentümer des dienenden und der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Ansprüche gegeneinander, die ihnen im Falle einer (drohenden) Beeinträchtigung oder Verletzung ihres jeweiligen dinglichen Rechts sowie einer Störung ihres Besitzes gegen jedermann zustehen: Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat die Ansprüche gemäß den §§ 1004, 823, 862 BGB. Dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks stehen die Ansprüche gemäß den §§ 1004, 1027, 823, 862, 1029 BGB zu. Ob sich darüber hinaus aus den Regelungen der §§ 1020 ff. BGB Ansprüche zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ergeben, bildet den Gegenstand der folgenden Untersuchung. Hierfür soll zunächst die mittlerweile von Literatur und Rechtsprechung einhellig vertretene Ansicht dargelegt werden, wonach die §§ 1020 bis 1023 BGB schuldrechtliche Ansprüche zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis begründen (§ 7). In diesem Rahmen sollen die Äußerungen von Rechtsprechung und Literatur im Vordergrund stehen, welche sich auf das Schuldverhältnis insgesamt beziehen. Auf die Ausführungen von Rechtsprechung und Literatur zu den einzelnen Vorschriften der §§ 1020 bis 1023 BGB wird erst bei der sich anschließenden Untersuchung der einzelnen Vorschriften näher eingegangen (§ 8).

§ 7 Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses durch Literatur und Rechtsprechung Nach der heute von Rechtsprechung1 und Literatur2 einhellig vertretenen Ansicht soll mit der Bestellung einer Grunddienstbarkeit nicht nur ein beschränktes dingliches Recht entstehen, das dem Berechtigten ein Herrschaftsrecht an dem 1 BGH NJW 1985, 2944 f.; BGH NVwZ 1990, 192 ff.; BGH NJW 1992, 2885 ff.; BGH NJW-RR 1991, 333, 334; BGH NJW-RR 1995, 15, 16; BGH NJW 2008 3703, 3704; LG Konstanz NVwZ 1992, 1022, 1022 f.; LG Bochum RNotZ 2002, 405, 405. 2 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1982, 396, 410; MüKo/ Joost § 1018 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 134 ff.; Möller, Servituten, S. 404; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1152; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

dienenden Grundstück einräumt und den Eigentümer des dienenden Grundstücks, soweit das Herrschaftsrecht reicht, von der Ausübung seiner gemäß § 903 BGB umfassenden Herrschaftsmacht ausschließt. Vielmehr soll darüber hinaus mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks entstehen. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis sei jedoch, so wird bisweilen besonders betont, nicht zu verwechseln mit den schuldrechtlichen Vereinbarungen, welche die Parteien neben der Grunddienstbarkeit träfen und welche nur zwischen diesen gälten3. Der BGH bejaht das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses seit einer Entscheidung aus dem Jahr 1985 (dazu sogleich unter A.I.). Darüber hinausgehende Aussagen zu diesem gesetzlichen Schuldverhältnis hat der BGH bisher jedoch nur vereinzelt getroffen. (A.II.). Zum einen sprach er sich in der Entscheidung aus dem Jahr 1985 für die Anwendbarkeit der allgemeinen schuldrechtlichen Vorschrift des § 278 BGB auf dieses gesetzliche Schuldverhältnis aus (A.II.1.). Zum anderen äußerte er sich in den sogenannten Baulastfällen zur Bestimmung des Inhalts dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses. Dabei leitete er aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis her, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Übernahme einer Baulast habe (A.II.2.). Auch in der übrigen Rechtsprechung wird vom Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit ausgegangen4. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem gesetzlichen Schuldverhältnis hat jedoch bisher – soweit ersichtlich – nicht stattgefunden. Ausführlicher hingegen hat sich die Literatur mit dem auch von ihr angenommenen gesetzlichen Schuldverhältnis bei der Grunddienstbarkeit beschäftigt. Sie hat es sowohl rechtlich eingeordnet (B.I.) als auch sich näher damit beschäftigt, welche Folgen sich aus dieser Einordnung für die rechtliche Behandlung dieses Schuldverhältnisses ergeben (B.II.).

A. Rechtsprechung I. Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses 1. Urteil des BGH vom 28. Juni 1985 Nachdem der BGH sich zuvor mehrmals ausdrücklich gegen das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ausgesprochen hatte5, bejahte 3 4 5

So etwa Amann DNotZ 1989, 531, 534. LG Konstanz NVwZ 1992, 1022, 1022 f.; LG Bochum RNotZ 2002, 405, 405. BGH DNotZ 1959, 240, 241; BGH NJW 1969, 673, 673; jeweils der 5. Senat.

§ 7 Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses

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er in seiner Entscheidung vom 28. Juni 19856 das Bestehen eines solchen Schuldverhältnisses und schloss sich damit der in der Literatur bereits ganz überwiegend vertretenen Auffassung7 an. a) Sachverhalt In dem Urteil vom 28. Juni 1985 hatte der BGH zu entscheiden, ob dem Eigentümer eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks ein Schadensersatzanspruch zustand8. Das dienende Grundstück war mit einer Grunddienstbarkeit belastet, welche dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Recht eingeräumte, einen drei Meter breiten Streifen auf dem dienenden Grundstück zum Gehen, Reiten, Fahren und Viehtreiben zu benutzen. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks trug vor, dass der Pächter des Eigentümers des herrschenden Grundstück den über das belastete Grundstück führenden Weg unnötigerweise mit schweren Fahrzeugen befahren habe, so dass tiefe Spuren entstanden seien. Für den hierdurch entstandenen Schaden verlangte er Ersatz vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks. b) Entscheidung und Begründung des BGH Im Gegensatz zum Berufungsgericht, das einen Schadensersatzanspruch aus § 1020 BGB i.V. m. § 278 BGB mit der Begründung verneint hatte, dass zwischen den Parteien kein Schuldverhältnis bestehe9, bejahte der BGH unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück. Zur Begründung der Auffassung, dass zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ein gesetzliches Schuldverhältnis bestehe, führt der BGH in den Entscheidungsgründen an, dass sich das Gesetz bei den Dienstbarkeiten nicht mit der Statuierung von Nutzungsrechten und Duldungs- oder Unterlassungspflichten begnüge10. Das Gesetz regele 6 BGH NJW 1985, 2944 f. (ebenfalls der 5. Senat). Zusammenfassend ohne eigene Stellungnahme Schmidt JuS 1986, 156 f. 7 Soergel(1978)/Baur § 1020 RdNr. 1; MüKo(1981)/Falckenberg § 1020 RdNr. 2; Staudinger(1981)/Ring § 1020 RdNr. 1; Erman(1981)/Ronke Vor 1020–1023 RdNr. 1. Vereinzelt auch die Rechtsprechung, so KG NJW 1973, 1128, 1129. A.A. RGRK/Rothe § 1020 RdNr. 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht S. 438, 440 Fn. 3. 8 Zum Sachverhalt siehe BGH NJW 1985, 2944, 2944. 9 BGH NJW 1985, 2944, 2944. 10 BGH NJW 1985, 2944, 2944.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

vielmehr darüber hinaus ausdrücklich unter anderem das Nutzungsrecht begleitende Pflichten des aus der Dienstbarkeit Berechtigten11. So habe der aus der Grunddienstbarkeit Berechtigte gemäß § 1020 S. 1 BGB bei der Ausübung seines Rechts das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen12. Halte der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so habe er diese gemäß § 1020 S. 2 BGB in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten13. Auch beim Nießbrauch als einer Art der Dienstbarkeit bestünden das Nutzungsrecht begleitende Pflichten des Berechtigten14. Nach § 1036 II BGB habe der Nießbraucher die wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfahren15. Gemäß § 1037 BGB dürfe er die Sache weder umgestalten noch wesentlich verändern16. Gemäß § 1041 BGB habe er für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen17. Gemäß §§ 1045 und § 1047 BGB sei er außerdem nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen zur Versicherung und Lastentragung verpflichtet18. Diese nähere gesetzliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen dem aus einer Dienstbarkeit Berechtigten und dem aus ihr Verpflichteten rechtfertige die Annahme, dass neben dem dinglichen Recht zwischen den Beteiligten ein gesetzliches Schuldverhältnis bestehe, aus dem sich Rechte und Pflichten ergäben19. Für den Nießbrauch sei die Existenz eines derartigen gesetzlichen Schuldverhältnisses unumstritten20. c) Vergleich der Entscheidungsgründe mit den Entscheidungsgründen des Urteils des BGH vom 25. Februar 1959 In seinem Urteil vom 28. Juni 1985 zieht der BGH vom Bestehen von „das Nutzungsrecht begleitende Nebenpflichten“ 21 den Schluss auf das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit. Damit setzt er sich in Widerspruch zu den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 25. Februar 195922. 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH NJW 1985, 2944, 2944 f. BGH NJW 1985, 2944, 2945. BGH NJW 1985, 2944, 2944. BGH DNotZ 1959, 240 ff.

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Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde. Ein Grundstück war mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet, welche zum Betrieb einer Seilbahn auf diesem Grundstück berechtigte. Bei der Bestellung der Dienstbarkeit war das belastete Grundstück noch Öd- und Weideland gewesen. Als es durch den Bau einer Straße erschlossen wurde, mussten nachträglich Schutzbrücken zum Schutz der Straße vor von der Seilbahn herabgefallenen Gegenständen angebracht werden. Der Dienstbarkeitsberechtigte verlangte vom Eigentümer des dienenden Grundstücks den Ersatz der Kosten für die Errichtung und die Unterhaltung dieser Schutzbrücken. Der BGH verneinte einen Kostenerstattungsanspruch. Nicht der Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern der Dienstbarkeitsberechtigte selbst sei zur Errichtung und Unterhaltung der Schutzbrücken verpflichtet. Zu diesem Ergebnis kommt der BGH in den Entscheidungsgründen in zwei Schritten. In einem ersten Schritt gelangt der BGH zu der Annahme, dass im Rahmen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wie auch bei der Grunddienstbarkeit Nebenpflichten zu einem positiven Tun bestünden. In einem zweiten Schritt ermittelt er den Umfang dieser Nebenpflichten durch eine auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen. Interessant – gerade im Vergleich zu den Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 28. Juni 1985 – ist dabei, wie sich der BGH im ersten Schritt seiner Argumentation in Hinblick auf das Bestehen von Pflichten zu einem positiven Tun bei der Grunddienstbarkeit äußert: Der BGH führt aus, dass eine Dienstbarkeit, sei es eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, ihrem Wesen nach dem Berechtigten das Recht auf eine inhaltlich begrenzte Nutzung des belasteten Grundstücks gewähre und dem Eigentümer dieses Grundstücks ein Dulden oder Unterlassen auferlege23. Pflichten zu einem positiven Tun hingegen oblägen primär weder dem Berechtigten noch dem Belasteten24. Allerdings könnten solche Pflichten sowohl für den Berechtigten als auch für den Eigentümer des belasteten Grundstücks als Nebenpflichten vorhanden sein25. Beim Berechtigten ergebe sich dies aus seiner allgemeinen Pflicht zur schonenden Rechtsausübung gemäß § 1020 BGB, beim Belasteten aus den gesetzlichen Sonderbestimmungen des § 1021 BGB, des § 1022 BGB und des § 1023 BGB26. Bei diesen Pflichten handle es sich – so der BGH weiter – nicht um gesetzliche Schuldverhältnisse, die neben der Dienstbarkeit stünden, sondern um „die Abgrenzung der Dienstbar23 24 25 26

BGH DNotZ 1959, 240, 240. BGH DNotZ 1959, 240, 240 f. BGH DNotZ 1959, 240, 241. BGH DNotZ 1959, 240, 241.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

keit selbst“, wobei dahinstehen könne, ob durch diese Pflichten die Dienstbarkeit nur der Ausübung oder ihrem Inhalt nach beschränkt werde27. Der Widerspruch dieser Ausführungen zu den späteren Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1985 ist offensichtlich: In seinem Urteil vom 25. Februar 195928 behauptet der BGH, dass bei der Grunddienstbarkeit zwar Pflichten zu einem positiven Tun als sogenannte „Nebenpflichten“ bestehen könnten, was sich für den Berechtigten aus § 1020 BGB und für den Belasteten aus §§ 1021, 1022, 1023 BGB ergebe. Dabei handele es sich aber nicht um gesetzliche Schuldverhältnisse, die neben der Dienstbarkeit stünden, sondern um die Abgrenzung der Dienstbarkeit selbst29. Dagegen zieht er in seinem Urteil vom 28. Juni 1985 aus der Annahme der gesetzlichen Statuierung von „das Nutzungsrecht begleitende Pflichten“ gerade die gegenteilige Schlussfolgerung: das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks. d) Kritische Würdigung Unabhängig davon, welche dieser beiden vom BGH jeweils ohne Begründung gezogenen und sich gegenseitig ausschließenden Schlussfolgerungen zutreffend sein mag, hätte der BGH zuvor zwingend den Ausgangspunkt seiner Überlegungen, nämlich die Annahme, dass in den §§ 1020 ff. BGB Pflichten zu einem positiven Tun statuiert werden, auf ihre Richtigkeit hin überprüfen müssen. Erst dann hätte er daraus Schlussfolgerungen ziehen dürfen. Weshalb der BGH diesen ersten notwendigen Schritt nicht vornimmt, bleibt rätselhaft. Denn liest man die bereits in den Gründen des Urteils vom 25. Februar 1959 enthaltene und in den Gründen des Urteils vom 28. Juni 1985 wiedergegebene30 Aussage, dass es sich bei § 1020 BGB um die Abgrenzung der Dienstbarkeit selbst handle31, drängt sich doch unweigerlich die Frage auf: Begründet § 1020 BGB tatsächlich eine Pflicht zu einem positiven Tun? Oder setzt § 1020 BGB nicht vielmehr die inhaltlichen Grenzen des beschränkten dinglichen

27

BGH DNotZ 1959, 240, 241. BGH DNotZ 1959, 240 ff. 29 BGH DNotZ 1959, 240, 241. 30 BGH NJW 1985, 2944, 2944. 31 BGH DNotZ 1959, 240, 241. Allerdings sind im Urteil vom 28. Juni 1985 die Urteilsgründe des Urteils vom 25. Februar 1959 nicht ganz zutreffend wiedergegeben. Während sich im letzteren Urteil die Aussage, dass es sich „dabei nicht um gesetzliche Schuldverhältnisse, die neben der Dienstbarkeit stehen, sondern um die Abgrenzung der Dienstbarkeit selbst“ handle, auf die §§ 1020, 1021, 1022 sowie 1023 BGB bezieht, gibt der BGH im Urteil vom 28. Juni 1985 diese Aussage nur in Bezug auf § 1020 BGB wieder. 28

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Rechts Grunddienstbarkeit fest, legt also den Umfang des Herrschaftsrechts des beschränkt dinglich Berechtigten an der belasteten Sache fest? Sollte § 1020 BGB jedoch lediglich den Umfang des dinglichen Rechts festlegen, ohne zugleich eine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten zu begründen, so wäre der Schluss vom Bestehen einer solchen Pflicht auf das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit, welchen der BGH in seinem Urteil vom 28. Juni 1985 zieht, nicht möglich. Das Bestehen eines solchen Schuldverhältnisses könnte sich dann allenfalls aus den §§ 1021, 1022, 1023 BGB ergeben. Auf die §§ 1021, 1022, 1023 BGB geht der BGH in den Gründen seines Urteils vom 28. Juni 1985 allerdings nicht ein. Stattdessen führt er Vorschriften aus dem Nießbrauchsrecht an, welche Pflichten des Nießbrauchers begründen sollen. Mag aufgrund der gesetzlichen Anordnung von Pflichten des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des belasteten Grundstücks und dem Nießbraucher bestehen, so verbietet sich doch der daraus vom BGH – ohne jegliche Begründung – gezogene Schluss, dass ein gesetzliches Schuldverhältnis bei allen Dienstbarkeiten bestehe. Schließlich folgt – wie oben aufgezeigt32 – die Zusammenfassung von Nießbrauch, Grunddienstbarkeit und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit im selben Abschnitt unter dem gemeinsamen Oberbegriff „Dienstbarkeit“ keiner inneren, von einheitlichen Grundsätzen getragenen Ordnung. Diese Zusammenfassung ist vielmehr nichts anderes als eine historisch gewachsene, rein äußerliche Zusammenfassung unterschiedlich konstruierter beschränkter dinglicher Rechte, welche die Nutzung einer fremden Sache zum Inhalt haben. Der Schluss von der Rechtslage bei einer Dienstbarkeit auf die Rechtslage bei einer anderen Dienstbarkeit allein mit dem systematischen Argument der Regelung aller Dienstbarkeiten im selben Abschnitt unter einem gemeinsamen Oberbegriff ist ausgeschlossen. Dem BGH gelingt es nicht, das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit überzeugend herzuleiten. Daran vermögen auch seine weiteren Ausführungen nichts zu ändern. Denn diese enthalten kein einziges Argument, das für das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses spräche. Der BGH setzt das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses vielmehr als gegeben voraus und entkräftet lediglich von diesem Ausgangspunkt ausgehend etwaige Gegenargumente. So führt der BGH aus, dass gegen das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit nicht eingewendet werden könne, dass sich bei Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses die in § 1020 S. 1 BGB angesprochene Schonungspflicht auch ohne gesonderte gesetzliche Regelung aus 32

Siehe dazu S. 31 ff.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

der § 242 BGB zu entnehmenden Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme33 ergeben würde34. Denn das Bestehen einer Generalklausel schließe eine speziellere Regelung über die Auswirkungen von Treu und Glauben als Inhalt eines besonderen Rechtsverhältnisses nicht aus35. Außerdem sei es nicht ohne weiteres möglich, die sich aus § 1020 S. 2 BGB ergebende Pflicht aus § 242 BGB abzuleiten36. Diese Ausführungen helfen bei der Beantwortung der Frage, ob bei der Grunddienstbarkeit ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht, nicht weiter. Die Argumentation des BGH mag in sich schlüssig sein. Doch stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis zwei Normen stehen, die sich überschneidende Pflichten regeln, erst, wenn feststeht, dass jede der beiden Normen tatsächlich eine Pflicht begründet. Um das Verhältnis von § 1020 BGB zu § 242 BGB zu klären, hätte der BGH also zuerst untersuchen müssen, ob § 1020 BGB und § 242 BGB tatsächlich jeweils die Pflicht zu einem positiven Tun begründen. Des weiteren führt der BGH aus, dass dem Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit nicht entgegengehalten werden könne, dass das bloße nachbarliche Nebeneinander von Grundstücken allein nicht ausreiche, um zwischen den Beteiligten schuldrechtliche Beziehungen herzustellen. Denn anders als beim bloßen nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis seien bei der Grunddienstbarkeit in den §§ 1018 ff. BGB unter anderem Schonungs- und Erhaltungspflichten ausdrücklich normiert37. Auch hier argumentiert der BGH mit dem Bestehen gesetzlich angeordneter Pflichten, ohne diese Annahme zuvor auf ihre Richtigkeit hin untersucht zu haben. Schließlich führt der BGH noch an, dass es keine Auswirkungen auf das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses haben könne, ob die Schonungspflicht des § 1020 S. 1 BGB die Grunddienstbarkeit ihrem Inhalt oder nur ihrer Ausübung nach beschränke38. Schließlich könne ein gesetzlich normiertes Schuldverhältnis Rechte und Ansprüche begrifflich sowohl ihrem Inhalt nach als 33 Seit 1. Januar 2002 sind die – auch als Schutzpflichten bezeichneten (so z. B. NKBGB/Krebs § 241 RdNr. 44; siehe zu uneinheitlichen Terminologie Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 425) – Rücksichtspflichten, also die leistungsunabhängigen Pflichten zum Schutz des Integritätsinteresses der Gegenpartei (Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 417, 426) ausdrücklich geregelt in § 241 II BGB. Wie Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 191 zutreffend betont, folgt hieraus, dass die Ergänzung von Schuldverhältnissen durch die Verpflichtung der Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme nicht in den Anwendungsbereich des § 242 BGB fällt. Siehe ausführlich zur Frage, ob § 242 BGB zur Ergänzung von Schuldverhältnissen herangezogen werden kann Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 187 ff. 34 BGH NJW 1985, 2944, 2945. 35 BGH NJW 1985, 2944, 2945. 36 BGH NJW 1985, 2944, 2945. 37 BGH NJW 1985, 2944, 2945. 38 BGH NJW 1985, 2944, 2945.

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auch ihrer Ausübung nach beschränken39. Warum ein gesetzliches Schuldverhältnis, welches die Rechtsbeziehungen von Personen untereinander regelt, den Inhalt eines dinglichen Rechts, welches die Rechtsbeziehung einer Person zu einer Sache regelt, beschränken können soll und wie dies rechtlich zu konstruieren ist, lässt der BGH offen. Zudem begründet er auch hier das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses nicht positiv, sondern setzt das Bestehen eines Schuldverhältnisses als gegeben voraus und entkräftet lediglich ausgehend von diesem Standpunkt etwaige Einwände. Aus diesen Gründen kann die Argumentation, mit der der BGH das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit begründet, nicht überzeugen. Solange nicht geklärt ist, ob das Gesetz – wie vom BGH behauptet – tatsächlich Pflichten der an der Grunddienstbarkeit Beteiligten untereinander begründet, etwa durch den vom BGH angeführten § 1020 BGB, fehlt der darauf aufbauenden Argumentation des BGH das Fundament. e) Reaktion der Literatur Wie soeben ausgeführt ist die Begründung, mit der sich der BGH in seinem Urteil vom 28. Juni 1985 entgegen seiner früheren Rechtsprechung für das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ausspricht, wenig überzeugend. Dennoch hat dieses Urteil in der Literatur, die ja bereits zuvor ganz überwiegend vom Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ausgegangen war40, – zumindest im Ergebnis – ausschließlich Zustimmung erfahren, ohne dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Argumentation des BGH stattgefunden hätte41. II. Aus der Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses abgeleitete Rechtsfolgen Seit dem Urteil des BGH vom 28. Juni 1985 sind der BGH und die übrige Rechtsprechung stets von der Existenz eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ausgegangen42.

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BGH NJW 1985, 2944, 2945. Soergel(1978)/Baur § 1020 RdNr. 1; MüKo(1981)/Falckenberg § 1020 RdNr. 2; Staudinger(1981)/Ring § 1020 RdNr. 1; Erman(1981)/Ronke Vor 1020–1023 RdNr. 1. 41 Eickmann EWiR 1985, 771, 771; Schreiber JR 1986, 110, 110, der zwar die Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses durch den BGH kritisiert, ihm im Ergebnis jedoch zustimmt. 42 BGH NJW 1992, 2885 ff.; BGH NVwZ 1990, 192 ff.; BGH NJW 2008 3703, 3704; BGH NJW-RR 1991, 333, 334; BGH NJW-RR 1995, 15, 16; LG Konstanz NVwZ 1992, 1022, 1022 f.; LG Bochum RNotZ 2002, 405, 405. 40

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1. Anwendung schuldrechtlicher Vorschriften Die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses eröffnet der Rechtsprechung die Möglichkeit, die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften auf das Verhältnis des Eigentümers des herrschenden Grundstücks und des Eigentümers des dienenden Grundstücks anzuwenden. Geht man von der Existenz eines gesetzlichen Schuldverhältnisses aus, so kann beispielsweise in dem Fall, dass ein Mieter des Eigentümers des herrschenden Grundstücks schuldhaft den über das belastete Grundstück führenden Weg in einem über das durch die Grunddienstbarkeit erlaubte Maß hinaus in Anspruch nimmt und dadurch einen Schaden verursacht, dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks unter der vom BGH in diesem Fall angenommen Prämisse, dass der Mieter als Erfüllungsgehilfe anzusehen ist, das Verschulden seines Mieters gemäß § 278 BGB zugerechnet werden43; der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat daher gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 I BGB, 241 II BGB. Ohne die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses hingegen würde der Eigentümer des herrschenden Grundstücks lediglich nach den allgemeinen Vorschriften haften. Da der Mieter nicht Verrichtungsgehilfe des Eigentümers gemäß § 831 BGB ist, kommt in diesem Fall allenfalls ein Anspruch gemäß § 823 I BGB in Betracht. Ein solcher Anspruch ist – wie oben ausgeführt44 – nur gegeben, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dem Mieter schuldhaft gerade das eigentumsverletzende Verhalten gestattet hat, obwohl dieses entweder nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist oder nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein solches Verhalten zwar erlaubt ist, es aber nicht erlaubt ist, dieses Verhalten auch dem Dritten zu gestatten. 2. Bestimmung des Inhalts des gesetzlichen Schuldverhältnisses im Rahmen der sogenannten Baulastfälle Zu der Frage, welchen Inhalt das von ihm angenommene gesetzliche Schuldverhältnis bei der Grunddienstbarkeit haben soll, wie also die Rechte und Pflichten des Eigentümers des herrschenden und des Eigentümers des dienenden Grundstücks im Einzelnen zu bestimmen sein sollen, hat sich der BGH in den sogenannten Baulastfällen geäußert. In diesen Fällen hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob der Eigentümer des dienenden Grundstücks verpflichtet ist, eine der Grunddienstbarkeit inhaltlich entsprechende Baulast zu übernehmen, um so dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Bebauung seines Grundstücks zu ermöglichen45. 43

BGH NJW 1985, 2944, 2945. Siehe dazu S. 156 f. 45 BGH NJW 1989, 1607 ff.; BGH NJW 1992, 2885 ff.; BGH NVwZ 1990, 192 ff.; BGH NJW-RR 1991, 333 f.; BGH NJW-RR 1995, 15 f. 44

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a) Problemstellung Baulasten sind von Grundstückseigentümern durch Erklärung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommene öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem das Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben46. Sie werden mit ihrer Eintragung in das Baulastenverzeichnis wirksam und wirken auch gegenüber Rechtsnachfolgern47. Im Baugenehmigungsverfahren erlangen sie als sogenannte „Fremdbaulasten“ 48 immer dann Bedeutung, wenn sich die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens und damit für die Erteilung einer Baugenehmigung nur unter Einbeziehung eines anderen als des zu bebauenden Grundstücks erfüllen lassen. Mit der Übernahme einer Baulast durch den Eigentümer des anderen Grundstücks kann sichergestellt werden, dass die Verhältnisse auf diesem Grundstück, die Voraussetzung für die Rechtsmäßigkeit des Bauvorhabens auf dem zu bebauenden Grundstück sind, dauerhaft aufrechterhalten werden49. Für die Erteilung einer Baugenehmigung bedarf es dabei der Übernahme einer Baulast unabhängig davon, ob bereits eine mit der Baulast inhaltlich identische Grunddienstbarkeit existiert. In dem dem Urteil des BGH vom 3. Februar 1989 zugrunde liegenden Fall50, dass ein Grundstück A, welches über keinen direkten Zugang zur öffentlichen Straße verfügt, sondern nur auf einem über das Grundstück B führenden Weg zu erreichen ist, reicht es beispielsweise für die Erteilung einer Baugenehmigung für das Grundstück A nicht aus, dass das Grundstück B mit einer Grunddienstbarkeit belastet ist, die den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks A zur Benutzung des Weges auf dem Grundstück B und zur Verlegung und Unterhaltung von unter dem Weg verlaufenden Versorgungs- und Abwasserleitungen berechtigt. Schließlich bietet die Grunddienstbarkeit keine Ge46 Vergleiche die Legaldefinitionen der Landesbauordnungen, z. B. § 71 I 1 LBO BW; § 80 I 1 SächsBO; § 86 I 1 LBauO RLP; § 83 I 1 LBO NRW. Die Landesbauordnungen von Bayern und Brandenburg kennen das Rechtsinstitut der Baulast nicht. Einen Überblick über die Baulast geben Riedel NZBau 2006, 565 f.; Steinkamp MittRhNotK 1998, 117, ff.; ausführlich zu in der Notarpraxis relevanten Fragestellungen SchmitzVornmoor RNotZ 2007, 121 ff.; zu den zivilrechtlichen Aspekten Masloh NJW 1995, 1993 ff. 47 Vergleiche z. B. § 80 I 2 SächsBO; § 86 I 2 LBauO RLP; § 83 I 3 LBO NRW. Allein in Baden-Württemberg wird die Baulast bereits durch die Erklärung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wirksam, die Eintragung in das Baulastenverzeichnis ist lediglich deklaratorisch, §§ 71 I 2, 72 I LBO BW. 48 Steinkamp MittRhNotK 1998, 117, 117; Weisemann NJW 1997, 2857, 2858. Eine „Eigenbaulast“ liegt vor, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks zugleich der Eigentümer des begünstigten Grundstücks ist; dazu Steinkamp MittRhNotK 1998, 117. 49 OLG Frankfurt NVwZ 1988, 1162, 1163; Kluth/Neuhäuser NVwZ 1996, 738, 740; Meendermann NJW 1993, 424, 425; Steinkamp MittRhNotK 1998, 117, 117; Weisemann NJW 1997, 2857, 2858; mit Beispielen Masloh NJW 1995, 1993, 1993. 50 Zum Sachverhalt siehe BGH NJW 1989, 1607, 1607 f.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

währ für eine dauerhafte Aufrechterhaltung der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Denn die Grunddienstbarkeit kann gemäß § 875 I 1 BGB durch die Erklärung des Berechtigten und die Löschung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch wieder aufgehoben werden. Die Baulast hingegen kann nur durch – mit Löschung der Baulast im Baulastenverzeichnis wirksamen – Verzicht der zuständigen Behörde wieder beseitigt werden51 und stellt auf diese Weise die dauerhafte Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften sicher. Dass in den vom BGH entschiedenen Fällen zwar eine Grunddienstbarkeit, nicht aber eine dieser inhaltlich entsprechende Baulast bestand, obwohl gerade von letzterer die Rechtmäßigkeit des geplanten Bauvorhabens und damit die Erteilung einer Baugenehmigung abhängig war, lag daran, dass sich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung seit dem Zeitpunkt der Bestellung der Grunddienstbarkeit geändert hatten. Zu dem Zeitpunkt, als die Grunddienstbarkeit bestellt worden war, war für die Erteilung einer Baugenehmigung noch die privatrechtliche Absicherung der zur Rechtmäßigkeit des Vorhabens erforderlichen Verhältnisse durch eine entsprechende Grunddienstbarkeit ausreichend gewesen. Mittlerweile jedoch genügte eine solche privatrechtliche Absicherung nicht mehr. Es bedurfte vielmehr einer öffentlich-rechtlichen Absicherung durch eine entsprechende Baulast. So muss beispielsweise52 seit der Novellierung der nordrhein-westfälischen Landesbauordnung von 1984 gemäß § 4 I Nr. 1 BauO NRW53 das zu bebauende Grundstück an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegen oder eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt haben. Vor der Novellierung hingegen reichte es gemäß § 4 IV BauO NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 197054 aus, wenn das Grundstück über einen eigenen Zugang verfügte, wofür die Rechtsprechung die Sicherung des Zugangs zur öffentlichen Verkehrsfläche durch eine Grunddienstbarkeit ausreichen ließ55. Dementsprechend hatte für die Parteien bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit vor 1984 überhaupt kein Anlass bestanden, auch die Über-

51 Vgl. § 71 III LBO BW (Wirksamkeit des Verzichts auch ohne Eintrag ins Baulastenverzeichnis); § 80 III SächBO; § 86 IV LBauO RLP; § 83 III BauO NRW. 52 BGH NJW 1989, 1607, 1608. 53 § 4 I Nr. 1 BauO NRW lautet: „Gebäude dürfen nur errichtet werden, wenn gesichert ist, dass bis zum Beginn ihrer Benutzung das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder das Grundstück eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat; Wohnwege, an denen nur Gebäude geringer Höhe zulässig sind, brauchen nur befahrbar zu sein, wenn sie länger als 50 m sind.“ 54 § 4 IV BauO NRW in der Fassung vom 27. Januar 1970 lautet: „Ausnahmen von Absatz 2 Nr. 2 können gestattet werden, wenn das Grundstück einen eigenen oder einen öffentlich-rechtlich gesicherten fremden Zugang in einer solchen Breite zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat, dass der Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten ohne Schwierigkeiten möglich ist.“ 55 Dazu BGH NJW 1989, 1607, 1608 mit Nachweisen auch für die Gegenmeinung.

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nahme einer mit der Grunddienstbarkeit inhaltlich übereinstimmenden Baulast auch nur in Erwägung zu ziehen56. b) Lösung des BGH Der BGH bejaht seit seinem Urteil vom 3. Februar 198957 in ständiger Rechtsprechung58 unter bestimmten Voraussetzungen das Bestehen eines Anspruchs des Eigentümers des herrschenden Grundstücks gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Übernahme einer der Grunddienstbarkeit inhaltlich entsprechenden Baulast. Dieser Anspruch soll sich aus dem – vom BGH angenommenen – gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des dienenden und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks ergeben. Aus dem durch die Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis könnten sich – wie der BGH in den Gründen zum Urteil vom 3. Februar 1989 ausführt – nicht nur für den Eigentümer des herrschenden, sondern auch für den Eigentümer des dienenden Grundstücks Pflichten zu einem positiven Tun als Nebenpflichten ergeben59. Um Nebenpflichten zu einem positiven Tun handle es sich dabei deswegen, weil die Pflicht zu einem positiven Tun nicht wesentlicher Inhalt der Grunddienstbarkeit sein könne60. Das Bestehen solcher Nebenpflichten sei auch über den im Gesetz ausdrücklich geregelten Umfang hinaus möglich, da für den Dienstbarkeitsumfang das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgeblich sei61. Wachse dieses Bedürfnis nachträglich, werde dadurch der Umfang der sich aus der Dienstbarkeit ergebenden Rechte und Pflichten erweitert, sofern sich die Steigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des dienenden Grundstücks halte und nicht auf eine unvorhersehbare willkürliche Änderung in der Benutzung des herrschenden Grundstücks zurückzuführen sei62. Die „Abgrenzung der aus der Grunddienstbarkeit und dem hierdurch begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis hergeleiteten Rechte und Pflichten“ 63 beruhe im Kern auf einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen und damit auf dem Grundsatz von Treu und Glauben64. 56

So auch BGH NJW 1989, 1607, 1609. BGH NJW 1989, 1607 ff. 58 BGH NJW 1992, 2885 ff.; BGH NVwZ 1990, 192 ff. (anders noch das Berufungsgericht OLG Frankfurt, NVwZ 1988, 1162 ff.); BGH NJW-RR 1991, 333, 334; BGH NJW-RR 1995, 15, 16. So auch LG Konstanz NVwZ 1992, 1022 f.; LG Bochum RNotZ 2002, 405, 405; OLG Hamm BeckRS 2014, 00226. 59 BGH NJW 1989, 1607, 1608. 60 BGH NJW 1989, 1607, 1608. 61 BGH NJW 1989, 1607, 1608. 62 BGH NJW 1989, 1607, 1608. 63 BGH NJW 1989, 1607, 1608. 64 BGH NJW 1989, 1607, 1608; ebenso BGH NVwZ 1990, 192, 193. 57

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Einen Vorrang der Interessen des Eigentümers des herrschenden Grundstücks und damit das Bestehen eines Anspruchs gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Übernahme einer Baulast nimmt der BGH unter folgenden vier Voraussetzungen an: Die Grunddienstbarkeit muss erstens zu dem Zweck bestellt worden sein, dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks eine Bebauung des Grundstücks zu ermöglichen. Die Übernahme der Baulast muss zweitens zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks sein, es darf also keine Befreiung vom Baulastzwang in Betracht kommen. Drittens darf bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit kein Anlass bestanden haben, die Übernahme einer Baulast in Erwägung zu ziehen. Viertens müssen Inhalt und Umfang der geforderten Baulast dem Inhalt der Grunddienstbarkeit entsprechen65. Unter diesen Voraussetzungen überwögen die Interessen des Eigentümers des herrschenden Grundstücks. Dass die Baulast als öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Eigentümers des dienenden Grundstücks, die nur durch Verzicht der zuständigen Behörde wieder aufgehoben werden könne, eine zusätzliche Belastung für den Eigentümer des dienenden Grundstückes darstelle, ändere hieran nichts66. Denn wirtschaftliche Auswirkungen könne diese zusätzliche Belastung in der Regel erst bei einem Verzicht des Eigentümers des herrschenden Grundstücks auf die Grunddienstbarkeit entfalten67. In diesem Fall hätte der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zwar mangels Drittwirkung der Baulast keinen Anspruch gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks. Es bestünde jedoch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung aus der Baulast fort68. Die Möglichkeit eines Verzichts des Berechtigten auf die Grunddienstbarkeit sei allerdings so fernliegend, dass es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks sich den aus der Grunddienstbarkeit ergebenden Beeinträchtigungen seiner Eigentümerrechte allein aus dem Grund entziehen könne, weil die Möglichkeit eines Verzichts auf die Dienstbarkeit nicht ausgeschlossen werden könne69. Seine Rechtsprechung, dass unter bestimmten Voraussetzungen aus dem seiner Auffassung nach bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis ein Anspruch auf die Übernahme einer Baulast folgen soll, schränkt der BGH allerdings in den Fällen ein, in denen zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer

65 BGH NJW 1992, 2885, 2886; BGH NVwZ 1990, 192, 193 f.; BGH NJW-RR 1991, 333, 334. 66 BGH NJW 1989, 1607, 1609; BGH NVwZ 1990, 192, 193 f. Das OLG Frankfurt NVwZ 1988, 1162, 1163 f. hatte gerade deshalb einen Anspruch auf Übernahme der Baulast verneint. 67 BGH NJW 1989, 1607, 1609. 68 BGH NJW 1989, 1607, 1609. 69 BGH NJW 1989, 1607, 1609; BGH NVwZ 1990, 192, 193 f.

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des dienenden Grundstücks vertragliche Bindungen bestehen70. In diesen Fällen soll sich das Bestehen eines Anspruchs auf Baulastübernahme „in erster Linie“ nach diesem Vertrag richten71, dessen Inhalt auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln sei72. Schließlich habe die vertragliche Regelung Vorrang vor dem dispositiven Gesetzesrecht73. c) Bewertung Die Ansicht des BGH, dass dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Übernahme einer mit der Grunddienstbarkeit inhaltsgleichen Baulast zusteht, wird in der Literatur, sofern sie nicht lediglich referiert wird74, meist unbedacht übernommen75. Wenn an der Ansicht des BGH Kritik geübt wird, richtet sich diese lediglich dagegen, dass der BGH aus der privatrechtlichen Grunddienstbarkeit eine Pflicht zur Übernahme einer Baulast ableitet, mit der über den Inhalt der Grunddienstbarkeit hinausgehende Wirkungen öffentlich-rechtlicher Art verbunden sind76. Die Vorgehensweise des BGH, ausgehend von der Annahme des Bestehens eines gesetzlichen Schuldverhältnisses die zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bestehenden Pflichten anhand einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen zu bestimmen, wird jedoch – soweit ersichtlich – von niemandem hinterfragt. Das überrascht. Schließlich bezieht sich der BGH in den Passagen des Urteils vom 3. Februar 1989, in denen er ausführt, dass bei der Grunddienstbarkeit Nebenpflichten zu einem positiven Tun als Gegenstand des gesetzlichen Schuldverhältnisses bestünden und die Bestimmung dieser Nebenpflichten anhand einer auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützten Interessenabwägung zu erfolgen habe, ausdrücklich auf sein – an früherer Stelle bereits thematisiertes77 – Urteil vom 25. Februar 1959.

70

BGH NJW 1994, 2757, 2758. Dazu NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 17. BGH NJW 1994, 2757, 2758. 72 BGH NJW 1994, 2757, 2758. 73 BGH NJW 1994, 2757, 2758. NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 17 vermutet, dass es sich bei dem vom BGH angenommenen Vorrang einer zwischen den Parteien geltenden schuldrechtlichen Vereinbarung um einen Fall des „dolo agit“ (§ 242 BGB) dergestalt handele, dass es nicht darauf ankomme, ob die Dienstbarkeit [gemeint ist wohl das gesetzliche Schuldverhältnis bei der Grunddienstbarkeit] weitergehende Ansprüche gewähre, wenn diese schuldrechtlich ohnehin nicht ausgeübt werden dürften. 74 Masloh NJW 1995, 1993, 1995; Steinkamp MittRhNotK 1998, 117, 125. 75 So Meendermann NJW 1993, 424, 426. 76 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136. 77 Siehe dazu S. 162 ff. 71

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Dieses Urteil stimmt mit dem Urteil vom 3. Februar 1989 inhaltlich jedoch nur insofern überein, als der BGH auch im Urteil vom 25. Februar 1959 sowohl vom Bestehen von Nebenpflichten zu einem positiven Tun bei der Grunddienstbarkeit ausging als auch deren Umfang anhand einer aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleiteten Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen bestimmte. Doch während der BGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1959 noch behauptete, dass es sich bei diesen Nebenpflichten gerade nicht um gesetzliche Schuldverhältnisse handele, die neben der Dienstbarkeit stünden, sondern um die Abgrenzung der Dienstbarkeit selbst, sieht er die Nebenpflichten in seinem Urteil vom 3. Februar 1989 nunmehr als Gegenstand eines zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bestehenden Schuldverhältnisses an. Ungeachtet dieser veränderten rechtlichen Einordnung der Nebenpflichten hält der BGH auch in seinem Urteil vom 3. Februar 1989 an seiner bisherigen Vorgehensweise bei der Bestimmung des Umfangs dieser Nebenpflichten fest; eine Begründung hierfür gibt er allerdings nicht. Dass es für die Bestimmung des Inhalts der Nebenpflichten unerheblich sein soll, ob es sich dabei um Abgrenzungen der Dienstbarkeit selbst oder um gesetzliche Schuldverhältnisse handelt, erscheint zumindest fraglich. Der BGH geht also nicht nur, ohne dies überhaupt je untersucht zu haben, von der Annahme eines zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses aus, welches seiner Ansicht nach über den gesetzlich in den §§ 1020 ff. BGB geregelten Umfang hinaus Nebenpflichten enthalten soll. Er bestimmt auch Art und Umfang dieser Pflichten mithilfe einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen, ohne überhaupt zu begründen, warum er diese Vorgehensweise unabhängig davon wählt, ob er diese Pflichten rechtlich als Abgrenzungen des dinglichen Rechts oder als Gegenstand eines gesetzlichen Schuldverhältnisses einordnet.

B. Literatur Wie der BGH geht auch die einhellige Auffassung in der Literatur78 von dem Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks aus. Ihre Auffassung begründet sie im Wesentlichen mit den Argumenten, die sich im Urteil des BGH vom 28. Juni 1985 wiederfinden: 78 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1982, 396, 410; MüKo/ Joost § 1018 RdNr. 9; jurisPK-BGB/Münch § 1020 RdNr. 1; Kern, Typizität, S. 116; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 134 ff.; Möller, Servituten, S. 404; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1152; Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 35; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1. So bereits Staudinger(1903)/ Kober § 1020 vor 1.

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Ausgehend von der – ohne Begründung aufgestellten – Behauptung, dass die §§ 1020 ff. BGB Pflichten der Grundstückseigentümer festlegten, wird auf das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses geschlossen79. Zur Absicherung dieses Ergebnisses wird auf die systematische Stellung der Grunddienstbarkeit im gleichen Abschnitt mit dem Nießbrauch, der ja ebenfalls ein gesetzliches Schuldverhältnis begründen soll, hingewiesen80. Wie auch der BGH versäumt es die Literatur jedoch, die Grundannahme, dass die §§ 1020 ff. BGB Pflichten statuieren, auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen. Stattdessen beschränkt sich die Literatur darauf, das ihrer Meinung nach zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bestehende Schuldverhältnis rechtlich einzuordnen (I.) und zu untersuchen, welche Folgen sich aus dieser Einordnung für die rechtliche Behandlung dieses Schuldverhältnisses ergeben (II.)81. Besonders viel Raum nimmt in diesem Rahmen die Beantwortung der Frage ein, ob und in welchem Umfang dieses Schuldverhältnis durch die Beteiligten privatautonom gestaltet werden kann (II.3.). I. Rechtliche Einordnung des Schuldverhältnisses als Zwitter zwischen Schuld- und Sachenrecht Die Besonderheit des meist als „Begleitschuldverhältnis“ 82, aber auch als „Binnenverhältnis“ 83, „dingliches84“ oder „verdinglichtes Schuldverhältnis85“ bezeichneten Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks soll nach Auffassung der Literatur darin bestehen, dass es sowohl schuldrechtliche als auch dingliche Elemente enthalte86, also eine Zwitterstellung zwischen schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Rechtsinstituten einnehme87. 79 Amann DNotZ 1982, 396, 410; MüKo/Joost § 1018 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 134; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1. 80 Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1. Laut MüKo/Joost § 1018 RdNr. 9 sollen die §§ 1020 ff. BGB auf dem gleichen Gedanken beruhen wie die §§ 1036 ff. BGB und auch die §§ 1214 ff. BGB: Denjenigen, der durch die (Mit-)Nutzung bzw. Verwahrung einer fremden Sache Vertrauen für sich in Anspruch nehme, träfen gesteigerte Sorgfalts- und Schutzpflichten. 81 Eine solche Zusammenstellung findet sich etwa bei Amann DNotZ 1989, 531, 534 ff.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 6 ff.; knapp Heß AcP 197 (1997), 489, 492 f.; 502 f. 82 Amann DNotZ 1989, 531, 534; Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; MüKo/ Joost § 1018 RdNr. 9. 83 Heß AcP 197 (1997), 489, 502; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1. 84 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136. 85 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 2. 86 Amann DNotZ 1982, 396, 408 f.; Amann DNotZ 1989, 531, 536; Staudinger/ Mayer § 1018 RdNr. 136. 87 Amann DNotZ 1989, 531, 536.

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Die von ihr angenommene Zwitterstellung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses führt die Literatur darauf zurück, dass es sich bei dem mit Bestellung der Grunddienstbarkeit kraft Gesetz entstehenden Rechtsverhältnis einerseits um ein Schuldverhältnis handle, dieses Schuldverhältnis aber andererseits zum Inhalt des dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit gehöre88. Die Grunddienstbarkeit habe also insofern ein „janusköpfiges Gesicht“ 89, als sie neben ihrem „dinglichen Kern“ 90 auch ein obligatorisches Rechtsverhältnis zwischen den Eigentümern der an der Grunddienstbarkeit beteiligten Grundstücke enthalte91. Angesichts der in den Gesetzesmaterialien stets betonten strikten Trennung zwischen dem obligatorischen Recht als der Regelung des Rechtsverhältnisses von Personen untereinander auf der einen Seite und dem dinglichen Recht als der Regelung des Rechtsverhältnisses einer Person zu einer Sache auf der anderen Seite92, überrascht die Aussage, dass ein obligatorisches Recht zugleich Inhalt eines dinglichen Rechts sein soll. Ob sie zutrifft, ist allerdings eine Frage, die sich erst stellt, wenn sich die Grundannahme von Literatur und Rechtsprechung, nämlich dass zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bei der Grunddienstbarkeit ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht, als richtig erweisen sollte. Auf diese Frage wird daher gegebenenfalls an anderer Stelle zurückzukommen sein93.

88 Amann DNotZ 1989, 531, 543; Heß AcP 197 (1997), 489, 502 f.; Staudinger/ Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 2, 6, 20. Dabei erfolgt die Einordnung des Begleitschuldverhältnisses als Inhalt des dinglichen Rechts unabhängig davon, ob § 1020 BGB als Beschränkung der Ausübung der Grunddienstbarkeit oder als Beschränkung der Grunddienstbarkeit selbst angesehen wird (zu diesem Problemkreis siehe MüKo/Joost § 1020 RdNr. 2; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 4). Dass das Schuldverhältnis nicht Inhalt der Grunddienstbarkeit, sondern selbständig neben dieser stehen soll, wird, soweit ersichtlich – entgegen der Behauptung von Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 20 Fn. 67 –, von niemandem ausdrücklich vertreten. Allenfalls die Formulierung von Palandt/Bassenge § 1018 RdNr. 1 („neben der Grunddienstbarkeit als dingliches Recht besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis“) deutet auf dieses Verständnis des gesetzlichen Schuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit hin. 89 Heß AcP 197 (1997), 489, 502. Diese Formulierung greift NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 21 auf. 90 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 21. 91 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 21. 92 Motive III, S. 1 f. = Mugdan, Materialien III, S. 1; Johow, Sachenrecht I, S. 3. 93 Zur Frage, ob der durch § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründete schuldrechtliche Anspruch – so das Ergebnis der Untersuchung auf S. 309 ff. – Teil des dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit ist, siehe S. 320 f. Zur Frage, ob der durch § 1023 I 1 Hs. 2 BGB begründete schuldrechtliche Anspruch – so das Ergebnis der Untersuchung auf S. 331 ff. – Teil des dinglichen Rechts ist, siehe S. 334.

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II. Aus der angenommenen Zwitterstellung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses abgeleitete Rechtsfolgen Die von ihr angenommene Zwitterstellung des Begleitschuldverhältnisses zwischen Schuld- und Sachenrecht wirkt sich nach Auffassung der Literatur darauf aus, wie das Begleitschuldverhältnis rechtlich zu behandeln ist. Einigkeit herrscht dabei darüber, dass auf das Schuldverhältnis grundsätzlich die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften, wie zum Beispiel die der §§ 241, 242, 278 BGB und der §§ 280 ff. BGB, Anwendung finden sollen94. Besonderheiten gegenüber der rechtlichen Behandlung sonstiger Schuldverhältnisse sollen sich – auch insoweit herrscht Einigkeit – allerdings daraus ergeben, dass das Begleitschuldverhältnis als Inhalt des dinglichen Rechts untrennbar mit diesem verknüpft sei95. Welche Besonderheiten dies jedoch im Einzelnen sein sollen, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Welche – teils unterschiedlichen – Schlussfolgerungen die Literatur aus der von ihr angenommenen untrennbaren Verknüpfung des Begleitschuldverhältnisses mit dem dinglichen Recht in Hinblick auf die rechtliche Behandlung dieses Schuldverhältnisses zieht, bildet den Gegenstand der folgenden Ausführungen. Auf eine rechtliche Bewertung wird dabei verzichtet. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich, sollte die weitere Untersuchung96 ergeben, dass ein solches Schuldverhältnis entweder überhaupt nicht existiert oder es zumindest nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts gehört, sämtliche Überlegungen, die auf dieser Annahme aufbauen, als gegenstandslos erweisen. 1. Wirkung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses gegenüber Rechtsnachfolgern Die Besonderheit des Begleitschuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit gegenüber anderen Schuldverhältnisses soll nach Auffassung der Literatur darin bestehen, dass es aufgrund seiner untrennbaren Verknüpfung mit dem dinglichen Recht insofern dingliche Wirkung entfalte, als es nicht nur zwischen den ursprünglich an der Bestellung der Grunddienstbarkeit beteiligten Eigentümern, sondern automatisch, also kraft Gesetzes, ohne dass es einer entsprechenden Parteivereinbarung bedürfe, für und gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks und den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks wirke97. 94

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1, 6, 13. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 6. 96 Siehe S. 192 ff. 97 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1989, 531, 535 f.; Heß AcP 197 (1997), 489, 493; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 2. 95

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Diese dem Begleitschuldverhältnis zugeschriebene dingliche Wirkung wird als „Sukzessionswirkung“ bezeichnet98. Eine Erläuterung, welche rechtliche Konstruktion sich hinter diesem Begriff verbirgt, sucht man allerdings vergeblich. So bleibt unklar, ob mit dem Begriff der „Sukzessionswirkung“ zum Ausdruck gebracht werden soll, dass bei einem Eigentümerwechsel der neue Eigentümer des Grundstücks an die Stelle des ursprünglichen Eigentümers tritt, ob also das ursprüngliche Schuldverhältnis mit veränderter Besetzung bestehen bleiben soll, oder ob mit einem Wechsel in der Person eines der beiden oder beider Grundstückseigentümer zwischen den derzeitigen Eigentümern kraft Gesetzes ein neues Begleitschuldverhältnis entstehen soll. Zwar legt die Bezeichnung als „Sukzessionswirkung“ erstere Konstruktion nahe. Doch lassen sich Aussagen wie die von Otto, dass die zur Wiederherstellung des vereinbarten Zustandes erforderliche Unterhaltungsleistung von dem jeweils aktuellen Eigentümer insgesamt geschuldet sei99, durchaus auch so verstehen, dass bei einem Eigentümerwechsel nicht die Verpflichtung des alten Eigentümers auf den neuen Eigentümer übergeht, sondern in der Person des neuen Eigentümers die Verpflichtung zur Erbringung der Unterhaltungsleistung neu entsteht. Vor diesem Hintergrund verwundert es denn auch nicht, dass die Literatur die Frage, ob bei einem Eigentümerwechsel eine zum Begleitschuldverhältnis gehörende Pflicht, welche beim Eigentümerwechsel zwar fällig, aber noch nicht erfüllt ist, vom ursprünglichen oder vom neuen Eigentümer zu erfüllen ist, nicht mithilfe der hinter der „Sukzessionswirkung“ stehenden rechtlichen Konstruktion zu beantworten versucht, sondern stattdessen Sachgerechtigkeitserwägungen anstellt. Otto100 und Mayer101 halten es für „sachgerecht“ 102, „auf das gesetzliche Modell des § 1108 BGB abzustellen“ 103, auf das auch der Gesetzgeber für den Fall der Unterhaltungspflicht in § 1021 II BGB zurückgreife. Jeder Grundstückseigentümer soll also nur für die Pflichten haften, die fällig werden, während er Eigen-

98 Heß AcP 197 (1997), 489, 493; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136. NK-BGB/ Otto § 1020 RdNr. 2 spricht von „Sukzessivwirkung“. Amann DNotZ 1989, 531, 536 hingegen verwendet den Begriff der Sukzessionswirkung nicht, sondern spricht von „verdinglichten Leistungspflichten aus der Dienstbarkeit“. 99 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 11. 100 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 11. 101 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. 102 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a; laut NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 11 „bietet [es] sich an“. 103 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 11 spricht davon, „auf den Gedanken des § 1108 zurückzugreifen“. Was mit diesen Formulierungen rechtstechnisch ausgedrückt sein soll, bleibt unklar. Es lässt sich nur vermuten, dass damit die analoge Anwendung des § 1108 BGB gemeint ist.

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tümer ist. Abweichend hiervon soll der Eigentümer des Grundstückes jedoch auch für vor dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bereits fällige Pflichten einzustehen haben, deren Erfüllung nach den vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisses noch gefordert sei, wie beispielsweise beim „Reparaturstau“ einer Anlage104. Denn schließlich schulde der jeweils aktuelle Eigentümer die Wiederherstellung des vereinbarten Zustandes insgesamt und nicht nur die Beseitigung der seit dem Eigentümerwechsel eingetretenen Verschlechterung105. Außerdem habe der momentane Eigentümer unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt in der Regel erkennen können, was auf ihn zukomme, und den Eintritt der Rechtsnachfolge gegebenenfalls verhindern können106. Amann hingegen will zwischen verschiedenen Arten von Leistungspflichten differenzieren. Bei wiederkehrenden Leistungspflichten befürwortet er eine entsprechende Anwendung des § 1108 BGB. Der Eigentümer habe nur die Pflichten zu erfüllen, die fällig würden, während er Eigentümer des Grundstückes sei107. Bei wiederkehrenden Leistungen, deren Fälligkeitszeitpunkt sich nicht präzise bestimmen lasse und die an die Sachherrschaft über das Grundstück gebunden sei, wie beispielsweise bei Unterhaltungsmaßnahmen, sei hiervon allerdings eine Ausnahme zu machen. In diesen Fällen solle jedenfalls dann auch der neue Eigentümer verpflichtet sein, wenn er das Haftungsrisiko vor dem Eigentumserwerb nicht nur abstrakt aus dem Grundbuch, sondern daneben aus dem tatsächlichen Zustand des betroffenen Grundstücks habe erkennen können108. Bei Pflichten zu einmaligen Leistungen will Amann je nach der Eigenart der betreffenden Pflicht entscheiden109. 2. Auswirkungen auf die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen Die von der Literatur angenommene untrennbare Verknüpfung des Begleitschuldverhältnisses mit dem dinglichen Recht wirkt sich nach Auffassung von Teilen der Literatur110 zudem auf die Anwendbarkeit der allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften auf dieses Schuldverhältnis aus. Da das dingliche Recht in seinem Kernbestand dem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis vorgehe, soll die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen im Rahmen des Begleitschuldver104

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 11. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 11. 106 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. 107 Amann DNotZ 1989, 531, 553. 108 Amann DNotZ 1989, 531, 553 f. 109 Amann DNotZ 1989, 531, 554. 110 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 6. Meist wird – worauf NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 7 für die Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 ff. BGB zutreffend hinweist – in der Literatur die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen pauschal bejaht; siehe nur Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1, 3. 105

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hältnisses insoweit ausgeschlossen sein, als „sie sich auf den Bestand des gesetzlichen Schuldverhältnisses und damit letztlich auch auf die Dienstbarkeit selbst auswirk[t]en“ 111. So soll dieser Auffassung nach eine Abtretung der Ansprüche aus dem Begleitschuldverhältnis nur möglich sein, wenn „diese sich von den Verhältnissen des Grundstücks bereits gelöst“ 112 hätten, es sich um selbständige Einzelansprüche113 handle, welche für den Rechtsnachfolger keine Bedeutung mehr besäßen114. Nicht unabhängig von der Grunddienstbarkeit übertragen werden könnten hingegen diejenigen Ansprüche aus dem Begleitschuldverhältnis, die noch nicht entstanden seien oder zwar entstanden seien, aber für künftige Eigentümer des dienenden oder des herrschenden Grundstücks deshalb von Bedeutung seien, weil sie sich auf die künftige Ausübung der Grunddienstbarkeit bezögen115. Dementsprechend sollen Aufhebung und Änderung von Ansprüchen aus dem Begleitschuldverhältnis nur dann nach den schuldrechtlichen Vorschriften der §§ 397, 311 BGB erfolgen können, wenn es sich dabei um selbständige Einzelansprüche handle, die für den Rechtsnachfolger keine Bedeutung mehr besäßen116. Andernfalls handle es sich um eine Änderung des Inhalts der Grunddienstbarkeit, auf die § 877 BGB anzuwenden sei117. Ob sich die Verknüpfung des Begleitschuldverhältnisses mit dem dinglichen Recht auch auf die Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB auswirkt, wird in der Literatur – sofern überhaupt problematisiert118 – unterschiedlich beurteilt. Nach Auffassung von Otto119 soll ein Anspruch auf Schadensersatz ausgeschlossen sein, wenn das Verlangen nach Schadensersatz bei Anwendung der schuldrechtlichen Vorschriften den Untergang der primären Leistungspflicht zur Folge habe, gleichzeitig aber die pflichtenbegründenden Umstände fortbestünden; dies sei beispielsweise bei Unterhaltungsrückständen der Fall120. So komme etwa in dem Fall, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks seine Unterhaltungspflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB nicht erfülle, indem er beispielsweise notwendige Sicherungsmaßnahmen nicht vornehme, ein Anspruch 111

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136; ähnlich NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 6. NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 10. 113 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. 114 Amann DNotZ 1989, 531, 559 f.; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. 115 Amann DNotZ 1989, 531, 559. 116 Amann DNotZ 1989, 531, 559; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 12. 117 Amann DNotZ 1989, 531, 559. 118 Heß AcP 197 (1997), 489, 503 begnügt sich mit der Aussage: „. . . die aus dem Binnenverhältnis (quasi als „Stammrecht“) entspringenden Einzelansprüche (z. B. auf Aufwendungs- oder Schadensersatz) unterstehen dem Leistungsstörungsrecht.“ 119 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 7. 120 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9. 112

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auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 I BGB nicht in Betracht121. Denn gewähre man in diesem Fall einen Anspruch auf Schadensersatz, so gehe die Unterhaltungspflicht gemäß § 281 IV BGB zugleich mit dem Ersatzverlangen unter, und zwar unabhängig davon, ob der Berechtigte die eingeforderte Unterhaltungsmaßnahme tatsächlich anstelle des Verpflichteten vornehme oder den als Schadensersatz erhaltenen Geldbetrag anderweitig verwende122. Diesem Ergebnis – Untergang der Pflicht zur Vornahme der Sicherungsmaßnahme bei gleichzeitigem Fortbestand der tatsächlichen Lage der Grundstücke – stehe jedoch entgegen, dass nach einem Eigentümerwechsel bei einem der an der Grunddienstbarkeit beteiligten Grundstücke die verdinglichte Unterhaltungspflicht wieder „durchdringe“ 123. Für Schäden, die aufgrund einer schuldhaften Verletzung der Unterhaltungspflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB am dienenden Grundstück eingetreten seien, könne der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks hingegen Schadensersatz gemäß § 280 I BGB verlangen124. Denn auch wenn der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Schäden an seinem Grundstück nicht beseitigt habe, könne sein Rechtsnachfolger für die Folgen einer früheren Pflichtverletzung des Eigentümers des herrschenden Grundstücks oder dessen Rechtsvorgängers keinen Ersatz verlangen125. Schließlich habe dieser bereits ein beschädigtes Grundstücks erworben126. Im Gegensatz zu Otto ist Mayer127 der Auffassung, dass die Verknüpfung des Begleitschuldverhältnisses mit dem dinglichen Recht keine Auswirkung auf die Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB habe. Erfülle der Eigentümer des herrschenden Grundstücks seine Unterhaltungspflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB nicht, so habe der Eigentümer des dienenden Grundstücks einen Anspruch auf Schadens121

NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9. NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9. 123 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9. 124 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 8. Die Anwendung des § 282 BGB soll regelmäßig schon aufgrund der Verbindung der Grundstückseigentümer durch das dingliche Recht ausscheiden. Denn aufgrund dieser Verbindung sei ihnen auch bei häufiger Verletzung einer Schutzpflicht gemäß § 241 II BGB der Fortbestand des Schuldverhältnisses zumutbar (NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9). Sieht man das Begleitschuldverhältnis als mit dem dinglichen Recht untrennbar verbunden an, kann es jedoch auf die Frage der Zumutbarkeit von vorneherein nicht ankommen. Wird die Erfüllung einer Unterhaltsverpflichtung unmöglich, etwa weil der Berechtigte sie selbst vorgenommen hat, und hat der Verpflichtete dies zu vertreten, soll ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 I, III, 283 BGB gegeben sein. Es handle sich um einen abgeschlossenen Vorgang, der mit dem von einem Rechtsnachfolger vorgefundenen Verhältnis der Grundstücke zueinander nichts zu tun habe (NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9). 125 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 8. 126 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 8. 127 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. 122

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ersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 I BGB128. Dagegen lasse sich nicht einwenden, dass gemäß § 281 IV BGB die Unterhaltungspflicht auch untergehe, wenn sich an der tatsächlichen Lage des Grundstückes nichts ändere129. Denn anders als von Otto behauptet, bewirke ein Eigentümerwechsel beim dienenden Grundstück kein „Wiederaufleben“ der Unterhaltungspflicht130. Der neue Eigentümer müsse das Grundstück in dem bestehenden Zustand übernehmen. Dazu gehöre auch, dass er einen Anspruch auf Unterhaltung nur wegen der Verschlechterungen habe, die nach dem Eigentumsübergang eingetreten seien131. Mit dieser Aussage setzt Mayer sich allerdings in Widerspruch zu seiner in der gleichen Randnummer aufgestellten Behauptung, dass der neue Eigentümer die Wiederherstellung des der Grunddienstbarkeit entsprechenden Zustandes insgesamt schulde132. Zusammenfassend herrscht in der Literatur zwar Einigkeit hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen auf das Begleitschuldverhältnis. Doch kommen die wenigen Ausführungen, die über die pauschale Behauptung der Anwendbarkeit schuldrechtlicher Normen auf das Begleitschuldverhältnis hinausgehen, zu unterschiedlichen Ergebnissen, sobald es um die Frage nach der Anwendbarkeit der allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüche aus den §§ 280 ff. BGB geht. Der Grund hierfür ist das Bestehen unterschiedlicher Ansichten hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen ein Eigentümerwechsel auf die Rechte und Pflichten aus dem Begleitschuldverhältnis hat. Abhängig von der jeweiligen Auffassung hinsichtlich der Auswirkungen eines Eigentümerwechsels werden unterschiedliche Schlüsse auf das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen zwischen den ursprünglichen Grundstückseigentümern gezogen. Auch die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Anwendung der §§ 280 ff. BGB auf das Begleitschuldverhältnisses beruhen damit letztlich darauf, dass zwar das Bestehen einer „Sukzessionswirkung“ des Begleitschuldverhältnisses in der Literatur unumstritten ist, aber nicht geklärt ist, welche rechtliche Konstruktion hinter diesem Begriff steht. 3. Inhalt des Begleitschuldverhältnisses: gesetzlicher Umfang und privatautonome Ausgestaltungsmöglichkeiten Die von der Literatur angenommene Zwitterstellung des Begleitschuldverhältnisses zwischen Schuldrecht und Sachenrecht soll sich auch auf seinen möglichen Inhalt auswirken. 128 129 130 131 132

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136a.

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Gesetzlicher Inhalt des Begleitschuldverhältnisses sollen zum einen die ausdrücklich in den §§ 1020 ff. BGB geregelten Pflichten sein133. Darüber hinaus sollen zum anderen – je nach dem Inhalt der konkreten Grunddienstbarkeit – auch Schutzpflichten gemäß § 241 II BGB zum gesetzlichen Inhalt des Begleitschuldverhältnisses gehören134. Als Schuldverhältnis soll das Begleitschuldverhältnis dabei, anders als die Grunddienstbarkeit in ihrem „dinglichen Kern“ 135, auch Pflichten zu einem positiven Tun enthalten können136. 133

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 134. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 135. Die bei Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 135 angeführten Beispielsfälle lassen sich allerdings auch ohne die Annahme von aus einem Begleitschuldverhältnis erwachsenden Schutzpflichten lösen. So ist es in dem Fall, dass ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit des Inhalts belastet ist, dass der Eigentümer dieses Grundstücks von dem herrschenden Grundstück ausgehenden Baumwurf zu dulden hat, nicht erforderlich, aus dem Begleitschuldverhältnis eine Schutzpflicht des Eigentümers des herrschenden Grundstücks zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstückes abzuleiten. Denn hier wird bereits die Auslegung des Inhalts der Grunddienstbarkeit regelmäßig ergeben, dass die Duldung von Baumwurf, der auf einer nicht ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des herrschenden Grundstücks beruht, nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst ist. Überschreitet der Eigentümer des herrschenden Grundstücks sein Recht aus der Grunddienstbarkeit, indem es infolge nicht ordnungsgemäßer Bewirtschaftung zu einem Baumwurf auf das belastete Grundstück kommt, steht dem Eigentümer des belasteten Grundstücks gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 I BGB zu. Bei schuldhaftem Handeln kommt darüber hinaus ein Anspruch gemäß § 823 BGB in Betracht. Das Abstellen auf – aus dem Begleitschuldverhältnis erwachsende – Schutzpflichten, deren schuldhafte Verletzung einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 I BGB begründet, bedarf es demnach nicht. (Ob Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 135 in diesem Fall einen Anspruch gemäß § 280 I BGB oder § 823 I BGB annimmt, ist unklar. Einerseits leitet er aus dem Begleitschuldverhältnis eine präventive Schutzpflicht zur Vermeidung von Gefahrenquellen des Eigentümers des herrschenden Grundstücks ab. Andererseits betont er, dass sich der Eigentümer des herrschenden Grundstücks, wenn er sein Grundstück verwildern lasse, so dass es zu vermeidbaren Baumwurfschäden komme, nicht auf seine Dienstbarkeitsrechte berufen könne. Diese Formulierung erinnert an einen – in diesem Fall zu verneinenden – Rechtswidrigkeitsausschluss im Rahmen des § 823 I BGB.) Präventive Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von solchem Baumwurf, dessen Duldung nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist, können unter den Voraussetzungen des § 1004 I 2 BGB verlangt werden. Stellt man hingegen auf die aus dem Begleitschuldverhältnis erwachsende Schutzpflicht ab, kommt es auf die äußerst umstrittene Frage nach der Einklagbarkeit von Schutzpflichten an (dazu MüKo/ Bachmann § 241 RdNr. 60). Auch in dem Fall, dass bei einem Versorgungsleitungsrecht der als Ausübungsbereich festgelegte Schutzstreifen zur Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen nicht ausreicht, bedarf es der Herleitung einer entsprechenden Duldungspflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks aus dem Begleitschuldverhältnis nicht. In einem solchen Fall wird die Auslegung der Grunddienstbarkeit regelmäßig ergeben, dass der Eigentümer auch zur Duldung der für die Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen verpflichtet ist. Ist die Pflicht zur Duldung von Unterhaltungsmaßnahmen ausnahmsweise nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst, umginge man den Willen der Parteien, wenn man aus dem Begleitschuldverhältnis eine Duldungspflicht ableiten würde, die nach dem Willen der Parteien gerade nicht bestehen sollte. 135 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 21. 134

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Aufgrund der im Schuldrecht bestehenden Vertragsfreiheit soll es grundsätzlich möglich sein, den Inhalt dieses Begleitschuldverhältnisses privatautonom festzulegen, indem die gesetzlichen Regelungen abgeändert, ergänzt oder ausgeschlossen werden137. Dabei sollen sich Besonderheiten gegenüber anderen Schuldverhältnissen jedoch daraus ergeben, dass das Begleitschuldverhältnis zugleich Inhalt des dinglichen Rechts sei. Um welche Besonderheiten es sich dabei handeln soll, ist in der Literatur allerdings umstritten. Einigkeit herrscht lediglich insofern, als die privatautonome Ausgestaltung des Begleitschuldverhältnisses als Inhalt des dinglichen Rechts nach den gleichen Voraussetzungen zu erfolgen habe wie die Ausgestaltung des dinglichen Rechts selbst, also den der §§ 873 ff. BGB138. Wollten beispielsweise die Parteien bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Änderungen an der gesetzlichen Ausgestaltung des Begleitschuldverhältnisses vornehmen, etwa indem sie die gesetzlichen Regelungen abänderten oder um eigene Regelungen ergänzten, so habe dies gemäß § 873 BGB zu erfolgen; eine spätere Änderung habe gemäß § 877 BGB zu erfolgen139. Schwierigkeiten bereitet der Literatur allerdings die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang die Einordnung des Begleitschuldverhältnisses als Inhalt des dinglichen Rechts Auswirkungen auf die Möglichkeit hat, den Inhalt des Schuldverhältnisses privatautonom zu regeln140. Im Kern geht es dabei um die Fragen: Inwieweit reicht der Spielraum der Parteien bei der Ausgestaltung des verdinglichten Begleitschuldverhältnisses angesichts des im Sachenrecht geltenden Numerus-clausus-Prinzips, wonach die dinglichen Rechte nach Art und Inhalt durch Gesetz und Gewohnheitsrecht abschließend normiert sind141 und die 136

Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 136. Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 142. Ohne Begründung Amann DNotZ 1989, 531, 541 ff.; Heß AcP 197 (1997), 489, 493; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 19; Stürner AcP 194 (1994), 265, 281. 138 Heß AcP 197 (1997), 489, 503; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 22. Amann DNotZ 1989, 531, 558 f. begründet die Anwendbarkeit der §§ 873 ff. BGB damit, dass sich die bereits gesetzlich begründeten Rechte und Pflichten aus dem Begleitschuldverhältnis, die er als „integrierte Bestandteile“ der Grunddienstbarkeit bezeichnet, und die erst rechtsgeschäftlich begründeten Rechte und Pflichten häufig nur ergänzten und unscharf voneinander trennen ließen. Daher sei es „sinnvoll“, die Entstehung von Rechten und Pflichten aus dem Begleitschuldverhältnis von denselben Voraussetzungen abhängig zu machen wie die Entstehung der Dienstbarkeit. Weshalb Amann die Anwendbarkeit der §§ 873 ff. BGB nicht schlicht damit begründet, dass – wie er an anderer Stelle (Amann DNotZ 1989, 531, 543) behauptet – auch die rechtsgeschäftlich begründeten Rechte und Pflichten zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehörten, sondern – ohne nähere Ausführungen – darauf abstellt, dass ein solchen Vorgehen „sinnvoll“ sei, bleibt offen. 139 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 22. 140 Einen Überblick über den Streitstand bieten Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 144 ff.; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25 ff. 141 Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 38. Gebräuchlich ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Typenzwang als der Bindung an die vom 137

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Parteien von den gesetzlichen Regelungen nur insoweit abweichen können, als nicht der Wesensgehalt des dinglichen Rechts betroffen ist142? Schränkt die – von der Literatur angenommene – Wirkung des Begleitschuldverhältnisses auch gegenüber späteren, nicht an der Ausgestaltung beteiligten Grundstückseigentümern die Möglichkeit ein, das Begleitschuldverhältnis privatautonom auszugestalten? a) Auffassung für eine strenge Orientierung an den §§ 1020 ff. BGB Eine strenge Auffassung geht davon aus, dass das Numerus-clausus-Prinzip den Spielraum der Parteien bei der Ausgestaltung des Begleitschuldverhältnisses stark einschränkt. So will etwa Joost die Vereinbarung von Pflichten, die über das in den §§ 1021, 1022 BGB vorgesehene Maß hinausreichen, in analoger Anwendung des § 1021 I 1 BGB nur insoweit zulassen, wie diese Pflichten zur Erhaltung des dienenden Grundstücks in einem der Grunddienstbarkeit entsprechenden Zustand erforderlich sind143. Gesetzgeber nur in begrenzter Zahl geregelten Rechte und Typenfixierung als der Bindung an den vom Gesetzgeber vorgegebenen Inhalt dieser Rechte (vgl. nur Amann DNotZ 1989, 531, 542; Brehm/Berger, Sachenrecht, S. 21 f.; Stadler, Verkehrsschutz, S. 110; anders etwa Kern, Typenfixierung, S. 14, der Typenfixierung „im Sinne einer nicht exklusiven Auswahl sicher anerkannter Gestaltungen“ versteht). Zur Entbehrlichkeit dieser Differenzierung: Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 371; Staudinger/ Seiler Einl zum SachenR RdNr. 38. Gegen die Geltung des Numerus-clausus-Prinzips im BGB: Wieling, FS Hattenhauer, S. 557 ff.; Wieling, Sachenrecht, S. 9. Zu den unterschiedlichen Begriffsbildungen zum Numerus-clausus-Prinzip siehe Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 370 ff.; Jänich, Geistiges Eigentum, S. 234 f. Ausführlich zum Numerus-clausus-Prinzip siehe Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 370 ff.; Kern, Typizität, S. 18 ff., 35 ff.; Wiegand, FS Kroeschell (1987), S. 623 ff. sowie oben S. 72 Fn. 297. 142 Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 39. Wie bereits erwähnt (S. 74 Fn. 299) ist unklar, was zum „Wesensgehalt“ eines dinglichen Rechts gehört und anhand welcher Kriterien sich dieser ermitteln lässt (ähnlich Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 41). Die Frage, welchen Spielraum die Parteien bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses als Teil des dinglichen Rechts haben, ist letzlich nichts anderes als die Frage, was zum nicht disponiblen „Wesensgehalt“ der Grunddienstbarkeit gehört. 143 Während Joost bei der Kommentierung des § 1021 BGB (MüKo/Joost § 1021 RdNr. 1) betont, dass der Rahmen möglicher Vereinbarungen durch § 1021 I 1 und 2 BGB zwingend umschrieben sei, spricht er sich bei der Kommentierung des § 1018 BGB (MüKo/Joost § 1018 RdNr. 41) für die Möglichkeit der Vereinbarung von zur Erhaltung eines der Dienstbarkeit entsprechenden Zustandes erforderlichen Pflichten in analoger Anwendung des § 1021 I 1 BGB aus. Ob er darüber hinaus die Vereinbarung weiterer Pflichten in analoger Anwendung des § 1020 S. 2 BGB für zulässig hält, bleibt unklar. Dafür spricht die Formulierung „darüber hinaus“ im Anschluss an die von ihm aufgeführten Beispiele möglicher Vereinbarungen von Leistungspflichten gemäß § 1021 I 1 BGB analog. Dagegen, dass er als Beispiel die Entscheidung des BGH DNotZ 1959, 240 ff. anführt, bei der die Parteien eine Pflicht zur Errichtung von Schutzvorkehrungen gerade nicht vereinbart hatten und der BGH diese aus dem Gesetz hergeleitet hat.

