Das Rokoko : Kunst des 18. Jahrhunderts 9781780424934, 1780424930

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Das Rokoko : Kunst des 18. Jahrhunderts
 9781780424934, 1780424930

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Rokoko

Victoria Charles & Klaus H. Carl

Text: Victoria Charles und Klaus H. Carl Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

Layout: Baseline Co. Ltd 61A-63A Vo Van Tan 4. Etage Distrikt 3, Ho Chi Minh City Vietnam © Parkstone Press International, New York, USA © Confidential Concepts, Worldwide, USA Weltweit alle Rechte vorbehalten. Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung. ISBN : 978-1-78042-493-4

Victoria Charles und Klaus H. Carl

Das Rokoko Kunst des 18. Jahrhunderts

– Inhalt – Zeitgeschichte

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I. Das Rokoko in Frankreich II. Das Rokoko in Italien

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III. Das Rokoko in Deutschland

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IV. Das Jahrhundert in England

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V. Das Jahrhundert in Spanien

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VI. Der Übergang zum 19. Jahrhundert Bibliographie Index

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Zeitgeschichte m ersten Viertel des 18. Jahrhunderts beginnt in einem unmerklichen Übergang vom Barock das auch Spätbarock genannte Rokoko. Der mit der Reformation und der Renaissance begonnene und nicht mehr aufzuhaltende Siegeszug der Aufklärung setzt am Ende des 17. Jahrhunderts von England aus seinen Weg unbeirrt fort, strebt allmählich seinem Höhepunkt entgegen und bestimmt während des gesamten 18. Jahrhunderts in ganz Europa das geistige und kulturelle Leben. Damit setzte die bisher weitgehend dem Adel und den Höfen überlassene Diskussion über Kunstwerke auch im gebildeten und wohlhabenden Bürgertum ein. Wenn bis dahin die Aufträge für Bauwerke oder Gemälde überwiegend von der Kirche und in geringerem Umfang vom Adel erteilt und die Künstler eher als in Zünften organisierte Handwerker angesehen wurden, werden sie jetzt zu Individuen mit einem eigenständigen Beruf. Damit entfällt für die Maler auch die Verpflichtung, nach immer wieder gleichen, vorgegebenen Themen und Aufgabenstellungen Werke mit mythologischer Basis oder Portraits zu schaffen.

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Das wichtigste Instrument der Aufklärung war die Prosa, der man in Briefen, Flugschriften Abhandlungen und Geschichtswerken eine witzige, anregende, unterhaltende und gemeinverständliche Form gab, da nur sie die breite Masse der Bevölkerung erreichen konnte. In Frankreich erscheint zwischen 1751 und 1775 in 29 Bänden die gemeinsam von Denis Diderot (1713 bis 1784), Jean Jacques Rousseau (1712 bis 1778), Jean-Baptiste le Rond, der sich d’Alembert (1717 bis 1783) und François Marie Arouet, der sich Voltaire (1694 bis 1778) nannte, herausgegebene Encyclopédie. Diese Enzyklopädie fasste nicht nur das gesamte menschliche Wissen zusammen, sondern stellte vor allem auch eine Sammlung von Argumenten gegen eine verknöcherte Gelehrsamkeit zur Verfügung. Der Absolutismus war eine Zeit, in der der jeweilige Herrscher in seinem Herrschaftsgebiet die uneingeschränkte Macht besaß und unkontrolliert und ohne jegliche Bindung regieren konnte.

François Boucher, Toilette der Venus, 1751. Öl auf Leinwand, 108,3 x 85,1 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York. Jacopo Amigoni, Zephyr und Flora, 1748. Öl auf Leinwand, 213,4 x 147,3 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York.

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Die ihm dafür zur Verfügung stehenden Instrumente waren in erster Linie das Heer, die Gesetzgebung mit den ihm zu unbedingtem Gehorsam verpflichteten Beamten, die Kirche und schließlich noch das merkantilistische Wirtschaftssystem. Diese Zeit endete in Frankreich etwa mit dem Tod Ludwig XIV. (1715).

Die Kriege Andere bedeutende Ereignisse dieser absolutistischen Jahre waren in der ersten Hälfte des unruhigen 18. Jahrhunderts der Sieg (1717) des in österreichischen Diensten stehenden Prinzen Eugen von Savoyen über die Osmanen, die das damals zu Österreich gehörende Belgrad belagerten – was Carl Loewe (1796 bis 1869) zur Komposition des berühmten Liedes: „Prinz Eugen, der edle Ritter, hei, das klingt wie Ungewitter…“ veranlasste. Im gleichen Jahr wurde die Habsburgerin Maria

Hubert Robert, Abbruch der Häuser auf der Pont Notre-Dame, 1786. Öl auf Leinwand, 73 x 140 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Theresia (1717 bis 1780), die spätere Erzherzogin und Königin von Ungarn, geboren, in deren umfangreicher Titelsammlung auch der Titel einer Römischen Kaiserin zu finden ist. In Russland regierte noch Zar Peter der Große (1672 bis 1725) und im italienischen Florenz herrschte mit Cosimo III. (1642 bis 1723) weiterhin das Geschlecht der Medici. England führte zwischen 1718 und 1729 und dann noch einmal von 1739 bis 1748 seine Kriege gegen Spanien, und die mit Russland verbündeten Österreicher kämpften in den 1730er Jahren wieder einmal gegen die Türken. Von 1740 bis 1748 tobte mit dem Ersten und Zweiten Schlesischen Krieg der Österreichische Erbfolgekrieg, in den die europäischen Mächte wie Bayern, Frankreich, Preußen, die Niederlande und natürlich Österreich verwickelt waren. Auch die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts war nicht wesentlich friedlicher. Sie beginnt 1756 mit dem alle europäischen Großmächte einbindenden Siebenjährigen Krieg Friedrichs II., des Großen (1712 bis 1786), von Preußen, der schon mit den beiden Schlesischen Kriegen sein Land an den Rand des Ruins gebracht hatte, gegen Österreichs Kaiserin Maria Theresia.

Die jeweiligen Verbündeten waren zwar auf drei anderen Kontinenten intensiv mit ihren Kolonialkriegen beschäftigt, standen aber 1754 auch vor einem Krieg gegeneinander und schlossen erst 1756 einen Nichtangriffspakt. Das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts endete schließlich mit einigen kürzeren Kriegen, etwa mit dem Bayerischen Erbfolgekrieg der Jahre 1778/1779, dem Russisch-Schwedischen Krieg (1788 bis 1790) oder dem Russisch-Polnischen Krieg (mittlerweile schon der fünfte) des Jahres 1792, die aber Europa nicht allzu sehr beunruhigten. In Russland regierte mittlerweile die auch „die Große“ genannte Zarin Katharina II. (1729 bis 1796), die ihr Land als Großmacht etablierte. Die Engländer und die Franzosen waren noch immer auf dem nordamerikanischen Kontinent mit sich und den Indianern beschäftigt und mussten sich mit der Unabhängigkeitserklärung (1776) von dreizehn Kolonien und der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika abfinden. Das Jahrhundert endet nach der zur Republik führenden Französischen Revolution des Jahres 1789 mit der Kanonade von Valmy (1792) und den Revolutionskriegen, die mit Napoleon I. zum 19. Jahrhundert überleiten.

Die Musik Die in Frankreich bis dahin von Ludwig XIV. (1638 bis 1715) bestimmte Art und Form der Musik steht insbesondere auf dem Gebiet der Oper in heftiger Konkurrenz zur italienischen Musik, die letztendlich 1752/1754 in dem durch Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736) mit seinem La serva padrona ausgelösten Buffonistenstreit gipfelte. Jean-Philippe Rameau (1683 bis 1764) greift schließlich in die Auseinandersetzung mit seiner neuen Harmonielehre Traité de l’harmonie réduite à ses principes naturels ein, die ihn in ganz Europa berühmt werden lässt. In den Ballsälen und bei allen Festen herrscht das graziöse Menuett. Im kleingeteilten Deutschland ist der mit Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) und Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) gut befreundete Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) mit seinen

Antonio Canal, genannt Canaletto, Die Alte Walton-Brücke, 1754. Öl auf Leinwand, 48,8 x 76,7 cm. Dulwich Picture Gallery, London.

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Kantaten und Oratorien einer der ganz Großen, in England schreibt Händel noch überwiegend die Musik des Barock und in Italien beherrscht Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) mit seinen Sonaten und Violinkonzerten die Musikszene. In dieser unruhigen Zeit schreibt in Deutschland der erst fast 100 Jahre danach richtig anerkannte Johann Sebastian Bach sein unglaublich umfassendes Werk an Konzerten und Kammermusiken. Seine bereits zur Frühklassik zählenden Söhne führen die Musik hin zu Sinfonien und Sonaten, deren einer Großmeister etwas später Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) mit seinen Konzerten, Sinfonien, Sonaten, Kammermusik und Orchesterwerken werden soll. Er beschloss das langsam ausgehende Jahrhundert mit seiner Wut über den verlorenen Groschen. Der andere Großmeister war natürlich der geniale Wolfgang Amadé Mozart (1756 bis 1791) mit seinen Opern, Konzerten, Sinfonien, Sonaten und Orchesterwerken. Eines seiner vielen Glanzwerke, der 1787 in Prag uraufgeführte Don Giovanni, wurde mit der Ouvertüre erst an Ort und Stelle und nach einem prächtigen Festmahl, an dem sich sechs oder sieben Gleichgesinnte beteiligten, mit reichlich Leckereien und Champagner fertig gestellt. Der dritte im Bunde dieser Großmeister war der mit Mozart befreundete und der gleichen Freimaurerloge angehörende Joseph Haydn (1732 bis 1809), der als der eigentliche Erfinder der Sinfonie und des Streichquartetts gilt und einen Großteil seines Lebens weitab vom musikalischen Geschehen auf dem Landsitz der Familie Esterházy verbrachte.

Die Erfindungen

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Andreas Schlüter, Denkmal des Großen Kurfürsten, 1689-1703. Bronze auf Steinsockel, H.: 290 cm. Schloss Charlottenburg, Berlin.

Auf dem Gebiet der Erfindungen, die den Menschen Arbeiten erleichtern sollten, taten sich vor allem die Engländer hervor. So beginnt zwei Jahre nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges mit der später von James Watt (1736 bis 1819) verbesserten ersten funktionierenden Dampfmaschine das Zeitalter der Mechanisierung. Die Spinning Jenny, eine Spinnmaschine, wurde 1764 vermutlich von James Hargreaves (1720 bis 1778) entwickelt, Henry Cavendish (1731 bis 1810) und Joseph Priestley (1733 bis 1804) kümmerten sich um die Physik im Allgemeinen, die Elektrizität und die Chemie im Besonderen. Gerade Priestley gilt nicht nur (fälschlicherweise) als Erfinder des Radiergummis, sondern isolierte 1774 als Erster das Element Sauerstoff.

Étienne-Maurice Falconet, Reiterstandbild von Peter dem Großen, 1767-1778. Bronze. Senatsplatz, Sankt Petersburg.

Auf medizinischem Gebiet schaffte John Hunter (1728 bis 1793) einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung von

Jean-Marc Nattier, Schlacht von Lesnaya, 1717. Öl auf Leinwand, 90 x 112 cm. Puschkin-Museum, Moskau.

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Antoine Watteau, Einschiffung nach Kythera, 1717. Öl auf Leinwand, 129 x 194 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Schusswunden, so dass betroffene Körperteile nicht mehr gleich und recht schmerzhaft amputiert werden mussten. Der Patient wurde zwar bei der Behandlung immer noch von einer Reihe kräftiger Männer festgehalten und mit reichlich Alkohol versehen, aber die Zahl der auf Renten, Spenden oder Almosen angewiesenen Verletzten sank dadurch beträchtlich. Das, wovon schon Ikarus geträumt hatte, erfüllte sich zum ersten Mal 1783 mit dem aus einer ausgekleideten Leinenhülle gefertigten Heißluftballon der Brüder Joseph Michel (1740 bis 1810) und Jaques Étienne Montgolfière (1745 bis 1799), der in etwa 2000 m Höhe immerhin über zwei Kilometer weit flog und dann auf einem Acker landete. Fast zeitgleich entwickelte Jaques Alexandre Charles (1746 bis 1823) seinen Gasballon, der von den bei Paris gelegenen Champs de Mars aus startete und auf einem Feld in der Nähe des heutigen Flughafens Charles de Gaulle landete, wo die dort arbeitenden, völlig verdatterten Bauern mit Mistgabeln auf ihn losgingen. Es war also ein ziemlich normales Jahrhundert, das, wie immer, von Genies, Kriegen und Erfindungen bestimmt war.

Die Kunst Im Hinblick auf die Werke der Baukunst und der Bildhauerei sind zur Erleichterung für die historische Betrachtung der Kunst der Jahre von 1600 bis 1720 die Begriffe des Barock- und ungefähr ab 1720 bis etwa 1780 des Rokokostils eingeführt worden, dessen Bezeichnung Rokoko vielleicht von dem vermutlich in französischen Emigrantenkreisen aufgekommenen Wort „rocaille“ (Muschel) abstammt. Dem folgte dann in einer Übergangszeit ab etwa dem Ende des 18. Jahrhunderts als eine Art Gegenbewegung zum Einfachen hin der Stil des Klassizismus. Allerdings ist diese Einteilung nicht ganz korrekt, denn im gesamten 17. Jahrhundert hat es vor allem in der Architektur bereits eine Hinwendung zum Klassizismus gegeben. Die Unterscheidungen sind daher, ähnlich wie die Anwendung des Begriffs Renaissance auf die nordeuropäische Malerei des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, nicht immer stichhaltig und deswegen nicht allgemein gültig. So gab es in Italien keinen Barockstil und in den Niederlanden keinen Rokokostil.

Charles André van Loo, genannt Carle van Loo, Spanisches Konzert, 1754. Öl auf Leinwand, 164 x 129 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

Gerade in den Niederlanden stand die Malerei im absoluten Widerspruch zu dem, was die Erfinder des Namens Barockstil

Pietro Longhi, Das Rhinozeros, 1751. Öl auf Leinwand, 62 x 50 cm. Ca’ Rezzonico, Venedig.

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darunter verstanden. Sie betrachteten die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Italien und in deren Nachahmung auch in einzelnen Ländern nördlich der Alpen entstandenen Werke der Baukunst und der Bildhauerei als eine von der Hochrenaissance losgelöste Gruppe. Darin fanden sie Merkmale, aus denen ein Abfall von den Regeln der klassischen Zeit sowie eine sinnlose und willkürliche Übertreibung der Formenfülle abgeleitet werden konnte. Die zur Charakteristik dieser Kunst erfundene Bezeichnung Barock enthielt zugleich eine abfällige Kritik der künstlerischen Bestrebungen des ganzen 17. Jahrhunderts, und lange Zeit war dieser Begriff in der Kunst auch der Inbegriff alles Verächtlichen und Verwerflichen. Was der Kunst jener Tage fehlte, war die Verwurzelung in der breiten Bevölkerung. Sie blieb somit nur eine höfische, nur dem Adel und nur den Vornehmen der Gesellschaft zugängliche Kunst. Es lag also in der Logik der Zeit, dass diese Kunst am Ende des 18. Jahrhunderts zusammenbrach und von den revolutionären Stürmen hinweg gefegt wurde. Erst viel später, etwa mit dem Ende des 19. Jahrhunderts, ist die Begriffsverwirrung des 17. Jahrhunderts durch eine gemäßigte Beurteilung der geschichtlichen Entwicklung und durch eine bessere Übersicht über die politisch-sozialen Verhältnisse korrigiert worden. Übertreibungen bis hin zu Geschmacklosigkeiten hat es schon vorher und zu allen Zeiten und somit auch im 17. Jahrhundert gegeben, aber eben nicht mehr als in früheren Perioden der Weltgeschichte. Im Allgemeinen hat die so genannte Barockkunst in allen Bereichen nur den Geist der Zeit widergespiegelt. Die Zeit des Barock deckt sich im Großen und Ganzen mit der Regierungszeit Ludwigs XIV. Danach, in der Regentschaft (Régènce) und der ersten Hälfte der Regierungszeit Ludwigs XV. (1710 bis 1774), verändern sich die bis dahin festen, kräftigen Formen in leichte, verspielte und zierlich gewundene Linien, das Verschnörkelte und Muschelartige herrscht vor. Die Asymmetrie wird zum Gesetz erhoben. Bei der Innendekoration werden alle

Jean-Baptiste Greuze, Die Dorfbraut, 1761. Öl auf Leinwand, 92 x 117 cm. Musée du Louvre, Paris.

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tiefen Schatten und kräftigen Töne vermieden, neben viel Goldton werden lichte Farben eingesetzt. Erst die Rückkehr zum Geradlinigen, die zugleich mit einer stärkeren Anlehnung an antikisierende Formen und an die Natur verbunden ist, führt die Kunst in dem ernüchterten Zeitalter seit den Tagen der Marquise de Pompadour (1721 bis 1764), die zunächst und von Geburt her nur ein beliebiges, in der dritten Person angeredetes Fräulein namens Poisson (Fisch) war, und der Regierungszeit Ludwigs XVI. (1754 bis 1793; Louis Seize) zum auch „Zopfstil“ genannten Frühklassizismus. Es hat sich durchaus eingebürgert, diese Kunstausdrücke auf das rein Dekorative zu begrenzen. Die charakteristischen Merkmale des Ornaments finden sich in der Architektur nicht wieder. Obwohl die Malerei und die dekorative Kunst in ihren Wurzeln kulturgeschichtlich zusammen hängen, haben beide, vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet, doch einen ganz anderen Ursprung. Insbesondere die Architektur entwickelt sich in den einzelnen Ländern durchaus unterschiedlich, so dass sich hier die Bezeichnung Rokoko weder räumlich noch zeitlich oder stilistisch mit dem Kunstleben der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts deckt. Dies alles vorausgesetzt, bleiben der Kunst des 18. Jahrhunderts aber doch noch eine ganze Reihe guter Seiten. Zunächst erweiterte sich der künstlerische Schauplatz. Frankreich behielt seine Vorherrschaft und schlug neue Wege ein. Italien blieb für die Künstler Europas die Hochschule, an der sie ihre Ausbildung vollendeten. Spanien und die Niederlande tauschten die Plätze mit England und Deutschland, die etwas nach vorn kamen und versuchten, Versäumtes nachzuholen. Im Bereich der Malerei setzte sich die Pastellmalerei durch, die sich als ganz besonders wirkungsvoll bei der Wiedergabe der flüchtig skizzierten zierlichen Reize der Rokokodamen erwies. Darüber hinaus ändert sich aber in der Wiedergabe von Kunstwerken auch die Technik. Der bis dahin viel verwendete Holzschnitt verschwindet allmählich, der Kupferstich und die Radierung werden von den geschabten Blättern, der „Schwarzkunst“, ergänzt. Diese bereits um 1640 von Ludwig von Siegen (1609 bis 1680), einem hessischen Offizier, erfundene Technik war ein Verfahren, mit dem aus dem aufgerauten Kupferuntergrund durch Schaben die Lichtstellen herausgearbeitet werden konnten. Diese Technik wurde dann

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Jean-Honoré Fragonard, Der Dichter, um 1769. Öl auf Leinwand, 80 x 64 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Jean Siméon Chardin, Der Knabe mit dem Kreisel, 1738. Öl auf Leinwand, 67 x 76 cm. Musée du Louvre, Paris.

Jean-Marc Nattier, Portrait der Königin Maria Leszczinska, 1748. Öl auf Leinwand, 104 x 112 cm. Musée national du château de Versailles, Versailles.

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im 18. Jahrhundert von den Engländern aufgegriffen und weiter verbreitet. Aber auch die Graphik erlebte einen nicht erwarteten Aufschwung, schließlich konnten sich nur wenige am Leben der Reichen beteiligen, aber manch einer wollte sich – damals wie heute – wenigstens ein Bild vom Leben der Reichen und Schönen machen, und das ging vor allem mit dem Kupferstich. Der Handel mit Kupferstichen nahm nahezu kapitalistische Züge an. Und wenn anfangs jeder Kupferstecher auch sein eigener Händler war, so nahmen bald spezielle Verleger die Zügel in die Hand und rissen den gesamten Verkauf mit glänzendem Erfolg an sich. Die Methoden kommen jedem bekannt vor: wenig an den Künstler zahlen, aber dafür mit hohem Profit weiterverkaufen. Einer dieser Verleger, Michel Odieuvre (1687 bis 1756), war, so berichtet die Legende, derjenige, der sich wie schmerzgeplagt krümmte, wenn er einem Kupferstecher sein wohl verdientes Geld auszahlen sollte. Von eminenter Bedeutung ist aber auch das Aufkommen des Porzellans, das durch die niederländischen Handelsschiffe jetzt in größeren Mengen von China aus auf die europäischen Märkte gelangte. Aufgrund der verlangten Preise waren aber bald Bestrebungen zu verzeichnen, solches Porzellan selbst herzustellen. Berühmt sind die Fayencen von Delft, wo bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts mehrere Fabriken errichtet wurden, die in ihrer Fabrikation bald von den blauen Tönen zu polychromer Ausschmückung übergingen und sich mit Blumenund Pflanzenornamenten den Vorbildern annäherten. In Deutschland war es durch Friedrich Böttger (1682 bis 1719) in Meißen, der als tüchtiger Alchemist eigentlich Gold herstellen wollte, zu einer ähnlichen Entwicklung gekommen. Böttger entwickelte mit zwei Kollegen 1707 erstmals ein Gefäß aus Hartporzellan. Mit der energischen Unterstützung seines Kurfürsten August I., der Starke, (1670 bis 1733) wurde die Porzellanmanufaktur Meißen aufgebaut, die dem Meißener Porzellan etwa ab 1740 zur höchsten Blüte verhalf. Der Sprung von der Gefäßfabrikation mit malerischem Dekor zur Darstellung von Figuren wurde besonders durch Johann Joachim Kändler (1706 bis 1775) vorangetrieben. Es sind nicht allein die zierlichen Schäferinnen, die Miniaturkavaliere und die feinen, kleinen Damen, die in die Welt des Rokoko führen, auch die Zierformen tragen das Gepräge des Rokokostils.

Jean Siméon Chardin, Das Buffet, 1728. Öl auf Leinwand, 194 x 129 cm. Musée du Louvre, Paris. Luis Eugenio Meléndez, Stillleben mit einer Schachtel Süßigkeiten und Brot, 1770. Öl auf Leinwand, 49,5 x 37 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid.

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Élisabeth Vigée-Le Brun, Portrait von Stanislaw August Poniatowski, 1797. Öl auf Leinwand, 101,5 x 86,5 cm. Kiev Museum of Western and Oriental Art, Kiew.

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Thomas Gainsborough, Portrait der Mrs. Sarah Siddons, 1785. Öl auf Leinwand, 126 x 99,5 cm. The National Gallery, London.

Joshua Reynolds, Lavinia Bingham, 1785-1786. Öl auf Leinwand, 62 x 75 cm. Sammlung von Earl Spencer, Althorp House, Northampton.

Im Wetteifer der Höfe entstanden eine ganze Reihe von Porzellanmanufakturen, so etwa in Wien, Berlin und Ludwigsburg, im englischen Chelsea und im italienischen Capo di Monte bei Neapel. In Frankreich übernimmt ab 1756 Sèvres die führende Rolle. Dort änderte man aber die technischen Grundlagen und fabrizierte ein glasartigeres, durchsichtigeres Porzellan, das bleihaltig und wegen des leichteren Brandes eine größere Farbenauswahl als Hartporzellan gestattet. Es wurde weniger als Essgeschirr als viel mehr zur Herstellung von Prachtgefäßen verwendet. Dieser Zuweisung ist es zuzuschreiben, dass sich in Sèvres die Barockformen deutlich länger hielten als bei den anderen Manufakturen. Wie das Porzellan sich den Formen der Rokokodekoration anpasst, weist es durch seine jeweilige Bestimmung auf den Wechsel in den Kunstsitten hin: Es war für den Gebrauch in den inneren Räumen der Höfe und Häuser bestimmt, und sollte es diese in der richtigen Art und Weise schmücken, musste die architektonische Dekoration damit übereinstimmen. Bei den Möbeln folgen den kräftigen Formen des Barock nun die zierlichen, geschwungenen Linien des Rokoko. Das Holz wurde häufig mit einem weißen Lackanstrich und anschließender Vergoldung oder Bemalung sowie einem Abschluss an den Möbelfüßen mit Bronzeschuhen, den Sabots, versehen. Ganz groß in Mode waren die nach André-Charles Boulle (1642 bis 1732) benannten Boulle-Möbel, die sich durch Einlegearbeiten aus Holz, Metall oder Schildpatt auszeichneten. Aus dieser Zeit stammt auch der ‘lange Stuhl’, die Chaiselongue – eine Erfindung, die es den Damen mit ihren voluminösen Reifröcken erlaubte, sich auf einem Sitzmöbel ohne Armlehnen niederzulassen oder, bei entsprechender Gelegenheit, leichter hinzusinken.

Thomas Gainsborough, Portrait der Gräfin Howe, um 1760. Öl auf Leinwand, 244 x 152,4 cm. Kenwood House, London. George Romney, Die Familie Leigh, 1768. Öl auf Leinwand, 185,8 x 202 cm. National Gallery of Victoria, Melbourne.

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Architektur im 18. Jahrhundert ist eine spannende Geschichte. Geniale Baumeister und Architekten erfanden großartige Meisterwerke: Hochleistungen von Geist, Empfinden und Kreativität. Dabei ist es mehr als riskant, auf wenigen Seiten fast einhundert Jahre Architekturgeschichte auch nur annähernd vollständig beschreiben zu wollen. Die hier vorliegende kleine Abhandlung begreift sich daher auch nur als Skizze mit großen Lücken und Auslassungen. Die Auswahl der Architekturbeispiele und die Prioritäten bei der Wahl der Baumeister und Architekten sind willkürlich getroffen. Und dennoch lässt sich anhand der Beispiele die faszinierende Entwicklungsgeschichte des Rokoko begreifen und erleben.

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I. Das Rokoko in Frankreich ie natürliche Reaktion gegen das sich nach allen Seiten hin schroff absperrende Königtum, dessen Majestät sich nur noch in steifem Pomp und leeren Zeremonien äußerte, weckte vor allem seit der Zeit, als dem Alleinherrscher keine glücklichen Siege mehr vollen Glanz verliehen, allmählich den Widerstand sowohl in den adligen Kreisen als auch im gehobenen Bürgertum. Die Sehnsucht nach einem freieren Leben wurde lebendig und fand in den Sitten und Anschauungen bald einen offenen Ausdruck. Die Kunst folgte dem Zug der Zeit und wechselte ihre Ideale. Dieser Umschwung ist in der Architektur, dem Dekorationswesen und in den malerischen Darstellungen abzulesen. Der Nachdruck wird auf Natürlichkeit gelegt, was nicht heißt, dass jetzt die rein volkstümliche Naturwahrheit schon den Sieg errungen hätte, aber im Verhältnis zum pomphaften und heroischen Charakter, den das Zeitalter Ludwigs XIV. angenommen hatte, waren vor allem die Mode und die Lebensregeln doch etwas natürlicher geworden. Es wird eine höfische Idylle gespielt – die Natur wird als Maske genommen.

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Die Mode In der Damenmode wird zu Beginn des 18. Jahrhunderts das Korsett wieder eingeführt. Da die Unterwäsche direkt mit dem Körper in Berührung kommt, ist sie schon immer ein – von den Trägerinnen natürlich bedacht aufrecht erhaltener – Gegenstand männlicher Phantasien gewesen, die durch geschickt angebrachte sichtbare Volants angeregt wurden. Dem Korsett kommt am Körper die gleiche Funktion zu wie einem Gerüst an einem Baukörper, nur mit dem Unterschied, dass hier das Gerüst einen bereits bestehenden Körper umschließt. Die Aufgabe des Korsetts ist und war es, die Körperformen entsprechend der Mode zur Geltung zu bringen. Das Korsett zwingt den Körper, der Mode zu gehorchen, wobei auf die natürlichen Formen oftmals keine Rücksicht genommen wird. Die Brüste werden rund, angehoben, schön geformt oder platt gedrückt, die Hüften werden schmaler oder breiter. Das Korsett ist manchmal auf die Garderobe oder auf andere Dessous wie den Unterrock abgestimmt, also von der Mode abhängig und damit Gegenstand heftiger Kritik. Seine Verfechter

Jean-Honoré Fragonard, Die Schaukel, 1767. Öl auf Leinwand, 81 x 64,2 cm. The Wallace Collection, London. François Boucher, Madame de Pompadour, 1759. Öl auf Leinwand, 91 x 68 cm. The Wallace Collection, London.

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Antoine Watteau, Fest im Park, 1718-1720. Öl auf Leinwand, 111 x 163 cm. Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Berlin.

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Jean-Honoré Fragonard, Blindekuhspiel, um 1750-1752. Öl auf Leinwand, 114 x 90 cm. Toledo Museum of Art, Toledo.

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betrachten es als das Symbol der weiblichen Sittlichkeit, wobei die Einschnürung des Körpers mit charakterlicher Strenge gleichgesetzt wurde. Seine Gegner, die Ärzte, Hygieniker und später auch die Feministinnen beschuldigen die Hersteller und Modeschöpfer, den Körper der Frau in ein widernatürliches, körperliche Schäden nach sich ziehendes Gerüst zu zwängen. Aber – Frau akzeptierte es. Nach dem eisernen Korsett in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird es später etwas lockerer und auf einem bis weit unter die Taille reichenden Gestell aus Draht oder Walfischbein meistens aus Satin oder Seide hergestellt und mit ebenfalls seidenen Bändern am Rücken zusammen gehalten. Ein solches Korsett wird im 18. Jahrhundert auch schon von den jungen Mädchen getragen. Manche Frauen schummeln etwas und setzen bei besonderen Gelegenheiten in ihr Korsett auch schon mal falsche Busen ein. In dieser Zeit weicht auch der Vertugadin, der unter dem Rock getragene Wulst, dem bauschigen Kleid und der Panier, Krinoline oder Tournüre genannte Reifrock gibt dem Rock die Form, wobei allerdings die jeweiligen Formen der herrschenden Mode unterliegen. Um 1720 herum ist diese Form eher rund, zehn Jahre danach aber oval, in der Folge dann auch kegelförmig. In der Mitte des 18. Jahrhunderts erhält der Rock durch zwei an den Seiten angebrachte kleine Paniers an der Vorder- und Rückseite eine sehr flache Form, ist aber dafür seitlich weit ausladend. Am Ende dieses Jahrhunderts wird der Panier durch den Cul abgelöst, der die natürlichen rückwärtigen Formen betont oder verschönt. Darüber ist der vorn offen getragene Manteau (Mantel) tonangebend.

