Das sogenannte Anleiheschuldverhältnis: Dissertationsschrift 9783161556999, 9783161557002, 3161556992

Das Schuldverschreibungsgesetz verbindet die Gläubiger von Anleihen zu einer besonderen Gemeinschaft. Wie dieses Kollekt

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Das sogenannte Anleiheschuldverhältnis: Dissertationsschrift
 9783161556999, 9783161557002, 3161556992

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung und Gang der Untersuchung
1. Teil: Grundlagen
A. Kollektivhandlungsprobleme
I. Kollektivhandlungsprobleme bei der Änderung von Anleihebedingungen
II. Kollektivhandlungsprobleme im Zusammenhang mit Kündigungen
B. Das SchVG
I. Hintergrund und Zielsetzung des SchVG
1. Defizite des SchVG 1899
2. Ziele des SchVG
II. Anwendungsbereich des SchVG
1. Sachlicher Anwendungsbereich
a) Schuldverschreibung
b) Gesamtemission
c) Inhaltsgleichheit
d) Nach deutschem Recht begeben
2. Zeitlicher Anwendungsbereich
III. Überblick über die gesetzlichen Regelungen
2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger
A. Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger
I. „Bloße“ Forderungsbeziehung oder besonderes Schuldverhältnis eigener Art?
1. Das Meinungsspektrum
2. Unterscheidung Schuldverhältnis i. e. S. und Schuldverhältnis i. w. S
3. Verbriefung von Forderungen, lediglich Schuldverhältnis i. e. S
a) numerus clausus der Wertpapiere
aa) Keine Verbriefung anspruchserzeugender Stammrechte in Schuldverschreibungen
(1) Grundsätzliche Bedenken gegen die Rechtsfigur anspruchserzeugender Stammrechte oder Gesamtansprüche
(2) Ablehnung eines Genussrechtstammrechts
(3) Fehlender Forderungscharakter
(4) Konstruktion „wiederkehrender“ Leistungspflichten in Schuldverschreibungen
bb) Zinsverpflichtungen in Schuldverschreibungen
(1) Kein Zinsstammrecht oder Zinsgesamtanspruch
(2) Unzulässigkeit der Verbriefung sog. ewig laufender Anleihen
cc) Pflichtwandelanleihen und umgekehrte Wandelanleihen
b) Übertragungsmöglichkeiten von Schuldverschreibungen
aa) Weder § 398 BGB noch die §§ 929 ff. BGB bilden eine Rechtsgrundlage für den Übergang eines Schuldverhältnisses i. w. S
bb) Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 746, 751 BGB?
cc) Zwischenergebnis
4. Verhältnis der verbrieften Forderung zu Übernahme- und Begebungsvertrag
a) Übernahme- und Begebungsvertrag
b) Trennung von Begebungsvertrag und verbriefter Forderung
c) Zwischenergebnis
5. Sekundäre Gläubigerrechte
6. Die Regelungen in den Anleihebedingungen begründen kein Schuldverhältnis i. w. S
a) Anleihebedingungen als inhaltliche Ausgestaltung der verbrieften Forderung
b) Kein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen Teilschuldverschreibungsschuldner und Teilschuldverschreibungsgläubiger durch covenants und Sicherheiten
c) Andernfalls bloße Beweisurkunden
7. Ergebnis: „Bloße“ Forderungsbeziehung, kein besonderes Anleiheschuldverhältnis
II. ABG-Charakter und Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen
1. Anleihebedingungen sind keine AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB
2. Keine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle
a) Keine Produktkontrolle
b) Weitere Argumente gegen AGB-rechtliche Inhaltskontrolle
c) Vereinbarkeit mit EU-Recht
d) Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht
III. Charakter als Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB)
1. Argumente für die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis
2. Argumente gegen die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis
3. Kein Dauerschuldverhältnis
a) Begriff und Wesensmerkmale des Dauerschuldverhältnisses
b) Fehlendes Schuldverhältnis i. w. S
c) Abstraktheit der verbrieften Forderung, keine Kapitalüberlassungspflicht
d) Zur Relation von Leistungserfolg und Vertragsbeendigung
e) Zum ausschließlich mit Hilfe der Zeit quantifizierbaren Umfang der (Haupt-)Leistungspflicht
f) Ergebnis
IV. Zusammenfassung
B. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB
I. Meinungsstand
II. Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche
1. Kein zugrundeliegendes einheitliches Schuldverhältnis i. w. S
2. Normative Betrachtung
3. Zusammenfassung
C. Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger
I. Inhalt, sachliche Reichweite und Funktion der kollektiven Bindung
1. Inhalt der kollektiven Bindung
2. Sachliche Reichweite der kollektiven Bindung
3. Funktion der kollektiven Bindung
a) Überblick
b) Kritik am („anleihefunktionstechnischen“) Mehrwert der kollektiven Bindung
II. Dogmatische Einordnung der §§ 4 ff. SchVG
1. Meinungsstand zur Rechtsnatur des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger
a) Personengesellschaftsrechtlicher Innenverband
b) Gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft
c) Rechtsgemeinschaft sui generis mit Eigenschaften der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) und der Personengesellschaft (§§ 705 ff. BGB)
d) Netzvertragliche Rechtskonstruktion sui generis auf Grundlage von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB
e) Kollektiv sui generis im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten des SchVG und der Anleihebedingungen
f) Kein besonderes Näheverhältnis der Teilschuldverschreibungsgläubiger
2. Stellungnahme
a) Kollektive Bindung als allgemeines Prinzip von Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen? – Rechtslage ohne §§ 4 ff. SchVG
aa) Überblick über den Meinungsstand
bb) Keine schuldrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger
cc) Keine Bruchteilsgemeinschaft an der Verfügungsbefugnis zur Änderung der Anleihebedingungen
dd) Rechtliche Identität der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission als Bestandteil der verbrieften Forderung?
(1) Bedingungskonstruktion
(2) Begründbarkeit durch Auslegung?
(3) Vergleich zur Rechtsprechung des BVerfG zum Delisting
(4) Keine Kompensation durch Gewährung kollektiver Rechte
(5) Grundsatz der Privatautonomie
ee) Rechtliche Identität als Geschäftsgrundlage der verbrieften Forderungen?
ff) Ergebnis zur Rechtslage ohne §§ 4 ff. SchVG
b) Auseinandersetzung mit den Ansichten im Schrifttum zur Rechtsnatur des Kollektivs nach dem SchVG
aa) Keine (personen-)gesellschaftsrechtliche Bindung
(1) Grundsätzliche Bedenken
(2) Bedenken gegen die Konstruktion eines personengesellschaftsrechtlichen Innenverbands
bb) Keine Bruchteilsgemeinschaft
cc) Kein netzvertragliches Kollektiv sui generis auf Grundlage von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB
dd) Ergebnis: Keine Einordnung in bekannte Kategorien
3. Die Typologie des Kollektivs
a) Die kollektive Bindung als Verbindungsmechanismus selbstständiger Schuldverhältnisse
b) Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist kein Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit
c) Gesetzliche Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG
aa) Grundlagen
bb) Einheitliches Erklärungsmodell für das SchVG und das BSchuWG
d) Zweistufiges System der Interessenkoordination
e) Zusammenfassung
4. Resümee zur Funktion der kollektiven Bindung
a) Schutz der Fungibilität und Schutz vor Verkleinerung des Sekundärmarktes
b) Keine über die Vergemeinschaftung hinausgehende organisationsrechtliche Funktion der kollektiven Bindung
c) Die kollektive Bindung stellt nicht die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht her
III. Zur kollektiven Bindung in Bezug auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Gerichtsentscheidungen
1. Überblick über den Meinungsstand
2. Keine kollektive Bindung in Bezug auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Gerichtsentscheidungen
IV. Der gemeinsame Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger
1. Überblick über die gesetzlichen Regelungen
2. Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten
a) Meinungsstand im Schrifttum
aa) Zu den Rechtsverhältnissen beim Wahlvertreter i. S. d. § 7 SchVG
bb) Zu den Rechtsverhältnissen beim Vertragsvertreter i. S. d. § 8 SchVG
cc) Zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern
dd) Zur Kostentragungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG
(1) Grundsätzliche dogmatische Einordnung
(2) Insolvenzrechtliche Einordnung
b) Stellungnahme
aa) Gemeinsamer Vertreter als rechtsgeschäftlicher Vertreter
bb) Keine gleichlautenden bilateralen Vertragsverhältnisse
cc) Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unter Zugrundelegung des Modells gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht
(1) Wahlvertreter
(2) Vertragsvertreter
dd) Zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern
ee) Zur Kostentragung
3. Zusammenfassung
V. Horizontale Treuepflichten und (materielle) Beschlusskontrolle
1. Horizontale Treuepflichten
a) Meinungsspektrum
b) Keine horizontalen Treuepflichten
aa) Voraussetzungen von Treue- und Rücksichtnahmepflichten
bb) Kein Verzicht auf das Erfordernis einer Sonderverbindung
cc) Situation bei den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Emission
dd) Unvereinbarkeit mit den Grundprinzipien des SchVG
ee) Bedenken gegen die von Schrifttum und Rechtsprechung herausgearbeiteten Ausprägungen horizontaler Treuepflichten
(1) Zur Schrankenfunktion im Hinblick auf „anleiheorganisationsrechtliche“ Rechte
(2) Keine Zustimmungspflicht
(3) Keine Einschränkung von Kündigungsrechten
ff) Zusammenfassung
2. Beschlusskontrolle
a) System der Beschlusskontrolle nach dem SchVG
b) Meinungsstand zur materiellen Beschlusskontrolle
aa) Befürworter einer materiellen Beschlusskontrolle
bb) Gegner einer materiellen Beschlusskontrolle
c) Kritik am System kassatorischer Beschlusskontrolle
aa) Reformvorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts
bb) Reformvorschlag Liebenows
d) Stellungnahme
aa) Keine materielle Beschlusskontrolle
bb) Kassatorisches Beschlusskontrollsystem ist verfehlt
3. Zusammenfassung
VI. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
3. Teil: Kündigungen von Teilschuldverschreibungen und die zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG
A. Rechtswirkungen von Kündigungen
I. Wirkungen von Kündigungen im Allgemeinen – Fälligstellung der verbrieften Forderung
II. Wirkungen von Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG im Besonderen
1. Regelungsinhalt des § 5 Abs. 5 SchVG
2. Gesamtwirkung oder Einzelwirkung – Meinungsstand
3. Stellungnahme
a) Zulässigkeit einer Gesamtwirkung
b) Gestaltungsfreiheit bezüglich der Rechtsfolgen einer Gesamtkündigung
c) Im Zweifel Einzelwirkung
B. Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen
I. Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB
1. Meinungsstand
2. Keine Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB
II. Anwendbarkeit von § 314 BGB
1. Argumente für die Anwendbarkeit des § 314 BGB
a) Anwendbarkeit des § 314 BGB im Allgemeinen
b) Kündigungsrecht bei Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners im Besonderen
2. Argumente gegen die Anwendbarkeit von § 314 BGB
3. Keine Anwendbarkeit von § 314 BGB
a) Zum Veräußerungsargument
b) Fehlende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Teilschuldverschreibungsschuldners begründen kein Kündigungsrecht
c) Kein Kündigungsrecht bei (drohender) Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners
d) Beeinflussung der privatautonom festgelegten Risikoverteilung
e) § 314 BGB als Ausfluss von Treu und Glauben
f) Funktion des § 314 BGB
aa) Sanktion für wesentliche Leistungsstörungen
bb) § 314 BGB als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts
g) Rechtssicherheit und Attraktivität des deutschen Anleiherechts
h) Anlegerschutz gebietet nicht die Anwendbarkeit von § 314 BGB
III. Zusammenfassung
C. Die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG
I. Problemdarstellung
II. Meinungsstand
1. Kollektive Bindung und Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach regulärem Laufzeitende
2. Kollektive Bindung und Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen bei Laufzeitende durch Kündigung
a) Meinungsstand vor der Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH
b) Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH
aa) Sachverhalt
bb) Verfahrensgang
cc) Begründung des XI. Zivilsenates des BGH
III. Stellungnahme
1. Zum Aussagegehalt der Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH
2. Keine Geltung der kollektiven Bindung nach regulärem Laufzeitende
a) Zum Verweis auf die Gesetzesbegründung
b) Zweck der kollektiven Bindung rechtfertigt teleologische Reduktion nicht
3. Keine kollektive Bindung und keine Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach einer Kündigung – zur Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH
a) Keine Rückschlüsse aus der Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH
b) Auswirkungen von Kündigungen auf die Inhaltsgleichheit
aa) Aufhebung der Inhaltsgleichheit durch Kündigung
bb) Vergleich zu nachträglichen Erhöhungen einer Emission
cc) § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist kein Ausdruck der (Fort-)Geltung der kollektiven Bindung
dd) Zum Argument der Sanierungsunfreundlichkeit
ee) Zusammenfassung
c) Verkennung der Funktion der kollektiven Bindung und Umdeutung des SchVG zu einem bindenden Vorinsolvenzrecht
d) Keine zeitliche Grenze für die Aufhebung von Kündigungen nach der Solarworld-Rechtsprechung
e) Unvereinbarkeit mit Grundprinzipien des SchVG
f) Verunsicherung von Emittenten und Investoren
g) Zusammenfassung
IV. Ergebnis
D. Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen
I. Gesetzliche Aufhebungsmöglichkeit gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG für Gesamtkündigungen
1. Dogmatische Einordnung
a) Kein Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger
b) Auseinandersetzung mit der Einordnung als Gestaltungsgegenrecht
c) Einordnung als auflösende Rechtsbedingung
aa) Rechtsbedingung
bb) Auflösende Wirkung
2. Ex tunc oder ex nunc Wirkung des Mehrheitsbeschlusses
a) Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten
aa) Kollision mit § 813 Abs. 2 BGB
bb) Kein vertraglicher Ausschluss von § 813 Abs. 2 BGB
cc) § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist keine vorrangige Spezialregelung
dd) Zusammenfassung
b) Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während der Schwebezeit
aa) Meinungsstand
bb) Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB
cc) Zusammenfassung
c) Zwischenergebnis
3. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse zu § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG
II. Aufhebungsmöglichkeiten für Einzelkündigungen
1. Keine Aufhebung durch Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG
2. Kündigungsrücknahme durch gemeinsamen Vertreter?
3. Analoge Anwendung von § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG?
a) Methodische Grundlagen der Analogiebildung
b) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke
aa) Ratio des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG
bb) Nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift?
cc) Fehlende Erkennbarkeit
dd) Weitere grundsätzliche Bedenken gegen eine analoge Anwendung
c) Zusammenfassung: Keine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen
4. Zulässigkeit der Regelung einer Aufhebungsmöglichkeit in den Anleihebedingungen
a) Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten steht nicht entgegen
b) Minderheitenschutz
aa) Missbrauchskontrolle
bb) Anforderungen an das Quorum
cc) Zeitliche Obergrenze
c) Regelungen für den Schwebezeitraum, insbesondere Leistungsverweigerungsrecht
d) Zusammenfassung
5. Ergebnis
E. De lege ferenda: Einführung einer Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen
I. Leitlinien für eine Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen
II. Vereinbarkeit mit den Zielen und der Systematik des SchVG
Gesamtergebnis
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 76

Stephanie Madeleine Bialluch

Das sogenannte Anleiheschuldverhältnis

Mohr Siebeck

Stephanie Madeleine Bialluch, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaften in Kiel; 2015–2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl vom Prof. Dr. Einsele für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Europäisches und Internationales Privat- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung der Universität Kiel; 2017 Promotion; seit 2017 Rechtsreferendarin am Kammergericht, Berlin.

ISBN 978-3-16-155699-9 / eISBN 978-3-16-155700-2 DOI 10.1628/978-3-16-155700-2 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Bis einschließlich März 2017 erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten berücksichtigt werden. Danken möchte ich zunächst Frau Prof. Dr. Dorothee Einsele, die mich während meiner Zeit am Lehrstuhl mit hilfreichen Anregungen unterstützt und stets ermutigt hat, auch scheinbar Feststehendes zu hinterfragen. Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli danke ich für zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Studienstiftung ius vivum und Herrn Prof. Dr. Haimo Schack möchte ich für die großzügige Förderung der Veröffentlichung dieser Arbeit danken. Mein persönlicher Dank für die Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Hinweise gilt zudem meinem Bruder, Martin Bialluch, sowie Dr. Sebastian von Allwörden. Beide standen mir ebenso wie mein Bruder Christoph Bialluch während der Erstellung der Arbeit und während meines Studiums stets mit anregenden und ermutigenden Worten zur Seite. Dies gilt besonders auch für meine Eltern, deren liebevolle Unterstützung für meinen bisherigen Werdegang unverzichtbar war. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, August 2017

Stephanie Madeleine Bialluch

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Einleitung und Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1. Teil: Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 A. Kollektivhandlungsprobleme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Das SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 C. Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . 94

3. Teil: Kündigungen von Teilschuldverschreibungen und die zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 A. Rechtswirkungen von Kündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . C. Die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG  . . . D. Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. De lege ferenda: Einführung einer Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223 232 256 280 314

Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Einleitung und Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1. Teil: Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 A. Kollektivhandlungsprobleme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

I. Kollektivhandlungsprobleme bei der Änderung von Anleihebedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Kollektivhandlungsprobleme im Zusammenhang mit Kündigungen  . . . . 6

B. Das SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Hintergrund und Zielsetzung des SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Defizite des SchVG 1899  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele des SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich des SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldverschreibung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesamtemission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltsgleichheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nach deutschem Recht begeben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überblick über die gesetzlichen Regelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 7 8 10 10 11 12 13 15 17 18

2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . 22

I. „Bloße“ Forderungsbeziehung oder besonderes Schuldverhältnis eigener Art?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Das Meinungsspektrum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Unterscheidung Schuldverhältnis i. e. S. und Schuldverhältnis i. w. S.  . 27 3. Verbriefung von Forderungen, lediglich Schuldverhältnis i. e. S.  . . . . . 28 a) numerus clausus der Wertpapiere  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

X

Inhaltsverzeichnis

aa) Keine Verbriefung anspruchserzeugender Stammrechte in Schuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Bedenken gegen die Rechtsfigur anspruchserzeugender Stammrechte oder Gesamtansprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ablehnung eines Genussrechtstammrechts  . . . . . . . . . . . . . (3) Fehlender Forderungscharakter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Konstruktion „wiederkehrender“ Leistungspflichten in Schuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zinsverpflichtungen in Schuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . (1) Kein Zinsstammrecht oder Zinsgesamtanspruch  . . . . . . . . (2) Unzulässigkeit der Verbriefung sog. ewig laufender Anleihen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pflichtwandelanleihen und umgekehrte Wandelanleihen  . . . . . b) Übertragungsmöglichkeiten von Schuldverschreibungen  . . . . . . . . aa) Weder § 398 BGB noch die §§ 929 ff. BGB bilden eine Rechtsgrundlage für den Übergang eines Schuldverhältnisses i. w. S.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 746, 751 BGB?  . . . cc) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der verbrieften Forderung zu Übernahme- und Begebungsvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übernahme- und Begebungsvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trennung von Begebungsvertrag und verbriefter Forderung  . . . . . . c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sekundäre Gläubigerrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Regelungen in den Anleihebedingungen begründen kein Schuldverhältnis i. w. S.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anleihebedingungen als inhaltliche Ausgestaltung der verbrieften Forderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen Teilschuldverschreibungsschuldner und Teilschuldverschreibungsgläubiger durch covenants und Sicherheiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Andernfalls bloße Beweisurkunden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis: „Bloße“ Forderungsbeziehung, kein besonderes Anleiheschuldverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. ABG‑Charakter und Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen  . . . . . . . . 1. Anleihebedingungen sind keine AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB  . . 2. Keine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Produktkontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Argumente gegen AGB-rechtliche Inhaltskontrolle  . . . . . . c) Vereinbarkeit mit EU‑Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 31 33 34 35 35 35 37 38 42 43 44 46 46 46 50 53 54 57 58

60 62 62 63 63 65 65 65 69



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d) Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Charakter als Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB)  . . . . . . . . . . . . . 1. Argumente für die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis  . . . . . . . . 2. Argumente gegen die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis  . . . . . . 3. Kein Dauerschuldverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Wesensmerkmale des Dauerschuldverhältnisses  . . . . . b) Fehlendes Schuldverhältnis i. w. S.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abstraktheit der verbrieften Forderung, keine Kapitalüberlassungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Relation von Leistungserfolg und Vertragsbeendigung  . . . . . . e) Zum ausschließlich mit Hilfe der Zeit quantifizierbaren Umfang der (Haupt-)Leistungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 71 74 75 75 76 76 78 80 82 83 86 86

B. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein zugrundeliegendes einheitliches Schuldverhältnis i. w. S.  . . . . . . 2. Normative Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 89 91 92 94

C. Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Inhalt, sachliche Reichweite und Funktion der kollektiven Bindung  . . . . 1. Inhalt der kollektiven Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachliche Reichweite der kollektiven Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Funktion der kollektiven Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik am („anleihefunktionstechnischen“) Mehrwert der kollektiven Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatische Einordnung der §§ 4 ff. SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand zur Rechtsnatur des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personengesellschaftsrechtlicher Innenverband  . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgemeinschaft sui generis mit Eigenschaften der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) und der Personengesellschaft (§§ 705 ff. BGB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Netzvertragliche Rechtskonstruktion sui generis auf Grundlage von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kollektiv sui generis im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten des SchVG und der Anleihebedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 96 97 99 99 100 101 101 102 103 104 105 106

XII

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f) Kein besonderes Näheverhältnis der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Kollektive Bindung als allgemeines Prinzip von Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen? – Rechtslage ohne §§ 4 ff. SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Überblick über den Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Keine schuldrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . . 111 cc) Keine Bruchteilsgemeinschaft an der Verfügungsbefugnis zur Änderung der Anleihebedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 dd) Rechtliche Identität der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission als Bestandteil der verbrieften Forderung?  . . 116 (1) Bedingungskonstruktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Begründbarkeit durch Auslegung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (3) Vergleich zur Rechtsprechung des BVerfG zum Delisting  . 119 (4) Keine Kompensation durch Gewährung kollektiver Rechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (5) Grundsatz der Privatautonomie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ee) Rechtliche Identität als Geschäftsgrundlage der verbrieften Forderungen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 ff) Ergebnis zur Rechtslage ohne §§ 4 ff. SchVG  . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Auseinandersetzung mit den Ansichten im Schrifttum zur Rechtsnatur des Kollektivs nach dem SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Keine (personen-)gesellschaftsrechtliche Bindung  . . . . . . . . . . 125 (1) Grundsätzliche Bedenken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Bedenken gegen die Konstruktion eines personengesellschaftsrechtlichen Innenverbands  . . . . . . . . 128 bb) Keine Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Kein netzvertragliches Kollektiv sui generis auf Grundlage von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 dd) Ergebnis: Keine Einordnung in bekannte Kategorien  . . . . . . . . 139 3. Die Typologie des Kollektivs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Die kollektive Bindung als Verbindungsmechanismus selbstständiger Schuldverhältnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist kein Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Gesetzliche Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG  . . . . . . . 143 aa) Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Einheitliches Erklärungsmodell für das SchVG und das BSchuWG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 d) Zweistufiges System der Interessenkoordination  . . . . . . . . . . . . . . . 148



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e) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee zur Funktion der kollektiven Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz der Fungibilität und Schutz vor Verkleinerung des Sekundärmarktes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine über die Vergemeinschaftung hinausgehende organisationsrechtliche Funktion der kollektiven Bindung  . . . . . . . c) Die kollektive Bindung stellt nicht die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht her  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur kollektiven Bindung in Bezug auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Gerichtsentscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über den Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine kollektive Bindung in Bezug auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Gerichtsentscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . IV. Der gemeinsame Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . 1. Überblick über die gesetzlichen Regelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand im Schrifttum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zu den Rechtsverhältnissen beim Wahlvertreter i. S. d. § 7 SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zu den Rechtsverhältnissen beim Vertragsvertreter i. S. d. § 8 SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern  . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Kostentragungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG  . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche dogmatische Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . (2) Insolvenzrechtliche Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinsamer Vertreter als rechtsgeschäftlicher Vertreter  . . . . bb) Keine gleichlautenden bilateralen Vertragsverhältnisse  . . . . . . cc) Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unter Zugrundelegung des Modells gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht  . . . (1) Wahlvertreter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vertragsvertreter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern  . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zur Kostentragung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Horizontale Treuepflichten und (materielle) Beschlusskontrolle  . . . . . . . 1. Horizontale Treuepflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsspektrum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine horizontalen Treuepflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen von Treue- und Rücksichtnahmepflichten  . . bb) Kein Verzicht auf das Erfordernis einer Sonderverbindung  . . .

XIII 149 149 149 150 151 151 151 153 154 154 157 157 157 159 160 162 162 165 167 167 169 171 171 174 175 176 180 181 183 183 188 188 191

XIV

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cc) Situation bei den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Emission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 dd) Unvereinbarkeit mit den Grundprinzipien des SchVG  . . . . . . . 194 ee) Bedenken gegen die von Schrifttum und Rechtsprechung herausgearbeiteten Ausprägungen horizontaler Treuepflichten  195 (1) Zur Schrankenfunktion im Hinblick auf „anleiheorganisationsrechtliche“ Rechte  . . . . . . . . . . . . . . 195 (2) Keine Zustimmungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (3) Keine Einschränkung von Kündigungsrechten  . . . . . . . . . . 198 ff) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Beschlusskontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) System der Beschlusskontrolle nach dem SchVG  . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Meinungsstand zur materiellen Beschlusskontrolle  . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Befürworter einer materiellen Beschlusskontrolle  . . . . . . . . . . 208 bb) Gegner einer materiellen Beschlusskontrolle  . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Kritik am System kassatorischer Beschlusskontrolle  . . . . . . . . . . . 212 aa) Reformvorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Reformvorschlag Liebenows  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Keine materielle Beschlusskontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Kassatorisches Beschlusskontrollsystem ist verfehlt  . . . . . . . . 220 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 VI. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

3. Teil: Kündigungen von Teilschuldverschreibungen und die zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 A. Rechtswirkungen von Kündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Wirkungen von Kündigungen im Allgemeinen – Fälligstellung der verbrieften Forderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirkungen von Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG im Besonderen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt des § 5 Abs. 5 SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtwirkung oder Einzelwirkung – Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit einer Gesamtwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gestaltungsfreiheit bezüglich der Rechtsfolgen einer Gesamtkündigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Im Zweifel Einzelwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223 224 225 226 227 228 230 231

B. Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . 232 I. Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232



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2. Keine Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit von § 314 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Argumente für die Anwendbarkeit des § 314 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des § 314 BGB im Allgemeinen  . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungsrecht bei Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners im Besonderen  . . . . . . . . . . . . 2. Argumente gegen die Anwendbarkeit von § 314 BGB  . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Anwendbarkeit von § 314 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Veräußerungsargument  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Teilschuldverschreibungsschuldners begründen kein Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Kündigungsrecht bei (drohender) Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners  . . . . . . . d) Beeinflussung der privatautonom festgelegten Risikoverteilung  . . e) § 314 BGB als Ausfluss von Treu und Glauben  . . . . . . . . . . . . . . . . f) Funktion des § 314 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sanktion für wesentliche Leistungsstörungen  . . . . . . . . . . . . . . bb) § 314 BGB als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts  . . . . . . . g) Rechtssicherheit und Attraktivität des deutschen Anleiherechts  . . . h) Anlegerschutz gebietet nicht die Anwendbarkeit von § 314 BGB  . . III. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV 234 235 236 236 239 240 240 241 242 242 244 246 247 247 248 251 253 255

C. Die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG  . . . 256

I. Problemdarstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 II. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Kollektive Bindung und Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach regulärem Laufzeitende  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Kollektive Bindung und Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen bei Laufzeitende durch Kündigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Meinungsstand vor der Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH  . . . . . . . . 260 aa) Sachverhalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Verfahrensgang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 cc) Begründung des XI. Zivilsenates des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Zum Aussagegehalt der Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Keine Geltung der kollektiven Bindung nach regulärem Laufzeitende 265 a) Zum Verweis auf die Gesetzesbegründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Zweck der kollektiven Bindung rechtfertigt teleologische Reduktion nicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

XVI

Inhaltsverzeichnis

3. Keine kollektive Bindung und keine Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach einer Kündigung – zur Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH  . . . . . . . . a) Keine Rückschlüsse aus der Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen von Kündigungen auf die Inhaltsgleichheit  . . . . . . . aa) Aufhebung der Inhaltsgleichheit durch Kündigung  . . . . . . . . . bb) Vergleich zu nachträglichen Erhöhungen einer Emission  . . . . . cc) § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist kein Ausdruck der (Fort-)Geltung der kollektiven Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zum Argument der Sanierungsunfreundlichkeit  . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verkennung der Funktion der kollektiven Bindung und Umdeutung des SchVG zu einem bindenden Vorinsolvenzrecht  . . . d) Keine zeitliche Grenze für die Aufhebung von Kündigungen nach der Solarworld-Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unvereinbarkeit mit Grundprinzipien des SchVG  . . . . . . . . . . . . . . f) Verunsicherung von Emittenten und Investoren  . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267 267 268 268 270 271 273 274 274 276 278 279 279 280

D. Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Gesetzliche Aufhebungsmöglichkeit gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG für Gesamtkündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatische Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger  . . . . . . . . b) Auseinandersetzung mit der Einordnung als Gestaltungsgegenrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einordnung als auflösende Rechtsbedingung  . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsbedingung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auflösende Wirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ex tunc oder ex nunc Wirkung des Mehrheitsbeschlusses  . . . . . . . . . . a) Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten  . . . . . . . aa) Kollision mit § 813 Abs. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein vertraglicher Ausschluss von § 813 Abs. 2 BGB  . . . . . . . cc) § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist keine vorrangige Spezialregelung  . . dd) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während der Schwebezeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB  . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281 282 282 283 284 284 286 288 289 289 293 293 296 296 296 297 300 300



Inhaltsverzeichnis

XVII

3. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse zu § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufhebungsmöglichkeiten für Einzelkündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Aufhebung durch Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigungsrücknahme durch gemeinsamen Vertreter?  . . . . . . . . . . . . 3. Analoge Anwendung von § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG?  . . . . . . . . . . . . . . . . a) Methodische Grundlagen der Analogiebildung  . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ratio des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift?  . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlende Erkennbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere grundsätzliche Bedenken gegen eine analoge Anwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung: Keine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zulässigkeit der Regelung einer Aufhebungsmöglichkeit in den Anleihebedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten steht nicht entgegen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minderheitenschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Missbrauchskontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an das Quorum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitliche Obergrenze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regelungen für den Schwebezeitraum, insbesondere Leistungsverweigerungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300 301 301 301 302 303 304 304 305 306 307 307 308 308 310 310 311 311 312 313 314

E. De lege ferenda: Einführung einer Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

I. Leitlinien für eine Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Vereinbarkeit mit den Zielen und der Systematik des SchVG  . . . . . . . . . 317

Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

Abkürzungsverzeichnis a.A. andere Ansicht am Ende a. E. am Main a. M. ABl. Amtsblatt Abs. Absatz Archiv für civilistische Praxis AcP Die Aktiengesellschaft AG Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB AktG Aktiengesetz Art. Artikel Allgemeiner Teil AT BB Betriebsberater Bd. Band Beck’scher Online Kommentar BeckOK (Begr.) Begründer Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BKR BSchuWG Bundesschuldenwesengesetz BT‑Drs. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht bzw. beziehungsweise Corporate finance / Law CFL coco-bonds contigent convertible bonds Deutscher Anwaltverein DAV das heißt d. h. Der Betrieb DB ders. derselbe dieselbe / dieselben dies. Deutsches Steuerrecht DStR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht DZWIR Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGBGB Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM ESM‑Vertrag Vertrag zur Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus et cetera etc. Europäischer Gerichtshof EuGH Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWiR folgend, folgende f., ff.

XX

Abkürzungsverzeichnis

FD‑InsR Fachdienst Insolvenzrecht Fn. Fußnote Frankfurter Kommentar FraKomm FS Festschrift gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH GmbHG GmbH‑Gesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht GWR HGB Handelsgesetzbuch (Hrsg.) Herausgeber Hs. Halbsatz in diesem Sinne i. d. S. im engeren Sinne i. e. S. im Sinne des / der i. S. d. i. S. v. im Sinne von im weiteren Sinne i. w. S. IAS International Accounting Standards International Financial Reporting Standards IFRS insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung InvG Investmentgesetz JURA Juristische Ausbildung juris Praxiskommentar jurisPK juris PraxisReport jurisPR Juristische Schulung JuS JZ Juristenzeitung KAGB Kapitalanlagegesetzbuch KG Kommanditgesellschaft lit. littera Lindenmaier-Möhring, kommentierte BGH‑Rechtsprechung LMK mit weiteren Nachweisen m. w. N. Monatsschrift für deutsches Recht MDR Münchener Kommentar MüKo Neue Juristische Wochenschrift NJW Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZG Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht NZI offene Handelsgesellschaft OHG OLG Oberlandesgericht Schweizer Obligationenrecht OR Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei RefE2008 Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften vom 9. Mai 2008, abrufbar unter: http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/16_wp/ schuldverschreibungsg/refe.pdf, zuletzt abgerufen am 09. 03. 2016 RG Reichsgericht



RGRK

Abkürzungsverzeichnis

Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ Rn. Randnummer/n Rom I Verordnung Rom I‑VO Rpfleger Der deutsche Rechtspfleger Rz. Randziffer/n S. Seite SchVG Schuldverschreibungsgesetz SchVG 1899 Schuldverschreibungsgesetz 1899 sog. sogenannte/r/n StGB Strafgesetzbuch unter anderem, und andere u. a. Urt. Urteil v. vom Verfasser, Verfasserin Verf. vgl. vergleiche WM Wertpapier-Mitteilungen WpHG Wertpapierhandelsgesetz Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht WuB zum Beispiel z. B. zum Teil z. T. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZInsO Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP ZPO Zivilprozessordnung

XXI

Einleitung und Gang der Untersuchung Gegenstand dieser Untersuchung sind inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen. Für sie wird auch der Begriff Anleihen oder Teilschuldverschreibungen verwendet. Diese Schuldverschreibungen können dem 2009 in Kraft getretenen reformierten Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) unterfallen. Das SchVG ermöglicht es, in den Anleihebedingungen vorzusehen, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss – mit verbindlicher Wirkung für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger der Emission – zustimmen können. Bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen durch Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger schließt das SchVG aus. Außerdem eröffnet das SchVG den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Gesamtemission die Möglichkeit, zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Die durch das SchVG statuierten Einschränkungen individueller Rechtsmacht sowie die Möglichkeiten zur kollektiven Willensbildung und der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters werfen die Frage nach den Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern auf – bilden sie eine besondere Gemeinschaft, sind die Fremdkapitalgeber gar zu einem (personengesellschaftsrechtlichen) Verband verbunden? Diese, bereits zu Zeiten des SchVG 1899 geführte Diskussion hat durch die Reform des SchVG neuen Aufwind erhalten. Mit der Einordnung der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Gesellschaft oder gesellschaftsähnliche (Interessen-)Gemeinschaft wird dabei (auch) bezweckt, Treue- und Kooperationspflichten zwischen ihnen zu begründen. Mit solchen Pflichtenbindungen sollen nicht nur zur vorinsolvenzrechtlichen Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners erforderliche Änderungen der Anleihebedingungen ermöglicht werden. Treuepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern sollen außerdem eine Einschränkung von Kündigungsrechten der Teilschuldverschreibungsgläubiger legitimieren. Wann die Teilschuldverschreibungsgläubiger das Recht zur Kündigung haben, welche Wirkungen mit einer Kündigung überhaupt verbunden sind und ob angesichts negativer Signale von Kündigungen in einer wirtschaftlichen

2

Einleitung und Gang der Untersuchung

Krise des Teilschuldverschreibungsschuldners und der damit verbundenen Auswirkungen auf dessen Sanierungsbemühungen Möglichkeiten bestehen, Kündigungen aufzuheben, wird im schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Inzwischen hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu einigen dieser Fragen positioniert. Aber nicht nur über das Bestehen und die Qualifikation etwaiger Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern, sondern auch über die Einordnung der Rechtsbeziehungen des Teilschuldverschreibungsschuldners zu den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern sowie zu der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger besteht im schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttum Uneinigkeit. Obgleich das Wertpapierrecht als weitgehend erforscht gilt, ist im Schrifttum z. T. von einem besonderen Anleiheschuldverhältnis oder einem Schuldverhältnis sui generis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Teilschuldverschreibungsgläubiger die Rede. Teilweise wird die Existenz eines zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bestehenden Schuldverhältnis i. w. S. – der Anleihe – postuliert. Was sich hinter der Anleihe, dem besonderen Anleiheschuldverhältnis oder dem Schuldverhältnis eigener Art genau verbirgt, bleibt indes unklar. Die Thematik der Kündigung von Teilschuldverschreibungen und die Frage nach den Rechtsbeziehungen der Beteiligten stehen in verschiedener Hinsicht im Zusammenhang. Neben der bereits erwähnten Frage, ob die Belange der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger bei der Ausübung von Kündigungsrechten zu berücksichtigen sind, ob also Treue- oder Rücksichtnahmepflichten bestehen, ist die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger beispielsweise für die Anwendbarkeit von gesetzlichen Kündigungsrechten, namentlich von § 314 BGB und § 490 Abs. 1 BGB, relevant. Auch bei der Frage nach Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen zum Zwecke der Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners zeigt sich das Zusammenspiel dieser Themenbereiche. Im ersten Teil dieser Untersuchung werden nach kurzer Darstellung der (psychologischen Grundlagen der) Handlungsprobleme bei Personenmehrheiten die Zielsetzung, der Anwendungsbereich und der wesentliche Inhalt des SchVG vorgestellt. Im zweiten Teil werden die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten untersucht. Der dritte Teil dieser Untersuchung wird sich mit Kündigungen von Teilschuldverschreibungen und den Möglichkeiten ihrer Aufhebung befassen.

1. Teil

Grundlagen A. Kollektivhandlungsprobleme I.  Kollektivhandlungsprobleme bei der Änderung von Anleihebedingungen Bei der nachträglichen Änderung von Anleihebedingungen ergeben sich verschiedene Probleme mit Blick auf die zumeist große Gruppe der anonymen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die unter dem Begriff Kollektivhandlungs­ probleme zusammengefasst werden.1 In der Krise des Teilschuldverschreibungsschuldners können diese Kollektivhandlungsprobleme einer erfolgreichen vorinsolvenzrechtlichen Sanierung entgegenstehen und zu dessen Insolvenz führen. Zunächst erschwert die Anonymität der Teilschuldverschreibungsgläubiger, insbesondere im Fall von Inhaberschuldverschreibungen, die Kommunikation des Emittenten mit den Teilschuldverschreibungsgläubigern und ihre Mobilisierung zu einer Abstimmung.2 Die Mobilisierung der Teilschuldverschreibungsgläubiger wird zusätzlich durch das Phänomen der rationalen Apathie erschwert. Hiermit wird ein passives, abwartendes Verhalten aus Gründen der Kostenminimierung verstanden.3 Der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger muss Zeit und Kosten für die Information über die geplanten Maßnahmen und für die Teilnahme an der Abstimmung aufwenden. Wenn diese Kosten seinen Nutzen aus der Änderung der Anleihebedingungen zu übersteigen drohen, wird er zunächst abwarten und untätig bleiben. Bei der Abstimmung über die Änderung der Anleihebedingungen können sich innerhalb der Gruppe der Teilschuldverschreibungsgläubiger Konflikte zwischen kollektiv und individuell rationalem Verhalten ergeben, die als spieltheoretisches Gefangenendilemma bekannt sind und die als hold‑out-Problematik bezeichnet werden.4 Verkürzt geht es darum, dass die Handlungsstrategie, 1 Vgl. hierzu: Schmidtbleicher, S. 42 ff.; Reps, S. 185 ff., insbes. S. 191 ff.; Grünewald, S. 97 ff.; Kleinsorgen, S. 58 ff.; Vogel, in: Preuße, SchVG, Vor § 5, Rn. 11 ff. 2 Vgl. Reps, S. 191 f. 3  Zur rationalen Apathie: Vogel, S. 62; Schmidtbleicher, S. 59 ff.; vgl. auch Reps, S. 191 f. 4 Zur hold‑out-Problematik: Schmidtbleicher, S. 43 ff.; Reps, S. 193 ff., insbes. S. 196 ff.; Grünewald, S. 97 ff.; Kleinsorgen, S. 58 ff.; vgl. auch Eidenmüller, S. 346 ff.

4

1. Teil: Grundlagen

die in der Gesamtbetrachtung für alle Beteiligten zum größten Nutzen führen würde, nicht derjenigen Handlungsstrategie entspricht, die für den Einzelnen zum größten Vorteil führen kann, wenn er die Interessen der anderen Beteiligten vernachlässigt.5 Skizziert sei diese Problematik am Beispiel der geplanten vorinsolvenzrechtlichen Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners. Unter der Prämisse, dass die Änderung der Anleihebedingungen zum Zwecke der Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger vorteilhafter ist als dessen Insolvenz, da die Teilschuldverschreibungsgläubiger im Insolvenzfall auf die Insolvenzquote verwiesen wären, ist es für die Gruppe der Teilschuldverschreibungsgläubiger kollektiv rational, der Änderung der Anleihebedingungen zuzustimmen und dem Emittenten z. B. durch einen Forderungsverzicht, eine Stundung etc. entgegenzukommen. Was aus kollektiver Sicht rational ist, ist es aber nicht notweniger Weise auch aus Sicht des einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers. Der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger verhält sich ggf. individuell rational, wenn er seine Zustimmung zur Änderung der Anleihebedingungen verweigert und von der Sanierung durch die Mehrheit profitiert, ohne selbst einen Sanierungsbeitrag leisten zu müssen. Er behält seine ursprüngliche Forderung gegen den Emittenten und kann diese bei Gelingen der Sanierung voll durchsetzen. Der dissidierende Teilschuldverschreibungsgläubiger (sog. Akkordstörer) profitiert als Trittbrettfahrer von der von den übrigen (Teilschuldverschreibungs-)Gläubigern getragenen Sanierung des Emittenten. Diese Strategie kann jedoch nur gelingen, solange sich insgesamt ausreichend sanierungswillige (Teilschuldverschreibungs-)Gläubiger finden. Verfolgen zu viele Teilschuldverschreibungsgläubiger eine solche opportunistische Verhaltensweise oder können oder wollen die grundsätzlich sanierungswilligen (Teilschuldverschreibungs-)Gläubiger die Sanierung nicht ohne die Akkordstörer umsetzen, droht die gesamte Sanierung zu scheitern. Rational-apathische Verhaltensweisen können die hold‑out-Problematik verstärken, weil einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger zunächst abwarten, ob andere die Sanierungsbeiträge leisten.6 Zur beschriebenen hold‑out-Problematik tritt noch die sog. hold‑up-­ Problematik hinzu:7 Akkordstörer können die Strategie verfolgen, sich ihre Zustimmung zu einer Sanierungsmaßnahme von den übrigen sanierungswilligen (Teilschuldverschreibungs-)Gläubigern oder dem Schuldner „abkaufen“ zu lassen. Die hold‑up-Strategie verursacht zusätzliche Sanierungskosten, verzögert die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen und gefährdet so den Erfolg einer vorinsolvenzrechtlichen Sanierung. Außerdem ist sie abhängig von der 5 

Grünewald, S. 97; vgl. auch Baums, in: FS Canaris, Bd. II, S. 3, 17. Schmidtbleicher, S. 60 f. 7 Vgl. zur hold‑up-Problematik: Schmidtbleicher, S. 54 ff.; Reps, S. 200 ff.; Grünewald, S. 104. 6 Vgl.



A. Kollektivhandlungsprobleme

5

Bereitschaft der sanierungswilligen Beteiligten, dem Akkordstörer seine Zustimmung „abzukaufen“.8 Die beschriebenen Kollektivhandlungsprobleme bestehen dabei nicht nur zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Emission, sondern zwischen sämtlichen Gläubigern eines Schuldners. Für den Erfolg außergerichtlicher Sanierungsmaßnahmen kommt der Gruppe der Schuldverschreibungsgläubiger neben Großgläubigern, insbesondere Banken, allerdings eine besondere Bedeutung zu, da die Anleiheverbindlichkeiten regelmäßig große Summen ausmachen.9 Obstruktiven Verhaltensweisen in Bezug auf vorinsolvenzrechtliche Sanierungsbemühungen allgemein und bei der Änderung von Anleihebedingungen im Speziellen kann durch sämtliche (Teilschuldverschreibungs-)Gläubiger bindende Mehrheitsbeschlüsse entgegengewirkt werden. Grundsätzlich besteht jedoch – vorbehaltlich entsprechender vertraglicher Vereinbarungen – für die Gläubiger eines sich in einer finanziellen Krise befindlichen Schuldners keine Möglichkeit, einen Akkordstörer gegen seinen Willen an einen für alle Beteiligten sinnvollen vorinsolvenzrechtlichen Sanierungsvergleich zu binden und ihn zur Leistung eines eigenen Sanierungsbeitrages zu verpflichten. Zwischen den Gläubigern eines Schuldners besteht keine gesellschaftsähnliche oder schuldrechtliche vorinsolvenzrechtliche Gefahrengemeinschaft, die Treue- oder Kooperationspflichten zwischen ihnen im Hinblick auf den Abschluss eines außergerichtlichen Sanierungsvergleiches begründen könnte.10 Für Schuldverschreibungen eröffnet das SchVG die Möglichkeit, die Anleihebedingungen einer Emission durch sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindende Mehrheitsbeschlüsse zu ändern. Die Fragen, ob die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission durch das SchVG zu einer besonderen Gemeinschaft zusammengefasst sind – und falls ja, wie diese Gemeinschaft mit Blick auf bekannte gesellschafts- und zivilrechtliche Formen 8 

Grünewald, S. 104.

9 Vgl. Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 59, Rn. 24; vgl. auch Bamberger,

in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 13 ff.; zur Bedeutung von Anleihen bei der Unternehmensfinanzierung und dem damit einhergehenden Bedürfnis nach krisenbedingter Anleihenrestrukturierung: Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 402; Seibt, ZIP 2016, 997. 10  BGH NJW 1992, 967 ff. (sog. Akkordstörer-Entscheidung); vgl. hierzu auch: Ebenroth/ Grashoff, BB 1992, 865 ff.; Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 21 ff., insbes. Rn. 32 ff.; a. A. dagegen Eidenmüller, S. 551 ff., insbes. 583 ff., der eine gesellschaftsähnliche Sonderverbindung zwischen den Gläubigern eines sich in der Krise befindlichen Schuldners annimmt und daraus Kooperationspflichten zwischen diesen herleitet; vgl. auch Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343 ff.; Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 659 (ähnlicher geschäftlicher Kontakt i. S. v. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB zwischen den Gläubigern eines Not leidenden Schuldners); kritisch zur Akkordstörer-Entscheidung des BGH auch: Bitter, ZGR 2010, 147, 167 ff., insbes. S. 172 ff.; Paulus, WM 2012, 1109, 1111; zur Kritik am Konzept Eidenmüllers siehe: H.‑F. Müller, S. 273 ff.; Servatius, S. 191 ff.

6

1. Teil: Grundlagen

von Personenvereinigungen zu qualifizieren ist – und ob Treue- oder Loyalitätspflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehen, sind zentrale Gegenstände dieser Untersuchung.

II.  Kollektivhandlungsprobleme im Zusammenhang mit Kündigungen Kollektivhandlungsprobleme ergeben sich allerdings nicht erst bei der zum Zwecke der Sanierung angestrebten Änderung der Anleihebedingungen. Es kann schon im Vorfeld der Abstimmung über Sanierungsmaßnahmen zu einem „rush to the exit“ kommen.11 Teilschuldverschreibungsgläubiger werden versuchen, ihre Schuldverschreibungen zu veräußern oder – sofern möglich – durch Kündigung vorzeitig fällig zu stellen und vom Teilschuldverschreibungsschuldner Zahlung zu verlangen. In beiden Fällen kann es beim Emittenten zu einem Reputationsverlust kommen, der zu einem Ansteckungseffekt führen und eine bestehende Krise verstärken kann. Durch Kündigungen droht so ein u. U. erheblicher Liquidationsverlust, der eine Krise zusätzlich verstärkt. Kollektiv rational ist ein „rush to the exit“ daher nicht. Der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger wird aber bestrebt sein, möglichst viel von seinem Investment zu retten.12 Eine Möglichkeit, den negativen Effekt eines „Wettlaufs“ bei Kündigungen zu reduzieren, besteht darin, die Wirksamkeit einer Kündigung davon abhängig zu machen, dass ein bestimmter Prozentsatz der Teilschuldverschreibungsgläubiger kündigt. Das SchVG enthält mit § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG eine Regelung zu einer sog. Gesamtkündigung. Auch sieht das SchVG in § 5 Abs. 5 S. 2 die Möglichkeit vor, die Wirkung einer solchen Gesamtkündigung aufzuheben. Diese Regelung ist insofern bemerkenswert, als sie die Aufhebung einer Kündigung – und damit eines Gestaltungsrechts – für möglich erklärt. Außerdem ergeben sich aus dieser Vorschrift Probleme mit Blick auf die Rückforderung des vor der Aufhebung der Kündigung bereits Geleisteten. Neben der Untersuchung der Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern wird die Kündigung von Schuldverschreibungen einen weiteren Schwerpunkt dieser Untersuchung bilden. Beide Themenkomplexe stehen nicht isoliert nebeneinander, wie nicht zuletzt die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH zeigt: Dieser geht nicht nur davon aus, dass bereits wirksam ausgeübte Kündigungen durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger aufgehoben werden können,13 sondern berücksichtigt die

11 Hierzu:

Reps, S. 203 ff.; Kleinsorgen, S. 61 f. Reps, S. 204 f. 13  Vgl. BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14. 12 Vgl.



B.  Das SchVG

7

Interessen der Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger auch bei der Frage, ob überhaupt ein Kündigungsgrund vorliegt14.

B.  Das SchVG I.  Hintergrund und Zielsetzung des SchVG 1.  Defizite des SchVG 1899 Im Jahre 2009 hat das SchVG das SchVG 1899 nach fast einhundert jährigem Bestehen abgelöst. Das SchVG 1899 hatte nur geringe praktische Bedeutung erlangt.15 Ein Grund hierfür war dessen begrenzter Anwendungsbereich.16 Das SchVG 1899 fand gem. § 1 Abs. 1 SchVG 1899 nur Anwendung auf im Inland ausgestellte Schuldverschreibungen mit im Voraus bestimmten Nennwerten von Schuldnern, die ihren Wohnsitz oder ihre gewerbliche Niederlassung im Inland hatten. Für ausländische Emittenten galt das SchVG 1899 somit nicht. Aus steuerlichen Gründen über ausländische Tochtergesellschaften17 emittierte Schuldverschreibungen waren daher nicht erfasst. Die Schuldverschreibungen mussten zudem dem deutschen Recht unterstellt sein.18 Ausgenommen vom Anwendungsbereich waren grundsätzlich auch staatliche Schuldverschreibungen, vgl. § 24 SchVG 1899. Eine weitere Schwäche des SchVG 1899 lag in den eingeschränkten Beschlussmöglichkeiten der Gläubigerversammlung.19 Gem. § 11 Abs. 1 SchVG 1899 war die Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Mehrheitsbeschluss nur für die Dauer von drei Jahren und nur zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zulässig. 14 

Vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 1 f.; Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 2, 4, der das SchVG 1899 als „weitgehend totes Recht“ bezeichnet; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, Einführung, Rn. 8; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, Vorbemerkung SchVG. 16 BT‑Drs. 16/12814, S. 13; Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 4; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17.  Kap., Einleitung, Rn. 2 f.; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, Einführung, Rn. 9. 17 Vgl.: Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 74; Keller, BKR 2012, 15, 16; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 909; vgl. auch Weiß, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 25. 18  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 3; vgl. auch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 631 f. 19  BT‑Drs. 16/12814, S. 13; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, Einführung, Rn. 11; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 2, 6 f.; Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 5; vgl. auch Beissenhirtz, ZInsO 2011, 57, 61; Reps, S. 316. 15 

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1. Teil: Grundlagen

Insoweit wurde kritisiert, dass es für eine erfolgreiche Sanierung zu diesen Zeitpunkten oft schon zu spät sei.20 Gem. § 12 Abs. 3 SchVG 1899 war auch ein Verzicht auf die Kapitalforderung unzulässig.21 Die Möglichkeit von Sanierungsmaßnahmen war also sachlich und zeitlich limitiert. Die Gläubigerversammlung war auch nicht befugt, Eingriffe in die Rechte der Anleihegläubiger zu beschließen, die lediglich der Anpassung der Anleihebedingungen an veränderte rechtliche, wirtschaftliche oder steuerliche Umstände dienten.22 Außerdem wurden die verfahrensrechtlichen Regularien des SchVG 1899 als nicht mehr zeitgemäß empfunden.23 So fehlte etwa ein elektronisches Kommunikations- und Beschlussverfahren, wofür insbesondere bei internationalem Anlegerkreis ein besonderes Bedürfnis besteht.24 Außerhalb des Anwendungsbereichs des SchVG 1899 bestand Rechtsunsicherheit darüber, ob die Möglichkeit zur Änderung der Anleihebedingungen durch sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindende Mehrheitsbe­ schlüsse in den Anleihebedingungen wirksam vorgesehen werden konnte.25 Insgesamt erwies sich das deutsche Anleiherecht im Wettbewerb mit anderen Rechtsordnungen als wenig konkurrenzfähig.26

2.  Ziele des SchVG Durch die Reform des SchVG sollten die Schwächen des SchVG 1899 beseitigt und eine Anpassung an internationale Standards im Hinblick auf die Gestaltung von Anleihen erreicht werden.27 Die Restrukturierung von Anleihen und die vorinsolvenzrechtliche Sanierung des Schuldners durch sämtliche Schuldverschreibungsgläubiger bindende Mehrheitsbeschlüsse sollte erleichtert werden.28 20  Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 5; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, Vormerkung SchVG; Oulds, in: Veranneman, § 1, Rn. 1; vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 13. 21  Kritisch dazu Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 6. 22  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 7. 23  BT‑Drs. 16/12814, S. 13; Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 6; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, Einführung, Rn. 13. 24  Vgl. dazu Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 6; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, Einführung, Rn. 13; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, Vormerkung SchVG. 25  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 9 ff., vgl. auch Rn. 20 f.; Than, in: FS Coing, S. 521, 524 ff., insbes. S. 528 ff.; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 347 ff.; Bliesener, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 361; vgl. auch die Darstellung bei Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 631; vgl. auch Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 246. 26 Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 12; vgl. auch Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 246. 27  BT‑Drs. 16/12814, S. 1, 13 f.; vgl. auch Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 9 ff. 28  Weiß, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 25; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401; vgl. auch Schlitt/Schäfer, in: FS Maier-Reimer, S. 615, 616; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 1.



B.  Das SchVG

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Außerdem sollte – auch gerade durch erweiterte und leichtere Restrukturierungsmöglichkeiten29 sowie die Klarstellung, dass Umschuldungsklauseln, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, sog. collective actions clauses, nach deutschem Recht zulässig sind – die Attraktivität des deutschen Anleiherechts erhöht und Emittenten internationaler Anleihen dazu angehalten werden, deutsches Recht zu wählen.30 Dadurch sollte gleichzeitig der Finanzplatz Deutschland, der im internationalen Anleihemarkt eine bedeutende Rolle spielt, gestärkt werden.31 Zur Erreichung dieser Ziele wurden der Anwendungsbereich des SchVG ausgeweitet32 und die Befugnisse der Teilschuldverschreibungsgläubiger, durch Mehrheitsbeschluss mit Wirkung für und gegen sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission im Einvernehmen mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner Änderungen der Anleihebedingungen zu beschließen, inhaltlich erweitert.33 29 Vgl.

Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 9 ff., 31. Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 9, 23; BT‑Drs. 16/12814, S. 1, 13 f., 16; vgl. auch Simon, CFL 2010, 159; Schmidtbleicher, S. 175; zur Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Anleihegläubiger binden, nach englischem Recht: Burn, in: Baums/ Cahn, S. 219, 234 ff.; für das US-amerikanische Recht vgl. Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 247 ff., insbes. S. 253 ff. 31  Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 9. 32  Zum Anwendungsbereich des SchVG sogleich unter 1. Teil B II. 33 Beispielsweise besteht nun nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SchVG die Möglichkeit eines debt-equity-swaps. Der Umstand, dass ein solcher auch gegen den Willen eines Teilschuldverschreibungsgläubigers durchgeführt werden kann, wenn die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger einem entsprechenden Beschluss zustimmt, wird z. T. mit Blick auf die Regelungen der §§ 225a Abs. 2, 230 Abs. 2 InsO, die einen debt-equity-swap gegen den Willen eines Gläubigers gerade ausschließen, als problematisch empfunden, vgl. hierzu Reps, S. 317 Fn. 54 m. w. N.; kritisch zur Möglichkeit eines debt-equity-swaps gegen den Willen eines Teilschuldverschreibungsgläubigers auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 44 ff., die hierin einen Widerspruch zur negativen Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sehen; vgl. auch Möhlenkamp/Harder ZIP 2016, 1093, 1095 (Vorrang von § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SchVG vor § 225a Abs. 2 InsO); zur praktischen Durchführung eines debt-equity-swaps angesichts dieser Bedenken Seibt, ZIP 2016, 997, 998; vgl. auch Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2337 f.; im Zusammenhang mit einem Umtausch von Forderungen in Gesellschaftsanteile siehe auch Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2026, die thematisieren, ob einem entsprechenden Gläubigerbeschluss die Regelung des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG entgegenstehen könnte, wenn Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldschuldverschreibungsschuldner weitere Forderungen haben, die infolge des Eintritts in eine Gesellschafterstellung der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegen. Im Fall eines debt-equity-swaps nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SchVG ist auch die Gefahr einer Differenzhaftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu beachten, da die Schuldverschreibungen zum Zeitwert und nicht zum Nennwert eingebracht werden, vgl. Möhlenkamp/Harder, ZIP 2016, 1093, 1095; vgl. auch Kessler/ Rühle, BB 2014, 907, 912 ff., die einen debt-equity-swap aufgrund von § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SchVG auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für zulässig halten; zum debt-equityswap nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SchVG siehe auch Maier-Reimer, in: FS Goette, S. 299 ff., der sich neben der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift (S. 301 ff.) auch mit der Gefahr einer Differenzhaftung (S. 305 ff.) auseinandersetzt. 30 

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1. Teil: Grundlagen

II.  Anwendungsbereich des SchVG 1.  Sachlicher Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des SchVG wird in § 1 SchVG festgelegt. Das SchVG gilt für nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, sofern keine Ausnahme nach § 1 Abs. 2 SchVG greift. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind danach gedeckte Schuldverschreibungen i. S. d. Pfandbriefgesetzes sowie Schuldverschreibungen, deren Schuldner der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde ist oder für die der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde haftet. Grund für die Ausnahme öffentlicher Emittenten vom Anwendungsbereich ist ausweislich der Gesetzesbegründung deren Insolvenzunfähigkeit, weshalb kein Bedürfnis nach einer Änderung der Anleihebedingungen während der Laufzeit bestehe.34 Inzwischen sind allerdings auch im BSchuWG, dessen §§ 4a bis § 4i und § 4k nach § 1 Abs. 2 S. 2 SchVG auch für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen, deren Schuldner ein anderer Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebietes ist, Anwendung finden, Umschuldungsklauseln für staatliche Emittenten vorgesehen. Diese Vorschriften setzen die Verpflichtung aus dem 2012 von den Staaten des Euro-Währungsgebietes geschlossenen Vertrag zur Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM‑Vertrag) um.35 Für Pfandbriefe wurden Mehrheitsentscheidungen der Pfandbriefgläubiger nicht für erforderlich gehalten, weil Pfandbriefgläubiger von einer Insolvenz der Pfandbriefbank insofern nicht betroffen seien, als die Deckungswerte nicht in die Insolvenzmasse fallen.36 Eine wie noch in § 1 Abs. 1 SchVG 1899 vorgesehene Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Emissionen, die ein bestimmtes Mindestvolumen aufweisen, sieht das SchVG nicht vor. 34  BT‑Drs.

16/12814, S. 16; vgl. auch Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 70; kritisch: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 31; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 1 SchVG, Rn. 8; vgl. auch Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 4; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 150 f.; M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1799. 35 Vgl. hierzu: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., Einleitung, Rn. 35  ff.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, §  1, Rn. 168 ff.; zum Europäischen Stabilitätsmechanismus und zum ESM‑Vertrag: Kleinsorgen, S. 93 ff.; Kube, WM 2012, 245 ff.; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Vor §§ 4a–4k BSchuWG, Rn. 47 ff. 36  BT‑Drs. 16/12814, S. 16; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 42 f.; kritisch zur Ausnahme von Pfandbriefen vom Anwendungsbereich des SchVG: Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 133 ff.; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 1 SchVG, Rn. 9; Oulds, CFL 2012, 353, 358; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 41, vgl. auch allgemein zu Pfandbriefen Rn. 26, 40 ff.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 64.



B.  Das SchVG

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a) Schuldverschreibung Eine Legaldefinition des Begriffs Schuldverschreibung enthält das SchVG nicht.37 Das SchVG findet auf sämtliche Arten von Schuldverschreibungen Anwendung, erfasst sind nach herrschender Meinung neben den in der Praxis verbreitetsten38 Inhaberschuldverschreibungen i. S. d. § 793 Abs. 1 BGB also auch Order- und Namensschuldverschreibungen.39 Vereinzelt wird zwar vertreten, dass Orderschuldverschreibungen nur vom Anwendungsbereich des SchVG erfasst sind, wenn sie mit einem Blankoindossament versehen sind, da nur dann eine Vergleichbarkeit mit Inhaberschuldverschreibungen gegeben sei, und Rektapapiere nur in den Anwendungsbereich fallen, wenn sie nach § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt wurden, da diese andernfalls nicht fungibel seien.40 Eine solche Einschränkung ist aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 SchVG indes nicht ersichtlich. Auch der II. Zivilsenat des BGH geht von der Anwendbarkeit des SchVG auf Orderschuldverschreibungen aus.41 Diesem restriktiven Verständnis des Schuldverschreibungsbegriffs wird außerdem entgegengehalten, dass die Fungibilität von Schuldverschreibungen nicht dadurch bedingt ist, dass diese auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt sind, sondern dass eine Inhaltsgleichheit mit anderen Papieren gegeben ist, die Schuldverschreibungen also auf den gleichen Bedingungen beruhen und die gleichen Rechte vorsehen.42 Ob tatsächlich ein Austausch der

37  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 9; § 1 Abs. 1 SchVG legt lediglich fest, dass Schuldverschreibungen i. S. d. SchVG nur nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen sind. 38 Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 16; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 49. 39  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 2, 15 ff.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 47 ff. Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 1; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 27; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 55; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 27 ff.; BGH NZG 2014, 1102, 1104 (Rz. 14). 40  Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 25 f.; für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des SchVG auf Namensschuldverschreibungen, die auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt sind, spricht sich auch der Arbeitskreis Reform des Schuldver‑ schreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851, aus; a. A. Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 53, 60. 41 BGH NZG 2014, 1102, 1104 (Rz. 14). Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuldverschreibungen um Orderschuldverschreibungen handelte („auf den Namen des Inhabers lautende, durch Indossament übertragbare […] Wandelgenussscheine“). 42  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 60; zum Merkmal der Inhaltsgleichheit sogleich unter 1. Teil B II 1 c).

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1. Teil: Grundlagen

(Namens-)Schuldverschreibungen stattfindet, sei keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des SchVG.43 Die Art der Verbriefung – in Einzelurkunden oder in einer Sammelurkunde i. S. d. § 9a DepotG – sowie der Verwahrung44 ist für die Anwendbarkeit des SchVG ebenso wenig von Bedeutung wie die Notierung der Schuldverschreibungen an einer Wertpapierbörse.45 Nicht in den Anwendungsbereich des SchVG fallen Schuldscheindarlehen.46 Bei ihnen handelt es sich nicht um Wertpapiere, sondern um bloße Beweisurkunden.47 Ebenfalls nicht erfasst sind Investmentanteilscheine i. S. d. § 95 KAGB, da es sich bei diesen nicht um Schuldverschreibungen, sondern Wertpapiere eigener Art handelt.48 Sie verbriefen nicht nur Forderungsrechte, sondern die gesamte Rechtsstellung – ggf. auch die dingliche Beteiligung am Sondervermögen – der Anteilsinhaber.49

b) Gesamtemission Voraussetzung für die Anwendbarkeit des SchVG ist, dass inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vorliegen. Der vom SchVG nicht definierte Begriff der Gesamtemission ist an § 151 StGB angelehnt.50 Unter einer Gesamtemission wird die Ausgabe einer Vielzahl gleichartiger und

43 

Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 60. Zu den Verwahr- und Verbriefungsmöglichkeiten nach dem DepotG: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 10 ff.; Einsele, in: MüKoHGB, Depotgeschäft, Rn. 40 ff.; vgl. auch Gleske/Pellmann/Schmidtbleicher, WM 2016, 2369, 2370 f. 45  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 61 ff.; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 28; Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 11. 46  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 29; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 44 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 24; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 1; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 52. 47  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, §  1, Rn. 45; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 52. 48  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 25; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 1; zur Rechtsnatur des Investmentanteilscheins: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 10, Rn. 28; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 113, Rn. 136; Anders, in: Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, § 95, Rn. 3 f.; vgl. auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2371 ff.; Schott, in: Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, InvG, § 33, Rn. 4 f. 49  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 25. 50  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 110; vgl. auch Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 17; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 24. 44 



B.  Das SchVG

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daher untereinander austauschbarer Schuldverschreibungen verstanden.51 Die Verbriefung einzelner – also nicht mit anderen gleichartiger – Forderungen in Schuldverschreibungen ist somit nicht vom Anwendungsbereich erfasst.52 Ein besonderes Bedürfnis für eine Gläubigerkoordination besteht hier nicht53 – jedenfalls nicht in einem größeren Maße als zwischen sämtlichen Gläubigern eines Schuldners. Allerdings enthält das SchVG im Gegensatz zum SchVG 1899, das gem. § 1 Abs. 1 SchVG 1899 ein Mindestemissionsvolumen von dreihunderttausend Deutsche Mark und eine Mindeststückzahl von dreihundert vorsah, keinerlei betrags- oder stückzahlenmäßige Begrenzung.

c) Inhaltsgleichheit Schuldverschreibungen eines Emittenten sind inhaltsgleich, wenn sie auf denselben Bedingungen basieren und gleiche Rechte vorsehen.54 Die Begriffe Inhaltsgleichheit und Gesamtemission decken sich,55 da Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen notwendigerweise inhaltsgleich sind.56 Die Inhaltsgleichheit bewirkt die Austauschbarkeit – die Fungibilität – der Schuldverschreibungen.57 Inhaltsgleichheit setzt allerdings keine vollkommene Kongruenz voraus, vielmehr soll der Begriff restriktiv auszulegen und eine Inhaltsgleichheit so lange anzunehmen sein, wie die Schuldverschreibungen untereinander austausch-

51  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 10; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 111; vgl. auch Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 4 f.; vgl. auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 24, die betonen, dass das Merkmal der Gesamtemission über das Merkmal der Inhaltsgleichheit hinausgeht, weil neben der Austauschbarkeit auch die Kapitalmarktfähigkeit erforderlich sei. 52 Vgl. Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 4; OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Dezember 2016 – 10 U 97/16 –, juris Rz. 42. 53  Vgl. auch Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 42. 54  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 30; Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 7; vgl. auch Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 3; Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 50; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 2; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 114; Artzinger-Bolten/Wö‑ ckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 19. 55  Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 1, Rn. 2; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 111, 114; vgl. aber auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 24, die davon ausgehen, dass das Merkmal der Gesamtemission über das Merkmal der Inhaltsgleichheit hinausgeht, da für ersteres auch die Kapitalmarktfähigkeit erforderlich sei. 56  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 12. 57  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 114.

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1. Teil: Grundlagen

bar bleiben.58 Daher ist bei nachträglichen Erhöhungen einer Emission durch Ausgabe weiterer Schuldverschreibungen mit identischen Anleihebedingungen die Inhaltsgleichheit nach herrschender Meinung gegeben.59 Die nachträglich emittierten Schuldverschreibungen unterscheiden sich von den ursprünglichen Schuldverschreibungen der sog. ersten Tranche nur durch den auf dem späteren Ausgabezeitpunkt beruhenden späteren Verzinsungsbeginn und ggf. durch einen abweichenden Ausgabepreis, der indes nicht auf unterschiedliche Anleihebedingungen, sondern die Marktentwicklung zurückzuführen ist.60 Im Übrigen sind die nachträglich ausgebenden Schuldverschreibungen mit denen der ersten Tranche identisch. Sie werden auch mit der gleichen Wertpapierkennnummer gekennzeichnet.61 Keine Inhaltsgleichheit besteht dagegen zwischen verschiedenen Risikoklassen strukturierter Anleihen.62 Regelmäßig werden strukturierte Anleihen wie etwa asset backed securities63 oder collataralized debt obligations64 in verschiedene Risikoklassen aufgeteilt, die sich beispielsweise durch ein Rangverhältnis bei der Gläubigerbefriedigung, in Bezug auf Sicherheiten und durch den Zinssatz unterscheiden.65 Die Schuldverschreibungen der verschiedenen Tranchen gewähren unterschiedliche Rechte und unterliegen unterschiedlichen 58  Preuße, in: Preuße, SchVG, §  1, Rn. 8; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 115; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 31. 59  Preuße, in: Preuße, SchVG, §  1, Rn. 9; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116, 119 ff.; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 31 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 13; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 53; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 22; a. A. Tetzlaff, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 50. 60 Vgl. Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116. 61  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 121. 62  Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 10; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 125; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 14; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 54; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 23. 63 Hierunter sind forderungsbesicherte Schuldverschreibungen zu verstehen. Zu asset backed securities: Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 34 ff.; Artzinger-Bolten/Wö‑ ckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 49. 64  Hierbei handelt es sich ebenfalls um forderungsgesicherte Schuldverschreibungen, im Unterschied zu asset backed securities, bei denen das Forderungsportfolio aus gleichartigen Forderungen besteht, setzt sich das Forderungsportfolio von collateralized debt obligations aber aus verschiedenen Arten strukturierter Finanzprodukte zusammen, Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 36; zu collateralized debt obligations vgl. auch Artzinger-Bolten/ Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 50. 65  Ausführlich zu den verschiedenen Tranchen bei der Emission strukturierter Anleihen: Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 124.



B.  Das SchVG

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Bedingungen, weshalb keine Inhaltsgleichheit i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG gegeben ist.66 Bei verschiedenen Risikoklassen strukturierter Anleihen, aber auch wenn ein Emittent verschiedene Emissionen ausgegeben hat, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit anleiheübergreifender Mehrheitsbeschlüsse, sog. anleiheübergreifende Aggregation. Insbesondere in Sanierungssituationen können Kollektivhandlungsprobleme zwischen den verschiedenen Anleihegruppen entstehen. Das SchVG enthält – anders als das BSchuWG in §§ 4a S. 2, 4b Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 367 – keine Regelung betreffend anleiheübergreifende Mehrheitsbeschlüsse.68

d)  Nach deutschem Recht begeben Schuldner kann – mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 SchVG genannten Personen – jede inländische oder ausländische Person sein, solange die Schuldschreibungen nach deutschem Recht begeben werden.69 Es muss für das Wertpapierrechtsstatut70, das über den Inhalt, die Entstehung und den Untergang des verbrieften Rechts entscheidet und auch für die Wertpapiereigenschaft sowie die Art des Wertpapiers (Inhaber-, Order- oder Rektapapier) und damit die Übertragungs66  Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 10; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 125. 67  Vgl. hierzu sowie allgemein zu den Umschuldungsmöglichkeiten nach dem BSchuWG: Oulds, CFL 2012, 353, 358 ff., insbes. S. 361; zur anleiheübergreifenden Änderung der Emissionsbedingungen nach dem BSchuWG: Kleinsorgen, S. 221 ff.; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4a BSchuWG, Rn. 35 ff.; anleiheübergreifende Änderungsmöglichkeiten sieht z. B. auch das schweizerische Anleiherecht in Art. 1171 OR vor, vgl. hierzu Schmidtbleicher, S. 227 f. 68  Ausführlich zu anleiheübergreifenden Aggregationsmechanismen Leber, S. 294 ff., der die Einführung einer dispositiven gesetzlichen Regelung im SchVG fordert und einen Vorschlag zur Einführung eines sog. Ein-Schritt-Aggregationsmechanismus entwickelt, vgl. dazu S. 300 ff.; der Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846 f., 850, 852, schlägt dagegen die Einführung einer optionalen anleiheübergreifenden sog. Zwei-Schritte-Aggregationsregelung vor; für die Einführung eines den §§ 4a S. 2, 4b Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 3 BSchuWG entsprechenden (Zwei-Schritte)-Aggregationsmechanismus bereits Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 812. 69  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 67. 70 Bei Wertpapieren ist kollisionsrechtlich zwischen dem Wertpapierrechtsstatut (auch Hauptstatut genannt) und dem Wertpapiersachstatut zu unterscheiden: Ersteres entscheidet über den Inhalt, die Entstehung und den Untergang des verbrieften Rechts, die Wertpapiereigenschaft sowie die Art des Wertpapiers, Letzteres betrifft die dingliche Rechtslage am Papier. Verfügungen über das Wertpapier richten sich nach dem Wertpapiersachstatut, das nach der lex rei (bzw. cartae) sitae bestimmt wird, vgl.: Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 26, Rn. 172 ff.; Wendehorst, in: MüKoBGB, Art. 43 EGBGB, Rn. 194 f.; Mansel, in: Staudinger, Anh zu Art. 43 EGBGB, Rn. 23 ff.; Magnus, in: Staudinger, Anh I zu Art. 1 Rom I‑VO, Rn. 32 f.; Lorenz, NJW 1995, 176, 177; Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 14, Rn. 14.2, 14.4.

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1. Teil: Grundlagen

form (durch Übereignung oder Abtretung) maßgeblich ist,71 deutsches Recht gewählt worden sein.72 Da es sich bei Schuldverschreibungen i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG um Wertpapiere schuldrechtlichen Inhalts handelt, besteht grundsätzlich Rechtswahlfreiheit.73 Umstritten ist, ob die Schuldverschreibungen ausschließlich deutschem Recht unterstehen müssen oder ob eine Teilrechtswahl zulässig ist. Teilweise wird verlangt, dass die Schuldverschreibungen – vorbehaltlich lediglich deklaratorischer Verweise auf ohnehin zwingend anzuwendende ausländische Rechtnormen, beispielsweise im Fall der Insolvenz eines ausländischen Emittenten das einschlägige Insolvenzrecht74 –75 ausschließlich deutschem Recht unterstehen müssen.76 Dagegen hält die überwiegende Auffassung im Schrifttum (teilweise) mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs77 aus dem Jahre 2005 eine Teilrechtswahl78 für zulässig, sofern hierdurch die Substanz der verbrieften Forderungen nicht berührt wird.79 71 

Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 78. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 3. 73  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 79, die darauf hinweist, dass der Ausschlussgrund des Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I‑VO [Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. Nr. L 177 S. 6, ber. 2009 Nr. L 309 S. 87], auf die inhaltliche Ausgestaltung der Forderung keine Anwendung findet: Ausgenommen werden vom Regelungsbereich sollten nur die obligatorischen Auswirkungen der spezifisch wertpapierrechtlichen Funktionen der Inhaber- und Orderpapiere, also insbesondere der Erwerb vom Nichtberechtigten, die Rechtsscheinhaftung und der Einwendungsausschluss. Dies werde durch die Formulierung „soweit die Verpflichtung aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen“ in Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I‑VO zum Ausdruck gebracht. Nach anderer Auffassung soll sich der Ausschluss des Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I‑VO zwar auf alle schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Papier erstrecken, eine Rechtswahl wird aber in entsprechender Anwendung der Bestimmungen der Rom I‑VO für zulässig erachtet, vgl. Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 86 m. w. N.; Magnus, in: Staudinger, Art. 1 Rom I‑VO, Rn. 69, Anh I zu Art. 1 Rom I‑VO, Rn. 34 f., Art. 3 Rom I‑VO, Rn. 17; Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 14, Rn. 14.6 ff. 74 Zum Insolvenzstatut (lex fori concursus) vgl. Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 14, Rn. 14.88 ff. 75 So Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 3, vgl. auch Fn. 13. 76  So LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3–05 O 60/11, 3/05 O 60/11, 3–5 O 60/11. 3/5 O 60/11 –, juris Leitsatz und Rn. 103 ff.; durch OLG Frankfurt NZI 2012, 477 ff. offengelassen; zustimmend zur Entscheidung des LG Frankfurt a. M.: Armbrüster, EWiR 2012, § 1 SchVG, 1/12, S. 61, 62; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 3, vgl. insbes. auch Fn. 13. 77  BGH WM 2005, 2371 ff., insbes. S. 2372 f. 78 Allgemein zur Teilrechtswahl: Martiny, in: MüKoBGB, Art. 3 Rom I‑VO, Rn. 67 ff.; Magnus, in: Staudinger, Art. 3 Rom I‑VO, Rn. 104 ff.; zur Zulässigkeit einer Teilrechtswahl bei Schuldverschreibungen Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 95 f.; Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 14, Rn. 14.15 f., 14.80 ff., 14.96 ff. 79  Lürken, GWR 2011, 546; Keller, BKR 2012, 15, 16; Meier/Schauenburg, CFL 2012, 72 



B.  Das SchVG

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Für letztere Auffassung spricht die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausweitung des Anwendungsbereichs des SchVG auf ausländische Schuldner.80 Für Schuldner, die ihren Sitz im Ausland haben, kann für durch das Personalstatut bedingte Teilfragen – wie etwa die Insolvenz und damit verbundene Aspekte, beispielsweise der Nachrang der Forderung – zwingend ausländisches Recht gelten. Lediglich deklaratorische Hinweise auf zwingendes ausländisches Recht sollten für die Anwendbarkeit des SchVG keine Bedeutung haben, da andernfalls die beabsichtigte Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf ausländische Emittenten torpediert würde.81 § 19 SchVG findet für ausländische Emittenten allerdings keine Anwendung, sondern es gilt das jeweilige ausländische Insolvenzrecht.82

2.  Zeitlicher Anwendungsbereich Das SchVG ist am 5. August 2009 in Kraft getreten. Nach § 24 Abs. 1 SchVG findet das SchVG keine Anwendung auf Schuldverschreibungen, die vor diesem Datum ausgegeben wurden (sog. Altanleihen). Die Gläubiger von Altanleihen können allerdings gem. § 24 Abs. 2 SchVG für die Anwendung des SchVG optieren – und zwar unabhängig davon, ob die Altanleihen dem Anwendungsbereich des SchVG 1899 unterfielen oder nicht.83 161, 167; Fritze, in: jurisPR‑InsR 10/2013, Anm. 5; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 909 f.; Thole, ZGR 2013, 109, 159; Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 809; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 100 ff.; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 14 f.; Weiß, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 25, 34 ff.; Grell/ Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 112; Oulds, CFL 2012, 353, 354; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 14; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 4 f.; Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 14, Rn. 14.96 ff.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 58; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 45 ff., der auch thematisiert, ob die kraft Teilrechtswahl ausländischem Recht unterliegenden Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschlüsse nach den §§ 5 ff. SchVG geändert werden können, vgl. dazu Rn. 49; vgl. auch Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846, 850. 80  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 102; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 4. 81  Keller, BKR 2012, 15, 16; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 910; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 4; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 45, 47. 82  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 9; zum Insolvenzstatut (lex fori concursus) vgl. Schwarz, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 14, Rn. 14.88 ff. 83  BGH NZI 2014, 1102 ff.; BGH NZG 2015, 360, 361 (Rz. 15 ff.); insoweit dem BGH (NZI 2014, 1102) zustimmend Einsele, LMK 2014, 363946; zustimmend auch: Kessler, BB 2014, 2576; Lürken, GWR 2014, 437; Weissinger, WuB 2015, 12, 14; Friedl, BKR 2014, 514 f.; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 24 SchVG, Rn. 6 ff.; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 24, Rn. 7; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 36; für die Möglichkeit eines Opt-Ins gem. § 24 Abs. 2 SchVG für Altanleihen, die nicht dem SchVG 1899 unterfielen, bereits: Keller, BKR 2012, 15,

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1. Teil: Grundlagen

III.  Überblick über die gesetzlichen Regelungen Für Schuldverschreibungen, die in den Anwendungsbereich des SchVG fallen, sind die zwingenden Regelungen des ersten Abschnitts, also die §§ 2–4 SchVG, zu beachten. Schuldverschreibungen müssen dem Skripturprinzip des § 2 SchVG genügen. Die Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Teilschuldverschreibungsschuldners und der Teilschuldverschreibungsgläubiger müssen sich grundsätzlich aus der Urkunde ergeben. Im Fall einer nicht zum Umlauf bestimmten Urkunde darf auf die außerhalb der Urkunde niedergelegten Anleihebedingungen Bezug genommen werden. § 3 SchVG normiert das sog. Transparenzgebot. Die vom Teilschuldverschreibungsschuldner versprochene Leistung muss durch einen hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundigen Anleger ermittelt werden können. § 4 S. 1 SchVG regelt die kollektive Bindung, nach der rechtsgeschäftliche Änderungen der Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern oder durch Mehrheitsbeschlüsse nach den §§ 5 ff. SchVG möglich sind. Nach § 4 S. 2 SchVG muss der Teilschuldverschreibungsschuldner die Teilschuldverschreibungsgläubiger insoweit gleich behandeln. Die Vorschriften des zweiten Abschnitts des SchVG betreffen im Wesentlichen Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger sowie die Vertretung der Teilschuldverschreibungsgläubiger durch einen gemeinsamen Vertreter. § 5 Abs. 5 SchVG enthält Regelungen zur sog. Gesamtkündigung. Anders als das SchVG 1899, das die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen der Gläubigerversammlung ipso iure vorsah, überlässt das SchVG dem Emittenten die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen der Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehen soll.84 Mehrheitsbeschlüsse und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters sind nur möglich, wenn und soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen. Der Emittent muss gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG bei Ausgestaltung der Anleihebedingungen für die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen und der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger optieren, sog. Opt-In-Modell. Macht der Teilschuldverschreibungsschuldner von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann von den §§ 5–21 SchVG zu Lasten der Teilschuldverschreibungsgläubiger nur abgewichen werden, soweit das SchVG dies aus16 ff.; Baums/Schmidtbleicher, ZIP 2012, 204, 205 ff.; Weckler, NZI 2012, 480; Lürken, GWR 2012, 227; Paulus, EWiR 2012, 259 f.; Paulus, WM 2012, 1109, 1112 f.; Florstedt, ZIP 2012, 2286, 2288 ff.; Meier/Schauenburg, CFL 2012, 161, 165 ff.; Oulds, CFL 2012, 353, 355 ff.; Weiß, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 25, 26 ff.; Hartwig-Jacob/Friedl, in: FraKommSchVG, § 24, Rn. 13; Than, WuB 2013, I G 7. – 1.13, S. 87, 89 f.; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 908 f.; vgl. auch Thole, ZGR 2013, 109, 160; a. A. noch das OLG Frankfurt NZI 2012, 477 ff. 84  Vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 14.



B.  Das SchVG

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drücklich erlaubt, § 5 Abs. 1 S. 2 SchVG. Eine Verpflichtung zur Leistung kann für die Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Mehrheitsbeschluss nicht begründet werden, § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG. Der dritte Abschnitt des SchVG enthält eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Bestimmung sowie in § 24 SchVG eine Übergangsregelung.

2. Teil

Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger Das SchVG enthält mit der kollektiven Bindung aus § 4 S. 1 SchVG und den Bestimmungen der §§ 5 ff. SchVG zu Mehrheitsentscheidungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger betreffend die Änderung von Anleihebedingungen und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger Anhaltspunkte für eine rechtliche Verbindung zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern inhaltsgleicher Schuldverschreibungen einer Gesamtemission. Um zu beantworten, ob eine besondere Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger besteht und wie diese zu qualifizieren wäre, sind zunächst die bilateralen Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern zu untersuchen. Über die bilateralen Beziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger muss Klarheit bestehen, wenn beurteilt werden soll, in welchen Rechtsbeziehungen die Teilschuldverschreibungsgläubiger untereinander und in ihrer Gesamtheit zum Teilschuldverschreibungsschuldner stehen. Zur Qualifikation der Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und der rechtlichen Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger unter dem SchVG wird auch zu untersuchen sein, wie sich die Rechtslage ohne die Bestimmungen des SchVG darstellt, genauer: ob sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen eine Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, begründen lässt. Wäre dies der Fall, müssten die Regelungen des SchVG vor dem Hintergrund dieser Grundsätze betrachtet werden. Andernfalls stellt sich die Frage, ob durch das SchVG bekannte zivilrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Strukturen übernommen oder neue Strukturen der Kollektivierung geschaffen wurden. Der Grundsatz der kollektiven Bindung und die Regelungen der §§ 5 ff. SchVG betreffend Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Änderung der Anleihebedingungen sowie die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger sind vor diesem Hintergrund zu untersuchen. Eng mit der Rechtsnatur des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger verbunden sind die Fragen nach Treuepflichtbindungen zwischen den

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Teilschuldverschreibungsgläubigern und einer materiellen Beschlusskontrolle. Auch hierauf wird einzugehen sein.

A.  Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger Im Fall von Inhaberschuldverschreibungen finden sich gesetzliche Regelungen zu den Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger in den §§ 793 ff. BGB. Inhaberschuldverschreibungen verbriefen danach ein Leistungsversprechen des Ausstellers. Obwohl es allgemeiner Meinung entspricht, dass es sich bei dem verbrieften Leistungsversprechen um eine Forderung handelt,1 wird das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger z. T. als Rechtsverhältnis eigener Art qualifiziert2 oder ein besonderes (Anleihe‑)Schuldverhältnis i. w. S. angenommen.3 Schmidtbleicher geht sogar davon aus, dass zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner ein von den verbrieften Einzelforderungen zu trennendes übergreifendes Schuldverhältnis i. w. S. – die Anleihe – existiert.4 Vielfach wird auch angenommen, 1  Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 6; Habersack, in: MüKoBGB, 793, Rn. 1; Richardi, S. 69 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 25 f., 172 f.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 35; Gursky, S. 10, 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II (10. Auflage 1972), S. 376; vgl. auch Hueck/Canaris, S. 20, 25; Jacobi, Grundriß des Rechts der Wertpapiere, S. 106; Ulmer, S. 22 f.; Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; Assmann, WM 2005, 1053; Bierschenk, LMK 2014, 362569; Steffen, in: RGRK, § 793, Rn. 4, vgl. auch Vor § 793, Rn. 17; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 15; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 19; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 113; Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Einführung, Rn. 3; Becker, WM 2013, 1736, 1739; Mülbert, ZHR 179 (2015), S. 395, 396; Grüne‑ berg, WM 2016, 1621, 1622; Seibt, ZIP 2016, 997, 1001; Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1168; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 4 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – XI ZR 160/12 –, juris Rz. 7 ff.; OLG Bamberg NJW‑RR 1989, 1449, 1450. 2  Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 19, Rn. 22; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 102, 117. 3 Vgl. Masuch, S. 51 f. 4  Schmidtbleicher, S. 8, 321 f., 328 f., 340, 342, 346, passim, zum Begriff der Anleihe vgl. S. 12 f. Ein zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bestehendes Schuldverhältnis (i. w. S.) scheint auch Leber, S. 224, anzunehmen, der in § 4 S. 1 SchVG lediglich den Grundsatz, „dass der Inhalt eines Schuldverhältnisses bei Zustimmung aller beteiligten Parteien [Hervorhebung durch die Verf.] geändert werden kann“, normiert sieht. An anderer Stelle weist Leber allerdings darauf hin,



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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dass aufgrund der Teilschuldverschreibung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Teilschuldverschreibungsgläubiger ein Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB) besteht.5 Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Teilschuldverschreibungsgläubiger, insbesondere einem Folgeerwerber einer Teilschuldverschreibung, sind Gegenstand der folgenden Untersuchungen. Es wird beantwortet werden, wie das aufgrund der Teilschuldverschreibung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehende Rechtsverhältnis mit Blick auf die Kategorien von Schuldverhältnis i. e. S. und Schuldverhältnis i. w. S. und im Hinblick auf den Dauerschuldcharakter i. S. d. § 314 BGB eingeordnet werden muss. Außerdem wird die Eigenschaft von Anleihebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB – und die damit verbundene Frage nach einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle – untersucht werden. Die folgende Untersuchung konzentriert sich dabei auf Inhaberschuldverschreibungen i. S. d. § 793 Abs. 1 BGB, da diesen die größte praktische Bedeutung zukommt.6 Inhaberschuldverschreibungen sind nicht auf eine bestimmte, dass die schuldrechtlichen Ansprüche der Obligationäre parallel nebeneinander stehen, eine Verbindung aber durch die kollektive Bindung hergestellt werde, Leber, S. 231. 5  BGH NZG 2014, 1102, 1103 (Rz. 12); BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 33; für die Einordnung als Dauerschuldverhältnis auch OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 46; LG Köln, ZIP 1994, 1520; Horn, BKR 2009, 446, 450; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 50; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 111, 120; Lenenbach, Rn. 2.110; Ernst, in: Grunewald/Schlitt, § 5 III 2 e); Knops, BB 2008, 2535, 2539; Buchmann, AG 2012, R341, R342; Stucke, S. 139 ff.; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 314; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Reps, S. 335 (m. w. N.); Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 56; Siebel, S. 500; Nikolova, S. 115 f.; vgl. auch Podewils, ZHR 174 (2010) S. 192, 205; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 482, die sich speziell mit zivilrechtlichen Fragen betreffend die sogenannten ewigen Anleihen beschäftigen; ebenfalls im Zusammenhang mit ewigen Anleihen Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 705; zur Einordnung als Dauerschuldverhältnis tendieren auch Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408; die Einordnung als Dauerschuldverhältnis verneinen dagegen: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 102 ff., die aber ein Schuldverhältnis sui generis mit Dauerschuldcharakter annehmen; Schmidtbleicher, S. 337 ff.; MaierReimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135; Kleinsorgen, S. 237 f.; Wansleben, WuB 2016, 390, 394; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 9; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.90. 6  Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 54; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 16 f.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 49; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 3; für Genussrechte Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221, Rn. 92; vgl. auch Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Einleitung, Rn. 16, 19, 24. Orderschuldverschreibungen oder Namensschuldverschreibungen (Rektapapiere) verbriefen ebenfalls Forderungen. Forderungsberechtigt ist eine im Papier namentlich benannte Person oder – im Fall von Orderpapieren – deren Order, vgl. Hueck/Canaris, S. 21 ff.; Zöllner, Wert-

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

namentlich benannte Person ausgestellt, sondern lauten auf den Inhaber. Die Inhaberschaft – genauer der Besitz der Urkunde – begründet eine Vermutung für die materielle Berechtigung.7 Diese sog. Legitimationsfunktion zugunsten des Inhabers bewirkt eine materielle Beweislastumkehr.8 Die Gläubigerstellung und damit die Frage der tatsächlichen materiellen Berechtigung hinsichtlich der in der Inhaberschuldverschreibung verbrieften Forderung sind aber nicht von der Innehabung der Urkunde abhängig.9 Der Inhalt des verbrieften Rechts wird im Wesentlichen durch die Anleihebedingungen bestimmt.10 Regelmäßig handelt es sich bei der in der Inhaberschuldverschreibung verbrieften Forderung um eine abstrakte Forderung. Die Angabe eines Schuldgrundes ist jedoch zulässig und verschafft dem Austeller die Möglichkeit, Einwendungen aus dem Kausalverhältnis auch einem späteren Erwerber entgegen zu halten.11

I.  „Bloße“ Forderungsbeziehung oder besonderes Schuldverhältnis eigener Art? 1.  Das Meinungsspektrum Das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger wird z. T. nicht auf eine Forderungsbeziehung i. S. d. § 241 Abs. 1 S. 1 BGB reduziert. Es wird vertreten, dass die Inhaberschuldverschreibung ein Rechtsverhältnis eigener Art zwischen dem Aussteller und dem jeweiligen Gläubiger begründet.12 Masuch ist der Auffassung, dass zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger ein Schuldverhältnis i. w. S. besteht.13 Zur Begründung verweist Masuch darauf, dass die Anleihebedingungen nicht nur Zahlungsansprüche, sondern auch hiergegen gerichtete Einreden und allgemeine Bestimmungen zur Abwicklung papierrecht, S. 9 ff. Die folgenden Ausführungen zu den Rechtsbeziehungen zwischen Schuldverschreibungsschuldner und Schuldverschreibungsgläubiger gelten auch für diese Schuldverschreibungen. Soweit Besonderheiten für diese Arten von Schuldverschreibungen bestehen, wird darauf hingewiesen. 7  Zöllner, Wertpapierrecht, S. 10; Gursky, S. 8, 112; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 33. 8  Gursky, S. 8. 9  Vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – XI ZR 160/12 –, juris Rz. 7; Grüneberg, WM 2016, 1621, 1622; zur wertpapierrechtlichen Innehabung vgl. auch M. Müller, WM 2017, 69 ff. 10  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 39 f.; Lenenbach, Rn. 10.89. 11  Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 7; Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 6. 12  Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 19, Rn. 22; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 102, 117. 13  Masuch, S. 51 f.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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enthielten.14 Inhaltlich entspreche das derivativ begründete Rechtsverhältnis zwischen dem Aussteller und den Folgeerwerbern der Schuldverschreibungen dem schuldrechtlichen Teil des Begebungsvertrages.15 Die Rechtsstellung von Erst- und Folgeerwerber sei grundsätzlich die gleiche.16 Schmidtbleicher bejaht sogar die Existenz eines zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bestehenden und von den verbrieften Einzelforderungen zu trennenden Schuldverhältnisses i. w. S. – die Anleihe.17 Für in Inhaberschuldverschreibungen verbriefte Genussrechte herrscht in Rechtsprechung und Schrifttum die Vorstellung, es handle sich um besondere Schuldverhältnisse eigener Art, die als Dauerschuldverhältnisse zu qualifizieren seien18 und aus denen als Stammrecht Einzelansprüche hervorgingen19. Das 14 

Masuch, S. 51 f. Masuch, S. 51. 16  Masuch, S. 51. 17  Schmidtbleicher, S. 8, 321 f., 328 f., 340, 342, 346, passim, zum Begriff der Anleihe vgl. S. 12 f. Ein zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bestehendes Schuldverhältnis (i. w. S.) scheint auch Leber, S. 224, anzunehmen, der in § 4 S. 1 SchVG lediglich den Grundsatz, „dass der Inhalt eines Schuldverhältnisses bei Zustimmung aller beteiligten Parteien [Hervorhebung durch die Verf.] geändert werden kann“, normiert sieht. An anderer Stelle weist Leber allerdings darauf hin, dass die schuldrechtlichen Ansprüche der Obligationäre parallel nebeneinander stehen, eine Verbindung aber durch die kollektive Bindung hergestellt werde, Leber, S. 231. 18  BGH NJW 1993, 57, 63; BGH NJW 2003, 3412, 3413; BGH NZG 2016, 983, 984 Rz. 11; Kallrath, S. 135; Frantzen, S. 11, 24; Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 87; Ha‑ bersack, in: ZHR 155 (1991), S. 378, 391; Stadler, in: Bürgers/Körber, AktG, § 221, Rn. 94; Lutter, ZGR 1993, 291, 300; vgl. auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 13, Rn. 7; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 329, 360; Präziser dagegen Hüffer/Koch, AktG, § 221, Rn. 27, der das auf die Begründung von Genussrechten gerichtete Rechtsgeschäfts als Vertrag sui generis, der ein Dauerschuldverhältnis entstehen lässt, beschreibt; zum Genussrechtsverhältnis vgl. auch Ernst, AG 1967, 75, 78 f. 19  Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 221, Rn. 240, der zwischen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Einzelrechten aus diesem Stammrecht differenziert; Lutter, in: FS Döllerer, S. 383, 390 f., vgl. auch S. 392; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221, Rn. 53, vgl. auch Rn. 92: „Ein Genussrecht kann als ein Bündel von bestimmten oder bestimmbaren Ansprüchen des Genussrechtsinhabers gegen die Aktiengesellschaft aufgefasst werden […].“ Frantzen, S. 11 ff. m. w. N. („abstraktes Stammrecht“, „ein Rechtsverhältnis, aus dem sich eine Vielzahl von einzelnen Rechten und konkreten Einzelansprüchen ergeben bzw. ergeben können“); Gottlieb, S. 31 („Dieses Recht [das Genussrecht] ist eine Forderung, die sich in eine Reihe von Einzelforderungen auflöst.“); vgl. ferner Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, S. 77 f. (Genussrecht als Beteiligung); Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 276 („Im Falle der Gewinnverteilung oder bei Ausschüttung eines Liquidationsüberschusses erwächst ein selbständiges reines Gläubigerrecht nach § 241 BGB auf einen bestimmten Vermögenswert.“); Ernst, S. 114 ff. (Genussrecht als subjektives Recht eigener Kategorie); vgl. auch Emde, S. 6 ff., der indes davon ausgeht, dass die einzelnen Ansprüche „nicht aus dem Stammrecht (Genußschein) erwachsen, sondern erst durch Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung begründet werden“ (S. 9); vgl. auch die Darstellung bei Kallrath, S. 27 f.; zur Frage nach dem abstrakten oder kausalen Charakter des Genussrechts(-verhält15 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Genussrecht wird – in Abgrenzung zur Mitgliedschaft – zwar als schuldrechtliches Gläubigerrecht klassifiziert.20 Das Genussrecht selbst soll aber keine Forderung i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB sein.21 Vielmehr sollen aus dem Genussrecht als Stammrecht bzw. aus dem Genussrechtsverhältnis – die Begriffe Genussrecht, Genussrechtsverhältnis, Genussrechtevertrag und Genussschein werden z. T. synonym verwendet22 – vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Einzelansprüche entstehen.23 Aus dem Genussrecht bzw. dem Genussrechtsverhältnis sollen neben den einzelnen Leistungsansprüchen auch Sorgfalts- und Schutzpflichten (i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB) folgen, deren Verletzung Schadensersatzansprüche des Genussrechtsemittenten gegenüber den Genussrechtsinhabern begründen kann.24 Nach anderer Auffassung verbrieft eine Schuldverschreibung lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch, also eine Forderungsbeziehung i. S. e. Schuldverhältnisses i. e. S.25 Zwischen einem Zweiterwerber und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bestünden keine unmittelbaren vertraglichen Beziehunnisses) vgl.: Luttermann, S. 99 f.; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221, Rn. 52; Schön, JZ 1993, 925, 928 ff. 20 BGH NJW 1993, 57, 58; BGH WM 1959, 434, 436 („Genußscheine sind börsengängige Wertpapiere, die sich in bestimmten geldwerten Ansprüchen erschöpfen.“); Hüffer/ Koch, AktG, § 221, Rn. 26; Schön, JZ 1993, 925, 926 f.; Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312, 313; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 127; vgl. auch Habersack, ZHR 155 (1991), S. 378, 383 f., der den Genussrechtsinhaber als Partei eines gewöhnlichen Schuldvertrages ansieht; vgl. auch Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 86; Fischer, in: Ekkenga/ Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 10, Rn. 26; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 359; zur Rechtsnatur der Genussrechte siehe auch Ernst, AG 1967, 75, 77 ff. 21  Frantzen, S. 11 f.; vgl. auch Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, S. 78, der das Genussrecht als Beteiligung begreift; a. A. Ziebe, DStR 1991, 1594; Kallrath, S. 12. 22 Vgl. Luttermann, S. 83 Fn. 13, 113 f.; Stadler, in: Bürgers/Körber, AktG, § 221, Rn. 94 f.; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221, Rn. 23; Frantzen, S. 21 ff., der den Vertrag zur Entstehung der abstrakten Genussrechtsverbindlichkeit mit dem daraus entstandenen Leistungsversprechen gleichsetzt; vgl. auch BGH NJW 1993, 57, 63, der den Genussrechtsvertrag mit dem (verbrieften) Genussrecht gleichsetzt; vgl. auch BGH NZG 2013, 987, 989 Rz. 29 (Gleichsetzung des Begebungsvertrages mit dem verbrieften Genussrecht). Zur Rechtsnatur des Genussrechtevertrages siehe Fischer, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 10, Rn. 24 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 771, der betont, dass sich Genussrechte und Genussscheine nur durch die Verbriefung unterscheiden; dagegen zwischen in Wertpapieren verbrieften Genussrechten und bilateralen Vertragsverhältnissen differenzierend: Florstedt, ZIP 2017, 49, 51, der betont, dass eine Vermischung oder Gleichstellung von Wertpapieren und Verträgen „ein unüberwindbares Hindernis für eine klare Dogmenbildung“ ist. 23  Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 221, Rn. 240; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 221, Rn. 53. 24 BGH NJW 1993, 57, 63; Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 272 ff.; vgl. auch Habersack, in: ZHR 155 (1991), S. 378, 391 ff.; Feddersen/Meyer-Landrut, ZGR 1993, 312, 319 f.; Lutter, ZGR 1993, 291, 300 ff. 25  Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; Bierschenk, LMK 2014, 362569.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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gen.26 Zwischen einem Folgeerwerber und dem Schuldverschreibungsschuldner bestehe kein Schuldverhältnis i. w. S.27

2.  Unterscheidung Schuldverhältnis i. e. S. und Schuldverhältnis i. w. S. Eine Legaldefinition des „Schuldverhältnisses“ fehlt. Traditionell wird zwischen dem Schuldverhältnis i. e. S. und dem Schuldverhältnis i. w. S. unterschieden. Während ersteres die einzelne Forderung bzw. Forderungsbeziehung i. S. d. § 241 Abs. 1 S. 1 BGB zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner eines schuldrechtlichen Anspruchs bezeichnet,28 wird der Begriff des Schuldverhältnisses i. w. S. verwendet, um ein komplexes schuldrechtliches Rechtsverhältnis, aus dem sich einzelne Forderungsrechte respektive korrespondierende Pflichten, Nebenpflichten, Gestaltungsrechte und „Rechtslagen“ ergeben können, zu beschreiben.29 Das Schuldverhältnis i. w. S. umfasst das gesamte Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, das Vertragsverhältnis.30 In der Rechtslehre gibt es verschiedene Versuche, das Schuldverhältnis i. w. S. zu charakterisieren.31 So wird das Schuldverhältnis i. w. S. als Bündel von Forderungen bzw. Pflichten32, als sinnhaftes Gefüge33, Prozess34 oder Organismus35 bezeichnet. Das BGB verwendet den Begriff des Schuldverhältnisses ohne sprachliche Differenzierung sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne.36 26  Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.331, die jedoch betonen, dass die Innehabung der Urkunde ein Rechtsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anleger und dem Emittenten begründe, welches zuvorderst durch die Anleihebedingungen geregelt werde. 27  Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; Bierschenk, LMK 2014, 362569. 28 Vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 8; in diesem Sinne wird das Schuldverhältnis z. B. auch in § 362 BGB verstanden, vgl. Rumpf, S. 36; vgl. auch Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 2. 29  Ernst, in: MüKoBGB, Recht der Schuldverhältnisse Einleitung, Rn. 10; Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 2; Mansel, in: Jauernig, § 241, Rn. 1. 30 Vgl. Bachmann, in: MüKoBGB, § 241, Rn. 4. 31  Vgl. hierzu den Überblick bei Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 8 f.; vgl. auch Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 39 ff. 32  Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 8. 33  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 27; Schwarze, in: Staudinger, § 280, Rn. B3. 34  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 28. 35  Kreller, AcP 146 (1941), S. 97, 98; vgl. auch Ernst, in: MüKoBGB, Recht der Schuldverhältnisse Einleitung, Rn. 10; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 8. 36  Im Sinne der Forderungsbeziehung – also als Schuldverhältnis i. e. S. – wird der Begriff Schuldverhältnis beispielsweise in den §§ 362, 364, 397 BGB verwendet, als Schuldverhältnis i. w. S. oder Vertragsverhältnis wird der Ausdruck Schuldverhältnis beispielsweise in den §§ 273 Abs. 1, 292 Abs. 1, 314 Abs. 1, 425 Abs. 1 BGB verwendet, vgl. Ernst, in: MüKoBGB, Recht der Schuldverhältnisse Einleitung, Rn. 10; vgl. auch: Bachmann, in: MüKoBGB, § 241, Rn. 4 sowie Bucher, in: FS Wiegand, S. 93, 117 ff., der durch die Verwendung des Begriffs in

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Auch wenn der praktische Mehrwert der Unterscheidung zwischen dem Schuldverhältnis i. e. S. und dem Schuldverhältnis i. w. S. teilweise für gering gehalten wird,37 weil Schutz- und Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch bei einem Schuldverhältnis i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB, also einer Forderung, bestehen können,38 für das Verständnis der Rechtsbeziehung des Teilschuldverschreibungsschuldners zum einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger, insbesondere zu einem Folgeerwerber, ist diese traditionelle Differenzierung sinnvoll und geboten, weil hierdurch Klarheit in die durch letztlich inhaltsleere Begriffe wie den der Anleihe oder des Anleiheschuldverhältnisses verstellten Diskussion gebracht werden und die Anwendbarkeit gesetzlicher Vorschriften, beispielsweise von § 314 BGB39, beurteilt werden kann.

3.  Verbriefung von Forderungen, lediglich Schuldverhältnis i. e. S. Schuldverschreibungen verbriefen Forderungen, also Schuldverhältnisse i. e. S. Dies folgt aus dem numerus clausus der Wertpapiere und wird durch die Übertragungsmöglichkeiten von Schuldverschreibungen bestätigt.

a)  numerus clausus der Wertpapiere Der numerus clausus der Wertpapiere, dessen Geltung für Inhaberhaberpapiere und Rektapapiere zwar vereinzelt abgelehnt,40 von der herrschenden Meinung aber auch für diese Wertpapiere bejaht wird,41 hat zwei Ausprägungen: den Typenzwang und die Typenfixierung.42 Der Typenzwang verbietet es, neue, gesetzlich nicht vorgesehene Wertpapierarten zu schaffen. Das Gesetz be§ 311 Abs. 2, 3 BGB und dem Zusammenspiel mit § 241 Abs. 2 BGB einen dritten Bedeutungsgehalt des „Schuldverhältnisses“ annimmt, vgl. Bucher, in: FS Wiegand, S. 93, 125 ff. 37  Ernst, in: MüKoBGB, Recht der Schuldverhältnisse Einleitung, Rn. 10; Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 45 m. w. N. 38  Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 45. 39  Das Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 Abs. 1 BGB ist als Vertragsverhältnis i. S. e. Schuldverhältnisses i. w. S. zu verstehen, vgl. Ernst, in: MüKoBGB, Recht der Schuldverhältnisse Einleitung, Rn. 10; vgl. auch unten 2. Teil A III 3 b). 40 Vgl.: Haertlein, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 28. Kap., Rn. 30, der für Rektapapiere allerdings lediglich einen numerus clausus für schuldrechtliche Forderungen verneint; Richardi, S. 39, 233, der aber gleichwohl anerkennt, dass nicht jedes Recht in einer Inhaberschuldverschreibung verbrieft werden kann. Da auch für Inhaber- und Rektapapiere gesetzlich vorgegeben ist, welches Recht überhaupt in diesen Papieren verbrieft werden kann (vgl.: Gursky, S. 15; Haertlein, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 28. Kap., Rn. 15 ff., 30), gilt der numerus clausus richtigerweise auch für diese Papiere. 41  Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 13 ff.; Gursky, S. 14 f.; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 25 f.; Hueck/Canaris, S. 25; Haertlein, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 28. Kap., Rn. 15 ff., 24, 30; zum numerus clausus bei Inhaberund Orderpapieren siehe auch Meyer-Cording/Drygala, S. 16 f. 42  Lehmann, S. 13; vgl. auch Gursky, S. 14 f.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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stimmt – auch bei Inhaber- und Rektapapieren –, welches Recht überhaupt in einem bestimmten Wertpapier verbrieft werden kann.43 Die Typenfixierung bedeutet, dass die rechtlichen Wirkungen der Urkunde im Wesentlichen durch das Gesetz – und nicht durch Parteivereinbarungen – festgelegt sind. Nach §  793 BGB verbriefen Schuldverschreibungen ein Leistungsversprechen des Ausstellers. Gegenstand des Versprechens soll eine Leistung i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB sein.44 Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Schuldverschreibungen ein Forderungsrecht verbriefen.45 Verbrieft ist also ein Schuldverhältnis i. e. S. Verbriefen Inhaberschuldverschreibungen Forderungen, verbietet der nume‑ rus clausus der Wertpapiere, dass andere Rechte oder gar ganze Vertragsverhältnisse i. S. v. Schuldverhältnissen i. w. S., die gegenseitige Rechte und Pflichten vorsehen, in einer Inhaberschuldverschreibung verbrieft werden. Verbrieft werden können auch nur Forderungen gegen den Aussteller, nicht aber Forderungen des Ausstellers gegen den jeweiligen Gläubiger. Aus diesem Grund ist auch die Verbriefung einer Anleihe mit „echtem“ Negativzins46 in Form einer Schuldverschreibung nicht möglich, denn ein Zinszahlungsanspruch des Ausstellers gegen den jeweiligen Gläubiger kann nicht in Schuldverschreibungen verbrieft werden.47 Die Emission von (niedrigverzinsten) Schuldverschreibungen über 43 

Gursky, S. 15; vgl. auch Haertlein, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 28. Kap., Rn. 15 ff., 30. 44  Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 6; Steffen, in: RGRK, § 793, Rn. 4; vgl. auch Ha‑ bersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 7. 45  Marburger, in: Staudinger, §  793, Rn. 6; Habersack, in: MüKoBGB, 793, Rn. 1; Richardi, S. 69 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 25 f., 172 f.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 35; Gursky, S. 10, 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band  II (10. Auflage 1972), S. 376; vgl. auch Hueck/Canaris, S. 20, 25; Jacobi, Grundriß des Rechts der Wertpapiere, S. 106; Ulmer, S. 22 f.; Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; Assmann, WM 2005, 1053; Bierschenk, LMK 2014, 362569; Steffen, in: RGRK, § 793, Rn. 4, vgl. auch Vor § 793, Rn. 17; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 15; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 19; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 113; Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Einführung, Rn. 3; Becker, WM 2013, 1736, 1739; Mülbert, ZHR 179 (2015), S. 395, 396; Grüneberg, WM 2016, 1621, 1622; Seibt, ZIP 2016, 997, 1001; Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1168; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 4 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – XI ZR 160/12 –, juris Rz. 7 ff.; OLG Bamberg NJW‑RR 1989, 1449, 1450. 46 Zu „Negativzinsen“ bei Inhaberschuldverschreibungen vgl.: Becker, WM 2013, 1736 ff.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 10 ff.; zur Frage, ob Negativzinsen mit dem Zinsbegriff vereinbar sind: Becker, WM 2013, 1736, 1737 f.; Hingst/Neumann, BKR 2016, 95 ff. 47  Wie hier: Storck/Reul, DB 2015, 115, 116; Mülbert, ZHR 179 (2015), S. 395, 396 f., vgl. aber auch S. 399 ff.; auch Becker, WM 2013, 1736, 1739 f., hält die Entstehung eines negativen Zinsanspruchs des Ausstellers gegen den Gläubiger einer Inhaberschuldverschreibung aus diesem Grund für hoch problematisch und fragwürdig; vgl. auch Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 12, der die Verbriefung eines Anspruchs des Emittenten auf Zahlung eines negativen Zinses aus wertpapierrechtlichen Gründen ablehnt.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Nennwert mag zwar wirtschaftlich einem Negativzins entsprechen, eine Zinszahlungspflicht des jeweiligen Gläubigers besteht aber nicht.48 Wählt der Emittent die Form einer Schuldverschreibung, legt der numerus clausus die rechtliche Struktur zwingend fest: In einer Schuldverschreibung können nur Forderungen verbrieft werden.49 Kommt einem Finanzinstrument keine Forderungsqualität zu, weil es sich beispielsweise um Mitgliedschaftsrechte handelt, scheidet eine Verbriefung in einer Schuldverschreibung aus. Die in einer Schuldverschreibung verbriefte Forderung kann freilich von komplexer rechtlicher Qualität sein. Der numerus clausus der Wertpapiere gibt keine inhaltlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Leistungsversprechens vor, er legt lediglich fest, dass es sich um eine Forderung handeln muss.50 Auch ein spekulativer Charakter des Leistungsversprechens oder eine Nachbildung mitgliedschaftlicher Vermögensrechte auf schuldrechtlichem Wege schließen eine Verbriefung in einer Inhaberschuldverschreibung daher nicht aus.51

aa)  Keine Verbriefung anspruchserzeugender Stammrechte in Schuldverschreibungen Der numerus clausus steht auch der Verbriefung anspruchserzeugender Stammrechte – deren Zulässigkeit im Übrigen auch außerhalb von Schuldverschreibungen fraglich erscheint – entgegen. Denn solche Stammrechte wären keine Forderungen, sondern anspruchserzeugende Tatbestände. Aus diesem Grund ist auch die Verbriefung eines abstrakten Genussrechtstammrechts in einer Inhaberschuldverschreibung nicht möglich.52 Es soll sich bei diesem Genussrechtstammrecht gerade nicht um ein Leistungsversprechen i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB handeln, sondern das Genussrechtstammrecht soll selbst Quelle einzelner, selbstständiger Leistungsansprüche i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB und von Schutzpflichten i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB sein. Mangels Eigenschaft als schuldrechtlicher Anspruch i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB kann auch der Hinweis auf den schuldrechtlichen Charakter eines solches Stammrechts und die Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung des verbrieften Leistungsversprechens

48 Vgl. hierzu sowie zu weiteren Konstruktionsmöglichkeiten von Inhaberschuldverschreibungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung zur Entstehung negativer Zinsen führen, Becker, WM 2013, 1736, 1737, 1741 f. 49  Gursky, S. 15. 50 Vgl. Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 13 ff. 51  So aber Lehmann für Optionen, Zertifikate und hybride Finanzinstrumente, S. 98, 110 f., 144 f. 52  Vgl. auch Ernst, S. 126, der davon ausgeht, dass das Genussrecht als subjektives Recht eigener Art (vgl. Ernst, S. 114 ff.) kein schuldrechtliches Leistungsversprechen i. S. d. §§ 793 ff. BGB darstellt, gleichwohl aber eine entsprechende Anwendbarkeit dieser Bestimmungen annimmt.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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i. S. d. § 793 Abs. 1 BGB eine Verbriefung in einer Inhaberschuldverschreibung nicht rechtfertigen.53

(1)  Grundsätzliche Bedenken gegen die Rechtsfigur anspruchserzeugender Stammrechte oder Gesamtansprüche Die Annahme eines schuldrechtlichen Stammrechts, aus dem einzelne Ansprüche entspringen, ist freilich keine völlig neue Konstruktion, wie ein Blick auf die Leibrente, die in den §§ 759 ff. BGB eine rudimentäre Regelung gefunden hat, zeigt. Auch im Zusammenhang mit § 843 BGB hat die Rechtsprechung den Terminus des „Stammrechts“ schon verwendet.54 Die Figur eines Stammrechts oder Gesamtanspruchs als anspruchserzeugender Tatbestand ist aber generell abzulehnen. Sie findet keine Stütze im Gesetz55 und bricht mit den zivilrechtlichen Grundprinzipien, wonach Ansprüche kraft Gesetzes oder durch Vertrag entstehen.56 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Leibrente ein einheitliches „Stammrecht“, aus dem wiederkehrend Einzelansprüche hervorgehen, darstellt.57 Die einzelnen Rentenansprüche seien als Nutzungen oder (Rechts-) Früchte dieses Stammrechts zu qualifizieren.58 Nach der Rechtsprechung sind bei der Leibrente drei Ebenen zu unterscheiden:59 Die Verpflichtung zur Bestellung der Leibrente, das auf dieser Grundlage bestellte abstrakte Stammrecht – die Leibrente oder das Leibrentenversprechen – und die aus diesem Stammrecht folgenden einzelnen Rentenansprüche. Im Schrifttum ist die Konstruktion eines abstrakten Leibrentenstammrechts auf Kritik gestoßen und wird mit dem Hinweis auf die Anerkennung der Rechtsfigur des Dauerschuldverhältnisses als überflüssig angesehen.60 Es bestehe ein 53  Vgl.

aber etwa Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 221, Rn. 247 f. Vgl. BGH NJW 1973, 1684, 1685; zur Rechtsfigur des Stammrechts, aus dem einzeln abtrennbare Ansprüche fließen sollen, vgl. auch BGH NJW 2001, 1063, 1065. 55  Vgl. auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, § 194, Rn. 16 f. 56  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 384, vgl. auch S. 9 f.; vgl. auch Eichel, NJW 2015, 3265, 3269, der das Stammrecht als „Sammelbegriff für die einheitliche Anspruchsgrundlage, auf der die wiederkehrenden Einzelansprüche beruhen“, bezeichnet. 57 RGZ 67, 204, 207 ff., insbes. 210 f.; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1965 – II ZR 274/63 –, juris Rz. 22; BGH, Urteil vom 13. März 1980 – III ZR 179/78 –, juris Rz. 21; siehe auch: v. Gamm, in: RGRK, § 759, Rn. 5; Sprau, in: Palandt, § 759, Rn. 1, 7a; vgl. auch die Darstellung bei Habersack, in: MüKoBGB, § 759, Rn. 3; Amann, in: Staudinger, 14. Bearbeitung 2002, Vorbem zu §§ 759 ff, Rn. 4 ff., insbes. Rn. 18 ff.; Welter, S. 39 ff. 58  RGZ 80, 208, 209. 59  Sprau, in: Palandt, § 759, Rn. 1. 60  Habersack, in: MüKoBGB, § 759, Rn. 4 ff.; Mayer, in: Staudinger, Vorbem zu 759–761, Rn. 39, vgl. auch Rn. 47, 52; Amann, in: Staudinger, 14. Bearbeitung 2002, Vorbem §§ 759 ff, Rn. 31, vgl. auch Rn. 36; Welter, in: Soergel, Vor § 759, Rn. 9 ff.; Litzenburger, in: BeckOK‑ BGB, § 759, Rn. 3; vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1031; kritisch auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Band II (10. Auflage 1972), S. 373 f.; siehe auch die grundsätzliche 54 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

einheitliches Rechtsgeschäft.61 Die einzelnen Ansprüche auf die Rentenzahlungen beruhten unmittelbar auf dem die Rentenschuld begründenden (kausalen) Rechtsgeschäft.62 Der Rentenanspruch besteht nicht abstrakt, sondern unmittelbar als kausale Schuld.63 Hinter der Konstruktion des einheitlichen Stammrechts durch die Rechtsprechung stehe das Bestreben, den Anwendungsbereich der Formvorschrift des § 761 BGB einzugrenzen.64 Die Fiktion eines einheitlichen Stammrechts sei aber nicht notwendig, da § 761 BGB einschränkend ausgelegt und damit sachgerechte Ergebnisse erreicht werden könnten.65 Dem ist zuzustimmen. Die §§ 759 ff. BGB lassen sich als (kausales) Dauerschuldverhältnis in das System des Schuldrechts einordnen, ohne dass es der Schaffung eines neuen Typus eines Rechts bedarf. Durch einschränkende Auslegung des § 761 BGB können sachgerechte und systemkonforme Ergebnisse erreicht werden. Letztlich beruht die Annahme eines abstrakten Leibrentenstammrechts auf einer Rechtsschöpfung durch die Rechtsprechung.66 Das Gesetz enthält keinerlei Anhaltspunkte für ein abstraktes Stammrecht, aus dem Einzelansprüche folgen. Die §§ 759 ff. BGB enthalten nur rudimentäre Regelungen zur Leibrente: § 759 BGB stellt eine – wenn auch wenig hilf­ reiche67 – Auslegungsregel dar. § 760 BGB enthält dispositive Regelungen zu den (Voraus-)Zahlungsmodalitäten und § 761 BGB eine Formvorschrift.68 Die Einordnung des Leibrentenversprechens als kausale Schuld entspricht der Dogmatik des Schuldrechts. Zwar kennt das Schuldrecht auch abstrakte Leistungsversprechen, wie die §§ 780, 781 BGB und § 793 BGB zeigen. Das abstrakte Versprechen, das durch einen abstrakten Vertrag zustande kommt, ist aber

Kritik an der Figur eines Stammrechts bei Eichel, NJW 2015, 3265, 3269 ff.; vgl. aber auch Oetker, S. 169 f., der die Differenzierung zwischen dem Leibrentenstammrecht und den hieraus fließenden Einzelansprüchen trotz der Einordnung der Leibrente als Dauerschuldvertrag nicht für überflüssig hält. 61 Vgl. Litzenburger, in: BeckOK‑BGB, § 759, Rn. 1. 62  Litzenburger, in: BeckOK‑BGB, §  759, Rn. 1. Das die Rentenschuld begründende Rechtsgeschäft kann ein Vertrag (gegenseitiger Vertrag oder Schenkung) oder eine Auslobung sein, möglich ist auch die Begründung durch letztwillige Verfügung, vgl. Habersack, in: MüKoBGB, § 759, Rn. 6. 63  Habersack, in: MüKoBGB, § 759, Rn. 5. 64  Habersack, in: MüKoBGB, § 759, Rn. 3; vgl. auch Litzenburger, in: BeckOK‑BGB, § 759, Rn. 3; Welter, S. 63. 65  Litzenburger, in: BeckOK‑BGB, § 759, Rn. 3. 66  In diesem Sinne wohl auch Litzenburger, in: BeckOK‑BGB, § 759, Rn. 3, der von einer „Fiktion“ der Rechtsprechung spricht; siehe auch die grundsätzliche Kritik von Eichel, NJW 2015, 3265, 3269 f. 67 Kritisch Habersack, in: MüKoBGB, § 759, Rn. 2, da sich nur aus einer auf Lebenszeit des Gläubigers vereinbarten Zahlungspflicht deren rechtliche Eigenart als Leibrente ergebe. 68  Vgl. auch Welter, S. 44 f., der die mehrstufige Begründung der Leibrentenverpflichtung für unvereinbar mit § 761 BGB hält.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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nicht selbst Quelle von Einzelansprüchen, sondern es handelt sich um einen schuldrechtlichen Anspruch i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB.69 Auch im Zusammenhang mit § 843 BGB ist die Figur eines Stammrechts oder Gesamtanspruchs abzulehnen. Der Begriff mag hier der bildlichen Umschreibung der rechtlichen Strukturen dienen,70 ein Stammrecht als solches kennt das Gesetz aber nicht.71 Der Schadensersatzanspruch folgt aus dem Gesetz, z. B. aus § 823 Abs. 1 BGB. § 843 BGB betrifft die Rechtsfolgenseite dieses Schadensersatzanspruches, präziser ausgedrückt: Diese Vorschrift legt (lediglich) fest, wie bei Körper- oder Gesundheitsverletzungen Ersatz für Verminderungen der Erwerbsfähigkeit oder für die Vermehrung der Bedürfnisse des Geschädigten zu leisten ist, nämlich grundsätzlich in Form einer Geldrente.72 Dass Nachteile in Erwerb und Fortkommen ersatzfähig sind, folgt aus § 842 BGB.73 Der Rentenanspruch folgt aus dem Gesetz und nicht aus einem Stammrecht. Ein Anspruch als anspruchserzeugender Tatbestand – quasi ein juristisches perpetuum mobile – existiert nicht.