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Unter Verweis auf die Rechtsklarheit als den primären Zweck des Numerusclausus-Prinzips144 tritt auch Stürner145 für einen begrenzten Gestaltungsspielraum der Parteien ein. Den Parteien sei ein Gestaltungsspielraum nur insoweit einzuräumen, als die Parteien den Regelungsbestand des Gesetzes nicht um zusätzliche Regelungen erweiterten, sondern diesen lediglich modifizierten und die Modifikation für den Rechtsverkehr vorhersehbar sei. „Besonderheiten individueller Gestaltung, die den Überblick über den gleichförmigen Inhalt des dinglichen Rechts“ störten, könnten nicht mit dinglicher Wirkung geregelt werden146. Anhand welcher Kriterien die Grenze zwischen einer bloßen Modifikation der gesetzlichen Regelung der §§ 1020 ff. BGB und einer Erweiterung dieser Regelungen um eine zusätzliche Regelung bestimmt werden soll, legt Stürner allerdings nicht dar147. So bleibt etwa in dem von Stürner angeführten Beispiel der Vereinbarung von Schließpflichten oder Schließzeiten bei Wegerechten offen, ob es sich bei dieser Vereinbarung lediglich um eine Modifikation der in § 1020 S. 1 BGB allgemein geregelten Schonungspflicht oder bereits um eine über den gesetzlichen Regelungsbestand hinausgehende Vereinbarung handeln soll. Zudem erscheint fraglich, ob es bei der Grunddienstbarkeit überhaupt einen gleichförmigen Inhalt des dinglichen Rechts gibt, der als Maßstab für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit dienen könnte. Schließlich zeichnet sich die Grunddienstbarkeit gerade dadurch aus, dass die Parteien den Inhalt der Grunddienstbarkeit – innerhalb der gesetzlichen Grenzen148 – selbst festlegen können und müssen, woraus sich eine unendliche Vielzahl unterschiedlich ausgestalteter Grunddienstbarkeiten ergibt149. Auch die allgemeinen inhaltlichen Grenzen der Grunddienstbarkeit scheiden als Maßstab, um die Vorhersehbarkeit der durch die Parteien vorgenommenen Modifikation der gesetzlichen Regelungen zu beurteilen, aus. Denn unabhängig davon, wo genau die Grenze zwischen einer bloßen Modifikation der gesetzlichen Regelungen und deren Erweiterung verläuft, müsste – folgt man der Ansicht Stürners – zumindest eine Regelung, welche über die allgemeinen inhaltlichen Grenzen der Grunddienstbarkeit hinausgeht, als Erweiterung des gesetzlichen Regelungsbestandes angesehen werden. In einem solchen Fall würde sich also mangels Vorliegens einer Modifikation die 144 Nach der hier vertretenen Auffassung dient das Numerus-clausus-Prinzip in erster Linie der Verwirklichung der Eigentumskonzeption des BGB. Ob es daneben auch der Rechtsklarheit und damit dem Schutz des Rechtsverkehrs dient, ist fraglich. Siehe dazu S. 72 Fn. 297. 145 Stürner AcP 194 (1994), 265, 268, 281. 146 Stürner AcP 194 (1994), 265, 281. 147 Auch Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 147 sieht „Abgrenzungsprobleme, was eben nicht zum dinglichen Recht gehört“. 148 Siehe dazu S. 59 ff. 149 Siehe dazu ausführlich S. 70 ff.

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Frage nach deren Vorhersehbarkeit für den Rechtsverkehr von vorneherein nicht stellen. b) Auffassungen für einen weitreichenden Ausgestaltungsspielraum Die überwiegende Auffassung in der Literatur150 sieht die Gestaltungsfreiheit der Parteien jedoch nicht durch das Numerus-clausus-Prinzip auf Vereinbarungen begrenzt, die sich innerhalb des von §§ 1021, 1022 BGB gesetzten Rahmens bewegen oder bloße vorhersehbare Modifikationen des gesetzlichen Regelungsbestandes darstellen. Sie will den Parteien einen weitreichenden Gestaltungspielraum einräumen. Begründet wird dies meist damit, dass es bei der Ausgestaltung des Begleitschuldverhältnisses gerade nicht um den in den §§ 1018, 1019 BGB festgelegten Kerninhalt des dinglichen Rechts gehe151. Das im Gesetz nur generalklauselartig geregelte Begleitschuldverhältnis erfordere geradezu eine Konkretisierung im Einzelfall152. Dabei könne dem praktischen Bedürfnis der Parteien allerdings nur Genüge getan werden, wenn die getroffenen Regelungen als Teil des Begleitschuldverhältnisses und damit als Inhalt des dinglichen Rechts auch gegen etwaige Rechtsnachfolger wirkten153. Bei einer rein schuldrechtlichen, und damit nur zwischen den Vertragsparteien Wirkung entfaltenden, Vereinbarung könnten dem Eigentümer des belasteten Grundstücks schließlich nicht nur Einwendungen gegenüber neuen Eigentümern des herrschenden Grundstücks verloren gehen154, sondern es würde auch bei jedem Eigentümerwechsel eine Neuverhandlung über die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer erforderlich werden155. Allerdings soll auch nach der überwiegend in der Literatur vertretenen Ansicht die Gestaltungsfreiheit der Parteien hinsichtlich des Begleitschuldverhältnisses nicht so weit reichen, dass die Parteien nur durch die allgemein für Rechtsgeschäfte geltenden Grenzen der §§ 134, 138 BGB und – im Falle von formular150 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 150 ff.; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 27 ff. Heß AcP 197 (1997), 489, 505 sieht die Gestaltungsfreiheit durch das Numerus-claususPrinzip zwar als eingeschränkt an, allerdings nur in geringem Maße, da das BGB das Begleitschuldverhältnis kaum regele. Inwiefern sich die gesetzlichen Regelungen auf die Gestaltungsfreiheit der Parteien konkret auswirken sollen, lässt er allerdings offen. 151 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25. 152 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 26. Heß AcP 197 (1997), 489, 507 und ihm zustimmend Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 147 stellen dagegen auf die Konkretisierungsbedürftigkeit des offenen Rechtsinhalts ab (so auch NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25). Dabei bleibt fraglich, ob sie sich dabei auf den Inhalt des dinglichen Rechts exklusive des Begleitschuldverhältnisses oder das Begleitschuldverhältnis oder beides zusammen beziehen. 153 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 147. 154 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 147; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25. 155 Heß AcP 197 (1997), 489, 507; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25.

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mäßigen Vereinbarungen – durch die für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grenzen der §§ 307 ff. BGB eingeschränkt werden. Welche Grenzen die Parteien bei der Ausgestaltung des Begleitschuldverhältnisses einzuhalten haben, ist innerhalb dieser Ansicht jedoch umstritten. Gleiches gilt für die damit eng zusammenhängende Frage, woraus sich diese Grenzen überhaupt ergeben. Nach Auffassung von Heß156 liegt der Grund, der eine Beschränkung der privatautonomen Ausgestaltungsmöglichkeit des Begleitschuldverhältnisses über die Grenzen der §§ 134, 138 BGB hinaus erfordert, in der Sukzessionswirkung des Begleitschuldverhältnisses, also darin, dass das Begleitschuldverhältnis in der Ausgestaltung, die es durch die Parteien erfahren habe, auch für und gegen etwaige Rechtsnachfolger wirke. Die Parteien hätten die Möglichkeit, Dritte an das von ihnen privatautonom ausgestaltete Recht zu binden. Daher müsse, wie in allen Fällen, in denen rechtsgeschäftliche Bindungen nicht auf einer antagonistischen Verhandlungssituation der Beteiligten beruhten, sondern nur durch einseitige Unterwerfung einer Partei unter vorformulierte Bedingungen zustande kämen, eine auf dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beruhende Inhaltskontrolle stattfinden157. Dies sei notwendig, um dem Missbrauch einseitiger Gestaltungsmacht entgegenwirken zu können158. Schließlich könne es bei einem automatischen Eintritt des Rechtserwerbers in das von seinem Rechtsvorgänger ausgestaltete Begleitschuldverhältnis eine Richtigkeitsgewähr privatautonomen Handels nicht geben159. Die von ihm geforderte Inhaltskontrolle will Heß am „gesamtgesetzlichen Leitbild“ orientieren. Dabei will er nicht nur das dispositive Gesetzesrecht der Grunddienstbarkeit, sondern auch die Regelungskataloge der §§ 2 ErbbauVO, 32 f. WEG und das Gesetzesrecht zum Binnenverhältnis bei Nießbrauch und Reallast heranziehen160. Dies begründet er damit, dass die aufeinander abgestimmten Regelungsmuster zur Ausgestaltung dinglicher Rechte bei der Grunddienstbarkeit und dem Nießbrauch ein gesetzliches Leitbild ergäben 161. Weiche die individuelle Gestaltung des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses von diesem Leitbild ab, sei unabhängig vom Grad der Abweichung zusätzlich noch die Angemessenheit der konkreten Ausgestaltung zu prüfen162. Sei letztere zu verneinen, trete das dispositive Gesetzesrecht an die Stelle der Parteivereinbarung163. 156 157 158 159 160 161 162 163

Heß AcP 197 (1997), 489, 509 ff. Heß AcP 197 (1997), 489, 511. Heß AcP 197 (1997), 489, 512. Heß AcP 197 (1997), 489, 511. Heß AcP 197 (1997), 489, 513 ff. Heß AcP 197 (1997), 489, 514. Heß AcP 197 (1997), 489, 514 f. Heß AcP 197 (1997), 489, 515.

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Nicht eindeutig erkennen lassen die Ausführungen von Heß allerdings, ob das dispositive Gesetzesrecht mit Wirkung ex nunc oder ex tunc an die Stelle der Parteivereinbarung treten soll. Gilt bereits zwischen den an der Vereinbarung beteiligten Grundstückseigentümern nicht das von ihnen Vereinbarte, sondern das gesetzlich Vorgesehene? Oder entfaltet eine unangemessene Parteivereinbarung lediglich zwischen nachfolgenden Grundstückseigentümern keine Wirkung, etwa indem insoweit ein Übergang des Begleitschuldverhältnisses nicht stattfindet? 164 Die Auffassung von Heß ist in der übrigen Literatur auf Ablehnung gestoßen165. Kritik wird dabei bereits am Ausgangspunkt seiner Überlegungen laut, dass es zum Schutz des Dritten einer Inhaltkontrolle bedürfe. Zwar treffe es zu, dass derjenige, der ein an einer Grunddienstbarkeit beteiligtes Grundstücke erwerbe, keinen Einfluss mehr auf die Ausgestaltung des Begleitschuldverhältnisses habe, sondern mit dem Erwerb des Grundstückes automatisch an das bestehende Begleitschuldverhältnis gebunden sei, er also in seiner Ausgestaltungsfreiheit eingeschränkt sei166. Jedoch sei der Erwerber in seiner Entscheidung frei, ob er das Grundstück überhaupt erwerben und sich damit an das Begleitschuldverhältnis binden wolle167. Über den Umfang des Begleitschuldverhältnisses könne er sich schließlich anhand des Grundbuches und der Eintragungsbewilligung (§ 874 BGB) informieren168. Aufgrund der bestehenden Abschlussfreiheit des Erwerbers sei die Privatautonomie hinreichend gesichert und eine generelle, auf seinen Schutz gerichtete Inhaltskontrolle nicht erforderlich169. Darüber hinaus wird an der Argumentation von Heß bemängelt, dass ein Abstellen auf das gesamtgesetzliche Leitbild und die Unangemessenheit der individuellen Ausgestaltung aufgrund der Offenheit dieser Kriterien zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führe170. Größere Zustimmung als die Auffassung von Heß hat Amanns Auffassung zu den Grenzen des Gestaltungsspielraums im Begleitschuldverhältnis171 gefunden172.

164 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 151 fasst die von Heß vorgeschlagene Inhaltskontrolle als Kontrolle mit rückwirkender Wirkung auf (und stellt deren verfassungsrechtliche Legitimation in Hinblick auf Art. 14 GG in Frage). Hierfür spricht, dass Heß im Zusammenhang mit § 33 IV WEG vom „Umfang verdinglichungsfähiger Abreden im Begleitschuldverhältnis“ spricht (Heß AcP 197 (1997), 489, 513); dagegen spricht z. B. die Überschrift „V. Die Grenzen der Sukzession [Kursivstellung nicht im Original] in privatautonom ausgestaltete Sachenrechte“ (Heß AcP 197 (1997), 489, 503). 165 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 150 f.; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 28. 166 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 150. 167 Amann DNotZ 1989, 531, 541; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 150. 168 Amann DNotZ 1989, 531, 542; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 25. 169 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 150; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 28. 170 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 151; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 28. 171 Amann DNotZ 1989, 531, 541 ff.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Bei seinen Überlegungen geht Amann davon aus, dass dem Gestaltungsspielraum der Parteien durch die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1021, 1022 BGB keine Grenzen gesetzt würden. Die §§ 1021, 1022 BGB stellten nur insofern eine abschließende Regelung dar, als sie festlegten, für welche Unterhaltsvereinbarungen die Vorschriften über die Reallast mit der Folge einer zusätzlichen dinglichen Haftung entsprechende Anwendung fänden173. Sie schränkten die Parteien jedoch nicht darin ein, lediglich persönliche Pflichten als Inhalt des Begleitschuldverhältnisses zu vereinbaren174. Im Gegensatz zu Heß sieht Amann auch in der Sukzessionswirkung des Begleitschuldverhältnisses keinen Grund, die Gestaltungsfreiheit der Parteien zugunsten eines Rechtsnachfolgers einzuschränken. Schließlich könne sich dieser anhand des Grundbuchs über den Inhalt des Begleitschuldverhältnisses informieren und seine Entscheidung über den Rechtserwerb danach ausrichten175. Grenzen sollen dem Gestaltungsspielraum der Parteien nach Amanns Auffassung allerdings durch die im Sachenrecht geltenden Grundsätze des Typenzwangs und der Typenfixierung gesetzt sein. Aus deren hauptsächlichem Zweck, jedem Dritten schon anhand der Bezeichnung des beschränkten dinglichen Rechts eine überschlägige Vorstellung davon zu vermitteln, mit welchen Rechten und Pflichten aus dem beschränkten dinglichen Recht man zu rechnen habe, lasse sich ableiten, welche Regelungen innerhalb des Begleitschuldverhältnisses geregelt werden könnten176. Dies seien alle Rechtsfragen, über die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der aus der Grunddienstbarkeit folgenden Befugnisse zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks Streit entstehen könne177. Zu denken sei hier etwa an die Verkehrssicherungspflicht178 oder die Pflicht zum Verschließen von Toren bei Wegerechten179. Rechtsfragen, die nicht innerhalb des Begleitschuldverhältnisses geregelt werden könnten, da mit ihrer Regelung innerhalb des Begleitschuldverhältnisses bei der Grunddienstbarkeit nicht gerechnet werden müsse, seien zum Beispiel Regelungen von Leistungspflichten, die mit dem belasteten Grundstück und den auf ihm befindlichen Anlagen nichts zu tun hätten; auch die Regelung 172 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 116; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 29; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 151 ff. will eine auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 142 BGB) gestützte „Ausübungskontrolle“ der Grunddienstbarkeit anhand der von Amann entwickelten Maßstäben vornehmen. 173 Amann DNotZ 1989, 531, 543 f.; zustimmend Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 152; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 30. 174 Amann DNotZ 1989, 531, 543 f.; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 30. 175 Amann DNotZ 1989, 531, 542. 176 Amann DNotZ 1989, 531, 542. 177 Amann DNotZ 1989, 531, 542, 561. 178 Ausführlich dazu Amann DNotZ 1989, 531, 546 ff. 179 Amann DNotZ 1989, 531, 542 mit weiteren Beispielen.

§ 7 Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses

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einer Pflicht zur erstmaligen Herstellung einer Anlage zähle hierzu180. Außerdem sei nur mit der Aufnahme von Pflichten in das Begleitschuldverhältnis zu rechnen, die gemessen an ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Vergleich zur Grunddienstbarkeit noch als Nebenpflichten eingeordnet werden könnten181. An der Auffassung von Amann wird von anderen Stimmen in der Literatur kritisiert, dass der zur Bestimmung des Gestaltungsspielraums angelegte Maßstab der Vorhersehbarkeit der getroffenen Regelung aufgrund ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Ausübung der Grunddienstbarkeit und ihres geringeren wirtschaftlichen Gewichts zu unbestimmt sei, um zu klaren Ergebnissen zu gelangen182.

C. Zusammenfassung Einhellig gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die §§ 1020 ff. BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks begründen. Während sich der BGH nur insofern allgemein zu diesem Schuldverhältnis geäußert hat, als auf dieses die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften anwendbar sein sollen und sich aus diesem über den gesetzlich geregelten Umfang hinaus anhand einer Interessenabwägung zu ermittelnde Nebenpflichten ergeben sollen, hat sich die Literatur intensiver mit diesem Schuldverhältnis auseinander gesetzt. Ihrer Auffassung nach soll dieses von ihr auch als Begleitschuldverhältnis bezeichnete Schuldverhältnis eine Zwitterstellung zwischen Schuld- und Sachenrecht einnehmen: Zwar soll es sich bei diesem Begleitschuldverhältnis um ein Schuldverhältnis handeln. Doch soll dieses zugleich Inhalt des dinglichen Rechts sein. Aufgrund dieser Zwitterstellung ergeben sich nach Auffassung der Literatur bei der rechtlichen Behandlung des Begleitschuldverhältnisses Besonderheiten gegenüber anderen Schuldverhältnissen: Als Inhalt des dinglichen Rechts bestehe das Begleitschuldverhältnis nicht nur zwischen den ursprünglichen, sondern auch zwischen späteren Eigentümern der an der Grunddienstbarkeit beteiligten Grundstücke. Besonderheiten ergäben sich auch bei der Anwendung der allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften auf das Begleitschuldverhältnis, wobei das Ausmaß dieser Besonderheiten im Einzelnen umstritten ist. Uneinigkeit herrscht in der Literatur auch hinsichtlich der Frage, inwieweit die von ihr angenommene Einordnung des Begleitschuldverhältnisses als Inhalt des dinglichen Rechts die 180

Amann DNotZ 1989, 531, 548 f., 561. Amann DNotZ 1989, 531, 550, 561. 182 Gegen die Auffassung vom Amann: Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 410; wohl auch (so zumindest interpretiert von NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 28) Heß AcP 197 (1997), 489, 514. Für die Auffassung von Amann: NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 28. 181

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Parteien in der privatautonomen Ausgestaltung dieses Schuldverhältnisses einschränkt. Bei allen Meinungsverschiedenheiten im Einzelnen haben doch alle in Literatur und Rechtsprechung, die sich mit dem gesetzlichen Begleitschuldverhältnis bei der Grunddienstbarkeit beschäftigen, eines gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass die §§ 1020 ff. BGB Pflichten zwischen dem Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstücks und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen diesen begründen. Diese Annahme auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen, wurde jedoch bisher sowohl von der Literatur als auch der Rechtsprechung versäumt und soll daher im Folgenden nachgeholt werden.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB A. Vorbemerkungen I. Der Begriff „Schuldverhältnis“ im BGB Die Frage, ob die §§ 1020 ff. BGB tatsächlich ein gesetzliches Schuldverhältnis begründen, lässt sich nicht beantworten, ohne sich zuvor mit der Bedeutung des Begriffs „Schuldverhältnis“ zu befassen. Der Begriff „Schuldverhältnis“ wird im BGB nicht einheitlich verwendet183. Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollte der Begriff „Schuldverhältnis“ lediglich das in der Pandektenwissenschaft gebräuchliche Fremdwort „Obligation“ durch einen deutschen Ausdruck ersetzen184. Er sollte – das in der Pandektenwissenschaft vorherrschende Obligationenverständnis185 übernehmend – ein Rechts183

Zum Problem der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs „Schuldverhältnis“ im BGB siehe ausführlich Bucher, FS Wiegand, S. 93 ff. sowie Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 36 ff. 184 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Schuldrecht I, S. 40; Kübel, Schuldrecht I, S. 1 Fn. 1; Motive II, S. 1 = Mugdan, Materialien II, S. 1; dazu Bucher, FS Wiegand, S. 93, 108 ff.; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 4; HKK-BGB/Dorn § 241 RdNr. 31. 185 Die Meinungen „über den Begriff und das Wesen der Obligation“ (Kübel, Schuldrecht I, S. 2) gingen zur Zeit der Ausarbeitung des BGB in der Pandektenwissenschaft noch weit auseinander; siehe dazu Kübel, Schuldrecht I, S. 2 ff. So war beispielsweise umstritten, ob ein vermögensrechtliches Interesse des Gläubigers Voraussetzung für das Bestehen eines Schuldverhältnisses war oder ob der geschuldete Leistungsgegenstand in dem Verhalten des Schuldners oder in dem durch das Schuldverhältnis bezweckten Erfolg lag; dazu und zu weiteren Streitfragen Kübel, Schuldrecht I, S. 2 ff.; Staudinger/ Olzen § 241 RdNr. 13 ff. Der Gesetzgeber verzichtete aufgrund der „Gefahren einer unrichtigen oder unvollständigen Begriffsbestimmung“ (Kübel, Schuldrecht I, S. 9) auf eine Definition des Begriffs „Schuldverhältnis“ (Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 1). Er entschied sich, lediglich einzelne Aspekte zu regeln, von denen er bei der Verwendung des Begriffs „Schuldverhältnis“ ausging und deren Regelung er für das Verständnis und die Auslegung von an diesen Begriff anknüpfenden Vorschriften für erforderlich hielt (Kübel, Schuldrecht I, S. 9). Die weitere Begriffsbestimmung überließ er der Wissenschaft (Kübel, Schuldrecht I, S. 9). Dementsprechend lässt sich aus § 241 I BGB ledig-

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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verhältnis bezeichnen, vermöge dessen eine Person, der Gläubiger, von einer anderen Person, dem Schuldner, eine Leistung zu fordern berechtigt ist, bei dem also dem Forderungsrecht des Gläubigers eine Leistungspflicht des Schuldners gegenübersteht. Während die in den partikularrechtlichen Gesetzbüchern verwendeten deutschen Begriffe „Schuld“, „Verbindlichkeit“ oder „Forderung“ 186 dieses Rechtsverhältnis nur einseitig bezeichnen, nämlich entweder aus der Perspektive des Schuldners oder aus der Perspektive des Gläubigers187, wählte der Gesetzgeber den Begriff „Schuldverhältnis“ 188, um damit das gesamte Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger aus Sicht eines neutralen Beobachters zu bezeichnen189. Die im BGB nebeneinander verwendeten Begriffe „Schuldverhältnis“, „Forderung“ und „Schuld“ sowie „Pflicht“ sollten also allesamt das Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger bezeichnen, nur eben aus drei unterschiedlichen Perspektiven190. Ausgehend von dieser Bedeutung des Begriffs „Schuldverhältnis“ formulierte der Gesetzgeber in § 241 I 1 BGB: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern.“ Allerdings bezeichnet der Begriff „Schuldverhältnis“ im BGB nicht nur die einzelne Forderung191, den einzelnen schuldrechtlichen Anspruch192. Ohne dass lich die Klagbarkeit der Leistung und die Relativität des Schuldverhältnisses entnehmen. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift ergibt sich zudem, dass ein vermögensrechtliches Interesse des Gläubigers keine Voraussetzung für das Bestehen eines Schuldverhältnisses ist. Die Frage nach der Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen, die die Haftung des Schuldners von vorneherein auf Teile seines Vermögens beschränkten, ließ der Gesetzgeber dagegen bewusst offen. 186 Als Beispiele führt Kübel, Schuldrecht I, S. 1 Fn. 1 das Preußische Allgemeine Landrecht, das Österreichische ABGB, das Züricher Bürgerliche Gesetzbuch und das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch an. 187 Kübel, Schuldrecht I, S. 1 Fn. 1; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 3. 188 Der Begriff „Schuldverhältnis“ geht Kübels (Kübel, Schuldrecht I, S. 1 Fn. 1) Ansicht nach auf Unterholzner, Quellenmässige Zusammenstellung der Lehre des römischen Rechts von den Schuldverhältnissen I (1840), zurück, der seinen Ausführungen auf S. 1 ff. eine Erläuterung des Begriffs „Schuldverhältnis“ voranstellt. Im Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1861 sowie im Dresdner Entwurf wird der Begriff bereits verwendet (auch dazu Kübel, Schuldrecht I, S. 1 Fn. 1). Kritisch zu dem Begriff „Schuldverhältnis“ Laband AcP 73 (1888), 161, 167 f. 189 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8 hält dieses Vorgehen schon „aus Gründen der Begriffsökonomie“ für „nicht sonderlich empfehlenswert“. 190 Anschaulich Weller, Vertragstreue, S. 226. Um die Beziehung der Begriffe „Forderung“, „Schuld“ und „Schuldverhältnis“ zu verdeutlichen, greift die Literatur häufig zu Metaphern. So gebraucht Larenz, Schuldrecht AT, S. 15 die Metapher eines „rechtlichen Bandes“: „Das „Sollen“ des Schuldners, seine Rechtspflicht, und die Berechtigung des Gläubigers sind dasselbe rechtliche Band, von zwei Seiten gesehen.“ Bucher, FS Wiegand, S. 93, S. 100 verwendet die Metapher von Recht und Pflicht als die beiden Seiten derselben Münze. 191 So beispielsweise in den §§ 362 I, 364 I, 397 I, BGB (Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 7; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 36; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 2; Staudinger(1983)/Schmidt Einl zu §§ 241 ff. RdNr. 159; Planck/Siber, S. 3).

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

sich der Gesetzgeber dessen bewusst gewesen wäre193, wird der Begriff „Schuldverhältnis“ im BGB noch in einem anderen, weiteren Sinne gebraucht. In diesem weiteren Sinne meint der Begriff „Schuldverhältnis“ die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner in ihrer Gesamtheit194. In diesem Sinne wird der Begriff beispielsweise195 in der Überschrift des 8. Abschnittes des Buches 2 verwendet196. Dort wird mit dem Begriff „Einzelne Schuldverhältnisse“ ein Abschnitt überschrieben, in dem unter anderem197 Verträge wie der Kauf oder die Miete geregelt sind, welche die verschiedensten Rechte und Pflichten zwischen den Parteien begründen. Um unterscheiden zu können, ob mit dem Begriff „Schuldverhältnis“ die einzelne Forderung oder die Gesamtheit der zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Rechtsbeziehungen gemeint ist, hat es sich eingebürgert, in jenem Fall

192 Ausgehend von der Annahme, dass das obligatorische Recht in dem Anspruch, den es erzeugt, aufgeht (Motive I, S. 291 = Mugdan I, S. 512; dazu auch Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, S. 33), hat der Gesetzgeber bei Ausarbeitung des BGB begrifflich nicht zwischen schuldrechtlichem Anspruch und Forderung unterschieden. Von Teilen der Literatur wird bestritten, dass Forderung und schuldrechtlicher Anspruch identisch sind, die Forderung also ein Unterfall des in § 194 I BGB definierten Anspruchs ist (so die ganz herrschende Meinung: Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 34 f.; Okuda AcP 164 (1964), 536, S. 541; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 113; Schulze, Naturalobligation, S. 472; Weller, Vertragstreue, S. 231 f.); nach dieser Auffassung ist zwischen der Forderung und dem ihrer Verwirklichung dienenden schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch zu unterscheiden (Schmidt, FS Jahr, S. 401, 412 ff.; Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, S. 120 ff.; dagegen Weller, Vertragstreue, S. 395 ff.). Ob dies der Fall ist, kann hier offen bleiben. Denn für die Frage, ob eine Person gegen eine andere eine Forderung hat und damit zwischen ihnen ein Schuldverhältnis im engeren Sinne besteht, ist es ohne Bedeutung, ob neben dieser Forderung ein ihrer Verwirklichung dienender schuldrechtlicher Erfüllungsanspruch besteht. Im Folgenden wird daher nicht zwischen Forderung und schuldrechtlichem Anspruch unterschieden; beide Begriffe werden synonym verwendet. 193 Bucher, FS Wiegand, S. 93, 113 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8. 194 Joussen, Schuldrecht AT, S. 9. 195 Die Auffassungen darüber, welche Bedeutung der Begriff „Schuldverhältnis“ in einer Norm jeweils hat, gehen bisweilen auseinander. So ist sogar umstritten, in welchem Sinne der Begriff „Schuldverhältnis“ in § 241 I 1 BGB zu verstehen ist. Nach überwiegender Auffassung (Bucher, FS Wiegand, S. 93, 115, 119; Hadding, FS Konzen, S. 193, 196; Schapp, Methodenlehre, S. 11) soll er im engeren Sinne zu verstehen sein. Nach anderer Auffassung hingegen soll in § 241 BGB das Schuldverhältnis im weiteren Sinne gemeint sein (Staudinger/Peters/Jacoby § 194 RdNr. 7). Auch finden sich Stimmen, nach denen der Begriff „Schuldverhältnis“ in § 241 I BGB beide Bedeutungen umfasst (Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 5; Planck/Siber, S. 3); unklar Mager AcP 193 (1993), 68, 69. 196 So auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, S. 4; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 1; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 36. 197 In diesem Abschnitt werden außerdem im Titel 13 die Geschäftsführung ohne Auftrag, im Titel 26 die ungerechtfertigte Bereicherung und im Titel 27 die unerlaubten Handlungen geregelt.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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von „Schuldverhältnis im engeren Sinn“, in diesem Fall von „Schuldverhältnis in weiteren Sinn“ zu sprechen198. II. Das Verhältnis zwischen „Schuldverhältnis im weiteren Sinn“ und „Schuldverhältnis im engeren Sinn“ Das Schuldverhältnis im weiteren Sinn und das Schuldverhältnis im engeren Sinn werden in der Literatur zum Teil199 derart miteinander in Beziehung gesetzt, dass ersteres Entstehungsgrund des letzteren sein soll. Das Schuldverhältnis im weiteren Sinn wird als „Quelle“ 200, „Ursprungsverhältnis“ 201 oder „Wurzel“ 202 angesehen, welche den einzelnen schuldrechtlichen Anspruch, das Schuldverhältnis im engeren Sinn, begründen soll203. Da es sich bei dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne um einen „anspruchserzeugenden Tatbestand“ 204 handle, ließen sich aus diesem Pflichten herleiten, die sich aus dem Gesetz selbst nicht ergäben205. Dieser Auffassung wird von der Gegenansicht206 jedoch zu Recht entgegengehalten, dass Rechtsfolgen allein kraft der Geltung von Rechtssätzen eintre198 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, S. 7; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 7; Hadding, FS Konzen, S. 193, 196; Henke, Relativität des Schuldverhältnisses, S. 9; Joussen, Schuldrecht AT, S. 9; Kleinschmidt, Verzicht im Schuldrecht, S. 20 f.; MüKo/Ernst Einl. Schuldrecht RdNr. 10; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 36; de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 226 f.; Zepos AcP 155 (1956), 486, 486 (in dessen Beitrag allerdings auf jeglichen Nachweis verzichtet wird). Nach Auffassung von Weller, Vertragstreue, S. 225 und Hadding, FS Konzen, S. 193, 196 Fn. 16 geht diese begriffliche Unterscheidung („wohl“, so Hadding einschränkend) auf Siber, Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 92 zurück. 199 de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 227; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 5; Schapp, Methodenlehre, S. 9 ff.; Wolf AcP 153 (1954), 98, 114 f.; Zepos AcP 155 (1956), 486, 486; wohl auch Lotter, Entwicklung des Schuldverhältnisses, S. 194 allerdings ohne Thematisierung der Gegenansicht. 200 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 5; Mager AcP 193 (1993), 68, 69; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse S. 1; Staudinger/Peters/Jacoby § 194 RdNr. 7; Planck/Siber, S. 3; de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 227. 201 Wolf AcP 153 (1954), 98, 114, 115 Fn. 82. 202 Wolf AcP 153 (1954), 98, 114. 203 Schapp, Methodenlehre, S. 9. Bisweilen wird folgende Parallele zum dinglichen Recht gezogen: „Aus dem Schuldverhältnis i. w. S. fließt der schuldrechtliche Anspruch, aus dem Eigentum fließt im – Störungsfall – der dingliche Anspruch“ (Schapp, Methodenlehre, S. 9; so auch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 5). 204 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 5. 205 de Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, S. 227. 206 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 9 f.; Hähnchen, Obliegenheiten, S. 257; Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, S. 126 f.; MüKo(2007)/Kramer Einleitung Schuldrecht RdNr. 14; Staudinger(1983)/Schmidt Einl zu §§ 241 ff. RdNr. 167.

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ten207. Ein schuldrechtlicher Anspruch entsteht ausschließlich deshalb, weil die Tatbestandsvoraussetzungen einer anspruchsbegründenden Norm erfüllt sind208. Bei dem Begriff „Schuldverhältnis im weiteren Sinne“ handelt es sich daher um nichts anderes als eine Sammelbezeichnung für die Summe aller zwischen denselben Personen bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche209. „Nichts“ – um es mit Gernhuber210 zu formulieren – „fügt das Schuldverhältnis [Anmerkung: im weiteren Sinn] hinzu, was nicht schon in seinen einzelnen Elementen enthalten wäre.“ Das Bestehen eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinn kann das Entstehen weiterer schuldrechtlicher Ansprüche – welche dann wiederum Teile des Schuldverhältnisses im weiteren Sinn werden – nur dann zur Folge haben, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, wenn also das Bestehen eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinn zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer anspruchsbegründenden Norm gehört211. Handelt es sich demnach bei dem Begriff „Schuldverhältnis im weiteren Sinn“ um nichts weiter als um einen rein deskriptiven212 Sammelbegriff für die Summe aller zwischen zwei Personen bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche, so spielt es denn auch keine Rolle, aus wie vielen schuldrechtlichen Ansprüchen, also Schuldverhältnissen im engeren Sinn, sich das Schuldverhältnis im weiteren Sinn zusammensetzt. Jeder schuldrechtliche Anspruch, sei er gesetzlich oder rechtsgeschäftlich, hat also das Bestehen eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinn selbst dann zur Folge, wenn dieses nur aus diesem einen Schuldverhältnis im engeren Sinn besteht. Sofern also das Gesetz in den §§ 1020 ff. BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des herrschenden oder des dienenden Grundstücks gegen den jeweils anderen begründet, besteht zwischen diesen sowohl ein Schuldverhältnis im engeren als auch im weiteren Sinne. Um die Frage nach dem Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zu beantworten, 207 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 9 f.; Larenz JZ 1962, 105, S. 108 Fn. 17; Staudinger(1983)/Schmidt Einl zu §§ 241 ff. RdNr. 167. 208 Tatbestandsvoraussetzung kann freilich auch das Vorliegen eines schuldrechtlichen Vertrages sein. So wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung in gesetzliche und vertragliche Schuldverhältnisse irreführend ist (so z. B. Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 49). Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen entfalten schließlich nur Wirkung, wenn das Gesetz ihnen rechtliche Geltung verleiht (Flume, Rechtsgeschäft, S. 3; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 1). 209 Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, S. 127; Staudinger(1983)/Schmidt Einl zu §§ 241 ff. RdNr. 165, 167. Hattenhauer, Einseitige private Rechtsgestaltung, S. 407 hält diese Ansicht ohne jegliche Begründung für überholt. 210 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 9. 211 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 9 f.; Larenz JZ 1962, 105, 108 Fn. 17; Staudinger(1983)/Schmidt Einl zu §§ 241 ff. RdNr. 167. 212 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 9; Harke, Schuldrecht AT, S. 14 Fn. 31; MüKo(2007)/Kramer Einleitung Schuldrecht RdNr. 14.

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gilt es daher die §§ 1020 ff. BGB jeweils danach zu untersuchen, ob diese einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des herrschenden oder des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den jeweils anderen begründen. III. Der schuldrechtliche Anspruch in Abgrenzung zum dinglichen Anspruch Der schuldrechtliche Anspruch, die Forderung, wird ausgehend von der Regelung des § 241 I BGB allgemein definiert als das Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine Leistung, welche auch in einem Unterlassen bestehen kann, zu fordern213. Mit dieser Definition ist jedoch lediglich die in § 194 I BGB enthaltene Legaldefinition des Anspruchs als dem Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen214, mit ähnlichen an die Terminologie des Schuldrechts angepassten Worten wiederholt215. Der Aussagegehalt dieser Definition beschränkt sich mithin auf die Feststellung, dass es sich bei dem schuldrechtlichen Anspruch um einen Anspruch handelt216. Wie sich der schuldrechtliche Anspruch von den anderen im BGB geregelten Unterfällen des Anspruchs, namentlich dem dinglichen Anspruch, unterscheidet, geht aus dieser Definition jedoch nicht hervor217. 213

Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 30. Zur Entwicklung des dem BGB zugrunde liegenden – im Wesentlichen auf Windscheid (Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts; Windscheid, Die Actio: Abwehr gegen Theodor Muther) zurückzuführenden (Okuda AcP 164 (1964), 536, 536; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstand, S. 15; Schapp, Methodenlehre, S. 56; Weller, Vertragstreue, S. 374, 381) – Anspruchsbegriffs siehe Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, S. 107 ff.; Weller, Vertragstreue, S. 372 ff. Allgemein zum Anspruchsbegriff im BGB siehe Roland, Verjährung im Erbrecht, S. 10 ff. Die Klagbarkeit des Rechts ist dem materiellen Anspruchsbegriff immanent. Sie fehlt nur dann, wenn sie dem Anspruch ausdrücklich entzogen ist (siehe nur Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 380 ff.; Weller, Vertragstreue, S. 233 ff., 382 ff.; vergleiche auch Motive I, S. 357 = Mugdan I, S. 548: „Das röm. Aktionensystem ist der heutigen Rechtsanschauung fremd. An die Stelle der Gerichtsregel ist die Rechtsregel getreten. Man hat nicht ein Recht, weil man eine Klage hat, sondern eine Klage, weil man ein Recht hat. Der Begriff des subjektiven Privatrechtes bedingt für das moderne Recht die gerichtliche Verfolgbarkeit. Die Klagbarkeit kann dem Anspruche fehlen, aber sie fehlt ihm nur, wenn sie ihm abgesprochen ist.“; siehe entsprechend für die Forderung Jakobs/ Schubert, Beratung des BGB, Schuldrecht I, S. 46). 215 Boemke/Ulrici, BGB AT, S. 409 f. (§ 18 RdNr. 2); Henke, Relativität des Schuldverhältnisses, 187; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, S. 3; Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 114. 216 Besonders deutlich wird dies dort, wo – wie etwa bei Hadding, FS Konzen, S. 193, 196 – auf die Terminologie des Schuldrechts verzichtet wird und der schuldrechtliche Anspruch „als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen, einschließlich Dulden, zu verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) [Kursivstellung nicht im Original]“ bezeichnet wird. 217 Oft wird auch begrifflich nicht hinreichend zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Anspruch unterschieden, indem beispielsweise im Rahmen des § 985 BGB der Besitzer anstatt als „Anspruchsgegner“ als „Schuldner“ bezeichnet wird (so von Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 709). 214

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Besonders deutlich zeigt sich dies an § 985 BGB als dem „Paradigma“ 218 des dinglichen Anspruchs. § 985 BGB bestimmt: Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe verlangen. Ausweislich seines Wortlauts219 begründet § 985 BGB mit dem Recht des Eigentümers, von einem anderen, dem Besitzer, ein Tun, die Herausgabe, zu verlangen, einen Anspruch. Ob es sich bei diesem Anspruch aber nun um einen dinglichen oder einen schuldrechtlichen Anspruch handelt, lässt sich nicht mithilfe der Definition des schuldrechtlichen Anspruchs als dem Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine Leistung zu fordern, erkennen. Schließlich setzt diese Definition mit der Bezeichnung des Anspruchsinhabers als Gläubiger und der des Anspruchsgegners als Schuldner sowie der Verwendung des Verbs „fordern“ bereits als gegeben voraus, dass es sich bei dem Anspruch um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt. Ebenso wenig wie anhand der Begriffsbestimmung des schuldrechtlichen Anspruchs als dem Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine Leistung zu fordern, lässt sich anhand einzelner Merkmale unterschieden, ob es sich bei einem Anspruch um einen dinglichen oder einen schuldrechtlichen Anspruch handelt220. So trifft die Aussage, dass der dingliche Anspruch sich zwar nicht gegen jeden richtet, sich aber gegen jeden richten kann221, ebenso auf bestimmte schuldrechtliche Ansprüche wie beispielsweise die Ansprüche aus § 823 I BGB oder § 812 I 1 Alt. 2 BGB zu222. Auch unterscheidet sich der dingliche Anspruch nicht – wie vielfach behauptet223 – dadurch vom schuldrechtlichen, dass er seinen „Ur-

218 MüKo/Baldus Vor § 985 RdNr. 2. Picker, FS Bydlinsky, S. 270, 282 spricht von der „Urform des dinglichen Anspruchs“. 219 Nicht immer lässt sich bereits am Wortlaut einer Norm eindeutig erkennen, ob diese einen Anspruch begründet. So kann beispielsweise die Formulierung „jemand hat etwas zu tun“ bedeuten, dass ein Anspruch begründet ist; sie kann aber auch nur in dem Sinne verwendet sein, dass jemand etwas tun muss, will er den Eintritt von für ihn nachteiligen Rechtsfolgen verhindern. In einem solchen Fall ist mithilfe der anderen Auslegungskriterien zu ermitteln, ob die Norm einen Anspruch begründet (Roland, Verjährung im Erbrecht, S. 31). 220 Dazu ausführlich Picker, FS Bydlinski, S. 269, 273 ff. Die Unterscheidung von dinglichem und schuldrechtlichem Anspruch lässt sich zurückführen auf die römischrechtliche Unterscheidung zwischen den actiones in personam und den actiones in rem; siehe dazu: Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 693 ff.; Roland, Verjährung im Erbrecht, S. 13 ff. Zu der römisch-rechtlichen Unterscheidung zwischen der actio in rem und der actio in personam siehe: Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 435 (§ 81 RdNr. 2 ff.). 221 Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung im EBV, S. 28; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, S. 221. 222 Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung im EBV, S. 28; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, S. 221; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 275; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht, S. 79 f. 223 Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung im EBV, S. 29; Jauernig/Berger Vorbemerkungen Sachenrecht RdNr. 8; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 3; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 211; Peukert, Güterzuordnung, S. 50; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht, S. 79; Planck/Siber, S. 14.

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sprung“ 224, seine „Grundlage“ 225 im dinglichen Recht hat226. Eine Beeinträchtigung des Eigentums kann schließlich nicht nur das Entstehen der dinglichen Ansprüche aus §§ 985, 1004 I 1 BGB zur Folge haben, sondern auch das Entstehen der schuldrechtlichen Ansprüche aus den §§ 823 I und 812 I 1 Alt. 2 BGB auslösen227. Die Aussage, dass dingliche Ansprüche dem Schutz des dinglichen Rechts dienen228, trifft ebenfalls auch auf die schuldrechtlichen Ansprüche aus § 823 I BGB und § 812 I 1 Alt. 2 BGB zu229. Letztlich lässt sich einzig anhand der Funktion, die den dinglichen Ansprüchen innerhalb der Rechtsordnung zukommt, erkennen, ob es sich bei dem Anspruch, den eine Norm begründet, um einen dinglichen oder einen schuldrechtlichen Anspruch handelt230. Die dinglichen Ansprüche haben – wie bereits erwähnt231 – die Funktion, den dem Inhalt des dinglichen Rechts entsprechenden tatsächlichen Zustand herzustellen232 oder – wie § 1004 I 2 BGB – den Eintritt eines dem Inhalt des dinglichen Rechts widersprechenden tatsächlichen Zustandes zu verhindern233. Sie dienen dazu, die von der Rechtsordnung vorgesehene Güterzuordnung dauerhaft aufrecht zu erhalten234. Besonders deutlich wird dies anhand des in § 985 BGB geregelten Vindikationsanspruchs des Eigentümers gegen den Besitzer als dem Paradigma, der „Urform“ 235, des dinglichen Anspruchs236:

224 Becker, Schadensersatz nach Fristsetzung im EBV, S. 29; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 3; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 211; Peukert, Güterzuordnung, S. 50; Schwerdtner, Verzug im Sachenrecht, S. 79; Planck/Siber, S. 14. 225 Jauernig/Berger Vorbemerkungen Sachenrecht RdNr. 7; Lehmann, Finanzinstrumente, S. 211. Ähnlich Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 6 („Besonderheit, daß sie ,aus‘ dem dinglichen Recht erwachsen“). 226 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, S. 221; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 275; Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 24. 227 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, S. 221; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 275. 228 Erman/Lorenz Einleitung Sachenrecht RdNr. 1; Mager AcP 193 (1993), 68, 68. 229 Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 24. 230 Picker, FS Bydlinski, S. 269, 273 Fn. 19; Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 24. Die Funktion des dinglichen Anspruchs nennen als Unterscheidungsmerkmal, wenn auch nicht als alleiniges, auch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 3. 231 Siehe S. 97 f. 232 Staudinger/Seiler Einl zum SachenR RdNr. 24. Für das Eigentum: Motive III, S. 423 = Mugdan, Materialien III, S. 236; Motive III, S. 393 = Mugdan, Materialien III, S. 218. 233 Picker, FS Lange, S. 625, 657. 234 Picker, FS Lange, S. 625, 657 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 340; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 286. 235 Picker, FS Bydlinski, S. 269, 282. Zu den Ursprüngen der rei vindicatio des römischen Rechts siehe Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 156 ff. (§ 27 RdNr. 1 ff.). 236 Zum vindikatorischen Herausgabeanspruch und dessen Entwicklung siehe Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693 ff.

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Der Eigentümer hat gemäß § 903 BGB das Recht, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Die Rechtsordnung weist ihm die vollumfängliche und gleichzeitig jede andere Person ausschließende Herrschaftsmacht an seiner Sache zu. Übt nun – gleich aus welchem Grund – nicht der Eigentümer, sondern ein Dritter die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache aus, weil sie sich zum Beispiel in dessen Wohnung befindet, so ist der Eigentümer an der tatsächlichen Ausübung seiner ihm durch die Rechtsordnung zugewiesenen Herrschaftsmacht gehindert. Schließlich ist es ihm – außer in den seltenen Fällen der erlaubten Selbsthilfe in Form des Notstandes gemäß § 904 BGB – aufgrund des Gewaltmonopols des Staates verboten, dem momentanen Besitzer der Sache die Sachherrschaft über diese eigenmächtig wieder zu entziehen237. Zur Verhinderung von Selbsthilfeaktionen und damit zur Wahrung des Rechtsfriedens schützt die Rechtsordnung den Besitzer vor eigenmächtigen Zugriffen des Eigentümers auf die Sache. Die Rechtsordnung verbietet es dem Eigentümer – um bei dem Beispiel der sich in der Wohnung eines anderen befindlichen Sache zu bleiben – eigenmächtig in die Wohnung des anderen einzudringen, um sich den Besitz an seiner Sache wieder zu verschaffen. Der Besitzer steht der Ausübung der dem Eigentümer von der Rechtsordnung zugewiesenen vollumfänglichen Sachherrschaft entgegen. Er steht – bildlich gesprochen – zwischen dem Eigentümer und dessen Sache238. Um in dieser Situation zu verhindern, dass der Eigentümer an der tatsächlichen Ausübung seiner ihm von der Rechtsordnung zugewiesenen vollumfänglichen Sachherrschaft dauerhaft gehindert ist, ihm das Eigentum an der Sache zwar „auf dem Papier“ 239 zusteht, faktisch aber wertlos ist, gewährt § 985 BGB einen Anspruch, der die Inkongruenz von rechtlich zugewiesener und tatsächlich ausgeübter Sachherrschaft beseitigt und damit die von der Rechtsordnung vorgesehene Güterzuordnung wiederherstellt240. § 985 BGB beseitigt den dem Inhalt des Rechts widersprechenden tatsächlichen Zustand, indem er dem Eigentümer gegen Besitzer einen Anspruch darauf gibt, dass dieser die Sache auskehrt. „Auskehr“ bedeutet, dass der Besitzer dem Eigentümer den Zugang zur Sache ermöglicht, indem er die Sache aus seinem vor den eigenmächtigen Zugriffen des Eigentümers geschützten Herrschaftsbereich ausgliedert und die Wegnahme der Sache durch den Eigentümer duldet241. 237

Dazu anschaulich Picker, FS Bydlinski, S. 269, 284. Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 703; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 287. 239 Picker, FS Lange, S. 625, 658; Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 701; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 286. 240 Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 703. 241 MüKo/Baldus § 985 RdNr. 47; Staudinger/Gursky § 985 RdNr. 61. Indem die faktische Störung der rechtlichen Güterzuordnung dadurch beseitigt wird, dass der Besitzer an der Wiedererlangung des Besitzes durch den Eigentümer der Sache mitwirkt, werden die Interessen des Besitzers in bestmöglicher Weise geschützt und damit der Rechtsfrieden möglichst gewahrt. Denn ohne die Mitwirkung des Besitzers durch die 238

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Die parallel zur Vindikation ausgestalteten dinglichen Ansprüche242 greifen also stets in Situationen ein, in denen der Inhaber eines dinglichen Rechts an der tatsächlichen Ausübung seines Rechts gehindert ist, weil er zur Ausübung seines Rechts in den rechtlich geschützten Herrschaftsbereich eines anderen eingreifen müsste243, der durch sein Verhalten oder den Zustand einer ihm gehörenden Sache faktisch die rechtlich jenem zugeordnete Herrschaftsposition einnimmt244. Sie zwingen den anderen zur Aufgabe der Inanspruchnahme des fremden Rechtskreises245 und stellen damit den dem Inhalt des dinglichen Rechts entsprechenden Zustand wieder her246 Immer wenn einem Anspruch die Funktion zukommt, einen dem Inhalt des dinglichen Rechts widersprechenden tatsächlichen Zustand ohne Rücksicht auf Geschehnisse in der Vergangenheit zu beseitigen oder – wie im Falle des § 1004 I 2 BGB – den Eintritt eines solchen Zustandes zu verhindern, so handelt es sich bei diesem also nicht um einen schuldrechtlichen, sondern um einen dinglichen Anspruch.

B. § 1020 BGB I. § 1020 S. 1 BGB 1. Verständnis des § 1020 S. 1 BGB in Rechtsprechung und Literatur Gemäß § 1020 S. 1 BGB hat bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen.

Ausgliederung der Sache aus seinem Herrschaftsbereich müsste der Eigentümer, um den Besitz an seiner Sache wieder zu erlangen, in den rechtlich geschützten Bereich des Besitzers eindringen. Siehe dazu ausführlich Picker, FS 50 Jahre BGH, S. 693, 706 ff.; Picker, FS Bydlinski, S. 269, 288 ff. 242 Wie an anderer Stelle ausgeführt (S. 96 f.), sind § 985 BGB, welcher eine Spezialregelung für eine ganz spezielle in ihren Folgen weitreichende und deshalb besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Eigentums darstellt, und § 1004 I BGB, welcher die Generalnorm für alle sonstigen Beeinträchtigungen des Eigentums ist, parallel ausgestaltet. Gemeinsam stellen sie für das Eigentum sicher, dass der tatsächliche IstZustand und der nach der rechtlichen Güterzuordnung vorgesehene Soll-Zustand nicht auseinanderfallen. Diesen beiden Ansprüchen nachgebildet sind diejenigen Ansprüche, die bei den anderen dinglichen Rechten eingreifen, um ein Auseinanderfallen des tatsächlichen Ist-Zustandes und des nach der rechtlichen Güterzuordnung vorgesehenen Soll-Zustandes zu verhindern oder zu beseitigen. 243 Picker, FS Lange, S. 625, 657. 244 Gursky JR 1989, 397, 397; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 4; Picker, FS Lange, S. 625, 657; Picker, FS Gernhuber, S. 316, 332 jeweils in Bezug auf den Beseitigungsanspruch aus § 1004 I BGB. 245 Picker, FS Lange, S. 625, 658. 246 So für die §§ 985, 1004 BGB Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 2.

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Nach der in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretenen Ansicht soll § 1020 S. 1 BGB als „spezialgesetzliche Ausprägung“ 247 des in § 242 BGB geregelten Grundsatzes von Treu und Glauben, als „Anwendungsfall des § 242 BGB“ 248 oder auch als „Ausdruck der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die sich gemäß § 242 BGB aus der gemeinschaftlichen Benutzung des herrschenden Grundstücks ergibt,“ 249 den Eigentümer des herrschenden Grundstücks verpflichten, sein Recht aus der Grunddienstbarkeit so wahrzunehmen, dass die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks am wenigsten beeinträchtigt werden250. Mit der Statuierung der Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit begründe § 1020 S. 1 BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des dienenden und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks251. a) Inhalt der Schonungspflicht gemäß § 1020 S. 1 BGB Welchen Inhalt die Pflicht zur schonenden Ausübung im Einzelnen hat, soll nach allgemeiner Auffassung durch eine auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall ermittelt werden252. Im Rahmen dieser Abwägung stellen Teile der Literatur auf die für die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlichen Merkmale der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit ab253. Der Mannigfaltigkeit des Inhalts der Grunddienstbarkeiten254 entsprechend soll die Schonungspflicht 247

NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 40. OLG Köln MDR 1997, 545, 545; BGH DNotZ 1959, 240, 241 (in dieser Entscheidung wurde allerdings die Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses durch § 1020 S. 1 BGB verneint; siehe dazu oben S. 163 f.). Möller, Servituten, S. 404 spricht von „Konkretisierung des § 242 BGB im Sachenrecht“, ohne die Anwendbarkeit des § 242 BGB im Sachenrecht zu problematisieren. 249 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 1; ähnlich Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1 („Ausprägung der allgemeinen Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme“). 250 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 4. 251 KG NJW 1973, 1128, 1129; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 1, 3; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 3; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 1, 40; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1. Heß AcP 197 (1997), 489, 492 bezeichnet § 1020 BGB als „Kernregelung“ des gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses. Anders noch Planck, BGB (1902), § 1020 RdNr. 1, nach dessen Meinung § 1020 S. 1 BGB die Grenzen der Grunddienstbarkeit festlegt. Staudinger(1902)/Kober § 1020 RdNr. 1 war hingegen der Ansicht, dass § 1020 S. 1 BGB eine gesetzliche Pflicht begründet. 252 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 5; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 42. 253 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 5; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 42. 254 Siehe zur Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung des Grunddienstbarkeitsinhalts und der daraus resultierenden unzähligen Anzahl unterschiedlicher Grunddienstbarkeiten oben S. 70 ff. 248

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gemäß § 1020 S. 1 BGB die unterschiedlichsten Ausprägungen annehmen können255. So soll beispielsweise in dem praktisch relevanten Fall, dass auf dem zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dienenden Weg nachträglich eine Schutzvorrichtung wie etwa ein Tor oder eine Schranke angebracht wird256, der Grunddienstbarkeitsberechtigte je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls257 gemäß § 1020 S. 1 BGB nicht nur verpflichtet sein, diese Schutzvorkehrungen samt den damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Ausübung der Grunddienstbarkeit, wie etwa die Notwendigkeit, das Tor oder die Schranke von Hand zu öffnen258, zu dulden259. Vielmehr soll er auch dazu verpflichtet sein, diese Schutzvorkehrungen verschlossen zu halten260. b) Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Schonungspflicht Ausgehend von der Annahme, dass § 1020 S. 1 BGB eine Schonungspflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten begründet, gesteht die allgemein vertretene Auffassung dem Eigentümer des dienenden Grundstücks im Falle der Verletzung der Schonungspflicht durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten neben den all255 Daher handelt es sich bei der zum Inhalt der Schonungspflicht ergangenen Entscheidungen hauptsächlich um Einzelfallentscheidungen; so auch die Einschätzung von Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 8. Ein nach Fallgruppen geordneten Überblick über die zum Inhalt der Schonungspflicht gemäß § 1020 S. 1 BGB ergangenen Entscheidungen bieten MüKo/Joost § 1020 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 8; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 44 ff.; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 2. 256 Einen Überblick über die hierzu ergangene Rechtsprechung gibt Staudinger/ Mayer § 1020 RdNr. 8. Der Fall der nachträglichen Errichtung von Schutzvorkehrungen bei einem Wegerecht beschäftigte bereits die Pandektenwissenschaft; siehe Dernburg, Pandekten I, S. 561 Fn. 8 m.w. N. 257 Dass jeder Fall einzeln anhand der konkreten Umstände zu beurteilen ist, betont OLG Koblenz DNotZ 1999, 511, 513; zustimmend Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 8. Berücksichtigt wird dabei vor allem, ob im Vergleich zum ursprünglichen Zustand ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis die Anbringung einer Schutzvorrichtung als angebracht erscheinen lässt (OLG Koblenz DNotZ 1999, 511, 513; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 763, 763) und welche Beeinträchtigungen damit auf Seiten des Grunddienstbarkeitsberechtigten verbunden sind (OLG Koblenz DNotZ 1999, 511, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 785, 787). 258 Nach OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 785, 787 soll es genügen, wenn sämtlichen Bewohnern des herrschenden Grundstücks ein Schlüssel zur Verfügung gestellt wird und die Benutzung des Durchgangs für Besucher gewährleistet ist (ebenso OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1678, 1678). Die Schließanlage mit einem Mechanismus zu versehen, durch den die Schließanlage durch Betätigung eines Funksignals automatisch geöffnet werden kann, soll allerdings nicht erforderlich sein. 259 So OLG Jena Recht 1902, 434 Nr. 2005; RG Recht 1908, 372 Nr. 2184 (mit der Einschränkung, dass das Tor während der Verkehrszeit unverschlossen bleibt und ein Schlüssel für die übrige Zeit ausgehändigt wird); OLG Koblenz DNotZ 1999, 511, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 785, 787; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1678, 1678. 260 OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1678; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 763, 1678.

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gemeinen Ansprüchen aus § 1004 BGB und § 823 BGB261 folgerichtig auch die schuldrechtlichen Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 280 ff. BGB zu262. Unklar bleibt dabei allerdings, ob die allgemein vertretene Auffassung die von ihr angenommene Schonungspflicht des § 1020 S. 1 BGB als Leistungspflicht i. S. d. § 241 I BGB263 oder als bloße Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB264 ansieht265. So zählt Mayer266 als Normen, welche bei einer Verletzung der Schonungspflicht Anwendung finden sollen, sowohl den nur bei der Verletzung von Leistungspflichten i. S. d. § 241 I BGB anwendbaren267 § 281 BGB als auch § 282 BGB auf, welcher ausschließlich bei der Verletzung einer Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB anwendbar ist268. Die Aussage von Joost269, dass die Schonungspflicht des § 1020 S. 1 BGB nicht einklagbar sei, deutet auf die Einordnung der Schonungspflicht als Schutzpflicht gemäß § 241 II BGB hin, deren Einhaltung ja von der herrschenden Auffassung – im Gegensatz zu der grundsätzlich einklagbaren Erfüllung von Leistungspflichten – als entweder überhaupt nicht oder nur ausnahmsweise einklagbar angesehen wird270. Ganz im Sinne einer Einordnung des § 1020 S. 1 BGB als Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB lässt auch die übrige Literatur bei der Erörterung der sich aus § 1020 S. 1 BGB ergebenden Rechtsfolgen einen Anspruch auf Erfüllung der Schonungspflicht unerwähnt und geht nur auf die sich aus einer schuldhaften Verletzung der Schonungspflicht des § 1020 S. 1 BGB ergebenden Schadensersatzansprüche gemäß den § 280 ff. BGB ein271.

261 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 6; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 9, 10; Soergel/ Stürner § 1020 RdNr. 48, 50. 262 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 6; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 10; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 50. 263 Zur Einteilung der Leistungspflichten in Primär- und Sekundärpflichten und in Hauptleistungs- und Nebenleistungspflichten siehe Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 142 ff. 264 Zur uneinheitlichen Terminologie in Bezug auf die Pflichten gemäß § 241 I BGB siehe Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 154 f. 265 Zur umstrittenen Abgrenzung von Leistungs- und Schutzpflichten siehe Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 157 ff.; NK-BGB/Krebs § 421 RdNr. 47 ff. 266 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 10. 267 Staudinger/Schwarze § 281 RdNr. B3, § 282 RdNr. 12. 268 Staudinger/Schwarze § 281 RdNr. B3, § 282 RdNr. 12; NK-BGB/Krebs § 241 RdNr. 47. 269 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 6 unter Verweis (Fn. 31) auf Literatur zur Klage auf Erfüllung „unselbständiger Nebenpflichten“. 270 Siehe zum Problem der Klagbarkeit von Schutzpflichten Staudinger/Olzen § 241 RdNr. 544 ff. m.w. N. 271 Siehe Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 9, 10; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 48, 50; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 3.

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c) Verhältnis der Schonungspflicht zur Grunddienstbarkeit Zu dem beschränkten dinglichen Recht der Grunddienstbarkeit soll die nach allgemeiner Auffassung in § 1020 S. 1 BGB statuierte Schonungspflicht in dem Verhältnis stehen, dass die Schonungspflicht das dingliche Recht selbst beschränke. Allerdings gehen die Meinungen darüber auseinander, ob es sich um eine Beschränkung der Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt oder ihrer Ausübung nach handeln soll272. Das kann so nicht richtig sein. § 1020 S. 1 BGB kann nicht eine Schonungspflicht begründen und zugleich das dingliche Recht selbst beschränken. Denn die Grunddienstbarkeit kann als beschränktes dingliches Recht, welches die rechtlichen Beziehungen der Person zur Sache ordnet273 und seinem Inhaber eine unmittelbare Herrschaft über die Sache274 gewährt, nicht von einem obligatorischen Recht beschränkt werden. Schließlich ordnet dieses lediglich die rechtlichen Beziehungen von Personen untereinander275, indem es für den Berechtigten einen Anspruch auf Leistung gegenüber dem Verpflichteten begründet276. Aufgrund eines obligatorischen Rechts kann der Inhaber eines dinglichen Rechts lediglich gegenüber einer anderen Person dazu verpflichtet sein, von seinem dinglichen Recht, welches durch das obligatorische Recht gerade nicht beschränkt wird, in geringerem Umfang Gebrauch zu machen, als der Inhalt des dinglichen Rechts eigentlich reicht. Sollte die nachfolgende Untersuchung ergeben, dass § 1020 S. 1 BGB tatsächlich eine Pflicht zur schonenden Ausübung begründet, verpflichtete diese den Grunddienstbarkeitsberechtigten gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks, nicht in vollem Umfang von seinem beschränkten dinglichen Recht Gebrauch zu machen. Auf das beschränkte dingliche Recht selbst hätte eine Pflicht zur schonenden Ausübung keinerlei Auswirkungen. 2. Untersuchung des § 1020 S. 1 BGB Geht die heute allgemein vertretene Auffassung auch davon aus, dass § 1020 S. 1 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten auf schonende Ausübung der Grunddienstbarkeit begründet, handelt es sich dabei doch um nicht 272 Für eine Beschränkung der Ausübung Staudinger(1994)/Ring § 1020 RdNr. 2 („§ 1020 S. 1 BGB regelt . . . wie der Dienstbarkeitsberechtigte die ihm nach dem Inhalt seines Rechts zustehende Befugnis ausüben kann [Anmerkung: nicht ,darf‘] und [Kursivstellung nicht im Original] verpflichtet ihn dabei, sein Recht so wahrzunehmen, dass die Interessen des Eigentümers am wenigsten beeinträchtigt werden.“). Für eine Beschränkung des Inhalts MüKo/Joost § 1020 RdNr. 2; offengelassen von Staudinger/ Mayer § 1020 RdNr. 1. 273 Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. 274 Johow, Sachenrecht I, S. 3. 275 Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. 276 Motive III, S. 2 = Mugdan, Materialien III, S. 1.

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mehr als eine bloße Behauptung. Ob diese zutrifft, wird im Folgenden mittels Auslegung des § 1020 S. 1 BGB untersucht. a) Wortlaut des § 1020 S. 1 BGB Nach seinem Wortlaut kann § 1020 S. 1 BGB in zweierlei Hinsicht verstanden werden. So kann die Formulierung „hat zu schonen“ einerseits ausdrücken, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Schonung seiner Interessen verlangen kann, § 1020 S. 1 BGB also einen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten begründet. Dabei könnte es sich dem Wortlaut nach sowohl um einen schuldrechtlichen als auch einen dinglichen Anspruch handeln. Andererseits kann diese Formulierung aber auch dahingehend verstanden werden, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks schonen muss, will er sein ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumtes Recht an dem belasteten Grundstück nicht überschreiten. Versteht man § 1020 S. 1 BGB in diesem Sinne, bestimmt § 1020 S. 1 BGB mit dem Grundsatz der schonenden Ausübung lediglich die Grenzen des beschränkten dinglichen Rechts, enthält also eine inhaltliche Regelung der Grunddienstbarkeit und begründet gerade keinen Anspruch des Eigentümers des dienenden gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks. b) Entstehungsgeschichte des § 1020 S. 1 BGB aa) Das gemeine Recht als Vorbild für § 1020 S. 1 BGB Mit der Regelung des § 1020 S. 1 BGB sollte der von Teilen der Pandektenwissenschaft für das gemeine Recht anerkannte277 und in verschiedene Partikularrechte278 übernommene Grundsatz, dass Grunddienstbarkeiten279 civiliter (schonend) auszuüben seien, ins BGB übernommen werden280.