Charles André van Loo, genannt Carle van Loo, Aus einem spanischen Buch lesend, 1754. Öl auf Leinwand, 164 x 129 cm. Eremitage, Sankt Petersburg. Antoine Watteau, Der beschämende Antrag, 1715-1716. Öl auf Leinwand, 65 x 84,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg. François Boucher, Das Frühstück, 1739. Öl auf Leinwand, 81 x 65 cm. Musée du Louvre, Paris. Germain Boffrand und Charles Joseph Natoire, Dekor im Salon der Prinzessin im Hôtel de Soubise, 1735-1739. Hôtel de Soubise, Paris.

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Die Herren trugen nicht nur in Frankreich unter dem auch Dreimaster oder Nebelspalter genannten Dreispitz eine die meist lockenreiche, voluminöse Allongeperücke allmählich verdrängende Haarbeutelperücke, die aus einem schwarzen, die Nackenhaare oder das Perückenende enthaltenden Seidensäckchen bestand. Vom Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm I. (1657 bis 1713), wurde in Preußen die besonders beim Militär beliebte Zopfperücke eingeführt. Am Hof und in den dort verkehrenden Kreisen des Adels trug man über der Weste einen vorn geknöpften Mantel, der über die Kniehosen bis zu den Knien reichte, den kragenlosen Justeaucorps. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts verpassten die Engländer diesem Kleidungsstück auch einen Kragen, der von den Franzosen dann als Stehkragen übernommen wurde. Damit der Mantel den von jedem Herrn getragenen Degen nicht hinderte, war die hintere Naht etwa von der Hüfte an offen.

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Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist Frankreich in Fragen der Eleganz in ganz Europa immer noch tonangebend. Die Schuhe der Damen waren aus Seide gefertigt und trugen auf dem Spann eine große Schnalle. Die Form der Schuhe ändert sich in der Zeit zwischen Régence und Revolution nur wenig. Die Kappe ist rund oder spitz und manchmal erhöht. Zwei Arten von Schuhen machen sich den ersten Platz streitig: der im Haus getragene Pantoffel und der passend zu eleganter Kleidung getragene Schuh mit hohem Absatz. Der Pantoffel mit einem Absatz von wechselnder Höhe ist mit Samt, Seide oder weißem Leder überzogen und häufig bestickt. Stiche aus dieser Zeit zeigen zahlreiche Modelle beider Schuharten. Das Bild Les Hasards heureux de l’escarpolette (1767; Die glücklichen Zufälle der Schaukel) von Jean-Honoré Fragonard (1732 bis 1806) zeigt eine auf einer Schaukel sitzende junge Frau mit übermütig gelüpftem Rock, die ihrem im Gebüsch hockenden Verehrer ein rosa Pantöffelchen zufliegen lässt. Die mit Strass oder Edelsteinen besetzten Schnallen aus ziseliertem Silber wurden in Schmuckschatullen aufbewahrt und weitervererbt. Wenn man ausging, trug man zum Schutz der Schuhe die mit zwei ledernen Laschen oben am Fuß befestigten Holzpantinen. Die mit Schnallen verzierten Schuhe der Männer haben eine einfache Form mit flachen Absätzen. Aus dunklem oder schwarzem Leder gefertigt, kommen die zu Seidenhosen getragenen hellen Strümpfe gut zur Geltung, die, aus Samt oder Seide gefertigt und zu einem engen Wams getragen, sich besonderer Wertschätzung erfreuen. Die Stiefel sind eine aus England importierte Mode. Diese Bekleidung wurde von dem im Lauf des Jahrhunderts immer selbstbewusster werdenden Bürgertum übernommen.

Die Architektur Die Architektur hatte es am einfachsten, sich der neuen Geschmacksrichtung anzupassen, denn bereits im 17. Jahrhundert hatten einige Theoretiker, vermutlich unter dem Einfluss des italienischen Architekturkritikers Andrea Palladio (1508 bis 1580) – von dem es kein verbürgtes Bild gibt, von dem kaum jemand etwas weiß, der keine vernünftige Schulbildung hatte und doch vier Bücher geschrieben hat – eine größere Einfachheit, ein größeres Gleichmaß und eine deutlich ruhigere Formensprache gefordert. Ergänzt wurde dieses Gebot durch den Wunsch nach mehr Bequemlichkeit in den Hôtels. Die Auftraggeber der zwischen den Hof und den Park oder Garten gestellten Hôtels verzichteten nun auf Prachtfassaden und forderten vom Architekten eine

größere Rücksicht auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Bewohner. Vor allem die Wohnräume wurden nun intimer. Die Repräsentationsräume wurden zwar nicht aus dem Bauprogramm gestrichen, aber die lange, von den Italienern übernommene, Galerie wird in einen Seitenflügel verlegt. Die Mitte des durch Stufen erhöhten Erdgeschosses wird von einer stattlichen Vorhalle und einem dahinter liegenden Saal eingenommen. Damit liegt alle Pracht im Inneren des Gebäudes, die sich der Hufeisenform annähernde äußere Architektur mit den eine Zeit lang wieder verwendeten, durch horizontale Abschlüsse zurückgedrängten Mansardendächern hat nur selten einen künstlerischen Wert. Der strenge Klassizismus behauptete sich im Außenbau während des gesamten 18. Jahrhunderts, obwohl zwischenzeitlich, kurz nach dem Tod Ludwigs XIV., unter der Regentschaft Philipps II. von Orleans (1674 bis 1723), der Rokokostil – von den Franzosen deswegen auch Style Régence genannt – aufgekommen war. Allerdings erstreckte sich dieser neue Stil fast ausschließlich auf die Innendekorationen und das dafür verantwortliche Kunstgewerbe mit seinen eleganter gewordenen Möbeln, Geräten und Wandbekleidungen. Die schwerfällige Pracht der Barockornamentik in bildnerischem Zierrat wie in ihrer farbigen Erscheinung wurde leichter und lichter gemacht, und was noch an geraden Linien übrig war, wurde in Schnörkel und Schwingungen aufgelöst. Durch eine wohl überlegte, gut geplante Einteilung der Räume, durch ihre Verbindungen untereinander und durch den Schmuck der Räume wird der vom Leistenwerk ausgehende dekorative Stil deutlich. Die Ecken der Leistenwerke wurden gebrochen und geschweift. In die so entstandenen Zwischenräume wurden dann zunächst kleine Ornamente oder Blumen eingezeichnet, später wurden auch die Leisten mit Blättern und Blumen umwunden und die geraden Linien in gekrümmte Linien verwandelt. Neben dem kokett Gekrümmten und zierlich Geschweiften, neben der stetig zunehmenden Wiederbelebung der Blumen- und Rankenornamente gehört das absichtliche Vermeiden des streng Symmetrischen, so dass sich die gegenüberliegenden Seiten einer Fläche nicht entsprechen, zu den auffälligsten Wahrzeichen der Rokokodekoration.

Pierre Alexis Delamair, Hôtel de Soubise, Hoffassade, 1704-1707. Hôtel de Soubise, Paris. Emmanuel Héré, Platz Stanislas, 1751-1755. Nancy.

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Die französischen Architekten bildeten zwei Gruppen: die eine vertrat die reine Erhaltung der klassischen Bauregeln, die andere hatte das Regellose, Tändelnde zum Ideal erhoben. Jede dieser beiden Richtungen nahm ein besonderes Gebiet für sich in Anspruch. In der äußeren Architektur wurden die Forderungen der ersten Gruppe realisiert, die Ausschmückung der Innenräume bot der zweiten Gruppe, den so genannten Architekt-Ornamentisten, ein weites Betätigungsfeld. Diese zweite Gruppe verhalf über die weit verbreiteten Kupferstiche dem neuen dekorativen Stil zur Herrschaft. In diese zweite Gruppe integriert waren die Ornamentzeichner. Zu den berühmtesten unter ihnen gehören Juste Aurèle Meissonnier (1693 bis 1750), Gilles Marie Oppenord (1672 bis 1742) und der auch in München tätig gewesene François Cuvilliès (1698 bis 1768). Ihre Erfindungskraft und den ganzen Reichtum ihrer Phantasie kann man nur aus den Stichen und Zeichnungen kennen lernen. Hier wird auch deutlich, dass die italienischen Grotesken die Grundlage der französischen Ornamente war. Diese Ornamentzeichner haben auch auf den sonstigen Zierrat privater und öffentlicher Gebäude einen erheblichen Einfluss ausgeübt, insbesondere auf die Schmiedearbeiten an Brüstungen, Geländern und Gittertoren.

Die Architekten In der französischen Architektur des 17. Jahrhunderts entwickelte sich gegen den pompösen, schwerfälligen Barockstil Charles Le Bruns (1619 bis 1690) eine Gegenbewegung mit einem strengen Klassizismus, der bei der Weiterführung des Louvre durch Claude Perrault (1613 bis 1688), der, ursprünglich ein Arzt, sich erst durch theoretische Studien zum Architekten ausgebildet hatte, beherrschend wurde. Seine Hauptarbeiten als Architekt sind die östliche und die südliche Außenseite des Louvre (die östliche ist die berühmte Louvre-Kolonnade). Perrault war neben seiner Tätigkeit als Arzt auch Philologe und Kunsttheoretiker. Er übersetzte Vitruvs Zehn Bücher über die Architektur und verfasste ein lange Jahre gültiges System der Säulenordnungen.

Jules Hardouin-Mansart, Groß-Trianon, 1787-1788. Domaine national du château de Versailles, Versailles. Jules Hardouin-Mansart, Orangerie, 1684-1686. Domaine national du château de Versailles, Versailles.

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Ein originärer französischer Baustil wurde aber erst durch den bedeutendsten Architekten dieser Zeit, durch Jules Hardouin-Mansart (1646 bis 1708) geschaffen, der bereits als knapp 30-Jähriger zum Hofarchitekten seines Königs ernannt wurde und die wirksamsten Zierformen des Barockstils mit der konstruktiven Strenge des Klassizismus verband. Sein

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Hauptarbeitsbereich war zwar das Schloss in Versailles mit der Kapelle, den Königszimmern sowie im Park das für die letzte Mätresse und vermutlich heimliche Ehefrau Ludwigs XIV., Marquise de Maintenon (1635 bis 1719), errichtete und von Napoleon I. (1769 bis 1821) restaurierte Groß-Trianon (S. 38) sowie die Orangerie (S. 39). Sein künstlerisch wichtigstes Werk aber ist zweifellos der 1708 vollendete Dôme des Invalides (Invalidendom), dessen Kuppel eine meisterliche Kombination monumentaler Wirkung mit französischer Eleganz ist. Jules Hardouin-Mansart schuf mit dem 1706 begonnenen Neuen Schloss in Meudon und damit in seinem Spätwerk die Grundlagen für die eleganten Dekorationslinien der Architektur und der Fassadenornamentik. Aber nicht alles spielte sich nur in Paris ab. So gab es in Straßburg das von Joseph Massol (um 1706 bis 1771) nach den Plänen des „architecte du roi“ Robert de Cotte (1656/57 bis 1735), einem Schwager Hardouin-Mansarts, gebaute Bischöfliche Palais, nach Massols Plänen das Hôtel Rohan (1731/1742), das Hôtel de Hanau-Lichtenberg (1730/1736), zwei Bürgerhäuser (1750/1751) und auch das von Le Mire geplante und von Massol gebaute Jesuitenkolleg (1757/1759). In Nancy fallen die nach einem polnischen König benannte wundervolle Place Stanislas (S. 36-37), die Place de la Carrière und die Place de l’Hermicycle, alle in den Jahren zwischen etwa 1750 und 1760 gebaut, ins Auge. Das gesamte Ensemble dieser drei Plätze wurde in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.

Antoine Watteau, Venezianische Feste, um 1718-1719. Öl auf Leinwand, 56 x 46 cm. National Gallery of Scotland, Edinburgh. Maurice-Quentin Delatour, Portrait der Marquise de Pompadour, 1755. Pastell, 177 x 136 cm. Musée du Louvre, Paris. Jean-Baptiste Perronneau, Portrait der Madame de Sorquainville, 1749. Öl auf Leinwand, 101 x 81 cm. Musée du Louvre, Paris. François Boucher, Ruhendes Mädchen, 1752. Öl auf Leinwand, 59 x 73 cm. Alte Pinakothek, München. Antoine Watteau, Das Bad der Diana (Detail), um 1715-1716. Öl auf Leinwand, 80 x 101 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Die Malerei Im 18. Jahrhundert weicht die kalte Repräsentation der Bilder des 17. Jahrhunderts nach und nach einer wärmeren Auffassung, die sich immer weiter entwickelte und schließlich in einer frivolen Freiheit manifestierte. Das Zeitalter der unter dem Gejohle eines Volkes in Partylaune auf der Guillotine verblutenden MarieJeanne Bécu, besser bekannt als Madame Dubarry (1743 bis 1793), sowie der Jeanne-Antoinette Poisson, berühmt als Marquise de Pompadour, verlangte nach anderen Reizen als das Zeitalter der offiziellen königlichen Mätresse, der Madame de Montespan (1640 bis 1707). Diese Marquise hatte zwar mit ihrem König Ludwig XIV. sieben Kinder, wurde aber von der bigotten Marquise de Maintenon, die dann nach langem Konkurrenzkampf zur letzten Mätresse und späteren heimlichen Ehefrau des alt und müde gewordenen Ludwigs XIV. aufstieg, von ihrem Platz verdrängt. Die französische Kunst des 18. Jahrhunderts erfand schließlich auch eine eigene malerische Technik, in der sie ihr ganzes Wesen noch besser zum Ausdruck bringen konnte als bisher in der recht zähen Ölmalerei. Die bereits im 15. Jahrhundert entwickelte Pastellmalerei ist ein Malen mit trockenen Farbstiften auf Papier oder Pergament, eine Malerei oder vielmehr eine Zeichnung mit trockenen Farbstiften, deren Abrieb sich sozusagen wie der Staub von Schmetterlingsflügeln auf das Papier legt und dann mit einem Fixativ wischfest gemacht wird. Die Farben sind vor allem bei Portraits wie geschaffen für die Darstellung fein abgestufter, übergangsloser Hautfarben und der eleganten Kleidung dieser Epoche. Diese Pastellmalerei war zwar schon früher von Leonardo da Vinci (1452 bis 1519), Hans Holbein d. J. (1497/98 bis 1543) und anderen angewendet worden, aber bei weitem nicht mit dem Reichtum an Farbnuancen wie bei den Rokokomalern. Diese Pastellzeichner waren fast ausschließlich Bildnismaler, und nur gelegentlich stellten sie auch einzelne mythologische oder Genrefiguren aus dem Leben ihrer Zeit dar.

Antoine Watteau und seine Nachfolger

Noël Nicolas Coypel, Die Geburt der Venus, 1732. Öl auf Leinwand, 81 x 65 cm. Eremitage, Sankt Petersburg. François Boucher, Triumph der Venus, 1740. Öl auf Leinwand, 130 x 162 cm. Nationalmuseum, Stockholm.

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Antoine Watteau (1684 bis 1721) gilt als eine der Schlüsselfiguren der Rokokokunst. Flämischer Abkunft, kam er um 1702 nach Paris, wo sein Interesse an der Genremalerei und an der Theaterwelt (besonders der commedia dell’arte) geweckt wurde. Durch Rubens‘ (1577 bis 1640) Einfluss änderte sich weniger sein Stil als vor allem das Sujet – die „galanten Feste“. Nach dem Pomp Ludwigs XIV. konzentrierte man sich nun auf das Angenehme, Private, Zierliche. Im politischen Bereich und in der Moral machte sich eine

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Jean-Baptiste Pater, Szene in einem Park, um 1720-1730. Öl auf Leinwand, 149 x 84 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Jean-Honoré Fragonard, Liebesspiel. Öl auf Leinwand, 62,2 x 51,3 cm. Villa-Musée Jean-Honoré-Fragonard, Grasse.

Jean-Honoré Fragonard, Das Rosenopfer, 1780-1785. Öl auf Holz, 54 x 43 cm. Sammlung Parfumerie Fragonard, Grasse.

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Entspannung bemerkbar – die Kunst reagierte darauf mit intimen, dekorativen und erotischen Motiven, mit Akten und vertrauten mythologischen Szenen. Die in seinen Schäferstücken zelebrierten fleischlichen Gelüste verherrlichen vielleicht doch die wahre Liebe – jedenfalls den heitersten Lebensgenuss. Watteau besaß die seltene Gabe des Kolorits, das selbst im hellsten Licht noch Sanftmut und Geheimnis vermittelt, eine Art Musikalität; kombiniert mit großer Zeichenkunst, die ihn den Größten ebenbürtig macht. Watteau war der geistvollste Maler des 18. Jahrhunderts, der trotz seines kurzen und durch anhaltende Krankheit problematischen Lebens doch eine Reihe Meisterwerke geschaffen hat, die ihre über den Geschmack der Zeit hinausgehende Wirkung nicht verloren haben. In seiner Heimat hatte er sich mit Rubens und einer Reihe anderer Niederländer vertraut gemacht, deren Stil er adaptierte. In Paris fand er einige Freunde und Gönner, die ihm eine freie Ausübung seiner Kunst ermöglichten. Anfangs war er Schüler und Gehilfe des Malers, Zeichners und Radierers Claude Gillot (1673 bis 1722), der ihn vor allem auch mit dem Theater bekannt machte, in dem damals die französische und die italienische Komödie mit ihren feststehenden Masken um die Vorherrschaft auf der Bühne stritten. Watteau leitete aus dem schwerfälligen Dekorationsstil der Zeit Ludwig XIV. in Verbindung mit chinesischen und japanischen Zierformen zumindest für die dekorative Malerei in Sälen, Boudoirs und Empfangsräumen den Rokokostil ab. Den Schäferspielen der Theater entlehnte er die koketten Kostüme, in die er in seinen Bildern die Damen und Herren kleidete, die sich dann bei galanten Festen mit Gesang und Lautenspiel in zärtlichem Liebesgetändel in den Parks der Adelsund Fürstenschlösser oder in ländlicher Einsamkeit von den anstrengenden Tages- oder Regierungsgeschäften erholten. Reizüberflutete Menschen jener Zeit sahen in diesen Bildern ein Paradies, in dem sich ihre Phantasie austoben konnte. Selbst ernste Männer, deren Gedanken auf große Ziele gerichtet waren oder sein sollten, fanden hier Stärkung und Erholung von schweren geistigen Kämpfen. Einer der größten Verehrer Watteaus war der König in Preußen, Friedrich II. (1712 bis 1786), der viele seiner Bilder ankaufte und sein Schloss damit schmückte. Zu Watteaus besten Arbeiten zählen sicherlich La Leçon d’Amour (Der Liebesunterricht (um 1716), die Einschiffung nach Kythera (S. 13) und Der Tanz (zwischen 1710 und 1720). Ein Bild aus der Wirklichkeit des damaligen Lebens aber ist das für den Pariser Kunsthändler Gersaint gemalte und das Innere des Verkaufslokals

François Boucher, Die Toilette, 1742. Öl auf Leinwand, 52,5 x 66,5 cm. Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid. Jean Siméon Chardin, Die Morgentoilette, 1741. Öl auf Leinwand, 49 x 39 cm. Nationalmuseum, Stockholm.

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und vornehme Besucher zeigende Firmenschild Gersaints Ladenschild (1720). Eines seiner schönsten Bilder, das seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschollene und als zerstört geltende La Surprise (um 1718) ist 2008 in einem englischen Landhaus entdeckt und bald darauf für mehr als 15 Millionen Euro versteigert worden. Was Watteau in seinen Schäferszenen und galanten Festen geschildert hatte, griff insofern doch in die Wirklichkeit hinein, als gewisse Kleidungsstücke wie Häubchen, Mieder, Röcke und andere Arrangements der weiblichen Kleidung von der Mode jener Zeit übernommen wurde, die sich immerhin 150 Jahre nach Watteaus Tod sogar noch einmal wiederholte. Unter Watteaus zahlreichen Nachahmern haben sich eigentlich nur zwei einen Namen gemacht. Der eine ist Watteaus Studienfreund Nicolas Lancret (1690 bis 1743), der in seinen vor allem durch Kupferstiche weit verbreiteten Bildern die Tradition der Schäferszenen und galanten Feste fortführte. Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören Spiel im Freien und Das Moulinet (beide 1. Hälfte 18. Jh.) oder auch Das Schinkenfrühstück (1735). Der andere ist Jean Baptiste Pater (1695 bis 1736), der zunächst von seinem Vater, einem Bildhauer, ausgebildet wurde und später als guter Schüler ebenfalls brav in der Watteau’schen Spur blieb, aber etwas flämischen Humor mitbrachte. Er machte diese bis dahin nur im höfischen, aristokratischen Leben spielende Kunst gewissermaßen volkstümlich. Pater schilderte, genau wie François Boucher (1703 bis 1770) und Lancret, in wunderbaren Farben Feste und Tänze im Freien. Zu Paters Meisterwerken gehören Die Wahrsagerin, Die Badende (um 1730) und Die Freuden des Landlebens (1730/1735).

François Boucher

Jean-Étienne Liotard, Das Schokoladenmädchen, um 1744-1745. Pastell auf Pergament, 82,5 x 52,5 cm. Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden. Jean Siméon Chardin, Das Tischgebet, 1744. Öl auf Leinwand, 49,5 x 38,4 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Den Neigungen dieser etwas freizügigeren Zeit ist vor allem der recht produktive François Boucher, der Lieblingsmaler Ludwigs XV. und einer seiner Mätressen, der Marquise de Pompadour, entgegen gekommen. Boucher wollte seine Zeitgenossen erfreuen, ihre Wände und Decken schmücken, ihnen gefällig sein. In diesem Sinne verkörpert er den Geschmack des Jahrhunderts wie kaum ein Zweiter und hatte eine Begabung für die Komposition, die er stets mit leichter Hand, mit Eleganz und mit perfekter Ausgewogenheit zustande brachte. Boucher gewann bereits 1723 den begehrten, mit einem vierjährigen Aufenthalt in Rom verbundenen Prix de Rome. Er war unglaublich produktiv, bevölkerte mythologische Szenen mit aufreizenden Göttinnen, ein gutes Beispiel dafür ist Diana nach dem Bade (1742), Schäferszenen mit verführerischen Akten, er illustrierte Bücher und fertigte

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Jean Siméon Chardin, Das Mädchen mit dem Federball, 1740. Öl auf Leinwand, 82 x 66 cm. Uffizien, Florenz.

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Élisabeth Vigée-Le Brun, Selbstbildnis, 1790. Öl auf Leinwand, 100 x 81 cm. Uffizien, Florenz.

Jean-Baptiste Greuze, Der tote Vogel, 1800. Öl auf Leinwand, 68 x 55 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Entwürfe für Gobelins, Modelle für Porzellan sowie Fächer und Theaterdekorationen an. Als dekorativer Maler stand er seinem faszinierenden italienischen Zeitgenossen Tiepolo (1696 bis 1770) in keiner Weise nach; außerdem malte er hervorragende Portraits, beispielsweise die beiden Portraits der Marquise de Pompadour der Jahre 1750 und 1759, aber auch intime häusliche Szenen, so etwa Das Frühstück (S. 32) oder Die Modistin (1746). Als Bildnismaler war Boucher immer gefällig und schmeichlerisch und schuf als galanter Phrasendrescher eine weit von der Realität entfernte und unter einer dicken Schicht von Puder und Schminke begrabene Wirklichkeit, so etwa in seiner Toilette der Venus (S. 6) oder in Venus in der Schmiede des Vulkan (1757). Von Diderot wurde er wegen seiner trügerischen Darstellungen eines leichtfertigen Lebens häufig heftig angegriffen. Nach der großen Revolution fast in der Versenkung verschwunden, wurde Boucher erst am Ende des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt.

und Jean Baptiste Greuze (1725 bis 1805). Chardin war einer der bedeutendsten Koloristen des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich Stilllebenmaler, hatte er dann aber seine Tätigkeit auf die Schilderung von Gegenständen des täglichen Lebens, so etwa in Köchin beim Rübenputzen (1738) ausgeweitet. Diese Bilder zeigen die schlichte Wirklichkeit, der er aber, ohne auf eine besondere geistige oder seelische Vertiefung der Dargestellten zu achten, seine malerischen Reize abzugewinnen wusste. Die Königliche Akademie akzeptierte 1728 zwei seiner neuen, aus diesem Jahr stammenden Stillleben: Der Rochen (S. 54) und Das Buffet (S. 20). Damit war er als Mitglied aufgenommen und konnte königliche Aufträge erhalten. In diesen naturgetreuen Darstellungen findet sich die ganze Pracht und Subtilität, aber auch schon die Poesie und Intimität, die sich mit Öl entfalten lässt und mit denen Chardin die Gegenstände des täglichen Lebens beseelt. Er suchte seine Modelle nicht unter der ländlichen Bevölkerung, sondern malte das häusliche Leben der Bürger von Paris. Zu seinen großartigen Arbeiten gehören Die Wäscherin (1735), Das Tischgebet (S. 51) oder auch Die Morgentoilette (S. 49).

Jean-Honoré Fragonard Boucher hatte eine große Anzahl an Schülern. Einer der besten und talentiertesten Schüler war der als Sohn eines Parfumherstellers geborene Jean-Honoré Fragonard (1732 bis 1806). Er stammte aus Grasse, der Stadt des Parfums, beherzigte Bouchers Ratschläge und malte im Wesentlichen romantische Gärten mit Brunnen, Grotten, Tempeln und Terrassen und wollte diese galante und erfolgreiche Tradition etwa mit Die Badenden (1756), mit der berühmten Die Schaukel (S. 26) oder Der verstohlene Kuss (S. 62) fortsetzen, als die Stürme der Revolution ausbrachen und diese Kunst gewaltsam beendeten. So beschließt er das von Watteau mit seinen zartfühligen und teilweise melancholischen Bildern eingeläutete Ende des 18. Jahrhunderts mit einem Feuerwerk. Watteau ist tief und entrückt, Fragonard ist beschwingt. Beliebt waren seine Schäfer- und Boudoirszenen, seine fêtes-galantes im Rokokostil. Unter der Gönnerschaft von König Ludwig XV. wurde er ganz zum Maler des Vergnügens, der Lust und des unbeschwerten Lebensgenusses. Damit verpasste er allerdings den Anschluss an die nach der Revolution aufkommende klassizistische Strömung. Er starb, wie berichtet wird, einsam und vergessen 1806 in einem Café, wo er sich trotz seiner Armut eine Portion Eis gönnte, um sich von den Strapazen des Tages zu erholen.

Die Nachfolger Ein bürgerlicher Zug kam in die französische Malerei aber erst durch zwei andere Maler, durch Jean Siméon Chardin (1699 bis 1779)

Chardin, der vom Studium der niederländischen Malerei stark beeindruckt war und versuchte, diesen Stil in seine Blumen- und Küchenstücke zu übernehmen, übertraf viele seiner Vorbilder, sowohl was den Gefühlsgehalt als auch die Sujets angeht. Diderot nannte ihn den „Großen Magier“. So glanzvoll seine Karriere war, so viel Unglück hatte er später im privaten Bereich. Familiäre Zwistigkeiten mit seinem Sohn Jean-Pierre, der bei seiner Rückkehr aus Rom von Piraten entführt und nie wieder gesehen wurde, und nachlassende Sehkraft machten ihm sehr zu schaffen. Sein Vermögen schwand und er selbst geriet fast in Vergessenheit, bis ihn die Brüder Edmond de Goncourt (1822 bis 1896) und Jules de Goncourt (1830 bis 1870) etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder entdeckten und seine Arbeiten feierten. Jean-Baptiste Greuze (1725 bis 1805) zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Malern der französischen Schule des 18. Jahrhunderts. Eine Besonderheit hebt ihn aber von allen anderen ab: Mit seinen sentimentalen, melodramatischen Genrebildern schuf er seinen ganz eigenen, persönlichen Stil.

Jean Siméon Chardin, Der Rochen, um 1725-1726. Öl auf Leinwand, 114 x 146 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Obwohl sein Stück für die Aufnahme in die Akademie 1769 abgelehnt wurde, bedachten ihn die Kritiker schon früh in seiner Karriere mit Lob, allen voran Diderot, der bei ihm „… Moral in Form von Malerei“ zu entdecken glaubte. Während in seinem L’Accordée de village (1761; Die Dorfbraut), in dem jedes Detail wie ein Schauspieler wirkt, der seine Rolle spielt, aus einer comédie-larmoyante oder einem zeitgenössischen Drama zu stammen scheint, sind viele seiner späteren Werke reizende Bilder von jungen Mädchen. Greuze legte den Nachdruck ganz besonders auf das Empfindsame, auch wenn es dann wie in Der zerbrochene Krug (1785) gelegentlich in das etwas Melodramatische umschlug. Er machte in der Darstellung von Köpfen und Halbfiguren hübscher, gelegentlich etwas verzückt schauender Kinder und Mädchen aber auch dem Geschmack der vornehmen Kreise gewisse Zugeständnisse, womit er eine Gattung der Malerei begründete, die alle revolutionären Stürme überdauert hat. Zu diesen Werken gehören etwa das Portrait einer jungen Bäuerin und das Portrait eines jungen Mädchens (beide um 1770/1780). Mit dem Ende des Jahrhunderts ging auch seine Karriere zu Ende. Ein neuer Stil und ein neuer Star waren zu entdecken: der Klassizismus und Jacques Louis David (1748 bis 1825).