(2)  Ablehnung eines Genussrechtstammrechts Auch im Fall von Genussrechten fehlen gesetzliche Anhaltspunkte, aus denen die Existenz eines abstrakten Stammrechts zu folgern wäre. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen zum Inhalt und zur Struktur von Genussrechten. Anders als im Fall des § 843 BGB, der ausdrücklich anordnet, dass Ersatz in Form einer Geldrente zu zahlen ist, gibt es für den Inhalt von Genussrechten überhaupt keine gesetzlichen Anhaltspunkte. Ein schuldrechtliches Stammrecht als anspruchserzeugender Tatbestand bricht mit bestehenden zivilrechtlichen Prinzipien. Forderungen entstehen, weil der Vertrag oder das Gesetz es vorsehen.74 Ohne gesetzliche Anhaltspunkte kann von diesem Grundsatz trotz der Gestaltungsfreiheit im Schuldrecht nicht abgewichen werden. Gestaltungsfreiheit besteht zwar auf der untergeordneten vertraglichen Schaffungsebene, nicht jedoch auf der übergeordneten Ebene 69 Vgl. Marburger, in: Staudinger, § 780, Rn. 2, 6, 13, § 781 Rn. 1, 6; Habersack, in: MüKoBGB, § 780, Rn. 13, vgl. auch Rn. 2, 44 f.; für das abstrakte Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB: Ehmann, S. 35 f., 55; Ehmann, WM 2007, 329, 330. 70 Vgl. auch Eichel, NJW 2015, 3265, 3270, der den Begriff des Stammrechts allein im Rahmen des § 843 BGB anerkennen möchte, weil sich damit die verjährungsrechtliche Problematik beschreiben lässt. 71  Vgl. auch die Kritik bei Peters/Jacoby, in: Staudinger, § 194, Rn. 16 f. 72 Vgl. Wandt, § 20, Rn. 3, 6; Vieweg, in: Staudinger, § 843, Rn. 3; Wagner, in: MüKoBGB, § 843, Rn. 1; Schiemann, in: Erman, § 843, Rn. 1. 73  Vgl. auch Wandt, § 20, Rn. 3, 6; vgl. auch Schiemann, in: Erman, § 842, Rn. 1. 74  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 384, vgl. auch S. 9 f.; vgl. auch Eichel, NJW 2015, 3265, 3269, der das Stammrecht als „Sammelbegriff für die einheitliche Anspruchsgrundlage, auf der die wiederkehrenden Einzelansprüche beruhen“, bezeichnet; vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 1 8 a) (S. 12 f.).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

der Anspruchsgründe: Lediglich im Hinblick auf das „Ob“ der vertraglichen Begründung und das „Wie“ des durch Vertrag begründeten Anspruchs besteht Vertragsfreiheit (Abschluss- und Gestaltungsfreiheit).75 Der (kausale) Genussrechtsvertrag, aber nicht ein abstraktes Stammrecht ist Quelle von Forderungen des Genussrechtsberechtigten gegen den Genussrechtsverpflichteten. Im Fall von Schuldverschreibungen begründet der Begebungsvertrag eine neben die oder anstelle der kausalen Forderung tretende Forderung. Mangels Vertrages zwischen einem Zweiterwerber und dem Teilschuldverschreibungsschuldner entstehen keine weiteren Forderungen zwischen diesen, sondern der Zweiterwerber einer Schuldverschreibung erwirbt die durch Begebungsvertrag begründete, in der Urkunde verbriefte (abstrakte) Forderung. Die derivativ erworbene Rechtsposition steht gewissermaßen abschließend fest. Es ist zwar möglich, dass die verbriefte Forderung inhaltlich noch unbestimmt ist, weil ihre Höhe von externen Faktoren abhängt. Weiter ist es denkbar, dass die verbriefte Forderung aufschiebend bedingt oder befristet ist. Auch eine aufschiebend bedingte oder befristete Forderung ist aber bereits „in der Welt“, obgleich sie rechtlich gesehen noch nicht existent ist. Das verbriefte Leistungsversprechen ist aber nicht selbst Quelle weiterer Forderungen.

(3)  Fehlender Forderungscharakter Auch wenn man die Schöpfung eines – als Quelle von Einzelansprüchen anzusehenden – Stammrechtes als von der Vertragsfreiheit umfasst ansehen möchte, so änderte dies nichts daran, dass eine Verbriefung in einer Inhaberschuldverschreibung aufgrund des numerus clausus der Wertpapiere ausscheiden muss. Ein abstraktes Stammrecht eigener Art, das selbst zur Entstehung selbstständiger Ansprüche führt, ist keine Forderung i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB und entspricht daher nicht der Struktur eines Leistungsversprechens i. S. d. § 793 BGB. In Inhaberschuldverschreibungen können keine durch die Parteien neu erschaffenen Rechte verbrieft werden.76 Auch die Einordnung als abstraktes Schuldversprechen i. S. d. § 780 BGB scheidet aus, da auch das durch abstrakten Schuldvertrag begründete Schuldversprechen ein Leistungsversprechen i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB ist.77

75  Vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 1 8 a) (S. 12 f.), siehe auch § 1 2 (S. 1 f.). 76  Dagegen spricht der Umstand, dass auf schuldrechtlichem Wege mitgliedschaftliche Rechte gewährt werden, nicht gegen eine Verbriefung in einer Inhaberschuldverschreibung – insoweit aber kritisch: Lehmann, S. 145 –, da an die inhaltliche Ausgestaltung der verbrieften Forderung keine Anforderungen gestellt werden. Der numerus clausus verlangt lediglich, dass es sich bei dem verbrieften Recht um eine Forderung handelt. 77 Vgl. Marburger, in: Staudinger, § 780, Rn. 2, 6, 13, vgl. auch § 781 Rn. 1, 6; Habersack, in: MüKoBGB, § 780, Rn. 13.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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(4)  Konstruktion „wiederkehrender“ Leistungspflichten in Schuldverschreibungen Obschon nur Forderungen in Schuldverschreibungen verbrieft werden können, ist es möglich, eine Schuldverschreibung mit „wiederkehrenden“ Leistungspflichten zu konstruieren und so z. B. Genussrechte in Schuldverschreibungen zu verbriefen. Hierzu bedarf es weder eines übergeordneten Stammrechts noch eines Schuldverhältnisses i. w. S. In einer Urkunde können mehrere selbständige Ansprüche verbrieft werden bzw. kann das Leistungsversprechen in diesem Sinne ausgelegt werden. Es handelt sich um mehrere Schuldverhältnisse i. e. S. Das Vorliegen mehrerer Leistungsversprechen i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB macht die Schuldverschreibung bzw. die Rechtsbeziehung zwischen Teilschuldverschreibungsgläubiger und Teilschuldverschreibungsschuldner auch nicht zu einem Vertragsverhältnis i. S. e. Schuldverhältnisses i. w. S. Es bestehen lediglich mehrere Forderungen. Eine „wiederkehrende“ Leistungspflicht könnte außerdem dadurch erzielt werden, dass nur eine Forderung, die sukzessive fällig wird, verbrieft wird. Die einzelnen Leistungen durch den Schuldverschreibungsschuldner führten in diesem Fall nicht zur vollständigen Erfüllung der verbrieften Forderung, sondern es handelte sich um Teilleistungen auf die jeweils fällige Rate einer einheitlichen Forderung. § 266 BGB steht einer solchen Konstruktion nicht entgegen, da die Vorschrift dispositiv ist.78 Die schrittweise Fälligkeit und Abwicklung wäre Inhalt des verbrieften Leistungsversprechens. Es lägen gewissermaßen Ratenzahlungen auf eine einheitliche Forderung vor. Die Höhe der verbrieften Gesamtforderung könnte auch noch unbestimmt sein bzw. die Höhe der einzelnen Raten und damit die Höhe der Gesamtforderung könnte durch externe Faktoren bestimmbar sein. Die verbrieften Forderungen können auch aufschiebend oder auflösend bedingt oder befristet sein. Entscheidend ist, dass die verbrieften Forderungen mit Ausstellung der Urkunde und Begebung abschließend „in der Welt“ sind, da die Verbriefung eines anspruchserzeugenden Stammrechts oder Gesamtanspruchs nicht möglich ist.

bb)  Zinsverpflichtungen in Schuldverschreibungen (1)  Kein Zinsstammrecht oder Zinsgesamtanspruch Im Fall von Zinsverpflichtungen des Ausstellers gilt nichts Abweichendes. Insbesondere folgt ein Zinsstammrecht oder Zinsgesamtanspruch nicht aus dem Charakter als Zinsschuld79 – die in (Inhaber-)Schuldverschreibungen oder in 78 

Krüger, in: MüKoBGB, § 266, Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, § 266, Rn. 5. Der Zinsbegriff ist gesetzlich nicht definiert. Überwiegend wird unter Zins eine laufzeitabhängige, aber nicht gewinn- und umsatzabhängige in Geld zu entrichtende Vergütung für den 79 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Zinsscheinen verbrieften Zinsansprüche sollen ihrer Rechtsnatur nach Zinsverpflichtungen sein,80 ihnen soll nicht der Charakter abstrakter Obligationen zukommen81. Ein allgemeines Zinsstammrecht oder einen Zinsgesamtanspruch kennt das Gesetz nicht.82 Vielmehr gilt auch für Zinsansprüche, dass sie kraft Gesetzes, z. B. aus §§ 286, 288 BGB oder § 353 S. 1 HGB, oder kraft Vertrages entstehen.83 Aus dem Charakter als materielle Zinsschuld folgt lediglich, dass es sich bei den Zinsansprüchen grundsätzlich84 um zur verbrieften Hauptforderung akzessorische Nebenforderungen handelt85 und dass allgemeine Regelungen über die Zinsschuld, namentlich das Zinseszinsverbot gem. §§ 248 Abs. 1, 289 BGB, Anwendung finden86. Der Umstand, dass die in einer Schuldverschreibung oder in Zinsscheinen verbrieften Zinsforderungen mit Ausstellung und Begebung der Urkunde existieren und abschließend feststehen, ist auch mit den insolvenzrechtlichen Regelungen betreffend Zinsen vereinbar. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO zählen die seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen zu den nachrangigen Kapitalgebrauch (bzw. Kapitalentzug) verstanden. Dieser Zinsbegriff geht im Wesentlichen zurück auf Canaris, NJW 1978, 1891 f.; vgl. auch: K. Schmidt, JZ 1982, 829, 831; Omlor, in: Staudinger, § 246, Rn. 23; Blaschczok, in: Staudinger, 13. Bearbeitung 1997, § 246, Rn. 6 f., der indes auf die Kapitalentbehrung des Zinsgläubigers und nicht auf den Kapitalgebrauch des Zinsschuldners abstellt; Mülbert, AcP 192 (1992), S. 447, 459; Grundmann, in: MüKoBGB, § 246, Rn. 3 f.; Hirte, in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, § 39, Rn. 10; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 39, Rn. 10; Becker, WM 1736, 1737 f.; Hingst/Neumann, BKR 2016, 95 ff.; aus der Rechtsprechung: BGH NJW 1979, 540, 541; BGH NJW 1979, 805, 806; BGH NJW‑RR 1992, 591, 592. Dieser stark an Darlehenszinsen orientierte Zinsbegriff passt auf das in einer Schuldverschreibung verbriefte Zinsversprechen indes nur bedingt. Schuldverschreibungen verbriefen gerade keinen Rückzahlungsanspruch, sondern einen abstrakten Zahlungsanspruch gegen den Aussteller. Der jeweilige Inhaber einer Schuldverschreibung überlässt dem Aussteller kein Kapital. Die Pflicht zur Kapitalüberlassung folgt aus dem Übernahmevertrag. Ein Bezug zu einer Kapitalüberlassung und damit für einen Kapitalgebrauch (bzw. Kapitalentzug) besteht jedenfalls nicht notwendigerweise. 80  Ulmer, S. 111; Marburger, in: Staudinger, § 803, Rn. 2. 81  Habersack, in: MüKoBGB, § 803, Rn. 2; BGH NJW 2016, 2806, 2807 (Rz. 15). 82  Dagegen geht Mülbert, ZHR 179 (2015), S. 395, 396, 400 f., von der Existenz eines Zinsstammrechts, aus dem für die jeweilige Zinsperiode Einzelzinsansprüche fließen, aus. 83 Vgl. Grundmann, in: MüKoBGB, § 246, Rn. 15 ff. 84  Für in Zinsscheinen verbriefte Zinsansprüche bestehen gem. § 803 Abs. 1 BGB Ausnahmen vom Grundsatz der Akzessorietät der Zinsschuld; vgl. hierzu auch Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 2, 15 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 176; zu Zinsscheinen vgl. auch unten 2. Teil A III 3 e). 85 Vgl. BGH NJW 2016, 2806, 2807 (Rz. 15); zur Akzessorietät der Zinsschuld siehe auch Grundmann, in: MüKoBGB, § 246, Rn. 10; Omlor, in: Staudinger, § 246, Rn. 26 ff.; Blaschczok, in: Staudinger, 13. Bearbeitung 1997, § 246, Rn. 10 ff. 86  Habersack, in: MüKoBGB, § 803, Rn. 2; Heckelmann/Wilhelmi, in: Erman, § 803, Rn. 1 (m. w. N.); BGH NJW 2016, 2806, 2807 (Rz. 15); a. A. K. Schmidt, JZ 1982, 829, 833, der dies damit begründet, dass der Zweck des Zinseszinsverbotes, Zinsklarheit für den Schuldner zu gewährleisten, für die im Zinsschein summenmäßig bestimmte Zinsforderung nicht greife; siehe auch K. Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearbeitung 1997, § 248, Rn. 9; zustimmend Mar‑ burger, in: Staudinger, § 803, Rn. 4.



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Insolvenzforderungen. Dass die Zinsforderung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht entstanden sein darf, verlangt der Wortlaut nicht. Mit § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Gesetzgeber gerade zum Ausdruck gebracht, dass er die Zinsforderungen als zur Zeit des Insolvenzverfahrens begründet ansieht, denn andernfalls dürften diese Ansprüche überhaupt nicht berücksichtigt werden, vgl. § 38 InsO.87

(2)  Unzulässigkeit der Verbriefung sog. ewig laufender Anleihen Vor diesem Hintergrund muss auch die Einordnung von sog. ewigen Anleihen erfolgen bzw. korrigiert werden und muss ihre Verbriefung in Schuldverschreibungen richtigerweise abgelehnt werden. Ewige Anleihen (auch Hybridanleihen oder perpetual bonds genannt) zeichnen sich durch eine unbeschränkte oder sehr lange Laufzeit aus.88 Typischerweise beinhalten ewige Anleihen Nachrangklauseln, sodass die Ansprüche aus ewigen Anleihen im Fall der Liquidation oder der Insolvenz des Emittenten den Ansprüchen anderer Fremdkapitalgeber nachgehen.89 Mit der Emission ewiger Anleihen wird häufig beabsichtigt, die Kapitalstruktur des Emittenten zu verbessern, da das mit einer ewigen Anleihe aufgenommene Kapital im Fall einer Bilanzierung nach IAS90/ IFRS91 zumindest teilweise als Eigenkapital qualifiziert werden kann.92 Es besteht dadurch die Möglichkeit, Kapital aufzunehmen, das bilanziell als Eigenkapital gewertet, aber gesellschafts- und steuerrechtlich als Fremdkapital eingestuft wird.93 Ewige Anleihen stellen ein sogenanntes mezzanines94 Finanzierungsinstrument dar. Die Einordnung als Eigenkapital i. S. d. IAS/IFRS‑ 87 Vgl.

Henckel, in: Jaeger, InsO, § 39, Rn. 11. Lenenbach, Rn. 2.116; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480; Mentz, in: MüKoBilanzrecht, IAS 32. Finanzinstrumente, Rn. 130; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 12; Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 685 ff.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 68; Schäfer, in: FS Kümpel, S. 453; zu ewigen Anliehen vgl. auch Sester, ZBB 2006, 443 ff.; Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 19; zu den ewigen Anleihen können auch sog. coco-bonds (contigent convertible bonds) zählen, vgl. dazu (sowie allgemein zu coco-bonds) M. Nodoushani, WM 2016, 589, 591 (ff.); zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Banken durch coco-bonds vgl. auch Rudolph, ZHR 175 (2011), S. 284, 309 ff.; zu coco-bonds siehe auch sogleich unter 2. Teil A I 3 a) cc). 89  Mentz, in: MüKoBilanzrecht, IAS 32. Finanzinstrumente, Rn. 130; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 481. 90  International Accounting Standards. 91  International Financial Reporting Standards. 92  Mentz, in: MüKoBilanzrecht, IAS 32. Finanzinstrumente, Rn. 130; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 120; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 481; Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 19 Rn. 9 ff.; Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 686 m. w. N.; Rn. 9 ff. 93 Vgl. Weber, S. 22; Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 686. 94  Mezzanine Finanzierungsinstrumente kombinieren Merkmale von Fremd- und Eigenkapital miteinander. Der Begriff „mezzanine“ kommt aus dem Italienischen und beschreibt eine Etage zwischen zwei Stockwerken, vgl. Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688. 88 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Bilanzierung bestimmt sich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nicht nach der rechtlichen Struktur.95 Maßgebliches Kriterium für die Einordnung als Eigenkapital ist die Dauerhaftigkeit des Verbleibs der Ressourcen im Unternehmen.96 Jegliche Zahlungsverpflichtung muss allein im Ermessen des Emittenten stehen.97 Allerdings kann eine Zahlungsverpflichtung auch an eine Ermessensentscheidung des Emittenten gekoppelt sein, die sich unmittelbar auf einen anderen Entscheidungsgegenstand bezieht, beispielsweise die Zahlung von Dividenden.98 Sehen ewige Anleihen überhaupt keine reguläre Endfälligkeit vor, besteht also eine grundsätzlich unbegrenzte Laufzeit und sind (Zins-)Zahlungen daher theoretisch auf unbegrenzte Zeit geschuldet, müssen in einem nicht von vornherein bestimmbaren Zeitraum ständig neue Leistungspflichten entstehen. Bei Ausstellung der Urkunde kann der Umfang der Zinsansprüche nicht abschließend feststehen. Das verbriefte Versprechen weist daher nicht die Struktur einer oder mehrerer Forderungen, sondern eines anspruchserzeugenden Tatbestands auf. Die Konstruktion von mehreren selbstständigen, aufschiebend bedingten Forderungen kann hier nicht überzeugen, weil bei fehlender Endfälligkeit und damit theoretisch unbegrenzter Laufzeit unendlich viele Forderungen verbrieft sein müssten. Strukturell ist eine ewige Anleihe, die keine Endfälligkeit aufweist und den Emittenten während der Laufzeit zu Zinszahlungen verpflichtet, also keine Forderung, sondern es liegt ein einseitig verpflichtender Vertrag vor, aus dem einzelne Forderungsrechte hervorgehen. Eine Verbriefung in einer Inhaberschuldverschreibung muss ausscheiden.

cc)  Pflichtwandelanleihen und umgekehrte Wandelanleihen Vor dem Hintergrund, dass Schuldverschreibungen lediglich eine Forderung gegen den Aussteller, nicht aber eine Forderung des Ausstellers gegen den jeweiligen Schuldverschreibungsgläubiger verbriefen, soll auch kurz auf sog. Pflichtwandelanleihen und sog. umgekehrte Wandelanleihen (auch contigent convertible bonds, kurz coco-bonds genannt)99, bei denen die Schuldver95 

Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 481; Protz, S. 68; zu den Unterschieden zur Bilanzierung nach HGB vgl. auch Sester, ZBB 2006, 443, 457. 96  Mentz, in: MüKoBilanzrecht, IAS 32. Finanzinstrumente, Rn. 55; Sester, ZBB 2006, 443, 457. 97  Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 19, Rn. 9; vgl. auch Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 481; Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 686; Sester, ZBB 2006, 443, 457. 98  Sester, ZBB 2006, 443, 457; vgl. zur Ausgestaltung ewiger Anleihen auch Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 19, Rn. 9 ff., 16, 26 ff. 99 Vgl. M. Nodoushani, ZBB 2011, 143; zu coco-bonds siehe auch M. Nodoushani, WM 2016, 589 ff.; Möhlenkamp/Harder, ZIP 2016, 1093 f.; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2304; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 132, 153, 173; z. T. werden die Begriff Pflichtwandelanleihen und umgekehrte Wandelanleihen auch synonym verwendet, vgl.: Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesell-



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schreibungsgläubiger zum Erwerb von Mitgliedschaftsrechten „verpflichtet“ sein sollen, eingegangen werden. Sowohl die schuldrechtliche Konstruktion als auch die aktienrechtliche „Abwicklung“ dieser mezzaninen Finanzinstrumente ist interessant. Bei Wandelanleihen wandelt sich der verbriefte Zahlungsanspruch in einen Anspruch auf Erwerb von Mitgliedschaftsrechten am Emittenten.100 Bei „gewöhnlichen“ Wandelanleihen geschieht dies durch Erklärung des jeweiligen Schuldverschreibungsgläubigers.101 Dogmatisch handelt es sich um eine Ersetzungsbefugnis.102 Der Schuldverschreibungsgläubiger wird von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch machen, wenn der Erwerb der Mitgliedschaftsrechte wirtschaftlich attraktiver ist als der verbriefte Zahlungsanspruch, also insbesondere dann, wenn der Kurswert der Gesellschaftsanteile über dem Wert des verbrieften Zahlungsanspruchs liegt und eine positive Entwicklung des Kurswertes der Gesellschaft zu erwarten ist. Auch bei der Pflichtwandelanleihe erfolgt die Wandlung des verbrieften Zahlungsanspruchs aufgrund einer Erklärung des Schuldverschreibungsgläubigers. Bei Eintritt bestimmter Ereignisse ist der Schuldverschreibungsgläubiger – hierin besteht der Unterschied zur gewöhnlichen Wandelanleihe – indes zur Ausübung seines Gestaltungsrechts verpflichtet.103 Die Wandlungspflicht folgt aber nicht aus der Schuldverschreibung selbst, denn Schuldverschreibungen verbriefen eine Forderung gegen den Austeller, nicht aber eine Forderung des Ausstellers gegen den jeweiligen Gläubiger.104 Die Wandlungspflicht wird aus einem bei Begebung der Schuldverschreibungen zwischen dem ersten Schuldschaftsrechts, § 64, Rn. 54 f.; Rudolph, ZHR 175 (2011), S. 284, 309; siehe auch Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 38, Rn. 67 ff. 100  Habersack, in: FS Nobbe, S. 539, 547 ff.; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 15 ff.; Rozijn, ZBB 1998, 77, 78 f.; Baums, in: FS Canaris, Bd. II, S. 3, 7; vgl. auch Möhlenkamp/ Harder, ZIP 2016, 1093 f.; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2304; Singhof, in: FS HoffmannBecking, 1163, 1165 f.; vgl. aber auch Florstedt, ZHR 180 (2016), S. 152, 171 f. (Wandlung des Anleiheschuldverhältnisses in einen Vorvertrag, der auf Abschluss eines Zeichnungsvertrages gerichtet ist); vgl. auch Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 82, 84, 137 (Wandlung in Anspruch auf Abschluss eines Zeichnungsvertrages oder im Fall der Bedienung durch bereits existierende eigene Aktien in Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrages); zu Pflichtwandelanleihen siehe: Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 52, vgl. auch Rn. 29 f., 225 f.; Drygala, WM 2011, 1637 ff.; Casper, S. 339 f. 101  Habersack, in: FS Nobbe, S. 539, 547 ff. 102  Für die „gewöhnliche“ Wandelanleihe: Habersack, in: FS Nobbe, S. 539, 547 ff.; Ha‑ bersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 226; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 17. Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 73; vgl. auch Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1165; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2305; M. Nodoushani, WM 2016, 589, 591; für die Pflichtwandelanleihe: Rozijn, ZBB 1998, 77, 79. 103  Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 52; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 18; ausführlich Friel, S. 129 ff.; vgl. auch Casper, S. 339. 104  Vgl. auch Casper, S. 339, der die Wandelanleihe als einen auf Termin geschlossenen Zeichnungsvertrag einordnet.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

verschreibungsgläubiger und dem Emittenten abgeschlossenen Vorvertrag abgeleitet.105 Im Wege der Vertragsübernahme soll die Wandlungspflicht auf Folgeerwerber der Schuldverschreibungen übergehen.106 In Folge der Wandlung entsteht ein schuldrechtlicher Anspruch des Gläubigers gegen den Emittenten auf Erwerb von Aktien.107 Es kommt aber nicht zum automatischen Eintritt in die Gesellschaft, da dies den Abschluss eines Zeichnungsvertrages voraussetzt. Erfolgt die Wandlung durch eine Erklärung des Schuldverschreibungsgläubigers, wird in dieser Wandlungserklärung aber regelmäßig gleichzeitig die Bezugserklärung liegen.108 Wandel- und Bezugserklärungen sollen auch durch eine hierzu in den Anleihebedingungen (unwiderruflich) bevollmächtigte Stelle abgegeben werden können.109 Bei umgekehrten Wandelanleihen steht die Ersetzungsbefugnis nicht dem Schuldverschreibungsgläubiger, sondern dem Schuldverschreibungsschuldner zu,110 die Wandlung des verbrieften Zahlungsanspruchs erfolgt durch eine Erklärung des Emittenten. Dieser wird von seiner Ersetzungsbefugnis insbesondere Gebrauch machen, um seine Eigenkapitalquote zu verbessern.111 Der für den Erwerb der Mitgliedschaftsrechte erforderliche Zeichnungsvertrag bedarf allerdings auch einer entsprechenden Willenserklärung des Gläubigers der umgekehrten Wandelanleihe. Aus der Schuldverschreibung selbst folgt dabei keine Zeichnungspflicht des jeweiligen Gläubigers, da Schuldverschrei105  Friel, S. 131 ff.; Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 52; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 18; Habersack, in: FS Nobbe, S. 539, 549 f.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 156; Rozijn, ZBB 1998, 77, 81 f.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 46a. Aus diesem Vorvertrag folgt auch die Pflicht, den Zeichnungsvertrag abzuschließen, vgl. Friel, S. 132 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 156. 106  Friel, S. 142 ff.; ungenau Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 156, der von wertpapiermäßiger Verbriefung der Vorverträge spricht. 107 Vgl. Friel, S. 129; Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 226; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 84. 108  Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 225; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2305; Ro‑ zijn, ZBB 1998, 77, 79; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 117. 109  Rozijn, ZBB 1998, 77, 82; Friel, S. 151; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 64, Rn. 54; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 38, Rn. 74; vgl. auch Baums, in: FS Canaris, Bd. II, S. 3, 16; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2305; Singhof, in: FS: Hoffmann-Becking, S. 1163, 1167 ff.; Florstedt, ZHR 180 (2016), S. 152, 173; siehe auch M. Nodoushani, WM 2016, 589, 590 Fn. 22. 110  Florstedt, ZHR 2016, 152, 170 ff.; Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2305 f.; Drygala, WM 2011, 1637, 1638; vgl. auch Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, 1163, 1165 f.; Haber‑ sack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 19. Zulässig sind auch Gestaltungen, bei denen die Wandlung des verbrieften Zahlungsanspruchs in einen Anspruch auf Erwerb von Aktien des Emittenten automatisch – also unabhängig von einer Gestaltungserklärung des Schuldverschreibungsgläubigers oder des Emittenten – bei Eintritt bestimmter Ereignisse erfolgt, vgl. Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 19. 111 Vgl. Rudolph, ZHR 175 (2011), S. 284, 309 ff.; Florstedt, ZHR 180 (2016), S. 152 ff.; vgl. auch M. Nodoushani, ZBB 2011, 143 ff.



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bungen nur Forderungen gegen den Aussteller verbriefen. Eine echte Erwerbspflicht kann sich aus der Schuldverschreibung somit nicht ergeben. Vielmehr soll die Zeichnungspflicht auch hier aus einem Vorvertrag, der zwischen dem ersten Gläubiger der Schuldverschreibungen und dem Teilschuldverschreibungsschuldner geschlossen wird, folgen.112 Im Wege der Vertragsübernahme soll diese Verpflichtung auf Folgeerwerber der Schuldverschreibungen übergehen.113 Die für den Abschluss des Zeichnungsvertrages erforderlichen Willenserklärungen der Schuldverschreibungsgläubiger sollen durch eine hierzu in den Anleihebedingungen (unwiderruflich) bevollmächtigte und mit der Abwicklung betrauten Stelle abgegeben werden können.114 Aktienrechtlich ist zur Emission von Wandelanleihen, Pflichtwandelanleihen und umgekehrten Wandelanleihen gem. § 221 Abs. 1 S. 1 AktG ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich. Die Bedienung der Gläubiger mit Aktien kann durch eine bedingte Kapitalerhöhung abgesichert werden.115 Das Risiko einer Differenzhaftung116 besteht für die Gläubiger von Wandelanleihen, Pflichtwandelanleihen und umgekehrten Wandelanleihe dabei nicht, weil der Umtausch von Schuldverschreibungen gegen Bezugsaktien nach § 194 Abs. 1 S. 2 AktG nicht als Sacheinlage gilt. Die Schuldverschreibungen werden zum Nennwert, nicht zum Zeitwert berücksichtigt.117 Als Einlage eingebracht werden dabei nicht die ursprünglichen Forderungen gegen die Gesellschaft, sondern der ursprünglich für die Schuldverschreibungen geleistete Ausgabebetrag soll rückwirkend im Wege der Umwidmung als Bareinlage qualifiziert werden.118 112  Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, 1163, 1167; siehe auch M. Nodoushani, WM 2016, 589, 590 Fn. 22; vgl. auch Friel, S. 132 ff. (für Pflichtwandelanleihen). 113  Friel, S. 142 ff. 114  M. Nodoushani, ZBB 2011, 143, 147; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 64, Rn. 54; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 38, Rn. 74; vgl. auch Haag/Peters, WM 2015, 2303, 2305; Singhof, in: FS: Hoffmann-Becking, S. 1163, 1167 ff.; Florstedt, ZHR 180 (2016), S. 152, 173; siehe auch M. Nodoushani, WM 2016, 589, 590 Fn. 22; Friel, S. 151. 115 Vgl. Florstedt, ZHR 2016, 152, 182 ff.; M. Nodoushani, ZBB 2011, 143, 145 f.; Sing‑ hof, in: Hoffmann-Becking, S. 1163 ff.; ausführlich zur Bedienung der Gläubiger von Wandel-, Pflichtwandelanleihen und umkehrten Wandelanleihen mit Aktien: Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 84 ff., 145 ff., 171, 197 ff. 116  Differenzhaftung bezeichnet die Haftung des Inferenten bei Leistung einer Sacheinlage, deren tatsächlicher Wert unter dem Nennbetrag der für sie ausgegebenen Gesellschaftsanteile liegt. Die Haftung folgt für die GmbH aus §§ 9 Abs. 1, 56 Abs. 2 GmbHG, für die Aktiengesellschaft aus analoger Anwendung dieser Vorschriften, vgl. Schlößer/Pfeiffer, NZG 2012, 1047; vgl. auch Schürnbrand, in: MüKoAktG, § 183, Rn. 69. 117  Möhlenkamp/Harder, ZIP 2016, 1093, 1095; vgl. auch Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 52, 30; kritisch: Drygala, WM 2011, 1637, 1641 ff.; Fuchs, in: MüKoAktG, § 194, Rn. 5a; M. Nodoushani, ZBB 2011, 143, 146; vgl. auch Florstedt, ZHR 180 (2016), S. 152, 183 ff.; Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1175 ff. 118  Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1176 f.; Fuchs, in: MüKoAktG, § 194, Rn. 6 ff.; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG, Rn. 124; vgl. auch

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

b)  Übertragungsmöglichkeiten von Schuldverschreibungen Dass (Inhaber-)Schuldverschreibungen lediglich eine Forderung i. S. e. Schuldverhältnisses i. e. S. und kein Vertragsverhältnis verbriefen, wird auch durch die Übertragungsmöglichkeiten bestätigt. Inhaberschuldverschreibungen werden i. d. R. nach den §§ 929 ff. BGB übertragen.119 Möglich ist auch eine Übertragung durch Zession nach § 398 BGB.120 Der Vorteil der Übertragung nach den sachenrechtlichen Vorschriften liegt zum einen in der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nach den §§ 932 ff. BGB, der auch ein Abhandenkommen nicht entgegensteht, § 935 Abs. 2 BGB.121 Zum anderen wird der Rechtsverkehr durch den wertpapierrechtlichen Einwendungsausschluss geschützt.122 Der Rechtsverkehr und die Umlauffähigkeit der verbrieften Rechte werden hierdurch sehr weitreichend geschützt. Durch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs und des Einwendungsausschlusses wird eine effektive Umlauffähigkeit der Schuldverschreibungen erreicht, da sich Erwerber auf den inhaltlichen Bestand der erworbenen Rechte verlassen können.123

Habersack, in: FS Nobbe, S. 539, 548 f.; Habersack, in: MüKoAktG, § 221, Rn. 30, 226; Ha‑ bersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 17. 119 Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 34; zur Eigentumsübertragung im Effektengiroverkehr vgl. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 20 ff., insbesondere Rn. 22 ff.; Einsele, in: MüKoHGB, Depotgeschäft, Rn. 95  ff., insbesondere Rn. 98  ff.; Lenenbach, Rn. 6.133 ff.; zur Übertragung von Orderpapieren durch Indossament und Begebungsvertrag vgl.: Gursky, S. 11; Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Rn. 18. Für Rektapapiere kommt grundsätzlich nur eine Übertragung durch Abtretung in Betracht, vgl. Zöllner, Wertpapierrecht, S. 11. Sind Namensschuldverschreibungen auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt und gem. § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG in das sachenrechtliche Wertpapiergiro einbezogen, soll aber auch eine Übertragung nach §§ 929 ff. BGB und damit ein gutgläubiger Erwerb möglich sein, vgl.: Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 57; Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Rn. 23; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 31. 120 Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 34; Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 20; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 31 f.; Gursky, S. 11, 112; Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/ Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Rn. 15; Grüneberg, WM 2016, 1621, 1622 f.; BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – XI ZR 160/12 –, juris mit Nachweisen zum Meinungsstand unter Rz. 16; vgl. zu dieser Entscheidung auch Einsele, LMK 2013, 349340; Cranshaw, jurisPR‑HAGesR 7/2013, Anm. 3; Schwenk, jurisPR‑BKR 12/2013, Anm. 2. 121  Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §  104, Rn. 52; Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 19. 122  Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §  104, Rn. 54; zum wertpapierrechtlichen Einwendungsausschluss: S. Bialluch, JURA 2016, 459 ff. 123 vgl. Schmidtbleicher, S. 17 f.



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aa)  Weder § 398 BGB noch die §§ 929 ff. BGB bilden eine Rechtsgrundlage für den Übergang eines Schuldverhältnisses i. w. S. Weder § 398 BGB noch die §§ 929 ff. BGB bilden allerdings eine Rechtsgrundlage für den Eintritt des Zweiterwerbers in ein Vertragsverhältnis bzw. ein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen dem Veräußerer und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bzw. für den Übergang eines solchen Schuldverhältnisses i. w. S. auf den Zweiterwerber.124 Gegenstand einer Zession ist eine Forderung, kein Schuldverhältnis i. w. S. Die Übertragung eines Schuldverhältnisses i. w. S. ist durch Abtretung nicht möglich.125 Auch bei der Übertragung nach den §§ 929 ff. BGB wird nur das verbriefte Forderungsrecht und nicht ein Schuldverhältnis i. w. S. übertragen.126 Für eine weitergehende Wirkung der Übertragung nach den §§ 929 ff. BGB dahingehend, dass der Zweiterwerber einer Inhaberschuldverschreibung in ein Vertragsverhältnis bzw. ein Schuldverhältnis i. w. S. eintritt, fehlt eine gesetzliche Grundlage. Auch aus dem Umstand, dass mit der Abtretung einer Forderung gem. § 401 BGB für die Forderung bestehende akzessorische Sicherungsrechte sowie Vorzugsrechte für den Fall der Zwangsvollstreckung oder des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes auf den Zessionar übergehen, folgt nicht der Übergang eines Schuldverhältnisses i. w. S.: Zum einen führt § 401 BGB nicht zum Übergang von Rechten aus einem Schuldverhältnis i. w. S., aus dem die übertragene Forderung hervorgeht, sondern § 401 BGB lässt unselbstständige Nebenrechte übergehen, die aus einem von jenem Schuldverhältnis i. w. S. zu trennenden Rechtsverhältnis herrühren. Dieses Rechtsverhältnis muss nicht einmal zwischen Zedenten und Schuldner bestehen, sondern kann auch zwischen dem Zedenten und einem Dritten bestehen, wie z. B. im Fall eines Bürgschaftsvertrages.

124 

So auch Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151. Roth/Kieniger, in: MüKoBGB, § 398, Rn. 4; Schreiber, in: Soergel, Vor § 398, Rn. 4; vgl. auch Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, S. 47: „Der Zessionar erwirbt einen Vermögenswert in Gestalt einer Forderung und eben nicht eine Vertragsstellung mit Pflichten und Rechten.“ Die Übertragung der gesamten Rechtsstellung einer Partei aus einem Schuldverhältnis i. w. S. kann durch eine Vertragsübernahme oder eine Kombination der Abtretung sämtlicher Rechte nach §§ 398, 413 BGB und einer Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten nach §§ 414, 415 BGB erfolgen, vgl. Roth/Kieniger, in: MüKoBGB, § 398, Rn. 4; zur gesetzlich nicht geregelten, aber nach h. M. anerkannten Vertragsübernahme i. S. d. Möglichkeit, die Gesamtheit der Rechte und Pflichten einer Partei zu übertragen, vgl. Rieble, in: Staudinger, § 414, Rn. 96 ff.; vgl. auch Seetzen, AcP 169 (1969), S. 352, der betont, dass die Vertragsübernahme „mehr ist als eine Verbindung von Abtretung und Schuldübernahme“. 126  So auch Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; vgl. auch Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 19: „Das in der Schuldverschreibung verbriefte […] Forderungsrecht [Hervorhebung durch die Verf.] wird idR nach sachenrechtlichen Vorschriften durch Übereignung des Papiers übertragen (§§ 929 ff.).“ 125 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Zum anderen betrifft § 401 BGB lediglich unselbstständige Nebenrechte, die nicht isoliert von der Forderung übertragen werden können.127 § 401 BGB liegt die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass die genannten Rechte unselbstständig sind und ohne die Forderung, auf die sie bezogen sind, nicht bestehen können.128 § 401 Abs. 1 BGB findet daher nach allgemeiner Ansicht auch entsprechende Anwendung auf sonstige unselbstständige Hilfsrechte, die der Verwirklichung und Sicherung der Forderung dienen und nicht isoliert von dieser übertragen werden können.129 Der automatische Übergang dieser Hilfsrechte nach § 401 BGB ist Gegenstück zu ihrer mangelnden selbstständigen Übertragbarkeit.130 Eigenständige Forderungsrechte, beispielsweise vor der Abtretung entstandene Schadensersatzansprüche, gehen dagegen nicht automatisch über.131 Sie bedürfen der gesonderten Abtretung.132 Nach § 401 BGB gehen also nur unselbstständige, von der Forderung abhängige Rechte kraft Gesetzes über. Diese unselbstständigen Hilfsrechte können als Bestandteil der Forderung aufgefasst werden.133 Ein Schuldverhältnis i. e. S. kann ebenso wie ein Schuldverhältnis i. w. S. mehrere Einzelbefugnisse enthalten.134 Durch § 401 BGB werden nicht die Parteien eines Schuldverhältnisses i. w. S. ausgewechselt, sondern es wird lediglich der Bestand einer einheitlichen Rechtsposition – die Forderung und die mit ihr verbundenen unselbstständigen Rechte – sichergestellt.

bb)  Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 746, 751 BGB? Fraglich ist, ob der Übergang eines – noch zu identifizierenden – Schuldverhältnisses i. w. S. auf den Zweiterwerber einer Schuldverschreibung eine andere gesetzliche Stütze fände. Im Recht der Gemeinschaft nach Bruchteilen belegen die §§ 746, 751 BGB, dass „mehr“ als nur der übertragene Anteil übergehen kann. Nach § 746 BGB wirken schuldrechtliche Vereinbarungen der Teilhaber einer Gemeinschaft nach 127 Vgl. Busche, in: Staudinger, § 401, Rn. 4, 28; Grüneberg, in: Palandt, § 401, Rn. 1, 4 ff., § 399, Rn. 7; Schreiber, in: Soergel, § 401, Rn. 1; vgl. auch Seetzen, AcP 169 (1969), S. 352, 353. 128  Schreiber, in: Soergel, § 401, Rn. 1. 129 Vgl. Busche, in: Staudinger, § 401, Rn. 4, 28; Grüneberg, in: Palandt, § 401, Rn. 4; Harke, Allgemeines Schuldrecht, S. 409; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 355 f.; vgl. auch Schreiber, in: Soergel, § 401, Rn. 2. 130  Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 401, Rn. 1, vgl. auch § 399, Rn. 19 f.; Grüneberg, in: Palandt, § 399, Rn. 7; vgl. auch Busche, in: Staudinger, § 399, Rn. 38. 131 Vgl. Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 401, Rn. 15; Westermann, in: Erman, § 401, Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt, § 401, Rn. 6; Müller, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 401, Rn. 6; zu Sekundäransprüchen des Zessionars vgl. auch unten 2. Teil A I 5. 132  Vgl. auch BGH NJW 2014, 3362, 3364 Rz. 27. 133 Vgl. auch Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 398, Rn. 93: „Die grundsätzliche Fragestellung lautet, ob die spezielle Rechtsposition der abgetretenen Forderung zuzurechnen ist oder dieser gegenüber selbstständig ist bzw. sich von ihr verselbstständig hat.“ 134  Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 114.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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Bruchteilen betreffend die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes auch für und gegen Sonderrechtsnachfolger.135 Gem. § 751 S. 1 BGB wirken Vereinbarungen betreffend den Ausschluss des Kündigungsrecht oder eine Kündigungsfrist ebenfalls für und gegen Sonderrechtsnachfolger. Durch die Regelungen der §§ 746, 751 (und § 1010 Abs. 1) BGB soll verhindert werden, dass einzelne Teilhaber getroffene Regelungen betreffend die Verwaltung und die Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes oder die Aufhebung der Gemeinschaft durch Veräußerung ihres Anteils umgehen.136 Bei den §§ 746, 751 BGB kommt es – jedenfalls nach der Interpretation der herrschenden Meinung, die Vereinbarungen über die Verwaltung und die Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes schuldrechtlich einordnet137 – zu einer Durchbrechung der Relativität von Schuldverhältnissen und der Bindung von Sonderrechtsnachfolgern an schuldrechtliche Abreden.138 Allerdings besteht zwischen den Teilhabern einer Gemeinschaft nach Bruchteilen – nach herrschender Auffassung – ein gesetzliches Schuldverhältnis (i. w. S.).139 Mit Erwerb des Anteils tritt der Erwerber in dieses ein. Die §§ 746, 751 BGB sorgen „lediglich“ dafür, dass auch ein Sonderrechtsnachfolger an die getroffenen Vereinbarungen gebunden ist. Es liegt, da das Bestehen eines Schuldverhältnisses i. w. S. zwischen den Teilhabern einer Gemeinschaft nach Bruchteilen feststeht, aber eine andere Ausgangslage als im Fall der Übertragung einer Schuldverschreibung auf einen Zweiterwerber vor. Ob auf Folgeerwerber einer Schuldverschreibung ein Schuldverhältnis i. w. S. übergeht, ist hier ja gerade die Frage bzw. müsste begründet werden. Eine Rechtsgrundlage für den Übergang eines Schuldverhältnisses i. w. S. auf den Zweiterwerber einer Teilschuldverschreibung bilden die §§ 746, 751 BGB jedenfalls nicht und auch mit deren Rechtsgedanken lässt sich ein Übergang nicht begründen, da sich die Fälle bereits der Sache nach unterscheiden.

135  Im Fall von Miteigentum nach Bruchteilen an einem Grundstück wirken Verwaltungsoder Benutzungsregelungen oder eine Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts nach der Sonderregelung des § 1010 Abs. 1 BGB nur gegen Sonderrechtsnachfolger, wenn sie als Belastung im Grundbuch eingetragen sind. 136  Eickelberg, in: Staudinger, §  746, Rn. 1; Eickelberg, in: Staudinger, § 751, Rn. 1; Schnorr, S. 322. 137 Vgl. zum schuldrechtlichen Charakter der Verwaltungsvorschriften der §§  744 f. BGB von Proff, in: Staudinger, § 741, Rn. 261 f.; vgl. auch K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 741, Rn. 35; dagegen qualifiziert Schnorr, S. 262, 309 f., Regelungen über die Verwaltung und die Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes als Verfügungen über dingliche Teilhabeansprüche. 138  Zur dogmatischen Einordnung vgl. Eickelberg, in: Staudinger, § 746, Rn. 8; vgl. aber auch Schnorr, S. 300 ff. 139 Vgl. K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 741, Rn. 3, 34 f.; von Proff, in: Staudinger, § 741, Rn. 260 ff., 275.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

cc) Zwischenergebnis Da weder § 398 BGB noch die §§ 929 ff. BGB eine Rechtsgrundlage für die Übertragung eines  – auch noch nicht identifizierten  – Schuldverhältnisses i. w. S. bilden, besteht zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem Folgeerwerber der Teilschuldverschreibungen somit jedenfalls kein derivatives vertragliches Schuldverhältnis i. w. S.

4.  Verhältnis der verbrieften Forderung zu Übernahme- und Begebungsvertrag Abgesehen davon, dass die Verbriefung eines Vertragsverhältnisses i. S.e Schuldverhältnisses i. w. S. in einer (Inhaber-)Schuldverschreibung nicht möglich ist und weder § 398 BGB noch die §§ 929 ff. BGB eine Rechtsgrundlage für die Übertragung eines solchen darstellen, wird von denjenigen Stimmen, die ein solches Schuldverhältnis i. w. S. annehmen, offengelassen – jedenfalls keine befriedigende Antwort darauf gegeben –, um welches Vertragsverhältnis es sich bei diesem Schuldverhältnis i. w. S., das auch auf Erwerber von Schuldverschreibungen übergehen bzw. in das die Erwerber eintreten sollen, handelt. Welches Rechtsverhältnis – an dem sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger und der Teilschuldverschreibungsschuldner beteiligt sein sollen – sich hinter dem Begriff „Anleihe“ verbirgt, bleibt unklar. Schmidtbleicher versteht unter diesem Begriff einen „[…] Oberbegriff für die insgesamt bei der Kapitalaufnahme begründeten Rechtsverhältnisse zu den Anleihegläubigern, also insbesondere die rechtlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Emittentin als Kapitalnehmerin und allen Anleihegläubigern“.140 Bevor sämtliche Rechtsbeziehungen (zu einem besonderen Schuldverhältnis i. w. S.) zusammengefasst werden, müssen diese aber zunächst identifiziert werden. Ob ein besonderes Anleiheschuldverhältnis i. w. S. zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner besteht, gilt es überhaupt erst zu begründen. Auch der Eintritt eines Folgeerwerbers in dieses bzw. der Übergang dieses Schuldverhältnisses i. w. S. auf jenen müsste dargelegt werden.

a)  Übernahme- und Begebungsvertrag Bei der Emission von Schuldverschreibungen sind verschiedene Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. Die in der Schuldverschreibung verbriefte Forderung entsteht durch die Ausstellung der Urkunde und den Abschluss eines Ver140  Schmidtbleicher, S. 12; zum Begriff der Anleihe vgl. auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 6 (Gesamtheit der Schuldverschreibungen einer Emission).



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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trages, den sog. Begebungsvertrag, zwischen dem Emittenten und dem ersten Gläubiger.141 Beim Regelfall der Fremdemission142 sind Vertragspartner des Begebungsvertrages die emissionsbegleitenden Kreditinstitute.143 Bei einer Eigenemission wird der Begebungsvertrag dagegen zwischen dem Emittenten und den Anlegern geschlossen, die die Schuldverschreibungen übernehmen.144 Durch den Begebungsvertrag werden dem Schuldverschreibungsgläubiger ein Forderungsrecht sowie die dingliche Berechtigung am Papier zugewendet.145 Der Begebungsvertrag, dem als Grundform der zur Begründung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses erforderliche Vertrag zugrunde liegt,146 ist abstrakt, d. h. er nimmt inhaltlich keinen Bezug auf den Zweck der Zuwendung – die causa.147 Sein Inhalt erschöpft sich in der „allgemeinen“ – weil auch bei kausalen Verträgen vorhandenen – Rechtsfolge148 der Rechtzuwendung.149 Dem Begebungsvertrag kommt nicht die Funktion eines Rechtsgrundes für das zugewendete Recht zu.150 Diese Abstraktheit hat der Begebungsvertrag mit der dinglichen Einigung bei Verfügungsgeschäften gemeinsam.151 Diese Gemeinsamkeit – beide dienen allein der abstrakten, d. h. der von einem Rechtsgrund losgelösten Begründung 141 Vgl. R. Müller, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.62; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 43, 31 ff.; Lenenbach, Rn. 2.13; zu den Wertpapierrechtstheorien vgl. auch Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 15 ff.; Hueck/Canaris, S. 28 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 33 ff.; S. Bialluch, JURA 2016, 459, 461 ff. 142 Zur Unterscheidung Fremd- und Eigenemission siehe Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 2. 143  Lenenbach, Rn. 10.138. 144  Zur Eigenemission vgl. Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 9. 145  Habersack, in: MüKoBGB, Vorbem §§  793 ff., Rn. 24; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 39 f.; Richardi, S. 55; Hueck/Canaris, S. 31; Gursky, S. 19. 146 Vgl. Marburger, in: Staudinger, § 780 BGB, Rn. 36; Habersack, in: MüKoBGB, § 780, Rn. 25; vgl. auch Hueck/Canaris, S. 208 („Die Inhaberschuldverschreibung ist daher i. d. R. ein Unterfall des abstrakten Schuldversprechens i. S. von § 780 BGB.“). 147  Zur Unterscheidung zwischen abstrakten und kausalen Rechtsgeschäften: Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 780–782, Rn. 1 f.; Flume, Allgemeiner des Bürgerlichen Rechts II, § 12 (S. 152 ff.); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 430 ff.; vgl. auch Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, § 33, Rn. 25 f.; zur inhaltlichen Abstraktion des abstrakten Schuldvertrages i. S. d. § 780 BGB vgl. Ehmann, S. 49 ff. 148  Vgl. zu diesem Terminus Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 16. 149  Vgl. zum auf die Rechtsbegründung begrenzten Inhalt des Begebungsvertrages: Zöll‑ ner, Wertpapierrecht, S. 39 f.; Assmann, WM 2005, 1053, 1058; Habersack, ZIP 2014, 1149, 1154; Bierschenk, LMK 2014, 362569; für das abstrakte Schuldversprechen vgl.: Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 780–782, Rn. 1 f.; Ehmann, S. 49 ff.; vgl. ferner Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 14 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 433. 150  Zöllner, ZHR 148 (1984), S. 313, 320 ff. 151 Vgl. zur Vergleichbarkeit der dinglichen Einigung und dem abstrakten Schuldversprechen auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2 S. 27; vgl. zur inhaltlichen Abstraktheit der dinglichen Einigung: Marburger, in: Staudinger, Vorbem §§ 780–782, Rn. 1 f.; Habersack, in: MüKoBGB, § 780, Rn. 1; Oechsler, in: MüKoBGB, § 929, Rn. 8, 24; vgl. ferner Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 14 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

eines Rechts – rechtfertigt es, obwohl es bei dem Begebungsvertrag nicht um die Begründung eines dinglichen Rechts, sondern um die Begründung einer Forderung geht, diesen dem dinglichen Vertrag funktional näher stehend als den kausalen Verträgen anzusehen,152 den Begebungsvertrag und die dingliche Einigung sogar als funktional vergleichbar anzusehen. Vom Begebungsvertrag, der zur Entstehung des verbrieften Rechts führt, ist der sog. Übernahmevertrag, den der Emittent und die emissionsbegleitenden Kreditinstitute abschließen, zu trennen. Bei der Begebung noch nicht existierender Schuldverschreibungen enthält der Übernahmevertrag die Verpflichtung des Emittenten zur Begebung der Schuldverschreibungen sowie die dem korrespondierende Verpflichtung der Emissionsbanken zur Übernahme der Schuldverschreibungen,153 die regelmäßig von Bedingungen abhängig gemacht wird154. Daneben enthält der Übernahmevertrag typischerweise zahlreiche weitere Verpflichtungen der Parteien und sonstige Regelungen, wie etwa Gerichts­stands- und Rechtswahlvereinbarungen.155 Der Übernahmevertrag – genauer die darin enthaltene Begebungsabrede – bildet den Rechtsgrund für die Begebung der Schuldverschreibungen.156 Die Rechtsnatur des Übernahmevertrages hängt von der jeweiligen Transaktionsstruktur ab: Die Art des emittierten Wertpapiers (Anleihen oder Aktien), die Verteilung des Platzierungsrisikos sowie die Frage, ob es sich um bereits existierende Wertpapiere handelt oder die Wertpapiere erst durch die Begebung 152  Vgl. aber auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 12 II 4 (S. 168), der das abstrakte Schuldversprechen wegen der Möglichkeit, diesem die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenzuhalten, nicht mit dem abstrakten Verfügungsgeschäft auf eine Stufe stellen möchte. Dieser Unterschied in der äußeren Abstraktion – die äußere Abstraktion bezeichnet die Rechtsfolge oder Wirkungsweise der inhaltlichen Abstraktion, vgl. zum Begriff Habersack, in: MüKoBGB, § 780, Rn. 1; Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 16; Ehmann, S. 44 ff., vgl. auch S. 50 ff. – ist indes lediglich dem schuldrechtlichen Charakter des durch den Schuldvertrag begründeten Rechts geschuldet – die Verschaffung eines dinglichen Rechts ist schlicht keine Eingehung einer Verbindlichkeit i. S. d. § 821 BGB –, ändert aber an der funktionalen Vergleichbarkeit der inhaltlichen Abstraktion nichts. 153  Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 160, 163; Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.281; zum Inhalt des Übernahmevertrages vgl. auch Singhof/Wilhelmi, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 4, Rn. 4.18 ff. 154 Sogenannte conditions precedent, vgl. hierzu Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/ Wittig, Rn. 15.293. 155  Für einen Überblick vgl. Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.281 ff.; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 158 ff.; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 23, 28 ff.; zur Gestaltung von Übernahmeverträgen bei internationalen Anleiheemissionen vgl. auch Hartwig-Jacob, S. 68 ff., insbes. S. 79 ff. 156  Vgl. zum Rechtsgrund der abstrakten Wertpapierverpflichtung Zöllner, Wertpapierrecht, S. 31 f.; Zöllner, ZHR 148 (1984), S. 313, 320 ff.; vgl. allgemein zur causa abstrakter Verbindlichkeiten Lorenz, in: Staudinger, § 812, Rn. 15: Nicht die kausale Forderung, sondern eine hiervon zu unterscheidende Kausalabrede bildet den Rechtsgrund der abstrakten Verbindlichkeit. Es besteht eine dreistufige Konstruktion.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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entstehen sollen, sind für die rechtliche Einordnung relevant.157 Sind Gegenstand des Übernahmevertrages noch nicht existierende Schuldverschreibungen und tragen die beteiligten Emissionsbanken das Absatzrisiko (sogenannte Festübernahme)158, wird – namentlich von Canaris – vertreten, dass der Übernahmevertrag als Darlehensvertrag zu qualifizieren sei.159 Die Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers – des Emittenten – aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB erlösche mit Begebung der Schuldverschreibungen gem. § 364 Abs. 1 BGB, da die Begründung der (abstrakten) Forderungen aus den Schuldverschreibungen an Erfüllungs statt erfolge. Überwiegend wird der Übernahmevertrag dagegen als Kaufvertrag160, kaufähnlicher Vertrag mit geschäftsbesorgungsrechtlichen Elementen161, als gemischttypischer Vertrag oder Vertrag sui generis mit kaufund geschäftsbesorgungsrechtlichen Elementen162 eingeordnet.163 Überzeugend ist die Einordnung als Kaufvertrag oder kaufähnlicher Vertrag. Dem Verkauf einer künftigen, noch zu begründenden Forderung, die sich gegen den Verkäufer selbst richtet bzw. richten wird, stehen keine grundsätzlichen Bedenken entgegen.164 Da die Emissionsbanken bei Scheitern der Emission nicht zur Darlehensauszahlung verpflichtet sein sollen, spricht die Interessenlage der Parteien gegen die Qualifizierung als Darlehensvertrag.165 Die Frage nach der rechtlichen Einordnung des Übernahmevertrages ist für die Zwecke dieser Untersuchung allerdings nicht weiter von Relevanz und kann insofern auch offen bleiben. Denn auch unter der Prämisse, dass der Übernahmevertrag als Darlehensvertrag einzuordnen ist, handelt es sich bei der in einer Schuldverschreibung verbrieften Forderung nicht um eine Rückzahlungsforderung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB166. Jene wäre vielmehr durch Hingabe der (abstrakten) Forderung aus der Schuldverschreibung an Erfüllungs statt erloschen. Bei der in der Schuldverschreibung verbrieften Forderung handelt 157 

Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 145. Vgl. dazu Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 2. 159  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2243; für eine Einordnung des Übernahmevertrages als Darlehensvertrag auch Nikolova, S. 92; kritisch: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 22. 160  Ekkenga/Maas, S. 221 f. 161  Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.111. 162  Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 54; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 145 m. w. N.; Lenenbach, Rn. 10.146. 163  Vgl. auch die Darstellung bei Singhof/Wilhelmi, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 4, Rn. 4.20 ff. 164  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 22; a. A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2243; Singhof/Wilhelmi, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 4, Rn. 4.22. 165  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 22; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 148. 166 Vgl. aber Ernst, in: Grunewald/Schlitt, § 5 I: „Anleihen (auch Schuldverschreibungen, Renten, Obligationen oder Bonds genannt) sind als Wertpapier verbriefte Darlehen von Schuldnern, die durch ihre Emission Fremdkapital am Kapitalmarkt aufnehmen.“ 158 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

es sich nicht um eine Forderung aus diesem Vertrag, sondern um eine rechtlich selbstständige, abstrakte Forderung. Folglich scheidet der Übernahmevertrag als potentielles Schuldverhältnis i. w. S. zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und Folgeerwerbern der Schuldverschreibungen aus. Zwar stellt der Übernahmevertrag ein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen dem ersten Nehmer der Schuldverschreibungen und dem Teilschuldverschreibungsschuldner dar. Die verbriefte Forderung ist aber vom Übernahmevertrag zu trennen – unabhängig davon wie dieser rechtlich zu qualifizieren ist. Durch den Erwerb einer Schuldverschreibung wird ein Zweiterwerber nicht Partei des Übernahmevertrages. Der Übernahmevertrag bzw. die darin enthaltene Begebungsabrede bildet lediglich die causa der verbrieften Forderung. Die Frage des Rechtsgrundes167 der verbrieften Forderung ist von der Frage des Bestehens eines Schuldverhältnisses i. w. S. zwischen dem jeweiligen Gläubiger der Schuldverschreibungen und dem Aussteller zu trennen.

b)  Trennung von Begebungsvertrag und verbriefter Forderung Aber auch der Begebungsvertrag scheidet als Vertragsverhältnis i. S. e. Schuldverhältnisses i. w. S. zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und Folgeerwerbern aus. Mit Erwerb der verbrieften Forderung werden letztere nicht Partei des Begebungsvertrages. Die verbriefte Forderung ist auch nicht mit dem Begebungsvertrag oder dessen schuldrechtlichen Teil gleichzusetzen.168 Dies gilt unabhängig von der sogleich noch zu thematisierenden Frage, ob der Begebungsvertrag (bzw. sein schuldrechtlicher Teil) inhaltlich auf die durch ihn begründete Forderung Bezug nimmt oder (auch) insoweit abstrakt ist. Der Begebungsvertrag bringt die verbriefte Forderung zur Entstehung, er geht aber nicht in ihr auf oder in sie über. Die Vorstellung, der erste Teilschuldverschreibungsgläubiger – und Vertragspartner des Begebungsvertrages – trete bei Veräußerung der Schuldverschreibungen seine Ansprüche aus dem Begebungsvertrag an die Zweitwerber ab,169 verkennt die Abstraktheit und Funktion des Begebungsvertrages. Durch 167 Eine rechtsgrundlos begebene Inhaberschuldverschreibung kann zwar kondiziert werden, auch kann der Aussteller analog § 821 BGB die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben. Allerdings sind diese – durch die Beweislastverteilung bereits erschwerten Verteidigungsmöglichkeiten – durch den wertpapierrechtlichen Einwendungsausschluss zusätzlich eingeschränkt: Die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung kann einem Erwerber der Inhaberschuldverschreibung analog Art. 17 WG, Art. 22 ScheckG nur entgegengehalten werden, wenn dieser bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat, vgl. Habersack, in: MüKoBGB, § 796, Rn. 13 f.; Marburger, in: Staudinger, § 796, Rn. 11; zum Einwendungsausschluss im Wertpapierrecht vgl. auch S. Bialluch, JURA 2016, 459 ff. 168  Vgl. auch: Hottenrott, S. 100 f., der die verbriefte Forderung als Objekt des Begebungsvertrages bezeichnet; Armbrüster, EWiR 2012, § 1 SchVG, 1/12, S. 61, 62 („der pflichtenbegründende Begebungsvertrag [ist] von den [Anleihe-]Bedingungen zu trennen“). 169 Vgl. Hartwig-Jacob, S. 217.



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den Begebungsvertrag wird die verbriefte Forderung zwar begründet. Der Begebungsvertrag ist aber lediglich das rechtliche Instrument zur Herstellung der verbrieften Forderung.170 Er liefert eine systemkonforme,171 weil mit dem in § 311 Abs. 1 BGB kodifizierten Grundsatz, dass rechtsgeschäftliche Verpflichtungen durch Vertrag – und nicht durch einseitiges Rechtsgeschäft – begründet werden, übereinstimmende Erklärung für die Entstehung der verbrieften Forderung. Aus dem Begebungsvertrag als abstraktem Zuwendungsvertrag resultieren allerdings ebenso wenig Ansprüche wie aus der dinglichen Einigung im Fall der Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts.172 Aufgrund der Funktion und der inhaltlichen Abstraktion des Begebungsvertrages ist die Annahme eines über die Begründung der Forderung hinausgehenden Gefüges von Rechten und Pflichten kaum denkbar.173 Wie die dingliche Einigung zur Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts erschöpft sich die Funktion des Begebungsvertrages allein in der Begründung eines Rechts. Dies spricht dafür, dass der Begebungsvertrag ebenso wenig wie die dingliche Einigung zur Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts ein Gefüge von Rechten und Pflichten begründet. Richtigerweise bildet der Begebungsvertrag daher schon zwischen dem ersten Schuldverschreibungsgläubiger und dem Schuldverschreibungsschuldner kein Schuldverhältnis i. w. S. Dies gilt unabhängig davon, ob der Begebungsvertrag den Inhalt des durch ihn begründeten Rechts in sich aufnimmt oder auch insoweit abstrakt ist: Der genaue Inhalt des Begebungsvertrages ist, obgleich seine Notwendigkeit für die Entstehung des verbrieften Rechts allgemein anerkannt ist,174 nicht vollständig geklärt. Einigkeit besteht darüber, dass der zur Entstehung von Inhaberschuldverschreibungen führende Begebungsvertrag sowohl aus einem pflichtenbegründenden Teil, der zur Entstehung des verbrieften Rechts führt, als auch einem verfügenden Teil, durch welchen die Urkunde übereignet wird,

170  Vgl. auch Schmidtbleicher, S. 14: „Aus dem Begebungsvertrag resultiert daher keine Forderung oder gar ein ‚Rückzahlungsanspruch‘, sondern die Wertpapiereigenschaft der Schuldverschreibung.“ Hottenrott, S. 100 f., der die verbriefte Forderung als Objekt des Begebungsvertrages qualifiziert. 171 Vgl. Assmann, WM 2005, 1053, 1057, der anmerkt, dass rechtsgeschäftlich begründete Verpflichtungen sehr wohl auch durch einseitiges Rechtsgeschäft zustande kommen können, wie die Auslobung belegt; Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 19. 172  Vgl. auch Schmidtbleicher, S. 14, der davon ausgeht, dass sich aus dem Begebungsvertrag keine Forderung ergibt, sondern lediglich die Wertpapiereigenschaft der Schuldverschreibung. 173  So auch Bierschenk, LMK 2014, 362569; vgl. auch Mülbert, ZHR 179 (2015), S. 395, 400. 174  Zum Erfordernis eines Begebungsvertrages für die Entstehung des verbrieften Rechts: Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 15 ff.; Hueck/Canaris, S. 28 ff.; Zöll‑ ner, Wertpapierrecht, S. 33 ff.; S. Bialluch, JURA 2016, 459, 461 f.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

besteht.175 Der genaue Inhalt des schuldrechtlichen Teiles ist allerdings umstritten. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass der Begebungsvertrag bzw. sein schuldrechtlicher Teil den Inhalt des verbrieften Rechts bestimme und das verbriefte Recht Bestandteil des Begebungsvertrages sei.176 Der Begebungsvertrag enthält danach also den Willen, eine ganz bestimmte Forderung zu begründen. Nach anderer Ansicht ist der Begebungsvertrag in Bezug auf den Inhalt des durch ihn begründeten Versprechens abstrakt.177 Der schuldrechtliche Teil des Begebungsvertrages, durch welchen die Verpflichtung des Ausstellers begründet wird, nehme zwar Bezug auf die Urkunde, der Inhalt des verbrieften Rechts werde aber nicht Bestandteil des Begebungsvertrages. Inhalt des (schuldrechtlichen Teils des) Begebungsvertrages sei lediglich der Wille, dass dem Nehmer des Papiers die in dem Papier verbrieften Rechte zustehen sollen.178 Der Begebungsvertrag sei ein auf die Skriptur verweisendes Rechtsgeschäft.179 Er könne keinen über den in der Skriptur festgelegten hinausgehenden Inhalt festsetzen.180 Selbst wenn der Begebungsvertrag inhaltlich auf die durch ihn begründete Forderung Bezug nehmen sollte, ändert dies aber nichts daran, dass aus ihm kein Gefüge von Rechten und Pflichten zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Teilschuldverschreibungsgläubiger folgt. Denn auch die dingliche Einigung zur Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts nimmt Bezug auf die konkret zu belastende Sache und die konkrete Belastung. Beispielsweise muss die nach § 1205 Abs. 1 BGB erforderliche dingliche Einigung zur Bestellung eines Pfandrechts auf die „Einräumung eines dinglichen Verwertungsrechts an einem vom Verpfänder gestellten bestimmten [Hervorhebung durch die Verf.] Pfandgegenstand zur Sicherung einer zumindest be‑ stimmbaren [Hervorhebung durch die Verf.] Forderung des Gläubigers“ gerichtet sein.181 Trotzdem begründet die dingliche Einigung kein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen Pfandbesteller und Pfandrechtsgläubiger. Die Pfandbestellung als solche begründet zwischen ihnen freilich ein gesetzliches Schuldverhältnis, für das sich Regelungen in den §§ 1215 ff. BGB finden.182 175 Statt vieler: Hueck/Canaris, S. 31; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 40; Assmann, WM 2005, 1053, 1057. Aus diesem Grund wird der Begebungsvertrag auch als Verpflichtung- und Verfügungsvertrag bezeichnet, vgl. statt vieler: Hueck/Canaris, S. 31; Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 14; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 31. 176  Masuch, S. 56. 177  Zöllner, Wertpapierrecht, S. 39 f.; Assmann, WM 2005, 1053, 1058; Schmidtbleicher, S. 14. 178  Zöllner, Wertpapierrecht, S. 39 f.; Assmann, WM 2005, 1053, 1058. 179  Zöllner, Wertpapierrecht, S. 40; vgl. auch Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 33. 180 Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 33. 181  Wiegand, in: Staudinger, § 1205, Rn. 3. 182 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 1204 ff., Rn. 25.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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Dass der Begebungsvertrag schon zwischen dem ersten Nehmer der Schuldverschreibungen und dem Teilschuldverschreibungsschuldner kein Schuldverhältnis i. w. S. begründet – und auch nicht zwischen letzterem und Folgeerwerbern der Schuldverschreibungen –, gilt auch bei kausaler Ausgestaltung des verbrieften Leistungsversprechens: Wird die verbriefte Forderung kausal ausgestaltet, bewirkt dies lediglich, dass der verbrieften Forderung Einwendungen aus einem externen Vertragsverhältnis entgegenhalten werden können. Dennoch tritt die verbriefte Forderung je nachdem, ob ihre Begebung erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt erfolgt, neben die oder anstelle der Forderung aus dem in Bezug genommenen Rechtsverhältnis. Der Begebungsvertrag wird aber nicht zum Rechtsgrund der Begebung der Schuldverschreibung,183 sondern die causa ist weiterhin die Begebungsabrede.184 Die Struktur des Begebungsvertrages wird nicht dadurch geändert, dass in der Urkunde auf ein externes Vertragsverhältnis, z. B. einen Darlehensvertrag, Bezug genommen wird. Der Begebungsvertrag wird auch nicht zum Darlehensvertrag: Er nimmt zu keinem Zeitpunkt den Zweck der Zuwendung in sich auf.185 Auch bei kausaler Ausgestaltung des Leistungsversprechens besteht die Funktion des Begebungsvertrages allein darin, das Recht mit dem in der Urkunde festgelegten Inhalt zur Entstehung zu bringen. Er ist lediglich Mittel zur Begründung der verbrieften Forderung.

c) Zwischenergebnis Die Rechtsstellung eines Folgeerwerbers ist mit der des ersten Teilschuldverschreibungsgläubigers also gerade nicht völlig identisch:186 Der Folgeerwerber wird weder Partei des Übernahmevertrages noch des Begebungsvertrages. Sogar im Hinblick auf die verbriefte Forderung kann sich die Rechtsstellung 183 

So aber Nikolova, S. 90 f., 94. Frage des Rechtsgrundes der verbrieften Forderung vgl. auch Zöllner, ZHR 148 (1984), S. 313, 320 ff. 185  A. A. Nikolova, S. 94 („Der schuldrechtliche Teil dieses Begebungsvertrages ist der Darlehensvertrag, der auch das Kausalverhältnis darstellt.“), vgl. auch S. 90 f. 186  Der Zweiterwerber einer Schuldverschreibung kann bei Unwirksamkeit des verbrieften Rechts den gezahlten Erwerbspreis auch nicht vom Emittenten zurückfordern, sondern muss sich an den Veräußerer halten. A. A. aber Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 40, der einen Anspruch des Zweiterwerbers gegen den Emittenten „gem. § 812 BGB“ annimmt, weil der Zweiterwerber in die Rechtsstellung des Vormannes einrücke. Ist die verbriefte Forderung unwirksam und greift zugunsten eines Zweiterwerbers auch nicht der wertpapierrechtliche Einwendungsausschluss (zur Möglichkeit des Erwerbs eines nicht existierenden Rechts und allgemein zum wertpapierrechtlichen Einwendungsausschluss vgl. S. Bialluch, JURA 2016, 459 ff.), tritt der Zweiterwerber überhaupt nicht in eine Rechtsbeziehung zum Emittenten. Auch bei der Nichtexistenz einer unverbriefte Forderung besteht lediglich eine Veritätshaftung gegenüber dem Verkäufer, aber kein Anspruch gegen den vermeintlichen Schuldner. Außerdem ist die verbriefte Forderung nicht Rechtsgrund für die Zuwendung des Erwerbspreises. Die Pflicht zur Zahlung einer Geldsumme an den Emittenten folgt allein aus dem Übernahmevertrag. 184  Zur

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

unterscheiden, weil sich der erste Schuldverschreibungsgläubiger Einwendungen entgegenhalten lassen muss, die gegenüber einem Folgeerwerber aufgrund des wertpapierrechtlichen Einwendungsausschlusses nicht bestehen.187 Beispielsweise kann der Teilschuldverschreibungsschuldner bei rechtsgrundloser Begebung der Teilschuldverschreibungen dem ersten Gläubiger die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung analog § 821 BGB (bzw. die aus § 242 BGB abgeleitete dolo-agit-Einrede)188 entgegenhalten, wohingegen einem Folgeerwerber die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung analog Art. 17 WG, Art. 22 ScheckG nur entgegengebracht werden kann, wenn dieser bei Erwerb der Schuldverschreibung bewusst zum Nachteil des Teilschuldverschreibungsschuldners gehandelt hat.189 Ein Vertragsverhältnis, in das ein Folgeerwerber einer Teilschuldverschreibung eintreten oder das auf ihn übergehen würde, konnte nicht gefunden werden. Ein Schuldverhältnis i. w. S., an dem der Teilschuldverschreibungsschuldner und sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission beteiligt sind, existiert nicht.

5.  Sekundäre Gläubigerrechte Der hier vertretenen Auffassung, dass zwischen dem jeweiligen Inhaber der Teilschuldverschreibungen und dem Teilschuldverschreibungsschuldner jedenfalls kein derivatives vertragliches Schuldverhältnis i. w. S. existiert, steht auch nicht die Ausübung von Sekundärrechten, beispielsweise von Schadensersatzansprüchen wegen Verzögerung der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB, entgegen. Zwar setzt ein solcher Anspruch tatbestandlich ein „Schuldverhältnis“ voraus. Diese Voraussetzung ist aber bereits mit dem Vorliegen eines Schuldverhältnisses i. e. S. erfüllt.190 Für die Zession einer Forderung ist anerkannt, dass dem Zessionar Sekundäransprüche, die aus der Verletzung des Leistungsinteresses resultieren und die nach der Übertragung der Forderung entstanden sind, zustehen,191 ob187 

Zum Einwendungsausschluss im Wertpapierrecht vgl. S. Bialluch, JURA 2016, 459 ff. Zur analogen Anwendung des § 821 BGB vgl. Schwab, in: MüKoBGB, § 821, Rn. 3 ff. 189 Vgl. Gursky, S. 78; Habersack, in: MüKoBGB, § 796, Rn. 13 f.; Marburger, in: Staudinger, § 796, Rn. 11. 190  Schwarze, in: Staudinger, § 280, Rn. B1. 191  Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, §  398, Rn. 91; Seetzen, AcP 169 (1969), S. 352, 353 f.; vgl. auch Seetzen, MDR 1970, 809 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 578; Harke, Allgemeines Schuldrecht, S. 411; Schreiber, in: Soergel, § 398, Rn. 4 (für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. § 281 Abs. 1 BGB); vgl. auch Schwenzer, AcP 182 (1982), S. 214, 236, 252, die für maßgeblich hält, „wer die wirtschaftlichen Folgen der Ausübung eines sekundären Gläubigerrechts letztendlich zu tragen hat“; ebenso Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 356. Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass Schadensersatzansprüche wegen eines erst nach der Forderungsabtretung eintretenden Schuldnerverzuges dem Zessionar zustehen: BGH NJW‑RR 1992, 219; BGH NJW 2006, 1662; BGH 188 



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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gleich er durch die Abtretung lediglich eine Forderung erwirbt und nicht Partei des zugrundeliegenden Schuldverhältnisses i. w. S. wird.192 Sekundärrechte, die sich nach der Übertragung der Forderung entwickeln, deren Grund aber bereits zuvor angelegt war, werden auch als unselbstständige Bestandteile des Forderungsrechts, die dem jeweiligen Gläubiger zustehen, angesehen.193 Schadensersatzansprüche, die zum Zeitpunkt der Abtretung bereits entstanden sind, bilden dagegen eigenständige Forderungsrechte und damit einen selbstständigen Verfügungsgegenstand. Sie bedürfen der gesonderten Übertragung. Sie gehen auch nicht in entsprechender Anwendung des § 401 BGB auf den Zedenten über.194 § 401 BGB normiert einen automatischen Übergang nur für unselbstständige Rechte.195 Diese Grundsätze sind auch auf Schuldverschreibungen übertragbar. Verletzt der Teilschuldverschreibungsschuldner schuldhaft das verbriefte Leistungsversprechen, stehen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger Ansprüche auf Ersatz des ihm durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens zu. Es geht um die Realisierung des nach der Übertragung der Schuldverschreibung dem Erwerber zustehenden Leistungsinteresses. Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts Sekundäransprüche, die aus der Verletzung des Leistungsinteresses resultieren, dem jeweiligen Inhaber des Forderungsrechts zustehen und dass dies auch für Schuldverschreibungen gilt.196 Von Sekundärrechten betreffend das Leistungsinteresse, das mit Übertragung der Forderung vollständig beim Erwerber liegt, sind Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB betreffend die sonstigen Rechte, Rechtsgüter und Interessen zu unterscheiden. Auch solche Schadensersatzansprüche setzen kein vertragliches Schuldverhältnis i. w. S. zwischen einem Zweiterwerber einer Teilschuldverschreibung und dem Teilschuldverschreibungsschuldner voraus: Schutz- und Rücksichtnahmepflichten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB entstehen unabhängig vom Parteiwillen kraft Gesetzes.197 Wird eine Forderung durch Zession übertragen, soll die Entstehung eines Schutz- und RücksichtnahmeNJW 2013, 2894 Rz. 9; BGH NJW 2014, 3362, 3364 Rz. 27; vgl. auch BGH NZG 2014, 661, 666 Rz. 44. 192  Vgl. bereits oben 2. Teil A I 3 b) aa); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 577 f. 193  Busche, in: Staudinger, § 401, Rn. 9; Seetzen, AcP 169 (1969), S. 352, 535 f. 194 Vgl. Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 401, Rn. 15; Grüneberg, in: Palandt, § 401, Rn. 6; Müller, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 401, Rn. 6. 195  Vgl. bereits oben 2. Teil A I 3 b) aa). 196  BGH NJW 2014, 3362, 3364 Rz. 27; für die Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB auf Inhaberschuldverschreibungen auch Nikolova, S. 113 f. 197  Canaris, JZ 1965, 475, 476 ff.; Seetzen, MDR 1970, 809, 810; vgl. zum Entstehungsgrund von Rücksichtnahmepflichten aber auch Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 393 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

pflichten begründenden Schuldverhältnisses nicht aus der Forderung selbst folgen, sondern das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zessionar und dem Schuldner und die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen des anderen Teils können ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen ihnen begründen.198 Für in Schuldverschreibungen verbriefte Forderungen kann grundsätzlich nichts Abweichendes gelten.199 Ob eine ausreichende Vertrauensbeziehung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem Zweitwerber einer Schuldverschreibung existiert, ist indes eine Frage des Einzelfalls. Gegen die Annahme eines Vertrauensverhältnisses spricht, dass dem Teilschuldverschreibungsschuldner die jeweiligen Erwerber in der Regel nicht namentlich bekannt sein werden. Er weiß allerdings grundsätzlich um die Möglichkeit eines Gläubigerwechsels. Thelen, der sich mit Schutz- und Rücksichtnahmepflichten des Emittenten von Zertifikaten gegenüber Zweiterwerbern beschäftigt, äußert mit Blick darauf, dass die verbriefte Forderung selbst den Leistungsgegenstand bildet, aber Zweifel an einer allein mit den Eigenschaften der verbrieften Forderung begründeten Einwirkungsmöglichkeit:200 Die bloße Tatsache, dass die Forderung das Vermögen des Neugläubigers beeinflusse, reiche nicht aus, um von Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners auszugehen. Leistung und Einwirkungsmöglichkeit würden gleichgesetzt. Die für den Einzelfall zu beurteilende Existenz eines Vertrauenstatbestandes und einer Einwirkungsmöglichkeit kann für diese Untersuchung insofern offen bleiben, als ein hierdurch begründetes Schuldverhältnis jedenfalls nicht vertraglicher, sondern gesetzlicher Natur wäre.201 Dieses Schuldverhältnis ginge 198  Seetzen, MDR1970, 809, 810; Thelen, BKR 2016, 12, 13; vgl. zu diesem Schutzpflichten begründenden gesetzlichen Schuldverhältnis auch Canaris, JZ 1965, 475, 476 f., 479 f., der die These aufstellt, dass alle Schutzpflichten auf einem einheitlichen, unabhängig vom Willen der Parteien entstehenden Schuldverhältnis beruhen, das mit der Aufnahme geschäftlichen Kontakts beginnt und sich über den Vertragsschluss und die Vertragserfüllung fortsetzt; vgl. auch Canaris, in: FS Larenz, S. 27, 84 ff., 104 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Herholz, AcP 130 (1929), S. 257 ff., insbes. 285 ff., der Schutzpflichten aus einem mit der Aufnahme geschäftlichen Kontakts entstehenden Schuldverhältnis, das er als Rahmenbeziehung bezeichnet, herleitet. 199  Vgl. auch Thelen, BKR 2016, 12, 13, der ebenfalls einen Vergleich zur Abtretung zieht. 200  Thelen, BKR 2016, 12, 13 f. (für Zertifikate); für Schutz- und Rücksichtnahmepflichten des Zertifikateemittenten gegenüber den Zertifikatinhabern dagegen Nikolova, S. 104 ff., insbes. S. 111 ff., die die durch die sog. Bond-Rechtsprechung und die in den §§ 31 ff. WpHG normierten Kriterien und den „know-your-product“-Grundsatz im Verhältnis zwischen dem Zertifikateemittenten und den Zertifikatinhabern anwenden möchte und Schutzpflichten außerdem damit begründet, dass der Emittent mit der Herstellung der Zertifikate eine erhebliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen der Zertifikateinhaber hätte, weil er die Zahlungsmodalitäten und den Basiswert bestimme. 201  Canaris, JZ 1965, 475, 476 ff.; Seetzen, MDR 1970, 809, 810; vgl. auch Harke, Allgemeines Schuldrecht, S. 14; vgl. zum Entstehungsgrund von Rücksichtnahmepflichten aber auch Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 393 ff.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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nicht mit der Forderung auf einen Erwerber über, sondern entstünde originär zwischen dem Neugläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Es würde auch nicht zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner bestehen. Ein solches gesetzliches Schuldverhältnis begründet – wie noch aufzuzeigen sein wird – auch kein die Anwendbarkeit des § 314 BGB legitimierendes (vertragliches) Dauerschuldverhältnis zwischen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner.202

6.  Die Regelungen in den Anleihebedingungen begründen kein Schuldverhältnis i. w. S. Regelmäßig enthalten die Anleihebedingungen neben der Leistungsbeschreibung auch Zusicherungen des Ausstellers und sonstige Nebenbestimmungen. Beispielsweise kann die „Verpflichtung“ des Ausstellers vorgesehen sein, während der Laufzeit der Anleihe keine anderen Verbindlichkeiten zu besichern, ohne zugleich den Schuldverschreibungsgläubigern Sicherheiten zu bestellen, sog. negative pledge clause oder Negativklausel.203 Verbreitet ist auch die „Verpflichtung“ des Emittenten, während der Laufzeit der Anleihe keine Verbindlichkeiten mit Vorrang vor der Anleiheschuld einzugehen, sog. Pari-Passu-Klausel.204 Üblich sind ferner Zusicherungen des Emittenten, eine bestimmte Kapitalstruktur bzw. bestimmte Finanzkennziffern einzuhalten (sog. financial covenants)205, sowie Informationspflichten206 des Emittenten. Bei internationalen Anleihen finden sich Steuerklauseln, die Ausgleichszahlungen für den etwaigen Anfall von Quellensteuern vorsehen.207 Ergänzt werden diese Steuerklauseln dabei üblicherweise um ein Kündigungsrecht des Emittenten.208 Weitere „Nebenpflichten“ des Emittenten ergeben sich mittelbar aus den in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsgründen zugunsten der Gläubiger.209 In den Anleihebedingungen sind ferner Rechtswahlklauseln und 202  Vgl. zu Unanwendbarkeit von § 314 BGB auf gesetzliche Schuldverhältnisse Schlech‑ triem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 254 sowie unten 2. Teil A III 3 b). 203  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 40; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, § 15, Rn. 15.361; zu den verschiedenen Gestaltungsformen der Negativklausel vgl.: Merkel, S. 39 ff.; von Opel, S. 2 ff.; siehe auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 33, Rn. 16 ff.; zur Negativverpflichtung in Anleihebedingungen siehe auch Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.40. 204  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 40; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, § 15, Rn. 15.361. 205  Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, §  17, Rn. 59; vgl. auch Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 112, Rn. 118. 206  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 2, Rn. 24. 207  Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, § 15, Rn. 15.367. 208  Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, § 15, Rn. 15.368; vgl. auch Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 112, Rn. 118. 209  Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 81 f.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 2,

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

regelmäßig Gerichtsstandvereinbarungen enthalten.210 Auch können die An­ leihebedingungen Nachrangklauseln211 und Änderungsvorbehalte, beispielsweise die Befugnis zur (einseitigen) Schuldnerersetzung,212 vorsehen.

a)  Anleihebedingungen als inhaltliche Ausgestaltung der verbrieften Forderung Viele der in den Anleihebedingungen enthaltenen Regelungen sind Bestandteil der verbrieften Forderung.213 Die Anleihebedingungen beschreiben den Inhalt eines Forderungsrechts und damit eines Gegenstandes – vergleichbar mit der gesetzlichen Ausgestaltung absoluter Rechte, wie etwa dem Eigentum. Anders als bei absoluten Rechten, deren Inhalt durch das Gesetz festgelegt ist, gewährt der Grundsatz der Privatautonomie den Parteien bei Forderungen inhaltliche Gestaltungsfreiheit. Dass sich der Inhalt des Leistungsversprechens aus der Urkunde ergeben muss, folgt bereits aus § 793 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Inhaber die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen kann. Mangels gesetzlichen Leitbildes für den Inhalt von Schuldverschreibungen,214 muss der Inhalt des Leistungsversprechens in der Urkunde festgehalten werden. Das Leistungsversprechen, alle Modalitäten und auch alle Einschränkungen – dies folgt auch aus § 796 BGB – müssen sich grundsätzlich aus der Urkunde ergeben. Dabei sind nicht nur diejenigen Regelungen, die unmittelbar die vom Aussteller geschuldete Leistung beschreiben – beispielsweise die Höhe der Zahlungsverpflichtung oder die Parameter, nach denen sich diese berechnet –, als Bestandteil der verbrieften Forderung zu qualifizieren. Auch die anderen Bestimmungen in den Anleihebedingungen, die vermeintlich zusätzliche „Rechte und Pflichten“ für die Teilschuldverschreibungsgläubiger und den Teilschuldverschreibungsschuldner begründen, sind als Ausgestaltung der verbrieften Forderung anzusehen. Allein durch die Anleihebedingungen wird die Forderung inhaltlich ausgestaltet und erlangt sie ihr spezifisches Risikoprofil.215 BeispielsRn. 21; zu verschiedenen Kündigungsrechten vgl. auch Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 2, Rn. 3. 210  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 2, Rn. 6; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 2, Rn. 17. 211  Vgl. dazu Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, § 15, Rn. 15.360. 212  Vgl. dazu Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, § 15, Rn. 15.370. 213  Für die Qualifikation der Anleihebedingungen als Bestandteil der verbrieften Forderung auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 44 f.; ihr folgend Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 31. 214  Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 45. 215 Vgl. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 659; Assmann, WM 2005, 1053, 1059; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17.  Kap., §  3 SchVG, Rn. 21, 36, 43; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.340: „In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch bereits die Frage, ob im Rahmen von Anleihebedingungen überhaupt zwischen Klauseln, die die Hauptleistung regeln[,] und Bestimmungen, die



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weise verleihen die Laufzeit einer Schuldverschreibung und die Möglichkeit einer vorzeitigen Fälligstellung der verbrieften Forderung überhaupt erst ihren bestimmten Charakter und sind daher, anders bei gesetzlich typisierten Verträgen, nicht als „bloße“ Modalität der vertragscharakteristischen Hauptleistung anzusehen.216 Außerdem sind sämtliche Regelungen in den Anleihebedingungen auf den verbrieften Leistungsanspruch bezogen und nicht sinnvoll von diesem abtrennbar. Forderungsbezogene Neben- und Hilfsrechte können nicht ohne die Forderung, auf die sie bezogen sind, bestehen. Dass Hilfs- und Nebenrechte unselbstständige Bestandteile einer Forderung sein können, ist auch für unverbriefte Forderungen anerkannt, wie die Regelung des § 401 BGB deutlich macht. Schuldverhältnisse i. e. S. können mehrere Einzelbefugnisse enthalten.217 Für verbriefte Forderungen kann nichts anderes gelten. Ein Verstoß gegen die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Verhaltensanforderungen des Emittenten führt i. d. R. zur Fälligkeit der verbrieften Forderung oder begründet für die Teilschuldverschreibungsgläubiger das Recht, die verbriefte Forderung vorzeitig fällig zu stellen.218 Es handelt sich um eine Ausgestaltung der verbrieften Forderung im Hinblick auf (drohende) Leistungsstörungen. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Kündigung einer Teilschuldverschreibung nicht i. S. d. Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses zu begreifen ist, sondern als Fälligstellung der verbrieften Forderung.219 lediglich Leistungsmodalitäten ausgestalten, unterschieden werden kann. Dies erscheint fraglich, denn grundsätzlich haben nahezu alle in Anleihebedingungen enthaltenen Regelungen maßgebliche Wirkung für die Hauptleistungspflichten; dies gilt umso mehr bei komplexen Finanzprodukten.“ Auch der XI. Zivilsenat des BGH geht davon aus, dass die Anleihebedingungen das spezifische Risikoprofil einer Anleihe definieren, vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37. 216 Vgl. Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 695 ff. (für Laufzeitregelungen bei sog. ewigen Anleihen), der indes Anleihebedingungen als AGB einordnet, die Laufzeitregelungen bei ewigen Anleihen aber nicht der Inhaltskontrolle unterstellen möchte; vgl. auch Müller-Eising/ Bode, BKR 2006, 480, 482: „Der Verzicht auf eine Endfälligkeit dient so der Produktbeschreibung des Kapitalmarktproduktes ‚Ewige Anleihe‘.“ 217  Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 114. 218 Vgl. Schüler/Kaufmann, ZBB 2014, 69, 74 f.; zu Kündigungsrechten wegen Verstoß gegen covenants vgl.: Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 124; Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155, 156; Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 17, Rn. 51 ff.; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 122; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 96; für die „Negativklausel“: Merkel/Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 98, Rn. 80, 92. 219  Schmidtbleicher, S. 340, der in diesem Zusammenhang auf die Terminologie im englischen und US-amerikanischen Recht, wo der Begriff acceleration verwendet wird, hinweist; Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 412; vgl. auch BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18; zustimmend: Moser, NZI 2016, 470; Veranneman, NJW 2016, 1178; Vogel, ZBB 2016, 179, 184; vgl. ferner LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1076 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); vgl. aber auch Hartwig-Jacob, in:

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Es handelt sich um eine sog. Fälligkeitskündigung, die als forderungsbezogenes Gestaltungsrecht zu qualifizieren ist.220 Forderungsbezogene Gestaltungsrechte sind nicht auf ein Schuldverhältnis i. w. S. bezogen, sondern auf eine Forderung und als deren unselbstständiger Bestandteil untrennbar mit dieser verknüpft.221 Diese Hilfsrechte, die der Ausübung oder Durchsetzung einer Forderung dienen,222 stehen dem jeweiligen Forderungsinhaber zu.223 Eine isolierte Übertragung ist nicht möglich.224 Sie gehen automatisch mit der jeweiligen Forderung über.225 Als forderungsbezogene Gestaltungsrechte sind auch einseitige Änderungsrechte des Emittenten und sonstige Leistungsbestimmungsrechte zu qualifizieren.226

b)  Kein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen Teilschuldverschreibungsschuldner und Teilschuldverschreibungsgläubiger durch covenants und Sicherheiten Einen klagbaren Anspruch des einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers gegen den Emittenten auf ein entsprechendes Verhalten werden die covenants zumeist begründen. Sofern ein klagbarer Anspruch gegen den Emittenten besteht, ist zu beachten, dass ein solcher häufig einem Anleihetreuhänder zusteht: Die Bestellung von Sicherheiten erfolgt üblicherweise zugunsten eines Treuhänders, zumeist der konsortialführenden Bank, und es wird die Konstruktion eines Vertrages zu-

FraKommSchVG, § 3, Rn. 109 f., der die Kündigung i. S. e. einseitigen Vertragsbeendigung interpretiert; vgl. auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 94 („durch Kündigung zu beendenden Schuldverhältnissen“ [Hervorhebung durch die Verf.]); zur Kündigung von Schuldverschreibungen siehe ausführlich unten 3. Teil, insbes. A und B. 220  Than, in: FS  Coing, Bd. II, S. 521, 540, qualifiziert das Kündigungsrecht als forderungsakzessorisches Gestaltungsrecht; vgl. auch Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 375; zur Fälligkeitskündigung als forderungsbezogenes Gestaltungsrecht siehe: Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 398, Rn. 96, § 413, Rn. 12; Schürnbrand, AcP 204 (2004), S. 177, 181; Bydlin‑ ski, S. 201; zur Fälligkeitskündigung in Abgrenzung zur Beendigungskündigung siehe auch Krüger, in: MüKoBGB, § 271, Rn. 29. 221  Zu den forderungsbezogenen Gestaltungsrechten vgl. Schürnbrand, AcP 204 (2004), S. 177, 180 f.; Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 401, Rn. 10; zur Fälligkeitskündigung bei Schuldverschreibungen siehe auch: Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 375; Schmidtbleicher, S. 336 ff., insbesondere S. 339 f., der allerdings davon ausgeht, dass zwischen dem Emittenten und sämtlichen Schuldverschreibungsgläubigern einer Emission ein Schuldverhältnis i. w. S. besteht, vgl. Schmidtbleicher, S. 342 ff. 222  Schürnbrand, AcP 204 (2004), S. 177, 181; zum österreichischen Recht speziell für die Fälligkeitskündigung vgl. Bydlinski, S. 201. 223  Schürnbrand, AcP 204 (2004), S. 177, 181. 224  Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 399, Rn. 20. 225 Vgl. Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 398, Rn. 96, § 413, Rn. 12. 226  Zur Einordnung von Leistungsbestimmungsrechten (i. S. d. § 315 ff. BGB) als forderungsbezogene Gestaltungsrechte: Schürnbrand, AcP 204 (2004), S. 177, 181; Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, § 398, Rn. 96, § 413, Rn. 12.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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gunsten der Anleger gewählt.227 Die Treuhandabrede ist Bestandteil des Übernahmevertrages.228 Die Erwähnung in den Anleihebedingungen ist lediglich eine Mitteilung an die Anleger. Die Negativklausel wird ebenfalls üblicherweise nicht von den Anleihegläubigern, sondern von einem Treuhänder wahrgenommen.229 Der Treuhänder, nicht die einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger sind Gläubiger etwaiger Ansprüche aus der Negativklausel. Allein der Treuhänder ist berechtigt, etwaige Sekundäransprüche230 geltend zu machen. Auch etwaige in den Anleihebedingungen enthaltene Garantieerklärungen Dritter231 begründen kein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger. Die Ansprüche aus der Garantie richten sich nicht gegen den Emittenten, sondern gegen den Garantiegeber. Aufgrund der Garantie entsteht ein Schuldverhältnis zu diesem, nicht aber zu jenem. Nach deutschem Recht wird der Garantievertrag in der Regel ohnehin nicht zwischen den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Garantiegeber geschlossen, sondern letzterer schließt mit einem Anleihetreuhänder einen Vertrag zugunsten der Anleihegläubiger.232 Selbst wenn ein Verstoß gegen die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Verhaltensbestimmungen im Einzelfall einen klagbaren Anspruch der einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner begründen sollte, folgt daraus noch kein Schuldverhältnis i. w. S.: Zum einen könnten die Verhaltenspflichten bzw. die aus ihnen hervorgehenden Rechte als zur verbrieften Forderung akzessorische Rechte eingestuft werden.233 Beispielsweise lässt sich die Negativklausel nicht sinnvoll von der verbrieften For227 

Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 522 f., 525 f.; zum Anleihetreuhänder siehe auch Litten, ZBB 2013, 32 ff., zur Konstruktion eines Vertrages zugunsten Dritter siehe dort S. 35. 228  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 525. 229  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 525 f.; Merkel, S. 9 f., 57, 193; vgl. auch Horn, S. 304 ff.; Siebel, S. 581 f., 594 f., 456, passim.; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 112, Rn. 128 f. 230 Zur Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen bei der Verletzung einer Negativklausel siehe Merkel/Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 98, Rn. 92; ferner Merkel, S. 140 ff.; zu den Rechtsbehelfen bei einem (drohenden) Verstoß gegen die Negativklausel vgl. auch: von Opel, S. 14 ff.; Merkel, S. 219 ff.; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 33, Rn. 16. 231  Üblich sind beispielsweise Garantien der Muttergesellschaft, wenn die Ausgabe der Schuldverschreibungen durch eine Tochtergesellschaft, regelmäßig eine speziell für den Zweck der Kapitalaufnahme gegründete Gesellschaft (sog. Zweckgesellschaft, engl. special purpose vehicle), die aus steuerlichen oder aufsichtsrechtlichen Gründen ausländischem Recht unterliegt, erfolgt, vgl. Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 17, Rn. 64. 232  Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 17, Rn. 65; vgl. auch Siebel, S. 445 ff., der auch auf andere Konstruktionen unter Ausschaltung eines Treuhänders hinweist; sowie Horn, S. 292 ff. 233  So für die Negativklausel Merkel, S. 32.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

derung trennen. Es handelt sich folglich um ein unselbstständiges Nebenrecht, das mangels selbstständiger Übertragbarkeit als Bestandteil der verbrieften Forderung zu qualifizieren ist. Zum anderen können in einer Urkunde auch mehrere Forderungen verbrieft werden. Das Vorliegen mehrerer Forderungen begründet aber noch kein übergreifendes Schuldverhältnis i. w. S.

c)  Andernfalls bloße Beweisurkunden Sollten in den Anleihebedingungen Regelungen getroffen werden, die weder eine Einordnung als Bestandteil der verbrieften Forderung noch eine Einordnung als eigenständige Forderung zulassen, handelt es sich (insoweit) nicht mehr um Schuldverschreibungen, sondern um bloße Beweisurkunden. Die mit der Verbriefung in einer Inhaberschuldverschreibung verbundenen Wirkungen, insbesondere die Möglichkeit einer Übertragung der Forderung nach den sachenrechtlichen Bestimmungen der §§ 929 ff. BGB – und damit der Möglichkeit des gutgläubigen Forderungserwerbs – sowie die Möglichkeit eines Einwendungsausschlusses, bestehen dann nicht.

7.  Ergebnis: „Bloße“ Forderungsbeziehung, kein besonderes Anleiheschuldverhältnis Inhaberschuldverschreibungen verbriefen in aller Regel ein abstraktes Forderungsrecht. Zwischen dem Emittenten und Folgeerwerbern der Schuldverschreibungen bestehen keine vertraglichen Beziehungen, sondern es existiert lediglich eine Forderungsbeziehung, ein Schuldverhältnis i. e. S.234 Der Zweiterwerber einer Teilschuldverschreibung wird nicht Partei eines zwischen seinem Rechtsvorgänger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner (in Form des Übernahmevertrages) bestehenden Schuldverhältnisses i. w. S. Daher ist auch die Annahme eines Schuldverhältnisses i. w. S. zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner abzulehnen. Allenfalls kann aus einem Vertrauenstatbestand und Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen des jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubigers ein gesetzliches Schuldverhältnis, das Schutz- und Rücksichtnahmepflichten zum Inhalt hat, originär zwischen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner entstehen.

234 

So auch Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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II.  ABG‑Charakter und Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen 1.  Anleihebedingungen sind keine AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB Schuldverschreibungen verbriefen Forderungen. Die Anleihebedingungen gestalten – vorbehaltlich deklaratorischer Verweise auf Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und Dritten zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger – die verbriefte Forderung inhaltlich aus. Sie sind Bestandteil der verbrieften Forderungen. Die vielfach vertretene Auffassung, Anleihebedingungen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen (im Folgenden AGB) i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB,235 ist daher nicht zutreffend.236 Richtigerweise finden die §§ 305 ff. BGB auf Anleihebedingungen keine Anwendung. Dies gilt gleichermaßen für Fremd- wie für Eigenemissionen. Die Unanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB folgt bereits daraus, dass es sich bei den Anleihebedingungen nicht um Vertragsbedingungen handelt.237 Es fehlt schon an der ersten Voraussetzung von AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Übernahmevertrag scheidet als Anknüpfungspunkt aus:238 Auch wenn der Inhalt der zu begründenden Forderungen bereits im Übernahmevertrag insoweit verbindlich festgelegt wird, als die Begründung einer Forderung, die nicht den im Übernahmevertrag vereinbarten Inhalt hat, nicht erfüllungstauglich wäre239, handelt es sich bei den Anleihebedingungen nicht um Vertragsbedingungen jenes Vertrages.240 Die verbriefte Forderung ist vom Übernahmevertrag un235 Aus der Rechtsprechung: BGH NJW 1993, 57 ff.; BGH NJW 2005, 2917 ff.; BGH NJW‑RR 2009, 1641 ff.; vgl. auch BGH NJW 2015, 2328, 2332 Rz. 38; BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 – juris Rz. 29; aus der Literatur: Basedow, in: MüKoBGB, § 305, Rn. 9; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 44; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 112, Rn. 115 ff.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 6; Hartwig-Jacob, S. 207 ff.; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 30 ff.; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 35 ff.; Horn, BKR 2009, 446, 452 f.; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 197 f.; Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 692 f.; Masuch, S. 55 ff.; Beyer, S. 53 ff., vgl. insbes. S. 81, 117. 236  So auch Assmann, WM 2005, 1053, 1057; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 44; ihr folgend Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 31; gegen die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Anleihebedingungen auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 72 ff.; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.7 f. 237  Wie hier gegen die Einordnung von Anleihebedingungen als Vertragsbedingungen des Begebungsvertrages: Assmann, WM 2005, 1053, 1057 f.; Hottenrott, S. 100 ff. 238  Vgl. aber Hartwig-Jacob, S. 224: „Der Vertrag, aus dem die Anleihebedingungen stammen, ist der Übernahmevertrag (AGB‑Vertrag).“, vgl. auch S. 227, 231, 236. An anderer Stelle wird dagegen auf den Begebungsvertrag abstellt, vgl. Hartwig-Jacob, S. 213 f., 217, 222. 239 Vgl. hierzu Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 44, die darauf hinweist, dass die Anleihebedingungen bei Abschluss des Begebungsvertrages aus diesem Grund nicht einmal theoretisch noch frei verhandelbar sind. 240  So auch Kallrath, S. 42.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

abhängig. Der Übernahmevertrag bzw. die darin enthaltene Begebungsabrede bildet lediglich den Rechtsgrund für die verbriefte Forderung. Diejenigen Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum, die Anleihebedingungen als AGB ansehen, stellen daher auch auf den Begebungsvertrag ab.241 Gegen die Einordnung von Anleihebedingungen als Vertragsbedingungen des Begebungsvertrages wird dessen Funktion und der Umstand, dass dieser keinen inhaltlichen Bezug auf das verbriefte Recht nehme, angeführt.242 Wenn der Begebungsvertrag den Inhalt des durch ihn begründeten Leistungsversprechens nicht in sich aufnehme, könnten die Anleihebedingungen nicht Vertragsbedingungen – und damit auch keine AGB – dieses Vertrages sein.243 Wie gesehen nimmt allerdings auch die dingliche Einigung zur Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts – der Begebungsvertrag zur Begründung der verbrieften Forderung ist richtigerweise mit dieser, nicht mit der auf Rechtsübertragung gerichteten dinglichen Einigung244 funktional vergleichbar – Bezug auf die konkret zu belastende Sache und die konkrete Belastung. Aber auch wenn der Begebungsvertrag inhaltlich auf die zu begründende Forderung – und damit die Anleihebedingungen – Bezug nimmt, also den Willen beinhaltet, eine ganz bestimmte Forderung zu begründen, verleiht dies den Anleihebedingungen nicht den Status von Vertragsbedingungen des Begebungsvertrages: Dem Begebungsvertrag kommt lediglich die Funktion der Rechtszuwendung zu. Vertragsbedingungen des Begebungsvertrages können also nur solche sein, die die Modalitäten der Rechtszuwendung ausgestalten. Die Anleihebedingungen regeln aber nicht die Modalitäten der Rechtsbegründung, denn dies hieße, sie würden die Modalitäten ihrer eigenen Rechtsentstehung festlegen, was denklogisch nicht möglich ist. Vielmehr gestalten sie den Inhalt des durch den Begebungsvertrages begründeten Forderungsrechts aus. Die Anleihebedingungen sind allein Inhalt des (abstrakten) Forderungsrechts.245

241  Statt vieler: Masuch, S. 56; Kallrath, S. 41 f.; Joussen, WM 1995, 1861, 1864; vgl. auch die Darstellung bei Leber, S. 44 f.; vgl. auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 87. 242  Assmann, WM 2005, 1053, 1057  f., der die Einordnung der Anleihebedingungen als Vertragsbedingungen des Begebungsvertrages als „grobe Verkennung der rechtlichen Qualifikation und der Funktion des Begebungsvertrages“ bezeichnet; vgl. auch Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 44, der die §§ 305 ff. BGB aber entsprechend anwenden möchte; zur Frage des Inhalts des Begebungsvertrages vgl. bereits oben 2. Teil A I 4. 243  Assmann, WM 2005, 1053, 1058. 244  Auf diese stellen aber Zöllner, Wertpapierrecht, S. 39 f. und Schmidtbleicher, S. 14 ab. 245  So auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 44; von Randow, ZBB 1994, 23, 25 f.; dagegen geht Kallrath, S. 42, davon aus, dass die Anleihebedingungen einerseits den Inhalt der verbrieften Forderung kennzeichnen und andererseits Bedingungen des Begebungsvertrages sind.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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2.  Keine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle a)  Keine Produktkontrolle Da es sich bei den Anleihebedingungen um den Inhalt eines rechtlichen Gegenstandes – der verbrieften Forderung – handelt, muss auch eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle ausscheiden. Wie Ekkenga zutreffend konstatiert, liefe eine solche auf eine „Warenqualitätskontrolle“ hinaus und würde das AGB‑ Recht zu einem seiner Funktion nicht entsprechenden finanzwirtschaftlichen Produktsicherheitsrecht zweckentfremdet.246 Eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle würde letztlich zu einem Verbot riskanter – weil qualitativ schlechter – Schuldverschreibungen führen.247 Auch bei einem Kaufvertrag wird aber nicht der Kaufgegenstand als solcher einer AGB-rechtlichen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle unterworfen, sondern lediglich die Modalitäten der Leistungserbringung. Soweit gegen diese Auffassung vorgebracht wird, es handle sich um eine begriffsjuristische Argumentation, die die Bedeutung der lediglich zur Erleichterung des Handels erfolgenden Verbriefung von Forderungen überhöhe, da das Leistungsversprechen weiterhin schuldrechtlichen Charakters sei und zu einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen dem Anleger und dem Emittenten führe – es könne keinen Unterschied machen, ob die Begründung einer Forderung durch einfachen Schuldvertrag erfolge oder im Rahmen einer wertpapierrechtlichen Verbriefung durch Abschluss eines Begebungsvertrages –,248 ist dem entgegenzuhalten, dass die wertpapierrechtliche Verbriefung eben nicht nur begrifflicher Natur ist. Das Leistungsversprechen ist zwar schuldrechtlichen Charakters, die verbriefte Forderung ist aufgrund ihrer Abstraktheit aber losgelöst von einem Kausalgeschäft und aus diesem Grund nicht einfach mit einer durch „einfachen“ Schuldvertrag begründeten Forderung zu vergleichen. Die Abstraktheit verleiht der Forderung die Eigenschaften eines Produktes. Das verbriefte Forderungsrecht ist nicht Anspruch aus dem Begebungsvertrag, sondern „Objekt“ des Begebungsvertrages.249

b)  Weitere Argumente gegen AGB-rechtliche Inhaltskontrolle Die Diskussion um die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Anleihebedingungen soll an dieser Stelle nicht in ihrer vollen Breite dargestellt werden – insofern wird auf die intensive Auseinandersetzung im Schrifttum verwiesen.250 246  Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 71 ff.; zustimmend: Assmann, WM 2005, 1053, 1059; Leber, S. 88. 247  So auch Leber, S. 88. 248  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 47 f. 249 Vgl. Hottenrott, S. 100 f. 250  Vgl. etwa Joussen, WM 1995, 1861 ff., der eine AGB‑Kontrolle von Anleihebedingungen im Fall einer Selbstemission für möglich hält, im Fall einer Fremdemission dagegen eine

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Es sollen aber die zentralen und nach hier vertretener Auffassung gegen eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle sprechenden Argumente dargelegt werden. So ist eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, auch unabhängig davon, dass es sich bei den Anleihebedingungen schon nicht um AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt, abzulehnen. Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Schuldverschreibungen führt mit Blick auf die Eigenschaft von Schuldverschreibungen als (fungible) Kapitalmarktprodukte zu untragbaren Ergebnissen. Nicht nur fehlt – abgesehen von den Regelungen der §§ 5 ff. SchVG – ein gesetzliches Leitbild, auf welches für den Fall, dass Bestimmungen der Anleihebedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder infolge einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam sein sollten, zurückgegriffen werden könnte.251 Ohnehin unterliegt die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungsgegenstandes grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, 2, 308 f. BGB,252 sondern ist allenfalls anhand des Transparenzgebotes zu messen.253 Inhaltskontrolle nur anhand von § 242 BGB vornehmen möchte; von Randow, ZBB 1994, 23, 26 ff., der im Fall einer Fremdemission über das Umgehungsverbot eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle im Verhältnis zwischen dem Emittenten und den Anlegern ermöglichen möchte; gegen eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle von Emissionsbedingungen dann aber von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 43 ff., vgl. auch die Darstellung zur AGB‑Problematik auf S. 33 ff.; ebenso Hartwig-Jacob, S. 207 ff., insbes. S. 228 ff.; Assmann, WM 2005, 1053 ff.; 112, Rn.  113  ff.; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 21 ff.; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 41 ff.; vgl. auch die Darstellung bei Leber, S. 43 ff.; Beyer, S. 53 ff.; Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 833, 844 ff.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 30 ff. 251  Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 810; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 48, 45; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 44; Assmann, WM 2005, 1053, 1058 f.; vgl. auch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 639 f.; a. A. von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 49 f., der das Gebot von Treu und Glauben als normativen Kontrollmaßstab für Anleihebedingungen ansieht; vgl. auch Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 370 (für eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen anhand des Gerechtigkeitsgehalts und des Schutzzweckes des SchVG sowie anhand von § 242 BGB); Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, §  112, Rn. 118, schlägt vor, auf das Leitbild, das die (internationale) Vertragspraxis herausgebildet, zurückzugreifen. 252 Vgl. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, §  7, Rn. 48; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., §  3 SchVG, Rn. 43; Assmann, WM 2005, 1053, 1059; eine Differenzierung zwischen kontrollfreier Hauptleistungspflicht und Nebenbestimmungen hält auch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 659, nicht für möglich; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.340: „In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch bereits die Frage, ob im Rahmen von Anleihebedingungen überhaupt zwischen Klauseln, die die Hauptleistung regeln[,] und Bestimmungen, die lediglich Leistungsmodalitäten ausgestalten, unterschieden werden kann. Dies erscheint fraglich, denn grundsätzlich haben nahezu alle in Anleihebedingungen enthaltenen Regelungen maßgebliche Wirkung für die Hauptleistungspflichten; dies gilt umso mehr bei komplexen Finanz-



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Die Anwendbarkeit des AGB-rechtlichen Transparenzgebotes aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wäre, selbst wenn entgegen der hier vertretenen Ansicht vom AGB‑Charakter der Anleihebedingungen und der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ausgegangen wird, aber ausgeschlossen, weil § 3 SchVG insoweit als lex specialis anzusehen wäre.254 Das in § 3 SchVG normierte Transparenzgebot ist vom Regelungsregime der §§ 305 ff. BGB zu trennen. Transparenzmaßstab ist der sachkundige Anleger.255 Im Fall des AGB-rechtlichen Transparenzgebotes kommt es dagegen auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlich informierten Anlegers an.256 Die Rechtsfolgen eines Vorstoßes gegen § 3 SchVG sind gesetzlich nicht geregelt. Neben der (ggf. ergänzenden) Auslegung257 werden die Nichtigkeit der entsprechenden Bestimmungen (und damit ggf. des gesamten Leistungsversprechens)258

produkten.“ Vgl. aber Masuch, S. 96, der darauf hinweist, dass Anleihebedingungen nicht nur Objektbeschreibungen seien, sondern jedenfalls für den ersten, am Begebungsvertrag beteiligten Gläubiger auch Inhalts eines Rechtsgeschäfts werden. 253  Wurmnest, in: MüKoBGB, § 307, Rn. 20. 254  Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 44; Hart‑ wig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 16; Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.341; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 20; Otto, WM 2010, 2013, 2015; Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 833, 851; Reps, S. 356; Schroeter, ZGR 2015, 769, 774, 793 f.; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 38; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 1, 29; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.9; a. A. Beyer, S. 153 ff.; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 195, 198. 255  Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.341, die auch für die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle den „sachkundigen Anleger“ als Prüfungsmaßstab übertragen wollen, vgl. Rn. 15.342; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 1, zum Maßstab des sachkundigen Anlegers vgl. Rn. 8 ff.; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.4; zum Transparenzgebot des § 3 SchVG vgl. auch: Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 648 ff.; Beyer, S. 119 ff.; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 194 ff. 256  Reps, S. 356; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 38; Wurmnest, in: MüKoBGB, § 307, Rn. 62; vgl. aber auch Grüneberg, in: Palandt, § 307, Rn. 23 (Beurteilungsmaßstab ist ein aufmerksamer und sorgfältiger Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr.); zum Transparenzmaßstab des § 3 SchVG und des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vgl. auch Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 833, 851. 257 Kritisch: Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 661 ff.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 156, weist daraufhin, dass die Auslegung als solche keine spezifische Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 3 SchVG sei, weil sie für sämtliche Bestimmungen einer Schuldverschreibung unabhängig von deren (In-)Transparenz zur Ermittlung des Leistungsinhalts rechtlich geboten sei; Schroeter, ZGR 2015, 769, 798; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 23. 258 Vgl. Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap.  3, Rn. 3.5; kritisch: Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 659 ff.; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 159 f.; Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 833, 853; Schroeter, ZGR 2015, 769, 798; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 25 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

sowie Schadensersatzansprüche259 der Anleger gegen den Emittenten diskutiert.260 Außerdem würde die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Anleihebedingungen die Fungibilität der Schuldverschreibungen beeinträchtigen:261 Sowohl für die Frage, ob die Anleihebedingungen Vertragsbestandteil geworden sind, als auch für den Maßstab der Inhaltskontrolle ist nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB die Person des Vertragspartners, genauer: deren Unternehmereigenschaft, von Bedeutung. Wären je nach Anwendbarkeit des § 305 Abs. 2 BGB unterschiedliche Anforderungen an die Einbeziehung zu stellen,262 könnte es dazu kommen, dass Schuldverschreibungen einer Emission nicht mehr inhaltsgleich sind, womit ihre Fungibilität aufgehoben wäre. Für Zweiterwerber wäre auch nicht erkennbar, welchen Inhalt die Schuldverschreibungen haben. Auch diejenigen Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum, die von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Anleihebedingungen ausgehen, wenden § 305 Abs. 2 BGB aus diesem Grunde nicht auf Anleihebedingungen an.263 Aber auch der Kontrollmaßstab nach den §§ 307 ff. BGB hinge nach § 310 Abs. 1 BGB von der Unternehmereigenschaft des Vertragspartners ab.264 Wären in Abhängigkeit von der Unternehmereigenschaft des Gläubigers unterschiedliche Kontrollmaßstäbe innerhalb einer Gesamtemission anzulegen, wäre die Inhaltsgleichheit der Teilschuldverschreibungen ggf. aufgehoben, mit der Konsequenz, dass auch die kollektive Bindung und die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach § 5 SchVG nicht mehr bestünden.265 Eine gerichtliche Kontrolle der Anleihebedingungen anhand der §§ 305 ff. BGB würde zudem das spezifische Risikoprofil von Schuldverschreibungen 259 Dazu Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 665; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 161 ff.; Schroeter, ZGR 2015, 769, 799 f.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 24; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.5. 260  Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 45; Blie‑ sener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 11 ff.; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 195 f. 261  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, §  7, Rn. 46, 49; von Randow, in: Baums/ Cahn, S. 25, 39 ff.; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.338; Blie‑ sener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 32. 262 So Hartwig-Jacob, S. 240 f. 263  BGH NJW 2005, 2917 m. w. N.; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 45; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 36 f.; vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 47 m. w. N. in Fn. 110; vgl. auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 36 ff. 264  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 49; vgl. auch Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.7. 265  Zur Inhaltsgleichheit als Voraussetzung für die kollektive Bindung und für die Möglichkeit von sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindenden Mehrheitsbeschlüssen vgl. unten 3. Teil C, insbes. III 2 und 3 b).