277 Arndts, Pandekten (1883), S. 327; Dernburg, Pandekten I, S. 560; Elvers, Servitutenlehre, S. 219; Hoffmann, Servituten I, S. 17; Luden, Servituten, S. 24; Sintenis, Civilrecht I, S. 562; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 599. In auffällig vielen Werken hingegen wird auf den Grundsatz der schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit mit keinem Wort eingegangen, so z. B. bei Brinz, Pandekten I; Glück, Pandekten X; Puchta, Pandekten; Schönemann, Servituten; Zielonacki, Servituten. Der Grundsatz der schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit ist in der Pandektenwissenschaft so einhellig und unproblematisch als Inhaltbestimmung der Grunddienstbarkeit aufgefasst worden (dazu sogleich im Text), dass viele Autoren die gesonderte Erwähnung dieses Grundsatzes für überflüssig gehalten haben dürften. 278 So bestimmt § 524 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1866: „Dienstbarkeiten sind mit möglichster Schonung des Eigenthums auszuüben.“ Siehe dazu mit weiteren Nachweisen Johow, Sachenrecht II, S. 1135.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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Diesen Grundsatz leitete die Pandektenwissenschaft hauptsächlich281 aus D.8.1.9282 ab, welcher lautet: „Celsus libro quinto digestorum. Si cui simplicius via per fundum cuiuspiam cedatur vel relinquatur, in infinito, videlicet, per quamlibet eius partem, ire agere licebit, civiliter modo: nam quaedam in sermone tacite excipiuntur. Non enim per villam ipsam nec per medias vineas ire agere sinendus est, cum id aeque commode per alteram partem facere possit minore servientis fundi detrimento. . . .“ 283 „Celsus im 5. Buch seiner Digesten. Wenn jemandem ohne genauere Bestimmung ein Wegerecht über das Grundstück eines anderes bestellt oder vermacht worden ist, darf er uneingeschränkt, das heißt über jeden beliebigen Teil dieses Grundstücks gehen, Vieh treiben und fahren, freilich nur in schonender Weise. Denn manches wird in seiner Erklärung stillschweigend ausgeschlossen. Der Eigentümer braucht nämlich nicht zu dulden, dass der Berechtigte über den Hof oder mitten durch die Reben geht, Vieh treibt oder fährt, wenn man dies ebenso bequem und mit geringerem Schaden für das dienende Grundstück über einen anderen Teil tun kann. . . .“ 284

Bei dieser Stelle wird mit den Worten civiliter modo der Inhalt eines nicht näher konkretisierten Wegerechts bestimmt285, indem festgestellt wird, dass ein solches Wegerecht nur zum Gehen, Viehtreiben und Fahren in schonender Weise berechtigt, ein Gehen, Viehtreiben und Fahren in nicht schonender Weise jedoch nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts gehört.

279 Zum Teil wendete man diesen Grundsatz auch auf die persönlichen Dienstbarkeiten an; so Dernburg, Pandekten I, S. 561 f. Fn. 7; Elvers, Servitutenlehre, S. 219. 280 Johow, Sachenrecht II, S. 1135. 281 Daneben wurde teilweise noch auf D.8.2.20.1, D.8.3.13.1 und 3 abgestellt; siehe Arndts, Pandekten (1883), S. 327 Fn. o; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 599 Fn. 11. Allerdings wird der Begriff civiliter in diesen Stellen nicht benutzt. 282 Arndts, Pandekten (1883), S. 327 Fn. o; Dernburg, Pandekten I, 560 Fn. 7; Hoffmann, Servituten I, S. 17; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 599 Fn. 11. 283 Weiter heißt es: „verum constitit, ut, qua primum viam direxisset, ea demum ire agere deberet nec amplius mutandae eius potestatem haberet: sicuti Sabino quoque videbatur, qui argumento rivi utebatur, quem primo qualibet ducere licuisset, posteaquam ductus esset, transferre non liceret: quod et in via servandum esse verum est.“ („Es steht aber fest, dass der Berechtigte da, wo er zuerst seinen Weg genommen hat, auch in der Folgezeit gehen, Vieh treiben und fahren muss und dass er später nicht die Befugnis zu einer Veränderung hat. Dieser Ansicht war auch Sabinus, der das Beispiel eines Grabens anführte, den man zunächst anlegen kann, wo man will, dessen Verlauf man aber, wenn er einmal festgelegt ist, nicht ändern darf. Es ist richtig, dass man dies auch bei einem Fahrweg beachten muss.“; Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 666 f.). 284 Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 666. 285 So auch Möller, Servituten, S. 266, nach der „Ausübungsmodalitäten, die den Charakter der Schikane haben, nicht von der . . . aus der Servitut fließenden Berechtigung erfasst [sind]“.

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So offensichtlich bei dieser Stelle mit den Worten civiliter modo der genaue Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts näher bestimmt wird, verwundert es denn auch nicht, dass in der Pandektenwissenschaft niemand die Auffassung vom Bestehen einer Pflicht des Eigentümers des herrschenden Grundstücks zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit vertrat, sondern der Grundsatz der schonenden Ausübung einhellig als Begrenzung und damit genaue Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit aufgefasst wurde286. bb) Johows Vorentwurf Vor diesem gemeinrechtlichen Hintergrund liegt es nahe, dass Johow mit der Regelung des § 242 I seines Vorentwurfs, welche lautet: „Bei der Ausübung einer Dienstbarkeit sind die mit derselben verträglichen Interessen des Eigenthümers zu schonen.“ 287,

nicht nur den Grundsatz der schonenden Ausübung aus dem gemeinen Recht in das neue Zivilgesetzbuch übernehmen wollte288, sondern auch, dass er diesen Grundsatz in gleicher Weise verstanden hat, wie dies in der Pandektenwissenschaft üblich war: als Regelung der inhaltlichen Grenzen der Dienstbarkeit. Schließlich sollte bei der Ausarbeitung des BGB vom gemeinen Recht als der gemeinsamen Grundlage der Partikularstaaten ausgegangen werden289. Allerdings lässt sich der Wortlaut des § 242 I des Vorentwurfs – ganz im Gegensatz zu den Worten civiliter modo in D.8.1.9 – nicht nur als inhaltliche Begrenzung des dinglichen Rechts, sondern auch als die Begründung einer Pflicht des Berechtigten auffassen. Gerade im Vergleich zu der Digestenstelle D.8.1.9 überrascht es, dass Johow den Grundsatz der schonenden Ausübung nicht nach dem Vorbild dieser Digestenstelle in der Weise geregelt hat, dass er bei der Regelung des Inhalts der jeweiligen Dienstbarkeit den einschränkenden Zusatz „in schonender Weise“ angefügt hat. Stattdessen hat er in den allgemeinen Teil des Dienstbarkeitsrechts eine für alle Dienstbarkeiten geltende Regelung aufgenommen, die den Grundsatz der schonenden Ausübung gesondert formuliert. Doch lässt sich hieraus nicht zwingend schließen, dass sich Johow mit der Abkehr von der in D.8.1.9 vorgefundenen Regelungstechnik auch von dem bis dahin gültigen Verständnis des Grundsatzes der schonenden Ausübung als inhaltlicher Regelung der Dienstbarkeit abwenden wollte. Schließlich kann die Entscheidung gegen diese Regelungstechnik auch auf den unterschiedlichen Aufbau von Di286 Dernburg, Pandekten I, S. 559 f.; Elvers, Servitutenlehre, S. 205 ff.; Hoffmann, Servituten I, S. 17. 287 Johow, Sachenrecht I, S. 55. 288 Johow, Sachenrecht II, S. 1135. 289 Siehe dazu ausführlich S. 26.

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gesten einerseits und Johows Vorentwurf andererseits zurückzuführen sein. In den Digesten sind die persönlichen Nutzungsrechte und die Grunddienstbarkeiten getrennt voneinander im siebten und achten Buch behandelt. Für seinen Entwurf hingegen wählte Johow den in der Pandektenwissenschaft für die Behandlung des Servitutenrechts üblichen Aufbau und stellte den Titeln über die einzelnen Dienstbarkeiten einen Titel mit allgemeinen Bestimmungen voran290. Da der Grundsatz der schonenden Ausübung nach Johows Auffassung für alle Dienstbarkeiten gleichermaßen galt291, war es nur folgerichtig, ihn nicht bei jeder Dienstbarkeit einzeln, sondern in einer für alle Dienstbarkeiten geltenden Regelung im allgemeinen Teil zu regeln. Aus dem Unterschied zu der in D.8.1.9 gewählten Regelungstechnik lässt sich daher nicht schließen, dass Johow sich von dem Verständnis des Grundsatzes der schonenden Ausübung als inhaltlicher Regelung der Dienstbarkeit abwandte. Ebenso wie aus dem Wortlaut des § 242 I des Vorentwurfs ist auch aus dessen Begründung nicht ersichtlich, ob Johow mit der Regelung des § 242 I des Vorentwurfs den Inhalt der Grunddienstbarkeit näher regeln oder einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des belasteten Grundstücks statuieren wollte. Einerseits begründet Johow die Regelung des § 242 I seines Vorentwurfs damit, dass der Berechtigte eine „Richtschnur bei der Ausübung seines Rechts“ 292 brauche, „weil die besondere Art der Ausübung im Errichtungsvertrage meistentheils nicht so genau zeitlich und räumlich determiniert werden kann, daß dadurch die Grenze zwischen dem Erlaubten und dem Unerlaubten genau gezogen [sei]“ 293. Schließlich, so Johow weiter, könnten „nach dem Wortlaute des Errichtungsvertrages [. . .] mehrere Ausübungsarten gleichmäßig als erlaubt erscheinen“ 294. Nach diesen Ausführungen ermöglicht § 242 I des Vorentwurfs eine

290

Siehe dazu ausführlich S. 33. Johow, Sachenrecht II, S. 1135. Die Frage, ob der Grundsatz der schonenden Ausübung auf alle Servituten anwendbar ist, wurde von der Pandektenwissenschaft nicht diskutiert. Lediglich der Ort, an dem er jeweils behandelt wird, lässt Rückschlüsse auf den jeweils angenommenen Anwendungsbereich zu. So behandelt Dernburg, Pandekten I, S. 560 f. ihn im Rahmen der Ausführungen über das „Wesen der Servituten“, während Arndts, Pandekten (1883), S. 327 ihn bei den „Allgemeine[n] Grundsätze[n]“ der Grunddienstbarkeiten anspricht. Keller, Pandekten, S. 321 f. erwähnt ihn sogar lediglich bei der Erörterung der Grunddienstbarkeitsart des via. Auch die erste Kommission, die sich gegen einen allgemeinen Teil des Dienstbarkeitsrecht entschied (siehe dazu oben S. 33 ff.), hielt den Grundsatz der schonenden Ausübung auf alle Dienstbarkeiten für anwendbar, überließ es aber der Redaktionskonferenz zu überprüfen, ob sie es für notwendig erachtete, diesen Grundsatz nicht nur für die Grunddienstbarkeit und (über den Verweis auf die für die Grunddienstbarkeit geltenden Regelungen) die beschränkte persönliche Dienstbarkeit, sondern auch für den Nießbrauch gesondert auszusprechen (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 17). 292 Johow, Sachenrecht II, S. 1135. 293 Johow, Sachenrecht II, S. 1135. 294 Johow, Sachenrecht II, S. 1135. 291

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Grenzziehung zwischen dem Erlaubten und dem Unerlaubten in dem Fall, in dem nach dem Wortlaut des Errichtungsvertrages mehrere Ausübungsarten als erlaubt erscheinen, es aber nicht sind (!), und regelt damit lediglich den genauen Inhalt des dinglichen Rechts. Er bestimmt, dass das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht an dem belasteten Grundstück nur soweit reicht, wie die mit der Grunddienstbarkeit verträglichen Interessen des Eigentümers des belasteten Grundstückes geschont werden. Anderseits heißt es unmittelbar im Anschluss: „Unter diesen [den verschiedenen Ausübungsarten, die „nach dem Wortlaute des Errichtungsvertrages gleichsam als erlaubt erscheinen“] wird durch unsere Regel der Berechtigte verpflichtet 295, diejenigen zu wählen, bei welcher der Zweck der Dienstbarkeit mit möglichst geringer Beeinträchtigung des Eigenthümers erreicht werden kann. Ein Verstoß gegen die ihm auferlegte Diligenzpflicht unterscheidet sich, wenn durch denselben ein Schaden gestiftet wird, von der gewöhnlichen aquilischen Culpa dadurch, dass er sich immerhin in der Ausübung eines Rechts befindet und ohne die Schonungspflicht auf den Rechtssatz sich berufen könnte: qui jure suo utitur neminem laedit.“ 296 Im Gegensatz zu den vorherigen Ausführungen wird § 242 I des Vorentwurfs hier als Norm dargestellt, die nicht den Inhalt der Grunddienstbarkeit näher bestimmt, sondern die Verpflichtung des Grunddienstbarkeitsberechtigten begründet, von der Ausübung seines beschränkten dinglichen Rechts insoweit abzusehen, als die Ausübung des Rechts den Eigentümer des belasteten Grundstückes mehr beeinträchtigen würde als es für das Erreichen des Zwecks der Grunddienstbarkeit erforderlich ist. Dies wird nicht nur in der Verwendung des Verbs „verpflichtet“ deutlich, sondern auch daran, dass sich der Berechtigte bei einem Verstoß gegen diesen Grundsatz nur dann noch „in der Ausübung seines Rechts“ befinden kann, wenn man davon ausgeht, dass § 242 I des Vorentwurfs nicht die inhaltlichen Grenzen des Rechts bestimmt, sondern lediglich die Verpflichtung begründet, das dingliche Recht nur in eingeschränktem Umfang auszuüben. Dann nämlich befindet sich der Grunddienstbarkeitsberechtigte auch bei einem Verstoß gegen diese Pflicht noch in der „Ausübung seines Rechts“. Es bleibt also unklar, ob der Grundsatz der schonenden Ausübung in § 242 I des Vorentwurfs als inhaltliche Bestimmung der Grunddienstbarkeit oder als Verpflichtung des Berechtigten konstruiert ist. cc) Entwurf erster Lesung Dieses widersprüchliche Bild von der rechtlichen Konstruktion des Grundsatzes der schonenden Ausübung setzt sich auch im Entwurf erster Lesung und den dazu ergangenen Motiven fort. 295 296

Kursivstellung nicht im Original. Johow, Sachenrecht II, S. 1135.

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So kann § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung, welcher sich sprachlich von § 1020 S. 1 BGB nur insofern unterscheidet, als anstatt „der Berechtigte hat das Interesse . . . zu schonen“ lediglich aus neutraler Sicht formuliert ist: „ist das Interesse . . . zu schonen“ 297, vom Wortlaut her ebenso wie § 1020 S. 1 BGB sowohl als inhaltliche Begrenzung der Grunddienstbarkeit als auch als Statuierung einer Schonungspflicht verstanden werden. Zur Erläuterung des § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung ist in den Motiven ausgeführt: „Vielleicht lässt sich die Beschränkung des Servitutenberechtigten auf eine solche Art der Ausübung seines Rechts, welche die Interessen des Eigenthümers des dienenden Grundstückes thunlichst schont, aus der Begrenzung des Rechtsinhaltes mit Rücksicht auf Zweck und Bedürfnis schon ableiten. Die Klarheit des Gesetzes würde indessen leiden, wenn jene Beschränkung nicht zum besonderen Ausdrucke gelangte.“ 298 Nach diesen Ausführungen hat § 907 S. 1 des Entwurfs erster Lesung also lediglich die Funktion, klarzustellen, wo die inhaltlichen Grenzen der Grunddienstbarkeit verlaufen. § 970 S. 1 soll den genauen Inhalt der Grunddienstbarkeit bestimmen, aber keine Pflicht des Berechtigten gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks begründen. Ganz in diesem Sinne heißt es denn auch im Rahmen der Ausführungen zu § 972 des Entwurfs erster Lesung über § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung: „. . . zu Bestimmungen gelangt, welche nicht, wie die Vorschrift des § 970, den Inhalt des Dienstbarkeitsrechtes näher bestimmen und begrenzen, . . .“ 299. Dieses klare Bild von § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung als inhaltlicher Regelung der Grunddienstbarkeit wird dadurch getrübt, dass in den Motiven auch, und zwar ebenfalls im Rahmen der Ausführungen zu § 972 des Entwurfs erster Lesung, von der „Pflicht des Berechtigten zur schonenden Ausübung seines Rechts“ 300 die Rede ist. Allerdings liegt bei dieser Formulierung die Vermutung nahe, dass es sich dabei lediglich um eine unbeabsichtigte sprachliche Ungenauigkeit handelt, die das Ergebnis einer missglückten sprachlichen Vereinfachung ist. Geht man davon aus, dass § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung eine inhaltliche Regelung der Grunddienstbarkeit darstellt, hat der Berechtigte nur bis zur der von § 970 S. 1 festgelegten Grenze der schonenden Ausübung ein Herrschaftsrecht an dem mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstück. Dass er, sobald er diese Grenze überschreitet, in ungerechtfertigter Weise in den Rechtskreis eines anderen ein297 § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit ist das Interesse des Eigenthümers des dienenden Grundstückes tunlichst zu schonen.“ Mugdan, Materialien III, S. XLI. 298 Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269. 299 Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270. 300 Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270.

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dringt, könnte an dieser Stelle um der sprachlichen Vereinfachung Willen verkürzt als „Pflicht“ des Berechtigten zur schonenden Ausübung formuliert worden sein, und das obwohl es sich dabei gerade nicht um eine Pflicht des Berechtigten im rechtlichen Sinne, also einer Pflicht, die sich aus Sicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks als schuldrechtlicher Anspruch darstellt, handelt. Bedenkt man, wie eindeutig § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung ansonsten in den Motiven als Inhaltsbestimmung der Grunddienstbarkeit beschrieben wird, spricht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, es sich bei der Formulierung „Pflicht“ lediglich um ein sprachliche Ungenauigkeit handelt. Hierfür spricht zudem ein Vergleich mit den Motiven zu den §§ 991 ff. des Entwurfs erster Lesung, aus denen die Regelungen der §§ 1036 ff. BGB für den Nießbrauch hervorgegangen sind. Denn während die Motive zu den §§ 991 ff. des Entwurfs erster Lesung mit den Worten „Gesetzliches Schuldverhältnis“ 301 überschrieben sind, fehlt bei den Motiven zu §§ 970 ff. des Entwurfs erster Lesung eine entsprechende Überschrift. dd) Entwurf zweiter Lesung In den Protokollen zu § 931 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung302, der § 1020 S. 1 BGB entspricht, heißt es: „Der § 970 verpflichte den Servitutenberechtigten, bei der Ausübung der Servitut das Interesse des Eigenthümers des dienenden Grundstückes thunlichst zu schonen.“ 303 Auch an dieser Stelle lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei der Verwendung des Verbs „verpflichten“ lediglich um die gerade beschriebene sprachliche Ungenauigkeit handelt, oder ob § 931 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung als Statuierung einer Pflicht des Berechtigten zu verstehen ist. Mehr Aufschluss über das § 931 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung zugrunde liegende Verständnis gibt auch die darauf folgende Aussage nicht, welche lautet: „Diese Bestimmung sei angemessen, weil sie die erforderliche Grundlage für eine Schadensersatzklage des Eigenthümers des dienenden Grundstückes wegen chikanöser Ausübung der Grunddienstbarkeit bilde.“ 304 Schließlich kann diese Aussage einerseits in dem Sinne verstanden werden, dass § 931 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung eine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks begründen soll, deren Verletzung Schadensersatzansprüche des letzteren gegen den ersteren zur Folge hat. Andererseits kann sie aber auch so verstanden werden, dass mithilfe des § 931 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung bestimmt werden kann, ob ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten einen Schadensersatzanspruch des Eigentümers des be301 302 303 304

Motive III, S. 504 = Mugdan, Materialien III, S. 281. Mugdan, Materialien III, S. XLI. Protokolle III, S. 3903 = Mugdan, Materialien III, S. 734. Protokolle III, S. 3903 = Mugdan, Materialien III, S. 734.

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lasteten Grundstücks wegen Verletzung seines Eigentums deswegen auslöst, weil dieses Verhalten die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts an dem belasteten Grundstück überschreitet. Für eine Interpretation der Aussage in diese Richtung spricht das sich in den Motiven abzeichnende Bild vom Grundsatz der schonenden Ausübung als Regelung des genauen Inhalts der Grunddienstbarkeit. Außerdem kann mangels gegenteiliger Äußerungen in den Protokollen davon ausgegangen werden, dass die zweite Kommission bei der Beratung des § 931 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung das gleiche Bild vom Grundsatz der schonenden Ausübung vor Augen gehabt haben wird wie die erste Kommission bei der Beratung des § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung. ee) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gesetzgeber sich zwar mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Vorstellung der Pandektenwissenschaft vom Grundsatz der schonenden Ausübung als einer inhaltlichen Regelung der Grunddienstbarkeit angeschlossen hat, es sich aber aufgrund widersprüchlicher Aussagen in den Gesetzesmaterialien auch nicht ausschließen lässt, dass mit § 1020 S. 1 BGB eine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks statuiert werden sollte. c) Sinn und Zweck des § 1020 S. 1 BGB Sinn und Zweck des § 1020 S. 1 BGB ergeben sich aus der Notwendigkeit der privatautonomen Ausgestaltung des Rechtsinhalts als Besonderheit der Grunddienstbarkeit305. Bei der Grunddienstbarkeit können und müssen die Parteien den Inhalt des dinglichen Rechts innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens privatautonom regeln306; sie genießen eine für beschränkte dingliche Rechte untypische Freiheit, den Inhalt des dinglichen Nutzungsrechts innerhalb der gesetzlichen Grenzen beliebig auszugestalten. Als Kehrseite dieser weitreichenden Gestaltungsfreiheit der Parteien können allerdings Unsicherheiten, ob ein bestimmtes Verhalten noch zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört, in den Fällen auftreten, in denen die Parteien diesbezüglich keine oder zumindest keine eindeutige Regelung getroffen haben. Ob ein bestimmtes Verhalten noch zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört, ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln. Dazu ist – dies sei an dieser Stelle kurz wiederholt307 – zunächst die dingliche Einigung nach den allgemein gemäß §§ 133, 157 BGB für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen. Anschließend ist der Grundbucheintrag 305 306 307

Siehe dazu ausführlich oben S. 70 ff. Siehe dazu oben S. 70 ff. Dazu ausführlich oben S. 80 ff.

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nach Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung auszulegen, wobei Umstände außerhalb dieser Urkunden lediglich insoweit heranzuziehen sind, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind308. Soweit sich Einigung und Eintragung inhaltlich decken, ist die Grunddienstbarkeit gemäß § 873 BGB entstanden309. Allerdings sind die Möglichkeiten, den konkreten Inhalt der Grunddienstbarkeit durch Auslegung zu ermitteln, begrenzt. So stößt die Auslegung beispielsweise in den Fällen an ihre Grenzen, in denen sich weder aus dem Wortlaut und dem Sinn der Grundbucheintragung samt der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung noch aus den außerhalb dieser Urkunden liegenden für jedermann ohne weiteres erkennbaren Umständen ermitteln lässt, ob ein bestimmtes Verhalten nach dem Inhalt der Eintragung noch von der Grunddienstbarkeit umfasst ist. In diesen Fällen mag sich zwar der Inhalt der dinglichen Einigung zumindest solange noch durch ergänzende Vertragsauslegung310 ermitteln lassen, wie Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen vorhanden sind. Für die Ermittlung des Inhalts der Eintragung hingegen steht die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung nicht offen. Das von den Parteien Gewollte kann daher mangels inhaltlicher Übereinstimmung von Einigung und Eintragung nicht Inhalt der Grunddienstbarkeit werden. Es bleibt weiterhin unklar, ob ein bestimmtes Verhalten zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört. Lässt sich der genaue Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht in jedem Fall durch Auslegung ermitteln, bedarf es einer Regelung, wonach sich in solchen Fällen bestimmen lässt, ob ein bestimmtes Verhalten zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört. Eben diese Aufgabe übernimmt für die Grunddienstbarkeit die Regelung des § 1020 S. 1 BGB. Indem § 1020 S. 1 BGB das Erfordernis der tunlichsten

308

Dazu oben S. 91. Dazu ausführlich oben S. 85 ff. 310 Mithilfe der ergänzenden Vertragsauslegung können Lücken der betreffenden rechtsgeschäftlichen Regelung unter Anknüpfung an den im Rechtsgeschäft enthaltenen Regelungsplan geschlossen werden (Staudinger/Roth § 157 RdNr. 4). Voraussetzung der ergänzenden Vertragsauslegung ist das Vorliegen einer Regelungslücke in einem regelungsbedürftigen Punkt der vertraglichen Regelung, wenn also die von den Parteien getroffene Regelung eine Bestimmung nicht enthält, die erforderlich ist, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (Staudinger/Roth § 157 RdNr. 15). Lässt sich die Regelungslücke nicht unter Heranziehung dispositiven Rechts schließen (dazu und zu den hiervon gemachten Ausnahmen siehe Staudinger/Roth § 157 RdNr. 23 ff.), wird der hypothetische Parteiwillen zur Ergänzung der vertraglichen Regelung herangezogen, wobei – ausgehend von den im Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen, seines Sinn und Zwecks – darauf abgestellt wird, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (ständige Rspr. und h. M.; siehe nur BGH NJW 2009, 2443, 2446; Staudinger/Roth § 157 RdNr. 30). 309

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Schonung der Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks aufstellt, eröffnet er die Möglichkeit, den genauen Inhalt der Grunddienstbarkeit mithilfe einer Abwägung der Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks („schonen“) und des Eigentümers des herrschenden Grundstücks („tunlichst“) zu bestimmen. So kann beispielsweise in den Fällen, in denen die Grunddienstbarkeit in Form eines Wegerechtes pauschal zum Benutzen eines über das dienende Grundstück führenden Weges berechtigt, mithilfe des Kriteriums der schonenden Ausübung unter Einbeziehung der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmt werden, wie weit dieses Benutzungsrecht im konkreten Fall reicht. Es lässt sich etwa bestimmen, ob und welchen Dritten das Recht zur Ausübung des Wegerechts gestattet werden kann311 oder mit welchen Fahrzeugen, in welcher Frequentierung und zu welchen Tageszeiten der Weg benutzt werden darf. Anders als bei der Auslegung der Grunddienstbarkeit ist es bei der Bestimmung des Rechtsinhalts gemäß § 1020 S. 1 BGB gerade möglich, im Rahmen der Interessenabwägung auch außerhalb der Urkunden liegende Umstände, die nicht ohne Weiteres für jedermann erkennbar sind, zu berücksichtigen. d) Systematik: Vergleich zu § 242 BGB Dass § 1020 S. 1 BGB der inhaltlichen Konkretisierung der Grunddienstbarkeit in den Fällen dient, in denen sich der genaue Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht durch Auslegung ermitteln lässt, wird deutlich, wenn man die Funktion, die § 1020 S. 1 BGB für die Grunddienstbarkeit hat, mit der Funktion vergleicht, die § 242 BGB bei schuldrechtlichen Verträgen wahrnimmt. Ebenso wie bei der Grunddienstbarkeit haben die Parteien auch bei schuldrechtlichen Verträgen die Möglichkeit, diese im Rahmen der gesetzlichen Grenzen privatautonom auszugestalten, so dass es auch hier aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu Unklarheiten über den genauen Inhalt des Vertrages kommen kann. Sind die Möglichkeiten, den genauen Inhalt des schuldrechtlichen Vertrages durch Auslegung zu ermitteln, erschöpft, weil die Parteien weder eine Regelung über die Art und Weise der geschuldeten Leistung getroffen haben noch Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung eröffnen312, bedarf es einer Re311 Zum Problem der Ausübung der Grunddienstbarkeit durch Dritte siehe ausführlich S. 119 ff. 312 Unstreitig scheidet die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung aus, wenn mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der Lücke gegeben sind, aber keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, für welche Regelung die Parteien sich entschieden hätten (BGH NJW 1984, 1177, 1179; BGH NJW 2000, 1110, 1114; OLG Schleswig NJW-RR 2008, 1705, 1706; BGH NJW 2002, 2310, 2311; MüKo/Busche § 157 RdNr. 54; Staudinger/Roth § 157 RdNr. 43).

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gelung, mit deren Hilfe sich in einem solchen Fall der genaue Inhalt des schuldrechtlichen Vertrages ermitteln lässt. Greift bei der Grunddienstbarkeit in Fällen, in denen die Möglichkeiten der Auslegung erschöpft sind, § 1020 S. 1 BGB ein, übernimmt diese Aufgabe beim schuldrechtlichen Vertrag § 242 BGB313. In seinem unmittelbarem Anwendungsbereich314 hat dieser die Funktion, die Leistungspflichten des Schuldners315 über die in den §§ 243 ff. BGB geregelten Einzelfragen hinaus mithilfe des Kriteriums von Treu und Glauben zu konkretisieren316. Dabei dient § 242 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich allein der Konkretisierung bestehender Leistungspflichten, nicht aber der Ergänzung des Schuldverhältnisses um weitere Leistungs- oder Rücksichtspflichten317; schließlich setzt schon der Wortlaut des § 242 BGB das Bestehen einer Leistungspflicht voraus318. § 1020 S. 1 BGB nimmt damit für die Grunddienstbarkeit die Aufgabe wahr, die § 242 BGB bei schuldrechtlichen Verträgen zukommt: die der inhaltlichen Konkretisierung in Fällen, in denen die Möglichkeiten der Auslegung erschöpft sind. § 1020 S. 1 BGB ist damit nicht – wie allgemein angenommen319 – ein spezieller Anwendungsfall des § 242 BGB, sondern regelt lediglich ein bei der Grunddienstbarkeit auftretendes Parallelproblem320. 313 Zum Vorrang der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB vor der Konkretisierung der Leistungspflichten gemäß § 242 BGB siehe ausführlich Staudinger/ Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 354 ff. mit Hinweisen auf abweichende Auffassungen. Ist auch bei beiden Normen – man beachte den nahezu identischen Wortlaut von § 157 BGB und § 242 BGB! – auf den Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte abzustellen, so ist doch der Anknüpfungspunkt ein unterschiedlicher. Während bei § 242 BGB unmittelbar auf diese Kriterien abgestellt wird, um das „rechtliche Sollen“ zu ermitteln, erlangen diese Kriterien bei der ergänzenden Vertragsauslegung zur Ermittlung des „rechtlichen Wollens“ der Parteien nur mittelbare Bedeutung, indem sie einen Anhaltspunkt für den hypothetischen Parteiwillen liefern (Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 357, 361). 314 Bei § 242 BGB ist mit Looschelders und Olzen (Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 105) zwischen dem unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm und der ihr darüber hinaus beigemessenen Bedeutung zu unterscheiden. Dabei muss sich freilich jede über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende richterliche Rechtsfortbildung des § 242 BGB an den Maßstäben der Methodenlehre messen lassen können (so auch MüKo/Roth/Schubert § 242 RdNr. 29). 315 Aus dem Wortlaut („Schuldner“) und der systematischen Stellung des § 242 BGB im zweiten Buch ergibt sich, dass § 242 BGB unmittelbar nur auf gesetzliche und rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse anwendbar ist (siehe dazu Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 125, 126). Dennoch haben Rechtsprechung und Literatur § 242 BGB ab Anfang der dreißiger Jahre vermehrt auch außerhalb des Schuldrechts angewendet; siehe dazu Lehmann, Vindikation und richterlicher Wertungsspielraum, S. 51 f. 316 Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 182. 317 Dazu ausführlich Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 187 ff. 318 Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 RdNr. 190. 319 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 40; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1.

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e) Ergebnis Zusammenfassend ergibt die Auslegung des § 1020 S. 1 BGB, dass diese Norm keine Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit und damit kein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstückes begründet, sondern lediglich den Inhalt des dinglichen Rechts näher konkretisiert. § 1020 S. 1 BGB legt die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts fest, indem er bestimmt, dass das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück nur soweit reicht, wie die Interessen des Eigentümers des belasteten Grundstücks möglichst geschont werden. 3. Auswirkungen Die Einordnung des § 1020 S. 1 BGB als inhaltliche Konkretisierung der Grunddienstbarkeit wirkt sich darauf aus, welche Ansprüche dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten in dem Fall zustehen, dass letzterer bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit die Interessen des ersteren nicht schont. Stellt § 1020 S. 1 BGB eine inhaltliche Konkretisierung der Grunddienstbarkeit dar, überschreitet der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Grenzen des ihm an dem dienenden Grundstück eingeräumten Rechts, wenn er die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks nicht schont321. Das Eigentum an dem dienenden Grundstücks wird beeinträchtigt, ohne dass dessen Eigentümer diese Beeinträchtigung gemäß § 1004 II BGB zu dulden hat. Dem Eigentümer des dienenden Grundstücks steht gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten daher gemäß § 1004 I BGB ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung (S. 1) und im Falle wiederholter oder erstmals ernsthaft drohender Beeinträchtigung ein Anspruch auf Unterlassung (S. 2) zu322. Bei einem Verschulden des Grunddienst320 Auch Schmidt sieht in § 1020 S. 1 BGB eine Norm, die bei der Grunddienstbarkeit an die Stelle tritt, die § 242 BGB als „ergänzende Regel für die Bewirkung der Leistung“ (Schmidt, Anpassung, S. 188) im Schuldrecht einnimmt (Schmidt, Anpassung, S. 187 f., 191). Allerdings ist er der Auffassung, dass das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht, ein anderes Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen, nicht nur eine sachenrechtliche Zuordnung beinhalte, sondern darüber hinaus zwischen den Grundstückseigentümern einen schuldrechtlichen Leistungsanspruch begründe (Schmidt, Anpassung, S. 185); für beide nehme § 1020 S. 1 BGB die Aufgabe der näheren Ausgestaltung und Ergänzung wahr (Schmidt, Anpassung, S. 185 ff.). Dagegen ist einzuwenden, dass sich die Wirkung der Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts darin erschöpft, dass einer Person in gewissen Umfang Herrschaftsmacht an einer fremden Sache eingeräumt wird; zur Begründung eines schuldrechtlichen Leistungsanspruchs hingegen bedarf es einer schuldrechtlichen Vereinbarung oder einer gesetzlichen Anordnung. 321 Ebenso Planck, BGB (1902), § 1020 RdNr. 1. 322 Ebenso Planck, BGB (1902), § 1020 RdNr. 1.

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barkeitsberechtigten hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks außerdem ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 I BGB323. Hingegen hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten keinen schuldrechtlichen Anspruch auf tunlichste Schonung seiner Interessen, dessen Nichterfüllung Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 280 ff. BGB auslösen könnte oder in dessen Rahmen eine Verschuldenszurechnung gemäß § 278 BGB möglich wäre. So steht beispielsweise dem Eigentümer eines mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Wegerechtes belasteten Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten kein schuldrechtlicher Anspruch gemäß § 1020 S. 1 BGB darauf zu, dass jener ein auf dem dienenden Grundstück angebrachtes Tor verschlossen hält. Allerdings kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks einen Anspruch gemäß § 1004 I 1 BGB darauf haben, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte es unterlässt, den Weg zu nutzen, ohne das Tor, nachdem er es passiert hat, wieder zu verschließen. Das ist der Fall, wenn eine – nach erfolgloser Auslegung vorgenommene – Bestimmung des genauen Dienstbarkeitsinhaltes gemäß § 1020 S. 1 BGB ergibt, dass eine solche Benutzung nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt ist und damit eine Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück darstellt, die der Eigentümer dieses Grundstücks nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden hat. II. § 1020 S. 2 BGB 1. Verständnis des § 1020 S. 2 BGB in Rechtsprechung und Literatur Hält der Berechtigte zur Ausübung der Grunddienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie gemäß § 1020 S. 2 BGB in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert. Nach allgemeiner Auffassung in Literatur324 und Rechtsprechung325 soll § 1020 S. 2 BGB als „gesetzliche Ausformung der in § 1020 S. 1 BGB festgelegten allgemeinen Pflicht zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit“ 326 einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf die Erhaltung der Anlagen 323

Ebenso Planck, BGB (1902), § 1020 RdNr. 1. MüKo/Joost § 1020 RdNr. 1, 11, 12; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 16, 21; NKBGB/Otto § 1020 RdNr. 51, 62; RGRK/Rothe § 1020 RdNr. 6; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 1, 4; Volmer MittBayNot 2000, 387, 387. So bereits Planck, BGB (1902), § 1020 RdNr. 2; Staudinger(1903)/Kober § 1020 RdNr. 3. 325 AG Wedding NJW-RR 2002, 1173, 1173; BGH NJW 2005, 894, 896 f.; BGH NJW 2011, 1351, 1351 f. 326 BGH NJW 2005, 894, 897; für einen Spezialfall von § 1020 S. 1 BGB wird § 1020 S. 2 BGB auch angesehen von KG Berlin 12 U 2019/89 (juris) Rz. 21; MüKo/ Joost § 1020 RdNr. 1; KG NJW 1970, 1686 fasst S. 2 als Erweiterung des S. 1 auf; ebenso RGRK/Rothe § 1020 RdNr. 6. 324

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begründen, die dieser zur Ausübung der Grunddienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück hält. a) Tatbestandsmerkmale des § 1020 S. 2 BGB Unter einer Anlage im Sinne des § 1020 S. 2 BGB versteht man allgemein jede vom Grundstück selbst unterscheidbare, für eine gewisse Dauer bestimmte und von Menschenhand zur Benutzung des Grundstücks geschaffene Einrichtung327, wie zum Beispiel328 einen, sei es nur durch Fahrrinnen markierten329, Weg, eine Brücke330, eine Stromleitung331 oder auch die gärtnerische Ausgestaltung eines Grundstücks332. Bloße Veränderungen des Grundstücks wie Erhöhungen oder Vertiefungen von Teilen des Grundstücks333, natürliche Teiche334, – auch korrigierte335 – Fließgewässer sowie Gegenstände, die jederzeit entfernt werden können336, gelten hingegen nicht als Anlagen im Sinne des § 1020 S. 2 BGB. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks „hält“ die Anlage nach allgemeiner Ansicht, wenn er sie für eigene Zwecke, nämlich „zur Ausübung der Grunddienstbarkeit“ einsetzt337; hierbei ist umstritten, ob er dazu rechtlich be327 BGH NJW 2006, 1428, 1429; BGH NJW 2002, 678, 678; Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 7; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12; NKBGB/Otto § 1020 RdNr. 52. Zum Teil wird zusätzlich verlangt, dass durch die Einrichtung ein Zustand geschaffen wird, ohne den die Grunddienstbarkeit nicht ordnungsgemäß ausgeübt werden könnte (so Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12; NK-BGB/ Otto § 1020 RdNr. 52) oder zumindest, dass die Einrichtung zur Ausübung der Grunddienstbarkeit geschaffen ist (so MüKo/Joost § 1020 RdNr. 8; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 5). Allerdings folgt nicht bereits aus dem Tatbestandsmerkmal „Anlage“, sondern erst aus dem Tatbestandsmerkmal „zur Ausübung der Dienstbarkeit“, dass ein Zusammenhang der Einrichtung mit der Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlich ist. Schon aus dem Wortlaut ergibt sich dabei, dass es ausreichend ist, dass die Anlage zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehalten wird, diese aber nicht notwendige Bedingung für die ordnungsgemäße Ausübung der Grunddienstbarkeit zu sein braucht. 328 Weitere Beispiele finden sich bei Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12. 329 BGH MittBayNot 2006, 495, 496; BGH NJW 2006, 1428, 1429; OLG München 1 U 4503/06 (juris) Rz. 47; OLG Koblenz 5 U 1378/00 (juris) Rz. 23; Staudinger/ Mayer § 1020 RdNr. 12. 330 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 52. 331 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12. 332 OLG Köln MittRhNotK 1990, 219, 219 f.; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 8; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12. 333 BGH NJW 2006, 1428, 1429; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 8; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12. 334 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12. 335 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12. 336 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12; hingegen nicht – wie von Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 12 angegeben – RGZ 51, 257. 337 BGH NJW 2011, 1351, 1352; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 13; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 5.

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fugt sein muss338 oder es – wie von der herrschenden Ansicht vertreten339 – allein auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt340. Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass es weder darauf ankommen soll, wer die Anlage errichtet hat, noch wer Eigentümer341 der Anlage ist342. Als beendet wird das Halten der Anlage angesehen, sobald der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Verwendung der Anlage zum Zweck der Ausübung der Grunddienstbarkeit nach außen erkennbar aufgegeben hat343. b) Rechtsfolge des § 1020 S. 2 BGB Als Rechtsfolge des § 1020 S. 2 BGB soll nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zur Erhaltung344 der Anlage in ordnungsmäßigem Zustand soweit verpflichtet sein, wie das Interesse des letzteren

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RGRK/Rothe § 1020 RdNr. 5. BGH NJW 2011, 1351, 1352; Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; MüKo/ Joost § 1020 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 13; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 5. 340 NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 53 hält den Streit für praktisch irrelevant, da der Eigentümer des dienenden Grundstücks mit der Geltendmachung des Erhaltungsanspruches zumindest konkludent die Nutzung der Anlagen genehmige; zustimmend Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 13. 341 Gemäß § 95 I 2 BGB iVm § 95 I 1 BGB gehört ein Gebäude oder ein anderes Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, nicht zu den Bestandteilen des Grundstücks. 342 BGH MittBayNot 2006, 495, 496 (zur Frage der Errichtung); MüKo/Joost § 1020 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 13; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 53; RGRK/ Rothe § 1020 RdNr. 5. 343 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 10; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 15; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 54. 344 In Literatur und Rechtsprechung wird entgegen dem Wortlaut im Rahmen des § 1020 S. 2 BGB ebenso wie im Rahmen der §§ 1021, 1022 BGB der Begriff „Unterhaltungspflicht“ verwendet (siehe nur BGH NJW 2005, 894, 897; Staudinger/Mayer Überschrift III. vor § 1020 RdNr. 11). Die Begriffe „Erhalt“ und „Unterhalt“ könnten abgesehen davon gleichgesetzt werden, dass bei § 1020 S. 2 BGB gerade keine Maßnahmen zur Erhaltung der Anlage in gebrauchsfähigem Zustand geschuldet seien (Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 17; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 59). Bisweilen wird auch vertreten, dass die Begriffe „Unterhaltung“ und „Erhaltung“ inhaltlich identisch seien (so Amann DNotZ 2005, 621, 622; OLG Hamm MDR 2003, 737, 737; OLG Köln NJW-RR 1990, 1165, 1166; LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 5). Schon Johow trennt begrifflich nicht durchgehend zwischen „Erhaltung“ und „Unterhaltung“. So lautet die Marginalie zu den §§ 271 ff. seines Vorentwurfs: „d. Erhaltung der Anlagen“, während in den §§ 271 ff. des Vorentwurfs nur von der „Errichtung“ und „Unterhaltung“ der Anlage die Rede ist (Johow, Sachenrecht I, S. 60). Ausführlicher zu den verschiedenen Ansichten bezüglich des Verhältnisses von § 1020 S. 2 BGB und §§ 1021, 1022 BGB siehe unten S. 244 f. 339

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es erfordere345. Bei diesem die Erhaltungspflicht begrenzenden Interesse handle es sich, wie sich aus einem Vergleich zu § 1021 I 2 BGB ergebe, nicht um das Benutzungsinteresse des Eigentümers des dienenden Grundstücks346. Vielmehr schütze § 1020 S. 2 BGB dessen Interesse am „äußeren Zustand der Anlage“ 347. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks sei daher nicht verpflichtet, für die Funktionsfähigkeit als „inneren Zustand“ 348 der Anlage zu sorgen349. Er sei vielmehr nur verpflichtet, die Anlage in einem Zustand zu erhalten, der von ihr ausgehende Beeinträchtigungen des Eigentums möglichst vermeide350, also die Integrität des belasteten Grundstücks wahre351. Außerdem habe er die Verkehrssicherheit der Anlage sicherzustellen352 sowie gegebenenfalls für ein ordentliches Aussehen der Anlage zu sorgen353. Befindet sich die Anlage nicht in ordnungsmäßigem Zustand, soll dem Eigentümer des dienenden Grundstücks neben dem schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch aus § 1020 S. 2 BGB ein Anspruch auf Erhaltung der Anlage gemäß § 1004 I 1 BGB354 zustehen. Schließlich stelle die Verletzung der Erhaltungspflicht eine Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück dar355. 345

Siehe dazu die Nachweise in Fn. 324 und in Fn. 325 auf S. 218. BGH NJW 2005, 894, 897; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 16; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 56. 347 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 56. 348 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11. 349 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 16; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 56. 350 KG NJW 1970, 1686, 1686; BGH NJW 2005, 894, 897; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11; RGRK/Rothe § 1020 RdNr. 6. 351 Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 16 (ebenso BGH NJW 2005, 894, 897) stellt allein auf den Schutz des Integritätsinteresses des Eigentümers als Zweck des § 1020 S. 2 BGB ab. Hierzu im Widerspruch sieht auch er die Dritten gegenüber bestehende Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Anlage als von der Erhaltungspflicht des § 1020 S. 2 BGB umfasst (Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 17). 352 BGH NJW 2005, 894, 897; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 17. 353 BGH NJW 2005, 894, 897; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 18. 354 Zwar wird stets nur pauschal „§ 1004“ BGB als Anspruchsgrundlage genannt (MüKo/Joost § 1020 RdNr. 12; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 21; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 62; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 7). Dass der Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 I 1 BGB und nicht der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I 1 BGB gemeint ist, ergibt sich jedoch daraus, dass der Umstand, dass sich die Anlage nicht in ordnungsgemäßen Zustand befindet, als „Beeinträchtigung“ des Eigentums und nicht – wie für § 1004 I 2 BGB – erforderlich als „drohende Beeinträchtigung“ bezeichnet wird (so MüKo/Joost § 1020 RdNr. 12; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 21; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 7). Ein Hinweis auf die Beeinträchtigung des Eigentums als Grund für das Vorliegens des Anspruchs aus § 1004 BGB fehlt bei NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 62. So bleibt unklar, ob er sich auf den Anspruch aus § 1004 I 1 BGB oder den aus § 1004 I 2 BGB bezieht. 355 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 12; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 21; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 7. 346

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Zumindest in dem Fall, dass die Anlage dem Eigentümer des herrschenden und nicht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gehört, trifft diese Aussage nicht zu. Denn allein die Tatsache, dass eine dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gehörende Anlage sich nicht in ordnungsgemäßem Zustand befindet, kann lediglich eine drohende Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück, aber keine bereits eingetretene Beeinträchtigung darstellen. Folglich kommt in diesem Fall nur ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I 2 BGB in Betracht. Ausgehend von der Annahme, dass § 1020 S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Erhaltungsanspruch begründet, gesteht die allgemein vertretene Ansicht bei einer schuldhaften Verletzung der Erhaltungspflicht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf Ersatz des eingetretenen Schadens nicht nur gemäß den §§ 823, 831, 837 f. BGB zu, sondern folgerichtig auch gemäß den §§ 280 ff. BGB. Allerdings wird dabei meist nur pauschal auf die §§ 280 ff. BGB verwiesen356. Hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Erhaltungsmaßnahme selbst vorgenommen, so soll ihm gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks ein Anspruch auf Erstattung seiner Kosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB und gemäß §§ 812 I 1, 818 II BGB zustehen357. c) Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB auch im Fall der Mitbenutzung? Die im Rahmen des § 1020 S. 2 BGB in Literatur und Praxis am häufigsten diskutierte Frage ist, ob § 1020 S. 2 BGB auch bei der Mitbenutzung der Anlage durch den Eigentümer des dienenden Grundstücks Anwendung findet358. Ob ein Fall der Mitbenutzung vorliegt, wird dabei – im Gegensatz zum Tatbestandsmerkmal des „Haltens“ einer Anlage durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten – auffälliger Weise meist nicht nach den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen bestimmt. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit zur alleinigen Nutzung der Anlage oder nur zur Mitbenutzung der Anlage neben dem Eigentümer befugt ist359. Eine Auffassung360 verneint die Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB auf die Fälle der Mitbenutzung. Schon aus der Formulierung „hält er“ ergebe sich, dass 356 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 12; Soergel/Stürner § 1020 RdNr. 7. Differenzierter verweist Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 21 auf die §§ 286 I, 281 und 280 BGB. Demgegenüber verweist NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 62 lediglich auf die §§ 280 und 286 BGB. 357 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 12; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 21; NK-BGB/ Otto § 1020 RdNr. 63. 358 Siehe dazu Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 14 mit zahlreichen Nachweisen. 359 So Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 14.

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§ 1020 S. 2 BGB nur auf den Fall der ausschließlichen Benutzung der Anlage durch den Berechtigten anwendbar sei361. Zudem widerspreche die Anwendung des § 1020 S. 2 BGB auf den Fall der Mitbenutzung der Anlage durch den Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Willen des Gesetzgebers, der sich – wie sich den Motiven III, S. 484362 entnehmen lasse – bewusst gegen die Aufnahme einer Vorschrift über die Verteilung der Unterhaltungslast im Falle der gemeinsamen Benutzung der Anlage entschieden habe363. Gegen die Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB im Falle der gemeinsamen Anlagennutzung spreche zudem die Regelung des § 1021 I 2 BGB. Erlaube § 1021 I 2 BGB für den Fall der beiderseitigen Benutzung der Anlage zu bestimmen, dass der Berechtigte die Anlage zu unterhalten habe, soweit es für das Benutzungsrecht der Eigentümers erforderlich sei, ergebe sich hieraus im Umkehrschluss, dass beim Fehlen einer solchen Vereinbarung der Eigentümer des dienenden Grundstücks gerade keinen Anspruch gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1020 S. 2 BGB habe364. Ist man sich innerhalb dieser Ansicht hinsichtlich der fehlenden Anwendbarkeit des § 1020 S. 1 BGB bei der gemeinsamen Benutzung der Anlage einig, gelangt eine Auffassung innerhalb dieser Ansicht365 allerdings im Ergebnis zu einer gegenseitigen anteiligen Erhaltungspflicht, indem sie beim Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung die §§ 741 ff. BGB analog anwendet. So soll der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf teilweise Unterhaltung beziehungsweise teilweise Erstattung von Unterhaltungskosten gemäß § 748 BGB analog haben366. Die Vergleichbarkeit mit der Rechtsgemeinschaft folge aus der gemeinsamen Befugnis des Eigentümers des herrschenden und des Eigentümers des dienenden Grundstücks, die 360 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737; OLG Köln NJW-RR 1996, 16, 16; AG Wedding NJW-RR 2002, 1173, 1174; LG Hildesheim 7 S 272/04 (juris) Rz. 32; LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 5; OLG Koblenz VRS 2002, 190, 190. 361 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737. 362 Die in Bezug genommene Stelle (Motive III, S. 484 = Mugdan, Materialien III, S. 270) lautet: „4. In einigen neueren Gesetzgebungen finden sich Vorschriften über die Vertheilung der Unterhaltungslast für den Fall, daß eine Anlage, welche zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dient, zugleich von dem Eigenthümer zu benutzen ist (ALR. I 22 § 36; öst. GB. § 483; zür. GB. § 716; ital. GB. Art. 641; vgl. bayer. Entw. III Art. 287; hess. Entw. II 4 Art. 76 Abs. 2). Der Entw. bringt keine derartigen Vorschriften. Eine gegenseitige Beitragspflicht kann nur als Folge eines Schuldverhältnisses, insbes. einer vertragsmäßigen Gemeinschaft, eintreten und ist deshalb hier nicht zu regeln. Eine dingliche Regelung bleibt in der Weise denkbar, daß der Eigenthümer des dienenden Grundstückes eine reallastartige, beschränkte Unterhaltungspflicht auf sein Grundstück übernimmt und daß dem Berechtigten die Leistung von Beiträgen als Bedingung des ihm eingeräumten Rechtes gesetzt wird.“ 363 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737. 364 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737. 365 OLG Köln NJW-RR 1990, 1165, 1166; LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 5 ff. 366 OLG Köln NJW-RR 1990, 1165, 1166; LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 7.

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Anlage zu nutzen367. Ergebe sich die Nutzungsbefugnis des Eigentümers des dienenden Grundstücks zwar aus einem anderen Recht als die des Grunddienstbarkeitsberechtigten, seien doch durch die gemeinsame Benutzung notwendig auch gemeinsame Interessen betroffen, die eine entsprechende Anwendung der §§ 741 ff. BGB rechtfertigten368. Die analoge Anwendung der §§ 741 ff. BGB entspreche zudem den „Geboten der Gerechtigkeit“ 369. Es sei unbillig, wenn die Partei mit den „besseren Nerven“ 370 von Erhaltungsmaßnahmen der anderen Partei profitiere, ohne an den Kosten dieser Erhaltungsmaßnahmen beteiligt zu werden371. Nach der Gegenansicht scheitert eine analoge Anwendung sowohl am Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke als auch daran, dass die Mitbenutzung durch den Eigentümer des dienenden und den Eigentümer des herrschenden Grundstücks mit der in den §§ 741 ff. BGB geregelten gemeinschaftlichen Rechtszuständigkeit nicht vergleichbar sei372. Im Ergebnis habe daher im Falle der gemeinsamen Benutzung der Anlage jeder die Anlage nach seinen eigenen Belangen zu unterhalten, ohne jedoch dem anderen gegenüber dazu verpflichtet zu sein373. Weshalb die Regelungslücke ihrer Auffassung nach nicht planwidrig ist, führt diese Ansicht allerdings nicht aus. Auch führt sie nicht aus, inwiefern sich die Mitbenutzung durch den Eigentümer des dienenden und den Eigentümer des herrschenden Grundstücks von dem in §§ 741 ff. BGB geregelten Fall der gemeinschaftlichen Rechtszuständigkeit unterscheiden soll. Der BGH hat sich mit der Frage nach der Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB im Fall der gemeinsamen Benutzung der Anlage erstmals in seinem Urteil vom 12. November 2004374 beschäftigt. Entgegen der bis dahin herrschenden Ansicht bejahte der BGH in diesem Urteil die Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB auch bei der gemeinsamen Anlagennutzung. An dieser Rechtsprechung hält der BGH seither375 mit wachsender Zustimmung seitens der Literatur376 fest. Zur Begründung führt der BGH dabei im Wesentlichen an, dass § 1021 I 2 BGB als Regelung darüber, welche Vereinbarungen die Parteien bezüglich der

367

LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 6. LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 6. 369 OLG Köln NJW-RR 1990, 1165, 1166. 370 OLG Köln NJW-RR 1990, 1165, 1166. 371 LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 7. 372 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737. 373 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737. 374 BGH NJW 2005, 894 ff. 375 BGH MittBayNot 2006, 495, 496; BGH NJW 2006, 1428, 1429. 376 Amann DNotZ 2005, 621 ff.; Erman/Grziwotz § 1020 RdNr. 3; MüKo/Joost § 1020 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 14; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 55; Bamberger/Roth/Wegmann § 1020 RdNr. 9. 368

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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Unterhaltungspflicht mit Reallastwirkung treffen könnten, anders als von der Gegenmeinung angenommen gerade keine Rückschlüsse darauf zulasse, welche gesetzlichen Unterhaltungspflichten der Grunddienstbarkeitsberechtigte beim Fehlen einer solchen Vereinbarung der Parteien gemäß § 1021 I 2 BGB habe377. Die Pflicht des § 1020 S. 2 BGB sei als gesetzliche Ausformung der in § 1020 S. 1 BGB festgelegten allgemeinen Pflicht zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit gerade nicht davon abhängig, ob der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur Mitbenutzung berechtigt sei oder nicht378. Denn die Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit könne nicht dadurch abgeschwächt werden, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dienende Anlage mitbenutzen dürfe379. Schließlich gingen die Rechte des Eigentümers des dienenden Grundstücks in diesem Fall weiter, als wenn er die Nutzung durch den Berechtigten dulden müsste, ohne selbst die Anlage nutzen zu dürfen380. Deswegen könne sich an der Pflicht des Berechtigten, die Anlage im Interesse des Eigentümers des dienenden Grundstücks zu unterhalten, nicht deswegen etwas ändern, weil der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Anlage nicht nur dulden müsse, sondern sie auch noch selbst mitbenutzen dürfe381. Nach Auffassung des BGH ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte dem Eigentümer des dienenden Grundstücks also auch dann gemäß § 1020 S. 2 BGB zur Erhaltung der Anlage verpflichtet, wenn ihm nicht das Recht zur alleinigen Nutzung der Anlage, sondern nur das Recht zu deren Mitbenutzung zusteht. Allerdings erfordere in diesem Fall das Interesse des Eigentümers des dienenden Grundstücks im Sinne des § 1020 S. 2 BGB nicht, dass der Berechtigte für die Erhaltung der Anlage in vollem Umfang aufkommen müsse382. Vielmehr müsse der Eigentümer des dienenden Grundstücks im Umfang seiner Nutzung für die Erhaltung der Anlage selbst aufkommen383. Allerdings enthalte § 1020 S. 2 BGB keine Bestimmung über die Verteilung der Erhaltungslast. „Diese planwidrige Lücke“ 384 des § 1020 S. 2 BGB sei durch entsprechende Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu schließen, auf welches das Gesetz auch in anderen vergleichbaren Fallgestaltungen zurückgreife385. Als Beispiel hierfür nennt der BGH die in § 922 S. 4 BGB enthaltene Verweisung

377 378 379 380 381 382 383 384 385

BGH NJW 2005, 894, 896 f. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

auf die Vorschriften über die Gemeinschaft bezüglich der gemeinschaftlichen Benutzung von Grenzanlagen386, ohne allerdings näher darauf einzugehen, worin hier die Vergleichbarkeit der beiden Fallgruppen bestehen soll. Zudem entspreche § 1024 BGB, der beim Zusammentreffen der Grunddienstbarkeit mit einem anderen dinglichen Nutzungsrecht jedem der Berechtigten einen Anspruch auf eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen entsprechende Regelung der Ausübung einräumt, inhaltlich dem Anspruch der Teilhaber einer Gemeinschaft aus § 745 II BGB387. Auch sei anerkannt, dass auch der Besitz Gegenstand einer Gemeinschaft sein könne388. In entsprechender Anwendung der §§ 748, 742 BGB hätten sich der Grunddienstbarkeitsberechtigte und der Eigentümer des dienenden Grundstücks daher im Zweifel je zur Hälfte an den Kosten der Erhaltung zu beteiligen389. Bezüglich bereits durchgeführter Erhaltungsmaßnahmen stünde dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Anspruch auf anteilige Kostenerstattung gemäß § 683 S. 1 BGB zu, soweit dieser den Maßnahmen nicht widersprochen habe390. Soweit er widersprochen habe, stehe dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 I, II BGB zu, weil dieser seine Pflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB, sich an den Kosten zu beteiligen, nicht erfüllt habe391. 2. Untersuchung des § 1020 S. 2 BGB So umstritten § 1020 S. 2 BGB im Einzelnen auch ist, hat man es bisher doch versäumt zu untersuchen, ob § 1020 S. 2 BGB tatsächlich, wie allgemein stillschweigend vorausgesetzt, eine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten zur Erhaltung einer von ihm auf dem dienenden Grundstück zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehaltenen Anlage begründet. Im Folgenden gilt es daher zu untersuchen, wie § 1020 S. 1 BGB rechtlich einzuordnen ist (a), bevor anschließend die Frage nach dessen Regelungsinhalt beantwortet werden kann (b). Auf die in der Literatur umstrittenen Fragen, ob es im Rahmen des § 1020 S. 2 BGB nur auf die tatsächliche Nutzung der Anlage durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten oder auch auf dessen Befugnis hierzu ankommt (c), und ob § 1020 S. 2 BGB auch im Fall der Mitbenutzung der Anlage Anwendung findet (d), wird dabei gesondert einzugehen sein. 386 387 388 389 390 391

BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 897. BGH NJW 2005, 894, 898. BGH NJW 2005, 894, 898.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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a) Rechtliche Einordnung des § 1020 S. 2 BGB Der Wortlaut des § 1020 S. 2 BGB kann ebenso wie der des § 1020 S. 1 BGB in zweierlei Hinsicht verstanden werden. Einerseits kann die Formulierung „so hat er sie . . . zu erhalten“ in dem Sinne verstanden werden, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf Erhaltung der Anlage hat392. Andererseits kann diese Formulierung aber auch dahingehend aufgefasst werden, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Anlage in ordnungsgemäßem Zustand erhalten muss, will er die Grenzen seines ihm durch die Grunddienstbarkeit an dem dienenden Grundstück eingeräumten Rechts nicht überschreiten. In diesem Fall regelte § 1020 S. 2 BGB lediglich den Inhalt des dinglichen Rechts. Ob § 1020 S. 2 BGB eine inhaltliche Regelung der Grunddienstbarkeit enthält oder ein obligatorisches Recht begründet, hängt davon ab, in welchem Verhältnis § 1020 S. 2 BGB zum ersten Satz des § 1020 BGB steht. Schließlich enthält § 1020 S. 1 BGB eine Regelung zur genauen inhaltlichen Bestimmung der Grunddienstbarkeit und begründet gerade kein obligatorisches Recht des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten. Dem Wortlaut nach stehen der erste und der zweite Satz des § 1020 BGB in keiner Beziehung zueinander. Allerdings spricht die systematische Stellung des § 1020 S. 2 BGB dafür, dass diese Regelung an den ersten Satz des § 1020 BGB anknüpft. Dies wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 1020 S. 2 BGB bestätigt. So lautete § 242 von Johows Vorentwurf, aus dem im weiteren Gesetzgebungsverfahren § 1020 BGB hervorging: „Bei der Ausübung einer Dienstbarkeit sind die mit derselben verträglichen Interessen des Eigenthümers zu schonen. Zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeiten gehört auch, daß Dienstbarkeitsanlagen, deren Erhaltung dem Dienstbarkeitsberechtigten überlassen ist, von demselben in ordnungsmäßigem, den Eigenthümer des dienenden Grundstücks nicht gefährdenden und nicht mehr als unvermeidlich belästigenden Zustande erhalten werden.“ 393

Wie sich schon aus der an den ersten Satz anknüpfenden Formulierung „zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeiten gehört auch“ ergibt, konkretisiert § 242 S. 2 des Vorentwurfs den in Satz 1 aufgestellten Grundsatz der schonenden Ausübung für den besonderen Fall des Vorhandenseins von der Ausübung der Grunddienstbarkeit dienenden Anlagen. 392

So Amann DNotZ 1989, 531, 531 unter Berufung auf den „nackten Gesetzeswort-

laut“. 393

Johow, Sachenrecht I, S. 55.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

§ 242 S. 2 des Vorentwurfs erfuhr im weiteren Gesetzgebungsverfahren mehrere Änderungen. Dabei wurde die sprachliche Anknüpfung des zweiten an den ersten Satz der Norm bereits während der Ausarbeitung des Entwurfs erster Lesung zusehends flüchtiger394 und war schon in § 946 der Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Sachenrechts nach den Beschlüssen des Redaktionsausschusses395, welcher § 970 des Entwurfs erster Lesung396 entspricht, gänzlich verschwunden. Doch war mit dieser sprachlichen Änderung keine Änderung der grundsätzlichen Konzeption der Regelung als Konkretisierung des im ersten Satz geregelten 394 So wurde im Laufe der Beratungen der ersten Kommission anstelle des § 242 des Vorentwurfs auf einen Antrag Kurlbaums hin folgende Vorschrift beschlossen: „Eine Dienstbarkeit ist unter thunlichster Schonung der Interessen des Eigenthümers der dienenden Sache auszuüben; auch ist eine Dienstbarkeitsanlage in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten.“ (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 17); die Verknüpfung beider Regelungen erfolgt hier durch das Semikolon und die Konjunktion „auch“. In § 940 der Redaktionsvorlage für den Redaktionsausschuss der ersten Kommission für das Sachenrecht von Johow erfolgt die Verknüpfung lediglich noch durch die Konjunktion „insbesondere“: „Eine Grunddienstbarkeit ist mit Schonung der Interessen des Eigenthümers des dienenden Grundstücks auszuüben. Insbesondere hat der Berechtigte, wenn von ihm zur Ausübung der Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem dienenden Grundstücke gehalten wird, dieselbe, soweit es im Interesse des Eigenthümers des dienenden Grundstückes liegt, im ordnungsmäßigen Zustande zu erhalten.“ (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 67). In Johows Anmerkung zu dieser Norm, welche lautet: „2. Die Wendung „wenn von ihm . . . gehalten wird“ dürfte deutlicher hervortreten lassen, daß die in Rede stehende Unterhaltungspflicht des Berechtigten aufhört, wenn er die bisher von ihm gehaltene Anlage aufgibt.“ (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 67 Fn. 1), kommt deutlich das Verständnis dieser Norm als inhaltliche Begrenzung der Grunddienstbarkeit zum Ausdruck. Würde die Norm einen schuldrechtlichen Anspruch begründen, so entstünde dieser Anspruch im Zeitpunkt der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen und könnte nicht einfach dadurch untergehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Tatbestandmerkmal nicht mehr erfüllt ist; es bedürfte einer Norm, die für diesen Fall das Untergehen des Anspruchs anordnet. Fasst man die Norm hingegen als inhaltliche Begrenzung der Grunddienstbarkeit dergestalt auf, dass die Grunddienstbarkeit solche Einwirkungen auf das dienende Grundstück nicht umfasst, die von der Anlage ausgehen, kann das Aufgeben der Anlage dazu führen, dass der Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gemäß § 1004 I 2 BGB, solche Einwirkungen in Zukunft zu unterlassen, nicht mehr besteht. Denn gibt der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Anlage auf, so kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks die von der Anlage ausgehenden Störungen selbst beseitigen, ohne dabei auf rechtliche geschützte Interessen des Grunddienstbarkeitsberechtigten Rücksicht nehmen zu müssen. Er ist in seinem Eigentumsrecht nicht beeinträchtigt. 395 Abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 67. 396 § 970 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit ist das Interesse des Eigenthümers des dienenden Grundstückes thunlichst zu schonen. Hält der Berechtigte zur Ausübung der Dienstbarkeit eine Anlage auf dem dienenden Grundstücke, so hat er dieselbe, soweit es im Interesse des Eigenthümers dieses Grundstückes liegt, im ordnungsmäßigem Zustande zu erhalten.“ (Mugdan, Materialien III, S. XLI).

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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Grundsatzes der schonenden Ausübung für den besonderen Fall des Vorhandenseins von zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehaltenen Anlagen verbunden. Das zeigt sich nicht nur daran, dass die Stellung der Regelung gegenüber dem Vorentwurf unverändert blieb. Auch ist in den Motiven der ersten Kommission zu § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung, bei dem es bereits an der sprachlichen Anknüpfung an den ersten Satz des Vorschrift fehlt, ausgeführt, dass der zweite Satz eine „Erweiterung der Vorschrift des ersten Absatzes für den besonderen Fall, daß die Ausübung der Grunddienstbarkeit durch das Halten von Anlagen vermittelt wird“, enthalte. Enthält § 1020 S. 2 BGB also lediglich eine Konkretisierung des im ersten Satz allgemein formulierten Grundsatzes der schonenden Ausübung für einen besonderen Fall, ergibt sich daraus, dass § 1020 S. 2 BGB als Unterfall des § 1020 S. 1 BGB ebenso wie dieser nur die inhaltlichen Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts in den Fällen festlegt, in denen sich diese durch Auslegung nicht ermitteln lassen. Gegen dieses aus systematischen Erwägungen gewonnene Verständnis des § 1020 S. 2 BGB spricht nicht, dass in den Motiven zu § 907 S. 2 des Entwurfs erster Lesung ausdrücklich von einer „Legalobligation“ die Rede ist397. Denn die Motive zu § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung sind ähnlich widersprüchlich wie die zu § 1020 S. 1 BGB. So ist die Aussage: „Das Recht des Dienstbarkeitsberechtigten wird durch die Auferlegung einer Legalobligation begrenzt.“ 398, in sich widersprüchlich. Denn als beschränktes dingliches Recht, das dem Berechtigten ein Herrschaftsrecht an der belasteten Sache einräumt, kann die Grunddienstbarkeit in ihrem Umfang nicht durch ein obligatorisches Recht, welches die Rechtbeziehung einer Person zu einer anderen Person regelt, verändert werden. Die Aussage: „Hält der Berechtigte Anlagen in nicht ordnungsmäßigem Zustande, so verletzt er das Eigenthum des Dienstbarkeitsberechtigten.“ 399 und die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen Grunddienstbarkeitsberechtigten der „negatorische Anspruch auf Aufhebung des das Eigentum beeinträchtigenden Zustandes“ 400 zustehen soll, sind mit der Einordnung des § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung als Legalobligation gänzlich unvereinbar. Deutlich wird dies an dem Fall, dass die Anlage 397 Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269. Schon Johow schreibt in der Begründung des § 242 S. 2 des Vorentwurfs von der „Verpflichtung zu einer positiven Fürsorge“ (Johow, Sachenrecht II, S. 1135). Entgegen der Behauptung von Heß AcP 197 (1997), 489, 493 Fn. 23 wird die Bezeichnung „Schuldverhältnis“ in den Motiven III, S. 484 = Mugdan, Materialien III, S. 269 nicht verwendet. 398 Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269. 399 Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269. 400 Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gehört. Erhält der Grunddienstbarkeitsberechtigte in diesem Fall die ihm gehörende Anlage nicht in ordnungsgemäßem Zustand, kann er dadurch das Eigentum am dienenden Grundstück gerade nicht verletzen. Er kann allenfalls eine der Person des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegenüber bestehende gesetzliche Verpflichtung nicht erfüllen. Widersprüchlich ist auch die im Anschluss getroffene Aussage: „Der Anspruch auf Schadensersatz wird, wie überhaupt im Falle der negatorischen Klage, durch Darlegung einer schuldvollen Verletzung der Legalobligation besonders zu begründen sein.“ 401 Schließlich geht es bei der negatorischen Klage gerade um die Beeinträchtigung des Eigentums und nicht um die Verletzung eines obligatorischen Rechts. Für die Einordnung des § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung als inhaltliche Regelung der Grunddienstbarkeit spricht hingegen die Aussage über § 970 des Entwurfs erster Lesung, welche in den Motiven zu § 972 des Entwurfs erster Lesung getroffen ist: „. . . zu Bestimmungen, welche nicht, wie die Vorschrift des § 970, den Inhalt des Dienstbarkeitsrechtes näher bestimmen und begrenzen, . . .“ 402. Die Motive zu § 970 S. 2 lassen sich daher entgegen dem aufgrund des Begriffs „Legalobligation“ gewonnen ersten Eindruck nicht als Argument dagegen anführen, § 1020 S. 2 BGB als Regelung des genauen Inhalts der Grunddienstbarkeit einzuordnen. Im Gegenteil sprechen die Ausführungen eher dafür, dass der Gesetzgeber in § 1020 S. 2 BGB eine Regelung des genauen Inhalts der Grunddienstbarkeit gesehen hat. § 1020 S. 2 BGB begründet damit keine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern legt als Unterfall des § 1020 S. 1 BGB ebenso wie dieser die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts für den Fall fest, dass sich diese nicht durch Auslegung ermitteln lassen. b) Regelungsinhalt des § 1020 S. 2 BGB Die Untersuchung des § 1020 S. 2 BGB hat in einem ersten Schritt ergeben, dass es sich bei § 1020 S. 2 BGB um einen Unterfall des § 1020 S. 1 BGB handelt, der für einen besonderen Fall die Grenzen des dinglichen Rechts festlegt, die § 1020 S. 1 BGB dem dinglichen Recht mit dem Gebot der schonenden Ausübung lediglich allgemein setzt.