Maurice-Quentin Delatour, Graf Moritz von Sachsen, 1750-1760. Pastell auf blauem Papier, 60,8 x 24,4 cm. Musée du Louvre, Paris. Maurice-Quentin Delatour, Ludwig XV., 1748. Pastell auf blauem Papier, 60 x 54 cm. Musée du Louvre, Paris. Jean-Honoré Fragonard, Junges Mädchen. Öl auf Leinwand, 42 x 33 cm. Museum Langmatt-Stiftung, Sidney und Jenny Brown, Baden (Schweiz). Jean-Honoré Fragonard, Sappho wird durch Amor inspiriert. Öl auf Leinwand, 60,5 x 50,5 cm. Privatsammlung, Paris. Jean-Baptiste Greuze, Portrait der Gräfin Ekaterina Shuvalova, um 1770. Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm. Eremitage, Sankt Petersburg. Nicolas de Largillière, Portrait einer Frau, um 1710. Öl auf Leinwand, 80 x 64 cm. Puschkin-Museum, Moskau.

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Im Jahr 1720 besuchte die vor allem an den Höfen in Wien, Modena und Versailles tätige, recht produktive Venezianerin Rosalba Carriera (1675 bis 1757) Paris. Sie besaß einen europaweiten Ruf als hervorragende Pastellmalerin und entfachte in Paris, obwohl sie gar nicht so lang dablieb, mit ihrer Kunst, und dazu gehört neben vielen anderen Gemälden auch das Portrait eines Knaben der Familie Leblond (S. 86), einen wahren Begeisterungssturm. Die künstlerisch hervorragendsten unter den Pastellmalern waren ihr Zeitgenosse Maurice Quentin de La Tour (1704 bis 1788) und der aus Genf stammende Jean-Étienne Liotard (1702 bis 1789). Maurice Quentin de La Tour war der Sohn eines Trompeters, der sich 1724 nach abgeschlossener Lehre und einigen Reisen, die ihn bis nach London führten, als Zwanzigjähriger in Paris niederließ. Anfangs musste er sich recht und schlecht durchschlagen, bis er durch sein Portrait von Voltaire (1735) berühmt wurde. Als Mitglied der Académie Royale de Peinture et de Sculpture (1746) erhielt er vier Jahre danach die Ernennung zum Maler des Königs und schuf mehrere Portraits von Ludwig XV. (S. 57) und seiner Familie. Portraits des Marschalls von Frankreich, Graf Moritz von Sachsen

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(S. 56), das Portrait der Marquise de Pompadour (S. 41), durch das er einer ihrer Lieblingsmaler wurde, oder das des mit seinen zwei ungleichen Augen recht verschmitzt schauenden Paters Emmanuel (um 1757) und viele andere Portraits folgten noch. Jean-Étienne Liotard war neben Wien, London und Amsterdam noch in vielen anderen europäischen Städten als Bildnismaler tätig. Zu den bekanntesten Bildnissen gehören die großartigen Portraits des Richard Pococke (1738/1739), das der auf hohem Fuß lebenden Türkischen Dame mit Dienerin (1742/1743) oder das des stolz sein Rembrandt-Gemälde präsentierenden François Tronchin (1757). Richtig berühmt wurde er aber durch sein unübertreffliches Schokoladenmädchen (S. 50). Auch Jean-Marc Nattier (1685 bis 1766) war ein Schüler seines Vaters. Er schuf 1717 sein themenbedingt düsteres Gemälde Schlacht von Lesnaya (S. 12), wurde bereits 1718 Mitglied der Académie, aber erst 1752 dort zum Professor ernannt. Nattier hat sich viele Jahre lang mit mythologischen Themen beschäftigt, bevor er zur Pastellmalerei überging und mit seinen gefälligen und hauchzarten Frauenbildnissen für Furore sorgte. Dazu gehören auch das Portrait der Königin Maria Leszczinska (S. 19) und das Portrait einer Dame (um 1750). Damit erwarb er sich den Ruf eines galanten Malers der Damen. Darüber hinaus gilt Nattier als Erfinder des „Portrait histoiré“. Ein anderer der großen Pastellmaler war Jean-Baptiste Perronneau (um 1715 bis 1783), der immer etwas im Schatten von Quentin de La Tour stand. Er zählt zwar zu den Genre- und Sittenmalern, schuf aber auch, bevor er zur Pastellmalerei überging, Portraits in Öl. Er stellte in den Jahren von 1746 bis 1779 im Salon aus, wo es auch insofern zu einer künstlerischen Konfrontation mit Quentin de La Tour kam, als dieser ein Selbstbildnis und Perronneau ein Portrait seines Vorbildes ausstellten. Bekannt sind aber auch sein Portrait der Sara Hinloopen (Mitte des 18. Jh.) und das Portrait der Madame de Sorquainville (S. 41). Perronneau starb in völliger Vergessenheit in Amsterdam. Louis Tocque, Portrait von Elisabeth Petrowna, 1758. Öl auf Leinwand, 262 x 204 cm. Eremitage, Sankt Petersburg. Jean-Marc Nattier, Die Herzogin von Chaulnes als Hebe, 1744. Öl auf Leinwand, 144 x 110 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Zu den bedeutenden Pastellmalerinnen jener Jahre zählt neben Rosalba Carriera auch die französische Bildnismalerin Elisabeth Marie Louise Vigée-Le Brun (1755 bis 1842), eine Tochter des ziemlich unbekannten Malers Louis Vigée (1715 bis 1767), die an nahezu allen europäischen Höfen tätig war und überall mit Aufträgen überhäuft wurde. Trotz ihrer Schnellmalerei schuf sie

Jean-Honoré Fragonard, Der gestohlene Kuss, um 1780. Öl auf Leinwand, 45 x 55 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Jean-Honoré Fragonard, Der Riegel, um 1777. Öl auf Leinwand, 74 x 94 cm. Musée du Louvre, Paris.

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immer im Geist des 18 Jahrhunderts, und ihr Selbstbildnis (1789) mit ihrer Tochter ist ein Denkmal strahlenden Mutterglücks, das auf jeden Betrachter einen unwiderstehlichen Reiz ausübt. Hubert Robert (1733 bis 1808) studierte zunächst in der nordspanischen Provinz Navarra die damals üblichen Fächer, bevor er sich als 21-Jähriger für die Malerei entschied, für elf Jahre nach Rom ging und sich dort so intensiv mit der Landschafts- und Ruinenmalerei beschäftigte, dass er zu den Protagonisten der französischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts zu zählen ist. Aus dieser Zeit stammen die Antike Ruinen (1754/1765), eine Phantasieansicht der Cestius-Pyramide (1760/1770) und, sehr viel später, die Klassische Ruinen (1798). Nach Paris zurückgekehrt, hielt er dort den Abbruch der Häuser auf der Pont au Change (1788) fest. Fünf Jahre später findet er sich während der Revolution

im Gefängnis wieder. Erst durch den Sturz Maximilien de Robespierres (1758 bis 1794) kommt er wieder frei und schließt sich den Jakobinern an. Die Gemäldegalerie des Louvre hat Robert gleich mehrfach gemalt: als Blick auf die Galerie in Ruinen (1796), als Die Galerie während der Restaurierung (S. 66-67) und auch nach der Fertigstellung als Galerie des Louvre (1801/1805). Das Gemälde Terrasse von Marly lässt sich nur pauschal der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zuordnen. Ein heute nur noch Wenigen bekannter Maler des Rokoko ist der aus einer im 17. und 18. Jahrhundert berühmten niederländischen Künstlerfamilie abstammende, in Nizza geborene Charles André van Loo (1705 bis 1765). Er malte mythologische Szenen und Allegorien, aber auch Genrebilder. Er schuf etwa Das Konzert vor dem Sultan und auch Sultanin und Sklavin, beide aus dem Jahr 1747.

Die Bildhauerei Antoine Watteau, Gersaints Ladenschild, 1720. Öl auf Leinwand, 163 x 306 cm. Schloss Charlottenburg, Berlin. Pierre Subleyras, Das Atelier des Malers, 1747-1749. Öl auf Leinwand, 79 x 64,2 cm. Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste, Wien.

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Frankreich kam im 18. Jahrhundert in den bildenden Künsten eine führende Rolle zu. Mit dem Tod des Sonnenkönigs und dem Ende des Absolutismus zeichnete sich eine Änderung im Geschmack der französischen Gönner ab, die jetzt nach einem weniger grandiosen Stil verlangten. Dies war auch für die ideal für Innendekorationen geeignete Bildhauerei die Geburt des Rokoko.

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Hubert Robert, Die Galerie während der Restaurierung, 1796. Öl auf Leinwand, 115 x 145 cm. Musée du Louvre, Paris.

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In Germain Boffrands (1667 bis 1754) Salon de la Princesse im Hôtel de Soubise (S. 33) in Paris gestaltete ein Team von Künstlern das Dekor ganz in Übereinstimmung mit diesem neuen Gefühl für verspielte Asymmetrien aus Blumen, Früchten, Girlanden und Rocaillen, die feiner und weniger üppig wirken als die Stilelemente des Barock. Doch dieses graziöse Leben ging abrupt zu Ende, als die Ideen der Aufklärung in die Französische Revolution des Jahres 1789 mündeten. Die blutigen Ereignisse setzten dem galanten französischen Rokokostil ein Ende; der Geschmack wandte sich dem puritanisch-strengen Klassizismus zu. Nur die große monumentale Plastik verfolgte im 18. Jahrhundert immer noch die alten Bahnen. Ihr angesehenster Vertreter war Jean-Baptiste Pigalle (1714 bis 1785), in dessen Denkmal des Marschalls von Sachsen (1771/1776) in der Straßburger Thomaskirche der pomphaft theatralische Grundzug des Barock deutlich zu erkennen ist. Viel erfreulicher sind dagegen die häufig weniger beachteten Werke der Genreplastik, die sich an die Natur und an die Wirklichkeit halten, wie etwa die von Edmé Bouchardon (1698 bis 1762) geschaffenen Brunnenreliefs mit spielenden Kindern oder Allegorien der Jahreszeiten. Dieser Edmé Bouchardon, Schüler von Guillaume Coustou d. J. (1716 bis 1777), galt zu seiner Zeit als einer der größten Bildhauer und gewann im Jahr 1722 den Prix de Rome. Er widersetzte sich zwar der barocken Tradition von Gian Lorenzo Bernini und hatte auch mit dem spielerischen Rokoko nicht allzu viel im Sinn, sondern wandte sich zumindest teilweise dem Klassizismus zu. Während seines zehnjährigen Aufenthalts in Rom schuf er 1730 eine bemerkenswerte Büste von Papst Benedikt XIII. (1649 bis 1730). Das seinen Ruhm begründende Meisterwerk aber war Amor, der sich aus der Keule des Herkules einen Bogen schnitzt (S. 77). Die anderen beiden berühmten Werke sind der Brunnen in der Rue de Grenelle in Paris, dessen erste Teile 1740 vollendet und für die

Claude Michel, genannt Clodion, Vestalin eine junge Frau am Pan-Altar vorstellend, um 1770-1775. Terrakotta, H.: 43,2 cm. J. Paul Getty Museum, Los Angeles. Edmé Bouchardon, Der Hl. Bartholomäus, um 1734-1750. Terrakotta, H.: 57,7 cm. J. Paul Getty Museum, Los Angeles.

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Öffentlichkeit enthüllt wurden, sowie das Auftragswerk der Stadt Paris Reiterstandbild von Ludwig XV. (1748). Bei der feierlichen Enthüllung der Statue wurde sie als das schönste Werk seiner Art gepriesen, das je in Frankreich geschaffen worden sei. Allerdings war Bouchardon die Zeit nicht gegeben, es zu vollenden, diese Aufgabe übernahm Pigalle. Später fiel das Denkmal der Revolution zum Opfer und wurde zerstört. An gleicher Stelle steht heute auf der Place de la Concorde ein 1832 vom ägyptische Vizekönig Mohamed Ali dem französischen Volk geschenkter Obelisk. Jean-Jacques Caffiéri (1725 bis 1792) ist der berühmteste Spross aus einer Familie von Bildhauern, Graveuren und Kunstschmieden, von denen nicht weniger als sechs einen gewissen Ruhm für sich beanspruchen können. Jean-Jacques begann seine Ausbildung bei seinem Vater und studierte später Kunst unter Jean-Baptiste Lemoyne II (1704 bis 1778). Im Jahr 1748 gewann Caffiéri den Prix de Rome für ein Flachrelief mit der Szene Kain erschlägt Abel. Seit 1759 war er Mitglied der Königlichen Akademie von Paris. Seine bekanntesten Werke sind: Der Fluss (1759), Heilige Dreifaltigkeit (Kirche San Luigi dei Francesi in Rom), die Statuen von Pierre (um 1777) und Thomas Corneille sowie die Statue von Molière (um 1787). In mehreren Theatern in Paris, in der Bibliothèque St. Geneviève und im Schloss Versailles sind Büsten berühmter Persönlichkeit von seiner Hand zu sehen.

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Antoine Coysevox, Der Ruhm reitet auf Pegasus, 1699-1702. Carrara-Marmor, 315 x 291 x 128 cm. Musée du Louvre, Paris.

Die Bildhauer Nicolas Coustou (1658 bis 1733) und Guillaume Coustou waren die Söhne eines Holzschnitzers in Lyon. Im Alter von 18 Jahren zog Nicolas nach Paris, um bei seinem Onkel Antoine Coysevox (1640 bis 1720), dem Leiter der erst kurz zuvor eingerichteten Académie Royale de peinture et de sculpture (Königliche Schule für Malerei und Bildhauerei), zu lernen. Mit 23 Jahren gewann er den Prix Colbert, der es ihm erlaubte, vier Jahre lang an der Académie de France in Rom zu studieren. Danach wurde er zum Kanzler und Rektor der Académie Royale in Paris ernannt. Ab 1700 arbeitete er gemeinsam mit Coysevox an der Ausstattung der Paläste von Marly und Versailles. Er hatte eine ungewöhnliche Begabung. Obwohl er stark von den Italienern Alessandro Algardi (1598 bis 1654) und Michelangelo (1475 bis 1564) beeinflusst war, gehören seine zahlreichen Werke, zu denen unter anderen auch La Seine et La Marne (um 1712), ein Apollo (1713/1714) und Ludwig XV. als Jupiter (1725) zählen, doch zu den repräsentativsten Beispielen seiner Zeit, die heute noch bewundert werden können.

Guillaume Coustou, Pferdezähmer, 1739-1745. Marmor, 340 x 284 x 127 cm. Musée du Louvre, Paris.

Sein jüngerer Bruder Guillaume übertraf ihn noch als Bildhauer. Auch er gewann den Prix Colbert, wollte sich jedoch den Regeln

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Jean-Antoine Houdon, Denis Diderot, 1775. Marmor, 43 x 27 x 21 cm. Musée du Louvre, Paris. Jean-Baptiste Pigalle, Madame de Pompadour als Freundschaft, 1753. Marmor, 166 x 62 x 55 cm. Musée du Louvre, Paris. Jean-Antoine Houdon, Sophie Arnould, 1775. Marmor, 67 x 51 x 29 cm. Musée du Louvre, Paris.

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der Akademie nicht unterwerfen. Eine Zeit lang fristete er auf den Straßen Roms ein Obdachlosendasein. Schließlich nahm sich der Bildhauer Pierre Le Gros (1666 bis 1719) seiner an und beschäftigte ihn in seiner Werkstatt. Bei seiner Rückkehr nach Paris im Jahr 1704 wurde Guillaume in die Académie Royale aufgenommen, deren Direktor er später auch wurde. Wie sein Bruder, stand er im Dienst des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Sein schönstes Werk ist der Pferdezähmer (S. 71), eine der Pferdestatuen in Marly-le-Roi, die jetzt als Nachbildungen auf den Champs Elysées in Paris zu sehen sind. Guillaume Coustou arbeitete aber auch für den preußischen König Friedrich II., für den er die Statuen des Mars und der Venus (1764/1769) schuf. Die elegante, freie Ausführung und die lebendige Wirkung der Skulpturen der beiden Brüder brachten ihnen in der französischen Schule einen außerordentlichen Ruf ein. Charles-Antoine Coysevox (1640 bis 1720), einer der größten französischen Bildhauer überhaupt, stammte aus einer Familie spanischer Herkunft. Seine künstlerische Begabung offenbarte sich bereits in jungen Jahren: Als 17-Jähriger modellierte er seine erste Statue, eine wunderbare Madonna. Auf Geheiß Ludwigs XIV. schuf er 1671 eine Reihe von Monumenten für die Schlösser in Marly und Versailles. Außerdem führte er zahlreiche ornamentale Skulpturen für die königlichen Gärten und viele dekorative Innenarbeiten aus. Auf Grund seiner Verdienste für die Kunst wurde er 1676 als Mitglied der Königlichen Akademie aufgenommen. Er erhielt den Auftrag zur Anfertigung von Bronzestatuen Ludwigs XIV. und Karl dem Großen, die noch heute in der Kirche St.-Louis-desInvalides in Paris zu bewundern sind. Zu seinen glanzvollsten Werken gehören vermutlich La Renommée am Eingang zu den Tuilerien, eine Skulpturengruppe mit einem geflügelten Pferd, jeweils Fama (1699/1702) und Merkur (1701/1702) tragend, das Grabmal für Jean-Baptiste Colbert in der Kirche St. Eustache und das Grabmal für den Kardinal Jules Mazarin (1689/1693). Coysevox war ein vortrefflicher Bildhauer, wenn auch, dem Geschmack der Zeit entsprechend, etwas pompös und aufgebauscht. Die zahlreichen eleganten Statuen aus seiner Hand auf Plätzen und in Kirchen von Paris zeugen von seiner Könnerschaft.

Jean-Antoine Houdon, Muskelmann, 1790. Bronze, H.: 203 cm. École nationale supérieure des beaux-arts, Paris.

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Etienne-Maurice Falconet (1716 bis 1791), aus wenig begüterten Verhältnissen stammend, absolvierte zunächst eine Schreinerlehre. Doch einige in seiner Freizeit modellierte Tonfiguren erregten die Aufmerksamkeit des Bildhauers Lemoyne (1704 bis 1778), der ihn

als Schüler aufnahm. Während seiner Ausbildung brachte sich Falconet selbst Griechisch und Latein bei und verfasste mehrere Schriften über die Kunst. Seine künstlerischen Erzeugnisse sind mit demselben Mangel behaftet wie seine theoretischen Abhandlungen – sie offenbaren einen gekünstelten Geschmack, vermutlich das Ergebnis eines übertriebenen Bestrebens nach Originalität. Eine seiner erfolgreichsten Statuen war der Milon von Kroton (um 1740), auf Grund derer er 1754 als Mitglied der Akademie der Schönen Künste zugelassen wurde. Ein wundervoller, verschmitzt lächelnder Cupido, der marmorne L’amour menaçant (1757) verschaffte Falconet den ersten verdienten Erfolg im Pariser Salon. Auf Einladung der russischen Zarin Katharina II. besuchte er 1766 St. Petersburg, wo er ein kühnes, bronzenes Reiterstandbild (S. 11) von Peter dem Großen ausführte. Nach seiner Rückkehr nach Paris wurde er 1788 zum Direktor der Académie Royale ernannt. Zur selben Zeit war er auch Direktor der Porzellanmanufaktur in Sèvres, für die er zahlreiche Modelle für Porzellanfiguren entwarf. Seine großformatigen, zum Großteil in Kirchen und auf Plätzen aufgestellten Werke wurden während der Französischen Revolution zerstört. Jean-Antoine Houdon (1741 bis 1828) trat bereits als zwölfjähriger Junge in die Académie Royale de Sculpture ein. Mit zwanzig, nachdem er alles gelernt hatte, was ihm Michel Ange Slodtz (1705 bis 1764) und Jean-Baptiste Pigalle beibringen konnten, gewann er den Prix de Rome und wanderte nach Rom, wo er die nächsten zehn Jahre tätig war. Sein überragendes Talent begeisterte Papst Clement XIV. (1705 bis 1774): Beim Anblick seines für die Kirche Santa Maria degli Angeli geschaffenen Hl. Bruno soll er ausgerufen haben: „Er würde sprechen, würden ihm nicht die Ordensregeln Schweigen auferlegen.“ Houdon sandte seinen Morpheus (1771) für die Ausstellung an den Salon, das sicherte ihm die Affiliation in die Maler- und Bildhauerakademie, deren Vollmitglied er 1775 wurde. Zwischen diesen beiden Daten war er keineswegs untätig; er gestaltete die Portraitbüsten von Denis Diderot (S. 72), Katharina II. von Russland (1773) und Prinz Galitzin (S. 82), die im Salon von 1773 ausgestellt wurden. In späteren Ausstellungen wurden nicht nur sein Morpheus in Marmor gezeigt, sondern auch die Büsten von Sophie Arnould (S. 73), des Komponisten Christoph Willibald Gluck (1776) und des Staatsmannes und Ökonomen Anne Robert Jaques Turgot (1778). Houdon widmete sich auch intensiv seiner Lehrtätigkeit an der Akademie und modellierte für den Anatomieunterricht

Jean-Baptiste Pigalle, Merkur, seine geflügelten Sandalen schnürend, 1753. Blei, 187 x 108 x 106 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Jean-Antoine Houdon, Die Frierende, 1783. Marmor, 145 x 57 x 64 cm. Musée Fabre, Montpellier. Étienne-Maurice Falconet, Pygmalion und Galatea, 1763. Marmor, 83 x 48 x 38 cm. Musée du Louvre, Paris.

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angehender Künstler seinen Muskelmann (S. 74), der noch heute zu diesem Zweck benutzt wird. In den Salons der Gesellschaft war er ein gern gesehener Gast; die meisten bekannten Persönlichkeiten seiner Zeit saßen ihm Modell. Seine Büsten sind verblüffend ähnliche Portraits. Als Houdon 1778 die Nachricht von Jean-Jacques Rousseaus Tod zu Ohren kam, machte er sich sofort auf nach dem kleinen, nordwestlich von Paris gelegenen Ort Ermenonville, um einen Gipsabdruck vom Kopf Rousseaus zu machen, anhand dessen er dann das großartige, lebensnahe, heute im Louvre ausgestellte Haupt Rousseaus (1778) schuf. Seine Portraitbüste von Molière (S. 85) fand 1779 im Theatre Francais ungeteilte Zustimmung, und die berühmte Portraitbüste des sitzenden Voltaire (S. 80) im Vestibül desselben Theaters wurde im Salon von 1781 ausgestellt, in dem auch sein Marschall von Tourville gezeigt wurde, ein Auftragswerk des Königs. Vermutlich kam er vor lauter Arbeit erst 1786 dazu, zu heiraten. Diese Ehe war zwar nicht sonderlich glücklich, schenkte ihm aber drei Töchter, auf die er mächtig stolz war und die ihm häufig Modell saßen. Zwei Jahre später reiste der Künstler nach Amerika, um eine Statue von Präsident Washington (1788/1790) anzufertigen. Er unternahm die Überfahrt zusammen mit dem Erfinder Benjamin Franklin (1706 bis 1790), von dem er bereits 1778 eine Büste modelliert hatte. In Washington war er in Mount Vernon Gast des Präsidenten George Washington (1732 bis 1799). Die Statue war für das Kapitol des Bundesstaates Virginia bestimmt. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich fertigte Houdon für den König von Preußen als Gegenstück zu einer Statue des Sommers Die Frierende (S. 76) an, eine naive Verkörperung einer zitternden, frierenden Gestalt des Winters, eines seiner besten und berühmtesten Werke. Schließlich setzte der Ausbruch der Revolution dieser nicht enden wollenden Kette von Aufträgen ein jähes Ende. Während der Zeit Napoleons gab es für Houdon kaum etwas zu tun, immerhin erhielt er den Auftrag für ein kolossales Relief zur Ausschmückung der Säule zu Ehren der Großen Armee in Boulogne sowie einige Portraitbüsten, darunter diejenige von Marschall Ney (1806) sowie eine von Josephine und Napoleon, von dem Houdon 1803 das Kreuz der Ehrenlegion verliehen bekam. Danach wurde es ruhig um ihn. Seine Frau starb 1823, und Houdon zog sich immer mehr zurück. Eine Arteriosklerose machte ihm sehr zu schaffen. Er starb, ziemlich vereinsamt, fünf Jahre nach seiner Frau.

Edmé Bouchardon, Amor, der sich aus der Keule des Herkules einen Bogen schnitzt, 1750. Marmor, 173 x 75 x 75 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Der ‘Clodion’ genannte Bildhauer Claude Michel (1738 bis 1814) verbrachte seine frühen Jahre in Nancy und vermutlich in Lille. Doch 1755 zog er nach Paris, wo er in die Werkstatt seines Onkels Lambert-Sigisbert Adam (1700 bis 1759), eines geschickten Bildhauers, eintrat. Vier Jahre lang, bis zum Tod seines Onkels, lernte er bei ihm, danach wurde er ein Schüler von Jean Baptiste Pigalle. Er schuf kleinere Werke und arbeitete vor allem mit Terrakotta und sorgfältig modellierten Oberflächen, seine Themen waren oft amouröser oder sogar erotischer Natur, so etwa seine Nymphe und Satyr (1780/1790), jedenfalls waren sie (vielleicht auch nur deswegen) sehr beliebt bei den für Kunstwerke nicht allzu viel Intellekt benötigenden, sondern eher leichtlebigen Aristokraten des Ancien Régime. Der große Preis für Bildhauerei wurde ihm 1759 von der Académie Royale verliehen, und 1761 erhielt er die erste Silbermedaille für seine Studien nach Modellen. Dann zog er 1762 nach Rom. Hier entfaltete er besonders in der Zeit zwischen 1767 und 1771 enorme Aktivitäten. Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen Die büßende Maria-Magdalena (1767), Bacchantin und Satyr mit jungem Satyr (um 1775/1780), Satyr und Bacchantin, Nymphe und Satyr (1778), die Statue des sitzenden Charles de Secondat, Baron von Montesquieu (S. 81) und auch Pan verfolgt Syrinx (1787). Die Zarin Katharina II. versuchte zwar, ihn nach St. Petersburg zu locken, doch er kehrte lieber nach Paris zurück. Unter seinen zahlreichen öffentlichen Auftraggebern waren die Stadt Rouen, die Regierung des Languedoc und das der Revolution in den Jahren 1795 bis 1799 folgende Direktorium. Seine Werke wurden häufig im Salon ausgestellt. Im Jahr 1782 heiratete er Catherine Flore, eine Tochter des Bildhauers Augustin Pajou (1730 bis 1809), die sich jedoch schon bald danach von ihm wieder scheiden ließ. Die Wirren der französischen Revolution vertrieben Clodion 1792 nach Nancy, wo er bis 1798 blieb und seine schöpferischen Energien hauptsächlich in die Dekoration von Häusern steckte. In den letzten Jahren seiner Karriere wandte er sich vom Rokokostil ab und der Neoklassik zu. Clodion verstarb am 29. März 1814 in Paris, dem Vorabend des Einmarsches der gegen Napoleon verbündeten Alliierten.

Étienne-Maurice Falconet, Flora, um 1751. Marmor, H.: 32 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Jean-Baptiste Lemoyne (1704 bis 1778) führte die Familientradition fort und lernte zunächst bei seinem Vater Jean-Louis Lemoyne (1665 bis 1755). In seinen Arbeiten macht sich der Einfluss Berninis bemerkbar. Er wurde zum Hauptmeister der französischen Plastik des Louis-seize und beschäftigte sich nicht nur mit vielen in Terrakotta ausgeführten Bildnisbüsten, sondern schuf auch Ganzfiguren, Grab- und Denkmäler. Zu seinen wichtigsten Werken gehören ein Merkur (1744), ein Grabmal des Marschalls Moritz von Sachsen (1762/1770), eine Sitzstatue Voltaires (1776), die Reiterstatue Ludwigs XV., das Mausoleum des Kardinals Fleury und ein Apollo für den preußischen König. Lemoyne gestaltete die Kirche Saint-Roch in Paris und er war es auch, der Ludwig XV. als Jupiter darstellte und, vielleicht deswegen, zu dessen Lieblingsbildhauer wurde. Er wurde 1768 zum Direktor der Académie Royale ernannt. Zu seinen Schülern gehörten auch Jean-Antoine Houdon, Étienne-Maurice Falconet und Jean-Baptiste Pigalle. Augustin Pajou (1730 bis 1809) begann seine Lehrzeit mit 14 Jahren und gewann bereits als 18-Jähriger den Prix de Rome. Er war ein Schüler von Jean-Baptiste Lemoyne und lebte in der Zeit von 1752 bis 1756 in Rom. Mit 30 Jahren stellte er seinen Pluto mit Cerberus an der Kette (1759) aus. Seine Portraitbüsten von Buffon (1773) und Madame Dubarry (1773) sowie seine Statuette des Theologen Jacques Bénigne Bossuet (1779) gehören zu seinen besten Werken. Als Poyet die Fontaine des Innocents aus dem in den Jahren 1547 bis 1549 errichteten Bauwerk von Pierre Lescot schuf, fertigte Pajou für die vierte Seite (die bis dahin Teil einer Mauer war) eine Reihe neuer Figuren für den Brunnen. Augustin Pajou gilt als einer der Hauptmeister des französischen Rokoko im Übergang zum Klassizismus und ist auch als Restaurator von Kunstwerken bekannt. Im Jahr 1777 wurde er zum Aufseher der königlichen Antikensammlung ernannt, und ab 1792 war er Mitglied des für die Erhaltung von Kunstwerken zuständigen Revolutionskomitees. Bekannt geworden ist er vor allem auch durch seine dekorative Ausstattung der Oper in Versailles. Der bereits erwähnte Jean-Baptiste Pigalle war der Sohn eines königlichen Ebenisten, eines Kunsttischlers, dessen Arbeitsmaterial vorwiegend das schwer zu bearbeitende dunkle Ebenholz war. Er trat als Lehrling in die Werkstatt von Robert le Lorrain (1666 bis 1743) ein, dem Schöpfer der Flachreliefs mit den Pferden der Sonne an den früheren Ställen des Palais Rohan, und wurde danach Schüler von Jean-Baptiste Lemoyne. Im

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Jean-Antoine Houdon, Portraitbüste des sitzenden Voltaire, 1781. Marmor, 133,5 x 78,7 x 103,1 cm. Comédie-Française, Paris. Jean-Baptiste Pigalle, Sitzstatue des nackten Voltaire, 1776. Marmor, 150 x 89 x 77 cm. Musée du Louvre, Paris. Claude Michel, genannt Clodion, Charles de Secondat, Baron von Montesquieu, 1783. Marmor, 164 x 122 x 122 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Wettbewerb um den Prix de Rom war ihm kein Erfolg beschieden; deshalb machte er sich vermutlich 1740 zu Fuß und mittellos nach Rom auf und lebte dort in äußerst ärmlichen Verhältnissen, die ihn beinahe das Leben gekostet hätten, wenn sich nicht der Bildhauer Guillaume Coustou seiner angenommen hätte. Der französische Botschafter in Rom war von seinem Schaffen so beeindruckt, dass er eine Kopie des Kartenspielers von ihm kaufte. Später wirkte Pigalle eine Zeit lang in Lyon. Nach seiner Rückkehr nach Paris schuf er die Marmorstatuette des Sandalen schnürenden Merkur (S. 75), die er als Arbeit für die Aufnahme in die Akademie einreichte. Der König erwarb eine Kopie in größerem Format und gab eine zweite Statue in Auftrag, eine Venus (1748). Darüber hinaus erhielt Pigalle auch eine ganze Reihe von Aufträgen durch seine besondere Gönnerin, Madame de Pompadour. Sie erteilte den Auftrag für das Bildnis Louis XV. im Bellevue (zerstört) sowie eine Skulptur mit dem Titel Liebe und Freundschaft (1758). In der allegorischen Freundschaft (S. 73) portraitierte Pigalle seine Gönnerin. Pigalle genoss aber außerdem auch die Gunst der Marquise de Marigny, durch deren Vermittlung er einen Auftrag für das Mausoleum für den Marschall Moritz von Sachsen erhielt. Das Modell dazu präsentierte Pigalle 1756 dem Salon, doch das Grabmal für Moritz von Sachsen (1762/1770), der als einer der wenigen Marschälle unbesiegt geblieben war, wurde der Öffentlichkeit erst 1777 in der Thomaskirche in Straßburg vorgestellt. Unter seinen Hauptwerken ist ferner auch das schon dem Klassizismus zuzurechnende Grabmal des Marschall d’Harcourt (1769/1776) in der Kathedrale Nôtre Dame in Paris erwähnenswert. Neben seinen monumentalen Skulpturen hat sich Pigalle auch in Portraitbüsten und Statuetten hervorgetan. Seine Werke zeichnen sich besonders in späteren Jahren durch stark naturalistische Züge aus, so etwa die Sitzstatue des nackten Voltaire (S. 81). Auch seine Kinderfiguren sind von herausragender Qualität, zum Beispiel der berühmte Knabe mit dem Vogelkäfig (1749).