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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(zu Lasten des Emittenten) verschieben.266 Das Risiko-Chancen-Profil wird durch die Gesamtheit der Anleihebedingungen bestimmt. Eine Differenzierung zwischen Leistungsbeschreibung und Nebenbestimmung ist nicht möglich,267 noch weniger ist eine „selektive Kontrolle“268 und in der Folge die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen der Anleihebedingungen sachgerecht.269

c)  Vereinbarkeit mit EU‑Recht Der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, im Zuge der Reform des SchVG die Unanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ausdrücklich klarzustellen.270 Es sei noch nicht verbindlich geklärt, ob die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen271 auf Anleihebedingungen Anwendung finde.272 Eine Ausnahme von der AGB‑Kontrolle für Anleihebedingungen wird europarechtlich allerdings durchaus als zulässig angesehen.273 Dies wird z. T. 266 Kritisch

hierzu Assmann, WM 2005, 1053, 1058 f.; vgl. auch Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 72 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 43; Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 810; Sester, ZBB 2006, 443, 449; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 108 f. 267  Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 659; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/ Wittig, Rn. 15.340; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 485; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 108. 268  So die Formulierung beim Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851. 269  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 43, 36; Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851 f., der die Schaffung einer Bereichsausnahme für Schuldverschreibungen von den §§ 305 ff. BGB sowie eine auf einer Gesamtbetrachtung der Ausgestaltung der verbrieften Forderung beruhende Inhaltkontrolle fordert; ebenso Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 810; für die Einführung einer Bereichsausnahme auch Reps, S. 368. 270  Ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz von 2003 zur Reform des Schuldverschreibungsrechts sah ausdrücklich die Unanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB vor, eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen sollte nach diesem Entwurf ausschließlich anhand des Gebotes von Treu und Glauben erfolgen, siehe hierzu Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 633; vgl. auch Hopt, in: FS Schwark, S. 441, 445; Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.345. 271  Richtlinie 93/13/EWG des Rates v. 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EG Nr. L 95, S. 29 v. 21. 4. 1993. 272  BT‑Drs. 16/12814, S. 13; vgl. auch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 637. Durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25. 10. 2011 (sog. Verbraucherrichtlinie), durch die u. a. die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbrauchverträgen abgeändert wurde, wurde diese Frage allerdings nicht beantwortet. Vgl. auch (noch zum Entwurf der Verbraucherrichtlinie) Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 644. 273  Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 643 f., der die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB analog auf Anleihebedingungen anwendet, vgl. S. 639 ff.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 34 f., sehen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dagegen nicht als erfüllt an und fordern die Schaffung einer Bereichsausnahme für Schuldverschreibungen; siehe auch Hopt, in: FS Schwark, S. 441, 445, 456; für die europarechtliche Zulässigkeit einer Bereichsaus-

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

damit begründet, dass „Verträge“ i. S. d. Richtlinie nur solche sind, die Waren oder Dienstleistungen betreffen.274 Eine derartige Eingrenzung wird zwar weder von der deutschen Umsetzung vorgesehen noch teilt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Bezug auf die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen diese Ansicht.275 Ziffer 2 lit. c) im Anhang der Richtlinie kann entnommen werden, dass die Richtlinie grundsätzlich auch auf Geschäfte mit Wertpapieren Anwendung findet. Bei den verbrieften Forderungsrechten – und um diese geht es – handelt es sich indes nicht um Geschäfte mit Wertpapieren.276 Die Schuldverschreibungen bilden den Gegenstand des Geschäfts mit Wertpapieren. Nach hier vertretener Auffassung verbriefen Schuldverschreibungen lediglich ein Forderungsrecht, was ebenfalls gegen die Einordnung als „Vertrag“ i. S. d. Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen spricht. Ein Indiz dafür, dass Anleihebedingungen nicht von der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen erfasst sind, ist zudem die Regelung des Art. 6 Abs. 4 d Rom I‑VO: Der europäische Gesetzgeber hat Anleihebedingungen aus dem kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz ausgenommen, weil die Fungibilität der Finanzinstrumente durch die Anwendbarkeit unterschiedlicher Rechtsordnungen beeinträchtigt werden könnte.277 Diese Erwägung gilt in entsprechender Weise für die sachrechtliche AGB‑Kontrolle.278 Die Einschätzung, dass die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nicht auf Anleihebedingungen anwendbar ist, wird auch vom britischen Gesetzgeber vertreten. In Großbritannien wurden Wertpapierbedingungen bei der Umsetzung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ausgenommen.279

nahme für Anleihebedingungen auch Leber, S. 89 ff.; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 47; vgl. auch von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 30 f.; sowie Beyer, S. 109 ff., der zu dem Ergebnis gelangt, dass die Indizien gegen eine Anwendbarkeit der Klauselrichtlinie auf Schuldverschreibungen sprechen, er aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit aber gleichwohl davon ausgeht, dass die Klauselrichtlinie einem Ausschluss des AGB‑Rechts entgegensteht, vgl. S. 116. 274  Leber, S. 89; vgl. auch von Randow, in: Baums/Cahns, S. 25, 30 f., der der Richtlinie allerdings keine eindeutige Aussage dazu entnehmen möchte, ob die Emission von Schuldverschreibungen von der Richtlinie erfasst ist; vgl. auch die Burn, in: Baums/Cahn, S. 219, 223 f. 275 Vgl. Basedow, in: MüKoBGB, § 310, Rn. 34; EuGH NJW 2013, 2579. 276  Leber, S. 89; vgl. auch von Randow, in: Baums/Cahns, S. 25, 30 f. 277  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 47, vgl. auch Rn. 83 ff. 278  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 47. 279  Hopt, in: FS Schwark, S. 441, 445; Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 643; Leber, S. 89; vgl. auch Burn, in: Baums/Cahn, S. 219, 223 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 485; ArtzingerBolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 84; siehe auch Reps, S. 272 f.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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d)  Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ist auch im Hinblick auf den Anlegerschutz nicht geboten.280 Der mit der AGB-rechtlichen Einbeziehungskontrolle verfolgte Zweck, den Verwender dazu anzuhalten, Kunden Informationsmöglichkeiten zu geben und damit die Gelegenheit zu eröffnen, einen Vertrag mit unerwünschten Bedingungen abzulehnen, wird bereits durch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten, namentlich die Prospektpflichten, erfüllt.281 Für eine Einbeziehungskontrolle besteht daher kein Bedürfnis. Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass § 305 Abs. 2 BGB auf Anleihebedingungen keine Anwendung findet.282 Auch mit Blick auf die Funktion der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle ist eine Anwendung auf Anleihebedingungen nicht geboten. Die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle ist durch das durch Informationsasymmetrien und die Vereinzelung der Kunden begründete Marktversagen gerechtfertigt:283 Verwender von AGB sind i. d. R. mit einer Vielzahl gleichlautender Verträge konfrontiert, bei denen verschiedene Konflikte auftreten können. Daher besteht aus Verwendersicht ein legitimes Interesse, auch für unwahrscheinliche Ereignisse Regelungen in den AGB zu treffen. Für den einzelnen Kunden besteht nur ein geringer Anreiz, die ggf. sehr umfangreichen Vertragswerke zu studieren. Der Informationsaufwand – und damit die Informationskosten – stehen für ihn in keinem Verhältnis zum möglichen Informationsertrag, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die AGB Regelungen für Ereignisse enthalten, deren Eintrittswahrscheinlichkeit bezogen auf das einzelne Vertragsverhältnis als gering einzustufen ist. Die fehlende Prüfung der AGB bewirkt, dass der Kunde die Qualität der AGB nicht einschätzen kann. Dies wiederum liefert Anreize, verwenderfreundliche AGB zu erstellen. Da die Kunden nicht beurteilen können, welche AGB kundenfreundlich sind und welche nicht, können Anbieter mit kundenunfreundlichen AGB im Wettbewerb niedrigere Preise anbieten und sich so langfristig gegenüber Anbietern mit kundenfreundlichen AGB durchsetzen. Es kommt zu einer sog. adversen Selektion und einem Marktversagen, weil sich AGB mit – aus Kundensicht – besserer Qualität nicht durchsetzen.284 Gleichzeitig fehlen kompensatorische Informationsmechanismen: Die ungleichzeitige und ungleichmäßige Konfliktbetroffenheit der Kunden bedingt, dass sich Erfahrungen nur begrenzt und zeitlich verzögert unter anderen Konsumenten verbreiten.285 280 

A. A. Beyer, S. 90 ff. von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 45; Leber, S. 65. 282  BGH NJW 2005, 2917; vgl. auch bereits die Angaben in Fn. 263 (2. Teil). 283 Vgl. von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 51 ff.; Leber, S. 68 ff.; Reps, S. 361 f. 284  Leber, S. 70 f. 285  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 54. 281 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Zwischen AGB und Anleihebedingungen bestehen aber mit Blick auf diese, die AGB‑Kontrolle – und damit den Eingriff in die Privatautonomie – legitimierenden Wirkungszusammenhänge elementare Unterschiede.286 Die Rechtsverhältnisse zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern sind gleichförmig ausgestaltet. Die verbrieften Forderungen unterliegen den gleichen Bedingungen. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind daher durch etwaige Leistungsstörungen gleichförmig betroffen.287 Dies bewirkt eine Publizität von Leistungsstörungen. Die gleichmäßige und gleichzeitige Betroffenheit von Störungen erleichtert den Informationsfluss.288 Bei „einfachen“, AGB-unterworfenen Rechtsverhältnissen sind die einzelnen Kunden dagegen ungleichmäßig und nicht gleichzeitig von Leistungsstörungen betroffen und ein Austausch unter den Kunden findet nur begrenzt und verzögert statt.289 Anders als bei dem AGB‑Recht unterworfenen Verträgen gestalten die Anleihebedingungen auch nicht nur die Modalitäten des Leistungsaustausches aus, sondern das Produkt selbst wird durch die Anleihebedingungen definiert. Wie Leber zutreffend feststellt, ist die Lektüre der Anleihebedingungen bis zu einem gewissen Grad unerlässlich, um sich das Produkt als solches zu erschließen.290 Es besteht daher ein im Vergleich zum Regelfall der Verwendung von AGB höherer Informationsertrag aus der Lektüre der Anleihebedingungen. Gleichzeitig sind auch die Informationskosten für den Anleger geringer: Zum einen, weil Informationsintermediäre, beispielsweise Finanzzeitschriften oder Finanzportale, Informationen gebündelt zur Verfügung stellen.291 Darüber hinaus sorgt der Handel am Sekundärmarkt bei Schuldverschreibungen dafür, dass die Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe von verschiedener Stelle und zu verschiedenen Zeitpunkten überprüft und bewertet werden.292 Die Werthaltigkeit der verbrieften Ansprüche wird im Kurswert widergespiegelt, hierdurch werden (potentielle) Anleger zusätzlich über das jeweilige Produkt informiert.293 Auch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten senken die Informationskosten für den Anleger.294 Insgesamt besteht die zum Marktversagen führende Informationsasymmetrie bei Schuldverschreibungen somit 286  A. A. Hartwig-Jacob, S. 205, der die Anleger in derselben Lage sieht, wie eine Person, die einen Vertrag mit AGB abschließt, da der Anleger auf die inhaltliche Gestaltung der Schuldverschreibungen keinen Einfluss habe und sich nur für oder gegen den Erwerb („take it or leave it“) entscheiden könne. 287  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 65. 288  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 65. 289  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 65 f. 290  Leber, S. 74. 291  Leber, S. 75 ff. 292  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 66. 293  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 66. 294  Vgl. dazu Leber, S. 77 ff.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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nicht in einem Umfang, der eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Emissionsbedingungen rechtfertigten könnte.295 Außerdem kann eine inhaltliche Kontrolle der Anleihebedingungen durch die Gerichte auch falsche Anreize setzen, indem der Anleger aus der Verantwortung entlassen wird, sich über den Inhalt des von ihm erworbenen Produktes zu informieren.296 Anlegerschutz kann und sollte – statt über eine gerichtliche Kontrolle des Inhalts von Schuldverschreibungen – über das Kapitalmarktrecht, namentlich über Beratungs- und Aufklärungspflichten von Anlageberatern und Anlagevermittlern sowie über die Prospektpflicht und Prospekthaftung gewährleistet werden.297 Im Rahmen der Anlageberatung ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur anleger- und objektgerechten Beratung298 und den Verhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG299 den individuellen Erfahrungen des jeweiligen Anlegers Rechnung zu tragen.300 Die Prospekthaftung bietet mit Schadensersatzansprüchen eine – weil die Handelbarkeit der Schuldverschreibungen (anders als die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle) nicht in Frage stellende – kapitalmarktkonforme Rechtsfolge bei Verstoß gegen Prospektpflichten.301 Eine Abkehr von einer Einbeziehungs- und Inhaltkontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB führt nicht zuletzt zu mehr Rechtssicherheit für den Emittenten und die Anleger. Dies würde auch die Attraktivität des deutschen Anleiherechts steigern und damit ein wesentliches Ziel des SchVG fördern.302 Insbesondere 295 

Vgl. auch Reps, S. 362 ff. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 646 f. 297  Wie hier: Assmann, WM 2005, 1053, 1066 f.; Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 74; Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 646 ff., der die Selbstverantwortung des Anlegers bei der Investitionsentscheidung betont; vgl. auch Sester, ZBB 2006, 443, 449; ebenso Leber, S. 65 ff., insbes. S. 87 f.; Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.346 ff.; Bliesener/Schnei‑ der, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 33; von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 45, 67 f.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 485; Reps, S. 365 ff.; vgl. auch Otto, WM 2010, 2013, 2016, der darauf hinweist, dass der Anleger durch die Prospekthaftung ebenso gut geschützt sei wie bei einer Unwirksamkeit einzelner Klauseln aus den Anleihebedingungen nach AGB-rechtlichen Grundsätzen; vgl. auch: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 51; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 106, 111. 298  Grundlegend BGH NJW 1993, 2433 (sog. Bond-Urteil); zur anleger- und objektgerechten Beratung siehe auch: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 24 ff.; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31, Rn. 273 ff.; Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 110, Rn. 44 ff. 299  Zu den Verhaltenspflichten vgl. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 32 ff.; zur Rechtsnatur der Verhaltenspflichten als öffentliches Recht oder Privatrecht: Einsele, ZHR 180 (2016), S. 233 ff.; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 76 ff. 300  So auch von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 43 f. 301  von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 68. 302  Wie hier auch Leber, S. 92; vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 13, in der das Risiko einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle als „Hemmschuh“ für die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Rechts auf dem Gebiet von Anleiheemissionen bezeichnet wird; vgl. auch 296 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

ist eine Inhaltskontrolle von Wertpapierbedingungen auch international nicht üblich.303 So wird etwa im englischen Recht Anlegerschutz durch Genehmigungserfordernisse und Beratungspflichten für die Verkäufer von Finanzprodukten sowie durch Publizität, namentlich durch Prospektpflichten und durch die Prospekthaftung, erreicht.304 Eine inhaltliche Überprüfung der Anleihebedingungen hat daher ausschließlich nach §§ 134, 138 BGB, in Ausnahmefällen anhand von § 242 BGB sowie anhand des Transparenzgebotes des § 3 SchVG zu erfolgen.305

III.  Charakter als Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB) Vielfach wird angenommen, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner ein Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB darstelle.306 Ob diese Einordnung zutrifft, ist indes fraglich.307 Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 266, 270 f.; zur Bedeutung der Rechtssicherheit bei der Frage der Rechtswahl aus Sicht des Emittenten und den diesbezüglichen Vorteilen des englischen Rechts Burn, in: Baums/Cahn, S. 219, 223 ff., 240 f.; vgl. auch Reps, S. 351. 303  Assmann, WM 2005, 1053, 1067 m. w. N.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 3 SchVG, Rn. 36; Siebel, WM 1994, 1781, 1782, der die Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen als „typisch deutsches Problem“ bezeichnet; Reps, S. 262 f. (für das Schweizer Recht), S. 272 f. (für das englische Recht), S. 288 f. (zum US-amerikanischen Recht), S. 360, zur Inhaltskontrolle als „juristischem Standortnachteil“ vgl. auch S. 129 ff.; zum US-amerikanischen Recht siehe auch Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 265 f. 304  Vgl. dazu Burn, in: Baums/Cahn, S. 219, 226 f. 305  So auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 50, die eine Inhaltskontrolle anhand von § 242 BGB unter Heranziehung der Rechtsprechung zu §§ 307 ff. BGB vorschlägt; Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.346 ff.; für eine Inhaltskontrolle allein anhand der §§ 134, 138 BGB: Assmann, WM 2005, 1053, 1065 f.; Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 647 f.; vgl. auch Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 73 f.; Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 833, 850 f.; gegen jegliche Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen Leber, S. 87 f.; vgl. auch von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 67 f. 306 BGH NZG 2014, 1102, 1103 (Rz. 12); BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 33; für die Einordnung als Dauerschuldverhältnis auch OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 46; LG Köln, ZIP 1994, 1520; Horn, BKR 2009, 446, 450; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 50; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 111, 120; Lenenbach, Rn. 2.110; Ernst, in: Grunewald/Schlitt, § 5 III 2 e); Knops, BB 2008, 2535, 2539; Buchmann, AG 2012, R341, R342; Friedl, BB 2012, 1309, 1310; Stucke, S. 139 ff.; Simon, S. 292 f.; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 314; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 99; Reps, S. 335 (m. w. N.); Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 56; Siebel, S. 500; Nikolova, S. 115 f.; Lender‑ mann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 22; vgl. auch Podewils, ZHR 174 (2010) S. 192, 205; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 482, die sich speziell mit zivilrechtlichen Fragen betreffend die sogenannten ewigen Anleihen beschäftigen; ebenfalls



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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1.  Argumente für die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis Die Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner als Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB) wird mit dem darlehensähnlichen Charakter von Schuldverschreibungen308 und der Annahme, dass der Teilschuldverschreibungsgläubiger während der Vertragslaufzeit zur Überlassung von Kapital und der Emittent zur Zahlung von Zinsen verpflichtet sei309, begründet. Die Einordnung als Dauerschuldverhältnis wird auch darauf gestützt, dass die verbriefte Rechtsbeziehung auf einen längeren Zeitraum angelegt sei und der Umfang der zu leistenden Verzinsung von der Anlagedauer abhänge.310 Weiter wird die wiederkehrende Leistungspflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners als Beleg für den Dauerschuldcharakter von Teilschuldverschreibungen respektive des zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehenden Rechtsverhältnisses angeführt.311

2.  Argumente gegen die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis Gegen die Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger als Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB) wird vorgebracht, dass Schuldverschreibungen nur ein einseitig verpflichtendes Schuldverhältnis verbriefen,

im Zusammenhang mit ewigen Anleihen Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 705; zur Einordnung als Dauerschuldverhältnis tendieren auch Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408. 307  Kritisch auch von Randow, in: Baums/Cahn, S. 25, 26; zweifelnd auch das OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 87, das die Anwendbarkeit von § 314 BGB auf Schuldverschreibungen gleichwohl mit dem Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben bejahte (vgl. auch nachgehend BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 33); zweifelnd an der Einordnung als Dauerschuldverhältnis auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 98; den Dauerschuldcharakter von Inhaberschuldverschreibungen verneinen auch: Wansleben, WuB 2016, 390, 394; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.90; vgl. außerdem die Stimmen unter 2. Teil A III 2. 308  Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 50; Horn, BKR 2009, 446, 450; Lenenbach, Rn. 2.110; Reps, S. 335; vgl. auch Simon, S. 293. 309  Buchmann, AG 2012, R341, R342; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http:// www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 99; mit der Überlassung von Vermögen begründet auch Thomas, ZHR 171 (2007) S. 684, 705, den Dauerschuldcharakter von Anleihen; ebenso Nikolova, S. 115 f. 310  Masuch, S. 52. 311  Reps, S. 335; für Genussscheine BGH NJW 1993, 57, 63: „Der Genußrechtsvertrag ist als ein Dauerschuldverhältnis eigener Art anzusehen, da das Genußrecht auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist […]“.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

ein Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB) aber einen Vertrag voraussetze, aus dem sich fortlaufend beiderseitige Rechte und Pflichten ergeben.312 Der Teilschuldverschreibungsgläubiger überlasse dem Teilschuldverschreibungsschuldner auch kein Kapital, sondern erwerbe (am Markt) eine abstrakte Forderung gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner.313 Aufgrund ihrer abstrakten Struktur seien Schuldverschreibungen nicht mit einer abgetretenen Rückzahlungsforderung aus einem Darlehensvertrag vergleichbar.314 Bliesener/Schneider führen ferner an, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern – anders als bei Dauerschuldverhältnissen i. S. d. § 314 BGB – nicht personengeprägt seien, sondern der Teilschuldverschreibungsschuldner seine regelmäßig zahlreichen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht kenne und nicht wisse, wem gegenüber er sein Leistungsversprechen zu erfüllen habe.315 Bliesener/Schneider qualifizieren das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner im Ergebnis allerdings als Rechtsverhältnis sui generis mit Dauerschuldcharakter.316

3.  Kein Dauerschuldverhältnis a)  Begriff und Wesensmerkmale des Dauerschuldverhältnisses Am Beginn der Untersuchung, ob das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner Dauerschuldcharakter (i. S. d. § 314 BGB) hat, steht die Frage nach dem Begriff und dem Wesen des Dauerschuldverhältnisses. Eine Legaldefinition fehlt. Hierauf hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet, da dies zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen und künftige Entwicklungen beeinträchtigen könnte.317 Auch bestehe über den Begriffsinhalt in Rechtsprechung und Rechtslehre hinreichende Einigkeit.318

312  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 104, 110 f. sowie 1. Auflage 2013 Rn. 82; Schmidtbleicher, S. 337; Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135; vgl. auch Kleinsorgen, S. 237 f.; Artzinger-Bol‑ ten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 9. 313  Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135; Schmidtbleicher, S. 337 ff. 314  Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135 f.; Schmidtbleicher, S. 337 ff. 315  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 105. 316  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 102, 117. 317  Vgl. BT‑Drucks. 14/6040, S. 177. 318  BT‑Drucks. 14/6040, S. 177 f.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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Im Schrifttum gibt es verschiedene Versuche, das Wesen des Dauerschuldverhältnisses zu charakterisieren.319 Als Charakteristikum des Dauerschuldverhältnisses wird die Bedeutung des Zeitmoments für den Pflichtenumfang angesehen.320 Ein Dauerschuldverhältnis sei dadurch gekennzeichnet, dass der Umfang der vertragstypischen Hauptleistung ausschließlich mit Hilfe des Zeitfaktors quantitativ festgelegt werden kann.321 Bei bzw. aus Dauerschuldverhältnissen entstünden während der Laufzeit fortwährend neue Leistungs- und Schutzpflichten.322 Deshalb bestehe für die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses ein besonderes Prognoserisiko betreffend die eigenen Leistungspflichten und die Umstände der Leistungserbringung.323 Nach Teichmann ist maßgeblich, dass sich der Schuldner für die Dauer einer Zeitspanne, also zeitbestimmt, zu einer Leistung oder zu mehreren Leistungen verpflichtet.324 Die Leistung könne permanent oder während eines Zeitraums wiederholt zu erbringen sein.325 Eine ähnliche Definition des Dauerschuldverhältnisses findet sich bei Huber: Dauerschuldverhältnisse sind Schuldverhältnisse, „[…] die dadurch charakterisiert sind, daß die Leistungspflicht mindestens einer Partei oder auch beider Parteien in einem dauernden Verhalten oder in regelmäßig wiederkehrenden Leistungen besteht, und daß der Umfang der geschuldeten Leistung und daher auch der Umfang der vom Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung von der Dauer der Zeit abhängen, während derer die Leistungen des Schuldners fortlaufend zu erbringen sind“.326 Oetker, der ein zeitorientiertes Ordnungssystem der Schuldverträge entwickelt,327 sieht das Charakteristikum von Dauerschuldverhältnissen kraft Vertrages – nach der Terminologie Oetkers „Dauerschuldverträge“ – in der Auflösung des Automatismus von Leistungserfolg und Vertragsbeendigung sowie 319  Vgl. dazu den Überblick bei Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 361 ff.; Oetker, S. 66 ff., insbesondere S. 74 ff.; Rumpf, S. 20 ff. 320  Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5; Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 362; Böttcher, in: Erman, § 314, Rn. 3a; Oetker, S. 134 f., vgl. auch S. 142 f.; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 561; vgl. auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 29 f.; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, S. 16, 254; vgl. auch BT‑ Drucks. 14/6040, S. 176 f. 321  Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5; Oetker, S. 134 f., 143; Weth, in: jurisPK‑BGB, § 314, Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt, § 314, Rn. 2; vgl. auch Böttcher, in: Erman, § 314, Rn. 3a; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 561 f. („Zeit­ dimension als konstitutives Element der Leistung“). 322  Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5; Böttcher, in: Erman, § 314, Rn. 3a; Weth, in: jurisPK‑BGB, § 314, Rn. 5; Kallrath, S. 141; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 561; Grüneberg, in: Palandt, § 314, Rn. 2. 323  Vgl. dazu Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5; vgl. auch unten 3. Teil B II 3 f) bb). 324  Teichmann, in: Soergel, § 314, Rn. 10. 325  Teichmann, in: Soergel, § 314, Rn. 11 f. 326  Huber, Leistungsstörungen, Bd. II, S. 437. 327  Oetker, S. 99 ff., insbesondere S. 112 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

in dem ausschließlich mit Hilfe des Zeitfaktors quantitativ festzulegenden Leistungsumfang.328

b)  Fehlendes Schuldverhältnis i. w. S. Da es auch einseitig verpflichtende Dauerschuldverhältnisse gibt,329 schließt allein der Hinweis auf den einseitig verpflichtenden Charakter von Schuldverschreibungen die Einordnung als Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB nicht aus.330 Das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner ist aber deshalb nicht als Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB zu qualifizieren, weil es an einem (vertraglichen) Schuldverhältnis i. w. S. fehlt. Der Ausdruck Dauer-“Schuldverhältnis“ in § 314 Abs. 1 BGB ist als Schuldverhältnis i. w. S. bzw. Vertragsverhältnis zu verstehen.331 Den Definitionsansätzen der Rechtslehre liegt die Vorstellung zugrunde, dass (vertraglich begründete) Dauerschuldverhältnisse ein Schuldverhältnis i. w. S. voraussetzen bzw. als eben solche anzusehen sind und nicht als bloße Forderungsbeziehung: Nach Gaier liegt Dauerschuldverhältnissen ein einheitlicher, auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossener Vertrag zugrunde, der auf ein fortgesetztes Verhalten gerichtet ist und aus dem sich während der Vertragslaufzeit immer wieder neue Rechte und Pflichten beider Parteien ergeben.332 Gernhuber differenziert zwischen dem Schuldverhältnis (i. w. S.) und der Forderung (als Schuldverhältnis i. e. S.).333 Aus der Begriffsdefinition Gernhubers wird deutlich, dass das Dauerschuldverhältnis als Schuldverhältnis i. w. S. zu verstehen ist.334

328  Oetker, S. 143, ausführlich S. 115 ff. sowie S. 135 f.; so auch Rumpf, S. 43 ff.; vgl. auch Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 561 („einzelne Erfüllungshandlungen die Schuld nicht gänzlich tilgen, solange das Schuldverhältnis besteht“). 329  Vgl. BT‑Drucks. 14/6040, S. 177, wonach auch außerhalb von gegenseitigen Verträgen Dauerschuldverhältnisse in Betracht kommen; Oetker, S. 135, wonach sowohl einseitige als auch gegenseitige Verträge den Dauerschuldverträgen zugeordnet werden können; vgl. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 380. 330 So auch Vogel, ZBB 2016, 179, 188; a. A. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 104, 110 f., sowie 1. Auflage 2013 Rn. 82; Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135; Schmidtbleicher, S. 337. 331  Ernst, in: MüKoBGB, Recht der Schuldverhältnisse Einleitung, Rn. 10. 332  Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 6; vgl. auch Grüneberg, in: Palandt, § 314, Rn. 2; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 561. 333  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 7 f., 30 f.; vgl. auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 26 ff.; differenzierend auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 8, zum Dauerschuldverhältnis vgl. Rn. 10; vgl. auch Bachmann, in: MüKoBGB, § 241, Rn. 4, der als „eigentliches“ Schuldverhältnis das im weiteren Sinne ansieht. 334  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 377 ff., zur Unterscheidung Dauerschuldverhältnis und Forderung aus einem Dauerschuldverhältnis vgl. auch S. 383 f.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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Oetker verwendet den Terminus Dauerschuldvertrag335 und stellt klar, dass der Begriff des Schuldverhältnisses i. S. v. Dauerschuldverhältnis mehr als nur die einzelne Forderung umfasst und als Schuldverhältnis i. w. S. zu verstehen ist.336 Auch die von Oetker als Charakteristikum des Dauerschuldverhältnisses festgestellte Auflösung des Automatismus von Vertragsbeendigung und Eintritt des Leistungserfolges erfordert nicht nur eine Unterscheidung zwischen Forderung und Schuldverhältnis i. w. S., sondern macht die Existenz von letzterem auch zur Voraussetzung für das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses. Eichel differenziert zwischen dem Dauerschuldverhältnis und dem aus diesem erwachsenden Anspruch337 und bringt damit implizit zum Ausdruck, dass ein Dauerschuldverhältnis eben kein Anspruch bzw. nicht mit diesem gleichzusetzen ist. Dafür, dass ein Dauerschuldverhältnis mehr als eine bloße Forderung, nämlich einen Vertrag – ein Schuldverhältnis i. w. S. – voraussetzt, spricht auch der Umstand, dass dem Recht zur außerordentlichen Kündigung aus § 314 BGB die Funktion eines Rücktrittsäquivalents zukommt.338 Ebenso wie beim Rücktritt geht es auch bei der Kündigung i. S. d. § 314 BGB um die Beendigung eines Vertrages.339 Eine vollständige Rückabwicklung wird bei Dauerschuldverhältnissen aus verschiedenen Gründen indes als nicht opportun angesehen.340 Auch die Annahme eines zwischen dem jeweiligen Neugläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner originär entstehenden gesetzlichen, durch Schutz- und Rücksichtnahmepflichten geprägten Schuldverhältnisses führt nicht zur Einordnung der Rechtsbeziehung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger als (vertragliches) Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB.341 Schutz- und Rücksichtnahmepflichten können bei jedem Schuldverhältnis, auch bei einer „bloßen“ Forderungsbeziehung – wie ein Blick auf die Zession einer Forderung gezeigt hat – und auch bei einem bloßen Kontakt i. S. d. § 311 Abs. 2 BGB entstehen. Jedes Schuldverhältnis wäre danach als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren. Außerdem wäre ein solches Schuldverhältnis kein vertragliches Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB. Es handelt sich um ein gesetzliches 335 

Oetker, S. 134 f. Oetker, S. 99 f. 337  Eichel, NJW 2015, 3265, 3268. 338 Vgl. Teichmann, in: Soergel, § 314, Rn. 3 ff.; vgl. auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 102. 339  Vgl. auch Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 31, der daraufhin weist, dass § 314 BGB ein Vertragslösungsrecht und nicht lediglich ein Recht auf Fälligkeitsverschiebung normiere. 340 Vgl. Teichmann, in: Soergel, § 314, Rn. 4; vgl. auch Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 566, vgl. aber auch S. 588 f. 341 Vgl. aber Nikolova, S. 115, die den Dauerschuldcharakter von in Inhaberschuldverschreibungen verbrieften Zertifikaten mit der Überlassung von Vermögen und den daraus ständig neu entstehenden Schutzpflichten begründet. 336 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Schuldverhältnis. Zwar soll § 314 BGB auch auf Dauerschuldverhältnisse außerhalb von Schuldverträgen (entsprechend) anwendbar sein,342 es überzeugt aber nicht, eine Kündigungsmöglichkeit, die das Prognoserisiko betreffend die eigenen (Leistungs-)Pflichten ausgleichen343 und dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen Rechnung tragen soll344, auf Schutz- und Rücksichtnahmepflichten zu übertragen. Das gesetzliche Schuldverhältnis besteht, weil und solange aufgrund eines Vertrauenstatbestandes Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen einer anderen Person existieren. Auf ein solches Schuldverhältnis ist § 314 BGB jedenfalls nach dessen Ratio345 nicht anwendbar.346 Es ist auch nicht erforderlich, für das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner eine neue Kategorie eines Schuldverhältnisses sui generis mit Dauerschuldcharakter zu konstruieren.347 Eines „Anleiheschuldverhältnis“ als besonderen Typus eines Schuldverhältnisses bedarf es nicht. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner erschöpfen sich in einer Forderungsbeziehung als Schuldverhältnis i. e. S. und ggf. einem originär zwischen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner aus einem Vertrauenstatbestand und Einwirkungsmöglichkeiten begründeten und den Teilschuldverschreibungsschuldner zur Rücksichtnahme verpflichtenden gesetzlichen Schuldverhältnis.

c)  Abstraktheit der verbrieften Forderung, keine Kapitalüberlassungspflicht Im Übrigen kann die Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner als Dauerschuldverhältnis weder mit dem Hinweis auf den darlehensähnlichen Charakter von Schuldverschreibungen noch mit dem Argument, der Teilschuldverschreibungsgläubiger sei während der Vertragslaufzeit zur Überlassung von Kapital und der Emittent zur Zahlung von Zinsen verpflichtet, begründet werden. Der Hinweis auf den darlehensähnlichen Charakter verkennt die Abs342 

Teichmann, in: Soergel, § 314, Rn. 13; a. A. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, S. 254. Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5. 344  Vgl. zur dogmatischen Fundierung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung im Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen: Oetker, S. 267 ff. 345 Zur Funktion und zum dogmatischen Ursprung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses vgl. ausführlich auch unten 3. Teil B II 3 f). 346 Gegen die Anwendbarkeit von § 314 BGB auf gesetzliche Schuldverhältnisse auch Schlechtriem/Schmidt-Kessel, S. 254 (vgl. dort auch Fn. 31), die als Argument auch den Wortlaut des § 314 Abs. 2 BGB anführen, der dafür spreche, dass es um die Kündigung eines Ver‑ trages gehe; zur Anwendbarkeit von § 314 BGB auf Schuldverschreibungen siehe unten 3. Teil B II. 347  So aber Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 102, 117. 343 



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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traktheit der verbrieften Forderungen. Auch wenn die Ausgabe von Schuldverschreibungen – jedenfalls bei klassischen Anleihen – aus Sicht des Teilschuldverschreibungsschuldners wirtschaftlich der Aufnahme eines Kredits bzw. dem Abschluss eines Darlehensvertrages ähnelt – in beiden Fällen wird Fremdkapital aufgenommen und der Schuldner verspricht die Zahlung eines Geldbetrages zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt sowie die Zahlung von Zinsen –,348 überlässt der Anleger, der die Schuldverschreibung am Markt erwirbt, dem Aussteller kein Kapital, sondern er erwirbt einen Zahlungsanspruch, eine abstrakte Forderung, gegen diesen.349 Aber auch für den ersten Schuldverschreibungsgläubiger, der Vertragspartner des Begebungsvertrages ist, ergibt sich aus der Schuldverschreibung selbst keine Kapitalüberlassungspflicht. Diese folgt allein aus dem Übernahmevertrag – und zwar unabhängig von dessen rechtlicher Qualifikation.350 Wie Stucke zutreffend feststellt, ist die Entstehung der verbrieften abstrakten Forderung rechtlich unabhängig von dem Umstand, ob dem Emittenten ein entsprechender Geldbetrag zur Verfügung gestellt wurde.351 In den Schuldverschreibungen ist kein Rückzahlungsanspruch verbrieft, sondern die Schuldverschreibungen verbriefen einen (abstrakten) Zahlungsanspruch sowie einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen gegen den Aussteller, die in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Kapitalüberlassung stehen.352 Die Vorstellung, der jeweilige Inhaber sei zur Überlassung von Kapital verpflichtet, verkennt die rechtliche Struktur der (Inhaber-)Schuldverschreibungen. Schuldverschreibungen verbriefen ein abstraktes Leistungsversprechen des Ausstellers, aber keine Verpflichtung des Schuldverschreibungsgläubigers bzw. des Inhabers. Teilweise wird das Rechtsverhältnis zwischen dem jeweiligen Gläubiger der Schuldverschreibung und dem Aussteller aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Dauerschuldverhältnis eingeordnet.353 Werde aus einem Rechtsverhältnis wie Miete, Pacht, Leihe oder Darlehen der Anspruch 348 

Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 350. Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135; Schmidtbleicher, S. 337; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407, die dennoch zur Einordnung als Dauerschuldverhältnis tendieren, jedenfalls § 314 BGB auf Schuldverschreibungen anwenden wollen, vgl. Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408 f.; vgl. auch Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 350, die eine Subsumtion unter den vom Gesetzgeber bewusst nicht definierten Begriff des Dauerschuldverhältnisses als vergeblich und unbefriedigend ansehen und die Problematik betreffend die außerordentliche Kündigung von Schuldverschreibungen durch Fortbildung des Rechtsinstituts der außerordentlichen Kündigung für das Anleiheschuldverhältnis zu lösen versuchen, vgl. Florstedt/ von Randow, ZBB 2014, 345, 347 ff., 356. 350  Zur dogmatischen Einordnung des Übernahmevertrages vgl. oben 2. Teil A I 4 a). 351  Stucke, S. 139, der indes davon ausgeht, dass zwischen dem Aussteller und dem jeweiligen Inhaber einer Inhaberschuldverschreibung ein Dauerschuldverhältnis besteht, vgl. Stucke, S. 139 ff. 352  Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 350; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407; vgl. auch Mülbert, AcP 192 (1992), S. 447, 500, Fn. 201: „Als Hauptschuld wird ein künftig fälliger Zahlungs(nicht: Rückzahlungs)anspruch verbrieft.“ 353  Stucke, S. 140 f.; vgl. auch Nikolova, S. 116. 349 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

auf Wiederbeschaffung des zur Verfügung gestellten Gegenstands abgetreten, ändere diese Abtretung nichts an der Qualifikation als Dauerschuldverhältnis.354 Gleiches müsse für Schuldverschreibungen gelten:355 Die Übertragung des durch die Gewährung des Emissionsbetrages entstandenen Anspruchs auf Zurückgewährung dieses Betrages verändere nicht dessen Charakter als Dauerschuldverhältnis.356 Diese Begründung vermag jedoch aus zwei Gründen nicht zu überzeugen: Zum einen entsteht weder bei einem Miet-, Pacht- oder Leihvertrag noch bei einem Darlehensvertrag bei Abtretung des Anspruchs auf Rückgewähr des zur Verfügung gestellten Gegenstandes ein Dauerschuldverhältnis zwischen dem Zessionar und dem Schuldner. Der Zessionar wird nicht Partei des Miet-, Pacht-, Leih- oder Darlehensvertrages, sondern erwirbt lediglich eine Forderung aus diesem. Zum anderen wird der abstrakte Charakter der verbrieften Forderung verkannt.357 Diese ist – anders als eine Forderung aus einem Miet-, Pacht-, Leih- oder Darlehensvertrag – losgelöst von einem Kausalvertrag, der Grundlage der Forderung ist. Die verbriefte Forderung ist abstrakt – und zwar sowohl i. S. e. Nichtakzessorietät als auch i. S. e. Typenlosigkeit.358 Der Bestand der verbrieften Forderung ist nicht nur unabhängig von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Kausalverhältnisses, die verbriefte Forderung nimmt außerdem keinen Bezug zu einem bestimmten Vertragstypus359 – und damit auch nicht zu einem etwaigen Dauerschuldcharakter des zugrundeliegenden Kausalverhältnisses.

d)  Zur Relation von Leistungserfolg und Vertragsbeendigung Bei Schuldverschreibungen besteht auch keine Entkopplung der Erbringung des Leistungserfolges und einer Vertragsbeendigung. Das folgt schon aus der rechtlichen Struktur von Schuldverschreibungen. Schuldverschreibungen verbriefen lediglich ein Schuldverhältnis i. e. S. Ein darüber hinausgehendes Vertragsverhältnis besteht zwischen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner nicht. Auch bei Annahme eines originären gesetzlichen Schuldverhältnisses (i. w. S.) zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger ergibt sich nichts anderes. Bei diesem Schuldverhältnis handelt es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis. Die verbriefte Forderung stammt nicht aus diesem Schuldverhältnis. Es ist vielmehr 354 

Stucke, S. 140. Stucke, S. 140 f. 356  Stucke, S. 140 f. 357  So auch Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135. 358  Zur Differenzierung zwischen Abstraktheit i. S. v. Nichtakzessorietät und i. S. v. Typenlosigkeit: Hueck/Canaris, S. 26 f. 359  Vgl. Hueck/Canaris, S. 26 f., 208. 355 



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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umgekehrt: Zwar entsteht das gesetzliche Schuldverhältnis nicht unmittelbar aus der Forderung, sondern aus einem Vertrauenstatbestand. Dieser wiederum wird aber durch die „Einwirkungsmöglichkeit“ qua Forderungsbeziehung begründet. Jedenfalls mittelbar entsteht das gesetzliche Schuldverhältnis aus der Forderung. Wenn bei der Erbringung der Leistung dieses gesetzliche Schuldverhältnis nicht erlischt, handelt es sich nicht um die von Oetker als Charakteristikum eines Dauerschuldverhältnisses erkannte Entkopplung von Leistungserfolg und Beendigung eines (vertraglichen) Schuldverhältnisses i. w. S. Überdies: Die verbriefte Forderung und das gesetzliche Schuldverhältnis sind vielmehr in anderer Hinsicht entkoppelt, da bei Übertragung der Forderung diese unzweifelhaft weiterbesteht, das gesetzliche Schuldverhältnis zum Veräußerer erlischt und ggf. ein neues originäres Schuldverhältnis zwischen dem Erwerber einer Teilschuldverschreibung und dem Teilschuldverschreibungsschuldner entsteht.

e)  Zum ausschließlich mit Hilfe der Zeit quantifizierbaren Umfang der (Haupt-)Leistungspflicht Als maßgeblicher Bezugspunkt für die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis wird mehrheitlich die vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht gesehen: Bei einem Dauerschuldverhältnis soll der Umfang der vertragstypischen Hauptleistungspflicht ausschließlich mit Hilfe der Zeit quantifizierbar sein.360 Dabei kann allerdings nicht entscheidend sein, dass der Umfang der Hauptleistungspflicht bei Vertragsschluss noch nicht abschließend feststeht oder noch nicht überschaubar ist, denn auch befristete Mietverträge oder Darlehensverträge, bei denen eine Zeit für die Rückzahlung des Darlehens bestimmt ist, sollen Dauerschuldverhältnisse sein.361 Ausreichend für die Einordnung als Dauerschuldverhältnis sei, dass überhaupt eine Korrelation zwischen dem Leistungsumfang und dem Zeitfaktor besteht.362 Für Schuldverschreibungen gibt es kein gesetzliches Leitbild und folglich auch keine gesetzlich festgelegte vertragscharakteristische Hauptleistungspflicht. Schon die Übertragung der für kausale Schuldverträge entwickelten Dogmatik der vertragstypischen Hauptleistungspflicht auf abstrakte Forderungen könnte daher in Frage gestellt und die Einordnung als Dauerschuldverhältnis bereits aus diesem Grund abgelehnt werden. Möchte man diese – freilich recht begriffsjuristische – Begründung nicht ausreichen lassen, so müsste jedenfalls 360 Vgl. Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5; Oetker, S. 134 f., 143; Weth, in: jurisPK‑BGB,

§ 314, Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt, § 314, Rn. 2; vgl. auch Böttcher, in: Erman, § 314, Rn. 3a; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 561 f. („Zeit­ dimension als konstitutives Element der Leistung“); Huber, Leistungsstörungen, Bd. II, S. 437. 361 Vgl. Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 6; Oetker, S. 146 f. 362 Vgl. Oetker, S. 146 f., siehe auch S. 134 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 11.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

der Umfang der im Einzelfall zu bestimmenden charakteristischen „Haupt“Leistungspflicht363 ausschließlich mit Hilfe der Zeit quantifizierbar bzw. der Zeitfaktor für ihren Umfang maßgeblich sein. Die Bestimmung der „charakteristischen“ Hauptleistungspflicht müsste für jeden Einzelfall bzw. für die jeweilige Art von Schuldverschreibung gesondert erfolgen. Für „klassische Anleihen“, bei denen der Aussteller die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages sowie die Zahlung von Zinsen während der Laufzeit der Schuldverschreibung verspricht, könnte auf die „Haupt“-Zahlungsverpflichtung oder auf die Zinsverpflichtung abgestellt werden. Erstere wird indes nicht durch den Zeitfaktor bestimmt, sondern die Höhe des Zahlungsanspruchs steht mit Ausstellung bereits fest und verändert sich mit der Laufzeit nicht. Soweit für die vertragscharakteristische Leistungspflicht auf wiederkehrende Zinszahlungspflichten des Teilschuldverschreibungsschuldners abgestellt wird,364 ist zwar zuzugeben, dass der Gesamtumfang der Zinszahlungspflicht vom Zeitfaktor abhängen kann. Aufgrund der Akzessorietät der Zinsforderungen entfallen bei vorzeitiger Fälligstellung und Erfüllung der Hauptforderung grundsätzlich auch zukünftige Zinsforderungen, sofern die Zinsforderungen nicht in Zinsscheinen verbrieft sind365. Allerdings kann mit einer wiederkehrenden Zinszahlungspflicht nicht pauschal für sämtliche Schuldverschreibungen der Charakter als Dauerschuldverhältnis begründet werden. Ist ein Anspruch auf einmalige Leistung verbrieft, müsste der Dauerschuldcharakter verneint werden.366 Außerdem kann ein Zinseffekt auch durch eine Differenz zwischen dem Ausgabebetrag und dem Betrag, den der Aussteller dem Teilschuldverschreibungsgläubiger bei Fälligkeit zahlen muss, erzielt werden.367 Bei dieser „wirtschaftlichen Verzinsung“ besteht schon keine (regelmäßig wiederkehrende) Zinszahlungspflicht, deren Umfang durch den Zeitfaktor bestimmt werden könnte.368 363  Da es für die Einordnung als Dauerschuldverhältnis auf die vertragstypische Hauptleistungspflicht ankommt, können etwaige in den Anleihebedingungen vorgesehene Nebenpflichten des Emittenten, wie etwa eine Negativklausel, nicht den Dauerschuldcharakter begründen. Vgl. aber auch Merkel, S. 138, der davon ausgeht, dass die Negativerklärung ein Dauerschuldverhältnis begründet. 364  Beim Darlehensvertrag soll hingegen gerade nicht die wiederkehrende Zinszahlungspflicht, sondern die Pflicht des Darlehensgebers zur zeitweisen Kapitalüberlassung die vertragscharakteristische und damit den Charakter als Dauerschuldverhältnis begründende Leistungspflicht darstellen, vgl. Oetker, S. 150; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 381 f.; Berger, in: MüKoBGB, Vor § 488, Rn. 12; vgl. aber auch Freitag, in: Staudinger, § 488, Rn. 24, der sowohl auf die Zeitabhängigkeit des Umfangs der Überlassungspflicht des Darlehensgebers als auch auf den Umfang einer etwaigen Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers abstellt. 365  Zur Verselbständigung der Zinsforderung bei Verbriefung in Zinsscheinen vgl.: Alfes/ Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 2, 15, 19 ff.; Marburger, in: Staudinger, § 803, Rn. 6. 366  So etwa Kallrath, S. 141 (für den Optionsschein). 367  Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 17, Rn. 44; Ernst, in: Grunewald/Schlitt, § 5 III 1; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.59. 368  Vgl. aber auch Omlor, in: Staudinger, § 246, Rn. 31, der die Zeitabhängigkeit auch bei einer Auf- oder Abzinsungskonstruktion bejaht.



A.  Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger

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Zudem werden Zinsansprüche klassischerweise in Zinsscheinen (auch Coupons genannt) verbrieft.369 Zinsscheine sollen eine erleichterte Geltendmachung des Zinsanspruchs ermöglichen, indem eine Vorlage der Haupturkunde entbehrlich wird.370 Außerdem wird der Zinsanspruch durch die gesonderte Verbriefung unabhängig von der verbrieften Hauptforderung verkehrsfähig.371 Die einzelnen Zinsscheine sind selbst Wertpapiere, wenn die Zinszahlung nur gegen Vorlage des Coupons versprochen wird.372 Sind die Zinsscheine als Inhaberschuldverschreibungen ausgestaltet, gelten die Vorschriften der §§ 793 ff. BGB, daneben sind die Sondervorschriften der §§ 803–805 BGB zu beachten.373 Jeder Zinsschein verbrieft einen eigenständigen Zinsanspruch.374 Wird für die Begründung des Dauerschuldcharakters auf die wiederkehrende Zinszahlungspflicht abgestellt, bleibt fraglich, wie bei Verbriefung dieser Verpflichtung in einem eigenständigen Wertpapier der Dauerschuldcharakter der „Haupt“-Schuldverschreibung zu erklären ist. Für Schuldverschreibungen, bei denen der Aussteller zwar keine Zinszahlungen, aber – wie z. B. bei Genussscheinen – andere „wiederkehrende“ Leistungen verspricht, ist die Struktur von Schuldverschreibungen als Forderungen zu berücksichtigen. Mit Ausstellung und Begebung der Urkunde muss die vom Teilschuldverschreibungsschuldner versprochene Leistung feststehen, mag sie auch von externen Faktoren abhängen und inhaltlich insoweit noch unbestimmt sein. In zeitlicher Hinsicht ist das Leistungsversprechen aber abschließend und muss es abschließend sein, wenn man nicht – entgegen der hier vertretenen Auffassung – davon ausgehen möchte, dass aus der Schuldverschreibung ständig neue Leistungspflichten entstehen können. Weil die verbriefte Forderung als solche richtigerweise mit Ausstellung und Begebung der Urkunde feststeht und feststehen muss, hat der Faktor Zeit keinen Einfluss auf den Umfang der geschuldeten Leistung. Nach hier vertretener Auffassung können entweder mehrere Forderungen verbrieft werden oder die Urkunde beinhaltet eine Forderung, 369  Lenenbach, Rn. 2.64; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 176; zu Zinsscheinen siehe auch Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 1 ff.; zur Möglichkeit der Ausgabe von Zinsscheinen und anderen Nebenpapieren vgl. auch: Marburger, in: Staudinger, § 803, Rn. 1 ff., 11 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 52 ff.; Hueck/Canaris, S. 211 f.; vgl. auch bereits oben 2. Teil A I 3 a) bb) (1); vgl. zur Verjährung von in der Haupturkunde verbrieften Zinsansprüchen BGH NJW 2016, 2806, 2807 f. (Rz. 9 ff.); dazu Grüneberg, WM 2016, 1621, 1624; von Livonius, EWiR 2016, S. 583 f. 370  Marburger, in: Staudinger, § 803, Rn. 1; Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 2. 371  Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 2; vgl. auch BGH NZG 2009, 474, 477 (Rz. 29). 372  Marburger, in: Staudinger, § 803, Rn. 1; vgl. auch Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 5, 12. 373  Marburger, in: Staudinger, § 803, Rn. 3; vgl. auch Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 5. 374 Vgl. Alfes/Eulenburg, in: jurisPK‑BGB, § 803, Rn. 1, 12.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

die sukzessive fällig wird. Im letzteren Fall tritt die Fälligkeit ratenweise ein und es erfolgt eine ratenweise Erfüllung eines einheitlichen schuldrechtlichen Anspruchs. Insoweit müsste das in einer Schuldverschreibung verbriefte Recht eher mit einem Raten- oder Teillieferungsvertrag bzw. mit der durch diesen Vertrag begründeten Forderung verglichen werden. Raten- oder Teillieferungsverträge zählen nicht zu den Dauerschuldverhältnissen i. S. d. § 314 BGB, weil die Gesamtmenge der geschuldeten Leistung von Anfang an bestimmt ist und das Zeitmoment für den Umfang der Leistungspflicht keine Bedeutung hat.375

f) Ergebnis Zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Teilschuldverschreibungsgläubiger besteht eine Forderungsbeziehung. Diese Rechtsbeziehung ist nicht als Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB zu qualifizieren.

IV. Zusammenfassung Schuldverschreibungen verbriefen (i. d. R. abstrakte) Forderungen, keine Vertragsverhältnisse und keine anspruchserzeugenden Stammrechte. Zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger besteht kein vertragliches derivatives Schuldverhältnis i. w. S. Ein besonderes Anleiheschuldverhältnis eigener Art existiert nicht. Es existiert auch kein Schuldverhältnis i. w. S. zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger ist nicht als (vertragliches) Dauerschuldverhältnis i. S. d. § 314 BGB zu qualifizieren. Anleihebedingungen sind keine AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB. Eine Inhaltskontrolle der Anleihebedingungen anhand der §§ 307 ff. BGB findet nicht statt.

B.  Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB Nachdem die Rechtsbeziehungen zwischen dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner identifiziert worden sind, stellt sich die Frage, wie die Rechtsbeziehungen zwischen dem 375  Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 8; Weth, in: jurisPK‑BGB, § 314, Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, § 314, Rn. 2, vgl. auch Überbl v § 311, Rn. 27; Hohloch, in: Erman, (13. Auflage 2011) § 314, Rn. 14; vgl. auch Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 562 f.



B.  Rechtsbeziehungen im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB

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Teilschuldverschreibungsschuldner und sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern mit Blick auf die §§ 420 ff. BGB einzuordnen sind. Die §§ 420 ff. BGB betreffen in erster Linie die Beziehungen mehrerer Gläubiger zum gemeinsamen Schuldner, es wird auch der Terminus Außenverhältnis verwendet.376 Von diesem Außenverhältnis ist das Verhältnis zwischen den Gläubigern – das Innenverhältnis – zu unterscheiden.377 Vereinzelt enthalten die §§ 420 ff. BGB auch Regelungen zu diesem Innenverhältnis, beispielsweise § 430 BGB.378

I. Meinungsstand Die Einordnung der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB wird im Schrifttum einheitlich abgelehnt, da die einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht berechtigt sind, den Gesamtbetrag der Emission zu verlangen, sondern nur den Betrag ihrer Teilschuldverschreibung.379 Teilweise werden die Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB qualifiziert.380 Die einzelnen Teilschuldverschreibungen als selbstständige Schuldverhältnisse i. e. S. beruhten auf der Anleihe als einheitlichem Schuldverhältnis i. w. S.381 Die Anleihe bzw. ihr Gesamtbetrag 376  Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 241 f.; Rütten, S. 42; Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 4 f.; zwischen dem Außenverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern einerseits und dem Innenverhältnis zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern andererseits differenziert auch Schmidtbleicher, S. 323 ff. (zum Außenverhältnis), S. 354 ff. (zum Innenverhältnis). 377  Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 241 f.; Rütten, S. 42; Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 4, 6; vgl. zur Differenzierung zwischen Innenund Außenverhältnis auch Böttcher, in: Erman, Vor § 420, Rn. 1, § 420, Rn. 7; zu den Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern ausführlich unter 2. Teil C. 378  Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 4, 6; siehe auch Böttcher, in: Erman, § 420, Rn. 7. 379  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 16; Moser, S. 118 f.; gegen die Einordnung als Gesamtgläubiger auch: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 4; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 22; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 42; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 46; Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2607; Cagalj, S. 105; Simon, S. 213. 380  Schmidtbleicher, S. 323 ff. (für die Rechtslage ohne SchVG); Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 17 f., allerdings mit Modifikationen mit Blick auf die (dispositive) Rechtsfolge der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte („Rechtsform sui generis schuldrechtlichen Charakters“); Grünewald, S. 222; auch Eidenmüller, in: MüKoInsO, § 222, Rn. 30, 97, qualifiziert die Gläubiger einer Anleihe als Teilgläubiger; für die Einordnung als Teilgläubiger wohl auch M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1804 Fn. 83. 381  Schmidtbleicher, S. 323 f.; insoweit zustimmend Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 42, die die Einordnung als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB aber ablehnen, weil die Teilschuldverschreibungsgläubiger ihre Schuldverschreibungen einzeln kündigen können; ebenso Moser, S. 119.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

sei die einheitliche teilbare Leistung i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB.382 Die Teilschuldverschreibungen einer Emission bildeten aus Perspektive des Emittenten, nach der Interessenlage der Anleihegläubiger sowie nach der Verkehrsanschauung eine Einheit:383 Das vom Emittenten benötigte Fremdkapital werde auf viele gleichlautende Forderungen aufgeteilt. Die einzelnen Forderungen entstünden zum gleichen Zeitpunkt, unterlägen den gleichen Bedingungen und würden zum gleichen Zeitpunkt fällig. In der Bilanz bildeten sie eine einheitliche Passivposition und eben keine bloß kumulierten, gleichlautenden Einzelforderungen. Die gleichlautenden Anleihebedingungen vereinheitlichten nicht lediglich den Inhalt vieler andernfalls unverbundener Geschäfte, sie stifteten vielmehr die inhaltliche Einheit der verbundenen Geschäfte.384 Der einheitliche Finanzierungsbeitrag, der die Anleihe wirtschaftlich wie ein Großdarlehen wirken lasse, sei das Ziel jeder Anleiheemission.385 Die Anleger hätten auch ein Interesse daran, die einzelnen Forderungen als Teilforderungen einer einheitlichen Gesamtleistung anzusehen, weil die Anleger erstens ein Interesse an der Fungibilität ihrer Forderungen hätten und zweitens die Zusammenfassung aller Teilschuldverschreibungsgläubiger zu einer Einheit ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner stärke.386 Überwiegend werden die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission dagegen als Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche eingeordnet.387 Eine Teilgläubigerschaft scheide aus, weil die Teilschuldverschreibungsgläubiger ihre Schuldverschreibungen isoliert kündigen könnten, bei der Teilgläubigerschaft dagegen der Grundsatz der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte betreffend das einheitliche Schuldverhältnis388 gelte.389

382 

Schmidtbleicher, S. 324. Schmidtbleicher, S. 324 ff.; so auch Grünewald, S. 222 („wirtschaftliche Gesamtheit“). 384  Schmidtbleicher, S. 326. 385  Schmidtbleicher, S. 326. 386  Schmidtbleicher, S. 326 ff. 387  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 22; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 42; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 46; Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2607; Moser, S. 118 f.; Cagalj, S. 105 f.; Reps, S. 38. 388  Schmidtbleicher, S. 330 ff., folgert aus den §§ 351, 441 Abs. 2, 461, 472, 638 Abs. 2 BGB den Grundsatz der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte bei der Teilgläubigerschaft; zur gemeinsamen Ausübung von Gestaltungsrechten betreffend das gemeinsame Schuldverhältnis i. w. S. vgl. auch: Böttcher, in: Erman, § 420, Rn. 6; Gebauer, in: Soergel, § 420, Rn. 12; Rütten, S. 38 ff., der die einheitliche Ausübung von Gestaltungsrechten betreffend das zugrundliegende Schuldverhältnis i. w. S. indes nicht für denknotwendig hält; zur einheitlichen Ausübung des Rücktrittsrechts durch die Teilgläubiger siehe auch: Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 239; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 51 f.; Bydlinski, in: MüKoBGB, § 420, Rn. 16; Medicus, JuS 1980, 697, 703. 389  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 42; Simon, S. 211; Cagalj, S. 105 f.; Moser, S. 119. 383 



B.  Rechtsbeziehungen im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB

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II.  Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind keine Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB. Die einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger sind lediglich Inhaber einer Forderung auf den in der Teilschuldverschreibung ausgewiesenen Betrag. Sie können nicht den gesamten Emissionsbetrag – dieser käme allein als „ganze“ Leistung i. S. d. § 428 BGB in Betracht – fordern, und zwar weder an sich allein noch an alle Teilschuldverschreibungsgläubiger gemeinschaftlich, weshalb – abgesehen von der fehlenden Unteilbarkeit der Leistung – auch eine Einordnung als Gläubigermehrheit i. S. v. § 432 BGB ausscheiden muss. Fraglich ist, ob die Teilschuldverschreibungsgläubiger Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB oder lediglich nebeneinanderstehende Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche sind. Der im Schrifttum gegen die Einordnung als Teilgläubiger vorgebrachte Einwand der individuellen Kündigungsmöglichkeit verfängt jedenfalls nicht. Erstens ist – wie Friedl/Schmidtbleicher zutreffend entgegnen – die Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte betreffend das den Teilforderungen zugrundeliegende einheitliche Schuldverhältnis i. w. S. nicht Voraussetzung, sondern (dispositive) Rechtsfolge der Teilgläubigerschaft.390 Und zweitens ist die Kündigung einer Teilschuldverschreibung auch kein auf ein – ohnehin nicht existierendes391 – einheitliches Schuldverhältnis i. w. S. einwirkendes Gestaltungsrecht, sondern bewirkt als Fälligkeitskündigung i. S. e. forderungsbezogenen Gestaltungsrechts lediglich die Fälligstellung der verbrieften Forderung.392 Entscheidend ist, ob die Voraussetzungen der Teilgläubigerschaft erfüllt sind. Neben der Teilbarkeit393 der (Gesamt-)Leistung394 setzt die Teilgläubigerschaft 390 

Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 18. Vgl. hierzu oben 2. Teil A I. 392  So auch Schmidtbleicher, S. 340, der in diesem Zusammenhang auf die Terminologie im englischen und US-amerikanischen Recht, wo der Begriff acceleration verwendet wird, hinweist; Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 412; vgl. auch BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18; zustimmend: Moser, NZI 2016, 470; Veranneman, NJW 2016, 1178; Vogel, ZBB 2016, 179, 184; vgl. ferner LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1076 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); vgl. aber auch Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 109 f., der die Kündigung i. S. e. einseitigen Vertragsbeendigung interpretiert; vgl. auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 94 („durch Kündigung zu beendenden Schuldverhältnissen“ [Hervorhebung durch die Verf.]); zur Kündigung von Schuldverschreibungen vgl. ausführlich unten 3. Teil, insbes. A und B. 393  Zur Teilbarkeit der Leistung: Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 239 ff.; Rütten, S. 5 ff.; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 10 ff.; Bydlinski, in: MüKoBGB, § 420, Rn. 4 f.; Gebauer, in: Soergel, § 420, Rn. 2 ff.; vgl. auch die Beispiele bei Medicus, JuS 1980, 687, 699 ff.; Hadding, in: FS Canaris, Bd. I, S. 379, 382 f. 394  Bei den §§ 420 ff. BGB geht es nicht um die Teilbarkeit oder Unteilbarkeit einer Forderung, sondern um die Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Leistung. Bei den Gläubigermehrheiten i. S. d. §§ 420 ff. BGB bestehen stets mehrere, selbstständige Forderungen nach Anzahl der beteiligten Gläubiger. Hierin ist auch der Unterschied zur Bruchteilsgemeinschaft an einer Forderung zu sehen, vgl. Hadding, in: FS Canaris, Bd. I, S, 379, 382 ff., 397 f.; ungenau daher 391 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

ein einheitliches Schuldverhältnis voraus.395 Die Teilforderungen müssen auf demselben Rechtsgrund beruhen. Durch diesen einheitlichen Rechtsgrund, der die einzelnen selbstständigen Teilforderungen396 zu einer Einheit verbindet, soll sich die Teilgläubigerschaft von nebeneinanderstehenden unverbundenen Einzelgläubigern unterscheiden.397 Für letztere wird auch der Begriff der ­kumulativen Gläubigerschaft verwendet.398 Die erste Voraussetzung, die Teilbarkeit der Leistung, ist erfüllt, wenn der Gesamtemissionsbetrag als Gesamtleistung angesehen wird. Fraglich ist aber, ob dieser eine einheitliche Gesamtleistung bildet, ob es sich bei den einzelnen, selbstständigen Forderungsrechten also um eine Einheit handelt. Es gilt zu klären, ob ein einheitliches Schuldverhältnis – also eine einheitliche Rechtsgrundlage, ein einheitlicher Rechtsgrund – vorliegt. Welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit die einzelnen selbstständigen Forderungsrechte eine Einheit bilden, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird gefordert, dass den Forderungen ein und dasselbe Schuldverhältnis zugrunde liegt.399 Von anderer Stelle wird auf den „gemeinsamen Entstehungsgrund“ hingewiesen.400 Nach anderer Ansicht müssen die einzelnen Teilschuldverhältnisse nicht auf einem einheitlichen Vertrag beruhen, es genüge, dass ein gemeinsamer Rechtsgrund besteht, wobei ausreichend sei, dass die Rechtsgeschäfte so aufeinander bezoBydlinski, in: MüKoBGB, Vorbemerkung §§ 420 ff., Rn. 10 („teilbare Forderung“); Medicus, JuS 1980, 697, 698; Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 239 („Die Teilbarkeit der Forderung“). 395  Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 238 ff.; Rütten, S. 32 ff.; Bydlinski, in: MüKoBGB, § 420, Rn. 3 f.; Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 80 f., § 420, Rn. 2 ff. 396 Zur Selbstständigkeit der einzelnen Teilforderungen vgl.: Grüneberg, in: Palandt, Überbl v § 420, Rn. 1; Böttcher, in: Erman, § 420, Rn. 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 620 f.; Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 80, § 420, Rn. 2; vgl. auch Rütten, S. 32: „Für jedes der Teilverhältnisse gelten die Regeln des Einzelschuldverhältnisses.“ 397  Rütten, S. 32 ff.; Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 86, § 420, Rn. 2, 6; vgl. auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 620 f., vgl. auch Fn. 1a; Böttcher, in: Erman, Vor § 420, Rn. 7, sieht die Teilgläubigerschaft sogar als Unterfall der kumulativen Gläubigerschaft an, mit der Besonderheit, dass die Forderungen auf demselben Schuldverhältnis beruhen; auch Gebauer, in: Soergel, Vor § 420, Rn. 2, sieht die Teilgläubigerschaft als Unterfall der kumulativen Gläubigerschaft an. 398  Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 237; Looschelders, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 420–432, Rn. 86; Böttcher, in: Erman, Vor § 420, Rn. 7; vgl. auch Bydlinski, in: MüKoBGB, Vorbemerkung §§ 420 ff., Rn. 9. 399  Bydlinski, in: MüKoBGB, § 420, Rn. 3; vgl. auch Böttcher, in: Erman, Vor § 420, Rn. 7, der verlangt, „dass die Forderungen auf demselben Schuldverhältnis beruhen“; Langenfeld, S. 30. 400  Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 239, vgl. aber auch S. 238 („Die Forderungen mehrerer Gläubiger erweisen sich als Teilforderungen, wenn sie dasselbe Interesse, das zumindest für den Schuldner eine Einheit bildet, in Teilen decken.“); vgl. auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 621 („ihre gemeinsame Entstehung aus demselben Vertrag“).



B.  Rechtsbeziehungen im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB

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gen sind, dass sie nach dem Willen sämtlicher Parteien eine Einheit bilden.401 Nach dieser Ansicht können für die Frage, ob ein einheitlicher Rechtsgrund vorliegt, die Grundsätze des § 139 BGB herangezogen werden.402 Der Terminus „Rechtsgrund“ dürfe nicht formal verstanden werden und die Teilschuldverhältnisse müssten auch nicht uno actu begründet werden.403 Entscheidend sei, dass die Einzelteile so aufeinander bezogen sind, dass sie ein Ganzes bilden.404 Letztlich ist nach dieser Auffassung also eine normative Betrachtung vorzunehmen. Für die Beantwortung der Frage, wann einzelne, selbstständige Forderungen eine (normative) Einheit bilden, werden wiederum unterschiedlich Maßstäbe angesetzt. So wird vertreten, dass es ausreiche, wenn die einzelnen Forderungen aus Sicht des Schuldners eine Einheit bilden.405 Nach anderer Auffassung ist auf die Interessen sämtlicher Beteiligter – also des Schuldners und sämtlicher Gläubiger – abzustellen.406

1.  Kein zugrundeliegendes einheitliches Schuldverhältnis i. w. S. Ist für die Annahme einer einheitlichen Gesamtleistung zu fordern, dass sämtlichen Teilforderungen dasselbe Schuldverhältnis (i. w. S.) zugrunde liegt, diese also aus demselben Schuldverhältnis (i. w. S.) herrühren, muss die Qualifizierung der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilgläubiger verneint werden. Ein einheitliches Schuldverhältnis i. w. S., aus dem die verbrieften Forderungen herrühren, existiert nicht.407 Welches Rechtsverhältnis mit dem Begriff der „Anleihe“ gemeint sein soll, bleibt unklar. Der Übernahmevertrag scheidet als gemeinsames Schuldverhältnis aus, da die verbrieften Forderungen nicht aus diesem Vertrag stammen. Auch der Begebungsvertrag muss – selbst wenn davon ausgegangen wird, dass nur ein Begebungsvertrag erforderlich ist und nicht für jede zu begründende Forderung ein eigenständiger Begebungsvertrag geschlossen werden muss408 – ausscheiden, da sich seine Funktion allein in der Rechtsbegründung der verbrieften Forderungen erschöpft und er daher eine inhaltliche Einheit der einzelnen Leistungsversprechen nicht zu stiften vermag. Der Begebungsvertrag ist überhaupt nicht auf eine Leistung oder ein Leis401  Rütten, S. 32 ff.; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 2 ff., insbes. Rn. 5 f.; Schmidt‑ bleicher, S. 324 f. 402  Rütten, S. 34; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 6; Schmidtbleicher, S. 324. 403  Rütten, S. 34; Schmidtbleicher, S. 324. 404  Rütten, S. 34, vgl. aber auch S. 36 („§§ 420 ff. BGB sind Vorschriften für die Beteiligung mehrerer an einem Schuldverhältnis. […] es ist nicht umgekehrt so, daß, wenn mehreren eine in irgendeinem Sinne einheitliche Leistung geschuldet wird, daraus die Einheitlichkeit des Schuldverhältnisses folgen würde.“); Schmidtbleicher, S. 324. 405  Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 238; vgl. auch Bydlinski, in: MüKoBGB, § 420, Rn. 4. 406  Rütten, S. 34; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 5 f. 407  Vgl. oben 2. Teil A I. 408  Dies ist eine dogmatisch interessante, aber an dieser Stelle nicht zu vertiefende Frage.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

tungsinteresse, sondern allein auf die Begründung der verbrieften Forderung gerichtet. Die verbriefte Forderung ist nicht Anspruch aus dem Begebungsvertrag, sondern vielmehr Objekt des Begebungsvertrages.409 Die einzelnen Teilschuldverschreibungen entstehen auch nicht durch Aufspaltung einer vormals einheitlichen Gesamtforderung.410 Wenn ein einheitlicher Entstehungsgrund i. S. e. einheitlichen Schuldverhältnisses Voraussetzung für die Teilgläubigerschaft ist, müsste eine Einordnung als Teilgläubiger zudem im Fall sukzessiver Emissionen411 oder späteren Erhöhungen (sog. Aufstockungen)412 ausscheiden.

2.  Normative Betrachtung Nur wenn das Erfordernis der einheitlichen Gesamtleistung nicht i. S. e. einheitlichen rechtlichen Entstehungsgrundes zu verstehen ist, sondern auch eine normative Einheit ausreicht, können die Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB eingeordnet werden. Fraglich ist, ob eine solche normative Einheit gegeben ist. Der Umstand, dass es dem Emittenten um die Aufnahme des Gesamtemissonsbetrages geht, spricht in der Tat dafür, sämtliche Teilschuldverschreibungen einer Emission als Einheit zu werten. Auch für die Anleger ist erkennbar, dass die von ihnen erworbene Forderung Teil einer Gesamtemission ist und auch das Gesamtemissionsvolumen wird ihnen regelmäßig mitgeteilt werden oder jedenfalls erkennbar sein. Die Begebung der verbrieften Forderungen stellt in ihrer Gesamtheit auch die Erfüllung der im Übernahmevertrag übernommenen einheitlichen Verbindlichkeit des Emittenten gegenüber den emissionsbegleitenden Kreditinstituten dar oder ist – bei Qualifizierung des Übernahmevertrages als Darlehensvertrag – als Leistung an Erfüllungs statt einzuordnen. Die Teilschuldverschreibungen treten also gewissermaßen an die Stelle der einheitlichen Leistung aus dem Übernahmevertrag. 409 

Vgl. oben 2. Teil A I 4 b). Zur Entstehung der Teilgläubigerschaft durch Teilabtretung: Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 242 f.; Rütten, S. 35; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 24. 411  Vgl. dazu Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 118. 412  Vgl. zu nachträglichen Erhöhungen der Emission Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116, 118 ff. Gelten für die verschiedenen Tranchen ab dem Zeitpunkt ihres zeitlichen Gleichlaufs die gleichen Bedingungen, sind sie inhaltsgleich i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG und bilden diese gemeinsam eine Gesamtemission, vgl: Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 9; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116, 119 ff.; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 31 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 13; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 53; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 22; a. A. Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 50. 410 



B.  Rechtsbeziehungen im Hinblick auf die §§ 420 ff. BGB

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Dass sowohl der Teilschuldverschreibungsschuldner als auch die Teilschuldverschreibungsgläubiger ein Interesse an der Einheitlichkeit (und dem Fortbestand der Einheitlichkeit) der Anleihebedingungen haben,413 belegt hingegen nicht, dass es sich bei den verbrieften Forderungen um Teilleistungen einer einheitlichen Gesamtleistung handelt. Bei der Teilgläubigerschaft sind die Teilgläubiger Inhaber selbstständiger Forderungen und können über diese frei verfügen.414 Teilgläubiger sind im Verhältnis zum Schuldner und hinsichtlich der Verfügungsmöglichkeit über ihre Forderung gestellt wie Einzelgläubiger, also in keiner Weise gebunden.415 Es steht dem einzelnen Teilgläubiger folglich frei, den Inhalt seiner Forderung im Einvernehmen mit dem Schuldner zu verändern. Ein Verbot bilateraler Änderungen der Anleihebedingungen folgt aus der Teilgläubigerschaft somit nicht.416 Lediglich über das den Teilforderungen zugrunde liegende einheitliche Schuldverhältnis i. w. S. können die Teilgläubiger bei vertraglich begründeter Teilgläubigerschaft nur gemeinsam verfügen bzw. Gestaltungsrechte, die dieses Schuldverhältnis berühren, nur gemeinsam ausüben.417 Ein solches einheitliches Schuldverhältnis i. w. S. fehlt bei Teilschuldverschreibungen – auch der Umstand, dass die Teilschuldverschreibungen identisch ausgestaltet oder sogar normativ als einheitliche Gesamtleistung i. S. v. § 420 Alt. 2 BGB anzusehen sind, begründet ein solches Schuldverhältnis nicht418. Auch kann – wie später noch dargelegt werden wird – die Änderung der Anleihebedingungen nicht als mehrseitiges, auf ein solches – ohnehin nicht existierendes –Schuldverhältnis i. w. S. einwirkendes Gestaltungsrecht qualifiziert werden.419 Die bilaterale 413 So

Schmidtbleicher, S. 325, 327. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 621. 415  Rütten, S. 48. 416  A. A. Schmidtbleicher, S. 329 ff., insbes. S. 344 ff. 417 Vgl. Böttcher, in: Erman, § 420, Rn. 6; Gebauer, in: Soergel, § 420, Rn. 12; Rütten, S. 38 ff., der die einheitliche Ausübung von Gestaltungsrechten betreffend das zugrundliegende Schuldverhältnis i. w. S. indes nicht für denknotwendig hält; zur einheitlichen Ausübung des Rücktrittsrechts durch die Teilgläubiger siehe auch Selb, Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, S. 239; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 51 f.; Bydlinski, in: MüKoBGB, § 420, Rn. 16; Medicus, JuS 1980, 697, 703; Schmidtbleicher, S. 330 ff., folgert aus den §§ 351, 441 Abs. 2, 461, 472, 638 Abs. 2 BGB den Grundsatz der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte bei der Teilgläubigerschaft. 418 Hiervon scheint aber Schmidtbleicher, S. 328 ff., auszugehen, vgl. auch S. 8 („Die Anleihe in der Form ihrer Anleihebedingungen ist das einheitliche Schuldverhältnis i. w. S., aus dem die Teilleistungen entspringen.“) sowie S. 323 („Die Anleihe als mehrseitiges Schuldverhältnis ist ein Paradebeispiel für das ‚Zusammenwirken mehrerer am jeweiligen Ende des zweipoligen Obligationsbands‘.“). Letztlich folgert Schmidtbleicher also aus der bloß normativen oder wirtschaftlichen Einheit der Teilschuldverschreibungen ein „echtes“ Schuldverhältnis i. w. S. (zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner). 419 Zur Einordnung der Änderung der Anleihebedingungen als mehrseitiges auf die Anleihe als Schuldverhältnis i. w. S. einwirkendes Gestaltungsrecht siehe Schmidtbleicher, S. 344 ff.; zur Kritik vgl. unten 2. Teil C II 2 a) cc). 414 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Änderung der Anleihebedingungen stellt lediglich eine Veränderung der betroffenen Forderung dar.420 Die normative Einordnung als Teilgläubiger bleibt letztlich angreifbar, denn sie ist eben nur normativ. Insgesamt erscheint es überzeugender, die Teilschuldverschreibungsgläubiger als Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche anzusehen und nicht als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB. Einer abschließenden Beantwortung der Frage, ob sämtliche Teilschuldverschreibungen einer Emission bei normativer Betrachtung eine einheitliche Gesamtleistung bilden und die Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB zu qualifizieren sind, bedarf es für diese Untersuchung allerdings insofern nicht, als die Einordnung der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilgläubiger keinerlei Auswirkungen hätte.421 Denn die Einordnung als Teilgläubiger begründet nicht automatisch ein bestimmtes Innenverhältnis zwischen den einzelnen Gläubigern.422 Es können aus der Teilgläubigerschaft keine Rückschlüsse auf das Verhältnis der Teilgläubiger untereinander gezogen werden. Und selbst wenn zwischen Teilgläubigern stets eine Bruchteilsgemeinschaft an den gemeinsamen Gestaltungsrechten betreffend das gemeinsame Schuldverhältnis i. w. S. bestünde,423 ist für Teilschuldverschreibungen zu beachten, dass ein solches gemeinsames Schuldverhältnis i. w. S. gerade nicht existiert.

3. Zusammenfassung Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind weder Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB noch liegt eine Gläubigermehrheit i. S. v. § 432 BGB vor. Die Einordnung als Teilgläubiger i. S. v. § 420 Alt. 2 BGB ließe sich allenfalls normativ begründen und hätte – jedenfalls für die hier zu untersuchenden Fragestellungen – keinerlei Auswirkungen. Richtigerweise sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche.

C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger Bisher ist nicht abschließend geklärt, ob zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern Rechtsbeziehungen bestehen und wenn ja, welcher Rechtsnatur diese sind. Dass es sich hierbei nicht nur um Fragen von rein akademischem In420 

Vgl. auch unten 2. Teil C I 2 sowie II 2 a) cc). Vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4, Rn. 13. 422  Rütten, S. 36, 42 ff.; Looschelders, in: Staudinger, § 420, Rn. 59 f.; Böttcher, in: Erman, § 420, Rn. 7; Langenfeld, S. 30 ff. 423  Vgl. zur partiellen Bruchteilsgemeinschaft der Teilgläubiger an den unteilbaren Gestaltungsrechten betreffend das gemeinsame Schuldverhältnis i. w. S. Schmidtbleicher, S. 354 ff.; vgl. auch Weitnauer, in: FS Hauß, S. 373, 378 f., der für das Innenverhältnis bei Gesamtgläubigern die Regeln über die Gemeinschaft nach Bruchteilen anwenden möchte. 421 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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teresse handelt, sondern ihnen auch praktische Bedeutung zukommt, zeigt sich exemplarisch an der Frage nach etwaigen Kooperationspflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern oder an der Frage nach einer möglichen erga omnes Wirkung von die Anleihebedingungen verändernden Gerichtsentscheidungen. Letzteres wäre mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur denkbar, wenn ein einzelner Gläubiger berechtigt wäre, namens der Gläubigergesamtheit im Wege einer „actio pro creditores“424 Klage zu erheben. Dies wiederum würde voraussetzen, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger in ähnlicher Weise wie die Gesellschafter einer BGB‑Gesellschaft425 oder die Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft426 vergemeinschaftet sind.427 Auch für die Fragen, ob die Regelungen des SchVG abschließend sind, und, wie ggf. bestehende Lücken zu schließen wären, ist die dogmatische Einordnung der §§ 4 ff. SchVG von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass die Rechtsprechung – die bei der Frage, ob ein wichtiger Grund i. S. d. § 314 BGB vorliegt, dem kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger abverlangt428 und damit letztlich Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern annimmt429 – es unterlässt, sich mit etwaigen Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern oder der Rechtsnatur der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu beschäftigen.430 Die Regelungen des § 4 S. 1 SchVG sowie der §§ 5 ff. SchVG sollen im Folgenden betrachtet und dogmatisch eingeordnet werden. Zunächst ist hierzu die in § 4 S. 1 SchVG normierte kollektive Bindung, die vielfach als Grundlage 424 

Diese Terminologie ist angelehnt an Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 39. gesellschaftsrechtlichen Institut der actio pro socio: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV; Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 204 ff. 426  Den Teilhabern einer Gemeinschaft nach Bruchteilen verleiht § 744 Abs. 2 BGB eine Prozessführungsbefugnis, wenn die Prozessführung eine notwendige Erhaltungsmaßnahme darstellt, vgl. zu den Rechtsfolgen des § 744 Abs. 2 BGB: K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 745, Rn. 44 ff., zur Prozessführungsbefugnis vgl. Rn. 47; Sprau, in: Palandt, § 744, Rn. 3. 427  So auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 39. 428  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 98 ff., insbes. 104 ff.; bestätigt durch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 38 ff. 429  Vgl. auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 646: „Es handelt sich um einen neuen Typus von Kooperationspflichten zwischen Gläubigern, die dogmatisch etwa künstlich durch das allgemeine Verbot der Kündigung zur Unzeit durchgesetzt werden.“ 430 Kritisch auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 646  f.: „Die dogmatisch durchgebildeten Ansätze in der Literatur, welche das Anleihepublikum als eine durch Treue- oder Kooperationspflichten verbundene Gruppe inszenieren, lassen die Entscheidungen unbeachtet.“ A. A. Vogel, ZBB 2016, 179, 190, der den Rückgriff auf „de lege lata nicht bestehende und daher im Wege der Rechtsfortbildung erst zu schaffende gesellschafterähnliche Treuepflichten unter Anleihegläubigern“ nicht für erforderlich hält. 425  Zum

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

einer Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger angesehen wird, in den Blick zu nehmen.

I.  Inhalt, sachliche Reichweite und Funktion der kollektiven Bindung 1.  Inhalt der kollektiven Bindung § 4 S. 1 SchVG statuiert den Grundsatz der kollektiven Bindung. Dieser besagt, dass rechtsgeschäftliche Änderungen der Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe nur durch gleichlautenden Vertrag431 mit sämtlichen Gläubigern oder durch Mehrheitsbeschluss nach den §§ 5 ff. SchVG herbeigeführt werden können. Die kollektive Bindung verbietet somit bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen durch einen Vertrag eines einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner.432 Die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, besteht indes nur, wenn dies in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. Der Teilschuldverschreibungsschuldner muss bei Ausgestaltung der Anleihebedingungen dafür optieren (sog. Opt-In), vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG. Obwohl in § 4 S. 1 SchVG nicht ausdrücklich erwähnt, bedarf es neben dem die Zustimmung sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger ersetzenden Mehrheitsbeschluss auch der Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners zur Änderung der Anleihebedingungen.433 Dies folgt aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen:434 Die vertragliche Änderung der Anleihebedingungen führt zu einer inhaltlichen Änderung des verbrieften Forderungsrechts und stellt damit eine Verfügung435 über das in der Schuldverschreibung verbriefte 431  Zu den Modalitäten des Vertragsschlusses: Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 28; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 40; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 19, die davon ausgehen, dass es einer „allseitigen Vereinbarung über die Änderung der Anleihebedingungen zwischen dem Emittenten und sämtlichen Gläubigern“ bedarf; a. A. Liebenow, S. 125 („simultane parallele Einzeländerungen“). 432  Liebenow, S. 125. 433  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 2, § 5 SchVG, Rn. 59; Röh/Dörfler, in: Preuße SchVG, § 4, Rn. 32; Oulds, in: Veranneman SchVG, § 4, Rn. 3; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 42; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 27; vgl. auch Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 71; a. A. M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1802, der davon ausgeht, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner mit dem Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG bereits sein Einverständnis zur Änderung der Anleihebedingungen erteilt hat. 434  So auch Oulds, in: Veranneman SchVG, § 4, Rn. 3; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 8, 42. 435  Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, durch das auf ein bereits bestehendes Recht eingewirkt wird, indem es aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich geändert wird, Bork, BGB AT, Rn. 450.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Recht dar. Die Verfügungsbefugnis, also die Rechtsmacht, über ein Recht zu verfügen, steht grundsätzlich dem Inhaber des betroffenen Rechts zu.436 Über ein Rechtsverhältnis können dagegen nur die an ihm Beteiligten gemeinsam verfügen.437 Zwischen dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner besteht eine Forderungsbeziehung, ein Schuldverhältnis i. e. S.438 Sie sind die am Schuldverhältnis i. e. S. Beteiligten und damit grundsätzlich zur Verfügung über den Inhalt der verbrieften Forderung befugt.

2.  Sachliche Reichweite der kollektiven Bindung Die kollektive Bindung bezieht sich allein auf die Einheitlichkeit der Anleihebedingungen.439 Ausschließlich schuldrechtlich – mangels eines die Änderung der Anleihebedingungen verlautbarenden Skripturaktes also nicht wertpapierrechtlich – wirkende bilaterale Vereinbarungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern werden durch den Grundsatz der kollektiven Bindung nicht ausgeschlossen.440 Lediglich eine bilaterale Veränderung der Anleihebedingungen ist nicht möglich.441 Auch dem Rückkauf oder dem Umtausch von Schuldverschreibungen durch den Teilschuldverschreibungsschuldner steht § 4 SchVG nicht entgegen.442 Änderungen aufgrund einseitiger, in den Anleihebedingungen vorgesehener Änderungsoptionen des Teilschuldverschreibungsschuldners, der Teilschuldverschreibungsgläubiger oder Dritter sind von § 4 S. 1 SchVG ebenfalls nicht erfasst und bleiben möglich.443 Die Ausübung eines Leistungsbestimmungsoder Änderungsrechts stellt lediglich die Konkretisierung eines in den Anleihebedingungen bereits zuerkannten Gestaltungsspielraums dar.444 Außerdem erfolgt die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts oder eines sonstigen Änderungsrecht durch den Teilschuldverschreibungsschuldner mit Wirkung für 436 

Bork, BGB AT, Rn. 455. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, AT, S. 89; vgl. für Teilschuldverschreibungen auch Siebel, S. 607. 438  Vgl. oben 2. Teil A I. 439  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 9. 440 Vgl. Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 46; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 9; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 481; Schlitt/Schäfer, in: FS MaierReimer, S. 615, 619. 441  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 9. 442  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 65. 443  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 12; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 30; Röh/ Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 17, 21; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 38; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 197. 444  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 30; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 17 m. w. N. 437 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger, sodass keine Beeinträchtigung der Fungibilität droht und damit die Geltung der kollektiven Bindung auch aus teleologischen Gründen445 nicht geboten ist.446 Die kollektive Bindung soll ferner nicht der Korrektur offensichtlicher Fehler – hierzu sind beispielsweise Schreibfehler zu zählen – durch den Emittenten entgegenstehen.447 Nicht gesetzlich geregelt ist, ob durch die kollektive Bindung auch durch gerichtliche Entscheidung herbeigeführte Inhaltsänderungen ausgeschlossen sind bzw. ob einer durch gerichtliche Entscheidung herbeigeführten Inhaltsänderung möglicherweise eine erga-omnes Wirkung für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission zukommt.448 Der Gesetzgeber hat die Beantwortung dieser Fragen ausdrücklich der Rechtwissenschaft und Rechtsprechung überlassen.449 Da die Beantwortung dieser Fragen (auch) von der Rechtsnatur der Teilschuldverschreibungsgläubigergesamtheit abhängt, wird hierauf zurückzukommen sein.450 Ebenfalls fraglich – aber soweit ersichtlich bisher nicht näher problematisiert – ist, ob § 4 S. 1 SchVG auch die individuelle Rechtsmacht zum Abschluss eines Erlassvertrages gem. § 397 Abs. 1 BGB451 einschränkt. Lediglich bei Bliesener/Schneider findet sich ein Hinweis darauf, dass auch diese Rechtsmacht gem. § 4 S. 1 SchVG kollektiviert ist:452 „Eine rechtsgeschäftliche Änderung oder Aufhebung [Hervorhebung durch die Verf.] des durch die Schuldverschreibung begründeten Rechtsverhältnisses ist nur beschränkt möglich.“ Der vollständige Verzicht auf die verbrieften Forderungen kann zwar nicht Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses nach den §§ 5 ff. SchVG sein.453 Allerdings sind Mehrheitsentscheidungen nach den §§ 5 ff. SchVG im Hinblick auf die potentiellen Beschlussgegenstände nicht gleichwertig mit der Zustimmung 445 

Zur Funktion der kollektiven Bindung sogleich unter 2. Teil C I 3. Oulds, in: Veranneman, SchVG, §  4, Rn.  38; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 30; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 197. 447  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 24; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 43; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 55 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 447, 480. 448  Vgl. dazu Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 36 ff.; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 47 ff. 449  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 17. 450  Zur Frage nach der kollektiven Bindung in Bezug auf die Anleihebedingungen ändernde Gerichtsentscheidungen siehe unten 2. Teil C III. 451  Der Erlassvertrag gem. § 397 Abs. 1 BGB führt zum Erlöschen des Schuldverhältnisses i. e. S., also der einzelnen Forderungsbeziehung, vgl. Schlüter, in: MüKoBGB, § 397, Rn. 7; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regeln des allgemeinen Schuldrechts auf das in der Schuldverschreibung verbriefte Recht vgl. Marburger, in: Staudinger, Vor §§ 793–808, Rn. 20. 452  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 2. 453  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 39. 446 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger.454 Sind alle Beteiligten einverstanden, können sie in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB grundsätzlich alles vereinbaren. Aus dem Umstand, dass ein vollständiger Verzicht nicht Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses sein kann, können also keine Rückschlüsse für die Frage, ob auch die Rechtsmacht zum Abschluss eines Erlassvertrages kollektiviert ist, gezogen werden. Dafür, dass dies der Fall ist, spricht allerdings, dass sich § 4 S. 1 SchVG auf die Änderung der Anleihebedingungen bezieht und die Aufhebung einer Forderung als Unterfall ihrer Änderung angesehen werden kann. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist die Frage, ob § 4 S. 1 SchVG auch die Rechtsmacht zum Abschluss eines Erlassvertrages kollektiviert, allerdings nicht weiter relevant und kann daher auch offen bleiben.

3.  Funktion der kollektiven Bindung a) Überblick Der kollektiven Bindung wird im System des SchVG vielfach eine besonders herausragende Bedeutung beigemessen.455 Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt der Zweck der kollektiven Bindung in der Gewährleistung der rechtlich identischen Ausgestaltung der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission und der freien Handelbarkeit zu einem einheitlichen Preis:456 „Ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarktes gefährdet.“457 Die 454  Vgl. auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 27: „Die Möglichkeit der Änderung durch gleichlautenden Vertrag mit allen Gläubigern bezieht sich auf sämtliche Anleihebedingungen, insbesondere auch auf solche, für die eine Änderung durch Mehrheitsbeschluss gem. § 5 Abs. 1 nicht vorgesehen ist.“ 455  Horn, BKR 2009, 446, 448 („Die wichtigste grundsätzliche Norm des Schuldverschreibungsprivatrechts enthält § 4 über die ‚kollektive Bindung‘ der Gläubiger.“); Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 1; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 7 („Sie [die kollektive Bindung] definiert die wohl wichtigste Regel des Schuldverschreibungsprivatrechts […].“); vgl. auch: Moser, S. 107; Welter, in: Soergel, Vor 793, Rn. 22; M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1803. 456  BT‑Drs. 16/12814, S. 17; vgl. auch: Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 4; Friedl/ Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 6; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 11; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 4 SchVG, Rn. 1 f., § 5 SchVG, Rn. 6; Schmidtbleicher, S. 178; Cagalj, S. 100 f.; Leber, S. 224; Schönhaar, S. 59 f.; Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2602; Podewils, DStR 2009, 1914, 1915; Moser, S. 108 f. (m. w. N. in Fn. 351); Liebenow, S. 127 ff., der den Mehrwert der kollektiven Bindung allerdings für begrenzt hält und die Parallele zur AGB-rechtlichen Einbeziehungskontrolle, die in der Gesetzesbegründung hergestellt wird, kritisiert sowie die Bedeutung der kollektiven Bindung im System des SchVG für überbewertet ansieht, vgl. Liebenow, S. 129 ff., insbes. S. 131 ff. sowie sogleich unter 2. Teil C I 3 b). 457  BT‑Drs. 16/12814, S. 17.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Gesetzesbegründung rekurriert dabei auf die Ausführungen einer Entscheidung des BGH zur AGB-rechtlichen Einbeziehungskontrolle von Anleihebedingungen.458 Der kollektiven Bindung wird daher in erster Linie die Funktion der Gewährleistung der Fungibilität und der Umlauffähigkeit der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission beigemessen.459 Darüber hinaus führe die kollektive Bindung zur Koordination der Teilschuldverschreibungsgläubiger „im Hinblick auf deren Rechte und Interessen aus den Schuldverschreibungen“ und beseitige Kollektivhandlungsprobleme, indem sie die „große Gruppe der Anleihegläubiger gegenüber der Emittentin wie eine gedachte einzelne Person, den Single Owner“, erscheinen lasse.460 Ziel der kollektiven Bindung sei ferner, die Begünstigung einzelner Gläubiger zu verhindern.461 Der XI. Zivilsenat des BGH misst der kollektiven Bindung scheinbar auch die Funktion der Förderung vorinsolvenzrechtlicher Sanierungen bei:462 „Das Schuldverschreibungsgesetz, insbesondere seine beiden Kernvorschriften der §§ 4, 5 SchVG, dient dem Ziel, die Gläubiger einer Anleihe in der Krise des Schuldners […] an dessen vorinsolvenzrechtlicher Sanierung gleichmäßig zu beteiligen.“463

b)  Kritik am („anleihefunktionstechnischen“) Mehrwert der kollektiven Bindung Entgegen vieler Stimmen im schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttum hält Liebenow, der die kollektive Bindung auf ihre Wirkung in den Rechtsverhältnissen zwischen den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner reduziert, den („anleihefunktionstechnischen“) Mehrwert der kollektiven Bindung für die Gewährleistung der Fungibilität und für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes für begrenzt:464 Bilaterale Änderungen von Anleihebedingungen beeinträchtigten die Fungibilität der Teilschuldverschreibungen in anderer Weise und in geringerem Maße als eine AGB-rechtliche Einbeziehungskontrolle. Sie verringerten lediglich die Liquidität des Sekundärmarktes, führten aufgrund der erforderlichen wert458 

BGHZ 163, 311 (= BGH NJW 2005, 2917). Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 6; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 11; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 4 SchVG, Rn. 2. 460  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 6; vgl. auch Schmidtbleicher, S. 65 ff.; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 11. 461  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 4; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 4 SchVG, Rn. 18. 462  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris. Rz. 23 f.; kritisch Flor‑ stedt, ZIP 2016, 645, 649. 463  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris. Rz. 24. 464  Liebenow, S. 129 ff., insbes. 131 ff. 459 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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papierrechtlichen Vollziehung der Änderung der Anleihebedingungen aber nicht zu einer Unsicherheit über den Inhalt der Teilschuldverschreibungen. Außerdem seien bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen nicht nur von begrenzter Schädlichkeit, sondern derartige Änderungen seien auch von geringer praktischer Relevanz.465 Die kollektive Bindung erfasse zudem nicht sämtliche sekundärmarktverkleinernden, liquiditätsschädlichen Maßnahmen – der Rückkauf oder der Umtausch von Teilschuldverschreibungen durch den Teilschuldverschreibungsschuldner und die (Einzel-)Kündigung von Teilschuldverschreibungen führten ebenfalls zur Verkleinerung des Sekundärmarktes und würden durch die kollektive Bindung nicht unterbunden – und sei somit lückenhaft.466 Die kollektive Bindung als schuldrechtlich bzw. wertpapierrechtlich wirkende Regelung und das „Anleiheorganisationsrecht“ der §§ 5 ff. SchVG bauten nicht aufeinander auf, sondern stünden nebeneinander.467 Eine (substantielle) anleiheorganisationsrechtliche Wirkung komme § 4 S. 1 SchVG nicht zu. Erst durch die Optierung des Teilschuldverschreibungsschuldners für Mehrheitsbeschlüsse nach den §§ 5 ff. SchVG bei Erstellung der Anleihebedingungen würden die Teilschuldverschreibungsgläubiger „vergemeinschaftet“.468 Auf die Fragen, welche Funktion der kollektiven Bindung zukommt und in welchem Verhältnis sie und die §§ 5 ff. SchVG stehen, wird zurückzukommen sein.469

II.  Dogmatische Einordnung der §§ 4 ff. SchVG 1.  Meinungsstand zur Rechtsnatur des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger Das Meinungsspektrum zur dogmatischen Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist weit: Zwischen der Einordnung als personengesellschaftsrechtlicher Innenverband und der gänzlichen Verneinung eines besonderen Näheverhältnisses der Teilschuldverschreibungsgläubiger finden sich die Einordnung als gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft und – mit unterschiedlichen Nuancen – die Einordnung als Gemeinschaft sui 465 

Liebenow, S. 132 f. Liebenow, S. 133 f., der de lege ferenda eine Erstreckung der kollektiven Bindung auf (Einzel-)Kündigungsrechte befürwortet, S. 139 f.; zu den Auswirkungen von (Einzel-)Kündigungen auf die kollektive Bindung siehe ausführlich unten 3. Teil C III 3 b). 467  Liebenow, S. 138 f. 468  Liebenow, S. 135 f. Die Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger und die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen konstruiert Liebenow nicht über die kollektive Bindung, sondern über die Einordnung der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger als personengesellschaftsrechtlichen Innenverband, vgl. dazu Liebenow, S. 267 ff. sowie unten 2. Teil C II 1 a). 469  Vgl. unten 2. Teil C II 3 und 4. 466 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

generis. Der wohl überwiegende Teil des Schrifttums geht von einer (schuldrechtlichen) Gemeinschaft sui generis aus.

a)  Personengesellschaftsrechtlicher Innenverband Einen Pol des Meinungsspektrums bildet Liebenow, der die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger als personengesellschaftsrechtlichen Innenverband qualifiziert.470 Liebenow trennt die dem Anleiheschuldrecht, das lediglich die bilateralen Beziehungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger betrifft, zuzuordnende Vorschrift des § 4 S. 1 SchVG von den gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden anleiheorganisationsrechtlichen Regelungen der §§ 5 ff. SchVG.471 Eine Vergemeinschaftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger erfolge nicht bereits durch die kollektive Bindung, sondern erst durch einen Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG.472 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission bildeten im Fall eines Opt-Ins einen körperschaftlich strukturierten personengesellschaftsrechtlichen Innenverband (ohne eigene Rechtspersönlichkeit), der aufgrund seiner organisatorischen Ähnlichkeit zur Aktiengesellschaft als „Innen-AG“ bezeichnet werden könne:473 Die Obligationärsgemeinschaft sei eine durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfasste, auf Mitgliedschaft beruhende und gegenüber ihren Mitgliedern verselbstständigte, einem Verbandszweck dienende gesellschaftsrechtliche Organisation. Sie entstehe bereits im Zeitpunkt der Anleiheemission. Durch einen Opt-In gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG bei Erstellung der Anleihebedingungen werde die in den §§ 5 ff. SchVG vorgezeichnete Verbandsverfassung ins Werk gesetzt und der Verband errichtet. Der Teilschuldverschreibungsschuldner sei allerdings kein Mitglied dieses Innenverbandes. Die Anleihebedingungen fungierten als gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern. Mit dem Erwerb einer Teilschuldverschreibung trete der zeichnende Obligationär dem Verband bei. Es erfolge eine „vertikale“ Beitrittserklärung gegenüber der Obligationärsgemeinschaft. Die Obligationärsgemeinschaft als gesellschaftsrechtlicher Verband solle gleichwohl erst errichtet sein, wenn mindestens zwei 470 

Liebenow, S. 267 ff. Liebenow, S. 135 f., 337 ff. 472  Liebenow, S. 135 f. 473  Liebenow, S. 266 ff., 282 ff.; für die Einordnung der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission als Verband oder Quasi-Verband mit jedenfalls mitgliedschaftsähnlichen Rechten auch K. Schmidt, ZGR 2011, 108, 134, der allerdings auch die Frage aufwirft, ob eine prästabilierte Organisation wie die Zwangsgemeinschaft der Schuldverschreibungsgläubiger für die Kategorie der Mitgliedschaft tauge; für die Einordnung als Verband oder Quasiverband auch Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.98. 471 Vgl.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Personen Teilschuldverschreibungen der betreffenden Emission gezeichnet haben. Der Bestand der Obligationärsgemeinschaft sei vollständig unabhängig von der konkreten personellen Zusammensetzung der Obligationärsgemeinschaft gesichert, woran sich ihre organisationsrechtliche Verselbstständigung zum gesellschaftsrechtlichen Verband zeige.474 Den überindividuellen Verbandszweck sieht Liebenow in der Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Obligationäre durch kollektives anleiheorganisationsrechtliches Handeln auf Basis und im Rahmen der Beschlussfassung nach den §§ 5 ff. SchVG.475 Die Beiträge der Obligationäre zur Zweckförderung seien in den kollektiven Rechtsverzichten zugunsten des Teilschuldverschreibungsschuldners zu sehen.476

b)  Gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft Die Einordnung als Zweckgemeinschaft i. S. d. §§ 705 ff. BGB lehnt Simon zwar ab, da es an einem privatautonomen Zusammenschluss fehle.477 Er qualifiziert die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger aber als gesellschafts‑ ähnliche Interessengemeinschaft:478 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger hätten ein gemeinsames Interesse daran, durch entsprechende Beschlüsse die Befriedigung ihrer Forderungen zu sichern. Zwar seien die Teilschuldverschreibungsgläubiger primär an der Erfüllung ihrer eigenen Forderungen interessiert. Sie hätten aber ein Interesse an der fortbestehenden Bonität des Teilschuldverschreibungsschuldners und der Vermeidung einer Insolvenz desselben, um wiederum einen Ausfall ihrer eigenen Forderung zu vermeiden. Das gemeinsame Interesse könne darin gesehen werden, „eine rücksichtslose Verfolgung der jeweiligen Einzelinteressen einzugrenzen, um einem für alle Gläubiger suboptimalen Zustand (die Verringerung der Haftungsmasse) entgegenzuwirken.“479 Darüber hinaus sei den Teilschuldverschreibungsgläubigern an der Einheitlichkeit der Anleihebedingungen gelegen.480 Ein gemeinsames Interesse der Teilschuldverschreibungsgläubiger lasse sich daher auch an der Etablierung eines Verfahrens zur Anpassung der Anleihebedingungen festmachen. Außerdem liege die Zusammenfassung zu einer Gemeinschaft im Interesse der Teilschuldverschreibungsgläubiger, da hierdurch ihre Markt- und

474 

Liebenow, S. 271. Liebenow, S. 271. 476  Liebenow, S. 272 f. 477  Simon, S. 204 ff. 478  Simon, S. 214 ff.; siehe auch Grünewald, S. 222, der das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Bruchteilsgemeinschaft qualifiziert, die Qualifikation als gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft aber ebenfalls für „gut denkbar“ hält. 479  Simon, S. 214. 480  Simon, S. 214. 475 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Verhandlungsmacht gegenüber dem Emittenten gestärkt werde.481 Das gemeinsame Interesse erstrecke sich ferner auf einen Ausgleichsmechanismus in Form einer im Kapitalgesellschaftsrecht bekannten Beschlusskontrolle482.483 Ob diese Interessengemeinschaft einen rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Entstehungsgrund hat, wird allerdings offengelassen.484 Eine gesellschaftsähnliche Sonderverbindung unter Teilschuldverschreibungsgläubigern nahm auch Eidenmüller für das SchVG 1899 an.485 Die Regelungen des SchVG 1899 „[…] ersetzen gewissermaßen einen Gesellschaftsvertrag der Anleihegläubiger, in dem diese Vorschriften zur gemeinsamen, möglichst optimalen Interessenwahrnehmung (Realisierung ihrer Forderungen) treffen würden“.486

c)  Rechtsgemeinschaft sui generis mit Eigenschaften der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) und der Personengesellschaft (§§ 705 ff. BGB) Teilweise wird vertreten, dass aufgrund der kollektiven Bindung eine Rechtsgemeinschaft (sui generis) der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit Elementen der Rechtsgemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB und der Personengesellschaft nach §§ 705 ff. BGB bestehe.487 Die kollektive Bindung schränke die Rechte 481 

Simon, S. 215. Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen wird im Kapitalgesellschaftsrecht vornehmlich über Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage verwirklicht, vgl. hierzu: Schwab, S. 268 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16, Rn. 102 ff. (S. 262 ff.), § 43, Rn. 72 ff. (S. 586 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 8 IV 2 (S. 464 ff., insbes. S. 466 ff.); zur Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen der Teilschuldverschreibungsgläubiger siehe unten 2. Teil C V 2. 483  Simon, S. 215. 484  Simon, S. 217 f. 485  Eidenmüller, S. 647. Diese, durch das SchVG (1899) begründete gesellschaftsähnliche Sonderverbindung unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern ist von der von Eidenmül‑ ler angenommenen gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung sämtlicher Gläubiger eines Schuldners in einer Sanierungssituation zu unterscheiden, vgl. dazu Eidenmüller, S. 648 f.; zur von Eidenmüller entwickelten gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung in der Sanierungssituation und den daraus folgenden Kooperationspflichten: Eidenmüller, S. 551 ff., insbes. 583 ff.; vgl. auch Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343 ff., der andeutet, dass er innerhalb des Anwendungsbereichs des SchVG (1899) Kooperationspflichten der Gläubiger nicht für erforderlich hält, weil durch die gesetzlichen Regelungen des SchVG bereits (ausreichend) Mechanismen zur Koordination des Gläubigerhandelns zu Verfügung stehen, S. 365; Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 659; vgl. in diesem Kontext auch Habscheid, in: FS Bruns, S. 243 ff.; gegen Kooperationspflichten der Gläubiger in der Sanierungssituation: BGH NJW 1992, 967 ff. (sog. Akkordstörer-Entscheidung); H.‑F. Müller, S. 273 ff. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 22; Reps, S. 37 f.; Zustimmungspflichten der Anleihegläubiger zu einem Sanierungskonzept lehnt auch Baums, in: FS Canaris, Bd. II, S. 3, 22, ab. 486  Eidenmüller, S. 647. 487  Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 46 ff.; Horn, BKR 2009, 446, 450; ebenso Schönhaar, S. 66 ff.; ohne nähere Erläuterung auch Hopt, WM 2009, 1873, 1875; Merkt, in: FS Hopt, Bd. 2, 482 Die



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der Teilschuldverschreibungsgläubiger ein und gewähre ihnen gleichzeitig die Option zu einer gesetzlich vorgezeichneten Gläubigerorganisation und damit ein gemeinsames Recht im Sinne einer Rechtsgemeinschaft.488 Die Rechtsausübung sei gesellschaftsrechtlich geprägt.489 Der gemeinsame Zweck bestehe in der kollektiven Durchsetzung der individuellen Rechte gegenüber dem Emittenten.490 Der Umstand, dass jeder Gläubiger letztlich nur seine eigenen Rechte durchsetzen wolle, sei unschädlich, da bei Interessengemeinschaften die Bündelung der Anstrengungen zur Rechtsdurchsetzung oder anderen Zielen (etwa der Sanierung des Schuldners) für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation ausreiche.491 Die Rechtsgemeinschaft weise mit der Anfechtungsmöglichkeit von Gläubigerbeschlüssen zudem Elemente des Kapitalgesellschaftsrechts auf.492

d)  Netzvertragliche Rechtskonstruktion sui generis auf Grundlage von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB Heldt qualifiziert die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission unter Heranziehung der von Teubner entwickelten Lehre vom Vertragsnetzwerk493 als netzvertragliches Kollektiv sui generis.494 Zwischen den S. 2207, 2221; vgl. auch Grünewald, S. 222, der das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Bruchteilsgemeinschaft qualifiziert, die Qualifikation als gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft aber ebenfalls für „gut denkbar“ hält. 488  Horn, BKR 2009, 446, 450; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 48. 489  Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 49. 490  Horn, BKR 2009, 446, 450; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 49; Schönhaar, S. 68. 491  Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 49; Schönhaar, S. 69. 492  Horn, BKR 2009, 446, 450. 493  Teubner, S. 94, 102 ff., der die Rechtsbeziehungen in Unternehmensnetzwerken untersucht, stellt die These auf, dass die von der herrschenden Meinung postulierte Dichotomie von Vertrag und Gesellschaft nicht zutrifft, sondern Netzwerke eine dritte (Zwischen-)Form darstellen. „Vernetzung“ sei eine prinzipiell andere Form der Kollektivierung als die Bildung von Gesellschaften. Ein Vertragsnetz sei ein Vertrag sui generis, nicht einfach eine Typenvermischung von Vertrag und Gesellschaft, sondern eine andere Qualität der Kollektivierung – die Verknüpfung von Individualpositionen im Gegensatz zu ihrer Aufhebung im Kollektiv. Netzwerke seien durch eine Überlagerung von Einzelzweckverfolgung und gemeinsamer Zweckverfolgung gekennzeichnet (Teubner, S. 73 f.), die weder durch das Vertrags- noch durch das Gesellschaftsrecht sinnvoll gelöst werden könne. Bezogen auf diese Interessenüberlagerung seien Netzwerke ein Paradoxon (Teubner, S. 84 f.). (Unternehmens-)Netzwerke zeichneten sich durch eine Simultanpräsenz von individueller Zweckverfolgung und gemeinschaftlicher Zweckverfolgung in Bezug auf das gleiche Projekt aus (Teubner, S. 78, 87). Im Gesellschaftsrecht sei die Zweckverfolgung ausschließlich gemeinschaftlich oder jedenfalls vorrangig vor Individualzwecken. Im Netzwerk sei es genau umgekehrt: Primär würden Individualzwecke verfolgt, aber dies geschehe in Koordination mit anderen, sozusagen sekundär (Teubner, S. 76). Für diese widersprüchliche Situation müsse das Recht Handlungsformen zur Verfügung stellen. Teubner entwickelt ein System des Vertragsverbunds (Teubner, S. 122 ff.). Tatbestandlich sei dieses System geprägt durch die Doppelkonstitution von Vertrag und Verbund. Auf Rechtsfolgenseite zeichne sich der Vertragsverbund durch die selektive Doppelzurechnung der

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehe eine multilaterale Sonderverbindung, die auf § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützt werden könne und aus der sog. Netzpflichten entstünden.495 Vertragsnetzwerke sollen eine dritte Kategorie zwischen Vertrags- und Gesellschaftsrecht bilden.496 Es handele sich um Geflechte einer Vielzahl rechtlich nicht ausdrücklich miteinander verbundener Verträge, die erst durch die Einbettung in ein gemeinsames Projekt ihren angestrebten wirtschaftlichen Sinn erhielten.497 Gemeinsames Projekt respektive Netzzweck sei bei Teilschuldverschreibungen die kollektive Bindung und die durch diese zu gewährleistende Fungibilität der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission.498

e)  Kollektiv sui generis im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten des SchVG und der Anleihebedingungen Vielfach wird angenommen, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission aufgrund der kollektiven Bindung ein Kollektiv sui generis bilden.499 Rechtsfolgen auf die Vertragspartner und den Verbund aus. Die tatbestandliche Doppelkonstitution von Vertrag und Verbund bedeute, dass zusätzlich zur einfachen Leistungsverpflichtung eine „Verweisung“ auf den Verbund zum Vertragsinhalt der bilateralen Verträge hinzutreten muss, wenn eine rechtsrelevante Verknüpfung der Einzelverträge hergestellt werden soll. Teubner vergleicht die Verknüpfung im Vertragsverbund mit der Bindung synallagmatischer Verträge (Teubner, S. 123, 111 f.): Die Parteien eines synallagmatischen Vertrages vereinbarten nicht lediglich Leistungspflichten, sondern auch ihre wechselseitige Verknüpfung werde Vertragsinhalt. Beim synallagmatischen Vertrag sei die Leistungsverpflichtung vom zusätzlich erforderlichen Finalnexus des Austauschzweckes zu unterscheiden. Beim Vertragsverbund trete neben die Leistungsverpflichtung der Parteien der Finalnexus des Verbundzweckes, wodurch die Verknüpfung der Leistungsverpflichtung mit anderen Verträgen Vertragsinhalt werde. Als tatbestandliche Voraussetzungen für einen Vertragsverbund stellt Teubner neben dem bilateralen Vertragsschluss folgende Elemente heraus (Teubner, S. 123 ff.): Erstens bedarf es wechselseitiger Verweisungen der bilateralen Verträge aufeinander. Zweitens muss ein inhaltlicher Bezug auf ein gemeinsames Projekt vorliegen (sog. Verbundszweck). Drittens sei eine rechtlich relevante enge Kooperationsbeziehung zwischen den Beteiligten (wirtschaftliche Einheit) erforderlich. 494  Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 325 ff.; vgl. auch Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 838 f. 495  Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 325; vgl. auch Heldt, S. 141 f.; vgl. auch Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 659, der eine Sonderverbindung i. S. v. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB zwischen den Gläubigern eines Not leidenden Schuldners annimmt. 496 Vgl. Heldt, S. 185 ff.; vgl. Teubner, S. 79 ff., 94, 102 ff. 497  Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 318. 498  Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 319, 321. 499  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 15; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 47; Moser, S. 119 f.; Cagalj, S. 101 ff., 107 f.; Leber, S. 230 f.; Reps, S. 39; für ein Kollektiv sui generis auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 18, 24, die den schuldrechtlichen Charakter des Kollektivs hervorheben und betonen, dass die Verbindung der Schuldverschreibungsgläubiger einzig dazu diene, Rechtssicherheit bei der kollektiven Willensbetätigung sicherzustellen; noch zur Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger unter Geltung des SchVG 1899: Vogel, S. 127 f. m. w. N., der die Gläubigerversammlung



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Teilweise wird diesem Kollektiv ein schuldrechtlicher Charakter beigemessen.500 Diese Einordnung bildet den Gegenpol zur verbandsrechtlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Einordnung der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger.501 Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob das SchVG insoweit eine abschließende Regelung trifft oder nicht.502

f)  Kein besonderes Näheverhältnis der Teilschuldverschreibungsgläubiger Thole lehnt eine besondere Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger gänzlich ab.503 Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehe keine qualifizierte Nähebeziehung. Die Kollektivierung durch § 4 SchVG sei allenfalls Ausdruck einer gesetzlichen Pflichtenbindung.504 Das SchVG schränke die individuelle Rechtmacht des einzelnen Gläubigers im Verhältnis zum Schuldner ein, ohne dass daraus innere Bindungen gegenüber den konkurrierenden Gläubigern erwachsen.