401 402

Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269. Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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In einem zweiten Schritt stellt sich nun die Frage, für welchen besonderen Fall § 1020 S. 2 BGB die Grenzen des dinglichen Rechts festsetzt und wo diese verlaufen. Welche Grenzen § 1020 S. 2 BGB der Grunddienstbarkeit setzt, ergibt sich zunächst aus dem in dieser Norm verwendeten Verb „erhalten“. Eine Sache zu „erhalten“, bedeutet sie in ihrem Zustand zu bewahren403, sie nicht verfallen zu lassen. Nicht zum „Erhalten“ der Anlage gehören hingegen solche Maßnahmen, die lediglich für die Gebrauchsfähigkeit der Anlage sorgen. Als Maßnahmen der Unterhaltung der Anlage sind diese – so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen404 – in §§ 1021, 1022 BGB geregelt. Ist also beispielsweise ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit belastet, die dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Recht einräumt, einen Brunnen auf dem dienenden Grundstück zu benutzen, gehört es zum „Erhalten“ dieses Brunnens, dessen Mauerwerk instand zu halten, nicht aber für den Schöpfeimer zu sorgen, der für die Benutzung des Brunnens erforderlich ist. Der Nebensatz „soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert“ wiederholt, was sich bereits daraus ergibt, dass § 1020 S. 2 BGB keine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten begründet, sondern lediglich die Grenzen des dinglichen Rechts festlegt: Im Rahmen des § 1020 S. 2 BGB kann es nur um solche Erhaltungsmaßnahmen gehen, ohne die es zu einer vom Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht gedeckten Eigentumsbeeinträchtigung am dienenden Grundstück käme. § 1020 S. 2 BGB formuliert also aus Sicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten, was dieser zur Verhinderung künftiger Eigentumsbeeinträchtigungen zu tun hat. Damit bestimmt § 1020 S. 2 BGB zugleich die Grenzen des dinglichen Rechts: Zu Eigentumsbeeinträchtigungen, die durch den Erhalt der Anlage in ordnungsgemäßem Zustand vermieden werden können, berechtigt die Grunddienstbarkeit den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nicht. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat diese nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden, ihm steht gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I 2 BGB zu. § 1020 S. 2 BGB ist daher von vorneherein nur auf solche Fälle anwendbar, in denen der Eigentümer des dienenden Grundstücks ohne die Erhaltung der Anlage in seinem Eigentum am dienenden Grundstück beeinträchtigt würde. Beeinträchtigungen des Eigentums an anderen Sachen als dem dienenden Grundstück können im Rahmen des § 1020 S. 2 BGB hingegen keine Rolle spielen. Schließlich regelt § 1020 S. 2 BGB, in welchem Umfang die Grunddienstbarkeit dem Eigen-

403 404

Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „erhalten“. Siehe dazu S. 284 ff.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

tümer des herrschenden Grundstücks ein Herrschaftsrecht gerade an dem dienenden Grundstück einräumt. Eigentumsbeeinträchtigungen am dienenden Grundstück, die durch den Erhalt der Anlage vermieden werden können, lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zum einen gibt es Fälle, in denen schon das Abnutzen der Anlage selbst eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt, nämlich dann, wenn die Anlage gemäß § 94 I 1 BGB wesentlicher Bestandteil des dienenden Grundstücks ist405; freilich wird dies wegen § 95 I 2 BGB406 selten der Fall sein. Sollten – was sogleich zu untersuchen sein wird – diese Fälle in den Anwendungsbereich des § 1020 S. 2 BGB fallen, würde § 1020 S. 2 BGB das Maß festsetzen, in welchem der Dienstbarkeitsberechtigte die Anlage nutzen darf, wenn sich dieses nicht durch Auslegung der Grunddienstbarkeit ermitteln lässt. § 1020 S. 2 BGB würde bestimmen, dass eine Nutzung, die zu einem nicht mehr ordnungsmäßigen Zustand der Anlage führen würde, nicht mehr vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst ist. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hätte sie daher nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden und könnte gemäß § 1004 I 2 BGB ihr Unterlassen verlangen. Die Anlage wieder in einen ordnungsmäßigen Zustand zu versetzten, könnte der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 1 BGB hingegen nicht verlangen. Schließlich stellt nur die Einwirkungshandlung auf die Anlage, nicht aber die infolge dieser Einwirkungshandlung eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Anlage eine Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I 1 BGB dar407. Die Verschlechterung des Zustandes rückgängig zu machen oder auszugleichen, könnte der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten nur gemäß § 823 I BGB bei einem Verschulden des Grunddienstbarkeitsberechtigten verlangen. Zum anderen gibt es Fälle, in denen die Anlage den Ursprung von außerhalb ihrer selbst liegenden Eigentumsbeeinträchtigungen des dienenden Grundstücks bildet. Man denke nur an den Fall, dass eine Grunddienstbarkeit dazu berechtigt, Wasser oder Öl über das dienende Grundstück zu leiten, und aufgrund einer

405 Gemäß § 94 I 1 BGB gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks. Ob eine feste Verbindung der Sache mit dem Grundstück besteht, wird allgemein nach der Verkehrsauffassung bestimmt (Staudinger/Jickeli/Stieper § 94 RdNr. 7). Siehe zur Verkehrsauffassung im Sachenrecht Schenk, Verkehrsauffassung, S. 27 ff. 406 Gemäß § 95 I 2 BGB gehört ein Gebäude oder ein anderes Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, nicht zu den Bestandteilen des Grundstücks. Zu den Voraussetzungen des § 95 I 2 BGB siehe ausführlich Staudinger/Jickeli/Stieper § 95 RdNr. 17 ff. 407 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 20; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 86 f.; Picker, FS Gernhuber, S. 316, S. 335 f. Siehe dazu auch S. 98.

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Leckage in der dazu verwendeten Rohrleitung Wasser beziehungsweise Öl auf das dienende Grundstück fließt. Es handelt es sich dabei stets um solche Fälle, wie sie auch zwischen zwei benachbarten Grundstückseigentümern auftreten können. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Anlage sich in dem einen Fall auf dem benachbarten Grundstück befindet, während sie sich in dem anderen Fall auf dem von der Beeinträchtigung betroffenen Grundstück selbst befindet. Sollten diese Fälle in den Anwendungsbereich des § 1020 S. 2 BGB fallen, würde § 1020 S. 2 BGB regeln, dass Beeinträchtigungen des dienenden Grundstücks, die von einer in nicht ordnungsmäßigem Zustand erhaltenen Anlage ausgehen, vom Inhalt der Grunddienstbarkeit in den Fällen nicht umfasst sind, in denen sich der Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht durch Auslegung ermitteln lässt. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hätte diese Beeinträchtigungen nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden. Ihm stünde gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB ein Anspruch auf das Unterlassen solcher Beeinträchtigungen zu, die der Grunddienstbarkeitsberechtigte durch das Erhalten der Anlage in ordnungsgemäßem Zustand verhindern könnte. Die Beseitigung bereits eingetretener Eigentumsbeeinträchtigungen könnte er gemäß § 1004 I 1 BGB verlangen, Schadensersatz gemäß § 823 I BGB unter der zusätzlichen Voraussetzung des Verschuldens. Dem Wortlaut nach könnte § 1020 S. 2 BGB auf beide Fallgruppen anwendbar sein. Betrachtet man den entstehungsgeschichtlichen Hintergrund, vor dem § 1020 S. 2 BGB ins BGB aufgenommen wurde, ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Mit der Regelung des § 242 S. 2 des Vorentwurfs408, aus dem im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens § 1020 S. 2 BGB hervorging, wollte Johow an die in einigen Gesetzbüchern der Zeit enthaltenen Vorschriften409 anknüpfen, welche für solche Grunddienstbarkeiten, die das Recht einräumen, Flüssigkeiten über das dienende Grundstück zu leiten, bestimmten, dass der Grunddienstbarkeits408

Für den Wortlaut der Norm siehe S. 227. Der von Johow (Johow, Sachenrecht II, S. 1136) angeführte § 555 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863 lautet: „Besteht eine Grunddienstbarkeit in dem Rechte, Flüssigkeiten auf ein fremdes Grundstück abzuleiten, oder durch dasselbe zu leiten, oder von dem fremden Grundstücke auf das herrschende Grundstück hinzuleiten. So muss der Eigenthümer des letzteren die dazu bestimmten Gräben, Canäle, Schleußen, Röhren und Rinnen in Stand erhalten, insbesondere erforderlichen Falles decken und reinigen.“ Der ebenfalls genannte (Johow, Sachenrecht II, S. 1136) § 491 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie von 1813 lautet: „Erfordern die abzuführenden Flüssigkeiten Gräben und Canäle, so muß sie der Eigenthümer des herrschenden Grundes errichten; er muss sie auch ordentlich decken und reinigen, und dadurch die Last des dienstbaren Grundes erleichtern.“ 409

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berechtigte die dazu nötigen Anlagen ordentlich abzudecken und zu reinigen habe410. Doch begnügte Johow sich nicht damit, eine diesen Vorschriften entsprechende Norm in seinen Vorentwurf zu übernehmen. Schließlich – so Johow in der Begründung des § 242 S. 2 seines Vorentwurfs – könne ein Schaden am dienenden Grundstück nicht nur infolge der Vernachlässigung von Anlagen zur Leitung von Flüssigkeiten auftreten, sondern auch durch den Zusammensturz eines Tunnels, eines Viadukts oder einer Mauer411. Außerdem sei es in der gemeinrechtlichen Praxis412 anerkannt, dass der Dienstbarkeitsberechtigte „alle Anlagen in einem ordnungsmäßigen, den Belasteten vor jedem unnöthigen Nachtheil schützenden Zustande zu erhalten“ 413 habe414. Daher sei mit § 242 S. 2 des Vorentwurfs eine Regelung für alle Fälle zu treffen, in denen durch die Vernachlässigung der Anlage ein Schaden am dienenden Grundstück drohe415. Mit § 242 S. 2 des Vorentwurfs wollte Johow dem Inhalt der Grunddienstbarkeit also eine Grenze dergestalt ziehen, dass das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten am dienenden Grundstück im Zweifel nicht so weit reichen sollte, dass von ihm auch Beeinträchtigungen des Eigentums am dienenden Grundstück umfasst sind, die von einer nicht in ordnungsgemäßen Zustand erhaltenen Anlage ausgehen. Dieser Vorstellung entsprechend hat Johow denn auch in § 242 S. 2 des Vorentwurfs formuliert:

410

Johow, Sachenrecht II, S. 1136. Johow, Sachenrecht II, S. 1136. 412 Als Beleg hierfür führt Johow lediglich ein Urteil des OLG Dresden aus dem Jahr 1851 (OLG Dresden SeuffA Bd. 6 Nr. 7, S. 9 f.) an. In diesem Urteil hatte das OLG Dresden darüber zu entscheiden, ob von einer Grunddienstbarkeit, welche dazu berechtigt, Wasser über das dienende Grundstück zu leiten, auch diejenigen nachteiligen Einwirkungen auf das dienende Grundstück umfasst sind, die infolge der Vernachlässigung der Anlage zustande kommen, und daher vom Eigentümer des dienenden Grundstücks zu dulden sind. Das OLG Dresden verneinte dies. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks habe sich den infolge der Vernachlässigung der Anlage eintretenden Nachteilen „ganz gewiss im Voraus nicht unterworfen“ (OLG Dresden SeuffA Bd. 6 Nr. 7, S. 9, 10). Es folge „aus den über den Gebrauch der Servituten bestehenden allgemeinen Principien, wonach der Berechtigte sich so zu halten [habe], daß er dem Eigenthümer außer dem ihm durch die Duldung der Servitut selbst erwachsenden Belästigung keinen anderen Schaden bereite“ (OLG Dresden SeuffA Bd. 6 Nr. 7, S. 9, 9), dass eine zur Ausübung der Dienstbarkeit dienende Anlage, so erhalten werden müsse, „daß dadurch der andere nicht mehr benachteiligt [werde], als es die Bestellung der Servitut mit sich [bringe]“ (OLG Dresden SeuffA Bd. 6 Nr. 7, S. 9, 9). Die letzte Formulierung ist missverständlich. Schließlich geht es nicht um die Frage, ob der Eigentümer des dienenden Grundstücks mehr Einwirkungen auf sein Grundstück ausgesetzt werden darf, als von der Grunddienstbarkeit gedeckt sind, sondern gerade um die Frage, welchen Einwirkungen auf sein Grundstück er aufgrund der von der Grunddienstbarkeit ausgesetzt werden darf. 413 Johow, Sachenrecht II, S. 1136. 414 Johow, Sachenrecht II, S. 1136. 415 Johow, Sachenrecht II, S. 1135. 411

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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„. . . in ordnungsmäßigem, den Eigenthümer des dienenden Grundstücks nicht gefährdenden und nicht mehr als unvermeidlich belästigenden Zustande erhalten werden.“ 416

Zwar wurde diese sich eindeutig nur auf von der Anlage ausgehende Eigentumsbeeinträchtigungen des dienenden Grundstücks beziehende Formulierung bereits von der ersten Kommission gekürzt und in § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung nur der Teil „in ordnungsmäßigem Zustande“ 417 übernommen. Doch sollte durch die Änderung des Wortlauts keineswegs auch der Anwendungsbereich der Regelung um solche Eigentumsbeeinträchtigungen erweitert werden, die die Anlage selbst betreffen. Die Norm sollte lediglich um die Teile gekürzt werden, die nach Meinung der ersten Kommission das Verständnis der Norm erschwerten418. Dass die erste Kommission an dem Verständnis, das § 242 S. 2 des Vorentwurfs zugrunde liegt, für § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung festhielt, bestätigen die Ausführungen in den Motiven. Dort heißt es, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht nur gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks, der die Anlage hat verfallen lassen, sondern auch gegen jeden nachfolgenden Eigentümer des herrschenden Grundstücks einen „negatorischen Anspruch [im Original: Anspruche] auf Aufhebung des das Eigenthum beeinträchtigenden Zustandes“ habe419. Diese Aussage kann so nicht stimmen. Denn der Zustand der Anlage selbst, dessen Beseitigung von jedem Eigentümer des herrschenden Grundstücks verlangt werden können soll, stellt in keinem Fall eine Eigentumsbeeinträchtigung dar. In dem Fall, dass der Dienstbarkeitsberechtigte eine dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gehörende Anlage in größerem Ausmaß nutzt, als es ihm aufgrund der Dienstbarkeit erlaubt ist, stellt lediglich die Benutzung der Anlage selbst eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, nicht aber der durch die Benutzung hervorgerufene Zustand. Schließlich dauert die Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 I BGB nur solange an wie die Einwirkungshandlung selbst420. Denn mit Beendigung der Einwirkungshandlung hört der Grunddienstbarkeitsberechtigte auf, eine Herrschaftsposition einzunehmen, die nach der von der Rechtsordnung vorgesehenen Güterzuordnung nicht ihm, sondern dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zukommt421. Wegen des durch die Benutzung hervorgerufenen Zustandes kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks da416

Johow, Sachenrecht I, S. 55. Für den Wortlaut des § 970 S. 2 des Entwurfs erster Lesung siehe S. 228 Fn. 396. 418 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 17. 419 Motive III, S. 483 = Mugdan, Materialien III, S. 269. 420 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 20; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 86. 421 So allgemein für substanzverletzende Einwirkungen auf fremde Sachen Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 20; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 86 f. 417

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her lediglich unter den Voraussetzungen des § 823 I BGB Schadensersatz verlangen. Auch in dem Fall, in dem der Zustand der Anlage Einwirkungen auf das dienende Grundstück verursacht, stellen nur diese störenden Einwirkungen, nicht aber der Zustand der Anlage eine Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück dar. Allerdings hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks in diesem Fall gegen den Dienstbarkeitsberechtigten einen negatorischen Anspruch auf Unterlassung der von der Anlage ausgehenden Beeinträchtigungen für die Zukunft, und zwar unabhängig davon, ob er selbst oder einer seiner Rechtsvorgänger die Anlage hat verfallen lassen. Um diese Beeinträchtigungen für die Zukunft zu verhindern, muss der Grunddienstbarkeitsberechtige die Anlage soweit instand setzen, dass sie in Zukunft nicht mehr den Ursprung von Beeinträchtigungen des dienenden Grundstücks bilden kann. Steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks mithin nur im letzten Fall überhaupt ein negatorischer Anspruch zu, können sich die Ausführungen in den Motiven nur auf diesen Fall beziehen, wenngleich der negatorische Anspruch in diesem Fall nicht auf die „Aufhebung des das Eigenthum beeinträchtigenden Zustandes“, sondern auf die Unterlassung weiterer Eigentumsbeeinträchtigungen gerichtet ist. In § 1020 S. 2 BGB sollte demnach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit dergestalt eine Grenze gezogen werden, dass die von einer in nicht ordnungsgemäßen Zustand erhaltenen Anlage ausgehenden Beeinträchtigungen nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst sind. Eine Regelung, in welchem Ausmaß der Grunddienstbarkeitsberechtigte eine dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gehörende Anlage aufgrund der Grunddienstbarkeit benutzen darf, sollte in § 1020 S. 2 BGB hingegen nicht getroffen werden. Dagegen, dass § 1020 S. 2 BGB das Maß der durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsbefugnis der Anlage regelt, spricht zudem das systematische Argument, dass in § 1020 S. 2 BGB nicht darauf abgestellt wird, wer Eigentümer der Anlage ist. Auf diese Frage käme es bei einer Regelung, die bestimmt, dass die Grunddienstbarkeit nur die Nutzung der Anlage bis zu der Grenze gestattet, wo sich die Anlage noch in einem ordnungsmäßigen Zustand befindet, aber gerade an. Denn nur, wenn die Anlage nicht dem Grunddienstbarkeitsberechtigen, sondern dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gehört, kann die Benutzung der Anlage, welche den Zustand der Anlage über die Grenze der Ordnungsmäßigkeit hinaus verschlechtert, überhaupt eine Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück darstellen. Im Gegensatz dazu spielt es bei einer Regelung, die bestimmt, dass von der Anlage ausgehende Eigentumsbeeinträchtigungen am dienenden Grundstück nicht mehr vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt sind, für das Vorliegen einer Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück im Sinne von § 1004 I BGB keine Rolle, wem die Anlage gehört. Denn wirkt eine Sache auf

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ein Grundstück ein, ist der Eigentümer dieses Grundstücks dadurch in der Ausübung seiner Eigentümerbefugnisse beeinträchtigt, dass ein anderer seinerseits einen negatorischen Anspruch gegen eine Einwirkung auf die Sache hat422. Der Grundstückseigentümer kann den störenden Zustand nicht einfach selbst nach Belieben beseitigen, weil er dazu in die ebenfalls rechtlich geschützte Sphäre des Grunddienstbarkeitsberechtigten eindringen müsste423. Schließlich ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte vor Einwirkungen auf die Anlage gemäß § 1027 i.V. m. § 1004 I 2 BGB und gemäß §§ 861, 862 BGB geschützt. Dem Eigentümer des dienenden Grundstücks steht daher gegenüber dem Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I BGB unabhängig davon zu, ob dem Eigentümer des dienenden Grundstücks oder dem Grunddienstbarkeitsberechtigten die Anlage gehört. Der einzige Unterschied zwischen beiden Fällen besteht darin, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte nur in dem Fall, dass ihm die Anlage gehört, künftige Störungen sowohl dadurch verhindern kann, dass er die Anlage in ordnungsgemäßen Zustand erhält, als auch dadurch, dass er die ihm gehörende Anlage beseitigt. In dem Fall, dass ihm die Anlage nicht gehört, wird sein Recht aus der Grunddienstbarkeit für gewöhnlich nur soweit reichen, dass er zwar Erhaltungsmaßnahmen an der Anlage des Eigentümers des dienenden Grundstücks vornehmen, nicht aber, dass er die Anlage auch beseitigen darf. Dementsprechend nennt § 1020 S. 2 BGB mit der Erhaltung der Anlage in ordnungsgemäßem Zustand denn auch nur die Möglichkeit, mit der der Grunddienstbarkeitsberechtigte in beiden Fällen künftige Eigentumsbeeinträchtigungen verhindern kann. Zusammenfassend enthält § 1020 S. 2 BGB also eine Konkretisierung des in § 1020 S. 1 BGB geregelten Grundsatzes der schonenden Ausübung derart, dass Eigentumsbeeinträchtigungen des dienenden Grundstücks, die von einer nicht in ordnungsmäßigem Zustand erhaltenen Anlage ausgehen, nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt sind. § 1020 S. 2 BGB bestimmt, dass eine Grunddienstbarkeit zwar das Recht zur Nutzung der Anlage umfasst, nicht aber das Recht, ausgehend von einer nicht in ordnungsmäßigem Zustand erhaltenen Anlage in größerem Umfang auf das dienende Grundstück einzuwirken, als dies erlaubt wäre, wenn sich die Anlage nicht auf dem dienenden Grundstück selbst, sondern auf dem Nachbargrundstück befände. Ähnlich wie das Merkmal der „tunlichsten Schonung“ in § 1020 S. 1 BGB eröffnet dabei das Merkmal „ordnungsmäßig“ die Möglichkeit, die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. § 1020 S. 2 BGB regelt hingegen nicht, in welchem Umfang die Grunddienstbarkeit dazu berechtigt, eine Anlage, welche wesentlicher Bestandteil des dienen422 Gursky JR 1989, 397, 399; Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 104; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 92. 423 Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 104.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

den Grundstücks ist, abzunutzen. In diesen Fällen bestimmt sich der Inhalt der Grunddienstbarkeit nach § 1020 S. 1 BGB. Zugespitzt formuliert424 betrifft § 1020 S. 2 BGB den Zustand der Anlage „nach außen“, nicht aber den Zustand der Anlage „nach innen“. Berechtigt eine Grunddienstbarkeit beispielsweise zur Nutzung eines Brunnens, so betrifft § 1020 S. 2 BGB zwar den Fall, dass aufgrund des schlechten Zustandes der Außenmauer Steine auf das dienende Grundstück zu fallen drohen, nicht aber den Fall, dass aufgrund des schlechten Zustandes der Innenmauer der Brunnen in sich zusammenzustürzen droht. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks kann gemäß § 1004 I 2 BGB vom Grunddienstbarkeitsberechtigten die Unterlassung solcher Beeinträchtigungen verlangen, die von der nicht in ordnungsmäßigem Zustand erhaltenen Anlage ausgehen. Die negatorische Verantwortlichkeit des Grunddienstbarkeitsberechtigten entfällt allerdings in dem Moment, in dem dieser die Anlage nicht mehr hält, er also ihre Verwendung zum Zweck der Ausübung der Grunddienstbarkeit nach außen erkennbar aufgegeben hat425. Denn ab diesem Moment kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks die von der Anlage auf sein Grundstück ausgehenden Einwirkungen selbst beseitigen, ohne dabei auf die rechtlich geschützten Interessen des Grunddienstbarkeitsberechtigten Rücksicht nehmen zu müssen426. c) Halten der Anlage: Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Befugnis? Handelt es sich also bei § 1020 S. 2 BGB um eine Regelung, welche die Grenzen des dem Grunddienstbarkeitsberechtigten eingeräumten Herrschaftsrechts an 424

Ähnlich MüKo/Joost § 1020 RdNr. 11, der zwischen dem „Interesse des Eigentümers am äußeren Zustand der Anlage“ und dem „inneren Zustand der Anlage“ unterscheidet, wobei er allerdings davon ausgeht, dass § 1020 S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch begründet. 425 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 10; Staudinger/Mayer § 1020 RdNr. 15; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 54. 426 Siehe die Anmerkung von Johow zu § 940 der Redaktionsvorlage für den Redaktionsausschuss der ersten Kommission für das Sachenrecht („Eine Grunddienstbarkeit ist mit Schonung der Interessen des Eigenthümers des dienenden Grundstücks auszuüben. Insbesondere hat der Berechtigte, wenn von ihm zur Ausübung der Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem dienenden Grundstücke gehalten wird, dieselbe, soweit es im Interesse des Eigenthümers des dienenden Grundstückes liegt, im ordnungsmäßigen Zustande zu erhalten.“ [Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 67]): „2. Die Wendung „wenn von ihm . . . gehalten wird“ dürfte deutlicher hervortreten lassen, daß die in Rede stehende Unterhaltungspflicht des Berechtigten aufhört, wenn er die bisher von ihm gehaltene Anlage aufgibt.“ (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 67 Fn. 1). Zum umstrittenen Parallelfall, dass mit der Aufgabe des Eigentums an einer Sache, die sich auf einem fremden Grundstück befindet, zugleich auch der Anspruch des Eigentümers dieses Grundstücks auf Beseitigung dieser Sache gemäß § 1004 I BGB entfällt, siehe Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 113 f. m.w. N.

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dem dienenden Grundstück in den Fällen festlegt, in denen sich diese nicht durch Auslegung ermitteln lassen, ergibt sich daraus, dass § 1020 S. 2 BGB entgegen der herrschenden Meinung nur auf solche Fälle anwendbar sein kann, in denen der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit zum Halten der Anlage berechtigt ist. Denn nur in diesen Fällen bedarf es einer Regelung, welche bestimmt, ob vom Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht nur das Recht zur Benutzung der Anlage sondern auch das Recht zu von dieser Anlage ausgehenden Einwirkungen auf das dienende Grundstücks umfasst ist. Ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit schon nicht zur Benutzung der Anlage berechtigt, stellt sich die Frage, ob auch die von der Anlage ausgehenden Einwirkungen auf das dienende Grundstücks vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst, schließlich von vorneherein nicht. d) Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB im Fall der Mitbenutzung? Wie soeben ausgeführt begründet § 1020 S. 2 BGB keinen schuldrechtlichen Anspruch, sondern legt die inhaltlichen Grenzen der Grunddienstbarkeit für die Fälle fest, in denen sich die Grenzen nicht durch Auslegung ermitteln lassen. Damit ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, ob § 1020 S. 2 BGB auch in den Fällen den Inhalt des dinglichen Rechts bestimmt, in denen der Eigentümer des herrschenden Grundstücks nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht zur alleinigen Nutzung der Anlage, sondern nur zu deren Nutzung neben dem Eigentümer des dienenden Grundstücks berechtigt ist. Die Formulierung „hält er“ in § 1020 S. 2 BGB spricht dafür, dass § 1020 S. 2 BGB nur die Fälle der alleinigen Nutzungsbefugnis des Grunddienstbarkeitsberechtigten umfasst. Zwar kann die Formulierung „hält er“ auch in dem Sinne gebraucht sein, dass jedenfalls der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Anlage halten muss, ohne dass es darauf ankäme, ob er sie alleine oder neben einem oder mehreren anderen Personen hält. Vergleicht man aber die auf den Eigentümer des herrschenden Grundstücks abstellende Formulierung des § 1020 S. 2 BGB mit der Formulierung des § 1021 I 1 BGB „gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück“, welche die Person des Halters offen lässt, so spricht dies dafür, dass § 1020 S. 2 BGB gerade im Gegensatz zu § 1021 I 1 BGB nur auf die Fälle der alleinigen Nutzungsbefugnis des Grunddienstbarkeitsberechtigten anwendbar ist. Für die Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB nur auf die Fälle der alleinigen Nutzungsbefugnis des Grunddienstbarkeitsberechtigten spricht zudem, dass in den Fällen, welche dem Gesetzgeber bei Schaffung der Norm als Vorbild dienten, nämlich Grunddienstbarkeiten, welche zur Leitung von Flüssigkeiten über das dienende Grundstück berechtigen, der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Anlage typischerweise alleine nutzt. Dementsprechend enthalten weder die Begründung des Vorentwurfs noch die Motive zum Entwurf erster Lesung noch die

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Protokolle des Entwurfs zweiter Lesung Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 1020 S. 2 BGB auf den Fall der bloßen Mitbenutzungsbefugnis des Grunddienstbarkeitsberechtigten. § 1020 S. 2 BGB ist demnach nicht auf die Fälle anwendbar, in denen die Grunddienstbarkeit dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Recht einräumt, eine Anlage auf dem dienenden Grundstück mitzubenutzen. In diesen Fällen bestimmen sich die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts – sofern sie sich nicht durch Auslegung ermitteln lassen – daher ausschließlich nach dem in § 1020 S. 1 BGB allgemein geregelten Grundsatz der schonenden Ausübung. Es bleibt zu klären, ob in dem Fall, dass dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Recht zur Mitbenutzung einer Anlage auf dem dienenden Grundstück zusteht und es von dieser Anlage aus zu faktischen Einwirkungen auf das dienende Grundstück kommt, der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch gemäß § 1004 I 2 BGB auf die Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen hat. Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Mitbenutzungsrechts ist in diesem Fall eine Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I BGB zu bejahen. Denn der Eigentümer des dienenden Grundstücks ist in der Ausübung seines Eigentumsrechts insofern beeinträchtigt, als er auf die rechtlich geschützten Interessen des Grunddienstbarkeitsberechtigten Rücksicht nehmen muss. So kann er etwa die von der Anlage ausgehenden Störungen nicht selbst dadurch verhindern, dass er die Anlage beseitigt. Hiergegen ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte schließlich seinerseits gemäß § 861 BGB geschützt. Als derjenige, der der eigenmächtigen Beseitigung des faktisch störenden Zustandes durch den Eigentümer des dienenden Grundstücks im Wege steht, ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte auch Gegner des negatorischen Anspruchs aus § 1004 I BGB. In den meisten Fällen wird die Grunddienstbarkeit nach ihrem notfalls gemäß § 1020 S. 1 BGB zu ermittelndem Inhalt so ausgestaltet sein, dass sie lediglich zur Mitbenutzung der Anlage berechtigt, sie aber nicht das Recht zu von der Anlage ausgehenden Einwirkungen auf das dienende Grundstück umfasst, weshalb der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Beeinträchtigung auch nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden hat. Dem Eigentümer des dienenden Grundstücks steht damit gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten grundsätzlich ein Anspruch aus § 1004 I BGB zu. Jedoch ist der Inhalt dieses Anspruchs in den Fällen, in denen nicht der Grunddienstbarkeitsberechtigte, sondern der Eigentümer des dienenden Grundstücks Eigentümer der Anlage ist, insoweit anzupassen, als der Anspruch aus § 1004 I BGB in diesem Fall nicht auf die Beseitigung der Beeinträchtigung bzw. die Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen, sondern lediglich auf die Duldung der Maßnahmen gerichtet ist, die zur Beseitigung der Beeinträchtigung bzw. zur

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Verhinderung künftiger Beeinträchtigungen durch den Eigentümer erforderlich sind. Dies wird an einem Vergleich zu dem Fall deutlich, dass von der Anlage Störungen ausgehen, die auf das Grundstück eines Dritten einwirken. In diesem Fall hat der Dritte gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks als Eigentümer der Anlage gemäß § 1004 I 1 BGB einen Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung und gemäß § 1004 I 2 BGB auf die Verhinderung künftiger Eigentumsbeeinträchtigungen. Gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten hat er gemäß § 1004 I BGB lediglich einen Anspruch auf Duldung der Beseitigung bzw. Verhinderung der Eigentumsbeeinträchtigung durch den Eigentümer der Anlage. Denn wäre der Anspruch aus § 1004 I BGB auch gegenüber dem Grunddienstbarkeitsberechtigten auf die Beseitigung oder Verhinderung der von der Anlage ausgehenden Störungen gerichtet, so müsste damit eine entsprechende Pflicht des Eigentümers der Anlage korrespondieren, die vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gewählte Maßnahme zu dulden. Damit stünde die Entscheidungsbefugnis, welche Maßnahme ergriffen wird, um von der Anlage ausgehende Störungen zu beseitigen oder zu verhindern, nicht dem Eigentümer der Anlage, sondern dem Grunddienstbarkeitsberechtigten zu427. Anders als in dem Fall, in dem dem Grunddienstbarkeitsberechtigten das alleinige Recht zur Nutzung der Anlage zusteht, hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks aber gerade ein Interesse daran, selbst über die Maßnahmen zur Verhinderung der Störungen, welche von seiner Anlage ausgehen, entscheiden zu können. Eine gemäß § 1020 S. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung wird daher stets ergeben, dass die Entscheidungsbefugnis über die zu treffende Maßnahme im Fall des bloßen Mitbenutzungsrechts des Grunddienstbarkeitsberechtigten weiterhin allein dem Eigentümer des dienenden Grundstücks als Eigentümer der Anlage zustehen soll. Richtet sich also in dem Fall, in dem von der dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gehörenden Anlage Störungen eines dritten Grundstücks ausgehen, der Anspruch gemäß § 1004 I BGB gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten lediglich auf die Duldung der Maßnahmen, welche der Eigentümer des dienenden Grundstücks vornehmen muss, um die Beeinträchtigung zu beseitigen bzw. eine künftige Beeinträchtigung zu verhindern, kann dies in dem Fall, dass die Beeinträchtigung nicht ein drittes, sondern das dienende Grundstück selbst betrifft, nicht anders sein. Auch in diesem Fall muss die Entscheidungsbefugnis darüber, wie die von der Anlage ausgehende Störung beseitigt bzw. verhindert 427 Mit diesem Argument nimmt Staudinger/Gursky § 1004 RdNr. 118 eine inhaltliche Beschränkung des Anspruchs aus § 1004 I 1 BGB gegen den Besitzer einer störenden Sache dergestalt vor, dass dieser nur die Beseitigung der Störung durch den Eigentümer der Sache zu dulden hat. Andernfalls würde das sich aus § 903 BGB ergebende Entscheidungsprimat des Eigentümers ohne sachlichen Grund missachtet.

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werden soll, gemäß § 903 BGB dem Eigentümer der Anlage zustehen. Der Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I BGB richtet sich in diesem Fall daher lediglich auf die Duldung der Maßnahmen, die zur Beseitigung bzw. Verhinderung faktischer Störungen des dienenden Grundstücks durch die Anlage erforderlich sind.

C. § 1021 und § 1022 BGB Die §§ 1021 und 1022 regeln die Unterhaltung einer zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehörenden Anlage. I. Verständnis der §§ 1021 und 1022 BGB in Rechtsprechung und Literatur 1. § 1021 BGB Gemäß § 1021 I 1 BGB kann für den Fall, dass zur Ausübung der Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück gehört, bestimmt werden, dass der Eigentümer dieses Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Steht dem Eigentümer des belasteten Grundstücks das Recht zur Mitbenutzung zu, so kann gemäß § 1021 I 2 BGB bestimmt werden, dass der Berechtigte die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigentümers erforderlich ist. Gemäß dem zweiten Absatz des § 1021 BGB finden auf eine solche Unterhaltungspflicht die Vorschriften über die Reallast entsprechende Anwendung. a) Allgemeine Einordnung Nach Auffassung von Literatur und Rechtsprechung räumt § 1021 BGB den Parteien die Möglichkeit ein, durch Vereinbarung eine Pflicht zur Unterhaltung einer zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehörenden Anlage auf dem belasteten Grundstück zu begründen428. Diese Unterhaltungspflicht sei – wie auch die in § 1020 BGB geregelte Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit – Teil des zwischen dem Eigentümer des dienenden und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks bestehenden Begleitschuldverhältnisses429. Sie gehöre 428 OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 456 („schuldrechtliche Vereinbarung“); MüKo/Joost § 1021 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 1. 429 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1989, 531, 534 f., 543, 561; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 4; a. A. MüKo/ Joost § 1020 RdNr. 2, dessen Meinung nach das Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht durch die Vereinbarung der Parteien gemäß § 1021 I BGB, sondern durch die gesetzliche Sta-

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als „Nebenverpflichtung“ 430 zum Inhalt des dinglichen Rechts431 und bedürfe daher gemäß § 873 I BGB neben der dinglichen Einigung auch der Eintragung ins Grundbuch432. Allerdings unterscheide sich die vertraglich vereinbarte Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 BGB – ebenso wie die gesetzliche Unterhaltungspflicht des § 1022 BGB – insofern von den übrigen Pflichten des Begleitschuldverhältnisses, als bei ihr eine „reallastähnliche Sicherung“ 433 eingreife434: Neben der Unterhaltungsverpflichtung gemäß § 1021 BGB, für deren Erfüllung der betreffende Eigentümer persönlich mit seinem gesamten Vermögen hafte, bestehe

tuierung der persönlichen Haftung des Verpflichteten gemäß § 1021 II BGB i.V. m. § 1108 BGB begründet wird. 430 RGZ 131, 158, 163; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 2; Bamberger/Roth/Wegmann § 1021 RdNr. 1. 431 RGZ 131, 158, 163; OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 456; BayObLG BayObLGZ 1990, 8, 10; Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting/Eickmann § 1021 RdNr. 4; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 205; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 1, 6; Möller, Servituten, S. 404 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1153a; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 1; Bamberger/Roth/Wegmann § 1021 RdNr. 1, 9. Widersprüchlich ist die Entscheidung des BGH vom 27. Januar 1960 (BGH NJW 1960, 673, 674), in der es einerseits heißt: „Teil dieses dinglichen Rechts [der Grunddienstbarkeit] ist die Verpflichtung [Kursivstellung nicht im Original] der Eigentümer des dienenden Grundstücks, die Fahrstraße in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten.“, aber andererseits ausdrücklich betont wird, dass die Parteien „überhaupt in keinem Schuldverhältnis [Kursivstellung nicht im Original] zueinander“ stünden. 432 OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 456; BayObLG BayObLGZ 1990, 8, 10; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 1, 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht § 1153a; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 1. Zum Teil (LG Ellwangen BWNotZ 1987, 141, 142; AG Aalen BWNotZ 1987, 141, 141; Staudinger(1981)/Ring § 1021 RdNr. 8; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 3) wird vertreten, dass bei einer Vereinbarung gemäß § 1021 I 2 BGB, welche den Grunddienstbarkeitsberechtigten zur Unterhaltung der Anlage verpflichte, neben der Eintragung auf dem Grundbuchblatt des dienenden Grundstücks auch die Eintragung der Vereinbarung auf dem Grundbuchblatt des herrschenden Grundstücks erforderlich sei, da nur so ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb verhindert werden könne (LG Ellwangen BWNotZ 1987, 141, 142; Staudinger(1981)/Ring § 1021 RdNr. 8; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 3). Außerdem müsste wegen der Reallastwirkung der Unterhaltungspflicht (§ 1021 II BGB) das Rangverhältnis der Belastungen des herrschenden Grundstücks klargestellt werden (Staudinger(1981)/Ring § 1021 RdNr. 8). Die weit überwiegende Auffassung (Böhringer BWNotZ 1987, 142, 142 ff.; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 7; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 14; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 15; Staudinger(1994)/Ring § 1021 RdNr. 8; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1153d) hält hingegen auch bei einer Vereinbarung gemäß § 1021 I 2 BGB eine Eintragung lediglich auf dem Grundbuchblatt des dienenden Grundstücks mit der Begründung für ausreichend, dass die Unterhaltungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten als Nebenpflicht zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehöre und mit dieser ein einheitliches Recht bilde (Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 14; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 15). Zudem sei ein gutgläubiger Wegerwerb der Unterhaltungspflicht von vorneherein ausgeschlossen, weil diese Unterhaltungspflicht Inhalt der Grunddienstbarkeit sei (Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 14). 433 NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 4. 434 Amann DNotZ 1989, 531, 535; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 4.

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ein – mit der Grunddienstbarkeit verknüpftes435 und daher als unselbständige Reallast bezeichnetes436 – dingliches Verwertungsrecht an dem Grundstück, aufgrund dessen unmittelbar in das Grundstück vollstreckt werden könne437. b) Begriff der „Unterhaltung“: Verhältnis des § 1021 zu § 1020 S. 2 BGB Unter „Unterhaltung“ i. S. d. § 1021 BGB versteht man allgemein die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlage438. Als Maßstab für die Funktionsfähigkeit wird dabei unter Hinweis auf die einschränkenden Halbsätze am Ende von Satz 1 und 2 der Zweck herangezogen, der der Anlage nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit (S. 1) bzw. dem Benutzungsrecht des Eigentümers des dienenden Grundstücks (S. 2) zukommt439. Unterschiedlich beurteilt wird, in welchem Verhältnis die – nach allgemeiner Auffassung durch eine Vereinbarung gemäß § 1021 BGB begründete – Unterhaltungspflicht zu der Erhaltungspflicht steht, welche § 1020 S. 2 BGB nach allgemeiner – soeben widerlegter440 – Meinung begründet. Einigkeit herrscht lediglich insofern, als sich die Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 BGB von der Erhaltungspflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB dadurch unterscheide, dass diese lediglich das Integritätsinteresse des Eigentümers des dienenden Grundstücks schütze441, während es bei jener um den Schutz des Interesses an der Benutzung der Anlage gehe442. Nach überwiegend vertretener Auffassung soll sich die Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 BGB allerdings insofern mit der Erhaltungspflicht des § 1020 S. 2 BGB überschneiden, als die Unterhaltungspflicht auch die von § 1020 S. 2 BGB erfassten Maßnahmen zum Schutz des Integritätsinteresses einschließen soll443. Die Erhaltungspflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB wird also im Verhältnis zu der Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 BGB nicht als aliud, sondern als minus ange435 Dass § 1021 BGB keine selbständige neben der Grunddienstbarkeit bestehende Reallast begründet, betonen BayOLG BayOLGZ 4, 313, 315; RGZ 131, 158, 163; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 2. 436 Amann DNotZ 1982, 396, 402; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 5. In BayOLG BayOLGZ 4, 313, 315 ist die Rede von „zulässige[r] Erweiterung der Dienstbarkeit“. 437 Amann DNotZ 1989, 531, 535; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 4. 438 OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 457; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 4; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 7. Hierfür spricht schon der in § 1021 I 2 BGB verwendete Begriff „Benutzungsrecht“. 439 OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 457; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 4; NKBGB/Otto § 1021 RdNr. 7. 440 Siehe ausführlich S. 226 ff. 441 BGH NJW 2005, 894, 897; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 4; NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 56, 57. 442 BGH NJW 2005, 894, 897; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 4. 443 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 14; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 14.

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sehen444. Dementsprechend soll nach dieser Auffassung eine Vereinbarung nach § 1021 I 1 BGB, wonach dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Unterhaltung der Anlage auferlegt werde, die gesetzliche Regelung des § 1020 S. 2 BGB, wonach der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Erhaltung der Anlage verpflichtet sei, verdrängen445. Damit verkennt diese Auffassung allerdings, dass es – wie die Gegenansicht, die die Erhaltungspflicht gemäß § 1020 S. 2 BGB nicht als minus zur Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 BGB, sondern als sich bezüglich einzelner Maßnahmen überschneidendes aliud ansieht, zutreffend betont446 – durchaus Maßnahmen geben kann, die zwar dem Schutz des Integritätsinteresse, nicht aber zugleich auch dem Schutz des Benutzungsinteresses dienen. Man denke nur an den Fall, dass von der Anlage Emissionen wie Rauch oder Ruß ausgehen, die sich auf die nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit vorgesehene Benutzung der Anlage aber nicht negativ auswirken. In diesem Fall dienen Maßnahmen zur Verhinderung von Emissionen lediglich dem Schutz vor Beeinträchtigungen des Eigentums am dienenden Grundstück, also dem Integritätsinteresse, nicht aber dem Interesse an der Benutzung der Anlage. Diese Maßnahmen können daher nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein, die die Pflicht zur Unterhaltung, also zur Aufrechterhaltung der Benutzbarkeit der Anlage begründet. Nach der Gegenansicht soll daher eine Vereinbarung über die Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 BGB die in § 1020 S. 2 BGB vorgesehene gesetzliche Erhaltungspflicht nur insoweit verdrängen, als es nicht um Maßnahmen gehe, die lediglich dem Schutz des Integritätsinteresses dienten447. Bei der Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnis die gesetzliche Regelung des § 1020 S. 2 BGB zu einer Vereinbarung gemäß § 1021 I BGB steht, wird durchweg fälschlicherweise davon ausgegangen, dass zwei Pflichten unterschiedlichen Inhalts miteinander verglichen werden müssten. Wie bereits ausgeführt448 begründet jedoch zumindest § 1020 S. 2 BGB keine Pflicht des Grund-

444 Dementsprechend werden aus den Entscheidungen, die der BGH über den Umfang der Erhaltungspflicht i. S. d. § 1020 S. 2 BGB getroffen hat, Erst-recht-Schlüsse für den möglichen Umfang von Vereinbarungen gemäß § 1021 BGB gezogen; so z. B. für die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherungspflicht, welche der BGH (BGH MittBayNot 2006, 495, 496; BGH NJW 2005, 894, 897) als von § 1020 S. 2 BGB umfasst ansieht (Amann DNotZ 2005, 621, 622; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 9). 445 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 5; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht § 1153a. 446 So MüKo/Joost § 1021 RdNr. 8 (im Widerspruch dazu allerdings MüKo/Joost § 1021 RdNr. 4, wonach eine Vereinbarung über die Unterhaltungspflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks gemäß § 1021 BGB die gesetzliche Erhaltungspflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1020 S. 2 BGB aufheben soll). 447 So MüKo/Joost § 1021 RdNr. 8 für das Verhältnis von § 1021 I 1 BGB zu § 1020 S. 2 BGB. 448 Siehe ausführlich S. 226 ff.

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dienstbarkeitsberechtigten, sondern bestimmt die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts. In welchem Verhältnis diese Regelung nun zu einer Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlage gemäß § 1021 I BGB steht, hängt freilich davon ab, wie eine solche Vereinbarung rechtlich einzuordnen ist. Daher wird erst im Anschluss an die Untersuchung, wie eine Vereinbarung gemäß § 1021 I BGB rechtlich einzuordnen ist, auf die Frage nach ihrem Verhältnis zu § 1020 S. 2 BGB zurückzukommen sein449. c) § 1021 I 1 BGB § 1021 I 1 BGB eröffnet den Parteien die Möglichkeit, die Unterhaltung der Anlage durch den Eigentümer des dienenden Grundstücks zu vereinbaren. Abgesehen von der Frage, ob Maßnahmen, die lediglich das Integritätsinteresse betreffen, von dem Begriff der Unterhaltung im Sinne des § 1021 BGB umfasst sind, herrscht weitgehend Einigkeit über den Umfang der Vereinbarungsmöglichkeiten, die § 1021 I 1 BGB den Parteien bietet. So sollen die Parteien gemäß § 1021 I 1 BGB sowohl vereinbaren können, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlage erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen hat, als auch, dass er dem Grunddienstbarkeitsberechtigten lediglich die dazu nötigen Kosten vorzuschießen oder zu erstatten hat450. Auch soll es möglich sein, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Pflicht zur Unterhaltung der Anlage nicht vollständig, sondern nur teilweise, etwa zur Hälfte, aufzuerlegen451. Befreien können soll sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks von der vereinbarten Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 I 1 BGB dadurch, dass er das Eigentum entweder am gesamten Grundstück oder zumindest an dem Grundstücksteil, auf dem sich die Anlage befinde, gemäß § 928 BGB aufgebe452. Im letzteren Fall soll es allerdings zuvor der Eintragung des besagten Grundstücksteils als selbständiges Grundstück bedürfen453. Eine Dereliktion der Anlage gemäß § 959 BGB, welche ohnehin lediglich möglich sei, wenn die Anlage ausnahmsweise nicht wesentlicher Teil des Grundstücks sei454, soll hingegen nicht zu einer Befreiung von der Unterhaltungspflicht führen455. Auf die sich aufdrän449

Siehe S. 284 ff. KG NJW 1970, 1686, 1686; OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 456; MüKo/ Joost § 1021 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 6; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 2; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1153 a. 451 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1153a. 452 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 16 (ohne die erste Möglichkeit zu erwähnen). 453 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 16. 454 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5. 455 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 16. 450

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gende Frage, warum es dem Eigentümer des dienenden Grundstücks möglich sein soll, den gegen ihn gerichteten schuldrechtlichen Anspruch auf Unterhaltung der Anlage einseitig durch die Aufgabe des Eigentums an seinem Grundstück zum Erlöschen zu bringen, obwohl das Gesetz eine entsprechende rechtsvernichtende Einwendung überhaupt nicht vorsieht, wird nicht eingegangen. d) § 1021 I 2 BGB Steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Recht zur Mitbenutzung der Anlage zu, ist also der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht zur alleinigen Nutzung der Anlage, sondern nur zur Mitbenutzung der Anlage berechtigt456, eröffnet § 1021 I 2 BGB den Parteien nach allgemeiner Ansicht die Möglichkeit, den Dienstbarkeitsberechtigten insoweit zur Unterhaltung der Anlage – also zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlage – zu verpflichten, wie es für die Ausübung des Benutzungsrechts des Eigentümers erforderlich ist457. Dabei soll der Grunddienstbarkeitsberechtigte – ebenso wie der Eigentümer des dienenden Grundstücks im Rahmen einer Vereinbarung nach § 1021 I 1 BGB – entweder zur Durchführung der zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen oder ledig-

456 Laut Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 74; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1130a kann eine Benutzungsdienstbarkeit kein ausschließliches Nutzungsrecht des Grunddienstbarkeitsberechtigten begründen. Schließlich, so die Begründung, bleibe der Eigentümer des dienenden Grundstücks weiterhin „zu jeder die Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtigenden Nutzung des Grundstücks berechtigt“ (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1130a). Der Eigentümer des dienenden Grundstücks sei daher nur dann nicht zur Mitbenutzung der Anlage befugt, wenn zusätzlich zur Benutzungsgrunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB eine entsprechende Unterlassungsgrunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 2 BGB bestellt worden sei (Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 74; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1130a). Dabei soll es zulässig sein, beide Belastungen durch die Bestellung einer Dienstbarkeit zur „alleinigen“ oder „ausschließlichen“ Benutzung in einer einheitlichen Dienstbarkeit zusammenzufassen (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1130a). Zwar ist es zutreffend, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks durch die Grunddienstbarkeit nur soweit von der Ausübung seines Eigentumsrechts ausgeschlossen ist, wie das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht reicht (siehe dazu oben S. 59). Es gibt jedoch durchaus Fälle, in denen das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Nutzungsrecht so weit reicht, dass es den Eigentümer des dienenden Grundstücks von jeglicher Mitbenutzung ausschließt, weil jede Nutzung durch den Grundstückseigentümer eine Beeinträchtigung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts darstellen würde. Man denke nur an den Fall, dass eine Grunddienstbarkeit das Recht einräumt, eine über das dienende Grundstück führende Abwasserleitung ununterbrochen bei voller Ausnutzung zu nutzen. Eine Benutzungsdienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB kann daher durchaus ein alleiniges Nutzungsrecht des Grunddienstbarkeitsberechtigten begründen. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der Grunddienstbarkeit (dazu S. 80 ff.) zu ermitteln. 457 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 8; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 12; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 14; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 3; Bamberger/Roth/Wegmann § 1021 RdNr. 7.

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lich zur Kostentragung verpflichtet werden können458. Auch soll es parallel zu § 1021 I 1 BGB möglich sein, den Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht in vollem Umfang, sondern nur teilweise zur Unterhaltung der Anlage zu verpflichten459. In dem Fall eines gemeinsamen Nutzungsrechts an der Anlage ist nach allgemeiner Auffassung460 neben § 1021 I 2 BGB auch § 1021 I 1 BGB anwendbar. Dies soll zur Folge haben, dass die Parteien in diesem Fall sowohl den Eigentümer des dienenden Grundstücks als auch den Grunddienstbarkeitsberechtigten zur Unterhaltung der Anlage verpflichten könnten, freilich nur soweit, wie es für die Ausübung des Nutzungsrecht des jeweils anderen erforderlich sei461. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des § 1021 I 1 BGB, dem – wie zutreffend betont wird – keine Einschränkung der Anwendbarkeit auf den Fall des alleinigen Nutzungsrechts des Grunddienstbarkeitsberechtigten zu entnehmen sei462. Zum anderen sei es „widersprüchlich und sachlich nicht gerechtfertigt“ 463, wenn der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Unterhaltungslast nur übernehmen könne, wenn der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur alleinigen Nutzung der Anlage befugt sei, nicht aber, wenn auch der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Anlage nutzen dürfe464. Im Falle eines gemeinsamen Nutzungsrechtes müssen sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks und der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach allgemeiner Ansicht nicht zwischen einer den Eigentümer des dienenden Grundstücks zur Unterhaltung der Anlage verpflichtenden Vereinbarung nach § 1021 I 1 BGB und einer Grunddienstbarkeitsberechtigten verpflichtenden Vereinbarung § 1021 I 2 BGB entscheiden. Vielmehr soll es den Parteien in diesem Fall möglich sein, die Vereinbarungen gemäß § 1021 I 1 BGB und § 1021 I 2 BGB derart miteinander 458 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 13; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 3; Bamberger/ Roth/Wegmann § 1021 RdNr. 6. 459 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 13. 460 KG NJW 1970, 1686, 1686 f.; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 7; NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 13; Bamberger/Roth/Wegmann § 1021 RdNr. 6. Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 7 hält die Frage der Anwendbarkeit des § 1021 I 1 BGB im Fall eines gemeinsamen Nutzungsrechts für umstritten. Doch sprechen sich die als Vertreter der Gegenmeinung genannten Autoren (Erman/Grziwotz § 1021 RdNr. 3; jurisPK-BGB/Münch § 1021 RdNr. 10; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1153 b) gerade nicht gegen die Anwendbarkeit des § 1021 I 1 BGB im Fall eines gemeinsamen Nutzungsrechts aus. Im Gegenteil setzt die von diesen Autoren befürwortete Möglichkeit, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten jeweils einen Teil der Unterhaltung der Anlage aufzuerlegen (Erman/Grziwotz § 1021 RdNr. 3; Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1153 b), gerade voraus, dass § 1021 I 1 BGB auch im Falle eines gemeinsamen Nutzungsrechts an der Anlage anwendbar ist. 461 KG NJW 1970, 1686, 1687. 462 KG NJW 1970, 1686, 1686; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 7. 463 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 7. 464 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 7.

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zu kombinieren, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks und der Grunddienstbarkeitsberechtigte jeweils nur teilweise zur Unterhaltung der Anlage verpflichtet werden465 und so die Unterhaltungslast unter ihnen aufgeteilt wird466. e) Ansprüche der Beteiligten Geht man mit der allgemein vertretenen Auffassung davon aus, dass § 1021 I BGB es den Parteien ermöglicht, den Eigentümer des dienenden Grundstücks oder – unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 1021 I 2 BGB – den Grunddienstbarkeitsberechtigten zur Unterhaltung der Anlage zu verpflichten, besteht als Kehrseite dieser Unterhaltungsverpflichtung denknotwendig ein schuldrechtlicher Anspruch des jeweils anderen Teils auf Erfüllung dieser Verpflichtung gemäß § 1021 I 1 bzw. 2 BGB, auf den die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften Anwendung finden467. Erstaunlicherweise wird § 1021 I BGB jedoch nur vereinzelt468 ausdrücklich als Anspruchsgrundlage genannt. Meist wird lediglich auf die Ansprüche eingegangen, welche sich aus der Verweisung auf die Reallastvorschriften in § 1021 II BGB ergeben sollen: Gemäß §§ 1105 I 1, 1107, 1147 BGB bestehe gegen den gemäß § 1021 I BGB zur Unterhaltung der Anlage Verpflichteten wegen der nicht erbrachten Unterhaltungsleistungen ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in dessen Grundstück469. Außerdem sei er gemäß § 1108 BGB zur Erfüllung der während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Unterhaltungsleistungen verpflichtet470. Fällig werde die Unterhaltungsleistung in dem Zeitpunkt, in dem sich die Instandsetzung der Anlage als notwendig erweise471. 465 KG NJW 1970, 1686, 1686 f.; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1153 b. 466 KG NJW 1970, 1686, 1687; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, RdNr. 1153 b. 467 So macht sich nach Auffassung von MüKo/Joost § 1021 RdNr. 5 der Eigentümer des dienenden Grundstücks, der sein Eigentum an dem dienenden Grundstück oder an dem betroffenen Grundstücksteil gemäß § 928 BGB derelinquiert und sich auf diese Weise von seiner Unterhaltungspflicht nach § 1021 I 1 BGB befreit, in der Regel wegen von ihm zu vertretender Unmöglichkeit gemäß §§ 280 I, III, 283 BGB schadensersatzpflichtig. 468 OLG Düsseldorf RNotZ 2003, 455, 456. So indirekt auch bei NK-BGB/Otto § 1021 RdNr. 4: „Für die jeweils fälligen Leistungen haftet der Eigentümer daneben [neben der reallastähnlichen Sicherung] auch persönlich (nach der hier vertretenen Auffassung bereits aus dem Binnenverhältnis, . . .).“ Bezüglich der Unterhaltungspflicht will Otto Schadensersatz statt der Leistung nur gemäß §§ 280 I, 283 BGB gewähren; die §§ 281 und 282 BGB hält er für unanwendbar (siehe NK-BGB/Otto § 1020 RdNr. 9). 469 Amann DNotZ 1989, 531, 535; MüKo/Joost § 1021 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 17; Volmer MittBayNot 2000, 387, 388. 470 MüKo/Joost § 1021 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 17; Soergel/Stürner § 1021 RdNr. 4; Volmer MittBayNot 2000, 387, 388. 471 Staudinger/Mayer § 1021 RdNr. 17.

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Damit soll es nach allgemein vertretener Auffassung also drei Möglichkeiten geben, gegen denjenigen vorzugehen, der die Unterhaltungslast gemäß § 1021 I BGB zu tragen hat, aber untätig bleibt: Gemäß 1021 I BGB soll die Erfüllung der fälligen Unterhaltsleistungen verlangt werden können, ebenso gemäß § 1021 II i.V. m. § 1108 I BGB. Gemäß § 1021 II i.V. m. §§ 1105 I, 1107, 1147 BGB soll die Duldung der Zwangsvollstreckung in das dienende bzw. im Fall des § 1021 I 2 BGB in das herrschende Grundstück wegen rückständiger Unterhaltungsleistungen verlangt werden können. 2. § 1022 BGB Für den „praktisch wenig bedeutsamen“ 472 Fall, dass die Grunddienstbarkeit in dem Recht besteht, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche Anlage zu halten, bestimmt § 1022 S. 1 BGB, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, seine Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Gemäß § 1022 S. 2 BGB gilt die Vorschrift des § 1021 II BGB auch für diese Unterhaltungspflicht. Nach allgemeiner Ansicht473 soll § 1022 BGB für den speziellen Fall, dass die Grunddienstbarkeit das Recht einräumt, auf einer baulichen Anlage auf dem belasteten Grundstück (sog. tragende Anlage474) eine andere bauliche Anlage (sog. getragene Anlage475) zu halten476 und die Parteien keine Vereinbarung über die Unterhaltung gemäß § 1021 I 1 oder 2 BGB477 getroffen haben478, einen schuldrechtlichen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf die Unterhaltung der tragenden Anlage begründen. Diese gesetzliche Unterhaltspflicht des Eigentümers des dienenden 472 RGRK/Rothe § 1022 RdNr. 1. Seit Inkrafttreten des BGB ist, soweit ersichtlich, lediglich eine publizierte Entscheidung ergangen, welche sich inhaltlich mit § 1022 BGB beschäftigt, und zwar RGZ 112, 368 ff. 473 MüKo/Joost § 1022 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 1; Soergel/Stürner § 1022 RdNr. 1; Bamberger/Roth/Wegmann § 1022 RdNr. 1. 474 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 2. 475 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 2. 476 Nach einer Auffassung (Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 1; Bamberger/Roth/ Wegmann § 1022 RdNr. 2) muss es sich dabei lediglich um den „Hauptinhalt“ der Grunddienstbarkeit handeln, während eine andere Auffassung (RGZ 112, 368, 370 f.; MüKo/Joost § 1022 RdNr. 2; RGRK/Rothe § 1022 RdNr. 1; Soergel/Stürner § 1022 RdNr. 1) unter Hinweis auf den Wortlaut der Norm („in dem Recht“) verlangt, dass es sich um den ganzen Inhalt der Grunddienstbarkeit handelt. 477 Im Fall des § 1022 BGB soll regelmäßig ein gemeinsames Nutzungsrecht i. S. d. § 1021 I 2 BGB an der tragenden Anlage vorliegen. Das Nutzungsrecht des Grunddienstbarkeitsberechtigten soll dabei darin liegen, dass er die getragene Anlage auf der tragenden Anlage aufsetzen darf (MüKo/Joost § 1022 RdNr. 1 Fn. 2; Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 5; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 7). 478 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 5; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 6 f.

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Grundstücks soll – ebenso wie die vertraglich vereinbarte Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 I 1 BGB479 – Teil des zwischen dem Eigentümer des dienenden und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks bestehenden Begleitschuldverhältnisses sein480 und als „Nebenverpflichtung“ zum Inhalt des dinglichen Rechts gehören481. Als gesetzlicher Inhalt der Grunddienstbarkeit soll die Unterhaltspflicht nach § 1022 S. 1 BGB nicht eigens ins Grundbuch eingetragen werden können482. a) Tatbestandsmerkmale Der Begriff der baulichen Anlage im Sinne des § 1022 S. 1 BGB ist nach allgemeiner Ansicht enger als der Begriff der Anlage im Sinne der §§ 1020 S. 2 und 1021 I BGB. Er soll sich von diesem insofern unterscheiden, als er nur diejenigen vom Grundstück selbst unterscheidbaren, für eine gewisse Dauer bestimmten und von Menschenhand zur Benutzung des Grundstücks geschaffenen Einrichtungen und damit Anlagen im Sinne der §§ 1020 S. 2, 1021 I BGB483 erfasse, die das Ergebnis einer Bautätigkeit darstellen484. So sollen beispielsweise reine Gartenanlagen nicht unter den Begriff der baulichen Anlage fallen485. Als Anwendungsfälle des § 1022 BGB werden neben Grunddienstbarkeiten, welche dem Grunddienstbarkeitsberechtigten erlauben, das eigene Bauwerk oder Teile davon auf ein Bauwerk auf dem belasteten Grundstück zu stützen (sog. Tramrecht486), solche Grunddienstbarkeiten genannt, die dem Grunddienstbarkeitsberechtigten erlauben, auf einem auf dem belasteten Grundstück befindlichen Bauwerk aufzubauen487. b) Rechtsfolge Als Rechtsfolge des § 1022 BGB trifft den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nach allgemeiner Ansicht die gesetzliche Pflicht, die tragende Anlage nach Maßgabe des Interesses des Grunddienstbarkeitsberechtigten zu unter479

Siehe dazu S. 242 f. Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Amann DNotZ 1989, 531, 534 f. 481 Adamczyk MittRhNotK 1998, 105, 114; Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 3. 482 MüKo/Joost § 1022 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 3; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 4; RGRK/Rothe § 1022 RdNr. 2; Soergel/Stürner § 1022 RdNr. 1. 483 Siehe zum Begriff der Anlage im Sinne der §§ 1020 S. 2, 1021 I BGB oben S. 219. 484 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 2; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 2; RGRK/Rothe § 1022 RdNr. 1. Konkreter MüKo/Joost § 1022 RdNr. 2, der verlangt, dass die Anlage nach den Regeln der Mechanik und Statik geschaffen ist. 485 MüKo/Joost § 1022 RdNr. 2; Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 2; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 2. 486 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 2. 487 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 2; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 3. 480

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halten488. Er soll also die Funktionsfähigkeit der tragenden Anlage insoweit aufrechtzuerhalten haben, wie dies erforderlich ist, um die Anlage dem Inhalt der Grunddienstbarkeit entsprechend nutzen zu können489. Geht man mit der allgemeinen Ansicht von dem Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung des Eigentümers des dienenden Grundstücks aus, besteht als Kehrseite dieser Verpflichtung denknotwendig ein entsprechender schuldrechtlicher Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Erfüllung dieser Verpflichtung gemäß § 1022 S. 1 BGB. Ebenso wie im Rahmen des § 1021 I BGB wird in der Literatur auf den schuldrechtlichen Anspruch allerdings meist490 nicht eingegangen. Es wird lediglich betont, dass aufgrund der Verweisung in § 1022 S. 2 BGB auf § 1021 II BGB die Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung fänden491. Wie bei der vereinbarten Unterhaltungspflicht gemäß § 1021 I 1 BGB habe der Eigentümer des dienenden Grundstücks auch bei der gesetzlichen Unterhaltungspflicht gemäß § 1022 BGB nicht nur die Duldung der Zwangsvollstreckung in sein Grundstück wegen der nicht erbrachten Unterhaltsleistungen gemäß §§ 1105 I 1, 1107, 1147 BGB zu dulden, sondern sei auch zur Erfüllung der während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Leistungen gemäß § 1108 I BGB verpflichtet492. II. Untersuchung der §§ 1021 und 1022 BGB Es wird allgemein davon ausgegangen, dass das BGB die Unterhaltung der Anlagen in den §§ 1021, 1022 BGB schuldrechtlich regelt, indem es zum einen den Parteien in § 1021 I BGB die rechtsgeschäftliche Begründung von Unterhaltungspflichten ermöglicht und zum anderen in § 1022 BGB für einen Spezialfall das Bestehen einer Unterhaltungspflicht selbst anordnet. Allerdings hat man es bisher versäumt, die Richtigkeit dieser Annahme zu überprüfen. Im Folgenden gilt es daher zu untersuchen, wie die in §§ 1021, 1022 BGB getroffenen Regelungen über die Unterhaltung der Anlage rechtlich einzuordnen sind (1.). Ist die Frage nach der rechtlichen Einordnung der §§ 1021, 1022 BGB beantwortet, kann anschließend geklärt werden, welche Ansprüche sich aufgrund dieser rechtlichen Einordnung aus den §§ 1021, 1022 BGB für den Eigentümer des herrschenden und den Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den 488

Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 3; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 4 f. NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 5. 490 Lediglich NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 8 i.V. m. § 1021 RdNr. 4 benennt § 1022 BGB als Anspruchsgrundlage, indem er betont: „Für die jeweils fälligen Leistungen haftet der Eigentümer daneben [neben der reallastähnlichen Sicherung] auch persönlich (nach der hier vertretenen Auffassung bereits aus dem Binnenverhältnis, . . .).“ 491 MüKo/Joost § 1022 RdNr. 3; Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 3. Dies betont auch NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 8. 492 Staudinger/Mayer § 1022 RdNr. 3; NK-BGB/Otto § 1022 RdNr. 8 i.V. m. § 1021 RdNr. 4 f. 489

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jeweils anderen ergeben (2.), in welchem Verhältnis eine nach § 1021 I 1 BGB getroffene Unterhaltungsvereinbarung zu der gesetzlichen Regelung des § 1020 S. 2 BGB steht (3.) und ob sich aus dieser rechtlichen Einordnung Grenzen für den möglichen Inhalt einer Unterhaltungsvereinbarung gemäß § 1021 I BGB ergeben (4.). Abschließend wird auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage eingegangen, ob in dem Fall, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gemeinsamen Nutzung der Anlage berechtigt sind, aber keine Unterhaltungsvereinbarung gemäß § 1021 I BGB getroffen wurde, dem einen gegen den jeweils anderen in entsprechender Anwendung des § 748 BGB ein Anspruch auf anteilige Unterhaltung der Anlage zusteht (5.). 1. Rechtliche Einordnung der §§ 1021 und 1022 BGB a) Wortlaut Die sowohl in § 1021 I 1 und 2 BGB als auch in § 1022 S. 1 BGB gebrauchte Kombination des Hilfsverbes „haben“ mit „zu unterhalten“ lässt sich in zweierlei Hinsicht verstehen: Einerseits kann diese Formulierung ausdrücken, dass der eine gegen den jeweils anderen einen Anspruch auf Unterhaltung der Anlage hat. Andererseits lässt sich die Kombination aus dem Hilfsverb „haben“ und „zu unterhalten“ aber auch so verstehen, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks bzw. im Fall des § 1021 I 2 BGB der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Anlage unterhalten muss, wenn er das Eintreten von sich aus seinem Untätigbleiben ergebenden Rechtsfolgen verhindern will, der andere Teil aber keinen Anspruch gegen ihn auf die Unterhaltung der Anlage hat. Dafür, dass die §§ 1021, 1022 BGB Regelungen über Ansprüche, und zwar über schuldrechtliche Ansprüche, enthalten, spricht allerdings, dass der Inhalt der von den Parteien gemäß § 1021 I BGB getroffenen Vereinbarung in § 1021 II BGB ausdrücklich als „Unterhaltungspflicht“ bezeichnet wird und auch in § 1022 S. 2 BGB von einer „Unterhaltungspflicht“ die Rede ist. b) Entstehungsgeschichte Aufschluss über die rechtliche Konstruktion der Regelungen der §§ 1021, 1022 BGB gibt die Entstehungsgeschichte dieser Normen. aa) Vom BGB-Gesetzgeber vorgefundene Rechtslage Hilfreich für das Verständnis der §§ 1021, 1022 BGB ist zunächst ein Blick darauf, wie die Unterhaltung der Anlagen im gemeinen Recht einerseits und den deutschen Partikularrechten sowie den neueren großen Zivilgesetzgebungen, wie etwa dem Österreichischen ABGB, andererseits geregelt war. Schließlich ging –

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wie bereits mehrfach erwähnt – der Gesetzgeber bei Ausarbeitung des BGB vom gemeinen Recht als der „gemeinsamen Grundlage“ der deutschen Partikularstaaten aus493, übernahm aber, wenn er dies nach sorgfältiger Prüfung für zweckmäßig hielt, ausnahmsweise von diesem abweichende Bestimmungen der bestehenden Partikularrechte und Reichsgesetze494. (1) Gemeines Recht (a) Grundsätzliche Regelung der Unterhaltung von Anlagen Im gemeinen Recht galt für die Servituten die von der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts aufgestellte Parömie servitus in faciendo consistere nequit 495. Diese formuliert aus Sicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks, dass das Recht auf ein Tun nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein kann. Die Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit entnahm die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts der Digestenstelle D.8.1.15.1496, welche lautet: „Pomponius libro trigensimo tertio ad Sabinum. Servitutium non ea natura est, ut aliquid faciat quis, veluti viridia tollat aut amoeniorem prospectum praestet, aut in hoc ut in suo pingat, sed ut aliquid patiatur aut non faciat.“ „Pomponius im 33. Buch zu Sabinus. Das Wesen der Dienstbarkeit besteht nicht darin, dass jemand etwas tun muss, zum Beispiel dass er Grünanlagen beseitigt oder für eine angenehmere Aussicht sorgt oder zu dem gleichen Zweck für Malereien an seinem Haus, sondern, dass er etwas dulden oder unterlassen muss.“ 497 493 Gutachten der Vorkommission vom 15.04.1874 (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170, 170). 494 Gutachten der Vorkommission vom 15.04.1874 (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 170, 170 f.). 495 Dernburg, Pandekten I, S. 555; Elvers, Servitutenlehre, S. 52; Guyet, Abhandlungen, S. 1; Puchta, Pandekten, S. 251; Schirmer ZRG 12 (1876), 162, 177; Schmidt JbgdR 3 (1859), 246, 246; Schönemann, Servituten, S. 23; Vangerow, Pandekten I, S. 691; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 607 Fn. 3; Zielonacki, Servituten, S. 46; unter Verwendung von „non potest“ anstelle von „nequit“: Hoffmann, Servituten I, S. 8; Luden, Servituten, S. 5. Dagegen enthalten, wie Möller, Servituten, S. 199 Fn. 593 betont, die Digesten selbst die heute noch gebräuchliche (vgl. etwa Wilhelm, Sachenrecht, S. 779 f.) Parömie servitus in faciendo consitere nequit nicht. Versuche, die Allgemeingültigkeit dieses Rechtssatzes zu widerlegen (Goldschmidt AcP 1 (1818), 386 ff.; Hufeland, Geist des römischen Rechts II/2, S. 98 ff.), fanden keinen Beifall (siehe Guyet, Abhandlungen, S. 1 f.; Vangerow, Pandekten I, S. 691; Zielonacki, Servituten, S. 49). 496 Siehe Dernburg, Pandekten I, S. 555 Fn. 3; Elvers, Servitutenlehre, S. 53; Guyet, Abhandlungen, S. 1 Fn. 1; Heisler, Abhandlungen, S. 4 Fn. 1; Hoffmann, Servituten I, S. 9; Keller, Pandekten, S. 310 Fn. 1; Luden, Servituten, S. 15 Fn. 1; Puchta, Pandekten, S. 251 Fn. f.; Sintenis, Civilrecht I, S. 560 Fn. 4; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 572 Fn. 2; Zielonacki, Servituten, S. 46; erwähnt auch bei Johow, Sachenrecht II, S. 1121 Fn. 1. 497 Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 668.