Die Goldschmiede In der Goldschmiedekunst hatte die Vorliebe für das Gewundene, Muschelförmige zu einer gewissen Eintönigkeit geführt. Etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts, noch unter dem Regiment der

Madame de Pompadour, änderte sich der Geschmack der vornehmen Klassen. Der Ruf nach einfacheren und natürlicheren Formen wurde immer lauter, gleichzeitig richtete sich durch die Ausgrabungen im verschütteten Herculaneum der Blick wieder mehr auf die Antike. Die Formen und Ornamente a la greque wurden modern. Die Auswirkungen auf die Goldschmiedekunst blieben nicht aus. Aber aufgrund des chronischen Geldmangels in den adligen Kreisen tauschte man nun Gold gegen Stahl oder plattiertes Silber, wobei der glänzende schwarze Lack, mit dem die Gegenstände überzogen wurden, den darunter liegenden Stoff ziemlich gleichgültig sein ließ. Das Hauptmerkmal wurde jetzt auf die feine Ziselierung gelegt. Einige Goldschmiede arbeiteten in dieser Zeit auch viel mit vergoldeter Bronze und dekorierten Porzellanvasen. Ein wichtiges Produkt war die für den Schnupftabak vorgesehene Tabatière, die den Herren ebenso wichtig war wie den Damen der Fächer, an dessen Bemalung sich viele Künstler beteiligten. Der geniale Juste Aurèle Meissonnier (1695 bis 1750) aus Turin war in der Zeit der Régence der führende Künstler mit einem ungeheuren Einfluss und derjenige, der alle Regeln von Maß und Logik im Ornament über den Haufen warf. Ihm folgte unter Ludwig XV. Claude Ballin (1661 bis 1754). Der Hauptvertreter in jenen Jahren war aber Thomas Germain (1673 bis 1748). Sein Meisterwerk war eine 1726 aus vergoldetem Silber hergestellte, aus 50 Teilen bestehende Toilette, in der auch das unscheinbarste Gerät, ein Pudermesser, nicht fehlen durfte, für die Königin Maria Lescinska, der Gattin Ludwigs XV. Sein großer Konkurrent war Jaques Roettiers (1707 bis 1784), der 1749 das Tafelgeschirr für den mit vielen Titeln und Funktionen versehenen Erzbischof von Köln, Clemens August (1700 bis 1761), schuf. Dieses Geschirr ist erwähnenswert, weil die Feinheit der Arbeit, (es waren etwa Eichenblätter dargestellt, auf denen Insekten kriechen) und der Reichtum der Formen außergewöhnlich waren.

Jean-Antoine Houdon, Prinz Galitzin (Modell des Grabes für Prinz Alexander Michailowitsch Galitzine), 1777. Terrakotta, 42 x 50 x 17 cm. Musée du Louvre, Paris.

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Jean-Jacques Caffieri, Büste von Alexis-Jean-Eustache Taitbout, 1762. Terrakotta, 64,5 x 36 cm. J. Paul Getty Museum, Los Angeles. Jean-Jacques Caffieri, Der Kanoniker Alexandre-Gui Pingré, 1788. Terrakotta, 51 x 51 x 34 cm. Musée du Louvre, Paris. Jean-Antoine Houdon, Portraitbüste von Molière, 1781. Terrakotta, mit Restaurationen aus Gips, auf rundem und grauem Marmorsockel 50 x 49 x 33 cm. Musée des Beaux-Arts, Orléans.

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II. Das Rokoko in Italien as italienische Rokoko eröffnet etwa mit einer für seine Mäzenin geschriebenen großen Liebeskanzone des Dichters Metastasio (1698 bis 1782) und endet ungefähr im Jahr 1796 mit dem Tanz der Jakobiner in Rom und Venedig um den Freiheitsbaum. Wie viele völlig unterschiedliche Strömungen, wie viele neue Ideen gaben der beim Klang harmonischer Sonette eingeschlafenen Gesellschaft ein neues Gesicht! Es war eine uns heute seltsam anmutende gepuderte, geputzte, sich ständig höflich vor sich selbst verneigende Gesellschaft, die aber liebend gern die Pfeile vergifteter Verse abschoss. Auf den ersten Blick war nichts als Verfall zu sehen, aber diese neuen Ideen waren wie ein reißender Strom, der alles, was in den vergangenen Jahrhunderten errichtet worden war, fortzureißen schien – aber diese Flut trug bereits den Keim von etwas Neuem in sich.

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Auch in Italien waren die Stützen des Barock die Macht der Aristokratie und das Übergewicht der Geistlichkeit. Die Machthaber bedurften des unterstützenden äußeren Pomps in Sitte, Toilette und Architektur, um ihren despotischen Standpunkt zu unterstreichen. Der Klerus, stolz auf den Sieg in der Gegenreformation, strebte ebenfalls danach, seine hervorragende Stellung in Kunst und Literatur zu behaupten. Dies ging aber alles nur so lang, bis die Aristokratie nicht nur verarmte, sondern sich sogar weitgehend verschuldete und damit ihre Sonderstellung endlich einbüßte. Der Klerus hatte Mühe, sich gegen die Philosophie zu verteidigen und musste alle Kräfte mobilisieren, um seinen früheren Einfluss wenigstens in etwa zu bewahren. Es ist oft behauptet worden, die Geburtsstätte des Barock sei der Palast der Marquise de Pompadour gewesen. Aber Kulturströmungen entstanden auch damals kaum in Boudoirs oder den Schlafzimmern der Mächtigen. Das Rokoko entstand dort, wo das Barock verfiel. Auch der Einfluss Asiens darf für das Entstehen des Rokoko nicht unterschätzt werden. Schließlich folgten immer mehr Reisende den Spuren des venezianischen Händlers Marco Polo (1254 bis 1324) und machten bei ihrer Rückkehr Station in Rom, Genua, Neapel

Rosalba Carriera, Portrait eines Knaben der Familie Leblond, 1740. Pastell auf Papier, 34 x 27 cm. Gallerie dell’Accademia, Venedig. Angelika Kauffmann, Selbstbildnis, 1780-1785. Öl auf Leinwand, 76,5 x 63 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Anton Raphael Mengs, Selbstbildnis, um 1775. Öl auf Holz, 102 x 77 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Angelika Kauffmann, David Garrick, 1764. Öl auf Leinwand, 84 x 69 cm. Burghley House, Lincolnshire.

Anton Raphael Mengs, Bildnis von Johann Joachim Winckelmann (?), 1774. Öl auf Holz, 67 x 53 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

oder Venedig. Vor allem der Jesuit und Gelehrte Pater Athanasius Kircher (1602 bis 1680) machte die italienischen Künstler mit den Geheimnissen asiatischer Kunst vertraut, die von der Compagnie néerlandaise der Indes orientales en Asie (Niederländische Ostindien-Kompanie) nach Europa eingeführt wurden. Chinoiserien waren weit verbreitet, östliche Bilder, Vasen und Skulpturen hatten einen nicht unerheblichen Einfluss auf die klassischen europäischen Symmetrien und haben das Ornament des Barock umgestaltet. Sogar über der Malerei liegt ein östlicher Hauch, der in Tiepolos Fresken fremd anmutende Gestalten auftauchen lässt, und sogar bei Boucher und Watteau haben sich gelegentlich Chinesen in französischem Kostüm eingeschlichen.

Pietro Longhi, Die Einleitung, um 1740. Öl auf Leinwand, 66 x 55 cm. Musée du Louvre, Paris. Francesco Guardi, Venezianisches Galakonzert, 1782. Öl auf Leinwand, 68 x 91 cm. Alte Pinakothek, München. Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo, Lobpreisung Spaniens, 1762-1766. Fresko, 1500 x 900 cm. Palacio Real, Madrid. Sebastiano Ricci, Allegorie der Toskana, 1706. Öl auf Leinwand, 90 x 70,5 cm. Uffizien, Florenz.

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Unter Ludwig XIV. war die Mode Frankreichs in Europa führend, und Italien stand derart unter dem Einfluss der Pariser Mode, dass die Menschen, die keinen Zopf trugen, gewissermaßen als Abschaum der Gesellschaft, als unmoralische Revolutionäre galten. In Norditalien und Neapel, wo das Rokoko besonders günstigen Boden fand, haben aristokratische Familien ihre Söhne enterbt, aus den Schulen wurden diejenigen ausgeschlossen, die auf die Idee kamen, ihren Perückenzopf abzuschneiden. Die Zöpfe der Männer und die nach französischer Vorschrift getragenen Reifröcke der Damen waren während des gesamten Rokoko das Symbol der so genannten guten Gesellschaft. Erst die Revolution hat der Reifrock- und Perückenmode ihr wohlverdientes Ende bereitet und damit in den Haaren der Frauen unzählige Lebewesen zerstört. Auch die vornehmen Begleiter der verheirateten Damen, die cicisbei, beklagten sich über die Reifrockmode, denn wenn sie auf der Straße mit ihrer Dame, der Donna, sprechen wollten, mussten sie sie umkreisen, dicht an sie herankommen und wieder zurücktreten, so als tanzten sie mitten auf der Straße ein Menuett. Auf den Bildern Francesco Guardis (1712 bis 1793) ist zu sehen, wie diese vielfarbigen, aufgeputzten Ballons mit ihrem Umfang die engen Gassen füllten. Das Lieblingswort der gehobenen Gesellschaft war „Philosophie“, und nahezu alles, was der Mensch dachte, wurde unter diesem Begriff zusammengefasst, von der Mathematik über die Metaphysik, von der Geometrie und den Sozialwissenschaften bis zur philosophischen Malerei. Das ging sogar so weit, dass ein venezianischer Schuster seine „… nach einem philosophischen System hergestellten Stiefel“ annoncierte, was vermutlich nichts

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anderes sagen sollte, als dass seine Stiefel einen gewissen hygienischen Standard besaßen. Zu den philosophischen Dichtern jener Jahre gehörte Graf Francesco Algarotti (1712 bis 1765), ein Freund Voltaires und Friedrich des Großen. Er hatte in Bologna studiert und sich mit Geometrie, Mathematik und Astronomie befasst und war als gelehrter und gut aussehender Mann von Welt bald der Liebling der Gesellschaft. In seinen zahlreichen, meist seinen Freunden geschenkten Gedichten war er mehr auf Wohllaut und Harmonie als auf anstrengende tiefe Gedanken bedacht. Der mehr praktische Sinn des Volkes wandte sich aber dem von Galileo Galilei (1564 bis 1642) vorgegebenen Weg und damit Isaak Newton (1643 bis 1727) zu, dessen Entdeckungen man als eine Weiterentwicklung der Galilei’schen Ideen ansah. Überhaupt waren die Engländer in jenen Jahren ‘in’. Man beschäftigte sich mit den Schriften englischer Ärzte, und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte der Papst einen englischen Augenarzt. Und bereits 1728, also etwa dreißig Jahre vor der Encyclopédie der vier Franzosen wurde in Venedig eine zweibändige Cyclopaedia des Engländers Ephraim Chambers (um 1680 bis 1740) gedruckt. Insgesamt aber befand sich Italien im 18. Jahrhundert in einer Epoche des Niedergangs. Aber es lässt sich auch nicht übersehen, dass sich die Italiener trotz ökonomischer Krisen und trotz des politischen Zwangs einen großen Fundus schöpferischer Kraft bewahrt hatten und an Europas kulturellem Leben energischen Anteil nahmen. Sie empfanden, dass England und Frankreich sie in mancher Beziehung überflügelt hatten. Ihr ganzes Bestreben war deswegen darauf ausgerichtet, das Versäumte nachzuholen, obwohl die italienischen Regierungen auf alle mögliche Arten versuchten, die Einfuhr fremdsprachiger Bücher zu verhindern. Voltaire schrieb 1761 an den Grafen Algarotti, dass „… Hannibal sicher weniger Schwierigkeiten gehabt habe, die Alpen zu überqueren, als jetzt Bücher über die Grenzen gelangen können.“ Rom, zu jener Zeit noch „caput mundi“, hatte den Monte Pincio und damit einen Tummelplatz des Volkes, auf dem sich auch die Dichter und Künstler trafen. Allerdings war dieser Ort nicht ganz ungefährlich, denn jeder, der etwas auf sich hielt, trug einen Dolch oder mindestens ein Messer in der Tasche. Schließlich waren die Straßen dunkel und Überfälle nicht gerade selten. Aber auch Mönche und Geistliche tummelten sich auf diesen Straßen,

Luigi Vanvitelli, Treppenhaus im Königspalast Caserta bei Neapel, 1751-1780. Reggia di Caserta, Caserta. Filippo Juvarra, Palazzo Madama, Treppenhaus, 1718-1721. Turin. Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo, Ausmalung des Kaisersaales im Residenzschloss zu Würzburg, 1751. Fresko, 400 x 500 cm. Würzburg.

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immerhin kamen 1766 auf eine Bevölkerung von etwa 180 000 Menschen 5 000 Geistliche, 3 500 Mönche (die einen besonders schlechten Ruf hatten), 1 500 Nonnen und 34 Bischöfe. Abgesehen von den genannten Geistlichen durften auch Männer, die in einer andersartigen Beziehung zur Kirche standen (Laienbrüder, Organisten, Sakristane usw.), nicht heiraten. Damit belief sich die Zahl der zur Kirche gehörenden unverheirateten Männer auf über 38 000 – eine für die öffentliche Moral nicht unbedenkliche Zahl.

Die Architektur Durch Gian Lorenzo Bernini (1598 bis 1680), Carlo Fontana (1638 bis 1714), Francesco Borromini (1599 bis 1667), dem großen Konkurrenten Berninis, und Baldassare Longhena (1598 bis 1682) hatte Italien die ihm zusagenden Formen der Architektur gefunden. Der Einfluss dieser Meister war so stark, dass auch die folgenden Generationen zumindest teilweise ihre Vorgaben übernahmen, zumal keine großen Ereignisse das Land erschütterten. Longhena war der letzte der großen Barockarchitekten, der in Venedig nicht nur die Santa Maria della Salute (1637/1687), sondern neben anderen auch den Palazzo Rezzonico (1649/1756) errichtete, dessen lange Bauzeit auf den schon kurz nach Baubeginn angemeldeten Konkurs des ersten Bauherrn zurückzuführen ist. Der nur notdürftig gegen Wetterunbill geschützte Bau, fertig gestellt war bis dahin nur das Erdgeschoss, ist auf einem Gemälde Canalettos (1697 bis 1768) gut zu erkennen. Die Familie Rezzonico hatte sich in den Adel eingekauft, wartete auf die nächste Papstwahl und suchte vorsorglich ein repräsentatives Gebäude. Deswegen hatte man den halbfertigen Bau übernommen. Giambattistas Sohn Carlo della Torre di Rezzonico (1693 bis 1769) ist dann auch zwei Jahre nach Fertigstellung des Palazzo (1758) als Clemens XIII. zum Papst gewählt worden. Die Fassadenarchitektur des Palazzo mit den einzelnen, durch Gesimse voneinander abgesetzten Geschossen folgt der traditionellen Anordnung dorisch, ionisch und korinthisch. Nach Longhenas Tod wurde der Bau durch Giorgio Massari (1687 bis 1766) fertig gestellt.

Guarino Guarini, Cappella della Sacra Sindone, 1667-1694. Turin. Ferdinand Fuga, Basilika Santa Maria Maggiore, 1741-1742. Rom.

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Das Innere der Paläste wurde aber nicht den Architekten überlassen, dort wirkten Anstreicher und Stuckateure unter dem Regiment der jeweiligen Hausfrau. Die Farben wurden gedämpft, sie sollten sanft sein und ineinander verschmelzen. Die Möbel wurden weiß lackiert, mit Gold verziert, hellgelb oder in leichtem Grünton gestrichen und gelegentlich mit leicht anämisch wirkenden Blumen oder chinesischen Figürchen verziert. Die Bezugsstoffe haben sich dieser milden Tonart angepasst. Die Wände waren mit Seidenstoffen bespannt, die seit der Renaissance eingesetzten Ledertapeten verschwanden allmählich. Die Fresken an der Decke erhielten Stuckrahmen. Als eine besondere Kunst galt es, die Farben der Kleidung denen der Einrichtung anzupassen. Dem künstlerischen Empfinden entsprachen die Farben des Reisstrohs, der Pistazien, Aprikosen und blassen, verwelkten Rosen. In die farbliche Harmonie passten sich Kleinplastiken gut ein, Buchsbaum und Ebenholz ersetzten die Bronze und die Möbel wurden immer kostbarer. Francesco Borromini war es, der in seinen Grundrissen alles Gerade verbannte und durch Kurven und Schnörkel ersetzte, den Grundformen ihre Bedeutung entzog und den Dekorationen die größere Bedeutung zuwies. Erst unter seinen Nachfolgern kehrte wieder eine gewisse Ruhe und Strenge in die Bauwerke ein. Die bekanntesten dieser Nachfolger sind Filippo Juvarra (1678 bis 1736) und Luigi Vanvitelli (1700 bis 1773), der mit dem Schloss in Caserta den französischen Palastbau mit seinen beträchtlichen Ausdehnungen in Italien einführte und damit die bis dahin aufrecht erhaltene Isolation gegenüber der Baukunst des Auslands aufhob. Der Neapolitaner mit dem italienisierten Namen Luigi Vanvitelli – sein Vater war der niederländische Maler Gaspar van Wittel – wurde zunächst von ihm zum Maler ausgebildet. Später wandte er sich aber der Architektur zu und wurde ein Schüler Juvarras. Dann ging er zu Nicola Salvi (1697 bis 1751) und war bei dessen Arbeiten an der Fontana Trevi beteiligt. Vanvitelli war der Architekt des für den Bourbonenkönig Karl IV. (1716 bis 1788) für dessen Herrschaft über die Königreiche Neapel und Sizilien nach Versailler Vorbild errichteten größten europäischen Königspalastes Caserta (S. 94) bei Neapel. Grundsteinlegung war am Geburtstag des Königs im Jahr 1752, und um den dabei Anwesenden die Dimensionen zu demonstrieren, sollen der Überlieferung nach zwei Regimenter und einige Schwadronen, also geschätzte 2000-2500 Soldaten, den Grundriss von etwa 250 * 180 m nachgebildet haben. Bei dieser Größe war Platz für

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etwa 1200 Räume und fast 2000 Fenster. Die gesamte Anlage mit dem bemerkenswerten, nach spanischem Vorbild gestalteten Park wurde erst 1852 fertig gestellt. Das Schloss gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO. Von Juvarra, der zunächst in Messina bei seinem Vater, einem Silberschmied, ausgebildet und 1703 zum Priester geweiht wurde, stammt neben anderen großartigen Bauwerken auch die Basilica della Natività di Maria, das Superga (1717/1731) genannte Werk oberhalb Turins, das König Vittorio Amedeo II. (1666 bis 1732) nach einem Sieg über die Franzosen errichten ließ. Juvarra baute in einem klaren, lichten, eleganten Stil und war der erste italienische Architekt, der dem nordeuropäischen Einfluss nachgab. Der spanische König Philip V. (1683 bis 1746) berief ihn 1735 an seinen Hof. Dort beendete aber bereits ein Jahr später ein plötzlicher Tod Juvarras überragende Karriere. Der in Rom geborene Nicola Salvi erhielt von Papst Clemens XII. (1652 bis 1740), zu dessen Wahl die Kardinäle immerhin 129 Tage benötigten, den Auftrag zur Fertigstellung der von Bernini 1640 begonnenen Fontana Trevi. Das Geld für seine Bauvorhaben besorgte sich der Papst aus einer von seinem Vorgänger vorübergehend suspendierten Lotterie. Dieser Auftrag hat Salvi während eines großen Teils seiner beruflichen Karriere beschäftigt – und doch konnte er ihn nicht beenden. Parallel dazu schuf er, gemeinsam mit Vanvitelli, die Kapelle San Giovanni Battista

(1742) in der Kirche Sant’Antonio dei Portoghesi und die Fassade des Palazzo Chigi-Odescalchi (1745). Giorgio Massari war einer der großen Architekten Venedigs. Sein Lebenswerk war die mit einer wunderschönen Fassade in Dorsoduro errichtete Kirche Dei Gesuati (1726/1743), die Nachfolgerin einer gleichnamigen früheren Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Aber auch der Palazzo Grassi (1718/1749) und die Flügelbauten des Uhrenturms in Venedig tragen, neben einer Reihe anderer Gebäude, seine Handschrift.

Die dekorative Kunst Auf dem Gebiet der dekorativen Kunst hatte sich schon längere Zeit die malerische Richtung gegenüber dem wuchtigen, mehr plastisch wirkenden Barockstil durchgesetzt. Sie stand in engem Zusammenhang mit dem Streben nach Weiträumigkeit, dem die späte Renaissance-Architektur huldigte. So kam die perspektivische Architekturmalerei auf. Sie durchbricht Decken und Wände, vertieft scheinbar alle Räume, schafft mithilfe einer kühn

Luigi Vanvitelli, Königspalast Caserta, ab 1752. Neapel. Filippo Juvarra, Jagdschlösschen von Stupinigi, 1729-1731. Stupinigi.

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hingeworfenen, reich belebten, farbigen Dekoration Kuppeln, hohe Wölbungen und weite Ausblicke nach draußen.

Jahre war er auch in Paris an der Kirche Sainte Anne-la-Royale und später in Prag und Lissabon tätig.

Die von dem Trientiner Jesuiten Andrea Pozzo (1642 bis 1709) stammende Dekoration des Chors in der römischen Kirche San Ignazio ist eines der glänzendsten Beispiele der Verbindung von realer mit gemalter Architektur. Pozzo gab auch ein weithin anerkanntes Buch, das Von der Maler Perspectiv (Perspectiva pictorum et architectorum) heraus, das allerdings gelegentlich etwas in das Witzige abdriftete, wenn er darin beispielsweise von „sitzenden Säulen“ spricht. Sein Ruf war längst bis nach Wien zu Kaiser Leopold I. (1640 bis 1705) gedrungen, für den er in der barocken Jesuitenkirche eine wundervolle Scheinkuppel malte. Aber auch die Fürsten Liechtenstein versicherten sich seiner Dienste und beauftragten ihn mit der Ausmalung ihres Gartenpalais.

Der Florentiner Alessandro Galilei (1691 bis 1737) arbeitete für seine Landesherren, den Herzog Cosimo III. (1642 bis 1723) und seinen Nachfolger, dem letzten dieses Geschlechts und von Regierungsarbeit wenig begeisterten Gian Gastone de’Medici (1671 bis 1737), nach dessen Tod das gesamte Herzogtum Toskana an die österreichischen Habsburger fiel. Alessandro Galilei ging als etwa 24-Jähriger nach England, kehrte aber nach wenigen Jahren wieder in seine Heimat zurück, wo er zum Festungsbaumeister ernannt wurde. Papst Clemens XII. berief ihn Anfang der 1730er Jahre nach Rom, wo er für die Familie Corsini die Capella San Giovanni in Laterano (1732) baute und später, nach einem von Papst Clemens XII. ausgeschriebenen und unter 21 Mitbewerbern gewonnenen Wettbewerb auch die Hauptfassade der San Giovanni in Laterano in den Jahren von 1733 bis 1735 entwarf.

Dieser ganze phantastische Reichtum der Formenwelt des Rokoko bewährte sich vor allem im Theaterbau und der Dekorationsmalerei im Theater. Auf diesem Gebiet waren die Brüder Giuseppe (1696 bis 1757) und Alessandro Galli Bibièna (1686 bis 1748) führend, die nicht nur in den italienischen Residenztheatern deutliche Spuren hinterlassen haben. Giuseppe hat in den Jahren 1745 bis 1748 auch für die Ausstattung des Opernhauses in Bayreuth gesorgt. Der Theatinermönch Guarino Guarini (1624 bis 1683) war einer der Nachfolger Borrominis und plante und baute in dessen Stil in Turin den Palazzo Carignano (1679/1684). Auf der Grundlage seines Studiums der Architektur, Mathematik, Philosophie und Theologie schrieb er die Abhandlungen Placita Philosophica (1665), Euclides Adauctus (1671) und Architettura Civile (1686). Damit offenbar nicht ausgelastet, schuf er in ungewöhnlich langer Bauzeit die Cappella della Sacra Sindone, (S. 99) in der das mysteriöse Turiner Grabtuch aufbewahrt wird und zwischendurch, ebenfalls in Turin, die Consolata (1679). Anfang der 1660er

Bernardo Bellotto, Die Trümmer der ehemaligen Kreuzkirche zu Dresden, 1765. Öl auf Leinwand, 80 x 110 cm. Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden. Antonio Canal, genannt Canaletto, Die ehemalige Kreuzkirche in Dresden, 1751. Öl auf Leinwand, 196 x 186 cm. Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden. Bernardo Bellotto, Die Kreuzkirche in Dresden, 1747. Öl auf Leinwand, 134,5 x 236,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Ferdinand Fuga (1699 bis 1780) war einer der Künstler, der sich zwar nicht als einer der Nachfolger Palladios verstand, in seinen Arbeiten aber doch eine größere Einfachheit und Gesetzmäßigkeit anstrebte. Im Königreich Neapel herrschte zu jener Zeit Karl III. von Spanien, der als Karl VII. (1716 bis 1788) auch Neapel regierte und der die meist auf der Straße lebenden etwa 8000 Armen in seinem Reich halbwegs menschenwürdig unterbringen wollte. Mit der Planung der Unterkunft in einem etwa 600 x 135 m großen Komplex beauftragte er Ferdinand Fuga, der die Gebäude um fünf Innenhöfe herum anordnete. Diese riesige Aufgabe wurde erst 1819 und damit lang nach dem Tod des Initiators und seines Architekten abgeschlossen. Der Komplex, der Real Albergo dei Poveri, steht, trotz ernsthafter Beschädigungen durch ein Erdbeben im Jahr 1980, heute noch und beherbergt unter anderem auch eine Musikschule. Aber auch die nach Osten zeigende Fassade der Basilika Santa Maria Maggiore (S. 100) in Rom, zu der Papst Benedikt XIV. (1675 bis 1758) den Grundstein gelegt hatte und die seit ihrer Fertigstellung ungezählte Pilgerscharen angezogen hat, stammt von Ferdinand Fuga.

Die Malerei Der Zug nach dem Einfachen und Natürlichen brach sich nun auch in der Malerei allmählich Bahn und der Kunstgeschmack entwickelte sich wieder rückwärts zu den alten Meistern. In diesen Jahren war zwar Rom der Hauptschauplatz jeglicher künstlerischer Tätigkeit, aber auch in Venedig entfaltete sich

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wieder ein beeindruckendes Kunstleben. Den Charakter der venezianischen Malerei des 18. Jahrhunderts bestimmten die Künstler, die ein genaues Abbild der Gesellschaft vermittelten. Drei der berühmtesten Schilderer des venezianischen Lebens sind zweifellos Francesco Guardi, Pietro Longhi (1702 bis 1785) und natürlich Canaletto. Guardi hat nahezu wie ein Impressionist den Eindruck der Stadt zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten festgehalten, Longhi hielt sich mehr an die Menschen und zeigt sie, unabhängig von Rang und Namen, auch bei ihrer augenblicklichen Tätigkeit und Canaletto befasste sich mit der Stadt selbst: mit ihren Kirchen und Palästen, mit Brücken, Gassen und Winkeln. Zu dieser Gruppe gehörten aber auch der Dichter Carlo Gozzi (1720 bis 1806), der Librettist da Ponte (1749 bis 1838) und schließlich auch Giacomo Casanova (1725 bis 1798), die uns nicht nur die Patrizierhäuser vorstellen, sondern uns auch mit Cafés, Klöstern und den kleinen Wohnungen sparsamer Bürger bekannt machen. Der älteste in dieser Reihe berühmter venezianischer Maler ist Antonio Canal, dessen Beiname ‘Canaletto’ auf seine Ansichten

venezianischer Kanäle mit den an ihnen liegenden Kirchen und Palästen zurückzuführen ist und der damit eine besondere Gattung der Architekturmalerei begründet hat. Er begann seine Karriere genau wie sein Vater als Bühnenmaler. Beeinflusst von Giovanni Panini (1691 bis 1765), der als 20-Jähriger nach Rom zog und dort auch bis zu seinem Lebensende blieb und neben vielen anderen auch Jean-Honoré Fragonard und Hubert Robert zu seinen Schülern zählte, spezialisierte sich Canaletto zunächst auf Veduten (Ansichten) seiner Heimatstadt Venedig. Typisch für ihn ist der starke

Antonio Canal, genannt Canaletto, Capriccio: Die Rialtobrücke und die Kirche San Giorgio Maggiore, um 1750. Öl auf Leinwand, 167,6 x 114,3 cm. The North Carolina Museum of Art, Raleigh. Giovanni Paolo Pannini, Der Fluss Arno mit der Brücke Santa Trinita, 1742. Öl auf Leinwand, 62 x 90 cm. Szépmüvészeti Múzeum, Budapest. Antonio Canal, genannt Canaletto, Das Bucintoro am Molo an Himmelfahrt, 1732. Öl auf Leinwand, 182 x 259 cm. Aldo Crespi Sammlung, Mailand.