2. Stellungnahme Die §§ 793 ff. BGB enthalten keine Aussage über das Verhältnis der einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger untereinander. Zur Beantwortung der Fragen, ob es durch die kollektive Bindung gem. § 4 S. 1 SchVG oder (jedenfalls) durch einen Opt-In gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG zu einer Verbindung oder Vergemeinschaftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger kommt und wie eine solche Gemeinschaft zu qualifizieren wäre, stellt sich die Vorfrage, wie sich die nach dem SchVG als am ehesten mit den Gläubigerversammlungen des Insolvenzrechts vergleichbar ansieht [zur Rechtsnatur des Kollektivs der Gläubiger in der Insolvenz siehe Fn. 917 (2. Teil)]; Stucke, S. 55, der die Gemeinschaft indes auch als eine „gesellschaftsähnlichen Rechtsgemeinschaft aller Teilschuldverschreibungsinhaber“ bezeichnet. 500  Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 2; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 18, 24; vgl. aber auch Schmidtbleicher, S. 417, der zu dem Ergebnis kommt, „dass sich das SchVG 2009 von den Grundsätzen des Schuldrechts gelöst hat und bei seinen Koordinationsbemühungen die Anleihegläubiger in eine mitgliedsähnliche Stellung versetzt“. Für eine schuldrechtliche Qualifikation des SchVG auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 3 f., die die an das Aktienrecht angelehnte Konzeption des Beschlussmängelrechts für „dringend korrekturbedürftig“ (vgl. Rn. 8) halten; zur Kritik am geltenden System der Beschlusskontrolle siehe auch unten 2. Teil C V 2 c). 501  Gegen eine gesellschaftsrechtliche Einordnung der §§ 4 ff. SchVG auch Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 17. 502  Für eine abschließende Regelung der Rechte und Pflichten der Gläubigergemeinschaft im SchVG: Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 47; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 15; Cagalj, S. 107 f.; für eine autonome Auslegung ohne Rückgriff auf bestehende Institute des Zivilrechts auch Moser, S. 120; kritisch dagegen Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 18, Fn. 50 sowie Rn. 24 (für eine „Lückenfüllung“ anhand der Grundsätze des Schuldrechts). 503  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 8 ff. 504  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 9.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Rechtslage ohne die Regelungen der §§ 4 ff. SchVG darstellen würde: Gibt es ein allgemeines Prinzip von Teilschuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, wonach Änderungen der Anleihebedingungen durch einen Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger ausgeschlossen sind? Bestünde eine Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger, die Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss zulässt? Wäre dies der Fall, müssten die Regelungen des SchVG vor dem Hintergrund eines solchen allgemeinen Prinzips betrachtet werden. Existiert ein solches Prinzip nicht, stellt sich die Frage, ob durch die Regelungen des SchVG bekannte zivilrechtliche Strukturen übernommen oder neue Strukturen der Kollektivierung geschaffen wurden. Die Frage, ob ein allgemeines Prinzip existiert, dass bilaterale Änderungen von Anleihebedingungen bei Teilschuldverschreibungen aus Gesamtemissionen ausschließt, ist überdies mit Blick auf das BSchuWG von Relevanz, da das BSchuWG keine § 4 S. 1 SchVG entsprechende Regelung zur kollektiven Bindung enthält.505

a)  Kollektive Bindung als allgemeines Prinzip von Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen? – Rechtslage ohne §§ 4 ff. SchVG Bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen besteht ein Bedürfnis nach Fungibilität. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarktes gefährdet wäre.506 Neben diesem „allgemeinen“ Interesse haben die Anleger auch ein „individuelles“ Interesse daran, dass ein liquider Sekundärmarkt für die von ihnen erworbenen Produkte existiert, weil nur dann die (realistische) Möglichkeit besteht, ihre Forderungen jederzeit zu veräußern. Auch der Emittent hat ein Interesse an der Fungibilität der von ihm ausgegebenen bzw. auszugebenden Teilschuldverschreibungen, weil die mit der Austauschbarkeit für die Investoren verbundenen Vorteile auch die Attraktivität zukünftiger Emissionen erhöhen und sich eine große Nachfrage am Sekundärmarkt auch positiv auf das Ranking des Emittenten auswirken kann.507 505  Zur Frage, ob die kollektive Bindung auch für das BSchuWG Geltung beansprucht: bejahend M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1803; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 1 SchVG, Rn. 59; Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 163 ff., insbes. Rn. 165; ablehnend Lendermann, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 BSchuWG, Rn. 37 f.; vgl. auch Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 53. 506  BT‑Drs. 16/12814, S. 17 (mit Verweis auf BGHZ 163, 311). 507  Zur Bedeutung des Rankings und der Reputation des Emittenten für den Erfolg seiner Emission siehe Moser, S. 280 f., vgl. aber auch S. 286; vgl. auch d’Avoine, NZI 2013, 321, 325,



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Es sprechen also sowohl die „individuellen“ Interessen der Beteiligten als auch das „allgemeine“ Interesse an der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes dafür, bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen auszuschließen und die individuelle Rechtsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger insoweit zu beschränken. Fraglich ist aber, ob sich – ohne die Regelung des § 4 S. 1 SchVG – eine dogmatische Begründung dafür findet, dass bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen bei inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen ausgeschlossen sind.

aa)  Überblick über den Meinungsstand In diesem Sinne sind Leber508, Bliesener/Schneider509 und M. Nodoushani510 – der auch für nicht in den Anwendungsbereich des SchVG fallende Staatsanleihen von der Geltung der kollektiven Bindung ausgeht, obwohl das BSchuWG keine § 4 S. 1 SchVG entsprechende Norm enthält – zu verstehen. Interessanterweise geht Leber offenbar davon aus, dass Parteien des „Anleiheschuldverhältnisses“ sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger sind.511 Die Möglichkeit bilateraler Änderungen der Anleihebedingungen bei inhaltsgleichen Schuldverschreibungen einer Gesamtemission ohne Geltung des § 4 S. 1 SchVG wird auch von Schmidtbleicher verneint. Dogmatisch begründet Schmidtbleicher dies mit der Einordnung der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB und dem bei der Teilgläubigerschaft geltenden Grundsatz der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte.512 Änderungen der Anleihebedingungen seien als mehrseitige Gestaltungsrechte grundsätzlich unteilbar.513 Im Hinblick auf die rechtsgestaltende Wirkung für den Inhalt des Schuldverhältnisses bestehe kein qualitativer Unterschied zwischen der einseitigen Einwirkung und der mehrseitigen (d. h. vertraglichen) Einwirkung.514 der auf die Vorteile der Umlauffähigkeit (allerdings bezogen auf den Einwendungsausschluss) aus Sicht des Emittenten hinweist. 508  Leber, S. 224, 232. 509  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 1, 5 f., die feststellen, der Gesetzgeber habe in § 4 SchVG ein allgemein anerkanntes Prinzip der Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen bestätigt; vgl. auch Bliesener, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 362. 510  M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1803. 511  Leber, S. 224 (vgl. auch S. 232), der betont, dass es sich bei der Regelung des § 4 S. 1 SchVG nur um eine deklaratorische Regelung und spezialgesetzliche Kodifizierung des Grundsatzes, „dass der Inhalt eines Schuldverhältnisses bei Zustimmung aller beteiligten Par‑ teien [Hervorhebung durch die Verf.] geändert werden kann“, handelt. An anderer Stelle weist Leber allerdings darauf hin, dass die schuldrechtlichen Ansprüche der Obligationäre parallel nebeneinander stehen, eine Verbindung aber durch die kollektive Bindung hergestellt werde, Leber, S. 231. 512  Schmidtbleicher, S. 323 ff., 330 ff. 513  Schmidtbleicher, S. 344 ff., insbes. 346 ff. 514  Schmidtbleicher, S. 345 f.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Individuelle Vereinbarungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern über die Veränderung der Anleihebedingungen berührten das einheitliche Schuldverhältnis im weiteren Sinne und seien daher nicht zulässig.515 Kompensiert werde diese Einschränkung der individuellen Rechtsmacht durch die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen gem. § 745 Abs. 1 BGB, da die Teilschuldverschreibungsgläubiger eine partielle Bruchteilsgemeinschaft an den unteilbaren Gestaltungsrechten bildeten.516 Teilweise wird auch angenommen, dass bereits unter dem SchVG 1899 eine kollektive Bindung bestand.517 Gesetzlich normiert gewesen sei die kollektive Bindung in § 12 Abs. 1 S. 1 SchVG 1899, der anordnete, dass Beschlüsse gleiche Bedingungen für alle Schuldverschreibungsgläubiger festsetzen müssen. Auf der anderen Seite wird von vielen Autoren betont, dass die in § 4 S. 1 SchVG normierte kollektive Bindung eine Einschränkung der Individualrechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger darstelle.518 Von einer Beschränkung der Individualrechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger kann aber nur gesprochen werden, wenn ohne diese Vorschrift die Möglichkeit zur bilateralen Änderung der Anleihebedingungen bestünde.519 Jedenfalls implizit wird somit zum Ausdruck gebracht, dass ohne die Regelung des § 4 S. 1 SchVG bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen möglich wären. Von einigen Stimmen wird die Existenz eines allgemeinen Prinzips, wonach Änderungen der Anleihebedingungen von Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen durch einen Vertrag zwischen einem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner ausgeschlossen sind, ausdrücklich verneint.520 Die kollektive Bindung sei ein dem 515 

Schmidtbleicher, S. 344, 346 f. Schmidtbleicher, S. 364 ff., zur Einordnung der Anleihegläubigermehrheit als partielle Bruchteilsgemeinschaft ausführlich S. 354 ff.; so auch Grünewald, S. 222. 517  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, §  4, Rn. 1; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 5. 518  Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 44; Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 320; Heldt, in: Grieser/ Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 838; Liebenow, S. 135; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 1; vgl. auch Cagalj, S. 101; Vogel, ZBB 2010, 211, 212; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 3. 519 Dagegen sehen Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 12, die Beschränkung der individuellen Rechtsmacht in der Bindungswirkung der Mehrheitsbeschlüsse nach § 5 Abs. 2 S. 1 SchVG für sämtliche Gläubiger; ebenso: Podewils, DStR 2009, 1914, 1915; Moser, S. 110; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 10 (zurückhaltender noch in der 1. Auflage 2010, § 4, Rn. 10). Richtigerweise führt aber nicht bereits die kollektive Bindung zu einer Unterwerfung unter inter omnes wirkende Mehrheitsbeschlüsse, sondern es bedarf gem. § 5 Abs. 1 SchVG eines Opt-Ins in den Anleihebedingungen; wie hier: Liebenow, S. 135. 520  Liebenow, S. 13 f., vgl. auch S. 126 f.; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 BSchuWG, Rn. 37; vgl. auch Hartwig-Jacob, S. 22: „Nur wo das Gesetz oder die Anleihebedingungen eine andere Regelung treffen, wird die individuelle Rechtsausübung durch kollektives Handeln überlagert.“, vgl. aber auch S. 559 („Änderungen des Leistungs516 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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deutschen Anleiherecht bislang unbekanntes Prinzip, für das es im SchVG 1899 kein Pendant gegeben habe.521 § 12 Abs. 1 S. 1 SchVG 1899 könne nicht als Vorgängernorm zu § 4 S. 1 SchVG angesehen werden, da diese Vorschrift nicht bilaterale Einzeländerungen betraf, sondern Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss. Liebenow geht davon aus, dass ohne die Regelung des § 4 S. 1 SchVG jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner die Anleihebedingungen, freilich nur für seine Forderung, ändern könnte.522 Die Teilschuldverschreibungen verbrieften rechtlich unverbundene, selbstständige Gläubigerrechte.523 Ohne vertragliche oder gesetzliche Regelung bestünden zwischen den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Gesamtemission keine kollektiven Rechtsbeziehungen, diese stünden vielmehr unverbunden nebeneinander.524 Eine Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger existierte nicht.525

bb)  Keine schuldrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern besteht grundsätzlich weder eine schuldrechtliche noch eine gesellschaftsrechtliche Verbindung.526 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind Inhaber selbstständiger Einzelforderungen. Zwischen ihnen besteht ebenso wenig wie zwischen den sonstigen Gläubigern versprechens können nicht durch den Emittenten einseitig erfolgen, sondern bedürfen stets der Zustimmung sämtlicher Anleihegläubiger [Hervorhebung durch die Verf.].“). 521  Liebenow, S. 126 f. 522  Liebenow, S.  13 f.; vgl. für Genussrechte auch Reuter/Katschinski, in: Gebhardt/ Gierke/Steiner, S. 323 f. 523  Liebenow, S. 13. 524  Liebenow, S. 13 ff.; so auch Reps, S. 37 f. 525  Liebenow, S. 15; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, §  4 BSchuWG, Rn. 37; so auch Reps, S. 37 f.; auch das Reichsgericht ging von der grundsätzlichen Selbstständigkeit der verbrieften Rechte aus und lehnte eine automatische Vergemeinschaftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission ab, vgl. Reichsgericht, Urteil vom 14. 01. 1888 – I 320/87, RGZ 22, 61, 63 f. 526  So auch Reps, S. 37 f.; Siebel, S. 677; vgl. auch Liebenow, S. 15; Stucke, S. 6: „Daraus ergibt sich nicht ohne weiteres eine Verbindung der einzelnen Obligationäre zu einer rechtlichen Gemeinschaft. Vielmehr macht die Zusammengehörigkeit der einzelnen Inhaber der Teilschuldverschreibungen zunächst nur eine Interessengemeinschaft tatsächlicher Art aus.“ Vgl. auch Hopt, in: FS Steindorff, S. 341: „Das SchVG [1899] […] stellt damit rechtlich eine Verbindung zwischen den verschiedenen Anleihegläubigern her, die sonst grundsätzlich nur wirtschaftlich bestünde.“ Vgl. bereits Reichsgericht, Urteil vom 14. 01. 1888 – I 320/87, RGZ 22, 61, 63 f.: Ein „sozietätsmäßiges“ oder „sozietätsähnliches“ Verhältnis unter den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern „mit Unterordnung des einzelnen unter ein gemeinschaftliches Interesse oder gar eines körperschaftlichen Verbandes der Gläubigergesamtheit mit einer zur Veränderung der Rechte der einzelnen befugten Autonomie“ folge nicht „ohne weiteres“ aus der Art der Ausgabe in Form einer Gesamtemission; vgl. aber auch Bernstein, S. 9 ff. (Gemeinschaft der Obligationäre aufgrund der Gleichheit der Interessenlage).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

des Schuldners eine besondere Nähebeziehung.527 Weder existieren vertragliche Beziehungen zwischen den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern noch besteht ein Schuldverhältnis i. S. d. § 311 Abs. 2 BGB zwischen diesen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.528 Abgesehen davon könnte allein die Annahme eines Schuldverhältnisses i. S. d. § 311 Abs. 2 BGB nicht begründen, warum bilaterale Einzeländerungen der Anleihebedingungen ausgeschlossen sein sollten. Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern besteht auch keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i. S. d. §§ 705 ff. BGB.529 Ein auf Förderung eines gemeinsamen Zweckes gerichteter Vertrag wird zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern nicht geschlossen.530 Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt auch die Krise des Schuldners nicht zu einer Gemeinschaft der Gläubiger.531 Für die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission gelten die vom BGH in der Akkordstörer-Entscheidung aufgestellten Grundsätze,532 dass zwischen den Gläubigern eines Schuldners keine (gesellschaftsähnliche oder schuldrechtliche) vorinsolvenzrechtliche Gefahrengemeinschaft, die zu Treue- oder Kooperationspflichten im Hinblick auf den Abschluss eines außergerichtlichen Sanierungsvergleichs führt, besteht.533

cc)  Keine Bruchteilsgemeinschaft an der Verfügungsbefugnis zur Änderung der Anleihebedingungen Schmidtbleicher begründet die Unzulässigkeit bilateraler vertraglicher Änderungen der Anleihebedingungen mit dem Grundsatz der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte betreffend das gemeinsame Schuldverhältnis i. w. S. bei der Teilgläubigerschaft.534 Die Änderung der Anleihebedingungen sei ein mehrseitiges Gestaltungsrecht. An den gemeinsamen Gestaltungsrechten bildeten 527 

So auch Reps, S. 37 f. Vgl. auch unten 2. Teil C II 2 b) cc) zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB unter Geltung des SchVG. 529  So auch Reps, S. 37 f., der betont, dass die Anwendung der §§ 705 ff. BGB auf die Belange der Teilschuldverschreibungsgläubiger darüber hinaus kaum sachgerecht und praktikabel wäre. 530  Vgl. zum fehlenden Vertragsschluss ausführlich auch sogleich unter 2. Teil C II 2 b) aa). 531 BGH NJW 1992, 967 ff.; Reps, S. 37 f.; vgl. auch Servatius, S. 191 ff., 599 f.; a. A. Eidenmüller, S. 551 ff., insbes. 583 ff., der eine gesellschaftsähnliche Sonderverbindung zwischen den Gläubigern eines sich in der Krise befindlichen Schuldners annimmt und daraus Kooperationspflichten zwischen diesen herleitet; vgl. auch Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343 ff.; Eidenmüller, ZIP 2010, 649, 659 (ähnlicher geschäftlicher Kontakt i. S. v. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB zwischen den Gläubigern eines Not leidenden Schuldners). 532  BGH NJW 1992, 967 ff. 533  So auch Reps, S. 38. 534  Vgl. oben 2. Teil C II 2 a) aa) sowie Schmidtbleicher, S.  323 ff., insbes. S. 346 ff., 354 ff., 364 ff. 528 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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die Teilschuldverschreibungsgläubiger eine Bruchteilsgemeinschaft, weshalb im Rahmen des § 745 Abs. 1 BGB Mehrheitsbeschlüsse möglich seien. Unabhängig von der Frage, ob die Teilschuldverschreibungsgläubiger überhaupt als Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB zu qualifizieren sind – was nach hier vertretener Auffassung schon nicht der Fall ist –,535 existiert jedenfalls kein gemeinsames Schuldverhältnis i. w. S.536 und bestehen damit auch keine Gestaltungsrechte betreffend ein solches Schuldverhältnis i. w. S., an denen eine Bruchteilsgemeinschaft möglich wäre. Darüber hinaus ist die Kategorie der mehrseitigen Gestaltungsrechte abzulehnen.537 Es fehlt an einem subjektiven Recht, an welchem eine geteilte Rechtszuständigkeit bestehen könnte:538 Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft ist ein (subjektives) Recht.539 Die Bruchteilsgemeinschaft zeichnet sich durch eine geteilte Rechtszuständigkeit an diesem aus.540 Der Begriff des subjektiven Rechts541 ist zwar weder gesetzlich bestimmt noch gibt es eine abschließende542 und allgemein anerkannte Definition543. Für diese Untersuchung – die Erforschung der Struktur und der Funktion subjektiver Rechte muss hier unterbleiben – kann es genügen, eine von der ganz überwiegenden Meinung als notwendige Voraussetzung und damit als Charakteristikum eines subjektiven Rechts anerkannte Eigenschaft in den Blick zu nehmen, um die 535 

Vgl. dazu oben 2. Teil B II. Vgl. dazu oben 2. Teil A I. 537  Ablehnend gegenüber der Einordnung der vertraglichen Änderung der Anleihebedingungen als (mehrseitiges) Gestaltungsrecht auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 9. 538  In der schuldverschreibungsrechtlichen Literatur zur Konstruktion Schmidtbleichers wird z. T. leider nicht deutlich herausgearbeitet, was Gegenstand der Bruchteilsgemeinschaft sein soll respektive woran eine geteilte Rechtszuständigkeit bestehen soll, sondern auf die verbrieften Forderungen abgestellt, vgl. etwa Moser, S. 116 ff. und Röh/Dörfler, in: Preuße: § 4, Rn. 44, 46. 539  K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 741, Rn. 10; von Proff, in: Staudinger, § 741, Rn. 2 ff.; Hadding, in: Soergel, Vor § 741, Rn. 2, vgl. auch § 741 Rn. 10; vgl. auch Hadding, in: FS Canaris, Bd. I, S. 379, 383, 389 ff.; Sprau, in: Palandt, § 741, Rn. 3; Kreller, AcP 146 (1941), S. 97, 120; zur Frage der Bruchteilsgemeinschaft an einem Rechtsverhältnis vgl. K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 741, Rn. 18 ff.; ablehnend Hadding, in: FS Canaris, Bd. I, S. 379, 400 f. 540  K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 741, Rn. 2; Langbein/von Proff, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 741 ff., Rn. 12. 541 Der Begriff des subjektiven Rechts wird im Zusammenspiel mit dem Begriff des objektiven Rechts verwendet. Letzteres bezeichnet die Gesamtheit aller (geschriebenen und ungeschriebenen) Rechtsnormen, vgl.: Wolf/Neuner, § 20, Rn. 1; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 72 (S. 428). 542  Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 148, betont, dass der von ihm herausgearbeitete Rahmenbegriff des subjektiven Rechts ein offener sei und nicht ausgeschlossen werden könne, dass weitere Arten subjektiver Rechte identifiziert werden. 543  Bork, BGB AT, Rn. 280; Steinbeck, S. 18; vgl. zu den verschiedenen Definitionsansätzen auch Wolf/Neuner, § 20, Rn. 2 ff.; zum Begriff des subjektiven Rechts siehe auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 72 (S. 428 ff.). 536 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Qualität vertraglicher Vereinbarungen als subjektive Rechte und damit als Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft auszuschließen: die Ausschließlichkeit. Subjektive Rechte sollen Befugnisse gewähren, die die Rechtsordnung nicht jedermann gewährt, sondern die ausschließlich ihrem Inhaber zugewiesen sind.544 Gestaltungsrechte, die subjektive Rechte darstellen, zeichnen sich durch die einseitige, ausschließlich dem Gestaltungsberechtigten zugewiesene Gestaltungsmöglichkeit aus.545 Wird eine Forderung durch einen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner geändert, gestaltet aber nicht eine Partei durch eine ausschließlich ihr zugewiesene Befugnis die Rechtslage. Die Möglichkeit eine Forderung durch einen Vertrag mit dem Schuldner zu ändern, ist Ausfluss der Vertragsfreiheit sowie der Forderungsinhaberschaft. Die Vertragsfreiheit als solche ist aber kein subjektives Recht.546 Die Vertragsfreiheit ist die Grundbedingung privatrechtlichen Handelns überhaupt und kommt allen Handlungsfähigen im gleichen Maße zu.547 Die Möglichkeit, durch einen Vertrag mit einer anderen Person ein Schuldverhältnis zu begründen, steht jedermann zu. Adomeit und ihm folgend Schmidtbleicher qualifizieren dagegen die Vertragsfreiheit als subjektives Recht und wollen damit die Kategorie mehrseitiger Gestaltungsrechte belegen. Adomeit lehnt das überwiegend als Charak­ teristikum subjektiver Rechte anerkannte Kriterium der Ausschließlichkeit mit der Begründung ab, dass andernfalls auch aus Grundrechten keine subjekt­ iv­(-öffentlich)-en Rechte folgen könnten, weil diese grundsätzlich jedermann zustehen.548 Der Vergleich zu den Grundrechten vermag indes nicht zu überzeugen, da für die Ausschließlichkeit subjektiv-öffentlicher Rechte549 eine andere Perspektive einzunehmen ist als für subjektiv-privatrechtliche Rechte. Die Grund544 Vgl. Steinbeck, S. 18; Bork, BGB AT, Rn. 282; Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 138 ff.; vgl. auch Wolf/Neuner, § 20, Rn. 10 ff.; zum subjektiven Recht vgl. auch Brox/Walker, BGB AT, Rn. 610 („die dem Einzelnen vom Privatrecht im objektiven Sinne verliehene Macht“ [Hervorhebung durch die Verf.]), Rn. 617 ff.; Köhler, BGB AT, § 17, Rn. 5 ff.; vgl. auch Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 72 (S. 428 f.): „Das subjektive Recht ist begrifflich eine Rechtsmacht, die dem einzelnen [Hervorhebung durch die Verf.] durch die Rechtsordnung verliehen ist, […].“ A. A. Adomeit, S. 11 ff. 545  Steinbeck, S. 20; Wolf/Neuner, § 20, Rn. 29; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 629; Köhler, BGB AT, § 17, Rn. 12; Peters/Jacoby, in: Staudinger, § 194, Rn. 18; vgl. auch Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 143. 546  Ganz herrschende Meinung: Bork, BGB AT, Rn. 282, Fn. 7; Steinbeck, S. 18; Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 143; vgl. auch Wolf/Neuner, § 20, Rn. 11; a. A. Adomeit, S. 10 ff., der die Vertragsfreiheit als mehrseitiges Gestaltungsrecht einordnet; ihm folgend Schmidtbleicher, S. 344 ff. 547  Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 143; zum Grundsatz der Privatautonomie und zur Vertragsfreiheit i. e. S. siehe auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 1 (S. 1 ff.). 548 Vgl. Adomeit, S. 11 f. 549 Zur Eigenschaft von Grundrechten als subjektiv-öffentliche Rechte siehe: Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 55, 58 m. w. N.; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 124 ff.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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rechte gewähren Rechte (nach der klassischen auf Jellinek zurückgehenden Einteilung der Grundrechtsfunktionen Abwehrrechte, Leistungsrechte oder Teilhaberechte)550 gegenüber dem Staat. Anders als im Privatrecht, wo – jedenfalls idealiter – das Leitbild der Gleichordnung551 gilt und Ausschließlichkeit gegenüber anderen Privatrechtssubjekten bestehen muss, gibt es eine solche Gleichordnung im öffentlichen Recht zwischen Grundrechtsberechtigten und Grundrechtsverpflichteten nicht. Der Staat ist nicht grundrechtsberechtigt.552 Es besteht eine Berechtigung des Grundrechtsträgers, die dieser gegenüber dem Staat durchsetzen kann – und damit eine Ausschließlichkeit. Für den Bereich des Privatrechts gilt eine Gleichordnung und daraus folgend eine (freilich theoretische) Gleichberechtigung aller Subjekte des Privatrechts (zu denen auch der Staat zählt, wenn er privatrechtlich handelt). Aus der Gleichberechtigung folgt der Grundsatz der vertraglichen – also mehrseitigen und im Einvernehmen erfolgenden Gestaltung im Gegensatz zur einseitigen, und insofern hierarchischen – Gestaltung. Sind grundsätzlich alle Privatrechtssubjekte gleichberechtigt, kommt keinem gegenüber einem anderen eine privilegierte Rechtsposition zu. Erst wenn durch Gesetz oder Vertrag die Ebene der Gleichberechtigung verlassen wird, besteht eine privilegierte Rechtsposition und kann von einem privatrechtlichen subjektiven Recht gegenüber einem oder mehreren Privatrechtssubjekten die Rede sein. Teilschuldverschreibungsgläubiger und Teilschuldverschreibungsschuldner verlassen diese Ebene der Gleichberechtigung bei einer vertraglichen Änderung der Anleihebedingungen nicht. Zwar steht die Befugnis oder Rechtsmacht zur Änderung des Inhalts einer (verbrieften) Forderung lediglich dem Gläubiger und dem Schuldner – also den am Schuldverhältnis i. e. S. Beteiligten – und insoweit nicht „jedermann“ zu. Der Schutz des Gläubigers davor, dass seine Rechtsposition durch Dritte verändert wird, resultiert indes aus der Einordnung der Forderung als subjektives Recht sowie – und dies gilt auch für den Schuldner – aus dem im Privatrecht geltenden Grundsatz der Gleichberechtigung, aus dem folgt, dass niemand die rechtliche Möglichkeit hat, einem anderen ohne seine Zustimmung Pflichten aufzuerlegen oder ihm seine Rechtsposition zu entziehen553. Zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner einer Forderung wird die Ebene der Gleichberechtigung bei vertraglichen Änderungen einer Forde550 Zu den Grundrechtsfunktionen siehe: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn.  80 ff.; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 91 ff.; Stein/Frank, Staatsrecht, § 26 II (S. 211 ff.). 551 Vgl. Bork, BGB AT, Rn. 17, 104 f.; Wolf/Neuner, § 2, Rn. 20 ff.; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 10, 25 ff.; Köhler, BGB AT, § 2, Rn. 4, § 5, Rn. 2; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 12; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 119; vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 1 7 (S. 10 f.). 552 Zur Grundrechtsberechtigung sog. grundrechtsdienender juristischer Personen des öffentlichen Rechts siehe: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 176 ff.; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 64 f.; Stein/Frank, Staatsrecht, § 27 III (S. 222). 553  Vgl. dazu Larenz, in: FS Sontis, S. 129, 143.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

rung dagegen nicht verlassen. Der Umstand, dass Dritte grundsätzlich nicht auf die Forderung einwirken und diese z. B. nicht verändern können, genügt nicht den Ansprüchen an die Ausschließlichkeit eines subjektiven Rechts. Eine für die Qualifizierung als subjektives Recht ausreichend privilegierte Rechtsposition ist vielmehr nur anzunehmen, wenn einer Partei – Partei können, wenn gläubiger- oder schuldnerseits mehrere Personen beteiligt sind, freilich auch mehrere Personen sein – die Rechtsmacht zusteht, einseitig den Inhalt der Forderung zu gestalten. Diese Ausschließlichkeit fehlt bei der Rechtsmacht zur Änderung des Inhalts des verbrieften Rechts durch einen Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner. (Teilschuldverschreibungs-)Gläubiger und (Teilschuldverschreibungs-)Schuldner können nur gemeinsam über den Inhalt der Forderung disponieren. Ein Teilschuldverschreibungsgläubiger kann die Anleihebedingungen – freilich vorbehaltlich einer entsprechenden Regelung in den Anleihebedingungen – ebenso wenig einseitig ändern wie der Teilschuldverschreibungsschuldner. Die Befugnis oder Rechtsmacht, durch einen Vertrag mit dem Schuldner den Inhalt des verbrieften Rechts zu ändern, stellt also kein (subjektives) Recht dar, an welchem eine geteilte Rechtszuständigkeit sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehen könnte, weshalb die Anleihegläubiger betreffend diese Rechtsmacht auch keine Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB bilden können.554

dd)  Rechtliche Identität der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission als Bestandteil der verbrieften Forderung? Möglicherweise kann die rechtliche Identität i. S. e. Austauschbarkeit der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission als Bestandteil der verbrieften Forderungen angesehen werden. Aus der Art der Vermögensanlage – bzw. dem Umstand, dass die Teilschuldverschreibungen Teil einer Gesamtemission sind – könnte bereits eine innere Verbundenheit der Teilschuldverschreibungen sowie die Unzulässigkeit der Aufhebung der Austauschbarkeit durch Vereinbarungen einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner folgen. Dieser Gedanke findet sich bei Daeniker, der die Rechtsbeziehungen zwischen Anleihegläubigern nach Schweizer Recht untersucht: Zwar sei in der Obligation ein selbstständiges Forderungsrecht verbrieft, der einzelne Obligationär gehe bei Erwerb seiner Forderung indes stillschweigend davon aus, dass neben ihm eine Vielzahl von Anlegern ebenfalls Schuldverschreibungen 554  Kritisch aber letztlich offenlassend auch Simon, S. 212 f.; gegen die Annahme einer Gemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB auch Siebel, S. 677.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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erwerbe.555 Außerhalb der Gläubigergemeinschaft gem. Art. 1157 Abs. 1 und Abs. 3 OR und vorbehaltlich der ausdrücklichen vertraglichen Gründung einer Zweckgemeinschaft durch die Obligationäre nimmt aber auch Daeniker keine besondere Gemeinschaft unter diesen an.556 Der Umstand, dass die Obligationäre – Daeniker formuliert ungünstig „die Mitglieder der Gläubigergemeinschaft“ – alle denselben Anleihebedingungen unterworfen sind, lasse kein rechtliches Band unter ihnen entstehen.557

(1) Bedingungskonstruktion Vor Inkrafttreten des SchVG 2009 ging Than davon aus, dass es möglich sei, bei Schuldverschreibungen, die nicht in den Anwendungsbereich des SchVG 1899 fielen,558 in den Anleihebedingungen vorzusehen, dass diese durch sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindende Mehrheitsbeschlüsse im Einvernehmen mit dem Emittenten geändert werden können.559 Der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger erwerbe seine Schuldverschreibung in diesem Fall „belastet“ mit der Bedingung, „[…] daß das Rechtverhältnis zwischen ihm und dem Emittenten durch Mehrheitsbeschluß der Gläubiger dieser Anleihe im Einvernehmen mit dem Emittenten geändert werden kann.“560 Der erste Erwerber stimme bei Begebung der Teilschuldverschreibungen der Möglichkeit einer Änderung der Anleihebedingungen unwiderruflich zu.561 Ein Mehrheitsbeschluss habe auch für den an der Beschlussfassung nicht teilnehmenden oder ihr widersprechenden Teilschuldverschreibungsgläubiger bindende Wirkung.562 Eine solche Gestaltung sei im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässig und vergleichbar mit der Leistungsbestimmung durch Dritte gem. § 317 BGB.563 Dritter sei gleichsam die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger. Die Zulässigkeit und die dogmatische Begründung einer solchen Gestaltung sind indes zweifelhaft. Eine entsprechende Vereinbarung kann schwerlich als Bedingung i. S. d. § 158 BGB eingeordnet werden, da nicht die Wirksamkeit ei555  Daeniker, S. 57 f., zur Selbstständigkeit des verbrieften Forderungsrechts vgl. auch S. 21 f. 556  Daeniker, S. 58 ff., insbes. S. 60. 557  Daeniker, S. 60. 558  Vgl. zum Anwendungsbereich des SchVG 1899 oben 1. Teil B I 1. 559  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 534 ff.; auch das Reichsgerichts hielt vor Inkrafttreten des SchVG 1899 eine Beschränkung der Rechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger in den Anleihebedingungen dahingehend, „daß der einzelne bei Ausübung seiner Rechte oder doch gewisser Rechte nur in Gemeinschaft mit den übrigen vorgehen darf und überhaupt oder für gewisse Fälle Abänderungen seiner Rechte durch Beschlüsse der zu einem Gesamtheitsverbande organisierten sämtlichen an derselben Emission beteiligten Gläubiger unterworfen sein soll“, für zulässig, vgl. Reichsgericht, Urteil vom 14. 01. 1888 – I 320/87, RGZ 22, 61, 63. 560  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 536. 561  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 536. 562  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 536. 563  Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 536, Fn. 34.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

nes Rechtsgeschäftes eintreten oder endigen, sondern der Inhalt der verbrieften Forderungen geändert werden soll. Die Einordnung als echte Bedingung i. S. d. § 158 BGB setzte voraus, dass bei der Begebung der Schuldverschreibungen eine unbegrenzte Anzahl ihrem Inhalt nach unbestimmter Forderungen entstünde, deren Wirksamwerden aufschiebend bedingt durch einen Mehrheitsbeschluss und das Einvernehmen des Teilschuldverschreibungsschuldners wäre. Die ursprüngliche Forderung müsste gleichzeitig als auflösend bedingt angesehen werden. Eine solche Konstruktion entspricht aber nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Auch der Vergleich zu § 317 BGB überzeugt nicht, da es nicht um eine Leistungsbestimmung durch Dritte, sondern um die Veränderung der versprochenen Leistung durch einen Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern geht. Auf Gläubigerseite soll lediglich eine Bündelung erfolgen. Die Möglichkeiten, eine solche Bündelung rechtsgeschäftlich zu erzielen, sind begrenzt. Die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist weder zweckmäßig noch ohne Weiteres konstruierbar.564 Auch die gegenseitige Erteilung rechtsgeschäftlicher Gesamtvertretungsmacht stößt auf Konstruktionsschwierigkeiten: Eine gegenseitige Bevollmächtigung der Teilschuldverschreibungsgläubiger müsste sich auch an zukünftige Erwerber richten; zudem müsste die Bevollmächtigung unwiderruflich und verdrängend wirken. Eine rechtsgeschäftliche Lösung stößt somit auf nicht unerhebliche Konstruktionsschwierigkeiten. Für die hier zu untersuchende Frage, ob ohne entsprechende Vereinbarung eine Einschränkung individueller Rechtsmacht gegeben ist, kann die Möglichkeit einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung aber auch dahinstehen.

(2)  Begründbarkeit durch Auslegung? Sehen die Anleihebedingungen die Möglichkeit etwaiger Mehrheitsbeschlüsse betreffend die Änderung der Anleihebedingungen nicht ausdrücklich vor, ist sehr fraglich, ob die damit verbundene Einschränkung individueller Rechtsmacht im Wege der Auslegung begründet werden kann bzw. muss. Zwar sind auch (Inhaber-)Schuldverschreibungen der Auslegung zugänglich. Primär ist auf den Wortlaut der Anleihebedingungen abzustellen. Es können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden, wenn diese Umstände dem typischen Zeichner bekannt sind oder jedenfalls bekannt sein müssten.565

564 

Vgl. bereits oben unter 2. Teil C II 2 a) bb) sowie ausführlich unten 2. Teil C II 2 b) aa). BGH NJW 1959, 31; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 8, 47; kritisch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 648 f.: „Bei der Auslegung sind nur solche Umstände heranzuziehen, die sich aus der Urkunde oder den in Bezug genommenen Dokumenten, also insbesondere dem Wertpapierprospekt, ergeben.“ 565 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Zwar ist für jeden Erwerber einer Teilschuldverschreibung erkennbar, dass die eigene Forderung Teil einer Gesamtemission ist. Dies wird sich in der Regel sogar unmittelbar aus den Anleihebedingungen ergeben. Die Austauschbarkeit der eigenen Forderung mit den anderen Teilschuldverschreibungen der Gesamtemission ist für den Erwerber auch von Bedeutung, weil mit der Austauschbarkeit und der Existenz eines (liquiden) Sekundärmarktes für ihn eine (unkomplizierte) Möglichkeit besteht, seine Forderung zu veräußern. In Anlehnung an Teubner566 könnte die rechtliche Identität der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission i. S. e. „Finalnexus“ Bestandteil der verbrieften Forderungen sein. Allerdings ist nicht nur fraglich, ob die Kategorie einer Zweckverbindung für abstrakte Forderungen taugt. Jedenfalls stünde die Begründung einer individuelle Einzeländerungen ausschließenden Verbundenheit allein durch Auslegung auf einem instabilen Fundament.

(3)  Vergleich zur Rechtsprechung des BVerfG zum Delisting Gegen die Annahme, die rechtlich identische Ausgestaltung der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission sei Bestandteil der verbrieften Forderung, spricht außerdem ein Vergleich zur Aktie bzw. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betreffend das Delisting.567 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gehört zwar die rechtliche Verkehrsfähigkeit, also die rechtliche Befugnis zur jederzeitigen Veräußerung, zu der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eigentumsmäßigen Bestandsgarantie, die gesteigerte faktische Verkehrsfähigkeit ist dagegen nicht geschützt.568 Diese sei dem Aktionär nicht in privatnütziger Verfügbarkeit normativ zugeordnet, die tatsächliche Verkehrsfähigkeit stelle nur eine wirtschaftliche Chance dar. Diese verfassungsrechtliche Einschätzung kann auch auf Schuldverschreibungen übertragen werden. Auch Forderungen sind von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.569 Die Liquidität des Sekundärmarktes und die Frage, ob tatsächlich 566 Vgl. Teubner, S. 111 f., 123, der die Verknüpfung in dem von ihm als dritte Kategorie neben bilateralen Verträgen und Gesellschaften angenommenen Vertragsverbund mit der Bindung synallagmatischer Verträge vergleicht. Die Parteien eines synallagmatischen Vertrages vereinbarten nicht lediglich Leistungspflichten, sondern auch ihre wechselseitige Verknüpfung werde Vertragsinhalt. Beim synallagmatischen Vertrag sei die Leistungsverpflichtung vom zusätzlich erforderlichen Finalnexus des Austauschzweckes zu unterscheiden. Beim Vertragsverbund trete neben die Leistungsverpflichtung der Parteien der Finalnexus des Verbundzweckes, wodurch die Verknüpfung der Leistungsverpflichtung mit anderen Verträgen Vertragsinhalt werde. 567 Zur Rechtsprechungshistorie betreffend das Delisting und Eingriffe in Aktionärsrechte siehe: Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119, Rn. 39 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 119, Rn. 31 ff. 568  BVerfG NZG 2012, 826, 828 f. 569  Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 201.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

ein Handel mit den betreffenden Schuldverschreibungen stattfindet, sind dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht in privatnütziger Verfügbarkeit zugeordnet. Allein die rechtliche Möglichkeit zur Veräußerung der verbrieften Forderung ist als Bestandteil der Forderung anzusehen. Die Handelbarkeit in tatsächlicher Hinsicht und die auch durch die Austauschbarkeit bedingte faktische Veräußerungsmöglichkeit dagegen nicht.

(4)  Keine Kompensation durch Gewährung kollektiver Rechte Weiter ist zu berücksichtigen, dass es für die Einschränkung der individuellen Rechtsmacht des einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers zur Änderung seiner Forderung durch einen Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner an einer Kompensation durch Gewährung kollektiver Rechte fehlt. Die Regelungen der §§ 741 ff. BGB, die mit § 745 Abs. 1 BGB die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen vorsehen, sind – wie dargelegt – nicht anwendbar. Mehrheitsbeschlüsse können auch nicht über die (entsprechende) Anwendung gesellschaftsrechtlicher Regelungen konstruiert werden. Eine (entsprechende) Anwendung der Vorschriften der Gesellschaft bürgerlichen Rechts brächte mit Blick auf die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen aber ohnehin keinen Mehrwert, da aus der Regelung des § 709 Abs. 1 BGB, die zwar dispositiv ist, mangels entsprechender Vereinbarungen aber nicht als abbedungen angesehen werden könnte, folgte, dass Einstimmigkeit erforderlich ist. Allerdings erfolgt auch nach dem SchVG eine Kompensation für die Einschränkung der individuellen Rechtsmacht durch Gewährung kollektiver Rechte nicht notwendigerweise, sondern nur, wenn und soweit der Teilschuldverschreibungsschuldner dies in den Anleihebedingungen vorsieht.570 Ohne Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG besteht für die Teilschuldverschreibungsgläubiger weder die Möglichkeit, Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss zuzustimmen, noch können sie durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger bestellen. Das Fehlen kollektiver Rechte spricht somit zwar nicht per se gegen die Annahme, dass die individuelle Rechtsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner bei Teilschuldverschreibungen aus Gesamtemissionen eingeschränkt ist.

(5)  Grundsatz der Privatautonomie Es ist aber mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie zweifelhaft, ob allein aus dem Umstand, dass die Teilschuldverschreibungen erkennbar Teil einer 570 

Vgl. auch unten 2. Teil C II 3 a).



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Gesamtemission sind, die Einschränkung der individuellen Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen durch einen Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner zu folgern ist. Der Grundsatz der Privatautonomie streitet vielmehr für die Zulässigkeit bilateraler Einzeländerungen der Anleihebedingungen. Die Forderungsbeziehung zwischen dem Emittenten und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger ist – sogar unter Geltung des SchVG 2009571 – bilateral.572 Ein übergeordnetes Schuldverhältnis i. w. S., an dem sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger beteiligt sind, existiert nicht.573 Auch folgt aus § 1 Abs. 1 SchVG lediglich, dass die Schuldverschreibungen im Zeitpunkt der Emission inhaltsgleich und fungibel sind. Aus dieser Vorschrift ergibt sich aber nicht, dass sie auch zukünftig inhaltsgleich bleiben müssen bzw. dass bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen ausgeschlossen sind. In Ermangelung ausdrücklicher gesetzlicher oder vertraglicher Einschränkungen ist vom Grundsatz der Privatautonomie und damit der Zulässigkeit bilateraler Einzeländerungen auszugehen.

ee)  Rechtliche Identität als Geschäftsgrundlage der verbrieften Forderungen? Kann die rechtliche Identität der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission nicht als Bestandteil des verbrieften Rechts angesehen werden, stellt sich die Frage, ob sie jedenfalls die Geschäftsgrundlage des verbrieften Rechts bildet.574 Nach herrschender Auffassung gehört die Geschäftsgrundlage nicht zum Inhalt des Rechtsgeschäfts.575 Allerdings: Nicht nur ist die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf Teilschuldverschreibungen umstritten.576 Es ist mit Blick auf 571  Cagalj, S. 101; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 16; Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 40; vgl. auch Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2607. 572  Liebenow, S. 13 f.; Hartwig-Jacob, S. 22. 573  Vgl. oben 2. Teil A I. 574  Vgl. auch Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 324: „Die kollektive Bindung kann eher [als auf der Ebene eines willentlichen Zusammenschlusses der Teilschuldverschreibungsgläubiger] auf der Ebene einer Geschäftsgrundlage angesiedelt werden.“ 575  Grüneberg, in: Palandt, § 313, Rn. 10; a. A. Finkenauer, in: MüKoBGB, § 311, Rn. 9, 41 ff., mit Nachweisen zur Gegenansicht unter Rn. 8. 576  § 313 BGB soll grundsätzlich auf alle schuldrechtlichen Verträge, auch auf abstrakte Schuldversprechen – und damit auch auf Inhaberschuldverschreibungen – Anwendung finden, vgl. Finkenauer, in: MüKoBGB, § 313, Rn. 47; Grüneberg, in: Palandt, § 313, Rn. 7; für die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Anleihen: vgl. auch Siebel, S. 608; Hopt, in: FS: Steindorff, S. 341, 377 f., der thematisiert, wann sich aus dem Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage ein Anspruch des Teilschuldverschreibungsschuldners gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger auf Zustimmung zur Änderung der Anleihebedingungen ergeben kann; zur Herleitung von Zustimmungspflichten unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern aus § 313 Abs. 1 BGB vgl. auch die Ausführungen von Simon, S. 258 ff. Auch der BGH bejaht die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf Teilschuldverschreibungen: BGH NZG 2013, 987, 989 Rz. 25 ff.; BGH NJW 2014, 3362, 3365 Rz. 32 f.; dagegen lehnt Habersack, ZIP 2014, 1149, 1154, die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf das

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

das soeben Gesagte577 sowie den Normzweck des § 313 BGB578 auch zweifelhaft, ob die rechtlich identische Ausgestaltung der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission als Geschäftsgrundlage, deren Wegfall zur Anwendbarkeit des § 313 BGB führt, angesehen werden kann: Gegen die Annahme, die rechtlich identische Ausgestaltung der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission bilde die Geschäftsgrundlage der verbrieften Forderungen, spricht entscheidend der Normzweck des § 313 BGB. Durch § 313 BGB soll Fehlvorstellungen über (bei Vertragsschluss bereits bestehende) vertragswesentliche Umstände oder künftigen Entwicklungen, die die Vertragserfüllung ernsthaft in Frage stellen und das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung in einem das übliche Vertragsrisiko übersteigenden Maße stören, Verhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Zweiterwerber der Schuldverschreibungen in Ermangelung eines Vertragsverhältnisses zwischen diesen ab. Da zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem Zweiterwerber einer Teilschuldverschreibung in der Tat grundsätzlich keine vertraglichen Beziehungen bestehen, kommt für Letzteren lediglich ein vom ersten Gläubiger abgeleitetes Recht in Betracht. Auch der BGH stellt klar, dass es im Rahmen des § 313 BGB nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Zweiterwerbers ankommen kann, vgl. BGH NJW 2014, 3362, 3365 Rz. 35; vgl. auch Frantzen, S. 250 f., der auf die Vorstellungen des ersten Erwerbers bei Abschluss des Genussrechtevertrages abstellt. Ein anderes Ergebnis wäre auch mit der Eigenschaft von Schuldverschreibungen als fungible Kapitalmarktprodukte unvereinbar. Die Vorstellungen des Zweiterwerbers sind nur im Verhältnis zum Vertragspartner des Erwerbsgeschäfts von Relevanz. Dogmatisch begründen ließe sich das Abstellen auf die Vorstellungen des Ersterwerbers der Schuldverschreibungen nur, wenn § 313 BGB (bzw. das aus § 313 BGB herzuleitende Recht zur Anpassung der Anleihebedingungen) als ein zur verbrieften Forderung akzessorisches sekundäres Gläubigerrecht eingeordnet wird. Fraglich bleibt die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage aber auch mit Blick auf den Charakter des Begebungsvertrages. Nach hier vertretener Auffassung hat der Begebungsvertrag allein die Entstehung der verbrieften Forderung und die Verschaffung des Eigentums an der Urkunde zum Inhalt, vgl. oben 2. Teil A I 4 sowie Habersack, ZIP 2014, 1149, 1154 f. Unter der Prämisse, dass der Begebungsvertrag keinen Bezug auf den Inhalt des verbrieften Rechts aufweist und diesbezüglich abstrakt ist, vgl. bereits oben 2. Teil A I 4, II 1 sowie Assmann, WM 2005, 1053, 1057 f., ist in der Tat fraglich, inwieweit Umstände, die das verbriefte Forderungsrecht berühren, als Geschäftsgrundlage des Begebungsvertrages angesehen werden können. Insbesondere geht der Begebungsvertrag nach hier vertretener Auffassung aber nicht in der verbrieften Forderung auf, sondern führt als Zuwendungsvertrag lediglich zur Entstehung des verbrieften Rechts, vgl. oben 2. Teil A I 4. Ein Abstellen auf den Übernahmevertrag respektive dessen Geschäftsgrundlage scheidet aus, da die Zweiterwerber der Teilschuldverschreibungen an diesem Vertrag nicht beteiligt sind und auch kein aus diesem Vertrag hervorgehendes Forderungsrecht erwerben. Die Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 313 BGB kann für diese Untersuchung aber letztlich offen bleiben, weil sich aus § 313 BGB jedenfalls keine Beschränkung der individuellen Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner ergibt (vgl. dazu sogleich). Jedenfalls soweit sich das spezifische Anlagerisiko, das in der konkreten Gestaltung der verbrieften Rechte zum Ausdruck kommt, realisiert, muss eine Anwendung des § 313 BGB richtigerweise ausscheiden, so auch Habersack, ZIP 2014, 1149, 1154 f.; vgl. auch Finkenauer, in: MüKoBGB, § 313, Rn. 70; Podewils, EWiR 2013, 637, 638. 577  Vgl. 2. Teil C II 2 a) dd) (5). 578  Dazu sogleich.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Rechnung getragen werden.579 Durch bilaterale Einzeländerungen wird aber weder die Erfüllung der in der Schuldverschreibung versprochenen Leistung gefährdet noch wird im Hinblick auf die Leistungspflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners die privatautonome Risikoverteilung gestört. Eine durch bilaterale Einzeländerungen herbeigeführte Verringerung des Sekundärmarktes wirkt sich nicht auf die verbriefte Forderung und die darin versprochene Leistung aus. Die Verringerung der Liquidität des Sekundärmarktes ist nicht geeignet, die Erfüllung der vom Teilschuldverschreibungsschuldner geschuldeten Leistung ernsthaft in Frage zu stellen. Der Handel am Sekundärmarkt berührt nicht die bilateralen Verhältnisse des Teilschuldverschreibungsschuldners zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern. Auch wenn der Teilschuldverschreibungsschuldner ebenfalls mittelbar von der Fungibilität der von ihm emittierten Teilschuldverschreibungen profitieren kann, weil ein liquider Sekundärmarkt die Attraktivität zukünftiger Emissionen steigern kann,580 ist die Veräußerbarkeit der verbrieften Forderung alleiniges Risiko des Teilschuldverschreibungsgläubigers. Dieser ist auch vor anderen Ereignissen, die den Sekundärmarkt verkleinern und die Veräußerbarkeit seiner Forderung beeinträchtigen, nicht geschützt.581 Es besteht auch kein Schutz davor, dass die Schuldverschreibungen faktisch nicht gehandelt werden. Da die Veräußerbarkeit der verbrieften Forderung alleiniges Risiko des Teilschuldverschreibungsgläubigers ist, liegt auch eine andere Interessenlage als in dem Fall vor, in welchem der II. Zivilsenat des BGH § 313 BGB auf Inhaberschuldverschreibungen anwendete.582 Dort hatte die Emittentin von in Inhaberschuldverschreibungen verbrieften Genussrechten als abhängige Gesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Die Anleihebedingungen enthielten für diesen Fall keine Regelungen. Der II. Zivilsenat des BGH ging davon aus, dass die „Konzernfreiheit“ der Emittentin die Geschäftsgrundlage des Begebungsvertrages darstelle.583 Auf Grund der Möglichkeit negativer Weisungen nach § 308 Abs. 1 AktG bestehe bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Gefahr, dass die abhängige Gesellschaft nicht mehr so geführt werde, wie es ihrem Interesse entspricht. Die Genussscheininhaber seien beim Erwerb der Genussscheine aber von einer Geschäftsführung im eigenen Interesse des Unternehmens ausgegangen und hätten nicht damit gerechnet, dass die Gesellschaft im übergeordneten Interesse eines Konzerns oder seiner Spitze geführt werde. Damit verändere sich durch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages für die Genussscheininhaber 579 Zum Normzweck des § 313 BGB vgl.: Finkenauer, in: MüKoBGB, § 313, Rn. 1; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 560. 580  Vgl. dazu oben 2. Teil C II 2 a). 581  Vgl. oben 2. Teil C I 2, 3 b) und unten 2. Teil C II 4 a) sowie 3. Teil C III 3 b). 582  BGH NZG 2013, 987. 583  BGH NZG 2013, 987, 989 (Rz. 29).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

die Risikolage.584 Auch weise die in einen Vertragskonzern einbezogene abhängige Gesellschaft keinen Bilanzgewinn oder -verlust mehr aus.585 Die Eingliederung der Genussscheinemittentin berührte folglich die von der Emittentin versprochene Leistung und damit die Forderungsbeziehung zum jeweiligen Genussscheininhaber. Durch eine Verkleinerung des Sekundärmarktes infolge bilateraler Einzeländerungen wird das Leistungsversprechen dagegen nicht berührt. Überdies folgte, wollte man die die inhaltliche Austauschbarkeit der Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission und damit ihre rechtliche Identität als Geschäftsgrundlage der verbrieften Forderungen ansehen, hieraus nicht die Unzulässigkeit bilateraler Änderungen und die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission binden, sondern bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen würden „lediglich“ den (teilweisen) Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen, was nach § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich zu einem Anspruch auf Anpassung der bisher unveränderten Anleihebedingungen führen würde.

ff)  Ergebnis zur Rechtslage ohne §§ 4 ff. SchVG Ohne die Regelung des § 4 S. 1 SchVG und ohne entsprechende Vereinbarung in den Anleihebedingungen wären bilaterale Einzeländerungen der Anleihebedingungen jederzeit möglich. Ein allgemeines Prinzip, das bilaterale Einzeländerungen bei Teilschuldverschreibungen aus Gesamtemissionen verbietet, besteht nicht. Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bestünden keine besonderen Rechtsbeziehungen und sie bildeten keine besondere Gemeinschaft. Eine Einschränkung der individuellen Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen sowie die Kompensation durch Mehrheitsbeschlüsse, die für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich sind, könnte ohne die Regelungen der §§ 4, 5 ff. SchVG somit allenfalls rechtsgeschäftlich durch entsprechende Gestaltung der Anleihebedingungen erreicht werden.586 Auch das SchVG 1899 enthielt jedenfalls keine § 4 S. 1 SchVG entsprechende Regelung. Wie Liebenow zutreffend ausführt, bezog sich § 12 Abs. 1 S. 1 SchVG 1899 nicht auf bilaterale Einzeländerungen der Anleihebedingungen, sondern auf Änderungen durch Mehrheitsbeschlüsse; § 12 Abs. 1 S. 1 SchVG 1899 entspricht dem heutigen Gleichbehandlungsgebot aus § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG.587 Da die kollektive Bindung kein allgemeines Prinzip von Schuldver584 

BGH NZG 2013, 987, 989 (Rz. 23). BGH NZG 2013, 987, 988 f. (Rz. 22). 586  Für die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung Than, in: FS Coing, Bd. II, S. 521, 534 ff.; vgl. auch Reichsgericht, Urteil vom 14. 01. 1888 – I 320/87, RGZ 22, 61, 63. 587 Vgl. Liebenow, S. 126 f. 585 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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schreibungen aus Gesamtemissionen darstellt, ist die Existenz einer kollektiven Bindung auch für das SchVG 1899 zu verneinen.

b)  Auseinandersetzung mit den Ansichten im Schrifttum zur Rechtsnatur des Kollektivs nach dem SchVG Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger ohne die Regelungen des SchVG unverbunden nebeneinander stünden und kein allgemeines Prinzip existiert, das bilaterale Einzeländerungen bei Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission ausschließt. Nun ist zu untersuchen, ob – wie teilweise vertreten – das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger in bekannte Formen zivilrechtlicher bzw. gesellschaftsrechtlicher Kollektivierung eingeordnet werden kann oder ob es sich – wie von der wohl überwiegenden Meinung angenommen – um ein Kollektiv eigener Art handelt.

aa)  Keine (personen-)gesellschaftsrechtliche Bindung (1)  Grundsätzliche Bedenken Die Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Kapitalgesellschaft oder juristische Person scheitert schon daran, dass es an einer Verlautbarung durch Eintragung in einem Register fehlt.588 Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist aber auch nicht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts i. S. d. §§ 705 ff. BGB – auch nicht in Form einer Innengesellschaft – einzuordnen. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger verfolgen schon keinen gemeinsamen Zweck.589 Jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger ist an der Erfüllung seiner eigenen Forderung(en) interessiert und verfolgt damit individuelle Zwecke.590 Ein gemeinsamer Zweck liegt auch nicht in Form der kollektiven Durchsetzung individueller Zwecke vor,591 da es den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern nicht auf die Erfüllung sämtlicher Forderungen der Gesamtemission und die Förderung des Kollektivs ankommt, sondern es ihnen ausschließlich um die Erfüllung ihrer eigenen, 588  So auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 20; gegen eine kapitalgesellschaftsrechtliche Bindung zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern auch Röh/ Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 43; Moser, S. 112 f.; zum Eintragungserfordernis bei der Entstehung juristischer Personen vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 IV, § 8 II 5. 589  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 17; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; Moser, S. 114; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap.  17, §  4 SchVG, Rn. 4; Cagalj, S. 104; Podewils, DStR 2009, 1914, 1915; Grünewald, S. 221; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 6; zweifelnd auch Leber, S. 229. 590  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45. 591  So aber Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 48 f.; vgl. auch Simon, S. 205 f.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

individuellen Forderung(en) geht.592 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger haben – allenfalls593 – parallele Interessen, sie verfolgen aber keinen gemeinsamen Zweck. Aus diesem Grund vermag auch die Einordnung der Teilschuldverschreibungsgläubiger als gesellschaftsähnliche Interessengemeinschaft nicht zu überzeugen. Darüber hinaus sind viele der Regelungen der §§ 705 ff. BGB nicht mit den Vorschriften des SchVG vereinbar oder auf das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht sinnvoll übertragbar:594 Unklar ist etwa, worin die Beiträge i. S. d. § 706 BGB der Teilschuldverschreibungsgläubiger liegen sollen.595 Teilweise wird für die Beitragsleistung auf eine die Teilschuldverschreibungsgläubiger benachteiligende Änderung der Anleihebedingungen zugunsten des Teilschuldverschreibungsschuldners abgestellt.596 Nach Liebenow liegen die Beiträge in den kollektiven Rechtsverzichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger zugunsten des Teilschuldverschreibungsschuldners.597 Neben einer Krise des Emittenten sind allerdings noch andere Situationen denkbar, in denen das Bedürfnis nach einer Änderung der Anleihebedingungen besteht.598 Kommt es aus anderen Gründen als der Sanierung des Teilschuld592 

Moser, S. 114 f.; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45; Cagalj, S. 103; vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 6, der kritisiert, dass mit einer solchen Argumentation jegliches aufeinander abgestimmtes Handeln einen gemeinsamen Zweck i. S. d. § 705 BGB begründen könnte, der gemeinsame Zweck i. S.d § 705 BGB müsse dem Handeln aber gerade vorausgehen bzw. dem Handeln zugrunde liegen, was bei der Beschlussfassung der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht der Fall sei. 593 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger bilden keine homogene Gruppe. Einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger können beispielsweise gleichzeitig Gesellschafter des Teilschuldverschreibungsschuldners sein oder andere Forderungen gegen diesen haben und aus diesem Grund etwa in einer Sanierungssituation andere Strategien verfolgen als die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger. Mit dem Erwerb von Teilschuldverschreibungen in einer Krisensituation kann auch eine Übernahme des Teilschuldverschreibungsschuldners beabsichtigt werden, vgl. dazu: Florstedt, ZIP 2016, 645, 648; Florstedt, ZIP 2015, 2345 ff. Dass auch nach der Konzeption des SchVG Interessenpluralität besteht, zeigt sich schon an der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen. Dem Mehrheitsprinzip käme keine eigene Bedeutung zu, wenn ein vollständiger Interessengleichlauf bestünde, Servatius, S. 252 (allerdings zum SchVG 1899). 594  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 17 f.; vgl. auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; Moser, S. 115 f.; Cagalj, S. 104; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 6. 595  Moser, S. 115; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 18; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45. 596  Simon, S. 206. 597  Liebenow, S. 272 f. 598  Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2600; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 346 f.; Kau‑ lamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, § 17, Rn. 91; vgl. auch Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 81; Schlitt/Schäfer, in: Festschrift Maier-Reimer, S. 615, 618; Schmidtbleicher, S. 44; Reps, S. 189 f.; vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 14: „Schuldverschreibungen werden regelmäßig langfristig begeben, üblich sind Laufzeiten von bis zu zehn Jahren. Während dieser […] Zeit kann auch ohne eine Krise des Schuldners ein Bedürfnis für die Anpassung von Emissions-



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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verschreibungsschuldners zur Änderung der Anleihebedingungen – etwa wegen Konzernumstrukturierungen599 – und fehlt es an einem kollektiven Rechtsverzicht oder einer die Teilschuldverschreibungsgläubiger benachteiligenden Änderung der Anleihebedingungen, bliebe fraglich, worin die Beitragsleistung der einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger gesehen werden soll. Auch die Regelungen betreffend die Vertretung und Geschäftsführung gem. §§ 712, 715 BGB stehen nicht im Einklang mit den Vorschriften des SchVG.600 Ist kein gemeinsamer Vertreter bestellt, klagt jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger grundsätzlich für sich und mit Wirkung der Entscheidung inter partes und nicht mit Wirkung für und gegen die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger.601 Gegen die Einordnung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird weiter angeführt, dass die Anwendbarkeit des § 711 BGB, der ein Widerspruchsrecht gegen Geschäftsführungsmaßnahmen eines Gesellschafters normiert, und die §§ 712, 715 BGB, die den Entzug der Vertretungs- und Geschäftsführungsmacht ermöglichen, eine unverhältnismäßige Einschränkung der individuellen Gläubigerrechte darstellen würde.602 Außerdem wird vorgebracht, dass ausweislich der Gesetzesbegründung die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht prozessfähig sei.603 Für die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts erkenne die herrschende Meinung die Rechts- und Prozessfähigkeit aber an. Indes verfängt das letztgenannte Argument nur bedingt: Denn für die Frage, ob das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger rechtsfähig und damit prozessfähig ist, ist die Gesetzesbegründung nicht konstitutiv604. Vielmehr hängt diese Frage mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung von der dogmatischen Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger ab. Allerdings kann die Gesetzesbegründung als Indiz gewertet werden, dass

bedingungen entstehen […]. Solche Änderungen können durchaus im beiderseitigen Interesse liegen. […] ist es sinnvoll, die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger auch unabhängig vom Vorliegen einer Krise des Schuldners vorzusehen.“ 599  Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2600 und Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 347, führen Konzernumstrukturierungen als ein Beispiel für einen Anlass zur Änderung der Anleihebedingungen abseits von finanziellen Krisen des Teilschuldverschreibungsschuldners an. 600  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, §  4, Rn.  45; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21. 601  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; Moser, S. 115; zur Frage nach der kollektiven Bindung in Bezug auf die Anleihebedingungen ändernde Gerichtsentscheidungen vgl. unten 2. Teil C III. 602  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 18; vgl. auch Moser, S. 116. 603  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, §  4, Rn.  45; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 16; Moser, S. 115; vgl. auch die Gesetzesbegründung: BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 604  Zur Bedeutung der Gesetzesbegründung siehe auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 18.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

eine derartig weitgehende Bindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger, die zu einem rechtsfähigen Kollektiv führt, nicht beabsichtigt war.605 Auch die Regelungen zum gemeinsamen Gesellschaftsvermögen nach §§ 718 Abs. 1, 719 BGB stehen nicht im Einklang mit den Vorschriften des SchVG.606 Es besteht gerade kein gemeinschaftliches Vermögen der Teilschuldverschreibungsgläubiger, weshalb der Teilschuldverschreibungsschuldner gem. §§ 7 Abs. 6, 9 Abs. 4, 17 Abs. 1, 18 Abs. 6 SchVG die Kosten für die Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung und den gemeinsamen Vertreter zu tragen hat.607

(2)  Bedenken gegen die Konstruktion eines personengesellschaftsrechtlichen Innenverbands Aber auch die Qualifizierung der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Innengesellschaft, genauer als körperschaftlich strukturierten personengesellschaftsrechtlichen Innenverband ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ohne Gesellschaftsvermögen wie sie Liebenow vertritt,608 überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht.609 Ungeachtet der Frage, ob Verbände610 ohne Rechtsfähigkeit überhaupt anzuerkennen sind oder nicht,611 stellen sich zunächst mit Blick 605  In diesem Sinne wohl auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45; vgl. zur Frage der Rechtsfähigkeit des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger unten 2. Teil C II 3 b). 606  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; vgl. auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 18. 607  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 18. 608  Vgl. oben 2. Teil C II 1 a). 609  Ablehnend gegenüber der Konstruktion Liebenows auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 10. 610  Der Begriff „Verband“ bezeichnet eine mitgliedschaftliche Organisationsstruktur; er ist im Gegensatz zum „reinen“ Schuldverhältnis zu sehen, vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 I 3 b), vgl. auch § 7 I. Eine Gesellschaft setzt weder ein Gesellschaftsvermögen noch die Entstehung eines Verbandes noch eine eigene Rechtspersönlichkeit voraus. Eine Gesellschaft kann sich allein in einem Schuldverhältnis erschöpfen, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 1 I 2, 3. Eine Innengesellschaft zeichnet sich durch die fehlende Teilnahme am Rechtsverkehr aus (z. T. wird darüber hinaus das Fehlen eines Gesamthandsvermögens gefordert), vgl. hierzu: Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 275 ff.; Schücking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 3, Rn. 44, zur Frage, ob eine Innengesellschaft ein Gesamthandsvermögen bilden kann, Rn. 53 ff.; siehe auch: Beuthien, NZG 2011, 161, 162 ff.; Westermann, NJW 2016, 2625, 2626 ff., insbes. S. 2628. Mitgliedschaft bedeutet die Stellung einer Person infolge ihrer Zugehörigkeit zu einem Verband, vgl. Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 16. Voraussetzung für einen Verband ist die organisatorische Verselbstständigung der Gemeinsphäre gegenüber der Privatsphäre der Mitglieder, Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 17. 611 Befürwortend: Liebenow, S. 283 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 II 3 b), § 4 I 2 c), § 7 I 2, 3; K. Schmidt, NZG 2011, 361, 365; K. Schmidt, ZGR 2011, 108, 132 f.; Reusch, S. 70 ff.; Florstedt, S. 17; Kessal-Wulf, S. 18, passim; ablehnend: Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 18 f., 101 ff.; Altmeppen, ZIP 2011, 326, 327 f.; zurückhaltend auch Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 276, 285.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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auf den gemeinsamen Zweck und die Beitragsleistung die bereits geäußerten Bedenken. Vor allem aber lässt sich der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages sowie der Ein- und Austritt bei Übertragung der Teilschuldverschreibungen nicht überzeugend konstruieren: Erstens ist der Wille der Teilschuldverschreibungsgläubiger zum (konkludenten) Abschluss eines Gesellschaftsvertrages nicht erkennbar und wäre eine Fiktion.612 Die Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger entsteht gerade nicht durch (Gesellschafts-)Vertrag, sondern von Gesetzes wegen.613 Zweitens bleiben bei den Ausführungen Liebenows zum Vertragsschluss und zum Beitritt der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu einem verselbstständigten Innenverband die Struktur von Schuldverschreibungen und der numerus clausus der Wertpapiere unberücksichtigt. Inhaberpapiere unterliegen einem numerus clausus:614 Nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen können Rechte als Inhaberpapier verbrieft werden.615 (Inhaber-)Schuldverschreibungen verbriefen Forderungen.616 Zwar können Forderungen jeglicher Art verbrieft 612 

Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, §  4, Rn.  45; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 21; Cagalj, S. 103; Leber, S. 229; Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 838; vgl. auch Simon, S. 205 sowie 206 f.: „Die bloße Zusammenarbeit in der Gläubigerversammlung ist nicht geeignet, den Entschluss zu einer gemeinsamen Zweckförderung zu manifestieren.“ Kritisch auch Leber, S. 229, der für den Vertragsschluss allerdings auf den Zeitpunkt der Teilnahme an der Gläubigerversammlung und nicht wie Liebenow auf den Erwerb der Teilschuldverschreibungen abstellt. 613  So auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 45; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 24; Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 17; Cagalj, S. 103 f. 614 Vgl. bereits oben 2.  Teil A I 3 a) sowie: Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 13; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 25 f.; Hueck/Canaris, S. 25; Lehmann, S. 13; vgl. auch Ulmer, S. 22: „Die zulässigen Typen der Inhaberpapiere sind die Inhaberschuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB), die Inhaberschecks (Art. 5 SchG), die Inhaberaktien (§ 10 Abs. 1 AktG) und die Inhabergrund- (und -renten-) Schuldbriefe (§§ 1195, 1199 BGB). Mit der Beschränkung auf diese Formen ist zugleich der Kreis der im Inhaberpapier verbriefbaren Rechte umgrenzt.“ Auch wenn der Gesetzgeber den Kreis der Inhaberpapiere um den Anteilschein am Sondervermögen erweitert hat (vgl. § 95 Abs. 1 KAGB), stellt dies die Geltung des numerus clausus der Wertpapiere nicht in Frage. 615  Entsprechendes gilt für Oderpapiere; für Rektapapiere ist dies zwar umstritten, diese sind für die hier betrachtete Konstellation der Emission von Schuldverschreibungen aber zum einen nur von geringer praktischer Bedeutung, zum anderen würde auch die Verneinung eines numerus clausus für Rektapapiere nichts daran ändern, dass jedenfalls für Inhaber- und Orderpapiere der numerus clausus zu beachten ist. 616  Vgl. bereits oben 2. Teil A I, insbes. 1–3 sowie: Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 6; Habersack, in: MüKoBGB, 793, Rn. 1; Richardi, S. 69 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S. 25 f., 172 f.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 35; Gursky, S. 10, 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II (10. Auflage 1972), S. 376; vgl. auch Hueck/Canaris, S. 20, 25; Jacobi, Grundriß des Rechts der Wertpapiere, S. 106; Ulmer, S. 22 f.; Habersack, ZIP 2014, 1149, 1151; Assmann, WM 2005, 1053; Bierschenk, LMK 2014, 362569; Steffen, in: RGRK, § 793, Rn. 4, vgl. auch Vor § 793, Rn. 17; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 15; Singhof, in: MüKoHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 113; Hartwig-Jacob, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 9, Einführung, Rn. 3; Becker, WM 2013, 1736, 1739; Grüneberg, WM 2016, 1621, 1622;

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

werden,617 nicht in (Inhaber-)Schuldverschreibungen verbrieft werden können aber Mitgliedschaftsrechte.618 Nur im Fall der Aktie kann eine Mitgliedschaft in einem Inhaberpapier verbrieft werden (§ 10 Abs. 1 AktG).619 Nach der Konstruktion Liebenows wäre neben einer Forderung auch die Mitgliedschaft (in einem Innenverband)620 verbrieft. Die Annahme eines Innenverbandes (in Form einer Innen-AG) vermischt die Strukturen von schuldrechtlichen Ansprüchen und Mitgliedschaftsrechten. Eine solche neu geschaffene „hybride“621 Struktur bricht mit dem numerus clausus der Wertpapierrechte. Zwar steht es dem Gesetzgeber frei, neue Typen von Wertpapieren zu erschaffen. Dafür, dass durch das SchVG ein neuer Typus von Inhaber- und Orderpapieren kreiert werden sollte, ist aber nichts ersichtlich. Gegenstand des SchVG sind Schuldverschreibungen und damit wird insbesondere an die Bestimmung des § 793 BGB angeknüpft. Dass sich das SchVG von den schuld- und wertpapierrechtlichen Grundsätzen, die § 793 BGB zugrunde liegen, löst, kann jedenfalls nicht einfach unterstellt werden.622 Drittens ist die Konstruktion des Vertragsschlusses auch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht überzeugend: Liebenow geht davon aus, dass die Obligationärsgemeinschaft bereits im Zeitpunkt der Anleiheemission entsteht.623 Durch einen Opt-In gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG werde die VerbandsSeibt, ZIP 2016, 997, 1001; Singhof, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1163, 1168; ArtzingerBolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 4 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – XI ZR 160/12 –, juris Rz. 7 ff.; OLG Bamberg NJW‑RR 1989, 1449, 1450. 617  Ulmer, S. 22; Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 13. 618 Vgl. Marburger, in: Staudinger, § 793, Rn. 6; vgl. auch Habersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 11: „Keine Inhaberschuldverschreibungen sind: Aktien, weil sie keine Forderung, sondern ein Mitgliedschaftsrecht verbriefen […].“ 619 Vgl. Marburger, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 793–808, Rn. 13; Der Anteilschein an einem Sondervermögen i. S. d. § 95 KAGB verbrieft kein Mitgliedschaftsrecht, sondern es handelt sich um ein Wertpapier sui generis, das die Rechtsstellung des Anlegers in Bezug auf das Sondervermögen verbrieft, vgl.: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 10, Rn. 28; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 113, Rn. 136; Anders, in: Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, § 95, Rn. 3 f.; siehe auch: Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2371 ff.; Schott, in: Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher, InvG, § 33, Rn. 4 f.; zum Rechtsverhältnis zwischen den Anlegern des Sondervermögens: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 10, Rn. 39 (Bruchteilsgemeinschaft); ebenso Nietsch, in: Emde/Dornseifer/ Dreibus/Hölscher, InvG, Vor §§ 30–39, Rn. 29 f.; für die Einordnung als Gesamthandsgemeinschaft dagegen: Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2397; Sachtleber, S. 45 ff. 620  Vgl. auch Liebenow, S. 279. 621 Auch Liebenow spricht von einer „hybriden“ Rechtsstellung der Teilschuldverschreibungsgläubiger, vgl. Liebenow, S. 279. 622 Auch der IX. Zivilsenat des BGH geht davon aus, dass es sich bei inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen um Schuldverschreibungen i. S. d. §§ 793 ff. BGB handelt, BGH Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZA 9/16 –, juris Rz. 8. 623  Liebenow, S. 267: „[…] eine bereits zum Zeitpunkt der Anleiheemission verfasste Personenvereinigung.“



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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verfassung „ins Werk gesetzt“ und der Obligationärsverband errichtet.624 Der Verbandsbeitritt erfolge durch die Zeichnung einer Teilschuldverschreibung.625 Dabei geht Liebenow offenbar davon aus, dass die Obligationsgemeinschaft als „vorgeprägter Verband“ bereits existiert.626 Anderseits soll die Obligationärsgemeinschaft erst dann errichtet sein, wenn zwei verschiedene Obligationäre Teilschuldverschreibungen gezeichnet haben.627 Es überzeugt nicht, die Obligationärsgemeinschaft durch einen Opt-In gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG durch den an der Gesellschaft nicht beteiligten Teilschuldverschreibungsschuldner zur Entstehung gelangen zu lassen. Wenn die Obligationärsgemeinschaft als Personengesellschaft zu qualifizieren wäre, müssten für ihre Entstehung die Grundsätze des Personengesellschaftsrechts gelten. Zur Entstehung einer Gesellschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger wäre folglich ein Vertragsschluss von mindestens zwei Gründungsgesellschaftern erforderlich.628 Der Teilschuldverschreibungsschuldner ist jedoch nach der Konstruktion Liebenows nicht an der Gesellschaft der Obligationäre beteiligt. Seine Willenserklärung kann daher nicht die für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages maßgebliche sein. Für die Entstehung eines „polarisierenden“ Innenverbandes629, an dem der Teilschuldverschreibungsschuldner nicht beteiligt ist, bedarf es vielmehr „horizontaler“ Willenserklärungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern. Sofern mehrere erste Nehmer der Schuldverschreibungen vorhanden sind, muss zwischen diesen ein auf Gründung einer Gesellschaft gerichteter Vertrag konstruiert werden. Allenfalls wenn der Emittent als zur Abgabe und Entgegenahme von auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichteten Willenserklärungen durch die ersten Nehmer der Teilschuldverschreibungen bevollmächtigt anzusehen wäre, könnte in der Begebung der Schuldverschreibungen der Abschluss des Gesellschaftsgründungsvertrages gesehen werden. Hierfür fehlen aber Anhaltspunkte. Eine solche Bevollmächtigung kann insbesondere nicht einfach in das Verhalten der an der Emission Beteiligten hineininterpretiert werden. Ist nur ein erster Nehmer vorhanden – übernimmt also eine Person sämtliche Schuldverschreibungen –, kommt eine Errichtung einer Personengesellschaft im Zeitpunkt der Emission ohnehin nicht in Betracht, da die Gründung einer Gesellschaft mindestens zwei Gesellschafter voraussetzt und es (grundsätzlich) keine Ein-

624 

Liebenow, S. 269. Liebenow, S. 270. 626  Liebenow, S. 270. 627  Liebenow, S. 270. 628  Vgl. dazu Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 1; Möhrle, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 5, Rn. 1, 12; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 1 a), § 59 I 1–2, II 1 a). 629  Liebenow, S. 287; zum Begriff des „polarisierenden“ Innenverbandes sowie zum Gegenbegriff des „integrierenden“ Innenverbandes vgl. Kessal-Wulf, S. 493 f. 625 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

mann-Personengesellschaft gibt.630 Wenn also der Teilschuldverschreibungsschuldner bei der Gestaltung der Anleihebedingungen von der Möglichkeit des Opt-Ins gem. § 5 Abs. 1 SchVG Gebrauch macht, führt dies in diesem Zeitpunkt mangels Abschlusses eines Gesellschaftsvertrages nicht zur Entstehung einer Personengesellschaft. Aber auch beim Zweiterwerb – also bei Weiterveräußerung der Teilschuldverschreibungen durch den oder die ersten Nehmer – scheidet ein Vertragsschluss aus. Der Teilschuldverschreibungsschuldner kann nicht als ermächtigt angesehen werden, diese Willenserklärungen auszutauschen, zumal zwischen den Zweiterwerbern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner keinerlei vertragliche Beziehungen bestehen. Der Erwerb einer Forderung gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner kann auch nicht als Eintrittserklärung in eine noch überhaupt nicht bestehende Gesellschaft gewertet werden kann. Es überzeugt auch nicht, einen Vertragsschluss zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber einer Teilschuldverschreibungen zu konstruieren, insbesondere wird der Veräußerer nicht zwangsläufig noch Inhaber weiterer Teilschuldverschreibungen derselben Emission sein. Da es sich nach Auffassung Liebenows bei der Obligationsgemeinschaft um einen „polarisierenden“ Innenverband handelt, an dem der Teilschuldverschreibungsschuldner nicht beteiligt ist, verfängt auch der Hinweis631 auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes632 zur Innengesellschaft zwischen den über einen Treuhand-Kommissionär verbundenen Treugebern nicht. Diese Innengesellschaft, deren Existenz auch angezweifelt wird633, bestand nicht allein zwischen den Treugebern, sondern Gesellschafter dieser Innengesellschaft sollte neben den Treugebern auch der Treuhänder sein.634 Der Vertragsschluss 630  Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 60; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 b) sowie § 59 I 1 a); vgl. aber auch Raiser, AcP 194 (1994), S. 495, 509 f., der sich für die Zulässigkeit einer Einpersonen-OHG oder -KG ausspricht. 631  Liebenow, S. 286, Fn. 188. 632  BGH ZIP 2011, 322 (= BGH, Urteil vom 11. 01. 2011 – II ZR 187/09). 633  Zur Kritik vgl. Salger, in: jurisPR‑BKR 7/2011, Anm. 5; Altmeppen, NZG 2010, 1321, 1326; Holler, ZIP 2010, 2429, 2434; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2011, 326, 327 (Anm. zu BGH ZIP 2011, 322); zur mehrgliedrigen stillen Gesellschaft vgl. aber auch BGH, Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12 (= BGHZ 199, 104 ff.). 634  So geht das OLG Hamburg, auf dessen Einordnung der BGH Bezug nimmt (vgl. BGH ZIP 2011, 322, 323 Rz. 11), davon aus, „dass das Innenverhältnis zwischen den einzelnen (mittelbaren) Anlegern und der Beklagten als ihrem Organ rechtlich als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren […]“ist, OLG Hamburg, Urteil vom 26. Juni 2009 – 11 U 75/09 – Leitsatz und Rz. 34. Das der Treuhänder an der Innengesellschaft beteiligt ist, muss auch aus der Aussage des II. Zivilsenates des BGH (BGH ZIP 2011, 322) in Rz. 12, dass die „Auslegung des von den Anlegern mit der Beklagten [als der Treuhandkommanditistin] abgeschlossenen Treuhandvertrages ergibt, dass zwischen ihnen eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts besteht“, sowie den Ausführungen unter Rz. 21, dass das Treuhandverhältnis durch die aus der Innengesellschaft folgenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht überlagert werde, geschlossen werden. Vgl. auch Voigt, NZG 2011, 256, 257 f.; K. Schmidt, NZG 2011,



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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zur Gründung einer Innengesellschaft konnte in diesem Fall nur deshalb konstruiert werden, weil auch der Treuhänder Gesellschafter der Innengesellschaft gewesen ist635.636 Auch der für den Eintritt in eine bestehende Personengesellschaft erforderliche Vertrag konnte nur vermittelt über den Treuhänder erfolgen. Für den Eintritt in eine Personengesellschaft bedarf es eines Vertrages zwischen sämtlichen Gesellschaftern und dem Eintretenden.637 Dieser Vertragsschluss kann – was insbesondere bei Publikumsgesellschaften üblich ist – auch dadurch erfolgen, dass die Gesellschafter einen der ihrigen oder die Gesellschaft selbst bevollmächtigen, die entsprechenden Willenserklärungen für sie abzugeben und der bzw. die entsprechend Bevollmächtigte mit dem Beitrittswilligen einen Beitrittsvertrag abschließt.638 Wenn mangels Gründungsvertrages aber überhaupt keine Personengesellschaft existiert, kann auch die Zeichnung durch einen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht als „vertikale“ Beitrittserklärung gegenüber der (zum Abschluss eines Beitrittsvertrages bevollmächtigten) Obligationärsgemeinschaft gewertet werden. Es bedarf jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt eines „horizontalen“ Vertragsschlusses zwischen mindestens zwei Teilschuldverschreibungsgläubigern. Die Konstruktion einer Innengesellschaft der Obligationäre verkennt, dass es – anders als bei einer „stillen Beteiligung“ – im Fall der Gläubigergemeinschaft nach dem SchVG kein Beteiligungsobjekt – und damit kein Einlage361, 365 f., scheint dagegen davon auszugehen, dass der II. Zivilsenat des BGH lediglich eine Innengesellschaft unter den Treugebern annimmt, hält seinerseits indes eine Beteiligung des Treuhandkommanditisten an der Innengesellschaft für überzeugender, K. Schmidt, NZG 2011, 361, 366. 635  So geht das OLG Hamburg, auf dessen Einordnung der BGH Bezug nimmt (vgl. BGH ZIP 2011, 322, 323 Rz. 11), davon aus, „dass das Innenverhältnis zwischen den einzelnen (mittelbaren) Anlegern und der Beklagten als ihrem Organ rechtlich als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren […]“ist, OLG Hamburg, Urteil vom 26. Juni 2009 – 11 U 75/09 – Leitsatz und Rz. 34. Dass der Treuhänder an der Innengesellschaft beteiligt ist, muss auch aus der Aussage des II. Zivilsenates des BGH (BGH ZIP 2011, 322) in Rz. 12, dass die „Auslegung des von den Anlegern mit der Beklagten [als der Treuhandkommanditistin] abgeschlossenen Treuhandvertrages ergibt, dass zwischen ihnen eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts besteht“, sowie den Ausführungen unter Rz. 21, dass das Treuhandverhältnis durch die aus der Innengesellschaft folgenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht überlagert werde, geschlossen werden. 636  Vgl. auch BGH, Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12 –, juris Leitsatz und Rz. 15, 17 f. (= BGHZ 199, 104 ff.): Die stille Gesellschaft bestand auch hier zwischen den Gesellschaftern und dem Inhaber des Handelsgewerbes. Der Beitritt des einzelnen stillen Gesellschafters erfolgte in der Weise, dass der Inhaber des Handelsgewerbes im Namen der bereits beigetretenen stillen Gesellschafter die erforderlichen Willenserklärungen abgab. 637  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 II 3 a); Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 10, Rn. 2. 638  Vgl. BGH WM 1976, 15 f.; BGH NJW 1978, 1000; vgl. auch BGH NJW 1983, 1117; BGH, Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12 –, juris Rz. 17; vgl. auch Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 10, Rn. 3, 18.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

geschäft – gibt und der Teilschuldverschreibungsschuldner nicht Teil der „Gemeinschaft“ ist, sondern lediglich mehrere gleichgerichtete Forderungen gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner bestehen. Selbst wenn der Vertragsschluss, der zur Entstehung einer Gläubigergesellschaft führt, konstruiert werden könnte, müsste bei einer Veräußerung von Teilschuldverschreibungen an verschiedene Erwerber deren Eintritt in die Gesellschaft konstruiert werden. Zwar kann die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft übertragen werden und damit ein Gesellschafterwechsel auch ohne Abschluss eines Vertrages mit sämtlichen Gesellschaftern erfolgen.639 Eine Übertragung der Mitgliedschaft an der Obligationärsgemeinschaft müsste dafür vertraglich zugelassen sein oder die Zustimmung sämtlicher Mitgesellschafter vorliegen640 – beides ließe sich wohl noch konstruieren. Fraglich ist jedoch, was geschieht, wenn mehrere Anteile an dieser Gesellschaft in einer Person zusammenfallen. Für Personengesellschaften gilt der Grundsatz der einheitlichen Mitgliedschaft, d. h. dass grundsätzlich kein Gesellschafter an der Gesellschaft mit mehreren Gesellschaftsbeteiligungen beteiligt sein kann.641 Erwirbt ein Gesellschafter einen zusätzlichen Anteil, gehen der alte und der neue Anteil ineinander auf.642 Es besteht ein einheitlicher Anteil.643 Fallen sämtliche Anteile in einer Person zusammen, wird die Gesellschaft beendet.644 Eine Sonderzuordnung von Anteilen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa im Fall der Testamentsvollstreckung, der Vor- und Nacherbschaft oder bei dinglichen Belastungen mit Pfandrechten oder einem Nießbrauch.645 Gerechtfertigt wird die Ausnahme vom Erfordernis einer Gesellschaftermehrheit in diesen Fällen durch erbrechtliche Wertungen bzw. dem Drittinteresse am Erhalt der bestehenden dinglichen Belastung.646 639 Vgl.

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 III 2 b); Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 10, Rn. 111, die darauf hinweisen, dass dies für Innengesellschaften nicht unumstritten ist. 640 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 III 2 b), c); Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 10, Rn. 114 ff., die auf die Möglichkeit einer antizipierten Erteilung der Zustimmung im Gesellschaftsvertrag hinweisen. 641  Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 73, Rn. 41; Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 60 ff.; Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, § 105, Rn. 47; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 I 2 b); K. Schmidt, in: MüKoHGB, § 105, Rn. 77 f. mit Nachweisen zu Gegenstimmen. 642  K. Schmidt, in: MüKoHGB, § 105, Rn. 77. 643 Vgl. Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 73, Rn. 41; K. Schmidt, in: MüKoHGB, § 105, Rn. 77 f. mit Nachweisen zur Gegenansicht. 644  Schäfer, in: MüKoBGB, § 719, Rn. 26; Kilian, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 719, Rn. 13; Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 21, Rn. 80; K. Schmidt, in: MüKoHGB, § 105, Rn. 25; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 b), § 45 I 2. 645  Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 63 f.; Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 73, Rn. 41; vgl. Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, Handelsgesetzbuch, § 105, Rn. 48 ff. 646  Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 63 f.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Teilweise wird auch für eine Aufweichung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft bei (offenen) Treuhandverhältnissen plädiert.647 Es ist aber nicht ersichtlich, dass derartige Wertungen, die ausnahmsweise eine Sonderzuordnung von Anteilen einer Personengesellschaft rechtfertigen, bei der Gläubigergemeinschaft nach SchVG bestehen und von den Grundsätzen des Personengesellschaftsrecht abgewichen werden sollte. Würde also ein Gläubiger sämtliche Schuldverschreibungen halten und fielen damit sämtliche Anteile an der Obligationärsgemeinschaft in seiner Person zusammen, existierte – vorbehaltlich der genannten Ausnahmen – keine Gesellschaft mehr.648 Bei einer erneuten Teilübertragung könnte eine Gesellschaft nur entstehen, wenn es bei der Veräußerung zu dem Abschluss eines neuen Gründungsvertrages käme. Wie ein solcher Vertragsschluss konstruiert werden soll, bleibt fraglich, insbesondere wenn der Veräußerer sämtliche Teilschuldverschreibungen auf verschiedene Erwerber überträgt, er also keine Teilschuldverschreibungen mehr hält und damit nicht als vermittelndes Glied betrachtet werden kann. Spätestens für diesen Fall stößt die Einordnung der Obligationärsgemeinschaft als Personengesellschaft auf nicht – jedenfalls nicht ohne erheblichen argumentativen Aufwand und ohne eine Abkehr von personengesellschaftsrechtlichen Grundprinzipien – überwindbare Konstruktionsschwierigkeiten.

bb)  Keine Bruchteilsgemeinschaft Die Teilschuldverschreibungsgläubiger bilden auch unter Geltung des SchVG keine Gemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind auch unter Geltung des SchVG Inhaber individueller und selbstständiger Forderungsrechte.649 Zwar bilden die Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall der Sammelverwahrung gem. § 6 Abs. 1 DepotG eine Gemeinschaft nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren derselben Art, im Fall der Verbriefung der Rechte in einer Globalurkunde besteht gem. § 9a Abs. 2 DepotG i. V.m § 6 Abs. 1 DepotG eine Bruchteilsgemeinschaft an dieser.650 Das Miteigentum an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren oder an einer Globalurkunde führt aber nicht zu einer Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger, die über die Fragen der Verwahrung der Urkunde(n) 647  Befürwortend etwa Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 63; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 I 2 b) bb); ablehnend: Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, § 105, Rn. 50 ff. 648 Vgl. Piehler/Schulte, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, § 10, Rn. 112; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 b). 649  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 46; Moser, S. 117; Cagalj, S. 101, 103; Simon, S. 209; siehe auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 7. 650 Vgl. Einsele, in: MüKoHGB, Depotgeschäft, Rn. 1; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 11; vgl. auch Habersack, in: MüKoBGB, Vorbem §§ 793 ff., Rn. 31.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

hinaus besondere Rechte und Pflichten untereinander begründet.651 Ein anderes (subjektives) Recht, an dem eine geteilte Rechtszuständigkeit bestehen könnte, existiert nicht. Insofern gilt das zur Rechtslage ohne §§ 4, 5 ff. SchVG Gesagte.652 Darüber hinaus passen die Regelungen der §§ 741 ff. BGB teils nicht auf das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger, teils stehen sie sogar in Widerspruch zu den Regelungen des SchVG.653 So sehen die §§ 743 ff. BGB zum SchVG abweichende Beschlussmechanismen vor.654 Auch sind Mehrheitsbeschlüsse gem. § 5 Abs. 1 SchVG abweichend von § 745 Abs. 1 BGB nur möglich, wenn und soweit dies in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. Die Regelungen zur Aufhebung und Teilung655 der Gemeinschaft sind ebenso wenig sinnvoll auf das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger anwendbar wie die Notgeschäftsführung gem. § 744 Abs. 2 BGB656. Insoweit ergäbe daher auch die Einordnung der Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger als sog. schlichte Interessengemeinschaft657, für die 651 

Simon, S. 209. Vgl. oben 2. Teil C II 2 a) cc). 653  Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 19, der aber hervorhebt, dass „die Gemeinschaft i. S. d. § 741 BGB dem Verhältnis zwischen den Gläubigern näher kommt als die Gesellschaft“; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 23; Moser, S. 117 f.; Cagalj, S. 102; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 7. 654  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 23. 655  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 23; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 19; vgl. auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 46. 656  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 23; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 20; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 46; Moser, S. 117 f.; Cagalj, S. 103. 657  Für die Einordnung der Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger als gesell‑ schaftsähnliche Interessengemeinschaft Simon, S. 213 ff.; vgl. auch Grünewald, S. 222. Nach der auf Würdinger (vgl. Würdinger, S. 16 f., 69 ff.) zurückgehenden und maßgeblich von Wüst (siehe Wüst, in: FS Wiese, S. 649, 653 ff.; vgl. auch: Wüst, JZ 1985, 1077, 1079 ff.; Wüst, Die Interessengemeinschaft, insbes. S. 56 ff., 98 ff.) weiterentwickelten Theorie von der schlichten Interessengemeinschaft existiert zwischen mehreren Personen bei gleichgerichteten, parallelen Interessen eine Gemeinschaft (vgl. auch die Darstellung bei von Proff, in: Staudinger, § 741, Rn. 167 f.; Langhein, in: Staudinger, 13. Bearbeitung, 1996, § 741, Rn. 167 f.). Die Gemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB stelle einen gesetzlich geregelten Spezialfall dieser schlichten Interessengemeinschaft dar, vgl. Würdinger, S. 16, 18 f., 22, 31, 70 f. Den §§ 741 ff. BGB liege weniger die gemeinsame Innehabung eines Rechts zugrunde, maßgeblicher Gesichtspunkt sei vielmehr die Gleichgerichtetheit der Interessen, vgl. Würdinger, S. 16, 70. Die schlichte Interessengemeinschaft trete gewöhnlich nicht in Erscheinung. Nur wenn eine Kollision der individuellen Interessen auftrete – ein „pathologischer Zustand“ –, offenbare sich die schlichte Interessengemeinschaft (Würdinger, S. 17 f.). Im Fall der dinglichen Rechtsgemeinschaft sei eine Interessenkollision aber „praktisch fast bei allen Fällen“ gegeben, weshalb der Gesetzgeber ein besonderes Regelungsbedürfnis sah und mit den §§ 741 ff. BGB (Ausgleichs-) Regelungen normierte (Würdinger, S. 18 f.). Eine schlichte Interessegemeinschaft könne insbesondere dann entstehen, wenn eine gemeinschaftliche Gefahr alle Beteiligten gleichmäßig bedrohe (Würdinger, S. 16). Wüst (Wüst, in: FS Wiese, S. 649, 654 f.; vgl. auch Wüst, in: FS Wilburg, S. 257, 270) nimmt eine schlichte Interessengemeinschaft zwischen konkurrie652 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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teilweise die entsprechende Anwendung der §§ 741 ff. BGB bejaht wird,658 keinen Mehrwert659 – ganz abgesehen von grundsätzlichen Vorbehalten gegen die Anwendbarkeit der §§ 741 ff. BGB auf die schlichte Interessengemeinschaft660.

cc)  Kein netzvertragliches Kollektiv sui generis auf Grundlage von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB Auch die Qualifikation der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger als netzvertragliches Kollektiv sui generis ist abzulehnen. Zunächst sei auf die im Schrifttum geäußerte Kritik hingewiesen: Liebenow kritisiert, dass sich Vertragsnetzwerke typischerweise durch eine semi-spontane Kooperation der (Netz-)Beteiligten ohne übergreifende Organisation auszeichnen, die §§ 5 ff. SchVG aber gerade eine Organisation der Teilschuldverschreibungsgläubiger vorsehen.661 An der Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger als netzvertragliches Kollektiv sui generis, das seine Rechtsgrundlage in § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB findet, wird von Simon kritisiert, dass aus dieser Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger keine konkreten Rechtsfolgen hergeleitet werden könnten.662 In der Tat bleibt der konkrete Umfang der „Netzpflichten“, die unter den netzvertraglich Verbundenen bestehen sollen, unklar. Die Reichweite dieser (Kooperations- und Schutz‑)Pflichten ist laut Heldt begrenzt durch den „Einfluss der Vernetzung auf die Leistungserbringung“.663 Die Netzpflichten reichten nur so weit, wie es der übergreifende Bezug erfordere.664 Eine Handlungs- bzw. Zustimmungsverpflichtung zu Sanierungsmaßnahmen hält Heldt zwar für sinnvoll, lehnt dies aber gleichwohl für das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsrenden Gläubigern notleidender Forderungen an: Rechtstatsächlich seien alle Gläubiger einer Person auf dieselbe Deckungsmasse angewiesen und bildeten daher von Anfang an eine latente Interessengemeinschaft. Im Gefährdungsfall, wenn das Schuldnervermögen nicht mehr zur Befriedigung sämtlicher Forderungen ausreiche, aktiviere oder realisiere sich die Interessengemeinschaft. Ein Interessenausgleich habe bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhand der §§ 741 ff. BGB zu erfolgen. Zur Konstruktion einer Gefahren- und Interessengemeinschaft der Gläubiger in der Krise des Schuldners siehe auch Bamberger, in: Knops/Bamberger/ Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 21, 33 ff.; ablehnend H.‑F. Müller, S. 272 f. Der IX. Zivilsenat des BGH ist dieser Auffassung in der Akkordstörer-Entscheidung richtigerweise entgegengetreten, vgl. BGH NJW 1992, 967, 968 f. 658  Wüst, in: FS Wiese, S. 649, 655; vgl. auch Hadding, in: Soergel, § 741, Rn. 17; Vor § 741 Rn. 14; Schulz, S. 51 f. 659  Insoweit kritisch auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 7. 660  Langhein, in: Staudinger, 13. Bearbeitung, 1996, § 741, Rn. 174 f.; von Proff, in: Staudinger, § 741, Rn. 174 f.; K. Schmidt, in: MüKoBGB, § 741, Rn. 71; H.‑F. Müller, S. 272 f. 661  Liebenow, S. 260 f. 662  Simon, S. 219. 663  Heldt, S. 149. 664  Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 330.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

gläubiger mit Verweis auf mögliche Informationsunterschiede ab.665 Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung einer Netz- respektive Treuepflicht seien allenfalls für solche Fälle denkbar, „die im Bereich von § 826 BGB liegen“.666 Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern existiert aber auch keine schuldrechtliche Sonderverbindung i. S. d. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB.667 Voraussetzung wären „ähnliche geschäftliche Kontakte“ zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern.668 Geschäftliche Kontakte bestehen zwischen den in aller Regel anonymen Teilschuldverschreibungsgläubigern, die einander nicht kennen und deren Zusammensetzung anonym wechseln kann, nicht. Es besteht in der Regel überhaupt kein Kontakt zwischen ihnen. Auch verlangt § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB das Einverständnis beider Teile mit dem Zustandekommen des Kontaktes669 und das Vorliegen eines zumindest potentiellen Rechtsbindungswillens670. Ein solcher Rechtsbindungswille der Teilschuldverschreibungsgläubiger wäre aber eine Fiktion. Es besteht keine besondere Nähebeziehung671 und kein besonderes Vertrauensverhältnis672, das die Anwendbarkeit von § 311 Abs. 2 BGB begründen könnte. Auch die Funktion des in § 311 Abs. 2 BGB kodifizierten und vor der Schuldrechtsreform 2001 gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstituts des Verschuldens bei Vertragsschluss legitimiert nicht die Annahme quasivertraglicher Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern. Die Funktion des Rechtsinstituts des Verschuldens bei Vertragsschluss liegt zum einen darin, als unbillig empfundene „Härten“ des Deliktsrechts auszugleichen, beispielsweise den Entlastungsbeweis des § 831 BGB bei Tätigwerden einer Hilfsperson.673 Die Anwendbarkeit von § 280 BGB bietet überdies den Vorteil der Beweislastumkehr im Hinblick auf das Vertretenmüssen.674 665 

Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 329 f. Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 330. 667  Eine schuldrechtliche Sonderbeziehung lehnen auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 4 ab; dagegen tendiert Simon, S. 182 f. dazu, unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern eine Sonderbeziehung i. S. d. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu bejahen. 668  Zu den Voraussetzungen des § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB siehe: Harke, in: Soergel, § 311 Abs. 2, Rn. 45 („sachlicher Kontakt“, „Konstellationen, in denen auf andere unkörperliche Weise ein Näheverhältnis begründet ist“); Emmerich, in: MüKoBGB, § 311, Rn. 42 (bloß „soziale“ Kontakte reichten nicht aus), Rn. 48 f.; Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, § 311, Rn. 105 ff.; Kindl, in: Erman, § 311, Rn. 22. 669  Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, § 311, Rn. 106. 670  Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, § 311, Rn. 109. 671  Podewils, DStR 2009, 1914, 1918. 672  Zum Vertrauensgedanken als Grundlage der Haftung aus culpa in contrahendo siehe: Harke, in: Soergel, § 311 Abs. 2, Rn. 14 ff., 39; Emmerich, in: Staudinger, § 311, Rn. 40 f. 673  Vgl. dazu Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, § 311, Rn. 99; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 532; Harke, in: Soergel, § 311 Abs. 2, Rn. 6 ff.; vgl. auch Emmerich, in: MüKoBGB, § 311, Rn. 38, Fn. 63. 674  Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 532. 666 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Durch das Rechtsinstitut des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen sollen das enttäuschte Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages und daraus resultierende (Vermögens‑)Schäden ausgeglichen werden können.675 Weiter geht es um die Erfassung von vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten, um die pflichtwidrige Vereitelung des Vertragsschlusses sowie die pflichtwidrige Veranlassung zum Vertragsschluss.676 Keine dieser anerkannten Fallgruppen der culpa in contrahendo rechtfertigt es, zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern eine schuldrechtliche Sonderverbindung i. S. d. § 311 Abs. 2 (Nr. 3) BGB anzunehmen.

dd)  Ergebnis: Keine Einordnung in bekannte Kategorien Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger kann nicht in bekannte zivilrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Kategorien eingeordnet werden. Es handelt sich also um ein solches eigener Art. Dieses auf den ersten Blick unbefriedigend anmutende Ergebnis soll im Folgenden konkretisiert und die Typologie dieses Kollektivs herausgearbeitet werden. Es wird sich zeigen, dass sich jedenfalls die Befugnisse der Teilschuldverschreibungsgläubiger nach den §§ 5 ff. SchVG in bekannte Kategorien einordnen lassen. Auch die Funktion der kollektiven Bindung und ihr Verhältnis zu den §§ 5 ff. SchVG wird erörtert werden. Außerdem wird untersucht werden, in welchem Verhältnis die Teilschuldverschreibungsgläubiger zum gemeinsamen Vertreter stehen und ob Pflichtenbindungen, insbesondere in Form von Treueund Kooperationspflichten, zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehen.

3.  Die Typologie des Kollektivs a)  Die kollektive Bindung als Verbindungsmechanismus selbstständiger Schuldverhältnisse Zwar sind Mehrheitsbeschlüsse, die für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich sind, und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG nur möglich, wenn die Anleihebedingungen dies vorsehen. Allein der kollektiven Bindung kommt also in der Tat keine „organisationsrechtliche“ Wirkung zu.677 Sie schließt lediglich bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen aus.

675  Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, § 311, Rn. 99; vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 533. 676  Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, § 311, Rn. 99; vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 534 ff. 677  Insoweit zutreffend: Liebenow, S. 135 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Die Teilschuldverschreibungsgläubiger stünden ohne das SchVG und ohne entsprechende Bestimmungen in den Anleihebedingungen völlig unverbunden nebeneinander und bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger wären möglich.678 Die kollektive Bindung gem. § 4 S. 1 SchVG, die eine Änderung der Anleihebedingungen durch vertragliche Vereinbarungen des Teilschuldverschreibungsschuldners mit einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern ausschließt, führt daher einerseits zu einer Einschränkung der individuellen Rechtsmacht.679 An dieser Rechtsmacht besteht in der Folge eine gemeinsame „Zuständigkeit“ der Teilschuldverschreibungsgläubiger. Insoweit besteht eine gewisse Vergleichbarkeit zur Bruchteilsgemeinschaft, bei der eine gemeinsame Rechtszuständigkeit an einem Gegenstand besteht.680 Wie dargelegt ist die Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen durch einen Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner aber kein subjektives Recht und daher kein tauglicher Gegenstand einer Gemeinschaft nach Bruchteilen i. S. d. §§ 741 ff. BGB.681 Kraft Gesetzes kollektiviert sind nicht die Forderungen, sondern die Befugnis zur Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Da die Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen durch einen Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner gem. § 4 S. 1 SchVG nur sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern gemeinsam zusteht, kommt es durch die kollektive Bindung andererseits also zu einer Verbindung der ansonsten unverbundenen Teilschuldverschreibungsgläubiger.682 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind auf678 

Vgl. oben 2. Teil C II 2 a). auch Horn, in: ZHR 173 (2009), S. 12, 44; Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 838; Liebenow, S. 135; vgl. auch Cagalj, S. 101; Vogel, ZBB 2010, 211, 212; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 3. Die Beschränkung folgt nicht erst aus den sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindenden Mehrheitsbeschlüssen, so aber: Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 8, 12 ff.; ebenso Podewils, DStR 2009, 1914, 1915; wie hier dagegen: Liebenow, S. 125, 135; vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 17: „Die darin liegende Beschränkung der individuellen Rechtsmacht wird mit einem neuen Ausdruck als ‚kollektive Bindung‘ bezeichnet. […] Demgegenüber bringt der Begriff ‚Bindung‘ besser zum Ausdruck, dass in der Gemeinsamkeit zugleich eine Einschränkung individueller Rechte liegt. Die kollektive Bindung bewirkt, dass zweiseitige Vereinbarungen zwischen dem Schuldner und einzelnen Schuldverschreibungsgläubigern während der Laufzeit der Anleihe ausgeschlossen sind.“ 680  Vgl. auch Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 19, der betont, dass „die Gemeinschaft iSd § 741 BGB dem Verhältnis zwischen den Gläubigern näher kommt als die Gesellschaft.“ 681  Vgl. oben 2. Teil C II 2 a) cc). 682  So auch Schmidtbleicher, S. 178 f. („Die kollektive Bindung nach § 4 SchVG 2009 wird so zum Auslöser einer Mehrheitsentscheidung und ist daher aus der Perspektive des Gesetzgebers das verbindende Element zwischen den Anleihegläubigern.“), der allerdings kritisiert, dass das SchVG keine dogmatische Begründung für die durch die kollektive Bindung herbeigeführte Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger liefert. Dogmatische Grundlage ist nach Schmidtbleicher die zwischen den im Außenverhältnis als Teilgläubiger zu 679  So



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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grund der kollektiven Bindung nicht mehr völlig unverbunden, sie müssen zur Änderung der Anleihebedingungen zwangsläufig zusammenwirken. Dass mangels Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind, besagt lediglich, dass das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen ist für das Vorliegen einer „Gemeinschaft“ weder erforderlich noch ausreichend. Für Personengesellschaften legt das Gesetz selbst das Einstimmigkeitsprinzip fest (vgl. §§ 709 Abs. 1 BGB, 119 Abs. 1 HGB), von dem im Gesellschaftsvertrag freilich abgewichen werden kann.683 Die nach § 745 Abs. 1 BGB vorgesehene Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen ist nicht konstitutiv für das Vorliegen einer Gemeinschaft nach Bruchteilen, sondern Folge der geteilten Rechtszuständigkeit an einem Gegenstand. Ob eine gemeinsame Zuständigkeit für die Änderung der Anleihebedingungen und damit eine Verbindung besteht oder nicht, beurteilt sich nicht nach der Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen.684 Dass die Einschränkung individueller Rechtsmacht nur im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG durch die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen kompensiert wird, ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Dieser hat sich für das Opt-InModell der §§ 5 ff. SchVG und gegen die ipso iure bestehende Möglichkeit von sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindenden Mehrheitsbeschlüssen entschieden.685 Diese Gemeinschaft an der Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen kann nicht in die traditionellen Kategorien gesellschaftsrechtlicher oder zivilrechtlicher Vergemeinschaftung eingeordnet werden, sondern stellt ein Kollektiv sui generis dar. Die gesetzliche Kollektivierung der Änderungsbefugnis führt dabei nicht dazu, dass im Übrigen die Selbstständigkeit der verbrieften Rechte aufgehoben qualifizierenden Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehende partielle Bruchteilsgemeinschaft an den unteilbaren (mehrseitigen) Gestaltungsrechten, vgl. dazu 2. Teil C II 2 a) aa) sowie cc). Vgl. auch Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 55: „Alle Anleihegläubiger einer Gesamtemission sind kollektiv miteinander verbunden.“ Cagalj, S. 100: „[…] da durch dieses Prinzip die Individualrechte der Gläubiger eingeschränkt werden und zweifellos ein höherer Grad an ‚Vergemeinschaftung‘ erreicht wird.“ A. A. Liebe‑ now, S. 135 ff., 267 ff., der eine Verbindung erst aufgrund eines Opt-Ins gem. § 5 Abs. 1 SchVG annimmt, vgl. dazu bereits oben 2. Teil C II 1 a). 683 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II 2 a). 684  So aber Liebenow, S. 262. 685  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 14, 18; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 8 ff.; kritisch Friedl/ Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 4, 6; Schmidtbleicher, S. 402 f., kritisiert, dass sich das Opt-In-Modell auf den „ökonomisch überholten Gedanken des idealisierten vollständigen Vertrags“ stütze; für ipso iure mögliche Mehrheitsbeschlüsse auch Reps, S. 319; siehe auch Baums, in: FS Canaris, Bd. II, S. 3, 22 f.; das Opt-In-Modell begrüßen dagegen: Bredow/ Vogel, ZBB 2009, 153, 155; vgl. auch bereits Bredow/Vogel, ZBB 2008, 221, 231; Schneider, in: Baums, Das neue Schulderschreibungsrecht, S. 1, 2; zur bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für das Opt-In-Modell vgl. auch unten 3. Teil E II.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

wird oder ein gemeinsames Schuldverhältnis i. w. S. zum Teilschuldverschreibungsschuldner entsteht. Es bestehen weiterhin bilaterale Rechtsverhältnisse. § 4 S. 1 SchVG kollektiviert nur eine Befugnis aus diesen weiterhin individuellen Forderungsrechten.

b)  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist kein Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit Wie dargelegt bilden die Teilschuldverschreibungsgläubiger weder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i. S. d. §§ 705 ff. BGB noch kann die Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger in andere bekannte (gesellschaftsrechtliche) Strukturen eingeordnet werden. Eine Begründung für die Rechtsfähigkeit der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger sucht man auch bei denjenigen Stimmen im Schrifttum, die eben jene als Vertragspartner und Vollmachtgeber des gemeinsamen Vertreters qualifizieren, vergebens.686 Im SchVG finden sich keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber das Kollektiv mit eigener Rechtspersönlichkeit ausstatten wollte.687 Die Gesetzesmaterialien sprechen dagegen, dass die Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger rechtsfähig ist.688 Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist danach gerade nicht als Rechtsgebilde strukturiert, das ein Vermögen bilden und am Rechtsverkehr teilnehmen soll. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen „grundsätzlich gleichlautende Auftragsverhältnisse zwischen jedem Gläubiger und dem gemeinsamen Vertreter“ bestehen.689 Die Konstruktion gleichlautender bilateraler Verträge – die, wie noch aufzuzeigen sein wird, nicht überzeugt690 – wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Gebilde mit eigener Rechtspersönlichkeit hätte etablieren wollen. Auch geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger kein gemeinschaftliches (Sonder‑) 686 Soweit Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 26, auf die Ausführungen Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 12 ff. verweist, findet sich dort das Ergebnis, dass die Gläubiger gerade keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i. S. d. §§ 705 ff. BGB bilden, sondern ein Kollektiv sui generis darstellen. Eine eigene Rechtspersönlichkeit des Kollektivs wird sogar verneint, vgl. Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 14. Der Verweis auf die „vornehmlich gesellschaftsrechtlichen Strukturen“, so Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 21, begründet ebenfalls nicht die Rechtsfähigkeit des Kollektivs. Zu den Rechtsverhältnissen zwischen gemeinsamen Vertreter, Teilschuldverschreibungsgläubigern und Teilschuldverschreibungsschuldner vgl. unten 2. Teil C IV 2. 687  Es fehlt auch eine ausdrückliche Regelung, aus der sich die Parteifähigkeit des Kollektivs ergibt. Leber, S. 216, geht indes davon aus, dass die Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger als solche parteifähig ist. Leber begründet die Parteifähigkeit mit der Einordnung der Gläubigergemeinschaft als Rechtsgemeinschaft sui generis. 688  Vgl. auch Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 327. 689  BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 690  Vgl. unten 2. Teil C IV 2 b) bb).



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Vermögen bilden.691 Die Existenz eines eigenen (gesamthänderischen) Vermögens ist zwar – für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Meinung keine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung eigener Rechtspersönlichkeit.692 Der Umstand, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger nach der Vorstellung des Gesetzgebers kein gemeinsames Vermögen bilden, kann aber dennoch als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass der Gesetzgeber kein Zuordnungssubjekt für ein solches Vermögen und damit auch kein Rechtssubjekt schaffen wollte. Gegen die Annahme, die Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger sei als solche rechtsfähig, spricht zudem der Schutz des Rechtsverkehrs und der numerus clausus der Gesellschaftsformen: Nach diesem muss jeder, zumindest jeder nach außen auftretende Verband einer gesetzlich vorgegebenen Rechtsform zugehören.693 Die Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger lässt sich aber gerade keiner gesetzlich anerkannten Gesellschaftsform zuordnen. Das SchVG enthält auch keine Hinweise darauf, welche Rechtspositionen Dritte im Verhältnis zu diesem Kollektiv und zu den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern erwerben. Es fehlt etwa an einem Haftungsregime. Wenn sich die Teilschuldverschreibungsgläubiger dazu entschließen, über den vom SchVG vorgesehenen Rahmen hinausgehend zusammenzuarbeiten, ist ein solcher Zusammenschluss an den bestehenden Gesellschaftsformen zu messen. Das SchVG als solches statuiert aber kein mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattetes Rechtsgebilde.694

c)  Gesetzliche Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG aa) Grundlagen Für die in den §§ 5 ff. SchVG normierten Befugnisse der Teilschuldverschreibungsgläubiger – die Änderung der Anleihebedingungen durch Mehr691 

BT‑Drs. 16/12814, S. 20. zu dem Zusammenhang von Gesellschaftsvermögen und Rechtsträgerschaft Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 254, 266 f. sowie K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 II 2 b): „[…] nur Gesellschaften mit einem eigenen Vermögen können ‚als solche‘, also als Rechtsträger, am Rechtsverkehr teilnehmen.“ 693 Zum numerus clausus der Gesellschaftsformen vgl.: Saenger, S. 10 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 1. 694  Wie hier auch Thole, ZIP 2014, 293, 299; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 6; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 7, Fn. 11 a. E.; Reps, S. 39, der indes eine Ausnahme für den Fall annimmt, dass der gemeinsame Vertreter für die Teilschuldverschreibungsgläubiger Ansprüche klageweise geltend macht, insofern soll es sich bei den Teilschuldverschreibungsgläubigern um eine parteifähige – und damit rechtsfähige – Gruppe handeln, vgl. Reps, S. 39 Fn. 15. 692 Vgl.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

heitsbeschluss und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission695 – lässt sich eine dogmatische Begründung in bestehenden zivilrechtlichen Instituten finden. Die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger hat, sofern ein entsprechender Opt-In gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG erfolgt ist, die Rechtsmacht, mit Wirkung für und gegen jeden Teilschuldverschreibungsgläubiger dieser Emission diejenigen Handlungen vorzunehmen respektive diejenigen Entscheidungen zu treffen, die in den Anleihebedingungen vorgesehen sind. Erfasst ist zum einen die Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Zum anderen sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger befugt, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission zu bestellen und zu bevollmächtigen oder zu ermächtigen. Betrachtet man diese Macht der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit Blick auf die §§ 164 ff. BGB, kann ein dogmatisches Erklärungsmodel, welches sämtliche Befugnisse – auch bei Übertragung der Teilschuldverschreibungen – erklären kann, gefunden werden: gesetzliche Vertretungsmacht. Das SchVG räumt für den Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Gesamtemission eine (partiell verdrängende) Gesamtvertretungsmacht für und gegen die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission ein, wobei sich der Umfang der Vertretungsmacht nach den Anleihebedingungen und den §§ 5 ff. SchVG richtet. Es handelt sich um eine gesetzliche und nicht um eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, da die einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger untereinander keine Willenserklärungen abgeben, sondern sie automatisch mit Erwerb entsprechend ausgestalteter Schuldverschreibungen mit diesen Befugnissen ausgestattet sind. Auch gibt der Emittent nicht als falsus procurator Bevollmächtigungen für zukünftige Erwerber ab. Ein entgegenstehender Wille der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist daher ebenso unbeachtlich wie die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Erwerbers einer Teilschuldverschreibung.696 Dass das Zustandekommen der Gesamtvertretungsmacht vom Willen des Emit695 Von diesen Befugnissen zu trennen ist die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG vorgesehene Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss die Wirkung einer sog. Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG entfallen zu lassen. Die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG ist systematisch in § 5 SchVG falsch verortet und muss von den übrigen Bestimmungen des § 5 SchVG gesondert betrachtet werden, vgl. dazu ausführlich unten 3. Teil C III 3 b) cc), zur Gesamtkündigung vgl. auch unten 3. Teil A II. Sie ist kein Ausfluss der kollektiven Bindung. Für die Möglichkeit, die Wirkung einer Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss entfallen zu lassen, bedarf es auch keiner gesetzlichen Gesamtvertretungsmacht. Es handelt sich um eine auflösende Rechtsbedingung, vgl. dazu ausführlich unten 3. Teil D I, insbes. 1 c). 696  Ob der Erwerb einer Teilschuldverschreibung wegen der Mehrheitsbefugnisse nach den §§ 5 ff. SchVG nicht mehr lediglich rechtlich vorteilhaft i. S. d. § 107 BGB wäre, ist freilich eine andere Frage.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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tenten abhängt, steht der Einordnung als gesetzliche Vertretungsmacht nicht entgegen. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigt.697 Der gesetzlich vorgesehene Mechanismus der Entscheidungsfindung für die Ausübung der Gesamtvertretungsmacht ist der Mehrheitsbeschluss nach Maßgabe des SchVG und der Anleihebedingungen. Nicht das Kollektiv als solches – dieses ist nicht rechtsfähig –, sondern der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger ist gesamtvertretungsberechtigt. Die Gesamtvertretungsmacht wirkt partiell verdrängend, da die Teilschuldverschreibungsgläubiger, soweit ein entsprechender Mehrheitsbeschluss getroffen wurde, grundsätzlich keine diesem Beschluss widersprechende individuelle Entscheidung treffen können. Beispielsweise kann ein einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger grundsätzlich keinen Vertreter zur Wahrnehmung seiner Rechte bestellen, wenn und soweit die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger beschlossen hat, einen gemeinsamen Vertreter für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger zu bestellen. Beschließt die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger eine Änderung der Anleihebedingungen, bindet dies jeden Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission. Dass bilaterale Einzeländerungen ausgeschlossen sind, folgt allerdings bereits aus § 4 S. 1 SchVG. Die partiell verdrängende Gesamtvertretungsmacht hindert den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger indes daran, sich gegen die durch Mehrheitsbeschluss erfolgte Änderung zu stellen. Das hier vorgeschlagene Modell weist gewisse Ähnlichkeiten zur früher herrschenden Auffassung betreffend die Vertretung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf. Nach der sog. individualistischen Theorie oder traditionellen Lehre kam der Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine Rechtspersönlichkeit zu, rechtsgeschäftliche Handlungen wurden von dem oder den geschäftsführenden Gesellschafter(n) in Vertretung für die anderen Gesellschafter (und für sich selbst im eigenen Namen) vorgenommen.698 Der Umstand, dass diese Konstruktion für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts richtigerweise als überholt anzusehen ist – an der Rechtsfähigkeit der (Außen)-Gesellschaft bürgerlichen Rechts dürften heute keine Zweifel mehr bestehen –, ist für die hier betrachtete Frage der dogmatischen Einordnung der §§ 5 ff. SchVG unerheblich. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger bilden gerade keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist gerade kein rechtsfähiges Gebilde. 697 Vgl. zur Gesamtvertretung oder Kollektivvertretung in Abgrenzung zur Solidarvertretung, bei der jeder Vertreter Einzelvertretungsmacht hat, Schubert, in: MüKoBGB, § 164, Rn. 194. 698 Vgl. zur individualistischen Theorie: Saenger, Rn. 173; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 145 ff.; Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 296 f. m. w. N.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

bb)  Einheitliches Erklärungsmodell für das SchVG und das BSchuWG Das hier vorgestellte Konzept gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht liefert nicht nur eine dogmatische Grundlage für die Mehrheitsbefugnisse der Teilschuldverschreibungsgläubiger nach den §§ 5 ff. SchVG, auch die Regelung des § 22 SchVG kann vor diesem Hintergrund erklärt werden und fügt sich in dieses Konzept ein: Die Vertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger erstreckt sich im Fall des § 22 SchVG auch auf die Änderungen von Rechtsgeschäften mit Mitverpflichteten und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für diesen Bereich. Das Modell gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht kann außerdem auf das BSchuWG übertragen werden. Nach § 22 SchVG können die Anleihebedingungen vorsehen, dass die §§ 5 ff. SchVG für Rechtsgeschäfte, durch welche eine andere Person als der Teilschuldverschreibungsschuldner Sicherheiten für die Verpflichtungen des Teilschuldverschreibungsschuldners aus den Schuldverschreibungen gewährt, entsprechend gelten. § 22 SchVG trägt dem Umstand Rechnung, dass die Ansprüche der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner aus den Teilschuldverschreibungen häufig durch von Dritten gestellte Sicherheiten gesichert sind.699 Insbesondere wenn die Schuldverschreibungen von einer allein für diesen Zweck gegründeten Finanzierungsgesellschaft, die über keine eigenen Sicherheiten verfügt, emittiert werden, wird die Mutteroder eine Schwestergesellschaft Sicherheiten, häufig in Form von Garantien, stellen.700 Ein Bedürfnis zur Anpassung der Bedingungen von Sicherheiten ergibt sich beispielsweise bei nicht akzessorischen Sicherheiten, wenn diese an die veränderten Anleihebedingungen angepasst werden sollen.701 Durch § 22 SchVG wird es ermöglicht, die Bedingungen des Sicherungsgeschäfts durch Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu ändern. Neben dem Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist zur Änderung des Sicherungsgeschäfts auch die Zustimmung des Sicherungsgebers, ggf. auch die Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners erforderlich, wenn dieser Vertragspartner des Sicherungsvertrages (zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger) ist.702

699 

Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 1. Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 7; Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 22, Rn. 1; vgl. auch Kusserow, WM 2011, 1645, 1650; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 43. 701 Vgl. Kusserow, WM 2011, 1645, 1650. 702 Vgl. Hofmeister, in: Veranneman, SchVG, § 22, Rn. 2; Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 14. 700 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

147

§ 22 SchVG ist auf Personal- und Realsicherheiten anwendbar.703 Hauptanwendungsfall für § 22 SchVG sind Garantien.704 Bei akzessorischen Sicherheiten wird die Konstruktion über die von einem Treuhänder für die Teilschuldverschreibungsgläubiger gehaltenen sog. parallel debt obligation gewählt. Parallel zu den Verbindlichkeiten aus den Teilschuldverschreibungen einer Emission wird eine neue Verpflichtung des Emittenten zugunsten eines Treuhänders der Teilschuldverschreibungsgläubiger begründet und für diese neue Schuld eine akzessorische Sicherheit bestellt.705 Auch (nicht akzessorische) dingliche Sicherheiten werden üblicherweise zugunsten eines Treuhänders der Teilschuldverschreibungsgläubiger bestellt.706 Auch ein Treuhänder kann in diesen Fällen Mitverpflichteter i. S. d. § 22 SchVG sein,707 sodass Änderungen des (zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehenden)708 Treuhandvertrages durch Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger erfolgen können. Garantien sind in der Regel als echte Verträge zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger i. S. d. § 328 BGB ausgestaltet.709 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger haben also einen unmittelbaren Anspruch gegen den Garantiegeber.710 Den Vertragsparteien des Garantievertrages ist es üblicherweise nicht vorbehalten, die Garantiebedingungen ohne Zustimmung der begünstigten Teilschuldverschreibungsgläubiger zu ändern.711 Es ist zu empfehlen, nicht nur in die Anleihebedingungen, sondern auch in den Sicherungsvertrag 703  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 4, 7; Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 22, Rn. 4; Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 6; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 22 SchVG, Rn. 4. 704  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 4; Hofmeister, in: Veranneman, SchVG, § 22, Rn. 4; Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 22, Rn. 4; Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 7; vgl. auch Kusserow, WM 2011, 1645, 1650. 705  Zur Konstruktion einer Parallelschuld siehe auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 50. 706  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 7; vgl. allgemein zur Bestellung von Realsicherheiten Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 48 ff. 707  Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 6. 708 Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 7. 709  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 4; Hofmeister, in: Veranneman, SchVG, § 22, Rn. 4; Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 7; Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 22, Rn. 4; Kusserow, WM 2011, 1645, 1650; Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 46. 710  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 4. 711  Kusserow, WM 2011, 1645, 1650 f.; Hofmeister, in: Veranneman, SchVG, § 22, Rn. 4; vgl. auch: Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 7; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 22 SchVG, Rn. 1; vgl. aber auch Litten, ZBB 2013, 32, 35.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

ausdrücklich aufzunehmen, dass die Zustimmung sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Mehrheitsbeschluss ersetzt werden kann.712 § 22 SchVG gilt nur für deutschem Recht unterliegende Sicherheiten.713 Für einen deutschem Recht unterliegenden Sicherheitentreuhandvertrag hinsichtlich einer ausländischem Recht unterliegenden Sicherheit ist § 22 SchVG aber ebenfalls anwendbar.714

d)  Zweistufiges System der Interessenkoordination Die Regelungen des § 4 S. 1 SchVG und der §§ 5 ff. SchVG stehen nicht nebeneinander,715 sondern das SchVG statuiert ein zweistufiges System:716 Die erste Stufe bildet die kollektive Bindung, die kraft Gesetzes zur Kollektivierung der Rechtsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Änderungen der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner führt. Die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, und die Möglichkeit zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG bauen darauf auf und bilden die zweite Stufe. Eine andere Frage ist freilich, ob dieses zweistufige System für die Einführung von Mehrheitsbeschlüssen der Teilschuldverschreibungsgläubiger erforderlich ist. Diese Frage ist zu verneinen. Die Einräumung gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht wäre auch ohne den durch die kollektive Bindung statuierten Ausschluss bilateraler Änderungen der Anleihebedingungen möglich gewesen. Dass der Ausschluss bilateraler Änderungen zur Einführung von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, nicht erforderlich gewesen wäre, bestätigt auch das BSchuWG, das eine § 4 S. 1 SchVG entsprechende Regelung nicht enthält. Auch unter dem SchVG 1899 existierte keine kollektive Bindung,717 dennoch waren Mehrheitsbeschlüsse möglich. 712  Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 22, Rn. 10; Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 7; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 5. 713  Kusserow, WM 2011, 1645, 1651; Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 22, Rn. 11; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 3; Hofmeister, in: Veranneman, SchVG, § 22, Rn. 5; Lawall, in: FraKommSchVG, § 22, Rn. 10. 714  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 22 SchVG, Rn. 3. 715  So aber Liebenow, S. 135 f. 716  So auch Schmidtbleicher, S. 402; vgl. auch Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 44: „Die kollektive Bindung stellt […] eine Einschränkung der Individualrechte der Gläubiger dar. Diese Einschränkung ist Voraussetzung und Grundlage der kollektiven Rechte der Gläubiger, die mit Mehrheitsbeschlüssen nach §§ 4 ff. in die Individualrechte der einzelnen Gläubiger eingreifen können.“ 717  Zur Frage, ob unter dem SchVG 1899 eine kollektive Bindung bestand vgl. oben 2. Teil C II 2 a).



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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e) Zusammenfassung § 4 S. 1 SchVG kollektiviert die Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen, sodass bilaterale Änderungen ausgeschlossen sind. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind insoweit kraft Gesetzes verbunden, sie bilden aber kein rechtsfähiges Gebilde. Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger kann nicht in bestehende zivilrechtliche Kategorien eingeordnet werden. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger bilden ein Kollektiv sui generis. Das SchVG statuiert ein zweistufiges System: Die erste Stufe bildet die kollektive Bindung, die zu einer Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger führt. Die zweite Stufe bilden die §§ 5 ff. SchVG, die mit der Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen und der Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger zu einer Organisation der Teilschuldverschreibungsgläubiger führen. Auch im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG existiert kein mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattetes Kollektiv. Vielmehr besteht im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG kraft Gesetzes Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger für und gegeneinander in dem in den Anleihebedingungen und in den §§ 5 ff. SchVG vorgesehenen Umfang. Die Mehrheitsbeschlüsse sind der gesetzlich vorgesehene Mechanismus der Entscheidungsfindung. Es handelt sich um eine partiell verdrängende Vertretungsmacht, da der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger insoweit an der individuellen Ausübung und Geltendmachung seiner Rechte gehindert ist, als die Mehrheit durch Beschluss eine entgegenstehende Entscheidung getroffen hat. Die besondere Konstruktion des SchVG ist erforderlich, um Fremdkapitalgeber zu einer „Gemeinschaft“ zu verbinden, ohne eine Personengesellschaft zu bilden, was zum einen regelmäßig nicht gewollt sein wird und zum anderen mit wertpapierrechtlichen Prinzipien und der Einordnung als Fremdkapitalgeber bricht.

4.  Resümee zur Funktion der kollektiven Bindung a)  Schutz der Fungibilität und Schutz vor Verkleinerung des Sekundärmarktes Die kollektive Bindung bietet – wenn auch keinen vollständigen718 – Schutz vor Aufspaltungen des Sekundärmarktes und trägt so zur Gewährleistung 718  Nicht durch § 4 SchVG ausgeschlossen werden Rückkauf- oder Umtauschangebote des Teilschuldverschreibungsschuldners, vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 65. Nach § 5 Abs. 2 S. 2 a. E. SchVG können sogar durch rechtsgeschäftliche Änderungen unterschiedliche Bedingungen herbeigeführt werden, wenn die benachteiligten Teilschuldverschreibungsgläubiger ihrer Benachteiligung zustimmen. Auch durch Kündigungen kann es zur Aufspaltung der Gesamtemission in gekündigte und nicht gekündigte Teilschuldverschreibungen kommen, vgl. zur Aufhebung der Inhaltsgleichheit infolge von Kündigungen auch unten 3. Teil C III 3 b).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

der faktischen Handelbarkeit der Teilschuldverschreibungen bei. Auch wenn bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen die Fungibilität der Teilschuldverschreibungen in der Tat in etwas anderer Weise berühren als dies im Fall einer AGB-rechtlichen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle der Fall wäre, da die Aufspaltung der Gesamtemission im letzteren Falle weniger leicht ersichtlich wäre,719 führen auch jene zu einer Verkleinerung des Sekundärmarktes. Hierdurch kann die Handelbarkeit der Teilschuldverschreibungen in faktischer Hinsicht in ganz erheblichem Maße beeinträchtigt werden. Eine Verringerung des Sekundärmarktes führt zudem zu einer stärkeren Volatilität. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen das Vertrauen in die Beständigkeit des Sekundärmarktes beeinträchtigen und damit negative Auswirkungen auf den Kapitalmarkt haben können.

b)  Keine über die Vergemeinschaftung hinausgehende organisationsrechtliche Funktion der kollektiven Bindung Die kollektive Bindung bildet nach dem Konzept des SchVG den ersten Schritt für eine Koordination der Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger, indem sie die ansonsten unverbundenen Teilschuldverschreibungsgläubiger im Hinblick auf rechtsgeschäftliche Änderungen der Anleihebedingungen vergemeinschaftet.720 Eine darüber hinausgehende Organisation der Teilschuldverschreibungsgläubiger erfolgt allein durch die kollektive Bindung allerdings nicht.721 Erst durch die §§ 5 ff. SchVG werden Mehrheitsbeschlüsse und eine gemeinsame Vertretung der Teilschuldverschreibungsgläubiger ermöglicht. Kollektivhandlungsprobleme werden durch die kollektive Bindung lediglich insoweit entschärft, als verhindert wird, dass sich einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger auf Kosten der sanierungswilligen Teilschuldverschreibungsgläubiger befriedigen können. Für die Ermöglichung von Mehrheitsentscheidungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger wäre die kollektive Bindung aber nicht erforderlich gewesen. Eine gesetzliche Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger hätte auch ohne die kollektive Bindung normiert werden können. Dies bestätigt auch ein Vergleich zum BSchuWG, das kein Pendant zur kollektiven Bindung enthält, mit den §§ 4a ff. BSchuWG aber Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger ermöglicht. Gleiches gilt für das SchVG 1899.722 719 

Vgl. insoweit die Kritik Liebenows, S. 129 f. auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 24 („gesetzliche Verbindung“). 721  Insoweit ist Liebenow, S. 134 ff., zuzustimmen. 722  Zur Frage, ob unter dem SchVG 1899 eine kollektive Bindung bestand vgl. oben 2. Teil C II 2 a). 720  Vgl.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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c)  Die kollektive Bindung stellt nicht die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht her Die kollektive Bindung zwingt die Teilschuldverschreibungsgläubiger zu einem Zusammenwirken bei der Änderung der Anleihebedingungen. Da eine Einigung mit sämtlichen (anonymen) Teilschuldverschreibungsgläubigern in der Regel kaum realisierbar sein wird,723 erzeugt die kollektive Bindung ein besonderes Bedürfnis nach der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen. Wegen des Einstimmigkeitserfordernisses erleichtert allein die kollektive Bindung vorinsolvenzrechtliche Sanierungen aber nicht – im Gegenteil: Ohne die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen werden Sanierungsbemühungen wegen des Einstimmigkeitserfordernisses sogar erschwert.724 Die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht725 stellt die kollektive Bindung damit nicht her.726 Die Förderung vorinsolvenzrechtlicher Sanierungen ist ausweislich der Gesetzesbegründung aber auch nicht Zweck der kollektiven Bindung. Dieser liegt vielmehr in der Gewährleistung der Fungibilität und damit der Umlauffähigkeit der Teilschuldverschreibungen.727

III.  Zur kollektiven Bindung in Bezug auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Gerichtsentscheidungen 1.  Überblick über den Meinungsstand Der Wortlaut des § 4 S. 1 SchVG bezieht sich allein auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Rechtsgeschäft. Die Gesetzesbegründung lässt ausdrücklich offen, „ob auch mit gerichtlicher Hilfe einseitig herbeigeführte Inhaltsänderungen ausgeschlossen sind oder wie sich ihre Wirkungen ggf. verallgemeinern lassen“.728 Die Beantwortung dieser Fragen wird ausdrücklich der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung übertragen.729 Eine unmittelbare inter-omes-Wirkung von Gerichtsentscheidungen betreffend die Änderung von Anleihebedingungen wird im Schrifttum einheitlich 723 

Bredow/Vogel, ZBB 2008, 221, 222. auch Leber, S. 301, der betont, dass die kollektive Bindung eine Änderung der Anleihebedingungen ohne Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG faktisch unmöglich macht. 725  Vgl. aber BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 23 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 39 ff.; zur Einordnung des SchVG als Vorinsolvenzrecht siehe: Reps, S. 47, 50; vgl. auch: Simon, S. 117 ff.; Seibt/ Schwarz, ZIP 2015, 401 f.; Paulus, WM 2012, 1109, 1111 f.; Arbeitskreis Reform des Schuld‑ verschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846; a. A. Liebenow, S. 60 ff., der die Gläubigergemeinschaft unter dem SchVG mit der Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger vergleicht und das SchVG als Schwestergesetz des AktG einordnet. 726  So auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 647 ff. 727  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 17. 728  BT‑Drs. 16/12814, S. 17. 729  BT‑Drs. 16/12814, S. 17. 724  Vgl.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

abgelehnt.730 Der Teilschuldverschreibungsschuldner soll indes verpflichtet sein, ein rechtskräftiges Urteil zugunsten eines Teilschuldverschreibungsgläubigers auch zugunsten der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger anzuwenden.731 Die dogmatische Grundlage für eine solche Pflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners könne im Gleichbehandlungsgebot aus § 4 S. 2 SchVG, ggf. im Transparenzgebot aus § 3 SchVG, jedenfalls in der allgemeinen Treupflicht des (Teilschuldverschreibungs-)Schuldners gegenüber seinen (Teilschuldverschreibungs-)Gläubigern gesehen werden.732 Für eine solche Verpflichtung des Teilschuldverschreibungsschuldners spreche auch der Zweck der kollektiven Bindung, die Fungibilität und freie Handelbarkeit zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten.733 Komme es infolge einer Gerichtsentscheidung zu einer Änderung der Anleihebedingungen, wäre die betreffende Schuldverschreibung nicht mehr mit den übrigen Teilschuldverschreibungen der Emission inhaltgleich und folglich nicht mehr fungibel.734 Die betreffende Schuldverschreibung müsste auch gesondert verbrieft werden.735 Scheitert ein Teilschuldverschreibungsgläubiger mit seiner Klage gegen den Teilschuldver-

730  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 48; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 24; Röh/ Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 37, 47 ff.; Reps, S. 359; Beyer, S. 199 ff., 207, 211 f.; auch Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 25 ff., nimmt letztlich nur eine mittelbare Wirkung zugunsten der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger an. 731  Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 25 ff.; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 48 ff.; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 52 ff.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 25; Cagalj, S. 111; Simon, S. 303 f.; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 28; kritisch Reps, S. 369 f., der de lege ferenda die Etablierung eines institutionalisierten Verfahrens der Kontrolle von Anleihebedingungen vorschlägt und auch Entscheidungen zu Lasten der Teilschuldverschreibungsgläubiger inter-omnes-Wirkung zukommen lassen möchte; für die Einführung eines kollektiven Überprüfungsverfahrens spricht sich auch Heldt, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 833, 855, aus. 732  Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 29; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 50; Friedl/ Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 53, stellen allein auf das in § 4 S. 2 SchVG normierte Gleichbehandlungsgebot ab und lehnen eine Herleitung aus einer allgemeinen Treuepflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners ab; mit dem Gleichbehandlungsgebot begründen auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 25, die Verpflichtung des Teilschuldverschreibungsschuldners; ebenso Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 32; ArtzingerBolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 3 SchVG, Rn. 28. 733  Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 49; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 25; Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 27 f.; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 50 ff.; Cagalj, S. 111; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 32; vgl. auch Simon, S. 303. 734 Vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, §  4, Rn. 50; vgl. auch Beyer, S. 204 f. 735  Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 27.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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schreibungsschuldner, soll dies dagegen keine Auswirkungen auf die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger haben.736

2.  Keine kollektive Bindung in Bezug auf Änderungen der Anleihebedingungen durch Gerichtsentscheidungen Eine unmittelbare inter-omnes-Wirkung eines die Anleihebedingungen ändernden Urteils ist richtigerweise abzulehnen. Gerichtsurteile entfalten nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses nur Wirkung inter partes.737 Eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte erfordert eine gesetzliche Grundlage, an der es fehlt.738 Die kollektive Bindung bezieht sich allein auf rechtsgeschäftliche Änderungen der Anleihebedingungen. Einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger sind auch nicht berechtigt, im Sinne einer actio pro socio739 einen Prozess mit Wirkung für und gegen die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu führen.740 Diese gesellschaftsrechtlich anerkannte Rechtsfigur gilt für das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht. Das nicht rechtsfähige Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist nicht in die bekannten Gesellschaftsformen einzuordnen, sondern bildet eine Rechtsform sui generis. Mangels gesetzlicher Normierung einer entsprechenden Prozessstandschaft im SchVG kann ein einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger grundsätzlich nicht mit Wirkung für und gegen die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission klagen. Ob der Teilschuldverschreibungsschuldner verpflichtet ist, ein rechtskräftiges Urteil zugunsten des klagenden Teilschuldverschreibungsgläubigers auch zugunsten der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission anzuwenden, ist eine – hier nicht weiter zu vertiefende – Frage des Gleichbehandlungsgebotes oder ggf. einer allgemeinen Treuepflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners, nicht aber der kollektiven Bindung.741 Es überzeugt 736  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 54; Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 31. 737 Vgl. Gottwald, in: MüKoZPO, § 325, Rn. 1; Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 1059 (S. 378); Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 63, Rn. 29 ff. (S. 253 ff.); vgl. auch Friedl/ Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 48; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 24; Beyer, S. 200. 738  So auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 47; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 48; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 24; Beyer, S. 205 ff., 211 f. 739 Zur actio pro socio vgl. Schäfer, in: MüKoBGB, § 705, Rn. 204 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV. 740 So auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 48; Beyer, S. 199 f.; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 24. 741  Wird eine solche Pflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners bejaht, könnte ein Teilschuldverschreibungsgläubiger zumindest faktisch eine Änderung der Anleihebedingungen sämtlicher Teilschuldverschreibungen bewirken. Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 30, hält

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

daher nicht, eine solche Verpflichtung mit dem Zweck der kollektiven Bindung zu begründen. Die Fungibilität sämtlicher Teilschuldverschreibungen einer Emission wäre auch im Fall einer Änderung der Anleihebedingungen zu Lasten eines Teilschuldverschreibungsgläubigers aufgehoben. Ein solches Urteil soll aber (jedenfalls nach der Ansicht von Teilen des Schrifttums742) nicht unmittelbar zu Lasten der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger wirken, obwohl die Fungibilität in gleichem Maße beeinträchtigt wäre wie im Fall einer Entscheidung zugunsten des Teilschuldverschreibungsgläubigers.