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Hatte die Begründung der Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit der Pandektenwissenschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch große Schwierigkeiten bereitet498, herrschte in der Pandektenwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einigkeit darüber, dass sich diese Rechtsregel zwingend aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht ergebe499. Denn trotz aller Uneinigkeit darüber, ob die beschränkten dinglichen Rechte als Abspaltungen aus dem Eigentum oder als selbständige neben dem Eigentum stehende Herrschaftsrechte an der belasteten Sache aufzufassen seien500, war sich die Pandektenwissenschaft in der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts doch insofern einig, dass das Bestehen eines beschränkten dinglichen Rechts für den Eigentümer der belasteten Sache lediglich zur Folge habe, dass dieser etwas zu unterlassen habe, was er aufgrund seines Eigentums an der Sache tun dürfte, wenn das beschränkte dingliche Recht nicht bestünde501. Entsprechend den zwei Rich498 Einen Überblick über die vertretenen Auffassungen geben Vangerow, Pandekten I, S. 691 f.; Zielonacki, Servituten, S. 46 ff. Thibaut, Versuche II, S. 26 ff. etwa sah den Grund für diese Rechtsregel darin, dass niemand aus den Verträgen oder Handlungen eines Dritten verpflichtet werden könne (dagegen Vangerow, Pandekten I, S. 691 f.; Zielonacki, Servituten, S. 47 f.; letzterer unter anderem mit dem Argument, dass nur im Obligationenrecht, bei dem eine Person einer anderen Person gegenüber stehe, von Verpflichtungen die Rede sein könne, während es sich bei den dinglichen Rechten, bei denen eine Person in ein bestimmtes Rechtsverhältnis zur Sache trete, um Rechte, welche die Person an der Sache ausüben könne, handle.). Zachariä CM 2 (1812), 327, 335 f. begründet diese Rechtsregel ausgehend von der Annahme, dass die Grunddienstbarkeit ein Recht sei, das einem Grundstück an einem anderen Grundstück zustehe, damit, dass bei der Anerkennung einer servitus in faciendo nicht das Grundstück, sondern der Eigentümer des Grundstücks dienstbar wäre (dagegen Vangerow, Pandekten I, S. 692; Zielonacki, Servituten, S. 48 f.). Die Begründung dieser Rechtsregel war sogar Aufgabe eines Preisausschreibens gewesen, das die Göttinger Fakultät veranstaltet hatte (Hinweis dazu bei Thibaut, Versuche I, S. 29 und Elvers, Servitutenlehre, S. 54) und als dessen Sieger Johannknecht, Exploratio quaestionis an servitus in faciendo consistat (1807) hervorging (ablehnende Besprechung von Thibaut, Versuche I, S. 29 ff.). Siehe auch Johow, Sachenrecht II, S. 1121 mit dem Hinweis, dass in Übereinstimmung mit der zur Zeit der Ausarbeitung des BGB nicht mehr vertretenen Auffassung, die der Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit keine oder zumindest keine allgemeine Bedeutung beimaß, diese Regel in I 22 § 30 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 („Daß der Besitzer des belasteten Grundstücks thätige Hülfe zur Ausübung der Grundgerechtigkeit zu leisten schuldig sey, wird nicht vermuthet.“) und in § 482 Österreichischen ABGB („Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu Thun, sondern nur einem Andern die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigenthümer sonst zu thun berechtigt wäre.“) zu einer bloßen Vermutung abgeschwächt ist. 499 Dernburg, Pandekten I, S. 555; Schmidt JbgdR 3 (1859), 246, 246; Schönemann, Servituten, S. 24 f.; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4; Vangerow, Pandekten I, S. 692; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 572; Zielonacki, Servituten, S. 46 f. 500 Siehe dazu ausführlich S. 52 ff. 501 Luden, Servituten, S. 15.

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tungen des Eigentumsrechts hindere das beschränkte dingliche Recht, soweit es bestehe, den Eigentümer der belasteten Sache also entweder daran, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren, oder daran, den Berechtigten von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen502. Im Gegensatz zum obligatorischen Recht, also dem Recht einer Person gegenüber einer anderen Person, könne das beschränkte dingliche Recht den Eigentümer der belasteten Sache gerade nicht zu einem Tun verpflichten503. Für die Anhänger der Auffassung, die die beschränkten dinglichen Rechte als Abspaltungen aus dem Eigentum ansahen, folgte dies daraus, dass nach ihrer Auffassung das Herrschaftsrecht des Eigentümers an seiner Sache soweit verringert war, wie das Herrschaftsrecht des beschränkt dinglich Berechtigten reichte504. Die Auffassung, die die beschränkten dinglichen Rechte als selbständig neben dem Eigentum stehende Herrschaftsrechte an der belasteten Sache ansah, kam zu dem gleichen Ergebnis, indem sie davon ausging, dass die Herrschaftsmacht des Eigentümers zwar weiterhin in vollem Umfang bestehen bleibe, der Eigentümer der belasteten Sache aber soweit und solange von der Ausübung seines Herrschaftsrechts ausgeschlossen sei, wie das beschränkte dingliche Recht bestehe505. Aus der Rechtsregel, dass der Inhalt einer Grunddienstbarkeit aus Sicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks entweder in einem Unterlassen oder einem Dulden, nicht aber in einem Tun bestehen könne, zog die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts506 bezüglich der Unterhaltung der Anlagen die einzig mögliche Schlussfolgerung: Der Eigentümer des dienenden Grundstücks könne aus der Grunddienstbarkeit nicht zur Instandhaltung der Anlage verpflichtet sein. Vielmehr müsse der Grunddienstbarkeitsberechtigte selbst dafür Sorge tragen, dass sich die Anlage in dem zur Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlichen Zustand befinde507. 502 Guyet, Abhandlungen, S. 10; Hoffmann, Servituten I, S. 8; Keller, Pandekten, S. 310; Vangerow, Pandekten I, S. 693; Zielonacki, Servituten, S. 46. 503 Dernburg, Pandekten I, S. 555; Schönemann, Servituten, S. 24; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4; Vangerow, Pandekten I, S. 692 f.; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 572. Einprägsam formuliert Zielonacki, Servituten, S. 46 den Unterschied zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten: „. . ., daß die jura in re theilweise Beschränkungen der Freiheit des Eigenthumes, nicht aber theilweise Beschränkungen der Freiheit des Eigenthümers sind.“ 504 Guyet, Abhandlungen, S. 10 f.; Keller, Pandekten, S. 310; Luden, Servituten, S. 15. 505 Siehe dazu oben S. 53 ff. 506 Noch Ende des 18. Jahrhunderts war streitig gewesen, ob dem Eigentümer des herrschenden oder dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der Anlage zur Last fällt; dazu Heisler, Abhandlungen, S. 3 ff., 18 ff. 507 Dernburg, Pandekten I, S. 555; Glück, Pandekten X, S. 24; Vangerow, Pandekten I, S. 728 Anm. 2 (mit Verweis auf D.8,5,6,2 und D.8,5,8,2; Inhalt und Übersetzung die-

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Zur Vornahme der zur Instandhaltung erforderlichen Maßnahmen auf dem dienenden Grundstück sollte der Grunddienstbarkeitsberechitgte dabei nach allgemeiner Ansicht auch dann berechtigt sein, wenn die Grunddienstbarkeit ein solches Recht zur Instandhaltung der Anlagen nicht ausdrücklich vorsah. Die zur Instandhaltung der Anlage erfoderlichen Maßnahmen auf dem dienenden Grundstück sollten als adminicula servitutum, also als zur Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderliche Maßnahmen, auch ohne ausdrückliche diesbezügliche Vereinbarung vom Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts am dienenden Grundstücks umfasst sein508. Wollten die Parteien die Instandhaltung der Anlage nicht dem Grunddienstbarkeitsberechtigten überlassen, sondern den jeweiligen Eigentümer des diendenden Grundstücks zur Instandhaltung der Anlage verpflichten, war dies nach allgemeiner Auffassung nur auf folgende Weise möglich: Neben der Grunddienstbarkeit mussten die Parteien zusätzlich eine Reallast mit dem Inhalt bestellen, dass der jeweilige Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber zur Instandhaltung der Anlage verpflichtet war509. ser Digestenstellen siehe sogleich S. 259 Fn. 517). So auch OLG Darmstadt SeuffA 21, Nr. 214 S. 158, 159. 508 SeuffA 16 Nr. 14 S. 16, 16; siehe dazu auch Johow, Sachenrecht II, S. 1229; zu den adminicula servitutum allgemein siehe nur Glück, Pandekten X, S. 62. In mehreren Partikularrechten und partikularrechtlichen Gesetzesentwürfen war ausdrücklich bestimmt, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Vornahme der adminicula servitutum berechtigt war, so etwa in § 283 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern III, welcher lautet: „Der Grunddienstbarkeitsberechtigte ist befugt, was zur ordnungsmäßigen Ausübung seines Dienstbarkeitsrechtes oder zur Sicherung dieser Ausübung erforderlich ist, auf dem dienenden Grundstücke vorzunehmen.“ (weitere Nachweise bei Johow, Sachenrecht II, S. 1229). Auch Johows Vorentwurf hatte mit § 270 Abs. 1 noch eine entsprechende Regelung enthalten („Der Berechtigte darf auf dem dienenden Grundstücke vornehmen, was zur ordnungsmäßigen Ausübung der Grunddienstbarkeit gehört, insbesondere die erforderlichen Anlagen errichten und unterhalten.“, Johow, Sachenrecht I, S. 60). Die erste Kommission hingegen hielt die Aufnahme einer solchen Vorschrift in den Entwurf erster Lesung für entbehrlich. Die in § 270 Abs. 1 des Vorentwurfs enthaltene Regelung sei, so die Erwägungen der ersten Kommission, selbstverständlich und ergebe sich bereits mit Notwendigkeit aus dem Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit an dem dienenden Grundstück eingeräumten Rechts (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 71 f.). Die Annahme, dass das Recht zur Vornahme der zur Instandhaltung der Anlage erforderlichen Maßnahmen sich notwendigerweise aus der Grunddienstbarkeit ergibt, trifft in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zu. Vielmehr hat der Grunddienstbarkeitsberechtigte nur dann ein Recht zur Vornahme der zur Instandhaltung der Anlage erforderlichen Maßnahmen, wenn dieses Recht im konkreten Fall vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst ist. Ob dies der Fall ist, welchen Umfang die Grunddienstbarkeit also im konkreten Fall hat, ist beim Fehlen einer Norm, welche wie § 270 Abs. 1 des Vorentwurfs bestimmt, dass dieses Recht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst ist, durch Auslegung und, wo diese an ihre Grenzen stößt, mithilfe des in § 1020 S. 1 BGB normierten Grundsatzes der schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit zu ermitteln. 509 OLG Berlin SeuffA 26, Nr. 108 S. 97, 97; wohl auch OLG Rostock SeuffA 17, Nr. 8 S. 203, 204; siehe auch Johow, Sachenrecht II, S. 1232 Fn. 2.

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(b) Besonderheit bei der servitus oneris ferendi Anders sah die Lage allerdings bei der servitus oneris ferendi aus. Als servitus oneris ferendi wurde im gemeinen Recht eine Grunddienstbarkeit bezeichnet, die dazu berechtigt, das eigene Gebäude auf bauliche Einrichtungen des Nachbargebäudes zu stützen510. Bei der servitus oneris ferendi hatte es der Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht nur zu dulden, dass ein Bauwerk auf dem dienenden Grundstück als Stütze für ein Bauwerk auf dem herrschenden Grundstück diente. Vielmehr konnte der Grunddienstbarkeitsberechtigte vom Eigentümer des dienenden Grundstücks im Wege der actio confessoria511 auch verlangen, die tragende Wand in einem tragfähigen Zustand zu erhalten512. Diesem Verlangen konnte sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks nach allgemeiner Auffassung allerdings dadurch entziehen, dass er sein Eigentum derelinquierte513; als Dereliktionsobjekt wurde dabei teils das Gebäude514, teils das Grundstück515 genannt516. 510 Elvers, Servitutenlehre, S. 55; Hoffmann, Servituten I, S. 101; Keller, Pandekten, S. 327; Luden, Servituten, S. 40; Zielonacki, Servituten, S. 81. Von der servitus oneris ferendi wurde die servitus tigni immittendi unterschieden, welche das Recht einräumte, einzelne Balken oder Steine in das Nachbargebäude einzufügen. Umstritten war, ob die servitus tigni immittendi ebenso wie die servitus oneris ferendi dazu berechtigte, das Nachbargebäude als Stütze zu verwenden, sich von der servitus oneris ferendi also nur dadurch unterschied, dass bei jener vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Reparatur der stützenden Mauer nicht verlangt werden konnte (so Schirmer ZRG 12 (1876), 162, 177; Zielonacki, Servituten, S. 85; wohl auch Emmerich ZfCP N. F. 19 (1862), 469, 472), oder ob die servitus tigni immittendi lediglich das Recht einräumte, sein Bauwerk in das andere hineinragen zu lassen, ohne das letztere ersterem als Stütze diente (so Elvers, Servitutenlehre, S. 55 Fn. h; Hoffmann, Servituten I, S. 104). 511 Dernburg, Pandekten I, S. 555. Die actio confessoria des gemeinen Rechts war als actio in rem (Puchta, Pandekten, S. 277) gerichtet auf die Wiederherstellung des der Dienstbarkeit entsprechenden Zustandes (siehe dazu nur Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1104). Zur actio confessoria im römischen Recht siehe Kaser, Römisches Privatrecht I, S. 446 f.; Kaser/Knütel, Privatrecht, S. 171 (§ 29 RdNr. 15). 512 Elvers, Servitutenlehre, S. 56; Luden, Servituten, S. 40; Schönemann, Servituten, S. 101; Zachariä CM 2 (1812), 327, 336; Zielonacki, Servituten, S. 81 f. Dagegen konnte der Eigentümer des herrschenden Grundstücks – wie aus D. 8,5,8,2 (siehe S. 259 Fn. 517) abgeleitet wurde (Elvers, Servitutenlehre, S. 55 Fn. h) – bei der servitus tigni immittendi vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandsetzung der Mauer, in die der Balken oder der Stein eingefügt war, nicht verlangen. Für die Auffassung, nach der die servitus tigni immittendi im Gegensatz zur servitus oneris ferendi nicht das Recht zum Abstützen des eigenen Bauwerks auf dem Bauwerk auf dem dienenden Grundstück beinhaltete (Nachweise oben S. 258 Fn. 510), war dieser Unterschied gerade die Folge des unterschiedlichen Inhalts der beiden Grunddienstbarkeiten: Eben weil bei der servitus tigni immittendi das Nachbargebäude im Unterschied zur servitus oneri ferendi nicht als Stütze für das Bauwerk des Berechtigten diene und daher die Ausübung der Servitut nicht vom Bestand des Nachbargebäudes abhänge, bedürfe es einer Reparatur des Nachbargebäudes nicht (Elvers, Servitutenlehre, S. 55 Fn. h; Hoffmann, Servituten I, S. 104). 513 Arndts, Pandekten (1883), S. 331 Fn. 2; Dernburg, Pandekten I, S. 555 f.; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4.

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Diese Besonderheit der servitus oneris ferendi entnahm die Pandektenwissenschaft hauptsächlich517 der Digestenstelle D. 8,5,6,2518, welche lautet: „Ulpianus libro septimo decimo ad edictum. Etiam de servitute, quae oneris ferendi causa imposita erit, actio nobis competit, ut et onera ferat et aedificia reficiat ad eum modum, qui servitute imposita comprehensus est. et Gallus putat non esse ita servitutem imponi, ut quis facere aliquid cogeretur, sed ne me facere prohiberet: nam in omnibus servitutibus refectio ad eum pertinet, 514

Dernburg, Pandekten I, S. 555 f. („Dereliktion seines Gebäudes“). Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4 („Dereliktion des Grundstücks“). 516 Arndts, Pandekten (1883), S. 331 Fn. 2 spricht unspezifisch von der „Dereliktion der belasteten Sache“. 517 Als Beleg dafür, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks bei der servitus oneris ferendi vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Reparatur der tragenden Mauer verlangen konnte, wurde außerdem die Digestenstelle D. 8,5,8,2 angeführt (so etwa Arndts, Pandekten (1883), S. 331 Fn. 2; Elvers, Servitutenlehre, S. 55; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, 322 f.; Zachariä CM 2 (1812), 327, 336), welche lautet: „Ulpianus libro septimo decimo ad edictum. Distant autem hae actiones inter se, quod superior quidem locum habet etiam ad compellendum vicinum reficere parietem meum, haec vero locum habet ad hoc solum, ut tigna suspiciat, quod non est contra genera servitutium.“ (Ulpian im 17. Buch zum Edikt. Diese Klagen unterscheiden sich untereinander aber insofern, als die erstere [bei der servitus oneris ferendi] auch dazu dient, den Nachbarn zur Instandsetzung der Mauer zu zwingen, die letztere [bei der servitus tigni immittendi] allein dazu, dass die Mauer die Balken aufnimmt, was den rechtlichen Eigenschaften der Dienstbarkeit nicht zuwiderläuft.; Übersetzung – ohne Erläuterung – von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 712). Daneben wurde die Digestenstelle D.8.2.33 angeführt (so etwa Arndts, Pandekten (1883), S. 331 Fn. 2; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, 322 Fn. 4), welche lautet: „Paulus libro quinto epitomarum Alfeni digestorum. Eum debere columnam restituere, quae onus vicinarum aedium ferebat, cuius essent aedes quae servirent, non eum, qui imponere vellet. nam cum in lege aedium ita scriptum esset: ,paries oneri ferundo uti nunc est, ita sit‘, satis aperte significari in perpetuum parietem esse debere: non enim hoc his verbis dici, ut in perpetuum idem paries aeternus esset, quod ne fieri quidem posset, sed uti eiusdem modi paries in perpetuum esset qui onus sustineret: quemadmodum si quis alicui cavisset, ut servitutem praeberet, qui onus suum sustineret, si ea res quae servit et tuum onus ferret, perisset, alia in locum eius dari debeat.“ (Paulus im 5. Buch der Auszüge aus den Digesten des Alfenus. Die [zu einer Mauer gehörende] Säule, die die Last des Nachbarhauses trägt, müsse derjenige wiederherstellen, der Eigentümer des dienenden Hausgrundstückes ist, nicht derjenige, der sie belasten will. Denn da in der für das Haus geltenden Dienstbarkeitsregelung geschrieben wurde: ,Die Mauer, die die Last tragen muss, soll so bleiben, wie sie jetzt ist‘, so ist darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Mauer auf Dauer bestehen soll. Nicht das nämlich wollen diese Worte sagen, dass in alle Ewigkeit die Mauer dieselbe bleiben müsse, was ja unmöglich wäre, sondern dass auf Dauer eine derartige Mauer vorhanden sein soll, die die Last tragen kann; genau wie wenn jemand einem anderen versprochen hat, ihm eine Dienstbarkeit einzuräumen, die eine Abstützung von ihm aufnimmt; wenn eine solche Sache, die demgemäß dient und deine Abstützung trägt, untergegangen ist, muss eine andere an ihrer Stelle errichtet werden.; Übersetzung von Behrends/Knütel/ Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 681 f.). 518 Arndts, Pandekten (1883), S. 331 Fn. 2; Elvers, Servitutenlehre, S. 56; Glück, Pandekten X, S. 17; Hoffmann, Servituten I, S. 101 f. („Hauptstelle“); Luden, Servituten, S. 40; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, 322 Fn. 4; Vangerow, Pandekten I, S. 728; Zielonacki, Servituten, S. 82. 515

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qui sibi servitutem adserit, non ad eum, cuius res servit. sed evaluit Servi sententia, in proposita specie ut possit quis defendere ius sibi esse cogere adversarium reficere parietem ad onera sua sustinenda. Labeo autem hanc servitutem non hominem debere, sed rem, denique licere domino rem derelinquere scribit. 3. Haec autem actio in rem magis est quam in personam et non alii competit quam domino aedium et adversus dominum, sicuti ceterarum servitutium intentio.“ „Ulpian im 17. Buch zum Edikt. Auch wegen der Dienstbarkeit, die bestellt wurde, damit ein Haus die Abstützungen des Nachbarhauses trage, steht uns eine Klage mit dem Ziel zu, dass der Nachbar die Abstützung dulde und das Gebäude in den baulichen Zustand zurückversetze, der bei der Bestellung der Dienstbarkeit festgestellt wurde. Und Aquilius Gallus meint, man könne eine Dienstbarkeit nicht in der Weise bestellen, dass jemand zu einem Tun gezwungen werde, sondern nur in der Weise, dass er mich nicht hindert, etwas zu tun. Denn bei allen Dienstbarkeiten obliegt die Instandsetzung demjenigen, der die Dienstbarkeit für sich in Anspruch nimmt, und nicht dem, dessen Sache mit der Dienstbarkeit belastet ist. Aber es hat sich die Auffassung des Servius Sulpicius durchgesetzt, dass im vorliegenden Fall jemand gerichtlich geltend machen könne, er habe das Recht, den Prozessgegner zu zwingen, die Mauer wieder in den baulichen Zustand zu versetzen, dass sie ihre Last tragen kann. Labeo schreibt jedoch, [auch] aus einer solchen Dienstbarkeit sei nicht eine Person, sondern letztlich nur eine Sache verpflichtet; denn schließlich könne der Eigentümer die Sache derelinquieren. 3. Diese Klage ist denn auch eine dingliche und keine persönliche und steht nur dem Eigentümer des Hauses zu und auch nur gegen einen anderen Grundstückseigentümer, genauso wie die Klage bei den anderen Dienstbarkeiten“ 519.

Ausgehend von dieser Digestenstelle tobte in der Pandektenwissenaft des 19. Jahrhunderts ein heftiger und in seinen einzelnen Verästelungen nur schwer überschaubarer Meinungsstreit520 über die Frage, weshalb der Eigentümer des herrschenden Grundstücks bei der servitus oneris ferendi vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der tragenden Mauer verlangen konnte, obwohl doch für Grunddienstbarkeiten die Parömie servitus in faciendo consistere nequit galt. Für eine Auffassung521 handelte es sich bei dieser Fragestellung um nichts weiter als ein Scheinproblem: Dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandsetzung der tragenden Mauer verlangen konnte, sei keineswegs eine Ausnahme von dem Grundsatz servitus in faciendo consistere nequit522. Denn auch bei der servitus oneris 519

Übersetzung von Möller, Servituten, S. 201. Übersicht über die vertretenen Auffassungen bei Elvers, Servitutenlehre, S. 56; Glück, Pandekten X, S. 19 ff.; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, 321 ff.; Schönemann, Servituten, S. 126 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 1073 f. Fn. 3. 521 Böcking, Pandekten II/1, S. 205; Puchta, Pandekten, S. 264; Sintenis, Civilrecht I, S. 501 Fn. 4. 522 Böcking, Pandekten II/1, S. 204; Puchta, Pandekten, S. 264; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4. 520

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ferendi verlange die Grunddienstbarkeit vom Eigentümer des dienenden Grundstücks lediglich ein Dulden, nämlich das Dulden der Abstützung des Nachbarbauwerks auf dem eigenen Bauwerk523. Die Tauglichkeit des eigenen Bauwerks, die Last des Nachbarbauwerks zu tragen, sei lediglich die Voraussetzung für dieses Dulden524. Belegt werde dies dadurch, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks, wie sich aus D. 8,5,8 pr.525 ergebe, das tragende Bauwerk während der Reparatur des tragenden Bauwerks nicht abzustützen brauche526. Außerdem könne er sich, wie sich aus D. 8,5,6,2 ergebe, von der Last, das tragende Bauwerk reparieren zu müssen, durch Dereliktion befreien527. Diese Ansicht fand nur wenige Anhänger. Sie galt zu Beginn der Gesetzgebungsarbeiten am künftigen BGB als aufgegeben528. Ihr wurde zu Recht vorgeworfen, das Problem lediglich umzuformulieren, nicht aber zu lösen529. Denn die Tragfähigkeit des sich auf dem dienenden Grundstück befindlichen Bauwerks zu verlangen, bedeutet nichts anderes, als von dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Vornahme der zur Aufrechterhaltung der Tragfähigkeit erforderlichen Maßnahmen und damit ein Tun zu verlangen530. Die überwiegend vertretene Ansicht531 sah darin, dass bei der servitus oneris ferendi vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der tra523 Böcking, Pandekten II/1, S. 204, S. 204 f. Fn. 15; Puchta, Pandekten, S. 264; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4. 524 Böcking, Pandekten II/1, S. 204, S. 204 f. Fn. 15; Puchta, Pandekten, S. 264; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4. 525 D. 8,5,8 pr. lautet: „Ulpianus libro septimo decimo ad edictum. Sicut autem refectio parietis ad vicinum pertinent, ita fultura aedificiorum vicini cui servitus debetur, quamdiu paries reficitur, ad inferiorem vicinum non debet pertinere: nam si non vult superior fulcire, deponat, et restituet, cum paries fuerit restitutus. et hic quoque sicut in ceteris servitutibus actio contraria dabitur, hoc est ius tibi esse me non cogere.“ (Ulpian im 17. Buch zum Edikt. Auch wenn die Instandsetzung einer Mauer dem [mit der Dienstbarkeit belasteten] Nachbarn obliegt, darf die Abstützung des Gebäudes des Nachbarn, dem die Dienstbarkeit geschuldet wird, doch während der Zeit, in der die Mauer instandgesetzt wird, nicht [auch noch] dem unteren Nachbarn obliegen. Denn wenn der obere Nachbar nicht abstützen will, mag er sein Gebäude abtragen und nach Instandsetzung der Mauer wieder aufbauen. Und hier wird mir wie bei den übrigen Dienstbarkeiten die Gegenklage gewährt, nämlich daß du kein Recht hast, mich zu zwingen.; Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis II, S. 712). 526 Böcking, Pandekten II/1, S. 205 Fn. 15; Puchta, Pandekten, S. 264; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4. 527 Puchta, Pandekten, S. 264. 528 Johow, Sachenrecht II, S. 1231 Fn. 2. 529 Schmidt JbgdR 3 (1859), 246, 258 Fn. 23; zustimmend Windscheid, Pandekten I (1873), S. 607 Fn. 3; ebenso Dernburg, Pandekten I, S. 557 Fn. 8. 530 Schmidt JbgdR 3 (1859), 246, 258 Fn. 23; zustimmend Windscheid, Pandekten I (1873), S. 607 Fn. 3. 531 Dernburg, Pandekten I, S. 556 Fn. 8; Hoffmann, Servituten I, S. 101; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, 322; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 607 Fn. 3.

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genden Mauer verlangt werden konnte, eine Ausnahme vom Grundsatz servitus in faciendo consistere nequit. Wie diese Ausnahme zu erklären sei, war innerhalb dieser Ansicht jedoch heftig umstritten. Schwierigkeiten bereitete es dabei vor allem, eine widerspruchsfreie Erklärung dafür zu finden, dass bei der servitus oneris ferendi der Grunddienstbarkeitsberechtigte einerseits vom Eigentümer des dienenden Grundstücks mit der Instandhaltung des tragenden Bauwerks ein positives Tun verlangen konnte, welches nach allgemeiner Ansicht nur Inhalt eines obligatorischen Rechts, nicht aber eines dinglichen Rechts sein konnte, er aber andererseits gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks mit der actio confessoria, also einer ausschließlich für die Durchsetzung dinglicher Rechte vorgesehenen actio in rem532, vorzugehen hatte. Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie dieser Widerspruch aufzulösen sei, lassen sich im Wesentlichen in zwei Gruppen danach einteilen, worin nach der jeweiligen Auffassung bei der servitus oneris ferendi die Ausnahme vom Grundsatz servitus in faciendo consistere nequit bestand533. Die erste Gruppe ging davon aus, dass bei der servitus oneris ferendi die Ausnahme von der Parömie servitus in faciendo consistere nequit darin bestand, dass der Inhalt der Grunddienstbarkeit ausnahmsweise nicht nur auf ein Dulden oder ein Unterlassen des Eigentümers des belasteten Grundstücks, sondern daneben auch auf ein Tun gerichtet sei534. Innerhalb dieser Gruppe herrschte allerdings Uneinigkeit über den Grund für diese Ausnahme. So sah beispielsweise eine Auffassung535 diese Ausnahme darin begründet, dass ohne eine derartige Ausnahme der Grunddienstbarkeit angesichts der Vergänglichkeit der tragenden Mauer die nötige perpetua causa fehlen würde. Für eine andere Auffassung536 lag der Grund für diese Ausnahme darin, dass der Ei532 Eingängig beschreibt Sintenis, Civilrecht I, S. 607 die actio confessoria als „rei vindicatio in Anwendung auf Servituten als einzelne Eigenthumsbefugnisse“. 533 Keine Anhänger hat die Auffassung von Elvers, Servitutenlehre, S. 60 ff. gefunden. Dieser sah die Besonderheit der servitus oneris ferendi gegenüber den anderen Servituten darin, dass der Servitutenberechtigte die zur Ausübung seiner Grunddienstbarkeit erforderliche Anlage nicht selbst reparieren dürfe, weil der Eigentümer des dienenden Grundstücks aufgrund der Heiligkeit des Herdes und der Penetralien – als Penetralien bezeichnete man den Ort des Hauses, der den Penaten, den Hausgöttern, gewidmet war – davor geschützt werden müsse, dass jener sein Haus betrete. Weigere sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks allerdings, die Mauer, deren Existenz – aufgrund der Notwendigkeit des Vorliegens einer perpetua causa – Voraussetzung für den Fortbestand der Servitut sei, zu reparieren, sei die Servitut durch einen Umstand in ihrer Existenz bedroht, dem nur der Eigentümer des dienenden Grundstücks abhelfen könne. Gegen diese Auffassung etwa Vangerow, Pandekten I, S. 728; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 608 Fn. 3. 534 Zachariä CM 2 (1812), 327, 337 f. 535 Ohne Nachweise angeführt bei Elvers, Servitutenlehre, S. 57 f. 536 Zachariä CM 2 (1812), 327, 339.

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gentümer des dienenden Grundstücks sein Eigentum an der tragenden Mauer verlöre, wenn nicht er, sondern der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Mauer reparieren würde. Schließlich sei die Mauer aufgrund der Grunddienstbarkeit Teil des Bauwerks des Eigentümers des herrschenden Grundstücks geworden537. Diese vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertretene Vorstellung, dass die servitus oneris ferendi mit dem Recht auf die Instandhaltung der Stützmauer durch den Eigentümer des belasteten Grundstücks ausnahmsweise ein positives Tun zum Inhalt habe, lieferte eine Erklärung dafür, dass die Instandhaltung der Mauer vom jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks und nicht nur von dem an der Bestellung der Grunddienstbarkeit beteiligten Eigentümer verlangt werden konnte. Auch ließ sich mit ihrer Hilfe erklären, dass das Recht auf die Instandhaltung mit einer actio in rem geltend zu machen war. Zudem lieferte sie eine Erklärung dafür, dass sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Instandhaltungsverlangen des Grunddienstbarkeitsberechtigten durch Dereliktion seines Eigentums538 entziehen konnte. Doch war – wie zunehmend betont wurde539 – die Annahme, dass ausnahmsweise ein Recht auf ein positives Tun des Eigentümers des dienenden Grundstücks Inhalt der Grunddienstbarkeit sein sollte, gänzlich unvereinbar mit der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemein anerkannten Vorstellung der dinglichen Rechte als Herrschaftsrechte einer Person über eine Sache. Denn nach dieser Vorstellung kann ein Recht einer Person gegenüber einer anderen Person auf ein bestimmtes Verhalten in keinem Fall Inhalt eines dinglichen Rechts, sondern nur Inhalt eines obligatorischen Rechts sein540. Ausgehend von der Annahme, dass ein dingliches Recht als Herrschaftsrecht einer Person über eine Sache ein positives Tun nicht zum Inhalt haben kann, versuchte die zweite Gruppe541 das Problem von der anderen Richtung her zu lösen. Nach ihrer Auffassung bestand die Ausnahme bei der servitus oneris ferendi gerade nicht darin, dass der Inhalt des dinglichen Rechts ausnahmsweise auf ein 537 Zachariä CM 2 (1812), 327, 339. Dagegen, dass die Mauer durch die Servitut Teil des Hauses des Berechtigten werden soll: Glück, Pandekten X, S. 19 f.; Luden, Servituten, S. 40 f.; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, S. 323 Fn. 5, 329 f. 538 Die Frage, an welchem Gegenstand der Eigentümer des dienenden Grundstücks sein Eigentum aufgeben musste, wurde unterschiedlich beantwortet, siehe soeben S. 258. 539 Vangerow, Pandekten I, S. 728 Anm. 2; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 607 Fn. 3. 540 Dernburg, Pandekten I, S. 555; Schönemann, Servituten, S. 24; Sintenis, Civilrecht I, S. 561 Fn. 4; Vangerow, Pandekten I, S. 692 f.; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 572. 541 Leist, Natur des Eigenthums, S. 130 Fn. 3; Schmidt JbgdR 3 (1859), 246, 258 Fn. 23; Schönemann, Servituten, S. 128; Vangerow, Pandekten I, S. 728; Zielonacki, Servituten, S. 81 ff.

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Tun gerichtet sei. Die Besonderheit dieser Grunddienstbarkeit sollte vielmehr darin bestehen, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte nicht nur ein dingliches Recht habe, welches ihn dazu berechtige, ein sich auf dem dienenden Grundstück befindliches Bauwerk als Stütze für ein sich auf dem herrschenden Grundstück befindliches Gebäude zu nutzen. Neben diesem dinglichen Rechte sollte der Grunddienstbarkeitsberechtigte vielmehr auch ein obligatorisches Recht gegen den jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks darauf haben, dass dieser das tragende Bauwerk instand halte, soweit es für die Tragfähigkeit erforderlich sei542. Die Begründungen für die Existenz dieses obligatorischen Rechts gingen weit auseinander. Nach einer vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertretenen Auffassung543 beruhte das obligatorische Recht auf Instandhaltung der Stützmauer auf einem zwischen den Parteien bei Bestellung der Grunddienstbarkeit geschlossenen Vertrag. Nach anderer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Auffassung544 ordnete das Gesetz selbst das Bestehen dieses obligatorischen Rechts als akzessorischen Zusatz zum dinglichen Recht an. Die Auffassung, nach der das obligatorische Recht auf Instandhaltung auf einem bei Bestellung der Grunddienstbarkeit getroffenen schuldrechtlichen Vertrag der Parteien beruhte, konnte weder erklären, warum der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Instandhaltung nicht nur von seinem Vertragspartner, sondern auch von diesem nachfolgenden Eigentümern des dienenden Grundstücks verlangen konnte, noch warum sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks durch Dereliktion von dieser Verpflichtung befreien konnte. Die Auffassung, nach der das obligatorische Recht auf Instandhaltung auf gesetzlicher Anordnung beruhte, hatte hierfür eine einfache Erklärung: Aufgrund gesetzlicher Anordnung sei stets derjenige zur Instandhaltung der Stützmauer verpflichtet, dessen Grundstück mit der Servitut belastet sei545. Eine Erklärung dafür, weshalb das obligatorische 542 Vangerow, Pandekten I, S. 728; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 607 Fn. 3; Zielonacki, Servituten, S. 81 f.; wohl auch Luden, Servituten, S. 41 f. 543 Leist, Natur des Eigenthums, S. 130 Fn. 3; Schmidt JbgdR 3 (1859), 246, 258 Fn. 23; Schönemann, Servituten, S. 128; wohl auch Glück, Pandekten X, S. 25 f.; Schweppe, Römisches Privatrecht, S. 176. 544 Friedlieb, Reallasten, S. 148; Schönemann, Servituten; Vangerow, Pandekten I, S. 728; Zielonacki, Servituten, S. 82 ff. Dabei soll es sich nach einer Auffassung (Hoffmann, Servituten I, S. 102 ff.; Mühlenbruch AcP 14 (1831), 321, 331 ff.; Vangerow, Pandekten I, S. 728; Zielonacki, Servituten, S. 82 ff.) lediglich um eine Anwendung des allgemeinen Nachbarrechts, wonach der Eigentümer einer baufälligen Sache diese entweder reparieren oder dem Nachbarn die cautio damni infecti stellen müsse, innerhalb des Servitutenrechts mit der Besonderheit handeln, dass auf die Reparatur der Mauer mit der actio confessoria geklagt werden müsse; gegen diese Auffassung etwa Elvers, Servitutenlehre, S. 58 ff.; Emmerich ZfCP N. F. 19 (1862), 469, 469 f.; Luden, Servituten, S. 41; Schönemann, Servituten, S. 127; Windscheid, Pandekten I (1873), S. 608 Fn. 3. 545 Zielonacki, Servituten, S. 82 ff.

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Recht auf Instandhaltung ebenso wie die Grunddienstbarkeit mit der actio confessoria, also einer actio in rem, und nicht mit der für obligatorische Rechte vorgesehenen actio in personam546 einzuklagen war, blieben allerdings beide Auffassungen schuldig. Ihre jeweiligen Anhänger begnügten sich mit der Feststellung, dass es sich dabei um eine Besonderheit der servitus oneris ferendi handele547. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zu Beginn der Gesetzgebungsarbeiten noch keine Antwort auf die – bis heute für das römische Recht umstrittene548 – Frage gefunden war, weshalb der Grunddienstbarkeitsberechtigte bei der servitus oneris ferendi trotz der Parömie servitus in faciendo consistere nequit vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der tragenden Mauer verlangen konnte. (2) Partikularrechte und partikularrechtliche Gesetzesentwürfe Die von der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts für das gemeine Recht aufgestellte Parömie servitus in faciendo consistere nequit findet sich in den Partikularrechten und den partikularrechtlichen Entwürfen für ein bürgerliches Gesetzbuch wieder. Noch im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 und im österreichischen ABGB von 1812 ist diese Rechtsregel allerdings zu einer bloßen Vermutung abgeschwächt549. Dies entspricht der zu dieser Zeit verbreiteten Auffassung, dass der Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit angesichts der Unterhaltungslast des Eigentümers des dienenden Grund546

Siehe nur Sintenis, Civilrecht I, S. 247; Windscheid/Kipp, Pandekten I, S. 193. Zielonacki, Servituten, S. 83. 548 Die Reparaturpflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks bei der servitus oneris ferendi im römischen Recht beschäftigt die Wissenschaft nach wie vor; siehe dazu Behrends, FS Wolf, S. 1, 46 f. Fn. 82; Möller, Servituten, S. 200 ff. m.w. N.; Rainer, Bau- und nachbarrechtliche Bestimmungen, S. 19 ff. m.w. N. Möller, Servituten, S. 206 f. beispielsweise sieht den Grund dafür, dass der Servitutenberechtigte nach Auffassung des Servius Sulpicius vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der tragenden Mauer verlangen konnte, darin, dass nach dem Servitutenverständnis des Servius Sulpicius die Servitut ein Rechtsverhältnis zwischen dem herrschenden und dem dienenden Grundstück begründe. Der Eigentümer des dienenden Grundstückes sei dafür zuständig, dass das Grundstück in einer für die Ausübung der Dienstbarkeit geeigneten Weise bereitgehalten werde. Diese Lösung sei dadurch möglich geworden, dass Servius Sulpicius die Handlungspflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks als Nebenpflicht angesehen habe. 549 In § 30 I. 22. des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 heißt es: „Daß der Besitzer des belasteten Grundstücks thätige Hülfe zur Ausübung der Grundgerechtigkeit zu leisten schuldig sey, wird nicht vermuthet.“ § 482 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für die gesammten deutschen Erbländer der oesterreichischen Monarchie vom 1. Januar 1812 lautet: „Alle Servituten kommen darin überein, daß der Besitzer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu thun, sondern nur einem anderen die Ausübung eines Rechtes zu gestatten, oder das zu unterlassen, was er als Eigenthümer sonst zu thun berechtiget wäre.“ 547

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stücks bei der servitus oneris ferendi sowie der deutschrechtlichen Institute der Reallasten und der Bannrechte keine allgemeine Bedeutung beigemessen werden könne550. Erst als sich die Auffassung durchgesetzt hatte, dass sich diese Rechtsregel zwingend aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht ergebe, wurde diese Rechtsregel ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch in die einzelnen Partikularrechte und die partikularrechtlichen Entwürfe für ein bürgerliches Gesetzbuch übernommen, ohne zur bloßen Vermutung abgeschwächt zu werden. So lautet beispielsweise551 § 522 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863: „Eine Dienstbarkeit kann nicht darin bestehen, daß der Eigenthümer der dienenden Sache etwas gebe oder thue.“ Auch der von der Pandektenwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Parömie servitus in faciendo consistere nequit einhellig abgeleitete Grundsatz, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte vom Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht verlangen könne, die Anlage in dem für die Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlichen Zustand zu erhalten, sondern er, wenn er wolle, dass sich die Anlage in einem solchen Zustand befinde, selbst dafür Sorge zu tragen habe, fand Eingang in Partikularrechte und partikularrechtlichen Gesetzesentwürfe dieser Zeit. So bestimmte etwa552 § 525 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863: „Die Vorrichtungen zur Ausübung einer Dienstbarkeit hat der Berechtigte herzustellen und zu erhalten.“ Die in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts so heftig umstrittene Besonderheit, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte bei der servitus oneris ferendi vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung des lasttra550

Siehe dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1121. Ein anderes Beispiel ist § 689 des privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich (1856), welcher lautet: „Der Inhalt der Dienstbarkeit kann nie darin bestehen, daß der Eigenthümer des dienenden Grundstückes in Folge der Dienstbarkeit unmittelbar angehalten werden könnte, etwas zu thun.“ Siehe auch Artikel 217 Absatz 2 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern (1864), welcher lautet: „Die Verpflichtung zu positiven Leistungen kann, vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 286, zum Gegenstande einer Dienstbarkeit nicht gemacht werden.“ 552 Ein anderes Beispiel ist Artikel 286 Abs. 1 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern, Band III (1864), welcher lautet: „Die Errichtung und Unterhaltung der zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit erforderlichen Anlagen und Einrichtungen fällt dem Eigenthümer des herrschenden Grundstückes zur Last, soweit nicht die Verpflichtung hiezu als Bestandtheil der Grunddienstbarkeit dem jeweiligen Eigenthümer der dienenden Liegenschaft besonders auferlegt oder von diesem als persönliche Verbindlichkeit übernommen ist.“ Ein weiteres Beispiel ist Artikel 72 Absatz 2 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogthum Hessen, Band 2,1 Titel 4 (1845), welcher lautet: „Anlagen und Einrichtungen, welche zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit nöthig sind, müssen vom Eigenthümer des herrschenden Gutes auf eigene Kosten gemacht und unterhalten werden.“ Dazu mit weiteren Nachweisen Johow, Sachenrecht II, S. 1233. 551

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genden Gebäudeteils verlangen konnte, war ebenfalls in die meisten Partikularrechte übernommen worden553. So bestimmte etwa554 § 541 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863: „Besteht eine Grunddienstbarkeit in der Befugnis, auf der Mauer, dem Gewölbe, der Säule, oder sonst einer Bauanlage des Nachbars ein Bauwerk ruhen zu lassen, so hat der Verpflichtete die Unterlagen in dem Zustande zu erhalten, welchen sie zur Zeit der Auflegung der Last gehabt haben, und dieselben, wenn die baufällig werden, herzustellen.“

Neben den am gemeinen Recht orientierten Regelungen enthalten einige Partikularrechte und partikularrechtliche Gesetzesentwürfe allerdings noch weitere Vorschriften über die Unterhaltung von Anlagen. So gibt es Normen, die für den Fall, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Anlage mitbenutzt, die Unterhaltungslast zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks aufteilen. In Art. 287 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1864 etwa555 heißt es: „Soweit der Eigenthümer des dienenden Grundstückes die zur Ausübung der Grunddienstbarkeit bestimmten Anlagen und Einrichtungen mitbenützt, ist er zur verhältnismäßigen Bestreitung der Unterhaltungskosten verpflichtet.“

Auch ist bisweilen556 vorgesehen, dass der Eigentümer des herrschenden und der Eigentümer des dienenden Grundstücks über die Unterhaltung der Anlage 553 So die Einschätzung von Johow, Sachenrecht II, S. 1234 mit dem Verweis, dass diese Besonderheit „in dem weitaus größte Theile des Reichs gilt“. 554 Ein anderes Beispiel ist § 56 I. 22 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794, welcher lautet: „Eine solche Mauer muß der Eigenthümer unterhalten, oder das Eigenthum derselben aufgeben, und es dem Berechtigten überlassen.“; weitere Nachweise bei Johow, Sachenrecht II, S. 1234. 555 Eine Aufteilung der Unterhaltungslast im Falle der Mitbenutzung ist auch vorgesehen in § 36 I. 22 Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 („Aber auch außer diesem Falle muß der Verpflichtete, zur Unterhaltung der belasteten Sache in diesem Zustande, verhältnismäßigen Beytrag leisten, wenn er von der Sache einen Gebrauch von eben der Art, wie der Berechtigte, hat, und sich dessen ferner bedienen will.“), § 483 S. 2 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für die gesammten deutschen Erbländer der oesterreichischen Monarchie vom 1. Januar 1812 („Wenn aber diese Sache auch von dem Verpflichteten benüzet wird; so muß er verhältnismäßig zu dem Aufwande beytragen, und nur durch die Abtretung derselben an den Berechtigten kann er sich, auch ohne dessen Beystimmung, von dem Beytrage befreyen.“) und in Artikel 76 Absatz 2 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogthum Hessen Band 2,1 Titel 4 (1845) („Auch ist er [der Eigentümer des dienenden Grundstücks, siehe Absatz 1 Satz 1 dieser Norm], in so weit er die zur Ausübung der Grunddienstbarkeit nöthigen Anlagen und Einrichtungen mitbenüzt, zu den Kosten verhältnismäßig beizutragen verpflichtet, welche für den Unterhalt jener erfordert werden.“); diese und weitere Nachweise bei Johow, Sachenrecht II, S. 1232. 556 So z. B. Art. 286 Abs. 1 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern III („Die Errichtung und Unterhaltung der zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit erforderlichen Anlagen und Einrichtungen fällt dem Eigenthümer des herrschenden Grundstückes zur Last, soweit nicht die Verpflichtung hiezu als Be-

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eine Vereinbarung treffen können, die auch die nachfolgenden Grundstückseigentümer bindet. bb) Johows Vorentwurf Ausgehend vom gemeinen Recht und in Einklang mit den ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Partikularrechten und partikularrechtlichen Gesetzesentwürfen übernahm Johow in seinen Vorentwurf die zu dieser Zeit allgemein anerkannte557 Parömie servitus in faciendo consistere nequit, indem er in § 234 Abs. 1 seines Vorentwurfes für sämtliche Dienstbarkeiten bestimmte: „Der Besitzer der dienenden Sache kann nicht durch die Dienstbarkeit zu einer persönlichen Leistung verpflichtet werden.“ 558

Auch bei der Regelung der Unterhaltung der zur Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlichen Anlagen ging Johow vom gemeinen Recht aus. Wie bereits in mehreren Partikularrechten geschehen, formulierte er in Anwendung der in § 234 Abs. 1 des Vorentwurfs enthaltenen Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit in § 271 des Vorentwurfs für die Unterhaltung von Anlagen folgenden Grundsatz: „Die Kosten der Errichtung und der Unterhaltung von Anlagen, welche zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dienen, fallen dem Eigenthümer des herrschenden Grundstücks zur Last.“ 559

Die in der Pandektenwissenschaft so heftig umstrittene Besonderheit des gemeinen Rechts, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte bei der servitus oneris ferendi vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der tragenden Mauer verlangen konnte, nahm Johow ebenfalls in seinen Vorentwurf auf. In § 273 des Vorentwurfs ist bestimmt: „Besteht die Grunddienstbarkeit in dem Rechte, auf die Mauer, das Gewölbe, den Pfeiler oder eine andere Bauanlage des Nachbarn zu bauen oder einen Balken zu legen, so fallen die Kosten der Herstellung und der Unterhaltung der tragenden Bauanlage dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zur Last.“ 560

Allerdings ließ es Johow nicht bei diesen dem gemeinen Recht entlehnten Vorschriften über die Unterhaltung der Anlagen bewenden. Er nahm auch Regelungen in seinen Entwurf auf, für die nicht das gemeine Recht, sondern von diesem abweichende Regelungen in den Partikularrechten und partikularrechtlichen Gesetzesentwürfen als Vorbild dienten. standteil der Grunddienstbarkeit dem jeweiligen Eigenthümer der dienenden Liegenschaft besonders auferlegt oder von diesem als persönliche Verbindlichkeit übernommen ist.“); weitere Nachweise bei Johow, Sachenrecht II, S. 1231. 557 Dazu oben S. 254 ff. Dies stellt auch Johow, Sachenrecht II, S. 1121 fest. 558 Johow, Sachenrecht I, S. 60. 559 Johow, Sachenrecht I, S. 60. 560 Johow, Sachenrecht I, S. 60.

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In Anknüpfung an die entsprechenden Regelungen in mehreren Partikularrechten561 ist etwa in § 272 des Vorentwurfs562 für den Fall, dass eine auf dem dienenden Grundstück befindliche Anlage sowohl vom Eigentümer des dienenden als auch vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks genutzt wird, bestimmt, dass beide Teile die Kosten der Unterhaltung nach dem Verhältnis ihrer bisherigen Benutzung zu tragen haben. Außerdem räumte Johow den Parteien in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen in einigen Partikularrechten und Gesetzesentwürfen563 in § 274 des Vorentwurfs die Möglichkeit ein, eine auch nachfolgende Grundstückseigentümer bindende Vereinbarung bezüglich der Unterhaltung der Anlage zu treffen, welche die in den § 271 bis § 273 des Vorentwurfs vorgesehene Verteilung der Unterhaltungslast verdrängt564. § 274 des Vorentwurfs lautet: 561

Siehe dazu soeben S. 267. § 272 des Vorentwurfs lautet: „Zu den Kosten der Unterhaltung einer auf dem dienenden Grundstücke befindlichen Anlage, welche sowohl von dem Eigenthümer desselben als von dem Eigenthümer des herrschenden Grundstückes benutzt wird, haben beide Theile nach Verhältnis der stattgehabten Benutzung beizutragen.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 60). 563 Siehe dazu soeben S. 267 f. 564 Bei der Begründung seiner Entscheidung eine Regelung aufzunehmen, die den Parteien bei jeder Grunddienstbarkeit die Möglichkeit einräumt, eine Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlage zu treffen, geht Johow zunächst auf die in § 273 des Vorentwurfs geregelte der Unterhaltung der Anlagen bei der servitus oneris ferendi ein (Johow, Sachenrecht II, S. 1231). Bei der servitus oneris ferendi „schein[e] kein Zweifel zu bestehen“ (Johow, Sachenrecht II, S. 1231), dass diese Grunddienstbarkeit auch in der Weise begründet werden könne, dass dem Grunddienstbarkeitsberechtigten die Unterhaltung des tragenden Baukörpers obliege, die gemeinrechtliche Besonderheit, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks bei der servitus oneris ferendi das tragende Bauwerk zu unterhalten habe, also dispositiven Charakter habe und nur beim Fehlen einer abweichenden Vereinbarung maßgeblich sei (Johow, Sachenrecht II, S. 1231). Worauf Johow sein Annahme stützt, dass bei der servitus oneris ferendi eine abweichende Vereinbarung möglich sein soll, bleibt allerdings unklar. Weder erbringt Johow entsprechende Literaturnachweise noch wird – soweit ersichtlich – in der Pandektenwissenschaft die Auffassung vertreten, dass eine solche Vereinbarung bei der servitus oneris ferendi möglich sein soll; die Frage, ob die Parteien bei der servituts oneris ferendi eine auch die späteren Eigentümer der beteiligten Grundstücks bindenden Vereinbarung bezüglich der Verteilung der Unterhaltungslast treffen können, wird vielmehr überhaupt nicht diskutiert. Anschließend begründet Johow seine Entscheidung, den Parteien nicht nur im Fall der servitus oneris ferendi, sondern in allen Fällen, in denen eine Anlage auf dem dienenden Grundstück zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dient, die Möglichkeit einzuräumen, eine Vereinbarung bezüglich der Unterhaltung der Anlage zu treffen. Es könne dahinstehen, ob man daraus, dass die Parteien bei der servitus oneris ferendi die Möglichkeit hätten, eine auch die nachfolgenden Grundstückseigentümer bindende Vereinbarung bezüglich der Unterhaltungslast des tragenden Bauwerk zu treffen, den Schluss ziehen könne, dass die Parteien im gemeinen Recht auch bei den anderen Dienstbarkeiten eine die späteren Grundstückseigentümer bindende Vereinbarung bezüglich der Unterhaltung der Anlagen treffen könnten (Johow, Sachenrecht II, S. 1231). Denn jedenfalls generalisiere die „moderne Gesetzgebung“ insofern, als sie den Parteien bei allen Grunddienstbarkeiten die Möglichkeit einräume, eine die Einzelrechtsnachfolger bin562

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

„Die Vereinbarung der Betheiligten über eine von den Bestimmungen der §§. 271– 273 abweichende Verpflichtung zur Tragung der Unterhaltungskosten hat bindende Kraft für die Einzelnachfolger, wenn sie in die Festsetzung des Inhaltes der Grunddienstbarkeit (§§. 243565 und 247566) aufgenommen ist.“ 567

Mit den Regelungen der §§ 272 und 274 weicht der Vorentwurf also, sowohl was die Rechte des Grunddienstbarkeitsberechtigten als auch was die Rechte des Eigentümers des dienenden Grundstücks betrifft, vom gemeinen Recht ab: Zugunsten des Grunddienstbarkeitsberechtigten weichen die Regelungen der §§ 272 und 274 des Vorentwurfs insofern vom gemeinen Recht ab, als dem jeweiligen Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht nur in dem in § 273 des Vorentwurfs geregelten Fall der servitus oneris ferendi das Recht zusteht, vom jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der zur Ausübung der Dienstbarkeit erforderlichen Anlage zu verlangen, sondern ihm auch im Fall der gemeinsamen Anlagennutzung (§ 272) sowie bei einer entsprechenden Parteivereinbarung (§ 274) das Recht auf – zumindest anteilige – Instandhaltung der Anlage zusteht. Die sich aufdrängende Frage, wie diese in den §§ 272, 273, 274 des Vorentwurfs geregelten Ausnahmen von der in § 234 Abs. 1 des Vorentwurfs formulierten Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit rechtlich konstruiert sind, lässt der Vorentwurf offen568. Insbesondere bleibt unklar, ob es sich bei dende Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlagen zu treffen (z. B. Art. 286 Abs. 1 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern (1864); für dessen Wortlaut siehe S. 267 Fn. 556; Johow, Sachenrecht II, S. 1231 mit weiteren Nachweisen). Zu dieser Gleichbehandlung der Grunddienstbarkeiten habe insbesondere die Erkenntnis beigetragen, „daß eine Betheiligung des Eigenthümers der dienenden Sache an der Unterhaltung einer Anlage auch in anderen Fällen als der serv. oneris ferendi der Natur der Sache entsprechen könne, namentlich dann, wenn derselbe die Anlage mitbenutzt“ (Johow, Sachenrecht II, S. 1231). 565 § 243 des Vorentwurfs lautet: „Dienstbarkeiten an Grundstücken werden begründet durch die mit Bewilligung des Eigenthümers des Grundstücks auf Antrag des Erwerbers der Dienstbarkeit erfolgte Eintragung derselben in dem Grundbuche des dienenden Grundstücks. Die Bewilligung und der Antrag sind mündlich und gleichzeitig vor dem Grundbuchamte zu erklären. Bei Grunddienstbarkeiten und bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten haben die Betheiligten den Inhalt der Dienstbarkeit in einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde festzusetzen. Auf diese Urkunde ist in den Begründungserklärungen (Bewilligung und Antrag) und in dem Eintragungsvermerke Bezug zu nehmen.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 55 f.). 566 § 247 des Vorentwurfs lautet: „Auf die Erweiterung des Inhaltes einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit finden die Bestimmungen über die Begründung einer derartigen Dienstbarkeit entsprechende Anwendung.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 56). 567 Johow, Sachenrecht I, S. 60 (Fn. nicht im Original). 568 Dies ist auch in den Protokollen über die Beratungen der ersten Kommission festgestellt (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 73).

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dem Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten, vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Unterhaltung der Anlage verlangen zu können, um ein obligatorisches Recht oder ein Recht, welches als dingliches Recht zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört, handeln soll. In § 234 Abs. 2 ist lediglich bestimmt, dass der in § 234 Abs. 1 des Vorentwurfs aufgestellte Grundsatz, dass der Besitzer der dienenden Sache durch die Dienstbarkeit nicht zu einer persönlichen Leistung verpflichtet werden kann, nicht für die in den §§ 271 ff. des Vorentwurfs enthaltenen Regelungen bezüglich Unterhaltung der Anlage gelten soll; § 234 Abs. 2 des Vorentwurfs lautet: „Vorbehalten bleiben Bestimmungen über eine Verpflichtung, Kosten der Unterhaltung von Grunddienstbarkeitsanlagen ganz oder theilweise zu tragen (§§. 271 ff.).“ 569

Auch in Johows Begründung seines Vorentwurfs finden sich keinerlei Anhaltspunkte, wie das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Instandhaltung der Anlage im Vorentwurf rechtlich konstruiert ist. Auf den in der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts so heftig geführten Streit zu der Frage, warum der Grunddienstbarkeitsberechtigte bei der servitus oneris ferendi trotz Geltung des Grundsatzes servitus in faciendo consistere nequit vom Eigentümer des dienenden Grundstück die Instandhaltung des tragenden Gebäudeteils verlangen konnte, geht Johow nicht näher ein. Er stellt hierzu lediglich fest: „Diese Anomalie hat die Doktrin vielfach beschäftigt, ohne daß Uebereinstimmung in der Erklärung derselben erzielt worden wäre.“ 570. Auf die verschiedenen Lösungsansätze – Ausnahme von der für Grunddienstbarkeiten geltenden Regel servitus in faciendo consistere nequit auf der einen Seite oder Bestehen eines zur Grunddienstbarkeit akzessorischen Rechts auf der anderen Seite571 – geht er jedoch ebenso wenig ein, wie er sich zu der Frage äußert, welche rechtliche Konstruktion der diese „Anomalie“ übernehmenden Regelung des § 273 des Vorentwurfs zugrunde liegen soll. Auch Johows Begründung zu den Regelungen der §§ 272 und 274 seines Vorentwurfs gibt keinerlei Hinweis darauf, wie das in diesen Normen vorgesehene Recht des Dienstbarkeitsberechtigten, vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der Anlage verlangen zu können, rechtlich einzuordnen ist. Es ist lediglich angemerkt, dass die „Unterhaltungslast“ des Eigentümers des dienenden Grundstücks außerhalb des Falls der servitus oneris ferendi im gemeinen Recht zwar gewöhnlich als eine die Dienstbarkeit begleitende Reallast aufgefasst werde, diese Konstruktion aber aufgrund der inhaltlichen Beschränkung der Reallast und aufgrund des Erfordernisses der gesonderten Eintragung einer sol569 570 571

Johow, Sachenrecht I, S. 54. Johow, Sachenrecht II, S. 1231. Siehe dazu S. 260 ff.

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chen Reallast für den Entwurf nicht übernommen werde572. Schließlich bedürfe es einer solchen Konstruktion nicht573. Auf die nahliegenden Fragen, warum er es für entbehrlich hielt, das Recht auf Instandhaltung der Anlage als Reallast zu konstruieren, und für welche rechtliche Konstruktion er sich stattdessen entschied, gibt Johow allerdings keine Antwort. Zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks weicht der Vorentwurf noch weiter vom gemeinen Recht ab als zugunsten des Grunddienstbarkeitsberechtigten. Bei diesem dehnt der Vorentwurf das Recht auf Instandhaltung der Anlage lediglich über den bereits im gemeinen Recht anerkannten Fall der servitus oneris ferendi hinaus auf weitere Fälle aus, bei denen zur Ausübung der Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück gehört. Dem Eigentümer des dienenden Grundstücks hingegen wird in § 273 des Vorentwurfs mit dem Recht auf Instandhaltung der Anlage für den Fall der gemeinsamen Anlagennutzung ein Recht eingeräumt, das im gemeinen Recht kein Vorbild hat. Auch bei dem Recht des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten auf Instandhaltung der Anlage bleibt unklar, wie dieses rechtlich einzuordnen ist. Handelt es sich bei diesem um ein – mit Bestellung der Grunddienstbarkeit kraft gesetzlicher Anordnung entstehendes – dingliches Recht des Eigentümers des dienenden Grundstücks am herrschenden Grundstück, welches ausnahmsweise auf ein Tun gerichtet ist? Oder handelt es sich um ein gesetzlich angeordnetes obligatorisches Recht des Eigentümers des dienenden gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks? Johow selbst lässt in der Begründung des § 273 des Vorentwurfs die rechtliche Konstruktion dieses Rechts ausdrücklich offen und begnügt sich damit, auf das Vorliegen eines praktischen Bedürfnisses574 für die Aufnahme einer solchen Norm hinzuweisen575. cc) Entwurf erster Lesung Dem Vorbild Johows folgend ging auch die erste Kommission bei der Regelung der Unterhaltung der Anlagen von der sich aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als dingliches Recht ergebenden Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit aus576. Im Unterschied zu Johow verzichtete die erste Kommission allerdings auf eine Norm, die diese Rechtsregel wie § 234 Abs. 1 des Vor572

Johow, Sachenrecht II, S. 1232 Fn. 2. Johow, Sachenrecht II, S. 1232 Fn. 2. 574 Dieses Bedürfnis sieht Johow darin begründet, dass beim Fehlen der Regelung des § 273 des Vorentwurfs „derjenige, welcher in der Lage ist, warten zu können, dem Anderen die Ausführung zuschieben und dann die Früchte fremder Arbeit genießen dürfte.“ (Johow, Sachenrecht II, S. 1232). 575 Johow, Sachenrecht II, S. 1232. 576 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 7. 573

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entwurfs577 ausdrücklich formuliert. Schließlich, so die Begründung der ersten Kommission, ergebe sich diese Rechtsregel bereits aus der gesetzlichen Definition der Grunddienstbarkeit in § 966 des Entwurfs erster Lesung578. Außerdem verzichtete die erste Kommission darauf, eine § 271 des Vorentwurfs579 entsprechende Regelung aufzunehmen, die den sich aus der Rechtsregel servitus in faciendo consistere nequit für die Unterhaltung der Anlagen ergebenden Grundsatz, nämlich dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks kein Recht auf die Unterhaltung der Anlage hat, sondern selbst für die Unterhaltung der Anlage sorgen muss, nochmals ausdrücklich formuliert580. Von den drei in den §§ 272, 273 und 274 des Vorentwurfs vorgesehenen Fällen, in denen der Grunddienstbarkeitsberechtigte abweichend von diesem Grundsatz das Recht haben sollte, vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Instandhaltung der Anlage zu verlangen, wurden lediglich zwei in den Entwurf erster Lesung übernommen: der Fall der servitus oneris ferendi (§ 273 des Vorentwurfs) und der Fall einer entsprechenden Parteivereinbarung (§ 274 des Vorentwurfs). In § 971 Abs. 1 und 2 des Entwurfs erster Lesung heißt es: „Eine Grunddienstbarkeit, zu deren Ausübung das Halten einer auf dem dienenden Grundstück befindlichen Anlage gehört, kann in der Art begründet werden, daß der Eigenthümer des dienenden Grundstückes zur Unterhaltung der Anlage insoweit verpflichtet ist, als das Interesse des Berechtigten es erfordert. Besteht die Grunddienstbarkeit in dem Rechte, auf einer baulichen Anlage des dienenden Grundstückes eine bauliche Anlage zu halten, so ist zur Unterhaltung der ersteren Anlage der Eigenthümer des dienenden Grundstückes insoweit, als das Interesse des Berechtigten es erfordert, verpflichtet, wenn nicht ein Anderes bestimmt worden ist.“ 581

Mit der in der Pandektenwissenschaft heftig diskutierten Frage, auf welchen Gründen die vom gemeinen Recht bei der servitus oneris ferendi vom Grundsatz 577

Siehe dazu, auch für den Normtext, S. 268. Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 7; Motive III, S. 479 = Mugdan, Materialien III, S. 267. § 966 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstückes (herrschendes Grundstück) in der Weise belastet werden, daß derselbe das belastete Grundstück (dienenden Grundstück) in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder daß auf dem dienenden Grundstücke etwas zu unterlassen ist, oder daß ein gesetzliches aus dem Eigenthume an dem dienenden Grundstücke sich ergebendes und auf das herrschende Grundstück sich beziehendes Recht aufgehoben oder beschränkt ist (Grunddienstbarkeit).“ (Mugdan, Materialien III, S. XL f.). 579 Siehe dazu, auch für den Normtext, S. 268. 580 Bei den gemeinsamen Hauptberatungen der Kommission bestand kein Zweifel an der Richtigkeit des § 271 des Vorentwurfs. Die Entscheidung über die Aufnahme einer solchen Vorschrift wurde der Redaktionskonferenz vorbehalten (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 72). 581 Mugdan, Materialien III, S. XLI. 578

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servitus in faciendo consistere nequit gemachte Ausnahme beruhte, setzte sich auch die erste Kommission ausweislich der Protokolle ihrer Beratungen nicht auseinander. So verwundert es denn auch nicht, dass sich in diesen Protokollen keine positive Begründung dafür findet, warum in den Entwurf erster Lesung mit der den Parteien eingeräumten Möglichkeit, durch Vereinbarung ein Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Instandhaltung der Anlage zu begründen, eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz servitus in faciendo consistere nequit aufgenommen ist. In den Protokollen ist lediglich ausgeführt: „. . ., wenn das Gesetz einmal mit einer Dienstbarkeit die Verpflichtung des Eigenthümers des dienenden Grundstückes zur Unterhaltung der Anlage verbinde, kein genügender Grund vorhanden sei, den Betheiligten die Begründung der nämlichen Pflicht bei anderen Dienstbarkeiten zu versagen.“ 582 In den Motiven findet sich lediglich die Aussage: „Der gesetzgeberische Grund für die allgemeine Zulassung der Belastung des dienenden Grundstücks mit einer Unterhaltungspflicht trifft in Ansehung aller mittels einer Anlage auszuübenden Dienstbarkeit zu.“ 583 Worin dieser „gesetzgeberische Grund“ bestehen soll, wird jedoch nicht ausgeführt. Für den Fall der gemeinsamen Anlagennutzung, für den § 272 des Vorentwurfs dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks das Recht eingeräumt hatte, von diesem die Unterhaltungskosten anteilig zu verlangen, sah die erste Kommission keine Regelung vor. § 272 des Vorentwurfs wurde ersatzlos gestrichen. Somit war im Entwurf erster Lesung keine einzige Regelung enthalten, die dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Recht auf Unterhaltung der Anlage einräumte. Auf die Gründe, die die erste Kommission zur Streichung des § 272 des Vorentwurfs bewegten, wird an anderer Stelle zurückzukommen sein584. Im Entwurf erster Lesung werden – anders als dies im Vorentwurf der Fall war – die beiden Ausnahmen, welche der Entwurf erster Lesung in § 971 Abs. 1 und 2 von dem Grundsatz macht, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks kein Recht auf die Unterhaltung der Anlage hat, auch rechtlich eingeordnet. In § 971 III ist bestimmt: „Auf die dem Eigenthümer des dienenden Grundstückes obliegende Verpflichtung zur Unterhaltung einer Anlage finden die Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung.“ 585

Begründet wird die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Reallasten von der ersten Kommission damit, dass „die mit dem Eigenthum verbun582 583 584 585

Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 73. Motive III, S. 484 = Mugdan, Materialien III, S. 269. Siehe S. 292 f. Mugdan, Materialien III, S. XLI.