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Kontrast zwischen Licht und Schatten. Manche seiner Ansichten sind reine Städtebilder, andere sind Darstellungen von Feierlichkeiten oder Zeremonien, doch zeichnet er sich immer durch große Wirklichkeitstreue aus. Für die perspektivische Erfassung benutzte er eine camera obscura. Nach seiner Reise nach Rom (1719/1720) wechselte er in die topografische Darstellung und malte viele Ansichten Venedigs. Diese schnell Anklang findende neue Kunst verbreitete er über einen großen Teil Europas, da er auch in Wien, Dresden, London, München und Warschau tätig war und dort überwiegend „Prospekte“ dieser Städte und ihren Umgebungen gemalt hat. Canaletto beschäftigte, um mit der Nachfrage Schritt halten zu können, mehrere Assistenten. Die Käufer waren meist englische Aristokraten, die sich seine vedute esatte und vedute ideale (cappricci) als Erinnerungen an ihre „Grand Tour“ mit nach Hause nahmen. Die wichtigsten Merkmale der Gemälde Canalettos sind das Kolorit und die geometrische Perspektive. Zu seinen unübertroffenen Venedig-Veduten zählen etwa zwei Ansichten des Il Canale Grande (1730/1750), ebenfalls zwei Ansichten Il Canale Grande a Rialto (1730/1750), die zwischen 1720 und 1750 immer wieder gemalte Piazza San Marco oder auch Il Campo e la Chiesa dei Gesuiti (Platz und Kirche der Jesuiten; 2. Drittel 18. Jh.) oder, aus der gleichen Zeit, der Platz vor San Giacomo di Rialto. In London, in den Jahren zwischen 1746 und 1755, schuf er nicht nur Ansichten der Themse, sondern auch die des Schlosses zu Windsor und Gemälde für die Galerie des Herzogs von Richmond. Canalettos Meisterwerke beeinflussten die gesamte Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts.

Francesco Guardi, Eine architektonische Caprice, um 1770. Öl auf Leinwand, 54,2 x 36,2 cm. The National Gallery, London. Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo, Das Bankett der Cleopatra (Fresken einer Halle im Palazzo Labbia), 1747-1750. Fresko, 650 x 300 cm. Palazzo Labia, Venedig.

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Diese Arbeiten wurden später von seinem ebenfalls Canaletto genannten Neffen Bernardo Bellotto (1721/1722 bis 1780) weiter betrieben, der sich so sehr der Art seines Onkels anschloss, dass viele ihrer Arbeiten kaum voneinander zu unterscheiden sind. Die Bedeutung dieses jüngeren Canaletto liegt aber weniger in seiner künstlerischen Auffassung und malerischen Behandlung als viel mehr in der präzisen Wiedergabe aller Einzelheiten, die für den Kunsthistoriker allemal wichtiger sind als für den Kunstsammler. Von ihm stammen etwa die Dresdner Ansichten Der Altmarkt von der Seegasse aus (1750/1751), der Neumarkt mit der Frauenkirche (1749/1751) oder Der Neumarkt von der Moritzstraße aus (1750/1752), aber auch Die Frauenkirche (1750/1754) oder Die Ruine der Kreuzkirche (1765). Zu seinen

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diversen weiteren Arbeitsplätzen zählen Städte wie Rom, Wien, London, Mailand, Warschau, Padua und Verona. Bellotto war schließlich so angesehen, dass er 1751 den mit einer jährlichen Pension von 20 Talern verbundenen Titel eines Hofmalers bei Kurfürst August III. (1696 bis 1763) erhielt. Der als Pietro Falca geborene Pietro Longhi besticht mehr durch seinen Humor als durch Zeichnung und Kolorit. Von ihm stammen so herrliche Gemälde wie etwa Das Vergnügte Paar (um 1740), das Familienkonzert (um 1752), die Dame bei der

Gaspare Traversi, Der Zeichenunterricht, um 1755-1760. Öl auf Leinwand, 154,3 x 206,1 cm. Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City.

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Schneiderin (um 1760), Der Friseur (um 1760) oder auch Der Zahnzieher (2. Hälfte 18.Jh.). Wie sehr und wie genau, wie scharfsichtig er seine Landsleute beobachtet hat, zeigen auch Die Ohnmacht (um 1744), Die Versuchung (um 1750), Die Geographiestunde (um 1752) oder Die Alchemisten (um 1757). Gelegentlich wurde Longhi als ein venezianischer William Hogarth (1697 bis 1764) bezeichnet. Da die beiden aber nichts miteinander verbindet als eine in etwa parallel verlaufende Lebenszeit, der Wunsch zu malen und sich die Malweise deutlich unterscheidet – satirisch scharf der eine und weich, heiter und nachgiebig der andere – ist dies ein völlig falscher Vergleich. Wenn man ihn schon mit einem Künstlerkollegen vergleicht, dann viel eher mit Siméon Chardin, obwohl der Venezianer der Vielseitigere ist und Chardins Bedeutung, wie bereits beschrieben, auf ganz anderem Gebiet liegt.

Francesco Guardi lernte bei Canaletto und gestaltete mit leichtem Pinselstrich. Seine Licht- und Luftwirkungen erreichte er durch eine recht delikate, skizzierende Technik, und kaum einer verstand es besser als er, reflektierende Lichter auf dem Wasser wiederzugeben und Details zugunsten des Gesamteindrucks wegzulassen, ein Beispiel dafür ist das Venezianische Galakonzert (S. 91), das einen nahezu impressionistischen Eindruck erweckt. Guardis Farbe ist zuweilen recht hart und trocken, hinsichtlich der Wahrheit und Lebendigkeit lassen seine Veduten aber keine Wünsche offen, auch wenn er sich bei den architektonischen Linien nicht immer einer photographischen Treue befleißigte. Zu diesen Stadtansichten gehören neben vielen anderen etwa der Canal Grande in San Geremia von einem Ankerplatz der Gondeln aus gesehen (um 1741), die Ansicht von Venedig mit Sta. Maria della Salute und der Dogana (um 1780), der Dogenpalast in Venedig (2. Hälfte 18.Jh.)

oder auch Vedute des Canal Grande zwischen Santa Lucia und der Scalzi (2. Hälfte 18.Jh.). Ein anderer, weit in Europa herumgekommener Maler – er besuchte nicht nur Bayern, sondern auch Frankreich, Spanien und in den Jahren zwischen 1729 und 1739 England – war der entweder in Neapel oder in Venedig geborene Jacopo Amigoni (1675 bis 1752). Er beschäftigte sich mit Fresken für Kirchen und Paläste, mit mythologischen Gemälden wie König Salomons Verehrung (1739) und Jupiter und Callisto (um 1740/1750), aber

Gaspare Traversi, Der Musikunterricht, um 1755-1760. Öl auf Leinwand, 154,4 x 207,4 cm. Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City.

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auch mit der Portraitmalerei und schuf darin Werke wie das Portrait des Sigismund Streit (1739), eines aus Berlin stammenden wohlgenährten und wohlhabenden venezianischen Kaufmanns. Der kinderlos gebliebene Sigismund Streit hat seinen Nachlass, zu dem Bücher und wertvolle Gemälde von Antoine Pesne, Canaletto und anderen gehören, einem Gymnasium in Berlin hinterlassen. In den Jahren zwischen 1734 und 1751 portraitierte Amigoni auch mehrfach den schon in sehr jungen Jahren zum Kastraten ausgebildeten Carlo Broschi (1705 bis 1782), den er mehr oder weniger zufällig in Paris getroffen hatte. Nach ersten Erfolgen als Sänger wechselte Broschi seinen Namen und trat unter dem Namen Farinelli mit großem Erfolg nicht nur in Italien, sondern später auch in England und Spanien auf, wo er so beliebt war, dass er einen ständigen Zugang zu den königlichen Kreisen hatte. Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo war der Letzte der großen dekorativen Maler Venedigs und der reinste Vertreter des italienischen Rokoko. Sein Vater Dominico war Kapitän eines Kaufmannsschiffes, seine früh verwitwete Mutter erzog ihn und seine vier Brüder standesgemäß – die Familie trug trotz ihrer bürgerlichen Herkunft einen Patriziernamen – und schickte Giambattista zu Gregorio Lazzarini (1655 bis 1730), der sich auf historische und mythologische Malerei spezialisiert hatte, in die Lehre. Hoch begabt, war er bereits mit 21 Jahren als Künstler in Venedig recht angesehen. Er malte vor allem große, dekorative Bilder für Kirchen und Paläste und wurde 1755 zum ersten Präsidenten der Akademie Venedig ernannt. Tiepolo knüpfte an die Überlieferungen der klassischen Schule an und suchte bald mit Paolo Veronese (1528 bis 1588), bald mit Tintoretto (1519 bis 1594) zu wetteifern. Dies gelang ihm in seinen Wand-, Altar- und Deckenbildern, in deren Erfindung und Ausführung er eine Phantasie und Arbeitskraft entwickelte, die selbst im Zeitalter der üppigsten Dekorationsmalerei einzigartig dastehen. Er hat, und hier konnte Tiepolo seiner Phantasie immer freien Lauf lassen, Kirchen und Paläste mit Fresken religiösen, allegorischen und mythologischen Inhalts geschmückt und dabei einige Meisterwerke einheitlicher Dekoration geschaffen. Sein Hauptwerk in Venedig sind die Fresken einer Halle im Palazzo Labbia mit Darstellungen aus der Geschichte des Antonius (82 bis 30 v. Chr.) und der Kleopatra (69 bis 30 v. Chr.). Tiepolo wurde zum Star, und Städte wie Mailand, Bergamo, Udine und Vicenza stritten um ihn. Sein Ruhm drang aber bald

auch weit nordwärts über die Alpen bis nach Würzburg. Der dortige Fürstbischof spendierte (vermutlich aber nicht aus seinem Privatsäckel) allein für die Reise den unglaublichen Betrag von 3000 Gulden. Um von Tiepolo seinen Palast ausschmücken zu lassen, war ein weiteres Salär von 21 000 Gulden vereinbart. Diesem ausgabenfreudigen Fürstbischof ist es somit zu verdanken, dass man heute noch im Residenzschloss zu Würzburg die Wand- und Deckenbilder bewundern kann. Dort hat er auch mit der Ausmalung des Kaisersaales und des Treppenhauses (S. 96-97) mit einer pomphaften Darstellung der vier Weltteile das glänzendste Werk der dekorativen Malerei des 18. Jahrhunderts auf deutschem Boden geschaffen. Im Jahr 1762, als 56-Jähriger, wurde Tiepolo von Karl III. nach Madrid berufen. Auf die Reise an den spanischen Hof nahm er Christine, sein langjähriges und damit auch sicher nicht mehr jugendlich schlankes Modell mit; seine, wie man heute sagen würde: spielsüchtige, Frau blieb zu Hause. Trotz Christine suchte Tiepolo nach einem anderen Modell, was wegen der Inquisition sicher nicht sehr einfach war, auch wenn vorher schon El Greco (1541 bis 1614) mit seinem Modell relativ unbehelligt unter einem Dach gelebt hatte. In Madrid wurde Giambattista „Tiepolo el bueno“ genannt. Sein wegen der unerwarteten Konkurrenz am Hofe sehr verärgerter Malerkollege Anton Raphael Mengs (1728 bis 1779) soll, so wird berichtet, zwei Bettler oder Kleinkriminelle, „Saltadores de caminos“ genannt, angeheuert haben, die Tiepolo verprügeln sollten. Tiepolos Kühnheit in Zeichnung und Komposition, in der Anordnung der Gruppen, in der Lebendigkeit der Schilderung und des Kolorits ist kaum übertroffen worden. Zu seinen Arbeiten gehören etwa der Raub der Europa (1720/1722), Alexander der Große und Campaspe im Atelier des Apelles (1725/1726), Abraham und die Engel (1732), Danae und Zeus (um 1736), die Aussetzung des kleinen Moses (um 1740) oder auch die Apotheose der Familie Pisani (um 1760). Zu den Fresken im Palacio Real, dem königlichen Palast in Madrid, gehören auch die Lobpreisung Spaniens (S. 92), die Apotheose der spanischen Königsfamilie (1762/1766) und die Unbefleckte Empfängnis (1767/1768).

Angelika Kauffmann, Abschied Abélards von Héloise, um 1780. Öl auf Leinwand, Durchmesser: 65,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Mit Tiepolo endet die venezianische malerische Tradition aus der Zeit der großen Blüte. Er hat seine Heimatstadt nicht mehr wiedergesehen, er starb am 27. März 1770 in Madrid. Seine Frau, die ihn um etwa neun Jahre überlebte, hat, da sie von ihrer Spielleidenschaft nicht lassen konnte, schließlich noch ihr Haus und das gesamte Vermögen verspielt.

Angelika Kauffmann, Venus überredet Helena, Paris zu erhören, 1790. Öl auf Leinwand, 102 x 127,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Zu den berühmten italienischen Maler des 18. Jahrhunderts gehört zweifellos auch Pompeo Batoni (1708 bis 1787), der sich später wieder Raffael (1483 bis 1520) und der Antike zuwandte und damit als Wegbereiter zum Neo-Klassizismus anzusehen ist. Batoni war in ganz Europa ein gesuchter Bildnismaler, so

gibt es von ihm die Portraits des John Marquis of Monthermer (um 1760) und Joseph II und Leopold von Toskana (1769) oder des sich auf einen Tisch stützenden Charles Crowle (1761/1762). In der im II. Weltkrieg zerstörten Büßende Maria Magdalena (um 1742) war ein natürliches Gefühl für die Anmut zu erkennen. Zu seinen vielen religiösen und mythologischen Bildern gehören etwa auch eine Heilige Familie und eine Madonna mit Kind, ein Herkules erwürgt Schlangen (1743), Bacchus und Ariadne (1773/1774) oder Venus überreicht Aeneas die Waffen des Vulkan. Etwa um 1780 hatte er den Gipfel seines Ruhmes erreicht, er war in Rom einer der frömmsten Menschen überhaupt, ging morgens um vier Uhr, von den Bettlern bereits erwartet,

Anton Raphael Mengs, Das Urteil des Paris, 1757. Öl auf Leinwand, 226 x 295,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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zur Messe, und verteilte dabei mehr Almosen als es seine finanziellen Verhältnissen vertrugen. Der andere, vielleicht noch eine Spur berühmter als Batoni, war Antonio Raphael Mengs, der Sohn des in sächsischen Diensten stehenden Malers Ismael Mengs (1688 bis 1764). Den ersten Unterricht erhielt Anton Raphael naturgemäß von seinem Vater, der ihn, wie damals zu hören war, mehr mit der Peitsche als mit dem Pinsel ausgebildet haben soll. Als 13-Jähriger reiste er für vier Jahre mit der ganzen Familie nach Rom, um sich dem Studium der Antike zu widmen. Nach Dresden zurückgekehrt, wurde er bald zum Hofmaler ernannt. Er malte in nahezu Lebensgröße die Portraits des Königs August III. (1745), der Königin und der berühmten, zu der Zeit in Diensten des polnischen Königs stehenden Sängerin Regina Mingotti (1722 bis 1808). Andere Portraits sind die des Kurfürsten Friedrich Christian von Sachsen (1751), von Papst Clemens XIII. (1758) oder von Johann Joachim Winckelmann (S. 89), der bereits 1755 nach Rom gekommen war. Er hatte sehr viele Aufträge, malte Fresken in der Kirche Sant’ Eusebio und der Kapelle zu San Caserta und portraitierte alle berühmten Zeitgenossen. Der spanische König berief ihn an seinen Hof in Madrid, wo er bald gemeinsam mit Tiepolo den Palast ausmalte. Sein Ruhm stieg ihm sehr bald und so sehr zu Kopfe, dass er alle Briefe, die nicht die Anschrift „M. le Chevalier Mengs“ oder seine beiden Taufnamen trugen, brüsk zurückwies. Seine Frau Margherita hatte es vermutlich nicht immer sehr einfach mit ihm. Er soll sie auch dann, wenn sie ihm für heikle Wiedergaben Modell saß, so sehr gequält und tyrannisiert haben, dass die offenbar prüde Römerin ihren Beichtvater einschaltete und um Hilfe bat. Der soll ihr aber von einer Weigerung, Modell zu sitzen, abgeraten haben, da Antonio sich sonst einem anderen Modell zuwenden und damit vielleicht Anlass zur Eifersucht geben könnte. Vielleicht waren ja Das Urteil des Paris (S. 119) oder Perseus und Andromeda (S. 120) der Anlass zu ihrer Klage.

Anton Raphael Mengs, Perseus und Andromeda, 1774-1777. Öl auf Leinwand, 227 x 153,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg. Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo, Abraham und die Engel, um 1770. Öl auf Leinwand, 197 x 152 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid.

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Dieses Kapitel kann nicht abgeschlossen werden, ohne auf eine Malerin einzugehen, auf die Raphael Mengs sehr viel Einfluss genommen hatte: auf die am Übergang zum Klassizismus stehende Angelika Kauffmann (1741 bis 1807). Sie hatte ihre Kindheit und Jugend in der Schweiz verbracht und kam 1763 nach Rom. Dort haben Mengs und der mit ihm befreundete Johann Joachim Winckelmann (1717 bis 1768) ihr die griechische Antike so nahe gebracht, dass sie alle französischen Einflüsse,

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Giovanni Battista (Giambattista) Tiepolo, Raub der Europa, um 1725. Öl auf Leinwand, 99 x 134 cm. Gallerie dell’Accademia, Venedig.

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Giovanni Battista (Giambattista) Pittoni, Mariä Verkündigung, 1748. Öl auf Leinwand, 153 x 206 cm. Gallerie dell’Accademia, Venedig.

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unter denen sie bisher gelebt hatte, vergaß und sich klassischen Themen zuwandte. In den Jahren von 1766 bis 1781 hielt sie sich in England auf und lernte dort den Maler und Kunstkritiker Joshua Reynolds (1723 bis 1792) kennen, der von ihr so begeistert war, dass er sie unbedingt heiraten wollte. Wenn sie ihn trotz des erheblichen Altersunterschiedes genommen hätte, wäre ihr die bittere Erfahrung, die sie mit einem Abenteurer machen musste, der sie finanziell völlig ruinierte, erspart geblieben. Obwohl sie in London sehr gefeiert wurde und für jedes Portrait immerhin 50 Guinees verlangen konnte, ging sie zurück nach Rom. Auch in Italien war sie als Portraitmalerin sehr begehrt und hat es mit Hilfe des dort geheirateten geizigen Gatten zu einem großen Vermögen gebracht. Angelika Kauffmann war nicht nur Malerin und Radiererin, sondern auch eine ausgezeichnete Musikerin. Vielleicht hat sie ja deswegen ihrem Tondo den Titel Die Dichtung umarmt die Malerei (1782) gegeben. Ausgebildet und tätig in Italien, war sie mit einigen der berühmtesten Persönlichkeiten der damaligen Zeit befreundet. So etwa auch mit Johann Wolfgang von Goethe und dem in der Nähe von Triest vermutlich einem Raubmord zum Opfer gefallenen Archäologen und Kunstkritiker Johann Joachim Winckelmann, von dem sie das Bildnis Johann Joachim Winckelmann (1764) geschaffen hat. Sie malte vor allem Portraits, aber auch allegorische und mythologische Szenen. Zu ihren herausragenden Werken gehören Abschied Abélards von Héloise (1780), Die Dichtung umarmt die Malerin (1782) aber auch weibliche Portraits, etwa das der Gräfin Anna Protassowa mit ihren Nichten (1788), das Portrait einer Dame als Vestalin (4. Quartal 18. Jh.) oder Venus überredet Paris, Helena zu erhören (1790).

Die Bildhauerei Unter den italienischen Bildhauern des 18. Jahrhunderts ragen zwei ganz besonders hervor. Die Rede ist von Antonio Canova (1757 bis 1822) und Nicola Salvi (1697 bis 1751). Antonio Canova war der Sohn eines armen, früh verstorbenen Steinmetzen und wuchs bei seinem Großvater auf. Dieser Großvater wollte ihn, den weichen und verträumten Enkel, mit aller Gewalt, und dazu gehörten auch ständige Prügel, dazu bringen, die Familientradition der Steinbearbeitung fortzusetzen. Einer hübschen Anekdote nach zu urteilen, begann Canovas Karriere aber in der Küche eines venezianischen Senators. Da soll er bei der Vorbereitung eines Dinners den geflügelten

Luigi Vanvitelli, Diana-und-Aktäon-Brunnen, um 1770. Marmor. Reggia di Caserta, Caserta. Antonio Corradini, Verschleierte Frau (Glaube?), erste Hälfte des 18. Jh. Marmor, 138 x 48 x 36 cm. Musée du Louvre, Paris.

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venezianischen Löwen aus Butter geformt und auf den Tisch gebracht haben. Die Gäste waren begeistert und riefen den zehnjährigen Jungen in den Speisesaal, bewunderten lauthals sein Werk und überhäuften den völlig verschüchterten Kleinen mit Süßigkeiten. Wenn es vielleicht auch nicht stimmt – so könnte es aber gewesen sein. Der gastgebende Senator überredete jedenfalls den Großvater, Antonio dem Bildhauer Torretti (1664 bis 1743) in die Lehre zu geben. Der erste Auftrag an Canova bestand aus Statuen von Orpheus und Eurydike (1776), die auf der Treppe des Palastes seines Mäzens Falier aufgestellt werden sollten. Bevor er voller Begeisterung seine Arbeit beginnen konnte, musste Antonio aber ein gut gewachsenes Modell für die Eurydike finden. Der Großvater war entsetzt und bekreuzigte sich allein schon bei dem Gedanken, in seinem Dorf eine solche Sünderin vorzufinden und beriet sich mit dem örtlichen Geistlichen. Der dachte aber schon etwas freier und machte dem Großvater klar, dass man das Modellstehen ruhig gestatten könne, vor allem dann, wenn bei den Sitzungen stets zwei Zeugen (einer davon wollte er vermutlich selbst sein) dabei seien und auf dem Sockel die Inschrift „memento mori“ deutlich zu lesen sei. Der Mäzen kannte sich bei den Frauen aus und fand ohne große Mühe ein bereitwilliges Modell, das ein derartiges Opfer für die Kunst bringen wollte. Die Inschrift und die Zeugen scheinen aber nicht viel genutzt zu haben, denn dieses Modell war Canovas erste Liebe. Nach drei Jahren war die Arbeit beendet und fand in Venedig begeisterte Zustimmung. Diesen beiden Statuen folgte die Gruppe Dädalus und Ikarus. Im Jahr 1780 zog er nach Rom, wo er sich mit viel Interesse der klassischen Antike zuwandte. Bekannte Werke aus dieser Zeit sind Durch Amors Kuss wiedererweckte Psyche (S. 127), sowie seine Faustkämpfer Damoxenes und Creugas. Während dieses Aufenthalts modellierte er eines seiner Meisterwerke: Theseus besiegt den Minotaur (1805/1819). Zu seinen Bewunderern gehörte Napoleon, der ihm einen wichtigen Auftrag für eine kolossale Portraitbüste erteilte. Canova wurde zum kaiserlichen Bildhauer und portraitierte Napoleons Mutter Marie-Louise,

Antonio Canova, Durch Amors Kuss wiedererweckte Psyche, 1787-1793. Marmor, 155 x 168 x 101 cm. Musée du Louvre, Paris.

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dessen Schwester Pauline als Venus Victrix (1805/1808) und viele andere Mitglieder des Hofes. In Wien bekam er den Auftrag zur Schaffung eines Monuments für das Grabmal der Erzherzogin Marie Christine von Österreich (1798/1805). Sein wohl berühmtestes Portrait ist die Büste von Papst Pius VII. (1807). Der Papst verlieh ihm daraufhin den Titel eines Marquis von Ischia, woraufhin Canova eine riesige Statue, genannt Religion, plante, für die jedoch wegen ihrer Größe kein Platz gefunden werden konnte (sie wurde dann in einem kleineren Maßstab realisiert). Es folgten zahlreiche weitere Auftragswerke, darunter berühmte Meisterwerke wie Venus und Mars (1816/1822). Canova fand seine letzte Ruhestätte in seinem Geburtsort Possagno. Er gilt als der eigentliche Vorreiter des klassizistischen Stils, der die Rückkehr zu den klassischen Vorbildern und zu einer naturalistischeren Auffassung einleitete. Ein weiterer großer Bildhauer des 18. Jahrhunderts ist Nicola Salvi, zu dessen Hauptwerken die Fontana di Trevi (1732/1762) gehört. Salvi war von Antonio Canevari (1681 bis 1764) ausgebildet worden und hat später auch dessen Werkstatt übernommen. Die der Rückseite des Palazzo Poli vorgelagerte Fontana di Trevi (Der Trevibrunnen) erdrückt den kleinen Platz, auf dem sie sich befindet. Dieses in seiner Anlage als Triumphbogen monumentale, mit der Leichtigkeit der Wasserspiele und dem Funkeln des Lichts aber auch feingliedrige Werk ist ein Paradebeispiel für den Fortbestand des Barock im Rom des 18. Jahrhunderts. Von Nicola Salvi 1732 begonnen, wurde es erst 1762, elf Jahre nach seinem Tod, von Giuseppe Pannini vollendet. Der Brunnen am Endpunkt des römischen Aquädukts Aqua Vergine, der immer noch das Wasser der gleichnamigen Quelle heranführt, rühmt das Leben spendende Nass. Die Hauptnische beherbergt Neptun auf seinem Wagen in Form einer Muschel, und der Gott des Ozeans wird vom Überfluss und von der Heilkraft flankiert. Über diesen beiden Vollplastiken sind zwei Reliefs angebracht, von denen eines das junge Mädchen darstellt, das die Quelle entdeckt hatte, und das andere den römischen Kaiser Agrippa (63 bis 12 v.Chr.), der den Bau des nach Rom führenden Aquädukts anordnete. Zu Salvis weiteren Arbeiten in Rom zählen der Hochaltar in der Kirche Sant’ Eustachio (1739), die Kapelle San Giovanni Battista in der Kirche Sant’Antoniodei Portoghesi (1742) und, in Gemeinschaftsarbeit mit Vanvitelli, die Fassade des Palazzo Chigi-Odescalchi (1745). In seinen letzten Lebensjahren erkrankte Salvi so schwer an Arthritis, dass er in einer Sänfte von Ort zu Ort getragen werden musste und sich kaum noch bewegen konnte.

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III. Das Rokoko in Deutschland chon vor, aber erst recht in und auch nach den Jahren des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763) Preußens gegen Österreich mit ihren jeweiligen Verbündeten stockte die Kunsttätigkeit in Deutschland. Zwar lebten und arbeiteten Maler in verschiedenen Städten, aber jeder bröselte ohne Kontakt zu seinen Kollegen vor sich hin und suchte Anregungen vor allem im Ausland. Neben der geschmacklichen hat aber auch die politische Richtung einzelner Höfe den Drang zum französischen Vorbild gefördert. So etwa in Bayern, wo sich das Schloss in Schleißheim und das Schloss Nymphenburg in der Ausgestaltung der Innenräume streng an französische Vorbilder anlehnten.

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Die Bildung jener Jahre setzte sich aus verschiedenartigen Elementen zusammen: französische, italienische und niederländische Einflüsse berührten und kreuzten sich. In den Landschaften links und rechts des Rheins, an den kurfürstlichen Höfen und überall da, wo große und nicht ganz so große Fürsten regierten, beherrschte der französische Geschmack alles. Zu den Direktoren der nach französischem Vorbild errichteten Akademien wurden dementsprechend auch französische Akademiker berufen. So ging Louis Silvestre (1675 bis 1760) an den sächsischen Hof nach Dresden und wurde dort von August I., dem Starken, (1670 bis 1733), von dem man nicht genau weiß, ob er nicht durch kriminelle Machenschaften seinen Bruder als Kurfürst abgelöst hat, zum Hofmaler ernannt. Und der in Europa als Portraitmaler großen Ruhm genießende Antoine Pesne (1683 bis 1757) wurde an den Hof in Berlin berufen. Aber auch die italienische Baukunst hat in Deutschland ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Schließlich folgte gerade die Kirchenarchitektur den Vorgaben der römischen Kirche. Klöster und Abteien setzten ihre wiedergewonnene Macht und wachsende Wohlhabenheit, um nicht zu sagen ihren Reichtum, ein, um ihrer Bauleidenschaft zu frönen. Gerade in Bayern und Österreich sind die meisten Klöster nach dem Vorbild der römischen Kirchen in dieser Zeit neu- oder umgebaut worden. Es gab nur einen Unterschied: nach deutscher Gepflogenheit

Johann Balthasar Neumann, Basilika Vierzehnheiligen, 1743-1772. Bei Bamberg. François de Cuvilliés, Amalienburg (Spiegelsaal), 1734-1739. Amalienburg, Schloss Nymphenburg, München.