IV.  Der gemeinsame Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger Das hier vorgeschlagene Modell der §§ 5 ff. SchVG, wonach im Fall eines Opt-Ins den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Gesamtemission kraft Gesetzes Gesamtvertretungsmacht in dem in den Anleihebedingungen sowie den §§ 5 ff. SchVG bestimmtem Umfang zukommt, liefert auch für die Rechtsbeziehungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger zum gemeinsamen Vertreter eine dogmatisch widerspruchsfreie Erklärung. Bevor die Rechtsbeziehungen zum gemeinsamen Vertreter nach diesem Modell dargelegt werden, soll ein Überblick über die gesetzlichen Regelung zum gemeinsamen Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegeben und der Meinungsstand im Schrifttum betreffend dessen Rechtsbeziehungen zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern sowie dem Teilschuldverschreibungsschuldner dargestellt werden.

1.  Überblick über die gesetzlichen Regelungen Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG können die Anleihebedingungen vorsehen, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger bestellen können.743 Regelungen betreffend den gemeinsamen Vertreter finden sich in den §§ 7 f. SchVG. Es ist zwischen dem sog. Wahlvertreter und dem sog. Vertragsvertreter zu unterscheiden. Ersterer wird durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger bestellt. Der Vertragsvertreter, für den sich Regelungen in § 8 SchVG finden, wird dagegen bereits in den Anleihebedingungen vom Teilschuldverschreibungsschuldner bestellt. es de lege ferenda für sinnvoll, der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Möglichkeit zu geben, die Bindungswirkung eines Urteils durch Gläubigerbeschluss zu verhindern. 742 Vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 54; Oulds, in: Veranneman, § 4, Rn. 31; vgl. aber auch Reps, S. 369 f. 743  Kritisch zur Opt-In-Lösung Reps, S. 329, der die kraft Gesetzes angeordnete Einsetzung eines ständigen Repräsentanten mit einer Opt-Out-Möglichkeit für bestimmte Emissionen befürwortet. Allgemein plädiert Reps für die Stärkung der Rolle des gemeinsamen Vertreters, diesem solle die Rolle eines aktiven Interessenvertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger zukommen, vgl. Reps, S. 325 ff., vgl. auch S. 240 ff.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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§ 7 Abs. 1 S. 2 SchVG normiert eine Offenlegungspflicht gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern für bestimmte Umstände, die einen Interessenkonflikt des gemeinsamen Vertreters begründen können.744 Beispielsweise ist der gemeinsame Vertreter gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SchVG zur Offenlegung darüber verpflichtet, ob er Mitglied eines Exekutiv- oder Kontrollorgans des Teilschuldverschreibungsschuldners ist. Als Wahlvertreter können solche Personen dagegen überhaupt nicht bestellt werden, vgl. § 8 Abs. 1 S. 2, 3 SchVG. Vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen die in § 7 Abs. 1 S. 2 SchVG normierte Offenlegungspflicht stellen nach § 23 Abs. 2 SchVG eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach § 23 Abs. 3 SchVG mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden kann. Der gemeinsame Vertreter hat die Aufgaben und Befugnisse, die ihm durch Gesetz oder von den Teilschuldverschreibungsgläubigern durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt wurden, § 7 Abs. 2 S. 1 SchVG. Zu den dem gemeinsamen Vertreter kraft Gesetzes zugewiesenen Aufgaben zählt das Auskunftsrecht gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner gem. § 7 Abs. 5 SchVG. Gem. § 7 Abs. 2 S. 3 SchVG hat der gemeinsame Vertreter die Weisungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu befolgen. Außerdem trifft den gemeinsamen Vertreter eine Berichtspflicht gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern, § 7 Abs. 2 S. 4 SchVG. Der gemeinsame Vertreter hat gem. § 9 Abs. 1 S. 1 SchVG die Aufgabe, die Gläubigerversammlung einzuberufen oder eine Abstimmung ohne Versammlung nach § 18 SchVG abzuhalten. Wenn er die Gläubigerversammlung oder die Abstimmung einberufen hat bzw. dazu aufgefordert hat, ist er zur Leitung berechtigt, vgl. § 15 Abs. 1 SchVG bzw. § 18 Abs. 2 S. 2 SchVG. Soweit die Teilschuldverschreibungsgläubiger den gemeinsamen Vertreter zur Geltendmachung von Rechten ermächtigen, trifft ihn grundsätzlich eine ausschließliche Zuständigkeit: Gem. § 7 Abs. 2 S. 3 SchVG sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger zur selbstständigen Geltendmachung dieser Rechte nur befugt, soweit dies im ermächtigenden Mehrheitsbeschluss ausdrücklich vorgesehen ist.745 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger können den gemeinsamen Vertreter jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen, § 7 Abs. 4 SchVG. Für den Vertragsvertreter gelten die Regelungen für den Wahlvertreter entsprechend, soweit § 8 SchVG keine Besonderheiten normiert, § 8 Abs. 4 SchVG. Der bereits in den Anleihebedingungen bestellte Vertreter kann beispielsweise 744  Podewils, DStR 2009, 1914, 1918, sieht die Offenlegungspflicht des § 7 Abs. 1 SchVG nicht als ausreichenden Missbrauchsschutz an: Nur vom Emittenten unabhängige Personen sollten zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden können. Ebenfalls kritisch Schmolke, ZBB 2009, 8, 14. 745  Kritisch zur verdrängenden Zuständigkeit des gemeinsamen Vertreters Leber, S. 211 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

nur auf Grund eines konkreten Beschlusses der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu einem Verzicht auf deren Rechte ermächtigt werden, § 8 Abs. 2 S. 2, 3 SchVG. Eine Ermächtigung zum Verzicht auf Gläubigerrechte kann also weder in den Anleihebedingungen vorgesehen noch durch einen pauschalen Beschluss erteilt werden. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger, die an der Bestellung des Vertragsvertreters nicht beteiligt sind, ordnungsgemäß und ihrem Interesse entsprechend vertreten werden.746 Gem. § 7 Abs. 3 S. 1 SchVG haftet der gemeinsame Vertreter den Teilschuldverschreibungsgläubigern als Gesamtgläubigern für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben, wobei er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden hat.747 Über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den gemeinsamen Vertreter entscheiden die Teilschuldverschreibungsgläubiger, § 7 Abs. 3 S. 3 SchVG.748 Die Haftung des Wahlvertreters kann gem. § 7 Abs. 3 S. 2 SchVG durch Beschluss beschränkt werden. Für den Vertragsvertreter kann eine Haftungsbegrenzung in den Anleihebedingungen nur nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 SchVG vereinbart werden. Nach § 7 Abs. 6 SchVG (ggf. i. V. m. § 8 Abs. 4 SchVG) trägt der Teilschuldverschreibungsschuldner die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters. Wird über das Vermögen des Teilschuldverschreibungsschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, ist der gemeinsame Vertreter gem. § 19 Abs. 3 SchVG exklusiv zur Geltendmachung der Rechte der Teilschuldverschreibungsgläu­ biger im Insolvenzverfahren berechtigt. Ist zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch kein gemeinsamer Vertreter bestellt, hat das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung einzuberufen, in der die Teilschuldverschreibungsgläubiger einen gemeinsamen Vertreter bestellen können, § 19 Abs. 2 SchVG.749

746 Vgl.

Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 8, Rn. 26. Kritisch im Hinblick auf die Einführung dieser buisness judgment rule: Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 251; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 43; vgl. auch Hofmann, in: FS Kübler, S. 265, 271; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 47; die Regelung dagegen ausdrücklich befürwortend Schmolke, ZBB 2009, 8, 18; auch Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 7, Rn. 66 ff., hält die Einführung der an § 93 Abs. 1 S. 1 AktG angelehnten Regelung für sachgerecht; vgl. auch Reps, S. 249. 748  Vgl. auch Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 7 SchVG, Rn. 13. 749  Kritisch zur Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts gem. § 19 Abs. 2 S. 2 SchVG Hofmann, in: FS Kübler, 265, 275; zur teleologischen Reduktion des § 19 Abs. 2 SchVG im Fall eines Nachrangs gem. § 39 Abs. 2 InsO: Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 19 SchVG, Rn. 17 ff.; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911 f. 747 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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2.  Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten Im Hinblick auf die Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters, insbesondere dessen Vergütungsanspruch, bestehen Unklarheiten.750 Die Rechtsbeziehungen des gemeinsamen Vertreters zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern und zu dem Teilschuldverschreibungsschuldner werden unterschiedlich beurteilt.

a)  Meinungsstand im Schrifttum aa)  Zu den Rechtsverhältnissen beim Wahlvertreter i. S. d. § 7 SchVG Nach wohl herrschender Meinung bestehen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem von den Teilschuldverschreibungsgläubigern durch Mehrheitsbeschluss berufenen Wahlvertreter keinerlei vertragliche Beziehungen,751 auch wenn der Teilschuldverschreibungsschuldner gem. § 7 Abs. 6 SchVG die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung, zu tragen hat. Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, in welcher Rechtsbe­ ziehung der Wahlvertreter zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern steht. Einige Autoren lassen die Einordnung der genauen vertraglichen Beziehungen offen.752 Teilweise wird die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger (als rechtsfähiges Kollektiv sui generis) als Vertragspartner des Wahlvertreters und als Vollmachtgeber angesehen.753 Durch entsprechenden Mehrheitsbeschluss und die Annahme durch den gemeinsamen Vertreter komme zwischen diesem und der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zustande, welcher den gemeinsamen 750 

Vgl. auch Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2337. Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 26; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 56; Antoniadis, NZI 2014, 785, 786; Cagalj, S. 297; a. A. Friedl, in: FraKommSchVG, § 19, Rn. 49, der ein entgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem gemeinsamen Vertreter annimmt; vgl. auch Thole, ZIP 2014, 293, 299; vgl. aber auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 28. 752  Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399, die von einem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem gemeinsamem Vertreter und den Teilschuldverschreibungsgläubigern ausgehen, wobei unklar bleibt, ob Vertragspartner dieses Geschäftsbesorgungsvertrages das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger oder die einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger sein sollen, oder, ob gleichlautende Verträge zwischen den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter bestehen; Brenner, NZI 2014, 789, 791. 753  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 26; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 21 ff.; Antoniadis, NZI 2014, 785, 786 f.; Cagalj, S. 297, vgl. aber auch S. 307 und S. 312 („Zwischen dem gemeinsamen Vertreter und jedem einzelnen Anleihegläubiger bestehen gleichlautende Auftragsverhältnisse.“); vgl. auch Horn, BKR 2014, 449, 450; Simon, S. 305, 307; in diese Richtung deuten auch die Ausführungen bei Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 7, Rn. 39 f., an anderer Stelle wird aber darauf verwiesen, dass bei „präziser juristischer Betrachtung“ zwischen dem gemeinsamen Vertreter und jedem Teilschuldverschreibungsgläubiger gleichlautende Auftragsverhältnisse bestünden, vgl. Rn. 60, vgl. auch Rn. 63. 751 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Vertreter „zur Wahrnehmung der gemeinsamen Gläubigerinteressen nach Maßgabe des Gesetzes und des Beschlusses verpflichtet“.754 Daneben erfolge eine Bevollmächtigung nach § 167 BGB.755 Der Wahlvertreter soll rechtgeschäftlicher, nicht organschaftlicher Vertreter der Gläubigergemeinschaft sein.756 Dagegen gehen die Gesetzesbegründung und – darauf gestützt – Teile des Schrifttums davon aus, dass Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters nicht das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist, sondern zwischen den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter gleichlautende bilaterale Verträge bestehen.757 Die für die Vertragsschlüsse erforderlichen Willenserklärungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger würden – unter der aufschiebenden Bedingung, dass ein entsprechender Mehrheitsbeschluss zustande kommt – durch Zustimmung zu einer entsprechenden Beschlussvorlage in der Gläubigerversammlung abgegeben.758 Diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die nicht an der Abstimmung teilgenommen oder die gegen die Beschlussvorlage gestimmt haben, sollen aus den (zwischen den zustimmenden Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter bestehenden) Mandatsverträgen Leistungsforderungsrechte erhalten, da jene Verträge als Verträge zu Gunsten Dritter i. S. d. § 328 BGB auszulegen seien.759 Demgegenüber präferiert Thole die Konstruktion eines Vertrages des Teilschuldverschreibungsschuldners mit dem gemeinsamen Vertreter zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger.760 Dieser Vertrag zugunsten Dritter sei aber im Wesentlichen gesetzlich determiniert, es handle sich um ein „gesetzlich überlagertes Vertragsverhältnis“.761 754  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§  7,8, Rn. 21 ff., 25; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 28. 755  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 21, 25 f. 756  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 21, 25 f.; Cagalj, S. 312; vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 2. 757  BT‑Drs. 16/12814, S. 20, wonach sich das Innenverhältnis zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter im Regelfall nach Auftragsrecht richtet; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 5 ff., die von Geschäftsbesorgungsverträgen ausgehen; Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 7, Rn. 59 f., 63 (vgl. aber auch Rn. 39 f., in denen die „Mehrheit der Gläubiger“ als Auftraggeber bezeichnet werden), der davon ausgeht, dass sich das Innenverhältnis nach Auftragsrecht richtet; Leber, S. 204; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG, Rn. 2; vgl. auch Cagalj, S. 312, vgl. aber auch S. 297. 758  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7, Rn. 7 SchVG; vgl. auch Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG, Rn. 2. 759  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 7; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG, Rn. 2. 760  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 28. 761  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 31, vgl. auch Rn. 29.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Liebenow qualifiziert den gemeinsamen Vertreter als Handlungsorgan des Innenverbandes der Teilschuldverschreibungsgläubiger.762 Mit der Bestellung des gemeinsamen Vertreters werde zwischen diesem und der Obligationärsgemeinschaft ein verbandsrechtliches Rechtsverhältnis – ein Organverhältnis – begründet, auf dem das konkrete auftrags- bzw. geschäftsbesorgungsrechtliche Mandat zum Rechtsverzicht oder zur Rechtsdurchsetzung aufbaue.763

bb)  Zu den Rechtsverhältnissen beim Vertragsvertreter i. S. d. § 8 SchVG Für den Vertragsvertreter wird vertreten, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner als falsus procurator für die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag abschließt.764 Mit Erwerb der Teilschuldverschreibungen erfolge die implizite Genehmigung und damit das Wirksamwerden des Geschäftsbesorgungsvertrages. Im Rahmen des Abschlusses des Geschäftsbesorgungsvertrages werde zugleich die Vollmacht in dem in den Anleihebedingungen bestimmten Umfang erteilt.765 Möglich sei aber auch, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner mit dem Vertragsvertreter einen Geschäftsbesorgungsvertrag zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger i. S. d. § 328 BGB abschließt,766 wobei die Wirksamkeit dieses Vertrages aufschiebend bedingt sei durch eine – durch Erwerb der Teilschuldverschreibungen implizit erfolgende – Bevollmächtigung des Vertragsvertreters durch die Teilschuldverschreibungsgläubiger.767 Die Kostentragungsregelung des § 8 Abs. 4 SchVG i. V. m. § 7 Abs. 6 SchVG spreche zwar für die Stellvertretungskonstruktion, da ein Verweis auf die Kostentragungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG überflüssig wäre, wenn der Teilschuldverschreibungsschuldner als Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters bereits aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Zahlung einer angemessenen Vergütung und zum Aufwendungsersatz verpflichtet wäre.768 Letztlich sei es aber eine Frage der Gestaltung im Einzelfall, ob ein Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Vertragsvertreter zugunsten der Gesamtheit der

762 

Liebenow, S. 292 ff., insbes. 294 ff. Liebenow, S. 297. 764  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 43; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 8, Rn. 12 f.; Antoniadis, NZI 2014, 785, 786 f.; Cagalj, S. 295. 765  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 8, Rn. 13. 766  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 8, Rn. 13; so auch Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 8 SchVG, Rn. 1; für einen Vertrag zwischen Teilschuldverschreibungsschuldner und gemeinsamen Vertreter zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 8 SchVG, Rn. 7. 767  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 42; Cagalj, S. 294 f. 768  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 44; zustimmend Antoniadis, NZI 2014, 785, 786 f. 763 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Teilschuldverschreibungsgläubiger oder ein Vertragsverhältnis zwischen dieser und jenem vorliege.769 Nach anderer Auffassung ist die Konstruktion eines Vertrages zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner – oder einer anderen an der Emission beteiligten Person – und dem Vertragsvertreter zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger naheliegender, da die Teilschuldverschreibungsgläubiger durch den Erwerb von Schuldverschreibungen keine vertraglichen Pflichten übernehmen sollen.770

cc)  Zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern Die Einordnung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten respektive die Frage, wer Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters ist, betrifft auch die Frage nach der Haftung des gemeinsamen Vertreters. Nach § 7 Abs. 3 S. 1 SchVG haftet der gemeinsame Vertreter den Teilschuldverschreibungsgläubigern als Gesamtgläubigern für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben. Nach § 7 Abs. 3 S. 3 SchVG entscheiden die Teilschuldverschreibungsgläubiger über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den gemeinsamen Vertreter. Überwiegend wird eine Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag angenommen.771 Nach anderer Auffassung stellt § 7 Abs. 3 S. 1 SchVG eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, die als lex specialis § 280 Abs. 1 BGB verdränge.772 Soweit als Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger angesehen wird, wird auch dessen aktive Prozessführungsbefugnis („zweifellos“773) bejaht.774 Da das Kollektiv aber

769 

Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 44. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 8 SchVG, Rn. 4. 771  Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 7, Rn. 63; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 45, 49; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 42; Cagalj, S. 312; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 251; siehe auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 46, 48; zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern vgl. auch v. Randow, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 63, 65 ff., der das Haftungsrisiko des gemeinsamen Vertreters als Hemmnis für dessen (idealbildliche) Tätigkeit als „engagierter und machtvoll agierender Interessenagent der Anleihegläubiger“ identifiziert. 772  Leber, S. 218. 773  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 49. 774  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 49; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 73. 770 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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nicht prozessfähig sei, müssten die Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Beschluss bestimmen, wer die Ansprüche für die Gesamtheit geltend macht.775 Auch diejenigen Stimmen im Schrifttum, die gleichlautende bilaterale Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverträge zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern annehmen, gehen mit Verweis auf die Gesetzesbegründung davon aus, dass etwaige Ersatzansprüche von den Teilschuldverschreibungsgläubigern nur kollektiv geltend gemacht werden können.776 In der Gesetzesbegründung heißt es, dass „sich die Gläubiger in Bezug auf ihre gemeinsame Vertretung auch im Innenverhältnis gegenüber dem gemeinsamen Vertreter als Gesamtheit behandeln lassen müssen“.777 In dem Beschluss über die Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche gegen den gemeinsamen Vertreter müssten sich die Teilschuldverschreibungsgläubiger darüber verständigen, „wer die Ansprüche stellvertretend für alle einfordern soll, da die Gläubiger als Gesamtheit nicht prozessfähig sind“.778 Aus diesem Grund sieht Leber die Voraussetzungen der Gesamtgläubigerschaft auf Gläubigerseite als nicht mehr gegeben an, da sich die Gesamtgläubigerschaft gerade dadurch auszeichne, dass jeder Gläubiger die Leistung fordern kann.779 Dagegen möchte Thole eine derartige Einschränkung dem SchVG nicht entnehmen:780 Sofern die Teilschuldverschreibungsgläubiger über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen beschlossen haben, sei jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger berechtigt, Klage gegen den gemeinsamen Vertreter zu erheben. Uneinigkeit besteht auch über die Frage, an wen der gemeinsame Vertreter leisten kann: Teilweise wird angenommen, der gemeinsame Vertreter könne entweder an die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger oder an einen Teilschuldverschreibungsgläubiger leisten.781 Es wird auch vertreten, dass der gemeinsame Vertreter frei darin ist, an einen Teilschuldverschreibungsgläubiger oder pro rata an jeden oder einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger zu leisten, solange die bzw. der Empfänger insgesamt 100 Prozent des Geschuldeten erhielten bzw. erhielte.782 Leber geht wiederum davon aus, dass 775  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 49; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 73. 776 Vgl. Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 7, Rn. 81 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 49; Cagalj, S. 312, 316; vgl. auch Leber, S. 219 ff., der die gesetzliche Anordnung der Gesamtgläubigerschaft kritisiert. 777  BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 778  BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 779  Leber, S. 220. 780  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 56. 781  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 49. 782  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 74; vgl. auch Cagalj, S. 316 f.; Hofmann, in: FS Kübler, S. 265, 272.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

der gemeinsame Vertreter nur an die durch Beschluss zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen ermächtigte Person oder einen neuen gemeinsamen Vertreter leisten könne.783

dd)  Zur Kostentragungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG Unterschiedliche Auffassungen bestehen in der schuldverschreibungsrechtlichen Literatur auch über die (grundsätzliche dogmatische sowie die insolvenzrechtliche) Einordnung der Kostenregelung des § 7 Abs. 6 SchVG und die Frage, ob der gemeinsame Vertreter neben dem Teilschuldverschreibungsschuldner auch die Teilschuldverschreibungsgläubiger wegen seiner Aufwendungen und seiner Vergütung in Anspruch nehmen kann. Die Frage nach den Rechtsverhältnissen zwischen den Beteiligten setzt sich hier fort.

(1)  Grundsätzliche dogmatische Einordnung Antoniadis qualifiziert § 7 Abs. 6 SchVG als gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruch der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner.784 Originäre Schuldner des gemeinsamen Vertreters blieben – sowohl im Fall eines durch Mehrheitsbeschluss bestellten Wahlvertreters als auch im Fall eines bereits in den Anleihebedingungen bestellten Vertragsvertreters – als Vertragspartner des Geschäftsbesorgungsvertrages die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger.785 Antoniadis geht davon aus, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger als Gesamtschuldner für den Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des gemeinsamen Vertreters aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger haften.786 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger könnten aufgrund des § 7 Abs. 6 SchVG (ggf. i. V. m. § 8 Abs. 4 SchVG) vom Teilschuldverschreibungsschuldner gem. § 257 BGB Freistellung von den gegenüber dem gemeinsamen Vertreter eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.787 Überwiegend wird dagegen angenommen, dass § 7 Abs. 6 SchVG (ggf. i. V. m. § 8 Abs. 4 SchVG) einen direkten Anspruch des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner normiert.788 Diese Auffassung 783 

Leber, S. 221; vgl. hierzu auch unten 2. Teil C IV 2 b) dd). Antoniadis, NZI 2014, 785, 786 f. 785  Antoniadis, NZI 2014, 785, 787. 786  Antoniadis, NZI 2014, 785, 787. 787  Antoniadis, NZI 2014, 785, 787. 788  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, 51; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 80; Brenner, NZI 2014, 789, 790 ff.; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398 f.; Nesselrodt, in: Preuße, SchVG, § 7, Rn. 91; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG, Rn. 15; Cagalj, S. 317; Leber, S. 204; Horn, BKR 2014, 449, 452; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 7 SchVG, Rn. 17, § 19, Rn. 38; Hofmann, in: FS Kübler, 265, 272; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuld784 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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wird auch durch die Gesetzesbegründung bestätigt.789 Es soll sich um eine Art gesetzlich gerechtfertigten Vertrag zu Lasten eines Dritten handeln.790 Unterschiedliche Auffassungen bestehen allerdings darüber, ob der gemeinsame Vertreter daneben, oder jedenfalls subsidiär, die Teilschuldverschreibungsgläubiger in Anspruch nehmen kann: Teilweise wird § 7 Abs. 6 SchVG so interpretiert, dass ausschließlich der Teilschuldverschreibungsschuldner verpflichtet ist, die Kosten und Aufwendungen des gemeinsamen Vertreters, einschließlich einer angemessenen Vergütung, zu tragen.791 Die Leistung des gemeinsamen Vertreters erfolge gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern immer unentgeltlich.792 § 7 Abs. 6 SchVG lege darüber hinaus die aus § 670 BGB folgende Pflicht zum Aufwendungsersatz kraft Gesetzes dem Teilschuldverschreibungsschuldner auf. Nach Brenner besteht aufgrund von § 7 Abs. 6 SchVG ein den Emittenten einseitig verpflichtendes gesetzliches Schuldverhältnis zwischen diesem und dem gemeinsamen Vertreter.793 Gegen eine Zahlungspflicht der Teilschuldverschreibungsgläubiger wird auch § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG, der die Begründung einer Leistungsverpflichtung der Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Mehrheitsbeschluss für unzulässig erklärt, angeführt.794 verschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 64; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG, Rn. 86; diese Auffassung teilt auch der IX. Zivilsenat des BGH, vgl. BGH WM 2015, 1547, 1548; zur Vorgängerregelung des § 14a Abs. 3 SchVG 1899 vgl. Vogel, S. 190. 789  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 790  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 56; Leber, S. 204; vgl. auch Vogel, S. 190; Simon, S. 307; vgl. auch Thole, ZIP 2014, 293, 299, der die Kostentragungspflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners als „eine Art Zwangsvertrag“ bezeichnet; Thole, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 64. 791  Brenner, NZI 2014, 789, 790 f.; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG, Rn. 86; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 65, vgl. auch Rn. 67; vgl. auch Leber, S. 204; vgl. noch zur Vorgängerregelung des § 14a Abs. 3 SchVG 1899: Vogel, S. 190, der das Vertragsverhältnis zwischen dem Gläubigerverband und dem Vertreter als eine Art Vertrag zu Lasten eines Dritten, dessen Eigenart darin bestehe, dass „ausschließlich der belastete Dritte von Gesetzes wegen verpflichtet ist, die Ansprüche des Vertragspartners zu befriedigen“, beschreibt; zur Rechtslage unter Geltung des SchVG vgl. auch Ansmann, SchVG, § 14a, Anm. 21. 792  Brenner, NZI 2014, 789, 791. 793  Brenner, NZI 2014, 789, 791, die darauf hinweist, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner und der gemeinsame Vertreter frei darin seien, eine darüber hinausgehende vertragliche Vereinbarung über die Vergütung zu treffen, denkbar sei ferner eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern zugunsten des gemeinsamen Vertreters. Ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem gemeinsamen Vertreter nimmt auch Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 19 SchVG, Rn. 38, an. Vgl. auch Thole, ZIP 2014, 293, 299, der die Kostentragungspflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners als „eine Art Zwangsvertrag“ bezeichnet. 794  Hacker/Kamke, NZI 2016, 1015, 1016; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 64.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Nach anderer Ansicht haften die Teilschuldverschreibungsgläubiger jedenfalls für den Betrag, um den eine mit dem gemeinsamen Vertreter vereinbarte Vergütung den Betrag einer „angemessenen“ Vergütung – nur für diese haftet der Teilschuldverschreibungsschuldner gem. § 7 Abs. 6 SchVG – übersteigt.795 Außerdem sollen die Teilschuldverschreibungsgläubiger die Kosten und Aufwendungen tragen, wenn sie mehr als einen gemeinsamen Vertreter bestellen.796 Wird zumindest für bestimmte Aufwendungen oder Kosten eine Haftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger bejaht, stellt sich die Folgefrage, wie der gemeinsame Vertreter seine Ansprüche gegen die Gläubigergesamtheit verfolgen kann. Die Gläubigergesamtheit soll zwar nicht prozessfähig sein.797 Die aktive und passive Prozessführungsbefugnis wird indes bejaht.798 Außerdem ist unklar, ob die Teilschuldverschreibungsgläubiger gesamtschuldnerisch haften und ein einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger damit für die gesamte Vergütung in Anspruch genommen werden könnte, oder, ob die einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger als Teilschuldner i. S. d. § 420 Alt. 1 BGB nur pro rata entsprechend ihrem Nominalanteil an der Gesamtemission haften.799 Überwiegend wird Letzteres angenommen.800 Nach einer weiteren Auffassung haften die Teilschuldverschreibungsgläubiger aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag gleichstufig neben dem Teilschuldverschreibungsschuldner, zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner liege eine Gesamtschuldnerschaft i. S. d. § 421 BGB vor.801 Im Innenverhältnis habe der Teilschuldverschreibungsschuldner die Kosten vollständig zu tragen. Dogmatisch komme § 7 Abs. 6 SchVG daher eine Doppelfunktion zu: anspruchsbegründende Norm für den gemeinsamen Vertreter und Kostentragungsregelung i. S. d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB für das Innenverhältnis zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern.802 Auch bei dieser Auffassung ergibt sich die Folgefrage, ob die Teilschuldverschreibungs795  Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 56; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 84; Cagalj, S. 318; vgl. auch Leber, S. 205. 796  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 89 f.; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 7 SchVG, Rn. 17; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 58, der darauf hinweist, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 6 SchVG zwar offen lasse, ob auch die Aufwendungen und Kosten von einem zweiten oder dritten gemeinsamen Vertreter vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu tragen sind, die Gesetzesbegründung aber klarstelle, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner nur die Kosten für einen gemeinsamen Vertreter zu tragen habe. 797 Vgl. Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§  7, 8, Rn. 73; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 56; Cagalj, S. 318; vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 798  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 73, 84; Cagalj, S. 318. 799 Vgl. Wöckener, in: FraKommSchVG, § 7, Rn. 56. 800  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 90; Leber, S. 205, 215, vgl. auch S. 215; a. A. Antoniadis, NZI 2014, 785, 787, der eine gesamtschuldnerische Haftung annimmt. 801  Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399. 802  Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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gläubiger gegenüber dem gemeinsamen Vertreter gesamtschuldnerisch oder als Teilschuldner haften.803

(2)  Insolvenzrechtliche Einordnung Erstattungsansprüche für die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Teilschuldverschreibungsschuldners erbrachten Tätigkeiten des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner sind nach einhelliger Auffassung als Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO zu qualifizieren.804 Umstritten ist dagegen die Einordnung des aus § 7 Abs. 6 SchVG folgenden Anspruchs für nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen des gemeinsamen Vertreters bzw. entstandene Kosten. Teilweise werden auch diese Kosten als „einfache“ Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO eingeordnet.805 Nach anderer Auffassung handelt es sich um nachrangige Insolvenzforderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da es sich um Verbindlichkeiten der Teilschuldverschreibungsgläubiger handelt, die durch deren Teilnahme am Insolvenzverfahren entstehen.806 Die Kosten für die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters der Gesamtgläubigerschaft aufzuerlegen, verstoße gegen den insolvenzrechtlichen Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung.807 Der gemeinsame Vertreter habe lediglich die Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission zu vertreten.808 Die Einordnung als Masseverbindlichkeit müsse daher ausscheiden. Die (wohl) überwiegende Auffassung im Schrifttum folgt dem nicht, sondern qualifiziert den Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des gemeinsamen Vertreters für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Teilschuldverschreibungsschuldners als Masseverbindlichkeit. Unterschiedliche Auffassungen bestehen lediglich darüber, ob 803  Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399, thematisieren diese Frage nicht, die Ausführungen in Fn. 60 legen aber nahe, dass sie von einer teilschuldnerischen Haftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger „untereinander“ ausgehen. 804  Vgl. etwa Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; Horn, BKR 2014, 449, 452; Scherber, in: Preuße, SchVG, § 19, Rn. 35; Rattunde, in: Veranneman, SchVG, § 19, Rn. 86. Grub, ZInsO 2016, 897 f.; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG, Rn. 88. 805  Friedl, in: FraKommSchVG, § 19, Rn. 49, der eine gesetzliche Regelung, die den Vergütungsanspruch als Masseverbindlichkeit einordnet, aber für wünschenswert hält, da sich angesichts der andernfalls nur geringen Aussicht auf Befriedigung kaum jemand für das Amt eines gemeinsamen Vertreters bereit erklären werde. 806  Antoniadis, NZI 2014, 785, 788 f., der § 7 Abs. 6 SchVG als gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruch der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner qualifiziert, vgl. Antoniadis, NZI 2014, 785, 786 f.; Grub, ZInsO 2016, 897, 899 f.; Cranshaw, jurisPR‑InsR 18/2016, Anm. 1; Wegener, NZI 2017, 54, 56. 807  Antoniadis, NZI 2014, 785, 788; Cranshaw, jurisPR‑InsR 18/2016, Anm. 1. 808  Antoniadis, NZI 2014, 785, 788.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

es sich um eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO809 handelt, diese Vorschrift analog angewendet werden muss,810 § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO – je nach Zeitpunkt der Bestellung des gemeinsamen Vertreters direkt oder analog – anzuwenden ist811 oder die Einordnung als Masseverbindlichkeit aus einer Analogie zu § 54 Nr. 2 InsO812 oder einer Rechtsanalogie aus §§ 54, 55 InsO813 folgt. Für die Einordnung als Masseverbindlichkeit spreche, dass der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren nach der gesetzgeberischen Intention wünschenswert ist und sich kaum ein geeigneter und kompetenter Kandidat für das Amt des gemeinsamen Vertreters finden würde, wenn sein Vergütungsanspruch als einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO oder gar als nachrangige Insolvenzforderung gem. § 39 InsO einzuordnen wäre.814 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers diene die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 2 SchVG nicht allein dem Schutz der Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Emission, sondern den Interessen aller Gläubiger und dem öffentlichen Interesse an der Effektivität des Insolvenzverfahrens.815 Zumindest letzterer Einschätzung hat der IX. Zivilsenat des BGH in einem Beschluss widersprochen. Zur Einordnung der Vergütungsansprüche als Masseverbindlichkeit äußerte sich der IX. Zivilsenat des BGH dabei zwar nicht abschließend, ausdrücklich abgelehnt wurden aber die Qualifizierung der Vergütung als Kosten des Insolvenzverfahrens in direkter sowie entsprechender Anwendung des § 54 Nr. 2 InsO und die Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht.816 Die Ablehnung einer (entsprechenden) Anwendung der Bestimmungen über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters oder eines Mitglieds des Gläubigerausschusses durch das Insolvenzgericht begründete der IX. Zivilsenat des BGH dabei auch mit der Erwägung, dass kein 809  Horn, BKR 2014, 449, 452 f.; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399 f.; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 19 SchVG, Rn. 41; Brenner, NZI 2014, 789, 792 ff.; vgl. auch Brenner/Moser, NZI 2016, 971; vgl. auch Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG, Rn. 91, 93 f.; äußerst kritisch Grub, ZInsO 2016, 897, 899 f. 810  Vgl. dazu Horn, BKR 2014, 449, 453. 811  Thole, ZIP 2014, 293, 299; vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 79; Hofmann, in: FS Kübler, S. 265, 273 f.; Hofmann, EWiR 2016, 599, 600; kritisch: Brenner, NZI 2014, 789, 793; Horn, BKR 2014, 449, 452. 812 Vgl. Rattunde, in: Veranneman, SchVG, § 19, Rn. 89; Scherber, in: Preuße, SchVG; § 19, Rn. 35; vgl. auch Brenner, NZI 2014, 789, 793 f. 813  Horn, BKR 2014, 449, 453. 814  Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399; Horn, BKR 2014, 449, 452; Brenner, NZI 2014, 789, 793; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 19 SchVG, Rn. 42a; vgl. auch Rattunde, in: Veranneman, SchVG, § 19, Rn. 89. 815  Horn, BKR 2014, 449, 452; vgl. auch Brenner, NZI 2014, 789,792 f.; Brenner/Moser, NZI 2016, 971; Thole, ZIP 2014, 293, 296. 816  BGH WM 2016, 1547 ff.; zustimmend: Hofmann, EWiR 2016, 599 f.; Hirte, FD‑InsR 2016, 380874; Cranshaw, jurisPR‑InsR 18/2016, Anm. 1; kritisch Brenner/Moser, NZI 2016, 971 f.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Grund bestehe, den gemeinsamen Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber anderen Gläubigervertretern zu bevorzugen.817 Anders als die Vorteile einer Tätigkeit des Insolvenzverwalters, Sachwalters, Treuhänders oder Mitglieds des Gläubigerausschusses, die im Interesse der Gläubigergesamtheit tätig würden, kämen die Vorteile eines gemeinsamen Vertreters in erster Linie den von ihm vertretenen Teilschuldverschreibungsgläubigern zugute.818 Die Gesamtgläubigerschaft habe allenfalls ein mittelbares Interesse an der Tätigkeit eines gemeinsamen Vertreters.819 Dieser fördere allenfalls mittelbar den Insolvenzzweck820, sei ihm aber keinesfalls verpflichtet.821

b) Stellungnahme aa)  Gemeinsamer Vertreter als rechtsgeschäftlicher Vertreter Den Ausgangspunkt für die Klärung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten bildet die Erkenntnis, dass sowohl für die Erteilung der Vertretungsmacht bzw. einer Ermächtigung des gemeinsamen Vertreters als auch für das diesen Akten zugrundeliegende Grund- oder Innenverhältnis ein Rechtsgeschäft bzw. für das Grundverhältnis ein Vertrag erforderlich ist.822 Das Gesetz ordnet die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht an, sondern es obliegt den Beteiligten, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Der gemeinsame Vertreter ist nicht kraft Gesetzes mit Vertretungsmacht ausgestattet, sondern die Erteilung von Vertretungsmacht und die Ausgestaltung ihres Umfangs obliegt den Teilschuldverschreibungsgläubigern bzw. – im Fall eines Vertragsvertreters – dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Es kann daher weder von einem gesetzlichen noch einem organschaftlichen Rechtsverhältnis oder gesetzlicher bzw. organschaftlicher Vertretungsmacht ausgegangen werden.823 Selbst wenn entgegen der hier vertretenen Auffassung die Teilschuldverschreibungsgläubiger als personengesellschaftsrechtlicher Innenverband quali817 

BGH WM 2016, 1547, 1548. BGH WM 2016, 1547, 1548. 819  BGH WM 2016, 1547, 1548. 820  Zweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners, vgl. § 1 InsO; zum Zweck des Insolvenzverfahrens siehe auch Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 1. 821  BGH WM 2016, 1547, 1549. 822  Vgl. aber auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 29, 31, der für das Grundverhältnis auch die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses für möglich hält und im Ergebnis ein „gesetzlich überlagertes Vertragsverhältnis“ zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem gemeinsamen Vertreter zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger annimmt. 823  So auch BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZA 9/16 –, juris Rz. 12, der die Einordnung des gemeinsamen Vertreters als Partei kraft Amtes i. S. d. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO verneinte. 818 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

fiziert werden, wäre der gemeinsame Vertreter als rechtsgeschäftlicher Vertreter anzusehen. Nach dem Prinzip der Selbstorganschaft können organschaftliche Vertreter nur Gesellschafter der Personengesellschaft sein.824 Dritte können lediglich als rechtsgeschäftliche Vertreter bestellt werden. Da der gemeinsame Vertreter nicht als Gesellschafter eines personengesellschaftsrechtlichen Verbandes der Teilschuldverschreibungsgläubiger anzusehen wäre, bestünden selbst bei einer Einordnung des Kollektivs der Teilschuldverschreibungsgläubiger als personengesellschaftsrechtlicher (Innen-)Verband keine organschaftlichen Beziehungen zum gemeinsamen Vertreter, sondern rechtsgeschäftliche Beziehungen.825 Steht der rechtsgeschäftliche Charakter der Rechtsbeziehungen fest, ist fraglich, wer Vollmachtgeber bzw. Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters ist. Das Meinungsspektrum reicht, wie dargelegt, vom – zumeist ohne nähere Begründung als rechtsfähig eingestuften – Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Vertragspartner über die Konstruktion gleichlautender bilateraler Verträge mit den Teilschuldverschreibungsgläubigern bis hin zur Annahme eines Vertrages zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem gemeinsamen Vertreter zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger – wobei hier wieder fraglich wäre, ob die Gesamtheit als Rechtsgemeinschaft sui generis oder der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger als begünstigter Dritte anzusehen sind. Dass keine der bisher in der schuldverschreibungsrechtlichen Literatur vorgeschlagenen Konstruktionen zu überzeugen vermag, wird im Folgenden dargelegt. Zunächst ist die Auffassung, das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger sei Vertragspartner und Vollmachtgeber des gemeinsamen Vertreters, abzulehnen, da dem Kollektiv keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt.826 Die im Schrifttum vertretenen Ansichten lassen außerdem Ausführungen dazu 824 Vgl.

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 48 II 1 a), § 10 II, § 14 II. Liebenow, der die Teilschuldverschreibungsgläubiger als personengesellschaftsrechtlichen Innenverband [vgl. dazu oben 2. Teil C II 1 a), zur Kritik an dieser Konstruktion 2. Teil C II 2 b) aa) (2)] einordnet und den gemeinsamen Vertreter als Organ dieses Verbandes ansieht (vgl. Liebenow, S. 292 ff.), geht im Übrigen davon aus, dass der gemeinsame Vertreter rechtsgeschäftlicher Vertreter ist, und begründet dies wie folgt: „Dass dem gemeinsamen Vertreter keine gesetzliche Vertretungsmacht eingeräumt ist, erklärt sich gesetzesfunktional daraus, dass es in der Krise des Anleiheschuldners um Entscheidungen mit finanziell großer Tragweite geht und zwischen dem gemeinsamen Vertreter und der Obligationärsgemeinschaft Agenturprobleme bestehen. […] Eine gesetzlich typisierte Vertretungsmacht des gemeinsamen Vertreters als Handlungsorgan der Obligationärsgemeinschaft ist deswegen entbehrlich, weil er nicht im Rechtsverkehr gegenüber Dritten, sondern (nur) gegenüber dem Anleiheschuldner agiert.“, Liebenow, S. 296. 826  Wie hier auch Thole, ZIP 2014, 293, 299; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 24; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 7, Fn. 11 a. E.; zur fehlenden Rechtsfähigkeit vgl. oben 2. Teil C II 3 b). 825 Auch



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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vermissen, wie die Bindung eines Folgeerwerbers der Teilschuldverschreibungen erklärt werden soll. Eine dogmatische Erklärung hierfür wird im Anschluss [unter cc)] geliefert.

bb)  Keine gleichlautenden bilateralen Vertragsverhältnisse Die Konstruktion gleichlautender bilateraler Vertragsverhältnisse überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Erstens können weder die Ablehnung eines Beschlusses, der die Beauftragung und Bevollmächtigung des gemeinsamen Vertreters zum Gegenstand hat, noch die Enthaltung als Willenserklärungen zum Abschluss eines Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem gemeinsamen Vertreter und zu dessen Bevollmächtigung gewertet werden.827 Die Konstruktion über Verträge der zustimmenden Teilschuldverschreibungsgläubiger zugunsten derjenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die den Beschluss abgelehnt oder sich enthalten haben, führt zweitens zu praktischen Problemen: So ist fraglich, wer zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, der zugunsten sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger tätig wird, bereit sein wird, wenn durch eine Enthaltung auch der – nicht mit einer eigenen vertraglichen Verpflichtung verbundene – Weg über den Vertrag zugunsten Dritter zur Verfügung stünde. Nur wenn § 7 Abs. 6 SchVG so zu verstehen wäre, dass vertragliche Aufwendungsersatz- und ggf. Vergütungsansprüche des gemeinsamen Vertreters ausschließlich vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu befriedigen wären, würde dieses Kostenrisiko nicht bestehen.828 Zumindest bestimmte Kosten hat der Teilschuldverschreibungsschuldner aber nicht zu tragen,829 weshalb es aus Sicht eines Teilschuldverschreibungsgläubigers in jedem Fall attraktiv ist, anstatt selbst Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters zu werden, den nicht mit potentiellen vertraglichen Verpflichtungen verbundenen Weg als begünstigter Dritter zu wählen. Drittens wird von den Vertretern der Konstruktion gleichlautender bilateraler Verträge nicht erklärt, wieso die allein von der Mehrheit erteilte Bevollmächtigung oder Ermächtigung des gemeinsamen Vertreters auch für die sich der Beschlussfassung enthaltenden oder den Beschluss ablehnenden Teilschuldver827 

So auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 7, Fn. 11; vgl. auch die Kritik von Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 327 f. 828  Zu dieser Frage vgl. sogleich unter 2. Teil C IV 2 b) ee). 829  Nach der Rechtsprechung sind die Kosten für Prozesse des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner betreffend die Ansprüche der Teilschuldverschreibungsgläubiger aus ihren Schuldverschreibungen nicht nach § 7 Abs. 6 SchVG vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu tragen, BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZA 9/16 –, juris Leitsatz und Rz. 15; vgl. auch bereits Leber, S. 215; zu nicht nach § 7 Abs. 6 SchVG vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu tragenden Kosten vgl. auch oben 2. Teil C IV 2 a) dd) (1) sowie unten 2. Teil C IV 2 b) ee).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

schreibungsgläubiger wirkt. Mit dem hier vorgeschlagenen Konzept gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht830 kann dies dagegen begründet werden.831 Viertens kann für den Fall der Übertragung einer Teilschuldverschreibung die Bindung eines Erwerbers an die Bevollmächtigung und den mit dem gemeinsamen Vertreter geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag nicht erklärt werden bzw. bleibt dieser Aspekt unberücksichtigt. Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Bevollmächtigung oder eine Ermächtigung nicht an die Forderung gebunden, sondern an die Person des Vollmachtgebers oder des Ermächtigenden. Ermächtigt beispielsweise der Zedent vor einer Abtretung einen Dritten zur Geltendmachung und Einziehung der später abgetretenen Forderung, so wirkt diese Ermächtigung nicht automatisch für den Zessionar. Die Erteilung von Vertretungsmacht oder die Ermächtigung zur Rechtsausübung im eigenen Namen sind nicht Bestandteil einer Forderung respektive eines Rechts. Der Inhalt eines Rechts wird auch nicht davon beeinflusst, ob der Gläubiger selbst oder ein Vertreter handelt.832 Im Anwendungsbereich der §§ 5 ff. SchVG wirkt eine Bevollmächtigung oder Ermächtigung betreffend die Rechte aus den Teilschuldverschreibungen dagegen für und gegen den Sonderrechtsnachfolger. Zwar normiert das SchVG die Bindung von Sonderrechtsnachfolgern nicht ausdrücklich. Aus § 5 Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 2 S. 1 SchVG folgt aber, dass Mehrheitsbeschlüsse für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich sind. Dass sich die Verbindlichkeit auch auf Sonderrechtsnachfolger erstreckt, folgt schon aus dem Sinn und Zweck der Bestimmungen: Andernfalls könnte die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters oder die Änderung der Anleihebedingungen durch opponierende Teilschuldverschreibungsgläubiger umgangenen werden, indem sie ihre Teilschuldverschreibungen übertragen. Fünftens ergeben sich mit Blick auf die Grundgeschäfte, also die Geschäftsbesorgungsverträge zugunsten Dritter, Probleme: Zwar ließe sich argumentieren, dass eine (gesetzliche) Vertragsübernahme erfolgt. Problematisch ist aber, dass für einen Erwerber von Teilschuldverschreibungen nicht erkennbar ist, ob er von einem Teilschuldverschreibungsgläubiger erwirbt, der dem Bestellungsbeschluss zugestimmt und damit Vertragspartner – und potentiell Verpflichteter – eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem gemeinsamen Vertreter ist, oder, ob er von einem Teilschuldverschreibungsgläubiger erwirbt, der lediglich begünstigter Dritter eines Geschäftsbesorgungsvertrages ist. Mit Blick auf die anonyme Übertragung von Teilschuldverschreibungen kann nur eine Lösung 830 

Vgl. oben 2. Teil C II 3 c). Vgl. auch sogleich 2. Teil C IV 2 b) cc). 832 So Wolff/Raiser, § 152, S. 633, der die Bestellung eines Grundbuchvertreters richtigerweise nicht als Inhalt der Hypothek ansieht; zustimmend Eickmann, in: MüKoBGB, 6. Auflage 2013, § 1189, Rn. 11; a. A. Lieder, in: MüKoBGB, § 1189, Rn. 12; Konzen, in: Soergel, § 1189, Rn. 5; Wolfsteiner, in: Staudinger, § 1189, Rn. 10 m. w. N. 831 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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überzeugen, bei der sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission auch im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen zum gemeinsamen Vertreter identische Rechtspositionen innehaben.

cc)  Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unter Zugrundelegung des Modells gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht Die Rechtsbeziehungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter werden zunächst für den Wahlvertreter i. S. d. § 7 SchVG aufgezeigt. Diesem kommt (bisher) die größere praktische Bedeutung zu.833 Im Anschluss werden die Rechtsbeziehungen zum Vertragsvertreter i. S. d. § 8 SchVG erläutert.

(1) Wahlvertreter Die Bestellung eines Wahlvertreters i. S. d. § 7 SchVG vollzieht sich unter Zugrundelegung des hier vorgeschlagenen Modells gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger wie folgt: Die Teilschuldverschreibungsgläubiger bevollmächtigen den gemeinsamen Vertreter soweit sie dem Beschluss zustimmen im eigenen Namen. Für die den Beschluss ablehnenden oder sich der Beschlussfassung enthaltenden Teilschuldverschreibungsgläubiger handelt die Mehrheit in fremden Namen und kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht.834 Ohne die durch einen Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG begründete Gesamtvertretungsmacht entstünden, wie gesehen, nicht nur bei der Bevollmächtigung, sondern auch beim Abschluss des der Bevollmächtigung zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungs- oder Auftragsvertrages Konstruktionsschwierigkeiten. Allein die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters kann in den Anleihebedingungen daher nicht vorgesehen werden.835 Die Gültigkeit des hier vorgeschlagenen Modells gesetzlicher Gesamtvertretungsmacht wird durch die Regelung des § 19 Abs. 2 SchVG, nach der im Fall der Insolvenz des Teilschuldverschreibungsschuldners ein gemeinsamer Vertreter auch bestellt werden kann, wenn kein Opt-In erfolgt war, nicht berührt. Denn bei der Vorschrift des § 19 SchVG handelt es sich nach zutref-

833 So Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2394, die die bisher geringe praktische Relevanz des Vertragsvertreters damit erklären, dass die Emittenten die Bestellung eines von ihnen zu vergütenden gemeinsamen Vertreters scheuen würden, solange sich noch kein konkreter Sanierungsbedarf abzeichne. 834  Zur gesetzlichen Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG siehe oben 2. Teil C II 3 c). 835  A. A. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 10; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 10.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

fender Ansicht um Sonderinsolvenzrecht.836 Aus der Vorschrift können daher nicht zwingend Rückschlüsse auf die grundsätzliche dogmatische Einordnung der §§ 5 ff. SchVG gezogen werden. Die Bindung eines Sonderrechtsnachfolgers eines Teilschuldverschreibungsgläubigers an die Bevollmächtigung des gemeinsamen Vertreters folgt kraft Gesetzes. Dass dieses Modell keine dem deutschen Zivilrecht völlig unbekannte Konstruktion ist, zeigt die Vorschrift des § 1189 BGB. Auch der sog. Grundbuchvertreter hat Vertretungsmacht für den Sonderrechtsnachfolger eines Hypothekengläubigers.837 Seine Vertretungsmacht besteht nach seiner Bestellung unabhängig von der Person des konkreten Gläubigers.838 Anders als der gemeinsame Vertreter nach dem SchVG hat der Grundbuchvertreter zwar keine verdrängende Vollmacht. § 1189 BGB ist aber ein Beleg dafür, dass eine Bevollmächtigung auch Sonderrechtsnachfolger binden kann, sofern eine entsprechende gesetzliche Anordnung existiert. Eine solche kann in den §§ 5 ff. SchVG gesehen werden. Da die Beschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger gem. § 17 SchVG zu veröffentlichen sind, ist für den Erwerber einer Teilschuldverschreibung am Sekundärmarkt auch erkennbar, ob die Teilschuldverschreibungsgläubiger der betreffenden Anleihe einen gemeinsamen Vertreter bestellt und in welchem Umfang sie ihm Vollmacht erteilt haben. Das Vertragsverhältnis, das der Bevollmächtigung zugrunde liegt, kommt im Fall des Wahlvertreters zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter zustande. Es werden indes nicht viele gleichlautende Geschäftsbesorgungsverhältnisse zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern geschlossen. Es besteht vielmehr ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern als Geschäftsherren auf der einen Seite und dem gemeinsamen Vertreter als Geschäftsbesorger auf der anderen Seite. Jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger hat dabei eine identische Rechtsposition im Verhältnis zum gemeinsamen Vertreter inne, was insbesondere mit Blick auf die anonyme Übertragung der Teilschuldverschreibungen vorzugswürdig ist.

836  Friedl, in: FraKommSchVG, Einleitung, Rn. 18; zum gemeinsamen Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger in der Insolvenz des Teilschuldverschreibungsschuldners siehe: Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027 ff.; Hofmann, in: FS Kübler, S. 265, 266 ff. 837  Die Befugnisse des Grundbuchvertreters i. S. d. § 1189 BGB beziehen sich nur auf das dingliche Recht. Der Grundbuchvertreter hat keine Vertretungsmacht in Bezug auf den durch die Hypothek gesicherten schuldrechtlichen Anspruch aus der (Inhaber-)Schuldverschreibung, vgl. Eickmann, in: MüKoBGB, 6. Auflage 2013, § 1189, Rn. 9; Wolfsteiner, in: Staudinger, § 1189, Rn. 24, der eine Vereinigung der Funktionen des gemeinsamen Vertreters nach SchVG und des Grundbuchvertreters in einer Person anrät; zum Grundbuchvertreter vgl. auch: Vogel, S. 216 ff.; Zeiser, Rpfleger 2006, 577, 581 ff. 838  Konzen, in: Soergel, § 1189, Rn. 3; Wolfsteiner, in: Staudinger, § 1189, Rn. 27; RGZ 289, 290; Thumm, in: RGRK, § 1189, Rn. 1.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Die für den Vertragsschluss erforderlichen Willenserklärungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger werden durch den Bestellungsbeschluss im eigenen oder – für die den Beschluss ablehnenden oder sich der Abstimmung enthaltenden Teilschuldverschreibungsgläubiger – in fremdem Namen und kraft der gesetzlichen Vertretungsmacht abgegeben. Der gemeinsame Vertreter kann seine auf Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages mit sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern gerichtete Willenserklärung gem. § 164 Abs. 3 BGB gegenüber der Gläubigerversammlung abgeben. Weil sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger Partei des Geschäftsbesorgungsvertrages sind, kann auch erklärt werden, warum der gemeinsame Vertreter im „Interesse aller“ respektive der Mehrheit handeln muss und nicht im Interesse einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger. Auch die Regelung des § 7 Abs. 2 S. 4 SchVG, die ausweislich der Gesetzesbegründung inhaltlich der Berichtspflicht aus § 666 BGB entspricht, aber klarstelle, dass die Berichtspflicht nicht gegenüber jedem einzelnen Gläubiger zu erfüllen ist, sondern gegenüber den Gläubigern als Gesamtheit,839 ist mit der Annahme eines Vertrages zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter vereinbar. Der gekünstelten Konstruktion, wonach sich die Teilschuldverschreibungsgläubiger trotz bilateraler Vertragsverhältnisse zum gemeinsamen Vertreter im Innenverhältnis als Gesamtheit behandeln lassen müssten,840 bedarf es nicht. Es bleibt, die Bindung eines Erwerbers der Teilschuldverschreibungen an den Geschäftsbesorgungsvertrag zu begründen. Auch insoweit kann eine Parallele zu § 1189 BGB gezogen werden: Der Erwerber einer hypothekarisch gesicherten Schuldverschreibung tritt kraft Gesetzes in das Vertragsverhältnis ein, das der Bevollmächtigung zugrunde liegt.841 Auch für den gemeinsamen Vertreter nach § 7 SchVG kann der Eintritt eines Sonderrechtsnachfolgers mit einer gesetzlichen Vertragsübernahme erklärt werden. Wenngleich keine ausdrückliche gesetzliche Regelung im SchVG existiert, entspricht diese Interpre839  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 20; vgl. auch Leber, S. 209, der anmerkt, dass eine Klarstellung darüber, dass die Berichtspflicht gegenüber der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu erfüllen ist, im Gesetztext wünschenswert gewesen wäre. 840  Vgl. dazu BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 841  Wolfsteiner, in: Staudinger, § 1189, Rn. 6. Im Innenverhältnis besteht entweder ein Vertrag zwischen dem Grundbuchvertreter und dem Eigentümer zugunsten der Hypothekengläubiger oder es existiert ein Geschäftsbesorgungsvertrag oder Auftrag zwischen dem (bzw. den) Gläubiger(n) und dem Grundbuchvertreter, vgl. Wolff/Raiser, § 152, S. 633 f.; Konzen, in: Soergel, § 1189, Rn. 4; siehe auch Eickmann, in: MüKoBGB, 6. Auflage 2013, § 1189, Rn. 5, der davon ausgeht, dass das Geschäftsbesorgungsverhältnis respektive der Auftrag stets auch zugunsten des Eigentümers besteht, sodass dieser in beiden Gestaltungen an dem Vertragsschluss beteiligt sein soll; zum Innenverhältnis siehe auch: Lieder, in: MüKoBGB, § 1189, Rn. 6; Thumm, in: RGRK, § 1189, Rn. 5 (Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Grundbuchvertreter und dem Eigentümer sowie den Gläubigern zugunsten auch der künftigen Gläubiger).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

tation dem Sinn und Zweck der Vorschriften des SchVG. Dass die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters auch für einen Sonderrechtsnachfolger bindend sein soll, leuchtet schon deshalb ein, weil andernfalls die Möglichkeit bestünde, sich durch Veräußerung der Teilschuldverschreibungen einem entsprechenden Mehrheitsbeschluss zu entziehen. Es wäre aber nicht interessengerecht, wenn die Veräußerer Vertragspartner des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem gemeinsamen Vertreter blieben – und damit mitweisungsbefugt, obwohl sie keine Teilschuldverschreibungen mehr halten. Da die Beschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger gem. § 17 SchVG zu veröffentlichen sind, ist für den Erwerber einer Teilschuldverschreibung am Sekundärmarkt auch erkennbar, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger der betreffenden Anleihe einen gemeinsamen Vertreter bestellt haben. Es ist – wie bei der Regelung des § 1189 BGB – eine gesetzliche Vertragsübernahme betreffend das Grundverhältnis anzunehmen.

(2) Vertragsvertreter Die Bestellung eines Vertragsvertreters gem. § 8 SchVG erfolgt entweder dadurch, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem gemeinsamen Vertreter zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger abschließt.842 Alternativ kann der Teilschuldverschreibungsschuldner als falsus procurator für die Teilschuldverschreibungsgläubiger bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem gemeinsamen Vertreter auftreten.843 Mit (Erst-)Erwerb der Teilschuldverschreibungen erteilen die Teilschuldverschreibungsgläubiger die Genehmigung für den Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages und ggf. für die Bevollmächtigung – die gem. § 180 S. 2 Alt. 2 BGB bereits vom Teilschuldverschreibungsschuldner als Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgenommen werden kann, wenn der gemeinsame Vertreter sich damit einverstanden erklärt – oder sie bevollmächtigen den Vertragsvertreter bei Erwerb der Teilschuldverschreibungen. Wie beim Wahlvertreter kommt auch mit dem Vertragsvertreter ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern als Geschäftsherren zustande. Ob der Weg über einen Vertrag zugunsten Dritter oder das Modell des falsus procurators gewählt wird, ist den an der Emission Beteiligten überlassen und 842  So auch die wohl herrschende Meinung im Schrifttum, vgl.: Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 42; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 8, Rn. 13; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 8 SchVG, Rn. 4. 843 So auch die wohl herrschende Meinung im Schrifttum, wobei die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Kollektiv sui generis als Vertragspartner angesehen wird, vgl. etwa: Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7,8, Rn. 43; Wöckener, in: FraKommSchVG, § 8, Rn. 13.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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eine Frage des Einzelfalles.844 Hinsichtlich der Bindung eines Sonderrechtsnachfolgers gelten die Ausführungen zum Wahlvertreter entsprechend: Die Bindung an die Bevollmächtigung erfolgt kraft gesetzlichen Übergangs entsprechend § 1189 BGB. Es kommt zu einer gesetzlichen Vertragsübernahme bzw. – im Fall eines Vertrages zugunsten Dritter – kraft Gesetzes zum Eintritt in die Rechtsposition des begünstigten Dritten.

dd)  Zur Haftung des gemeinsamen Vertreters gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern Nach § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SchVG haftet der gemeinsame Vertreter den Teilschuldverschreibungsgläubigern als Gesamtgläubigern für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben. Die gesetzliche Anordnung der (modifizierten)845 Gesamtgläubigerschaft fügt sich in das hier vorgeschlagene Konzept ein, nach dem ein Vertrag zwischen dem gemeinsamen Vertreter und sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern zustande kommt. Der gekünstelten Konstruktion, die Teilschuldverschreibungsgläubiger müssten sich trotz bilateraler Verträge im Innenverhältnis zum gemeinsamen Vertreter als Gesamtheit behandeln lassen, bedarf es nicht. Die Voraussetzungen der Gesamtgläubigerschaft gem. § 428 BGB, bei der mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist, werden durch das SchVG allerdings modifiziert: Nicht jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger kann ohne Weiteres Ersatzansprüche gegen den gemeinsamen Vertreter geltend machen. Vielmehr haben gem. § 7 Abs. 3 S. 3 SchVG die Teilschuldverschreibungsgläubiger hierüber zu entscheiden. Ausweislich der Gesetzesbegründung müssen sich die Teilschuldverschreibungsgläubiger in dem Beschluss betreffend die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den gemeinsamen Vertreter auch darüber verständigen, wer die Ansprüche stellvertretend für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger einfordern soll.846 Eine solche Einschränkung kann dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 S. 3 SchVG zwar nicht entnommen werden. Aus praktischen Gründen ist es allerdings empfehlenswert, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen einer Person zu übertragen. Nach § 428 S. 1 BGB kann der Schuldner im Fall einer Gesamtgläubigerschaft nach seinem Belieben an jeden der Gesamtgläubiger leisten. Ob diese Rechtsfolge der Gesamtgläubigerschaft für den gemeinsamen Vertreter der 844 

So auch Veranneman, in: Veranneman, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 44. Dazu sogleich. 846  BT‑Drs. 16/12814, S. 20; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 7 SchVG, Rn. 49. 845 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Teilschuldverschreibungsgläubiger sinnvoll ist, erscheint indes fraglich: Leistet der gemeinsame Vertreter an einen oder mehrere einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger, sind die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger auf ihre Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis verwiesen, wodurch sie das Ausfallrisiko derjenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger tragen, an die geleistet wurde.847 Die im Innenverhältnis ausgleichsberechtigten Teilschuldverschreibungsgläubiger stehen zusätzlich vor dem Problem, den- bzw. diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger zu identifizieren, an die geleistet wurde.848 Aus diesen Gründen schlägt Leber eine Modifizierung der Rechtsfolge des § 428 S. 1 BGB dahingehend vor, dass der gemeinsame Vertreter mit befreiender Wirkung nur an die von den Teilschuldverschreibungsgläubigern zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bestellte Person oder einen neuen gemeinsamen Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger leisten darf.849 Dogmatisch könne eine entsprechende Pflicht aus den jeweiligen Schuldverhältnissen zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern abgeleitet werden.850 Ob eine solche Modifizierung der Rechtsfolge der Gesamtgläubigerschaft mit einer ergänzenden Vertragsauslegung hergeleitet werden kann, sei an dieser Stelle offen gelassen. Aus Sicht der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist es zur Risikoverringerung in jedem Fall sinnvoll, bereits bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem gemeinsamen Vertreter eine vertragliche Modifizierung der Rechtsfolge des § 428 S. 1 BGB vorzunehmen und jedenfalls abstrakt festzulegen, an wen der gemeinsame Vertreter leisten soll.851

ee)  Zur Kostentragung Dem Wortlaut des § 7 Abs. 6 SchVG kann nicht entnommen werden, ob es sich um eine Anspruchsgrundlage der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner, einen zusätzlich zu dem vertraglichen Anspruch gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehenden Anspruch des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner oder um eine vollständige „Überleitung“ des vertraglichen Anspruchs des gemeinsamen Vertreters gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger auf den Teilschuldverschreibungsschuldner handelt. Das Tätigwerden eines gemeinsamen Vertreters kann auch aus Sicht des Teilschuldverschreibungsschuldners von Vorteil sein, da er einen zentralen Ver847 

Leber, S. 220. Leber, S. 220 f. 849  Leber, S. 221, der daraus folgert, dass es sich auch auf Schuldnerseite nicht mehr um eine Gesamtgläubigerschaft handelt. 850  Leber, S. 221. 851  Vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 7 SchVG, Rn. 57. 848 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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handlungspartner erhält. Dies spricht dafür, § 7 Abs. 6 SchVG als Anspruchsgrundlage des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zu interpretieren. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger bilden eine anonyme und in ihrer personellen Zusammensetzung u. U. wechselnde Gruppe, was eine Anspruchsverfolgung gegen diese aus praktischen Gesichtspunkten erschwert. Auch dieser Umstand ist ein Argument für die Einordnung des § 7 Abs. 6 SchVG als unmittelbare Anspruchsgrundlage gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner. Außerdem wird die Tätigkeit eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Teilschuldverschreibungsschuldners auch zur Förderung der Effektivität des Insolvenzverfahrens vom Gesetzgeber als wünschenswert erachtet.852 Diese Auslegung, nach der § 7 Abs. 6 SchVG dem gemeinsamen Vertreter einen direkten Anspruch gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner einräumt, entspricht auch der herrschenden Meinung im Schrifttum, der Ansicht des IX. Zivilsenates des BGH853 sowie der Gesetzesbegründung, ausweislich derer die Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht mit Kosten belastet werden sollen, weil sie nicht über gemeinsame Mittel verfügen854. Eine andere Frage ist freilich, ob ausschließlich der Teilschuldverschreibungsschuldner für die angemessene Vergütung und die Kosten und Aufwendungen eines gemeinsamen Vertreters haftet – die Teilschuldverschreibungsgläubiger also vollständig von ihrer vertraglichen Verpflichtung befreit sind. Auch mit Blick auf die Kosten der Bestellung mehrerer gemeinsamer Vertreter, eine nicht mehr angemessene Vergütung und andere nicht vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu tragende Kosten855 stellt sich die Frage nach Ansprüchen des gemeinsamen Vertreters gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger. Da die Teilschuldverschreibungsgläubiger – vorbehaltlich eines Vertrages zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall eines Vertragsvertreters – Vertragspartner des gemeinsamen Vertreters sind, stellt sich in der Tat die Frage, warum sie, abweichend von allgemeinen Grundsätzen, ihrem Vertragspartner nicht haften sollen.856 Dafür könnte § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG sprechen. Eine Verpflichtung zur Leistung kann für die Teilschuldverschreibungsgläubiger nach dieser Vorschrift 852 Vgl.

Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399; Horn, BKR 2014, 449, 452. Vgl. BGH WM 2016, 1547 ff.; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZA 9/16. 854  BT‑Drs. 16/12814, S. 20. 855  Nach der Rechtsprechung sind die Kosten für Prozesse des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner betreffend die Ansprüche der Teilschuldverschreibungsgläubiger aus ihren Schuldverschreibungen nicht nach § 7 Abs. 6 SchVG vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu tragen, BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZA 9/16 –, juris Leitsatz und Rz. 15; vgl. auch bereits Leber, S. 215. 856  So auch Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399: „Es ist nicht ersichtlich, warum der vertragliche Vergütungsanspruch nach §§ 675 ff. BGB i. V. m. Werk- oder Dienstvertragsrecht gegenüber den Anleihegläubigern ersatzlos untergegangen sein soll.“ 853 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

durch Beschluss der Gläubigerversammlung nicht begründet werden. Zumindest der Wahlvertreter wird durch einen Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger bestellt. Richtigerweise steht § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG Ansprüchen des gemeinsamen Vertreters gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger aber nicht entgegen. Zwar erfasst der Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG auch Verpflichtungen zu Leistungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger an den gemeinsamen Vertreter.857 Die Vorschrift ist aber restriktiv auszulegen und eine teleologische Reduktion dahingehend vorzunehmen, dass nur einseitige Leistungsverpflichtungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner ausgeschlossen und Leistungsverpflichtungen gegenüber dem gemeinsamen Vertreter durch Mehrheitsbeschluss möglich sind.858 Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Regelung des § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG dadurch begründet, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger als Fremdkapitalgeber zwar das Risiko eines Kapitalverlustes tragen, aber kein darüber hinausgehendes Risiko übernehmen, sie insbesondere keine Nachschusspflicht trifft.859 § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG bezweckt, Einschüsse zu Sanierungszwecken zu verhindern.860 Es geht also um einseitige Leistungsverpflichtungen gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Wird der gemeinsame Vertreter für die Teilschuldverschreibungsgläubiger tätig, besteht eine andere Interessenlage, weil Teilschuldverschreibungsgläubiger eine Gegenleistung in Form der Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters erhalten.861 Für die teleologische Reduktion sprechen außerdem faktische Erwägungen: Da der Teilschuldverschreibungsschuldner nach § 7 Abs. 6 SchVG nicht sämtliche Kosten des gemeinsamen Vertreters zu tragen hat – nach der Rechtsprechung sind die Kosten für Prozesse des gemeinsamen Vertreters gegen den 857  Dafür, dass Verpflichtungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu Leistungen an den gemeinsamen Vertreter von § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG erfasst sind: Hacker/Kamke, NZI 2016, 1015, 1016; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 64, vgl. aber auch Rn. 65; für die Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 SchVG 1899 Vogel, S. 134 f. 858 Für eine solche teleologische Reduktion wohl auch Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 13, §§ 7, 8, Rn. 90; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 29; jedenfalls für eine Beschränkung des Verbots des § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG auf einseitige finanzielle Belastungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 65. 859  BT‑Drs. 16/12814, S. 18; vgl. auch Vogel, S. 134 (vgl. aber auch S. 135); Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 20; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 27. 860  Vgl. (noch zur Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 SchVG 1899) Vogel, S. 134 (vgl. aber auch S. 135). 861  Für eine einschränkende Interpretation, dass nur einseitige finanzielle Verpflichtungen vom Verbot des § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG erfasst sind auch: Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 13, vgl. auch §§ 7,8 Rn. 90: „(eigentlich) nicht mit Kosten belastet werden sollen“; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 65.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Teilschuldverschreibungsschuldner betreffend die Ansprüche der Teilschuldverschreibungsgläubiger aus ihren Schuldverschreibungen nicht nach § 7 Abs. 6 SchVG vom Teilschuldverschreibungsschuldner zu tragen862 –, wird kaum jemand als gemeinsamer Vertreter zur Verfügung stehen, wenn die Kostenerstattung nicht gesichert ist. Jedenfalls wird wohl von kostenverursachenden und nicht ersatzfähigen Maßnahmen, wie der Führung von Prozessen gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner, abgesehen werden. In der Insolvenz des Teilschuldverschreibungsschuldners droht im letzteren Fall wegen § 19 Abs. 3 SchVG ein erheblicher Nachteil für die Teilschuldverschreibungsgläubiger, die ihre Rechte im Insolvenzverfahren nicht selbstständig durchsetzen können.863 Begründet § 7 Abs. 6 SchVG für den gemeinsamen Vertreter somit einen zusätzlichen, neben die aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag folgenden Ansprüche tretenden Anspruch gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner, stellt sich die Frage, wer im Innenverhältnis letztlich für die nach § 7 Abs. 6 SchVG ersatzfähigen Kosten und Aufwendungen aufkommen muss: der Teilschuldverschreibungsschuldner oder die Teilschuldverschreibungsgläubiger? Richtigerweise ist im Innenverhältnis der Teilschuldverschreibungsschuldner vollständig zu Kostentragung verpflichtet.864 Mit einer solchen Kostenverteilung kann der gesetzgeberischen Intention, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht mit Kosten belastet werden sollen,865 entsprochen werden. Die Frage, wie die Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem gemeinsamen Vertreter haften – also gesamtschuldnerisch oder pro rata als Teilschuldner i. S. d. § 420 Alt. 1 BGB –, beurteilt sich nach den Vereinbarungen im Einzelfall. Eine teilschuldnerische Haftung entspricht dabei den Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger, weil andernfalls mit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ein großes Haftungsrisiko verbunden wäre. Insbesondere müsste der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger bei einer gesamtschuldnerischen Haftung das Ausfallrisiko der anderen Teilschuldverschreibungsgläubiger tragen. Es empfiehlt sich daher bei Bestellung des gemeinsamen Vertreters eine ausdrückliche Regelung betreffend die Haftung der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem gemeinsamen Vertreter zu treffen. Denn fehlt eine solche Vereinbarung, haften die Teilschuldverschreibungsgläubiger gem. § 427 BGB im Zweifel als Gesamtschuldner. 862  BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – IX ZA 9/16 –, juris Leitsatz und Rz. 15; vgl. auch bereits Leber, S. 215, der die Ersatzfähigkeit von Prozesskosten im Fall eines Unterliegens des gemeinsamen Vertreters in einem Rechtsstreit gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner verneint. 863  Hacker/Kamke, NZI 2016, 1015, 1016. 864  So auch Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399; i. E. nimmt auch Antoniadis, NZI 2014, 785, 786 f., der § 7 Abs. 6 SchVG als Anspruchsgrundlage der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner qualifiziert, eine solche Kostenverteilung an. 865  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 20.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Eng mit der grundsätzlichen dogmatischen Einordnung des § 7 Abs. 6 SchVG verbunden ist die Frage nach der insolvenzrechtlichen Behandlung von Ansprüchen des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner. Die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Teilschuldverschreibungsschuldners entstandenen Ansprüchen sind als einfache Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO zu qualifizieren. Die insolvenzrechtliche Qualifizierung von Ansprüchen des gemeinsamen Vertreters betreffend seine Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll für diese Untersuchung offen bleiben. Sie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der praktischen Bedeutung des gemeinsamen Vertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger – eine geeignete Person wird sich in der Tat kaum finden lassen, wenn ihre Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche nicht gesichert sind – und der Übervorteilung der anderen Insolvenzgläubiger. Diesbezüglich ist eine Positionierung durch den Gesetzgebers angezeigt.

3. Zusammenfassung Der gemeinsame Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist rechtsgeschäftlicher Vertreter. Die dem Bestellungsbeschluss zustimmenden Teilschuldverschreibungsgläubiger bevollmächtigen den Wahlvertreter im eigenen Namen. Für die den Beschluss ablehnenden oder sich der Beschlussfassung enthaltenden Teilschuldverschreibungsgläubiger handelt die Mehrheit in fremdem Namen und kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht. Sonderrechtsnachfolger der Teilschuldverschreibungsgläubiger sind an die Bevollmächtigung kraft Gesetzes gebunden. Weder ist das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger als solches Vollmachtgeber und Vertragspartner im Innenverhältnis noch bestehen gleichlautende bilaterale Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverträge zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem gemeinsamen Vertreter. Es treten auch nicht einige Teilschuldverschreibungsgläubiger zugunsten der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger in Rechtsbeziehung zum gemeinsamen Vertreter. Vielmehr besteht ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem gemeinsamen Vertreter und sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern. Im Wege der gesetzlichen Vertragsübernahme werden Folgeerwerber der Teilschuldverschreibungen Partei dieses Vertrages. Im Fall des Vertragsvertreters ist auch die Konstruktion eines Vertrages zwischen diesem und dem Teilschuldverschreibungsschuldner zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger möglich. Der Vertragsvertreter schließt entweder mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner einen Geschäftsbesorgungsvertrag zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger ab oder der Teilschuldverschreibungsschuldner handelt als falsus procurator für die Teilschuldverschreibungsgläubiger, die mit (Erst-)



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Erwerb der Teilschuldverschreibungen ihre Genehmigung erteilen. Auch die Bevollmächtigung kann durch den Teilschuldverschreibungsschuldner als falsus procurator erfolgen. Möglich ist aber auch eine Bevollmächtigung bei Erwerb der Teilschuldverschreibungen. Durch § 7 Abs. 3 S. 3 SchVG werden die Voraussetzungen der Gesamtgläubigerschaft auf Seiten der Gläubiger insoweit modifiziert, als nicht jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger ohne Weiteres berechtigt ist, Ersatzansprüche gegen den gemeinsamen Vertreter geltend zu machen. § 7 Abs. 6 SchVG begründet einen Anspruch des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner. Daneben hat der gemeinsame Vertreter vertragliche Aufwendungs- und Vergütungsansprüche gegen seine Vertragspartner, (insbesondere) im Fall des Wahlvertreters also gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger. § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG steht Ansprüchen des gemeinsamen Vertreters gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht entgegen: Die Vorschrift ist teleologisch restriktiv dahingehend auszulegen, dass nur einseitige Leistungsverpflichtungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner ausgeschlossen sind. Im (Innen-)Verhältnis zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern trägt der Teilschuldverschreibungsschuldner vollständig die Kosten.

V.  Horizontale Treuepflichten und (materielle) Beschlusskontrolle Ob zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern (sog. horizontale)866 Treuepflichten bestehen – und wenn ja, in welcher Form –, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger einer (gerichtlichen) Inhaltskontrolle unterliegen. Zwischen diesen Themenkomplexen besteht ein Zusammenhang, was sich zum einen daran zeigt, dass sowohl Treuepflichten als auch die Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen dem Interessenausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit dienen: Treue866  Bei der Annahme vertikaler Treuepflichten  – also Treuepflichtbindungen zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern – ist äußerste Zurückhaltung geboten. Zwar bildet die Forderungsbeziehung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern einen Anknüpfungspunkt für § 242 BGB. Die anonymisierte Forderungsbeziehung verpflichtet die Teilschuldverschreibungsgläubiger aber (wohl) nicht zur besonderen Treue gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Insbesondere besteht grundsätzlich keine Zustimmungspflicht der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner zu Sanierungsmaßnahmen. So auch: LG Bonn, ZIP 2014, 1073, 1075 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 72; vgl. auch Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 42; zu vertikalen Treuepflichten vgl. aber auch Simon, S. 285 ff.; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.98; allgemein zu Mitwirkungspflichten der Gläubiger in der Krise des Schuldners Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 21 ff., 29 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

bindungen können die Mehrheit zur Berücksichtigung der Interessen der Minderheit verpflichten,867 gleichzeitig aber auch die Minderheit zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Mehrheit868.869 Auch der Anfechtungsklage – und einer in deren Rahmen erfolgenden materiellen Beschlusskontrolle – kommt (im Gesellschaftsrecht) einerseits die Funktion eines Schutzinstruments für die überstimmte Minderheit zu.870 Andererseits wird durch die Fristgebundenheit der Anfechtungsklage und die Voraussetzungen von Anfechtungsbefugnis und Anfechtungsgrund der Rechtsschutz gegen Mehrheitsbeschlüsse kanalisiert, was dem Interesse der Mehrheit – und im Fall von Teilschuldverschreibungen auch dem Interesse des Teilschuldverschreibungsschuldners – an Rechtssicherheit zugutekommt.871 Zum anderen zeigt sich eine Konnexität zwischen Treuebindungen und der materiellen Beschlusskontrolle daran, dass erstere z. T. als Grundlage für bzw. ihre Nichtexistenz als Argument gegen eine materielle Beschlusskontrolle angeführt werden.872 Auch das Reichsgericht sah eine Verbindung zwischen Treuebindungen und der materiellen Beschlusskontrolle: 867  Zu Treuepflichten als Instrument des Minderheitenschutzes im Gesellschaftsrecht vgl.: Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 8 II 3 (S. 431 ff.); Kort, ZIP 1990, 294, 296. 868  Vgl. BGH NJW 1995, 1739, 1741 ff. (Girmes); vgl. dazu auch Schuster, ZGR 2010, 325, 333 f.; Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 53. 869 Vgl. Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH‑Gesetz, S. 189, 195, 206; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 3; Dreher, ZHR 157 (1993), S. 150, 156 ff. 870  Zum Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht allgemein sowie speziell zur Anfechtungsklage als Instrument des Minderheitenschutzes siehe Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 8 (zur Anfechtungsklage IV. 2.); vgl. auch Hüffer/Koch, AktG, § 243, Rn. 23; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 1; Hüffer/Schäfer, in: MüKoAktG, § 243, Rn. 5 f.; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243, Rn. 3. 871 Vgl. Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243, Rn. 3; Hüffer/Schäfer, in: MüKoAktG, § 243, Rn. 5 f.; insoweit die Einführung der Anfechtungsklage begrüßend: Baums, ZBB 2009, 1, 3; vgl. auch Vogel, ZBB 2010, 211, 217; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 42; zu Kanalisierung des Rechtsschutzes im Vergleich zum SchVG 1899 siehe auch: Cagalj, S. 323 f.; Moser, S. 181 f.; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 1. 872  Leber, S. 254 ff. („Sie [die Treuepflicht] äußert sich darin, dass bei der Beschlussfassung Sonderinteressen auszublenden sind und nur zur ‚Wahrung des gemeinsamen Interesses‘ Beschlüsse gefasst werden dürfen.“); zum Verhältnis der Treuepflichtbindung und der materiellen Inhaltskontrolle siehe Liebenow, S. 311 f. („Beide Rechtsinstitute stehen zueinander in einem Stufenverhältnis, sowohl in der Intensität der Pflichtenbindung als auch im gerichtlichen Prüfungsprogramm. […] Unter bestimmten, im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen verdichtet sie [die Treuepflicht] sich zu einer materiellen Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen.“), vgl. auch S. 315; einen Zusammenhang zwischen Treuepflichten und materieller Beschlusskontrolle sehen auch: Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7, 18; Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 850; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 4, 22; Cagalj, S. 346; Moser, S. 207; zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht als Rechtsgrundlage der materiellen Beschlusskontrolle im Gesellschaftsrecht vgl.: Hüffer/Schäfer, in: MüKoAktG, § 243, Rn. 53 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 243, Rn. 24; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 39; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243, Rn. 158; vgl. auch Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59, 67.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Es versagte Beschlüssen der Schuldverschreibungsgläubiger die Wirksamkeit, wenn an ihnen Schuldverschreibungsgläubiger, die sich durch andere Interessen als das gemeinsame Interesse aller Gläubiger i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG 1899 haben leiten lassen, mitwirkten, und hierin bzw. in den Beschlüssen eine Verletzung der „Treuepflicht gegen die gesetzliche eingerichtete Rechtsgemeinschaft der Gläubigergesamtheit“ erblickte.873 Da die Treuepflicht als Vorstufe zur oder Grundlage der materiellen Inhaltskontrolle angesehen wird,874 soll zunächst untersucht werden, ob zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern Treuepflichten bestehen. Im Anschluss daran soll das Beschlusskontrollsystem des SchVG betrachtet und der Frage nach einer Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen nachgegangen werden.

1.  Horizontale Treuepflichten Es gilt zu beantworten, ob zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Gesamtemission Treuebindungen existieren, und wenn ja, wie sich solche Treuebindungen auswirken können.

a) Meinungsspektrum Teile des Schrifttums verneinen das Bestehen von Treuepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern mit dem Hinweis auf das Fehlen einer schuldrechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Sonderverbindung zwischen diesen.875 Moser mahnt zur Zurückhaltung bei der Annahme „von irgendwie 873  RGZ 148, 3, 16; vgl. auch Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 378 f., der dieser Entscheidung die Anerkennung einer Treuepflicht der einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger gegen die gesetzlich eingerichtete Rechtsgemeinschaft der Gläubigergesamtheit entnimmt; gegen diese Deutung Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 43; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 222; zur Unwirksamkeit von Beschlüssen, die nicht zur Wahrung des gemeinsamen Interesses i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG 1899 gefasst wurden, siehe: Ansmann, SchVG, § 1, Anm. 47; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, Einführung, Rn. 5; Vogel, S. 129 ff. 874  Siehe die Nachweise in Fn. 872 (2. Teil). 875  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 4, § 20, Rn. 4 („Die Gläubiger untereinander sind nicht mitgliedschaftlich verbunden. Ihnen obliegen keine Treuepflichten.“); Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7, 18; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 22; Schmidtbleicher, S. 362, vgl. auch S. 68 ff., 378; vgl. auch Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 38 ff., insbes. Rn. 41 (allerdings auch zu Zustimmungspflichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber den sonstigen Gläubigern des Teilschuldverschreibungsschuldners und diesem) sowie Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 221 f.; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 19; Cagalj, S. 346; Moser, S. 207, 291; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 8; gegen treuepflichtähnliche Bindungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger auch der Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 850; Vogel, ZBB 2016, 179, 190; vgl. auch Podewils, DStR 2009, 1914, 1918, der eine besondere Nähebeziehung unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern verneint und zur Zurückhaltung bei der An-

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

gearteten verbandsrechtlichen Treuepflichten oder ähnlichem“.876 Die Frage etwaiger Kooperations- oder Handlungspflichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger habe autonom und unter Beachtung von Sinn und Zweck des SchVG stattzufinden.877 Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums stehen viele Stimmen, die eine Treuepflichtbindung – ähnlich den horizontalen Treuebindungen zwischen Gesellschaftern – zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bejahen und dies mit dem Korrelat von Einwirkungsmacht und Verantwortung begründen.878 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger hätten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen der anderen Teilschuldverschreibungsgläubiger – wobei unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, wann genau treuepflichtbegründende Einwirkungsmöglichkeiten vorliegen: Grünewald sieht die Teilschuldverschreibungsgläubiger bereits durch die kollektive Bindung gem. § 4 S. 1 SchVG in einer, von ihm als „Gruppensituation“ bezeichneten Situation der wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeit auf fremde Interessenpositionen, weil sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Änderung der Anleihebedingungen zusammenwirken müssen, und daraus jedenfalls dem Grunde nach (Treue-)Pflichtbindungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern entstünden.879 Im Gegensatz dazu gehen Simon880 und Liebenow881 davon aus, dass eine dem Gesellschaftsrecht vergleichbare und daher Treuepflichtbindungen rechtfertigende Einwirkungsmöglichkeit auf fremde Interessen erst im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG vorliegt, wenn also die Möglichkeit nahme einer materiellen Beschlusskontrolle mahnt; Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 330, bejaht zwar grundsätzlich Treuepflichten (bzw. sog. Netzpflichten) zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern, Schadensersatzansprüche bejaht sie indes allenfalls für Fälle, die im Bereich des § 826 BGB liegen; auch das LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1075 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14), verneinte Treuepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und eine auf Treuepflichten gegründete Einschränkung von Kündigungsrechten (vgl. aber auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz.39 ff.; dazu auch sogleich). 876  Moser, S. 120. 877  Moser, S. 120. 878  Simon, S. 204 ff., insbes. S. 220 ff.; Leber, S. 254 ff.; Liebenow, S. 321 f., der aufgrund der Einordnung der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger als personengesellschaftsrechtlicher Innenverband auch gesellschaftsrechtliche Treuepflichten bejahen kann, vgl. S. 304; Grünewald, S. 228 f.; eine Treuepflichtbindung unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern bejahen auch: Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 410 f.; Seibt, ZIP 2016, 997, 1004; Seibt, EWiR 2016, 457, 458; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 378 f.; im Anschluss an diesen Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2607; vgl. auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 41 („Loyalitätsverpflichtung“ der Mehrheit), vgl. aber auch S. 52; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 92, nimmt „Loyalitätsbindungen“ aufgrund der Einwirkungsmacht der Mehrheit an; Treuepflichten zwischen Obligationären bejaht auch Bernstein, S. 14 ff. 879  Grünewald, S. 138, 217 f., 223, 228 f. 880  Simon, S. 223 f. 881  Liebenow, S. 321 f.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, besteht. Die Übertragung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten auf andere Interessengemeinschaften erfordere eine verbandliche Struktur, Treuepflichten seien (nur) dort denkbar, wo der Gesetzgeber Interessengemeinschaften organisiert.882 Unterschiedlich werden auch das Ausmaß der Treuepflichtbindung bzw. die konkrete Ausprägung von Treuebindungen und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung beurteilt. Grünewald nimmt mangels Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks durch die Teilschuldverschreibungsgläubiger ein deutlich geringeres Ausmaß der Treuepflichtbindungen zwischen Teilschuldverschreibungsgläubigern als zwischen Gesellschaftern an und bejaht i. E. nur eine Gleichbehandlungspflicht, die wiederum schon durch das SchVG selbst in §§ 4 S. 2, 5 Abs. 2 S. 2 SchVG (abschließend) gesichert sei, weshalb darüber hinausgehende Treuepflichten nicht bestünden.883 Dagegen gehen Simon und Liebenow davon aus, dass sich aus der Treuepflichtbindung verschiedene Unterlassungs- und Handlungspflichten für die Teilschuldverschreibungsgläubiger ergeben können: Treuepflichten fungierten zum einen als Schranke der Stimmrechtsausübung, indem sie, nach Auffassung Simons, zur Berücksichtigung des gemeinsamen Interesses aller Teilschuldverschreibungsgläubiger unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Beschlussfassung zwingen.884 Auch Liebenow geht davon aus, dass aus der Treuepflichtbindung ein Verbot illoyaler Stimmrechtsausübung zur Verfolgung von Sonderinteressen folgt.885 Ein Teilschuldverschreibungsgläubiger sei aufgrund der Treuepflicht zur Erklärung darüber verpflichtetet, ob er gleichzeitig als Aktionär, Inhaber anderer Schuldverschreibungen oder als sonstiger Gläubiger am Schuldner wirtschaftlich interessiert ist oder er anreizverzerrende Derivate hält.886 Eine Schrankenfunktion entfalten Treubindungen nach Liebenow auch in Bezug auf die Ausübung weiterer „anleiheorganisationsrechtlicher“ Rechte, beispielsweise das Fragerecht und das Anfechtungsrecht.887 Zum anderen könnten sich aus den Treuebindungen grundsätzlich auch Zustimmungspflichten ergeben,888 wobei Liebenow eine positive Stimmpflicht auf absolute Ausnahmefälle begrenzen möchte.889 882 

Simon, S. 191 ff. Grünewald, S. 228 f. 884  Simon, S. 225 ff. 885  Liebenow, S. 324 f. 886  Liebenow, S. 324. 887  Liebenow, S. 325. 888  Simon, S. 257 ff., insbes. 267 ff., zu einem Versuch der Konkretisierung einer Zustimmungspflicht zu Sanierungsmaßnahmen vgl. S. 271; Zustimmungspflichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu Änderungen der Anleihebedingung bejaht auch Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 377 ff.; zustimmend Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2607; vgl. auch Heldt, in: FS Teubner, S. 315, 329 f., die Zustimmungspflichten in Sanierungssituationen zwar einerseits 883 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Ein Verstoß gegen die Treuepflichtbindung soll, entsprechend den aktienrechtlichen Grundsätzen, zur Nichtigkeit der abgegebenen Stimmen und zur Anfechtbarkeit der getroffenen Gläubigerbeschlüsse führen.890 Eine treuwidrig erhobene Anfechtungsklage sei unbegründet.891 Außerdem könne eine Verletzung der Treuepflicht Schadensersatzansprüche (nach § 280 Abs. 1 BGB) unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern begründen.892 Nach der Auffassung Liebenows wirkt sich die horizontale Treuepflichtbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht nur auf die „anleiheorganisationsrechtlichen“ Rechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger aus, sondern schränkt auch etwaige – das vertikale Verhältnis des einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers zum Teilschuldverschreibungsschuldner betreffende – Kündigungsrechte ein.893 Wenn und solange eine Beschlussfassung nach den §§ 5 ff. SchVG im Raum stehe, verbiete die Treuepflicht den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern eine Kündigung: „Wären Einzelkündigungen parallel zu einer Beschlussfassung nach §§ 5 ff. SchVG 2009 über die kollektive Verwaltung der Obligationärsrechte möglich, entstünde ein (neues) Trittbrettfahrerproblem, was der Zielsetzung des reformierten Schuldverschreibungsgesetzes widerspräche.“894 Diese Auffassung teilt – jedenfalls für das SchVG 1899 – auch der XI. Zivilsenat des BGH, der zwar nicht ausdrücklich von Treuepflichten spricht, ein Kündigungsrecht aus § 314 Abs. 1 BGB aber verneinte, weil bei der nach dieser Vorschrift erforderlichen Interessenabwägung auch „die Interessen aller Gläubiger der betreffenden Anleihe“ zu berücksichtigen seien.895 Der Sache nach nimmt der XI. Zivilsenat des BGH, wie auch schon vorgehend das OLG für sinnvoll erachtet, aus einer Treuepflicht hergeleitete Handlungspflichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger angesichts potentieller Informationsunterschiede aber andererseits für problematisch erachtet. 889  Liebenow, S. 326 ff., der vor einer zu großzügigen Bejahung treuepflichtbasierter Zustimmungspflichten warnt, die legitimen Meinungsunterschiede über die Sanierungsfähigkeit des Teilschuldverschreibungsschuldners dürften durch die Treuepflichtbindung nicht eingeebnet werden. 890  Simon, S. 272 ff.; Liebenow, S. 326. 891  Liebenow, S. 326. 892  Liebenow, S. 326; Simon, S. 279 ff. 893  Liebenow, S. 325. 894  Liebenow, S. 325. 895  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 41; zustimmend: Lür‑ ken, GWR 2016, 300; Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712; Friedl, BB 2016, 1680; Seibt, EWiR 2016, 457, 458; vgl. noch zur Vorinstanz: Knauthe, EWiR 2015, 729, 730, die davor warnt, dass der „Wettlauf“ der Kündigungen nur auf den Zeitpunkt vor Bekanntgabe eines Sanierungskonzepts vorverlagert werde; Lürken, GWR 2015, 435; zur Einschränkung eines Kündigungsrechts aus § 314 Abs. 1 BGB bei einer angestrebten Sanierung nach dem SchVG 1899 vgl. auch bereits Paulus, WM 2012, 1109, 1111; vgl. auch Paulus, EWiR 2014, 481, 482 (Berücksichtigung des Gesamtinteresses der Gläubigergemeinschaft).



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Köln896, damit Treue- oder jedenfalls Rücksichtnahmepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern an.897 Der XI. Zivilsenat des BGH unterlässt es, diese Pflichten mit der Rechtsnatur der Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger und den dogmatischen Grundlagen von Treuepflichten zu begründen, sondern verweist stattdessen auf den Zweck des SchVG: „Das Schuldverschreibungsgesetz von 1899, insbesondere seine beiden Kernvorschriften der §§ 11, 12 SchVG 1899, diente – ebenso wie das Schuldverschreibungsgesetz von 2009 […] – dem Ziel, die Gläubiger einer Anleihe in der Krise des Schuldners auf der Grundlage vollständiger und richtiger Informationen sowie in einem geordneten, fairen und transparenten Verfahren an dessen vorinsolvenzrechtlicher Sanierung gleichmäßig zu beteiligen […].“898 Ohne eine Beteiligung sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger würde der Erfolg der Sanierungsbemühungen des Teilschuldverschreibungsschuldners nachhaltig gefährdet.899 Bestünde eine Ausstiegsmöglichkeit über die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung, würde das SchVG seine praktische Bedeutung verlieren.900 Das SchVG 1899 führe zu einer Vergemeinschaftung der Gläubigerinteressen.901 Im Hinblick darauf hätten die individuellen Interessen der Einzelgläubiger jedenfalls so lange zurückzutreten, bis die Sanierungsbemühungen nach dem SchVG 1899 endgültig gescheitert sind.902 Dass der XI. Zivilsenat des BGH diese zum SchVG 1899 ergangene Rechtsprechung auch auf das SchVG überträgt, kann mit Blick auf diese Begründung als sehr wahrscheinlich gelten.903 896  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 57/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 98 ff., insbes. Rz. 104 ff., das die Wirksamkeit der Kündigung nach § 314 Abs. 1 BGB verneinte, weil – dogmatisch zweifelhaft und vom XI. Zivilsenat des BGH sodann auch korrigiert (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 34) – sie zur Unzeit erfolgte. Eine Kündigung sei nach Auffassung des OLG Köln jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn ein Restrukturierungskonzept vorliege und die Gläubigerversammlung bislang nicht die Möglichkeit hatte, über diese zu befinden. Nur durch den Ausschluss der Einzelkündigung bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung bleibe das „Primat der Gläubigerversammlung“ als Leitbild des SchVG 1899 gewahrt. 897  So auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 646; Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712; vgl. auch Seibt, EWiR 2016, 457, 458; a. A. Vogel, ZBB 2016, 179, 190, der einen Rückgriff „auf de lege lata nicht bestehende und daher im Wege der Rechtsfortbildung erst zu schaffende gesellschafterähnliche Treuepflichten unter Anleihegläubigern“ zur Eindämmung „querulatorischer Kündigungsklagen“ für entbehrlich hält und das „Primat der Gläubigerversammlung“ nicht als Ausdruck einer Treue- oder Rücksichtnahmepflichtbindung unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern versteht, vgl. Vogel, ZBB 2016, 179, 185, 189 f. 898  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 40. 899  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 41. 900  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 41. 901  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 41. 902  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 41. 903  Vgl. auch Grüneberg, WM 2016, 1621, 1626; Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712; Friedl, BB 2016, 1680; Seibt, EWiR 2016, 457, 458.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

b)  Keine horizontalen Treuepflichten Das SchVG enthält keine direkte Aussage zu Zustimmungspflichten oder sonstigen Treuepflichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger untereinander.904 Mit Blick auf wesentliche Prinzipien des SchVG und dessen Ziel, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, ist die grundsätzliche Existenz horizontaler Treuebindungen äußerst zweifelhaft. Jedenfalls können die von Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung herausgearbeiteten Konkretisierungen solcher Treuepflichtbindungen nicht überzeugen. Bevor dies näher dargelegt wird, ist allerdings zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung von Treuepflichten überhaupt vorliegen. Hierzu sind verschiedene Begründungsansätze für Treue- und Rücksichtnahmepflichten zu betrachten.

aa)  Voraussetzungen von Treue- und Rücksichtnahmepflichten Treue- und Rücksichtnahmepflichten905 können zwischen vertraglich verbundenen Personen bestehen. Ein zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen einer anderen Person verpflichtendes Schuldverhältnis kann in den Fällen des § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auch im vorvertraglichen Bereich und sogar gegenüber Dritten entstehen. Rechtsgrundlage von Treue- und Rücksichtnahmepflichten sind in diesen Fällen die §§ 242, 241 Abs. 2 BGB.906 Im Gesellschaftsrecht sind Treuepflichten als rechtsformübergreifendes Verbandsprinzip heute allgemein anerkannt, auch wenn die Grundlage gesellschaftsrechtlicher Treuepflichtbindungen bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist. Hier kann nur ein Überblick gegeben werden:907 Allgemein wird die Mitgliedschaft und die aus ihr folgende Sonderverbindung zwischen den Gesellschaftern als Grundlage horizontaler gesellschafts-

904 

So auch Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2607. Zur Unterscheidung zwischen Treue- und Schutzpflichten: Krebs, S. 469, 638 ff.: Während Treuepflichten unmittelbar der Zweckerreichung oder zumindest einem vertrauensvollen Miteinander und auf diese Weise der Zweckerreichung dienen sollen, bezweckten Schutzpflichten primär die Kompensation von sonderbeziehungsspezifischen Einwirkungsmöglichkeiten, sie förderten nur mittelbar die Erreichung des Leistungszweckes; Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 513 ff. 906 Vgl. Olzen, in: Staudinger, § 241, Rn. 513 ff.; zum Verhältnis von § 242 BGB und § 241 Abs. 2 BGB siehe Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 174 ff. 907  Vgl. die ausführliche Darstellung zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als rechtsformübergreifendes Verbandsprinzip bei Simon, S. 160 ff.; vgl. auch Liebenow, S. 318 ff.; Dembski, S. 26 ff.; Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59, 60 ff.; zur Rechtsprechungsentwicklung siehe Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243, Rn. 160 f.; zur Grundlage und zum rechtsfunktionellen Anknüpfungspunkt gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1; zu Treue- und Rücksichtnahmepflichten im Gesellschaftsrecht siehe auch Bitter, ZGR 2010, 147, 164 ff.; vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 123 ff. 905 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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rechtlicher Treuebindungen angesehen.908 Umstritten ist allerdings die genaue dogmatische Verortung (horizontaler)909 Treuepflichten: Zum Teil wird auf die gesellschaftsvertragliche Zweckförderungspflicht abgestellt.910 Nach anderer Ansicht wird § 242 BGB als Anknüpfungspunkt für Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern angesehen.911 Einen dritten Ansatz verfolgt Hüffer, der die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auf eine durch richterliche Rechtsfortbildung entstandene Generalklausel stützen möchte.912 Als funktionaler Geltungsgrund von Treuepflichtbindungen wurde zunächst auf das gegenseitige Vertrauen der Gesellschafter abgestellt.913 Heute wird überwiegend auf das Korrelat von Einwirkungsmacht und Verantwortung rekurriert.914 Treuepflichtbindungen seien der notwendige Ausgleich für die Ein908  Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 243, Rn. 4; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 36; H.‑F. Müller, S. 274, der betont, dass „Reorganisationspflichten“  – also Treue- oder Kooperationspflichten – ohne rechtgeschäftliche Grundlage nicht begründbar seien; Weipert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 6, Rn. 32 ff., insbes. Rn. 34; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), S. 109, 113; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243, Rn. 159; vgl. auch Kort, ZIP 1990, 294, 295; Dreher, ZHR 157 (1993), S. 150, 153, 157; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), S. 172, 173; vgl. auch Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH‑Gesetz, S. 189, 202 ff.; zur Sonderverbindung zwischen den Mitglieder eines Verbandes vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 126 f.; siehe auch Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, S. 350. 909  Vertikale Treuepflichten finden im Gesellschaftsrecht ihre Grundlage in der Zweckförderungspflicht aus § 705 BGB, vgl.: Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 36 m. w. N.; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 243, Rn. 4 m. w. N.; Servatius, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 705, Rn. 41. 910 Vgl. Weipert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, §  6, Rn. 32  ff.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), S. 172, 173; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), S. 109, 113, der alternativ auf § 242 BGB und das mitgliedschaftliche Sonderverhältnis und die damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten abgestellt; vgl. auch Kort, ZIP 1990, 294, 295, der Treuepflichten nicht als Ausfluss der mitgliedschaftlichen Zweckförderungspflicht ansieht, vielmehr sei umgekehrt aus der Treuepflicht eine rechtsformspezifisch abgestufte mitgliedschaftliche Zweckförderungspflicht herzuleiten. 911  Simon, S. 171 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 a); Häsemeyer, ZHR 160 (1996), S. 109, 113; A. Nodoushani, S. 37 ff. (für Treuepflichten zwischen Gesellschaftern von Personengesellschaften), S. 94 ff., 110, 198 (für Aktionäre); vgl. auch die Darstellung bei Schu‑ bert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 177 (m. w. N. auch zur Gegenansicht), die Treuepflichten auf die gesellschaftsvertragliche Förderungspflicht aus § 705 BGB stützt; vgl. auch Looschelders/ Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 993; vgl. auch die Nachweise bei: Schwab, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 243, Rn. 4, Fn. 23; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 36. 912  Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59, 70 ff. 913 Vgl. hierzu: Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59, 73 f.; Simon, S. 167; A. Nodoushani, S. 31 f.; kritisch Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, S. 339 ff. 914  Vgl. BGH NJW 1992, 1739, 1741 f. (Girmes); Seibt, ZIP 2014, 1909 f.; Kort, ZIP 1990, 294, 296; Dreher, ZHR 157 (1993), S. 150, 154 ff.; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), S. 109, 113; A. Nodoushani, S. 32, 53, 55 ff., 109 f., 197; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH‑Gesetz, S. 189, 204 f., 207; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 243, Rn. 4; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 36; Dembski, S. 74 ff.; vgl. auch bereits Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, S. 341 ff.; siehe auch

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

wirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter. Teilweise wird auch auf beide Zwecke abgestellt.915 Das Korrelat von Rechtsmacht und Verantwortung wird teilweise auch für das Insolvenzrecht fruchtbar gemacht und es wird versucht, hiermit eine Treuebindung zwischen Insolvenzgläubigern zu begründen.916 Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehe zwischen den Insolvenzgläubigern eine Sonderverbindung917 und die in dieser Sonderverbindung bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Interessen der anderen Gläubiger begründeten grundsätzlich Pflichtenbindungen.918 Das Bestehen von Treuepflichtbindungen zwischen Insolvenzgläubigern kann indes keinesfalls als geklärt angesehen werden.919 Die Frage nach (Treue-)Pflichtbindungen zwischen den Gläubigern eines insolventen Schuldners soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Einen anderen Ansatz zur Begründung von Pflichtenbindungen verfolgt Bitter: Er hält das Vorliegen einer (schuldrechtlichen oder mitgliedschaftlichen) Sonderverbindung zur Begründung von Rücksichtnahmepflichten für entbehrlich, wenn eine hohe Intensität der Einwirkungsmacht auf fremde Interessen vorliegt.920 Dogmatischer Anknüpfungspunkt der Rücksichtnahmepflicht ist nach Bitter der Gedanke der Aufopferung, der an verschiedenen Stellen – in den §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, 135 Abs. 3 InsO, §§ 327a ff. AktG, im UmwandK. Schmidt, Gesellschaftsrechts, § 20 IV 1 b); vgl. auch: Leber, S. 255; Grünewald, S. 155 ff., 197 ff., 228 f.; Schulz, S. 23 ff. 915 So Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59, 73 ff., der aber betont, dass es meistens um die Einwirkungskontrolle gehe. 916  Schulz, S. 96 ff., insbes. S. 99 ff.; Simon, S. 187 ff.; Grünewald, S. 197 ff., der (Treue-) Pflichtbindungen „niederschwelliger Natur“ (S. 200) zwischen den Insolvenzgläubigern bejaht, diese Pflichtenbindungen aber grundsätzlich bereits durch das Gesetz, namentlich §§ 78 Abs. 1, 187 ff. InsO und insbes. § 245 InsO, umgesetzt sieht; Rücksichtnahmepflichten zwischen den Beteiligten eines (gerichtlichen) Sanierungsverfahrens bejaht auch Bitter, ZGR 2010, 147, 172 ff., insbes. 174 ff. (zum Begründungsansatz von Bitter ausführlich sogleich); vgl. auch Zipperer, NZI 2010, 281 ff. (zu Treuepflichten im Insolvenzeröffnungsverfahren). 917 Zur Rechtsnatur der Gemeinschaft der Gläubiger in der Insolvenz siehe: Vorwerk, S. 105 ff.; Schulz, S. 53 ff. (schlichte Interessengemeinschaft); Grünewald, S. 181 ff. (Bruchteilsgemeinschaft, die aber nicht den §§ 741 ff. BGB, sondern ausschließlich den Regelungen der InsO unterliegt); vgl. auch BGH NJW 1992, 967, 968. 918  Schulz, S. 99 ff.; Grünewald, S. 198 ff.; vgl. auch Simon, S. 187 ff. 919  Treuepflichten zwischen Insolvenzgläubigern ablehnend: Ehricke, NZI 2000, 57, 59; Ehricke, in: MüKoInsO, § 74, Rn. 9; Grell, NZI 2006, 77, 79; implizit: Smid, in: FS Pawlowski, S. 387, 395; Rattunde, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, § 245, Rn. 5; überwiegend bejaht wird mit dem Gedanken des Verbots „des Richtens in eigener Sache“ und des Verbots eines Insichgeschäfts allerdings eine Stimmrechtseinschränkung in der Gläubigerversammlung, vgl. dazu: Knof, in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, § 76, Rn. 30, § 77, Rn. 4 ff., insbes. Rn. 6; Jungmann, in: K. Schmidt, InsO, § 76, Rn. 15 ff.; Ehricke, in: MüKoInsO, § 77, Rn. 35 ff.; Pape, ZInsO 2000, 469, 472 f.; kritisch: Smid, in: Leonard/Smid/Zeuner, InsO, § 76, Rn. 10; Grell, NZI 2006, 77 ff. 920  Bitter, ZGR 2010, 147, 172 ff., insbes. S. 178 ff.



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lungsrecht, in § 904 BGB sowie im Nachbarrecht – gesetzlich kodifiziert sei. Die „Schwarz-Weiß-Sicht“, das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ zwischen vertraglicher Bindung (mit Rücksichtnahmepflichten aufgrund einer Sonderverbindung) und Delikt (mit Beschränkung auf Verkehrspflichten) sei aufzugeben und habe einem System fließender Übergange, in dem die vertragliche Bindung einerseits und die Einwirkungsmacht andererseits die Intensität der Rücksichtnahmepflichten beeinflussten, zu weichen.921 Aus dem Aufopferungsgedanken lasse sich, anders als aus der vertraglichen Bindung, allerdings keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung herleiten, sondern lediglich eine Verpflichtung, die eigene Rechtsposition gegen Wertausgleich zugunsten Dritter herauszugeben.922 Gegründet auf den Aufopferungsgedanken könnten (in Sanierungssituationen) durchaus auch unverbundene Gläubiger untereinander oder Gesellschafter im Interesse der Gläubiger in die Pflicht genommen werden.923 Ein obstruierender Gläubiger könne verpflichtet werden, einem mehrheitlich befürworteten Sanierungskonzept zuzustimmen, da von ihm allein verlangt werde, „seine Rechtsposition – die Inhaberschaft an der Forderung zum Nominalbetrag – gegen angemessenen Ausgleich aufzugeben“.924 Der „angemessene“ Ausgleich werde in Gestalt des reduzierten Anspruchs, der dem wahren Wert der Forderung in der Sanierungssituation entspreche, gewährt.925 Aus der Aufopferungslage entstehe eine Sonderverbindung, sodass bei einer Verletzung der Aufopferungspflicht Schadensersatzansprüche  – aus § 280 BGB –926 in Betracht kämen, jedenfalls sei ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bei einer Verletzung der Aufopferungspflicht möglich.927

bb)  Kein Verzicht auf das Erfordernis einer Sonderverbindung Zum Ansatz von Bitter sei zunächst angemerkt, dass ein Gläubiger, der zur Zustimmung zu einem mehrheitlich befürworteten Sanierungskonzept, das einen Forderungsverzicht vorsieht, verpflichtet wird, de facto überhaupt keinen Ausgleich erhält. Da § 826 BGB auch ohne eine Aufopferungslage zwischen unverbundenen Personen anwendbar ist, entsteht ein (prozessualer und damit faktischer) Mehrwert auch erst, wenn wegen Verletzung einer Aufopferungspflicht Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB möglich wären. 921 

Bitter, ZGR 2010, 147, 172 ff. Bitter, ZGR 2010, 147, 180. 923  Bitter, ZGR 2010, 147, 180. 924  Bitter, ZGR 2010, 147, 180 f. 925  Bitter, ZGR 2010, 147, 180, vgl. auch S. 179. 926  Dies ergibt sich lediglich implizit aus Bitters Ausführungen, vgl. Bitter, ZGR 2010, 147, 186, 200. 927  Bitter, ZGR 2010, 147, 186, 200. 922 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Wo die Grenzen einer nicht ausdrücklich normierten allgemeinen Aufopferungspflicht liegen, ist letztlich eine Wertungsfrage. Die Grenzen zwischen vertraglich oder gesellschaftsrechtlich verbundenen Personen und völlig unverbundenen Personen – und damit die Grenzen zwischen Vertrags- bzw. Gesellschaftsrecht einerseits und Deliktsrecht andererseits – drohen konturlos zu werden. Hieran ändert es auch nichts, wenn Bitter nicht auf die Perspektive des Anspruchsstellers abstellen, sondern fragen möchte, „ob eine Aufopferungspflicht desjenigen besteht, dem aufgrund seiner Rechtsposition eine besondere Einwirkungsmacht auf das Vermögen Dritter zukommt“928. Vor allem aber setzt Bitter mit seinem System fließender Übergänge voraus, was es zu begründen gilt: Ob eine Sonderverbindung – wenn auch nur in sehr gelockerter, rudimentärer Form – Voraussetzung für eine (Treue- oder Rücksichtnahme-)Pflichtbindung ist, ist gerade die maßgebliche Frage.929 Die Erforschung der Grundlagen von Treue- und Rücksichtnahmepflichten, die zweifelsohne von grundsätzlichem wissenschaftlichen aber auch praktischem Interesse ist, muss an dieser Stelle unterbleiben. Angemerkt sei lediglich, dass, Treue oder Loyalität zu schulden, auf Seiten der Berechtigten wohl eine gewisse Erwartungshaltung auf ein bestimmtes loyales Verhalten voraussetzt,930 weshalb an dem Erfordernis einer „Sonderverbindung“ als Grundvoraussetzung für Treuebindungen festzuhalten ist.931

cc)  Situation bei den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Emission Die kollektive Bindung führt zu einer Verbindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger. Diese bilden eine Gemeinschaft eigener Art. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind aber keine Mitglieder einer Gesellschaft. Gesellschaftsrechtliche Grundsätze können daher nicht ohne Weiteres auf die durch § 4 S. 1 SchVG begründete Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger übertragen werden. Die Annahme von gesellschaftsähnlichen Treuebindungen unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern ist außerdem problematisch, weil sie die Trennung von Eigen- und Fremdkapitalgebern aufweicht. 928 

Bitter, ZGR 2010, 147, 182. auch die Kritik von Simon, S. 198 f., der einen „korporativ geprägten mitgliedschaftsorientierten“ Ansatz zur Begründung von Treuepflichten in Gemeinschaftsverhältnissen für vorzugswürdig hält. 930  Auf die Erwartungshaltung der Gesellschafter stellt auch der II. Zivilsenat des BGH in seiner „Sanieren-oder Ausscheiden“-Rechtsprechung ab, vgl.: BGH NZG 2011, 510, 512 f. (Rz. 20 f.); BGH NZG 2015, 995 997 (Rz. 23); zur „Sanieren- oder Ausscheiden“-Rechtsprechung vgl. auch sogleich unter 2. Teil C V 1 b) ee) (3). 931  Vgl. auch H.‑F. Müller, S. 274, der Reorganisationspflichten – also Treue- oder Kooperationspflichten in einer (vor-)insolvenzlichen Sanierungssituation – ohne rechtsgeschäftliche Grundlage für nicht begründbar ansieht. 929  Vgl.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Ob durch die kollektive Bindung eine die Anwendbarkeit des § 242 BGB – der (teilweise) als gesetzlicher Anknüpfungspunkt für (gesellschaftsrechtliche) Treuepflichten angesehen wird932 – begründende Sonderverbindung zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern entsteht, ist fraglich. Durch § 4 S. 1 SchVG kommt es zu einer Kollektivierung der Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger hierdurch zu einer Gruppe verbunden sind, bedeutet indes nicht – zumindest nicht zwangsläufig –, dass zwischen allen Gruppenmitgliedern auch Sonderverbindungen bestehen. Ein Schuldverhältnis (i. S. d. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB) besteht nicht.933 Wenn man für die Anwendbarkeit des § 242 BGB das Vorliegen einer Sonderverbindung i. S. e. „qualifizierten sozialen Kontaktes“ als ausreichend erachtet und kein Schuldverhältnis fordert,934 ist fraglich, ob ein solcher qualifizierter sozialer Kontakt zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern besteht. In der Regel besteht zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern überhaupt kein Kontakt, sie sind Inhaber individueller Forderungsrechte. Die Existenz von horizontalen Sonderverbindungen erscheint aus diesem Grund sehr zweifelhaft. Die Annahme einer die Anwendbarkeit von § 242 BGB begründenden Sonderverbindung zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern kommt (allenfalls) im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG in Betracht, da dann kraft Gesetzes Gesamtvertretungsmacht besteht. Wird das Vorliegen einer Sonderverbindung bejaht oder mit Bitter eine solche nicht als notwendige Voraussetzung für die Anerkennung von Pflichtenbindungen angesehen, ist nach Einwirkungsmöglichkeiten auf fremde Interessen, deren Intensität und – nach dem Ansatz von Bitter – dem Vorliegen einer Aufopferungslage zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern zu suchen. Eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der anderen Teilschuldverschreibungsgläubiger besteht im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG, da die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger Entscheidungen mit Wirkung für und gegen sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission treffen kann und die Minderheit auch gegen ihren Willen gebunden wird. Andererseits ist Grünewald zuzugeben, dass auch ohne Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG allein durch die kollektive Bindung ein gewisses Einwirkungspotential 932  Simon, S. 171 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 a); Häsemeyer, ZHR 160 (1996), S. 109, 113; vgl. auch die Darstellung bei Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 177 (m. w. N. auch zur Gegenansicht), die Treuepflichten auf die gesellschaftsvertragliche Förderungspflicht aus § 705 BGB stützt; vgl. auch Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 993; vgl. auch die Nachweise bei: Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 243, Rn. 4, Fn. 23; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 36. 933  Vgl. oben 2. Teil C II 2 b) cc). 934 So: Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 93 ff.; Böttcher/Hohloch, in: Erman, § 242, Rn. 15; Grüneberg, in: Palandt, § 242, Rn. 5; Simon, S. 183 f.; kritisch dagegen Looschelders/ Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 127 f.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

gegeben ist, da sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Änderung der Anleihebedingungen gemeinsam handeln müssen. Fraglich bleibt, ob die Intensität der Einwirkungsmacht (bei Fehlen eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG) ausreicht, um das Fehlen einer (gesellschaftsrechtlichen oder vertraglichen) Sonderverbindung auszugleichen. Hieran zeigt sich auch eine weitere Schwäche des von Bitter entwickelten Systems fließender Übergänge: Wann die Intensität der Einwirkungsmacht ausreichend ist, um ohne vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Sonderverbindung eine Pflichtenbindung zwischen unverbundenen Personen anzunehmen, ist letztlich eine Wertungsfrage.

dd)  Unvereinbarkeit mit den Grundprinzipien des SchVG Selbst wenn mit Annahme einer Sonderverbindung zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und einer potentiellen Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen anderer Teilschuldverschreibungsgläubiger die theoretische Grundlage für Treuebindungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern einer Gesamtemission gegeben wäre und die Existenz von Treuebindungen nicht per se ausgeschlossen werden könnte, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, wie sich die Treuebindungen konkret auswirken sollen. Treuepflichten sind konkretisierungsbedürftig.935 Treuebindungen sind in einem besonderen Maße eine Frage der Wertung des Einzelfalles. Die im Einzelfall festzulegenden Treuepflichten dürfen aber nicht dazu genutzt werden, bestimmte von vornherein feststehende Ergebnisse zu legitimieren.936 Bei der inhaltlichen Konkretisierung müssten die wesentlichen Prinzipien des Schuldverschreibungsrechts sowie die in den Anleihebedingungen privatautonom getroffene Risikoverteilung berücksichtigt werden. Da das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht in klassische Formen gesellschaftsrechtlicher Personenmehrheiten eingeordnet werden kann, können die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze der Treuebindungen auch nicht pauschal übertragen werden. Wann eine Treuepflicht ein bestimmtes Verhalten ver- oder gebietet, kann von Investoren schwerlich antizipiert werden. Daher sind Treuepflichten, weil mit Rechtsunsicherheit verbunden, mit Blick auf das Regelungsziel des SchVG, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts im internationalen Wettbewerb937 zu steigern, problematisch. 935 Vgl. Simon, S. 172 (Treuepflichten als offener, konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriff, der der Subsumtion kaum fähig ist); Liebenow, S. 323 m. w. N. (Treuepflicht als „konkretisierungsbedürftiges Rechtsprinzip“). 936 Vgl. auch Simon, S. 161: „Die Annahme von Treuepflichten war stets ‚ergebnisgeprägt‘.“ 937  Vgl. zur Frage, ob nach englischem Recht die Interessen der Gesamtheit der Anleihegläubiger bei der Beschlussfassung berücksichtigt werden müssen: Burn, in: Baums/Cahn,



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Da Treuepflichten nach der Vorstellung von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums geeignet sind, die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Rechte einzuschränken, ohne dass dies aus den Anleihebedingungen ersichtlich ist, wird darüber hinaus nicht nur die Grundlage der Investitionsentscheidung verändert, da der Anleger ein anderes Produkt erworben hat als er aufgrund der Lektüre der Anleihebedingungen (und des Gesetzes) angenommen hatte und annehmen durfte. Vielmehr steht dies auch im Widerspruch zu wesentlichen Grundprinzipien des SchVG – dem Skripturprinzip aus § 2 SchVG und dem Transparenzgebot aus § 3 SchVG. Aus dem SchVG ergibt sich nicht, dass es durch die kollektive Bindung zu einer gesellschaftsähnlichen Treuepflichtbindung kommt. Auch im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG ist eine solche Rechtsfolge, die nach der Vorstellung von Rechtsprechung und Schrifttum zu erheblichen Einschränkungen individueller Rechte führen kann, nicht aus den Anleihebedingungen ersichtlich. Der Konflikt von Treuepflichten mit dem Skripturprinzip und dem Transparenzprinzip spricht entscheidend gegen die grundsätzliche Anerkennung horizontaler Treuebindungen.

ee)  Bedenken gegen die von Schrifttum und Rechtsprechung herausgearbeiteten Ausprägungen horizontaler Treuepflichten Abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden gegen die Annahme horizontaler Treue- oder Rücksichtnahmepflichten zwischen Teilschuldverschreibungsgläubigern sind auch die von Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung herausgearbeiteten Konkretisierungen solcher Pflichtenbindungen kritisch zu beurteilen.