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dene Verpflichtung [. . .] ersichtlich die Natur der Reallast“ 586 habe und sich von dieser lediglich durch ihre Verknüpfung mit der Grunddienstbarkeit unterscheide587. Wie das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Unterhaltung der Anlage im Entwurf erster Lesung rechtlich einzuordnen ist, ist also untrennbar mit der rechtlichen Konstruktion der Reallast im Entwurf erster Lesung verknüpft588. Der Begriff der Reallast wird in § 1051 des Entwurfs erster Lesung bestimmt. § 1051 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Ein Grundstück kann zu Gunsten einer bestimmten Person oder des jeweiligen Eigenthümers eines anderen Grundstückes in der Weise belastet werden, daß der jeweilige Eigenthümer des belasteten Grundstückes dem Berechtigten zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet ist, und das belastete Grundstück dem Berechtigten für rück-

586

Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 73. Motive III, S. 484 = Mugdan, Materialien III, S. 270. 588 Im gemeinen Recht verstand man unter Reallasten Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen, die dem Eigentümer oder – nach anderer Ansicht (z. B. Gerber JbDrdPR 2 (1858), 35, 43) – dem Besitzer eines Grundstückes als solchem oblagen, wie z. B. Zins-, Dienst- oder Zehntpflichten (Motive III, S. 572 f. = Mugdan, Materialien III, S. 320; Johow, Sachenrecht II, S. 1376). Ihre rechtliche Einordnung war umstritten (siehe dazu Johow, Sachenrecht II, S. 1379 ff.; Lübtow, FS Lehmann, S. 328, 352 ff.; ausführlicher Überblick über die verschiedenen Auffassungen bei Duncker, Reallasten, S. 5 ff.; Friedlieb, Reallasten, S. 120 ff.). Die verschiedenen Ansichten lassen sich mit Friedlieb, Reallasten, S. 140 und Lübtow, FS Lehmann, S. 328, 352 vereinfacht in drei Gruppen einteilen: Die erste – nach Einschätzung Johows (Johow, Sachenrecht II, S. 1404) überwiegende – Gruppe sah in der Reallast ein obligatorisches Recht, dessen Besonderheit darin bestehe, dass der Schuldner durch seine Stellung als Eigentümer oder – nach anderer Ansicht – als Besitzer des Grundstücks bestimmt werde (Friedlieb, Reallasten, S. 151, 194; Gerber JbDrdPR 2 (1858), 35, 43 ff.; Gerber JbDrdPR 6 (1863), 266, 268; Savigny, Obligationenrecht I, S. 134). Die zweite Gruppe hielt die Reallast für ein rein dingliches Recht (Duncker, Reallasten, S. 61; Renaud, Reallasten, S. 25). Nach einer dritten Gruppe bestand die Reallast aus einer Mischung beider Rechte (Beseler, Privatrecht III, S. 138; Bluntschli, Deutsches Privatrecht I, S. 141 ff.). Zur unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung der Reallasten in den einzelnen Partikularrechten siehe Johow, Sachenrecht II, S. 1381. Für seinen Vorentwurf entschied sich Johow für die Gestaltung der Reallast als dingliches Recht, welches es dem Berechtigten gestattet „wegen der erwarteten aber ausgebliebenen Leistungen im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück seine Befriedigung aus demselben zu suchen“ (Johow, Sachenrecht II, S. 1404). Neben diesem dinglichen Recht sollte nach Johows Vorstellung kraft gesetzlicher Anordnung ein obligatorisches Recht des Reallastberechtigten gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks auf die fällig gewordenen Leistungen bestehen (Johow, Sachenrecht II, S. 1404 ff.). Der in § 355 I des Vorentwurfs gegebenen Begriffsbestimmung lässt sich diese Gestaltung der Reallast allerdings kaum entnehmen. Diese lautet: „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß eine Person von dem jeweiligen Eigenthümer des belasteten Grundstücks bestimmte wiederkehrende Leistungen zu fordern hat und befugt ist, im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück ihre Befriedigung aus demselben zu suchen (Reallast.)“ (Johow, Sachenrecht I, S. 73). 587

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ständige Leistungen nach Maßgabe der für rückständige Hypothekenzinsen geltenden Vorschriften haftet (Reallast).“ 589

Dieser Begriffsbestimmung liegt, wie sich den Ausführungen in den Protokollen zu den Beratungen der ersten Kommission und den Motiven zum Entwurf erster Lesung entnehmen lässt, eine rechtliche Konstruktion der Reallast zugrunde, welche sowohl obligatorische als auch dingliche Elemente enthält. Nach dieser von der ersten Kommission gewählten Konstruktion besteht die Reallast zum einen aus einem obligatorischen Recht, welches die Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen enthält590. Dieses obligatorische Recht soll nach Vorstellung der ersten Kommission allerdings insofern eine dingliche Seite haben, als die Leistungspflicht mit dem Eigentum an dem belasteten Grundstück verbunden sein soll591. Dementsprechend wird die Reallast in den Motiven zum Entwurf erster Lesung charakterisiert als eine „Belastung des Grundstücks, durch welche die Verpflichtung des Eigenthümers desselben zu den während der Dauer seines Eigenthumes fällig werdenden Leistungen begründet wird“ 592. Der Begriff der „Belastung“ wird hier also anders als im BGB gerade nicht gebraucht, um das Bestehen eines dinglichen Rechts an einem Grundstück zu bezeichnen, sondern um zu beschreiben, dass gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks ein obligatorisches Recht des Reallastberechtigten auf wiederkehrende Leistungen besteht593. Zusätzlich zu diesem obligatorischen Recht auf wiederkehrende Leistungen gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks hat die erste Kommission die Reallast zum anderen, ohne dass dies Auswirkungen auf „die rechtliche Natur der Last im Ganzen“ haben sollte594, mit einem dinglichen Recht versehen, das es dem Reallastberechtigten erlaubt, sich wegen der rückständigen Leistungen „nach Maßgabe der für rückständige Hypothekenzinsen geltenden Vorschriften“ (§ 1051 des Entwurfs erster Lesung) aus dem belasteten Grundstück zu befriedigen595. Mit der Frage nach der rechtlichen Konstruktion der Reallast im Entwurf erster Lesung ist denn auch die Frage beantwortet, wie das in § 971 des Entwurfs 589

Mugdan, Materialien III, S. LVII. Motive III, S. 581, 584 = Mugdan, Materialien III, S. 325, 326. 591 Motive III, S. 582 = Mugdan, Materialien III, S. 325. 592 Motive III, S. 584 = Mugdan, Materialien III, S. 326. An anderer Stelle (Motive III, S. 573 = Mugdan, Materialien III, S. 320) ist von der Reallast als „dinglicher Belastung“ die Rede. 593 Diese Verbindung wird an einer Stelle (Motive III, S. 573 = Mugdan, Materialien III, S. 320) dadurch zum Ausdruck gebracht, dass von der Reallast als „dinglicher Belastung“ die Rede ist. 594 Motive III, S. 584 = Mugdan, Materialien III, S. 326. 595 Motive III, S. 584 = Mugdan, Materialien III, S. 326; Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 374. 590

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erster Lesung geregelte Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Unterhaltung der Anlage rechtlich einzuordnen ist: Als Recht auf wiederkehrende Leistungen muss es sich bei diesem Recht parallel zu dem in der Reallast enthaltenen Recht auf wiederkehrende Leistungen um ein obligatorisches Recht des Berechtigten gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks handeln. Dementsprechend ist in § 971 III des Entwurfs erster Lesung von der „dem Eigenthümer des dienenden Grundstückes obliegende[n] Verpflichtung“ die Rede. Außerdem ist in den § 971 I und II des Entwurfs erster Lesung parallel zu § 1051 des Entwurfs erster Lesung das Verb „verpflichten“ verwendet. Neben diesem obligatorischen Recht steht dem Grunddienstbarkeitsberechtigten nach dem Entwurf erster Lesung ein dingliches Recht auf Befriedigung wegen der rückständigen Leistungen aus dem belasteten Grundstück zu. Dieses Recht wird in § 971 des Entwurfs erster Lesung zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber aus der Verweisung in dessen Absatz 3 auf die Reallastvorschriften. dd) Entwurf zweiter Lesung Im Entwurf zweiter Lesung ist die Unterhaltung der Anlagen in den §§ 932 und 933596 geregelt. Diese entsprechen im Wesentlichen597 den §§ 1021 und § 1022 BGB. Gegenüber dem Entwurf erster Lesung hat die Regelung der Unterhaltung der Anlagen inhaltlich598 zwei Änderungen erfahren. Eine der Änderungen springt sofort ins Auge: Während der Entwurf erster Lesung für den Fall der gemeinsamen Anlagennutzung keine Regelung enthielt, wird den Parteien für diesen Fall in § 932 I 2 des Entwurfs zweiter Lesung die Möglichkeit gegeben, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks das Recht einzuräumen, vom Grunddienstbarkeitsberechtigten die Unterhaltung der Anlage zu verlangen. Auf dieses Recht finden gemäß § 932 II des Entwurfs zweiter Lesung die Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung. Die zweite Änderung lässt sich dem Normtext der §§ 932, 933 des Entwurfs zweiter Lesung nicht direkt entnehmen. Sie betrifft die rechtliche Einordnung des in § 932 I 2 und § 933 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung vorgesehenen 596

Mugdan, Materialien III, S. XLI. Anstatt „der Anlage“ in § 1021 I 2 BGB heißt es in § 932 I 2 des Entwurfs zweiter Lesung: „einer solchen Anlage“. Anstatt „Auf eine solche Unterhaltungspflicht“ in § 1021 II BGB heißt es in § 931 II des Entwurfs erster Lesung: „Wird eine solche Unterhaltungspflicht bestimmt, . . .“ (Mugdan, Materialien III, S. XLI). 598 Rein äußerlich wurde die Regelung der Unterhaltung der Anlage insofern geändert, dass sie im Gegensatz zum Entwurf erster Lesung nicht in einem, sondern in zwei Paragraphen enthalten ist. 597

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Rechts des Grunddienstbarkeitsberechtigten, vom Eigentümer des dienenden Grundstücks die Unterhaltung der Anlage verlangen zu können. Auch im Entwurf zweiter Lesung ist dieses Recht zwar, wie sich aus der beibehaltenen Anordnung der entsprechenden Anwendung der Reallastvorschriften ergibt, als ein Recht ausgestaltet, das sich von der Reallast nur durch seine akzessorische Verknüpfung mit der Grunddienstbarkeit unterscheidet. Doch hat sich die rechtliche Konstruktion dieses Rechts gegenüber dem Entwurf erster Lesung geändert. Grund hierfür ist, dass die Reallast im Entwurf zweiter Lesung rechtlich anders als noch im Entwurf erster Lesung konstruiert ist. Im Entwurf erster Lesung setzte sich die Reallast aus einem obligatorischen Recht auf wiederkehrende Leistungen und einem dinglichen Recht auf Befriedigung wegen der rückständigen Leistungen zusammen. Die zweite Kommission entschied sich stattdessen für die Konstruktion der Reallast als lediglich dingliches Recht auf Befriedigung aus dem belasteten Grundstück599. Dementsprechend wird denn auch der Begriff der Reallast in § 1041 I des Entwurfs zweiter Lesung – dieser entspricht § 1105 I BGB – in Anlehnung an die Begriffsbestimmungen der Grundschuld600 und der Hypothek601 als der beiden anderen im Entwurf zweiter Lesung enthaltenen dinglichen Verwertungsrechte bestimmt602. Nicht zum Inhalt der Reallast gehört hingegen anders als im Entwurf erster Lesung ein obligatorisches Recht auf wiederkehrende Leistungen. Zwar sieht der Entwurf zweiter Lesung in der dispositiven Regelung des § 1017 I, welcher § 1108 I BGB entspricht, ein obligatorisches Recht gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks auf die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen vor603. Doch gehört dieses obligatorische Recht nicht 599 Protokolle III, S. 4755 f. = Mugdan, Materialien III, S. 782. Dazu MüKo/Joost § 1108 RdNr. 1. 600 Der Begriff der Grundschuld wird in § 1100 I des Entwurfs zweiter Lesung bestimmt; dieser entspricht § 1191 I BGB. 601 Der Begriff der Hypothek wird in§ 1022 I des Entwurfs zweiter Lesung (Mugdan, Materialien III, S. LIX) bestimmt; dieser entspricht § 1113 I BGB. 602 Protokolle III, S. 4756 = Mugdan, Materialien III, S. 782 f. 603 Dass § 1108 I BGB eine Pflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks und damit korrespondierend einen schuldrechtlichen Anspruch des Berechtigten begründet (so auch, allerdings ohne Begründung, MüKo/Joost § 1108 RdNr. 2), ergibt sich daraus, dass die in § 1108 I BGB angeordnete persönliche Haftung des Eigentümers das Bestehen einer Leistungspflicht des Eigentümers voraussetzt. Denn während eine Schuld, also die Leistungspflicht, das Leistensollen des Schuldners (Staudinger/Olzen Einleitung zum Schuldrecht RdNr. 236; Weller, Vertragstreue, S. 32), nicht notwendigerweise mit einer persönlichen Haftung des Schuldners, also der mit der Leistungspflicht des Schuldners korrespondierenden Erzwingungsmöglichkeit des Gläubigers (Staudinger/ Olzen Einleitung zum Schuldrecht RdNr. 236), dem Einstehenmüssen des Schuldners für die Schuld mit seinem gesamten Vermögen in der Zwangsvollstreckung (Weller, Vertragstreue, S. 32 Fn. 65), verbunden ist (sog. unvollkommene Verbindlichkeiten, siehe dazu Staudinger/Olzen Einleitung zum Schuldrecht RdNr. 244 ff.; Schulze, Natu-

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zum Inhalt der Reallast. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Recht, das kraft gesetzlicher Anordnung neben dem dinglichen Recht auf Befriedigung aus dem belasteten Grundstück besteht604. Mit der von der zweiten Kommission vorgenommenen Änderung der rechtlichen Konstruktion der Reallast geht notwendigerweise eine Änderung der rechtlichen Einordnung des als Reallast konstruierten Rechts des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Unterhaltung der Anlage einher. Anders als noch im Entwurf erster Lesung handelt es sich auch bei dem in den §§ 932 I 2 und 933 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung geregelten Recht auf Unterhaltung der Anlage zwangsläufig nicht um ein obligatorisches Recht gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern um ein dingliches Verwertungsrecht wegen der rückständigen Unterhaltungsleistungen aus dem dienenden Grundstück. Ebenso wie der Reallastberechtigte hat zwar auch der Grunddienstbarkeitsberechtigte, soweit nichts anderes bestimmt ist, kraft gesetzlicher Anordnung (§§ 932 II, 933 S. 2 i.V. m. 1017 I des Entwurfs zweiter Lesung) ein obligatorisches Recht gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks auf die Leistungen, welche fällig werden, während dieser Eigentümer des belasteten Grundstücks ist. Doch ebenso wie das obligatorische Recht des Reallastberechtigten aus § 1107 I des Entwurfs zweiter Lesung nicht zum Inhalt der Reallast gehört, sondern neben der Reallast steht, gehört folgerichtig auch das obligatorische Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß den §§ 932 II bzw. 933 S. 2 i.V. m. § 1107 I des Entwurfs zweiter Lesung nicht zu dem in den §§ 932 I 1, 933 S. 1 des Entwurfs zweiter Lesung geregelten, als Reallast konstruierten Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten, sondern existiert neben diesem Recht. Ist somit also das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Unterhaltung der Anlage als dingliches Verwertungsrecht einzuordnen, kann für das Recht des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten auf Unterhaltung

ralobligation), ist der umgekehrte Fall ausgeschlossen: Die Erfüllung einer nicht existierenden Pflicht kann nicht erzwungen werden. Maßgebend für die Aufnahme der Regelung des § 1017 I des Entwurfs erster Lesung war die Überlegung, dass dem Berechtigten nur beim Bestehen eines obligatorischen Rechts die Erzwingung der Naturalerfüllung möglich sei, wohingegen ihm ohne ein solches Recht nur die Befriedigung aus dem belasteten Grundstück möglich sei (Protokolle III, S. 4767 = Mugdan, Materialien III, S. 786; dazu MüKo/Joost § 1108 RdNr. 1). Auch sei der Berechtigte so nicht mehr gezwungen, wegen einzelnen Leistungen den Weg der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung des Grundstücks zu gehen, sondern könne auch in das übrige Vermögen vollstrecken (Protokolle III, S. 4767 f. = Mugdan, Materialien III, S. 786; dazu MüKo/Joost § 1108 RdNr. 1). 604 Protokolle III, S. 4755, 4766 f. = Mugdan, Materialien III, S. 782, 786.

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der Anlage, welches die Parteien gemäß § 932 I 2 des Entwurfs zweiter Lesung im Fall der gemeinsamen Anlagennutzung vereinbaren können, nichts anderes gelten. Schließlich ergibt sich aus der in § 932 II des Entwurfs zweiter Lesung angeordneten entsprechenden Anwendung der Reallastvorschriften, dass auch dieses Recht als Reallast, welche akzessorisch zur Grunddienstbarkeit besteht, konstruiert sein muss. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat also an dem herrschenden Grundstück ein dingliches Recht auf Befriedigung wegen der rückständigen Leistungen. Neben diesem dinglichen Recht hat er zudem, soweit nichts anderes vereinbart ist, kraft gesetzlicher Anordnung (§ 932 II i.V. m. § 1017 I des Entwurfs zweiter Lesung) gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein obligatorisches Recht auf die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Unterhaltungsleistungen. Gegen diese rechtliche Einordnung des Rechts auf Unterhaltung der Anlage als dingliches Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück lässt sich denn auch nicht einwenden, dass dieses Recht in den §§ 932 II und 933 S. 2 des Entwurfs zweiter Lesung als „Unterhaltungspflicht“ bezeichnet wird. Die fehlenden Ausführungen in den Protokollen der zweiten Kommission zu der Frage, welche Auswirkungen die vorgenommene Änderung der rechtlichen Konstruktion der Reallast auf die rechtliche Einordnung des Recht auf Unterhaltung der Anlage hat, lassen vielmehr den Schluss zu, dass es schlicht versäumt wurde, die Regelungen sprachlich daran anzupassen, dass dieses Recht im Entwurf zweiter Lesung nicht mehr, wie noch im Entwurf erster Lesung, als obligatorisches Recht, sondern als dingliches Recht einzuordnen ist. Die §§ 932 und 933 des Entwurfs zweiter Lesung wurden als §§ 1021 und 1022 BGB inhaltlich unverändert ins BGB übernommen. Ebenso wurde die im Entwurf zweiter Lesung gewählte Konstruktion der Reallast als dingliches Verwertungsrecht am belasteten Grundstück übernommen. Demnach spricht die Entstehungsgeschichte der §§ 1021 und 1022 BGB dafür, dass das Recht auf Unterhaltung der Anlage im BGB als ein Recht, das sich von der Reallast nur durch seine Verknüpfung mit der Grunddienstbarkeit unterscheidet, und damit ebenso wie die Reallast als dingliches Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück konstruiert ist. c) Systematik Dieses mithilfe der Entstehungsgeschichte der §§ 1021, 1022 BGB gefundene Ergebnis wird durch die Gesetzessystematik bestätigt. Die Gesetzsystematik schließt eine Einordnung des in den §§ 1021, 1022 BGB geregelten Rechts auf Unterhaltung der Anlage als obligatorisches Recht aus. Denn handelte es sich bei dem Recht auf Unterhaltung der Anlage um ein obligatorisches Recht, so wäre eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Reallast auf dieses Recht, wie sie die §§ 1021 II, 1022 S. 2 BGB anordnen,

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ausgeschlossen. Für eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Reallast fehlte es an der Vergleichbarkeit der dem BGB zugrunde liegenden rechtlichen Konstruktion der Reallast als dinglichem Recht, welches die rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer Sache ordnet605, indem es seinem Inhaber eine unmittelbare Herrschaft über die Sache gewährt606, mit der rechtlichen Konstruktion eines obligatorischen Rechts, welches die rechtlichen Beziehungen von Personen untereinander ordnet607, indem es für den Berechtigten einen Anspruch auf Leistung gegenüber dem Verpflichteten begründet608. d) Ergebnis Wie die Auslegung der §§ 1021, 1022 BGB ergeben hat, handelt es sich bei dem Recht auf Unterhaltung der Anlage nicht um ein obligatorisches Recht, sondern um ein dingliches Verwertungsrecht, welches sich von der in den §§ 1105 ff. BGB geregelten Reallast nur in seiner Akzessorietät zur Grunddienstbarkeit unterscheidet. Kraft Gesetzes (§ 1021 II bzw. § 1022 S. 2 BGB i.V. m. § 1108 I BGB analog; hierzu sogleich) entsteht mit diesem dinglichen Recht auf Befriedigung wegen der rückständigen Unterhaltungsleistungen aus dem Grundstück allerdings daneben ein vertraglich abdingbares obligatorisches Recht auf Erbringung der Unterhaltungsleistungen. 2. Ansprüche der Beteiligten gemäß den §§ 1021, 1022 BGB a) Ansprüche des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks, §§ 1021 I 1 und § 1022 S. 1 BGB Aus der rechtlichen Einordnung des in den §§ 1021 I 1 und 1022 S. 1 BGB geregelten Rechts als dingliches Verwertungsrecht ergibt sich zwingend, dass sich aus den §§ 1021 I 1 und § 1020 S. 1 BGB anders als allgemein angenommen kein schuldrechtlicher Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf Unterhaltung der Anlage ergeben kann. Zur Verwirklichung seines dinglichen Verwertungsrechts an dem dienenden Grundstück gemäß § 1021 I 1 oder § 1022 S. 1 BGB räumt das Gesetz dem Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks durch die Anordnung der entsprechenden Anwendung der Reallastvorschriften in den §§ 1021 II und 1022 S. 2 BGB einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das dienende Grundstück wegen sämtlicher rückständi605 606 607 608

Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Johow, Sachenrecht I, S. 3. Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Motive III, S. 2 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Siehe dazu oben S. 51 f.

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ger Unterhaltungsleistungen gemäß den §§ 1105 I 1, 1107, 1147 BGB analog ein609. Daneben hat der Grunddienstbarkeitsberechtigte kraft gesetzlicher Anordnung gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks gemäß § 1021 II bzw. § 1022 S. 2 BGB i.V. m. § 1108 I BGB analog einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erbringung der Unterhaltungsleistungen, die fällig werden, während dieser Eigentümer des dienenden Grundstücks ist610. § 1108 I BGB analog begründet also, sofern der Grunddienstbarkeitsberechtige und der Eigentümer des dienenden Grundstücks diesen nicht abbedingen611, ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen diesen, auf das die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften wie etwa die §§ 280 ff. BGB Anwendung finden612. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei an dieser Stelle betont, dass dieses Schuldverhältnis die Rechtsbeziehung des Eigentümers des dienenden und des Eigentümers des herrschenden Grundstücks nur partiell, nämlich insoweit regelt, als es um die Unterhaltung der zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehörenden Anlage geht. Die Grunddienstbarkeit selbst betrifft dieses Schuldverhältnis nicht. Der Eigentümer des herrschenden und der Eigentümer des dienenden Grundstücks sind nur, was die Unterhaltung der Anlage betrifft, durch ein Schuldverhältnis miteinander verbunden. Darüber hinaus stehen sie sich lediglich als Inhaber verschiedener dinglicher Rechte an derselben Sache gegenüber, ohne durch ein Schuldverhältnis miteinander verbunden zu sein. So kann das aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 1108 BGB zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bestehende Schuldverhältnis beispielsweise die Eigentümer beider Grundstücke nach seinem Inhalt gemäß § 241 II BGB nur insoweit zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichten, wie es um die Unterhaltung der Anlage geht. Hingegen kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt den Grund609 Zur Durchsetzung des Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Reallastleistungen gemäß den §§ 1105 I, 1107, 1147 BGB im Wege der Zwangsversteigerung des mit der Reallast belasteten Grundstücks und der damit verbundenen Risiken für den Reallastberechtigten siehe die Ausführungen von Amann DNotZ 1993, 222, 223 f. 610 Dazu, dass die in § 1108 I BGB angeordnete persönliche Haftung des Eigentümers des belasteten Grundstücks für die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Leistungen ohne einen dieser Haftung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Anspruch auf diese Leistungen nicht denkbar ist, siehe S. 278 Fn. 603. Zur Durchsetzung des Anspruchs aus § 1108 I BGB im Wege der Zwangsversteigerung des mit der Reallast belasteten Grundstücks siehe Amann DNotZ 1993, 222, 224 ff. 611 Im Rahmen des § 1108 I BGB ist umstritten, ob für die Wirksamkeit dieser Vereinbarung die Eintragung ins Grundbuch erforderlich ist; siehe zum Meinungsstreit MüKo/Joost § 1108 RdNr. 7. 612 So für § 1108 I BGB MüKo/Joost § 1108 RdNr. 6; Staudinger/Mayer § 1108 RdNr. 7.

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dienstbarkeitsberechtigten gemäß § 241 II BGB nicht dazu verpflichten, bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit auf die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks Rücksicht zu nehmen. Verdeutlicht sei dies anhand des Falls, dass eine Grunddienstbarkeit zur Mitbenutzung eines über das dienende Grundstück führenden Weges berechtigt. In diesem Fall hat der Grunddienstbarkeitsberechtigte, der gemäß § 1021 I 2 BGB die Unterhaltung des Weges übernommen hat, bei der Unterhaltung des Weges gemäß § 241 II BGB auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks Rücksicht zu nehmen. Bei der Benutzung des Weges ist dies hingegen nicht der Fall. Dem Grunddienstbarkeitsberechtigten steht gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks, der die Anlage entgegen einer Vereinbarung gemäß 1021 I 1 BGB oder entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 1022 S. 1 BGB nicht unterhält, kein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch gemäß § 1027 BGB i.V. m. § 1004 I BGB zu. Hierfür fehlt es bereits an einer Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit im Sinne des § 1027 BGB. Denn das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten wird nicht dadurch verletzt, der momentane Istzustand weicht nicht dadurch von dem von der Rechtsordnung vorgegebene Sollzustand ab613, dass sich die Anlage nicht in dem für die Ausübung der Grunddienstbarkeit erforderlichen Zustand befindet. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Grunddienstbarkeit das Recht auf einen bestimmten Zustand der Anlage enthielte. Dies aber bedeutete – wie bereits die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts erkannt hat614 – nichts anderes als dem Grunddienstbarkeitsberechtigten das Recht auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlage und damit auf ein Verhalten des Eigentümers des dienenden Grundstücks einzuräumen. Nach der Konzeption des BGB ordnet das dingliche Recht seinem Inhaber jedoch lediglich bestimmte Herrschaftsrechte an einer Sache zu615. Das Recht auf einen bestimmten Zustand einer Sache und damit letztlich auf ein Verhalten einer Person kann hingegen nur Inhalt eines obligatorischen Rechts sein616. b) Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten, § 1021 I 2 BGB Die Ansprüche, die dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten zustehen, der die Unterhaltung der Anlage im Wege einer Vereinbarung gemäß § 1021 I 2 BGB übernommen hat, entsprechen

613 614 615 616

Zum Begriff der Beeinträchtigung i. S. d. § 1027 BGB siehe oben S. 107 f. Siehe dazu S. 261. Siehe dazu S. 51 f. Siehe dazu S. 51 f.

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denjenigen, die der Grunddienstbarkeitsberechtigte im umgekehrten Fall des § 1020 I 1 BGB gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks hat. Ebenso wenig, wie § 1021 I 1 BGB den Eigentümern der an der Grunddienstbarkeit beteiligten Grundstücke die Möglichkeit zur Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Unterhaltung der Anlage einräumt und daher als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann, trifft dies auf § 1021 I 2 BGB zu. Dieser gewährt den Parteien lediglich die Möglichkeit ein mit der Grunddienstbarkeit verbundenes dingliches Verwertungsrecht des Eigentümers des dienenden Grundstücks an dem herrschenden Grundstück zu begründen. Zur Verwirklichung dieses dinglichen Verwertungsrechts steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Recht auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das herrschende Grundstück wegen der rückständigen Unterhaltungsleistungen gemäß § 1021 II BGB i.V. m. den §§ 1105 I 1, 1107, 1147 BGB analog zu. Daneben hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1021 II BGB i.V. m. § 1108 I BGB analog einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Unterhaltungsleistungen, die fällig werden, während dieser Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist. Auf diesen Anspruch finden die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften Anwendung. 3. Verhältnis des § 1021 I 1 BGB zu § 1020 S. 2 BGB Aus der rechtlichen Einordnung des gemäß § 1021 I BGB durch Parteivereinbarung und Eintragung begründeten Rechts auf Unterhaltung der Anlage als dinglichem Verwertungsrecht ergibt sich zugleich eine Antwort auf die umstrittene Frage617, ob und inwieweit eine solche Vereinbarung über die „Unterhaltung“ der Anlage die gesetzliche Regelung über die „Erhaltung“ der Anlage in § 1020 S. 2 BGB verdrängt. Denn der Schlüssel zur Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis der Unterhaltungsvereinbarung nach § 1021 I 1 BGB und der gesetzlichen Regelung des § 1020 S. 2 BGB liegt gerade im unterschiedlichen Regelungsgehalt beider Normen. Wie obige Untersuchung ergeben hat618, enthält § 1020 S. 2 BGB eine Regelung zur Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit für den Fall, dass sich dieser nicht vollständig durch Auslegung ermitteln lässt. § 1020 S. 2 BGB legt für diesen Fall die Grenzen des dem Grunddienstbarkeitsberechtigten durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Herrschaftsrechts an dem belasteten Grundstück dergestalt fest, dass Beeinträchtigungen des Eigentums an dem dienenden Grundstück, die von einer nicht in ordnungsmäßigem Zustand erhaltenen Anlage

617 618

Siehe dazu oben S. 244 ff. Siehe dazu oben S. 226 ff.

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ausgehen, nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt sind619. Von dem Begriff der „Erhaltung“ i. S. d. § 1020 S. 2 BGB sind daher solche Maßnahmen umfasst, die dazu dienen, von der Anlage ausgehende Beeinträchtigungen des Eigentums am dienenden Grundstück zu vermeiden620. Demgegenüber trifft § 1021 I 1 BGB eine Regelung für die Unterhaltung der Anlage, also für die Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung des Zustandes dienen, der für die Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Benutzungsrechts erforderlich ist. Vor dem Hintergrund, dass die Pflicht zur Erbringung von Unterhlatungsmaßnahmen nicht zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht werden kann, da diese ansonsten ein positives Tun zum Inhalt hätte, räumt § 1021 I 1 BGB den Parteien die Möglichkeit ein, ein mit der Grunddienstbarkeit akzessorisch verbundenes dingliches Recht auf Befriedigung aus dem dienenden Grundstück wegen nicht erbrachter Unterhaltungsleistungen zu begründen. Mit diesem dinglichen Recht ist kraft Gesetzes die Pflicht des jeweiligen Eigentümers des dienenden bzw. des herrschenden Grundstücks zur Erbringung der während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Unterhaltungsleistungen verbunden. Ist also beispielsweise ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit belastet, die dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Recht einräumt, eine auf dem dienenden Grundstück stehende Windmühle zum Getreidemahlen zu benutzen, so betrifft eine Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlage gemäß § 1021 I 1 BGB die Maßnahmen, die die Gebrauchsfähigkeit der Windmühle sicherstellen, also etwa den Austausch eines defekten Mühlenflügels oder das Bereitstellen eines Mahlsteins. Nicht von einer Vereinbarung nach § 1021 I BGB umfasst sind hingegen solche Maßnahmen, die dazu dienen, von der Mühle ausgehende Beeinträchtigungen des dienenden Grundstücks zu vermeiden, also etwa die Sicherung von an der Mühle angebrachten losen Verzierungen. Freilich gibt es Maßnahmen, die sowohl der Vermeidung von Beeinträchtigungen des dienenden Grundstücks, welche von einer in nicht ordnungsmäßigen Zustand gehaltenen Anlage ausgehen, als auch der Aufrechterhaltung der Gebrauchsfähigkeit der Anlage dienen. Ist beispielsweise die Befestigung eines Windflügels lose, so dass dieser abzustürzen droht, so dient die sichere Befestigung dieses Windflügels ebenso der Aufrechterhaltung der Gebrauchsfähigkeit der Windmühle wie auch der Verhinderung von Beeinträchtigungen des Eigentums an dem dienenden Grundstück durch den herabstürzenden Flügel. Ist in einem solchen Fall gemäß § 1021 I 1 BGB eine Unterhaltungsvereinbarung zu Lasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks getroffen, stellt sich 619 620

Siehe dazu oben S. 230 ff. Siehe dazu oben S. 237 f.

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die Frage: Kann der Grunddienstbarkeitsberechtigte vom Eigentümer des dienenden Grundstücks gemäß § 1021 II, 1108 BGB die Befestigung des Windflügels als Unterhaltungsmaßnahme verlangen? Oder kann nicht vielmehr umgekehrt der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB die Unterlassung der durch den Absturz des Windflügels drohenden Beeinträchtigung seines Eigentums mit der Begründung verlangen, dass eine solche Beeinträchtigung gemäß § 1020 S. 2 BGB nicht vom Inhalt des ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Herrschaftsrecht an dem dienenden Grundstück umfasst ist? Aufgrund des unterschiedlichen Regelungsgehaltes des § 1021 I 1 BGB einerseits und des § 1020 S. 2 BGB andererseits kann eine Vereinbarung gemäß § 1021 I 1 BGB die gesetzliche Regelung des § 1020 S. 2 BGB entgegen allgemeiner Ansicht in der Literatur621 jedenfalls nicht als lex specialis verdrängen. Die Lösung des Problems ergibt sich daraus, dass § 1020 S. 2 BGB eine Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit nur für solche Fälle enthält, in denen sich der Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts an dem dienenden Grundstück nicht durch Auslegung ermitteln lässt622. In dem Fall, dass die Parteien eine Unterhaltungsvereinbarung zu Lasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks gemäß § 1021 I 1 BGB getroffen haben, lässt sich der Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts jedoch gerade durch Auslegung623 insofern bestimmen, als solche Beeinträchtigungen des Eigentums am dienenden Grundstück, die durch Maßnahmen verhindert werden können, die zugleich auch der Gewährleistung der Gebrauchsfähigkeit der Anlage dienen, vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst sein sollen. Schließlich haben die Parteien ausweislich des Grundbucheintrages gerade vereinbart, dass es Aufgabe des Eigentümers des dienenden Grundstücks und nicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten sein soll, die der Gebrauchsfähigkeit der Anlage dienenden Maßnahmen vorzunehmen. Wären in diesem Fall Beeinträchtigungen des Eigentums am dienenden Grundstück, die durch auch der Gebrauchsfähigkeit dienende Maßnahmen verhindert werden können, nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst, so hätte der Eigentümer des dienenden Grundstücks diese Beeinträchtigungen nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden und könnte vom Grunddienstbarkeitsberechtigten deren Unterlassung verlangen. Dies bedeutete aber im Ergebnis nichts anderes, als dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten eine Maßnahme verlangen könnte, deren Vornahme nach der Vereinbarung gemäß § 1021 I 1 BGB gerade Aufgabe des Eigentümers des dienenden Grundstücks sein soll.

621 622 623

Siehe dazu S. 244 ff. Siehe dazu S. 227 ff. Siehe zur Auslegung der Grunddienstbarkeit ausführlich oben S. 80 ff.

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4. Gestaltungsspielraum der Parteien im Rahmen des § 1021 I BGB Handelt es sich, wie die Untersuchung des § 1021 I BGB ergeben hat, bei dem durch die Parteien gemäß § 1021 I BGB begründeten Recht um ein dingliches Recht, das sich von der Reallast lediglich durch seine akzessorische Verknüpfung mit der Grunddienstbarkeit unterscheidet, so sind den Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Rechts zwangsläufig die gleichen Grenzen gesetzt, die in § 1105 BGB für den Inhalt der Reallast bestimmt sind. Gemäß § 1105 I 1 BGB kann die Reallast nur „wiederkehrende Leistungen“ zum Inhalt haben. Unter den Begriff der Leistung fällt dabei anders als im Rahmen des § 241 I BGB lediglich ein positives Tun, nicht aber ein Unterlassen624. Dies lässt sich dem Wortlaut des § 1105 I BGB zwar nicht entnehmen625, ergibt sich aber aus einem systematischen Vergleich mit den Dienstbarkeiten626: Bei diesen kann ein Unterlassen des Eigentümers des belasteten Grundstücks Inhalt des dinglichen Rechts sein. Doch sieht das Gesetz mit dem Erfordernis des Benutzungsvorteils (§ 1019 BGB) bei der Grunddienstbarkeit627 und der Unübertragbarkeit des Nießbrauchs (§ 1059 BGB) wie auch der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1092 BGB) bei diesen beschränkten dinglichen Rechten Beschränkungen vor, 624 BayObLG NJW-RR 1993, 530, 531; OLG Köln MittRhNotK 1992, 46, 46; BayObLG BayObLGZ 1959, 301, 304; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 462; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 18; Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 382; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 15; NK-BGB/Reetz § 1105 RdNr. 37; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1296; Soergel/Stürner § 1105 RdNr. 7; Wagner, FG Czybulka, S. 84, 99; Bamberger/Roth/Wegmann § 1105 RdNr. 8; a. A. Sokolowski NotBZ 2011, 382, 383 f. 625 Demgegenüber hatte sich die erste Kommission für die Aufnahme einer Regelung entschieden, welche ein Unterlassen als Inhalt der Reallast ausdrücklich ausschloss (dazu MüKo/Joost § 1105 Fn. 25; Wendt AcP 92 (1902), 1, 125 f.). § 1052 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Die Leistungen können bei einer Reallast nicht in einem Unterlassen bestehen.“ (Mugdan, Materialien III, S. LVII). Die zweite Kommission strich diese Regelung ersatzlos, wobei die Gründe hierfür innerhalb der zweiten Kommission umstritten waren (dazu MüKo/Joost § 1105 Fn. 25; Wendt AcP 92 (1902), 1, 126 f.). Die eine Auffassung hielt die Bestimmung des § 1052 des Entwurfs erster Lesung mit der Begründung für selbstverständlich und daher entbehrlich, dass wiederkehrende Leistungen nicht in einem Unterlassen bestehen könnten und zudem bei einem Unterlassen nicht die Rede davon sein könne, dass die Leistung aus dem belasteten Grundstück entrichtet werde (Protokoll III, S. 4762 = Mugdan, Materialien III, S. 785). Die andere Auffassung sah zwar ein Unterlassen als möglichen Inhalt einer Reallast an, wollte aber etwaige Beschränkungen der Landesgesetzgebung überlassen. Denn weder aus dem Erfordernis der wiederkehrenden Leistungen noch aus der zur Begriffsbestimmung der Reallast gebrauchten Wendung, dass die Leistungen aus dem belasteten Grundstück zu entrichten seien, ergebe sich eine solche inhaltliche Beschränkung der Reallast. Diese sei nicht wörtlich zu nehmen; es handle sich dabei lediglich um eine bildhafte Beschreibung der dinglichen Haftung des Grundstückes (Protokoll III, S. 4763 = Mugdan, Materialien III, S. 785). 626 MüKo/Joost § 1105 RdNr. 18; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 508. 627 Siehe dazu oben S. 59 ff.

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denen die Reallast nicht unterworfen ist. Diese Beschränkungen könnten praktisch umgangen werden, könnte ein Unterlassen zum Inhalt einer Reallast gemacht werden628, so dass der Berechtigte gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks gemäß § 1108 I BGB ein Recht auf die Unterlassung hätte. Anders als bei § 1105 I BGB lässt sich diese inhaltliche Beschränkung bei § 1021 I BGB bereits dem Wortlaut entnehmen. Um eine Anlage zu unterhalten ist schließlich stets ein positives Tun erforderlich. Wiederkehrend im Sinne des § 1105 I 1 BGB sind Leistungen, die nicht nur einmalig629, sondern wiederholt, also mindestens zweimalig, zu erbringen sind630. Dabei müssen die Leistungen nicht gleich groß sein631. Auch ist es möglich, eine Reallast mit mehreren ungleichartigen, mindestens zweimalig zu erbringenden und damit jeweils dem Erfordernis der Wiederkehr genügenden Leistungen zu bestellen632. Die wiederkehrenden Leistungen sind gemäß § 1105 I 1 BGB „aus dem Grundstück“ zu entrichten. Zwar legt diese Wendung nahe, dass die wiederkehrenden Leistungen in irgendeiner, wie auch immer gearteten, Beziehung zu dem herrschenden Grundstück stehen müssen633, etwa dass es sich bei dem Gegen628

MüKo/Joost § 1105 RdNr. 18. RGZ 57, 331, 334; OLG Köln DNotZ 1991, 807, 808; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 462; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 20; Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 392; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 27; NK-BGB/Reetz § 1105 RdNr. 41; Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1301; Soergel/Stürner § 1105 RdNr. 7; Bamberger/Roth/ Wegmann § 1105 RdNr. 13; a. A. Sokolowski NotBZ 2011, 382, 382 f. Umstritten ist, ob eine einmalige Leistung, die im Zusammenhang mit den wiederkehrenden Leistungen steht, als „Nebenleistung“ Inhalt einer Reallast sein kann (dafür: OLG Köln DNotZ 1991, 807, 808; Böhringer MittBayNot 1988, 103, 109 [im Rahmen eines Leibgedings]; Erman/Grziwotz § 1105 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 27; NK-BGB/Reetz § 1105 RdNr. 41; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1301; Soergel/Stürner § 1105 RdNr. 10; dagegen: BayObLG BayObLGZ 1973, 21, 26; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 20; Bamberger/Roth/Wegmann § 1105 RdNr. 13). Zu Recht weist MüKo/Joost § 1105 RdNr. 20 darauf hin, dass es keinen sachenrechtlichen Grundsatz gibt, wonach dingliche Belastungen auch außerhalb ihres gesetzlichen Anwendungsbereichs liegende Nebenleistungen miterfassen. 630 Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 26. 631 MüKo/Joost § 1105 RdNr. 21; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 26; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1301; Soergel/Stürner § 1105 RdNr. 10; Bamberger/Roth/ Wegmann § 1105 RdNr. 13. 632 Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 26. 633 Darauf weisen auch Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 430; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 509 hin. Für das Erfordernis einer Beziehung der Leistungen zum Grundstück allerdings: Beyerle JZ 1955, 257; Obermeyer LZ 1916, 919, 258. Die ganz überwiegende Auffassung spricht sich gegen ein solches Erfordernis aus (OLG Köln MittRhNotK 1992, 46, 46; Erman/Grziwotz § 1105 RdNr. 7; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 9; Lübtow, FS Lehmann, S. 328, 359 ff.; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 48; NK-BGB/ Reetz § 1105 RdNr. 39; Bamberger/Roth/Wegmann § 1105 RdNr. 18; wohl auch Berndt, Wertsicherung, S. 91). 629

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stand der Leistung um Früchte des Grundstücks handeln muss. Ein Vergleich mit den anderen dinglichen Verwertungsrechten, bei deren Begriffsbestimmung sich ebenfalls die Wendung „aus dem Grundstück“ findet (§§ 1113, 1191, 1199 BGB), zeigt jedoch, dass es sich bei dieser Wendung lediglich um eine bildhafte Umschreibung der Grundstückshaftung, also des dem Berechtigten an dem belasteten Grundstück eingeräumten Rechts handelt, sich aus diesem durch Zwangsvollstreckung zu befriedigen634. Die wiederkehrenden Leistungen müssen dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entsprechend nach Art, Gegenstand und Umfang bestimmbar sein635. Darüber hinaus müssen Leistungen, die nicht in Geld zu erbringen sind, einen bestimmbaren Geldwert haben636. Dies lässt sich dem Wortlaut des § 1105 I 1 BGB zwar nicht entnehmen, ergibt sich aber aus der systematischen Erwägung, dass es sich bei der Reallast um ein dingliches Verwertungsrecht, also um ein Recht, sich durch Verwertung des belasteten Grundstückes im Wege der Zwangsvollstreckung in Geld zu befriedigen, handelt637. Müssen die wiederkehrenden Leistungen bei der Reallast also entweder Geldleistungen oder Leistungen mit bestimmbaren Geldwert sein, ergibt sich daraus, dass die Parteien auch im Rahmen einer Unterhaltungsvereinbarung gemäß § 1021 I BGB anders, als es der Wortlaut der Norm nahe legt, nicht darauf beschränkt sind, eine Vereinbarung über die tatsächliche Vornahme der für die Funktionsfähigkeit der Anlage erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Vielmehr können die Parteien auch lediglich regeln, wem die Kosten dieser Maßnahmen letztlich zur Last fallen. Denn unabhängig davon, ob die Parteien im Rahmen einer Unterhaltungsvereinbarung gemäß § 1021 I BGB die Vornahme der Unter634 Erman/Grziwotz § 1105 RdNr. 7; Lübtow, FS Lehmann, S. 328, 359. So bereits Protokolle III, S. 4763 = Mugdan, Materialien III, S. 785. Zum gleichen Ergebnis kommen – unter Heranziehung des § 1147 BGB – Baur/Stürner, Sachenrecht, S. 430; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 48; Wilhelm, Sachenrecht, S. 792 f. MüKo/Joost § 1105 RdNr. 6 begründet mit dem Vergleich zur Begriffsbestimmung der anderen dinglichen Verwertungsrechte, dass die Reallast, anders als es der Wortlaut des § 1105 I 1 BGB auf den ersten Blick vermuten lässt, keinen Leistungsanspruch gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks gewährt, sondern es sich bei der Reallast um ein dingliches Verwertungsrecht handelt. 635 BGH NJW 1995, 2780, 2781; Berndt, Wertsicherung, S. 90; Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 462; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 29; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 28; Bamberger/Roth/Wegmann § 1105 RdNr. 14; dazu ausführlich Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 385 ff. 636 OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 811, 812; BayObLG BayObLGZ 1959, 301, 305; OLG Celle JZ 1979, 268, 268 f.; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 29; Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 382; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 28; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1296; Wagner, FG Czybulka, S. 84, 99; Bamberger/Roth/Wegmann § 1105 RdNr. 9; Wilhelm, Sachenrecht, S. 792. 637 BayObLG BayObLGZ 1959, 301, 305; MüKo/Joost § 1105 RdNr. 29; Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 382; Staudinger/Mayer § 1105 RdNr. 28; Wagner, FG Czybulka, S. 84, S. 99; Bamberger/Roth/Wegmann § 1105 RdNr. 9.

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haltungsmaßnahme selbst oder nur die Tragung der hierzu erforderlichen Kosten regeln, so hat der Berechtigte – lässt man die dispositive Regelung des § 1108 I BGB außen vor638 – doch in beiden Fällen nur das Recht, sich wegen der rückständigen Leistungen aus dem belasteten Grundstück durch Zwangsvollstreckung in Geld zu befriedigen. Die Vornahme der für die Funktionsfähigkeit der Anlage erforderlichen Maßnahme kann er in keinem Fall erzwingen. Kann aber auch bei einer Vereinbarung gemäß § 1021 I BGB, nach der eine Partei die Vornahme der für die Funktionsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen übernimmt, die andere Partei im Wege der Zwangsvollstreckung nur den Geldbetrag, den diese Maßnahmen wert sind, erhalten, macht es im Ergebnis keinen Unterschied, wenn die Parteien im Rahmen des § 1021 I BGB von vorneherein lediglich eine Vereinbarung darüber treffen, wem die Kosten für diese Maßnahmen zur Last fallen sollen. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass die erste Kommission sich entschieden hat, in § 971 I und II des Entwurfs erster Lesung nicht wie Johow in den §§ 271 ff. seines Vorentwurfs auf die Kosten der Unterhaltung der Anlage, sondern lediglich auf die Unterhaltung der Anlage abzustellen639. Zwar machte es im Entwurf erster Lesung aufgrund der rechtlichen Konstruktion der Reallast als obligatorisches Recht640 für den Berechtigten durchaus einen Unterschied, ob der andere Teil zur Vornahme der zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Anlage erforderlichen Maßnahme oder nur zur Tragung der dazu nötigen Kosten verpflichtet war. So hätte – die Normen des § 971 des Entwurfs erster Lesung auf das heutige BGB angewendet – etwa nur im ersten Fall der Berechtigte ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB, wenn der andere seiner Unterhaltungsverpflichtung nicht nachkommt und es deshalb zu einem Betriebsausfall des Berechtigten kommt. Doch wurde die im Entwurf erster Lesung gewählte Konstruktion der Reallast als obligatorisches Recht nicht ins BGB übernommen, sondern mit der Konstruktion als dingliches Verwertungsrecht gerade durch eine Konstruktion ersetzt, bei der es aus Sicht des Berechtigten keinen Unterschied macht, ob der andere die Vornahme der für die Funktionsfähigkeit der Anlage erforderlichen Maßnahmen oder die Tragung der dazu notwendigen Kosten übernommen hat. Weder aus § 1021 I BGB noch aus § 1005 I BGB ergibt sich eine Einschränkung des Gestaltungsspielraums der Parteien dahingehend, dass eine Parteivereinbarung gemäß § 1021 I 1 BGB oder einer Vereinbarung gemäß § 1021 I 2 BGB die Unterhaltung der Anlage in vollem Umfang betreffen muss. Die Par638 Darauf, dass § 1108 I BGB als dispositive Regelung für die Reallast nicht begriffswesentlich ist, weist MüKo/Joost § 1105 RdNr. 5 im Zusammenhang mit der Frage nach der dogmatischen Einordnung der Reallast hin. 639 Den Protokollen der Beratungen der ersten Kommission zufolge hielt diese die Erwähnung der Unterhaltungskosten für nicht erforderlich (siehe Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 73). Eine Begründung hierfür wird nicht gegeben. 640 Siehe dazu oben S. 275 f.

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teien können also, wie auch allgemein angenommen641, vereinbaren, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks oder – sofern ein Fall der gemeinsamen Anlagennutzung vorliegt – der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Unterhaltung der Anlage nur teilweise übernimmt. Steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Recht zu Mitbenutzung der Anlage zu, so können sie durch eine Kombination beider Vereinbarungen642 eine Aufteilung der Unterhaltungslast untereinander in dem Umfang erreichen, wie sich ihre beiden Nutzungsrechte an der Anlage und damit auch ihre Interessen an dem für die Ausübung ihres jeweiligen Nutzungsrechts erforderlichen Zustandes der Anlage decken. 5. Fehlende Vereinbarung bei gemeinsam benutzter Anlage: analoge Anwendung des § 748 BGB? Für den Fall, dass bei einer Grunddienstbarkeit, die dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks nicht das Recht zur alleinigen Nutzung einer Anlage auf dem dienenden Grundstück, sondern nur das Recht zur Mitbenutzung neben dem Eigentümer des dienenden Grundstücks einräumt, keine Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlage gemäß § 1021 I BGB getroffen ist, sieht das Gesetz im Titel über die Grunddienstbarkeiten keine Regelung über die Verteilung der Unterhaltungslast zwischen beiden Eigentümern vor. Nimmt der Eigentümer eines der Grundstücke in einem solchen Fall Maßnahmen vor, die der Funktionsfähigkeit der Anlage dienen, kann er vom Eigentümer des anderen Grundstücks den teilweisen Ersatz seiner Aufwendungen gemäß §§ 677, 683 S. 1 BGB wegen Geschäftsführung ohne Auftrag nur verlangen, wenn die Vornahme dieser Maßnahmen dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Eigentümers des anderen Grundstücks entspricht. Auch ein Anspruch auf teilweise Kostentragung gemäß § 748 BGB kommt mangels Vorliegens einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht in Betracht. Denn diesen steht an dem dienenden Grundstück nicht, wie von § 741 BGB vorausgesetzt, ein Recht gemeinschaftlich zu643. Jeder von ihnen hat vielmehr ein Recht mit jeweils unterschiedlichem Inhalt an dem dienenden Grundstück644: der eine das Eigentum, der andere die Grunddienstbarkeit. Eine Bruchteilsgemeinschaft ergibt sich auch nicht daraus, dass beide Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage auf dem dienenden Grundstück ausüben und damit Besitzer der Sache sind. Denn entgegen einer in 641

Siehe Nachweise in S. 246 Fn. 451, S. 248 Fn. 459. Dass § 1021 I 1 BGB auch im Fall eines gemeinsamen Nutzungsrechts anwendbar ist, ist allgemein anerkannt; siehe dazu S. 248 f. 643 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737; KG NJW 1970, 1686, 1686. 644 OLG Hamm MDR 2003, 737, 737; OLG Koblenz VRS 2002, 190, 190. 642

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Literatur645 und Rechtsprechung646 vertretenen Auffassung kann der bloße Besitz nicht Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB sein647. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 741 BGB als auch daraus, dass der Besitz als tatsächliche Sachherrschaft nicht in ideelle Bruchteile aufgeteilt werden kann648. In Betracht käme jedoch eine analoge Anwendung des § 748 BGB649. Hierfür müsste es sich dabei, dass das Gesetz für den Fall, dass die Grunddienstbarkeit lediglich ein Recht zur Mitbenutzung der Anlage gewährt, keinen Anspruch auf anteilige Tragung der Unterhaltungskosten vorsieht, um eine planwidrige Regelungslücke handeln. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, obwohl nach dem Regelungszusammenhang des Gesetzes eine Regelung dieser Fallgestaltung zu erwarten wäre650. Für die Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, hilft ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des BGB unabhängig davon, welches Gewicht man dem subjektiven Willen des Gesetzgebers bei der Auslegung von Normen und damit auch bei der Ermittlung von Regelungslücken beimisst651, nicht weiter. Die erste Kommission strich zwar § 272 des Vorentwurfs652, welcher für den Fall, dass sowohl der Eigentümer des herrschenden als auch der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Anlage auf dem dienenden Grundstück benutzten, eine Verteilung der Unterhaltungslast vorsah, ersatzlos653. Doch wollte sie damit nicht das Bestehen eines Anspruchs auf teilweisen Kostenersatz wegen einer durchgeführten Reparatur ausschließen. Sie erwog vielmehr, dass in einem solchen Fall die Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft entsprechende Anwendung finden könnten, überließ die Beantwor-

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Bamberger/Roth/Gehrlein § 741 RdNr. 8; Staudinger/Langhein § 741 RdNr. 133. KG NJW 1982, 1886, 1887; BGH NJW 1974, 1189, 1190. 647 MüKo/Schmidt § 741 RdNr. 17. 648 MüKo/Schmidt § 741 RdNr. 17. Gegen den Besitz als tauglichen Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft auch Schnorr, Gemeinschaft nach Bruchteilen, S. 94 ff. Zu dem von ihm vertretenen dinglichen Einheitsmodell der Gemeinschaft siehe ausführlich Schnorr, Gemeinschaft nach Bruchteilen, S. 37 ff. 649 Wendet man die § 741 ff. BGB analog an, so kommt ein Anspruch gemäß § 748 BGB freilich nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass der tätig gewordene Eigentümer zur Vornahme der Maßnahme aufgrund deren Notwendigkeit für die Erhaltung des Gegenstandes gemäß § 744 II oder aufgrund eines Beschlusses gemäß § 745 I, II BGB berechtigt war (siehe für § 748 BGB MüKo/Schmidt § 748 RdNr. 7). 650 Bydlinski/Bydlinski, Methodenlehre, S. 81 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 373; Schwacke, Juristische Methodik, S. 125. 651 Siehe zum Meinungsstreit zwischen subjektiver und objektiver Auslegungstheorie S. 27 ff. 652 Siehe für dessen Wortlaut S. 269 Fn. 562. 653 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 73. 646

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tung dieser Frage jedoch der Wissenschaft654. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde auf die Frage der analogen Anwendbarkeit der Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft nicht mehr eingegangen. Gegen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke spricht jedoch die Funktion des Sachenrechts als Zuordnungsrecht. Dem Inhaber eines dinglichen Rechts werden durch die Rechtsordnung bestimmte Herrschaftsrechte an einer Sache zugeordnet. Die Inhaber verschiedener Rechte an derselben Sache, wie etwa der Eigentümer und der Grunddienstbarkeitsberechtigte, stehen sich dabei grundsätzlich wie beliebige Dritte gegenüber, ohne durch eine Rechtsbeziehung miteinander verbunden zu sein. Diesem Nebeneinander der Inhaber verschiedener dinglichen Rechte an derselben Sache entspricht es aber gerade, wenn das Gesetz für den Fall, dass der Inhaber eines der dinglichen Rechte eine Aufwendung auf die Sache macht, die auch dem anderen zugutekommt, keinen Anspruch vorsieht, nach dem jener von diesem verlangen kann, die Kosten anteilig zu tragen. Das Fehlen eines solchen Anspruchs stellt für den tätig gewordenen Eigentümer auch keine unbillige Härte dar, die den „Geboten der Gerechtigkeit“ widerspricht655. War er an der Bestellung der Grunddienstbarkeit beteiligt, so hatte er es selbst in der Hand, mit dem anderen Eigentümer – gegen eine entsprechende Gegenleistung – eine Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlage gemäß § 1021 I BGB zu treffen656. War er an der Bestellung der Grunddienstbarkeit nicht beteiligt, so konnte er sich bei dem Erwerb des herrschenden oder dienenden Grundstücks entscheiden, ob er dieses trotz des Fehlens einer Unterhaltungsvereinbarung für gemeinsam benutzte Anlagen gemäß § 1021 I BGB erwerben wollte. Nimmt bei einer Grunddienstbarkeit, die ein Recht zur Mitbenutzung einer Anlage auf dem dienenden Grundstück einräumt, der Eigentümer des herrschenden oder der Eigentümer des dienenden Grundstücks eine Maßnahme vor, die auch der Ausübung des Nutzungsrechts des anderen dient, kommt eine analoge Anwendung des § 748 BGB also mangels Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht657. Liegen die Voraussetzungen der §§ 677, 683 S. 1 BGB 654

Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 74. So aber OLG Köln NJW-RR 1990, 1165, 1166, wonach die Gemeinschaftsregeln „zumindest entsprechend“ anwendbar sein sollen. Zustimmend LG Zweibrücken 3 S 118/95 (juris) Rz. 6 f. 656 Darauf weist auch OLG Hamm MDR 2003, 737, 737 hin. 657 Ohne Begründung wird das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke sowie die Vergleichbarkeit der Interessenlage verneint von OLG Hamm MDR 2003, 737, 737; OLG Koblenz VRS 2002, 190, 190. Ohne auf das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke einzugehen, verneint KG NJW 1970, 1686, 1686 ohne nähere Begründung die Vergleichbarkeit der Interessenlage. Ohne jegliche Begründung verneint OLG Köln NJW-RR 1996, 16, 16 die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 748 BGB. 655

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nicht vor, hat derjenige, der die Maßnahme vorgenommen hat, gegen den anderen keinen Anspruch darauf, dass dieser sich an den Kosten der Maßnahme beteiligt.

D. § 1023 BGB Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks, kann gemäß § 1023 I 1 Hs. 1 BGB der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Grunddienstbarkeitsberechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist. Die Kosten der Verlegung hat gemäß § 1023 I 1 Hs. 2 BGB er zu tragen und vorzuschießen. Dies gilt gemäß § 1023 I 2 BGB auch dann, wenn der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist. Gemäß § 1023 II BGB kann das Recht auf die Verlegung nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. I. Verständnis in Rechtsprechung und Literatur 1. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB Nach der allgemeinen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung begründet § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB als „Ausdruck des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme innerhalb des gesetzlichen Schuldverhältnisses“ 658 zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks einen – gemäß § 1023 II BGB unabdingbaren – schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten auf Verlegung der Ausübungsstelle659. Dabei wird § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB teils als besonderer Anwendungsfall des § 1020 S. 1 BGB660, welcher nach 658 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 1; so auch MüKo/Joost § 1023 RdNr. 1; Staudinger/ Mayer § 1023 RdNr. 1; ähnlich AK-BGB/Ott § 1023 RdNr. 1 („Ausfluß des allgemeinen Prinzips der gegenseitigen Rücksicht im Rechtsverkehr“); ähnlich auch Bamberger/ Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 8 („Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 [. . .], der auch das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstücks bestimmt.“). 659 BGH MDR 1981, 743, 743; OLG München BeckRS 2008, 11184; OLG Koblenz NJW-RR 2014, 401, 402 MüKo/Joost § 1020 RdNr. 1; Kummer jurisPR-BGHZivilR 50/2005 Anm. 3 (unter C.); Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 1; Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 1; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 1; Weimar JR 1980, 361, 362. 660 Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 1; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 1; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 1, 2; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 1; Weimar JR 1980, 361, 361; wohl auch Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 1 („Ausfluss des in § 1020 normierten Grundsatzes der Schonungspflicht“); wohl auch BGH MDR 1981, 743, 743 („spezielle Ausprägung der in § 1020 BGB festgelegten Rechtspflicht“).

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allgemeiner Auffassung ja ebenfalls einen zum gesetzlichen Begleitschuldverhältnis und damit zum Inhalt des dinglichen Recht gehörenden schuldrechtlichen Anspruch begründen soll661, teils als neben § 1020 S. 1 BGB stehende Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes der schonenden Ausübung der Dienstbarkeit662 angesehen. a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB aa) Beschränkung der Ausübung auf einen Teil des belasteten Grundstücks Der Tatbestand des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB setzt zunächst voraus, dass sich die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks beschränkt. Die Fläche des Grundstücks, die von der Ausübung der Grunddienstbarkeit ihrem Inhalt nach betroffen ist, darf sich also nicht über das gesamte Grundstück oder – in den Fällen der sogenannten „echten Teilbelastung“ nach § 7 Abs. 2 GBO i.V. m. § 2 Abs. 3 GBO analog663 – nicht über den gesamten mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücksteil erstrecken. Sie muss sich vielmehr auf einen Teil des belasteten Grundstücks bzw. des belasteten Grundstücksteils beschränken664. Diese Voraussetzung soll nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur in zwei Arten von Fällen erfüllt sein: zum einen in denjenigen Fällen, in denen die Ausübung der konkreten Grunddienstbarkeit schon ihrer „Natur“ 665, ihrer „Art“ 666, ihrem „Wesen“ 667 nach auf einen Teilausschnitt des belasteten Grundstücks beschränkt sei, wie etwa bei einem Wege- oder Leitungsrecht668, zum anderen in denjenigen Fällen, in denen die Begrenzung der Ausübung auf einen 661

Diese Auffassung wurde bereits an anderer Stelle (S. 205 ff.) widerlegt. NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 2; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 1. 663 Gemäß § 7 I GBO ist ein Grundstücksteil, der mit einem Recht belastet werden soll, grundsätzlich von dem Grundstück abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen (siehe dazu Röll DNotZ 1968, 523, 526 ff.). Ist das Recht eine Dienstbarkeit oder eine Reallast, kann gemäß § 7 II 1 GBO die Abschreibung unterbleiben, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist. Siehe dazu Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 63; Röll DNotZ 1968, 523, 533. 664 BGH NJW 1984, 2210, 2211; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 3; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 8; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 6; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 2. 665 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 2; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 9; AK-BGB/Ott § 1023 RdNr. 1; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 6. 666 KG NJW 1969, 470, 470; Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 3; Weimar JR 1980, 361, 361. 667 RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 1; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 2. 668 KG NJW 1969, 470, 470; OLG Koblenz NJW-RR 2014, 401, 402; Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 3; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 2; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 9; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 6; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 1; Weimar JR 1980, 361, 361. 662

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Teilausschnitt des belasteten Grundstücks durch eine entsprechende ausdrückliche rechtsgeschäftliche Vereinbarung zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gemacht worden sei669 (sog. „unechte Teilbelastung“ 670). Diese Unterscheidung lässt allerdings außer Acht, dass es bestimmte Arten von Grunddienstbarkeiten, bei denen sich die Ausübung ihrem „Wesen“ 671, ihrer „Art“ oder ihrer „Natur“ nach nur auf einen Teilausschnitt des belasteten Grundstückes erstreckt, nicht gibt. So ist es bei den als Beispiel genannten Wege- und Leitungsrechten zwar typischerweise der Fall, dass die Fläche, die für den Weg oder die Leitung nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit vorgesehen ist, kleiner ist als die Fläche des gesamten Grundstücks. Doch sind mit Blick auf die unendliche Vielzahl an inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Grunddienstbarkeit672 durchaus Fälle denkbar, in denen die Fläche, die nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit für den Weg oder die Leitung vorgesehen ist, die gesamte Fläche des belasteten Grundstücks oder des belasteten Grundstücksteils einnimmt. Ob sich die Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf die gesamte Fläche des belasteten Grundstücks bzw. des belasteten Grundstücksteils erstreckt oder sie lediglich eine geringere Fläche einnimmt, lässt sich gerade nicht durch die Zuordnung der Grunddienstbarkeit zu einem bestimmten Typ von Grunddienstbarkeiten, wie etwa den Wegerechten, bestimmen. Es kommt vielmehr allein darauf an, wie die einzelne Grunddienstbarkeit inhaltlich ausgestaltet ist. Haben die Parteien bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit keine ausdrückliche Vereinbarung über die Größe der Ausübungsfläche getroffen, indem sie beispielsweise die Breite, die der über das dienende Grundstück führende Weg einnehmen darf, durch eine Maßangabe673 festgelegt haben, so ist durch Auslegung674 zu ermitteln, ob die Fläche, auf der das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht ihrem Inhalt nach ausgeübt werden darf, die gesamte Fläche 669 KG NJW 1969, 470, 470; Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 3; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 2; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 9; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 6; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 1; Weimar JR 1980, 361, 361. Das Erfordernis der Eintragung einer solchen den Inhalt der konkreten Grunddienstbarkeit ausgestaltenden Vereinbarung ins Grundbuch wird in diesem Zusammenhang nicht gesondert erwähnt (Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 3; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 9). 670 Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 36, § 1023 RdNr. 9. 671 Zu der gebotenen Vorsicht im Umgang mit dem Begriff „Wesen“ eines Rechts siehe Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S. 82. 672 Siehe dazu oben S. 70 ff. 673 Häufig werden die Parteien die Größe der Ausübungsfläche festlegen, indem sie die Ausübungsfläche in eine Karte einzeichnen, auf die sie in der Bestellungsurkunde Bezug nehmen und die sie der Bestellungsurkunde als Anlage beifügen (vgl. zu diesem Vorgehen Münchener Vertragshandbuch VI/Spiegelberger Form. IX. 19 § 2 i.V. m. Anm. 7). 674 Zur Auslegung des Inhalts der Grunddienstbarkeit siehe ausführlich oben S. 80 ff.

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des belasteten Grundstücks bzw des belasteten Grundstücksteils oder lediglich eine Teilfläche hiervon einnimmt675. bb) Erfordernis einer Lokalisierung des Ausübungsbereichs? Aufgrund missverständlicher Ausführungen in der Literatur676 sei an dieser Stelle betont, dass es beim Tatbestandsmerkmal der Beschränkung der Ausübung auf einen Teil des belasteten Grundstücks allein darauf ankommt, ob die Fläche, auf der die Grunddienstbarkeit ihrem Inhalt nach ausgeübt werden darf, kleiner ist als das belastete Grundstück bzw. der belastete Grundstücksteil. Dagegen spielt – wie der BGH in seiner Entscheidung vom 3. Mai 2002677 zu Recht betont hat – die Frage nach der Lage dieser Fläche, also ob nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit auch eine bestimmte Lage der Ausübungsfläche, des Ausübungsbereichs, auf dem belasteten Grundstück festgelegt oder die Lage der Ausübungsfläche der Wahl des Grunddienstbarkeitsberechtigten überlassen ist678, im Rahmen des Tatbestandes des § 1023 I 1 BGB keine Rolle. Diese Frage 675

Siehe dazu BGH DNotZ 2002, 721, 722. So vermischt beispielsweise Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 9 die Frage nach der Beschränkung der Ausübung auf eine Teilfläche des belasteten Grundstücks und die Frage, ob die Lage dieser Fläche als Inhalt der Grunddienstbarkeit festgesetzt oder der tatsächlichen Ausübung überlassen wurde, wenn er ausführt: „Hierzu [Beschränkung der Ausübung auf eine Teilfläche] gehören die Fälle, bei denen zwar das ganze Grundstück belastet ist, aber die Ausübung der Dienstbarkeit ihrer Natur nach oder auf Grund ausdrücklicher rechtsgeschäftlicher Vereinbarung auf eine bestimmte [Kursivstellung nicht im Original] Fläche beschränkt ist“. Hieran schließt sich – in Klammern – der Zusatz: „Abs 1 S 2“ an. § 1023 I 2 BGB betrifft jedoch nicht die Frage nach der Beschränkung der Ausübungsfläche, sondern die Frage nach deren Lage. 677 BGH DNotZ 2002, 721, 723. 678 Dass die Lage der Ausübungsfläche, des Ausübungsbereichs, bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit offen und der Wahl des Grunddienstbarkeitsberechtigten überlassen bleiben kann, ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 1023 I 2 BGB. Bestimmt § 1023 I 2 BGB, dass § 1021 I 1 BGB „auch“ gelten soll, wenn der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist, folgt daraus, dass es auch Fälle geben kann, in denen der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, nicht durch Rechtsgeschäft festgelegt ist, also die Festlegung der Lage des Ausübungsbereichs als Inhalt der Grunddienstbarkeit unterblieben ist (KG NJW 1973, 1128, 1129). Die Lage des Ausübungsbereichs nicht als Inhalt der Grunddienstbarkeit festzulegen, sondern diese bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit offen zu lassen und die Festlegung der Lage des Ausübungsbereichs der tatsächlichen Ausübung durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten zu überlassen, soll allerdings nach einer Auffassung dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz in den Fällen nicht genügen, in denen „diese Stelle entweder für das zu bestellende Recht oder für das zu belastende Grundstück von derart essentieller Bedeutung ist, daß ohne ihre Festlegung das Wesen der Dienstbarkeit, mithin der Inhalt der Belastung nicht erkennbar wäre“ (KG NJW 1973, 1128, 1129; so auch OLG Hamm NJW 1967, 2365, 2365 f.; AK-BGB/Ott § 1023 RdNr. 1; Bamberger/ Roth/Wegmann § 1018 RdNr. 41; ähnlich MüKo/Joost § 1018 RdNr. 15, der den Bestimmtheitsgrundsatz dann als nicht erfüllt ansieht, wenn „die Vereinbarung der Ge676

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

wird – worauf sogleich näher zurückzukommen sein wird679 – erst bei der Frage nach der Rechtsfolge des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB relevant. Dass die Frage, ob nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Lage des Ausübungsbereichs, also eine Ausübungsstelle, ein Ausübungsort, festgesetzt ist, im Rahmen des Tatbestandes des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB keine Rolle spielt, ergibt sich bereits aus einem systematischen Vergleich des ersten Satzes des § 1023 I BGB mit dem zweiten Satz dieses Absatzes: § 1023 I 1 BGB regelt, wie der Gebrauch des dem Substantiv „Teil“ vorangestellten unbestimmten Artikels „ein“ zeigt, sämtliche Fälle, in denen sich die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen, also irgendeinen, Teil des belasteten Grundstücks beschränkt. Dagegen regelt § 1023 I 2 BGB einen Unterfall des § 1023 I 1 Hs. 1 BGB, indem er für den Fall, dass „der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt“, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist, also auch die Lage des Ausübungsbereichs festgelegt ist, klarstellt, dass § 1023 I 1 Hs. 1 BGB auch in diesem Fall Anwendung findet. Dass es im Rahmen des Tatbestandes des § 1021 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB allein darauf ankommt, dass die Ausübungsfläche nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kleiner ist als die Fläche des belasteten Grundstücks, es aber keine Rolle spielt, ob nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit auch eine bestimmte Lage für diese Fläche auf dem belasteten Grundstück, ein Ausübungsort, vorgesehen ist, bestätigt folgende Überlegung: § 1021 I 2 BGB, wonach § 1021 I 1 BGB auch in den Fällen gilt, in denen der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist, wäre schlichtweg überflüssig, wenn § 1021 I 1 BGB voraussetzen würde, dass die Parteien die Lage der Ausübungsfläche zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gemacht haben. Dann nämlich

samtbelastung des Grundstücks ohne Angabe der Ausübungsstelle unvollständig ist, d.h. eine Regelungslücke enthält“, wenn „die Bezeichnung der Ausübungsstelle bei verständiger Würdigung der Vereinbarung – sinnvoll zu Ende gedacht – hätte erfolgen müssen.“; ausdrücklich offen gelassen von BGH DNotZ 2002, 721, 723 f.). Dieser Auffassung wird von der Gegenauffassung (Böttcher Rpfleger 1984, 229, 229; Dümig DNotZ 2002, 725, 729; Kummer jurisPR-BGHZivilR 50/2005 Anm. 3; Staudinger/ Mayer § 1018 RdNr. 68; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 39a; wohl auch BGH NJW 1984, 2210, 2211 f.; ausdrücklich offen gelassen von BGH DNotZ 2002, 721, 723; BGH NJW 1981, 1781, 1782; wohl auch NK-BGB/Otto § 1018 RdNr. 69) zu Recht entgegengehalten, dass das Gesetz die von § 1023 I 2 BGB vorausgesetzte Möglichkeit, die Lage des Ausübungsbereichs nicht zum Inhalt der Grunddienstbarkeit zu machen, sondern der tatsächlichen Ausübung durch den Berechtigten zu überlassen, nicht auf bestimmte Fälle beschränkt (Böttcher Rpfleger 1984, 229, 229; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 68; Soergel/Stürner § 1018 RdNr. 39a). Auch wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Begriff der „essentiellen Bedeutung“ aufgrund seiner Unbestimmtheit zu Abgrenzungsproblemen und damit zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt (Böttcher Rpfleger 1984, 229, 229; Staudinger/Mayer § 1018 RdNr. 68). 679 Siehe S. 301 ff.