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wurden den Kirchen Türme zugeordnet, und zwar in diesen Jahren Türme mit Zwiebelhauben. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist in der Architektur zumindest in Deutschland aber schon als Übergangszeit zum Klassizismus anzusehen.

Die Architektur Gebaut wurde vor allem wieder von den geistlichen und den weltlichen Fürsten. Die Residenzen, die immer und überall ein Mittelpunkt künstlerischer Bemühungen waren, belegen die wieder erwachte Bauleidenschaft, die auf das nach den Stürmen der Reformation wieder gewachsene Selbstbewusstsein der Kirche hinwies. Die wichtigsten Schauplätze der Bautätigkeiten außerhalb Süddeutschlands waren zweifellos Berlin und Dresden. In Dresden erhielt Daniel Pöppelmann (1662 bis 1736) von seinem Kurfürsten den Auftrag, auf einem ehemaligen Festungsgelände zwischen der äußeren und der inneren Festungsmauer den Bau eines Zwingers zu planen, der ursprünglich als Teil eines großartigen, aus finanziellen Gründen dann aber doch nicht realisierten architektonischen Ensembles vorgesehen war. Die Anlage sollte nach „… Art der römischen Staats-, Pracht- und Lustgebäude“ alles enthalten, was für Lust- und Prachtanlagen nur eben denkbar war. Vor allem hier, in der „Schau-Burg“, sollten die sommerlichen Lustbarkeiten des sächsischen Hofes stattfinden. Der Grundriss des Zwingers (1711/1722) bildet ein durch zwei große Halbkreise aufgelockertes Rechteck mit den Abmessungen von 107 * 116 m. Der mittlere Raum wird von Galerien (Arkaden mit Plattform und Balustraden) geschlossen, die durch die großen, zweigeschossigen Pavillons an den Ecken und in der Mitte unterbrochen werden. Die Pavillons – der Mathematisch-Physikalische Pavillon, der Französische Pavillon mit dem von Balthasar Permoser (1651 bis 1732) geplanten Nymphenbad, der Deutsche Pavillon und der den Abschluss bildende Wallpavillon – mit ihren Grotten und Springbrunnen waren als Erholungsräume gedacht, in die sich die Gesellschaft zur Erholung von den anstrengenden Lustbarkeiten zurückziehen konnte. Der Zwinger war somit ein Festplatz mit einer Prunksaaldekoration. Dies wird durch die mit

Egid Quirin Asam und Cosmas Damian Asam, Kirche St. Johann Nepomuk, genannt Asamkirche, 1733-1746. München.

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Blumen behängten Säulenschäfte, durch die Vasen der Balustraden und die in den an Spiegelrahmen erinnernden Fenstereinfassungen deutlich. Den südlichen Abschluss des Geländes bildet ein von Gottfried Semper (1803 bis 1879) gebautes Museum (1846/1855). In starkem Kontrast zum Zwinger steht das von Pöppelmann und Zacharias Longuelune (1669 bis 1748), der seit 1713 am sächsischen Hof arbeitete und in Sachsens Baugeschichte deutliche Spuren hinterlassen hat, gebaute Japanische Palais (1715/1737), das seinen Namen den gebrochenen Dächern verdankt. Ein anderes Dresdner Bauwerk dieser Jahre ist die barocke evangelische Frauenkirche (1728/1743) mit ihrer beeindruckenden Kuppel. Hier handelt es sich um einen etwa 90 m hohen Zentralbau, den der städtische Baumeister George Bähr (1666 bis 1738) begonnen hatte, der aber nach Bährs plötzlichem Tod durch zwei andere Baumeister im Sinne Bährs vollendet wurde. Durch den großen Bombenangriff im Februar 1945 völlig zerstört, wurde ihr mit Hilfe von Spenden aus aller Welt zum alten Glanz führender Wiederaufbau erst 2005 mit der Neueinweihung abgeschlossen. Etwas zeitversetzt, schließlich musste August der Starke erst zum katholischen Glauben wechseln, um König von Polen werden zu können, zur Frauenkirche wurde die prächtige katholische Hofkirche, die Kathedrale St. Trinitatis (1739/1754) errichtet, an deren Planung und Baudurchführung gleich ein ganzes Architektenquartett mitwirkte. Begonnen vom italienischen Baumeister Gaetano Chiaveri (1689 bis 1770), wurde der Bau nach dessen Abreise, er war offenbar von einigen Hofschranzen kräftig verärgert worden, zunächst von Sebastian Wetzel und Johann Christoph Knöffel (1686 bis 1752) betreut und schließlich von Julius Heinrich Schwarze (um 1706 bis 1775) abgeschlossen. Besonders auffallend sind das überhöhte Mittelschiff und der etwa 85 m hohe, schlanke Turm über dem Haupteingang. Auch diese Kirche war durch die schweren Bombenangriffe im Februar 1945 mit Ausnahme des Turms zerstört worden. Allerdings konnte hier mit dem Wiederaufbau bereits 1946 begonnen werden, der dann 1987 fast ganz abgeschlossen war. Den Dresdner Bauten standen zwar nicht an Zahl, aber doch an Bedeutung die Bauten in Berlin nicht nach. In Berlin herrschte schon bald nach dem Regierungsantritt des Großen Kurfürsten Friedrich I. (1657 bis 1713) ein anderer Geist als an den übrigen deutschen Fürstenhöfen. Gegen Frankreich waren aus politischen und

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religiösen Gründen Vorbehalte wach geworden, und als der Kurfürst seine Residenz mit Neubauten und Kunstwerken schmücken wollte, ließ er sich die künstlerischen Kräfte aus den familiär mit ihm verbundenen Niederlanden und aus den Kreisen der aus religiösen Gründen aus Frankreich geflohenen Protestanten kommen. Die ersten Monumentalbauten, die in Berlin, wo das Mittelalter keine zur Nachahmung reizenden Bauten hinterlassen hatte, errichtet wurden, trugen das Signum des niederländischen Barockstils. Bereits in den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts wurden die Bauwerke begonnen, die der damaligen preußischen Hauptstadt ihr besonderes Gepräge verliehen: das Zeughaus und das königliche Schloss. Ein erster Entwurf für das Zeughaus, das bereits Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620 bis 1688) gefordert hatte, stammte, dem damaligen Trend entsprechend, 1685 vom französischen Architekt François Blondel (um 1618 bis 1686). Die Planungsphase stand aber offenbar unter einem ungünstigen Stern, denn Blondel starb ein Jahr nach der Entwurfsvorlage. Sein Nachfolger, der Baumeister Johann Arnold Nering (1659 bis 1695), leitete in der Regierungszeit Friedrichs I. die Planung bis zur Grundsteinlegung 1695. Nerings Nachfolger Martin Grünberg (1655 bis 1706/1707) gab die Arbeiten bereits nach drei Jahren ab. Dann wurde 1698 Andreas Schlüter (1662/1664 bis 1714) eingeschaltet, der bei diesem Bauwerk aber hauptsächlich als Bildhauer tätig war. Die weitere Planung und Ausführung übergab er ein Jahr später an den aus Frankreich geflohenen Hugenotten Jean de Bodt (1670 bis 1745). Trotz der unterschiedlichen Handschriften der planenden und ausführenden Architekten war nach ungewöhnlich langer Bauzeit, die Fertigstellung und Übergabe war erst im Jahr 1729, ein einheitlicher, geschlossen wirkender zweigeschossiger Baukomplex von 90 m Seitenlänge mit vielen schmückenden Skulpturen entstanden. Der gesamte bildnerische Schmuck wurde nach Schlüters Entwürfen ausgeführt. Dies gilt für die die Attika krönenden Trophäen, die Schlusssteine der Fenster, die Reliefs der Türen und vor allem die von Schlüter stammenden einundzwanzig Masken sterbender Krieger im Innenhof, fast alle diese Köpfe zeigen einen Todesschmerz in ergreifender Mannigfaltigkeit, die in der Einzelbildung von einer Hand und gleicher Meisterschaft zeugen. Auch dieses Gebäude hat eine wechselvolle Geschichte erlebt: ursprünglich war es ein Waffenarsenal, in den Jahren 1877 bis 1881 mutierte es zur Ruhmeshalle und Militärmuseum, im II. Weltkrieg schwer beschädigt und bis 1967 wieder aufgebaut, wurde es zunächst zum Museum für Deutsche Geschichte. Seit 1991 beherbergt es das Deutsche Historische Museum. Das Zeughaus ist das älteste Gebäude auf der Berliner Prachtmeile Unter den Linden.

Seit Michelangelo hat es wohl keinen Künstler mehr gegeben, in dem die Gaben des Architekten und des Bildhauers so harmonisch vorhanden waren wie bei Schlüter. Das glänzendste Zeugnis dafür ist das 1696/1697 als erstes freistehendes Reiterbild in Deutschland entworfene Denkmal des Großen Kurfürsten (S. 10), das anlässlich des 46. Geburtstags des Königs am 12. Juli 1703 auf der Langen Brücke aufgestellt wurde. Es zeigt den König in barockfeudaler Pose als furchtlosen Helden, wie er als Sinnbild erhabener Ruhe auf einem schweren Schlachtross den Weg entlang reitet. Während des II. Weltkrieges wurde das Reiterstandbild von seinem Sockel geholt und auf einem auf der Spree verankerten Kahn untergebracht. Im bitterkalten Winter 1947/1948 versank der Kahn mitsamt dem Standbild im Tegeler See und konnte erst 1949 wieder geborgen und ein Jahr später in den Park des Schlosses Sanssouci gebracht werden. Zu seiner größten Aufgabe wurde Schlüter 1699 berufen, als ihn der Kurfürst mit der Leitung des Schlossbaues betraute. Er hatte sowohl die Nordfassade am Lustgarten als auch die Südfront am Schlossplatz entwickelt und vor allem in der Ausbildung der architektonischen Gestaltung des inneren Hofes, auf die er ein größeres Gewicht legte als auf die Außenfronten, ein Meisterwerk von höchster Vollendung geschaffen. Der bisherige Kurfürst und nun in Königsberg gekrönte König zog 1701 in das vom Renaissanceschloss zum prachtvollsten Barockschloss verwandelte und die Ausnahmestellung Preußens gegenüber den übrigen deutschen Fürstentümern demonstrierende neue Schloss ein. Schlüter hat auch in der Dekoration von Prunkzimmern Beachtliches geleistet. Aber alle diese ungewöhnlichen Leistungen konnten ihn nicht vor der Ungnade des Königs schützen, als ohne Schlüters Verschulden ein von der Bauwut des Königs an untauglicher Stelle geforderter 120 m hoher Turm zunächst gebaut, aber dann wieder abgetragen werden musste, weil er einzustürzen drohte. Die Kosten für Bau und Abtrag dieses Turms überschritten sogar die Baukosten des Schlosses. Weil ihn der König nur noch als Bildhauer einsetzte, verließ der zornerfüllte Schlüter Berlin und ging nach St. Petersburg, wo er, ohne jemals Aufgaben oder Aufträge erhalten zu haben, bereits ein Jahr später in trauriger Lage starb. Sein Nachfolger in Berlin war der 1699 nach Berlin gekommene, schon länger gegen Schlüter intrigierende Schwede Eosander von

Johann Bernhard Fischer von Erlach, Hofbibliothek, 1723-1726. Wien.

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Göthe (1669 bis 1728). Eigentlich war er mehr ein geschmeidiger Höfling als ein wirklicher Künstler und Architekt, aber er vollendete den Schlossbau mit dem Westflügel, dessen Hauptmotiv, der Triumphbogen über dem Portal, eine sklavische Kopie römischer Vorbilder ist. Dieser von Göthe stieg zunächst bis zum Ersten Baudirektor und damit zu höchsten Ehren auf, wurde aber 1713 wegen des Verdachts der Untreue in Unehren aus dem Dienst entlassen. Er wechselte zunächst nach Schweden und später nach Sachsen, wo er in die Dienste des Kurfürsten Friedrich August I., der Starke, der später auch König von Polen war, trat.

Johann Conrad Schlaun, Erbdrostenhof, großer Salon, 1753-1757. Münster. Johann Bernhard Fischer von Erlach, Schloss Schönbrunn, große Galerie mit Fresken von Gregorio Guglielmi, 1696-1699. Wien. Johann Arnold Nering, Schloss Charlottenburg, ab 1695. Berlin.

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Für das königliche Schloss hatte sich dessen erster Bauherr, Kurfürst Friedrich II, der „Eisenzahn“ (1413 bis 1471), einen besonderen Bauplatz ausgesucht: die Insel mitten in der Spree. Eine strategisch günstige Lage, die es erlaubte, die Handelswege von Ost nach West zu kontrollieren. Zwischenzeitlich nahezu verfallen, wurde es ab 1699 durch Andreas Schlüter zu einem prachtvollen Schloss aus- und umgebaut. Erst der Tod des Kurfürsten beendete die Gesamtplanung, und aus finanziellen Gründen wurde unter König Friedrich Wilhelm I. (1688 bis 1740) nur noch eine abgemagerte Version der bisherigen Planungen ausgeführt. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde wieder weiter daran gebaut, so etwa der Kuppelbau. Im Mai 1944 wurde das Schloss durch Bombenangriffe bereits schwer beschädigt, am 3. Februar 1945 brannte es nach weiteren Bombenangriffen vier Tage lang. Aber erst durch die willkürliche Machtdemonstration eines kleingeistigen Einzelnen, des ersten NachkriegsMinisterpräsidenten der ehemaligen DDR, Walter Ulbricht (1893 bis 1973), wurde das Schloss, dessen Grundbausubstanz durchaus wiederaufbaufähig gewesen war, am 7. September 1950 gesprengt und damit völlig und endgültig zerstört.

Mittlerweile liegt ein gemeinsamer Beschluss des Bundestages und des Landes Berlin vor, das Schloss ab 2010 zumindest in seiner Fassade originalgetreu wieder aufzubauen. Die Planung des italienischen Architekten Franco Stella sieht den Wiederaufbau der barocken Fassaden an der Nord-, Süd- und Westseite sowie im Schlüterhof und eine Rekonstruktion der Kuppel vor. Als Nutzung ist vorgesehen, in den Räumlichkeiten die außereuropäischen Sammlungen der Berliner Museen und andere Einrichtungen unterzubringen. König Friedrich II., der Große, der Alte Fritz (1712 bis 1786) kam 1740 als König in Preußen an die Macht. Sein wichtigster Architekt war der zunächst als Offizier, später auch als Maler und Landschaftsgestalter tätige Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699 bis 1753). Eine seiner ersten großen Arbeiten war der Ausund Umbau der ehemaligen, im Dreißigjährigen Krieg fast zerstörten Wasserburg in Rheinsberg zum Schloss Rheinsberg (1734/1739), das seinen Weg durch Theodor Fontane (1819 bis 1898; Wanderungen durch die Mark Brandenburg) und Kurt Tucholsky (1890 bis 1935; Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte) auch in die Literatur gefunden hat. Die Forderung seines Königs nach einem repräsentativen Stadtschloss zerschlug sich sehr bald aufgrund der Schwierigkeiten bei der Beschaffung ausreichend großer

Johann Bernhard Fischer von Erlach, Schloss Schönbrunn, 1696-1699. Wien.

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Grundstücke und des Ersten Schlesischen Krieges (1740/1742). Stattdessen begannen 1741 die Arbeiten am ältesten Berliner Opernhaus, der Königlichen Hofoper, der bereits 1743 fertig gestellten heutigen Staatsoper unter den Linden. König Friedrichs II. Palastwünsche verlagerten sich nach Potsdam, wo zunächst in den Jahren zwischen 1744 und 1752 das Stadtschloss umgebaut und innen im Sinne des Rokoko ausgebaut wurde. Auch dieses Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe schwer beschädigt, in den 1950er Jahren völlig abgetragen und soll nun, vielleicht ab 2011 oder, je nach Finanzierungsmöglichkeiten, auch etwas später wieder errichtet werden. Mit dem Schlossbau noch nicht zufrieden, forderte Friedrich II. ein weiteres Schloss in Potsdam. Die Pläne dazu stammten vom König, der früher schon gemeinsam mit von Knobelsdorff Gebäude und Parkanlagen geplant hatte, höchstpersönlich, so dass von Knobelsdorff die königlichen Wünsche „nur“ noch auszuführen hatte. Die Bauzeit des an einem Hang gelegenen eingeschossigen Baus, des vom König Mein Weinberghäuschen genannten Schlosses Sanssouci (1745/1747) war so kurz, dass es bereits 1747 bezogen werden konnte. Als letztes Bauwerk von Knobelsdorffs in Berlin ist die Französische Kirche (1752/1753) mit ihrem ovalen Grundriss und der bemerkenswerten Kuppel zu erwähnen, die den aus Frankreich ausgewanderten Hugenotten gewidmet war und den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden hat. Unter der Regierung Friedrichs des Großen waren neben von Knobelsdorff besonders der Architekt des Prinz-Heinrich-Palais,

der Niederländer Johannes Boumann (1706 bis 1776), sowie Georg Christian Unger (1743 bis 1799), der die ehemalige königliche, in der Fassade an eine Rokokokommode erinnernde Bibliothek errichtet hatte, und Karl von Gontard (1731 bis 1791) beschäftigt. Gerade letzterer besaß einen stark entwickelten monumentalen Sinn und war in den Einzelheiten ein recht gelehriger Schüler des französischen Klassizismus, so dass es kein allzu großer Schritt war, als der im damaligen Landeshut, dem heutigen Kamienna Góra, geborene Carl Gotthard Langhans (1732 bis 1808) neue Folgerungen daraus zog und auf die Quelle des französischen Klassizismus zurückging, auf die römische Antike. Seine auf klassische Einfachheit gerichteten Bestrebungen gipfelten in dem 1789 begonnenen Brandenburger Tor in Berlin, der Eingangspforte zur bereits erwähnten Prachtstraße Unter den Linden. Dieses Denkmal steht am Beginn einer neuen Epoche der Kunst, die über Karl-Friedrich Schinkel (1781 bis 1841) in das 19. Jahrhundert hineinführt. Im Westen Deutschlands sind unter der großen Anzahl an Schlössern des Rokoko besonders hervorzuheben das von Nicolas de Pigage (1723 bis 1796) errichtete Schloss Benrath (1755/1773) bei Düsseldorf, das Wasserschloss Nordkirchen (1703/1734) und das als Meisterwerk Johann Conrad Schlauns (1695 bis 1773) bezeichnete Schloss Münster (1767/1787). Seine Handschrift findet sich im Westen Deutschlands an einer ganzen Reihe von Kirchen und Kapellen, an Klöstern und Schlössern wieder. Im kleinen, dicht an der Grenze zu den Niederlanden gelegenen Bedburg-Hau ist das Schloss Moyland mit seinen mächtigen, mit Zinnen besetzten Türmen vor allem deswegen bemerkenswert, weil sich hier 1740 der preußische König Friedrich der Große

und Voltaire das erste Mal trafen und weil hier das Archiv des Künstlers Joseph Beuys (1921 bis 1986) untergebracht ist. In der Nähe von Köln, im rheinischen Brühl, stehen das nach dem Kölner Kurfürsten und Erzbischof Clemens August (1700 bis 1761), der gleichzeitig auch Herzog von Westfalen sowie Bischof von Münster und Paderborn war, benannte Schloss Augustusburg (S. 145) und das Jagdschloss Falkenlust. Unter der Federführung Schlauns wurde 1725 mit Planung und Bau des Schlosses, eines Dreiflügeltyps mit Risaliten, an einer Stelle, an der bis 1689 ein im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688/1697) von französischen Truppen zerstörtes Wasserschloss gestanden hatte, begonnen. Ist der Hauptbau durch Schlaun noch als Barockbau ausgeführt, so weisen die Fassaden und die Paradezimmer den typischen Stil des frühen Rokoko auf. Hier griff auch der aus München gekommene François de Cuvilliès d. Ä. (1695 bis 1768) in das Baugeschehen ein. Das großartige Treppenhaus (1744/1748) wurde nach Plänen Johann Balthasar Neumanns (1687 bis 1753) gestaltet, es verherrlicht den Bauherrn und verklärt zugleich den geistlichen Fürsten, der das Schloss aber immer nur während einiger Wochen im Sommer bewohnte. Dieses Schloss nimmt unter den zahlreichen Rokokobauten im Rheinland einen herausragenden Platz ein.

Johann Balthasar Neumann mit Maximilian von Welsch, Lucas von Hildebrandt, Robert de Cotte und Germain Boffrand, Residenzschloss Würzburg, 1720-1744. Würzburg.

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Parallel dazu wurde im Park von François de Cuvilliès d. Ä. als ein abseits der offiziellen Pflichten, dafür war schließlich Augustusburg (S. 145) vorgesehen, dienendes Lustschloss das kleine Jagdschloss Falkenlust (1729/1740) errichtet. Vorbild hierfür war die Amalienburg im Münchner Schlosspark Nymphenburg, nur dass Falkenlust nicht wie in Bayern für die Fasanen-, sondern für die Falkenjagd vorgesehen war, die jeweils von der beiden Schlössern gemeinsamen Aussichtsplattform auf dem Dach verfolgt werden konnte. Auch hier gibt es ein bemerkenswertes Treppenhaus und eine Deckenmalerei. Sogar Giacomo Girolamo, Chevalier de Seingalt, viel besser bekannt und berühmt unter dem Namen Casanova, hat hier seine Spuren bei einem Galadiner für eine Kölner Bürgermeisterin hinterlassen. Zu beiden Schlössern gehört eine zunächst im Barockstil, im 19. Jahrhundert aber in einen englischen Landschaftspark umgeplante große Gartenanlage. Teile des Schlossparks sind heute unter Naturschutz gestellt, und beide Schlösser gehören heute zum Weltkulturerbe der UNESCO. Im Südwesten Deutschlands, in Baden-Württemberg, liegt an der Stelle eines Ende des 17. Jahrhunderts abgebrannten Schlosses das auch als „pfälzisches Versailles“ bezeichnete Schloss Schwetzingen (ab 1715), das vor allem durch die Kurfürsten Carl Philipp (1658 bis 1742) und Carl Theodor (1724 bis 1799) als deren Sommerresidenz, im Herbst und Winter lebten sie in Mannheim, zu seiner heutigen Pracht ausgebaut wurde. Berühmt sind, neben dem Schlosstheater, in dem die Schwetzinger Festspiele stattfinden, die 1752 begonnenen Parkanlagen mit dem Englischen und dem Französischen Garten. Eine absoluter Machtmensch, der diese Macht auch gern demonstrierte, war Herzog Eberhard Ludwig (1676 bis 1733) von Württemberg, der Schloss Versailles und damit den französischen Hof besucht hatte. Er war davon so beeindruckt, dass er das Schloss und den Absolutismus zur Vorlage für seinen eigenen Pläne nahm und für sich und, standesgemäß, seine langjährige Mätresse eines der größten Schlösser auf deutschem Boden errichten ließ: das nördlich von Stuttgart gelegene Schloss Ludwigsburg (S. 140). Parallel zum Schlossbau wurde unter späterer Beteiligung des italienischen Baumeisters Leopoldo Retti (1704 bis 1751) ab 1709 auch die Stadt Ludwigsburg, die bereits 1718 das Stadtrecht erhielt, geplant und gebaut. Um dies alles zu finanzieren, erhöhte der Herzog, im Gegensatz zu manch anderem Potentaten, nicht die Steuern, sondern ließ die Beteiligten eine Reihe von Jahren steuerfrei in der Nähe des Schlosses wohnen. Geplant und gebaut wurde zunächst um

einen großen Ehrenhof herum eine der damals üblichen Dreiflügelanlagen, die aber, weil seine im Corps de Logis untergebrachten eigenen Wohnräume den Repräsentationsansprüchen des Herzogs nicht genügten, später noch mehrfach erweitert werden musste, so dass heute eine Vierflügelanlage das Wahrzeichen der Stadt Ludwigsburg ist. Zum Schloss Ludwigsburg mit seinen 452 Räumen gehören noch ein Schlosstheater, zwei Kirchen und ein großartiger Park, in dem im Sommer jeweils die Ludwigsburger Schlossfestspiele und die Gartenschau Blühendes Barock stattfinden. Dem Residenzschloss gegenüber liegt das kleine Lust- und Jagdschloss Favorite (1715/1723) und, durch eine Allee mit ihm verbunden, das vom französischen Architekten Philippe de La Guêpière (1725 bis 1773) gebaute Seeschloss Monrepos (S. 146). Das Stadtbild Mannheims stellt in Deutschland eine absolute Ausnahme dar: erst im Jahr 1606 durch Kurfürst Friedrich IV. (1574 bis 1610) gegründet, ist die Stadt in durch Buchstaben und Ziffern statt mit Straßennamen bezeichnete Quadrate eingeteilt. Am südlichen Rand der Planquadrate, fast schon am Rhein, liegt neben anderen Gebäuden das aus dem 18. Jahrhundert stammende, als eine der größten geschlossenen Barockanlagen Europas einzustufende Mannheimer Schloss (1720/1760) mit der großen, funktionalen Cour d’honneur, die heute öffentlichen Veranstaltungen dient. Zu den Gebäuden aus dieser Zeit gehören auch die ehemalige Jesuitenkirche (1733/1756), deren Entwurf vom italienischen Architekten Galli da Bibiena (1686 bis 1748) stammt, und die Untere Pfarrei St. Sebastian (1706/1723). Schließlich sind noch das frühere, recht praktisch dem Schloss direkt gegenüber liegende Palais Bretzenheim (1782/1788) – hier wohnte die Mätresse des Kurfürsten mit den gemeinsamen vier Kindern – und das ehemalige Zeughaus (1777/1779) zu erwähnen. Am Oberrhein liegt die kleine Stadt Bruchsal mit der vom Reichsgrafen, Kardinal und Fürstbischof von Speyer und Konstanz, Damian Hugo von Schönborn (1676 bis 1743), dessen Portrait in einem Deckengemälde erhalten ist, in Auftrag gegebenen Residenz, dem Schloss Bruchsal (1721/um 1745). Nach seinem Willen sollte auch hier das Schloss in Versailles als Vorbild dienen. Die ungewöhnliche Gesamtanlage bestand aus fünfzig einzeln stehenden Gebäuden, die somit ein ganzes Stadtviertel bildeten und die Funktionen eines Regierungssitzes übernahmen.

Johann Friedrich Nette und Donato Giuseppe Frisoni, Schloss Ludwigsburg, 1704-1733. Ludwigsburg. Agostino Barelli und Dominique Girard, Schloss Nymphenburg, 1664-1730. München.

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Als Kardinal benötigte Hugo von Schönborn natürlich einen Kirchenflügel, der mit dem Hauptbau und dem Kammerflügel um den Ehrenhof herum angeordnet wurde. Bekannt als sehr eigenwillig, ließ er seinen Baumeistern in ihren Planungen keine freie Hand, sondern änderte, so geschehen vor allem beim Treppenhaus, immer wieder deren Pläne bis zur Undurchführbarkeit. Erst dann wurde einer der berühmtesten Baumeister jener Jahre, Johann Balthasar Neumann, eingeschaltet, der auch hier ein großartiges Treppenhaus schuf. Schloss und Stadt Bruchsal wurden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahezu völlig zerstört. Nicht weit entfernt von Bruchsal liegt die erst am Beginn des 18. Jahrhunderts auf einem Reißbrett entworfene Stadt Karlsruhe. Ihr Name geht, der Legende nach, auf den Markgrafen Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach (1679 bis 1738) zurück, der auf einem Jagdausflug völlig ermüdet unter einem Baum eingeschlafen sei und dabei von einem neuen Schloss und davon ausgehenden, sternförmig angeordneten Straßen geträumt habe. Richtig ist aber vermutlich, dass ihm als weit gereistem und auch als Soldat erfolgreichem Mann seine von französischen Truppen mehrfach geplünderte Residenz zu klein geworden war und er deswegen schon länger von einem Neubau träumte. So beauftrage er Albert Friedrich von Kesslau (um 1728 bis um 1788), der zunächst eine militärische Ausbildung absolvierte, bevor er sich der Architektur zuwandte, mit einem standesgemäßen Neubau. Von Kesslau kam zusammen mit seinem Lehrmeister, dem Franzosen Philippe de La Guêpière (1725 bis 1773), an den Hof des Markgrafen. Sie bauten das Schloss Karlsruhe nach Plänen von Balthasar Neumann als zweigeschossige Anlage mit zwei langen, an das Corps de Logis anschließenden Seitenflügeln. Bei späteren Umbauten, die teilweise ebenfalls nach Plänen Balthasar Neumanns erfolgten, wurden, neben anderen baulichen Veränderungen wie dem Neubau von zwei Pavillons, auch größere Fenster und Türen eingebaut. Im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt, wurde das Schloss wieder aufgebaut und beherbergt heute das Badische Landesmuseum und einige Abteilungen des Bundesverfassungsgerichts. Bemerkenswert ist der im Barockstil angelegte Schlossgarten, der auch schon Schauplatz einer Bundesgartenschau war.

Johann Conrad Schlaun und François de Cuvilliés, Schloss Augustusburg, 1725-1768. Brühl.