(1)  Zur Schrankenfunktion im Hinblick auf „anleiheorganisationsrechtliche“ Rechte Eine Einschränkung der „anleiheorganisationsrechtlichen“ Rechte aufgrund einer Treuebindung kann es jedenfalls nur bei einem Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG geben, da ohne einen solchen die „anleiheorganisationsrechtlichen“ Rechte der §§ 5 ff. SchVG nicht bestehen. Soweit aus der Treuepflicht zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern eine Einschränkung des in § 20 SchVG normierten Anfechtungsrechts folgen können soll, stellt sich die Frage, ob die missbräuchliche Ausübung des Anfechtungsrechts nicht eher das Verhältnis des klagenden Teilschuldverschreibungsgläubigers zum Teilschuldverschreibungsschuldner betrifft als jenes zu den übrigen Teilschuldverschreibungsgläubigern und daher eine S. 219, 236 („in taking their decision, the majority did not have to act for the benefit of the lenders as whole“).

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Begründung für eine solche Einschränkung nicht vielmehr in dem Verhältnis zum Teilschuldverschreibungsschuldner bzw. einem treuwidrigen oder missbräuchlichen Verhalten diesem gegenüber zu suchen ist938 – eine schuldrechtliche Sonderverbindung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger ist unzweifelhaft gegeben. Hierfür spricht, dass die Anfechtungsklage gem. § 20 Abs. 3 S. 2 SchVG gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zu richten ist: Dann muss der Einwand eines etwaigen Rechtsmissbrauchs mindestens auch ihm gegenüber vorliegen. Soweit aus der horizontalen Treuebindung der Teilschuldverschreibungsgläubiger eine Erklärungspflicht über eine anderweitige Beteiligung oder wirtschaftliche Interessen am Teilschuldverschreibungsschuldner gefolgert wird, ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber das Problem etwaiger Interessenkonflikte bei der Stimmrechtsausübung gesehen und in § 6 SchVG eine Regelung getroffen hat. Aus diesem Grund ist bei einer darüber hinausgehenden Einschränkung der Stimmrechtsausübung auf Grundlage einer Treuepflichtbindung Zurückhaltung geboten.

(2)  Keine Zustimmungspflicht Nicht nur für den Fall, dass die Anleihebedingungen die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, vorsehen, sondern auch für den Fall, dass kein Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG erfolgt ist und „nur“ die kollektive Bindung gem. § 4 S. 1 SchVG besteht, stellt sich die Frage, ob aus einer horizontalen Treuebindung die Einschränkung von Kündigungsrechten oder eine positive Stimmpflicht respektive eine Zustimmungspflicht zu Änderungen der Anleihebedingungen folgt. Die Frage, ob eine Zustimmungspflicht zur Änderung von Anleihebedingungen besteht, stellt sich insbesondere in Sanierungssituationen bzw. bei Sanierungsmaßnahmen. Sehen die Anleihebedingungen die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen vor, ist eine Zustimmungspflicht abzulehnen. Findet sich keine sanierungswillige Mehrheit, kann ein anderes Ergebnis nicht über eine Treuepflichtbindung erzielt werden. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind in ihrer Entscheidung darüber, ob sie einer Änderung der Anleihebedingungen zustimmen, frei.939 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger entscheiden selbst, ob sie den Teilschuldverschreibungsschuldner für sanierungswürdig halten oder nicht. Eine aus einer Treuepflicht begründete Zustimmungspflicht der Teilschuldver938  Auf

ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des anfechtenden Teilschuldverschreibungsgläubigers gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner stellt auch das OLG Karlsruhe im Rahmen eines Freigabeverfahrens ab, vgl. OLG Karlsruhe, WM 2016, 605, 612 ff.; vgl. dazu auch Seibt, ZIP 2016, 997, 1009; zu rechtsmissbräuchlichem Verhalten gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner siehe auch Moser, S. 337 f. 939  Vgl. – allerdings noch zum SchVG 1899 – Servatius, S. 258 f.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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schreibungsgläubiger zu einem Sanierungskonzept würde das Beschlussergebnis letztlich vorgeben940 und die freie Entscheidungsmöglichkeit damit aufheben. Eine Zustimmungspflicht wäre überhaupt nur erforderlich, wenn die im SchVG oder in den Anleihebedingungen vorgesehenen Mehrheitserfordernisse nicht erreicht würden. Sie würde dann aber die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Rechte umgehen und entwerten.941 Außerdem könnte eine mehr oder weniger automatische (treuepflichtbasierte) Zustimmungspflicht zu Sanierungsmaßnahmen dem Teilschuldverschreibungsschuldner einen Anreiz zu opportunistischem und riskantem Verhalten sowie zur Nichteinhaltung der in den Anleihebedingungen vorgesehenen covenants geben, da eine realistische und als vergleichsweise sicher einkalkulierte Möglichkeit zur späteren Änderung der Anleihebedingungen besteht.942 Für den Fall, dass in den Anleihebedingungen nicht von der Möglichkeit eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG Gebrauch gemacht wurde, besteht aufgrund der nach § 4 S. 1 SchVG zur Änderung der Anleihebedingungen notwendigen Zustimmung sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger zwar eine andere Ausgangssituation. Denn zugegeben erscheint es durchaus unbillig, wenn eine (deutliche) Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger für eine Änderung der Anleihebedingungen votiert, aber eine Minorität – im Extremfall sogar nur ein einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger – ihre Zustimmung verweigert und eine Sanierung deshalb scheitert. Allerdings zeigt sich schon bei der Beispielsbildung, dass die Fragen, wann eine ausreichende Mehrheit vorliegt und wann eine Verweigerung der Minderheit unbillig oder treuwidrig ist, Wertungsfragen sind, die durch die Gerichte mit abstrakten Prozentgrenzen bzw. Aussagen nicht beantwortet werden sollten, zumal der Gesetzgeber dies unterlassen hat. Der Gesetzgeber hat im SchVG gerade kein § 245 Abs. 1 InsO vergleichbares Obstruktionsverbot normiert.943 Gegen eine Zustimmungspflicht sprechen also letztlich die in der Akkordstörer-Entscheidung des BGH angestellten Erwägungen: Es ist Sache des Gesetzgebers, dem Sanierungsgedanken Geltung zu verschaffen.944 Der Gesetzgeber hat mit dem SchVG die 940  Vgl. insoweit die Kritik von Schmidtbleicher, S. 68 ff., insbes. S. 70 sowie Schmidt‑ bleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 40, der allerdings primär die Kooperationspflichten der Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu den anderen „sonstigen“ Gläubigern in einer Sanierungssituation betrachtet. 941  Vgl. auch die Kritik von Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 40. 942  Vgl. zu diesem Gedanken Schmidtbleicher, S. 126 ff., insbes. S. 131 f.; zu Anreizen zu opportunistischem Verhalten vgl. auch Kleinsorgen, S. 55 ff. 943  Ob § 245 InsO Ausdruck einer zwischen Insolvenzgläubigern bestehenden (Treue-) Pflichtenbindung ist, wird unterschiedlich beurteilt. § 245 InsO als Ausdruck des Treuepflichtgedankens bzw. einer Treuepflichtbindung zwischen den Insolvenzgläubiger ansehend: Simon, S. 189 f., 268, der eine analoge Anwendung von § 245 InsO auf Mehrheitsbeschlüsse nach dem SchVG aber ablehnt, vgl. Simon, S. 268 ff.; Grünewald, S. 202; vgl. auch Schulz, S. 9; a. A. Smid, in: FS Pawlowski, S. 387, 395. 944  BGH NJW 1992, 967, 969.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Möglichkeit vorinsolvenzrechtlicher Sanierungen zwar erweitern wollen, er hat die Entscheidung über die konkreten Sanierungsmöglichkeiten mit dem Opt-InModell aber bewusst dem Emittenten überlassen. Sehen die Anleihebedingungen keine Mehrheitsbeschlüsse vor, entspricht die (mit der gem. § 4 S. 1 SchVG erforderlichen Einstimmigkeit verbundene) Sanierungsunfreundlichkeit der privatautonomen Entscheidung des Teilschuldverschreibungsschuldners sowie der Entscheidung des Gesetzgebers. Für eine Korrektur durch die Rechtsprechung ist kein Raum. Es bleibt den sanierungswilligen Teilschuldverschreibungsgläubigern auch unbenommen, mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner schuldrechtliche Abreden zu treffen.

(3)  Keine Einschränkung von Kündigungsrechten Eine durch Treue-, Kooperations- oder Rücksichtnahmepflichten begründete Einschränkung von Kündigungsrechten ist ebenfalls abzulehnen. Der XI. Zivilsenat des BGH hat eine solche bisher lediglich für ein Kündigungsrecht aus § 314 Abs. 1 BGB und nicht für ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehene Kündigungsrechte angenommen. Nach hier vertretener Auffassung findet die Vorschrift des § 314 Abs. 1 BGB schon keine Anwendung auf Teilschuldverschreibungen, sondern es bestehen lediglich die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten, die verbriefte Forderung (vorzeitig) fällig zu stellen.945 Mit der Bejahung946 eines Kündigungsrechts aus § 314 BGB hat der XI. Zivilsenat des BGH gewissermaßen die „Büchse der Pandora“ geöffnet: Nicht nur ist die Rechtslage für Anleger und Emittentin undurchsichtig, weil die weichen, konkretisierungsbedürftigen Voraussetzungen des § 314 BGB von vielen Einzelfallaspekten abhängig sind. Um ein automatisches Kündigungsrecht für Sanierungssituationen zu vermeiden, sah sich der XI. Zivilsenat des BGH gezwungen, Rücksichtnahmepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern zu statuieren,947 die mit wesentlichen Grundprinzipien des SchVG – dem Skripturprinzip und dem Transparenzgebot – nicht vereinbar sind und die das Regelungsziel des SchVG, die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu erhöhen, konterkarieren. Um Klarheit über die eigene Rechtsposition zu erlangen, ist die Kenntnis eines Geflechtes von Gerichtsentscheidungen erforderlich, was gerade auch für den Schutz von Kleinanlegern problematisch ist. Eine Einschränkung von (in den Anleihebedingungen vorgesehenen) Kündigungsrechten aufgrund von Treue- oder Rücksichtnahmepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern ist abzulehnen, da für den Teilschuldverschreibungsgläubiger – und 945 

Vgl. unten 3. Teil B II 3. Vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 31 ff., insbes. Rn. 33. 947  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 39 ff. 946 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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potentielle Anleger – nicht eindeutig aus den Anleihebedingungen ersichtlich ist, welche Rechte ihm zustehen. Für in den Anleihebedingungen vorgesehene Kündigungsrechte stellt sich zudem die Frage, ob die Grundsätze der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH zur Einschränkung von Kündigungsrechten948 überhaupt übertragbar sind. Richtigerweise ist dies zu verneinen. Die – ohnehin verfehlte, weil kein Kündigungsrecht aus § 314 Abs. 1 BGB anzuerkennen ist949 – Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH kann nicht auf solche Kündigungsrechte übertragen werden, die ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehen sind.950 Die Einschränkung in den Anleihebedingungen vorgesehener Kündigungsrechte aufgrund einer Treue- oder Rücksichtnahmepflicht gegenüber den übrigen Teilschuldverschreibungsgläubigern unterliefe die privatautonome Risikoverteilung. Sehen die Anleihebedingungen beispielsweise ein Kündigungsrecht für den Fall der Vermögensverschlechterung beim Emittenten vor, soll es nach privatautonomer Risikoverteilung gerade möglich sein, die verbrieften Forderungen in diesem Fall fällig zu stellen. Das damit verbundene Risiko eines „Wettlaufs“ bei Kündigungen und einer durch massenhafte Kündigungen bewirkten Insolvenz sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger bei Erwerb der Teilschuldverschreibungen bewusst eingegangen. Positiv formuliert haben sie die Teilschuldverschreibungen gerade in dem Bewusstsein erworben, dass eine solche Möglichkeit besteht.951 Das Argument des XI. Zivilsenates des BGH, das SchVG bezwecke die gleichmäßige Gläubigerbeteiligung an der Sanierung des Emittenten, greift jedenfalls dann nicht mehr, weil gerade privatautonom – und damit vorrangig – etwas Abweichendes festgelegt wurde. 948 

BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 39 ff. Vgl. dazu ausführlich unten 3. Teil B II 3. 950  So auch Paulus, WM 2012, 1109, 1111 Fn. 26; vgl. auch Vogel, ZBB 2016, 179, 185; a. A. wohl Lürken, GWR 2016, 300, der angesichts von Drittverzugsklauseln und einer (hierdurch bedingten Verstärkung der) drohenden Zahlungsunfähigkeit trotz der Solarworld-Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH (zur Solarworld-Rechtsprechung ausführlich unten 3. Teil C, insbes. II 2 b) sowie die Kritik unter III) dazu tendiert, auch in den Anleihebedingungen vorgesehene Kündigungsrechte unter das „Primat der Gläubigerversammlung“ zu stellen. 951  In diesem Sinne, wenn auch in einem etwas anderen Kontext, auch Thole, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 105; dagegen unterstellt Vogel, ZBB 2016, 179, 189, dem Anleger ein widersprüchliches Verhalten, wenn dieser eine Schuldverschreibung, die Mehrheitsbeschlüsse nach den §§ 5 ff. SchVG vorsieht, erwirbt und sich dann im „Ernstfall“ einer Sanierung durch Kündigung entziehen möchte. Dem kann nicht gefolgt werden: Gewähren die Anleihebedingungen den Teilschuldverschreibungsgläubigern für den Fall einer Vermögensverschlechterung des Emittenten ein Kündigungsrecht, können Anleihebedingungen, die gleichzeitig Mehrheitsbeschlüsse vorsehen, zwar als sanierungsunfreundlich qualifiziert – und ggf. eine wenig weitsichtige Entscheidung des Emittenten und dessen Beratern konstatiert werden –, keinesfalls liegt in der Ausübung ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehener Rechte aber ein widersprüchliches Verhalten. 949 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Hinzukommt, dass Mehrheitsbeschlüsse nach geltendem Recht anders als noch unter dem SchVG 1899, bei dem die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen kraft Gesetzes bestand, nicht zwingend vorgesehen sein müssen. Wenn von der Möglichkeit eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG abgesehen wurde und damit keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind, vermag die Argumentation des XI. Zivilsenates des BGH, dass sich einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger den Mehrheitsbeschlüssen und der gleichmäßigen Beteiligung an der Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners durch Kündigung nicht auf Kosten der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger entziehen dürfen,952 nicht zu überzeugen.953 Ohne Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG müssen sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger für ein Sanierungskonzept stimmen. Mit seiner Kündigung bringt ein Teilschuldverschreibungsgläubiger seine Entscheidung gegen das Sanierungskonzept aber gerade zum Ausdruck. Für eine Einschränkung des Kündigungsrechts aufgrund einer Treuebindung ist dann kein Raum. Die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH zum SchVG 1899 kann daher auch nicht auf die geltende Rechtslage übertragen werden, wenn von der Möglichkeit eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG kein Gebrauch gemacht wurde.954 Für die hier vertretene Auffassung, dass eine Einschränkung von in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsrechten durch Treuebindungen ausscheidet, spricht im Übrigen auch ein Vergleich zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht bzw. genauer: zur Treuepflichtbindung zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft in einer Sanierungssituation. Jedenfalls dies dürfte auch diejenigen, die dem Gesellschaftsrecht vergleichbare Treuebindungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern annehmen oder die Gesamtheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger sogar als personengesellschafts‑ rechtlichen Innenverband einordnen, überzeugen. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zu „Sanieren oder Ausscheiden“955 im Personengesellschaftsrecht956 besteht eine aus der gesellschaf952 

Vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 39 ff. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 103, der ohne Opt-In den Teilschuldverschreibungsgläubigern jedenfalls „eher“ das Recht zur Kündigung (gem. § 314 BGB) wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zugestehen möchte. 954  So auch Friedl, BB 2016, 1680, der gleichwohl § 4 SchVG als dogmatischen Ansatzpunkt für die Übertragung der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH zum SchVG 1899 auf das SchVG ansieht. 955  Nach den von der Rechtsprechung für Personengesellschaften entwickelten Grundsätzen zu „Sanieren oder Ausscheiden“ kann sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht eine Verpflichtung ergeben, sich entweder an der Sanierung der Gesellschaft zu beteiligen oder einem die eigene Gesellschafterstellung aufhebenden Gesellschafterbeschluss zuzustimmen, wenn die Zustimmung zu dem zum Zwecke der Sanierung getroffenen Gesellschafterbeschluss mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich und die Änderung des Gesellschaftsvertrages dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen 953  Vgl.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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terlichen Treuepflicht folgende Verpflichtung eines Gesellschafters zur Zustimmung zu einem auf sein Ausscheiden gerichteten Gesellschafterbeschluss dann nicht, wenn der Gesellschaftsvertrag die Treuepflicht konkretisiert bzw. Regelungen enthält, die eine aus der gesellschafterlichen Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränkt oder an weitere Voraussetzungen knüpft:957 „Enthält ein Gesellschaftsvertrag solche die Zustimmungspflicht einschränkende oder modifizierende Regelungen, dürfen die Mitgesellschafter nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass sie einen Gesellschafter ohne seine Zustimmung ausschließen können. Erlaubt das eingegangene Gesellschaftsverhältnis insoweit keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen.“958 „Der Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht rechtfertigt es nicht, in eine sachlich nicht unvertretbare gesellschaftsvertragliche Regelung ändernd einzugreifen, nur weil dies für angemessener erachtet wird […].“959 Enthält der Gesellschaftsvertrag Regelungen für den Sanierungsfall, die die aus der Treuepflicht grundsätzlich folgende Zustimmungspflicht einschränken, ist den sanierungswilligen Gesellschaftern eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit den Sanierungsunwilligen zuzumuten.960 Nach den Grundsätzen der Sanieren-oder-Ausscheiden-Rechtsprechung kommt es für die konkrete Ausgestaltung der Treupflichten zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft somit entscheidend darauf an, welche berechtigte Erwartungshaltung bei den Beteiligten entstehen durfte und welches Risiko

Belange zumutbar ist. Liegt erstens ein schlüssiges und erfolgsversprechendes Sanierungskonzept vor (sog. positive Fortführungsprognose), ist es zweitens, was regelmäßig der Fall sein wird – zu Ausnahmen sogleich –, den sanierungsbereiten Gesellschaftern, die in Form neuer Einlagen einen Sanierungsbeitrag leisten, nicht zuzumuten, das Gesellschaftsverhältnis mit dem nicht sanierungswilligen Gesellschafter fortzusetzen, weil jener auf Kosten dieser einen Vorteil erhält, und stehen drittens keine schützenswerte Belange des nicht sanierungswilligen Gesellschafters entgegen, ergibt sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht eine Zustimmungspflicht zu dem Gesellschafterbeschluss. Schützenswerte Belange des nicht sanierungswilligen Gesellschafters stehen dann nicht entgegen, wenn dieser infolge der mit dem Ausscheiden verbundenen Pflicht, den auf ihn entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrag zu leisten, finanziell nicht schlechter steht, als er im Fall der sofortigen Liquidation stünde. Vgl. zu den Grundsätzen der „Sanieren oder Ausscheiden“-Rechtsprechung: BGH NZG 2009, 1347 ff., insbes. Rz. 23 ff. („Sanieren oder Ausscheiden I“); BGH NZG 2011, 510 ff., insbes. Rz. 20 ff. („Sanieren oder Ausscheiden II“); BGH NZG 2015, 995 ff., insbes. Rz. 22 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, § 140, Rn. 88; Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 105, Rn. 104 f.; Westermann, NZG 2016, 9 ff. 956 Für die Anwendbarkeit der „Sanieren oder Ausscheiden“-Rechtsprechung auf die GmbH: Merkt, in: MüKoGmbHG, § 13, Rn. 151. 957  BGH NZG 2015, 995, 997 Rz. 22 f. 958  BGH NZG 2015, 995, 997 Rz. 23; vgl. auch bereits BGH NZG 2011, 510, 513 Rz. 21. 959  BGH NZG 2011, 510, 513 Rz. 21. 960  Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 105, Rn. 105.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

von den Gesellschaftern bei Gründung der oder Eintritt in die Gesellschaft in Kauf genommen wurde.961 Sehen die Anleihebedingungen Kündigungsrechte für bestimmte Situationen, etwa eine Vermögensverschlechterung beim Emittenten vor, kann von einer berechtigten Erwartung der sanierungswilligen Teilschuldverschreibungsgläubiger dahingehend, dass die Sanierungsunwilligen auf die Ausübung ihrer gerade für diese Situation vorgesehenen Möglichkeit, die verbriefte Forderung fällig zu stellen, verzichten, keine Rede sein. Vielmehr haben alle Beteiligten das Risiko einer Kündigung im Fall der Vermögensverschlechterung bewusst in Kauf genommen und die Sanierungsunwilligen haben die berechtigte Erwartung, ihre Rechte ohne aus den Anleihebedingungen überhaupt nicht ersichtliche Einschränkungen ausüben zu können.

ff) Zusammenfassung Teilschuldverschreibungsgläubiger sind nicht Mitglieder einer Gesellschaft. Gesellschaftsrechtliche Treuepflichten dürfen daher nicht vorschnell auf die Teilschuldverschreibungsgläubiger übertragen werden. Treuepflichtbindungen, die (in den Anleihebedingungen ausdrücklich vorgesehene) Rechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger einschränken, ohne dass dies aus den Anleihebedingungen oder dem SchVG ersichtlich ist, stehen im Widerspruch zu den §§ 2, 3 SchVG und sind abzulehnen. Zustimmungspflichten der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu Änderungen der Anleihebedingungen bestehen nicht. Treuepflichtbindungen sind kein geeignetes Instrument zur Lösung von Kollektivhandlungsproblemen bei der Änderung von Anleihebedingungen (zu Sanierungszwecken).

2. Beschlusskontrolle a)  System der Beschlusskontrolle nach dem SchVG Das schuldverschreibungsrechtliche Beschlusskontrollsystem ist an die aktienrechtliche Beschlusskontrolle angelehnt. In § 20 SchVG ist die Möglichkeit einer Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger vorgesehen. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 SchVG kann ein Beschluss wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen durch Klage angefochten werden, es sind allerdings die Einschränkungen des § 20 Abs. 1 S. 2 und S. 3 SchVG zu beachten. Die Anfechtungsklage ist binnen eines Monats nach der Bekanntgabe des Beschlusses gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zu erheben, § 20 Abs. 3 S. 1 und S. 2 SchVG. Außerdem muss der Teilschuldverschreibungsgläubiger gem. § 20 Abs. 2 SchVG anfechtungsbefugt sein. 961 

Vgl. auch BGH NZG 2011, 510, 513 Rz. 21.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Auch wenn die Wirkung der Anfechtungsklage nicht ausdrücklich geregelt ist: Allgemein wird angenommen, dass ein angefochtener Beschluss zunächst wirksam bleibt und erst durch das Anfechtungsurteil rückwirkend dessen Nichtigkeit eintritt.962 § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG ordnet eine Vollzugssperre des angefochtenen Beschlusses an. Es besteht allerdings gem. § 20 Abs. 3 S. 4 Hs. 2 SchVG die Möglichkeit eines Freigabeverfahren nach Maßgabe des § 246a AktG.963 Wird dem Freigabeantrag des Teilschuldverschreibungsschuldners stattgegeben, kann der Beschluss vollzogen werden. Nach § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 4 S. 2 AktG führt der Freigabebeschluss zur Bestandskraft des angefochtenen Gläubigerbeschlusses, auch wenn im späteren Hauptsacheverfahren der Gläubigerbeschluss für nichtig erklärt wird.964 In diesem Fall steht dem klagenden Teilschuldverschreibungsgläubiger gem. § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 4 S. 1 AktG ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zu, falls dieser den Beschuss vollzogen hat.965 Ist das Freigabeverfahren nicht erfolgreich, bleibt es bei der Vollzugssperre und der Teilschuldverschreibungsschuldner muss die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwarten. 962  Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321; Kusserow, WM 2011, 1645, 1648; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 78 f.; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 54; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 57; Cagalj, S. 354, siehe zur Rückwirkung auch S. 358; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 260; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 30 (m. w. N.); Kiem, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 137. 963  Umstritten ist, ob bei der nach § 20 Abs. 3 S. 4 2. Hs. SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG erforderlichen Abwägung nur die Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger (so Schmidtbleicher, S. 192 ff.; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 269; Simon, S. 277 ff.; Liebenow, S. 212 f.) oder auch die Interessen des Teilschuldverschreibungsschuldners zu berücksichtigen sind (so Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 92; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 33; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2014; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 56; vgl. auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 60; Cagalj, S. 363, 365, die die entsprechende Anwendung des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG für „wenig systemgerecht“ ansieht; Moser, S. 319 ff.; vgl. auch OLG Köln, ZIP 2014, 268, 269, das auf die unmittelbaren Nachteile für den Teilschuldverschreibungsschuldner und die gleichzeitigen mittelbaren Nachteile für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger abstellt). Nach Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 176 ff., sollen sogar ausschließlich die Interessen des Teilschuldverschreibungsschuldners und des Anfechtungsklägers zu berücksichtigen sein. (Auch aus diesem Grund) Kritisch mit Blick auf die Übertragung des aktienrechtlichen Beschlusskontrollsystem und insbesondere des Freigabeverfahrens Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 62a. 964 Zu den Rechtsfolgen des Freigabeverfahrens: Friedl, in: FraKommSchVG, §  20, Rn. 88; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 60, 64; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 34; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 59; Moser, S. 326 f. 965 Zum Schadensersatzanspruch des Anfechtungsklägers vgl. Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 194 ff.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Ob die Vollzugssperre nur greift, wenn eine Anfechtungsklage erhoben966 – oder jedenfalls der Widerspruch erklärt967 – wurde, oder der Beschluss grundsätzlich bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist nicht vollzogen werden darf968, wird unterschiedlich beurteilt. Für letztere Auffassung spricht, dass eine Vollzugssperre, die erst mit Einreichung (oder gar Zustellung) der Anfechtungsklage einsetzt, leicht umgangen werden könnte, indem vorher vollendete Tatsachen geschaffen werden.969 Die Assimilation an die aktienrechtliche Beschlusskontrolle ist allerdings nur lückenhaft: Erstens fehlen, anders als im AktG, Regelungen zur Rechtskraftwirkung der Anfechtungsklage. Aus diesem Grund wird eine Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission teilweise abgelehnt.970 Der Gesetzgeber habe es absichtlich unterlassen, eine dem § 248 AktG entsprechende Regelung sowie die Bekanntmachungsvorschriften der §§ 246 Abs. 4, 248a AktG, die allein in der erga-omnes-Wirkung des stattgebenden Urteils ihre sachliche Begründung fänden, in das SchVG aufzunehmen.971 Von einem gesetzgeberischen Versehen könne angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Wirkung des Anfechtungsurteils nicht um periphere, sondern um zentrale Regelungsgegenstände des Anfechtungsrechts handle, nicht ausgegangen werden.972 Der Teilschuldverschreibungsschuldner sei allerdings aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, die

966 So Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 59; Simon, CFL 2010, 159, 164. 967 So Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 54; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 73; Seibt, ZIP 2016, 997, 1008. 968 So Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2013; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 28; Dippel/Preuße, in: Preuße, SchVG, § 21, Rn. 3; Cagalj, S. 354 f.; Moser, S. 233; Liebenow, S. 188 Fn. 19; Hofmeister, in: Veranneman, § 21, Rz. 7; vgl. auch Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 73, § 21, Rn. 12; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 58; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 146. 969  Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 28; Cagalj, S. 355; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 146; vgl. aber auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 59, die dies als hinnehmbar ansehen. 970  Vogel, ZBB 2010, 211, 217; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 3; Bliesener/Schnei‑ der, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 34, 52 ff.; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 143; für das BSchuWG M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1804. 971  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 52 ff.; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 143; vgl. auch Vogel, ZBB 2010, 211, 217; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 3. 972  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 54.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger so zu stellen, wie der erfolgreiche Anfechtungskläger stünde.973 Überwiegend wird dagegen angenommen, dass das Anfechtungsurteil für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger derselben Emission wirkt.974 Der Gesetzgeber habe die schuldverschreibungsrechtliche Anfechtungsklage eng an das aktienrechtliche Anfechtungsrecht anlehnen wollen.975 Hätte der Gesetzgeber keine erga-omnes-Wirkung beabsichtigt, hätte er es auch bei dem Rechtsschutzsystem des SchVG 1899976 und damit bei der lediglich inter partes wirkenden allgemeinen Feststellungsklage belassen können.977 Für eine Wirkung erga omnes sprächen auch das vorläufige Vollzugsverbot des § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG sowie das dauerhafte Vollzugsverbot nach einem stattgebenden Anfechtungsurteil.978 Auch das Freigabeverfahren979 und die zwingende Prozessverbindung nach § 20 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 SchVG i. V. m. § 246 Abs. 3 S. 6 AktG980 sei nur bei einer erga-omnes-Wirkung des Anfechtungsurteils berechtigt. Außerdem wird die kollektive Bindung, die die identische Ausgestaltung der Anleihebedingungen zur Gewährleistung der Handelbarkeit der Schuldverschreibungen sicherstellen soll, als Argument für eine ergaomnes-Wirkung angeführt.981 Ferner spreche für eine erga-omes-Wirkung der Umstand, dass die Anfechtungsklage gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zu erheben sei.982 Zweitens sieht das SchVG im Gegensatz zum AktG keine eigene Nichtigkeitsklage vor. Der II. Zivilsenat des BGH legt allerdings § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG, nach dem Gläubigerbeschlüsse, die nicht gleiche Bedingungen für alle 973  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 54; vgl. auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 55 f. 974  Baums, ZBB 2009, 1, 3 (noch zum Referentenentwurf); Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321; Schmidtbleicher, S. 191; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 260; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 78; Wasmann/Ste‑ ber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 1, 30; Cagalj, S. 357 f.; Moser, S. 235 ff.; Grünewald, S. 232 f.; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 30 (Analogie zu § 248 AktG). 975  Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 78; vgl. auch Schmidtbleicher, S. 191; Schmidt‑ bleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 260. 976 Vgl. zum Rechtsschutz gegen Mehrheitsbeschlüsse unter dem SchVG 1899: Vogel, S. 173 f.; Bredow/Vogel, ZBB 2008, 221, 228; Vogel, ZBB 2010, 211, 217; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 42; Baums, ZBB 2009, 1, 3; Schmidtbleicher, S. 171 f.; Cagalj, S. 323 f.; Liebenow, S. 186 ff.; Moser, S. 180 f. 977  Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 78; Moser, S. 237. 978  Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 30; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 56. 979  Grünewald, S. 232 f. 980  Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 30. 981  Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 55 f.; Cagalj, S. 358; Moser, S. 236 f. 982  Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 30.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Teilschuldverschreibungsgläubiger vorsehen, unwirksam sind, sofern nicht die benachteiligten Teilschuldverschreibungsgläubiger ihrer Benachteiligung ausdrücklich zustimmen, dahingehend aus, dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses führt, ohne dass die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderlich ist.983 Auch der überwiegende Teil des Schrifttums geht davon aus, dass es neben anfechtbaren auch ipso iure nichtige Gläubigerbeschlüsse gibt.984 Welche Beschlussmängel – abgesehen von einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 SchVG und § 138 Abs. 1 BGB985 – zur Nichtigkeit führen sollen, ist aber ebenso unklar wie die Wirkungen einer – neben der ebenfalls zulässigen Anfechtungsklage –986 Nichtigkeitsklage.987 Zum Teil wird in entsprechender Anwendung der §§ 248, 249 AktG eine erga-omes-Wirkung der Nichtigkeitsklage angenommen.988 Nach anderer Ansicht ist die Nichtigkeit mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend zu machen, die lediglich inter partes wirkt.989

983 

BGH NZG 2014, 1102, 1104 Rz. 19 ff. Baums, ZBB 2009, 1, 4; Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1319; Podewils, DStR 2009, 1914, 1918; Schmidtbleicher, S. 194 f.; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 272; Vogel, ZBB 2010, 211, 217 f.; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 8 ff.; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 45 ff.; Cagalj, S. 327; Moser, S. 238; Grünewald, S. 231; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 29; vgl. auch Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 20 SchVG, 23 ff. 985  § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 SchVG sowie § 138 BGB werden allgemein als Nichtigkeitsgründe anerkannt, siehe etwa: Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 17, zur Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB siehe Rn. 7; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 20, zur Anwendbarkeit von § 138 BGB vgl. Rn. 24; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 4 ff., vgl. auch S. 22; Cagalj, S. 344, zur Anwendbarkeit von § 138 BGB siehe S. 330; Moser, S. 198, 209; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 38 f.; vgl. auch Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 10 ff.; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 50. 986  Vgl. zur Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen nichtigen Beschluss: Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 101; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 10; Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1319; Moser, S. 252; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 47. 987  Für eine Orientierung an den aktienrechtlichen Nichtigkeitsgründen aus § 241 AktG: Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 5 f. (m. w. N.); Cagalj, S. 328 ff.; Moser, S. 242 ff.; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 30 ff. 988  Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 11; vgl. auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 47, der die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften für wünschenswert hält. 989  Schmidtbleicher, S. 195; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 272; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 101; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 16; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 47; Cagalj, S. 332, vgl. aber auch S. 358 f.; Moser, S. 254 ff.; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 43 ff. 984 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Dagegen folgern Bliesener/Schneider aus dem Fehlen von Regelungen betreffend die Nichtigkeit von Gläubigerbeschlüssen und betreffend eine Nichtigkeitsklage, dass auch die Nichtigkeit eines Gläubigerbeschlusses ausschließlich im Wege der Anfechtungsklage gem. § 20 SchVG geltend zu machen ist.990

b)  Meinungsstand zur materiellen Beschlusskontrolle Nach § 20 Abs. 1 S. 1 SchVG kann ein Beschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen angefochten werden. Zur Anfechtung berechtigen unter Berücksichtigung der Einschränkungen des § 20 Abs. 1 S. 2 und S. 3 SchVG zunächst Verfahrensverstöße.991 Ob darüber hinaus – wie im Aktienrecht992 – eine Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen der Teilschuldverschreibungsgläubiger erfolgt oder – anders ausgedrückt – ob Mehrheitsbeschlüsse einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen, gehört zu einer der umstrittensten Fragen des „neuen“ Schuldverschreibungsrechts. Eine § 243 Abs. 2 AktG – der die Stimmrechtsausübung zur Verfolgung von Sondervorteilen zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre ausdrücklich zu einem Anfechtungsgrund erklärt – entsprechende Regelung fehlt im SchVG.993 Unstreitig ist, dass Beschlüsse inhaltlich an § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 SchVG sowie an § 138 BGB zu messen sind.994 990  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 12; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 3 f.; vgl. aber auch Baums, ZBB 2009, 1, 4, 7. 991  Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, §  20, Rn. 14; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 16 ff.; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 19 ff.; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 49; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 26 ff.; Cagalj, S. 340 ff.; Moser, S. 193 ff.; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 52 ff. 992  Im Aktienrecht ist anerkannt, dass nicht nur Verfahrensfehler zur Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen führen, sondern auch Inhaltsfehler können zur Anfechtung berechtigen. Neben ausdrücklich gesetzlich geregelten Inhaltsfehlern kann eine Anfechtung insbesondere aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes oder der Verletzung von Treuepflichten folgen. Im letzteren Fall ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Zur materiellen Beschlusskontrolle im Aktienrecht vgl.: Hüffer/Koch, AktG, § 243, Rn. 20 ff., insbes. Rn. 24 ff.; Hüffer/Schäfer, in: MüKoAktG, § 243, Rn. 47 ff., Rn. 57; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243, Rn. 31 ff., insbes. Rn. 38 ff.; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 243, Rn. 14 ff. 993  Vgl. hierzu auch Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1320 f., der gegenüber einer Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüsse zwar zurückhaltend ist, es aber für kaum zweifelhaft ansieht, dass „jedenfalls in Extremfällen ein Beschluss auch aus solchen Gründen der Verfolgung von Sondervorteilen anfechtbar sein kann“. 994  Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 17, zur Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB siehe Rn. 7; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 20, zur Anwendbarkeit von § 138 BGB vgl. Rn. 24; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 4 ff., vgl. auch S. 22; Cagalj, S. 344, zur Anwendbarkeit von § 138 BGB siehe S. 330; Moser, S. 198, 209; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 64, 66 ff.; vgl. auch Vogel, in:

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

aa)  Befürworter einer materiellen Beschlusskontrolle Teilweise wird eine über Verstöße gegen § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 SchVG sowie § 138 BGB hinausgehende Inhaltskontrolle der Gläubigerbeschlüsse bejaht, wobei im Hinblick auf die Prüfungsintensität unterschiedliche Ansichten bestehen. Nach der „weitesten“, eine Inhaltskontrolle bejahenden Auffassung müssen Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger – wie unter dem SchVG 1899995 – zur Wahrung des gemeinsamen Interesses aller Teilschuldverschreibungsgläubiger gefasst werden und verhältnismäßig sein.996 Mehrheitsbeschlüsse müssten dem gemeinsamen Interesse aller Teilschuldverschreibungsgläubiger objektiv nützlich sein oder diesen Nutzen zumindest anstreben, außerdem sei eine Geeignetheits-, Erforderlichkeits- und Angemessenheitsprüfung durchzuführen.997 Eine ausdrückliche Kodifizierung dieser Grundsätze sei – wie im Aktienrecht – nicht erforderlich.998 Als Begründung für eine derartige Inhaltskontrolle wird angeführt, dass die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit einem Beschluss nicht nur über ihre eigenen Rechte verfüge, sondern auch über die Rechte der Minderheit, und daher einer treuhänderischen Bindung unterliege.999 Da trotz der Assimilation der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage an das aktienrechtliche Anfechtungsrecht zwischen Aktionären und Teilschuldverschreibungsgläubigern Unterschiede bestünden, möchte eine restriktivere Auffassung die aktienrechtlichen Grundsätze nicht pauschal auf das Schuldverschreibungsrecht übertragen.1000 Es sei vielmehr interessengerecht, geringere Anforderungen an die Inhaltskontrolle als im Aktienrecht zu stellen.1001 Ein Mehrheitsbeschluss müsse zwar im Interesse aller betroffenen Teilschuldverschreibungsgläubiger liegen und dürfe nicht nur Sonderinteressen Einzelner verfolgen, zu prüfen sei aber lediglich, ob der Beschluss im Interesse aller Teilschuldverschreibungsgläubiger objektiv nützlich ist und geeignet ist,

Preuße, SchVG, § 20, Rn. 10 ff.; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 50. 995  Zur Rechtslage unter dem SchVG 1899 vgl.: Ansmann, SchVG, § 1, Anm. 47; Vogel, S. 128 ff. 996  Baums, ZBB 2009, 1, 6; Simon, S. 227 ff. 997  Baums, ZBB 2009, 1, 6; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 62; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 29 f.; vgl. auch Vogel, ZBB 2010, 211, 219; Hofmann/Keller, ZHR 175 (2011), S. 684, 718. 998  Baums, ZBB 2009, 1, 6; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 62. 999  Baums, ZBB 2009, 1, 6; Vogel, ZBB 2010, 211, 219; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 26; vgl. auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 51. 1000  Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 38; vgl. auch Vogel, ZBB 2010, 211, 219; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 27; Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 113. 1001  Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 38; vgl. auch Vogel, ZBB 2010, 211, 219; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 27; Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 113.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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den Nutzen für die Teilschuldverschreibungsgläubiger herbeizuführen.1002 Eine Erforderlichkeits- und Angemessenheitsprüfung sei dagegen nicht zu fordern, da die Gläubiger in keiner den Aktionären vergleichbaren Nähebeziehung zueinander stünden, sondern durchaus berechtigt seien, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Eine noch restriktivere Auffassung möchte eine Inhaltskontrolle nicht einmal einer Geeignetheitsprüfung unterziehen. Es müsse lediglich sichergestellt werden, dass keine Sonderinteressen verfolgt werden.1003 Eine Inhaltskontrolle solle letztlich in gleichem Umfang erfolgen wie unter dem SchVG 1899. Ein Beschluss müsse also erstens objektiv (gemeinsame) Interessen berühren und zweitens subjektiv zum Zwecke der Wahrung derselben gefasst worden sein.1004 Das gemeinsame Interesse der Teilschuldverschreibungsgläubiger sei das Interesse an bestmöglicher Befriedigung.1005 Aus ex ante Perspektive müsse die erwartete Auszahlung bei Änderung der Anleihebedingungen mindestens so hoch sein wie bei einem Untätigbleiben.1006 Der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger dürfe also durch die Änderung nicht schlechter gestellt werden, als er ohne den Beschluss stünde. Als Argument für eine Beschlusskontrolle am Maßstab des gemeinsamen Interesses der Teilschuldverschreibungsgläubiger wird auch ein Vergleich zu § 78 Abs. 1 InsO angeführt. Nach dieser Vorschrift hebt das Insolvenzgericht einen Beschluss der Gläubigerversammlung auf, der dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht.1007 Da es bei Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss primär um Reaktionen auf eine Krise des Emittenten gehe, spräche vieles für ein entsprechendes Verständnis des § 20 SchVG.1008 Insoweit sei auch auf die Bedenken Florstedts hingewiesen, der kritisiert, dass das schuldverschreibungsrechtliche Rechtsschutzniveau hinter dem (bereits geringen) Schutzstandard der InsO zurückbleibe.1009 1002  Friedl, in: FraKommSchVG, §  20, Rn. 38; vgl. auch Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 6, Rn. 32; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 262 ff.; Schmidtbleicher, S. 88. 1003  Leber, S. 252 f.; in diese Richtung auch Reps, S. 321; Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 53 f. 1004  Leber, S.  253; zum SchVG 1899 vgl.: Ansmann, SchVG, § 1, Anm. 47; Vogel, S. 128 ff., zur „subjektiven“ Bestimmung des gemeinsamen Interesses S. 131 f. 1005  Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 54; so auch für das SchVG 1899 Servatius, S. 257; vgl. zum gemeinsamen Interesse der Teilschuldverschreibungsgläubiger auch Simon, S. 214 ff. 1006  Leber, S. 253 f. 1007 Zum gemeinsamen Interesse i. S. d. § 78 Abs. 1 InsO: Knof, in: Uhlenbruck/Hirte/ Vallender, InsO, § 78, Rn. 10 ff.; Ehricke, in: MüKoInsO, § 78, Rn. 17 ff.; Smid, in: Leonhardt/ Smid/Zeuner, InsO, § 78, Rn. 6; kritisch zu § 78 InsO: Pape, ZInsO 2000, 469, 474 ff. 1008  Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 53 f. 1009  Florstedt, RIW 2013, 583, 590; Florstedt, ZIP 2014, 1513, 1518.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

bb)  Gegner einer materiellen Beschlusskontrolle Andere Teile des Schrifttums lehnen eine materielle Beschlusskontrolle gänzlich ab.1010 Liebenow sieht die funktionalen Voraussetzungen einer dem Aktienrecht entsprechenden materiellen Inhaltskontrolle im Schuldverschreibungsrecht nicht für gegeben.1011 Eine gerichtliche Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen sei nur – dann aber auch zwingend – in solchen Beschlusssituationen erforderlich, in denen die grundsätzlich bestehende Interessenhomogenität zwischen Mehrheit und Minderheit aus strukturellen Gründen typischerweise und regelmäßig gestört ist, sodass eine sachgerechte Ausübung des Stimmrechts und des Mehrheitsermessens von vornherein nicht zu erwarten und eine (prozedurale) Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsbeschlüsse nicht mehr gegeben ist.1012 Eine derartige strukturelle Störung sei bei den Mehrheitsbeschlüssen nach dem SchVG nicht gegeben, da sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger „vollständig in einem Boot“ säßen, und die Mehrheitsbeschlüsse daher ihre sachliche Rechtfertigung in sich trügen.1013 Soweit Teilschuldverschreibungsgläubiger „anleiheexterne“ Sonderinteressen verfolgten, handle es sich nicht um einen „Systemfehler“, der eine gerichtliche Inhaltskontrolle erforderlich mache, sondern nur um „eine Fehlbedienung des (Beschluss-)Systems im Einzelfall“, der durch eine einzelfallbezogene treuepflichtbasierte Missbrauchskontrolle Rechnung zu tragen sei.1014 Eine darüber hinausgehende gerichtliche Inhaltskontrolle am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht erforderlich. Von anderer Seite wird die Übertragung der aktienrechtlichen Grundsätze zur Beschlusskontrolle auf die Beschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit der Begründung abgelehnt, dass zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern und den Mitgliedern einer Aktiengesellschaft elementare Unterschiede bestünden.1015 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger unterlägen keiner Interessenwahrungspflicht und keiner treuhänderischen Bindung zu 1010  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 22 ff.; Simon, CFL 2010, 159, 161 f.; Cagalj, S. 345 ff.; Moser, S. 203 ff.; Liebenow, S. 329 ff.; Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 20, Rn. 17; Ver‑ anneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 14; Arbeitskreis Reform des Schuldverschrei‑ bungsrechts, ZIP 2014, 845, 850; zurückhaltend auch Podewils, DStR 2009, 1914,1918. 1011  Liebenow, S. 329 ff.; zustimmend Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 82. 1012  Liebenow, S. 329. 1013  Liebenow, S. 330; vgl. auch Simon, CFL 2010, 159, 161 f.; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 14; Cagalj, S. 346 f.; Moser, S. 208. 1014  Liebenow, S. 330; vgl. auch Simon, CFL 2010, 159, 161 („Das Instrument der sachlichen Rechtfertigung ist hingegen gerade nicht dazu gedacht, missbräuchliche Stimmrechtsausübung im Einzelnen zu verhindern.“). 1015  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 5 ff., vgl. auch S. 18 f., 22; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 22; Cagalj, S. 346; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 76 f.; vgl. auch Podewils, DStR 2009, 1914, 1918.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Gunsten der anderen Teilschuldverschreibungsgläubiger. Es bestünden keine (dem Gesellschaftsrecht vergleichbare) Treuepflichtbindungen zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern.1016 Gegen eine materielle Beschlusskontrolle wird weiter angeführt, dass das SchVG – anders als das SchVG 1899 – keine inhaltlichen Vorgaben an die Entscheidung der Teilschuldverschreibungsgläubiger enthalte.1017 Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 SchVG 1899, nach der Mehrheitsbeschlüsse „zur Wahrung des gemeinsamen Interesses“ gefasst werden mussten, wurde nicht ins SchVG übernommen. Aus dem Fehlen einer § 1 Abs. 1 SchVG 1899 entsprechenden Bestimmung und der im Vergleich zum SchVG 1899 weitergehenden Entscheidungsfreiheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger bei der Beschlussfassung folgert Schnei‑ der, das SchVG erkenne an, dass das Abstimmungsverhalten der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Inhaber individueller Forderungsrechte gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner durch unterschiedliche persönliche und wirtschaftliche Interessen bestimmt ist und bestimmt sein darf.1018 Bestätigt werde dies durch das Fehlen einer § 243 Abs. 2 AktG – der die Verfolgung von Sonderinteressen als Anfechtungsgrund ausdrücklich normiert – entsprechenden Vorschrift im SchVG.1019 Angesichts „der akribischen Übertragung von aktienrechtlichen Anfechtungsnormen in das SchVG“ könne das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung im SchVG nicht als versehentliche Unterlassung, sondern nur als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden.1020 Außerdem wird gegen eine Inhaltskontrolle angeführt, dass der Minderheitenschutz durch die zwingenden Regelungen der §§ 5–21 SchVG, beispielsweise die gesetzlichen Mehrheitserfordernisse oder die Stimmrechtseinschränkungen gem. § 6 SchVG, gewährleistet wird.1021 Über die allgemeine Missbrauchskontrolle nach § 138 BGB hinaus sei keine weitergehende inhaltliche Kontrolle der Mehrheitsbeschlüsse erforderlich.1022 Eine solche wäre auch ungeeignet, die 1016 

Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 22; Cagalj, S. 346; Moser, S. 207. 1017  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 5 f.; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap.  17, §  20 SchVG, Rn. 23; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 78. 1018  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 6; vgl. auch Moser, S. 205. 1019  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7; vgl. zum Fehlen einer § 243 Abs. 2 AktG entsprechenden Regelung im SchVG siehe auch Moser, S. 206, der diesem Umstand allerdings keine allzu starke Bedeutung beimessen möchte, weil § 243 Abs. 2 AktG die Inhaltskontrolle im Aktienrecht „nicht abschließend und exklusiv“ regele. 1020  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7. 1021  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 24; vgl. auch Cagalj, S. 345; Moser, S. 205. 1022  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar,

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

gewünschte Angleichung an internationale Maßstäbe im Anleiherecht zu fördern.1023 Kritisiert wird außerdem, dass eine sachliche Rechtfertigung von Mehrheitsbeschlüssen letztlich dazu führe, dass Änderungen von Anleihebedingungen nur in einer Krisensituation oder im Vorfeld der Insolvenz des Teilschuldverschreibungsgläubigers möglich wären, obwohl das SchVG diese im SchVG 1899 bestehende Einschränkung gerade beseitigen wollte.1024 Der Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts lehnt eine Einbeziehung und Abwägung der divergierenden Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger zudem deshalb ab, weil dies „den Prozessstoff über das gebotene Maß hinaus ausdehnen und schwer eingrenzbare Abwägungen erfordern“ würde.1025 Auch von anderer Seite wird die Rechtsunsicherheit, die eine an das Aktienrecht angelehnte materielle Beschlusskontrolle anhand gesetzlich nicht normierter, normativer unbestimmter Rechtsbegriffe mit sich brächte, kritisiert.1026

c)  Kritik am System kassatorischer Beschlusskontrolle Das stark an das Aktienrecht angelehnte kassatorische Beschlusskontrollsystem des SchVG wird von großen Teilen des Schrifttums1027 sowie der Praxis1028 als unpassend empfunden und eine Umgestaltung zu einem auf Vermögensschutz statt Kassation ausgerichteten Rechtsschutzsystem gefordert. Das geltende System der Beschlusskontrolle stelle den Zweck des SchVG, im Vorfeld einer Insolvenz eine rasche Anpassung der Anleihebedingungen und damit die SanieKap. 17, § 20 SchVG, Rn. 24; Cagalj, S. 345 ff.; Moser, S. 209 f.; vgl. aber auch Kiem, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 88 ff. 1023  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 24. 1024  Simon, CFL 2010, 159, 161; Cagalj, S. 347. 1025  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 850. 1026  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7 f. 1027  Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 815 f.; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 2, 18 ff.; Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846, 848 ff., 854 ff.; Reps, S. 321 f., 351 ff.; Moser, S. 259 ff., 298, 328 f., 381 ff.; Seibt, ZIP 2016, 997, 1008; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 14 ff.; vgl. auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 43 f.; Simon, S. 275 f.; vgl. auch bereits die Kritik am Referentenentwurf von Baums, ZBB 2009, 1, 3 ff., der vorgeschlagen hatte, auf Antrag des Teilschuldverschreibungsschuldners die Anfechtungsklage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses sowie des Bestehens eines Anspruchs des Teilschuldverschreibungsgläubigers auf Wertersatz umzustellen und das Freigabeverfahren zu streichen; zustimmend Vogel, ZBB 2010, 211, 220 f.; kritisch zum geltenden System der Beschlusskontrolle auch Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 483, 487; Cagalj, S. 367 f.; Florstedt, RIW 2013, 583, 589; dagegen die Anlehnung ans Aktienrecht grundsätzlich begrüßend: Hopt, in: FS Schwark, S. 441, 455; Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2616; Liebenow, S. 193 ff. 1028  Vgl. das Umfrageergebnis von Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2338 f.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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rung des Teilschuldverschreibungsschuldners zu ermöglichen, in Frage.1029 Insbesondere bei eilbedürftigen Sanierungsbeschlüssen im Vorfeld einer Insolvenz biete das geltende System der Beschlusskontrolle ein erhebliches – im Vergleich zur Situation bei aktienrechtlichen Kapitalmaßnahmen oder Unternehmensverträgen ungleich größeres – Missbrauchspotential.1030 Die (spätestens)1031 mit Klageerhebung eintretende Vollzugssperre und die Dauer eines Freigabeverfahrens behinderten eine effektive Bewältigung von Unternehmenskrisen und schafften gleichzeitig Anreize für missbräuchliche – erpresserische – Anfechtungsklagen.1032 Die Beschlusskontrolle bedeute zudem einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Rechtsordnungen.1033 Da bei einem Eingriff in die Rechtsstellung eines Teilschuldverschreibungsgläubigers durch einen (fehlerhaften) Beschluss keine Mitgliedschaftsrechte, sondern ausnahmslos Vermögensinteressen betroffen seien, stelle das derzeitige kassatorische Beschlusskontrollsystem außerdem keinen sachgerechten Rechtsbehelf dar.1034 Die Teilschuldverschreibungsgläubiger seien gerade keine Mitglieder eines Verbandes, zwischen ihnen bestünden keine Treuepflichtbindungen.1035 Das Interesse des überstimmten Teilschuldverschreibungsgläubigers sei auf Vermögensschutz gerichtet, nicht auf die Aufhebung des Beschlusses insgesamt.1036

1029 

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846; vgl. auch die Kritik bei Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 816. 1030  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap.  17, §  20 SchVG, Rn. 6; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 19. 1031  Vgl. zur Frage, ab wann die in § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG normierte Vollzugssperre gilt oben 2. Teil C V 2 a). 1032  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 849; Moser, S. 263 ff., 298; vgl. auch Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2338. 1033  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap.  17, §  20 SchVG, Rn. 7 f. mit Verweis auf das englische Recht und das Recht des Staates New York; vgl. auch Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 20. 1034  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 849, vgl. auch S. 855; vgl. auch Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2338; vgl. auch bereits Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 815 f.; Schmidtbleicher, S. 411, vgl. auch S. 193; Cagalj, S. 367; Moser, S. 188 f., 291 ff., 328 f., passim. 1035  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 18 f.; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap.  17, §  20 SchVG, Rn. 4; vgl. auch Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 850. 1036  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 18 f.; Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 849; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 3 ff.; Moser, S. 188 f., 291 ff., 328 f., passim; vgl. auch bereits Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 816.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Das kassatorische Beschlusskontrollsystem komme allein dem Geschäftsmodell der „räuberischen“ Anleihegläubiger1037 zugute, schützenswerte Interessen der „redlichen“ Teilschuldverschreibungsgläubiger oder des Teilschuldverschreibungsschuldners an der Beschlusskassation bestünden dagegen nicht.1038 Moser weist außerdem darauf hin, dass auch im Aktienrecht die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses z. T. nicht als angemessene Rechtsfolge angesehen wird, z. B. wenn ausschließlich Vermögensinteressen des klagenden Aktionärs betroffen sind.1039 Erst Recht müsse dies für das Schuldverschreibungsrecht gelten. Die teilschuldverschreibungsrechtliche Anfechtungsklage diene außerdem allein dem Individualschutz des klagenden Teilschuldverschreibungsgläubigers: Anders als die aktienrechtliche Anfechtungsklage, der neben der individualschützenden Funktion auch eine objektive Kontrollfunktion für sämtliche Aktionäre – und damit eine Doppelfunktion – zukomme, entfalte die schuldverschreibungsrechtliche Anfechtungsklage keine „Polizeifunktion“ für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger.1040

aa)  Reformvorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts Der Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts schlägt daher in seinem Gesetzentwurf zur Reform des SchVG vor, die Anfechtung von Beschlüssen durch einen verschuldensunabhängigen Wertersatzanspruch gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zu ersetzen.1041 Für besonders schwerwiegende Rechtsverstöße soll ergänzend die Möglichkeit einer Nichtigkeitskla-

1037  Unter „räuberischen“ Anleihegläubigern versteht man Teilschuldverschreibungsgläubiger, die das Instrument der Anfechtungsklage dazu missbrauchen, den Teilschuldverschreibungsschuldner zu Zahlungen zu bewegen. Die Problematik ist auch im Aktienrecht bekannt. Vgl. zu den „räuberischen“ Anleihegläubigern ihren Interessen und ihrem „Geschäftsmodell“ auch Moser, S. 284, 288 ff. Der Begriff der „räuberischen“ Anleihegläubiger wird auch im Zusammenhang mit der Kündigung von Teilschuldverschreibungen verwendet, vgl. dazu auch unten 3. Teil B II 3 h). 1038  Moser, S. 285 ff., insbes. S. 289 ff. 1039  Moser, S. 295 f. 1040  Moser, S. 187 ff.; auch Schmidtbleicher, S. 211, hält es weder für tunlich noch für angezeigt, dass sich der Anfechtungskläger zum „Anwalt der beleidigten Anleihegläubigerinteressen“ erhebe; a. A. Liebenow, S. 199; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 43; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 32. 1041  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846, 848 ff., 854 ff.; so auch bereits: Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 816; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 21 ff.; die vom Arbeitskreis Reform des Schuldver‑ schreibungsrechts vorgeschlagenen Änderungen des Beschlusskontrollsystem begrüßen: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 8 ff., 13, 65 ff.



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ge bestehen.1042 Für den verschuldensunabhängigen Wertersatzanspruch ist ein zweistufiges Klageverfahren vorgesehen:1043 Im ersten Schritt ist eine Klage auf Feststellung der Wertersatzpflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners zu erheben. Im zweiten Schritt ist die festgestellte Ersatzpflicht mit einer Leistungsklage geltend zu machen, wobei Feststellungs- und Leistungsantrag verbunden werden können. Der Wertersatzanspruch ist gerichtet auf den Ausgleich der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert der Teilschuldverschreibung im Zeitpunkt der Fassung des rechtswidrigen Beschlusses und ihrem durch die Vollziehung des Beschlusses geminderten Wert. Gibt ein Gericht erstmals einer Klage statt, stellt es die Ersatzpflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners sowie den Betrag, der als Ersatz bezogen auf den Nennbetrag der kleinsten Stückelung oder des kleinsten rechnerischen Anteils der Teilschuldverschreibungen zu zahlen ist, fest. Die Entscheidung über die Wertersatzpflicht und die Bestimmung des Wertersatzes ergeht für und gegen alle Teilschuldverschreibungsgläubiger. Dadurch sollen divergierende Entscheidungen vermieden und sichergestellt werden, dass die Entscheidung allen zur Klage befugten Teilschuldverschreibungsgläubigern zugutekommt.1044 Eine Vollzugssperre in Folge der Erhebung einer Nichtigkeitsklage ist nicht vorgesehen, da ausschließlich Vermögensinteressen der Teilschuldverschreibungsgläubiger betroffen sind.1045 Daher entfällt auch ein Freigabeverfahren – die Teilschuldverschreibungsgläubiger haben aber die Möglichkeit, die Vollziehung des Beschlusses über das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auszusetzen.1046 Auch Moser plädiert für eine Umgestaltung des kassatorischen Beschlusskontrollsystems zu einem auf Vermögensausgleich ausgerichteten Rechtsschutzsystem. Anstelle eines in der Praxis u. U. schwierig zu beziffernden Wertansatzanspruchs schlägt er aber vor, dass der betroffene Teilschuldverschreibungsgläubiger vom Teilschuldverschreibungsschuldner den Rückerwerb der Teilschuldverschreibung(en) gegen den Kurswert am Tage vor der Bekanntmachung der Einberufung zur Gläubigerversammlung verlangen könne.1047 Außerdem befürwortet er die Beibehaltung einer Vollzugssperre für nichtige Beschlüsse, da Teilschuldverschreibungsgläubiger von einem mit zusätzlichen 1042  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846, 848 ff., 854 ff.; so auch bereits: Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 816; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 21 ff. 1043  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 856. 1044  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 856. 1045  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 855. 1046  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 855 f. 1047  Moser, S. 390, zu den Schwierigkeiten der Berechnung eines Wertersatzanspruchs siehe S. 389 f.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Kosten und mit dem Haftungsrisiko des § 945 ZPO1048 verbundenen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz absehen würden.1049

bb)  Reformvorschlag Liebenows Gegen ein solches, primär auf Vermögensschutz ausgerichtetes Beschlussmängelsystem spricht sich Liebenow aus: Das kassatorische Beschlussmängelsystem des SchVG sei grundsätzlich1050 zu begrüßen – insbesondere sei die Übertragung des aktienrechtlichen Beschlusskontrollsystem keinesfalls unstimmig, da die Teilschuldverschreibungsgläubiger einen von Liebenow als „Innen-AG“ bezeichneten personengesellschaftsrechtlichen Innenverband bildeten1051 –, wenngleich einzelne Aspekte des geltenden Beschlussmängelrechts verbesserungswürdig seien.1052 Der Teilschuldverschreibungsschuldner, gegen den die Anfechtungsklage gem. § 20 Abs. 3 S. 2 SchVG zu richten ist, könne als gesetzlicher Prozessstandschafter des nicht rechtsfähigen Obligationärsverbands angesehen werden.1053 Da die Teilschuldverschreibungsgläubiger nach Auffassung Liebenows Mitglieder in einem Obligationärsverband sind und ein rechtswidriger Beschluss daher auch ihre mitgliedschaftlichen Rechte verletze, werde ein allein auf monetären Ausgleich gerichtetes Rechtsschutzsystem ihrem anleiheorganisationrechtlichen Rechtsschutzinteresse nicht gerecht.1054 Es müsse „die obligationärsautonome Kollektiventscheidung als solche“ geschützt werden.1055 An dem System der Beschlusskassation sei daher grundsätzlich festzuhalten.1056 Der Anfechtungsklage komme nicht nur eine Kontroll-, sondern auch eine Präventivfunktion zu, indem sie die Einhaltung der §§ 5 ff. SchVG „gegen opportunistisch vom Anleiheschuldner angestrebte ‚übersanierende‘ Anleiherestrukturierungen“ sicherstelle.1057 Der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage komme außerdem nicht nur individualschützende, sondern auch eine institutionelle Funktion als ein im Gesamtinteresse aller Teilschuldverschreibungsgläubiger bestehendes Kontrollrecht zu.1058 Zudem setze ein auf Vermögensschutz ausgerichtetes Beschlusskontroll1048  § 945 ZPO normiert eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht desjenigen, der eine einstweilige Maßnahme erwirkt hat, für den Fall, dass diese sich als von Anfang an ungerechtfertigt erweist oder aufgehoben wird. 1049  Moser, S. 401 f. 1050  Zu den Nachteilen vgl. Liebenow, S. 204 ff. 1051  Vgl. dazu bereits oben 2. Teil C II 1 a) sowie die Kritik unter 2. Teil C II 2 b) aa) (2). 1052  Liebenow, S. 193 ff., zu dessen Reformvorschlag vgl. S. 245 ff. 1053  Liebenow, S. 193 f. 1054  Liebenow, S. 194 ff. 1055  Liebenow, S. 242. 1056  Liebenow, S. 241 ff. 1057  Liebenow, S. 198. 1058  Liebenow, S. 199; so auch Vogel, in: Preuße, SchVG, § 20, Rn. 32; Friedl, in: FraKommSchVG, § 20, Rn. 43.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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system für die Beschlussbeteiligten falsche Anreize, insbesondere werde der Teilschuldverschreibungsschuldner motiviert, es auf rechtswidrige Beschlüsse „ankommen zu lassen“ und sich ggf. „freizukaufen“.1059 Außerdem entziehe ein auf Vermögensschutz gerichtetes System den Teilschuldverschreibungsgläubigern letztlich die Entscheidungshoheit und ersetze sie durch eine Wertminderungsschätzung des Gerichts.1060 Wörtlich heißt es bei Liebenow: „Wenn beschlussmangelbehaftete Obligationärsentscheidungen regelhaft, automatisch und unabhängig von der Schwere des Beschlussmangels durch gerichtliche Schadenschätzungen ‚repariert‘ werden, scheint es sehr zweifelhaft, ob es überhaupt noch Sinn macht, auf Basis der §§ 5 ff. SchVG 2009 in der Krise (!) eine Kollektiventscheidung der Obligationäre via anleiheorganisationsrechtlicher Willensbildung herbeizuführen und den damit zwangsläufig verbundenen Zeitund Kostenaufwand in der Unternehmenskrise zu betreiben.“1061 Stattdessen könne auf das zeitaufwändige anleiheorganisationsrechtliche Beschlussverfahren komplett verzichtet und in einem (quasi-)staatlichen gerichtlichen Restrukturierungsverfahren die Entscheidung einem Gericht überlassen werden.1062 De lege ferenda möchte Liebenow allerdings die Vollzugssperre und das Freigabeverfahren abschaffen und stattdessen den Gerichten ein Rechtsfolgeermessen betreffend die Sanktion von nicht zur Beschlussnichtigkeit führenden Beschlussmängeln einräumen.1063 Das Gericht entscheide – je nach Intensität der Beeinträchtigung der kollektiven Willensbildung der Teilschuldverschreibungsgläubiger – darüber, ob der Beschluss zu kassieren oder eine Sanktion in Form eines monetären Ausgleiches zu erfolgen habe. Soweit eine Beschlusskassation nach Einschätzung des Gerichts zur Wahrung der Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht erforderlich und „lediglich“ ein monetärer Ausgleich zu gewähren ist, soll dieser nicht nur dem klagenden oder denjenigen Teilschuldverschreibungsgläubigern zustehen, die dem angegriffenen Beschluss nicht zugestimmt oder sich einer Beschlussfassung enthalten haben, sondern sämtliche beschlussunterworfene Teilschuldverschreibungsgläubiger sollen ausgleichsberechtigt sein.1064 Es sei unausgewogen, wenn zwar die Beschlusskassation inter omnes wirke, ein ersatzweise gewährter Vermögensschutz dagegen nicht. Rational apathisch handelnde Teilschuldverschreibungsgläubiger würden so faktisch entschädigungslos gestellt und die unerlässliche Präventivwirkung eines anleiheorganisatorischen Beschlussinstruments würde zu stark relativiert. Für den Teilschuldverschreibungsschuldner würden die Anreize, das Risiko eines rechtswidrigen Beschlusses einzugehen und sein 1059 

Liebenow, S. 242 f. Liebenow, S. 243 f. 1061  Liebenow, S. 244. 1062  Liebenow, S. 244. 1063  Liebenow, S. 245 ff., vgl. auch S. 232 f. 1064  Liebenow, S. 248, 240 f., vgl. auch S. 226 ff. 1060 

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

weiteres Vorgehen davon abhängig zu machen, wie viele Gläubiger überhaupt klagen, verstärkt.1065

d) Stellungnahme aa)  Keine materielle Beschlusskontrolle Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger sind in materieller Hinsicht an § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 SchVG sowie § 138 Abs. 1 BGB zu messen. Für eine weitergehende Inhaltskontrolle dahingehend, dass Mehrheitsbeschlüsse einer sachlichen Rechtfertigung dergestalt bedürfen, dass sie gemessen an einem gemeinsamen Interesse aller Teilschuldverschreibungsgläubiger geeignet, erforderlich und angemessen sein müssen, enthält das SchVG keine Hinweise. Zwar gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Rechtsprinzipien und beansprucht auch im Zivilrecht Geltung, eine § 1 Abs. 1 SchVG 1899 entsprechende Bestimmung, nach der die Beschlüsse im gemeinsamen Interesse aller Teilschuldverschreibungsgläubiger gefasst werden mussten, enthält das SchVG aber nicht mehr. Angesichts der Nichtübernahme einer Vorschrift, nach der sich die Beschlussfassung an den gemeinsamen Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger auszurichten hat, verfängt auch der Hinweis auf § 78 Abs. 1 InsO nicht. Der Gesetzgeber ging ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger „keines übertriebenen Schutzes durch die gesetzliche Einschränkung ihrer Entscheidungsbefugnisse bedürfen“ und inhaltlich in ihrer Entscheidung weitgehend frei sind.1066 Auch hat es der Gesetzgeber trotz der Assimilation an das aktienrechtliche Anfechtungsrecht unterlassen, eine § 243 Abs. 2 AktG – der die Verfolgung von Sonderinteressen als Anfechtungsgrund ausdrücklich anerkennt – entsprechende Regelung in das SchVG aufzunehmen.1067 All dies sowie der Umstand, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger keine Mitglieder einer Gesellschaft sind, lassen den Schluss zu, dass nach der Wertung des SchVG jeder Teilschuldverschreibungsgläubiger als Inhaber einer selbständigen Forderung individuelle – mit den Interessen anderer Teilschuldverschreibungsgläubiger auch konkurrierende oder sich widersprechende – Interessen haben und sein Abstimmungsverhalten nach diesen ausrichten darf.1068 Das SchVG 1065 

Liebenow, S. 241. BT‑Drs. 16/12814, S. 14; auf diesen Umstand verweisen auch: Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 5 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 23. 1067  Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7. 1068  So auch Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 6 f.; vgl. zu diesem Gedanken auch H.‑F. Müller, S. 275, der es für legitim ansieht, „daß die Tatsache, daß die Beteiligten von einem Scheitern der Sanierung in unterschiedlichem Maße betroffen sind, zur Durchsetzung eigener Vorteile ausgenutzt wird“. 1066 



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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verbietet die Verfolgung von Sonderinteressen, von den Fällen des § 6 SchVG abgesehen, nicht. Nach hier vertretener Auffassung bestehen keine Treuepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern. Eine auf Treuebindungen gegründete materielle Beschlusskontrolle muss dann ebenfalls ausscheiden.1069 Weiter spricht gegen eine materielle Beschlusskontrolle, dass eine solche angesichts der unbestimmten – und letztlich von den Wertungen des Einzelfalles abhängigen – Prüfungskriterien Rechtsunsicherheit für Emittenten und Anleger mit sich bringt1070 und damit die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Anleiherechts nicht zu fördern geeignet ist. Auch gilt es zu bedenken, dass die Überantwortung der (ökonomischen) Prüfung einer wirtschaftlichen Besser- oder Schlechterstellung des Teilschuldverschreibungsgläubigers durch einen Beschluss zu einer Überlastung der Gerichte führen könnte.1071 Gegen eine materielle Beschlusskontrolle spricht weiter, dass das SchVG 6 SchVG, Mechanismen des Minderheitenschutzes vorsieht.1072 Durch §  der Stimmrechtsausschlüsse vorsieht, sowie durch die (qualifizierten) Mehrheitserfordernisse1073 wird dem Minderheitenschutz Rechnung getragen. Da Mehrheitsbeschlüsse gem. § 5 Abs. 2 SchVG vorbehaltlich einer Zustimmung der benachteiligten Teilschuldverschreibungsgläubiger gleiche Bedingungen für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger vorsehen müssen, sitzen die Teilschuldverschreibungsgläubiger in der Tat „in einem Boot“1074 und tragen Mehrheitsbeschlüsse ihre Rechtfertigung damit bereits in sich. Insgesamt sprechen daher historische, teleologische, systematische sowie faktische Argumente gegen eine materielle Beschlusskontrolle.

1069 Eine materielle Beschlusskontrolle mit den Hinweis auf fehlende Treuebindungen verneinen auch: Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 850; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 22; Cagalj, S. 346; Moser, S. 207; vgl. auch Liebenow, S. 315 („[…] vollends widersprüchlich ist es, eine materielle Inhaltskontrolle der Obligationärsbeschlüsse zu bejahen, eine Treuepflichtbindung der Obligationäre aber explizit abzulehnen.“). 1070  Vgl. auch die Kritik von Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 7 f.; kritisch auch Leber, S. 252, der indes eine Inhaltskontrolle anhand des „gemeinsamen Interesses“ entsprechend der Rechtslage unter dem SchVG 1899 bejaht. 1071  Dieser Gedanke ist angelehnt an die Ausführungen von: Smid, in: FS Pawlowski, S. 387, 395 ff., der sich kritisch mit dem Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO auseinandersetzt; Rattunde, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, § 245, Rn. 7. 1072  Vgl. zum Minderheitenschutzkonzept des SchVG auch Reps, S. 320 ff. 1073 Kritisch Reps, S. 321, Fn. 69, der anmerkt, dass nach dem System der Konsens- und Repräsentanzquoren des SchVG eine tatsächliche Mehrheitsentscheidung keineswegs sichergestellt ist. 1074 So Liebenow, S. 330.

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2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

bb)  Kassatorisches Beschlusskontrollsystem ist verfehlt Das bestehende, an das Aktienrecht angelehnte System der kassatorischen Beschlusskontrolle ist de lege ferenda aber ohnehin aufzugeben, da zwischen Aktionären und Schuldverschreibungsgläubigern elementare Unterschiede bestehen. Aktionäre sind Mitglieder in einem auf gemeinsame Zweckverfolgung ausgerichteten Verband. Teilschuldverschreibungsgläubiger verfolgen individuelle, allenfalls parallele Interessen. Das SchVG fügt die Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Gewährleistung der Fungibilität und der Interessenkoordination in einem Kollektiv sui generis zusammen. Die Gläubigerversammlung nach dem SchVG ist indes lediglich technisches Mittel, um eine Interessenkoordination der unverbundenen und anonymen Teilschuldverschreibungsgläubiger zu ermöglichen, sie dient nicht der Willensbildung und Legitimation des Handelns eines Verbandes.1075 Es geht um die Interessenkoordination und die Interessenvertretung, nicht aber um die Verfolgung eines gemeinsamen Interesses.1076 Mitgliedschaftliche Rechte sind durch einen fehlerhaften Beschluss nicht betroffen und daher bedarf es eines auf Schutz der Mitgliedschaft und der kollektiven Willensbildung für den Verband ausgerichteten Rechtsschutzsystems nicht. Das Interesse des einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers ist allein auf Vermögensschutz, nicht auf Schutz der kollektiven Willensbildung gerichtet.1077 Außerdem hat sich das bestehende System der Beschlusskontrolle in Sanierungssituationen als ungünstig erwiesen und wird als Wettbewerbsnachteil empfunden.1078 Auch mit Blick auf das Ziel des SchVG, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, ist die nach dem Reformvorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts vorgesehene Umgestaltung hin zu einem primär auf Vermögensschutz und nicht auf Kassation ausgerichteten Beschlussmängelsystem daher zu begrüßen.

1075  So auch Schmidtbleicher, S. 193 f.; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 269; Cagalj, S. 363 f.; vgl. auch Seibt, ZIP 2016, 997, 1004. 1076  Dieser Gedanke ist angelehnt an Ehricke, in: MüKoInsO, § 74, Rn. 9, der die Gläubigerversammlung im Insolvenzverfahren als „Verband zur Interessenvertretung, nicht zur Interessenverfolgung“ qualifiziert. Für die Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger gilt insoweit Entsprechendes. 1077  So auch Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 849; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 3 ff.; vgl. auch Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 816; Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 18 f. 1078  So die Angaben beim Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 20 SchVG, Rn. 7 f. mit Verweis auf das englische Recht und das Recht des Staates New York; vgl. auch Schneider, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 1, 20; vgl. außerdem das Umfrageergebnis von Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2338.



C.  Das Kollektiv der Teilschuldverschreibungsgläubiger

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Der Einwand Liebenows, der Vermögensschutz müsse sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern zugutekommen,1079 verfängt dagegen nicht. Nur soweit ein Rechtsverstoß vorliegt, ist ein Vermögensausgleich gerechtfertigt. Außerdem würde eine Ersatzpflicht gegenüber sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern den Teilschuldverschreibungsschuldner in einer Sanierungssituation stark belasten und die Wirkung einer zum Zwecke der Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners beschlossenen Änderung der Anleihebedingungen letztlich aufgehoben bzw. entwertet.1080 Auch die von Liebenow geäußerte Kritik, ein auf Vermögensschutz ausgerichtetes Beschlusskontrollsystem lege die Entscheidungshoheit in die Hände eines Gerichts und angesichts dessen könne auf eine zeit- und kostenintensive Entscheidung der Teilschuldverschreibungsgläubiger über Restrukturierungskonzepte auch gänzlich verzichtet werden,1081 überzeugt nicht. Nicht die Entscheidung über die Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners wird dem Gericht überlassen – hierfür bedarf es der Zustimmung der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger (bzw. ohne Opt-In gem. § 5 ff. SchVG sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger) –, lediglich der Minderheitenschutz wird in die Hände des Gerichts gelegt.

3. Zusammenfassung Horizontale Treuepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern, die eine Einschränkung der in den Anleihebedingungen vorgesehenen Rechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger oder eine Zustimmungspflicht zur Änderung der Anleihebedingungen begründen könnten, bestehen nicht. Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger unterliegen keiner materiellen Beschlusskontrolle dahingehend, dass die Beschlüsse mit Blick auf ein gemeinsames Interesse der Teilschuldverschreibungsgläubiger sachlich gerechtfertigt sein müssen. De lege ferenda ist das kassatorische Beschlusskontrollsystem entsprechend dem Reformvorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts zu einem primär auf Vermögensschutz ausgerichteten Beschlusskontrollsystem umzugestalten.

VI.  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Ohne die Regelungen der §§ 4 ff. SchVG bestünde kein Verbot bilateraler Änderungen der Anleihebedingungen. Eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss wäre nicht möglich. 1079 

Vgl. dazu oben 2. Teil C V 2 c) bb). auch Vogel, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 39, 44; Moser,

1080  So

S. 394 f. 1081  Vgl. dazu oben 2. Teil C V 2 c) bb).

222

2. Teil: Das „Anleiheschuldverhältnis“ und das Kollektiv

Durch die kollektive Bindung sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger zu einem Kollektiv eigener Art ohne Rechtspersönlichkeit verbunden, das sich nicht in bekannte Strukturen der Vergemeinschaftung einordnen lässt. Die kollektive Bindung soll die rechtlich identische Ausgestaltung und damit die Austauschbarkeit der Teilschuldverschreibungen einer Emission gewährleisten. Die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht stellt sie nicht her. In Bezug auf Gerichtsentscheidungen, durch die die Anleihebedingungen geändert werden, besteht keine kollektive Bindung. Gerichtsurteile entfalten entsprechend den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen Wirkung inter partes. Im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG besteht eine gesetzliche Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger in dem in den Anleihebedingungen und den §§ 5 ff. SchVG bestimmten Umfang. Mittels dieser Gesamtvertretungsmacht ist die Bevollmächtigung und Beauftragung eines gemeinsamen Vertreters der Teilschuldverschreibungsgläubiger möglich. Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehen keine Treuepflichtbindungen. Eine treuepflichtgestützte Einschränkung von Rechten der Teilschuldverschreibungsgläubiger, insbesondere von in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsrechten, ist abzulehnen. Gleiches gilt für treuepflichtbasierte Zustimmungspflichten. Eine materielle Beschlusskontrolle findet im Rahmen der Anfechtung nach § 20 SchVG nicht statt.

3. Teil

Kündigungen von Teilschuldverschreibungen und die zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG Der dritte Teil dieser Untersuchung widmet sich der Kündigung von Schuldverschreibungen. Die Thematik der Kündigung von Teilschuldverschreibungen ist ebenso umstritten wie die Frage nach den Rechtsbeziehungen bei Teilschuldverschreibungen. Beide Bereiche stehen zudem in Wechselwirkung: Dies zeigt sich beispielsweise an der Frage, ob das außerordentliche Kündigungsrecht für Dauerschuldverhältnisse aus § 314 BGB auf Schuldverschreibungen Anwendung findet. Auch die umstrittenen Fragen, ob aufgrund horizontaler Treuepflichten eine Einschränkung von Kündigungsrechten erfolgt und ob durch Mehrheitsbeschlüsse wirksam erklärte Kündigungen aufgehoben werden können, demonstrieren den Zusammenhang der Themen. Im Folgenden wird – nach Betrachtung der Rechtswirkungen von Kündigungen im Allgemeinen sowie der Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG im Besonderen – untersucht werden, welche Kündigungsmöglichkeiten für die Teilschuldverschreibungsgläubiger überhaupt bestehen. Im Anschluss daran wird sich die Untersuchung der zeitlichen Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach § 5 Abs. 1–3 SchVG widmen. Es wird insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob bereits wirksam gekündigte Teilschuldverschreibungen der kollektiven Bindung unterliegen und Mehrheitsbeschlüsse auch für solche Schuldverschreibungen verbindlich sind. Sodann werden de lege lata bestehende Möglichkeiten zur Aufhebung von Kündigungen untersucht, bevor abschließend aufgezeigt wird, wie de lege ferenda eine Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen aussehen könnte.

A.  Rechtswirkungen von Kündigungen I.  Wirkungen von Kündigungen im Allgemeinen – Fälligstellung der verbrieften Forderung Der Begriff der Kündigung bezeichnet im Zusammenhang mit Schuldverschreibungen keine Kündigung i. S. d. Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses oder eines Schuldverhältnisses i. w. S. – ein solches existiert nach der

224

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

hier vertretenen Auffassung auch gar nicht1 –, sondern die Kündigung einer Schuldverschreibung ist als Herbeiführung der (Vor-)Fälligkeit der verbrieften Forderung zu verstehen.2 Es handelt sich um ein forderungsbezogenes, sog. unselbstständiges Gestaltungsrecht.3 Soweit gegen dieses Verständnis der Kündigung angeführt wird, es sei mit dem Rechtscharakter der Schuldverschreibung als kündbares Dauerschuldverhältnis unvereinbar,4 wurde bereits ausführlich dargelegt, dass es sich bei Schuldverschreibungen nicht um Dauerschuldverhältnisse handelt.5 Auch der XI. Zivilsenat des BGH geht – obgleich er das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner als Dauerschuldverhältnis einordnet6 – davon aus, dass die Kündigung einer Schuldverschreibung lediglich dazu dient, die Fälligkeit der verbrieften Forderung herbeizuführen und dadurch den Leistungszeitpunkt festzulegen oder vorzuverlegen.7 Das Schuldverhältnis sei erst mit vollständiger Erfüllung der Forderung endgültig beendet.8

II.  Wirkungen von Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG im Besonderen Neben der grundsätzlichen dogmatischen Einordnung der Kündigung einer Teilschuldverschreibung stellt sich die Frage nach den Wirkungen einer sog. Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG. Umstritten ist, ob eine solche 1 

Vgl. oben 2. Teil A I, III. auch Schmidtbleicher, S. 340, der in diesem Zusammenhang auf die Terminologie im englischen und US-amerikanischen Recht, wo der Begriff acceleration verwendet wird, hinweist; Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 412; vgl. auch BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18; zustimmend: Moser, NZI 2016, 470; Veranneman, NJW 201, 1175, 1178; Vogel, ZBB 2016, 179, 184; vgl. ferner LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1076 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); vgl. aber auch Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 109 f., der die Kündigung i. S. e. einseitigen Vertragsbeendigung interpretiert; vgl. auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 94 („durch Kündigung zu beendenden Schuldverhältnissen“ [Hervorhebung durch die Verf.]). 3 Vgl. dazu bereits oben 2. Teil A I 6 a); vgl. auch Hartwig-Jacob, S. 685; Hartwig-Ja‑ cob, in: FS Horn, S. 717, 733; Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 2, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016; vgl. aber auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 549, der nun bezüglich des Übergangs dieses Gestaltungsrechts auf den Zweiterwerber der verbrieften Forderung eine zurückhaltendere Auffassung vertritt. 4  Ostermann, DZWIR 2015, 313, 317. 5  Vgl. oben 2. Teil A III. 6  BGH, NZG 2014, 1102, 1103 (Rz. 12); BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 33. 7  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18; so bereits LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1076 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14). 8 Dem ist zuzustimmen, soweit das Schuldverhältnis als Schuldverhältnis i.  e. S. zu verstehen ist. Erst mit vollständigem Bewirken der geschuldeten Leistung erlischt das Schuldverhältnis i. e. S. gem. § 362 Abs. 1 BGB. 2  So



A.  Rechtswirkungen von Kündigungen

225

Gesamtkündigung nur für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger wirkt, die die Kündigung erklärt haben (sog. Einzelwirkung), oder ob eine Gesamtkündigung die Fälligkeit sämtlicher Teilschuldverschreibungen derselben Emission bewirkt (sog. Gesamtwirkung).

1.  Regelungsinhalt des § 5 Abs. 5 SchVG § 5 Abs. 5 S. 1 Hs. 1 SchVG ermöglicht es, in den Anleihebedingungen vorzusehen, dass eine Kündigung nur von mehreren Gläubigern einheitlich erklärt werden kann, sog. Gesamtkündigung (im Gegensatz zur sog. Einzel- oder Individualkündigung). Eine Einzelkündigung kann folglich in den Anleihebedingungen ausgeschlossen oder zumindest beschränkt werden.9 § 5 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 SchVG legt fest, dass der erforderliche Mindestanteil der die Kündigung erklärenden Teilschuldverschreibungsgläubiger für eine solche Gesamtkündigung nicht mehr als 25 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen betragen darf. Die Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG bedarf keines Beschlusses der Teilschuldverschreibungsgläubiger, erforderlich ist lediglich, dass ausreichend viele Kündigungserklärungen vorliegen.10 Nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG kann eine solche Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss binnen drei Monaten „zurückgenommen“ werden.11 § 5 Abs. 5 S. 3 SchVG regelt die für einen solchen Beschluss erforderlichen Stimmmehrheiten. Die Rücknahmemöglichkeit nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG gilt kraft Gesetzes, wenn die Anleihebedingungen die Möglichkeit einer Gesamtkündigung vorsehen.12 Für die Rücknahmemöglichkeit nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG bedarf es also keines Opt-Ins in den Anleihebedingungen. 9 Vgl. Horn, BKR 2006, 446, 450. Ob eine Individualkündigung in den Anleihebedingungen vollständig ausgeschlossen werden kann, hängt auch davon ab, ob – wie hier vertreten – davon ausgegangen wird, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger grundsätzlich nur die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten haben, die verbriefte Forderung vorzeitig fällig zu stellen, oder, ob die Anwendbarkeit nicht in den Anleihebedingungen vorgesehener gesetzlicher Kündigungsrechte – namentlich die §§ 490 Abs. 1, 314 BGB – bejaht wird, vgl. dazu unten 3. Teil B. Für die Möglichkeit, auch die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG zu „kollektivieren“: Horn, BKR 2006, 446, 450; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 57; Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 18, 20, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016; zurückhaltender dann aber Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 568; a. A. Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 123 m. w. N.; Florstedt, ZIP 2016, 645, 649 f. 10  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 96; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 108; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.96, der es außerdem nicht für erforderlich hält, dass die Gesamtkündigung auf einen identischen Kündigungsgrund gestützt wird. 11  Zur Rücknahmemöglichkeit gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG siehe auch unten 3. Teil D I. 12  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5, Rn. 38; Bliesener/Schnei‑ der, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG,

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

2.  Gesamtwirkung oder Einzelwirkung – Meinungsstand Teilweise wird vertreten, dass die Kündigung durch eine qualifizierte Minderheit zur Fälligkeit sämtlicher Teilschuldverschreibungen einer Emission führt, also eine Gesamtwirkung entfaltet.13 Nur wenn die Entscheidung der Minderheit über die Kündigung auch die Rechte der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger berühre, sei es sachlich gerechtfertigt, dass die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Gesamtkündigung aufheben kann.14 Auch der Umstand, dass mit der Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG international übliche Bestimmungen in das deutsche Anleiherecht eingeführt werden sollten, spreche für eine Gesamtwirkung.15 Üblich seien Klauseln, die eine Fälligstellung der gesamten Anleihe vorsehen.16 Überdies streite der Sinn und Zweck der Regelung, die Verhandlungsposition der Teilschuldverschreibungsgläubiger durch das Drohpotential der Fälligstellung der gesamten Anleihe und die Möglichkeit einer Kündigungsrücknahme zu stärken und eine geordnete Restrukturierung zu ermöglichen, für die Gesamtwirkung der Gesamtkündigung.17 Überwiegend wird dagegen angenommen, dass eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG nur für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger wirkt, die gekündigt haben.18 Die Formulierung „einheitlich“ in § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger ihre Kündigungen auf dieselben Kündigungsgründe stützen müssen, um eine Gesamtkündigung auszulösen.19 Als Beleg für diese Auslegung wird dabei vor allem die Gesetzesbegründung angeführt. Dort findet Rn. 91; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 130. 13  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 92 ff.; Hofmann/Keller, ZHR 175 (2011), S. 684, 702; Cagalj, S. 124 f., die allerdings an anderer Stelle von einer Einzelwirkung auszugehen scheint, vgl. S. 135 („Kollektivkündigungen entfalten Wirkung nur für die kündigenden Gläubiger, führen also nicht zur Rückzahlbarkeit aller ausstehenden Schuldverschreibungen.“). 14  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 93 f.; Cagalj, S. 125. 15  Cagalj, S. 125; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 95, vgl. auch Rn. 88. 16  Cagalj, S. 125; zur Möglichkeit, nach US-amerikanischem Recht sämtliche Schuldverschreibungen einer Emission fällig zu stellen, vgl. Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 249 f., 262. 17  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 95; vgl. auch Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 89 Fn. 34. 18  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 100; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 57; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 45; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 5 SchVG, Rn. 15; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 111; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.97; Podewils, DStR 2009, 1914, 1916; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 487; Cranshaw, BKR 2008, 504, 508; Leber, S. 284 f., der sich gleichwohl (de lege ferenda) für eine Gesamtwirkung ausspricht. 19  Leber, S. 284; a.A: Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.96.



A.  Rechtswirkungen von Kündigungen

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sich die Aussage, dass eine Kollektivkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG nur für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger Wirkung entfaltet, die ihr zugestimmt haben.20 Friedl/Schmidtbleicher führen weitere Argumente gegen eine Gesamtwirkung einer Kollektivkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG an:21 Nach der Systematik des SchVG seien nur solche Handlungen für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich, denen ein Beschluss unter Einhaltung des im SchVG vorgesehenen Beschlussverfahrens vorausgegangen ist. Für eine Gesamtkündigung nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG bedürfe es aber gerade keines Beschlusses. Außerdem stelle eine Kündigung, die zur Fälligstellung auch derjenigen Teilschuldverschreibungen führe, deren Inhaber nicht gekündigt haben, eine Verfügung über fremde Rechte dar, für die eine irgendwie geartete Mehrheitsentscheidung erforderlich sei. Im Fall einer Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG handle es sich aber um eine Entscheidung der Minderheit, was die in § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG für die Möglichkeit der Gesamtkündigung zwingend festgelegte Obergrenze von 25 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen belege. Eine echte Mehrheitsentscheidung sei ausgeschlossen. Auch das Fehlen jeglicher Regelungen betreffend den Rechtsschutz gegen diese Minderheitsentscheidung spreche dafür, dass eine Gesamtkündigung nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG nur für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger wirke, die die Kündigung erklärt haben. Für eine Einzelwirkung der Gesamtkündigung führen Friedl/Schmidt‑ bleicher ferner das Gesetzgebungsverfahren zum BSchuWG an. In diesem Zusammenhang habe das Economic and Financial Committee der Europäischen Union die Einführung von Klauseln, die es einer Minderheit ermöglichen, eine allgemein verbindliche Kündigung auszusprechen, in dem Bewusstsein vorgeschlagen, dass es Rechtsordnungen gebe, in denen derartige Gestaltungen unzulässig sind. Entsprechende Klauseln wurden in das neue BSchuWG nicht aufgenommen. Daraus folgern Friedl/Schmidtbleicher letztlich die Unzulässigkeit einer Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung nach deutschem Recht.

3. Stellungnahme Der Wortlaut des § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG enthält keine Anhaltspunkte zur Wirkung einer Gesamtkündigung. Die Einzelwirkung der Gesamtkündigung mit dem Hinweis auf das Gesetzgebungsverfahren zum BSchuWG und das Unterlassen des Gesetzgebers, eine Regelung betreffend die Gesamtwirkung einer Kündigung einzuführen, zu begründen, überzeugt nicht. Der Umstand, dass im BSchuWG keine Regelung 20 

Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 19. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 100; siehe auch Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 132. 21 

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

aufgenommen wurde, die eine Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung zulässt, liefert keine Anhaltspunkte für die Auslegung des § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG: Die Modernisierung des BSchuWG erfolgte erst nach Inkrafttreten des SchVG. Aus der Supplemental Explanatory Note des Economic and Financial Com‑ mittee der Europäischen Union ergibt sich nicht, dass Gesamtkündigungen mit Gesamtwirkung nach deutschem Recht unzulässig sind.22

a)  Zulässigkeit einer Gesamtwirkung Dies ist auch nicht der Fall.23 Zwar handelt es sich bei der Kündigung von Schuldverschreibungen um ein forderungsbezogenes Gestaltungsrecht, das dem jeweiligen Inhaber der verbrieften Forderung zusteht.24 Die Gesamtwirkung einer Gesamtkündigung ist dagegen nicht i. S. d. Ausübung fremder Gestaltungsrechte zu begreifen. Die Minderheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger übt nicht Gestaltungsrechte für die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger aus. Vielmehr ist eine Gesamtwirkung so zu verstehen, dass die Anleihebedingungen die Gesamtfälligkeit unter die Bedingung stellen, dass ein bestimmter Prozentsatz der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Kündigung erklärt. Im Fall einer Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung handelt es sich zwar für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die eine Kündigung erklärt haben, um die Ausübung eines Gestaltungsrechts, das unter der Bedingung steht, dass weitere Teilschuldverschreibungsgläubiger die Kündigung (gestützt auf einen identischen25 Kündigungsgrund) erklären. Für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die keine Kündigung erklärt haben, ist eine Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung nicht als Ausübung eines Gestaltungsrechts zu qualifizieren – ihr Kündigungsrecht können sie in der Tat nur selbst oder durch einen Bevollmächtigten ausüben –, sondern als Eintritt der von vornherein festgelegten Fälligkeit der gesamten Anleihe. Neben dem regulären Laufzeitende ist ein weiteres Ereignis für die Fälligkeit der gesamten Anleihe vorgesehen. Der in den Anleihebedingungen festgelegte Fälligkeitszeitpunkt 22 http://europa.eu/efc/sub_committee/pdf/supplemental_explanatory_note_on_the_mo del_cac_-_26_march_2012.pdf, S. 7 f., zuletzt abgerufen am 03. 03. 2016. 23  Für die Zulässigkeit einer Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung auch Baums, ZHR 177 (2013), 807, 817. 24 Vgl. oben 2. Teil A I 6 a) sowie 3. Teil A I; vgl. auch Hartwig-Jacob, in: FS Horn, S. 717, 732 f.; Hartwig-Jacob, S. 685; Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 2, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016; vgl. aber auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 549, der hier bezüglich des Übergangs dieses Gestaltungsrechts auf den Zweiterwerber der verbrieften Forderung eine zurückhaltendere Auffassung vertritt. 25 Vgl. aber auch Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.96, der die Angabe eines identischen Kündigungsgrundes nicht als Voraussetzung für eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG ansieht.



A.  Rechtswirkungen von Kündigungen

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steht dabei unter der Bedingung, dass ausreichend Teilschuldverschreibungsgläubiger eine Gesamtkündigung erklären. Dass eine solche Konstruktion nach deutschem Recht grundsätzlich unzulässig sein soll, ist nicht ersichtlich.26 Weder steht der Schutz des Teilschuldverschreibungsschuldners entgegen: Dieser hat Einfluss auf die Gestaltung der Anleihebedingungen und er erklärt sein Einverständnis mit einer solchen Bedingung. Noch steht der Schutz der Teilschuldverschreibungsgläubiger entgegen: Sie haben den Eintritt der Bedingung – freilich nur gemeinsam – in der Hand. Dass die Fälligkeit unter der Bedingung einer „Gesamtkündigung“ steht, ist für die Teilschuldverschreibungsgläubiger auch aus den Anleihebedingungen ersichtlich. Für die Teilschuldverschreibungsgläubiger ist eine solche Regelung auch von Vorteil, da bei einer finanziellen Krise des Teilschuldverschreibungsschuldners ein „Wettlauf“ bei Kündigungen und eine Befriedigung Einzelner auf Kosten der Mehrheit verhindert werden. Auch dem Mehrheitsschutz wird durch die kraft Gesetzes geltende Rücknahmemöglichkeit gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG Genüge getan.27 Deshalb verfängt auch das gegen eine Gesamtwirkung angeführte Argument des fehlenden Mehrheitsschutzes28 nicht. Unter der Prämisse, dass die Gesamtkündigung zur Fälligkeit sämtlicher Teilschuldverschreibungen führt, käme für diejenigen Teilschuldverschreibungsschuldner, die keine Kündigung erklärt haben, für den Fall, dass die Kündigungen unberechtigt erfolgten – also die Voraussetzungen der in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsrechte nicht vorliegen – auch die Möglichkeit einer Feststellungsklage gem. § 256 ZPO auf Feststellung der Nichtfälligkeit ihrer Forderungen in Betracht. Die Fälligkeit oder Nichtfälligkeit wird vom Bundesgerichtshof als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 ZPO anerkannt.29 Da die Fälligkeit bzw. Nichtfälligkeit ihrer eigenen Forderung in Frage stünde, bedürfte es auch keiner Drittfeststellungsklage.30 Allerdings müssten die weiteren Voraussetzungen der Feststellungsklage, insbesondere das Feststellungsinteresse, vorliegen, und hätte das Feststellungsurteil lediglich Wirkung inter partes – wäre für die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger also nicht bindend. Ein solches 26 Vgl. auch Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 28, der Regelungen betreffend die Rechtsfolgen einer Gesamtkündigung im Rahmen der Emissionsbedingungen des Bundes für zulässig hält. Das BSchuWG enthält keine dem § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG entsprechende Regelung. 27  Vgl. aber auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 111, der kritisiert, dass die Mehrheit „in eine Initiativlast gedrängt würde“. 28 So Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 100. 29  Becker-Eberhard, in: MüKoZPO, § 256, Rn. 26; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 256, Rn. 2; BGH NJW 2015, 873, 875 Rz. 24 f.; vgl. auch BGH NJW 2012, 2659, 2661 Rz. 24 f. 30 Zur Zulässigkeit einer Drittfeststellungsklage vgl. Becker-Eberhard, in: MüKoZPO, § 256, Rn. 35 f.; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 256, Rn. 6; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 256, Rn. 5.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Feststellungsurteil hätte aber Signalwirkung für den Teilschuldverschreibungsschuldner, der sich regelmäßig wohl auch gegenüber den übrigen Teilschuldverschreibungsgläubigern auf die fehlende Fälligkeit berufen wird.

b)  Gestaltungsfreiheit bezüglich der Rechtsfolgen einer Gesamtkündigung Aber auch die Auffassung, eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG führe zwingend zur Fälligstellung sämtlicher Teilschuldverschreibungen, überzeugt nicht. Soweit darauf hingewiesen wird, dass nur die Gesamtwirkung einer solchen Kündigung die Verhandlungsposition der Teilschuldverschreibungsgläubiger stärke und ihnen ein Druckmittel gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner gebe,31 ist zu berücksichtigen, dass auch eine Fälligstellung von (bis zu) 25 Prozent der Teilschuldverschreibungen ein Drohpotential gegenüber dem Schuldner entfalten kann, insbesondere in einer Sanierungssituation. Hinzu kommt, dass auch die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht gehindert sind, ihr Kündigungsrecht auszuüben. Eine „echte Minderheitsentscheidung“ muss also nicht vorliegen. Außerdem ist die Verhandlungsposition der (Mehrheit der) Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Schuldner bereits durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Rücknahme der Wirkung einer Gesamtkündigung gestärkt. Die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG vorgesehene Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss die Wirkung einer Kündigung aufzuheben, soll der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Möglichkeit eröffnen, einen (erheblichen) Liquiditätsabfluss zu verhindern.32 Hierdurch sollen Restrukturierungen gefördert werden.33 Einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger sollen sich der Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners nicht auf Kosten der Mehrheit entziehen können. Eine Restrukturierung kann durch die Rücknahme einer Gesamtkündigung indes unabhängig davon, ob diese Gesamtkündigung Gesamtwirkung oder Einzelwirkung entfaltet, gefördert werden. Auch wird der psychologische Effekt, der zu einem „Wettlauf“ bei Kündigungen und „Kündigungslawinen“ führen kann und dem durch die Gesamtkündigung entgegengewirkt werden soll34, bereits bei einer Einzelwirkung der Gesamtkündigung reduziert. 31 Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 95; vgl. auch Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 89 Fn. 34. 32  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 99; so auch BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26. 33  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, §  5, Rn. 99; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 112; so auch BGH, Urteil vom 08. 12. 2015 – XI ZR 488/14 Rz. 26; zum Zweck einer Gesamtkündigung vgl. auch Hartwig-Jacob, in: FS Horn, S. 717, 733 sowie unten 3. Teil D I. 34  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 83; Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 89 Fn. 34.



A.  Rechtswirkungen von Kündigungen

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Richtigerweise sollte es dem Teilschuldverschreibungsschuldner bei Erstellung der Anleihebedingungen freistehen, die Wirkungen einer Gesamtkündigung festzulegen. Die Möglichkeit einer Gesamtkündigung muss ohnehin in den Anleihebedingungen vorgesehen werden und besteht nicht kraft Gesetzes. Gegen die Möglichkeit, auch die Rechtsfolgen einer Gesamtkündigung privatautonom zu regeln, bestehen im Grundsatz keine Bedenken.35 Insbesondere besteht die Möglichkeit, die Wirkung einer Gesamtkündigung zu beseitigen, nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG kraft Gesetzes, wodurch dem Mehrheitsschutz in jedem Fall Rechnung getragen wird. Die Vereinbarung einer Gesamtwirkung entspricht auch internationaler Gestaltungspraxis.36

c)  Im Zweifel Einzelwirkung Es bleibt die Frage, welche Rechtsfolgen mit einer Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG verbunden sind, wenn in den Anleihebedingungen hierzu keine ausdrückliche Bestimmung vorgesehen ist. Da der Regelung des § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG diesbezüglich keine klare Aussage entnommen werden kann, ist diese Frage nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen – die mangels Ausnahmeregelung Geltung beanspruchen. Dabei kommt dem Charakter der Kündigung als forderungsbezogenes Gestaltungsrecht entscheidende Bedeutung zu: Ohne eine spezielle Ermächtigung sind (forderungsbezogene) Gestaltungsrechte vom jeweiligen Inhaber geltend zu machen. Eine Befugnis, fremde Rechte auszuüben – hier: eine fremde Forderung fällig zu stellen – besteht nur, wenn eine vertragliche oder gesetzliche Ermächtigung existiert. Aus allgemeinen Grundsätzen ergibt sich daher, dass nur der jeweilige Teilschuldverschreibungsgläubiger befugt ist, seine Forderungen durch Kündigung fällig zu stellen. Soweit andere Teilschuldverschreibungsgläubiger (mittelbar) berechtigt sein sollen,37 die Forderung anderer Teilschuldverschreibungsgläubiger fällig zu stellen, bedarf es einer vertraglichen oder einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Eine solche besteht in § 5 Abs. 5 SchVG nicht. Daher müssen die Anleihebedingungen Ereignisse, die zur Fälligstellung der gesamten Anleihe führen, ausdrücklich vorsehen. Aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen folgt somit, dass eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG – vorbehaltlich etwaiger privatautonom festgelegter Abweichungen – lediglich Einzelwirkung entfaltet. Sofern die Anleihebedingungen also eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG vor35  Von der de lege lata zulässigen Möglichkeit, eine Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung in den Anleihebedingungen vorzusehen, scheint auch Leber, S. 285 auszugehen. 36  Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 817; Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungs‑ rechts, ZIP 2014, 845, 851; Cagalj, S. 125; für das US-amerikanische Recht vgl. Kenadjian, in: Baums/Cahn, S. 245, 249 f., 262. 37  Dies wäre bei einer Gesamtwirkung der Gesamtkündigung ja gerade der Fall, vgl. auch oben 3. Teil A II 3 a).

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

sehen, aber keine Regelung betreffend die Wirkungen einer solchen Kündigung enthalten, wirkt die Gesamtkündigung daher nur für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die die Kündigung erklärt haben. De lege ferenda ist dies klarzustellen.38

B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen Die Teilschuldverschreibungsgläubiger und der Teilschuldverschreibungsschuldner haben die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten, die Forderungen vorzeitig fällig zu stellen.39 Ob für die Teilschuldverschreibungsgläubiger darüber hinaus gesetzliche Kündigungsrechte, namentlich die außerordentlichen Kündigungsrechte gem. § 490 Abs. 1 BGB und § 314 BGB, bestehen, ist umstritten.

I.  Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB § 490 Abs. 1 BGB gibt dem Darlehensgeber ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages für den Fall, dass in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird.

1. Meinungsstand Ganz überwiegend wird die Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB auf (Inhaber-)Schuldverschreibungen abgelehnt.40 Bei Schuldverschreibungen handle 38 Vgl. auch den Gesetzentwurf des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungs‑ rechts, der eine entsprechende Bestimmung enthält, Arbeitskreis Reform des Schuldverschrei‑ bungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. 39 Allgemeine Auffassung, vgl. etwa Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 548 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 2, abrufbar unter: http:// www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 40  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 81; zustimmend BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 30 f.; OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 26; zurückhaltend noch das OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 46; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 103 ff.; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407 f.; Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 136 f.; Trau‑ trims, BB 2012, 1823, der den Grund für die Nichtanwendbarkeit des § 490 BGB in der systematischen Stellung dieser Norm sieht; gegen eine (entsprechende) Anwendung des § 490 Abs. 1 BGB auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 650 f.; Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712; sowie Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 353; Veranneman, NJW 2016, 1178; Vogel, ZBB 2016, 179, 187 f.; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 99; Wansleben,



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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es sich nicht um Darlehen und ein Rückgriff auf die Regelungen der §§ 488 ff. BGB sei ausgeschlossen.41 Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift wird größtenteils abgelehnt. Ein automatisches Recht zur Fälligstellung für den Fall einer Vermögensverschlechterung beim Emittenten laufe den Wertungen des SchVG, Sanierungen zu fördern, zuwider.42 Außerdem würde die pauschale Anwendbarkeit des § 490 Abs. 1 BGB die privatautonom festgelegte Risikoverteilung unterlaufen.43 Generell führe die Anwendbarkeit nicht in den Anleihebedingungen vorgesehener Kündigungsrechte zur Verunsicherung von Emittenten und Investoren.44 Außerdem sei die Anwendbarkeit des § 490 Abs. 1 BGB bei börsennotierten Schuldverschreibungen nicht geboten, da die Möglichkeit bestehe, diese vor Fälligkeit zu veräußern:45 Das Ausfallrisiko des Emittenten werde im Börsenkurs eingepreist. Etwaige Abschläge wegen einer verschlechterten Vermögenslage seien das Korrelat zu möglichen Kursgewinnen. Dagegen geht Baums davon aus, dass § 490 Abs. 1 BGB entsprechend auf Teilschuldverschreibungen anwendbar ist und die Teilschuldverschreibungsgläubiger grundsätzlich berechtigt sind, ihre Forderungen durch außerordentliche Kündigung fällig zu stellen, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Emittenten eintritt oder es zu einem Wertverfall der bestellten Sicherheiten kommt.46 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 490 Abs. 1 BGB bestehe lediglich dann nicht, wenn es (ausdrücklich) WuB 2016, 390, 394; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.89; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 22; ArtzingerBolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 9; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 5 SchVG, Rn. 15a; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 35. 41  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 81; zustimmend BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 30 f.; OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 26; zurückhaltend noch das OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 46; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 103 ff.; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407 f., die auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Schuldverschreibungen ablehnen; Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 136 f.; Trautrims, BB 2012, 1823, der den Grund für die Nichtanwendbarkeit des § 490 BGB in der systematischen Stellung dieser Norm sieht; gegen eine (entsprechende) Anwendung des § 490 Abs. 1 BGB auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 650 f.; sowie Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 353. 42  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408. 43  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408. 44 Vgl. Florstedt, ZIP 2016, 645, 650 f. 45  OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 26. 46  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 551 ff., insbes. S. 556 ff. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 5 ff., insbes. S. 9 ff., abrufbar unter: http:// www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 98.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

in den Anleihebedingungen ausgeschlossen werde.47 Als Argument für die entsprechende Anwendbarkeit führt Baums die identische Interessenlage der Parteien eines Darlehensvertrages und einer Schuldverschreibung an.48 Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien beschränke sich jeweils auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers bzw. des Teilschuldverschreibungsschuldners zur Zinszahlung und zur Entrichtung des geschuldeten Kapitalbetrages bei Fälligkeit. Darlehensgeber bzw. Teilschuldverschreibungsgläubiger seien bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet, dem Darlehensnehmer bzw. dem Teilschuldverschreibungsschuldner den Kapitalbetrag zu belassen – und trügen damit das Ausfallrisiko.49 Verschiebe sich das Ausfallrisiko in einer bei Vertragsschluss nicht vorhergesehenen Weise, müsse für den Teilschuldverschreibungsgläubiger ebenso wie für den Darlehensgeber ein Lösungsrecht bestehen. Dieses Lösungsrecht stehe auch einem Zweiterwerber der Schuldverschreibung zu, da dieser das Ausfallrisiko trage und ein Kündigungsrecht wegen nachträglicher wesentlicher Erhöhung dieses Ausfallrisikos so ausüben könne, wie es der Erstgläubiger hätte ausüben können.50 Der Vergleich zum Darlehensvertrag belege auch, dass fehlende Kündigungsmöglichkeiten wegen einer nachträglichen Veränderung der Vermögensverhältnisse des Emittenten nicht per se als durch den Anleihezins kompensiert angesehen werden könnten.51 Bei einem Darlehensvertrag bestehe ohne ausdrücklichen Ausschluss das Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB auch dann, wenn das Ausfallrisiko in den Darlehenszins eingepreist wurde.

2.  Keine Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB Mit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist eine Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB auf Schuldverschreibungen abzulehnen. Die direkte Anwendbarkeit des § 490 BGB scheidet aus, da es sich bei Schuldverschreibungen nicht um Darlehensverträge oder Forderungen aus solchen handelt. 47  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 554, 564 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 7, 17, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/resear ch/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 48  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 558 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 5 f., 11, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 98. 49  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 558 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 11, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 50  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 558 f. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 11 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 51  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 554 f. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 6 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016).



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

235

Auch die entsprechende Anwendbarkeit ist abzulehnen. Allenfalls bei klassischen Anleihen besteht eine in wirtschaftlicher Hinsicht mit dem Darlehen vergleichbare Interessenlage. In rechtlicher Hinsicht bestehen die bereits beschriebenen52 Unterschiede. Die in den Schuldverschreibungen verbrieften Forderungen sind regelmäßig in zweifacher Hinsicht abstrakt:53 Zum einen ist der Bestand der verbrieften Forderungen unabhängig von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Kausalverhältnisses. Zum anderen weisen die verbrieften Forderungen keinen Bezug zu einem bestimmten Vertragstyp auf, sondern sind „typenlos“. Ihre Identität erhalten sie erst und allein durch die konkrete Gestaltung der Anleihebedingungen. Sehen die Anleihebedingungen kein Kündigungsrecht für den Fall der Vermögensverschlechterung beim Emittenten vor, ist gerade in dem Fehlen von Kündigungsrechten – und damit dem Tragen des Ausfallrisikos des Teilschuldverschreibungsschuldners – ihr spezifischer Inhalt zu sehen. Dieses spekulative Element über die wirtschaftliche Entwicklung des Emittenten ist, anders als im Fall eines Darlehensvertrages, dessen wesentlicher Inhalt durch die §§ 488 ff. BGB vorgegeben wird, Inhalt der verbrieften Forderung.54 Wäre die pauschale Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB gewollt gewesen, hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung in den §§ 793 ff. BGB treffen können. Die §§ 793 ff. BGB überlassen die Ausgestaltung des konkreten Inhalts der Forderung und damit die Verteilung des Ausfallsrisiko aber gerade den Parteien. Eine pauschale Übertragung des § 490 Abs. 1 BGB aus vermeintlichem Gerechtigkeitsempfinden und (Klein-)Anlegerschutz verkennt diese gesetzgeberische Wertung.55

II.  Anwendbarkeit von § 314 BGB § 314 BGB normiert ein außerordentliches Kündigungsrecht für Dauerschuldverhältnisse. Nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Dauerschuldverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

52 

Vgl. oben 2. Teil A III 3 c), vgl. auch 2. Teil A I 4. Vgl. dazu Hueck/Canaris, S. 208, 26 f. 54 Vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 118: „Mit dem Erwerb einer Schuldverschreibung übernimmt der Investor das Bonitätsrisiko des Emittenten im Wissen, dass dieses Risiko während der Laufzeit der Anleihe Änderungen unterliegen kann. Für dieses Risiko wird der Investor durch die Höhe des Zinssatzes entschädigt.“ 55 Kritisch zur Anerkennung ungeschriebener Kündigungsrechte im Anleiherecht aus dem im Einzelfall bestehenden Bedürfnis nach dem Schutz von Privatanlegern und der Verhinderung des Missbrauchs von Klagemöglichkeiten auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 650, der bemängelt, dass die Konsequenzen für die Finanzierungspraxis und die Rückwirkungen auf den Kapitalmarkt von der Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt würden. 53 

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

1.  Argumente für die Anwendbarkeit des § 314 BGB a)  Anwendbarkeit des § 314 BGB im Allgemeinen Große Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums wenden die Vorschrift des § 314 BGB auch auf Schuldverschreibungen an.56 Dies wird z. T. mit dem Dauerschuldcharakter des „Anleiheschuldverhältnisses“57, z. T. aber auch unabhängig von der Frage, ob es sich um Dauerschuldverhältnisse handelt, damit begründet, dass § 314 BGB Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben sei und daher grundsätzliche Bedeutung habe58. Außerdem folge die Anwend56 Aus

der Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 31 ff., insbes. Rn. 33; vgl. auch bereits (vorgehend) OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 87; OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 25; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 36 ff.; LG Bonn, ZIP 2014, 1073, 1075 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); aus dem Schrifttum: Knops, BB 2008, 2535, 2539; Trautrims, BB 2012, 1823, 1824; Buchmann, AG 2012, R341, R342; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 314; Ha‑ bersack, in: MüKoBGB, § 793, Rn. 12; Schäfer, in: FS Kümpel, S. 453, 460 f.; Thomas, ZHR 171 (2007), 684, 705 ff.; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 481; Florstedt/von Randow, ZBB 2015, 345, 346 ff.; Florstedt, ZIP 2016, 645, 651; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408 ff.; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 ff. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12 ff., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-workingpapers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 99 ff.; Weissinger, EWiR 2016, 197, 198; Vogel, ZBB 2016, 179, 188; Möhlenkamp/ Harder, ZIP 2016, 1093, 1096; Seibt, EWiR 2016, 457, 458; Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 22; Artzin‑ ger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 9. 57  Knops, BB 2008, 2535, 2539; Buchmann, AG 2012, R341, R342; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 314; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408; Reps, S. 335; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 f. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 99; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 22; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 33, der darauf hinweist, dass die Unanwendbarkeit des § 314 BGB auf Teilschuldverschreibungen dem Grundsatz widerspreche, „dass den Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses stets ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zustehen muss“. Zum Charakter des Rechtsverhältnisses zwischen Teilschuldverschreibungsschuldner und Teilschuldverschreibungsgläubiger als Dauerschuldverhältnis vgl. bereits oben 2. Teil A III. 58  So etwa OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Leitsatz und Rz. 86 f.; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 37; Vogel, ZBB 2016, 179, 188; Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 22; vgl. auch Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 9; Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345 ff., die von einer „prinzipiellen Kündbarkeit des Anleiheschuldverhältnisses aus wichtigem Grund als einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben“ ausgehen, S. 347; fortführend Flor‑ stedt, ZIP 2016, 645, 651 ff.; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408 f. („Ausdruck eines im Kern unentziehbaren Billigkeitsgedankens“); vgl. auch Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 705 f.; Siebel, S. 500, 631; vgl. auch Ostermann, DZWIR 2015, 313, 314; vgl. auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 555, 565 f. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 8, 18, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/,



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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barkeit des § 314 BGB aus dessen systematischer Stellung im allgemeinen Schuldrecht, das auch auf (Inhaber-)Schuldverschreibungen anwendbar ist.59 Aus dem SchVG ergebe sich kein Hinweis darauf, dass ein Rückgriff auf 314 BGB oder das (allgemeine) Leistungsstörungsrecht ausgeschlossen §  sei.60 Hierfür spreche auch der Umstand, dass der Referentenentwurf 200861 (im Folgenden RefE2008) in § 22 RefE2008 noch vorsah, dass Kündigungsrechte in den Anleihebedingungen ausgeschlossen werden können.62 Der Referentenentwurf begründete diese Regelung damit, dass Schuldverhältnisse mindestens aus wichtigem Grund gekündigt werden könnten, dieser Rechtsgrundsatz aber im Schuldverschreibungsrecht eingeschränkt werden müsse, um dem Schuldner die nötige Rechts- und finanzielle Planungssicherheit zu geben.63 Es war seinerzeit streitig, ob auch die Kündigungsmöglichkeit des § 314 BGB ausgeschlossen werden konnte. Aus der Nichtaufnahme dieser Regelung zum Kündigungsausschluss in das SchVG sei zu folgern, dass jedenfalls ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 314 BGB nicht gewollt war.64 Außerdem fungiere § 314 BGB als Sanktion für wesentliche Leistungsstörungen.65 Wären die Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall wesentlicher Leistungsstörungen nicht berechtigt, ihre Forderungen vorzeitig fällig zu stellen, könnten sie lediglich Verzugsschäden geltend machen und müssten bezüglich ihrer noch nicht fälligen Forderungen abwarten. Für diese Abweizuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Veranneman, NJW 2016, 1178; trotz Zweifeln an der Einordnung als Dauerschuldverhältnis bejaht auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 98, die Anwendbarkeit von § 314 BGB; wie Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 110, Fn. 154, zutreffend feststellen, wäre eine direkte Anwendung von § 242 BGB überzeugender gewesen. 59  Trautrims, BB 2012, 1823; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 31; Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712. 60  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 551 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 4, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 94; für das SchVG 1899: BGH, Urteil vom 31. Mai 2016  – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 33. 61  Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften vom 9. Mai 2008, abrufbar unter: http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/16_ wp/schuldverschreibungsg/refe.pdf, zuletzt abgerufen am 09. 03. 2016. 62  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 93. 63  Vgl. auch RefEf2008, S. 39. 64  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 93; ebenso Leber, S. 283. 65  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 560 f. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12 ff., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016).