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hätten die Parteien den Teil, auf den sich die Ausübung der Grunddienstbarkeit beschränkt, ja gerade durch Rechtsgeschäft bestimmt; § 1021 I 2 BGB bedürfte es nicht. cc) Besondere Beschwerlichkeit der Ausübung an der bisherigen Stelle Des Weiteren setzt § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB voraus, dass die Ausübung an der bisherigen Stelle für den Eigentümer des belasteten Grundstücks besonders beschwerlich ist. Dies ist nach allgemeiner Auffassung der Fall, wenn die Benutzung gerade der vom Grunddienstbarkeitsberechtigten in Anspruch genommenen Teilfläche des belasteten Grundstücks für dessen Eigentümer nicht nur eine bloße Unbequemlichkeit680, sondern einen erheblichen Nachteil mit sich bringt681; anhand welcher Kriterien sich eine bloße Unbequemlichkeit von einem erheblichen Nachteil unterscheiden lässt, bleibt dabei offen. Auf welche Ursache die besondere Beschwerlichkeit der Ausübung auf dieser Fläche zurückzuführen ist, soll nach allgemeiner Auffassung keine Rolle spielen682. So ist man sich einig, dass es – wie sich bereits dem Wortlaut des § 1023 I 1 Hs. 1, Hs. 2 BGB entnehmen lässt – insbesondere nicht darauf ankommen kann, ob die besondere Beschwerlichkeit auf einer willkürlichen oder fahrlässigen Handlung des Grunddienstbarkeitsberechtigten beruht683. Auch herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es keine Rolle spielen kann, ob der Nachteil schon bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit, also von Anfang an, vorhanden 680 OLG Düsseldorf MittBayNot 2000, 321, 322; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 2a. 681 OLG München BeckRS 2008, 11184 § 1023 RdNr. 4; OLG Düsseldorf MittBayNot 2000, 321, 322; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12; ähnlich NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 9, wonach es sich „jedenfalls nicht bloß um kleinere Unbequemlichkeiten“ handeln darf; ähnlich auch Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 3: „Kleine Unbequemlichkeiten muss der Eigentümer hinnehmen.“ 682 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 11. 683 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12. In ihrer Sitzung vom 6. Oktober 1884 lehnte die erste Kommission einen Antrag von v. Weber, nach dem die Verlegung der Ausübungsstelle ebenso wie die Einräumung eines Notweges voraussetzen sollte, dass die Erschwerung der Ausübung weder von dem Eigentümer des dienenden Grundstücks noch von dessen Rechtsvorgänger vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt sei (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 79), mit der Begründung ab, dass die Vorschrift ansonsten einen Großteil ihrer praktischen Bedeutung verlöre (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 80; Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270). Außerdem sei die Einräumung eines Notwegerechts ein viel schärferer Eingriff in das Recht des Eigentümers als es die Verlegung der Ausübungsstelle der Grunddienstbarkeit auf eine ebenso geeignete Stelle in das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten sei (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 80).

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war oder erst später aufgrund einer Veränderung der äußeren Umstände eingetreten ist684. b) Rechtsfolge des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB erfüllt, räumt diese Norm nach allgemein vertretener Auffassung dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen schuldrechtlichen Anspruch darauf ein, die Ausübung der Grunddienstbarkeit von der Stelle, auf der sie bisher ausgeübt worden ist, auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle zu verlegen. 684 So die ganz herrschende Auffassung (Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 3; MüKo/ Joost § 1023 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 12023 RdNr. 12; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 2; Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 3). Von einer Mindermeinung wird der Tatbestand des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB lediglich bei einer nachträglich eingetretenen besonderen Beschwerlichkeit als erfüllt angesehen (NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 10; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 2a; dieser allerdings mit der Einschränkung, dass der Tatbestand des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB beim Vorliegen „besonderer Umstände“ auch bei einer von Anfang an vorliegenden Erschwernis erfüllt sein soll; nach welchen Kriterien die „Besonderheit“ der Umstände im Einzelfall beurteilt werden soll, lässt er allerdings offen). Als Begründung führt die Mindermeinung an, dass es der Eigentümer des dienenden Grundstücks bei einer von Anfang an bestehenden Beschwerlichkeit selbst in der Hand gehabt habe, den Ausübungsbereich für sich günstiger festzulegen (NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 10; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 2a). Gegen die Mindermeinung, die den Tatbestand des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB nur bei einer nachträglich eingetretenen besonderen Beschwerlichkeit als erfüllt ansieht, spricht nicht nur der Wortlaut des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB, der das Erfordernis des erst nachträglichen Eintritts der die besondere Beschwerlichkeit begründenden Umstände nicht vorsieht. Auch die Entstehungsgeschichte des § 1023 BGB spricht gegen diese Auffassung. Setzte § 972 des Entwurfs erster Lesung (zum Wortlaut der Norm sogleich auf S. 312) noch voraus, dass sich „in Folge einer Veränderung der Umstände“ die Ausübung der Grunddienstbarkeit für den Eigentümer des dienenden Grundstücks an der bisherigen Stelle als besonders beschwerlich erweist (dazu Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 80), strich die zweite Kommission diese auch in § 262 von Johows Vorentwurf (zum Wortlaut der Norm siehe S. 311) nicht enthaltene Voraussetzung in § 934 des Entwurfs zweiter Lesung, der § 1023 BGB im Wesentlichen entspricht (dazu S. 314), wieder. Diese Entscheidung wird in den Protokollen zum einen mit der Schwierigkeit begründet, die bei der Begründung der Grunddienstbarkeit bestehenden Umstände zu ermitteln (Protokolle III, S. 3910 = Mugdan, Materialien III, S. 736). Zum anderen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich „im volkswirthschaftlichen Interesse eine gewisse Entlastung des Eigenthümers des dienenden Grundstücks herbeizuführen“ (Protokolle III, S. 3911 = Mugdan, Materialien III, S. 736; siehe dazu ausführlich S. 317 ff.) dagegen sprechen, die Verlegung der Ausübungsstelle davon abhängig zu machen, ob die besondere Beschwerlichkeit erst aufgrund einer nachträglichen Veränderung der tatsächlichen Umstände eingetreten ist oder bereits bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit vorhanden war. Einigkeit zwischen der herrschenden Ansicht und der Mindermeinung herrscht insofern, als dass es in dem Fall, dass die besondere Beschwer bei Bestellung der Grunddienstbarkeit noch nicht vorhanden war, unerheblich sein soll, ob die Möglichkeit des künftigen Eintritts der besonderen Beschwerlichkeit zu diesem Zeitpunkt bereits vorhersehbar war (OLG München BeckRS 2008, 11184; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 11; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 2).

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aa) Andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle Ob die neue Stelle für den Berechtigten ebenso geeignet ist wie die bisherige, wird dabei anhand des Inhalts der Grunddienstbarkeit, also anhand des Inhalts des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts, bestimmt685. Es wird darauf abgestellt, ob die neue Ausübungsstelle in wirtschaftlicher Hinsicht gleichwertig ist und dem Berechtigten im Wesentlichen die gleichen Vorteile und Annehmlichkeiten bietet686. Geringfügige Unannehmlichkeiten, wie etwa einen kleineren Umweg687, soll der Berechtigte allerdings in Kauf nehmen müssen688. Von einer Auffassung wird zusätzlich eine Abwägung der gegenseitigen Interessen des Eigentümers des herrschenden und des Eigentümers des dienenden Grundstücks vorgenommen689. Gegen eine gegenseitige Interessenabwägung spricht jedoch bereits der Wortlaut der Vorschrift, welcher eine solche nicht vorsieht. Die Gegner einer gegenseitigen Interessenabwägung 690 führen zudem an, dass § 1023 BGB zwar Ausdruck einer Abwägung der gegenseitigen Interessen durch den Gesetzgeber sei, diese aber selbst nicht fordere691, sondern die Interessen des Grunddienstbarkeitsberechtigten dadurch wahre, dass die Verlegung nur auf eine ebenso geeignete Stelle erfolgen dürfe und der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Kosten der Verlegung zu tragen habe692. bb) Der Begriff der „Verlegung“ gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB Bei aller Einigkeit darüber, dass § 1023 I 1. Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten begründen soll, gehen die Auffassungen bezüglich des Inhalts dieses Anspruchs doch insofern auseinander, als die Frage, auf welches 685 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 13; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 13; OLG Karlsruhe BeckRS 2014, 09287. 686 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 13; ähnlich NKBGB/Otto § 1023 RdNr. 13 (Berücksichtigung jedes „vernünftige[n]“ Interesses an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes mit besonderem Gewicht auf der Gleichwertigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht). 687 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 13; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 441; RG Gruchot 48 (1904), 105, 107 (in diesem Fall allerdings Vorliegen eines erheblichen Umweges). 688 RG Gruchot 48 (1904), 105, 107 („unerhebliche Unbequemlichkeit“); MüKo/ Joost § 1023 RdNr. 5; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 13; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 2; Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 441. 689 AK-BGB/Ott § 1023 RdNr. 2; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 2; Bamberger/Roth/ Wegmann § 1023 RdNr. 4. 690 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 4; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 9 (allerdings jeweils behandelt beim Tatbestandsmerkmal der besonderen Beschwerlichkeit). 691 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 4. 692 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 12; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 9.

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Verhalten dieser Anspruch gerichtet sein soll, wie also die Verlegung der Ausübungsstelle zu bewirken sein soll, unterschiedlich beantwortet wird693. Im Folgenden werden die verschiedenen Ansichten lediglich dargestellt. Erst wenn die sich anschließende Untersuchung ergeben sollte, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB tatsächlich einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, wird auf die Frage, auf welches Verhalten dieser Anspruch gerichtet ist, zurückzukommen sein694. Nach herrschender Ansicht695 soll der Verlegungsanspruch gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB nicht in jedem Fall den gleichen Inhalt haben. Es sei vielmehr danach zu unterscheiden, ob die Lage des Bereichs, auf dem die Grunddienstbarkeit ausgeübt werden dürfe, gemäß § 1023 I 2 BGB als Inhalt der Grunddienstbarkeit festgelegt worden sei, oder ob nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Lage des Ausübungsbereichs offen gelassen und die Entscheidung hierüber dem Grunddienstbarkeitsberechtigten, seiner tatsächlichen Ausübung, überlassen worden sei. Ist die Lage des Ausübungsbereichs, die Ausübungsstelle, nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit festgelegt, so soll der Verlegungsanspruch auf eine Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit, also auf die Mitwirkung am Abschluss eines entsprechenden dinglichen Vertrages gemäß §§ 877, 873 I BGB und die Abgabe der entsprechenden Eintragungsbewilligung, gerichtet sein696. Worauf der Anspruch gerichtet sein soll, wenn die Lage des Ausübungsbereichs nicht zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört, sondern der tatsächlichen Ausübung durch 693

Zum Streitstand siehe Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 16 f. Siehe dazu S. 321 f. 695 BGH NJW-RR 2006, 237, 238; Böttcher Rpfleger 1984, 229, 229; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 8; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 4; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht RdNr. 1164; Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 8; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 5. 696 Nach einigen Anhängern der Auffassung, nach der die Parteien bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit zur Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes die Lage des Ausübungsbereichs als Inhalt der Grunddienstbarkeit festsetzen müssen, wenn die Lage von „essentieller Bedeutung“ ist (siehe dazu oben S. 297 Fn. 678), soll der Verlegungsanspruch aus § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB – in Parallele zur Bestellung der Grunddienstbarkeit – auch in den Fällen auf eine Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit gerichtet sein, in denen zwar keine rechtsgeschäftliche Festsetzung der Lage des Ausübungsbereichs erfolgt, diese aber von „essentieller Bedeutung“ sei (RGRK/Augustin § 877 RdNr. 11; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 4; Soergel (1989)/Stürner § 1023 RdNr. 8). Dies ist widersprüchlich. Denn geht man mit dieser Auffassung davon aus, dass in dem Fall, dass die Lage des Ausübungsbereichs von „essentieller Bedeutung“ ist, der Bestimmtheitsgrundsatz nur dann gewahrt ist, wenn die Lage des Ausübungsbereichs bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit als deren Inhalt festgesetzt wird, kann es eine Grunddienstbarkeit, bei der zwar keine rechtsgeschäftliche Festsetzung der Lage des Ausübungsbereichs erfolgt ist, die Lage des Ausübungsbereichs aber von essentieller Bedeutung ist, schlicht nicht geben. Die Bestellung einer solchen Grunddienstbarkeit wäre mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam (so auch Staudinger/Gursky § 877 RdNr. 16). 694

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den Berechtigten überlassen ist, wird, ohne dass man sich dessen bewusst zu sein scheint, innerhalb dieser Ansicht unterschiedlich beantwortet. Teils wird die tatsächliche Verlegung der Ausübungsstelle als Anspruchsinhalt genannt697. Teils ist davon die Rede, dass der Anspruch auf den Abschluss einer Regelung über die Ausübung der Dienstbarkeit gerichtet sei698. Gegen die Unterscheidung der herrschenden Meinung danach, ob die Lage der Ausübungsfläche als Inhalt der Grunddienstbarkeit durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung festgelegt oder der Wahl des Grunddienstbarkeitsberechtigten überlassen ist, wendet Mayer699 ein, dass auch in letzterem Fall in den Inhalt des dinglichen Rechts eingegriffen werde. Schließlich werde die freie Befugnis des Berechtigten zur Lokalisierung einer Ausübungsmöglichkeit zumindest teilweise eingeschränkt700. Solle diese Veränderung des dinglichen Rechts auch Dritten gegenüber wirksam werden, bedürfe es daher auch in diesem Fall einer Inhaltsänderung gemäß § 877 BGB701. Die Auffassung von Otto702 stimmt mit der herrschenden Ansicht insofern überein, als auch er bezüglich des Inhalts des Verlegungsanspruchs gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB danach differenziert, ob die Lage des Ausübungsbereichs zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehört. Die Lage des Ausübungsbereichs soll jedoch seiner Ansicht nach nicht nur dann zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gehören, wenn diese bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit als Inhalt der Grunddienstbarkeit festgesetzt worden sei, sondern auch dann, wenn die Lage des Ausübungsbereichs zwar bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit offen gelassen worden sei, dem Berechtigten aber die abschließende auch etwaige Rechtsnachfolger bindende Fixierung des Ausübungsbereichs durch tatsächlichen Gebrauch überlassen worden sei703. In beiden Fällen sei der Anspruch 697

RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 4. BGH NJW-RR 2006, 237, 238; Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 8. Unklar Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 5: „Beruht der Ausübungsbereich dagegen nur auf einer Ausübungsregelung, ist die Verlegung nicht eintragungsfähig. Klageweise ist dann der Anspruch auf Unterlassung der beschwerenden Ausübung geltend zu machen.“ Ob es sich der genannte Anspruch auf Unterlassung aus § 1023 I 1 Hs. 1 BGB oder aus § 1004 I 2 BGB ergeben soll, bleibt unklar. 699 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 17. 700 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 17. 701 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 17. Auch nach Auffassung von Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 4 begründet § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB stets einen Anspruch auf Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit durch Einigung und Eintragung. 702 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 19. 703 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 19. Nach Auffassung von Otto (NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 18 i.V. m. Fn. 44, RdNr. 19) soll der BGH in seinem Urteil vom 3. Mai 2002 (BGH DNotZ 2002, 721, 723 f.) entschieden haben, dass die Parteien, wenn sie die Lage des Ausübungsbereichs zum Inhalt der Grunddienstbarkeit machen wollten, diese nicht bereits bei der Bestellung der Dienstbarkeit als deren Inhalt festlegen müssten, sondern die Festlegung der Lage des Ausübungsbereichs auch der Wahl des Berech698

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auf Verlegung der Ausübungsstelle gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB daher auf eine Inhaltsänderung nach § 877 BGB gerichtet704. In dem Fall hingegen, in dem die Lage des bisherigen Ausübungsbereichs lediglich rein tatsächlich bestimmt worden sei, ohne dass sie damit zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gemacht worden sei, sei keine Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit erforderlich705. In diesem Fall sei der Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle gemäß § 1023 I 1 Hs. 1 BGB daher lediglich auf die Unterlassung der Ausübung der Grunddienstbarkeit an der bisherigen Stelle gerichtet706. c) Weitere Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten Ausgehend von der Annahme, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten auf Verlegung der Ausübungsstelle der Grunddienstbarkeit und damit eine entsprechende Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten begründet, gesteht die allgemein vertretene Auffassung dem Eigentümer des dienenden Grundstücks im Falle einer Verletzung dieser Pflicht die Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 280 ff. BGB zu707. So hebt Mayer ausdrücklich hervor, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks, wenn der Anspruch auf Verlegung nicht erfüllt werde, den Verzugsschaden ersetzt verlangen könne708. Neben dem Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB soll dem Eigentümer des dienenden Grundstücks für den Fall, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Grunddienstbarkeit weiterhin an der bisherigen Stelle ausübt, gegen diesen aufgrund der in diesem Verhalten liegenden und von der Grunddienstbarkeit nicht gedeckten Eigentumsbeeinträchtigung ein Anspruch auf Unterlassung der Ausübung an dieser Stelle gemäß § 1004 I 2 BGB zustehen709. tigten, seiner tatsächlichen Ausübung, überlassen könnten. Der BGH hat jedoch in dieser Entscheidung lediglich ausgeführt, dass die Lage des Ausübungsbereichs nicht rechtsgeschäftlich bestimmt werden müsse, sondern die Wahl des Ausübungsbereichs auch der tatsächlichen Ausübung durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten überlassen werden könne. Davon, dass die Lage des Ausübungsbereichs, die der Berechtigte durch seine tatsächliche Ausübung gewählt habe, zum Inhalt der Grunddienstbarkeit werde, sofern nur die Parteien dies vereinbart hätten, ist in dem Urteil jedoch nicht die Rede. 704 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 19. 705 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 19. 706 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 19. 707 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 8. 708 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 20. 709 Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 4; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 9; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 20; so ausdrücklich für den Fall, dass die Lage des Ausübungsbereichs nicht Inhalt der Grunddienstbarkeit ist, sondern deren Wahl der tatsächlichen Ausübung durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten überlassen wurde, auch NK-BGB/Otto

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d) Analoge Anwendungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB nicht um eine Ausnahmevorschrift, sondern lediglich um eine Konkretisierung des allgemeinen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten handle710, wird § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB in der Literatur auf die unterschiedlichsten Fälle analog angewendet711. Die Fälle, in denen eine analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB diskutiert wird, sollen an dieser Stelle lediglich kurz dargestellt werden. Erst im Anschluss an die Untersuchung der Frage, ob § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB überhaupt einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, wird gegebenenfalls darauf einzugehen sein, inwieweit sich in analoger Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB auch in anderen Fällen schuldrechtliche Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ergeben können712. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB soll nach vielfach vertretener Auffassung713 auf den Fall analog anwendbar sein, dass zwar auf dem dienenden Grundstück keine andere Stelle für die Ausübung der Grunddienstbarkeit ebenso geeignet sei wie die bisherige Ausübungsstelle, eine solche Stelle aber auf einem anderen, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ebenfalls gehörenden Grundstück714 vor§ 1023 RdNr. 23 f. bezüglich des Falls, dass die Lage des Ausübungsbereichs Inhalt der Dienstbarkeit ist, spricht dieser lediglich von einer „Unterlassungsklage“, ohne jedoch eine Anspruchsgrundlage zu nennen. RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 4 erwähnt den Anspruch aus § 1004 I 2 BGB neben dem Anspruch aus § 1021 I 1 Hs. 1 BGB nur im Zusammenhang mit dem Fall, dass die Lage des Ausübungsbereichs nicht als Inhalt der Grunddienstbarkeit festgelegt wurde. 710 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 2; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 30; ähnlich MüKo/Joost § 1023 RdNr. 1; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 8; die beiden letzteren sehen § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB als Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB an. 711 Für eine Übersicht über die in der Literatur diskutierten Fälle siehe: NK-BGB/ Otto § 1023 RdNr. 31 ff.; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 9 ff. 712 Siehe dazu S. 325 ff. 713 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 6; Kohler AcP 37 (1897), 157, 235; AK-BGB/Ott § 1023 RdNr. 2; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 31 („nur im Ausnahmefall“); Soergel/ Stürner § 1023 RdNr. 6; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 9; Weimar JR 1980, 361, 362; wohl auch AK-BGB/Ott § 1023 RdNr. 2; gegen eine analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB: Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 14; wohl auch RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 3. 714 Entsprechend wird für den Fall einer sogenannten „echten“ Teilbelastung gemäß § 7 Abs. 2 GBO i.V. m. § 2 Abs. 3 GBO analog die analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB befürwortet, wenn lediglich auf dem mit der Grunddienstbarkeit nicht belasteten Grundstücksteil eine für die Ausübung der Grunddienstbarkeit ebenso geeignete Stelle vorhanden ist (MüKo/Joost § 1023 RdNr. 3; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 31).

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

handen sei715. In diesem Fall habe der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB analog einen Anspruch auf die Mitwirkung sowohl an der Bestellung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit auf dem anderen Grundstück gemäß § 873 BGB als auch an der Aufhebung der bestehenden Grunddienstbarkeit gemäß § 875 BGB716. Auch wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB analog anzuwenden sei, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit an der bisherigen Stelle nicht für den Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern für den Grunddienstbarkeitsberechtigten besonders beschwerlich sei717. In analoger Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB habe der Grunddienstbarkeitsberechtigte gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks einen Anspruch auf Verlegung der Ausübung auf eine Stelle, auf der – bei gleicher Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks – die Ausübung der Grunddienstbarkeit für ihn weniger beschwerlich sei. Teile der Literatur befürworten darüber hinaus eine doppelte analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB derart, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte vom Eigentümer des dienenden Grundstücks eine Änderung der Grunddienstbarkeit dergestalt verlangen könne, dass das bisher herrschende Grundstück durch ein anderes ersetzt werde718. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB soll zudem nach vielfach vertretener Ansicht auch auf die Fälle analog anwendbar sein, in denen der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht die Verlegung der Lage des Ausübungsbereichs, sondern eine Abänderung der „Art der Ausübung“ der Grunddienstbarkeit verlangt719. In doppelter Analogie zu § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 715 Für eine direkte Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB allerdings Wolff/Raiser, Sachenrecht, S. 441 Fn. 9; gegen eine direkte Anwendung ausdrücklich RG Gruchot 48 (1904), 105, 107; Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 3; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 14; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 3; Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 6. 716 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 6; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 31; Bamberger/Roth/ Wegmann § 1023 RdNr. 9. 717 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 7; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 35 („nur ausnahmsweise“); Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 10; Weimar JR 1980, 361, 362. Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 7 leitet einen entsprechenden Anspruch aus § 242 BGB ab (ebenso Erman/Grziwotz § 1023 RdNr. 1; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 3); damit setzt er sich freilich in Widerspruch zu seiner an anderer Stelle (Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 2) getroffenen Aussage, dass es systematisch richtiger sei, § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB analog anzuwenden, als § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB sehr eng zu interpretieren und dann mit der Generalklausel des § 242 BGB zu arbeiten. Generell gegen einen Verlegungsanspruch des Berechtigten spricht sich Soergel/Stürner § 1023 RdNr. 1 aus. Gegen das Bestehen eines Verlegungsrechts des Eigentümers des herrschenden Grundstücks ist Kohler AcP 37 (1897), 157, 237. 718 Heck, Sachenrecht, S. 306; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 7. 719 Kohler AcP 37 (1897), 157, 233 f.; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 2; Soergel/ Stürner § 1023 RdNr. 1; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 11; so auch BGH MDR 1981, 743, 743; wohl auch NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 33.

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BGB wird zum Teil auch dem Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf eine Änderung der Art der Ausübung der Grunddienstbarkeit gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks zugestanden720. 2. § 1023 I 1 Hs. 2 BGB Nach allgemein vertretener Auffassung begründet § 1023 I 1 Hs. 2 BGB, wonach der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Kosten der Verlegung zu tragen und vorzuschießen hat, einen schuldrechtlichen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks721. Zu den Kosten der Verlegung werden dabei sämtliche für eine etwaige Grundbuchänderung anfallende Kosten722 sowie alle Aufwendungen gezählt, die der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Einstellung der Nutzung an der bisherigen Stelle sowie für die zur Ausübung seines Rechts an der neuen Stelle erforderlichen Einrichtungen machen muss723. Bisweilen wird in der Literatur besonders betont, dass es sich bei der durch § 1023 I 1 Hs. 2 BGB begründeten Pflicht, die Verlegungskosten zu tragen und vorzuschießen, um eine persönliche Schuld des die Verlegung verlangenden Eigentümers des dienenden Grundstücks handle, welche nicht als dingliche Last auf dem Grundstück ruhe724. Anders als der Anspruch auf Verlegung der Ausübung der Grunddienstbarkeit wird also der im selben Paragraphen geregelte Anspruch auf Tragung der Kosten dieser Verlegung nicht als Teil des zum Inhalt des dinglichen Rechts gehörenden und damit auch etwaige Rechtsnachfolger bindenden gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses angesehen. Eine Begründung hierfür sucht man in der Literatur allerdings vergeblich. 720

Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 11. MüKo/Joost § 1023 RdNr. 10; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 19; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 5. 722 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 10; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 18; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 27; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 6. 723 BGH WM 1976, 274, 276 f.; MüKo/Joost § 1023 RdNr. 10; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 18; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 27; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 5; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 6. 724 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 10; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 19; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 5. Diese Aussage suggeriert, dass es dingliche Belastungen geben kann, die eine Pflicht zu einem bestimmten Verhalten zum Inhalt haben. Jedoch sind dingliche Belastungen, welche eine Pflicht einer Person zu einem bestimmten Verhalten zum Inhalt haben, schon nach der im BGB gewählten Konstruktion der dinglichen Rechte als Herrschaftsrechte einer Person an einer Sache nicht möglich (siehe dazu S. 51 f.). Geht man davon aus, dass § 1023 I 1 Hs. 2 BGB eine Pflicht zur Tragung der Verlegungskosten begründet, kann sich daher alleine die Frage stellen, ob diese Pflicht, die in der Person des die Verlegung verlangenden Eigentümers entstanden ist, bei einem Eigentümerwechsel möglicherweise auf den neuen Eigentümer übergeht oder in dessen Person neu entsteht. Für beides bedürfte es jedoch einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung, für die vorliegend jegliche Anhaltspunkte fehlen. 721

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3. Privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten, § 1023 II BGB Gemäß § 1023 II BGB kann das Recht auf Verlegung nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Vereinbarungen zu Lasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks sind demnach also unwirksam. Vereinbarungen, die von der Regelung des § 1023 I BGB zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks abweichen, sollen nach allgemein vertretener Auffassung hingegen wirksam sein725. So sollen die Voraussetzungen des Verlegungsanspruchs gemäß § 1021 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB erleichtert werden können726. Auch soll es möglich sein, vorab eine Regelung über die Verteilung der Kosten einer etwaigen Verlegung der Ausübungsstelle zu treffen, die zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks von der Regelung des § 1023 I Hs. 2 BGB abweicht727. Darüber hinaus hält eine Auffassung es für möglich, die Stelle, auf die die Ausübung der Grunddienstbarkeit verlegt werden soll, von vorneherein festzulegen728. Otto hingegen steht der Möglichkeit einer vorherigen Festlegung der neuen Ausübungsstelle eher ablehnend gegenüber729. Schließlich – so seine Begründung – werde durch eine vorherige Festlegung der neuen Ausübungsstelle entgegen der Anordnung des § 1023 II BGB insofern zulasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB abgewichen, als es für das Bestehen des Verlegungsanspruchs nur noch auf die alternative Ausübung an dieser einen im Vorhinein festgelegten Stelle ankomme730. Ausgehend von der Annahme, dass der ihrer Meinung nach von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründete schuldrechtliche Verlegungsanspruch Teil eines gesetzlichen Begleitschuldverhältnis sei731, das zum Inhalt des dinglichen Rechts gehöre732, misst die allgemein vertretene Auffassung folgerichtig auch einer von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks abweichenden Vereinbarung dingliche, also auch etwaige Rechtsnachfol-

725 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 11; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 21; NK-BGB/ Otto § 1023 RdNr. 37. 726 Amann DNotZ 1982, 396, 411; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 37; Bamberger/ Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 7. 727 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 11; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 22; NK-BGB/ Otto § 1023 RdNr. 37; RGRK/Rothe § 1023 RdNr. 5; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 7. 728 Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 22; Bamberger/Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 7. 729 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 37. 730 NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 37. 731 Siehe dazu S. 294. 732 Siehe dazu ausführlich S. 175 ff.

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ger bindende733, Wirkung bei734. Zudem nimmt sie in konsequenter Fortführung ihrer Auffassung an, dass eine solche von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB abweichende Vereinbarung als Inhalt des dinglichen Rechts zu ihrer Wirksamkeit gemäß § 873 I BGB der Einigung und der Eintragung ins Grundbuch bedürfe735. II. Untersuchung des § 1023 BGB 1. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB Wie soeben ausgeführt, geht die allgemein vertretene Auffassung davon aus, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten auf Verlegung der Lage des Ausübungsbereichs begründet. Dieser Anspruch soll Teil eines zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten bestehenden gesetzlichen Begleitschuldverhältnisses sein, das zum Inhalt des dinglichen Rechts gehört. Ob diese Auffassung tatsächlich zutreffend ist, soll im Folgenden untersucht werden. Dabei gilt es in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch begründet (a). Sollte dies der Fall sein, wird in einem zweiten Schritt zu untersuchen sein, ob dieser schuldrechtliche Anspruch zum Inhalt des dinglichen Rechts gehört (b). Erst wenn die Untersuchung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB ergeben sollte, dass dieser einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, können zudem die umstrittenen Fragen nach dem Inhalt dieses Anspruchs (c) und nach der Möglichkeit, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dieses Anspruchs privatautonom abzuändern (d), beantwortet werden. Sollte § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch begründen, könnte dies das Entstehen weiterer schuldrechtlicher Ansprüche zur Folge haben. Auch hierauf wird gegebenenfalls einzugehen sein (e). In diesem Zusammenhang wird außerdem zu klären sein, ob dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten (noch) andere Ansprüche zustehen, mit denen er die Verlegung der Ausübungsstelle erreichen kann. Schließlich wird die analoge Anwendbarkeit des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB auf andere gesetzlich nicht geregelte Sachverhalte zu prüfen sein (f).

733

NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 38. MüKo/Joost § 1023 RdNr. 11; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 22; Bamberger/ Roth/Wegmann § 1023 RdNr. 7. 735 MüKo/Joost § 1023 RdNr. 11; NK-BGB/Otto § 1023 RdNr. 38; Bamberger/Roth/ Wegmann § 1023 RdNr. 7. 734

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

a) Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs durch § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB? aa) Wortlaut Die in § 1023 I 1 Hs. 1 BGB gebrauchte Formulierung „kann der Eigentümer die Verlegung [. . .] verlangen“ spricht dafür, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten begründet. Schließlich ist diese Formulierung weitgehend parallel zu der in § 194 I BGB enthaltenen Legaldefinition des Anspruchs als dem „Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“ formuliert. § 1023 I 1 Hs. 1 BGB ist lediglich insofern nicht parallel zu dieser Legaldefinition des Anspruchs formuliert, als hier nicht – wie es parallel zu § 194 I BGB heißen müsste – die Formulierung „hat der Eigentümer das Recht, die Verlegung zu verlangen“ verwendet ist, sondern stattdessen die Formulierung „kann der Eigentümer die Verlegung verlangen“ gebraucht ist. Dabei handelt es sich angesichts dessen, dass die Formulierung „kann etwas tun“ synonym zu der Formulierung „das Recht haben, etwas zu tun“ ist, freilich um einen rein sprachlichen Unterschied. Der Wortlaut des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB deutet also darauf hin, dass diese Norm einen Anspruch begründet. Ob es sich dabei um einen schuldrechtlichen oder einen dinglichen Anspruch handelt, lässt sich anhand des Wortlauts freilich nicht erkennen. Schließlich lassen sich diese Ansprüche – wie bereits ausgeführt736 – lediglich anhand der Funktion, die ihnen innerhalb der Rechtsordnung zukommt, unterscheiden. bb) Entstehungsgeschichte (1) Johows Vorentwurf Anders als die Digesten, die – soweit ersichtlich – keine Regelung über die Verlegung der Lage des Ausübungsbereichs bei der Grunddienstbarkeit enthalten, sahen die meisten partikularrechtlichen Gesetzesbücher737 und partikular736 Dazu, dass sich anhand des Wortlauts einer Norm nicht erkennen lässt, ob eine Norm einen schuldrechtlichen oder einen dinglichen Anspruch begründet, siehe oben S. 197 ff. 737 Siehe zum Beispiel Artikel 701 Absatz 3 des Badischen Landrechts, welcher lautet: „Wäre inzwischen diese ursprüngliche Anweisung dem Eigenthümer des belasteten Grundstücks wegen neuerer Verhältnisse beschwerlicher geworden, oder hinderte sie ihn etwa, nützliche Verbesserungen dort vorzunehmen; so darf er dem Eigenthümer des andern Grundstücks einen zur Ausübung seiner Rechte gleich bequemen Platz anweisen, und dieser ihn nicht ausschlagen.“ Siehe auch § 706 des privatrechtlichen Gesetzbuchs für den Kanton Zürich (1856), welcher lautet: „Läßt sich die Ausübung der Dienstbarkeit ohne Nachtheil für den Berechtigten von einer Stelle des belasteten Grundstückes auf eine andere übertragen, so kann der Berechtigte auf das Begehren des belasteten Eigenthümers diese Versetzung nicht versagen.“ Im Gegensatz dazu bestimmt § 552 des

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rechtlichen Gesetzesentwürfe738 Regelungen vor, wonach der Eigentümer des dienenden Grundstücks unter bestimmten Voraussetzungen vom Grunddienstbarkeitsberechtigten die Verlegung der Lage des Ausübungsbereichs verlangen konnte. Aus diesem Grund sah sich Johow veranlasst, auch in seinen Vorentwurf eine Regelung über die Verlegung der Ausübungsstelle aufzunehmen739. In § 262 seines Vorentwurfs740 ist geregelt: „Ist bei einer Grunddienstbarkeit der Ort der Ausübung bestimmt, und erweist sich die Ausübung der Berechtigung an diesem Orte als besonders beschwerlich für den Eigenthümer des dienenden Grundstücks, so ist derselbe befugt, von dem Berechtigten die Verlegung der Ausübung auf einen anderen bestimmten und ebenso geeigneten Ort unter Uebernahme aller mit der Verlegung verbundenen Kosten zu fordern.“

Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass § 262 des Vorentwurfs eine Regelung nur für den Fall enthält, dass „bei der Grunddienstbarkeit der Ort der Ausübung bestimmt“ ist. Ausweislich seines Wortlauts setzt § 262 des Vorentwurfs also nicht nur voraus, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Fläche des Ausübungsbereichs kleiner ist als die des belasteten Grundstücks. Vielmehr muss auch die Lage dieses Ausübungsbereichs als Inhalt der Grunddienstbarkeit festgelegt sein741. Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1863): „Ist die Richtung des Fußsteiges, der Viehtreibe oder des Fahrweges bei der Bestellung bestimmt oder während der Ersitzungszeit nur eine Richtung beobachtet worden, so kann weder der Berechtigte noch der Verpflichtete die Verlegung verlangen.“ 738 So § 285 Absatz 2 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern III (1864), welcher lautet: „Ist der Ort der Ausübung im Erwerbstitel bezeichnet, so kann gleichwohl der Eigenthümer der dienenden Sache aus erheblichen Gründen unter Uebernahme aller damit verbundenen Kosten dem Berechtigten einen anderen gleich geeigneten Ausübungsort anweisen.“; ebenso Artikel 75 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Großherzogthum Hessen Band 2,1 Titel 4 (1845), welcher lautet: „Wird die, durch den Erwerbstitel oder durch das Gericht angewiesene Stelle später dem Eigenthümer des dienenden Gutes eingetretener Verhältnisse wegen lästiger, oder verhindert sie ihn, Verbesserungen mit dem Gute vorzunehmen, so ist er unter Uebernahme aller hiermit verbundenen Kosten befugt, dem Eigenthümer des herrschenden Gutes eine andere, zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gleich bequeme Stelle anzuweisen, oder durch das Gericht anweisen zu lassen.“ 739 Johow, Sachenrecht II, S. 1214. 740 Johow, Sachenrecht I, S. 44. 741 Für den Fall, dass „die Festsetzung eines bestimmten Ausübungsortes verabsäumt“ ist, bestimmt § 263 des Vorentwurfs: „Ist bei einer Grunddienstbarkeit, deren Ausübung ohne Benachtheiligung des Berechtigten auf einen bestimmten Ort beschränkt werden kann, die Festsetzung eines bestimmten Ausübungsortes verabsäumt, so kann jeder Theil von dem anderen die nachträgliche Festsetzung eines bestimmten Ausübungsortes verlangen. Hierbei gebührt dem Eigenthümer des dienenden Grundstücks die Auswahl des Ortes, doch darf dieselbe nicht zur Beschwerung des Berechtigten gereichen. Gereicht die getroffene Auswahl zur Beschwerung des Berechtigten, so setzt der Richter den Ausübungsort nach freiem Ermessen fest.“ (Johow, Sachenrecht I, S. 45). Bereits in den Entwurf erster Lesung wurde diese Regelung nicht übernommen (siehe dazu Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 81 f.).

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Für diesen Fall räumt § 262 des Vorentwurfs dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Befugnis ein, vom Grunddienstbarkeitsberechtigten die Verlegung der Ausübung auf einen anderen Ort zu fordern. Damit begründet § 262 des Vorentwurfs einen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Berechtigten, der auf eine Änderung des Inhalts des dinglichen Rechts gerichtet ist742. Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch. Denn mit der inhaltlichen Änderung des dinglichen Rechts ist dieser Anspruch auf eine Veränderung der sachenrechtlichen Güterzuordnung und nicht – wie es bei einem dinglichen Anspruch der Fall ist743 – auf deren tatsächliche Verwirklichung durch Beseitigung eines der rechtlichen Güterzuordnung widersprechenden tatsächlichen Zustandes gerichtet. (2) Entwurf erster Lesung Aus den Beratungen der ersten Kommission über die Regelung des § 262 des Vorentwurfs ging § 972 des Entwurfs erster Lesung744 hervor, welcher lautet: „Ist bei einer Grunddienstbarkeit der Ort der Ausübung bestimmt, und erweist sich in Folge einer Veränderung der Umstände die Ausübung des Rechtes an diesem Orte als besonders beschwerlich für den Eigenthümer des dienenden Grundstückes, so ist derselbe befugt, die Verlegung der Ausübung auf einen anderen bestimmten und ebenso geeigneten Ort des dienenden Grundstückes unter Uebernahme aller mit der Verlegung verbundenen Kosten zu fordern. Diese Befugnis kann durch Rechtsgeschäft nicht ausgeschlossen werden.“

Die Regelung des § 262 des Vorentwurfs wurde von der ersten Kommission also fast unverändert in § 972 Satz 1 des Entwurfs erster Lesung übernommen. Sie wurde – worauf an anderer Stelle näher einzugehen sein wird745 – lediglich ergänzt um die beiden Voraussetzungen, dass die besondere Beschwerlichkeit der Ausübung zum einen Folge einer Veränderung der Umstände sein muss und sich die neue Ausübungsstelle zum anderen auf dem dienenden Grundstück befinden muss. Außerdem fügte die erste Kommission als zweiten Satz des § 972 des Entwurfs erster Lesung die Bestimmung hinzu, dass die Verlegungsbefugnis nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden kann. Ebenso wie § 262 des Vorentwurfs begründet demnach auch § 972 I des Entwurfs erster Lesung einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ort der Ausübung festgesetzt ist.

742 So auch Johow, Sachenrecht II, S. 1214 („Die Verlegung gestaltet den Inhalt der Servitut um.“). 743 Siehe dazu S. 199 ff. 744 Mugdan, Materialien III, S. XLII. 745 Siehe dazu S. 325 f.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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Für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Lage des Ausübungsbereichs nicht festgesetzt ist, enthält § 972 I des Entwurfs erster Lesung hingegen wie bereits § 262 des Vorentwurfs keine Regelung. In den Motiven zum Entwurf erster Lesung wird der Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Lage des Ausübungsbereichs nicht festgesetzt ist, dem Fall, dass eine solche Festsetzung stattgefunden hat, sogar gegenüber gestellt, um mithilfe eines Vergleichs dieser beiden Fälle zu begründen, warum lediglich in letzterem Fall ein Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks auf Verlegung der Lage des Ausübungsbereichs, des Ausübungsortes, erforderlich sein soll746: In dem Fall, dass die Grunddienstbarkeit auf verschiedene Art und Weise ausgeübt werden könne, müsse der Grunddienstbarkeitsberechtigte gemäß § 970 S. 1 des Entwurfs erster Lesung stets die Art und Weise der Ausübung wählen, die die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks tunlichst schone747. Sei allerdings nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit eine bestimmte Art und Weise der Ausübung, etwa der Ort der Ausübung, bestimmt, so könne der Eigentümer des dienenden Grundstücks eine abweichende Art der Ausübung auch dann nicht verlangen, wenn dies für den Berechtigten ohne Nachteil sei748. In diesem Fall reiche daher eine Vorschrift, die „wie die Vorschrift des § 970 den Inhalt des Dienstbarkeitsrechtes näher bestimme [. . .] und begrenze [. . .749]“ nicht aus750. Damit der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten auch in diesem Fall die Verlegung des Ausübungsortes verlangen könne, bedürfe es einer Vorschrift, „durch welche dem Berechtigten das Surrogat einer Dienstbarkeit anderen Inhaltes aufgedrängt“ werde751. Diese Begründung, dass, wenn nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort festgelegt sei, der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Verlegung des Ausübungsortes nur dann verlangen könne, wenn ihm das Gesetz einen Anspruch auf eine entsprechende inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit einräume, enthält zugleich die Begründung dafür, warum die erste Kommission in den Entwurf erster Lesung nicht auch für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, einen Verlegungsanspruch aufgenommen hat: Für diesen Fall bedarf es eines solchen Verlegungsanspruchs schlicht nicht. Denn ist nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort, also keine bestimmte Lage des Ausübungsbereichs, festgelegt, so reicht das 746 747 748 749 750 751

Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien Im Original steht der Infinitiv. Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien

III, S. 270. III, S. 270. III, S. 270. III, S. 270. III, S. 270.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Nutzungsrecht an dem dienenden Grundstück nach dem – im Entwurf erster Lesung in § 970 S. 1 geregelten – Grundsatz der schonenden Ausübung752 nur so weit, wie die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks möglichst geschont werden. Wählt der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Ausübung der Grunddienstbarkeit einen bestimmten Ort, obwohl die Ausübung auf einem anderen Ort für ihn gleich geeignet, für den Eigentümer des dienenden Grundstücks aber weniger belastend wäre, so überschreitet er damit die Grenzen seines ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts. Die Nutzung des Grundstückes an der vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gewählten Stelle stellt eine nicht durch das Bestehen der Grunddienstbarkeit gerechtfertigte Beeinträchtigung des Eigentums an dem dienenden Grundstück dar, deren Unterlassung der Eigentümer des dienenden Grundstücks gemäß dem inhaltlich § 1004 I 2 BGB entsprechenden § 943 S. 2 des Entwurfs erster Lesung753 verlangen kann. (3) Entwurf zweiter Lesung Während § 972 des Entwurfs erster Lesung die Verlegung des Ausübungsorts der Grunddienstbarkeit nur für den Fall regelte, dass nach ihrem Inhalt der Ausübungsort festgelegt ist, stellte die zweite Kommission in § 934 des Entwurfs zweiter Lesung754, der – abgesehen von ein paar geringfügigen, rein sprachlichen Abweichungen755 – § 1023 BGB entspricht, eine Regelung auch für den Fall auf, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit der Ausübungsort, also die Lage des Ausübungsbereichs, offen gelassen ist.

752 Siehe zum in § 1020 S. 1 BGB geregelten Grundsatz der schonenden Ausübung S. 205 ff. 753 § 943 des Entwurfs erster Lesung lautet: „Der Eigenthümer hat gegen denjenigen, von welchem sein Eigenthum in anderer Art als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes oder der Inhabung beeinträchtigt wird, soweit die Beeinträchtigung noch fortbesteht, den Anspruch auf Wiederaufhebung derselben; er kann, auch wenn die Beeinträchtigung nicht mehr fortbesteht, die Verurtheilung desjenigen, welcher dieselbe bewirkt hat, zur Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen verlangen, sofern solche nach den Umständen zu besorgen sind.“ (Mugdan, Materialien III, S. XXXVI). 754 § 934 des Entwurfs zweiter Lesung lautet: „Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf einen Theil des belasteten Grundstücks, so kann der Eigenthümer, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist, die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen; die Kosten der Verlegung sind von ihm zu tragen und vorzuschießen. Dies gilt auch dann, wenn der Theil des Grundstückes, auf welchen sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist. Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden.“ (Mugdan, Materialien III, S. XLII; Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 84 f.). 755 Seine Gesetz gewordene Fassung erhielt § 1023 BGB erst als § 1008 der sogenannten (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. VII) Bundestagsvorlage (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 85).

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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Bei der Begründung der Entscheidung „die Voraussetzung, daß der Ort für die Ausübung der Dienstbarkeit bestimmt sei, fallen zu lassen“ 756, wird in den Protokollen zwischen zwei Fällen, in denen nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt sei, unterschieden: Als erster Fall wird der Fall angeführt, in dem die Bestimmung des Ausübungsortes „in dem Sinne unterblieben sei [. . .]757, daß die Befugnis zur Ausübung an jedem beliebigen Orte zum wesentlichen Inhalte der Servitut erhoben werden solle“ 758. In diesem Fall könne „der Berechtigte nicht in der Ausübung beschränkt werden“ 759. Dies folge „aus der weiteren in § 972 [des Entwurfs erster Lesung] aufgestellten Voraussetzung, daß die Verlegung an einen anderen als den bisherigen Ort der Ausübung nur stattfinden dürfe, wenn sie sich ohne Nachteil für den Berechtigten bewirken lasse“ 760. Dabei wird allerdings übersehen, dass der Fall, in dem die Auslegung der Grunddienstbarkeit ergibt, dass das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Nutzungsrecht auf dem gesamten dienenden Grundstück ausgeübt werden darf, von vorneherein nicht in den Anwendungsbereich des § 972 des Entwurfs erster Lesung wie auch des § 934 des Entwurfs zweiter Lesung fällt. Denn da in diesem Fall die Fläche des Ausübungsbereichs deckungsgleich mit der Fläche des belasteten Grundstücks ist761, fehlt es bereits an einer Beschränkung der Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts auf einen Teilbereich des belasteten Grundstücks. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass in einem solchen Fall der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten auch nicht aufgrund des – im Entwurf erster Lesung in § 970, im Entwurf zweiter Lesung in § 931 normierten – Grundsatzes der schonenden Ausübung verlangen kann, dass dieser die Ausübung der Grunddienstbarkeit an der bisherigen Stelle einstellt und stattdessen auf eine andere Stelle verlegt. Denn wie die Untersuchung an anderer Stelle ergeben hat762, dient der Grundsatz der schonenden Ausübung lediglich dazu, die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts festzulegen, wenn deren genauer Verlauf sich nicht durch Auslegung ermitteln lässt. Besteht jedoch keine Unsicherheit über die Grenzen des dinglichen Rechts, weil die Auslegung ergibt, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit der Grunddienstbarkeitsberechtigte zur Ausübung des 756 757 758 759 760 761

Protokolle III, S. 3909 = Mugdan, Materialien III, S. 736. Im Original heißt es: „sein“. Protokolle III, S. 3909 = Mugdan, Materialien III, S. 736. Protokolle III, S. 3910 = Mugdan, Materialien III, S. 736. Protokolle III, S. 3910 = Mugdan, Materialien III, S. 736. Oder in den Fällen der Teilbelastung: mit der Fläche des belasteten Grundstücks-

teils. 762

Siehe oben S. 205 ff.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

durch sie eingeräumten Nutzungsrechts auf dem gesamten belasteten Grundstück berechtigt ist, so kann der Grundsatz der schonenden Ausübung keine Beschränkung des Berechtigten dahingehend zur Folge haben, dass dieser sein Recht nicht in vollem Umfang ausüben darf. Schließlich dient – um es nochmals zu betonen – der Grundsatz der schonenden Ausübung allein der inhaltlichen Bestimmung, nicht aber der Beschränkung des dem Berechtigten durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts. Als zweiten Fall, bei dem nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt sei, wird in den Protokollen der Fall genannt, dass der Ort der Ausübung in dem Sinne nicht näher bestimmt sei, dass der Berechtigte zwar den Ort der Ausübung frei wählen dürfe, „daneben jedoch die Regel des § 970 [des Entwufs erster Lesung] beobachten [solle], die ihn zur thunlichster Schonung der Interessen des Eigenthümers des dienenden Grundstücks verpflichte“ 763. In diesem Fall sei es „nur eine bei richtiger Auslegung sich von selbst ergebende Konsequenz des § 970 [des Entwurfs erster Lesung], wenn der Gesetzgeber bestimme, daß, sofern nicht aus dem speziellen Inhalte des Servitutenrechtes auf die Gestattung der Ausübung an jedem beliebigen Orte zu schließen sei, der Verpflichtete behufs Ausübung den Berechtigten an einen bestimmten Ort verweisen dürfe“ 764. „Diese vom volkswirthschaftlichen Standpunkte wichtige Schlussfolgerung aus dem § 970“ 765 wollte die zweite Kommission „im Gesetze besonders zum Ausdruck [. . .] bringen“ 766. Daher formulierte sie § 943 des Entwurfs zweiter Lesung so, dass dieser lediglich voraussetzt, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Fläche des Ausübungsbereichs kleiner ist als das belastete Grundstück, er aber nicht voraussetzt, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit auch die Lage dieses Ausübungsbereichs festgesetzt ist. Die zweite Kommission erweiterte also zwar die Regelung des § 934 des Entwurfs zweiter Lesung gegenüber § 972 des Entwurfs erster Lesung um den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt, also die Lage des Ausübungsbereichs offen gelassen ist. Jedoch sollte dem Eigentümer des dienenden Grundstücks dadurch für diesen Fall kein Anspruch gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten eingeräumt werden. Es sollte lediglich nochmals gesondert formuliert werden, welche Rechtsfolge sich in diesem Fall aus der Anwendung des in § 931 des Entwurfs zweiter Lesung normierten Grundsatzes der schonenden Ausübung ergibt: Ist die Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts an dem bisherigen Ort für den Eigentümer des dienenden Grundstück besonders beschwerlich und steht

763 764 765 766

Protokolle III, S. Protokolle III, S. Protokolle III, S. Protokolle III, S.

3910 = Mugdan, Materialien 3910 = Mugdan, Materialien 3910 = Mugdan, Materialien 3910 = Mugdan, Materialien

III, S. 736. III, S. 736. III, S. 736. III, S. 736.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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dem Grunddienstbarkeitsberechtigten auf dem dienenden Grundstück ein für die Ausübung gleich geeigneter Ort zur Verfügung, so überschreitet der Grunddienstbarkeitsberechtigte mit der Nutzung des bisherigen Ortes die sich aus dem Grundsatz der schonenden Ausübung ergebenden Grenzen seines ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts. Als Folge hiervon hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 943 S. 2 des Entwurfs zweiter Lesung, welcher inhaltlich § 1004 I 2 BGB entspricht, einen negatorischen Anspruch auf Unterlassung der Ausübung an dem bisherigen Ort, er kann also – um es mit den Worten des § 934 I des Entwurfs erster Lesung zu sagen – die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stellte verlangen. Zusammenfassend sollte der inhaltlich § 1023 BGB entsprechende § 934 des Entwurfs zweiter Lesung also nur für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, einen Anspruch auf Verlegung des Ausübungsortes begründen. (4) Zwischenergebnis Die Entstehungsgeschichte des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB spricht dafür, dass diese Norm nur in dem im zweiten Satz des ersten Absatzes geregelten Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks begründet. Was den ersten Satz des ersten Absatzes anbelangt, spricht die Entstehungsgeschichte der Norm hingegen dafür, dass § 1023 I 1 Hs. 1 BGB für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, lediglich die sich aus § 1004 I 2 BGB ergebende Rechtsfolge formuliert: Ist die Ausübung an der bisherigen Stelle für den Eigentümer des dienenden Grundstück besonders beschwerlich und ist auf dem dienenden Grundstück eine für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle vorhanden, so kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten verlangen, dass er die Ausübung an der bisherigen Stelle unterlässt, die Grunddienstbarkeit also stattdessen auf einer anderen, für die Ausübung ebenso geeigneten Stelle ausübt. cc) Sinn und Zweck Nicht nur die Entstehungsgeschichte des § 1023 I Hs. 1, S. 2 BGB spricht dafür, dass lediglich der zweite Satz des ersten Absatzes dieser Norm einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, der erste Satz dieses Absatzes jedoch lediglich die sich bereits aus § 1004 I 2 BGB i.V. m. § 1020 S. 1 BGB ergebende Rechtsfolge wiederholt. Auch Sinn und Zweck des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB sprechen für diese rechtliche Einordnung.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Welchen Sinn und Zweck § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB innerhalb der Regelungen über die Grunddienstbarkeiten erfüllt, hängt eng mit der Eigentumskonstruktion des BGB767 zusammen. Wie bereits ausgeführt768, verbietet es die Eigentumskonzeption des BGB, ein beschränktes dingliches Recht ins BGB aufzunehmen, wenn kein Grund vorliegt, der es rechtfertigt, den Eigentümer von der Ausübung seiner vollumfänglichen Herrschaftsmacht über die Sache auszuschließen. Der Grund, der den Gesetzgeber bewog, die Grunddienstbarkeit ins BGB aufzunehmen, obwohl sie den Eigentümer des dienenden Grundstücks auf unabsehbare Zeit an der Ausübung seiner vollumfänglichen Herrschaftsmacht insoweit hindert, wie das durch sie eingeräumte Nutzungsrecht reicht, und daher einen besonders schweren Eingriff in die umfassende Herrschaftsmacht des Eigentümers des dienenden Grundstücks darstellt, war – wie ebenfalls bereits ausgeführt769 – ihr „volkswirthschaftliche[r]770 Gewinn“ 771. Dieser besteht darin, dass die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit die Nutzbarkeit und damit den wirtschaftlichen Wert des herrschenden Grundstücks regelmäßig in größerem Umfang dauerhaft erhöht, als sie die Nutzbarkeit und damit den wirtschaftlichen Wert des belasteten Grundstücks mindert. Zwar erhöht die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit den volkswirtschaftlichen Nutzen bereits, sobald sie die Benutzbarkeit des herrschenden Grundstücks in größerem Umfang vergrößert als sie die Benutzbarkeit des dienenden Grundstücks verringert. Den größten volkswirtschaftlichen Nutzen erzielt eine Grunddienstbarkeit jedoch dann, wenn der Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des herrschenden Grundstücks die geringstmögliche Wertminderung des dienenden Grundstücks gegenübersteht, der Eigentümer des dienenden Grundstücks durch das Nutzungsrecht des Grunddienstbarkeitsberechtigten also möglichst wenig an der Ausübung seines Eigentumsrechts gehindert wird. So ist in dem Fall, dass bei einer Grunddienstbarkeit, für deren Ausübung mehrere Teilbereiche auf dem dienenden Grundstücks gleich geeignet sind, der volkswirtschaftliche Nutzen dann am größten, wenn die Grunddienstbarkeit auf dem Teilbereich des Grundstücks ausgeübt wird, auf dem die Ausübung der Grunddienstbarkeit den Eigentümer des dienenden Grundstücks in der Ausübung seines Eigentumsrechts am wenigsten beeinträchtigt.

767 Siehe dazu ausführlich S. 55 ff. Eng mit der Eigentumskonstruktion des BGH hängt auch die Regelung des § 1019 BGB zusammen, siehe dazu S. 59 ff. 768 Siehe dazu ausführlich S. 60 ff. 769 Siehe dazu S. 62. 770 Im Original: „volkswirthschaftlichen Gewinn“. 771 Johow, Sachenrecht II, S. 1203; Motive III, S. 481 = Mugdan, Materialien III, S. 268 („wirthschaftlichen Zwecke“).

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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Um dieses Ziel zu erreichen, nämlich dass das Nutzungsrecht stets auf dem Teilbereich ausgeübt wird, auf dem die Ausübung den Eigentümer des dienenden Grundstücks am wenigsten an der Ausübung seines Eigentumsrechts hindert, bedarf es des in § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB geregelten Verlegungsrechts in dem Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein örtlich bestimmter Bereich für die Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts, ein Ausübungsort, festgelegt ist. Schließlich kann in diesem Fall nur durch eine inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit dergestalt, dass anstelle des bisherigen Ausübungsortes ein anderer den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger beeinträchtigender Ausübungsort festgesetzt wird, erreicht werden, dass die Grunddienstbarkeit auf dem den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger beeinträchtigenden Bereich ausgeübt wird. Ohne einen Anspruch auf inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit könnte in diesem Fall der volkswirtschaftliche Nutzen beider Grundstücke nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden. In dem Fall, in dem nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, sorgt – und damit handelt es sich hierbei zugleich um ein systematisches Argument – hingegen bereits der in § 1020 S. 1 BGB normierte Grundsatz der schonenden Ausübung dafür, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten verlangen kann, dass dieser, wenn mehrere Stellen für die Ausübung der Grunddienstbarkeit gleich geeignet sind, die Grunddienstbarkeit an der Stelle ausübt, an der die Ausübung den Eigentümer des dienenden Grundstücks am wenigsten beeinträchtigt. Denn übt der Grunddienstbarkeitsberechtigte das Nutzungsrecht an einer anderen Stelle aus, überschreitet er damit das ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Nutzungsrecht. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks kann gemäß § 1004 I 2 BGB die Unterlassung der in dieser Nutzung seines Grundstücks liegenden Eigentumsbeeinträchtigung verlangen. Um den größten volkswirtschaftlichen Nutzen beider Grundstücks zu erreichen, ist es in diesem Fall nicht erforderlich, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten daneben einen schuldrechtlichen Anspruch auf Unterlassung der Ausübung der Grunddienstbarkeit auf der bisherigen Stelle einzuräumen. Auch Sinn und Zweck des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB sprechen mithin dafür, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB nur für den im zweiten Satz des ersten Absatzes geregelten Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, hingegen für den im ersten Satz des ersten Absatzes geregelten Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort nicht festgelegt ist, lediglich klarstellend wiederholt, was der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB i.V. m. § 1020 S. 1 BGB verlangen kann.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

dd) Ergebnis Wie die Untersuchung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB ergeben hat, begründet dieser nur für den in § 1023 I 2 BGB geregelten Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit eine bestimmte Lage des Ausübungsbereichs der Grunddienstbarkeit festgelegt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten, und zwar auf Mitwirkung an der Änderung des Inhalts der Grunddienstbarkeit. Für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit keine bestimmte Lage des Ausübungsbereichs, eine Ausübungsstelle, festgelegt ist, begründet § 1023 I 1 Hs. 1 BGB hingegen keinen schuldrechtlichen Anspruch. Für diesen Fall wiederholt § 1023 I 1 Hs. 1 BGB – ohne einen eigenen Regelungsgehalt zu haben – lediglich, was der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB verlangen kann, wenn eine andere Stelle auf dem dienenden Grundstück für die Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts ebenso geeignet ist und die Ausübung an dieser Stelle den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger beeinträchtigt. Nutzt der Grunddienstbarkeitsberechtigte in diesem Fall weiterhin den bisherigen Bereich und nicht den Bereich, auf dem die Nutzung den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger beeinträchtigt, überschreitet der Grunddienstbarkeitsberechtigte die seinem Nutzungsrecht durch § 1020 S. 1 BGB gezogenen Grenzen. Er beeinträchtigt das Eigentum am dienenden Grundstück, ohne dass die durch die Grunddienstbarkeit gerechtfertigt wäre. Daher kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB verlangen, dass dieser die Nutzung des dienenden Grundstücks an der bisherigen Stelle unterlässt und die Grunddienstbarkeit stattdessen an einer anderen Stelle ausübt, dass er also – um in den Worten des § 1023 I 1 Hs. 1 BGB zu bleiben – die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlegt. b) Der von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründete schuldrechtliche Anspruch als Teil des dinglichen Rechts? In einem ersten Schritt hat die Untersuchung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB ergeben, dass dieser in dem von § 1023 I 2 BGB geregelten Fall einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten und damit – aus Sicht eines neutralen Beobachters – ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen diesen begründet. In einem zweiten Schritt stellt sich nun die Frage, ob dieses Schuldverhältnis – wie allgemein angenommen – zum Inhalt des dinglichen Rechts gehört. Die Antwort ergibt sich ohne Weiteres aus der bereits mehrfach erläuterten772 dem BGB zugrunde liegenden Unterscheidung von dinglichem und obligatori-

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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schem Recht. Danach – um es kurz zu wiederholen – ordnet das dingliche Recht die Rechtsbeziehung einer Person zu einer Sache773. Es gewährt seinem Inhaber eine unmittelbare Herrschaft über die Sache774. Das obligatorische Recht hingegen ordnet die rechtlichen Beziehungen von Personen untereinander775, indem es für den Berechtigten einen Anspruch auf Leistung gegenüber dem Verpflichteten begründet776. Diese strikte Unterscheidung in dingliche Rechte einerseits und obligatorische Rechte andererseits schließt es aus, dass ein Recht gleichzeitig sowohl einer Person ein Herrschaftsrecht an einer Sache einräumt als auch ein Recht auf eine Leistung gegenüber einer anderen Person begründet. Ein Recht kann nicht zugleich dinglich und obligatorisch sein. Das dem Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten in § 1023 I 2 BGB eingeräumte obligatorische Recht auf Verlegung der Ausübungsstelle kann daher nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit gehören. Beide Rechte bestehen vielmehr nebeneinander. c) Inhalt des Anspruchs aus § 1023 I 1 Hs. 1, 2 BGB: „Verlegung der Ausübungsstelle“ Wie bereits ausgeführt777 herrscht innerhalb der allgemein vertretenen Auffassung, nach der § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB sowohl in dem Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, als auch in dem Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, einen Anspruch auf Verlegung des Ausübungsortes begründet, Uneinigkeit darüber, worauf dieser Anspruch jeweils gerichtet ist. Aus dem Ergebnis der vorangegangenen Untersuchung ergibt sich die Antwort auf diese Frage von selbst. Diese Untersuchung hat ergeben, dass § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB lediglich für den in § 1023 I 2 BGB geregelten Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit eine bestimmte Ausübungsstelle festgelegt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch begründet. Um in diesem Fall zu erreichen, dass die Grunddienstbarkeit künftig nicht mehr an der bisherigen Stelle ausgeübt wird, bedarf es – wie bereits ausgeführt – einer Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit gemäß § 877 BGB. Der Anspruch aus § 1023 I 2 BGB ist daher auf die Vornahme sämtlicher Maßnahmen gerichtet, die Seitens des Grunddienstbarkeitsberechtigten zur Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit erforderlich sind, also auf die Abgabe einer ent772 773 774 775 776 777

Siehe dazu nur S. 51 f. Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Johow, Sachenrecht I, S. 3. Motive III, S. 1 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Motive III, S. 2 = Mugdan, Materialien III, S. 1. Siehe S. 301 ff.

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sprechenden Willenserklärung im Rahmen der dinglichen Einigung und auf die Abgabe einer entsprechenden grundbuchrechtlichen Eintragungsbewilligung. Für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit keine bestimmte Ausübungsstelle festgelegt ist, begründet § 1023 I 1 Hs. 1 BGB – so das Ergebnis der vorangegangenen Untersuchung – entgegen der allgemein vertretenen Auffassung keinen schuldrechtlichen Anspruch. Daher erübrigt sich insofern auch die Frage nach dem Anspruchsinhalt. d) Privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von § 1023 I BGB Auch bei der Beantwortung der Frage, inwieweit die Parteien eine von der Regelung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB zugunsten oder zulasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks abweichende Vereinbarung treffen können, ist zwischen dem in § 1023 I 2 BGB geregelten Fall, für den § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, und dem Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt ist, für den § 1023 I 1 Hs. 1 BGB lediglich die sich bereits aus § 1004 I 2 BGB ergebende Rechtsfolge wiederholt, zu unterscheiden. In Bezug auf den gesetzlichen Anspruch gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB hat die Regelung des § 1023 II BGB, wonach das Recht auf Verlegung nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden kann, folgende Auswirkung: Jede Vereinbarung, die den bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB kraft Gesetz entstandenen Anspruch gemäß § 311 I BGB inhaltlich zulasten des Eigentümers des dienenden Grundstückes abändert, ist unwirksam. Unwirksam ist also beispielsweise ein Erlassvertrag gemäß § 397 BGB, wonach der Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Grunddienstbarkeitsberechtigten eine gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB bereits entstandene Forderung und/oder sämtliche künftig entstehenden Forderungen erlässt. Eine Vereinbarung zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks schließt § 1023 II BGB hingegen nicht aus. Dennoch ist – entgegen anderslautenden Stimmen in der Literatur778 – eine Vereinbarung, durch die der Eigentümer des dienenden Grundstücks und der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB zugunsten des Eigentümers des dienenden Grundstücks abändern, nicht wirksam. Dies folgt zwingend daraus, dass es sich bei § 1023 I 1

778 Amann DNotZ 1982, 396, 411; Staudinger/Mayer § 1023 RdNr. 22; NK-BGB/ Otto § 1023 RdNr. 37.

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Hs. 1, S. 2 BGB um einen gesetzlichen Anspruch handelt. Schließlich unterliegen die Tatbestandsmerkmale eines gesetzlichen Anspruchs nicht der Disposition der Parteien779. Dies hindert den Eigentümer des dienenden Grundstücks und den Grunddienstbarkeitsberechtigten freilich nicht daran, gemäß § 311 I BGB zu vereinbaren, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten unter weniger strengen Anforderungen, als sie § 1023 I Hs. 1 BGB vorsieht, einen Anspruch darauf haben soll, dass dieser an einer die Lage des Ausübungsbereichs betreffenden inhaltlichen Änderung der Grunddienstbarkeit mitwirkt. Eine solche schuldrechtliche Vereinbarung wirkt allerdings nur zwischen den an ihr beteiligten Eigentümern des herrschenden und des dienenden Grundstücks. Eine Möglichkeit, eine Vereinbarung zu treffen, welche auch etwaige spätere Eigentümer der Grundstücke bindet, haben der Eigentümer des dienenden Grundstücks und der Grunddienstbarkeitsberechtigte hingegen nicht. Die allgemein vertretene gegenteilige Auffassung gründet auf der sich als unzutreffend erwiesenen Annahme, dass der von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründete schuldrechtliche Anspruch zum Inhalt des dinglichen Rechts gehört. Wiederholt § 1023 I 1 Hs. 1 BGB für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit keine Lage des Ausübungsbereich festgelegt ist, die sich bereits aus § 1004 I 2 BGB ergebende Rechtsfolge, ohne einen eigenen Regelungsgehalt zu haben, kann die Regelung des § 1023 II BGB in diesem Fall nichts anderes bedeuten, als dass der gemäß § 1004 I 2 BGB entstandene Anspruch nicht gemäß § 311 I BGB inhaltlich zulasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks abgeändert werden kann. Auch in diesem Fall können der Eigentümer des dienenden und der Grunddienstbarkeitsberechtigte eine – freilich nur zwischen ihnen wirkende – Vereinbarung treffen, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten unter weniger strengen Voraussetzungen, als sie § 1004 I 2 BGB i.V. m. § 1020 S. 1 BGB vorsieht, einen schuldrechtlichen Anspruch darauf haben soll, dass dieser die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf dem bisherigen Bereich unterlässt und stattdessen auf einen anderen Bereich verlegt.

779 So weist Baumann, Schuldanerkenntnis, S. 171 zutreffend darauf hin, dass gesetzliche Schuldverhältnisse ihre Geltungsgrundlage im durch die Rechtsordnung gewährleisteten Rechtsgüterschutz haben und dass diese Geltungsgrundlage nicht durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen ersetzt werden kann. Daher können, wie Baumann weiter ausführt, lediglich bestehende gesetzliche schuldrechtliche Ansprüche abgeändert werden. Logisch zwingend erscheint in der Tat die von Baumann, Schuldanerkenntnis, S. 172 angeführte formale Argumentation, dass gesetzliche Schuldverhältnisse nur bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, vertragliche Schuldverhältnisse hingegen nur durch Vertrag begründet werden könnten.