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Das wichtigste süddeutsche Zentrum war München, eine Residenzstadt, in der vom Mittelalter über die Renaissance bis zum Spätbarock alle Epochen vertreten waren. Hier hatte der baubegeisterte Kurfürst Max Emanuel, der Großmütige (1662 bis 1726), den Ehrgeiz entwickelt, ein Ludwig XIV. im Kleinformat zu werden. Der Einfluss seines früheren Aufenthalts in Paris lässt sich schon an der Inneneinrichtung des Neuen Schleißheimer Schlosses (1701/1726), der zum Schloss Nymphenburg (1664/1675) gehörenden Badenburg (1718/1722; der Überlieferung nach das erste Bauwerk Europas, das ausschließlich dem Baden diente – Wellness im 18. Jahrhundert), der von Kurfürst Max Emanuel entworfenen zweigeschossigen Pagodenburg (1716/1719) und des ebenfalls zum Schloss gehörenden Parks erkennen. Gerade die letzteren beiden Schlösser zeigen innerhalb der barock gezeichneten Umrahmungen den Grundzug des von Jean Bérain d. Ä. (1640 bis 1711) entwickelten Ornamentsstils, das verschlungene, symmetrische Bandwerk. Bereits am Beginn des zweiten Viertels des 18. Jahrhunderts wanderte der in Paris ausgebildete François de Cuvilliès d. Ä. nach München, um dort zunächst als Hofzwerg des Kurfürsten Max Emanuel zu dienen. Der erkannte aber bald Cuvilliès’ Talent und ließ ihn zunächst von Joseph Effner (1687 bis 1745), von dem die Badenund die Pagodenburg stammten, und dann in Paris an der dortigen Academie royale d’architecture zum Architekten ausbilden. Nach erfolgreichem Abschluss erhielt er 1725 in München die Anstellung zum Hofarchitekten und hat von dem Moment an die Bautätigkeiten in München und Umgebung im Sinne des französischen Rokoko unter Einbindung regionaler Einflüsse maßgeblich beeinflusst. Eine seiner ersten Arbeiten war ein Prachtbau, das eingeschossige Jagdschlösschen Amalienburg (1734/1739), ein Geschenk des in Brüssel geborenen Karl Albrecht (1697 bis 1745) an seine jagdbegeisterte Frau Amalie, einer Tochter des österreichischen Kaisers Joseph I. (1678 bis 1711). Da Karl Albrecht nicht nur Kurfürst von Bayern, sondern zugleich König und Kurfürst von Böhmen und, in seinen drei letzten Lebensjahren, auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war, konnte er sich dieses kleine Geschenk vermutlich leisten. Die Amalienburg ist eines der frühesten und zugleich schönsten Denkmäler des Rokokostils in Deutschland. Durch den Eingang gelangt man direkt in einen runden Spiegelsaal (S. 129), in dessen Spiegel sich durch die gegenüberliegenden großen Fenster die Natur spiegelt. Benachbart sind das Jagdzimmer, das Fasanenzimmer mit der anschließenden Küche

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und den dortigen Fliesen im gerade modernen asiatischen Stil sowie das Blaue Kabinett. Ganz besonders bemerkenswert sind die hervorragenden Stuckarbeiten, und hier nicht nur die über dem Eingang thronende Jagdgöttin Diana von Johann Baptist Zimmermann (1680 bis 1758), ein zu Cuvilliès kongenialer Geist.

geblieben. Ein anderes Palais, an dem zumindest Cuvilliès’ Handschrift zu erkennen ist, ist das im Stil des Spätrokokos errichtete Palais Gise (um 1760/1765), nach den ursprünglichen Besitzern auch Palais Arco genannt, in dem heute eine Abteilung des Erzbischöflichen Ordinariats untergebracht ist.

Im barocken Schloss Nymphenburg befinden sich auch die weltbekannte Porzellanmanufaktur Nymphenburg, in der seit etwa Mitte des 18. Jahrhunderts exquisites Porzellan und die filigranen Kleinplastiken hergestellt werden, und das Porzellanmuseum.

Zu den vielen Schlössern in Bayern zählt eines der weltweit meistbesuchten Schlösser: das des unglücklichen bayerischen Königs Ludwig II. (1845 bis 1886) in Auftrag gegebene Schloss Neuschwanstein, dessen Bau aber erst 1869 begonnen wurde, und das genau wie das ebenfalls berühmte, nicht weit davon entfernt liegende Schloss Hohenschwangau (1832/1837) im Rahmen dieser Abhandlung deswegen keine Rolle spielt.

Der nach dem Vorbild von Versailles angelegte Schlosspark Nymphenburg ist in seinem Ursprung ein Geschenk des Kurfürsten Ferdinand Maria, der Friedfertige (1636 bis 1679), an seine Ehefrau Henriette Adelheid von Savoyen (1636 bis 1676) anlässlich der Geburt des Thronfolgers Max Emanuel. Diesen Park, in dem sich Skulptur und Architektur aufs Schönste ergänzen, mit seinen Bauwerken und Gebäuden, mit seinen Kanälen und Wasserwegen zu beschreiben, sprengt bei weitem den Rahmen dieser Abhandlung. Er erstreckt sich westlich des Schlosses über eine Länge von mehr als 4 000 m und wird durch einen in der Mitte und über die ganze Länge verlaufenden schnurgeraden Kanal geteilt, in dessen westlicher Hälfte sich eine große Kaskade befindet. Hier in München baute Cuvilliès d. Ä. auch das dreigeschossige Palais Holnstein (1733/1737), zu dem Kurfürst Karl Albrecht den Auftrag erteilt hatte. In dessen vorderem Teil befanden sich die Repräsentationsräume, im hinteren Teil der insgesamt vierflügeligen Anlage der private Bereich. Ob auch Karl Albrecht, ähnlich wie Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, hier seine Mätresse oder doch nur seinen Sohn standesgemäß unterbringen wollte, ist umstritten. Das Palais ist heute bischöflicher Dienstsitz. Ein anderer der bedeutenden Bauten Cuvilliès’ d. Ä. in München ist als Teil der ehemaligen Münchner Residenz das nach ihm benannte Cuvilliès-Theater, das frühere Alte Residenztheater (1751/1755), das in den Jahren von 2005 bis 2008 instand gesetzt wurde und als eines der schönsten Rokokotheater überhaupt heute fast ausschließlich dem Schauspiel zur Verfügung steht. Cuvilliès d. Ä. war allerdings nicht der erste Architekt, der in München im Rokokostil baute. Das erste große Münchner Bauwerk in diesem Stil war das von Joseph Effner für den Berater und Erzieher des Kurfürsten Karl Albrecht geplante viergeschossige Palais Preysing (1723/1728). Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde es später wieder auf- und umgebaut. Vom alten Zustand sind nur die große Treppe und die Karyatiden erhalten

Ein anderes, viel wichtigeres Schloss und eines der bedeutendsten in Europa dagegen ist das nach den Plänen Balthasar Neumanns errichtete Residenzschloss Würzburg (S. 139). Mit Balthasar Neumann gemeinsam wirkten der Mainzer Baumeister Maximilian von Welsch (1671 bis 1745), der in Genua geborene, zu den großen Architekten seiner Zeit zählende Wiener Architekt Lucas von Hildebrandt (1668 bis 1745) und, um die Internationalität zu vervollständigen, die beiden Pariser Architekten Robert de Cotte und Germain Boffrand (1667 bis 1754), von dem der Entwurf für die Fassade stammt. Und es ist schon ein Zeichen seiner Genialität, dass es Neumann gelang, alle diese unterschiedlichen Charaktere mit ihren Wünschen und Vorstellungen zu einem Gesamtkonzept zu vereinigen. Für die Grundsteinlegung sorgte der 1719 zum Fürstbischof gewählte Johann Philipp Franz von Schönborn (1673 bis 1724), einer der Brüder (insgesamt waren es achtzehn Geschwister) des bereits erwähnten Hugo Damian von Schönborn. Nach seiner Wahl hatte der weit gereiste, bei der Bevölkerung recht unbeliebte Fürstbischof nichts Eiligeres zu tun, als sich eine durch kräftige Steuererhöhungen finanzierte noble Residenz bauen zu lassen, von der er allerdings so gut wie nichts gehabt hat, da er lange vor der Fertigstellung an ungeklärter Todesursache, die Vermutungen reichen vom Giftmord bis zum Kreislaufkollaps, verstarb. Sein älterer Bruder, Friedrich Carl von Schönborn (1674 bis 1746), betrieb den Bau aber weiter und ließ ihn vollenden.

Philippe de La Guêpière, Schloss Monrepos, 1768. Ludwigsburg. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Schloss Sanssouci, 1745-1747. Potsdam.

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Bei der Residenz mit ihren 300 Räumen handelt es sich um ein Mittelding zwischen einer dreiflügeligen und einer vielhöfigen Anlage. Das übergroße Treppenhaus enthält bis zum ersten Podest eine einläufige Treppe, die sich dann weiterführend in zwei parallele Treppenläufe spaltet. Zu den bemerkenswerten Räumlichkeiten zählen der Kaisersaal, der hier wie bei anderen Schlössern auf das enge geistige Verhältnis zum Kaiser hinweisen sollte, das ausschließlich der Repräsentation dienende Spiegelkabinett, der Weiße Saal, das Venezianische Zimmer und die Hofkirche. Giovanni Battista Tiepolo schuf hier in den Jahren 1750/1753 das bis 2006 restaurierte, mit etwa 670 m² weltweit größte zusammenhängende Deckenfresko, das natürlich ein Lobgesang auf den Bau- und Hausherrn war.

das so genannte Palmenzimmer, das möglicherweise auch als Versammlungsraum der Freimaurer genutzt wurde. Zum Gesamtkomplex gehört auch der Italienische Bau, der, zunächst allein stehend, später mit dem Neuen Schloss verbunden wurde.

Die bereits 1981 erfolgte Aufnahme in das Weltkulturerbe der UNESCO wurde auch damit begründet, dass die Residenz „… einen der strahlendsten Fürstenhöfe Europas repräsentiere“ und das Spiegelkabinett das „… vollkommenste Raumkunstwerk des Rokoko“ sei.

Nachdem die aus dem 14. Jahrhundert stammende Willibaldsburg durch den Dreißigjährigen Krieg stark gelitten hatte und auch nach dem Wiederaufbau nicht mehr als bischöfliche Residenz genutzt werden konnte, verlegten die Bischöfe ihren Sitz in das Stadtgebiet von Eichstätt. Dort stand in der Nähe des Doms für die Fürstbischöfe der neue, dreiflügelige Residenzbau (1700/1714). Dieses Gebäude war zunächst von dem schweizerischen Baumeister Jakob Engel (1632 bis 1714) begonnen und nach dessen Tod von Gabriel de Gabrieli, der zunächst im gesamten bayerischen Raum sehr aktiv war, ehe er als Eichstätter Hofbaudirektor die Westfassade des dortigen Doms gebaut hatte, abgeschlossen wurde. Bemerkenswert an dem Residenzbau sind insbesondere das Treppenhaus und die teilweise noch erhaltene, vom italienischen Baumeister Maurizio Pedetti (1719 bis 1799) geschaffene Innenausstattung. An ihn, der auch das Waisenhaus in Eichstätt gebaut hat, erinnern heute nicht nur die im Zentrum des Brunnens auf dem Schlossplatz stehende Mariensäule, sondern auch ein Grabstein auf dem dortigen Friedhof.

Eine kleinere Residenz ist das aus einer vorhandenen alten, gotischen Anlage heraus in den Jahren von 1705 bis 1730 umgebaute Schloss Ansbach, das heute der Aufbewahrung und Präsentation der größten Ansbacher Porzellanmanufaktur dient. Das Schloss wurde vom Schweizer Baumeister Gabriel de Gabrieli (1671 bis 1747) geplant und 1738 von Leopoldo Retti vollendet. Der gute Erhaltungszustand der Anlage ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass sie bereits 1791 vom letzten Angehörigen derer von Brandenburg-Ansbach, der vermutlich ohne die Last aufreibender Regierungsgeschäfte lieber ein beschauliches Leben mit seiner Mätresse in England führen wollte, an den preußischen Staat übergeben wurde. In Bayreuth, dem Schauplatz der jährlichen Richard-WagnerFestspiele, entstand, nachdem das Alte Schloss abgebrannt war, unter der Federführung des Architekten Joseph Saint-Pierre (um 1709 bis 1754) das Neue Schloss Bayreuth (1753/1758). An der Planung nahm die Markgräfin Wilhelmine, eine Schwester des preußischen Königs Friedrich II., lebhaften Anteil. Bemerkenswert sind der große, mit viel Goldschmuck ausgestattete Festsaal und

Nicolas de Pigage, Schloss Benrath, 1755-1770. Düsseldorf.

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Als eine weitere der Residenzen in Süddeutschland sei hier das Bischöfliche Palais Eichstätt aufgeführt. Nach eigener Aussage ist das im oberbayrischen Altmühltal gelegene, vom angelsächsischen Missionar Bonifatius (672/675 bis 754/755) im Jahr 740 gegründete Eichstätt „… die kleinste Universitätsstadt Europas“, eine, wenn man die etwa 15 000 Einwohner zugrunde legt, sicherlich berechtigte Aussage. Die Stadt beherbergt eine der Priesterausbildung dienende katholische Universität.

Die Malerei Eine Rokokomalerei, wie sie mit Boucher, Watteau und anderen von Frankreich her bekannt ist, hat es weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten gegeben. Soweit die Malerei des 18. Jahrhunderts noch eine selbstständige Bedeutung besessen hat, fußte sie weitgehend auf den Traditionen des Barocks. Die meisten Maler dieser Jahre hatten eine überwiegend regionale Bedeutung, andere waren geschickte Techniker, ahmten die älteren niederländischen Meister nach und erreichten auf diese Art gelegentlich einen europaweiten Bekanntheitsgrad. Dazu gehört der nicht nur äußerst erfolgreiche, sondern auch mit Ehren überhäufte sächsische Hofmaler Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712 bis 1774), dem

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die Begabung schon durch seine Vorfahren in die Wiege gelegt worden war. Er schuf den Wandernder Guckkasten (um 1730/1742), das wunderbare Portrait einer Dame mit Strohhut (2. Hälfte 18. Jh.) oder auch eine dunkel gehaltene Flucht nach Ägypten (1752). Die fürstlichen Auftraggeber, deren Lust am Absonderlichen recht lebendig war, sahen auch weniger auf die Eigenständigkeit der Arbeit als auf die schnelle Erledigung der erteilten Aufträge, damit also auf eine hohe Leistungsfähigkeit des Künstlers. Dies

Jacob Philipp Hackert, Sicht auf die Ruinen des antiken Theaters von Pompeï, 1793. Gouache auf Karton, 58,7 x 85 cm. Goethe-Nationalmuseum, Weimar.

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hat sich vor allem der Hamburger Balthasar Denner (1685 bis 1749) zu Nutze gemacht, der seine Spezialität in der Feinmalerei suchte. Er hat fast ausschließlich Brustbilder älterer Damen und Herren gemalt, dies aber mit einer so sorgfältigen Behandlung der Gesichter, dass jedes Härchen, jede Runzel, jedes Hautfältchen mit einer auch unter der Lupe Bestand haltenden Genauigkeit wiedergegeben ist. Zugleich bewies er aber auch einen hohen Respekt vor dem Alter, so dass sich die Gemalten durch solche Abbilder der Natur im Schimmer freundlicher Wahrheitsliebe nur geschmeichelt fühlen konnten, wie etwa in dem Portrait einer alten Frau (1720/1745). Balthasar Denner wurde durch seine Art der Malerei so beliebt, dass er als Bildnismaler sogar nach London, Kopenhagen und in andere europäische Hauptstädte berufen wurde. Auch wenn er auf eine tief gehende Charakteristik nicht allzu viel Wert legte, gehört er trotzdem zu der kleinen

Zahl der deutschen Wirklichkeitsmaler des 18. Jahrhunderts, die sich gegen die französische und italienische Malweise behaupten konnten. Aus diesem Grund müssen auch der Landschaftsmaler Johann Alexander Thiele (1685 bis 1752) und der Augsburger Tiermaler und Kupferstecher Johann Elias Ridinger (1698 bis 1767) genannt werden. Thiele hatte sein Berufsleben als Buchdrucker begonnen, sattelte dann aber um auf die Malerei und fand seinen Mäzen in einem sächsischen Minister. Er malte aber auch für andere Höfe und war so erfolgreich, dass er bereits als 28-Jähriger in Dresden zum Hofmaler ernannt wurde. Dort spezialisierte er sich auf die Landschaftsmalerei und lernte dabei auch Bernardo Bellotto, den Neffen des großen Canaletto, kennen, der sich mit seinen Stadtansichten in ganz Europa einen Namen gemacht hatte.

Bellotto hat diese Bekanntschaft übrigens in seinem Bild Thiele mit Canaletto und Dietrich (letzterer war ein Schüler Thieles) festgehalten. Zu Thieles Veduten gehört auch eine aus den 1730er Jahren stammende Ansicht Leipzig, Ansicht von Lindenau aus. Ridinger dagegen, der überwiegend in Augsburg und Regensburg wirkte und es in Augsburg schließlich bis zum Direktor der Kunstakademie gebracht hat, beschäftigte sich neben seiner Tätigkeit als Kunsthändler und Verleger überwiegend mit der Jagd- und

Johann Conrad Seekatz, Die Verstoßung der Hagar, 1760-1765. Öl auf Leinwand, 37,5 x 50,5 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Tiermalerei. Von ihm sind in seiner pedantisch genau gezeichneten Art etwa 1600 Blätter überliefert. Zu seinen Gemälden gehört eine in sehr braunen Tönen gemalte Hirschjagd (1740/1760). Der fruchtbarste dieser Realisten ist der Danziger Maler, Radierer und Zeichner Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726 bis 1801) gewesen, der 1743 als Handlungsgehilfe von Gdañsk (Danzig) nach Berlin kam, dort Karriere machte und als Akademiedirektor gestorben ist. Er war der unbefangenste Sittenmaler seiner Zeit. Wenn er zeichnete, radierte oder in Kupfer stach, war ihm die genaue Wiedergabe der Wirklichkeit oberstes Gebot. Nur in seinen Ölgemälden gab er der herrschenden Kunstströmung nach. Seine gemalten Sittenbilder, Szenen aus der Berliner Gesellschaft, sind ein schwaches Echo Watteau’scher Kunst, und seine gemalten Bildnisse, insbesondere seine Miniaturen, stehen gleichfalls unter französischem Einfluss. Dagegen bilden Chodowieckis Kupferstiche und Zeichnungen einen einzigartigen Schatz, ohne den vom Leben im Zeitalter König Friedrichs II., des Großen, nur eine sehr unvollkommene Vorstellung herrschen würde. Es ist ein durchaus kleinbürgerliches Leben, das den Idealen, die sich die Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts von der Zeit des großen Königs und der ersten Blütezeit der klassischen Literatur in Deutschland gemacht haben, keineswegs entspricht. Chodowiecki war ein leidenschaftlicher Bewunderer der 1757er Siege des großen Königs bei Rossbach und Leuthen im Siebenjährigen Krieg (1756/1763). Sicherlich hat er sich sehr anstrengen müssen, um die Mimik des vorüberreitenden Königs festzuhalten, oder wenn er Momente in dessen Kriegsleben oder in der späteren Zeit von Friedrichs Nachfolger, dem damals umgangssprachlich als Der dicke Liederjan bekannten König Friedrich Wilhelm II. (1744 bis 1797), bei Manövern oder Paraden mit raschem Stift skizzieren wollte. Und doch sind diese Stiche und Radierungen, die zu Chodowieckis Zeiten in Massen gekauft wurden, geradezu kleinlich, bisweilen sogar komisch. Bei der Wahrheitsliebe des Künstlers ist aber anzunehmen, dass er seine Helden nicht etwa aus Bosheit oder künstlerischem Unvermögen gemindert hat, sondern dass seine Darstellungen durchaus der Wirklichkeit entsprochen haben. Diese und andere Bilder aus der Zeitgeschichte, etwa sein Bild Die Wochenstube (um 1770) erfreuten sich einer ebenso großen Volkstümlichkeit wie seine noch viel zahlreicheren Stiche und Radierungen für die damals recht beliebten Almanache. Chodowiecki arbeitete aber auch für Kalender und Taschenbücher und stach in Kupfer Illustrationen zu Werken der Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715 bis 1769), Johann Wolfgang von Goethe

(1749 bis 1832), Gotthold Ephraim Lessing (1729 bis 1781), William Shakespeare (1564 bis 1616) und einigen anderen mehr. Man feierte ihn damals zu Recht als den ersten „Illustrator der Klassiker“, und wie peinlich genau und gewissenhaft er in der Wiedergabe war, hat er in seinen geistreichen und lebendig hingeworfenen Skizzen bewiesen. Dies u. a. in dem nur aus Zeichnungen bestehenden Tagebuch – einem der kostbarsten Dokumente zur deutschen und polnischen Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts – einer Reise zu Verwandten in das damalige Danzig, das auch die geringfügigsten Ereignisse, oft mit feinem Humor, aber immer mit großem malerischem Empfinden schildert. Wunderbar nachzuvollziehen ist dies in seinem Gemälde Chodowiecki malt seine Mutter. In dieser Hinsicht war Chodowiecki der Vorläufer der großen Realisten des 19. Jahrhunderts. Zu den in Süddeutschland bekannten Malern gehören Ignaz Baldauf (1715 bis 1795), der überwiegend in Klosterkirchen gearbeitet hat, dessen bedeutendstes Werk die Deckengemälde in der Wallfahrtskirche St. Leonhard im schwäbischen Inchenhofen waren, und auch der Freskenmaler Johann Evangelist Holzer (1709 bis 1740), der 1737 zum fürstbischöflich-eichstättischen Hofmaler ernannt wurde und von dem die Kuppelfresken der Wallfahrtskirche St. Anton in Partenkirchen stammen. Ein anderer aus dieser Reihe ist Johann Christian Thomas Wink (1738 bis 1797), ein Maler des späten Rokoko, der zum Münchner Hofmaler ernannt wurde und nicht nur viele Kirchen, sondern in Schloss Schleißheim auch den Speisesaal ausgemalt hat. Sein Lehrer war Matthäus Günther (1705 bis 1788), der als Leiter der Kunstakademie in Augsburg und als Freskenmaler – ihm werden etwa 70 Fresken zugerechnet – überwiegend in Bayern tätig war. Diese beiden, Wink und Günther, zählen zu den wichtigsten Malern des Rokoko in Deutschland. Zu erwähnen sind aber auch noch, ohne dass die Aufzählung damit einen Anspruch auf Vollzähligkeit erheben könnte, Johann Christian Wentzinger (1710 bis 1797), der als Maler, Bildhauer und Architekt im Südwesten Deutschlands tätig war und die Stiftskirche in St. Gallen ausgemalt hat, und der auch ‘Kremser Schmidt’ genannte Martin Johann Schmidt (1718 bis 1801), einer der großen österreichischen Maler. Er begann zwar als Historienmaler, wandte sich aber später

Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Ansicht von Schloss Rheinsberg, 1737. Öl auf Leinwand, 82 x 163 cm. Schloss Charlottenburg, Berlin.

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den Andachts- und Altarbildern zu und arbeitete fast ausschließlich in seiner heimatlichen Umgebung westlich von Wien.

Die Bildhauerei Frankreich kam im 18. Jahrhundert in den bildenden Künsten eine führende Rolle zu. Mit dem Tod des Sonnenkönigs und dem Ende des Absolutismus zeichnete sich aber eine Änderung im Geschmack der französischen Gönner ab, die jetzt nach einem weniger grandiosen Stil verlangten. Dies war auch für die Bildhauerei die Geburt des Rokoko, einer für Innendekorationen ideal geeigneten leichten, spielerischen Abwandlung des Barock. Bei dem Baumeister Germain Boffrand (1667 bis 1754), der 1724 auch an der Residenz in Würzburg mitgearbeitet hatte, gestaltete im Salon de la Princesse (S. 33) im Hôtel de Soubise in Paris ein ganzes Team von Künstlern das Dekor in Übereinstimmung mit diesem neuen Gefühl für verspielte Asymmetrien aus Blumen, Früchten, Girlanden und Rocaillen, die feiner und weniger üppig wirken als die Stilelemente des Barock. Ein solcher Mittelpunkt für die Kunst, wie es Paris für Frankreich war, fehlte in Deutschland, wo überdies gerade in dieser Zeit widrige und ungünstige allgemeine Verhältnisse herrschten. Die deutsche Bildnerei, die noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts in so erfreulicher Blüte stand, war am Ende desselben Jahrhunderts bereits verkümmert. Die Deutschen vermochten sich nicht so rasch den veränderten Anforderungen, die man an die Kunst stellte, anzupassen. Gewohnt, in ihren Werken den Ausdruck tieferer Empfindung oder einer gewissen religiösen Stimmung zu geben, wurde es ihnen schwer, sich in die auf Pracht und Äußerlichkeit zielende verweltlichte Kunstweise hineinzufinden, und so mussten sie zusehen, wie Italiener und Niederländer berufen wurden, um die ohnehin spärlichen Aufträge auszuführen.

Paul Troger, Der heilige Sebastian und die Frauen, um 1746. Öl auf Leinwand, 60 x 37 cm. Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Christian Wilhelm Ernst Dietrich, Grablegung Christi, 1759. Öl auf Holz, 35 x 28 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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In diesen Jahren war die Gründung von Porzellanfabriken fast zu einem höfischen Sport geworden. Bereits 1718 entstand in Wien eine Porzellanmanufaktur, der 1740 eine in Höchst und 1750 in Berlin und Fürstenberg weitere folgten, dann entstanden schnell hintereinander u. a. die Fakturen in Baden, Frankenthal und in Nymphenburg, die mit ihren jeweiligen Spezialitäten der Manufaktur in Meißen den Rang streitig machten. Besonders berühmt wurden die filigranen Kleinplastiken aus Meißen und aus der Nymphenburger Porzellanmanufaktur. Künstler wie Balthasar Permoser und Johann Melchior Dinglinger (1664 bis 1731) fertigten Stücke für die Schatzkammer des sächsischen Kurfürsten August den Starken an.

Diese Kleinplastiken in Porzellan waren so ziemlich das einzige Gebiet, auf dem sich die Bildnerei in Deutschland als zukunftsträchtig erwies. Die Bildhauer verzettelten sich sonst oft genug in Arbeiten dekorativen Charakters, wie sie für Gebäude und Parkanlagen gebraucht wurden. Deshalb behauptete sich die Bildhauerei am besten noch an den Plätzen, an denen viel gebaut wurde. Der preußische Bildhauer Johann Gottfried Schadow (1764 bis 1850) war der Sohn eines armen Schneiders. Sein erster Lehrmeister war der nicht sonderlich begabte Bildhauer am Hof Friedrichs des Großen, Johann Peter Anton Tassaert (1729 bis 1788), der Schadow gern mit seiner Tochter verkuppelt hätte, doch Schadow setzte sich mit einem anderen Mädchen nach Wien ab, dessen Vater diesen Affront nicht nur guthieß, sondern ihm sogar Geld für eine Italienreise zusteckte. Der drei Jahre währende Aufenthalt in Rom hinterließ in Schadows Stil deutliche Spuren. Im Jahr 1788 kehrte Schadow nach Berlin zurück und übernahm die Nachfolge von Tassaert als Bildhauer des Hofes und Sekretär der Akademie. Tassaerts Büsten und Statuen, etwa die der Generäle Seidlitz (1721 bis 1773) und James Keith (1696 bis 1758), weisen ihn als Erben des niederländischen Realismus aus. Er war erst längere Zeit in Paris tätig, bevor ihn Friedrich der Große als Akademiedirektor nach Berlin berief. In seiner fünfzig Jahre umfassenden Karriere schuf er mehr als zweihundert Werke, die im Stil so unterschiedlich sind wie in den Themen. Schadows erstes größeres Werk war das Grabmal (1790) des als Kind verstorbenen – gelegentlich wird die Vermutung geäußert, er sei vergiftet worden – Alexander von der Mark (1779 bis 1787) in der Dorotheenkirche zu Berlin, eine noch im Geiste der Rokokozeit gehaltene allegorische Komposition, deren Einzelheiten bereits sein Naturgefühl zeigen. Dieser Alexander war ein natürlicher Sohn des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. und seiner Mätresse, der Gräfin Wilhelmine von Lichtenau (1753 bis 1820), die das Portrait Wilhelmine Enke, spätere von Lichtenbusch (1776) der Malerin Anna Dorothea Therbusch (1721 bis 1782) – sie war die Portraitmalerin Friedrichs des Großen – festgehalten hat. Später näherte sich Schadow immer mehr dem Klassizismus und schuf Standbilder von Friedrich dem Großen in Stettin, von dem auch „General Vorwärts“ genannten Generalfeldmarschall von Blücher (1742 bis 1819) in Rostock und von Martin Luther (1483 bis 1546) in Wittenberg. Unter seinen Portraitstatuen sind Darstellungen von Friedrich dem Großen beim Flötenspiel

und das Doppelportrait der Kronprinzessinnen Louise und ihrer Schwester. Seine Büsten, über einhundert an der Zahl, schließen auch siebzehn kolossale Köpfe in der Walhalla bei Regensburg ein; nach originalen Abmessungen modellierte er Büsten der Dichter Johann Wolfgang von Goethe (der wegen dieses Ansinnens entsetzt war) und Christoph Martin Wieland (1733 bis 1813) sowie des Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762 bis 1814). Auch kirchliche Monumente und Denkmäler gehören zu seinem Werk. Schadows Quadriga (1793) auf dem Brandenburger Tor und das allegorische Fries an der Fassade der königlichen Münzstätte in Berlin zählen zu den schönsten Studien nach dem Vorbild der Antike. Als Direktor der Berliner Akademie übte Schadow einen starken Einfluss aus, obwohl er nach und nach von den Romantikern in den Hintergrund gedrängt wurde. Er schrieb eine ganze Reihe von Abhandlungen, etwa über die Proportionen der menschlichen Figur, über die nationale Physiognomie und ähnliche Themen. Außerdem schuf er Karikaturen, Lithographien und Radierungen. Franz Xaver Messerschmidt (1736 bis 1783) war ein weiterer herausragender Künstler des Spätbarock und des frühen Klassizismus. Was ihn von den zahlreichen anderen begabten süddeutschen Bildhauern um die Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts unterscheidet, hat vermutlich mit seiner in den 1770er Jahren einsetzenden psychischen Erkrankung zu tun: Ab dieser Zeit entstanden zahlreiche, meist als Selbstportraits gestaltete Büsten und Charakterköpfe (S. 162-163), die teilweise fast wie Karikaturen wirken. Messerschmidt erhielt, bevor er 1746 eine Lehre bei dem spätbarocken Bildhauer Johann Baptist Straub (1704 bis 1784) in München begann, seine erste Ausbildung von zwei Onkeln. Im Jahr 1755 schließlich kam er an die Akademie in Wien, das für die nächsten zwanzig Jahre seine Wahlheimat werden sollte. Von Kaiserin Maria Theresia (1717 bis 1780), die ihn praktisch zu ihrem Hofbildhauer ernannte, und ihrem Gatten Franz I. von Lothringen (1708 bis 1765) fertigte er prachtvolle überlebensgroße Statuen, die als typische Beispiele für Messerschmidts lebhaften späten Barockstil gelten können.