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

chung vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht sei kein überzeugender Grund ersichtlich.66 Baums führt als Argument für die Anwendbarkeit des § 314 BGB ferner an, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem Teilschuldverschreibungsgläubiger in wesentlichen Punkten dem Rechtsverhältnis zwischen dem Darlehensnehmer und dem Darlehensgeber entspreche:67 In beiden Fällen bestehe eine Pflicht des Kreditnehmers zur Zinszahlung und zur Zahlung des geschuldeten Kapitalbetrages bei Fälligkeit und in beiden Fällen habe der Kreditgeber dem Kreditnehmer das Kapital bis zu diesem Zeitpunkt zu belassen. Für den Darlehensvertrag ordne das Gesetz in § 490 Abs. 3 BGB ausdrücklich die Geltung des § 314 BGB an. Der Unterschied im Entstehungsgrund – der Übernahmevertrag sei kein Darlehensvertrag – besage nicht, dass bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses eine andere Pflichtenstruktur bestehe als im Fall eines Darlehensvertrages.68 Außerdem könnten nicht sämtliche Umstände, die eine Unzumutbarkeit i. S. d. § 314 BGB begründen, von den an der Erstellung der Anleihebedingungen Beteiligten antizipiert und als durch den vereinbarten Anleihezins abgegolten angesehen werden.69 Vereinzelt wird im Rahmen der Diskussion über die Anwendbarkeit des § 314 BGB auf Schuldverschreibungen angeführt, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger auf die Geschäfte des Teilschuldverschreibungsschuldners und damit dessen wirtschaftliche Entwicklung keinen Einfluss nehmen könnten und ein außerordentliches Kündigungsrecht einen Ausgleich für diese fehlenden Einflussmöglichkeiten darstellen könnte.70

66  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 561 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 13 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 67  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 99. 68  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 69  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 555 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 8, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 70  Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 354, die sich aber letztlich gegen einen zwingenden Charakter eines durch diesen Umstand begründeten Kündigungsrechts aussprechen; vgl. zu diesem Gedanken auch OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 103, 95; sowie Kallrath, S. 136 f.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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b)  Kündigungsrecht bei Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners im Besonderen Virulent wird die Frage nach einem Kündigungsrecht aus § 314 BGB insbesondere, wenn der Emittent in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Teilweise wird die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 314 BGB auf (Inhaber-)Schuldverschreibungen zwar bejaht, ein (automatisches) Kündigungsrecht für den Fall einer (drohenden) Vermögensverschlechterung des Emittenten aber abgelehnt.71 Der Teilschuldverschreibungsgläubiger übernehme mit Erwerb einer (unbesicherten) Schuldverschreibung das Bonitätsrisiko des Emittenten.72 Sehen die Anleihebedingungen kein Kündigungsrecht für den Fall einer Vermögensverschlechterung vor, komme diese Risikoverteilung darin zum Ausdruck.73 Außerdem stehe es dem Teilschuldverschreibungsgläubiger jederzeit frei, seine Teilschuldverschreibungen zu veräußern.74 Kritisiert wird ferner, dass ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB für den Fall einer Vermögensverschlechterung des Emittenten die durch das SchVG vorgesehene Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschlüsse Restrukturierungen durchzuführen, beeinträchtige.75 Nach anderer Auffassung begründet die vergleichbare Schutzbedürftigkeit eines Teilschuldverschreibungsgläubigers und eines Darlehensgebers die Anerkennung eines außerordentlichen Kündigungsrechts gem. § 314 BGB im Fall einer (drohenden) Vermögensverschlechterung des Emittenten.76 Auch wenn Schuldverschreibungen ein spekulatives Element innewohne, müsse der Anleger nicht sehenden Auges einen Totalverlust seiner Anlage hinnehmen.77

71  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37; zustimmend Friedl, BB 2016, 1680; Florstedt, ZIP 2016, 645, 650 ff., insbes. S. 652 f.; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409 f.; Trautrims, BB 2012, 1823, 1824; vgl. auch Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 353; Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 5 SchVG, Rn. 15a; vgl. auch OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Leitsatz und Rz. 25 f. („Die §§ 793 ff. enthalten selbst keine Regelung über die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse und eine solche ergibt sich auch nicht aus deren Sinn und Zweck.“). 72  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37. 73  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409. 74  Trautrims, BB 2012, 1823, 1824; BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37. 75  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 410; vgl. auch Trautrims, BB 2012, 1823, 1824. 76  Buchmann, AG 2012, R341, R342; Knops, BB 2008, 2535, 2539; für die grundsätzliche Anerkennung der Vermögensverschlechterung des Emittenten als wichtiger Grund i. S. d. § 314 BGB OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 99; a. A. dann BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37. 77  Knops, BB 2008, 2535, 2539.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

2.  Argumente gegen die Anwendbarkeit von § 314 BGB Die Unanwendbarkeit des § 314 BGB auf Schuldverschreibungen wird zum einen damit begründet, dass Teilschuldverschreibungen kein Dauerschuldverhältnis i. S. d. Vorschrift darstellen.78 Zum anderen stellten die §§ 793 ff. BGB abschließende Spezialregelungen dar, die die allgemeine Vorschrift des § 314 BGB verdrängen.79 Weiter wird angeführt, dass für den Teilschuldverschreibungsgläubiger kein Bedürfnis nach einer außerordentlichen Kündigung bestehe, da er seine Teilschuldverschreibung jederzeit veräußern könne.80 Gegen ein individuelles Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wird ferner vorgebracht, dass ein solches zur Aufspaltung der Gesamtemission in gekündigte und nicht gekündigte Teilschuldverschreibungen führe.81 Jedenfalls sollte ein außerordentliches Kündigungsrecht daher nur kollektiv ausgeübt werden können.82

3.  Keine Anwendbarkeit von § 314 BGB Eine direkte Anwendung des § 314 BGB scheidet nach hier vertretener Auffassung aus, da das aus der verbrieften Forderung folgende Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht als Dauerschuldverhältnis i. S. d. Vorschrift zu qualifizieren ist.83 Aber auch eine entsprechende Anwendung ist mit Blick 78  Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 135 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 110 f., sowie 1. Auflage 2013 Rn. 82; Schmidtbleicher, S. 339 ff.; Wansleben, WuB 2016, 390, 394; Kleinsorgen, S. 238; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.90; gegen die Anwendbarkeit von § 314 BGB auch Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 35. 79  LG Frankfurt am Main, Urteil vom 25. April 2014, Az. 2–18 O 429/13 (unveröffentlicht); vgl. aber auch nachgehend BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14. 80  So LG Frankfurt am Main, Urteil vom 25. April 2014, Az. 2–18 O 429/13 (unveröffentlicht; nachgehend BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14); Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 136; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 103a, sowie 1. Auflage 2013 Rn. 86; Klein‑ sorgen, S. 238. 81  Leber, S. 280 f., der allerdings davon ausgeht, „[…] dass Schuldverschreibungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen aus wichtigem Grund gekündigt werden können […], wenngleich nach wie vor unklar ist, ob die Norm des § 314 BGB Anwendung findet.“ (S. 283); vgl. zu den Auswirkungen von Kündigungen auf die Inhaltsgleichheit unten 3. Teil C III 3 b). 82  Leber, S. 281, 285; ablehnend: Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 561 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 14, abrufbar unter: http://www. ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 83  Vgl. oben 2. Teil A III; wie hier auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 102, 110 ff., die das „Anleiheschuldverhältnis“ allerdings als Schuldverhältnis sui generis mit Dauerschuldcharakter einordnen, vgl. Rn. 102, 117; Schmidtbleicher, S. 340 f.; a. A. etwa Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408; Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 346 f., die eine Präzisierung der Voraussetzungen des § 314 BGB für Schuldverschreibungen für erforderlich halten.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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auf die Funktion und den dogmatischen Ursprung des § 314 BGB sowie die Zielsetzung des SchVG, einen sicheren Rechtsrahmen für die Gestaltung von Anleihebedingungen zu etablieren und dadurch die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, abzulehnen.

a)  Zum Veräußerungsargument Soweit allerdings als Argument gegen eine Anwendbarkeit des § 314 BGB (im Fall der Vermögensverschlechterung beim Teilschuldverschreibungsschuldner) angeführt wird, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger ihre Schuldverschreibungen jederzeit veräußern und sich dadurch von ihrem Investment lösen könnten, überzeugt dies nicht. Vorbehaltlich entgegenstehender vertraglicher Abreden besteht auch bei einem Darlehensvertrag die Möglichkeit, sich durch Verkauf und Abtretung des Rückzahlungsanspruchs aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB dem Insolvenzrisiko des Darlehensnehmers zu entziehen – freilich wird der Markt für solche Forderungen relativ begrenzt sein. Die Veräußerbarkeit der Rückzahlungsforderung führt also auch beim Darlehensvertrag nicht zur Unanwendbarkeit des § 314 BGB. Für den Fall der (drohenden) Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers ist § 490 Abs. 1 BGB allerdings lex specialis.84 In einer wirtschaftlichen Krise des Teilschuldverschreibungsschuldners bietet die Möglichkeit zur Veräußerung der Teilschuldverschreibungen aber auch keine gleichwertige Lösungsmöglichkeit. Die Möglichkeit zur Veräußerung der Teilschuldverschreibungen mag zwar theoretisch bestehen, verschlechtern sich aber die wirtschaftlichen Verhältnisse des Teilschuldverschreibungsschuldners und droht u. U. sogar eine Zahlungsunfähigkeit, werden sich die verbrieften Forderungen nur mit erheblichen Abschlägen vom Nennwert veräußern lassen.85 Auch wenn, wie das OLG München betont, die Möglichkeit etwaiger Kursabschläge das Korrelat zu möglichen Kursgewinnen bildet,86 bleibt das Veräußerungsargument daher vergleichsweise schwach.

84 Zur Anwendbarkeit des § 314 BGB auf Darlehensverträge und zum Verhältnis zum Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB siehe: Mülbert, in: Staudinger, § 490, Rn. 121 f.; Berger, in: MüKoBGB, § 490, Rn. 47; Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 9. 85  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 3, Rn. 120; Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 347; Buchmann, AG 2012, R341, R342; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 552 f. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 5, abrufbar unter: http:// www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 100 f.; vgl. auch Kallrath, S. 135 f.; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 88. 86  OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 26.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

b)  Fehlende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Teilschuldverschreibungsschuldners begründen kein Kündigungsrecht Fehlende Kontrollmöglichkeiten der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Hinblick auf die Geschäftsführung des Teilschuldverschreibungsschuldners rechtfertigen nicht die Anwendbarkeit von § 314 BGB. Es sind die Unterschiede zwischen Fremd- und Eigenkapitalgebern zu berücksichtigen. Teilschuldverschreibungsgläubiger sind als Fremdkapitalgeber nicht im selben Maße schutzbedürftig wie Eigenkapitalgeber:87 Erstere haben schuldrechtliche Ansprüche (die freilich an die Gewinnansprüche von Eigenkapitalgebern gekoppelt sein können) und werden in der Insolvenz vorrangig vor Eigenkapitalgebern befriedigt.

c)  Kein Kündigungsrecht bei (drohender) Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners Ein Kündigungsrecht der Teilschuldverschreibungsgläubiger aus § 314 BGB speziell für den Fall einer (drohenden) Vermögensverschlechterung oder gar einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Teilschuldverschreibungsschuldners ist abzulehnen. Die bereits gegen die Anwendbarkeit von § 490 Abs. 1 BGB angeführten Erwägungen zum fehlenden gesetzlichen Leitbild betreffend den Inhalt von Schuldverschreibungen gelten hier entsprechend. In der konkreten Gestaltung der Anleihebedingungen kommt die privatautonome Risikoverteilung zum Ausdruck. Es besteht auch keine vergleichbare Schutzbedürftigkeit eines Teilschuldverschreibungsgläubigers mit der eines Darlehensgebers im Fall einer (drohenden) Verschlechterung der finanziellen Situation des Teilschuldverschreibungsschuldners, die ein automatisches Kündigungsrecht aus § 314 BGB für diesen Fall begründen könnte.88 Dass Teilschuldverschreibungen und Darlehen zwar mit Blick auf ihre wirtschaftliche Funktion vergleichbar sein können, rechtlich aber wesentliche Unterschiede bestehen, wurde bereits dargelegt.89 Würde eine (drohende) Vermögensverschlechterung automatisch zu einem Kündigungsrecht aus § 314 BGB führen, würde letztlich das Kündigungsrecht des § 490 Abs. 1 BGB „durch die Hintertür“ doch bestehen.90 Ein automatisches Kündigungsrecht aus § 314 BGB für den Fall einer (drohenden) Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners 87 

Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 707 f. aber Buchmann, AG 2012, R341, R342 f.; zur Vergleichbarkeit der Rechtsstellung von Teilschuldverschreibungsgläubiger und Darlehensgeber vgl. auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 559 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 89  Vgl. oben 2. Teil A III 3 c), vgl. auch 2. Teil A I 4. 90  So (wörtlich) Friedl, BB 2016, 1680. 88  So



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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wäre außerdem im Hinblick auf geplante Sanierungen problematisch. Sanierungen würden durch ein solches Kündigungsrecht erschwert, da Kapital entzogen und eine wirtschaftliche Krise des Teilschuldverschreibungsschuldners durch einen „Wettlauf“ bei Kündigungen verschärft werden würde. Die Rechtsprechung versucht diese Auswirkungen einer Anwendbarkeit von § 314 BGB auszugleichen, indem sie letztlich Treue- und Rücksichtnahmepflichten unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern bejaht: Im Rahmen der nach § 314 BGB erforderlichen Interessenabwägung müsse auch berücksichtigt werden, ob der Teilschuldverschreibungsschuldner bereits ein Sanierungskonzept vorgelegt hat und die Teilschuldverschreibungsgläubiger bereits (ausreichend) Gelegenheit zur Entscheidung über dieses hatten91 – das OLG Köln spricht vom „Primat der Gläubigersammlung“92. Dass diese Konstruktion nicht überzeugt, wurde bereits dargelegt.93 Anstatt bei der Ausübung der dem Teilschuldverschreibungsgläubiger zustehenden Rechte diesem eine Treue- oder Rücksichtnahmepflicht in Bezug auf die Interessen der Gläubigermehrheit aufzuerlegen, sollten den Teilschuldverschreibungsgläubigern die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Rechte zustehen und diese ohne Rücksicht auf Interessen der Gläubigermehrheit ausgeübt werden können. Dadurch würde auch Rechtssicherheit für sämtliche Beteiligten erzielt werden. Die Rechtsprechung entschärft das Problem eines „Wettlaufs“ bei Kündigungen im Übrigen auch nur teilweise, da es zu diesem „Wettlauf“ kommen könnte, noch bevor ein Restrukturierungskonzept vorgelegt wird.94 Es gibt für Schuldverschreibungen kein gesetzliches Leitbild der Kündbarkeit im Fall einer Vermögensverschlechterung des Schuldners.95 Das Anlagerisiko – und damit auch das Bonitätsrisiko des Emittenten – wird vielmehr durch die Anleihebedingungen und etwaige Möglichkeiten, die Forderung vorzeitig fällig zu stellen, ausgestaltet.96 Sehen die Anleihebedingungen ein Kündigungsrecht für den Fall der Vermögensverschlechterung beim Emittenten vor, sollen die Teilschuldverschreibungsgläubiger nach der privatautonom vor91  BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 38 ff.; vgl. auch die Vorinstanz: OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 98 ff., insbes. 104 ff.; zustimmend: Lürken, GWR 2015, 435; Knauthe, EWiR 2015, 729, 730; wie hier kritisch dagegen: Florstedt, ZIP 2016, 645, 646 f., 651 f. 92  OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 58/12, 3 U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 106. 93  Vgl. oben 2. Teil C V 1 b), insbes. ee) (3). 94  So auch Knauthe, EWiR 2015, 729, 730, die empfiehlt, Kündigungsrechte in den Anleihebedingungen möglichst präzise zu regeln. 95  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409; vgl. auch Trautrims, BKR 2012, 1823, 1824. 96  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409; vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 118: „Mit dem Erwerb einer Schuldverschreibung übernimmt der Investor das Bonitätsrisiko des Emittenten im Wissen, dass dieses Risiko während der Laufzeit der Anleihe Änderungen unterliegen kann.“

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

genommenen Risikoverteilung teilweise vom Ausfallrisiko befreit werden – als Gläubiger des Teilschuldverschreibungsschuldners tragen sie letztlich stets das Insolvenzrisiko. Ist in den Anleihebedingungen aber nicht vorgesehen, dass die Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall einer (drohenden) Vermögensverschlechterung des Emittenten berechtigt sein sollen, ihre Forderungen durch Kündigung vorzeitig fällig zu stellen, sind sie vom Bonitätsrisiko gerade nicht befreit.97 Die Anerkennung eines automatischen Kündigungsrechts aus § 314 BGB für den Fall einer drohenden Vermögensverschlechterung würde die privatautonom festgelegte Risikoverteilung unterlaufen. Durch das SchVG soll nicht jedwede Form individueller Rechtsausübung und individuellen Vorteilsstrebens zurückgedrängt werden. Das SchVG schafft lediglich die Rahmenbedingungen für eine rechtssichere Gestaltung der Anleihebedingungen.98 Es handelt sich nicht um ein bindendes Vorinsolvenzrecht, sondern die Entscheidung über die Sanierungsfreundlichkeit obliegt dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Dieser bestimmt durch die Ausgestaltung der Anleihebedingungen die „Sanierungsfreundlichkeit“ der von ihm begebenen Schuldverschreibungen.

d)  Beeinflussung der privatautonom festgelegten Risikoverteilung Das vorgehend angeführte Argument der Beeinflussung und des Unterlaufens der privatautonomen Risikoverteilung beansprucht dabei nicht nur Geltung bei einer (drohenden) Vermögensverschlechterung des Teilschuldverschreibungsschuldners, sondern spricht grundsätzlich gegen die Anerkennung nicht in den Anleihebedingungen vorgesehener Kündigungsrechte. Für Schuldverschreibungen gibt es kein gesetzliches Pflichtenprogramm. Das Leistungsversprechen wird durch die Anleihebedingungen bestimmt. Nicht nur wenn die Anleihebedingungen Kündigungsrechte explizit vorsehen,99 sondern auch, wenn in den Anleihebedingungen kein Recht zur vorzeitigen Fälligstellung enthalten ist, kommt darin die privatautonome Risikoverteilung zum Ausdruck. Diese Auffassung teilt auch der XI. Zivilsenat des BGH, der aus der Nichtregelung eines Kündigungsrechts für den Fall der Vermögensverschlechterung des Emittenten in den Anleihebedingungen einen Beleg dafür sah, dass das Bonitätsrisiko des Teilschuldverschreibungsschuldners nach der privatautonomen Risikoverteilung auch bei den Teilschuldverschreibungsgläubigern liege.100 97 

So auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37. bereits oben 2. Teil C V 1 b) ee) (2) und (3) sowie unten 3. Teil C III 3 c) und E II; wie hier auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 647 ff. 99  Vgl. auch Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 410; kritisch auch Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 352 f.; Florstedt, ZIP 2016, 645, 652. 100 BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 37; vgl. auch Seibt/ Schwarz, ZIP 2015, 401, 409; kritisch: Brenner/Moser, NZI 2016, 711, 712. 98  Vgl.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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Regelmäßig werden im Ausgleich für das erhöhte Ausfallrisiko außerdem höhere Zinssätze bestehen.101 Soweit Baums hiergegen einwendet, dass auch bei einem Darlehensvertrag das Ausfallrisiko des Darlehensnehmers in den Darlehenszins einkalkuliert werde und trotzdem mit § 490 Abs. 1 BGB für den Fall der Verschiebung dieses Risikos zu Lasten des Darlehensgebers ein gesetzliches Kündigungsrecht bestehe,102 ist dem entgegenzuhalten, dass die §§ 793 ff. BGB gerade kein besonderes Pflichtenprogramm vorsehen. Die pauschale Anerkennung nicht in den Anleihebedingungen vorgesehener Kündigungsrechte ist auch nicht durch den Anlegerschutz gerechtfertigt.103 Die Anleger entscheiden sich bewusst104 für ein bestimmtes Finanzprodukt und erhalten für ein größeres Ausfallrisiko regelmäßig bessere Renditemöglichkeiten. Die pauschale Anwendbarkeit von § 314 BGB könnte die Anleger dazu verleiten, sich unter Berufung auf angebliche wichtige Gründe von einer unattraktiv gewordenen Investition zu trennen.105 Die Umfunktionierung des § 314 BGB zu einem Universalinstrument für den (Klein-)Anlegerschutz setzt falsche Anreize und entlässt die Anleger aus der Verantwortung, sich über den Inhalt und etwaige Risiken der von ihnen erworbenen Finanzprodukte zu informieren.106 (Klein-)Anlegerschutz sollte auch im Interesse der Rechtssicherheit und der Funktions- und Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes nicht über ein mit Billigkeitserwägungen begründetes außerordentliches Kündigungsrecht gewährleistet werden. Anzusetzen ist vielmehr beim Informations- und Kom101  Schmidtbleicher, S. 340 f., der darauf hinweist, dass sich Schuldverschreibungen, die keinen entsprechenden Ausgleich durch Gewährung höherer Zinsen vorsehen, regelmäßig nicht platzieren lassen werden; vgl. auch Hartwig-Jacob, S. 291, der indes davon ausgeht, dass Schuldverschreibungen ein Dauerschuldverhältnis begründen und für den Teilschuldverschreibungsgläubiger daher auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund besteht, vgl. S. 301 f.; Leber, S. 283 f., der darauf hinweist, dass abbedungene Kündigungsrechte als Teil der Eigenschaften, die das konkrete Finanzprodukt erst definieren, angesehen werden können, und die Anleger für abbedungene (Kündigungs-)Rechte entschädigt werden. 102  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 554 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 7, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 103  Vgl. auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 650 f., der auf die Risiken eines durch nicht in den Anleihebedingungen vorgesehene Kündigungsrechte vermittelten Anlegerschutzes auf den Kapitalmarkt und die Finanzierungspraxis hinweist. 104 Vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 118, die darauf hinweisen, dass Investoren Schuldverschreibungen in dem Bewusstsein erwerben, mit dem Erwerb das während der Laufzeit der Anleihe schwankende Bonitätsrisiko des Emittenten zu übernehmen; zur Eigenverantwortlichkeit des Anlegers betreffend seine Investitionsentscheidung vgl. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 646 f. 105  Florstedt, ZIP 2016, 645, 651. 106  Zum Gedanken der Eigenverantwortlichkeit des Anlegers vgl. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 646 f., der mit Verweis auf die Selbstverantwortung des Anlegers eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Schuldverschreibungen ablehnt.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

munikationsprozess zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Anlegern sowie zwischen letzteren und den Intermediären.107

e)  § 314 BGB als Ausfluss von Treu und Glauben Zwar ist § 314 BGB in seinem Kern zwingendes Recht108 und wird insoweit als Ausdruck eines „unentziehbaren Billigkeitsgedankens“109 angesehen. Ist mangels Vorliegens eines Dauerschuldverhältnisses aber schon der tatbestandliche Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet, kann auch ihr zwingender Kerngehalt ihre Anwendung nicht begründen.110 Auch vermag allein der Grundsatz von Treu Glauben nicht zu erklären, dass ein zwingendes Lösungsrecht bestehen muss.111 Der Grundsatz von Treu und Glauben kann als solcher von den Parteien zwar nicht abbedungen werden: Über die Geltung des Gebots der Redlichkeit, des Vertrauensschutzes oder der materiellen Gerechtigkeit können die Parteien nicht disponieren.112 Indes steht die konkrete Risikoverteilung sehr wohl zur Disposition der Parteien.113 Sie wird durch § 242 BGB gerade nicht verbindlich vorgegeben.114 107 

Vgl. auch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 646. BGB kann nicht vollständig abbedungen werden. Konkretisierungen des Tatbestandsmerkmals des wichtigen Grundes sind aber zulässig. Vgl. Stürner, in: Prütting/Wegen/ Weinreich, § 314, Rn. 3; Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 4; Böttcher, in: Erman, § 314, Rn. 3; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 37. 109  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408. 110  A. A. Florstedt, ZIP 2016, 645, 651. 111 Vgl. hierzu Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 348: „Nach vorherrschendem Verständnis ist das in § 314 BGB erhaltene Fragment der clausula-Lehre ein Rechtsinstitut mit zwingendem ‚Kern‘. […] Lässt sich dann der zwingende Charakter jedenfalls daraus herleiten, dass das Lösungsrecht nach § 314 BGB anerkanntermaßen Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben ist? Gerade nicht, vielmehr wird die zwingende Natur von hier aus vollends fragwürdig: Die fundamentalen Grundsätze für Schuldrechtsverhältnisse wie Redlichkeit, Vertrauensschutz und soziale Gerechtigkeit können zwar nicht für ungültig erklärt werden. Die konkrete Risikoverteilung und Interessengewichtung wird aber durch § 242 BGB nicht ‚zwingend‘ vorgegeben, sondern steht vielmehr zur Disposition der Parteien.“ A. A. wohl Ostermann, DZWIR 2015, 313, 314: „§ 314 BGB ist auf Schuldverschreibungen mithin anwendbar und – entgegen der Auffassung des OLG – vertraglich nicht abdingbar, weil das außerordentliche Kündigungsrecht dem Rechtsgedanken des § 242 BGB entspringt.“ Vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14, juris Rz. 37; abweichend nun auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 651 („Das Lösungsrecht in § 314 BGB ist dagegen Ausdruck einer in § 242 BGB verankerten Rechtstradition […]. Wichtig ist die erwähnte, ebenfalls aus der Wurzel des § 242 BGB folgende Konsequenz, dass die Details der privatautonomen Loyalitätspflichten bestimmt werden können, stets aber ein zwingender Rechtskern der Parteidisposition entzogen bleibt.“). 112  Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 97; Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 108. 113  Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 348 m. w. N. 114  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 119 m. w. N. 108  § 314



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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Die Risikoverteilung erfolgt durch die Gestaltung der Anleihebedingungen. Wird durch den Grundsatz von Treu und Glauben eine konkrete Risikoverteilung aber gerade nicht festgelegt, vermag auch der Hinweis auf den Ursprung von § 314 BGB im Grundsatz von Treu und Glauben eine Anwendbarkeit von § 314 BGB, die – wie bereits dargelegt – die privatautonome Risikoverteilung unterliefe, nicht zu begründen.

f)  Funktion des § 314 BGB aa)  Sanktion für wesentliche Leistungsstörungen Baums führt die Funktion der außerordentlichen Kündigung gem. § 314 BGB als Sanktion für wesentliche Leistungsstörungen als Argument für deren Anwendbarkeit auf Schuldverschreibungen an.115 Es sei kein überzeugender Grund ersichtlich, dass Schuldverschreibungsgläubiger in Abweichung vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht im Fall des Schuldnerverzuges darauf beschränkt seien, ihren Verzögerungsschaden geltend zu machen und hinsichtlich ihrer noch nicht fälligen Ansprüche abwarten müssten, ob sich der Emittent auch insoweit pflichtwidrig verhalte. Hiergegen ist zunächst einzuwenden, dass das allgemeine Leistungsstörungsrecht keine Regelung betreffend eine Fälligkeitskündigung enthält. § 314 BGB regelt die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses. Auch unterscheidet sich die Rechtsstellung des Teilschuldverschreibungsgläubigers in wesentlichen Aspekten von der eines Darlehensgebers, weshalb für Leistungsstörungen nicht automatisch die gleichen Maßstäbe wie im Fall eines Darlehensvertrages oder eines anderen Dauerschuldverhältnisses herangezogen werden müssen. Dass sich die Rechte des Teilschuldverschreibungsgläubigers bei Leistungsstörungen im Fall fehlender Bestimmungen in den Anleihebedingungen auf die Geltendmachung von Verzugsschäden und Verzugszinsen beschränken, stellt auch keine unzumutbare Abweichung von den allgemeinen Regelungen dar. Hierin kommt vielmehr das spezifische Risikoprofil der jeweiligen Anleihe zum Ausdruck. Soweit Baums einwendet, es dürfe nicht einfach unterstellt werden, dass die am Aushandeln der Anleihebedingungen Beteiligten alle potentiellen, eine Unzumutbarkeit i. S. d. § 314 BGB begründenden Umstände durch den Anleihezins abgelten wollten,116 ist dem entgegenzuhalten, dass das spekulative Element über die wirtschaftliche Entwicklung des Emittenten und dessen Bonität in der 115 

Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 560 ff. (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 12 ff., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 116  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 555 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 7 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016).

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Natur der Schuldverschreibungen begründet ist.117 Auch geht Baums selbst davon aus, dass ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB abseits von wesentlichen Leistungsstörungen bei Schuldverschreibungen kaum in Betracht kommen wird.118 Leistungsstörungen sind bei Teilschuldverschreibungen praktisch aber nur in Form von Zahlungsschwierigkeiten bzw. einem Zahlungsausfall denkbar.

bb)  § 314 BGB als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts Vor allem bleiben, soweit die (entsprechende) Anwendbarkeit von § 314 BGB auf Schuldverschreibungen bejaht wird, der dogmatische Ursprung und die originäre Funktion des außerordentlichen Kündigungsrechts eines Dauerschuldverhältnisses unberücksichtigt: Das in § 314 BGB kodifizierte, von der Rechtsprechung aber bereits zuvor anerkannte Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses ist Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen.119 Hierin und in der durch den Unzumutbarkeitsgrundsatz gebildeten Einschränkung des Grundsatzes der Vertragstreue ist es begründet.120 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist kein „notwendiges Korrelat zur langfristigen Bindung“, sondern Ausdruck der sämtlichen Schuldverhältnissen immanenten Grenze der Unzumutbarkeit der Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung.121 Es geht dabei nicht um die Unzumutbarkeit der Leistungsannahme für den Gläubiger – ist, wie bei Teilschuldverschreibungen regelmäßig der Fall, eine Geldsumme geschuldet, wird sich eine Leistungsannahme für den Gläubiger ohnehin kaum als unzumutbar 117 Vgl.

auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 118: „Mit dem Erwerb einer Schuldverschreibung übernimmt der Investor das Bonitätsrisiko des Emittenten im Wissen, dass dieses Risiko während der Laufzeit der Anleihe Änderungen unterliegen kann. Für dieses Risiko wird der Investor durch die Höhe des Zinssatzes entschädigt.“ 118  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 562 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 15, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 119  Oetker, S. 250 ff., 265 ff.; Stucke, S. 142 f.; vgl. aber auch Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5. Weil das Recht zur außerordentlichen Kündigung Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts ist, setzt es auch keine spezifische Vertrauensbeziehung zwischen den Beteiligten voraus, vgl. Oetker, S. 270. Dass es an einer besonderen Nähebeziehung zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner fehlt, spricht folglich noch nicht gegen die Anwendbarkeit des § 314 BGB. Diesbezüglich kritisch: Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 348, die eine Konkretisierung des § 314 BGB für das Anleiheschuldverhältnis für notwendig halten; zum Fehlen einer besonderen Nähebeziehung beim Anleiheschuldverhältnis vgl. auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 105. 120  Oetker, S. 268 ff. 121  Oetker, S. 268 f., der das Recht zur außerordentlichen Kündigung – vor Schaffung des § 314 BGB – daher nicht auf § 242 BGB zurückführte, sondern auf eine Rechtsanalogie zu denjenigen Vorschriften, die ein Kündigungsrecht bei Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze vorsahen.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

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darstellen –, sondern darum, dass dem Schuldner die Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist122. Das typische Risiko der Parteien, die ein Dauerschuldverhältnis eingegangen sind, liegt in der fehlenden Überschaubarkeit des geschuldeten Leistungsumfangs sowie der Umstände der Leistungserbringung.123 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung soll dieses Prognoserisiko ausgleichen.124 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist nach diesem Ansatz als ein Akt des „Selbstschutzes“ zu begreifen.125 Die Grundlage im Selbstbestimmungsrecht und im Unzumutbarkeitsgrundsatz rechtfertigt auch die Annahme eines zwingenden Kerngehalts des § 314 BGB. Weder das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigers noch der Grundsatz der Unzumutbarkeit der Leistungserbringung fordern die Anerkennung eines außerordentlichen Kündigungsrechts für die Teilschuldverschreibungsgläubiger: Der Gedanke der Unzumutbarkeit der Leistungserbringung für den Schuldner verfängt bei Schuldverschreibungen nicht. Der Teilschuldverschreibungsgläubiger erbringt keine Leistung gegenüber dem Emittenten.126 Der Gedanke, dass ihm die Erbringung der eigenen Leistung unzumutbar ist, kann die entsprechende Anwendbarkeit des § 314 BGB folglich nicht legitimieren.127 Allenfalls könnte sich hieraus ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Teilschuldverschreibungsschuldner ergeben.128 Hat die Regelung des § 314 BGB ihren Ursprung im Selbstbestimmungsrecht, spricht dies auch deshalb gegen eine entsprechende Anwendbarkeit auf Teilschuldverschreibungen, weil das Selbstbestimmungsrecht des Teilschuldverschreibungsgläubigers überhaupt nicht beeinträchtigt ist: Er ist „lediglich“ Inhaber einer (abstrakten) Forderung gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner. Ihn treffen aber keine vertraglichen Verpflichtungen, die seine wirt122 Vgl.

Oetker, S. 268 f. Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5; Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 314, Rn. 1; vgl. auch Eichel, NJW 2015, 3265, 3266. 124  Gaier, in: MüKoBGB, § 314, Rn. 5. 125  Oetker, S. 272. 126  Dass der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht zur Überlassung von Kapital gegenüber dem Emittenten verpflichtet ist, wurde bereits dargelegt, vgl. oben 2. Teil A III 3. c), vgl. auch 2. Teil A I; zu diesem Gedanken vgl. auch Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 700, der indes davon ausgeht, dass der Teilschuldverschreibungsgläubiger verpflichtet ist, dem Emittenten einmalig Kapital zur Verfügung zu stellen. 127 Auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 562 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 15, abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016), geht davon aus, dass bei Teilschuldverschreibungen jenseits wesentlicher Leistungsstörungen für ein Kündigungsrecht wegen Unzumutbarkeit nur ein „schmaler Raum“ verbleibt; so auch Baums, in: Recht der Unternehmensfinanzierung, § 37, Rn. 103. 128  Vgl. auch Leber, S. 281, der den Teilschuldverschreibungsschuldner ohne ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund als nicht ausreichend geschützt ansieht. 123 

250

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

schaftliche Bewegungsfreiheit für die Zukunft beeinträchtigen könnten.129 Es besteht daher auch nicht die Gefahr, dass der Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht in der Lage ist, seine eigenen vertraglichen Verpflichtungen betreffend ein in der Zukunft liegendes Verhalten einzuschätzen.130 Aus dem Umstand, dass die verbriefte Forderung des Teilschuldverschreibungsgläubigers noch nicht fällig ist, folgt ebenfalls keine als Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts zu wertende Einschränkung der Dispositionsmöglichkeiten des Teilschuldverschreibungsgläubigers. Vielmehr spiegelt sich lediglich das vom Anleger bewusst eingegangene Anlagerisiko wider.131 Der Teilschuldverschreibungsgläubiger erwirbt ein Produkt – die verbriefte Forderung. Wenn sich der Wert dieses Produktes aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Teilschuldverschreibungsschuldners negativ entwickelt, ist der Teilschuldverschreibungsgläubiger auf die Prospekthaftung132 verwiesen. Daneben kann eine Inanspruchnahme des Anlageberaters oder Anlagevermittlers wegen Verletzung einer Beratungs- oder Aufklärungspflicht in Betracht kommen. Eine Inanspruchnahme des Verkäufers der Schuldverschreibungen nach den §§ 437 ff. BGB wird dagegen in aller Regel ausscheiden, da den Verkäufer einer Forderung grundsätzlich keine Bonitätshaftung trifft133 – die Bonität des Schuldners fällt grundsätzlich allein in den Risikobereich des Käufers der Forderung. Dass die fehlende Fälligkeit nicht als Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit – und damit des Selbstbestimmungsrechts – zu bewerten ist, lässt sich außerdem mit dem strukturellen Unterschied zwischen Schuldverschreibungen und einem Darlehensvertrag begründen: Ein Zweiterwerber der Teilschuldverschreibungen hat dem Schuldner gerade kein Kapital überlassen, weshalb auch die fehlende Zugriffsmöglichkeit nicht als Freiheitsbeeinträchtigung gewertet werden kann. Um dem Einwand, dass auch der Zessionar einer Darlehensforderung dem Darlehensnehmer kein Kapital überlässt, vorzugrei129 

Vgl. hierzu auch Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 700. auch Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 700, der aber von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 314 BGB ausgeht. 131 Vgl. auch Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 708: „Der Umstand, dass der Inhaber auf liquide Mittel angewiesen ist, kann danach zweifellos nicht zur Kündigung berechtigen, weil dies zu seiner persönlichen Risikosphäre gehört.“ Thomas weist zudem darauf hin, dass der Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Veräußerung seiner Schuldverschreibung liquide Mittel erzielen könne, S. 708. Für Genussscheine bezweifeln auch Reuter/Katschinski, in: Gebhardt/Gerke/Steiner, S. 325 f., die Annahme eines zwingenden außerordentlichen Kündigungsrechts des Genussscheininhabers, da es an der unerträglich gewordenen Bindung fehle. 132 Vgl. auch Thomas, ZHR 171 (2007), S. 684, 700, der die kapitalmarktrechtlichen Publizitätsregelungen als Argument gegen die Schutzbedürftigkeit des Inhabers von ewigen Anleihen im Hinblick auf das Risiko von Fehleinschätzungen hinsichtlich zukünftiger Gefahren anführt; ebenso Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 483. 133  Beckmann, in: Staudinger, § 453, Rn. 8; Faust, in: BeckOK‑BGB, § 453, Rn. 20. 130  Vgl.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

251

fen, sei auf die rechtliche Struktur von Schuldverschreibungen hingewiesen: Es handelt sich gerade nicht um eine Forderung aus einem Kausalvertrag, sondern in aller Regel um eine in doppelter Hinsicht abstrakte Forderung: Die verbriefte Forderung ist nicht nur in ihrer Wirksamkeit unabhängig von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kausalvertrages, sie nimmt auch keinen Bezug auf einen Kausalvertrag und ist insoweit „typenlos“.134

g)  Rechtssicherheit und Attraktivität des deutschen Anleiherechts Ein in den Anleihebedingungen nicht vorgesehenes außerordentliches Kündigungsrecht liefe auch dem Regelungsziel des SchVG, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, zuwider. Zum einen weil dadurch – wie beschrieben – die privatautonome Risikoverteilung unterlaufen wird.135 Zum anderen weil Unsicherheit über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 314 BGB bestehen kann. § 314 BGB enthält mit dem Tatbestandsmerkmal des „wichtigen Grundes“ nicht nur einen unbestimmten Rechtsbegriff,136 erforderlich ist zudem eine Interessenabwägung. Die Anwendbarkeit von § 314 BGB führt dazu, dass die Finanzierungsbeziehung zwischen dem Emittenten und den Teilschuldverschreibungsgläubigern undurchsichtig wird.137 Die Unsicherheit über die Fälligkeit einer Teilschuldverschreibung ist dabei auch mit Blick auf den Charakter von Schuldverschreibungen als handelbare Wertpapiere problematisch. Teilweise wird zwar versucht, die Voraussetzungen des § 314 BGB für das Anleiheschuldverhältnis zu konkretisieren. Florstedt/von Randow etwa wollen ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB nur in wenigen Fällen anerkennen und begründen die Anwendbarkeit dann mit dem Grundsatz von Treu und Glauben.138 Den Umweg über eine Präzisierung des § 314 BGB für das Anleiheschuldverhältnis sparen sich dagegen Bliesener/Schneider, die ein außerordentliches Kündigungsrecht für Schuldverschreibungen unmittelbar auf §  242 BGB stützen.139 Bei der unmittelbaren Anwendung des § 242 BGB könnten auch

134 

Vgl. zur „doppelten“ Abstraktheit Hueck/Canaris, S. 26 f., 208. Vgl. auch Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 346. 136  Diesbezüglich ebenfalls kritisch: Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 347; Blie‑ sener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 118. 137 So Florstedt, ZIP 2016, 645, 651; Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 347. 138  Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 351 ff.; fortführend Florstedt, ZIP 2016, 645, 651 ff.; vgl. auch Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, S. 129, 137 ff., der untersucht, unter welchen Voraussetzungen ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bei Restrukturierungsbedarf des Emittenten bestehen kann. 139  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 117 ff. 135 

252

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

die Anforderungen des Kapitalmarktes an Rechtssicherheit und Verlässlichkeit, berücksichtigt werden.140 Trotz „Konkretisierung“ der Voraussetzungen des § 314 BGB bleibt mit der Anwendbarkeit nicht in den Anleihebedingungen vorgesehener gesetzlicher Kündigungsrechte für Emittenten aber ein unkalkulierbares Risiko bestehen. Mit Blick auf die Planungssicherheit für Emittenten und das Ziel, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, ist eine Begrenzung der Kündigungsrechte auf die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten vorzugswürdig. Ungeschriebene, also nicht in den Anleihebedingungen vorgesehene Kündigungsrechte sind auch dem englischen141 und US-amerikanischen142 Anleiherecht fremd.143 Im US-amerikanischen Recht kann durch den covenant of good faith and fair dealing höchstens eine unvollständige Regelung in den Anleihebedingungen ergänzt und hieraus ein Recht zur Fälligstellung hergeleitet werden.144 Aus dem Prinzip des good faith and fair dealing können aber keine neuen – also nicht bereits vorgesehenen – Pflichten hergeleitet werden.145 Rechtssicherheit für in- wie ausländische Emittenten und Anleger wird erreicht, indem sich die Möglichkeiten, die verbriefte Forderung fällig zu stellen, ausschließlich nach den Anleihebedingungen richten. Der RefE2008 enthielt eine entsprechende Bestimmung.146 Auch der Umstand, dass die im RefE2008 enthaltene Bestimmung nicht in das SchVG übernommen wurde, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Weder im SchVG noch in der Gesetzesbegründung sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für Teilschuldverschreibungsgläubiger ein Kündigungsrecht aus § 314 BGB besteht. Schuldverschreibungen sind keine Dauerschuldverhältnisse. Ein Recht der Teilschuldverschreibungsgläubiger, ihre Schuldverschreibungen aus wichtigem Grund vorzeitig fällig zustellen, ergibt sich nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

140  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 118. 141 Vgl. Burn, in: Baums/Cahn, S. 219, 228: „It is very important to note that, as so often under English law, there is no overarching code or law that implies terms into the bond. If a term is not in the bond, it simply does not apply.“ 142  Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 352 f. 143 Zur Zurückhaltung der common-law Rechtsordnungen bei der aus übergeordneten Gerechtigkeitsempfindungen motivierten Intervention in privatautonom getroffene Vereinbarungen und zur stärker am Wortlaut der Vereinbarung orientierten Auslegung von Vertragsinhalten (sog. plain meaning rule) Reps, S. 126 ff., vgl. auch S. 289. 144 Zum covenant of good faith and fair dealing im US-amerikanischen Anleiherecht Flor‑ stedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 352 f.; siehe auch Reps, S. 128, 288 f. 145  Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 352 f.; Friel, S. 96. 146  Vgl. RefE2008, S. 13 f., 39.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

253

h)  Anlegerschutz gebietet nicht die Anwendbarkeit von § 314 BGB Für die Anleger bedeutet eine Beschränkung ihrer Kündigungsrechte auf die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten auch keinen unzumutbaren Nachteil, insbesondere wenn sich Anleger darauf verlassen können, dass sich ihre Rechte und deren Beschränkungen ausschließlich nach den Anleihebedingungen bestimmen.147 Es bedarf dann weder eines Umweges über etwaige Treuepflichten,148 die das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 314 BGB ausschließen, noch müssen wirksame Kündigungen durch Mehrheitsbeschlüsse für „gegenstandslos“ erklärt werden149. Ein System, bei dem für alle Beteiligten Sicherheit über ihre Rechtsposition besteht, genügt dem Anlegerschutz, denn die Anleger erwerben ein konkretes Finanzprodukt im Wissen um etwaige Risiken. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das Anlagerisiko durch § 314 BGB zulasten des Emittenten verschoben werden sollte. Anleger könnten das Kündigungsrecht nutzen, um sich von einer unliebsam gewordenen Kapitalanlage zu trennen und das Anlagerisiko auf den Emittenten und die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger zu übertragen. Die Anerkennung eines Kündigungsrechts aus § 314 BGB in der Rechtsprechung scheint durch den Schutz von (Klein-)Anlegern motiviert. Vermeintliche Billigkeitserwägungen der Gerichte sollten aber nicht zur Rechtfertigung der grundsätzlichen – und mit Breitenwirkungen verbundenen – Anwendbarkeit eines außerordentlichen Kündigungsrecht aus § 314 BGB und des damit verbundenen Eingriffs in ein privatautonom ausgestaltetes Finanzprodukt verwendet werden. Zudem bleibt fraglich, ob die gerichtliche Ergänzung im Fall (vermeintlich) „unvollständiger“ Verträge zielführender – und bei Verallgemeinerung einer Einzelfallentscheidung „gerechter“ ist als die – wenn auch unvollständige – privatautonome Gestaltung.150 Anlegerschutz kann und sollte durch die Prospekthaftung und Aufklärungsund Beratungspflichten erreicht werden. § 314 BGB sollte aber nicht zum Universalwerkzeug für den (Klein-)Anlegerschutz umfunktioniert werden.151 Eine Beschränkung auf die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten, die verbriefte Forderung vorzeitig fällig zu stellen, entschärft außerdem das Problem „räuberischer“ Anleihekündigungen. Sog. Berufskläger erwerben Teilschuldverschreibungen angeschlagener Emittenten mit großen 147  148 

C V 1.

149 

Vgl. bereits oben 2. Teil C V 1 b), insbes. ee) (3) sowie unten 3. Teil C. III 3 e) und f). Zu Treuepflichten zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern vgl. oben 2. Teil

So BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14; zur Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. unten 3. Teil C III 3. 150  Zur Theorie unvollständiger Verträge und zur gebotenen Zurückhaltung von Gerichten und dem Gesetzgeber bei der Ergänzung dieser vgl. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 662 f. 151  Kritisch auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 650 f., 653; ebenfalls kritisch bereits Florstedt/ von Randow, ZBB 2014, 345, 350 f.

254

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Abschlägen und kündigen aus wichtigem Grund, um so die Begleichung der Forderung zum Nennwert zu erreichen.152 Die Rechtsunsicherheit über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 314 BGB spielt den Kündigenden dabei in die Hände: Um eine Kündigungslawine zu vermeiden, wird der Emittent geneigt sein, zu zahlen.153 Bestehen nur die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten, wird die Unsicherheit über die Wirksamkeit einer Kündigung erheblich verringert und den „räuberischen“ Anleihegläubigern damit ihr Druckmittel genommen. Wohl (auch) um dem Missbrauch der Kündigungsmöglichkeit aus § 314 BGB entgegenzuwirken, sah sich die Rechtsprechung veranlasst, die – ebenfalls nicht aus den Anleihebedingungen oder dem Gesetz ersichtliche – Erstreckung der kollektiven Bindung und der Bindungswirkung von Mehrheitsbeschlüssen für gekündigte Teilschuldverschreibungen anzunehmen154 und Treuepflichten unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern, die das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 314 BGB ausschließen,155 zu statuieren. Diese Rechtsprechung verstärkt indes nur die Rechtsunsicherheit für Emittenten und Anleger. Wie Florstedt zutreffend herausstellt, sollte diese Rechtsunsicherheit zum Ausgangspunkt einer Rechtsfortbildung gemacht werden.156 Wenn sich die Rechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger im Grundsatz ausschließlich nach den Anleihebedingungen bestimmen, verlangt dies von dem Teilschuldverschreibungsschuldner bei Gestaltung der Anleihebedingungen zwar ein gewisses Maß an Weitsicht.157 Das notwendige Maß an Flexibilität kann (ggf.) durch Generalklauseln erreicht werden. Außerdem handelt es sich bei der Emission von Schuldverschreibungen um ein Geschäft, bei dem die Heranziehung von (rechtlichen) Beratern absolut üblich ist. Die Gestaltungsverantwortung, die dem Teilschuldverschreibungsschuldner zukommt, ist das Gegenstück zur Gestaltungsfreiheit. Ein auf dem Prinzip von Gestaltungsfreiheit und – mit dem korrespondierend – Gestaltungsverantwortung aufbauendes Anleiherecht bietet Flexibilität und Rechtssicherheit.

152 

Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 346; Veranneman, NJW 2016, 1178. Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 346, die darauf hinweisen, dass die Zahlung nach Kündigung nicht in Konflikt mit dem Gleichbehandlungsgebot steht; Florstedt, ZIP 2016, 645, 650; zum „Geschäftsmodell“ der „räuberischen“ Anleihegläubiger vgl. auch Veranneman, NJW 2016, 1178. 154  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14; vgl. zu dieser Entscheidung ausführlich unten 3. Teil C, insbes. II 2 b) sowie die Kritik an dieser Rechtsprechung unter 3. Teil C III 3. 155  Vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – XI ZR 370/15 –, juris Rz. 41; vgl. auch bereits OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I-3 U 57/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 98 ff., insbes. Rz. 104 ff.; zur Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. oben 2. Teil C V 1 b) ee) (3). 156  Florstedt, ZIP 2016, 645, 651. 157 Kritisch: Florstedt/von Randow, ZBB 2014, 345, 347. 153 Vgl.



B.  Kündigungsmöglichkeiten von Teilschuldverschreibungen

255

Ein Rückgriff auf § 242 BGB bleibt in absoluten Ausnahmefällen, wie etwa bei einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Teilschuldverschreibungsschuldners, trotzdem möglich. Das übergeordnete Prinzip von Treu und Glauben beansprucht für sämtliche schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen und damit auch für „bloße“ Schuldverhältnisse i. e. S. Geltung.158 Einer Heranziehung von § 242 BGB zur Begründung von Kündigungsrechten – genauer: zur Herbeiführung der Vorfälligkeit der verbrieften Forderung – stehen außerhalb des tatbestandlichen Anwendungsbereichs des § 314 BGB keine Bedenken entgegen.159 Die Anforderungen an eine mit § 242 BGB begründete Vorfälligkeit der verbrieften Forderungen sind auch strenger als die Anforderungen an eine Kündigung nach § 314 BGB. Die Annahme eines Kündigungsrechts aus § 242 BGB sollte allerdings auf (absolute) Härtefälle begrenzt bleiben.160 Eine pauschale Anwendbarkeit von § 314 BGB oder § 242 BGB ist abzulehnen.

III. Zusammenfassung Die Möglichkeit, die verbriefte Forderung vorzeitig fällig zu stellen, besteht grundsätzlich nur, soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen. Es besteht kein Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB, da es sich bei Schuldverschreibungen nicht um (verbriefte) Darlehen handelt. Auch eine entsprechende Anwendung scheidet aus, da Schuldverschreibungen sich in ihrer rechtlichen Struktur von Darlehen unterscheiden und kein gesetzliches Leitbild zum Inhalt von Schuldverschreibungen existiert, wonach im Fall einer Vermögensverschlechterung des Schuldverschreibungsschuldners ein Kündigungsrecht des Schuldverschreibungsgläubigers besteht. Auch § 314 BGB ist nicht auf Schuldverschreibungen anwendbar. Bei dem Rechtsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubiger handelt es sich nicht um ein Dauerschuldverhältnis. Darüber hinaus würde die Anerkennung eines außerordentlichen Kündigungsrechts aus § 314 BGB für die Teilschuldverschreibungsgläubiger die privatautonom vorgenommene Risikoverteilung aushebeln und Rechtsunsicherheit erzeugen, was dem Regelungsziel des SchVG – die Steigerung der Attraktivität des deutschen Anleiherechts im internationalen Wettbewerb – zuwiderliefe. Es wurde auch gezeigt, dass die Funktion des 158  Vgl. zum Anwendungsbereich von § 242 BGB Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 99; Schmidt-Kessel/Kramme, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 242, Rn. 5 f.; Böttcher/Hohloch, in: Erman, § 242, Rn. 41 ff., vgl. auch Rn. 50, wonach im Wertpapierrecht als Gegenprinzip die Formstrenge zu beachten ist. 159  Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 388; vgl. auch Böttcher/Hohloch, in: Erman, § 242, Rn. 26. 160  Wie hier: Schmidtbleicher, S. 340; im Ergebnis auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 651 ff., der indes § 314 BGB anwendet.

256

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

§ 314 BGB – die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts – eine entsprechende Anwendung dieser Norm auf Teilschuldverschreibungen nicht gebietet. Dass sich im Einzelfall aus dem Grundsatz von Treu und Glauben die Möglichkeit ergeben kann, eine Teilschuldverschreibung vorzeitig fällig zu stellen, gebietet nicht die pauschale Anwendung des § 314 BGB. In solchen Fällen kann über § 242 BGB den Interessen des Teilschuldverschreibungsgläubigers ausreichend Rechnung getragen werden.161

C.  Die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG I. Problemdarstellung Sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger aufgrund der kollektiven Bindung zu einem Kollektiv eigener Art verbunden und besteht im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger, stellt sich die Frage, wie weit diese Bindung und die Vertretungsmacht in zeitlicher Hinsicht reichen. Nach § 4 S. 1 SchVG gilt die kollektive Bindung „während der Laufzeit der Anleihe“. Die Laufzeit der Anleihe beginnt mit dem Zeitpunkt der Begebung der Schuldverschreibungen und endet mit dem in den Anleihebedingungen angegebenen Zeitpunkt.162 Die Laufzeit kann durch Kündigung auch vorzeitig beendet werden.163 Vielfach wird allerdings angenommen, dass diesem Passus keine eigenständige Bedeutung zukommt und die kollektive Bindung entgegen dem Wortlaut des § 4 S. 1 SchVG über die Laufzeit der Anleihe hinaus Geltung beansprucht.164 Mit der zeitlichen Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG musste sich auch der XI. Zivilsenat des BGH im Fall Solarworld165 befassen. Er vertritt die 161 

Wie hier auch Schmidtbleicher, S. 340; vgl. auch Wansleben, WuB 2016, 390, 394. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 37; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 21. 163 Vgl. Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 60. 164  Horn, BKR 2009, 446, 448; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 60; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 21; zurückhaltender: Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 39, vgl. aber auch Rn. 37; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 316; Cagalj, S. 129; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 11; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 37; Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 112. 165  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14. 162 



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

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Auffassung, dass die kollektive Bindung über die Laufzeit hinaus wirkt und Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die vor Beschlussfassung wirksam gekündigt haben, verbindlich sind.166 Die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen soll im Folgenden untersucht werden. Dabei wird insbesondere die Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH kritisch zu betrachten sein.

II. Meinungsstand 1.  Kollektive Bindung und Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach regulärem Laufzeitende Überwiegend wird der in § 4 S. 1 SchVG enthaltenen Beschränkung der kollektiven Bindung auf die „Laufzeit der Anleihe“ keine Bedeutung beigemessen.167 Die kollektive Bindung bestehe solange fort, bis die Leistungspflichten aus den Schuldverschreibungen vollständig und endgültig erfüllt seien.168 Solange einer Vielzahl von Teilschuldverschreibungsgläubigern gleichgeartete Ansprüche gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner zustünden, mache ein Wegfall der kollektiven Bindung nach Laufzeitende keinen Sinn.169 Bis zur vollständigen Erfüllung sämtlicher Ansprüche einer Emission gelte das Gleichbehandlungsgebot und bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen seien ausgeschlossen.170 Als Beleg für diese teleologische Reduktion des § 4 S. 1 SchVG und die daraus folgende Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG nach Laufzeitende wird teilweise die Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH in Sachen Pfleiderer angeführt.171 Der II. Zivilsenat des BGH hatte 166 

BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14. Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 21; Horn, BKR 2009, 446, 448; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 60; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 21; zurückhaltender: Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 39, vgl. aber auch Rn. 37; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 316; Cagalj, S. 129; Blie‑ sener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 11; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 37; Grell/Splittgerber/ Schneider, DB 2015, 111, 112. 168  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 11, vgl. auch § 5, Rn. 7.; Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 112; vgl. auch BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 21. 169  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 11. 170  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 37. 171  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 21; Lürken, GWR 2014, 437; Weissinger, WuB 2015, 12, 15; vgl. auch Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 112. 167  BGH,

258

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

über die Wirksamkeit eines Opt-Ins nach § 24 Abs. 2 SchVG und eines im Anschluss daran gefassten Mehrheitsbeschlusses betreffend die Laufzeitverlängerung nach Ende der regulären Laufzeit zu entscheiden.172 Neben der Frage, ob die Übergangsvorschrift des § 24 Abs. 2 SchVG auch auf solche Schuldverschreibungen anwendbar ist, die nicht dem SchVG 1899 unterfielen, – was der II. Zivilsenat des BGH richtigerweise bejahte173 – warf der Fall Pfleiderer auch die Frage nach der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach Laufzeitende auf. Im konkreten Fall verneinte der II. Zivilsenat des BGH die Wirksamkeit der Laufzeitverlängerung, da der Mehrheitsbeschluss wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot nichtig war.174

2.  Kollektive Bindung und Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen bei Laufzeitende durch Kündigung a)  Meinungsstand vor der Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH Teile des Schrifttums und der Rechtsprechung vertraten bereits vor der So‑ larworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH die Auffassung, dass eine Kündigung keine Auswirkungen auf die Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen hat.175 Aus den §§ 4, 5 Abs. 2 S. 1 SchVG folge, dass der Emittent bei einer Restrukturierung alle Teilschuldverschreibungsgläubiger gleichbehandeln muss und dass Mehrheitsbeschlüsse für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger gleichermaßen verbindlich sind.176

172 

BGH NZG 2014, 1102. Einsele, LMK 2014, 363946; Kessler, BB 2014, 2576; Lürken, GWR 2014, 437; Weissinger, WuB 2015, 12, 14; Friedl, BKR 2014, 514 f.; vgl. auch Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17.  Kap., §  24 SchVG, Rn. 6 ff.; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 24, Rn. 7; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 1, Rn. 36; für die Möglichkeit eines Opt-Ins gem. § 24 II SchVG auch für Altanleihen, die nicht dem SchVG 1899 unterfielen bereits: Keller, BKR 2012, 15, 16 ff.; Baums/ Schmidtbleicher, ZIP 2012, 204, 205 ff.; Weckler, NZI 2012, 480; Lürken, GWR 2012, 227; Paulus, EWiR 2012, 259 f.; Paulus, WM 2012, 1109, 1112 f.; Florstedt, ZIP 2012, 2286, 2288 ff.; Meier/Schauenburg, CFL 2012, 161, 165 ff.; Oulds, CFL 2012, 353, 355 ff.; Weiß, in: Baums, Das neue Schuldverschreibungsrecht, S. 25, 26 ff.; Hartwig-Jacob/Friedl, in: FraKommSchVG, § 24, Rn. 13; Than, WuB 2013, I G 7. – 1.13, S. 87, 89 f.; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 908 f.; vgl. auch Thole, ZGR 2013, 109, 160. 174  BGH NZG 2014, 1102, 1104. 175  Ostermann, DZWIR 2015, 313, 315 ff.; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 548, 567 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 19 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016), der die rückwirkende Beseitigung einer Kündigung durch Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 SchVG für zulässig hält; LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1076 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); vgl. auch Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 412. 176  Ostermann, DZWIR 2015, 313, 315. 173 Zustimmend:



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

259

Teilweise wurde sogar die rückwirkende Beseitigung bereits ausgeübter Kündigungsrechte durch Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 SchVG für zulässig erachtet.177 Es genüge, wenn die Anleihebedingungen vorsehen, dass Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 3 SchVG gefasst werden können. Einer ausdrücklichen Ermächtigung, bereits ausgesprochene Kündigungen für unwirksam zu erklären, bedürfe es nicht. Zur Begründung wurde auch auf die Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH verwiesen: Wenn die Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Mehrheitsbeschluss rückwirkend eine Laufzeitverlängerung einer bereits endfälligen Anleihe beschließen können, müssten erfolgte Kündigungen ebenfalls rückwirkend beseitigt werden können.178 Außerdem sei § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG, der die Möglichkeit der Beseitigung der Wirkung einer Gesamtkündigung vorsieht, ein Indiz für die Zulässigkeit solcher Mehrheitsbeschlüsse.179 Nach der Auffassung des LG Bonn gilt die kollektive Bindung nach Laufzeitende zwar fort und sind Mehrheitsbeschlüsse auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger bindend, die zuvor gekündigt hatten; die Aufhebung einer wirksamen Einzelkündigung bedarf aber einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage in den Anleihebedingungen.180 § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG könne auch nicht entsprechend angewendet werden. Ähnlich argumentiert Thole, der zwar die Fortgeltung der kollektiven Bindung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach einer Kündigung bejaht, den Teilschuldverschreibungsschuldner aber gem. § 242 BGB daran gehindert sieht, sich gegenüber dem Leistungsbegehren des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers auf eine durch Mehrheitsbeschluss herbeigeführte Änderung der Anleihebedingungen zu berufen.181 Andernfalls würden die Grenzen des § 5 Abs. 5 SchVG unterlaufen.182 177  Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 548, 567 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 19 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/resear ch/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Ostermann, DZWIR 2015, 313, 315 ff.; für die Zulässigkeit eines rückwirkenden Kündigungsverzichts durch Mehrheitsbeschluss auch Moser, NZI 2016, 470; offengelassen dagegen vom OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 2015 – I‑U 58/12, 3 U 58/12 –, juris Rz. 107. 178  Ostermann, DZWIR 2015, 313, 315. 179  Ostermann, DZWIR 2015, 313, 315 f. 180  LG Bonn ZIP 2014, 1073 ff. (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14), das eine Unmöglichkeit der Erfüllung des verbrieften Zahlungsanspruchs infolge der Durchführung des Mehrheitsbeschlusses über den Umtausch der streitgegenständlichen Teilschuldverschreibungen annahm und im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner bejahte. Vgl. auch Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412; Paulus, EWiR 2014, 481 f. 181  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 21, § 5 SchVG, Rn. 105. 182  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 21, § 5 SchVG, Rn. 105.

260

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Das OLG München vertritt für das SchVG 1899 die Auffassung, dass dieses unabhängig vom Fälligkeitszeitpunkt anwendbar ist.183 Solange der Emittent die Forderungen aus den Teilschuldverschreibungen noch nicht erfüllt hat, seien die Teilschuldverschreibungsgläubiger nach wie vor „Gläubiger“ i. S. d. SchVG 1899 und an Mehrheitsbeschlüsse gebunden. Eine Kündigung führe nicht zum Verlust der Gläubigerstellung.184 Auch Sinn und Zweck des SchVG 1899 sprächen dafür, dass die Fälligkeit für die Anwendbarkeit des Gesetzes irrelevant ist.185 Vor und nach dem Fälligkeitszeitpunkt bestehe ein Bedürfnis für Mehrheitsentscheidungen, die eine gleichmäßige Beteiligung an Sanierungen des Teilschuldverschreibungsschuldners ermöglichen. Einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger sollten nicht zu Lasten der anderen Teilschuldverschreibungsgläubiger und des Teilschuldverschreibungsschuldners mehr Rechte geltend machen (können) als alle anderen Teilschuldverschreibungsgläubiger.

b)  Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH Der XI. Zivilsenat des BGH geht in seiner im Schrifttum auf große Zustimmung186 gestoßenen Solarworld-Entscheidung von der Fortgeltung der kollektiven Bindung nach einer wirksamen Kündigung und der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger, also auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die zuvor wirksam gekündigt haben, aus.187

aa) Sachverhalt Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte emittierte im Jahr 2011 in einer Dauerglobalurkunde ohne Zinsscheine verbriefte, auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen. Die Anleihebedingungen sahen eine Regelung für Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger sowie die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters vor. In verschiedenen Ad-hoc-Mitteilungen gab die Beklagte bekannt, dass

183 

OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 22, 27. OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 27. 185  OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 22. 186  Lürken, GWR 2016, 78; Moser, NZI 2016, 470; Veranneman, NJW 2016, 1178; Weis‑ singer, EWiR 2016, 197 f.; Vogel, ZBB 2016, 179, 182 ff.; Jäger, AG 2016, R153 ff., der aber in Frage stellt, „ob der vom BGH herausgearbeitete Gesetzeszweck […] wirklich eine so strikte Beschränkung individueller Kündigungsmöglichkeiten erfordert“, wenn das Vermögen des Emittenten ausreiche, um alle Anleger zu befriedigen; vgl. auch Pehl, FD‑InsR 2016, 376292; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 37; dagegen wie hier kritisch: Florstedt, ZIP 2016, 645 ff., insbes. S. 649 f.; Wansleben, WuB 2016, 390, 392 ff.; differenzierend auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 105. 187  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14. 184 



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

261

eine finanzwirtschaftliche Restrukturierung erforderlich sei, und informierte über den Stand des Restrukturierungsprozesses. Die Klägerin hatte nach Bekanntwerden der Restrukturierungsmaßnahmen Teilschuldverschreibungen erworben. Unter Berufung auf die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsrechte kündigte sie ihre Teilschuldverschreibungen, später wiederholte sie ihre Kündigung, die sie zusätzlich auf außerordentliche Kündigungsrechte aus § 314 BGB sowie § 490 BGB stützte. Auf einer Gläubigerversammlung der streitgegenständlichen Anleihe stimmten mehr als 99 % der vertretenen Stimmen dem von der Beklagten vorgeschlagenen Restrukturierungskonzept zu, das einen Umtausch der Schuldverschreibungen in Erwerbsrechte auf neue Schuldverschreibungen mit einem reduzierten Nennwert und in Erwerbsrechte auf neue Aktien der Beklagten vorsah. Außerdem stimmten die Teilschuldverschreibungsgläubiger einem zeitlich befristeten Kündigungsverzicht zu. Das Sanierungskonzept wurde nach Billigung auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten umgesetzt. Im Zuge der Umsetzung wurden die ursprünglichen – streitgegenständlichen – Teilschuldverschreibungen gegen Einbuchung der neuen Schuldverschreibungen aus dem Depot der Klägerin ausgebucht. Die ursprünglichen Teilschuldverschreibungen wurden auf das Depot einer als Abwicklungsstelle eingeschalteten Bank eingebucht und von dieser der Beklagten anschließend erlassen. Die Klägerin begehrte Zahlung aus der ursprünglichen Teilschuldverschreibung.

bb) Verfahrensgang Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage als unbegründet ab, weil es an einem Kündigungsgrund gefehlt habe.188 Das OLG Frankfurt am Main gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung Zug um Zug gegen Aushändigung der neuen Schuldverschreibungen.189 Die Klägerin habe wirksam gekündigt. Ihr Kündigungsrecht ergebe sich aus den Anleihebedingungen. Durch eine Kündigung werde das Vertragsverhältnis zwischen dem Teilschuldverschreibungsgläubiger und dem Teilschuldverschreibungsschuldner beendet.190 Die Ausübung des Kündigungsrechts widerspreche auch nicht der Intention des SchVG.191 Zum einen war das Kündigungsrecht ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehen. Zum anderen bilde die Möglichkeit, sich durch Kündigung von der Anleihe zu lösen, gerade das Korrelat zu den für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlichen Mehrheitsbeschlüssen. Ein durch Mehrheitsbeschluss erfolgter Verzicht auf Kündigungs188 

LG Frankfurt/M., Az. 2–18 O 429/13 (unveröffentlicht). OLG Franfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14. 190  OLG Franfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 76. 191  OLG Franfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 73. 189 

262

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

rechte entfalte keine rückwirkende Bindungswirkung für eine zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits wirksam ausgesprochene Kündigung.192 Allerdings soll der Mehrheitsbeschluss betreffend den Umtausch der Schuldverschreibungen in neue Schuldverschreibungen nach der Auffassung des OLG Frankfurt am Main auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger bindend sein, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits wirksam gekündigt hatten.193 Zwar tangiere der Umtausch nicht die Aktivlegitimation der Klägerin, da der Umtausch allein den Anspruch der Beklagten aus § 797 BGB auf Aushändigung der Schuldverschreibungen berühre. Betreffend die neuen Schuldverschreibungen sei der Beschluss aber auch für die Klägerin bindend. Die Klägerin habe diese neuen Schuldverschreibungen nach § 797 BGB auszuhändigen.

cc)  Begründung des XI. Zivilsenates des BGH Auf die Revision der Beklagten hob der XI. Zivilsenat des BGH das Urteil des OLG Frankfurt am Main auf und wies die Berufung der Klägerin zurück. Mehrheitsbeschlüsse nach § 5 SchVG seien auch für solche Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich, die die Anleihe zuvor wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Emittentin außerordentlich gekündigt haben.194 Da der Zahlungsanspruch mit Vollziehung des Beschlusses über den Umtausch der Schuldverschreibungen auf die Abwicklungsstelle übertragen wurde, sei die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung gegenstandslos geworden, weshalb es einer – wie auch immer gestalteten – Rücknahme der Kündigung nicht bedürfe.195 Der XI. Zivilsenat des BGH begründet dies zum einen mit dem Wortlaut der in den Anleihebedingungen enthaltenen und § 5 Abs. 2 S. 1 SchVG entsprechenden Regelung betreffend Mehrheitsbeschlüsse, nach der Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger für alle Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich 192 

87.

193  194 

OLG Franfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 61. OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, juris Rz. 81 ff., insbes.

BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris (Leitsatz). Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 28; a. A. LG Bonn, ZIP 2014, 1073 ff. (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14), das sich in einem vergleichbaren Fall mit der Frage, ob Mehrheitsbeschlüsse auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die bereits wirksam gekündigt hatten, verbindlich sind, auseinandersetzen musste. Nach der Lösung des LG Bonn sind die Mehrheitsbeschlüsse zwar auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die zuvor gekündigt hatten, bindend. Die Durchführung des Beschlusses führe aber nicht dazu, dass die Kündigungen gegenstandlos werden, sondern die Durchführung des Beschlusses führe zur Unmöglichkeit der Erfüllung des verbrieften Zahlungsanspruchs. Da sich der Teilschuldverschreibungsschuldner bereits in Verzug befand und nach § 287 S. 2 BGB auch für den zufälligen Untergang hafte, bejahte das LG Bonn im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch des Teilschuldverschreibungsgläubigers, der gekündigte hatte, aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB gegen den Schuldner. 195  BGH,



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

263

sind, sowie mit dem Gebot der Gleichbehandlung des § 4 S. 2 SchVG.196 Durch die Kündigung verliere der kündigende Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht seine Gläubigerstellung.197 Die Kündigung führe lediglich zur Fälligkeit der verbrieften Forderung und berühre im Übrigen nicht den Inhalt oder den Umfang der in der Schuldverschreibung verbrieften Forderung.198 Der Fälligkeitszeitpunkt sei für die Anwendbarkeit des SchVG indes nicht von Relevanz.199 Die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG sei sogar ein Beleg für die Anwendbarkeit des SchVG nach Kündigung einer Schuldverschreibung. Dem Merkmal „während der Laufzeit der Anleihe“ in § 4 S. 1 SchVG komme bis zur vollständigen Erfüllung der Anleihe keine eigenständige Bedeutung zu.200 Der XI. Zivilsenat des BGH verweist dabei auch auf die Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH in Sachen Pfleiderer, in der dieser ebenfalls von der Zulässigkeit einer Beschlussfassung nach Laufzeitende ausgegangen sei.201 Sein Auslegungsergebnis stützt der XI. Zivilsenat des BGH zum anderen auf die Gesetzesmaterialien, nach denen die kollektive Bindung soweit reiche, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete.202 Außerdem spreche der Zweck des SchVG für diese Auslegung. Ziel des SchVG – und insbesondere der §§ 4, 5 SchVG – sei die gleichmäßige Beteiligung der Gläubiger an einer vorinsolvenzrechtlichen Sanierung.203 Bestünde für (einzelne) Teilschuldverschreibungsgläubiger durch die Kündigung eine Ausstiegsmöglichkeit vom Sanierungskonzept (zu Lasten der übrigen Gläubiger), wäre der Sanierungserfolg nachhaltig gefährdet – und das SchVG würde seine praktische Bedeutung verlieren.204 Dieser Auslegung stehe auch § 5 Abs. 5 SchVG nicht entgegen.205 Diese Vorschrift enthalte keine Aussage darüber, welche Wirkungen ein Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 2 S. 1 SchVG auf eine Individualkündigung habe.206 § 5 Abs. 5 SchVG, der die Rücknahme einer Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss regelt, sei von den Mehrheitsbeschlüssen nach § 5 Abs. 2, 3 SchVG zu trennen. § 5 Abs. 5 SchVG bezwecke lediglich, der Mehrheit der 196 

BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 17. Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18; so bereits – allerdings noch unter Geltung des SchVG 1899 – das OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 27, vgl. auch Rz. 22, das daraus die Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach dem SchVG von 1899 auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsschuldner, die vor Beschlussfassung wirksam gekündigt haben, folgert. 198  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18. 199  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 19; so bereits für das SchVG 1899 OLG München, Urteil vom 22. Juni 2015 – 21 U 4719/14 –, juris Rz. 22, 27. 200  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 21. 201  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 20. 202  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 23. 203  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 24. 204  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 25. 205  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26. 206  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26. 197  BGH,

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Teilschuldverschreibungsgläubiger zu ermöglichen, einen von einer Minderheit verursachten erheblichen Liquiditätsabfluss beim Emittenten zu unterbinden.

III. Stellungnahme 1.  Zum Aussagegehalt der Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH Anders als vielfach angenommen hat der II. Zivilsenat des BGH in der Pflei‑ derer-Entscheidung zur Frage der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG nach Laufzeitende keine Aussage getroffen. Zwar ging der II. Zivilsenat des BGH davon aus, dass ein Opt-In nach § 24 Abs. 2 SchVG durch einen Mehrheitsbeschluss auch nach Laufzeitende möglich ist.207 Die Frage, ob eine für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindliche Laufzeitverlängerung auch nach Laufzeitende durch Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG herbeigeführt werden kann, hat der BGH indes nicht entschieden208 – und musste er auch nicht entscheiden, da der Mehrheitsbeschluss wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG, wonach ein Mehrheitsbeschluss grundsätzlich gleiche Bedingungen für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger vorsehen muss, nichtig war. Zwar betrifft auch der Mehrheitsbeschluss über den Opt-In gem. § 24 Abs. 2 SchVG die Änderung der Anleihebedingungen. Da für diesen Beschluss aber in keinem Fall die kollektive Bindung und die §§ 5 ff. SchVG gelten konnten – das SchVG sollte durch den Opt-In-Beschluss ja erst für anwendbar erklärt werden und auch das SchVG 1899 fand auf die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen keine Anwendung –209, kann aus dieser Entscheidung nicht – 207  Vgl. auch Weissinger, WuB 2015, 12, 15; Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 112; kritisch Einsele, LMK 2014, 363946. 208  Soweit aus dieser Entscheidung mit Verweis auf Rz. 13 die Aussage entnommen wird, dass Änderungen der Anleihebedingungen nach Laufzeitende durch für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlichen Mehrheitsbeschlüsse möglich sind (so BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 20; Ostermann, DZWIR 2015, 313, 316; Lürken, GWR 2014, 437), kann dieser generalisierenden Schlussfolgerung nicht gefolgt werden. Der II. Zivilsenat hat sich zur Zulässigkeit und zur Verbindlichkeit eines solchen Mehrheitsbeschlusses nach Fälligkeit des verbrieften Zahlungsanspruchs nicht geäußert, vgl. BGH NZG 2014, 1102, 1104 Rz. 13: „Soweit das BerGer. wegen der bereits abgelaufenen Laufzeit für die Genussscheine der Bekl. von einer unzulässigen Rückwirkung ausgegangen ist, ist nicht die Rückwirkung der Übergangsvorschrift des § 24 II SchVG betroffen, sondern die Zulässigkeit einer Laufzeitverlängerung im konkreten Einzelfall und damit die Wirksamkeit des Beschlusses der Gläubiger nach dem Schuldverschreibungsgesetz.“ Wie hier: Einsele, LMK 2014, 363946; Grell/Splittgerber/Schneider, DB 2015, 111, 112, die eine Laufzeitverlängerung durch Mehrheitsbeschluss nach Laufzeitende i. E. aber für zulässig halten. 209 Ohne die Regelung des § 4 S. 1 SchVG bestünde wie dargelegt keine „kollektive Bindung“ zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern, vgl. oben 2. Teil C II 2 a). Da das SchVG 1899 auf die streitgegenständlichen Anleihen nicht anwendbar war, kann die – richtigerweise zu verneinende – Frage, ob bereits unter dem SchVG 1899 eine kollektive Bindung



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

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jedenfalls nicht automatisch – gefolgert werden, dass die kollektive Bindung auch nach Laufzeitende fortwirkt und Mehrheitsbeschlüsse nach § 5 Abs. 1–3 SchVG für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich sind.

2.  Keine Geltung der kollektiven Bindung nach regulärem Laufzeitende Der Wortlaut des § 4 S. 1 SchVG beschränkt die kollektive Bindung auf die Laufzeit der Anleihe. Soll dieser zeitlichen Beschränkung keine Bedeutung zukommen, bedarf eine solche teleologische Reduktion einer Rechtfertigung.

a)  Zum Verweis auf die Gesetzesbegründung Der bloße Verweis auf die Gesetzesbegründung – der, anders als dem Gesetz, keine verbindliche Wirkung zukommt –, wonach die kollektive Bindung soweit reiche, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete,210 genügt als Begründung indes nicht. Dieser Passus der Gesetzesbegründung ist auf die sachliche Reichweite der kollektiven Bindung bezogen. Dafür spricht zum einen die Gesetzgebungshistorie. Im RefE2008 war die sachliche Reichweite der kollektiven Bindung noch beschränkt. Nach § 3 Abs. 2 RefE2008 sollten Bestimmungen in den Anleihebedingungen nicht der kollektiven Bindung unterliegen, soweit ihre rechtlich identische Ausgestaltung nicht erforderlich ist, um die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten. Nach § 3 Abs. 3 RefE2008 sollten „insbesondere alle Bestimmungen in Anleihebedingungen, in denen Hauptleistungspflichten des Schuldners geregelt werden“, der kollektiven Bindung unterliegen. Begründet wurde die in § 3 Abs. 2 RefE2008 vorgesehene Beschränkung damit, dass der Gesetzgeber die konkrete Reichweite der kollektiven Bindung nicht abschließend bestimmen könne.211 Sie dürfe aber nur so weit reichen, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete. Die genauen Grenzen ließen sich nicht abstrakt im Voraus bestimmen. Diese Einschränkung der kollektiven Bindung wurde nach der Kritik des Deutschen Anwaltvereins212 aufgegeben. In der Gesetzesbegründung zum SchVG wurde der Geltungsbereich der kollektiven Bindung sodann nicht mehr – wie noch im RefE2008 – negativ umschrieben, sondern es wurde positiv formuliert, dass die kollektive Bindung soweit reiche, bestand [vgl. dazu bereits oben 2. Teil C II 2 a), insbes. ff); diese Frage dagegen bejahend: Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 1; Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, Rn. 5; wie hier verneinend: Liebenow, S. 126 f.], hier auch dahinstehen. 210  Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 17. 211  RefE2008, S. 25. 212 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch seinen Zivilrechtsausschuss zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuld‑ verschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvor‑ schriften, August 2008, Stellungnahme Nr. 41/2008 (im Folgenden Stellungnahme DAV zum RefE2008), S. 9 f.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete.213 Da sich die negative Umschreibung des RefE2008 allein auf die sachliche Reichweite der kollektiven Bindung bezog, ist auch die Formulierung in der Gesetzesbegründung, die sich aus der Beschreibung im RefE2008 entwickelt hat, in Bezug auf die sachliche und nicht auf die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung zu verstehen. Zum anderen findet sich die besagte Formulierung in der Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit der Wirkung der kollektiven Bindung in Bezug auf Gerichtsentscheidungen und damit in einem Kontext, der die sachliche Reichweite der kollektiven Bindung betrifft. Auch dies spricht dafür, dass die Ausführungen zur nicht abschließend bestimmbaren Reichweite der kollektiven Bindung (jedenfalls primär) sachlich und nicht zeitlich zu verstehen sind.

b)  Zweck der kollektiven Bindung rechtfertigt teleologische Reduktion nicht Eine mit dem Zweck der kollektiven Bindung begründete Reduktion des Wortlauts des § 4 S. 1 SchVG muss auch auf diesen abstellen. Zweck der kollektiven Bindung ist – auch ausweislich der Gesetzesbegründung214 – die Gewährleistung der rechtlich identischen Ausgestaltung der Anleihebedingungen und damit der freien Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis. Der kollektiven Bindung kommt als solcher keine Sanierungsfunktion zu.215 Nicht die kollektive Bindung, sondern erst Mehrheitsbeschlüsse nach den §§ 5 ff. SchVG können vorinsolvenzrechtliche Sanierungen erleichtern. Die kollektive Bindung als solche erschwert aufgrund der nach ihr erforderlichen Einstimmigkeit bei der Änderungen der Anleihebedingungen Sanierungen sogar. Eine teleologische Ausweitung der kollektiven Bindung über das Laufzeitende müsste daher mit der Gewährleistung der Fungibilität der Teilschuldverschreibungen einer Emission und nicht mit der Funktion des SchVG als Vorinsolvenzrecht begründet werden. Die Gewährleistung der Fungibilität der Teilschuldverschreibungen einer Emission rechtfertigt indes nicht, die kollektive Bindung und die Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen über das Laufzeitende hinaus zu erstrecken. Zwar können die Teilschuldverschreibungsgläubiger auch nach Ende der Laufzeit ein Interesse an der Fungibilität der Teilschuldverschreibungen haben, ein Handel mit bereits fälligen Teilschuldverschreibungen ist denkbar. Allerdings ist kein Grund ersichtlich, warum bilaterale Einzeländerungen der Teilschuldverschreibungen nach Fälligkeit unzulässig sein sollten und der Teilschuldverschreibungsschuldner nach Fälligkeit gezwungen sein sollte, mit sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern der Emission identische neue Verein213 

BT‑Drs. 16/12814, S. 17. BT‑Drs. 16/12814, S. 17. 215  Vgl. oben 2. Teil C II 4 c). 214 



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

267

barungen zu schließen. Außerdem ist für die Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht ersichtlich, dass Mehrheitsbeschlüsse nach (regulärem) Laufzeitende möglich sind, was mit Blick auf das Transparenzgebot und das Skripturprinzip äußerst problematisch ist.216 Dass die kollektive Bindung und die Bindungswirkung von Mehrheitsbeschlüssen mit der Laufzeit enden, ist auch für den Teilschuldverschreibungsschuldner nicht unzumutbar. Dieser legt die Laufzeit der Anleihe fest. Zeichnet sich vor Laufzeitende Änderungsbedarf ab, obliegt es dem Teilschuldverschreibungsschuldner, rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen und den Teilschuldverschreibungsgläubigern noch während der Laufzeit einen Änderungsvorschlag zu unterbreiten. Auch die Teilschuldverschreibungsgläubiger können vor Laufzeitende eine Änderung anstreben. Insgesamt legitimiert der Zweck der kollektiven Bindung nicht deren Fortgeltung nach Laufzeitende. Allein der Umstand, dass nach Laufzeitende ein Sanierungsbedarf beim Emittenten und daher der Wunsch nach Mehrheitsentscheidungen, die für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich sind, entstehen kann, rechtfertigt nicht die teleologische Erweiterung des zeitlichen Geltungsbereichs der kollektiven Bindung.

3.  Keine kollektive Bindung und keine Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach einer Kündigung – zur Solarworld-Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH Die Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH in Sachen Solarworld ist abzulehnen. Richtigerweise sind gekündigte Teilschuldverschreibungen nicht mehr von der kollektiven Bindung erfasst und Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG binden diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht, die ihre Teilschuldverschreibungen zuvor wirksam gekündigt haben.

a)  Keine Rückschlüsse aus der Pfleiderer-Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH Selbst wenn – entgegen der hier vertretenen Auffassung – aus der Entscheidung des II. Zivilsenates des BGH in Sachen Pfleiderer217 auf die grundsätzliche Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG nach regulärem Laufzeitende geschlossen werden könnte, ist die Verbindlichkeit eines Mehrheitsbeschlusses für gekündigte Teilschuldverschreibungen damit noch nicht belegt. Die Frage nach der zeitlichen Reichweite der kollektiven Bindung muss von der Frage, welche Teilschuldverschreibungen überhaupt (noch) der

216  217 

Vgl. auch unten 3. Teil C III 3 e). BGH NZG 2014, 1102 ff.

268

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

kollektiven Bindung unterliegen, getrennt werden. Der II. Zivilsenat des BGH musste sich mit letzterer Frage nicht auseinandersetzen, weil keine Kündigung erfolgt war – und damit keine mögliche Inhaltsänderung einzelner Teilschuldverschreibungen im Raum stand218 –, sondern sämtliche Teilschuldverschreibungen aufgrund des Endes der regulären Laufzeit fällig waren.219 Soweit vertreten wird, dass die kollektive Bindung über das Ende der Laufzeit hinaus fortwirkt, wird dies (auch) gerade mit der (fort-)bestehenden Inhaltsgleichheit der Teilschuldverschreibungen begründet.220

b)  Auswirkungen von Kündigungen auf die Inhaltsgleichheit aa)  Aufhebung der Inhaltsgleichheit durch Kündigung Voraussetzung für die kollektive Bindung und die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger binden, ist das Vorliegen inhaltsgleicher Schuldverschreibungen.221 Die kollektive Bindung bezieht sich nur auf inhaltsgleiche Teilschuldverschreibungen.222 Mehrheitsbeschlüsse zur Änderung der Anleihebedingungen oder zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters sind nach § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG nur für Gläubiger „derselben Anleihe“, also für Inhaber inhaltsgleicher Teilschuldverschreibungen, verbindlich. Nach der Auffassung des XI. Zivilsenates des BGH und einiger Stimmen im Schrifttum hat die Fälligstellung einer Teilschuldverschreibung durch Kündigung keine Auswirkungen auf die Inhaltsgleichheit.223 Teilweise wird

218 

Dazu sogleich 3. Teil C III 3 b). Wie hier auch Wansleben, WuB 2016, 390, 393. 220 Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 11: „Ein Wegfall der kollektiven Bindung macht auch nach Legal Maturity oder Kündigung keinen Sinn, solange einer Vielzahl von Anleihegläubigern gleichartige Ansprüche gegen den Emittenten zustehen.“ Vgl. auch Röh/Dörfler, in: Preuße, SchVG, § 4, SchVG, Rn. 60: „Richtigerweise werden die kollektive Bindung und der Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch auch über das Ende der Laufzeit der Anleihe zu gelten haben, so lange dies nach Sinn und Zweck erforderlich erscheint. Dies gilt etwa für nach Ablauf der Laufzeit noch ausstehende, nicht zurückgezahlte Schuldverschreibungen oder die vorzeitige Beendigung der Laufzeit der gesamten Anleihe [Hervorhebung durch die Verf.], etwa durch berechtigte Kündigung wegen einer Schuldnerkrise.“ 221  Dies folgt bereits aus § 1 Abs. 1 SchVG sowie § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SchVG; vgl. außerdem: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 49; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 3; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 11; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 11; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 1, § 5 SchVG, Rn. 17. 222  Vgl. bereits § 1 Abs. 1 SchVG sowie Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 1. 223  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412; Vogel, ZBB 2016, 179, 184. 219 



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

269

das Merkmal der Inhaltsgleichheit auf gleichlautende Anleihebedingungen reduziert.224 Eine gekündigte Teilschuldverschreibung verkörpere weiterhin denselben – nun lediglich fälligen – Zahlungsanspruch auf Basis derselben Anleihebedingungen.225 Eine Kündigung habe keine Auswirkungen auf die Inhaltsgleichheit und damit auch nicht auf die Geltung der kollektiven Bindung und die Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen.226 Als Beleg wird auch die sich aus § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ergebende Möglichkeit, die Wirkung einer Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss entfallen zu lassen, angeführt.227 Richtigerweise ist das Tatbestandsmerkmal der Inhaltsgleichheit nicht allein auf die niedergeschriebenen Anleihebedingungen zu verkürzen, maßgeblich ist vielmehr der Inhalt des verbrieften Zahlungsanspruchs. Nach der Gesetzesbegründung gehören zur „selben Anleihe“ Schuldverschreibungen, „[…] sofern für sie dieselben Bedingungen gelten und in den Bedingungen für alle Schuldverschreibungen die gleichen Rechte vorgesehen sind“.228 Inhaltsgleichheit bedeutet, dass die Schuldverschreibungen gleichartige Rechte verbriefen.229 Eine Inhaltsgleichheit soll so lange vorliegen, wie die Teilschuldverschreibungen untereinander austauschbar sind.230 Die Kündigung einer Teilschuldverschreibung führt zu deren Fälligkeit.231 Durch eine Kündigung wird somit der verbriefte Zahlungsanspruch verändert.232 Es wird dabei nicht nur der Leistungszeitpunkt vorverlegt – was allein schon eine Veränderung des Inhalts des verbrieften Rechts darstellt. Vielmehr untersteht der verbriefte Zahlungsanspruch nun nicht mehr den Anleihebedingungen, sondern den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen – etwa im Hinblick auf Verzugszinsen.233 Zwar ist es durchaus denkbar, dass die Anleihebedingungen auch

224 

Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412. Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412; in diesen Sinne auch BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18: „Die Kündigung der Schuldverschreibung dient nur dazu, die Fälligkeit der darin verbrieften Forderung herbeizuführen und dadurch den Leistungszeitpunkt festzulegen oder vorzuverlegen. Inhalt und Umfang der in der Schuldverschreibung verbrieften Forderung im Übrigen bleiben dagegen durch die Kündigung unberührt.“ 226  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412. 227  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412. 228  BT‑Drs. 16/12814, S. 18. 229  Vgl. zum Merkmal der Inhaltsgleichheit oben 1. Teil B II 1 c). 230  Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 8. 231  Vgl. oben 3. Teil A I. 232  Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 90 Fn. 35: „[…] Die Kündigung ist Ausübung eines Gestaltungsrechts, welches den Inhalt des gekündigten Rechts – der Schuldverschreibung – ändert.“ Liebenow, S. 134 Fn. 53. 233  Einsele, LMK 2014, 363946; Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 90 Fn. 35; auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 549, geht davon aus, dass sich infolge einer Kündigung ein unterschiedliches rechtliches Schicksal der gekündigten und nicht gekündigten Teilschuldverschreibungen ergibt. 225 

270

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Regelungen betreffend den Zeitraum nach einer Kündigung vorsehen.234 Diese Regelungen gelten aber nur für die gekündigten Teilschuldverschreibungen. Die Anleihebedingungen sehen also nicht mehr für alle Teilschuldverschreibungen die gleichen Rechte vor. Sofern keine vollständige Regelung getroffen wurde, finden ergänzend die gesetzlichen Regelungen Anwendung. Es gelten folglich gerade nicht mehr die gleichen Bedingungen für sämtliche Teilschuldverschreibungen. Die Teilschuldverschreibungen sind nicht mehr austauschbar235 und nicht mehr inhaltsgleich i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG236.

bb)  Vergleich zu nachträglichen Erhöhungen einer Emission Das Merkmal der Inhaltsgleichheit ist zwar auch bei nachträglichen Erweiterungen einer Emission, sog. Aufstockungen, erfüllt237, obwohl der Verzinsungsbeginn hier unterschiedlich ist. Eine Aufstockung unterscheidet sich aber in wesentlichen Aspekten von der hier diskutierten Situation der Kündigung einer Teilschuldverschreibung. Bei einer Aufstockung wird das ursprüngliche Emissionsvolumen durch Begebung zusätzlicher Schuldverschreibungen nachträglich erhöht.238 Häufiger Grund für eine nachträgliche Erweiterung des ursprünglichen Emissionsvolumens ist eine große Nachfrage nach den Schuldverschreibungen bei Investoren.239 Bei jeder Aufstockung entsteht eine neue Tranche, die mit der ursprünglichen Tranche zusammengeführt wird, sodass beide eine einheitliche Emission bilden.240 Die neu begebenen Schuldverschreibungen weisen zwar einen von den ursprünglichen Teilschuldverschreibungen abweichenden Ausgabetag und Verzinsungsbeginn sowie einen 234  Vgl. zur Zinsregelung nach Laufzeitende auch Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 4, Rn. 39. 235 Vgl. auch Leber, S.  280: „Kündigen einzelne Obligationäre der Gläubigermehrheit ihre Teilschuldverschreibungen, ‚spaltet‘ sich die gesamte Emission in gekündigte und nicht gekündigte Schuldverschreibungen.“ Hofmann/Keller, ZHR 175 (2011), S. 684, 702; Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 90, Fn. 35, der auf die Schwierigkeiten im Fall der Girosammelverwahrung hinweist und das Einzelkündigungsrecht wegen dessen Auswirkungen auf die Fungibilität der Schuldverschreibungen für unvereinbar mit dem System der Girosammelverwahrung hält; von einer Aufspaltung der Emission in gekündigte und nicht gekündigte Teilschuldverschreibungen geht auch Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 549, aus. 236  So auch Liebenow, S. 134, Fn. 53; Wansleben, WuB 2016, 390, 393. 237 Vgl. bereits oben 1. Teil B II 1 c); Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 9; HartwigJacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116, 119 ff.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 13; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 1 SchVG, Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 53; a. A. Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 50. 238  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116. 239  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 119. 240  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 119.



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

271

unterschiedlichen Emissionspreis auf.241 Der Emissionspreis ist aber ohnehin nicht in den Anleihebedingungen, sondern im Übernahmevertrag geregelt.242 Der abweichende Verzinsungsbeginn beruht allein auf dem späteren Ausgabezeitpunkt.243 Im Übrigen sind die Tranchen aber identisch und untereinander austauschbar.244 Die Tranchen werden auch mit der gleichen Wertpapierkennnummer gekennzeichnet.245 Im Fall von Kündigungen einzelner Teilschuldverschreibungen gleichen sich Teilschuldverschreibungen dagegen nicht aneinander an, sondern sie unterliegen vom Zeitpunkt der Kündigung an unterschiedlichen Bedingungen und sind nicht mehr austauschbar.

cc)  § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist kein Ausdruck der (Fort-)Geltung der kollektiven Bindung Da eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Anleihebedingungen lediglich Einzelwirkung entfaltet246 und dadurch folglich – ebenso wie im Fall von Einzelkündigungen – die Inhaltsgleichheit der gekündigten Teilschuldverschreibungen und der nicht gekündigten Teilschuldverschreibungen aufgehoben wird, ist die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auch kein Beleg für den Fortbestand der kollektiven Bindung nach einer Kündigung. Vielmehr bietet § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG eine Möglichkeit, die kollektive Bindung für sämtliche Teilschuldverschreibungen wiederherzustellen, indem durch die Aufhebung der Kündigung die Inhaltsgleichheit wiederhergestellt wird. Die Regelung ist ein Mittel zur Wiederherstellung der kollektiven Bindung, aber kein Ausdruck ihrer (Fort-)Geltung.247 Der Umstand, dass die Rücknahme einer Gesamtkündigung einen Beschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger erfordert, führt zu keiner anderen Bewertung. Die kollektive Bindung betrifft allein die rechtsgeschäftliche Änderung der Anleihebedingungen. Der Beschluss i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG hat dagegen die Aufhebung einer Kündigung zum Gegenstand.248 241 

Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116, 121. Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 116. 243  Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 9. 244  Preuße, in: Preuße, SchVG, § 1, Rn. 9. 245  Hartwig-Jacob, in: FraKommSchVG, § 1, Rn. 121. 246  Vgl. dazu oben 3. Teil A II 3. 247  A. A. Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 412. 248  Vgl. auch Leber, S. 284, der darauf hinweist, dass der Beschluss deshalb keines Vollzuges bedarf, um seine Wirkung zu entfalten; vgl. auch § 21 SchVG. Da es nicht um die Änderung der Anleihebedingungen geht, ist für die Aufhebung der Kündigung auch nicht die Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners erforderlich, vgl.: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 73, 79; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 15; a. A. Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5, Rn. 112. 242 

272

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Insgesamt ist die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG – also auch die Möglichkeit, in den Anleihebedingungen eine Gesamtkündigung vorzusehen –, anders als vielfach angenommen,249 kein Ausfluss der kollektiven Bindung. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG betrifft nicht die Änderung von Anleihebedingungen, sondern legt bestimmte Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Anleihebedingungen betreffend die Kündigung, also die Fälligstellung der verbrieften Forderung, fest. Eine Gesamtkündigung bedarf auch keines Beschlusses der Gläubiger,250 sondern es müssen lediglich ausreichend Kündigungserklärungen vorliegen.251 Systematisch ist § 5 Abs. 5 SchVG von § 5 Abs. 1–4, Abs. 6 SchVG zu trennen. Jene Absätze betreffen die Änderung der Anleihebedingungen, während § 5 Abs. 5 SchVG Regelungen zur Gesamtkündigung und deren Rücknahme durch Mehrheitsbeschluss enthält.252 Für dieses Verständnis von § 5 Abs. 5 SchVG spricht auch ein historisches Argument: Im RefE2008 war die heutige Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG noch in einem eigenständigen Paragrafen (§ 22 RefE2008) betreffend die Kündigungsrechte der Gläubiger geregelt. Die Regelung befand sich nicht im Abschnitt 2 betreffend Beschlüsse der Gläubiger, sondern in Abschnitt 3 betreffend den besonderen Inhalt von Anleihebedingungen. Dass die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG, die – abgesehen von geringen sprachlichen Modifikationen253 – inhaltlich unverändert ins SchVG übernommen wurde, in § 5 SchVG integriert wurde, ist dadurch zu erklären, dass die übrigen Bestimmungen zur Kündigung ersatzlos gestrichen wurden. Richtigerweise ist § 5 Abs. 5 SchVG somit kein Ausfluss der kollektiven Bindung.254 Daher ist es auch dann möglich, in den Anleihebedingungen eine 249  Horn, BKR 2009, 446, 450; in diesem Sinne auch Podewils, DStR 2009, 1914, 1916; Cagalj, S. 122; Vogel, in: Preuße, SchVG, § 5, Rn. 56; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 14, vgl. aber auch § 5 Rn. 5; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412, die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG einen Beleg für den Fortbestand der kollektiven Bindung nach einer Kündigung sehen. 250  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 90. 251  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 96. 252  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, §  5, Rn. 5; vgl. auch Leber, S. 284, der darauf hinweist, dass die Aufhebung der Kündigung nicht auf eine Änderung der Anleihebedingungen gerichtet ist. Auch der XI. Zivilsenat des BGH geht davon aus, dass es sich bei § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG „um eine spezielle Regelung einer Restrukturierungsmaßnahme“ handelt, die von den in § 5 Abs. 3 SchVG genannten Maßnahmen, „die eine Änderung der Anleihebedingungen zum Gegenstand haben, unabhängig ist und auch isoliert beschlossen werden kann, sodass sie einen eigenen ständigen Regelungsbereich aufweist“, BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26. 253 Vgl. Leber, S. 283: „Das SchVG2009 hat die Regelung des § 22 III RefE08 isoliert übernommen und mit minimalen Änderungen als § 5 V in das SchVG2009 eingefügt.“ 254  Zwischen der kollektiven Bindung und den Regelungen der §§ 5 ff. SchVG differenzierend auch Liebenow, S. 134 ff., der jedoch de lege ferenda die kollektive Bindung auf (Einzel-) Kündigungsrechte erstrecken möchte, S. 139 f.



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

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Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG vorzusehen, wenn von dem OptIn nach § 5 Abs. 1 SchVG kein Gebrauch gemacht wurde.255 Die systematische Stellung der Vorschrift innerhalb des Abschnittes 2 des SchVG ist verfehlt und ist de lege ferenda zu ändern.256

dd)  Zum Argument der Sanierungsunfreundlichkeit Die kollektive Bindung respektive der durch sie bezweckte Schutz der Fungibilität der Teilschuldverschreibungen einer Emission ist vom SchVG nicht vollumfänglich ausgestaltet.257 Es sollen lediglich bilaterale rechtsgeschäftliche Änderungen ausgeschlossen werden. Das SchVG hat die kollektive Bindung nicht als absolutes Prinzip konzipiert. Durch eine Kündigung können sich die Teilschuldverschreibungsgläubiger somit zwar der kollektiven Bindung und der Bindungswirkung von Mehrheitsentscheidungen entziehen.258 Da richtigerweise nur die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten zur Fälligstellung der verbrieften Forderung durch Kündigung bestehen, ist die Möglichkeit, sich Mehrheitsbeschlüssen zu entziehen, auch nur gegeben, wenn die Anleihebedingungen dies zulassen. Eine Ausstiegsmöglichkeit von Sanierungsmaßnahmen ist also nur dann gegeben, wenn sich der Teilschuldverschreibungsschuldner bei Gestaltung der Anleihebedingungen dafür entscheidet. Das SchVG, das nicht als Zwangssanierungsrecht konzipiert ist, sondern mit dem Opt-In-Modell dem Teilschuldverschreibungsschuldner die Entscheidung über die Sanierungsmöglichkeiten überlasst und „lediglich“ rechtssichere Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Anleihebedingungen aufstellt, gibt der privatautonomen Entscheidung den Vorrang. Den sanierungswilligen Teilschuldverschreibungsgläubigern bleibt es auch bei Kündigung einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger unbenommen, dem Sanierungskonzept zuzustimmen. Für den Fall, dass die Anleihebedingungen die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach den §§ 5 ff. SchVG nicht vorsehen, ist die Aufhebung der Inhaltsgleichheit sogar sanierungsfreundlicher, weil eine Einigung der sanierungswilligen Teilschuldverschreibungsgläubiger nun eher möglich ist. Dass sich der kündigende Teilschuldverschreibungsgläubiger auf Kosten der sanierungswilligen Teilschuldverschreibungsgläubiger befriedigt, ist als Ausfluss der privatautonomen Entscheidung der Beteiligten hinzunehmen, wenn 255  So auch Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.96; in diesem Sinne auch Baums, ZHR 177 (2013), S. 807, 816, der de lege ferenda eine Klarstellung empfiehlt. 256  Vgl. zu Leitlinien für eine Neuregelung des § 5 Abs. 5 SchVG unten 3. Teil E sowie den Reformvorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. 257  Vgl. oben 2. Teil C I 2, 3 b) sowie 2. Teil C II 4 a). 258  Wie hier auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 649 f., 653.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

die Anleihebedingungen ein Kündigungsrecht für den Fall der Vermögensverschlechterung des Emittenten vorsehen. Scheitert die Sanierung und kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Teilschuldverschreibungsschuldners, wird der „obstruierende“ Teilschuldverschreibungsgläubiger aufgrund von § 133 InsO zudem regelmäßig zur Rückzahlung der ihm zugeflossenen Leistungen verpflichtet sein.259 Die Steuerung von Kollektivhandlungsproblemen sollte weder durch pauschale Treuepflichtbindungen noch durch eine Ausdehnung der kollektiven Bindung sowie der Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen erfolgen. Vielmehr können Interessenkonflikte und Kollektivhandlungsprobleme, die aus der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Emittenten resultieren, ohne Widerspruch zu den bestehenden gesetzlichen Regelungen und kalkulierbar bei Ausgestaltung der Anleihebedingungen berücksichtigt werden.

ee) Zusammenfassung Die Kündigung einzelner Teilschuldverschreibungen hebt die Inhaltsgleichheit auf. Der Teilschuldverschreibungsgläubiger, der seine Teilschuldverschreibung wirksam gekündigt hat, ist zwar noch ein Gläubiger des Teilschuldverschreibungsschuldners, es handelt sich aber mangels Inhaltsgleichheit mit den nicht gekündigten Teilschuldverschreibungen nicht mehr um einen Gläubiger der‑ selben Anleihe. Die gekündigten Teilschuldverschreibungen unterliegen nicht mehr der kollektiven Bindung. Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG sind für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die vor Beschlussfassung bereits wirksam gekündigt hatten, nicht mehr verbindlich.260

c)  Verkennung der Funktion der kollektiven Bindung und Umdeutung des SchVG zu einem bindenden Vorinsolvenzrecht Der XI. Zivilsenat des BGH begründet die (Fort-)Geltung der kollektiven Bindung und die Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die bereits gekündigt haben, einerseits mit einem Hinweis auf die Gesetzesbegründung, nach der die kollektive Bindung soweit reiche, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete,261 und andererseits mit dem Sanierungszweck des SchVG als solchem262. Dass sich der maßgebliche Passus der Gesetzesbegründung auf die sachliche und nicht auf die zeitliche Reichweite der kollektiven Bindung bezieht, wurde bereits dargelegt.263 Der Zweck der kollektiven Bindung besteht – auch ausweislich der 259 

Vgl. auch Paulus, WM 2012, 1109, 1112. Wie hier auch Wansleben, WuB 2016, 390, 393. 261  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 23. 262  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 24 f. 263  Vgl. oben 3. Teil C III 2 a). 260 



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

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Gesetzesbegründung,264 auf die sich der XI. Zivilsenat des BGH beruft – in der Gewährleistung der für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes erforderlichen rechtlich identischen Ausgestaltung von Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission und damit ihrer Fungibilität.265 Dass dieser Zweck eine Ausdehnung über das reguläre Laufzeitende hinaus nicht zu rechtfertigen vermag, wurde ebenfalls bereits ausgeführt.266 Für ein Laufzeitende durch Kündigung gilt nichts Abweichendes. Auf diesen Zweck stellt der XI. Zivilsenat des BGH aber bei genauer Betrachtung auch gar nicht ab. Er stützt sein Auslegungsergebnis vielmehr auf den Sanierungszweck des SchVG bzw. die Funktion des SchVG als vorinsolvenzrechtliches Sanierungsrecht.267 Könnten sich Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Kündigung vor einer Beschlussfassung Sanierungsmaßnahmen entziehen, wäre der Erfolg der Sanierungsbemühungen nachhaltig gefährdet und das SchVG würde seine praktische Bedeutung verlieren.268 Der XI. Zivilsenat des BGH misst der kollektiven Bindung mit diesem Sanierungszweck eine Bedeutung bei, die weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnommen werden kann.269 Die kollektive Bindung stellt gerade nicht die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht her.270 Sie dient der Gewährleistung der Fungibilität. Zwar soll das SchVG als solches vorinsolvenzrechtliche Sanierungen erleichtern, es überzeugt aber nicht, das SchVG zu einem bindenden Vorinsolvenzrecht umzudeuten.271 Das SchVG legt lediglich die Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Anleihebedingungen fest und schafft Rechtssicherheit über die Zulässigkeit von collective action clauses nach deutschem Recht. Das SchVG bezweckt, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts im internationalen Wettbewerb zu steigern. Für die Gläubigerorganisation und die kollektive Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse sollte eine sichere Rechtsgrundlage geschaffen werden. Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger möglich sind, überlässt das SchVG aber dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Das SchVG schafft zwar erleichterte Möglichkeiten für eine vorinsolvenzrechtliche Sanierung. Dass eine besondere Präferenz für vorinsolvenzrechtliche Sanierungen 264 

Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 17. Vgl. dazu auch oben 3. Teil C III 2 b) sowie 2. Teil C II 4 c). 266  Vgl. 3. Teil C III 2 b). 267  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 24 f. 268  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 25. 269  Diesem Umstand kritisiert auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 647, 649. 270  Vgl. auch oben 2. Teil C II 4 c). 271  Wie hier kritisch: Florstedt, ZIP 2016, 645, 647 f.; vgl. auch Lendermann, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 32, der jedenfalls die Übertragung der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH auf das BSchuWG ablehnt, weil es an einem Insolvenzrecht für Staaten fehlt. 265 

276

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

besteht, kann dem Gesetz dagegen nicht entnommen werden. Die Abkehr von ipso iure möglichen Mehrheitsentscheidungen könnte sogar als Argument für das Gegenteil angeführt werden. Zudem sind auch im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG die Teilschuldverschreibungsgläubiger frei darin, ob sie sich an der Sanierung des Teilschuldverschreibungsschuldners beteiligen. Aus Sicht der (Teilschuldverschreibungs-) Gläubiger kann es auch vorteilhaft sein, wenn das Schuldnerunternehmen möglichst frühzeitig in die Insolvenz fällt.272 Es besteht weder unter ihnen noch gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner die „Pflicht“, einen Sanierungsbeitrag zu leisten.273 Anders als das Insolvenzrecht bindet das SchVG die Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht in ein zwingendes Sanierungsverfahren ein.

d)  Keine zeitliche Grenze für die Aufhebung von Kündigungen nach der Solarworld-Rechtsprechung Anders als im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG, der eine Aufhebung der Kündigung nur innerhalb einer Frist von drei Monaten zulässt, sieht der Lösungsansatz des XI. Zivilsenates des BGH überdies keine zeitliche Obergrenze für die „Beseitigung“ der Wirkung einer Kündigung vor. Der XI. Zivilsenat des BGH begründet die Fortgeltung der kollektiven Bindung und die Verbindlichkeit eines Mehrheitsbeschlusses zur Änderung der Anleihebedingungen mit der von einer Kündigung unberührten Gläubigerstellung.274 Ein Mehrheitsbeschluss über die Änderung der Anleihebedingungen soll sämtliche noch nicht erfüllte Teilschuldverschreibungen erfassen respektive für deren Inhaber verbindlich sein. Danach würden nicht nur diejenigen Teilschuldverschreibungen, bei denen die Kündigung nicht erst unmittelbar zuvor und anlässlich einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erfolgte, erfasst, sondern ein Mehrheitsbeschluss müsste konsequenterweise auch für solche Teilschuldverschreibungen verbindlich sein, die bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt – und aus einem anderen (in den Anleihebedingungen vorgesehenen) Kündigungsgrund – fällig gestellt wurden.275 Die bloße Be272 Vgl. Servatius, S. 256, der betont, dass das Interesse an einer vorzeitigen Insolvenz auch im SchVG 1899 Anerkennung findet. 273  Vgl. oben 2. Teil C V, insbes. 1 b) ee) (2). 274  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 18: „An der Gläubigerstellung der Klägerin ändert sich durch ihre Kündigung nichts. Im Fall der außerordentlichen Kündigung der Schuldverschreibung bleibt dessen Inhaber Gläubiger des Emittenten, bis dieser die Forderung vollständig erfüllt hat.“ 275 Vgl. zu diesem Gedanken auch Wansleben, WuB 2016, 390, 392 f., der kritisiert, dass auch bereits „abgeschlossene“ Tatbestände von Änderungen durch Mehrheitsbeschlüsse erfasst würden. Wenn von den Mehrheitsbeschlüssen sämtliche, noch nicht erfüllte Teilschuldverschreibungen erfasst würden, könne letztlich der Teilschuldverschreibungsschuldner bestimmen, wer „Gläubiger“ i. S. d. Gesetzes sei und wem gegenüber die Mehrheitsbeschlüsse



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

277

schränkung im amtlichen Leitsatz auf solche Gläubiger, „die die Anleihe zuvor wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Emittentin außerordentlich gekündigt haben“, begründet weder eine zeitliche Obergrenze für die Aufhebung von Kündigungen noch eine Begrenzung mit Blick auf bestimmte Kündigungsgründe. Durch einen Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG wäre es somit möglich, die Wirkung einer Einzelkündigung auch dann noch zu beseitigen, wenn der Gläubiger der gekündigten Teilschuldverschreibung den Teilschuldverschreibungsschuldner bereits auf Zahlung verklagt hat. Für den betroffenen Teilschuldverschreibungsgläubiger bringt dies nicht nur eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich, sondern stellt dies auch eine unzumutbare und nicht durch den Gedanken der Förderung einer Sanierung zu rechtfertigende Einschränkung seiner Rechtsposition dar. Ob ein Teilschuldverschreibungsgläubiger, der seine Forderung bereits zu einem länger zurückliegenden Zeitpunkt durch Kündigung fällig gestellt hat, an der Beschlussfassung teilnehmen wird, ist ebenfalls fraglich. Die Legitimation des Mehrheitsbeschlusses wäre daher zweifelhaft. Auch wird durch die Solarworld-Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG für die Aufhebung von Gesamtkündigungen vorgesehene Obergrenze letztlich außer Kraft gesetzt, da die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Wirkung einer Kündigung auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist durch einen Beschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG beseitigen könnte. Zur Vollständigkeit sei in diesem Zusammenhang auch auf die Kritik Flor‑ stedts an der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH hingewiesen: Dieser gibt zu bedenken, dass nach dem Ansatz des XI. Zivilsenates des BGH überhaupt keine unentziehbaren Kündigungsmöglichkeiten mehr bestünden, was mit dem zwingenden Kerngehalt von § 314 BGB unvereinbar wäre.276 Richtigerweise ist § 314 BGB aber schon nicht auf Teilschuldverschreibungen anwendbar. Die Möglichkeit, die verbriefte Forderung durch Kündigung vorzeitig fällig zu stellen, besteht vielmehr grundsätzlich nur, wenn und soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen.277 Insofern verfängt Florstedts Argument nach hier vertretener Ansicht nicht.

verbindlich sind, indem fällige Zahlungsansprüche nicht erfüllt werden. Wansleben befürchtet, die Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH könne Emittenten sachwidrige Anreize geben, die Befriedigung fälliger Ansprüche hinaus zu zögern. Er folgert weiter, dass die Erfüllung von Ansprüchen von Teilschuldverschreibungsgläubigern u. U. sogar als Pflichtverletzung des Vorstandes der Emittentin qualifiziert werden könnte. Außerdem sieht Wansleben die Gefahr, dass aufgrund der Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH angezeigte Restrukturierungen durch die Emittenten hinausgezögert werden könnten. 276  Florstedt, ZIP 2016, 645, 649 f. 277  Vgl. oben 3. Teil B II 3.

278

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

e)  Unvereinbarkeit mit Grundprinzipien des SchVG Die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH ist außerdem mit wesentlichen Grundprinzipien des SchVG – namentlich dem Opt-In-Modell, dem Skripturprinzip und dem Transparenzgebot – nicht vereinbar.278 Nach dem Opt-In-Modell, das in § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG gesetzlich verankert ist, besteht die Befugnis, kraft Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zuzustimmen, nur, wenn und soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen. Zwar war im Fall Solarworld der konkrete Beschlussgegenstand – der Umtausch der Schuldverschreibungen – in den Anleihebedingungen vorgesehen. Nicht ersichtlich war aber, dass eine durch Mehrheitsbeschluss herbeigeführte Änderung der Anleihebedingungen auch für Gläubiger bereits vor Beschlussfassung gekündigter Teilschuldverschreibungen bindend ist und damit durch den Mehrheitsbeschluss die Wirkung einer Kündigung beseitigt wird. Dass die Möglichkeit eines solchen Eingriffs in die Gläubigerposition weder aus dem Gesetz noch aus den Anleihebedingungen ersichtlich sein muss, ist unvereinbar mit dem Opt-In-Modell. Die fehlende Erkennbarkeit der Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen auch für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die bereits vor Beschlussfassung wirksam gekündigt hatten, sowie die damit verbundene mittelbare Aufhebung von Kündigungen stehen außerdem im Widerspruch zu den §§ 2, 3 SchVG.279 Nach dem in § 3 SchVG normierten Transparenzgebot muss die vom Schuldner versprochene Leistung durch einen hinsichtlich der jeweiligen Art der Schuldverschreibungen sachkundigen Anleger ermittelt werden können. Die Kündigung – als Möglichkeit, die verbriefte Forderung fällig zu stellen – ist Inhalt des Leistungsversprechens. Die Kündigungsmöglichkeiten und die Möglichkeit des Entfalls der Wirkung einer Kündigung müssen folglich für einen sachkundigen Anleger ermittelbar sein. Dass ein Mehrheitsbeschluss, der den Umtausch von Teilschuldverschreibungen zum Gegenstand hat – und an dessen Zustandekommen der betroffene Teilschuldverschreibungsgläubiger in der Annahme, er habe wirksam gekündigt, vermutlich nicht einmal beteiligt gewesen sein wird –, die Wirkung einer berechtigten Kündigung entfallen lässt und für den betroffenen Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich ist, konnte ohne Hinweis in den Anleihebedingungen auch ein sachkundiger Anleger nicht ermitteln. Anders als im Fall der Aufhebung einer Gesamtkündigung nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG fehlt es auch an einer gesetzlichen Regelung. Vielmehr: Ein (sachkundiger) Anleger hätte durch Lektüre des Gesetzes zur Einschätzung

278 Wie hier auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 649; die Unvereinbarkeit mit dem Transparenzgebot und dem Skripturprinzip kritisiert auch Wansleben, WuB 2016, 390, 392 f. 279  So auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 649.



C.  Zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

279

gelangen können – und wohl sogar müssen –, dass außer im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG eine Aufhebung einer Kündigung gerade nicht möglich ist.280 Sofern entgegen der hier vertretenen Auffassung die Möglichkeit, eine verbriefte Forderung vorzeitig fällig zu stellen, nicht als Inhalt des Leistungsversprechens angesehen wird, ergibt sich jedenfalls aus dem in § 2 SchVG normierten Skripturprinzip, dass die Möglichkeit, die Wirkung einer Einzelkündigung durch Mehrheitsbeschluss zu beseitigen, in den Anleihebedingungen vorgesehen sein muss. Denn nach § 2 S. 1 SchVG müssen sich die Rechte und Pflichten des Teilschuldverschreibungsgläubigers aus der Urkunde ergeben. Sowohl das Recht zur Fälligstellung der verbrieften Forderung durch Kündigung (und etwaige Einschränkungen) als auch die Rechte der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zur Beseitigung einer Kündigung durch Mehrheitsbeschluss müssen in den Anleihebedingungen niedergelegt sein.

f)  Verunsicherung von Emittenten und Investoren Die fehlende Erkennbarkeit der Beseitigung einer Kündigung durch einen Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG und dessen Verbindlichkeit für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die bereits vor Beschlussfassung wirksam gekündigt hatten, birgt auch die Gefahr, (internationale) Emittenten und (internationale) Investoren zu verunsichern.281 Nicht zuletzt ist die Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH daher auch mit Blick auf das Ziel des SchVG, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, abzulehnen.

g) Zusammenfassung Die Kündigung einer Teilschuldverschreibung hebt die Inhaltgleichheit mit den nicht gekündigten Teilschuldverschreibungen einer Gesamtemission auf. Gekündigte Teilschuldverschreibungen unterliegen daher nicht mehr der kollektiven Bindung und Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG sind für die Gläubiger gekündigter Teilschuldverschreibungen nicht mehr verbindlich. Diese Lösung findet nicht nur eine Stütze im Gesetzeswortlaut, wonach die kollektive Bindung nur während der Lauf‑ zeit der Anleihe und nur für inhaltsgleiche Teilschuldverschreibungen gilt und Mehrheitsbeschlüsse nur für Gläubiger derselben Anleihe verbindlich sind. Sie ist auch mit dem Zweck des SchVG, die Attraktivität des deutschen Anleiherechts zu steigern, sowie den wesentlichen Grundprinzipien des SchVG – dem Opt-In-Modell, dem Transparenzprinzip und dem Skripturprinzip – vereinbar. 280  Diesen Schluss hat neben dem LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1075 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14) auch Wansleben, WuB 2016, 390, 393, aus dieser Vorschrift gezogen. 281  Diesbezüglich wie hier kritisch: Florstedt, ZIP 2016, 645, 651; Wansleben, WuB 2016, 390, 393 f.

280

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Etwaige Einschränkungen bei der Ausübung der in den Anleihebedingungen zugewiesenen Rechte müssen aus den Anleihebedingungen oder dem Gesetz ersichtlich sein. Anstatt durch eine der Konzeption des SchVG nicht entsprechende Rechtsfortbildung in die Rechte der Teilschuldverschreibungsgläubiger einzugreifen, sollten entsprechend der Zielsetzung (Steigerung der Attraktivität des deutschen Anleiherechts) und der Konzeption des SchVG (Rechtsrahmen für die Gestaltung von Anleihebedingungen) den Teilschuldverschreibungsgläubigern die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Rechte – einschließlich der dort vorgesehenen Einschränkungen – zustehen. Die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH führt hingegen zu einer Entwertung der in den Anleihebedingungen vorgesehenen Rechte282 und stellt einen auch nicht mit der Zielsetzung des SchVG (als vermeintliches Vorinsolvenzrecht) zu rechtfertigenden Eingriff in die vertragliche Risikoverteilung dar.

IV. Ergebnis Die kollektive Bindung gilt nur während der Laufzeit der Anleihe. Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG entfalten nur während der Laufzeit der Anleihe verbindliche Wirkung für alle Teilschuldverschreibungsgläubiger. Gekündigte Teilschuldverschreibungen unterliegen nicht mehr der kollektiven Bindung und Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG sind für die Gläubiger dieser Teilschuldverschreibungen nicht mehr verbindlich.

D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen Da gekündigte Teilschuldverschreibungen nicht mehr der kollektiven Bindung unterliegen und Mehrheitsbeschlüsse nach § 5 Abs. 1–3 SchVG für Gläubiger gekündigter Teilschuldverschreibungen nicht mehr verbindlich sind, stellt sich die Frage, ob es dennoch Möglichkeiten zur Aufhebung von Kündigungen gibt. Selbst unter Zugrundelegung der Solarworld-Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des BGH, nach der die Wirkung einer Kündigung durch einen – aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses herbeigeführten – Umtausch der Teilschuldverschreibungen wirkungslos wird, kann ein Bedürfnis nach der Aufhebung

282  Diesbezüglich kritisch auch Moser, NZI 2016, 470, 471, der die Entscheidung des XI. Zivilsenates des BGH gleichwohl begrüßt.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

281

von Kündigungen bestehen, beispielsweise weil eine Kündigung Drittverzugsklauseln283 auslöst.284 Mit § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG existiert eine gesetzliche Regelung zur Aufhebung von Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG. Im Folgenden wird zunächst diese Regelung untersucht, um im Anschluss der Frage nachzugehen, ob bereits de lege lata Möglichkeiten zur Aufhebung von Einzelkündigungen bestehen.

I.  Gesetzliche Aufhebungsmöglichkeit gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG für Gesamtkündigungen Für Gesamtkündigungen285 i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG sieht das SchVG zwingend vor, dass deren Wirkungen entfallen, wenn die Teilschuldverschreibungsgläubiger dies binnen drei Monaten mehrheitlich beschließen, § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG.286 Hierdurch soll der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger eine Möglichkeit gegeben werden, einen (erheblichen) durch die Minderheit verursachten Liquiditätsabfluss zu unterbinden.287 Es sollen Restrukturierungen gefördert288 und disruptive legal actions, also Klagen, die den Prozess einer Umschuldung und Sanierung stören und beeinträchtigen, vermieden werden.289 Durch die Möglichkeit der Rücknahme einer Gesamtkündigung soll außerdem die Verhandlungsposition der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner gestärkt werden.290 283 Drittverzugsklauseln (englisch: cross-default-clauses) berechtigen zur Kündigung, wenn der (Teilschuldverschreibungs-)Schuldner in Bezug auf eine Drittverbindlichkeit in Verzug geraten ist oder andere Verbindlichkeiten (durch Kündigung) fällig gestellt werden. Zu Drittverzugsklauseln vgl.: Einsele, in: Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 40; Oulds, in: Veranneman, SchVG, § 2, Rn. 3; Oulds, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kap. 3, Rn. 3.92; zu cross-default-Klauseln in Kreditverträgen vgl. Berger, in: MüKoBGB, § 490, Rn. 58. 284 So Lürken, GWR 2016, 78; Lürken, GWR 2016, 300; Moser, NZI 2016, 470; Weis‑ singer, EWiR 2016, 197, 198; Vogel, ZBB 2016, 179, 186. 285  Zur Gesamtkündigung vgl. auch bereits oben 3. Teil A II. 286  Vgl. oben sowie Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5, Rn. 38; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 91; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 130. 287  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, §  5, Rn. 99; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 112; so auch BGH, Urteil vom 08. 12. 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26. 288  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 85; vgl. auch Hartwig-Jacob, in: FS Horn, S. 717, 733. 289  Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5 SchVG, Rn. 36. 290 Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 95.

282

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG wird z. T. als „Novum“291 im Hinblick auf die allgemeine Rechtsgeschäftslehre oder als eine „dem deutschen Recht wesensfremde Rechtsfigur“292 bezeichnet, da sie es ermöglicht, die Wirkung eines bereits ausgeübten Gestaltungsrechts aufzuheben. Die dogmatische Einordnung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG und die Auswirkungen des Entfalls der Wirkungen von Gesamtkündigungen wurden – soweit ersichtlich – bisher nicht näher untersucht.293 Bei Paulus findet sich lediglich ein knapper Hinweis darauf, dass es sich bei § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG „wohl“ um ein Gestaltungsgegenrecht handle.294 Thole geht davon aus, dass für die Rücknahme einer Gesamtkündigung gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG neben dem Beschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger auch die Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners erforderlich ist.295 Dies impliziert, dass die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG nicht als Gestaltungsgegenrecht, sondern als vertragliche Vereinbarung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger über die Aufhebung der Kündigungen – und damit letztlich als gesetzlich anerkannter Vertrag zu Lasten Dritter (also der kündigenden Minderheit) – zu qualifizieren ist. Im Folgenden soll die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG dogmatisch eingeordnet und die sich aus der Regelung ergebenden Fragen betreffend die Rückabwicklung von Leistungen des Teilschuldverschreibungsschuldners während der Schwebezeit und betreffend ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während dieses Zeitraums untersucht werden. Dabei wird sich zeigen, dass die Vorschrift in einem vom Gesetzgeber offenbar nicht erkannten Konflikt mit § 813 Abs. 2 BGB steht.