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e) Weitere Ansprüche des Eigentümers des dienenden Grundstücks Ist nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein bestimmter Ausübungsort festgesetzt, so begründet § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis. Auf dieses finden die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften, wie etwa die §§ 280 ff. BGB, Anwendung. Dieses Schuldverhältnis regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten freilich nur insofern, als es um die Verlegung des Ausübungsortes durch die inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit geht. So kann dieses Schuldverhältnis beispielsweise die Eigentümer der an der Grunddienstbarkeit beteiligten Grundstücke gemäß § 241 II BGB nur insoweit zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichten, wie es um die Mitwirkung an der inhaltlichen Änderung der Grunddienstbarkeit geht. Ist der Inhalt der Grunddienstbarkeit dahingehend geändert, dass eine andere Ausübungsstelle festgelegt ist, steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Anspruch auf Unterlassung der Ausübung der Grunddienstbarkeit an der bisherigen Stelle gemäß § 1004 I 2 BGB zu. Schließlich ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach dem abgeänderten Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht mehr zur Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts an der bisherigen Stelle berechtigt. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks muss die Beeinträchtigung seines Eigentums daher nicht gemäß § 1004 II BGB dulden. Bei einem Verschulden des Grunddienstbarkeitsberechtigten hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen diesen außerdem ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 I BGB. Solange der Inhalt der Grunddienstbarkeit noch nicht geändert ist, hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten keinen Anspruch gemäß § 1004 I 2 BGB auf Unterlassung der Ausübung der Grunddienstbarkeit an der bisherigen Stelle. Schließlich ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit gerade zur Ausübung an dieser Stelle berechtigt. Allein das Bestehen des Anspruchs des Eigentümers des dienenden Grundstücks auf die inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB hat – mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung oder vertraglicher Vereinbarung – nicht zur Folge, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte im Rahmen des § 1004 I 2 BGB so behandelt wird, als ob der Anspruch bereits erfüllt, die inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit bereits durchgeführt wäre. Ist nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit kein bestimmter Ausübungsort festgelegt, so hat – was in § 1023 I 1 Hs. 1 BGB gesondert wiederholt wird – der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtig-

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ten gemäß § 1004 I 2 BGB dann einen Anspruch auf Unterlassung der Ausübung der Grunddienstbarkeit auf dem bisherigen Bereich, wenn es auf dem dienenden Grundstück einen Bereich gibt, der einerseits für die Ausübung der Grunddienstbarkeit ebenso geeignet ist und auf dem andererseits die Ausübung der Grunddienstbarkeit für den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger beschwerlich ist. Bei einem Verschulden des Grunddienstbarkeitsberechtigten steht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten darüber hinaus ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB zu. f) Analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB Schließlich bleibt noch die Frage zu klären, ob in analoger Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB auch in anderen Fällen das Bestehen eines schuldrechtlichen Anspruchs zu bejahen ist. aa) Verlegung auf ein anderes Grundstück Wie bereits erläutert780, wird § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB von einer Auffassung auf den Fall analog angewendet, dass sich zwar nicht auf dem dienenden Grundstück, aber auf einem anderen, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ebenfalls gehörenden Grundstück eine für die Nutzung durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten ebenso geeignete Stelle befindet. In diesem Fall soll dem Eigentümer des dienenden Grundstücks in analoger Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Anspruch darauf zustehen, dass dieser an der Bestellung an einer entsprechenden Grunddienstbarkeit auf dem anderen Grundstück gemäß § 873 BGB sowie der Löschung der bestehenden Grunddienstbarkeit gemäß § 875 BGB mitwirkt. Die analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB auf diesen Fall scheitert schon am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Bereits die Entstehungsgeschichte des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB spricht gegen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Hatte Johow in § 262 seines Vorentwurfs noch bewusst die Wendung „die Verlegung der Ausübung auf einen anderen bestimmten und ebenso geeigneten Ort“ 781 gewählt, um den Anspruch des Eigentümers auf Verlegung der Ausübung nicht auf das dienende Grundstück zu beschränken782, entschied die erste Kommission, dass der An780

Siehe dazu S. 305 f. Johow, Sachenrecht I, S. 44. 782 In der Begründung seines Vorentwurfs führt Johow hierzu aus: „Ob der neue Ausübungsort innerhalb des Bezirks liegt, welcher in dem ursprünglichen Bestellungsakte als das dienende Grundstück bezeichnet wurde, muß gleichgültig sein, denn da die übrigen Theile dieses Grundstücks durch die Determination regelmäßig frei geworden sind, so stehen sie rechtlich allen Nachbargrundstücken gleich.“ (Johow, Sachenrecht II, S. 1214). 781

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spruch auf Verlegung auf das dienende Grundstück beschränkt sein sollte783. Dementsprechend ergänzte sie in § 972 des Entwurfs erster Lesung die in § 262 des Vorentwurfs gebrauchte Wendung um das Genitivattribut „des dienenden Grundstücks“ 784. Auch die zweite Kommission hielt – in Ablehnung der von Danckelmann und Küntzel gestellten Anträge785 – an der Entscheidung fest, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks lediglich einen Anspruch auf Verlegung innerhalb des dienenden Grundstücks, nicht aber einen Anspruch auf Verlegung auch auf ein anderes Grundstück einzuräumen. Dieser Entscheidung entsprechend behielt die zweite Kommission denn auch das Genitivattribut „des dienenden Grundstücks“ in § 972 des Entwurfs nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs“ 786 bei787. Erst die Redaktionskommission der zweiten Kommission strich 783 Motive III, S. 486 = Mugdan, Materialien III, S. 271 („Die Verlegung kann nur innerhalb des belasteten Grundstücks ohne Hinzuziehung eines anderen Grundstückes verlangt werden, weil sonst, wegen der Nothwendigkeit, den Rechtszustand dieses anderen Grundstückes zu berücksichtigen, Schwierigkeiten und Verwickelungen sich ergeben würden.“); Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 80 f. 784 Mugdan, Materialien III, S. XLII. 785 Siehe für den Wortlaut der Anträge: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 84. In den Protokollen ist die Entscheidung gegen einen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks auf Verlegung der Ausübung auf ein anderes Grundstück damit begründet, dass zwar durch den im Antrag von Küntzel vorgesehenen Zusatz, dass die Verlegung auf ein anderes Grundstück nur zulässig sein soll, „wenn dadurch die Sicherheit der Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtigt“ werde (Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 84; Protokolle III, S. 3909 = Mugdan, Materialien III, S. 736) vermieden werden könne, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte „im Falle der Verlegung auf ein anderes zur Ausübung der Servitut zwar ebenso geeignetes, jedoch überschuldetes Grundstück Gefahr laufe [im Original: „laufen“], bei der Zwangsversteigerung mit der Servitut auszufallen“ (Protokolle III, S. 3912 = Mugdan, Materialien III, S. 737). Jedoch sei für die Beantwortung der Frage, ob durch die Verlegung auf ein anderes Grundstück die Sicherheit des Grunddienstbarkeitsberechtigten beeinträchtigt werde, ein Vergleich des Wertes und der Höhe der Belastung der in Frage stehenden Grundstücke erforderlich. Ein solcher Vergleich sei häufig mit „Schwierigkeiten und Weiterungen“ verknüpft (Protokolle III, S. 3912 f. = Mugdan, Materialien III, S. 737). Es sei „unbillig“, dem Grunddienstbarkeitsberechtigten, der in der Verlegung auf ein anderes Grundstück eine Gefährdung seiner Sicherheit erblicke und daher die Verlegung verweigere, der Gefahr auszusetzen, die Kosten eines für ihn ungünstigen Rechtsstreits tragen zu müssen (Protokolle III, S. 3913 = Mugdan, Materialien III, S. 737). Mangels eines Bedürfnisses, die Verlegung der Ausübung auf ein anderes Grundstück bei sämtlichen Grunddienstbarkeiten zuzulassen, könne es daher der Landesgesetzgebung überlassen bleiben, für einzelne Grunddienstbarkeiten die Verlegung auf ein anderes Grundstück zu regeln (Protokolle III, S. 3913 = Mugdan, Materialien III, S. 737). 786 Diese vom Generalreferenten Planck ausgearbeitete Zusammenstellung ist – abgekürzt als „E I-VorlZust“ – geordnet nach den Paragraphen des BGB jeweils unter „C. II.“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I. 787 § 972 des Entwurfs nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs“ lautet:

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dieses Genitivattribut in § 972 ihres Entwurfs nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission“ 788 wieder789. Dabei handelte es sich jedoch um eine lediglich sprachliche, nicht auch inhaltliche Änderung der Vorschrift. Schließlich war die Redaktionskommission der zweiten Kommission nur für die Überarbeitung der äußeren Form des Entwurfs nach der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs“ zuständig. Zwar waren auch in diesem Stadium weiterhin inhaltliche Änderungen des Entwurfes möglich. Jedoch waren diese allein Aufgabe der Hauptkommission und bedurften gemäß § 14 S. 2 der Geschäftsordnung der zweiten Kommission790 der Wiederaufnahme der sachlichen Beratungen durch die Hauptkommission aufgrund eines gesonderten Kommissionsbeschlusses. Neben der Entstehungsgeschichte des § 1023 I 1 Hs. 1, 2 BGB sprechen auch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke. Wie bereits ausgeführt791, soll § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB vor dem Hintergrund, dass die Grunddienstbarkeit wegen ihres volkswirtschaftlichen Nutzens Aufnahme ins BGB gefunden hat, sicherstellen, dass der Erhöhung des Wertes des herrschenden Grundstücks dadurch, dass dessen jeweiligem Eigentümer das Recht zu einer bestimmten Nutzung des dienenden Grundstücks eingeräumt wird, eine möglichst geringe Wertminderung des dienenden Grundstücks aufgrund der Belastung mit der Grunddienstbarkeit gegenübersteht. § 1023 I 1 Hs. 1, „Erweist sich bei einer Grunddienstbarkeit die Ausübung des Rechtes an dem bisherigen Orte als besonders beschwerlich für den Eigenthümer des dienenden Grundstückes, so ist er befugt, die Verlegung der Ausübung auf einen anderen für den Berechtigten ebenso geeigneten Ort des dienenden Grundstücks zu fordern. Der Eigenthümer des dienenden Grundstückes hat die Kosten zu tragen und auf Verlangen vorzuschießen. Die Befugnis, die Verlegung zu fordern, kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden.“ (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 84). 788 Der BGB-Entwurf nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der RedaktionsKommission“ ist – abgekürzt als „E I-ZustRedKom“ – geordnet nach den Paragraphen des BGB jeweils unter „C.2.III.“ abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I. 789 § 972 des BGB-Entwurfs nach der „Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission“ lautet: „Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit nach der Natur derselben auf einen Theil des belasteten Grundstücks, so kann der Eigenthümer, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist, die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen; die Kosten der Verlegung sind von ihm zu tragen und vorzuschießen. Die Verlegung kann auch dann verlangt werden, wenn die Ausübung durch Rechtsgeschäft auf einen Theil des Grundstücks beschränkt ist. Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden.“ (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 84 f.). 790 Abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Materialien, S. 359. 791 Siehe dazu S. 318 f.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

S. 2 BGB soll gewährleisten, dass durch die Belastung eines Grundstückes mit einem bestimmten Nutzungsrecht zugunsten des Eigentümers eines anderen Grundstückes ein möglichst großer volkswirtschaftlicher Nutzen dadurch erreicht wird, dass dieses Nutzungsrecht auf demjenigen Teilbereich des Grundstückes ausgeübt wird, auf dem die Ausübung den Eigentümer des belasteten Grundstücks am wenigsten beeinträchtigt. Es geht also ausschließlich um die bestmögliche volkswirtschaftliche Ausnutzung der beiden an der Grunddienstbarkeit beteiligten Grundstücke. Ob dadurch, dass nicht das dienende, sondern ein anderes Grundstück belastet wird, ein noch größerer volkswirtschaftlicher Nutzen deshalb erreicht werden könnte, weil die Nutzung dieses Grundstücks für dessen Eigentümer weniger belastend wäre als die Nutzung des dienenden Grundstücks für dessen Eigentümer, spielt dabei gerade keine Rolle. Nach dem Regelungszusammenhang des BGB besteht daher in dem Fall, dass sich lediglich auf einem anderen Grundstück des Eigentümers des dienenden Grundstücks eine für die Nutzung gleich geeignete, den Eigentümer aber weniger beeinträchtigende Stelle befindet, gerade kein Bedürfnis, dass dem Eigentümer ein Anspruch darauf zusteht, dass die bestehende Grunddienstbarkeit gelöscht und stattdessen das andere Grundstück mit einer entsprechenden Grunddienstbarkeit belastet wird. bb) Sonstige inhaltliche Änderungen der Grunddienstbarkeit § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB gewährt dem Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf Mitwirkung an der inhaltlichen Änderung der Grunddienstbarkeit hinsichtlich der ihrem Inhalt nach festgesetzten Lage des Ausübungsbereichs. Was die inhaltliche Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit im Übrigen betrifft, räumt § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB dem Eigentümer des dienenden Grundstücks hingegen keinen Anspruch auf eine inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit ein. Jedoch könnte § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB insoweit – wie zum Teil in Rechtsprechung und Literatur vertreten792 – analog anwendbar sein. Man denke nur an den Fall, dass ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit belastet ist, welche dem Grunddienstbarkeitsberechtigten das Recht einräumt, einen über das dienende Grundstück führenden Weg täglich von 9:00 Uhr bis 11:00 Uhr zu Fuß und mit Fahrzeugen jeder Art zu benutzen. Hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten in diesem Fall in analoger Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einen Anspruch darauf, dass der Inhalt der Grunddienstbarkeit dergestalt geändert wird, dass als Benutzungszeitraum anstelle des bisherigen Zeitraums beispielsweise der Zeitraum von 8:00 Uhr 792

Siehe dazu S. 306.

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bis 10:00 Uhr festgelegt wird, wenn dieser Zeitraum für die Benutzung des Weges zwar gleich geeignet, die Benutzung in diesem Zeitraum den Eigentümer des dienenden Grundstücks aber weniger in der Ausübung seines Eigentumsrechts beeinträchtigt? Für eine analoge Anwendbarkeit des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB müsste es sich dabei, dass das Gesetz keinen Anspruch auf nicht den Ausübungsbereich betreffende inhaltlichen Änderungen der Grunddienstbarkeit vorsieht, zunächst um eine planwidrige Regelungslücke handeln793. Die Frage, ob nach dem Regelungszusammenhang der Vorschriften über die Grunddienstbarkeit im BGB eine Vorschrift zu erwarten wäre, die dem Eigentümer des dienenden Grundstücks unter den entsprechenden Voraussetzungen des § 1023 I 1 Hs, 1, S. 2 BGB einen Anspruch auf sämtliche inhaltlichen Änderungen der Grunddienstbarkeit einräumt, lässt sich mithilfe des Sinns und Zwecks beantworten, den § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB erfüllt. Wie bereits mehrfach erläutert794, soll § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB sicherstellen, dass der erhöhten Nutzbarkeit des herrschenden Grundstücks und damit dem wirtschaftlichen Vorteil, der durch die Grunddienstbarkeit erzielt wird, eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks und damit ein möglichst geringer wirtschaftlicher Nachteil für den Eigentümer des dienenden Grundstücks gegenübersteht. Um dies zu erreichen, räumt § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB dem Eigentümer des dienenden Grundstücks in dem Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Lage des Ausübungsbereichs festgelegt ist, einen Anspruch auf inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit dergestalt ein, dass ein neuer Ausübungsort festgesetzt wird, auf dem die Ausübung der Grunddienstbarkeit den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger als an dem bisherigen Ort beeinträchtigt. Mithilfe einer inhaltlichen Änderung der Grunddienstbarkeit kann nicht nur in diesem Fall, sondern auch in anderen Fällen die durch das Bestehen der Grunddienstbarkeit eintretende Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks und die damit verbundene Wertminderung des dienenden Grundstücks verringert werden. Dies ist bei sämtlichen inhaltlichen Änderungen der Grunddienstbarkeit der Fall, die, ohne nachteilige Auswirkungen auf die Nutzung des dienenden Grundstücks durch den Berechtigten zu haben, die mit der Grunddienstbarkeit verbundene Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks verringern. Auch für diese Fälle wäre daher nach dem Zweck, den § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB innerhalb der Vorschriften über die Grunddienstbarkeit hat, ein Anspruch auf eine entsprechende inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit zu erwarten. 793 794

Siehe zu den Voraussetzungen einer Analogie S. 134 ff. Siehe dazu nur S. 318 f.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Auch die Ausführungen, die in den Motiven zur Begründung des § 972 des Entwurfs erster Lesung enthalten sind, hätten vermuten lassen, dass dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht nur für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit ein Ausübungsbereichs festgelegt ist, ein Anspruch auf inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit eingeräumt wird. Darin heißt es zunächst: „Ist eine bestimmte Art und Weise der Ausübung der Dienstbarkeit in dem Begründungsvertrage vorgeschrieben, so kann kein Theil von dem anderen Theile eine abweichende Art der Ausübung verlangen, mag auch eine solche Abweichung ohne jede Benachtheiligung für den anderen Theil sein.“ 795 Im folgenden Satz wird dieser Satz aufgegriffen mit den Worten: „ist insbes. der Ort der Ausübung fixiert“ 796. Anschließend wird erläutert, dass in diesem Fall der Eigentümer des dienenden Grundstücks ohne einen Anspruch auf inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit vom Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht verlangen könnte, dass dieser die Grunddienstbarkeit an einem anderen für ihn ebenso geeigneten, für den Eigentümer des dienenden Grundstücks aber weniger beeinträchtigenden Ort ausübt797. Eine Begründung, weshalb nur für diesem Fall, nicht aber auch in anderen Fällen ein Anspruch auf inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit in den Entwurf erster Lesung aufgenommen wurde, enthalten die Motive zum Entwurf erster Lesung hingegen nicht. Mithin liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Diese planwidrige Regelungslücke kann durch die entsprechende Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB geschlossen werden. Denn der von § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB geregelte Fall ist mit dem Fall, dass eine nicht den Ausübungsort betreffende inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit auf Seiten des Berechtigten ohne negative Auswirkungen auf die Nutzung des dienenden Grundstücks bleibt, auf Seiten des Eigentümers des dienenden Grundstücks jedoch zu einer weniger starken Beeinträchtigung seines Eigentums führt, in den Hinsichten vergleichbar ist, welche für die in § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen maßgeblich sind798. In beiden Fällen kann durch einen Anspruch auf inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit sichergestellt werden, dass dem wirtschaftlichen Vorteil, der auf Seiten des Grunddienstbarkeitsberechtigten aufgrund des ihm eingeräumten Nutzungsrechts eintritt, auf Seiten des Eigentümers des dienenden Grundstücks eine möglichst geringe Beeinträchtigung seines Eigentumsrechts und damit ein möglichst geringer wirtschaftlicher Nachteil gegenübersteht.

795 796 797 798

Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270. Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270. Motive III, S. 485 = Mugdan, Materialien III, S. 270. Siehe zu den Voraussetzungen der Analogie oben S. 134 ff.

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cc) Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks Wie bereits ausgeführt799 soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB insofern analog anwendbar sein, als nicht nur der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten, sondern umgekehrt auch dieser gegen jenen einen Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle haben soll. Doch scheitert die analoge Anwendung des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB auf diesen Fall bereits am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeit, ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit zu belasten, trotz des damit verbundenen schwerwiegenden – da dauerhaften – Eingriffs in das Eigentumsrecht am dienenden Grundstück nur aufgrund des damit verbundenen volkswirtschaftlichen Vorteils Eingang ins BGB gefunden hat, hat § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB den Zweck, diesen Vorteil dadurch zu vergrößern, dass der auf Seiten des Eigentümers des dienenden Grundstücks eintretende Nachteil möglichst gering gehalten wird. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB sorgt dafür, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks durch die Grunddienstbarkeit in der Ausübung seines Eigentumsrechts nicht mehr beeinträchtigt wird, als es für die Nutzung des dienenden Grundstücks durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten unbedingt erforderlich ist. Den Eigentümer in der Ausübung seines Eigentumsrechts mehr zu beeinträchtigen als unbedingt erforderlich, widerspräche schließlich dem dem BGB zugrunde liegenden einheitlichen Eigentumsbegriff 800. Geht es aber im Rahmen des § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB einzig darum, die Beschränkung des Eigentümers des dienenden Grundstücks in der Ausübung seines Eigentumsrechts so gering wie möglich zu halten, so ist nach dem Regelungszusammenhang des BGB gerade keine Vorschrift zu erwarten, die nicht dem Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern dem Grunddienstbarkeitsberechtigten einen Anspruch auf eine inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit einräumt. Eine planwidrige Regelungslücke liegt mithin nicht vor. 2. § 1023 I 1 Hs. 2 BGB a) Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs durch § 1023 I 1 Hs. 2 BGB? Die allgemein vertretene Auffassung801 geht davon aus, dass § 1023 I 1 Hs. 2 BGB, wonach der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Kosten der Verlegung zu tragen und vorzuschießen hat, einen schuldrechtlichen Anspruch des 799 800 801

Siehe oben S. 306. Siehe dazu S. 55 ff. Siehe dazu oben S. 307.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks begründet. Auch diese Annahme ist auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen. Allein dem Wortlaut des § 1023 I 1 Hs. 2 BGB lässt sich nicht entnehmen, ob diese Vorschrift einen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks begründet. Mit der Formulierung „hat zu tragen und vorzuschießen“ wird in § 1023 I 1 Hs. 2 BGB ebenso wie in § 1021 I 1 und 2 BGB und § 1022 S. 1 BGB die Kombination aus dem Hilfsverb „haben“ mit „zu“ und einem Verb verwendet, die sich in zweierlei Richtung verstehen lässt. Zum einen kann die Formulierung „hat zu tragen und vorzuschießen“ zum Ausdruck bringen, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte vom Eigentümer des dienenden Grundstücks verlangen kann, dass dieser Verlegungskosten trägt und vorschießt, § 1023 I 1 Hs. 2 BGB also einen Anspruch begründet. Sollte § 1023 I 1 Hs. 2 BGB einen Anspruch begründen, handelte es sich bei diesem um einen schuldrechtlichen und nicht um einen dinglichen Anspruch. Schließlich verwirklicht ein Anspruch auf Kostentragung und Kostenvorschuss nicht die von der Rechtsordnung vorgesehene Güterzuordnung, indem er den nach dem Inhalt des dinglichen Rechts vorgesehenen Zustand herstellt. Zum anderen kann diese Formulierung aber auch so zu verstehen sein, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Kosten tragen und vorschießen muss, wenn er verhindern will, dass Rechtsfolgen eintreten, welche sich aus seinem Untätigbleiben ergeben würden. Erst ein Vergleich des § 1023 I 1 Hs. 2 BGB mit den §§ 1021 I 1, 2, 1022 S. 1 BGB zeigt, in welche dieser beiden Richtungen die Formulierung „hat zu tragen und vorzuschießen“ zu verstehen ist. In den §§ 1021 I 1, 2 und 1022 S. 1 BGB ist die Kombination des Hilfsverbs „haben“ mit „zu unterhalten“ nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der Eigentümer des dienenden oder – im Fall des § 1021 I 2 BGB – des herrschenden Grundstücks dem Eigentümer des jeweils anderen Grundstücks gegenüber zur Unterhaltung der Anlage verpflichtet ist. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Eigentümer des dienenden bzw. des herrschenden Grundstücks die Anlage unterhalten muss, wenn er verhindern will, dass sich der Eigentümer des jeweils anderen Grundstücks wegen der rückständigen Unterhaltungsleistungen aus seinem Grundstück befriedigen kann. Denn bei dem in den §§ 1021 I 1, 2 und 1022 S. 1 BGB geregelten Recht auf Unterhaltung der Anlage handelt es sich – wie obige Untersuchung ergeben hat802 – nicht um ein obligatorisches Recht. Vielmehr handelt es sich um ein dingliches Recht auf Befriedigung wegen der rück-

802

Siehe dazu S. 252 ff.

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ständigen Unterhaltungsleistungen, welches sich von der Reallast nur durch seine Akzessorietät zur Grunddienstbarkeit unterscheidet. Dies ergibt sich aus der in den § 1021 II BGB und § 1022 S. 2 BGB getroffenen Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Reallast und wird durch die Entstehungsgeschichte dieser Normen bestätigt. Bei § 1023 I 1 Hs. 2 BGB hingegen fehlt es an einer Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Reallasten. Dies zeigt, dass es sich bei dem Recht auf Kostentragung und Kostenvorschuss gemäß § 1023 I 1 Hs. 2 BGB im Gegensatz zu dem in den §§ 1021 I 1, 2 und 1022 S. 1 BGB geregelten Recht auf Unterhaltung der Anlage gerade nicht um ein dingliches Recht auf Befriedigung wegen nicht getragener oder vorgeschossener Verlegungskosten handelt, sondern die in § 1023 I 1 Hs. 2 BGB gebrauchte Formulierung „hat zu unterhalten und vorzuschießen“ so zu verstehen ist, dass § 1023 I 1 Hs. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten auf Kostentragung und Kostenvorschuss gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks begründet. Dass § 1023 I 1 Hs. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch begründet, wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. So strich die zweite Kommission auf Antrag von Jacubezky803 in § 972 S. 1 des Entwurfs erster Lesung die Worte „unter Übernahme aller mit der Verlegung verbundenen Kosten“ aus der Überlegung, dass aus dieser Formulierung „gefolgert werden könnte, daß eine besondere Uebernahmeerklärung des Eigenthümers des dienenden Grundstückes erforderlich sei“ 804. Sie entschied sich, statt dieser Worte in einem gesonderten Satz zu bestimmen, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Kosten zu tragen habe805. Der Grunddienstbarkeitsberechtigte sollte also, ohne dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks sich hierfür zuvor in einer gesonderten Erklärung hätte verpflichten müssen, von diesem verlangen können, dass er die Kosten der Unterhaltung trage oder vorschieße. Dies war nur mithilfe der gesetzlichen Begründung eines entsprechenden schuldrechtlichen Anspruchs des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks möglich. Dementsprechend ist denn auch in den Protokollen von einem „Anspruch [im Original: Anspruches] auf Kostenerstattung“ 806 die Rede. Demnach begründet § 1023 I 1 Hs. 2 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks darauf, dass dieser die Verlegungskosten trägt und vorschießt.

803 804 805 806

Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht II, S. 84. Protokolle III, S. 3913 = Mugdan, Materialien III, S. 737. Protokolle III, S. 3913 = Mugdan, Materialien III, S. 737. Protokolle III, S. 3913 = Mugdan, Materialien III, S. 737.

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3. Kap.: Rechtliche Einordnung der §§ 1020 bis 1023 BGB

b) Rechtsfolgen § 1023 I 1 Hs. 2 BGB begründet einen schuldrechtlichen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Grunddienstbarkeitsberechtigten. Auf dieses Schuldverhältnis sind die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften wie zum Beispiel die §§ 280 ff. BGB anwendbar. Wie auch das durch § 1021 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründete gesetzliche Schuldverhältnis regelt freilich auch dieses Schuldverhältnis die rechtliche Beziehung des Eigentümers des dienenden Grundstücks und des Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht umfassend. Es regelt die rechtliche Beziehung nur insofern, als es um die Kostentragung und den Kostenvorschuss bezüglich der Verlegung des Ausübungsortes der Grunddienstbarkeit geht. So kann dieses Schuldverhältnis beispielsweise die Eigentümer der Grundstücke gemäß § 241 II BGB nur insoweit zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verpflichten, wie es um die Kostentragung und den Kostenvorschuss bezüglich der Verlegung der Ausübungsstelle der Grunddienstbarkeit geht. Eine darüber hinausgehende Pflicht, etwa eine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten bei der Ausübung des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks Rücksicht zu nehmen, besteht hingegen nicht. Wie sich aus der bereits mehrfach erläuterten807 dem BGB zugrunde liegenden Unterscheidung von dinglichem und obligatorischem Recht ergibt, ist dieser schuldrechtliche Anspruch, dieses obligatorische Recht, nicht Teil des dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit. Beide Rechte bestehen vielmehr nebeneinander. Der schuldrechtliche Anspruch entsteht kraft Gesetz zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks, der die Verlegung der Ausübungsstelle verlangt, und demjenigen, der zu dieser Zeit Eigentümer des dienenden Grundstücks ist. Hieran ändert sich auch durch einen Eigentümerwechsel am herrschenden und/ oder am dienenden Grundstück nichts. Der Anspruch geht weder auf den neuen Eigentümer des herrschenden Grundstücks über, noch wird der neue Eigentümer des dienenden Grundstücks Gegner dieses Anspruchs. Hierfür fehlt es schlicht an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Da es sich bei § 1023 I 1 Hs. 2 BGB um einen gesetzlichen Anspruch handelt, der bei Vorliegen seiner Tatbestandsvoraussetzungen von selbst entsteht, können der Eigentümer des dienenden Grundstücks und der Grunddienstbarkeitsberechtigte zwar weder das Entstehen dieses Anspruchs vertraglich ausschließen noch die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch entstehen soll, abändern. Jedoch können sie den einmal entstandenen Anspruch gemäß § 311 I BGB inhaltlich 807

Siehe dazu nur S. 51 f.

§ 8 Untersuchung der §§ 1020 bis 1023 BGB

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abändern, ihn also zum Beispiel gemäß § 397 I BGB durch einen Erlassvertrag zum Erlöschen bringen.

E. Ergebnis Entgegen der allgemein vertretenen Ansicht begründen die §§ 1020 bis 1023 BGB kein gesetzliches Begleitschuldverhältnis, das zum Inhalt des dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit gehört. § 1020 BGB begründet keine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten, sondern konkretisiert den Inhalt des dinglichen Rechts. § 1020 BGB legt die Grenzen des dinglichen Rechts fest, wenn sich diese nicht durch Auslegung ermitteln lassen. Auch die §§ 1021, 1022 BGB regeln mit dem Recht auf Unterhaltung der Anlage kein obligatorisches Recht. Bei dem Recht auf Unterhaltung der Anlage handelt es sich vielmehr um ein dingliches Verwertungsrecht, das sich von der in den §§ 1105 ff. BGB geregelten Reallast nur durch seine Akzessorietät zur Grunddienstbarkeit unterscheidet. Lediglich neben diesem dinglichen Recht entsteht kraft Gesetzes, gemäß § 1021 II bzw. § 1022 S. 2 i.V. m. § 1108 I BGB analog, ein vertraglich abdingbares obligatorisches Recht auf Erbringung der Unterhaltungsleistungen. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründet zwar in dem Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit eine bestimmte Lage des Ausübungsbereichs festgelgt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddeinstbarkeitsberechtigten auf Mitwirkung an einer Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit. Dieser schuldrechtliche Anspruch gehört aber nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts, sondern steht neben dem dinglichen Recht. Auch § 1023 I Hs. 2 BGB begründet einen schuldrechtlichen Anspruch, nämlich den Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks darauf, dass dieser die Kosten der Verlegung des Ausübungsbereichs trägt. Dieser schuldrechtliche Anspruch gehört jedoch ebensfalls nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts, sondern besteht neben dem dinglichen Recht.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in 44 Thesen 1.

Die Grunddienstbarkeit ist im BGB im vierten Abschnitt des dritten Buches gemeinsam mit dem Nießbrauch und der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit unter der Überschrift „Dienstbarkeiten“ geregelt. Anders als es der gemeinsame Oberbegriff vermuten lässt, verbindet diese drei beschränkten dinglichen Rechte, die allesamt die Nutzung einer fremden Sache zum Inhalt haben, allerdings keine Gemeinsamkeit, die sie sogleich von den anderen beschränkten dinglichen Rechten unterscheidet. Jedes dieser drei dinglichen Rechte folgt seinen eigenen Regeln. Die rechtliche Ausgestaltung eines dieser beschränkten dinglichen Rechte lässt keinen Schluss auf die rechtliche Ausgestaltung der beiden anderen zu1.

2.

Die Abgrenzung der Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 Var. 1 BGB, der sogenannten Benutzungsgrunddienstbarkeit, zum Nießbrauch hat entgegen der herrschenden Meinung rein formell nach dem Inhalt der Bestellungsurkunde zu erfolgen. Sind nach dem Wortlaut der Vereinbarung dem Berechtigten einzelne, spezifizierte Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt, liegt eine Grunddienstbarkeit vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Eigentümer des belasteten Grundstücks noch irgendwelche wirtschaftlich sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten verbleiben. Ist dem Berechtigten formell das umfassende Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück eingeräumt, liegt ein Nießrauch unabhängig davon vor, in welchem Umfang von diesem Nutzungsrecht einzelne, spezifizierte Nutzungen gemäß § 1030 II BGB ausgeschlossen sind2.

3.

Die Grunddienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht. Als dingliches Recht räumt sie dem Grunddienstbarkeitsberechtigten ein Herrschaftsrecht an dem dienenden Grundstück ein. Bei diesem Recht handelt es sich nicht um ein aus dem Eigentumsrecht ausgesondertes und auf den Grunddienstbarkeitsberechtigten übertragenes Teilstück des Eigentums, einen Eigentumssplitter. Es handelt sich vielmehr um ein Recht, das neben dem unverändert bleibenden Eigentum an der belasteten Sache besteht. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat weiterhin das umfassende Herrschaftsrecht an seiner Sache. Er ist aber, solange die Grunddienstbarkeit besteht, von der 1 2

Siehe dazu § 2 A. und § 2 A. I. Siehe dazu § 2 A. II. 1.

Zusammenfassung

337

Ausübung dieses Herrschaftsrechts insoweit ausgeschlossen, wie das Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten reicht3. 4.

Gemäß § 1019 BGB kann die Grunddienstbarkeit nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Vorteil für die Benutzung des Grundstücks als solche besteht, er also generell jedem Eigentümer des herrschenden Grundstücks unabhängig von dessen jeweiliger Person zukommt. Der Vorteil muss zudem dauerhafter Art sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Benutzung, deren Verbesserung die Grunddienstbarkeit bezweckt, auf Dauer angelegt ist4.

5.

Der Eigentümer kann sein Grundstück entgegen der herrschenden Ansicht nicht dergestalt mit einer Grunddienstbarkeit belasten, dass er selbst Grunddienstbarkeitsberechtigter ist5.

6.

Die Pflicht zur Erbringung einer Gegenleistung für das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht kann nicht zum Inhalt der Grunddienstbarkeit gemacht werden. Dies ergibt sich aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht. Denn als solches regelt die Grunddienstbarkeit nicht die Rechtsbeziehungen zwischen Personen, sondern räumt einer Person ein Herrschaftsrecht an einer Sache ein6.

7.

Aus der Konstruktion der Grunddienstbarkeit als beschränktes dingliches Recht ergibt sich zudem, dass eine Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten des Eigentümers des belasteten Grundstücks nicht Inhalt der Grunddienstbarkeit sein kann7.

8.

Eine Besonderheit, die die Grunddienstbarkeit von den anderen beschränkten dinglichen Rechten mit Ausnahme der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und der Reallast unterscheidet, besteht darin, dass die Parteien bei ihrer Bestellung den Inhalt des dinglichen Rechts innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens selbst festlegen müssen. Sie müssen Art und Umfang des dem Berechtigten durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrechts selbst bestimmen, ohne dabei auf im Gesetz gesondert geregelte benannte Grunddienstbarkeiten zurückgreifen zu können8.

9.

Welchen Inhalt das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Nutzungsrecht im Einzelnen hat, ist in drei Schritten zu bestimmen: In einem ersten Schritt wird der Inhalt der Einigung gemäß § 873 I BGB nach den allgemein gemäß 3 4 5 6 7 8

Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu §

2 C. 2 D. I. 2 D. III. 2 D. IV. 2 D. V. 2 D. VI. 1. bis 3.

338

Zusammenfassung

§§ 133, 157 BGB für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen geltenden Grundsätzen ermittelt. In einem zweiten Schritt wird der Inhalt des Grundbucheintrages ebenfalls durch Auslegung ermittelt. Diese erfolgt jedoch rein objektiv anhand des Wortlauts und Sinns der Eintragung samt der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung. Außerhalb von Eintragung und Eintragungsbewilligung liegende Umstände sind dabei nur insoweit zu berücksichtigen, als sie ohne weiteres für jeden erkennbar sind. In einem dritten Schritt werden der Inhalt der dinglichen Einigung und der Inhalt der Eintragung miteinander verglichen. Soweit sie sich decken, ist die Grunddienstbarkeit entstanden, reicht also der Inhalt der Grunddienstbarkeit9. 10. Lässt man die §§ 1020 bis 1023 BGB, welche nach allgemeiner Auffassung zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks schuldrechtliche Ansprüche begründen sollen, zunächst außen vor, bestehen bei der Grunddienstbarkeit zwischen den Beteiligten folgende Ansprüche: 11. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat im Fall einer Beeinträchtigung seines Eigentums durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegen diesen gemäß § 1004 I 1 BGB einen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung, soweit diese nicht von dem durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Recht gedeckt ist. Außerdem hat er gemäß § 1004 I 2 BGB einen Anspruch auf Unterlassung künftig zu erwartender vom Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht gedeckter Beeinträchtigungen seines Eigentums10. 12. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks hat zudem bei einer rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung seines Eigentums durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks gemäß § 823 I BGB einen Anspruch auf den Ersatz des entstandenen Schadens; eine Verletzung des Eigentums ist dabei allerdings nur insoweit rechtswidrig, wie der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Grenzen der ihm durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Befugnisse überschreitet11. 13. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks, der zugleich Besitzer dieses Grundstücks ist, hat, wenn er vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz gestört wird, gemäß § 862 BGB einen Anspruch auf Beseitigung der Besitzstörung (S. 1) und Unterlassung weiterer Besitzstörungen (S. 2). Gemäß § 866 BGB ist dieser Anspruch dann ausgeschlossen, wenn sowohl der Eigentümer des herrschenden Grundstücks als auch der Eigentümer des dienenden Grundstücks die tatsächliche Sachherrschaft über das dienende Grundstück ausüben. In allen 9

Siehe dazu § 2 D. 4. Siehe dazu § 4 B. 11 Siehe dazu § 4 C. 10

Zusammenfassung

339

anderen Fällen schließt § 866 BGB den Anspruch aus § 862 BGB selbst dann nicht aus, wenn man für das Eingreifen des § 866 BGB das Vorliegen von gestuftem Mitbesitz ausreichen lässt. Denn aufgrund des grundsätzlich zeitlich unbegrenzten Rechts zum Besitz, welches die Grunddienstbarkeit dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks am dienenden Grundstück gewährt, besteht zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks kein Besitzmittlungsverhältnis i. S. d. § 868 BGB, das einen mittelbaren Besitz des Eigentümers des dienenden Grundstücks begründen könnte12. 14. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks hat gemäß § 1027 BGB i.V. m. § 1004 I BGB einen Anspruch auf die Beseitigung fortdauernder (§ 1004 I 1 BGB) und die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen (§ 1004 I 2 BGB). Der Anspruch richtet sich dabei gegen jeden, der in Bezug auf das dienende Grundstück faktisch eine Herrschaftsposition einnimmt, die nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht diesem, sondern dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zusteht13. 15. Gewährt die Grunddienstbarkeit ein Recht zum Besitz, hat der Eigentümer des herrschenden Grundstücks bei unrechtmäßiger Entziehung oder Vorenthaltung dieses Besitzes gegen den Besitzer einen in analoger Anwendung der §§ 985, 986 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des dienenden Grundstücks. Für den Zeitraum des unrechtmäßigen Besitzes richten sich die Ausgleichsansprüche zwischen dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks und dem unrechtmäßigen Besitzer nach den §§ 987 ff. BGB analog14. 16. Dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks steht bei rechtswidriger und schuldhafter Verletzung der Grunddienstbarkeit gemäß § 823 I BGB ein Anspruch auf den Ersatz des entstandenen Schadens zu15. 17. Dem Besitzer des herrschenden Grundstücks stehen, wenn er in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört wird, gemäß § 1029 BGB die Besitzschutzansprüche gemäß den §§ 861, 862 BGB insoweit zu, als die Grunddienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung ausgeübt worden ist. Dabei beschränkt sich die Anwendbarkeit des § 1029 BGB allerdings auf die seltenen Fälle, in denen dem Besitzer des herrschenden Grundstücks die Ansprüche aus den §§ 861, 862 BGB mangels tatsächlicher Sachherrschaft an dem dienenden Grundstück nicht bereits in direkter Anwendung zustehen16.

12 13 14 15 16

Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu §

4 E. 5 B. 5 C. 5 D. 5 E.

340

Zusammenfassung

18. Dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks, der zugleich Besitzer des dienenden Grundstücks ist, steht bei der Entziehung des Besitzes gemäß § 861 BGB ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes zu. Gemäß § 862 I BGB hat er einen Anspruch auf Beseitigung von bereits eingetretenen und auf Unterlassung künftiger Besitzstörungen17. 19. Häufig wird das herrschende Grundstück nicht nur von dessen Eigentümer, sondern auch von dritten Personen, etwa Nießbrauchern des herrschenden Grundstücks, Familienangehörigen, Mietern oder Besuchern, genutzt. 20. Macht der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen einen Dritten wegen einer Beeinträchtigung seines Eigentums den Anspruch aus § 1004 I BGB geltend, kann sich der Dritte im Rahmen des § 1004 II BGB in zwei Fällen auf das Bestehen der Grunddienstbarkeit berufen, so dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks gemäß § 1004 II BGB auch ihm gegenüber zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Zum einen kann sich der Dritte im Rahmen des § 1004 II BGB auf das Bestehen der Grunddienstbarkeit berufen, wenn er Inhaber eines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts am herrschenden Grundstück ist. Zum anderen steht dem Dritten gegen den Anspruch aus § 1004 I BGB in analoger Anwendung des § 986 I 1 Alt. 2 BGB eine rechtsvernichtende Einwendung unter folgenden drei Voraussetzungen zu: Erstens muss die betreffende Einwirkung vom Inhalt der Grunddienstbarkeit gedeckt sein, die Grunddienstbarkeit muss dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks also das Recht zu der betreffenden Einwirkung auf das dienende Grundstück einräumen. Zweitens muss der Eigentümer des herrschenden Grundstücks nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit dazu berechtigt sein, die Ausübung dieses durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Einwirkungsrechts dem Dritten zu überlassen. Drittens muss der Dritte dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber obligatorisch dazu berechtigt sein, das durch die Grunddienstbarkeit eingeräumte Recht auf die betreffende Einwirkung auszuüben18. 21. In diesen beiden Fällen scheidet auch ein Schadensersatzanspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Dritten gemäß § 823 I BGB mangels Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung aus19. 22. Ist der Eigentümer des dienenden Grundstücks zugleich dessen Besitzer, so steht ihm, wenn er durch verbotene Eigenmacht des Dritten im Besitz gestört wird, gegen diesen gemäß § 862 BGB ein Anspruch auf die Beseitigung der Störung (S. 1) und auf die Unterlassung drohender Störungen

17 18 19

Siehe dazu § 5 F. Siehe dazu § 6 A. I. Siehe dazu § 6 A. II.

Zusammenfassung

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(S. 2) zu. Gemäß § 863 BGB kann der Dritte gegen diesen Anspruch nicht einwenden, dass er aufgrund der Grunddienstbarkeit zu der Störung berechtigt sei20. 23. Wegen eines eigentumsbeeinträchtigenden Verhaltens des Dritten kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks neben dem Dritten auch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks gemäß § 1004 I BGB als Störer in Anspruch nehmen. Dies ist – analog zur Situation des unrechtmäßigen mittelbaren Besitzers bei der Vindikation – dann der Fall, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dem Dritten die Beeinträchtigung gestattet hat, aber entweder diese Beeinträchtigung nicht vom Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts gedeckt ist oder nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit die Ausübung dieses Recht nicht dem Dritten überlassen werden darf. Hat der Eigentümer des herrschenden Grundstücks in einem solchen Fall schuldhaft gehandelt, so hat der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegen ihn einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB. Für seinen Verrichtungsgehilfen haftet der Eigentümer des herrschenden Grundstücks daneben bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gemäß § 831 BGB21. 24. Ist der Eigentümer des dienenden Grundstücks zugleich dessen Besitzer, so hat er, wenn er durch den Dritten in seinem Beitz gestört wird, gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks – in Parallele zu § 1004 I BGB – nur einen Anspruch auf Störungsbeseitigung und -unterlassung gemäß § 862 BGB, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dem Dritten die Besitzstörung gestattet hat22. 25. Wird der Dritte in der Ausübung der Grunddienstbarkeit gestört, ist danach zu differenzieren, ob er die Grunddienstbarkeit aufgrund eines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts an dem dienenden Grundstück oder aufgrund eines lediglich obligatorischen Ausübungsrechts gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks ausübt. 26. Im ersten Fall umfasst das beschränkte dingliche Nutzungsrecht gemäß §§ 93, 96 BGB auch die Grunddienstbarkeit, weshalb jede Störung in der Ausübung der durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechte eine Störung in der Ausübung des beschränkten dinglichen Nutzungsrechts selbst ist. Dem Dritten stehen daher die dem Schutz seines beschränkten dinglichen Rechts dienenden Ansprüche zu. Ist der Dritte zugleich Besitzer des herrschenden Grundstücks, steht ihm daneben bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen der Anspruch aus § 1029 BGB zu. Ist er zugleich Besit20 21 22

Siehe dazu § 6 A. III. Siehe dazu § 6 B. I. und II. Siehe dazu § 6 B. III.

342

Zusammenfassung

zer des dienenden Grundstücks, greifen zu seinem Schutz die §§ 858 ff. BGB23. 27. Ist der Dritte lediglich Inhaber eines obligatorischen Ausübungsrechts gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks, hat er weder einen Anspruch aus § 1004 I BGB noch aus § 823 I BGB, wenn er in der Ausübung seines obligatorischen Rechts gestört wird. Beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen hat er aber gegebenenfalls einen Anspruch aus § 1029 BGB sowie die Rechte aus den §§ 858 ff. BGB24. 28. Nach heute einhellig vertretener Auffassung in Literatur und Rechtsprechung besteht zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ein in den §§ 1020 ff. BGB geregeltes gesetzliches Schuldverhältnis. 29. Der BGH hat sich mit dem auch von ihm angenommenen gesetzlichen Schuldverhältnis wenig beschäftigt. Seine Ausführungen zu diesem Schuldverhältnis beschränken sich zum einen auf die Aussage, dass auf dieses Schuldverhältnis die allgemeinen schuldrechtlichen Normen anwendbar sein sollen. Zum anderen hat er ausgeführt, dass sich aus diesem Schuldverhältnis über die in den §§ 1020 ff. BGB geregelten Pflichten hinaus weitere „Nebenpflichten zu einem positiven Tun“ ergäben, die mithilfe einer Abwägung der gegenüberstehenden Interessen zu ermitteln seien25. 30. Umfassender hat sich die Literatur mit dem ihrer Meinung nach zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis auseinander gesetzt. Dieses auch als gesetzliches Begleitschuldverhältnis bezeichnete Schuldverhältnis soll ihrer Auffassung nach eine Zwitterstellung zwischen Schuld- und Sachenrecht einnehmen: Zwar handle es sich um ein Schuldverhältnis, doch sei dieses Teil des dinglichen Rechts. Aufgrund dieser Zwitterstellung ergäben sich Besonderheiten bei der rechtlichen Behandlung des Begleitschuldverhältnisses gegenüber anderen Schuldverhältnissen. So soll das Begleitschuldverhältnis als Inhalt des dinglichen Rechts bei einem Wechsel des Eigentümers des herrschenden oder des dienenden Grundstücks stets auf den neuen Grundstückseigentümer übergehen. Da das Begleitschuldverhältnis zum Inhalt des dinglichen Rechts gehöre, habe dessen inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung gemäß den § 873 ff. BGB zu erfolgen. Welche Auswirkungen die angenommene Zwitterstellung auf die Anwendbarkeit der schuldrechtlichen Normen und die Möglichkeit der privatautonomen Ausgestaltung

23 24 25

Siehe dazu § 6 C. Siehe dazu § 6 C. Siehe dazu § 7 A.

Zusammenfassung

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des Begleitschuldverhältnisses hat, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet26. 31. Literatur und Rechtsprechung gehen davon aus, dass die §§ 1020 ff. BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer des herrschenden und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks begründen, ohne diese Annahme je auf ihre Richtigkeit hin überprüft zu haben. 32. Der Begriff „Schuldverhältnis“ wird im BGB nicht einheitlich verwendet. Zum einen bezeichnet er in einem engen Sinn den schuldrechtlichen Anspruch. Zum anderen bezeichnet er in einem weiten Sinn als deskriptiver Sammelbegriff die Gesamtheit der zwischen zwei Personen bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche, unabhängig davon, um wie viele schuldrechtliche Ansprüche – und sei es ein einziger – es sich dabei handelt. Begründet eine Norm einen schuldrechtlichen Anspruch einer Person gegen eine andere besteht zwischen diesen daher stets sowohl ein Schuldverhältnis im engen als auch im weiten Sinn27. 33. Ob es sich bei einem Anspruch, den eine Norm begründet, um einen schuldrechtlichen oder einen dinglichen Anspruch handelt, lässt sich lediglich anhand der Funktion erkennen, die den dinglichen Ansprüchen innerhalb der Rechtsordnung zukommt. Die dinglichen Ansprüche haben die Funktion, den dem Inhalt des dinglichen Rechts entsprechenden Zustand herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Sie greifen in Situationen ein, in denen der Inhaber eines dinglichen Rechts an der Ausübung seines Rechts gehindert ist, weil ein anderer durch sein Verhalten oder den Zustand einer ihm gehörenden Sache eine Herrschaftsposition einnimmt, die rechtlich nicht ihm, sondern dem Inhaber des dinglichen Rechts zugeordnet ist. Sie zwingen den anderen zur Aufgabe der Inanspruchnahme des fremden Rechtskreises und sorgen so dafür, dass der tatsächliche Ist-Zustand dem von der rechtlichen Güterzuordnung vorgesehenen Soll-Zustand entspricht28. 34. Entgegen der in Literatur und Rechtsprechung einhellig vertretenen Ansicht begründet § 1020 S. 1 BGB keine Pflicht des Grunddienstbarkeitsberechtigten zur schonenden Ausübung und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Grunddienstbarkeitsberechtigten und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks. § 1020 S. 1 BGB konkretisiert den Inhalt des dinglichen Rechts. In den Fällen, in denen sich die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts nicht durch Auslegung ermitteln lassen, legt § 1020 S. 1 BGB diese fest, indem er bestimmt, dass das Recht an dem

26 27 28

Siehe dazu § 7 B. Siehe dazu § 8 A. I. und II. Siehe dazu § 8 A. III.

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belasteten Grundstück nur soweit reicht, wie die Interessen des Eigentümers belasteten Grundstücks tunlichst geschont werden29. 35. Auch § 1020 S. 2 BGB begründet entgegen der allgemein vertretenen Auffassung keinen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechitgten auf die Erhaltung der zur Ausübung der Grunddienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück gehaltenen Anlage. Bei § 1020 S. 2 BGB handelt es sich vielmehr um einen Unterfall des § 1020 S. 1 BGB, der wie dieser die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts festlegt, wenn sich diese nicht durch Auslegung ermitteln lassen. Für den Fall, dass der Grunddienstbarkeitsberechtigte eine zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehaltene Anlage nicht in ordnungsmäßigem Zustand erhält, legt § 1020 S. 2 BGB fest, dass Eigentumsbeeinträchtigungen des dienenden Grundstücks, welche von dieser Anlage ausgehen, nicht von dem durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Recht umfasst sind30. 36. § 1020 S. 2 BGB ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen die Grunddienstbarkeit lediglich das Recht einräumt, eine Anlage auf dem dienenden Grundstück mitzubenutzen. In diesen Fällen bestimmen sich die Grenzen des dinglichen Rechts ausschließlich nach § 1020 S. 1 BGB. Gehen von einer gemeinsam benutzten Anlage faktische Störungen des dienenden Grundstück aus, so hat der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I BGB lediglich einen Anspruch auf die Duldung der Maßnahmen, die zur Beseitigung bzw. Verhinderung faktischer Störungen des dienenden Grundstücks durch die Anlage erforderlich sind31. 37. Bei dem Recht auf Unterhaltung der Anlage, das entweder gemäß § 1021 I BGB durch Vereinbarung oder unter den Voraussetzungen des § 1022 BGB kraft Gesetz entsteht, handelt es sich entgegen der allgemein vertretenen Auffassung nicht um ein obligatorisches Recht. Es handelt sich vielmehr um ein dingliches Recht auf Befriedigung wegen der rückständigen Unterhaltungsleistungen, welches sich von der Reallast lediglich durch seine Akzessorietät zur Grunddienstbarkeit unterscheidet. Mit diesem durch Einigung und Eintragung entstehenden dinglichen Recht entsteht kraft Gesetz, nämlich gemäß § 1021 II i.V. m. § 1108 I BGB analog bzw. § 1022 i.V. m. § 1108 I BGB analog, ein vertraglich abdingbares obligatorisches Recht auf die einzelnen Unterhaltungsleistungen32. 29 30 31 32

Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu §

8 B. I. 8 B. II. 8 B. II. d). 8 C. II.

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345

38. Eine Vereinbarung gemäß § 1021 I 1 BGB, die dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Unterhaltungslast auferlegt, verdrängt nicht die gesetzliche Regelung des § 1020 S. 2 BGB, wonach der Grunddienstbarkeitsberechtigte die Anlage zu erhalten hat, soweit das Interesse des Eigentümers des dienenden Grundstücks es erfordert. Dies ergibt sich aus dem unterschiedlichen Regelungsgehalt beider Normen. § 1020 S. 2 BGB legt die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts für Zweifelsfälle dergestalt fest, dass Beeinträchtigungen, die von einer nicht in ordnungsmäßigem Zustand gehaltenen Anlage ausgehen, nicht vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst sind. Unter den Begriff der „Erhaltung“ i. S. d. § 1020 S. 2 BGB fallen daher diejenigen Maßnahmen, die dazu dienen, von der Anlage ausgehende Beeinträchtigungen des Eigentums am dienenden Grundstück zu vermeiden. Demgegenüber betrifft § 1021 I 1 BGB die Unterhaltung der Anlage, also die Aufrechterhaltung desjenigen Zustandes, der zur Ausübung des Nutzungsrechts durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten erforderlich ist. § 1021 I 1 BGB räumt den Parteien die Möglichkeit ein, ein mit der Grunddienstbarkeit akzessorisch verbundenes reallastgleiches dingliches Recht auf Befriedigung aus dem dienenden bzw. – im Fall des § 1021 I 2 BGB – dem herrschenden Grundstück wegen rückständiger Unterhaltungsleistungen zu begründen33. 39. Freilich gibt es Maßnahmen, die sowohl der Erhaltung der Anlage als auch deren Unterhaltung dienen. Auch bezüglich dieser Maßnahmen stellt sich jedoch nicht das Problem, ob der Grunddienstbarkeitsberechtige – gemäß § 1021 II BGB i.V. m. § 1108 BGB – oder der Eigentümer des dienenden Grundstücks – gemäß § 1004 I 2 BGB – die Vornahme dieser Maßnahmen vom jeweils anderen verlangen kann. Denn § 1020 S. 2 BGB, wonach von einer nicht ordnungsgemäßen Anlage ausgehende Beeinträchtigungen nicht vom Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts gedeckt und daher vom Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht gemäß § 1004 II BGB zu dulden sind, kommt hier gar nicht erst zur Anwendung. Haben die Parteien nämlich vereinbart, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat, so ergibt die Auslegung der Grunddienstbarkeit, dass solche Beeinträchtigungen, die durch Maßnahmen verhindert werden können, welche zugleich auch der Funktionsfähigkeit, also der Unterhaltung der Anlage dienen, vom Inhalt der Grunddienstbarkeit umfasst sind. Es besteht in diesem Fall keine Unsicherheit über die Grenzen des durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechts, die mithilfe des § 1020 S. 2 BGB beseitigt werden müsste34.

33 34

Siehe dazu § 8 C. II. 3. Siehe dazu § 8 C. II. 3.

346

Zusammenfassung

40. Da es sich bei dem Recht auf Unterhaltung der Anlage gemäß § 1021 I BGB um ein dingliches Recht handelt, das sich von der Reallast nur durch seine Akzessorietät zur Grunddienstbarkeit unterscheidet, sind bei der Ausgestaltung dieses Rechts die für die Ausgestaltung der Reallast geltenden Grenzen einzuhalten. Bei der Ausgestaltung dieses Rechts sind die Parteien nicht darauf beschränkt, eine Vereinbarung bezüglich der Vornahme der Unterhaltungsmaßnahmen zu treffen. Sie können auch lediglich eine Vereinbarung über die Kostentragung treffen35. 41. Auf den Fall, dass die Grunddienstbarkeit nur ein Recht zur Mitbenutzung der Anlage einräumt und keine Vereinbarung über die Unterhaltung der Anlage getroffen wurde, ist § 748 BGB entgegen der jüngsten Rechtsprechung des BGH nicht analog anwendbar. Hierfür fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn der Funktion des Sachenrechts als Zuordnungsrecht, nach der die Inhaber verschiedener dinglicher Rechte an derselben Sache unverbunden wie beliebige Dritte nebeneinander stehen, entspricht es gerade, wenn das Gesetz für den Fall, dass der Inhaber des einen dinglichen Rechts eine Aufwendung auf die Sache macht, welche auch dem Inhaber des anderen dinglichen Rechts zugutekommt, keine Regelung vorsieht, wonach der eine vom anderen verlangen kann, sich an den Kosten zu beteiligen36. 42. § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB begründet lediglich für den in § 1023 I 2 BGB geregelten Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit eine bestimmte Lage ihres Ausübungsbereichs festgelegt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch des Eigentümers des dienenden Grundstücks gegen den Grunddienstbarkeitsberechtigten. Dieser Anspruch ist gerichtet auf die Mitwirkung des Grunddienstbarkeitsberechtigten an der inhaltlichen Änderung der Grunddienstbarkeit (§ 877 BGB) dergestalt, dass als Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit anstelle des bisherigen Bereichs ein anderer Bereich festgelegt wird. Der andere Bereich muss zum einen für die Ausübung der Grunddienstbarkeit ebenso geeignet sein wie der bisherige Bereich. Zum anderen muss auf diesem Bereich die Ausübung der Grunddienstbarkeit für den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger beschwerlich sein. Der Anspruch gemäß § 1023 I 1 Hs. 1, S. 2 BGB gehört nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts37. 43. Für den Fall, dass nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit keine bestimmte Lage des Ausübungsbereichs festgesetzt ist, begründet § 1023 I 1 Hs. 1 BGB hingegen keinen schuldrechtlichen Anspruch. Für diesen Fall wiederholt § 1023 I 1 Hs. 1 BGB lediglich, was der Eigentümer des dienenden Grund35 36 37

Siehe dazu § 8 C. II. 4. Siehe dazu § 8 C. II. 5. Siehe dazu § 8 D. II. 1.

Zusammenfassung

347

stücks vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB verlangen kann, wenn es auf dem dienenden Grundstück einen Bereich gibt, der zum einen für die Ausübung der Grunddienstbarkeit ebenso geeignet ist und auf dem zum anderen die Ausübung der Grunddienstbarkeit den Eigentümer des dienenden Grundstücks weniger in der Ausübung seines Eigentumsrechts beeinträchtigt. Nutzt der Grunddienstbarkeitsberechtigte in diesem Fall weiterhin den bisherigen Bereich, so überschreitet er damit die Grenzen, die der Grundsatz der schonenden Ausübung gemäß § 1020 S. 1 BGB seinem durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsrecht zieht. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks kann daher vom Grunddienstbarkeitsberechtigten gemäß § 1004 I 2 BGB verlangen, dass dieser die in der Nutzung des bisherigen Bereichs liegende vom Inhalt der Grunddienstbarkeit nicht gedeckte Beeinträchtigung des Eigentums am dienenden Grundstück unterlässt, die Ausübung der Grunddienstbarkeit also – um es mit den Worten des § 1023 I 1 Hs. 1 BGB zu sagen – auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlegt38. 44. § 1023 I 1 Hs. 2 BGB begründet einen schuldrechtlichen Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks darauf, dass dieser die Kosten der Verlegung der Ausübung der Grunddienstbarkeit trägt und vorschießt. Dieser Anspruch gehört nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts Grunddienstbarkeit39.

38 39

Siehe dazu § 8 D. II. 1. Siehe dazu § 8 D. II. 2.

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Stichwortverzeichnis Die Seitenangaben beziehen sich auf den Haupt- und/oder den Fußnotentext. actio conducti 143 actio confessoria 258, 262, 264 f. actio in personam 265 actio in rem 258, 262 f., 265 actus 76 f. adminicula servitutum 257 Alleinbesitz 109 Analogie – Voraussetzungen 134 f. Andeutungstheorie 82 f. Anlage siehe Grunddienstbarkeitsanlage aquae ductus 77 aquae haustus 77 Auslegung – Andeutungstheorie siehe Andeutungstheorie – dingliches Recht siehe dingliches Recht, Auslegung – Einigung siehe Einigung, Auslegung – Eintragung siehe Eintragung, Auslegung – ergänzende Vertragsauslegung siehe ergänzende Vertragsauslegung – Grunddienstbarkeit siehe Grunddienstbarkeit, Auslegung – objektive Auslegungstheorie siehe objektive Auslegungstheorie – subjektive Auslegungstheorie siehe subjektive Auslegungstheorie Baulastenverzeichnis 169 f. Beeinträchtigung – der Grunddienstbarkeit siehe Grunddienstbarkeit, Beeinträchtigung – des Eigentums siehe Eigentumsbeeinträchtigung

Begleitschuldverhältnis siehe Grunddienstbarkeit, gesetzliches (Begleit-)Schuldverhältnis Benutzungsgrunddienstbarkeit – Abgrenzung zum Nießbrauch 37 ff. – Benutzung in einzelnen Beziehungen 44 beschränkte persönliche Dienstbarkeit – Abgrenzung zur Grunddienstbarkeit 44 beschränktes dingliches Recht – Konstruktion 51 f., 72, 94 f., 255 f. Beseitigung – der Besitzstörung 104, 149, 157 – der Eigentumsbeeinträchtigung 101 f., 217 – der Grunddienstbarkeitsbeeinträchtigung 107, 283 – der Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit 114 Besitz – mittelbarer 105 f., 135, 146, 151 ff. – unmittelbarer 109, 135, 151 f. Besitzdiener 116, 154 f. Besitzentziehung 99, 104 f., 107 ff., 113 f., 136 Besitzer – mittelbarer 105 f., 138, 142, 151 ff., 155 – unmittelbarer 105 f., 111, 114, 142, 151 f. Besitzherr 116, 151, 154 f. Besitzmittlungsverhältnis 105 ff., 146 Besitzrecht siehe Recht zum Besitz Besitzstörung 104, 113 f., 149, 157, 338 casum sentit dominus 98 cautio damni infecti 264

Stichwortverzeichnis Code civil 22 f., 33, 57, 79, 88 Corpus Iuris Civilis 23 Dereliktion 246, 258, 261, 263 f. Dienstbarkeit – als Oberbegriff 31 ff., 165 dinglicher Anspruch – Abgrenzung, Schadensersatzanspruch 98 f. – Abgrenzung, schuldrechtlicher Anspruch 197 ff., 310 – Funktion 97 ff., 199 ff., 312 dingliches Recht – Abgrenzung, obligatorisches Recht 51 f., 68, 205, 263, 281, 283, 321, 334 – Auslegung 81 ff. – Begriff 51 f. dominum directum siehe Obereigentum dominum utile siehe Untereigentum Duldungspflicht 108 – gegenüber dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks 102 f. – gegenüber Dritten 116 ff. Duplizität der Rechte 87 f., 91 echte Teilbelastung 295 Eigentum – Eigentumsbegriff des BGB 55 ff., 72 f., 331 – Lehre vom geteilten Eigentum 56 ff., 60, 72 – Mobilität 60 f., 72 Eigentumsbeeinträchtigung 98 ff., 148, 157, 304, 319 f., 324 Eigentumsverletzung 103, 148 Einigung – Auslegung 82 ff., 90 f. – Verhältnis zur Eintragung 81 ff. Eintragung – Auslegung 81, 83, 91 – formale Rechtskraft 87, 90 – Verhältnis zur Einigung 81 ff.

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Entstehungsgeschichte des BGB 22 ff. ergänzende Vertragsauslegung 173, 214 ff. falsa demonstratio non nocet 82 f. Felddienstbarkeit siehe servitutes praediorum rusticorum Gebäudedienstbarkeit siehe servitutes praediorum urbanorum gemeines Recht 22 f., 26, 56, 59, 61, 64, 66, 76, 78 f., 133, 135 f., 206, 208, 253 f., 258, 265, 267 ff., 275 gestufter Mitbesitz 105, 107 Grunddienstbarkeit – Abgrenzung zum Nießbrauch 37 ff., 74 f. – Abgrenzung zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit 44 – Anlage siehe Grunddienstbarkeitsanlage – Arten 44 ff. – Ausgestaltung, privatautonom 70 ff., 213, 296 – Auslegung 80 ff., 213 f., 286, 296 – Ausübungsberechtigung Dritter 119 ff. – Ausübungsbereich 297 ff., 302 ff., 306, 309 ff., 313, 315 f., 320, 323, 328 ff., 335 – Ausübungsbeschränkung auf einen Teil des Grundstücks 295 ff. – Ausübungsstelle/-ort 294, 298 ff., 308, 311 ff., 316 f., 319 ff., 324, 329, 331, 334 – Baulastfälle 168 ff. – bedingte Ausübungsbefugnis 69 – Beeinträchtigung 107 f., 112 f., 283 – benannte Grunddienstbarkeiten 75 ff. – Beschwerlichkeit der Ausübung 299 f. – Eigentümergrunddienstbarkeit 66 ff. – gesetzliches (Begleit-)Schuldverhältnis 159 ff., 202, 217, 242 f., 251, 294, 307 ff., 335 – Nachbarschaft siehe Vizinität

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Stichwortverzeichnis

– Nebenpflichten 163 f., 171, 173 f., 191, 204, 342 – nemini res sua servit 66 ff. – perpetua causa 59, 64, 78, 262 – schonende Ausübung 71, 75, 162 f., 165 f., 186, 201 ff., 225, 227, 229 f., 240, 242, 257, 295, 313 ff., 319 – Schonungspflicht siehe schonende Ausübung – servitus dividi non potest 59 – servitus in faciendo consistere nequit 70, 254 f., 260, 262, 265 f., 268, 270 ff. – Störung der Ausübung 112 f. – unentgeltliche Ausübung 68 f. – Unteilbarkeit siehe servitus dividi non potest – Utilität siehe Vorteil für die Benutzung – Verlegung der Ausübung 294, 301 ff., 306, 308, 310, 322 ff., 328 ff. – Verlegungskosten 294, 307 f., 331 ff. – Vizinität 59, 64, 78 – volkswirtschaftlicher Nutzen 62, 318 f., 327 ff. – Vorteil für die Benutzung 59 ff., 287 Grunddienstbarkeitsanlage – Abgrenzung, Erhaltung und Unterhaltung 220, 231, 244 ff., 284 ff. – bauliche Anlage 251 – Begriff 219 – Erhaltung bei Mitbenutzung 222 ff., 239 ff. – Erhaltung der Anlage 162, 218 f., 220 ff., 227 ff. – getragene Anlage 250 – Halten der Anlage 219 f., 238 f. – tragende Anlage 250 – Unterhaltung bei Mitbenutzung 247 ff., 267, 269 f., 291 ff. – Unterhaltung der Anlage 242 ff., 252 ff. – Unterhaltungsvereinbarung 187, 190, 223 ff., 242 ff., 250 ff., 268 ff., 273 f., 280, 283 ff., 293

Grunddienstbarkeitstypen siehe Grunddienstbarkeit, benannte Grunddienstbarkeiten Güterzuordnung 97 f., 108 f., 118, 145 f., 152, 199 ff., 235, 312, 332 Istzustand 98 f., 107, 283 iter 76 f. laudatio auctoris 137 legis actio sacramento in rem 143 Marke siehe Warenbezugspflicht Mitbesitz 105, 109, 111, 114 Mitbesitzer siehe Mitbesitz nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis 166 nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet 86 Nießbrauch – Abgrenzung zur Grunddienstbarkeit 37 ff., 74 f. – Ausübung 121, 124 ff., 130 f. – gesetzliches (Begleit-)Schuldverhältnis 165, 175, 212 – Übertragbarkeit 127 f. – Unübertragbarkeit 130 f. Numerus-clausus-Prinzip 72 f., 75, 131 f., 184 ff. Obereigentum 56 ff., 60 objektive Auslegungstheorie 28 f. obligatorisches Recht siehe auch Schuldverhältnis, siehe auch schuldrechtlicher Anspruch – Abgrenzung, dingliches Recht siehe dingliches Recht öffentlicher Glaube 86 ff., 91 Preußisches Allgemeines Landrecht 22 f., 33, 57, 79, 193, 255, 265, 267

Stichwortverzeichnis

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Reallast 69, 71, 188, 190, 223, 225, 242 ff., 249, 252, 257, 266, 271 f., 274 ff., 287 ff., 295, 333, 335 Recht zum Besitz 104, 106, 108 f., 133 f., 138, 141 ff., 152 Rechtsbesitz 109 f., 112, 114 Rechtseinheit 22, 24 Relativität des Schuldverhältnisses 132 f., 139, 193

Störer – aufgrund des Verhaltens Dritter 149 ff. – Begriff 108, 100 f., 115 f., 150 f. – Handlungsstörer 101 – mittelbarer Störer 150 ff. – Vermieter 149 f. – Zustandsstörer 101 subjektive Auslegungstheorie 27 ff., 93

Sachbesitz 110, 112, 114 Schadensersatz 98 f., 101, 103 ff., 156 ff., 161, 168, 179 ff., 204, 212, 218, 222, 226, 230, 233, 236, 249, 290, 304, 324 f. Schadensersatzanspruch – Abgrenzung, dinglicher Anspruch 98 f. schuldrechtlicher Anspruch – Abgrenzung, dinglicher Anspruch 197 ff., 310 – Begriff siehe Schuldverhältnis, Begriff Schuldverhältnis – Begriff 192 ff. – im engeren Sinn 193 ff. – im weiteren Sinn 193 ff. Schutzpflicht 183, 204 servitus altius non tollendi 77 servitus oneris ferendi 70, 77, 258 ff., 265 f., 268 ff. servitus servitutis esse non potest 65 servitus tigni immittendi 77, 258 f. servitutes apparentes 78 servitutes continuae 77 servitutes discontinuae 77 servitutes non apparentes 78 servitutes personarum 31 servitutes praediorum rusticorum 31, 54, 77 servitutes praediorum urbanorum 31, 54, 77 servitutes rerum 31 Sollzustand 98 f., 101, 107, 109, 283

Teilbesitz 111 Tramrecht 251 Trennungsprinzip 143 Treu und Glauben 163, 166, 171 ff., 188, 190, 202, 214, 216, 294, 305 Typenfixierung 185, 190 Typenzwang 68 f., 184, 190 ultra posse nemo obligatur 150 unechte Teilbelastung 296 Untereigentum 56 ff., 60 Unterlassung – der Besitzstörung 104, 149 – der Eigentumsbeeinträchtigung 101 f., 217 – der Grunddienstbarkeitsbeeinträchtigung 107, 283 – der Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit 114 Unterlassungsgrunddienstbarkeit 45 ff. – „gewisse Handlungen“ 49 – Beschränkung der Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht 46 – gesetzlich verbotene Handlungen 45 f. – unmittelbare Verschiedenheit der Benutzungsart 47 ff. unvollkommene Verbindlichkeit 278 Usurpationstheorie 96 verbotene Eigenmacht 104, 116, 149, 338 Vertragstypen 76 via 76 f., 207, 209

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Stichwortverzeichnis

Vindikation 19, 96 f., 99, 108 f., 116, 133 f., 136 ff., 144 ff., 150 ff., 158, 198 ff., 341 – gegen den mittelbaren Besitzer 151 f. – gegen den Besitzdiener 116, 154 Warenbezugspflichten 47 ff. Wasserleitungsrecht siehe aquae ductus

Wasserschöpfungsrecht siehe aquae haustus Wasserservitut 76 Wegeservitut 76 wesentlicher Bestandteil 118, 232, 237 Widerklage 104 f., 149