1.  Dogmatische Einordnung a)  Kein Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger Die Aufhebung einer Gesamtkündigung nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG erfolgt nicht durch Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und der 291  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 97; vgl. auch Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 130, Fn. 263; vgl. auch Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412 („Bei dieser einseitigen Rücknahmemöglichkeit eines Gestaltungsrechts handelt es sich dogmatisch um eine für das deutsche Recht neue Konstruktion.“). 292  Hofmann/Keller, ZH 175 (2011), 684, 703, die allerdings auf § 5 Abs. 3 Nr. 8 SchVG und nicht auf § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG abstellen. 293  Inzwischen wie hier für die Einordnung als auflösende Rechtsbedingung aber auch Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 46 (ohne Ausführungen zur dogmatischen Einordnung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG dagegen noch in der 1. Auflage). 294  Paulus, WM 2012, 1109, 1112. 295  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 112.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

283

Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger. Zur Aufhebung von Gesamtkündigungen gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG bedarf es lediglich eines Beschlusses der Teilschuldverschreibungsgläubiger. Die Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners ist nicht erforderlich.296 Ein Zustimmungserfordernis des Teilschuldverschreibungsschuldners folgt weder aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG noch aus dem systematischen Zusammenhang mit § 4 S. 1 SchVG. Zwar substituiert ein Mehrheitsbeschluss betreffend die Änderung der Anleihebedingungen lediglich die Zustimmung sämtlicher Teilschuldverschreibungsgläubiger und macht die Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners nicht entbehrlich.297 Bei § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG geht es aber nicht um die Änderung der Anleihebedingungen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 5 SchVG ist systematisch von § 5 Abs. 1–3 SchVG zu trennen.298 Auch für die Bestellung und Bevollmächtigung eines gemeinsamen Vertreters bedarf es im Übrigen nicht der Zustimmung des Teilschuldverschreibungsschuldners.

b)  Auseinandersetzung mit der Einordnung als Gestaltungsgegenrecht Paulus qualifiziert die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG („wohl“) als Gestaltungsgegenrecht.299 Gestaltungsgegenrechte sind Gegenrechte des von einem Gestaltungsrecht Betroffenen.300 Gestaltungsgegenrechte beseitigen oder modifizieren die Rechtswirkungen anderer Gestaltungsrechte.301 Beispiele für Gestaltungsgegenrechte sind der Widerspruch respektive das Widerspruchsrecht des Wohnraummieters gegen eine Kündigung des Vermieters gem. § 574 BGB302 und das Zurückweisungsrecht aus §§ 111 S. 2, 174 S. 1 BGB303. Zwar lässt ein Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG die Wirkung einer Kündigung – und damit eines forderungsbezogenen Gestaltungsrechts  – entfallen. Bedenken bestehen an der Qualifizierung von § 5 Abs. 5 296  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 73, 79; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 15; a. A. Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 112. 297 Vgl. oben 2.  Teil C I 1 sowie: Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 4 SchVG, Rn. 2, § 5 SchVG, Rn. 59; Röh/Dörfler, in: Preuße SchVG, § 4, Rn. 32; Oulds, in: Veranneman SchVG, § 4, Rn. 3; Friedl/Schmidt‑ bleicher, in: FraKommSchVG, § 4, Rn. 42; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4 SchVG, Rn. 27; vgl. auch Lendermann, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 4b BSchuWG, Rn. 71; a. A. M. Nodoushani, WM 2012, 1798, 1802, der davon ausgeht, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner mit dem Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG bereits sein Einverständnis zur Änderung der Anleihebedingungen erteilt hat. 298  Vgl. oben 3. Teil C III 3 b) cc). 299  Paulus, WM 2012, 1109, 1112. 300  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 86. 301  Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15, Rn. 68. 302  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 86; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15, Rn. 68. 303  Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15, Rn. 68.

284

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

S. 2, 3 SchVG als Gestaltungsgegenrecht indes insoweit, als die Möglichkeit, die Wirkungen von Kündigungen durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger entfallen zu lassen, kein Gegenrecht des vom (ursprünglichen) Gestaltungsrecht – der Kündigung der Teilschuldverschreibungen – rechtlich Betroffenen ist. Rechtlich unmittelbar von der Kündigung betroffen und (folglich) Adressat der Kündigungserklärung ist der Teilschuldverschreibungsschuldner. Die Kündigung, durch die die verbriefte Forderung fällig gestellt wird, betrifft unmittelbar allein das Verhältnis des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers zum Teilschuldverschreibungsschuldner. Lediglich im Fall einer Gesamtwirkung der Gesamtkündigung wären auch die nicht kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger rechtlich unmittelbar betroffen. Ohne ausdrückliche Regelung in den Anleihebedingungen kommt einer Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG aber lediglich Einzelwirkung zu.304 Ob ein Gestaltungsgegenrecht auch einem vom ursprünglichen Gestaltungsrecht rechtlich nicht Betroffenen zustehen kann bzw. ob es sich dann noch um ein solches handelt, soll an dieser Stelle offen bleiben. Denn die im Folgenden noch zu belegende Einordnung der Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG als auflösende Rechtsbedingung steht der Qualifizierung als Gestaltungsgegenrecht nicht entgegen. Gestaltungsrechte und Gestaltungsgegenrechte wie §§ 111 S. 2, 174 S. 1 BGB können nämlich auch auflösende Rechtsbedingungen darstellen.305 Es handelt sich um unterschiedliche Kategorien. Die auflösende Rechtsbedingung ist eine Unterart gesetzlicher Endigungsgründe von Rechtswirkungen.306

c)  Einordnung als auflösende Rechtsbedingung Die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist als auflösende Rechtsbedingung einzuordnen.307

aa) Rechtsbedingung Rechtsbedingungen sind gesetzliche Wirksamkeitserfordernisse eines Rechtsgeschäfts.308 Auf Rechtsbedingungen sind die Vorschriften der §§ 158 ff. BGB 304 

Vgl. oben 3. Teil A II 3.

305 Vgl. Egert, S. 188 f. (für die Anfechtung als auflösende Rechtsbedingung), S. 190 f. (für

das Zurückweisungsrecht aus §§ 111 S. 2, 174 BGB als auflösende Rechtsbedingung); vgl. auch Oertmann, S. 213 f. 306  Egert, S. 187. 307  Inzwischen wie hier für die Einordnung als auflösende Rechtsbedingung auch Ver‑ anneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 46 (ohne Ausführungen zur dogmatischen Einordnung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG dagegen noch in der 1. Auflage). 308  Westermann, in: MüKoBGB, § 158, Rn. 54; Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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nicht unmittelbar anwendbar.309 Rechtsbedingungen können sowohl aufschiebend wirken – die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts hängt in diesem Fall vom Eintritt eines gesetzlich festgelegten Ereignisses ab – als auch auflösend.310 Im letzteren Fall ist gesetzlich festgelegt, dass das Unwirksamwerden eines – zunächst wirksamen – Rechtsgeschäfts vom Eintritt eines gesetzlich bestimmten Umstandes, dessen Eintritt ungewiss ist, abhängt. Ob die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Aufhebung einer Gesamtkündigung beschließt, ist ungewiss. Die Einordnung als Bedingung i. S. d. §§ 158 ff. BGB scheidet aus, da die Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss die Wirkung einer Gesamtkündigung entfallen zu lassen, kraft Gesetzes besteht,311 wenn die Anleihebedingungen die Möglichkeit einer Gesamtkündigung vorsehen. Es handelt sich also nicht um eine kraft Parteiwillens zum Inhalt der verbrieften Forderung gewordene Bestimmung, was aber Voraussetzung für die (direkte) Anwendbarkeit der §§ 158 ff. BGB wäre312. Die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist also als gesetzliche (Un-)Wirksamkeitsvoraussetzung und damit als Rechtsbedingung einzuordnen.313 Der Einordnung der Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG als (auflösende) Rechtsbedingung steht auch nicht der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit einseitiger empfangsbedürftiger Gestaltungserklärungen314 entgegen. Zwar handelt es sich bei der Kündigung einer Teilschuldverschreibung – für die Gesamtkündigung gilt dies jedenfalls für die kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger315 – um ein forderungsbezogenes Gestaltungsrecht. Allerdings gilt der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten nur für 163, Rn. 23; zum Begriff der Rechtsbedingung vgl. auch Egert, S. 7 ff. insbes. S. 32 ff. (Rechtsbedingungen sind Konvaleszenztatbestände, S. 41). 309  Wolf, in: Soergel, Vor § 158, Rn. 8; Rövekamp, in: BeckOK‑BGB, § 158, Rn. 9; Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 24, der sich grundsätzlich auch gegen eine analoge Anwendung der §§ 158 ff. BGB auf Rechtsbedingungen ausspricht. 310  Zur Zulässigkeit der auflösenden Rechtsbedingung siehe Oertmann, S. 39 ff.; Egert, S. 187 ff. 311  Vgl. bereits oben 3. Teil A II 1 sowie: Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5, Rn. 38; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 91; Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 130. 312 Vgl. Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 4, vgl. auch Rn. 24. 313  Zur Rechtsbedingung vgl.: Westermann, in: MüKoBGB, § 158, Rn. 54; Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 23; zum Begriff der Rechtsbedingung vgl. auch: Egert, S. 7 ff. insbes. S. 32 ff.; Wolf, in: Soergel, Vor § 158, Rn. 8. 314  Zum Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten siehe auch unten 3. Teil D II 4 a) sowie: Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 38 ff., insbes. Rn. 40 f.; Westermann, in: MüKoBGB, § 158, Rn. 24 ff., insbes. Rn. 30. 315  Sehen die Anleihebedingungen vor, dass einer Gesamtkündigung Gesamtwirkung zukommt, sämtliche Teilschuldverschreibungen der Emission also im Fall des Vorliegens der erforderlichen Mindestanzahl an Kündigungserklärungen fällig gestellt werden, beendet die Aufhebung der Kündigungen durch den Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG mittelbar auch die Fälligkeit derjenigen Teilschuldverschreibungen, deren Inhaber nicht

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

echte Bedingungen i. S. d. §§ 158 ff. BGB und nicht für Rechtsbedingungen. Rechtsbedingungen sind auch bei sog. bedingungsfeindlichen Geschäften zulässig.316

bb)  Auflösende Wirkung Dem Gesetzgeber steht es frei, eine Rechtsbedingung mit aufschiebender oder auflösender Wirkung auszugestalten.317 Ob eine Rechtsbedingung aufschiebend oder auflösend wirkt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG spricht der Wortlaut der Regelung für eine auflösende Rechtsbedingung.318 Nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG entfällt die Wirkung einer Gesamtkündigung, wenn die Teilschuldverschreibungsgläubiger dies binnen drei Monaten mit Mehrheit beschließen. Diese Formulierung impliziert, dass die Kündigung zunächst wirksam ist. Im Fall einer aufschiebenden Rechtsbedingung hätte eine Formulierung dergestalt näher gelegen, wonach die Wirkung der Kündigung erst oder nur dann eintritt, wenn innerhalb von drei Monaten kein Aufhebungsbeschluss durch die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zustande kommt.319 Auch das Schrifttum scheint davon auszugehen, dass eine Gesamtkündigung zunächst wirksam ist und durch Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG unwirksam wird. Andernfalls ließe sich die Diskussion um ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners für die Schwebephase von drei Monaten nicht erklären.320 Ein Leistungsverweigerungsrecht ergibt nur Sinn, wenn die Kündigungen zunächst wirksam sind, weil nur dann der Teilschuldverschreibungsschuldner überhaupt zur sofortigen Leistung verpflichtet wäre.321 Im Fall einer aufschiebenden Wirkung des Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG bestünde bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist keine fällige Leistungspflicht des Teilschuldverschreibungsschuldners.

gekündigt haben, weil die Voraussetzungen für das Fälligkeitsereignis weggefallen sind. Zur Zulässigkeit einer Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung vgl. oben 3. Teil A II 3. 316  Wolf, in: Soergel, Vor § 158, Rn. 9; Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 25, 40. 317  Oertmann, S. 40 f. 318  So jetzt auch Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 46 (ohne Ausführungen zur dogmatischen Einordnung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG dagegen noch in der 1. Auflage); für die schwebende Wirksamkeit der Kündigung auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 114. 319  Zur Bedeutung des Gesetzeswortlautes für die Frage, ob eine Rechtsbedingung aufschiebend oder auflösend wirkt, vgl. auch Egert, S. 191; Oertmann, S. 213 f. 320  Zur Frage, ob dem Teilschuldverschreibungsschuldner während er Schwebephase ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht sogleich 3. Teil D I 2 b). 321  So auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 115.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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Auch die Gesetzesbegründung impliziert daher eine auflösende Wirkung: Der Teilschuldverschreibungsschuldner soll nämlich auch nach der Gesetzesbegründung berechtigt sein, bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist die Leistung zu verweigern.322 Ferner findet sich auch in der Gesetzesbegründung die Formulierung, dass die Wirkungen der Kollektivkündigungen entfallen, wenn ein Beschluss nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG zustande kommt.323 Die Einordnung als auflösende oder aufschiebende Rechtsbedingung wirkt sich auch in prozessualer Hinsicht, namentlich auf die Beweislastverteilung, aus: Im Fall einer aufschiebenden Rechtsbedingung hat der Erklärende, der sich auf die Wirksamkeit seiner Erklärung beruft, nach der allgemeinen Beweislastregel, nach der jeder die für ihn günstigen Tatsachen zu beweisen hat,324 die Beweislast für den Eintritt der zur Wirksamkeit der Erklärung führenden Rechtsbedingung zu tragen. Dagegen liegt die Beweislast für den Eintritt der auflösenden Rechtsbedingung beim Erklärungsgegner, wenn sich dieser auf die Unwirksamkeit der Erklärung beruft. Die Frage der Zumutbarkeit der Beweislast kann für die Auslegung, ob einer Rechtsbedingung aufschiebende oder auflösende Wirkung zukommt, ebenfalls herangezogen werden.325 Für den Fall der Aufhebung von Gesamtkündigungen durch Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG stellt sich folglich die Frage, wem es „eher“ zuzumuten ist, die Beweislast für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines aufhebenden Mehrheitsbeschlusses zu tragen. Für die Einordnung als auflösende Bedingung spricht dabei, dass der Beweis der Negative, also des Unterbleibens eines aufhebenden Mehrheitsbeschlusses, grundsätzlich „schwieriger“ zu erbringen ist, als der Beweis, dass ein solcher Beschluss zustande gekommen ist.326 Nicht zielführend für die Auslegung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG im Hinblick auf die aufschiebende oder auflösende Wirkung des Mehrheitsbeschlusses für die Wirksamkeit der Gesamtkündigung ist hingegen die Abgrenzungsformel von Oertmann. Dieser sieht den „inneren Grund“ für die Entscheidung des Gesetzgebers, eine aufschiebende oder auflösende Wirkung festzulegen, in der 322 BT‑Drs. 16/12814, S. 19; gegen die Annahme eines gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechts Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 99, die zutreffend einwenden, dass die Gesetzesbegründung nicht verbindlich ist und kein Leistungsverweigerungsrecht dekretieren kann: Weder aus dem SchVG noch aus den §§ 273, 320, 321, 242 BGB ergebe sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners. Es sei aber zulässig, die Folgen einer Gesamtkündigung während der dreimonatigen Schwebephase in den Anleihebedingungen zu regeln. 323  BT‑Drs. 16/12814, S. 19. 324  Vgl. hierzu: Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 856 (S. 304); BGH NJW 1986, 2426, 2427 (m. w. N.). 325 Vgl. Egert, S. 191; Oertmann, S. 214. 326  Vgl. zu dem Aspekt der Zumutbarkeit der Beweislastverteilung als Argument für die Einordnung als aufschiebende oder auflösende Rechtsbedingung auch Oertmann, S. 213 f. sowie Egert, S. 191.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Frage, „ob der Eintritt des Wirksamkeitserfordernisses als das Normale, mehr oder minder selbstverständlich zu Unterstellende angesehen werden kann, oder aber als Besonderes, nicht ohne weiteres zu Erwartendes“.327 Im ersten Falle liege es näher, „die Wirkung einstweilen eintreten zu lassen, vorbehaltlich nur einer Wegfallmöglichkeit, letzterenfalls empfiehlt es sich, mit ihrem Eintritt noch zu warten.“328 Mit Blick auf die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG lässt sich eine Aussage dazu, ob das Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses über die Aufhebung der Gesamtkündigung oder das Ausbleiben eines solchen Beschlusses den „Regelfall“ darstellt, jedoch nicht treffen. Insgesamt sprechen der Gesetzeswortlaut, die Gesetzesmaterialien sowie die Zumutbarkeit der prozessualen Beweislastverteilung für eine auflösende Wirkung des Mehrheitsbeschlusses.

2.  Ex tunc oder ex nunc Wirkung des Mehrheitsbeschlusses Dem Gesetzgeber steht es frei, eine (auflösende) Rechtsbedingung mit einer Rückwirkung auszustatten. § 159 BGB, dem zu entnehmen ist, dass bei rechtsgeschäftlichen Bedingungen eine Rückwirkung nur mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart werden kann, steht nicht entgegen, da die §§ 158 ff. BGB auf Rechtsbedingungen keine Anwendung finden. Teilweise wird die Rückwirkung sogar als „Regelfall“ der auflösenden Rechtsbedingung angesehen.329 Gegen eine Rückwirkung des Mehrheitsbeschlusses i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG spricht aber, dass es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie etwa im Fall des § 142 Abs. 1 BGB, fehlt.330 Die Frage, ob der Mehrheitsbeschluss im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ex tunc oder ex nunc wirkt, bedarf an dieser Stelle jedoch keiner abschließenden Entscheidung, wenn sich hieraus keine praktischen Konsequenzen ergeben. Auf den ersten Blick scheint die Frage der ex tunc oder ex nunc Wirkung allerdings in zweierlei Hinsicht relevant zu sein: Erstens könnte diese Frage für die (bereicherungsrechtliche) Rückforderung des vom Teilschuldverschreibungsschuldner während der Schwebezeit an die kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger Geleisteten Bedeutung haben. Zweitens spielt sie für die Frage, ob der Teilschuldverschreibungsschuldner bei Nichtleistung während der dreimonatigen Schwebezeit in Verzug gerät, eine Rolle. Die Frage der ex tunc oder ex nunc Wirkung des die Kündigungen aufhebenden Mehrheitsbeschlusses könnte insoweit jedoch dahinstehen, wenn dem Teil327 

Oertmann, S. 41. Oertmann, S. 41. 329  Egert, S. 188. 330  Für die Anfechtbarkeit als Musterbild einer auflösenden Rechtsbedingung Egert, S. 188 f. 328 



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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schuldverschreibungsschuldner in dieser Phase ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Das Bestehen einer Einrede schließt den Verzug des Schuldners auch dann aus, wenn der Schuldner die Einrede zunächst nicht erhebt.331 Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Schuldner die Einrede spätestens im Prozess erhebt.332 Etwas anderes gilt lediglich für das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB, da dem Gläubiger die in § 273 Abs. 3 BGB vorgesehene Möglichkeit, die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abzuwenden, nicht genommen werden soll.333

a)  Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten Dass der Teilschuldverschreibungsschuldner berechtigt sein soll, das während der Schwebezeit Geleistete von den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigern zurückzufordern, wenn die Wirkung der Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss nachträglich entfällt, wird im Schrifttum teilweise vorausgesetzt, ohne eine konkrete Anspruchsgrundlage zu benennen.334 Thole geht zwar etwas genauer auf die Grundlage eines Rückforderungsanspruchs ein, auch seine Ausführungen bleiben aber vage: Der Teilschuldverschreibungsschuldner sei „jedenfalls nach Bereicherungsrecht“ berechtigt, die erbrachten Leistungen zurückzufordern.335 Thole möchte einen solchen Anspruch „wohl“ auf § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB stützen.

aa)  Kollision mit § 813 Abs. 2 BGB § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG regelt nicht die Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten und kann – schon wegen fehlender konditionaler Ausgestaltung – nicht als Anspruchsgrundlage angesehen werden. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung im SchVG beurteilt sich die Möglichkeit einer Rückforderung daher – und insoweit ist Thole zuzustimmen – nach allgemeinen Vorschriften, genauer: nach dem Bereicherungsrecht.336 Eine Rückforderung nach den §§ 812 ff. BGB ist aber nicht möglich – und zwar unabhängig da331 

Grüneberg, in: Palandt, § 286, Rn. 10. Grüneberg, in: Palandt, § 286, Rn. 10. 333  Grüneberg, in: Palandt, § 286, Rn. 11. 334 Vgl. etwa Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, §  5, Rn. 101; vgl. auch Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15.378, die es als unzumutbar ansehen, den Teilschuldverschreibungsschuldner vor die praktischen Probleme einer Rückabwicklung zu stellen; ebenso Cagalj, S. 124. 335  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 115. 336  Die umstrittene Frage nach der Rechtsnatur der Ausgleichsansprüche im Fall einer vereinbarten Rückwirkung einer (auflösenden) Bedingung [vgl. dazu Wunner, AcP 168 (1968), S. 425, 443 ff., der von einer vertraglichen Grundlage ausgeht; ebenfalls für einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 41 2 d) (S. 729); Rövekamp, in: BeckOK‑BGB, § 159, Rn. 7 m. w. N.; für eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht dagegen Wolf, in: Soergel, § 159, Rn. 2], stellt sich nicht, da es sich 332 

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

von, ob die Wirkung der Gesamtkündigung durch den Mehrheitsbeschluss ex nunc oder ex tunc entfällt: Kommt dem Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ex nunc Wirkung zu, führt dies dazu, dass die gekündigten Teilschuldverschreibungen für den Zeitraum zwischen Wirksamwerden der Kündigungen (also bei Erreichen der erforderlichen Mindestanzahl an Kündigungen) und Aufhebung durch den Mehrheitsbeschluss fällig waren, für die Zukunft aber wieder zu nicht fälligen – betagten – Verbindlichkeiten würden. Entfaltet die Aufhebung der Gesamtkündigung Rückwirkung, wären die verbrieften Forderungen rückwirkend als niemals fällig zu betrachten. Die Erfüllungswirkung wird durch den Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG allerdings nicht beseitigt: Das willentliche Bewirken der Leistung337 durch den Teilschuldverschreibungsschuldner entfällt nicht. Wurde während der Schwebezeit vom Teilschuldverschreibungsschuldner an die Teilschuldverschreibungsgläubiger geleistet, folgt aus der Aufhebung der Kündigung nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG also, dass eine bereits erfüllte Verbindlichkeit nachträglich (mit ex nunc oder ex tunc Wirkung) wieder zu einer betagten Verbindlichkeit wird. Dies ist – soweit ersichtlich – eine dem deutschen Recht bisher unbekannte Konstellation.338 Einer Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten steht dann aber § 813 Abs. 2 BGB entgegen, der die Rückforderung einer vorzeitig erfüllten betagten Verbindlichkeit ausschließt. Weder § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB noch § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB kommen als Rechtsgrundlage für eine Rückforderung in Betracht, da der Rechtsgrund für die Leistung zum Zeitpunkt der Leistung bestand und auch nicht später weggefallen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob ein objektiver oder subjektiver Rechtsgrundbegriff zugrunde gelegt wird: Nach der objektiven Rechtsgrundtheorie bildet der Anspruch, der dem Leistungsempfänger gegen den Leistenden zugestanden hat, den Rechtsgrund.339 Auch wenn der Anspruch mit Erfüllung erlischt, fungiere er weiterhin als Legitimation dafür, dass der Empfänger das Erlangte behalten darf.340 bei der Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG nicht um eine Bedingung i. S. d. §§ 158 ff. BGB, sondern um eine Rechtsbedingung handelt. 337  Zu den Voraussetzungen der Erfüllung vgl.: Fetzer, in: MüKoBGB, § 362, Rn. 2 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 257 ff., insbes. auch Rn. 267; Grüneberg, in: Palandt, § 362, Rn. 1; siehe auch: Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S. 103 ff.; Bremkamp, S. 271 ff. 338  Vgl. auch Schwab, in: MüKoBGB, § 813, Rn. 2, der es für kaum denkbar ansieht, dass ein Anspruch zunächst erfüllt und erst danach durch eine Einrede in seiner Durchsetzbarkeit blockiert wird. 339 Zum objektiven Rechtsgrundbegriff siehe Schwab, in: MüKoBGB, § 812, Rn. 396; Wendehorst, in: BeckOK‑BGB, § 812, Rn. 59 f.; Bremkamp, S. 175 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 107 ff.; vgl. auch Lorenz, in: Staudinger, § 812, Rn. 76, 78 ff. 340  Schwab, in: MüKoBGB, § 812, Rn. 397; vgl. auch Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, S. 102 f.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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Unter Zugrundelegung des objektiven Rechtsgrundbegriffs bildet die verbriefte Forderung bzw. – nach ihrem Erlöschen durch Erfüllung – der fortbestehende Behaltensgrund den Rechtgrund der Leistung. Die verbriefte Forderung bestand zum Zeitpunkt der Leistung des Teilschuldverschreibungsschuldners und fungiert nach der Erfüllung als Behaltensgrund. Auch nach der Aufhebung der Wirkung der Kündigung durch den Mehrheitsbeschluss besteht der Behaltensgrund fort. Nach der objektiven Rechtsgrundtheorie bestand und besteht also weiterhin ein Rechtsgrund für die Leistung. Die subjektive Rechtsgrundtheorie stellt darauf ab, ob der mit der Leistung bezweckte Erfolg erreicht wurde oder nicht.341 Bei der condictio indebiti werde der Erfüllungszweck der Leistung wegen Fehlens der zu erfüllenden Verbindlichkeit nicht erreicht.342 Nach hier vertretener Auffassung wird die Erfüllungswirkung durch einen die Kündigung aufhebenden Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG nicht beseitigt. Der Erfüllungszweck wurde somit erreicht. In jedem Fall bestand aber zum Zeitpunkt der Leistung die Verbindlichkeit, die der Teilschuldverschreibungsschuldner mit seiner Leistung zu erfüllen bezweckte, und sie ist auch durch die Aufhebung der Kündigung nicht weggefallen. Der Erfüllungszweck wird jedenfalls nicht dadurch verfehlt, dass die zu erfüllende Verbindlichkeit nicht bestand. Auch nach der subjektiven Rechtsgrundtheorie muss ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB somit ausscheiden. Auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB kommt nicht in Betracht: Weder fällt die verbriefte Forderung (bzw. der Behaltensgrund) als objektiver Rechtsgrund später weg noch kann der Erfüllungszweck wegen nachträglichen Wegfalls der zu erfüllenden Verbindlichkeit nicht erreicht werden,343 da die verbriefte Forderung als zu erfüllende Verbindlichkeit nicht nachträglich entfällt. Etwas anderes würde nur gelten, wenn man davon ausginge, dass die verbriefte Forderung durch die Kündigung erst entsteht. Die Kündigung müsste als aufschiebende Bedingung, und zwar als rechtsgeschäftliche aufschiebende Bedingung i. S. d. § 158 Abs. 1 BGB, eingeordnet werden, da die Möglichkeit einer Fälligstellung durch (Gesamt-)Kündigung nicht gesetzlich vorgegeben ist, sondern vom Teilschuldverschreibungsschuldner bei der Erstellung der Anleihebedingungen vorgesehen wird. 341 Zum subjektiven Rechtsgrundbegriff siehe: Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 107 ff.; Bremkamp, S. 174 ff.; Zöllner, ZHR 148 (1984), S. 313, 318 f.; Medicus/ Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1133 ff.; vgl. auch die Darstellung bei Schwab, in: MüKoBGB, § 812, Rn. 396. 342  Zöllner, ZHR 148 (1984), S. 313, 319; vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1133. 343 Zu den Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB siehe: Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1134; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 139; Lorenz, in: Staudinger, § 812, Rn. 79.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Eine Einordnung der (Gesamt-)Kündigung als aufschiebende Bedingung überzeugt aber nicht. Sie entspricht zunächst nicht den Vereinbarungen in der Praxis. Sie wäre außerdem nicht interessengerecht. Wäre die Kündigung nicht als Fälligstellung, sondern als aufschiebende Bedingung einzuordnen, hätten die Teilschuldverschreibungsgläubiger bis zur Kündigung keine bzw. nur aufschiebend bedingte Forderungen gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall genau dies gewollt ist, im Regelfall wird aber eine bestehende, noch nicht fällige Forderung gewollt sein. Insbesondere wäre die Annahme einer durch die Kündigung (mehrerer Teilschuldverschreibungsgläubiger) aufschiebend bedingten Forderung im Fall der Insolvenz des Teilschuldverschreibungsschuldners mit Nachteilen für die Teilschuldverschreibungsgläubiger verbunden: Nach § 191 InsO wird bei der Schlussverteilung die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts berücksichtigt und der auf eine bedingte Forderung entfallene Anteil bis zum Bedingungseintritt zunächst zurückbehalten. Hingegen gelten noch nicht fällige Forderungen in der Insolvenz nach § 41 Abs. 1 InsO als fällig. Die Teilschuldverschreibungsgläubiger stünden also im Fall einer Insolvenz schlechter, wenn die Kündigung als aufschiebende Bedingung eingeordnet wird. Auf den ersten Blick erscheint die Einordnung als bedingte Forderung mit Blick auf die insolvenzrechtlichen Konsequenzen zwar insofern weniger problematisch, als die Teilschuldverschreibungsgläubiger durch Kündigung die Herbeiführung des Bedingungseintritts selbst in der Hand haben. Im Fall einer Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG ist aber nicht ausgeschlossen, dass einige Teilschuldverschreibungsgläubiger Sonderinteressen verfolgen und sich gegen eine Kündigung entscheiden – beispielsweise weil sie auch Gesellschafter des Emittenten sind oder andere Forderungen haben, deren vorrangige Befriedigung sie durch einen Ausschluss der Teilschuldverschreibungen sichern wollen. Eine Kündigung ist zudem nur nach Maßgabe der Anleihebedingungen zulässig.344 Sofern kein Kündigungsgrund vorliegt, kann die bloße Erklärung einer Kündigung nicht zum Bedingungseintritt führen. Aus Sicht der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist eine bestehende betagte Verbindlichkeit somit vorteilhafter als eine aufschiebend bedingte Forderung. Vorbehaltlich ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehener anderslautender Regelungen kann die Kündigung jedenfalls nicht einfach als aufschiebende Bedingung interpretiert werden. Einer Rückforderung steht somit unabhängig davon, ob der Mehrheitsbeschluss die Wirkung der Kündigungen ex tunc oder „nur“ ex nunc entfallen lässt, die Vorschrift des § 813 Abs. 2 BGB entgegen. Etwas anderes würde 344  Für den hier zu betrachtenden Fall der Gesamtkündigung gilt dies selbst dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass auch die §§ 314, 490 Abs. 1 BGB auf Teilschuldverschreibungen Anwendung finden.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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lediglich gelten, wenn § 813 Abs. 2 BGB abbedungen werden würde oder § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG als vorrangige Sonderregelung einzuordnen wäre. Dass beides nicht der Fall ist, wird im Folgenden dargelegt.

bb)  Kein vertraglicher Ausschluss von § 813 Abs. 2 BGB § 813 Abs. 2 BGB ist dispositiv.345 Gläubiger und Schuldner können vereinbaren, dass die Rückforderung des zur Erfüllung einer betagten Verbindlichkeit Geleisteten möglich ist. Die Anspruchsgrundlage für die Rückforderung ergibt sich in diesem Fall allerdings aus den Parteivereinbarungen und nicht aus dem Gesetz. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen bestehen – wie dargelegt – gerade nicht. Insbesondere kommt § 813 Abs. 1 S. 1 BGB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, da dieser Anspruch eine dauernde Einrede erfordert und die fehlende Fälligkeit nur ein vorrübergehendes Leistungsverweigerungsrecht begründet. Eine Vereinbarung zwischen den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem Teilschuldverschreibungsschuldner dahingehend, dass im Fall eines Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG eine Rückforderung zulässig sein soll, ist nicht nur praktisch kaum vorstellbar, da eine solche Vereinbarung jedenfalls von den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigern kaum gewollt sein wird. Darüber hinaus bereitet die Konstruktion eines entsprechenden Vertragsschlusses Schwierigkeiten, da der Teilschuldverschreibungsschuldner in der Regel nicht in unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern steht. Ein Rückforderungsanspruch kann auch nicht durch eine Bestimmung in den Anleihebedingungen begründet werden. Schuldverschreibungen verbriefen ein Leistungsversprechen des Ausstellers. Der Rückforderungsanspruch wäre aber eine vertraglich begründete Forderung des Ausstellers gegen den jeweiligen Inhaber. Ein vertraglicher Ausschluss des § 813 Abs. 2 BGB und die Begründung eines vertraglichen Rückforderungsanspruchs sind somit fernliegend.

cc)  § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist keine vorrangige Spezialregelung Fraglich ist, ob die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG als vorrangige Spezialregelung zu § 813 Abs. 2 BGB zu qualifizieren ist. § 813 Abs. 2 BGB bezweckt, sinnloses Hin- und Herschieben der Leistung zu verhindern.346 Die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG bezweckt, einen erheblichen Liquiditätsabfluss beim Emittenten zu verhindern und hierdurch 345  Lorenz, in: Staudinger, § 813, Rn. 16; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 133. 346  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  133; Lorenz, in: Staudinger, § 813, Rn. 16; Schwab, in: MüKoBGB, § 813, Rn. 16.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

den Erfolg von Restrukturierungsmaßnahmen zu fördern.347 Zwar ließe sich argumentieren, dass das Hin- und Herzahlen in diesem Falle nicht „sinnlos“ wäre, sondern der Förderung der Sanierungsmaßnahme dient. Die vorzeitige Erfüllung einer betagten Verbindlichkeit wird allerdings regelmäßig mit negativen Folgen für den Schuldner verbunden sein. Dies ist nach der Regelung des § 813 Abs. 2 BGB aber gerade bedeutungslos.348 Für die Interpretation des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG als Spezialregelung zu § 813 Abs. 2 BGB könnten allerdings die Interessen der Teilschuldverschreibungsgläubiger, die keine Kündigung erklärt haben, sprechen. Das Scheitern einer Sanierungsmaßnahme berührt nicht nur die Interessen des Teilschuldverschreibungsschuldners, sondern mittelbar auch ihre Interessen. Die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG soll außerdem ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner stärken. Wenn der Teilschuldverschreibungsschuldner das während der Schwebezeit Geleistete nicht zurückfordern könnte, wäre die Rücknahmemöglichkeit der Kündigung sowohl im Hinblick auf den Zweck der Förderung von Sanierungsmaßnahmen als auch im Hinblick auf die angestrebte Stärkung der Verhandlungsposition der Teilschuldverschreibungsgläubiger auf den ersten Blick wenig effektiv. Allerdings gibt es noch andere rechtliche Mechanismen, um diese Zwecke zu erreichen. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während des Schwebezeitraums verhindert ebenfalls einen Liquiditätsabfluss bis ein die Kündigungen aufhebender Mehrheitsbeschluss zustande kommt. Die Verhandlungsposition der Teilschuldverschreibungsgläubiger kann hierdurch ebenfalls gestärkt werden. Zwar bliebe das Risiko, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner sein Leistungsverweigerungsrecht nicht ausübt und an die Gläubiger der gekündigten Teilschuldverschreibungen leistet. Allerdings: Nicht nur wird dieses Risiko – von kollusivem Zusammenwirken abgesehen – bei sich bereits in einer wirtschaftlichen Krise befindlichen Teilschuldverschreibungsschuldnern praktisch eher gering sein. Vielmehr sprechen auch das Fehlen einer Anspruchsgrundlage für die Rückforderung sowie der Umstand, dass die Gesetzesbegründung ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners für die Schwebephase annimmt,349 dafür, dass der Gesetzgeber die Zielsetzungen der Norm durch ein Leistungsverweigerungsrecht und nicht durch die Schaffung einer Sonderregelung zu § 813 Abs. 2 BGB erreichen wollte. Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung finden sich Hinweise auf die einschlägige An347 

Vgl. oben 3. Teil D I, vgl. auch 3. Teil A II. auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 133: „Das Gesetz will ein sinnloses Hin- und Herschieben der Leistung vor eigentlicher Fälligkeit vermeiden, auch wenn der Schuldner wirtschaftlich dadurch einen Verlust erleiden mag.“ 349 Vgl. BT‑Drs. 16/12814, S. 19; zur Frage, ob ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners besteht, sogleich unter 3. Teil D I 2 b). 348  Vgl.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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spruchsgrundlage für eine Rückforderung des während des Schwebezeitraums Geleisteten oder auf das Verhältnis von § 813 Abs. 2 BGB und § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG. Vieles spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Kollision beider Regelungen schlicht übersehen hat. Deshalb kann auch nicht pauschal auf den Grundsatz lex posterior derogat legi priori rekurriert werden und § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG als Sonderregelung zu § 813 Abs. 2 BGB interpretiert werden. Diese Derogationsregel ist ohnehin lediglich ein Interpretationskriterium.350 Außerdem müssen konfligierende Normen zunächst ausgelegt werden und für den Fall eines Konflikts muss  – auch mit Hilfe der Derogationsregeln – die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lösung ermittelt werden.351 Wenn der Gesetzgeber den Konflikt überhaupt nicht erkannt hat, sollte, bevor § 813 Abs. 2 BGB als verdrängt angesehen wird, geprüft werden, ob sich der Konflikt auf andere Weise interessengerecht lösen lässt, wie etwa durch ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während der Schwebezeit. Gegen die Annahme, § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG sei lex specialis zu § 813 Abs. 2 BGB, spricht auch, dass weiterhin ungeklärt bliebe, auf welche Anspruchsgrundlage die Rückforderung gestützt werden kann. Die fehlende Fälligkeit ist keine dauernde, sondern lediglich eine vorrübergehende Einrede, weshalb § 813 Abs. 1 S. 1 BGB als Anspruchsgrundlage ausscheiden muss. Da ein Rechtsgrund für die Leistung in Gestalt der verbrieften Forderung bzw. – nach der subjektiven Rechtsgrundtheorie – in Form des erreichten Erfüllungszwecks bestand und auch durch Aufhebung der Kündigung nicht entfällt, scheiden auch Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB und § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB aus. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG bildet selbst auch keine Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung. Andere gesetzliche Anspruchsgrundlagen für eine Rückforderung sind nicht ersichtlich. Vertragliche Anspruchsgrundlagen sind schon wegen der erforderlichen Einigung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den Teilschuldverschreibungsgläubigern kaum vorstellbar. Es überzeugt aber ohnehin nicht, § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG einerseits als Sonderregelung zu § 813 Abs. 2 BGB anzusehen, andererseits aber die Möglichkeit einer Rückforderung von einer entsprechenden Regelung in den Anleihebedingungen abhängig zu machen. Die Tatsache, dass es für eine Rückforderung an einer Anspruchsgrundlage fehlt, sowie der Umstand, dass eine Kollision mit der Regelung des § 813 Abs. 2 BGB weder im Gesetz selbst noch in der Gesetzesbegründung erwähnt wurde, indizieren vielmehr, dass der Gesetzgeber diese Problematik schlicht übersehen

350  Zur Bedeutung der Derogationsregeln vgl. Vranes, ZaöRV 2005, 391 ff.; Renck, JZ 1970, 770 f. 351 Vgl. Vranes, ZaöRV 2005, 391, 399 f.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

hat. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG kann daher nicht als Sonderregelung zu § 813 Abs. 2 BGB interpretiert werden.

dd) Zusammenfassung Eine Rückforderung des während der Schwebephase Geleisteten ist nach § 813 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, und zwar sowohl bei Annahme einer ex tunc Wirkung als auch einer ex nunc Wirkung des Mehrheitsbeschlusses. Die Frage, ob die Wirkungen der Kündigungen rückwirkend oder nur für die Zukunft entfallen, kann jedenfalls insoweit offen bleiben.

b)  Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während der Schwebezeit Fraglich ist, ob dem Teilschuldverschreibungsschuldner während der dreimonatigen Schwebephase, innerhalb derer die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger die Wirkung der Kündigungen durch Beschluss entfallen lassen kann, ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber den Teilschuldverschreibungsgläubigern zusteht, die die Kündigung erklärt haben bzw. – im Fall einer in den Anleihebedingungen vorgesehenen Gesamtwirkung der Gesamtkündigung – gegenüber sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt.

aa) Meinungsstand Im Schrifttum ist umstritten, ob dem Teilschuldverschreibungsschuldner während der Schwebephase von drei Monaten ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Teilweise wird § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG mit der Begründung als gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht qualifiziert, dass es dem Schuldner nicht zumutbar sei, die Kündigung zunächst zu vollziehen und nach ihrer Aufhebung vor die praktischen Probleme einer Rückabwicklung gestellt zu werden.352 Auch wird es als unzumutbar empfunden, dass die restlichen Teilschuldverschreibungsgläubiger das Insolvenzrisiko der kündigenden Minderheit tragen.353 Vielfach wird ein Leistungsverweigerungsrecht schlicht mit Verweis auf die Gesetzesbegründung bejaht,354 in der sich die Formulierung 352 

Brandt/R. Müller/Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 15. 378; Cagalj, S. 124. Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 101, die allerdings davon ausgehen, dass kein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht besteht, eine Einrede des Teilschuldverschreibungsschuldners aber in den Anleihebedingungen vorgesehen werden sollte; so auch Schmidtbleicher, in: Ekkenga/Schröer, Handbuch der AG‑Finanzierung, Kap. 12, Rn. 133. 354  Leber, S. 284; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5, Rn. 41 (a. A. inzwischen Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 46); Vogel, in: Preuße, SchVG, 353 So



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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findet, dass der Schuldner bis zum Ablauf der Frist (von drei Monaten) die Leistung verweigern kann355. Nach der Gegenauffassung steht dem Teilschuldverschreibungsschuldner kein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht zu.356 Weder aus dem SchVG noch aus allgemeinen Vorschriften, namentlich §§ 273, 320, 321, 242 BGB, ergebe sich eine Einrede des Teilschuldverschreibungsschuldners.357 Die Gesetzesbegründung könne ein Leistungsverweigerungsrecht nicht dekretieren.358 Es sei aber zulässig – und empfehlenswert –, in den Anleihebedingungen Regelungen für die Schwebezeit zu treffen.359 Gegen ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht wird ferner vorgebracht, dass ein solches die Erfüllung der Ansprüche der Teilschuldverschreibungsgläubiger noch stärker gefährde als dies durch die Krise des Teilschuldverschreibungsschuldners ohnehin schon der Fall sei.360

bb)  Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB Ausdrücklich ergibt sich aus § 5 Abs. 5 SchVG kein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners während der dreimonatigen Schwebephase. Richtigerweise vermag auch die Gesetzesbegründung ein solches nicht zu begründen.361 § 5, Rn. 57; ohne nähere Begründung ein Leistungsverweigerung bejahend: Paul, in: Berliner Kommentar InsO, § 5 SchVG, Rn. 15. 355  BT‑Drs. 16/12814, S. 19. 356  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 99; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 115; zweifelnd im Hinblick auf ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsgläubigers auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 101; gegen ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrechts des Teilschuldverschreibungsschuldners jetzt auch Veranneman, in: Veranneman, SchVG, § 5, Rn. 46 (a. A. dagegen noch Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5, Rn. 41). 357  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 99. 358  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 99. 359  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 101; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., §  5 SchVG, Rn. 99; vgl. – allerdings noch zum Referentenentwurf 2008 – auch Schwenk, jurisPR‑BKR 1/2009, Anm. 4, der die damalige Regelung, der § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG inhaltlich entspricht, insgesamt als misslungen bezeichnet. 360  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 99, die als Sicherung für die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger vorschlagen, in den Anleihebedingungen vorzusehen, dass die Zahlung gegen Stellung von Sicherheiten oder an den gemeinsamen Vertreter als doppelten Treuhänder zu erfolgen hat. 361 Zur Bedeutung der Gesetzesbegründung bzw. des subjektiven Willens des Gesetzgebers bei der Gesetzesauslegung siehe auch: Schmalz, Methodenlehre, Rn. 262 ff.; Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 137 ff., 149 ff.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB scheidet schon mangels Vorliegens eines gegenseitigen Vertrages aus. Für ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB bedürfte es fälliger und konnexer Ansprüche des Teilschuldverschreibungsschuldners gegen diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die gekündigt haben (bzw. im Fall einer Gesamtwirkung der Gesamtkündigung gegen sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger). Solche Ansprüche werden aber kaum bestehen. Insbesondere kann nicht auf einen Rückforderungsanspruch des Teilschuldverschreibungsschuldners wegen des an die Teilschuldverschreibungsgläubiger Geleisteten abgestellt werden, weil ein solcher – abgesehen davon, dass einem solchen Anspruch § 813 Abs. 2 BGB entgegen steht – überhaupt erst durch einen die Wirkung der Kündigungen aufhebenden Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG entstünde. Aus diesem Grunde kann auch die dolo-agit-Einrede362 nicht greifen, weil den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigern in Bezug auf die Leistungsannahme ein treuwidriges Verhalten nicht vorzuwerfen ist.363 Ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners könnte aber unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit der Leistungserbringung aus § 242 BGB hergeleitet werden. Grundsätzlich soll ein Verstoß gegen § 242 BGB eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung begründen, ausnahmsweise wird aber von einer Einrede ausgegangen, soweit es um die Unzumutbarkeit der Leistungserbringung geht.364 Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber dem Schuldner im Rahmen des § 275 Abs. 3 BGB, der für höchstpersönliche Leistungspflichten als lex specialis zu § 242 BGB angesehen wird, ein Wahlrecht eingeräumt hat und ein solches auch bei vertretbaren Leistungen bestehen soll.365 Eine Einrede wegen Unzumutbarkeit der Leistungserbringung kann über § 242 BGB nur bei nicht persönlich zu erbringengenden Leistungen angenommen werden und muss auf andere Umstände als den für die Leistungserbringung erforderlichen wirtschaftlichen Aufwand gestützt werden, da § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB insoweit leges speciales sind.366 Den Teilschuldverschreibungsschuldner trifft keine höchstpersönliche Leistungspflicht, sondern er ist (i. d. R.) zur Zahlung einer Geldsumme verpflichtet. Auch würde die Unzumutbarkeit nicht auf dem für die Leistungserbringung 362  Nach dem dolo-agit-Einwand besteht ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der geforderte Leistungsgegenstand alsbald wieder zurückzugeben ist und kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, ihn zwischenzeitlich zu behalten, vgl. Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 279; siehe auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 138. 363  Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG, Rn. 115. 364  Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 274 f. 323 ff.; vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 145. 365  Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 274 f., 323 ff., vgl. zum Verhältnis § 242 BGB und § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auch Rn. 270 ff. 366  Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 274; vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 142.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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erforderlichen wirtschaftlichen Aufwand beruhen, sondern auf dem Umstand, dass sich der Teilschuldverschreibungsschuldner durch die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG gesetzlich zwingend vorgesehene Möglichkeit, die Wirkungen von Kündigungen durch einen Mehrheitsbeschluss entfallen zu lassen, und dem 813 gleichzeitigen Ausschluss einer Rückforderungsmöglichkeit wegen §  Abs. 2 BGB in einer Zwangslage befindet. Er wäre denjenigen Teilschuldverschreibungsgläubigern, die ihre Forderungen durch Kündigung fällig gestellt haben, (vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Anleihebedingungen) zur Leistung verpflichtet. Mangels Rückforderungsmöglichkeit würde die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, die Kündigungen aufzuheben, bei Leistung des Teilschuldschreibungsschuldners praktisch wirkungslos. Gleichzeitig trüge der Teilschuldverschreibungsschuldner ohne Leistungsverweigerungsrecht das Risiko, dass kein Mehrheitsbeschluss zustande kommt, weil er ohne Leistungsverweigerungsrecht in Schuldnerverzug käme. Dieses Risiko entfiele auch bei Annahme einer ex tunc Wirkung des die Kündigungen aufhebenden Mehrheitsbeschlusses nicht vollständig, da der Teilschuldverschreibungsschuldner weiterhin das Risiko trägt, dass ein solcher nicht zustande kommt. Fraglich ist, ob diese Zwangslage die Unzumutbarkeit der Leistungserbringung begründen kann. Bei der für die Feststellung der Unzumutbarkeit erforderlichen Interessenabwägung muss die (privatautonom) festgelegte Risikozuordnung unter den Beteiligten berücksichtigt werden.367 Die Möglichkeit, die Wirkung von Gesamtkündigungen entfallen zu lassen, besteht kraft Gesetzes. Da aber § 813 Abs. 2 BGB einer Rückforderung entgegensteht, wird der Teilschuldverschreibungsschuldner kraft Gesetzes in eine Zwangslage gebracht, entweder das Risiko eines Schuldnerverzuges einzugehen oder die gesetzlich angeordnete Rücknahmemöglichkeit zu entwerten, indem er seiner Leistungspflicht nachkommt. Zu berücksichtigen ist, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner die Rücknahmemöglichkeit nicht selbst festlegt, sondern das Gesetz diese anordnet. Die für den Teilschuldverschreibungsschuldner bestehende Risikolage, die sich aus dem (vom Gesetzgeber scheinbar nicht erkannten) Konflikt des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG mit § 813 Abs. 2 BGB ergibt, rechtfertigt es, die Leistungserbringung während der Schwebezeit als unzumutbar zu bewerten. Die Auferlegung des Risikos des Schuldverzuges durch das Gesetz ist unbillig. Gleichzeitig kann es nicht im Sinne des Gesetzes sein, dass die Rücknahmemöglichkeit des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG entwertet wird, weil sich der Teilschuldverschreibungsschuldner pflichtgemäß verhält. Auch die Interessen der übrigen, nicht kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger368, denen die Vorschrift des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auch eine 367 Allgemein zum Erfordernis einer Interessenabwägung im Rahmen des § 242 BGB: Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 144; Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 50 ff. 368  Zur Berücksichtigung von Drittinteressen bei der im Rahmen des § 242 BGB vorzu-

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

gestärkte Verhandlungsposition gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner verschaffen soll, stehen einem Leistungsverweigerungsrecht nicht entgegen. Im Gegenteil: Ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners verhindert einen Abfluss von Liquidität vor der Beschlussfassung. Anders bei einer Rückforderung des Geleisteten durch den Teilschuldverschreibungsschuldners – wie dargelegt fehlt es hierfür bereits an einer Anspruchsgrundlage – tragen die Teilschuldverschreibungsgläubiger so auch nicht das Insolvenzrisiko der kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger. Die geschilderte Konfliktlage für den Teilschuldverschreibungsschuldner lässt sich systematisch und dogmatisch widerspruchsfrei und ohne Schaffung einer (ungeschriebenen und damit in ihren Voraussetzungen unbestimmten) Anspruchsgrundlage für die Rückforderung lösen, indem dem Teilschuldverschreibungsschuldner ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB während der Schwebephase zugestanden wird.

cc) Zusammenfassung Der Teilschuldverschreibungsschuldner ist gem. § 242 BGB berechtigt, die Leistung während der Schwebephase zu verweigern. Da das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts den Schuldnerverzug ausschließt, bedarf die Frage der ex tunc oder ex nunc Wirkung des Mehrheitsbeschlusses also auch insoweit keiner Entscheidung.

c) Zwischenergebnis Eine Entscheidung, ob im Fall eines Mehrheitsbeschlusses i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2, 3 SchVG die Wirkungen der Kündigungen ex tunc oder ex nunc entfallen, bedarf jedenfalls für diese Untersuchung keiner Entscheidung.

3.  Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse zu § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist als auflösende Rechtsbedingung einzuordnen. Leistet der Teilschuldverschreibungsschuldner während der dreimonatigen Schwebephase an die kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger, so steht im Fall eines die Wirkungen der Kündigungen aufhebenden Mehrheitsbeschlusses § 813 Abs. 2 BGB der Rückforderung des während der Schwebephase Geleisteten entgegen. Der Teilschuldverschreibungsschuldner ist jedoch gem. § 242 BGB berechtigt, während der Schwebephase die Leistung zu verweigern.

nehmenden Interessenabwägung siehe: Schubert, in: MüKoBGB, § 242, Rn. 56; Looschelders/ Olzen, in: Staudinger, § 242, Rn. 151.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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II.  Aufhebungsmöglichkeiten für Einzelkündigungen Fraglich ist, ob auch Einzelkündigungen aufgehoben werden können.

1.  Keine Aufhebung durch Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG Eine Aufhebung einer Einzelkündigung durch einen Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG kommt – jedenfalls ohne ausdrückliche Regelung in den Anleihebedingungen – nicht in Betracht, denn Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG sind für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits wirksam gekündigt hatten, nicht mehr verbindlich.369

2.  Kündigungsrücknahme durch gemeinsamen Vertreter? Eine Möglichkeit zur Beseitigung der Wirkung einer Einzelkündigung soll nach Seibt/Schwarz die konsensuale Kündigungsrücknahme durch einen Vertrag zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und dem durch Mehrheitsbeschluss bevollmächtigten gemeinsamen Vertreter darstellen.370 Der gemeinsame Vertreter könne durch einen Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger – also auch für diejenigen, die eine individuelle Kündigung ausgesprochen haben – verbindlich vereinbaren, dass die Anleihe (derzeit) nicht fällig ist.371 Die Vereinbarung wirke auch zu Lasten derjenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die bereits zuvor wirksam gekündigt haben, weil die kollektive Bindung fortgelte. Der gemeinsame Vertreter habe zudem eine verdrängende Zuständigkeit.372 Inhaltlich sind die Teilschuldverschreibungsgläubiger in der Tat frei darin, welche Aufgaben und Befugnisse sie dem gemeinsamen Vertreter erteilen.373 Die Beauftragung und Bevollmächtigung zum Abschluss einer Vereinbarung über die derzeitige Nichtfälligkeit der Schuldverschreibungen ist damit grundsätzlich denkbar. Allerdings ist es nicht möglich, einem gemeinsamen Vertreter nach erfolgter Kündigung einen solchen Auftrag zu erteilen, da mit der Einzelkündigung die 369  Vgl. oben 3. Teil C III 3; a. A. BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14; a. A. Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 548, 567 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 19 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilfworking-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016); Ostermann, DZWIR 2015, 313, 315 ff.; für die Zulässigkeit eines rückwirkenden Kündigungsverzichts durch Mehrheitsbeschluss auch Moser, NZI 2016, 470. 370  Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412 f.; zustimmend Moser, NZI 2016, 470 f.; Lürken, GWR 2016, 78; Weissinger, EWiR 2016, 197, 198. 371  Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 412 f. 372  Seibt/Schwarz, ZIP 2014, 401, 413. 373  Vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 20; vgl. auch oben 2. Teil C IV 1 sowie 2 b).

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

gesetzliche (Gesamt-)Vertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger für den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger endet. Gekündigte Teilschuldverschreibungen unterliegen nicht mehr der kollektiven Bindung und Mehrheitsbeschlüsse i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG sind nach erfolgter Kündigung für den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht mehr verbindlich.374 Folglich kann auch eine durch Mehrheitsbeschluss erfolgende Bevollmächtigung des gemeinsamen Vertreters nicht verbindlich sein. Die von Seibt/Schwarz vorgeschlagene Konstruktion einer Kündigungsrücknahme durch den gemeinsamen Vertreter ist also allenfalls denkbar, wenn eine entsprechende Bevollmächtigung bereits vor der Erklärung der Kündigung erfolgt war. Das SchVG enthält keine Aussage zu den Auswirkungen einer Kündigung auf die Vertretungsmacht des gemeinsamen Vertreters für den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger. Die Rechtsbeziehungen des gemeinsamen Vertreters zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern beurteilen sich nach den §§ 164 ff. BGB und den §§ 675, 663–665, 670, 672, 674 BGB. Ob eine vor der Kündigung (durch Mehrheitsbeschluss) erteilte Bevollmächtigung des gemeinsamen Vertreters auch nach der Kündigung einer Teilschuldverschreibung für den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger fortbestehen soll, ist letztlich eine Frage des Inhalts der Bevollmächtigung im konkreten Einzelfall. Dass die Vollmacht fortwirkt und der kündigende Teilschuldverschreibungsgläubiger Vertragspartner des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem gemeinsamen Vertreter bleibt, erscheint allerdings weder interessengerecht noch sinnvoll. Vieles spricht dafür, dass die Vollmacht (auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung) dahingehend auszulegen ist, dass sie bei Kündigung durch einen Teilschuldverschreibungsgläubiger für diesen automatisch endet. Dennoch ist zu empfehlen, bei Bestellung des gemeinsamen Vertreters Vorsorge zu treffen und festzulegen, dass die Kündigung einer Teilschuldverschreibung für den kündigenden Gläubiger sowohl zur Beendigung des Geschäftsbesorgungsvertrages als auch zur Beendigung der Vollmacht führt. Da der Gläubiger einer gekündigten Teilschuldverschreibung nicht mehr den Bindungen der partiell verdrängenden Gesamtvertretungsmacht nach den §§ 5 ff. SchVG unterliegt, kann er die Bevollmächtigung des gemeinsamen Vertreters jedenfalls nach §§ 168 S. 2, 3, 167 Abs. 1 BGB jederzeit widerrufen.

3.  Analoge Anwendung von § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG? Mit § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG existiert eine gesetzliche Regelung betreffend die Rücknahme einer Gesamtkündigung. Es stellt sich die Frage, ob diese Vorschrift auch eine Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer Einzelkündigung darstellt. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG bezieht sich allerdings ausdrücklich auf eine 374 

Vgl. oben 3. Teil C III 3.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG. Durch einfache Auslegung kann der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG somit nicht auf Einzelkündigungen erweitert werden.375 In Betracht kommt allenfalls eine analoge Anwendung. Eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen wird im Schrifttum vereinzelt angedacht.376 Eine nähere Prüfung der Voraussetzungen für eine Analogiebildung ist bisher – soweit ersichtlich – aber nicht erfolgt.

a)  Methodische Grundlagen der Analogiebildung Die Bildung einer Analogie, also die Übertragung einer für einen bestimmten Fall bestehenden gesetzlichen Regelung auf einen vom Gesetz nicht geregelten Fall, der dem geregelten Fall ähnlich ist, findet ihre Rechtfertigung in dem Grundsatz, Gleichartiges gleich zu behandeln.377 Bei der Analogiebildung handelt es sich um eine Wertungsfrage, für die die ratio legis heranzuziehen ist.378 Voraussetzungen für eine Analogie sind das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage.379 Eine Regelungslücke liegt vor, wenn ein Gesetz für einen Sachverhalt, der nach der dem Gesetz zugrundeliegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedarf, keine Regel enthält, mithin unvollständig ist.380 Eine „Lücke“ ist keinesfalls ein „Nichts“, sondern das Fehlen einer bestimmten, nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel.381 Ob eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt, ist vom Standpunkt des Gesetzes selbst, nach der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht und nach den mit ihm verfolgten Zwecken zu beurteilen.382 375  Auch

Rechtsprechung und Schrifttum verneinen die (direkte) Anwendbarkeit des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen, vgl. LG Bonn ZIP, 2014, 1073, 1076 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14); Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 91a; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412. 376  Leber, S. 285, in Erwägung; vgl. auch Lürken, GWR 2016, 78; Liebenow, S. 56 Fn. 82, führt für eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen an, dass das Interesse der sanierungsbereiten Mehrheit im Fall von Einzelkündigungen „sogar noch schützenswerter“ sei als im Fall von Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG. 377  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889; zur Analogiebildung vgl. auch Schmalz, Methodenlehre, Rn. 380 ff. 378  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 f.; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, Rn. 834 ff., 884, 889, 893 ff., passim. 379  Schmalz, Methodenlehre, Rn. 383 ff.; vgl. auch Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 84 ff., 87. 380  Vgl. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 191 ff., insbes. S. 193; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 832 ff., die sich kritisch mit dem traditionellen Lückenbegriff auseinandersetzen und diesen als zu eng ansehen. 381  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 196. 382  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194.

304

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Abzugrenzen ist eine planwidrige Regelungslücke von einem „bloßen“ rechtspolitischen Fehler: Die gesetzliche Regelung ist in diesem Fall zwar verbesserungswürdig, aber gemessen an der Regelungsabsicht des betreffenden Gesetzes nicht unvollständig.383 Die Abgrenzung zwischen einer – der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung zugänglichen – Regelungslücke und einem – allenfalls im Wege der Rechtsfortbildung extra legem korrigierbaren – rechtspolitischen Fehler ist ebenfalls eine Wertungsfrage.384

b)  Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke Fraglich ist, ob das SchVG im Hinblick auf eine Aufhebungsmöglichkeit für Einzelkündigungen im beschriebenen Sinne „lückenhaft“ ist.

aa)  Ratio des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG Der Sinn und Zweck der in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG vorgesehenen Rücknahmemöglichkeit von Gesamtkündigungen besteht darin, Restrukturierungen zu fördern, indem ein erheblicher Liquiditätsabfluss beim Teilschuldverschreibungsschuldner und die Befriedigung einzelner Teilschuldverschreibungsgläubiger auf Kosten der Mehrheit der (sanierungswilligen) Teilschuldverschreibungsgläubiger verhindert werden.385 Daneben soll die Rücknahmemöglichkeit die Verhandlungsposition der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner stärken.386 Auch durch Individualkündigungen können sich einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger einem Sanierungsplan entziehen und sich auf Kosten der Mehrheit befriedigen. Durch eine Vielzahl von Einzelkündigungen kann es ebenso wie im Fall einer Gesamtkündigung zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss beim Teilschuldverschreibungsschuldner kommen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die für eine Gesamtkündigung erforderliche Anzahl an Kündigungen auch weniger als 25 Prozent ausmachen kann: § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG legt lediglich die Obergrenze fest. Umgekehrt kann der durch eine Vielzahl von Einzelkündigungen drohende Liquiditätsabfluss sehr groß sein. Viele Einzelkündigungen können somit eine der Gesamtkündigung vergleichbare Wirkung entfalten. Liebenow hält das Interesse der sanierungsbereiten Mehrheit gegen383 

Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 195. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 195; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 834; vgl. auch Schmalz, Methodenlehre, Rn. 387. 385  Vgl. bereits oben 3. Teil D I sowie: Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 99; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 85; BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26; vgl. auch Hartwig-Jacob, in: FS Horn, S. 717, 733; Veranneman, in: Veranneman, SchVG, 1. Auflage 2010, § 5 SchVG, Rn. 36. 386  Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 5 SchVG, Rn. 95. 384 



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

305

über dem Interesse der kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger im Fall von Einzelkündigungen sogar für noch schützenswerter als im Fall der Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG.387 Das Gebot, Gleiches gleich zu behandeln sowie die ratio legis des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG sprechen angesichts der vergleichbaren Wirkung von Einzelkündigungen somit dafür, dass auch für Einzelkündigungen eine Aufhebungsmöglichkeit bestehen sollte – und damit für das Vorliegen einer Regelungslücke.

bb)  Nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift? Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke muss indes ausscheiden, wenn es sich bei § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG um eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift handelt. Dies wäre der Fall, wenn mit § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ein Ausnahmefall geregelt wurde und die Rücknahmemöglichkeit nur für den Fall einer Gesamtkündigung nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG gelten soll. Ob es sich bei § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG um eine solche Ausnahmeregelung handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dem Wortlaut kann eine solche Bedeutung nicht entnommen werden. Auch aus der Genese des SchVG sind keine Hinweise dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, eine Rücknahmemöglichkeit für Einzelkündigungen einzuführen. Gegen die Annahme einer nicht analogiefähigen Ausnahmevorschrift spricht zudem, dass – wie bereits dargelegt – auch bei Einzelkündigungen ein Bedürfnis nach einer Rücknahmemöglichkeit der Mehrheit besteht und die Wirkung einer Vielzahl von Einzelkündigungen einer Gesamtkündigung gleichkommen kann.388 Auch im Schrifttum wird angenommen, dass § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG einer Aufhebung von Einzelkündigungen durch Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 SchVG nicht entgegensteht, und damit der Charakter der Regelung als Ausnahmevorschrift verneint.389 Diese Auffassung scheint auch der XI. Zivilsenat des BGH zu teilen. Andernfalls würde er durch seine – gleichwohl abzulehnende – Solarworld-Rechtsprechung390 betreffend die Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG, durch welche die Wirkung von Einzelkündigungen beseitigt wird, die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG umgehen. Der XI. Zivilsenat des BGH geht davon aus, dass § 5 387 

Liebenow, S. 56 Fn. 82. Vgl. soeben 3. Teil D II 3 b) aa). 389  So etwa Moser, NZI 2016, 470, der eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 SchVG angesichts der Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 SchVG indes für nicht erforderlich hält; vgl. auch: Ostermann, DZWIR 2015, 313, 316; Baums, Beiträge zum Recht der Unternehmensfinanzierung, S. 548, 567 (= Baums, ILF Working Paper No. 145/2015, S. 19 f., abrufbar unter: http://www.ilf-frankfurt.de/research/ilf-working-papers/, zuletzt abgerufen am 13. 06. 2016). 390  BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14. 388 

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Abs. 5 S. 2 SchVG einer Verbindlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen für gekündigte Teilschuldverschreibungen nicht entgegensteht.391 Zwar entfällt die Wirkung der Einzelkündigung nach der Auffassung des XI. Zivilsenates des BGH nicht (automatisch) durch Mehrheitsbeschluss, sondern sie wird infolge der Vollziehung des für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger bindenden Mehrheitsbeschlusses „gegenstandslos“. Allerdings sind die Aufhebung der Kündigung und ihre Gegenstandslosigkeit infolge der Vollziehung in ihren Wirkungen vergleichbar und aus Sicht des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers bestehen im Hinblick auf die Beseitigung der von ihm durch Kündigung herbeigeführten Fälligkeit seiner Forderung keine Unterschiede. Wäre § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG als nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift zu qualifizieren, hätte der XI. Zivilsenat des BGH die Umgehung dieser Ausnahmevorschrift zumindest begründen müssen. Allerdings ist die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG vorgesehene Rücknahmemöglichkeit von Kündigungen – und damit von empfangsbedürftigen Gestaltungsrechten – eine dem deutschen Zivilrecht grundsätzlich fremde Konstruktion.392 § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG sieht die Möglichkeit, die Wirkung einer (Gesamt-)Kündigung durch Mehrheitsbeschluss zu beseitigen, aber ausdrücklich vor. Es handelt sich um eine auflösende Rechtsbedingung.393 Dass die Aufhebung empfangsbedürftiger Gestaltungsrechte eine Ausnahme von allgemeinen Grundsätzen darstellt, ist angesichts der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers also kein Argument gegen eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen.

cc)  Fehlende Erkennbarkeit Bei der Wertung, ob ein Gesetz unvollständig oder bloß rechtspolitisch fehlerhaft ist, muss die immanente Teleologie des betreffenden Gesetzes berücksichtigt werden. Mit Blick auf die Grundprinzipien des SchVG – das Transparenzgebot und das Skripturprinzip – muss eine analoge Anwendung ausscheiden. Die Aufhebung einer Einzelkündigung durch einen Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger stellt einen Eingriff in die Rechte des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers dar. Diese Möglichkeit muss für den Betroffenen aus dem Gesetz oder aus den Anleihebedingungen ersichtlich 391 

BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – XI ZR 488/14 –, juris Rz. 26. Hofmann/Keller, ZHR 175 (2011), S. 684, 703, bezeichnen die Regelung als eine „dem deutschen Recht wesensfremde Rechtsfigur“; Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 97, bezeichnen die Regelung als „Novum“; vgl. auch Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 412 („Bei dieser einseitigen Rücknahmemöglichkeit eines Gestaltungsrechts handelt es sich dogmatisch um eine für das deutsche Recht neue Konstruktion.“). 393  Vgl. oben 3. Teil D I 1. 392 



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

307

sein.394 Anders als bei Gesamtkündigungen, für die das Gesetz in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG die Aufhebung durch Mehrheitsbeschluss zwingend und ausdrücklich vorsieht, ist die Rücknahmemöglichkeit im Fall einer Einzelkündigung für den kündigenden Gläubiger nicht ersichtlich. Vielmehr noch: Aus der Vorschrift des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG kann gefolgert werden, dass die Aufhebung einer Einzelkündigung durch Mehrheitsbeschluss gerade nicht möglich ist.395 Gegen eine analoge Anwendung sprechen damit die gleichen Einwände, die auch gegen die Lösung des XI. Zivilsenates des BGH in Sachen Solarworld vorgebracht wurden.396

dd)  Weitere grundsätzliche Bedenken gegen eine analoge Anwendung Gegen eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen spricht ferner, dass die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG und die Möglichkeit der Aufhebung einer Gesamtkündigung insgesamt als misslungen anzusehen sind: Systematisch ist die Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG innerhalb des Abschnitts 2 des SchVG falsch verortet, da die Möglichkeit einer Gesamtkündigung und ihrer Aufhebung von den sonstigen Regelungen des § 5 SchVG und des Abschnitts 2 zu trennen ist. Auch kann dem Wortlaut nicht entnommen werden, ob eine Gesamtkündigung i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG nur für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger wirkt, die die Kündigung erklärt haben, oder zur Fälligkeit sämtlicher Schuldverschreibungen der Emission führt. Außerdem ergibt sich aus der Rücknahmemöglichkeit des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ein Konflikt mit § 813 Abs. 2 BGB, der nur durch die Anerkennung eines Leistungsverweigerungsrechts des Teilschuldverschreibungsschuldners während der Schwebephase aus § 242 BGB ausgeglichen werden kann. De lege ferenda ist die Vorschrift des § 5 Abs. 5 SchVG daher zu streichen und eine eigenständige Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen ins SchVG aufzunehmen.397

c)  Zusammenfassung: Keine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG ist nicht analog auf Einzelkündigungen anzuwenden.

394  Vgl. auch LG Bonn, ZIP 2014, 1073, 1075 (nicht rechtskräftig, anhängig beim OLG Köln, Az. I-18 U 77/14), das für die Aufhebung der Wirkung einer Einzelkündigung eine Rechtsgrundlage verlangt. 395  Vgl. auch oben 3. Teil C III 3 e). 396  Vgl. oben 3. Teil C III 3 e). 397  Vgl. dazu 3. Teil E.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

4.  Zulässigkeit der Regelung einer Aufhebungsmöglichkeit in den Anleihebedingungen Eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auf Einzelkündigungen ist abzulehnen, da der mit der Aufhebung des Gestaltungsrechts verbundene Eingriff in die Rechte des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers für diesen nicht erkennbar ist. Dies ist auch ein Grund für die Ablehnung einer Aufhebung einer Einzelkündigung durch einen Mehrheitsbeschluss i. S. d. § 5 Abs. 1–3 SchVG. Es stellt sich daher die Frage, ob es de lege lata zulässig ist, in den Anleihebedingungen eine Rücknahmemöglichkeit für Einzelkündigungen durch Mehrheitsentscheidung der Teilschuldverschreibungsgläubiger vorzusehen. Dies ließe sich rechtskonstruktiv erreichen, indem in den Anleihebedingungen festgelegt wird, dass die Wirksamkeit einer Einzelkündigung unter der auflösenden (oder der aufschiebenden) rechtsgeschäftlichen Bedingung eines aufhebenden Mehrheitsbeschlusses steht. Da die Anleihebedingungen Bestandteil der verbrieften Forderung sind respektive deren Inhalt bestimmen und die Fälligkeit einer Forderung bzw. die Möglichkeit der vorzeitigen Fälligstellung Inhalt einer Forderung ist, kommt die Vereinbarung einer Bedingung grundsätzlich in Betracht. Auch bestehen Kündigungsrechte nach hier vertretener Auffassung nur, wenn und soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen. Allerdings könnten der Zulässigkeit einer solchen Gestaltung der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten und der Minderheitenschutz, also der Schutz der kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger, entgegenstehen.

a)  Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten steht nicht entgegen Da die Kündigung einer Teilschuldverschreibung ein forderungsbezogenes Gestaltungsrecht ist, könnte der Möglichkeit, eine Einzelkündigung unter die auflösende (oder aufschiebende) Bedingung eines Mehrheitsbeschlusses der Teilschuldverschreibungsgläubiger zu stellen, der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit empfangsbedürftiger Gestaltungserklärungen398 entgegen stehen.399

398  Zum Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten: Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 38 ff., insbes. Rn. 40 f.; Westermann, in: MüKoBGB, § 158, Rn. 24 ff., insbes. 30. 399  Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Kündigung als ein, ein Dauerschuldverhältnis beendendes Gestaltungsrecht qualifizieren wollte, handelte es sich um ein empfangsbedürftiges Gestaltungsrecht und wäre daher die Zulässigkeit einer solchen auflösenden Bedingung mit Blick auf den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten zu thematisieren.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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Hintergrund für die Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten ist der unzumutbare Schwebezustand für den Erklärungsempfänger.400 Der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten erfährt daher eine Einschränkung, soweit die berechtigten Interessen des Erklärungsempfängers nicht beeinträchtigt werden, weil dieser nicht in eine unzumutbare ungewisse Lage versetzt wird.401 Ein unzumutbarer Schwebezustand entsteht für den Erklärungsempfänger nicht, wenn der Eintritt der Bedingung von seinem Willen abhängt (sog. Potestativbedingung) oder er sich mit der Bedingung einverstanden erklärt hat.402 Zwar hinge die Entscheidung der Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger über die Aufhebung einer Einzelkündigung nicht vom Willen des Erklärungsempfängers – dem Teilschuldverschreibungsschuldner – ab. Es würde sich mithin nicht um eine Potestativbedingung handeln. Allerdings müsste der Teilschuldverschreibungsschuldner eine solche Regelung selbst in die Anleihebedingungen aufnehmen. Er müsste also sein Einverständnis zu einer solchen Bedingung erklären. Das spricht dafür, dass ihm ein Schwebezustand zuzumuten ist. Der Teilschuldverschreibungsschuldner kann für einen solchen Schwebezeitraum auch Regelungen zu seinem Schutz in die Anleihebedingungen aufnehmen, beispielsweise Leistungsverweigerungsrechte. Auch kann – und wie sogleich aufzuzeigen sein wird, ist dies aus Gründen des Minderheitenschutzes sogar geboten – der Teilschuldverschreibungsschuldner eine zeitliche Begrenzung für die Aufhebungsmöglichkeit vorsehen und so den Schwebezeitraum begrenzen. Teilweise wird die Erklärung einer Kündigung allerdings nur unter einer aufschiebenden Bedingung, nicht aber unter einer auflösenden Bedingung für zulässig erachtet.403 Für diese Einschränkung gibt es nach hier vertretener Ansicht jedenfalls für die Fälligkeitskündigung bei Teilschuldverschreibungen keinen Grund. Die Gestaltung der Anleihebedingungen und damit der Kündigungsrechte obliegen dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Er kann Regelungen zu seinem Schutz vorsehen. Sofern die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung dennoch als unzumutbar angesehen wird, bliebe jedenfalls die Gestaltung als aufschiebende Bedingung möglich. Auch die Interessen der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger stehen einer solchen Gestaltung nicht entgegen. Von der Einzelkündigung, die zur Fälligstellung der gekündigten Schuldverschreibung führt, sind die übrigen Teil400  Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 38; Bork, AT, Rn. 1258; Wolf, in: Soergel, § 158, Rn. 43; Wolf/Neuner, § 52, Rn. 23 f.; vgl. auch Westermann, in: MüKoBGB, § 158, Rn. 28 ff. 401  Bork, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 158–163, Rn. 40; vgl. auch Wolf, in: Soergel, § 158, Rn. 43. 402  Bork, AT, Rn. 1258; Wolf/Neuner, § 52, Rn. 25. 403  Wolf, in: Soergel, § 158, Rn. 44.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

schuldverschreibungsgläubiger rechtlich nicht unmittelbar betroffen. Zwar kann eine Einzelkündigung die wirtschaftlichen Interessen der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger berühren, wenn durch die Leistung des Teilschuldverschreibungsschuldners an den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger die Erfüllung der Ansprüche der übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger gefährdet bzw. eine bestehende Gefährdung verstärkt wird. Eine solche Gefährdung bzw. Verstärkung einer Gefährdung kann sich aber potentiell durch jeden anderen Gläubiger des Teilschuldverschreibungsschuldners bzw. eine Leistung des Teilschuldverschreibungsgläubigers an einen seiner anderen Gläubiger ergeben. Die Möglichkeit, eine Einzelkündigung aufzuheben, stärkt die Stellung der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit Blick auf die Gefährdungslage für die Erfüllung ihrer Ansprüche sogar. Vom Schwebezustand sind die übrigen Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht nachteilig betroffen. Damit die Teilschuldverschreibungsgläubiger sich für oder gegen eine Rücknahme aussprechen können, müssen sie freilich über Einzelkündigungen informiert werden. Der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten steht der Festlegung einer Aufhebungsmöglichkeit von Einzelkündigungen durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger in den Anleihebedingungen somit nicht entgegen.

b) Minderheitenschutz Eine Einzelkündigung in den Anleihebedingungen unter die (auflösende) Bedingung einer Mehrheitsentscheidung zu stellen, könnte allerdings im Hinblick auf den Schutz des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers problematisch sein und gegen § 138 Abs. 1 BGB oder den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.404

aa) Missbrauchskontrolle Welche Rechtsschutzmöglichkeiten für den Teilschuldverschreibungsgläubiger, dessen Kündigung aufgehoben wird, bestünden, hinge zunächst von der Gestaltung der Anleihebedingungen im Einzelfall ab. Soll die Aufhebung durch einen Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger erfolgen, käme wie im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG405 eine Anfechtungsklage nach § 20 SchVG in Betracht. Außerdem bieten die §§ 138 Abs. 1, 826 BGB (sowie ggf. die §§ 226, 242 BGB) einen Mindestschutz. Im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG besteht auch kein weitergehender Schutz, denn eine materielle Be404  Eine Unwirksamkeit gem. § 307 Abs. 1 BGB kommt dagegen nicht in Betracht, da die Anleihebedingungen richtigerweise nicht der AGB‑Kontrolle unterliegen, vgl. oben 2. Teil A II. 405  Vgl. zur Anfechtbarkeit des Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG auch Le‑ ber, S. 284; vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG, Rn. 23.



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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schlusskontrolle findet – abgesehen von einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 SchVG und § 138 Abs. 1 BGB – nicht statt.406 Der Umstand, dass in den Anleihebedingungen keine darüber hinausgehenden Rechtsschutzmöglichkeiten für den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger vorgesehen sind, dürfte daher die Unwirksamkeit der Bedingung nicht begründen.

bb)  Anforderungen an das Quorum Die Unwirksamkeit der Bedingung könnte allerdings daraus folgen, dass die für die Aufhebung erforderliche Stimmzahl zu gering angesetzt wird. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass das Risiko einer Aufhebung einer Einzelkündigung durch die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger für den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger aus den Anleihebedingungen erkennbar wäre und er die Schuldverschreibungen im Bewusstsein dieses Risikos erworben hätte. Die Kündigungsrechte bestehen nur in der in den Anleihebedingungen vorgesehenen Form. Die Möglichkeit der Aufhebung einer Kündigung durch Mehrheitsentscheidung wäre Bestandteil der verbrieften Forderung – des konkreten Kapitalmarktproduktes. Der Teilschuldverschreibungsschuldner wird dieses Risiko ggf. auch durch höhere Renditemöglichkeiten ausgleichen müssen. Daher kann jedenfalls nicht per se von einer Unwirksamkeit wegen der für die Aufhebung erforderlichen Stimmmehrheiten ausgegangen werden.407

cc)  Zeitliche Obergrenze Der Schutz des kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigers erfordert allerdings die Festlegung einer zeitlichen Obergrenze, innerhalb derer eine Kündigung durch die Mehrheit der Teilschuldverschreibungsgläubiger zurückgenommen werden kann. Denn ein dauerhafter Schwebezustand ist dem kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht zumutbar. Eine Orientierung für eine noch zulässige zeitliche Obergrenze bietet die Dreimonatsfrist des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG. Der Gesetzgeber sieht eine Schwebephase von drei Monaten im Fall von Gesamtkündigungen für die kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger als zumutbar an. Für Einzelkündigungen dürfte nichts Abweichendes gelten. Wird eine maximale zeitliche Obergrenze von drei Monaten für die Entscheidung über die Aufhebung in den Anleihebedingungen vorgesehen, stehen 406 

Vgl. oben 2. Teil C V 2 d) aa). auch Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 99, die die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG vorgesehene Rücknahmemöglichkeit nicht als „ungebührliche Beschränkung der Lösungsmöglichkeit der Gläubiger“ ansehen, sondern als „Ausdruck des Umstands, dass ‚Kündigungsrechte‘ der Gläubiger nur in solchem Umfang existieren, wie sie in den Anleihebedingungen eingeräumt werden“. 407 Vgl.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

der Zulässigkeit einer Regelung betreffend die Aufhebung von Einzelkündigungen keine grundsätzlichen Bedenken entgegen.

c)  Regelungen für den Schwebezeitraum, insbesondere Leistungsverweigerungsrecht Es ist zulässig und empfehlenswert, in den Anleihebedingungen Regelungen für die Schwebezeit zwischen der Kündigung und dem Bedingungseintritt, also dem aufhebenden Mehrheitsbeschluss, zu treffen. Nicht vereinbart werden kann allerdings, dass eine Einzelkündigung ex tunc unwirksam wird, da eine Rückwirkung kraft Bedingungseintritts nicht möglich ist.408 Es ist freilich gem. § 159 BGB zulässig, eine schuldrechtlich wirkende Rückbeziehung festzulegen. Der Rückforderung des während der Schwebezeit zwischen Kündigung und Bedingungseintritt an den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger Geleisteten steht aber auch im Fall einer schuldrechtlichen Rückbeziehung § 813 Abs. 2 BGB entgegen. Insoweit gilt das zu § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG Gesagte entsprechend.409 Zwar wird angenommen, dass ein vertraglicher Rückgewähranspruch regelmäßig sillschweigend mitvereinbart ist, wenn die Parteien eine auflösende Bedingung vereinbart haben.410 Es ist aber – wie darlegt – nicht möglich, einen Rückforderungsanspruch in den Anleihebedingungen zu regeln. Schuldverschreibungen verbriefen keinen Anspruch des Ausstellers gegen den Inhaber. Ein Vertragsschluss zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und den einzelnen Teilschuldverschreibungsgläubigern ist praktisch nicht konstruierbar. Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung – weder § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB noch § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB411 noch § 813 Abs. 1 S. 1 BGB kommen in Betracht – genügt es nicht, wenn in den Anleihebedingungen vorgesehen ist, dass § 813 Abs. 2 BGB abbedungen sein soll. Es fehlt weiterhin an einer Anspruchsgrundlage für die Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten. Vieles spricht daher dafür, dass im Fall einer in den Anleihebedingungen vorgesehenen Aufhebungsmöglichkeit der Teilschuldverschreibungsschuldner – wie im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG – gem. § 242 BGB berechtigt wäre, die Leistung an den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger während der 408 

Bork, in: Staudinger, § 158, Rn. 3; § 159, Rn. 1; Wolf/Neuner, § 52, Rn. 34 f. Vgl. oben 3. Teil D I 2 a). 410  Bork, in: Staudinger, § 159, Rn. 9. 411  Da § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB als Anspruchsgrundlage ohnehin nicht in Betracht kommt, bedarf die Frage nach der Rechtsnatur der Ausgleichsansprüche im Fall einer vereinbarten Rückwirkung einer (auflösenden) Bedingung [vgl. dazu Wunner, AcP 168 (1968), S. 425, 443 ff., der von einer vertraglichen Grundlage ausgeht; ebenfalls für einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, § 41 2 d) (S. 729); Rövekamp, in: BeckOK‑BGB, § 159, Rn. 7 m. w. N.; für eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht dagegen Wolf, in: Soergel, § 159, Rn. 2] vorliegend keiner Entscheidung. 409 



D.  Aufhebungsmöglichkeiten von Kündigungen

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Schwebephase zu verweigern. Der Teilschuldverschreibungsschuldner befände sich grundsätzlich in der gleichen Zwangslage wie im Fall der Aufhebung einer Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG: Er könnte das Geleistete nicht zurückfordern und wäre dem Risiko eines Schuldnerverzuges ausgesetzt. Allerdings ist die Möglichkeit, die Wirkung von Gesamtkündigungen durch Mehrheitsbeschluss entfallen zu lassen, gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG gesetzlich zwingend vorgegeben. Die Aufhebung von Einzelkündigungen durch Mehrheitsentscheidung müsste dagegen ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehen werden. Dem Teilschuldverschreibungsschuldner könnte es in diesem Fall – anders als im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG – zuzumuten sein, selbst Vorsorge für den Schwebezustand zu treffen. Die mit der Gestaltungsfreiheit einhergehende Gestaltungsverantwortung könnte dagegen sprechen, dem Teilschuldverschreibungsschuldner ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB zuzugestehen. Sollten die Anleihebedingungen keine Regelungen für die Schwebezeit vorsehen, wäre der Teilschuldverschreibungsschuldner den kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubigern gegenüber zur Leistung verpflichtet und die Rücknahmemöglichkeit für Einzelkündigungen würde bei Leistung des Teilschuldverschreibungsschuldners aufgrund der fehlenden Rückforderungsmöglichkeit letztlich wirkungslos. Leistete der Teilschuldverschreibungsschuldner nicht, trüge er das Risiko des Schuldnerverzuges. Um diesem Dilemma sicher zu entgehen, ist es in jedem Fall sinnvoll, ein Leistungsverweigerungsrecht in den Anleihebedingungen vorzusehen.

d) Zusammenfassung Es ist zulässig, in den Anleihebedingungen die Aufhebung von Einzelkündigungen vorzusehen. Die Kündigung muss dafür unter die auflösende Bedingung einer Mehrheitsentscheidung der Teilschuldverschreibungsgläubiger gestellt werden. Auch eine Gestaltung als aufschiebende Bedingung ist denkbar. Die Anleihebedingungen sollten Regelungen für den Zeitraum vorsehen, innerhalb dessen die Aufhebung der Kündigung möglich ist. Insbesondere sollte ein Leistungsverweigerungsrecht des Teilschuldverschreibungsschuldners auf­genommen werden. Ob der Teilschuldverschreibungsschuldner, wie im Fall des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG, gem. § 242 BGB berechtigt ist, die Leistung während der Schwebephase zu verweigern, ist angesichts der Tatsache, dass die Möglichkeit besteht, bei Gestaltung der Anleihebedingungen Vorsorge zu treffen, nämlich zweifelhaft. Ohne Leistungsverweigerungsrecht trägt der Teilschuldverschreibungsschuldner aber das Risiko des Schuldnerverzugs. Da eine Rückforderung des während der Schwebephase Geleisteten wegen § 813 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist, würde eine Aufhebungsmöglichkeit ohne Leistungsverweige-

314

3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

rungsrecht letztlich wirkungslos, wenn der Teilschuldverschreibungsschuldner leistet.

5. Ergebnis Eine Aufhebung von Einzelkündigungen durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist (nur) möglich, wenn dies in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG bildet keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Einzelkündigungen, auch eine analoge Anwendung scheidet aus. Eine Kündigungsrücknahme durch einen gemeinsamen Vertreter kommt allenfalls in Betracht, wenn der gemeinsame Vertreter vor Kündigung entsprechend bevollmächtigt und diese Vollmacht auch nicht vom kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger widerrufen wurde.

E.  De lege ferenda: Einführung einer Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass viele Fragen im Zusammenhang mit Kündigungen von Schuldverschreibungen umstritten sind: Nicht nur besteht in der Rechtsprechung und im schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttum Uneinigkeit darüber, ob neben den in den Anleihebedingungen vorgesehenen Kündigungsrechten auch gesetzliche Kündigungsrechte, namentlich aus §§ 314, 490 Abs. 1 BGB, Anwendung finden. Mehr noch: Es ist ebenfalls streitig, ob Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG Einzel- oder Gesamtwirkung entfalten und welche Auswirkungen Kündigungen auf die Inhaltsgleichheit der Teilschuldverschreibungen einer Emission haben. Auch über Aufhebungsmöglichkeiten von (Einzel-)Kündigungen besteht Uneinigkeit. Zu zentralen Fragestellungen fehlen gesetzliche Regelungen. Außerdem hat sich gezeigt, dass die rudimentären Regelungen des SchVG teils sogar im Konflikt mit den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen stehen. Im Folgenden werden Leitlinien für eine Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen aufgezeigt. Ihnen liegt das Prinzip von Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsverantwortung zugrunde und sie orientieren sich zu großen Teilen an dem Reformvorschlag412 des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts.

412 

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845 ff.



E.  De lege ferenda

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I.  Leitlinien für eine Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen Es sollte klargestellt werden, dass nur die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten bestehen, die verbriefte Forderung fällig zu stellen und dass für den Teilschuldverschreibungsschuldner die – teilweise bereits de lege lata bestehende – Gestaltungsfreiheit betreffend die Ausgestaltung der Anleihebedingungen (im Hinblick auf die Fälligstellung der Teilschuldverschreibungen) besteht. Wie dargelegt, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen, dass eine Gesamtkündigung bei Fehlen einer Regelung in den Anleihebedingungen Einzelwirkung entfaltet.413 Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte dies jedoch klargestellt werden.414 Dabei sollte auch deutlich gemacht werden, dass es zulässig ist, die Wirkungen einer (Gesamt-)Kündigung in den Anleihebedingungen zu regeln und eine Gesamtwirkung vorzusehen. Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber dem Teilschuldverschreibungsschuldner auch mehr Gestaltungsfreiheit einräumen. Die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG zwingend vorgesehene Möglichkeit, eine Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss aufzuheben, ist gesetzgeberisch misslungen415 und sollte gestrichen werden. Es sollte dem Teilschuldverschreibungsschuldner freistehen, eine Aufhebungsmöglichkeit einer Kündigung durch Mehrheitsentscheidung der Teilschuldverschreibungsgläubiger in die Anleihebedingungen aufzunehmen oder nicht. Klargestellt werden sollte dabei, dass eine Aufhebungsmöglichkeit nicht nur für Gesamtkündigungen (mit Einzel- oder Gesamtwirkung), sondern auch für Einzelkündigungen vorgesehen werden kann.416 Nach hier vertretener Ansicht ist eine solche Gestaltung bereits de lege lata zulässig.417 Eine Rücknahmemöglichkeit sollte auch im Fall einer Gesamtkündigung mit Gesamtwirkung optional sein. Schutz für die kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger vor einem Missbrauch durch die Mehrheit wird durch §§ 138 Abs. 1 (ggf. §§ 226, 242), 826 BGB und durch § 20 SchVG gewährt.418 413 

Vgl. oben 3. Teil A II 3. ist insoweit dem Gesetzentwurf des Arbeitskreises Reform des Schuld‑ verschreibungsrechts, vgl. Arbeitskreis Reform des Schulderschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847. 415  Wie dargelegt enthält die Vorschrift des § 5 Abs. 5 SchVG zu verschiedenen Fragen (Einzel- oder Gesamtwirkung, Leistungsverweigerungsrecht, Anwendbarkeit bei fehlendem Opt-In gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG) keine eindeutige Aussage. Die in § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG vorgesehene Möglichkeit, die Wirkung einer Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss entfallen zu lassen, steht zudem in einem – vom Gesetzgeber offenbar nicht erkannten – Konflikt mit § 813 Abs. 2 BGB. 416  Der Gesetzentwurf des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts sieht eine Rücknahmemöglichkeit dagegen nur für Gesamtkündigungen vor, vgl. Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. 417  Vgl. oben 3. Teil D II 4. 418  Vgl. auch die Ausführungen unter 3. Teil D. II 4 b) aa). 414  Zuzustimmen

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Einzelheiten der Kündigung und ihrer Rücknahme sind in den Anleihebedingungen zu regeln. Gesetzlich festgelegt werden sollten lediglich die Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Anleihebedingungen, um Rechtsklarheit – gerade auch für ausländische Emittenten – zu schaffen. Festgelegt werden sollten zudem die Mindestschwellen für eine Gesamtkündigung und die zeitlichen Grenzen, innerhalb derer eine Aufhebung einer (Gesamt- und Einzel-)Kündigung möglich ist. Im Hinblick auf die erforderliche Mindestanzahl an Kündigungserklärungen für eine Gesamtkündigung ist dem Vorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts zuzustimmen, der im Fall einer Einzelwirkung der Gesamtkündigung eine Obergrenze von 25 Prozent und im Fall einer Gesamtwirkung der Gesamtkündigung eine Mindestschwelle von 25 Prozent vorsieht419. Hierdurch wird sichergestellt, dass im Fall einer Einzelwirkung keine zu hohen Anforderungen an eine Kündigung gestellt werden.420 Für den Fall einer Gesamtwirkung wird gewährleistet, dass die Fälligstellung sämtlicher Teilschuldverschreibungen nicht durch eine „Zwergminderheit“ herbeigeführt werden kann.421 Deutlich gemacht werden sollte darüber hinaus, dass weder die Möglichkeit einer Gesamtkündigung noch deren Aufhebung Ausdruck der kollektiven Bindung sind.422 Eine Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen sollte daher nicht (wie bisher) in Abschnitt 2 betreffend die Beschlüsse der Gläubiger integriert werden, sondern es sollte in Abschnitt 1 ein eigenständiger Paragraph betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen eingeführt werden.423 Dadurch würde auch zum Ausdruck gebracht, dass eine Gesamtkündigung (und die Möglichkeit ihrer Aufhebung) unabhängig von einem Opt-In gem. §§ 5 ff. SchVG in den Anleihebedingungen vorgesehen werden kann424 – was allerdings bereits de lege lata der Fall ist.425 Zuzustimmen ist dem Vorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldver‑ schreibungsrechts, wonach die Entscheidung über die Aufhebung einer Kündigung keines Beschlusses der Gläubiger (nach Maßgabe der §§ 5 ff. SchVG) bedarf: Dem Schuldner ist die Entscheidung der Gläubiger in Textform mitzuteilen und dieser hat die Entscheidung zu veröffentlichen, wobei § 17 SchVG

419 

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851. 421  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851. 422  Vgl. oben 3. Teil C III 3 b) cc). 423  So auch der Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. 424  Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851. 425  Vgl. oben 3. Teil C III 3 b) cc); für eine Klarstellung de lege ferenda bereits Baums, ZHR 177 (2013), 807, 816. 420 



E.  De lege ferenda

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entsprechend gilt.426 Auch in Bezug auf die Methode der Stimmrechtsermittlung – entsprechend § 6 SchVG – ist dem Vorschlag zu folgen.427 Ausdrücklich gesetzlich geregelt werden sollte, dass – für den Fall, dass die Möglichkeit der Aufhebung der Wirkung einer Kündigung in den Anleihebedingungen vorgesehen wird – der Teilschuldverschreibungsschuldner berechtigt ist, die Leistung während der Schwebezeit zwischen Kündigung und der Entscheidung der Mehrheit über ihre Aufhebung zu verweigern. Zwar könnte auch in den Anleihebedingungen ein Leistungsverweigerungsrecht für den Schwebezeitraum aufgenommen werden. Dem Teilschuldverschreibungsschuldner obliegt grundsätzlich auch die Gestaltungsverantwortung, selbst Vorsorge für den Schwebezeitraum zu treffen. Allerdings: Kommt der Teilschuldverschreibungsschuldner seiner Leistungspflicht nach und wird sodann die Kündigung aufgehoben, steht einer Rückforderung des Geleisteten § 813 Abs. 2 BGB entgegen. Da die Rückforderung ausgeschlossen ist, würde eine vereinbarte Aufhebungsmöglichkeit ohne Leistungsverweigerungsrecht somit praktisch wirkungslos. Leistet der Teilschuldverschreibungsschuldner nicht, wäre er ohne Leistungsverweigerungsrecht aber mit dem Risiko des Schuldnerverzuges belastet. Wie dargelegt folgt de lege lata deshalb zumindest für die gesetzlich vorgesehene Rücknahmemöglichkeit gem. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG aus § 242 BGB eine Einrede des Teilschuldverschreibungsschuldners.428 Eine ausdrückliche Normierung eines Leistungsverweigerungsrecht de lege ferenda ist aber sinnvoll, um Rechtsklarheit zu schaffen. (Internationalen) Emittenten wird – der scheinbar auch vom Gesetzgeber nicht erkannte  – Konflikt mit § 813 Abs. 2 BGB ggf. nicht bewusst sein. Die Normierung eines Leistungsverweigerungsrechts für den Fall, dass die Anleihebedingungen die Möglichkeit der Aufhebung einer Kündigung durch Mehrheitsentscheidung der Teilschuldverschreibungsgläubiger vorsehen, löst die beschriebene Konfliktlage und das Dilemma des Teilschuldverschreibungsschuldners im Hinblick auf den drohenden Schuldnerverzug dogmatisch und systematisch widerspruchsfrei auf und wäre mit geringerem Aufwand verbunden, als die Normierung einer Anspruchsgrundlage für die Rückforderung des während der Schwebezeit Geleisteten.

II.  Vereinbarkeit mit den Zielen und der Systematik des SchVG Das hier vorgeschlagene Konzept von Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsverantwortung fügt sich in die Systematik des SchVG besser ein als die bisherige Regelung des § 5 Abs. 5 SchVG. Es fördert das Ziel des SchVG, die Attrakti426 

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 851. 428  Vgl. oben 3. Teil D I 2 b) sowie II 4 c). 427 Vgl.

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

vität des deutschen Anleiherechts zu steigern und dieses im Wettbewerb der Rechtsordnungen – insbesondere im Vergleich zu dem US-amerikanischen und dem englischen Anleiherecht – konkurrenzfähiger zu machen. Flexibilität und Rechtssicherheit sind maßgebliche Komponenten für die Attraktivität eines Anleiherechts – aus Sicht von Emittenten, aber auch von Investoren.429 Deshalb ist ein Regelungskonzept, welches dem Teilschuldverschreibungsschuldner Gestaltungsfreiheit einräumt, vorzugswürdig. Um Einwänden, dass keine Reaktionsmöglichkeiten bei unvorhergesehenen Krisen des Teilschuldverschreibungsschuldners bestünden und vorinsolvenzrechtliche Sanierungen erschwert würden, vorzugreifen: Nicht nur können vorinsolvenzrechtliche Sanierungen auch dadurch ermöglicht und gefördert werden, dass der Teilschuldverschreibungsschuldner bei Gestaltung der Anleihebedingungen entsprechende Vorkehrungen trifft.430 Nach dem Regelungskonzept des SchVG soll dies auch gerade auf diese Weise erfolgen, wie die Opt-In-Lösung gem. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG zeigt. Der Teilschuldverschreibungsschuldner muss die Möglichkeit zur Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger und die Vertretung durch einen gemeinsamen Vertreter ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorsehen. Der Regelungsansatz von Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsverantwortung liegt dem SchVG also bereits zugrunde. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen ein System der ipso iure möglichen Mehrheitsbeschlüsse und Gläubigerorganisation entschieden.431 Im RefE2008 war noch vorgesehen, dass Mehrheitsbeschlüsse kraft Gesetzes möglich sind.432 Da bei bestimmten Typen von Schuldverschreibungen kein Bedürfnis nach Mechanismen zur Änderung der Anleihebedingungen bestehe – im Gegenteil: Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger sogar inopportun seien433 –, hat sich der Gesetzgeber jedoch schließlich dafür entschieden, die Entscheidung dem Teilschuldverschreibungsschuldner zu überlassen.434 429 Vgl. zur Bedeutung von Rechtssicherheit und Flexibilität für die Attraktivität eines (Anleihe-)Rechts auch Burn, in: Baums/Cahn, S. 219, 240 ff. 430  Bei der Emission von Schuldverschreibungen handelt es sich nicht um ein „Geschäft des täglichen Lebens“. Das Hinzuziehen von (rechtlichen) Beratern ist bei der Emission von Schuldverschreibungen absolut üblich. 431 Das Opt-In-Modell begrüßen: Bredow/Vogel, ZBB 2009, 153, 155; vgl. auch bereits Bredow/Vogel, ZBB 2008, 221, 231; Schneider, in: Baums, Das neue Schulderschreibungsrecht, S. 1, 2; dagegen für ipso iure mögliche Mehrheitsbeschlüsse: Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 6; vgl. auch Schmidtbleicher, S. 402 f.; Reps, S. 319; siehe auch Baums, in: FS Canaris, Bd. II, S. 3, 22 f. 432  Vgl. RefE2008, S. 6, 13, 38. 433 So Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 SchVG, Rn. 10 ff.; Stellungnahme DAV zum RefE2008, S. 6 f. 434  Friedl/Schmidtbleicher, in: FraKommSchVG, § 5, Rn. 6, die aber darauf hinweisen, dass eine Änderung der Anleihebedingungen stets auch der Zustimmung des Schuldners



E.  De lege ferenda

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Außerdem wurde im Gesetzgebungsverfahren kritisiert, dass ausländische staatliche Emittenten435 kaum bereit seien, sich zwingenden Regeln einer anderen Rechtsordnung zu unterwerfen.436 Auch würde diesen Emittenten durch den zwingenden Charakter die Möglichkeit genommen, anleiheübergreifende Mehrheitsentscheidungen vorzusehen.437 Eine gesetzlich zwingend vorgesehene Möglichkeit, durch Mehrheitsentscheidungen Änderungen der Anleihebedingungen herbeizuführen, sei dem Ziel, das deutsche Anleiherecht international attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen, daher abträglich.438 Diese Erwägungen gelten entsprechend für Kündigungen und die Möglichkeiten ihrer Rücknahme: Das Bedürfnis nach Möglichkeiten, die verbrieften Forderungen vorzeitig fällig zu stellen, kann je nach Anlagetyp variieren. Nicht für jeden Anleihetyp sind Gesamtkündigungen oder die Möglichkeit der Aufhebung von Kündigungen sinnvoll bzw. gewünscht. Das SchVG stellt einen Rahmen von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es können insbesondere – aber keinesfalls nur439  – für finanzielle Krisen des Teilschuldverschreibungsschuldners Handlungsmöglichkeiten in den Anleihebedingungen vorgesehen werden. Begreift man das SchVG nicht als Vorinsolvenzrecht, sondern als Schuldrecht (oder schuldrechtliches Organisationsrecht), ist die Gestaltungsfreiheit die Regel und nicht die Ausnahme.

bedarf, weshalb keine Gefahr bestünde, dass es gegen dessen Willen zur Änderung der Anleihebedingungen komme. 435  Das SchVG findet grundsätzlich auch auf ausländische staatliche Emittenten Anwendung, wenn sie inhaltsgleiche Schuldverschreibungen nach deutschem Recht begeben. Für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gelten gem. § 1 Abs. 2 S. 2 SchVG allerdings die §§ 4a-i und § 4k BSchuWG entsprechend. Vgl. zur Anwendbarkeit des SchVG auf ausländische staatliche Emittenten auch: Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG, Rn. 3; siehe auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 1 SchVG, Rn. 52 ff.; zum Anwendungsbereich des SchVG siehe auch bereits oben 1. Teil B II. 436  Stellungnahme DAV zum RefE2008, S. 3. 437  Stellungnahme DAV zum RefE2008, S. 6 f.; durch die Einführung des § 1 Abs. 2 S. 2 SchVG ist dieser Einwand freilich für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes obsolet geworden, da über die entsprechende Anwendung des § 4a S. 2 BSchuWG anleiheübergreifende Änderungen möglich sind. 438 Vgl. Stellungnahme DAV zum RefE2008, S. 3, 6 f. 439 Vgl. zu Gründen für ein Anpassungsbedürfnis der Anleihebedingungen: Steffek, in: FS Hopt, Bd. 2, S. 2597, 2600; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341, 346 f.; Kaulamo, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, § 17, Rn. 91; vgl. auch Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 81; Schlitt/Schäfer, in: FS Maier-Reimer, S. 615, 618; Schmidtbleicher, S. 44; Reps, S. 189 f.; vgl. auch BT‑Drs. 16/12814, S. 14: „Schuldverschreibungen werden regelmäßig langfristig begeben, üblich sind Laufzeiten von bis zu zehn Jahren. Während dieser […] Zeit kann auch ohne eine Krise des Schuldners ein Bedürfnis für die Anpassung von Emissionsbedingungen entstehen […]. Solche Änderungen können durchaus im beiderseitigen Interesse liegen. […] ist es sinnvoll, die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger auch unabhängig vom Vorliegen einer Krise des Schuldners vorzusehen.“

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3. Teil: Kündigungen und zeitliche Reichweite der §§ 4 ff. SchVG

Eine Regelung, die dem Teilschuldverschreibungsschuldner Gestaltungsfreiheit betreffend die Fälligstellung der verbrieften Forderungen einräumt und insoweit das Opt-In-Prinzip nach § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG für die Kündigung fortführt, fügt sich sinnvoll in das System des SchVG ein. Da sich die Möglichkeiten, die verbriefte Forderung durch Kündigung fällig zu stellen, die mit Gesamtkündigungen verbundenen Wirkungen sowie die Möglichkeiten, Kündigungen aufzuheben, aus den Anleihebedingungen ergeben (und für sachkundige Anleger verständlich abgefasst sein) müssen, ist das hier vorgeschlagene Regelungskonzept, das dem Teilschuldverschreibungsschuldner Freiheit bei der Ausgestaltung der Anleihebedingungen einräumt, auch mit dem Transparenzgebot und dem Skripturprinzip vereinbar.

Gesamtergebnis 1. Ein besonderes Anleiheschuldverhältnis existiert nicht. Schuldverschreibungen verbriefen (i. d. R. abstrakte) Forderungen, also Schuldverhältnisse i. e. S., keine Vertragsverhältnisse oder anspruchserzeugende Stammrechte. Ein vertragliches Schuldverhältnis i. w. S. besteht zwischen dem Schuldverschreibungsschuldner und dem jeweiligen Gläubiger aufgrund der Schuldverschreibung nicht. Es existiert auch kein Schuldverhältnis i. w. S., an dem sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger und der Teilschuldverschreibungsschuldner beteiligt sind. Der Umstand, dass die Teilschuldverschreibungen Teil einer Gesamtemission sind, begründet kein solches Schuldverhältnis. Schuldverschreibungen verbriefen auch kein Dauerschuldverhältnis (i. S. d. § 314 BGB). 2. Anleihebedingungen sind nicht als AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Eine Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB findet nicht statt. 3.  Die Teilschuldverschreibungsgläubiger sind weder Teilgläubiger i. S. d. § 420 Alt. 2 BGB noch Gesamtgläubiger i. S. d. § 428 BGB noch liegt eine Gläubigermehrheit i. S. v. § 432 BGB vor. Sie sind Einzelgläubiger gleichartiger Ansprüche. 4. Es existiert kein allgemeines Prinzip von Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, das bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen ausschließen würde: Ohne die Regelungen der §§ 4 ff. SchVG wären Änderungen der Anleihebedingungen durch bilaterale vertragliche Vereinbarungen möglich, eine besondere Gemeinschaft der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit kollektiven Entscheidungsmechanismen existierte nicht. 5.  Die kollektive Bindung aus § 4 S. 1 SchVG stellt nicht die Funktionalität des SchVG als Vorinsolvenzrecht her. Die kollektive Bindung bezweckt allein die Gewährleistung der rechtlich identischen Ausgestaltung der Teilschuldverschreibungen einer Emission und damit deren Fungibilität. Sie unterbindet Aufspaltungen der Emission – und somit eine Verkleinerung des Sekundärmarktes – durch bilaterale Änderungen der Anleihebedingungen. 6. § 4 S. 1 SchVG kollektiviert die Rechtsmacht zur Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit dem Teilschuldverschreibungsschuldner. Die kollektive Bindung verbindet die Teilschuldverschreibungsgläubiger kraft Gesetzes zu einer nicht rechtsfähigen Gemeinschaft eigener Art. Eine darüber hinausgehende Organisation wird durch die kollektive Bindung nicht erzielt.

322

Gesamtergebnis

Erst im Fall des Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG besteht die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen zur Änderung der Anleihebedingungen und der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger einer Gesamtemission. Das SchVG normiert ein zweistufiges System. 7.  Im Fall eines Opt-Ins gem. §§ 5 ff. SchVG besteht kraft Gesetzes Gesamtvertretungsmacht der Teilschuldverschreibungsgläubiger in dem in den Anleihebedingungen und in den §§ 5 ff. SchVG vorgesehenen Umfang. Es handelt sich um eine partiell verdrängende Vertretungsmacht. Der einzelne Teilschuldverschreibungsgläubiger ist insoweit an der individuellen Rechtsausübung gehindert, als er sich dadurch in Widerspruch zu einem wirksamen Mehrheitsbeschluss setzen würde. 8.  In Bezug auf Gerichtsentscheidungen, durch die die Anleihebedingungen geändert werden, besteht keine kollektive Bindung. Gerichtsurteile entfalten entsprechend den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen Wirkung inter partes. 9. Der gemeinsame Vertreter der Teilschuldverschreibungsgläubiger ist rechtsgeschäftlicher Vertreter. Die dem Bestellungsbeschluss zustimmenden Teilschuldverschreibungsgläubiger bevollmächtigen den Wahlvertreter im eigenen Namen. Für die den Beschluss ablehnenden oder sich dem Beschluss enthaltenden Teilschuldverschreibungsgläubiger handelt die Mehrheit in fremdem Namen und kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht. Sonderrechtsnachfolger der Teilschuldverschreibungsgläubiger sind an die Bevollmächtigung kraft Gesetzes gebunden. Kraft Gesetzes werden sie auch Partei des zwischen sämtlichen Teilschuldverschreibungsgläubigern und dem (Wahl-)Vertreter bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages. Im Fall des Vertragsvertreters ist auch die Konstruktion eines Vertrages zwischen diesem und dem Teilschuldverschreibungsschuldner zugunsten der Teilschuldverschreibungsgläubiger möglich. 10. § 7 Abs. 6 SchVG begründet einen Anspruch des gemeinsamen Vertreters gegen den Teilschuldverschreibungsschuldner. Daneben hat der gemeinsame Vertreter vertragliche Aufwendungs- und Vergütungsansprüche gegen seine Vertragspartner, (insbesondere) im Fall des Wahlvertreters also gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger. § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG steht Ansprüchen des gemeinsamen Vertreters gegen die Teilschuldverschreibungsgläubiger nicht entgegen: Die Vorschrift ist teleologisch restriktiv dahingehend auszulegen, dass nur einseitige Leistungsverpflichtungen der Teilschuldverschreibungsgläubiger gegenüber dem Teilschuldverschreibungsschuldner ausgeschlossen sind. Im (Innen-)Verhältnis zu den Teilschuldverschreibungsgläubigern trägt der Teilschuldverschreibungsschuldner vollständig die Kosten. 11. Zwischen den Teilschuldverschreibungsgläubigern bestehen keine horizontalen Treuepflichten oder besondere Rücksichtnahmepflichten. Mit Treue- oder Rücksichtnahmepflichten unter den Teilschuldverschreibungsgläubigern kann (daher) weder eine Pflicht zur Zustimmung zur Änderung

Gesamtergebnis

323

der Anleihebedingungen noch eine Einschränkung von Kündigungsrechten legitimiert werden. 12.  Eine materielle Beschlusskontrolle dahingehend, dass Beschlüsse der Teilschuldverschreibungsgläubiger mit Blick auf deren „gemeinsames Interesse“ sachlich gerechtfertigt sein müssen, findet im Rahmen der Anfechtungsklage nach § 20 SchVG nicht statt. Das kassatorische Beschlusskontrollsystem ist de lege ferenda entsprechend dem Vorschlag des Arbeitskreises Reform des Schuldverschreibungsrechts zu einem primär auf Vermögensschutz ausgerichteten Beschlusskontrollsystem umzugestalten. Ein solches wird dem Charakter der Teilschuldverschreibungsgläubiger als Fremdkapitalgeber besser gerecht als das geltende System der Beschlusskontrolle. 13. Die Kündigung von Schuldverschreibungen ist nicht als Kündigung i. S. d. Beendigung eines (Dauer-)Schuldverhältnisses zu begreifen, sondern es handelt sich um eine Fälligkeitskündigung. Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG haben vorbehaltlich besonderer Regelungen in den Anleihebedingungen lediglich Wirkung für diejenigen Teilschuldverschreibungsgläubiger, die gekündigt haben. Eine Gesamtwirkung i. S. d. Fälligstellung sämtlicher Schuldverschreibungen derselben Emission kann aber bereits de lege lata in den Anleihebedingungen vorgesehen werden. 14.  Es bestehen nur die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Möglichkeiten, die verbriefte Forderung vorzeitig fällig zu stellen. Die §§ 490 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB finden keine – auch keine entsprechende – Anwendung. 15.  Die kollektive Bindung und die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen, die für sämtliche Teilschuldverschreibungsgläubiger verbindlich sind, bestehen nur während der Laufzeit der Schuldverschreibungen, d. h. nur bis zu deren Fälligkeit. Bei vorzeitiger Fälligstellung durch Kündigung unterliegen die Gläubiger gekündigter Teilschuldverschreibungen nicht mehr der kollektiven Bindung und Mehrheitsbeschlüsse sind für sie nicht mehr verbindlich – die gesetzliche Gesamtvertretungsmacht besteht dann nicht mehr. Die gegenteilige Auffassung des XI. Zivilsenates des BGH in Sachen Solarworld überzeugt nicht. 16.  Die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG, nach der die Wirkungen von Gesamtkündigungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 1 SchVG durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger entfallen können, ist als auflösende Rechtsbedingung zu qualifizieren. Leistet der Teilschuldverschreibungsschuldner während der Schwebephase an die kündigenden Teilschuldverschreibungsgläubiger und kommt es zu einer Aufhebung der Kündigung durch Mehrheitsbeschluss, steht § 813 Abs. 2 BGB der Rückforderung des Geleisteten entgegen. Der Teilschuldverschreibungsschuldner ist während der Schwebephase gem. § 242 BGB berechtigt, die Leistung gegenüber den Gläubigern der gekündigten Teilschuldverschreibungen zu verweigern, da ihm die Leistungserbringung nicht zumutbar ist: Wegen der fehlenden Rückforderungsmöglichkeit würde die gesetzlich vorgesehene Aufhebungsmöglichkeit entwertet, wenn er seiner Leis-

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Gesamtergebnis

tungspflicht nachkommt. Bei Nichtleistung trüge der Teilschuldverschreibungsschuldner aber das Risiko des Ausbleibens eines die Kündigungen aufhebenden Mehrheitsbeschlusses und damit das Risiko des Schuldnerverzuges. 17.  Einzelkündigungen können durch Mehrheitsbeschluss der Teilschuldverschreibungsgläubiger (nur) aufgehoben werden, wenn dies ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. § 5 Abs. 5 S. 2 SchVG findet keine analoge Anwendung. Die Rücknahme einer Einzelkündigung durch Vereinbarung zwischen dem Teilschuldverschreibungsschuldner und einem gemeinsamen Vertreter ist nur möglich, wenn dieser vor der Kündigung hierzu bevollmächtigt und die Vollmacht vom Gläubiger der gekündigten Teilschuldverschreibung nicht widerrufen wurde. 18. Angesichts der vielen umstrittenen Fragen im Zusammenhang mit Kündigungen von Teilschuldverschreibungen und dem Fehlen gesetzlicher Regelungen zu zentralen Fragestellungen sollte eine gesetzliche Regelung betreffend die Kündigung von Schuldverschreibungen ins SchVG aufgenommen werden.

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Sachregister AGB‑Kontrolle 23, 63 ff., 65 ff., 86, 310 AGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen 23, 59, 63 ff., 99 f., 150, 245, 310, 321 Akkordstörer 4 f., 104, 112, 137, 197 Altanleihen 17 Anfechtungsklage 182, 186, 196, 202 ff., 212 ff., 310 Anleihebedingungen 1, 3 ff., 14, 17 f., 21, 23 f., 27, 40 f., 57 ff., 84, 86, 88, 93 ff., 132, 136, 139 ff., 159, 162, 170 f., 193 ff., 202, 205, 207, 209, 212, 222, 225, 228 ff., 292 ff., 301, 306, 308 ff. Anleiheschuldverhältnis 2, 22, 39, 46, 62, 80 f., 86, 109, 236, 248, 251, 321 Anleihetreuhänder 60 f. anleiheübergreifende Mehrheitsbeschlüsse/Mehrheitsentscheidungen 15, 319 asset backed securities 14 Begebungsabrede 48, 50, 64 Begebungsvertrag 25 f., 34, 42, 46 ff., 63 ff., 81, 91 f., 122 f. Beschlusskontrolle 22, 104, 107, 181 ff., 202 ff., 323 betagte Verbindlichkeit 290, 292 ff. Bezugsaktie 41 Bruchteilsgemeinschaft, Gemeinschaft nach Bruchteilen 44 f., 89, 94 f., 103, 105, 110, 112 ff., 130, 135 ff., 140 f. BSchuWG 10, 15, 108 f., 146, 148, 150, 227 f., 319 causa 47 f., 50, 53 coco-bonds 37 ff. collataralized debt obligations 14 collective action clauses 9, 275, 331 ff. covenants 57, 59 f., 197

Darlehensvertrag 49, 53, 76, 81 ff., 232 ff., 245, 247, 250 Dauerschuldverhältnis 23, 25, 28, 31, 74 ff., 223 f., 235 ff., 240, 245 ff., 252, 255, 308, 321 debt-equity-swap 9 Delisting 119 Differenzhaftung 9, 41 dingliche Einigung 47 f., 51 f., 64 Einbeziehungskontrolle, AGB 65 f., 71 ff., 99 f., 150 Einwendungsausschluss 16, 42, 50, 53 f., 109 Einzelgläubiger 86 ff., 187, 321 Einzelkündigung, Individualkündigung 186 f., 225, 259, 270, 277 ff., 301 ff., 324 Emission, Fremdemission, Eigenemission 5, 9, 13 ff., 29, 37, 41, 46 ff., 54, 60, 63, 65 f., 68, 70, 73, 82, 87 ff., 98 ff., 160, 164 ff., 171, 174, 183, 192, 194, 204 f., 222, 225 f., 229, 240, 266, 270, 273, 285, 314, 318 f., 323 ESM‑Vertrag 10 ewige Anleihen 23, 37 f., 59, 74 f., 250 Fälligkeitskündigung 60, 89, 247, 309, 323 Feststellungsklage 205 f., 215, 226, 230 Freigabeverfahren 196, 203, 205, 215, 217 Garantie 61, 119, 146 f. gemeinsamer Vertreter 127, 154 ff., 301 f. Genussrecht 25 f., 30 f., 33 ff., 75, 111, 123

348

Sachregister

Gesamtgläubiger 86 ff., 156, 160 f., 165 ff., 175 f., 321 Gesamtkündigung, Kollektivkündigung 6, 18, 144, 223 ff., 259, 263, 269, 271 ff., 277 f., 281 f., 284 ff., 290, 292, 299, 302 ff., 307, 311, 313 ff., 319 f., 323 Gesamtvertretungsmacht 118, 143 ff., 170 f., 193, 222, 256, 302, 323 Geschäftsgrundlage 121 ff. Gestaltungsgegenrecht 282 ff. Gestaltungsrecht 6, 27, 39, 60, 87 ff., 93 f., 109 ff., 141, 224, 228, 231, 269, 282 ff., 306, 308 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz, Gleichbehandlungsgebot 124, 152, 165, 204, 207, 254, 257 f., 263 Hybridanleihen 37 f. Inhaltskontrolle 23, 59, 63 ff., 150, 181 ff., 208 ff., 218 f., 245, 321 Innengesellschaft 125, 128, 132 ff. Innenverband 101 f., 128 ff., 159, 167 f., 184, 200, 216 Interessengemeinschaft 101 ff., 111, 126, 136 f., 185, 190 Investmentanteilschein, Anteilschein 12, 129 f. kollektive Bindung 18, 21, 23, 25, 68, 95 ff.,121, 124 ff., 139 ff., 184, 186, 192 ff., 205, 222 f., 254, 256 ff., 301 f., 316, 321 ff. Kollektivhandlungsprobleme 3 ff., 100, 150, 202, 274 Kooperationspflichten 1, 5, 95, 104, 106, 112, 137, 139, 184 ff. Kündigung 1 f., 6 f., 18, 45, 57 ff., 79 ff., 89, 95, 101, 144, 149, 184 ff., 199 ff., 214, 222 ff., 323 f. Kündigung: Aufhebungsmöglichkeit, Rücknahme, Rücknahmemöglichkeit 225 ff., 230, 262 f., 271 ff., 280 ff. 301 ff., 324 Kündigungsrecht 1, 45, 57 ff., 101, 184, 186, 198 ff., 222 f., 225, 228 ff., 270, 272, 274, 308 ff., 323

Kündigungsrecht, Einschränkung 184, 186, 198 ff., 222 f., 279 f., 323 Leibrente, Leibrentenversprechen 31 f. Leistungsverweigerungsrecht 282, 286 f., 294 ff., 307, 309, 312 ff., 317 mezzanines Finanzierungsinstrument 37, 39 Nebenrecht 43 f., 59, 62 negative pledge clause 57 Negativklausel 57, 59, 61, 84 Negativzins 29 f. Netzzweck 106 Nichtigkeitsklage 104, 206, 215 numerus clausus der Gesellschaftsformen 143 numerus clausus der Wertpapiere 28 ff., 129 f. Opt-In-Modell 18, 96, 141, 154, 171, 198, 273, 278 f., 318 Pari-Passu-Klausel 57 perpetual bonds 37 f. Pfleiderer, Pfleiderer-Entscheidung 257 ff., 264, 267 Pflichtwandelanleihen 38 ff. Privatautonomie, Vertragsfreiheit 34, 58, 72, 114, 117, 120 f. räuberische Anleihegläubiger, räuberische Anleihekündigungen 214, 253 f. Rechtsbedingung 284 ff., 300, 306, 323 Rechtsgrund 47 f., 50, 53 f., 64, 90 Rechtswahl, Rechtswahlfreiheit, Rechtswahlvereinbarung 16 f., 48, 57, 74 Rücksichtnahmepflichten 2, 28, 55 f., 62, 79 f., 95, 187 f., 190 f., 243, 322 Sacheinlage 41 Schuldscheindarlehen 12 Schuldverhältnis i. e. S. 26 ff., 78, 80, 98, 224, 321 Schuldverhältnis i. w. S. 22, 24 f., 27 ff., 43, 46, 50, 54 f., 78 ff., 91 ff., 121, 223, 321

Sachregister

Schuldversprechen 34, 47 f., 121 Schutzpflichten 26, 28, 30, 55 f., 62, 77, 79 f., 137, 188 Sicherungsvertrag 146 f. Skripturprinzip 18, 195, 198, 267, 278 f., 306, 320 Solarworld, Solarworld-Rechtsprechung, Solarworld-Entscheidung 199, 256 ff., 280, 305, 307, 232 Sonderverbindung 5, 104, 106, 112, 138 f., 183, 189 ff. Stammrecht 25 f., 30 ff., 86, 321 strukturierte Anleihen 14 f. Subjektives Recht 25, 30, 113 ff., 136, 140 Teilgläubiger, Teilgläubigerschaft 86 ff., 109, 112 ff., 140, 321 Teilleistung 35, 93 Teilrechtswahl 16 f. Transparenzgebot 18, 67, 74, 152, 195, 198, 267, 278, 306, 320 Transparenzgebot 18, 66 ff., 74, 152, 195, 198, 267, 278, 306, 320 Treuepflichten 1 f., 5 f., 21, 95, 112, 132 f., 138 f., 152 f., 181 ff., 223, 243, 253 f., 274, 322 Treuhänder, treuhänderische Bindung 61, 132 f., 147, 167, 208, 210, 297

349

Übernahmevertrag 36, 46 ff., 63 f., 81, 91 f., 122, 238, 271 Vertrag zugunsten Dritter 60 f., 63, 146 f., 158 ff., 163, 167 ff., 173 ff., 180, 322 Vertragsnetz, Vertragsnetzwerk 105 f., 137 Vertragsvertreter 154 ff., insbes. S. 157 ff., 322 Vorinsolvenzrecht 3 ff., 8, 100, 112, 151, 198, 222, 244, 266, 274 f., 280, 318 f., 321 Wahlvertreter 154 ff., insbes. S. 157 ff., 171 ff., 322 Wandelanleihen, umgekehrte 38 ff. Wertpapierrechtsstatut 15 Wertpapiersachstatut 15 Zession 42 ff., 54 ff., 79, 82, 170, 250 Zins, Zinsschuld, Zinsanspruch, Zinsverpflichtung, Verzinsung 14, 29 f., 35 ff., 75, 80 f., 84 f., 234 f., 238, 245, 247 f., 269 ff. Zinsschein 36, 84 f., 260 Zustimmungspflicht 104, 121, 137, 181, 183, 185, 188, 196 ff., 201 f., 222, 322