Anton von Maron, Weibliches Bildnis (Detail). Öl auf Leinwand, 94,4 x 73,7 cm. Eremitage, Sankt Petersburg.

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Nach seinem Aufenthalt in Rom begann sich bei ihm der klassizistische Stil herauszubilden. Dies zeigt sich in den glatten Oberflächen und der stärkeren Modellierung. Ende der 1760er Jahre befand sich Messerschmidt auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Er war Mitglied der Wiener Akademie, an der er auch bis Anfang der 1770er Jahre lehrte. Messerschmidt kehrte zunächst an seinen Heimatort Weissenberg zurück und zog schließlich nach Pressburg, dem heutigen Bratislava. Dort wirkte bereits sein Bruder als Bildhauer. Hier schuf er seine außerordentliche Serie von rund siebzig Büsten, die er selbst als Köpfe oder Kopfstücke bezeichnete und die das menschliche Antlitz in allen möglichen Zuständen und Verzerrungen zeigen, teilweise als groteske Grimassen. Zum Teil waren sie wohl von den Studien des Arztes Franz Anton Mesmer (1734 bis 1815), der die Lehre vom animalischen Magnetismus formulierte, zur Physiognomie beeinflusst, doch entspringen sie im Wesentlichen seinen eigenen Wahnvorstellungen. Man sagt, Messerschmidt habe geglaubt, mit diesen Köpfen die Dämonen von sich fern halten zu können. Der äußerst vielseitig begabte Egid Quirin Asam (1692 bis 1750) betätigte sich erfolgreich als Architekt, Bildhauer, Stuckateur und gelegentlich als Maler. Er gehörte zur Familie Asam, der einige der schönsten Meisterwerke des süddeutschen Barock zu verdanken sind. Begründet durch Hans Georg Asam (1649 bis 1741), einem Klostermaler von Benediktbeuren, schloss diese Künstlerdynastie Asams Frau Maria Theresia, deren Söhne Cosmas Damian (neben seiner Tätigkeit als Architekt hauptsächlich als Maler tätig) sowie Egid Quirin und seine Tochter Maria Salome ein. Man vermutet, dass er seinen Bruder Cosmas Damian in der Zeit zwischen 1711 bis 1713 nach Rom begleitete. Dort gerieten die beiden Brüder unter den Einfluss des römischen Barockstils; besonders die bei Bernini zu beobachtende Verschmelzung von Skulptur, Malerei und Architektur, die auch ihrem künstlerischen Anliegen entsprach.

Johann Gottfried Schadow, Die Kronprinzessinnen Luise und Friederike von Preußen, 1796-1797. Marmor, 95 x 172 x 59 cm. Alte Nationalgalerie, Berlin. Johann Gottfried Schadow, Bacchus beruhigt Ariane, 1793. Marmor. Hamburger Kunsthalle, Hamburg.

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Egid Quirins persönliche Meisterschaft kommt in der Klosterkirche von Rohr (S. 164) zur Geltung, wo seine theatralische, überlebensgroße Figurengruppe der Verkündigungsszene die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das erste große Meisterwerk aller Geschwister Asam aber war die Klosterkirche in Weltenburg (1721). Hier gelang es den Brüdern, die Idee des barocken Gesamtkunstwerks aufs Schönste zu realisieren, also Architektur, räumliche Gestaltung, Skulptur, Malerei und Lichtführung zu

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verbinden, weshalb es ausgesprochen schwer fällt, die einzelnen Beiträge der Asams auseinander zu halten. Ein letztes Meisterwerk war die Kirche St. Johann Nepomuk (bekannt als die Asamkirche) in München (S. 131), geschaffen zwischen 1729 und 1746 von Egid Quirin (anfänglich mit der

Franz Xaver Messerschmidt, Charakterköpfe (Ein Erzbösewicht), 1770. Zinn-Blei-Legierung, H.: 38,5 cm. Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Franz Xaver Messerschmidt, Charakterköpfe (Ein Erhängter), 1770. Gipsalabaster, H.: 38 cm. Österreichische Galerie Belvedere, Wien.

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Hilfe seines Bruders). Die Inspiration bezog Egid von Borrominis Kirche von S. Carlo alle Quattre Fontane in Rom ein, deren plastisch modellierte Barockarchitektur er wunderbar zu nutzen verstand. Aus Gent war Pieter van Verschaffelt (1710 bis 1793) nach Mannheim gekommen und schuf dort für die Jesuitenkirche und für den Schlosspark in Schwetzingen bemerkenswerte Werke. Ein Bildhauer ähnlicher Richtung war Johann Gottfried Knöffler (1715 bis 1779) in Dresden, wo er 1764 eine Professur an der Kunstakademie erhalten hatte. Trotz der schrecklichen Bombennächte im Februar 1945 sind in Dresden noch einige seiner Werke zu bewundern: etwa der Delphinbrunnen (um 1747) auf der Brühl’schen Terrasse oder der Delphische Apoll (um 1740/1750) im Palais des Großen Gartens.

Österreich und Tschechien

der Augustinergruft schuf und der überwiegend für Schloss und Park Schönbrunn tätige Friedrich Wilhelm Baier (1729 bis 1797).

Aus der Wiener Bildnerschule ging Georg Raffael Donner (1693 bis 1741) hervor. Seine wichtigste Arbeit war der Brunnen auf dem Neumarkt (1739; der ‘Donnerbrunnen’) mit den am Beckenrand angebrachten Gestalten der vier wichtigsten Flüsse des Erzherzogtums. In der Mitte des Brunnens thront die Providentia, die Klugheit, als allegorisches Sinnbild für die Wasserversorgung der Stadt. Ähnlich sind der Wandbrunnen im Alten Rathaus mit der Befreiung Andromedas (1739) und der Sakristeibrunnen in St. Stephan (1741) sowie die Altarreliefs in einer Kapelle der Martinskirche in Bratislava.

Franz Xaver Messerschmidt, Charakterköpfe (Der Schnabelkopf), 1770. Gipsalabaster, H.: 41 cm. Österreichische Galerie Belvedere, Wien.

Andere Bildhauer dieser Jahre waren Nikolaus Balthasar Moll (1709 bis 1785), der die Prachtsärge der kaiserlichen Familie in

Franz Xaver Messerschmidt, Charakterköpfe (Zweiter Schnabelkopf), 1770. Gipsalabaster, H.: 43 cm. Österreichische Galerie Belvedere, Wien.

Eine nennenswerte Ausnahme von den Kirchenbauten mit Zwiebeltürmen bildet die von dem als Johann Bernhard Fischer geboren Architekten Fischer von Erlach (1656 bis 1723), der

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später geadelt wurde und an seinen Namen das ‘von Erlach’ anhängen durfte, in Wien gebaute Karlskirche (1716/1737). Sein Mischstil aus Barock und französischer Klassik führte zu einem ovalen Zentralbau mit einer vorgesetzten breiten Fassade. Weitere dieser Zeit zuzurechnende Bauten sind in Wien die schönsten Teile der Hofkanzlei, die Hofbibliothek (S. 132) und das Palais Trautson (1710/1712). Hier in Wien war neben der Familie Dientzenhofer auch der in Italien ausgebildete Architekt Lukas Hildebrand (1668 bis 1745) erfolgreich tätig. Von ihm stammen die Pläne für das Palais des Prinz Eugen von Savoyen, das so genannte Belvedere (1696/1697). Mit den Wiener Bauwerken der beiden Kaiser Leopold I. (1640 bis 1705) und Karl VI. (1685 bis 1740) konkurrierte in Prag eine ganze Reihe von Barockbauten. Hier hat Fischer von Erlach das Clam-Gallas Palais (ab 1713) gebaut, und die Architekten Christoph Dientzenhofer (1655 bis 1722) und Kilian Ignaz Dientzenhofer (1689 bis 1751) haben auf der Prager Kleinseite neben anderen Bauwerken auch die Kirche St. Nikolaus (1703/1711 und 1737/1753) ausgeführt. Ein anderer wichtiger Baumeister jener Jahre ist der Italiener Anselmo Lurago (1701 bis 1765), der nach Kilian Ignaz Dientzenhofers Plänen das schon klassizistisch angehauchte Palais Goltz-Kinsky (1755/1765) schuf. Bei den Malern zählt Franz Anton Maulbertsch (1724 bis 1796) – ein Vorbild für, wie er selbst sagte, Oskar Kokoschka (1886 bis 1980) – zur Spitzengruppe. Nachdem er 1750/1751 im Schloss Kirchstetten die Deckenmalerei im Festsaal abgeschlossen hatte, schuf er das Kuppelfresko in der Wiener Kirche Maria Treu (1752). Von ihm stammen außerdem Der Apostel Philippus tauft einen Eunuchen (um 1750) und ein Sieg des Hl. Jacobus von Compostela (1762/1764). Ebenfalls zu dieser Gruppe gehört zweifellos Johann Georg Platzer (1704 bis 1761), der seinen ersten Unterricht von seinem Stiefvater und einem Onkel erhielt, bevor er an der Akademie der schönen Künste in Wien studierte. Er schuf neben vielem anderen auch eine fröhliche Allegorie der vier Jahreszeiten (um 1750) und ein vielleicht nicht ganz so fröhliches Orientalisches Fest (um 1750). Ansonsten hielt er sich vor allem an biblische und mythologische Themen. Als Dritter der wichtigen österreichischen Maler dieser Jahre ist der aus Tirol stammende Paul Troger (1698 bis 1762) anzusehen, der sich ebenfalls biblischen Themen widmete und einen Heiligen Sebastian und die Frauen (S. 156) und einen überlebensgroßen Christus am Ölberg (um 1750) schuf.

Egid Quirin Asam und Cosmas Damian Asam, Verkündigungsszene in der Klosterkirche von Rohr, 1722-1723. Marmor, Stuck und Vergoldungen. Kirche Mariä Himmelfahrt, Rohr. Balthasar Permoser, Mohr mit Smaragdstufe, 1724. Birnbaumholz, lackiert, Silber, vergoldet, große Smaragdstufe, Smaragde, Rubine, Saphire, Topase, Granaten, Almandin, Schildpatt, H.: 63,8 cm. Staatliche Kunstsammlungen, Dresden.

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IV. Das Jahrhundert in England ngland hatte im Wechsel der Zeiten seine isolierte kunstgeschichtliche Stellung behauptet und dem romanisch-katholischen Barockgeist keinen Einlass gewährt. Umso stolzer war aber die Architektur, die sich immer noch streng an Andrea Palladio anlehnte und bis zu Jaques-Germain Soufflots (1713 bis 1780) Panthéon in Paris oder zu Carl von Gontards Türme am Gendarmenmarkt in Berlin ausstrahlte. Eine eigene Malerei und Bildhauerei besaß England bis weit in das 18. Jahrhundert hinein nicht. Vor allem Niederländer, aber auch Deutsche und Italiener bestritten traditionell den Bedarf an Werken der bildenden Kunst.

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Die Architektur Einer der großen Architekten Englands war Christopher Wren (1632 bis 1723), der bis 1667 eine Professur der Astronomie innehatte, sich dann der Architektur zuwandte und von 1669 bis 1718 königlicher Hofarchitekt war. Er begann 1675 mit dem Bau der St. Pauls Cathedral (1675/1703), dem bedeutendsten Baudenkmals Englands seit der Glanzzeit der Königin Elizabeth I., der ‘jungfräulichen Königin’ (1533 bis 1603). Die planerischen Vorbereitungen zu diesem Bau hatte Wren schon in Frankreich begonnen. Genau wie die Franzosen zu dieser Zeit, suchte auch er klassizistische Strenge mit der monumentalen Wucht des Barocks zu verbinden, und das ist ihm offensichtlich mit dieser Kathedrale, neben der Peterskirche in Rom das größte Gotteshaus der Christenheit, vortrefflich gelungen. Da die Fertigstellung der Kathedrale in die Regierungszeit der Nachfolgerin Wilhelms III., der als Wilhelm II. (1650 bis 1702) auch König von England und Schottland war, der Königin Anna (1665 bis 1714) fiel, hat man diese noch mit nationalen Elementen durchsetzte Richtung des englischen Barockstils den Königin-Anna-Stil genannt. Neben Wren, dem nach dem verheerenden Brand Londons (1666) eine umfassende Bautätigkeit, davon allein 51 Kirchen, von denen immerhin 15 erhalten geblieben sind, und von anderen öffentlichen

Sir John Vanbrugh, Blenheim Palace, 1705-1722. Woodstock. Sir Christopher Wren, Hampton Court Palace (Süd- und Ostflügel), 1689. Surrey.

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Gebäuden zufiel, kam noch John Vanbrugh (1666 bis 1726) zur Geltung, der sich insbesondere auf dem Gebiet der Errichtung von Schlössern (seine Hauptarbeit war das Schloss Blenheim) profilierte. Obwohl sich die tief im englischen Gefühl wurzelnde Gotik gelegentlich gegen die Herrschaft des Klassizismus auflehnte, behauptete der sich doch noch während des gesamten 18. Jahrhunderts. Dafür waren vor allem drei Architekten verantwortlich. Zum einen der in der römischen Schule ausgebildete William Kent (1685 bis 1748), der durch seine Schlossbauten und durch seine Parkanlagen, mit denen er den ‘englischen Stil’ begründete, einen großen Einfluss auf den Geschmack der Zeit ausgeübt hat. Zum anderen durch den Erbauer von Somerset House, William Chambers (1726 bis 1796), der nach weiten Reisen bis in das ferne China und in den Orient seine dort erworbenen Kenntnisse der englischen Architektur und Gartenbaukunst zur Verfügung stellte. Der Dritte in dieser Reihe ist George Dance d. J. (1741 bis 1825), der neben einigen anderen großen Bauwerken in London nicht nur das Newgate Prison (1769/1778) oder die Council Chamber der Guildhall (1777) gebaut hat, sondern auch für die Planung und Ausführung des Mansion House (1739/1752) verantwortlich war. Gegen Ende dieses Jahrhunderts, als in Deutschland und Frankreich eine Erneuerung der Baukunst durch einen entschiedenen Rückgriff auf die Antike angestrebt wurde, triumphierte in England die Romantik über den Klassizismus. Die nationale Gotik blieb bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bestimmend.

Die Malerei

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Thomas Gainsborough, Mrs. Richard Brinsley Sheridan, 1785-1787. Öl auf Leinwand, 220 x 154 cm. National Gallery of Art, Washington.

In der englischen Malerei hatte sich schon länger eine von kontinentalen Strömungen unabhängige Richtung entwickelt, nachdem sie bis immerhin 1725 völlig von eingewanderten Künstlern abhängig war. William Hogarth (1697 bis 1764) war der erste Maler und Kupferstecher, der sich, nach einer Lehre bei einem Silbergraveur, seine Motive im englischen Volk suchte. Das Malen und Zeichnen lernte er in der privaten Akademie von James Thornhill (1676 bis 1734). Dies wiederum war der erste englische Maler, der es durch seine dekorativen Malereien, meistens Fresken in Kirchen, Palästen und Hospitälern zu hohen Ehren und sogar zu Reichtum gebracht hatte.

William Hogarth, Das Krabbenmädchen, um 1740-1745. Öl auf Leinwand, 63,5 x 52,5 cm. The National Gallery, London.

Thornhills Kunst hatte aber keinen nationalen Charakter, er war einer der vielen Nachahmer von Rubens und der französischen

Allan Ramsay, Die Frau des Künstlers: Margaret Lindsay of Evelick, um 1758-1760. Öl auf Leinwand, 74,3 x 61,9 cm. National Gallery of Scotland, Edinburgh. Joshua Reynolds, Die Gräfin Spencer und ihre Tochter Giorgiana, 1759-1761. Öl auf Leinwand, 115 x 122 cm. Sammlung von Earl Spencer, Althorp.

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Thomas Lawrence, Portrait des Meister Ainslie, 1794. Öl auf Leinwand, 91,5 x 71,4 cm. Fundación Lázaro Galdiano, Madrid. Joshua Reynolds, Portrait von Miss Bowles und ihrem Hund, 1775-1776. Öl auf Leinwand, 91 x 71 cm. The Wallace Collection, London.

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Barockmaler, während Hogarth sich unmittelbar der Natur zuwandte. Mehr als der klassische Stil interessierte ihn das Leben um ihn herum, das Leben auf der Straße und in den Pubs, das er oft genug von der heiteren Seite auffasste. Sein Humor hatte schon frühzeitig einen ausgeprägten Hang zur Satire. Er übertrieb das Lächerliche und kam damit auf die Karikatur. Und je mehr er sich auf das wüste Treiben in den Kneipen des Volkes und den „Lasterhöhlen“ der Reichen vertiefte, desto mehr gefiel er sich in der Rolle des Moralpredigers, der aber nicht lachend die Wahrheit sagte, sondern Strafpredigten hielt und alle Laster und Torheiten seiner Zeit mit Geißelhieben zu treffen suchte. Im Eifer des Besserns und des Moralisierens ging er oft so weit, dass der Künstler neben dem Moralprediger zu kurz kam. Die meisten seiner humoristischen und satirischen Sittenschilderungen hat Hogarth in Kupfer geätzt oder gestochen, einige wenige aber auch in Öl gemalt, von denen jedoch kaum welche erhalten geblieben sind. Aber unter ihnen ist sein satirisches Hauptwerk, eine Reihe von sechs Kompositionen, die eine Mariage à la mode (S. 174-175), bei der nicht Zuneigung, sondern Geld- und Standesinteressen ein recht ungleiches Paar zusammengebracht haben, über eine kleine Katastrophe bis hin zu Verbrechen und Kerker schildern. Mit diesen und anderen durch Kupferstiche vervielfältigten Bilderreihen, von denen Der Lebensweg eines Wüstlings (1732/1735) die schönsten sind, hat Hogarth noch größeren Ruhm erzielt als mit seinen Einzelblättern, die auch politische Vorgänge aufs Korn nahmen und an den Machthabern oft drastische Kritik übten. Dadurch wurde er zum Vorläufer der politischen Karikatur, die nur in einem freien Land, wie es England durch das parlamentarische, von den Launen schwacher, debiler oder lasterhafter Herrscher unabhängig gewordene Regierungssystem war, aufkommen und reüssieren kann. Mit diesem Ruhm allein war Hogarth aber nicht zufrieden. Er hatte den Ehrgeiz, historische und religiöse Bilder malen zu wollen und hat damit, sicherlich ganz gegen seinen Willen, seine Mitbürger und die Nachwelt ebenfalls zum Lachen gebracht, und nicht besser erging es ihm, als er sich als Lehrer seines Volkes in der Ästhetik aufspielen wollte. Seine Meinungen über die Kunst und das Wesen des Schönen hat er in seinem Buch Analyse der Schönheit zum Besten gegeben, freilich zur Erbauung seiner Zeitgenossen, die an der fixen Idee seines Lebens, der von ihm erdachten Schönheitslinie, einer Schlangen- oder Wellenlinie, nichts Arges fanden.

Thomas Gainsborough, Knabe in Blau, 1770. Öl auf Leinwand, 123,8 x 179,4 cm. The Huntington Library, San Marino (Kalifornien). William Hogarth, Portrait des Schauspielers David Garrick und seiner Frau, 1757. Öl auf Leinwand, 132,6 x 104,2 cm. Royal Collection, Windsor Castle, Windsor.

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William Hogarth, Mariage à la mode: Der Ehevertrag, um 1743. Öl auf Leinwand, 69,9 x 90,8 cm. The National Gallery, London.

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Das künstlerisch Reifste hat Hogarth jedenfalls als Bildnismaler geschaffen, auch wenn ihn dabei seine Neigung zu übertriebener Charakteristik selten verließ. Wer so hervorragende Werke zu schaffen vermochte wie Das Krabbenmädchen (S. 169) oder das Portrait des Schauspielers David Garrick und seiner Frau (S. 173), der darf zweifellos zu den großen Malern gezählt werden. Als Bildnismaler hat auch der zweite unter den englischen Großmeistern des 18. Jahrhunderts, Joshua Reynolds, seinen dauernden Ruhm begründet, obwohl er eigentlich auch mehr nach den Lorbeeren des Historienmalers strebte. Er kann sich aber weder an Kraft nationaler Eigenart noch an Ursprünglichkeit des Genies mit Hogarth messen. Die suchende Überlegung war bei Reynolds stärker als sein natürliches Temperament, und so fand er sich erst nach einem Aufenthalt in Italien (1749 bis 1752), wo er alle großen Meister studierte, so richtig zurecht. Wie er später als erster Präsident der von ihm mitbegründeten Königlichen Akademie der Künste in seinen akademischen Reden immer Raffael und Michelangelo als die größten Vorbilder empfahl, so hat er selbst diese Regel außer Acht gelassen. Auf die Zeichnung und die plastische Modellierung legte er viel weniger Wert als auf die malerische Erscheinung, und um diese möglichst anziehend zu gestalten, verband er Tizian mit Correggio (1489 bis 1534) und van Dyck (1599 bis 1641) mit Rembrandt (1606 bis 1669). Damit wird begreiflich, dass er dadurch den grenzenlosen Beifall seiner Landsleute fand und ihm nun Portraitaufträge zuströmten wie keinem seiner Vorgänger. Von den 2000 Bildern, die er gemalt haben soll, waren über die Hälfte Bildnisse, die vor allem durch den koloristischen Reiz, durch die Gefälligkeit der malerischen Art und nicht etwa durch Kraft oder gar Tiefe der Charakteristik wirkten. Darum sind ihm auch Frauen- oder Kinderbildnisse viel besser gelungen als Männerbildnisse. Manchen seiner Portraits hat er auch allegorische oder mythologische Benennungen gegeben, wie etwa dem als Das Alter der Unschuld bekannt gewordenen Kinderbildnis. Wie gut Reynolds den Geschmack seiner Zeitgenossen zu treffen wusste, zeigt auch die Nachfrage nach seinen historischen und mythologischen Bildern. Ein kleiner Herkules mit der Schlange fand sogar solchen Beifall, dass er das Bild, nachdem er das Original für eine erhebliche Summe an die Zarin Katharina von Russland verkauft hatte, mehrmals wiederholen musste. Eine viel kraftvollere und urwüchsigere Natur als Reynolds und deutlich glaubwürdiger als Bildnismaler war Thomas

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Joshua Reynolds, Selbstbildnis, 1775. Öl auf Leinwand, 71,5 x 58 cm. Uffizien, Florenz.

Benjamin West, Tod des Generals Wolfe, 1770. Öl auf Leinwand, 152,6 x 214,5 cm. The National Gallery of Canada, Ottawa.

William Hogarth, Der Maler und sein Mops, 1745. Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm. Tate Gallery, London.

Thomas Gainsborough, Herr und Frau Andrews, um 1750. Öl auf Leinwand, 69,8 x 119,4 cm. The National Gallery, London.

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180

Gainsborough (1727 bis 1788), der sich um die alten Meister wenig oder gar nicht, dafür aber umso intensiver um die Natur kümmerte. Hier aber sah er nicht nur die Menschen, sondern vor allem auch die Landschaft. Denn er war als Landschaftsmaler mindestens so gut wie als Portraitmaler, so dass man ihn durchaus als Begründer der nationalen englischen Landschaftsmalerei ansehen kann, schließlich entnahm er seiner englischen Heimat nicht nur die Motive, sondern durchdrang sie auch mit einer besonders poetischen Anschauung, die, bei allem Respekt vor der Realität des Landschaftsbildes, die Grundlage der gesamten englischen Landschaftsmalerei geblieben ist. Durch seinen langjährigen Aufenthalt im beliebtesten englischen Badeort jener Zeit, in Bath, war Gainsborough ein bevorzugter Maler der englischen Aristokratie geworden, verschmähte dabei aber keineswegs, auch Künstler, Gelehrte, Schauspieler und Schauspielerinnen zu malen. Seine Art zu malen hatte etwas Fahriges, Nervöses, war aber dann besonders geistreich, wenn sich ihm koloristische Probleme stellten, deren Lösung durch ihre Kühnheit verblüffte. Das bekannteste Beispiel dafür ist der berühmte Knabe in Blau (S. 172), das lebensgroße Portrait des Jonathan Buttall, der sich in seiner blauen Kleidung von einem warmbraunen landschaftlichen Hintergrund abhebt. Zu den berühmtesten Bildnissen Gainsboroughs gehören ferner das Portrait der Gräfin Howe (S. 24) und das einer Schauspielerin, das Portrait der Mrs. Sarah Siddons (S. 22). Neben Reynolds und Gainsborough haben sich besonders noch der sehr romantische Landschaftsmaler Richard Wilson (1714 bis 1782), etwa mit seinem Croom Court, Worcestershire (1758), und der Bildnismaler George Romney (1734 bis 1802) mit seinem Portrait der Mrs. Verelst (1773) oder dem Kinderbildnis Portrait des Fräulein Willoughby (2. Hälfte 18. Jh.) einen Namen gemacht. Wilson wird zu den Großmeistern der englischen Malerei des 18. Jahrhunderts gezählt, obwohl er, streng genommen, nur Nachahmer, nicht Bahnbrecher war. Den Abschluss dieser Reihe bilden Thomas Lawrence (1769 bis 1830), der große Modemaler der Kongresszeit, der wie bei dem Portrait der Königin Charlotte (1789/1790) allerdings wieder in den Stil des Repräsentationsportraits zurückfällt, der mit

Reynolds tiefgründigen psychologischen Portraits bereits überwunden schien, und William Hodges (1744 bis 1797), von dem eine exzellente Ansicht von Benares (um 1781) stammt. Die Landschaftsmalerei, wie sie Gainsborough begründet hatte, fand in John Crome (1768 bis 1812) und George Morland (1763 bis 1804) ihre Fortsetzung. Vom großen Rest des 18. Jahrhunderts ist nur noch Benjamin West (1738 bis 1820) zu erwähnen, schon weil er der einzige hervorragende Historienmaler dieses Zeitraums war. In Rom von Raphael Mengs, Pompeo Batoni und anderen Akademikern ausgebildet, hat er natürlich deren nüchterne Auffassung übernommen. Sie verhalf ihm zu dem Meisterwerk, das am Anfang der realistischen Geschichtsmalerei steht: die Schilderung Tod des Generals Wolfe (S. 177), einer Episode aus den Kämpfen der Engländer in den nordamerikanischen Befreiungskriegen. Das durch Kupferstich weit verbreitete Bild hat einen größeren Einfluss auf die Malerei des Kontinents gehabt als die gesamte übrige englische Malerei. Die kontinentale Kunst ging eine ganze Zeit lang andere, sich von der Natur wieder entfernende Wege, die dadurch zum Irrweg wurden.

Die Bildhauerei Bildhauerei fand im England des 18. Jahrhunderts nicht statt. Im Jahr 1768 wurde zwar unter der Führung von Joshua Reynolds die Royal Academy of Arts gegründet, die im 18. Jahrhundert nur wenige bedeutende Bildhauer hervorgebracht hat, die aber, etwa wie Thomas Banks (1735 bis 1805) oder John Bacon (1740 bis 1799), mehr dem Klassizismus zuzurechnen sind. Vor allem der durch George Romney unterstützte John Flaxman (1755 bis 1826), von dem neben vielen Zeichnungen und Stuckfiguren, etwa der Michelangelo (vor 1826), auch das exquisite Relief Apollo und Marpessa (1790/1794) stammt, ragt aus dieser winzigen Gruppe der Bildhauer heraus.

John Flaxman, Die Wut des Athamas, 1790-1794. Marmor. Ickworth.

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V. Das Jahrhundert in Spanien Die Architektur Im 18. Jahrhundert hat Spanien kaum besonders herausragende Architekten aufzuweisen. Der Franzose Robert de Cotte, der ja außerhalb Frankreichs auch in Deutschland und Italien deutliche Spuren hinterlassen hat, war auch am Neubau des an der Stelle des 1734 abgebrannten moslemischen Alcazar, des Burgschlosses, errichteten Palacio Real (1734/1764) in Madrid beratend beteiligt. Ausgeführt wurde dieser Neubau jedoch von den beiden Architekten Juan Bautista Sachetti (1690 bis 1764) und dem zwar in Italien geborenen, aber überwiegend in Spanien wirkenden Francesco Sabatini (1722 bis 1797). Der Palacio, ein Übergangsbau vom Barock zur Klassik mit etwa 2 000 Sälen und Zimmern, hat einen quadratischen Grundriss mit einem zentralen Innenhof. Besonders bemerkenswert ist die Fassade mit ihren Vasen und Statuen. In Madrid herrschte zwar der in Versailles geborene König Philipp V. von Anjou (1683 bis 1746), dessen depressive Veranlagung sich im Lauf seiner Regierungszeit immer stärker bemerkbar machte, die, wie es hieß, nur durch die Gesangskunst des Kastraten Farinelli aufgehellt werden konnte, aber bewohnt hat er diesen Palast nur selten. Er zog den Aufenthalt in dem in den Bergen bei Madrid gelegenen Palacio de la Zarzuela, der auch heute noch Sitz des spanischen Königspaares ist, vor. Juan Bautista Sachetti war ein Schüler des Italieners Filippo Juvarra, der, bevor er 1735 an den spanischen Hof berufen wurde, zunächst als Bühnenbildner und dann als Architekt tätig war und, neben anderen Aufträgen, auch den barocken Palazzo Madama (ab etwa 1720) in Turin baute. In Madrid begann er die Planung des Palacio Real, die dann, bedingt durch den Tod Juvarras, durch Sachetti weitergeführt wurde. Aus den letzten Jahren des Jahrhunderts stammt ein mit seinem schmucklosen Außenbau allerdings überhaupt nicht rokokotypisches Bauwerk: die Stierkampfarena des Architekten Jose Martin de Aldehuela (1724/30 bis 1802) im andalusischen Ronda (1783/1789).

Juan Bautista Sachetti, Ventura Rodríguez, Fray Martín Sarmiento und Francesco Sabatini, Sabatinigärten, Palacio Real, 1738-1755. Madrid. Juan Bautista Sachetti, Ventura Rodríguez, Fray Martín Sarmiento und Francesco Sabatini, Palacio Real, 1738-1755. Madrid.

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Francisco de Goya y Lucientes, Portrait der Familie Karl IV., 1801. Öl auf Leinwand, 280 x 336 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid. Francisco de Goya y Lucientes, Die bekleidete Maja, 1800-1805. Öl auf Leinwand, 97 x 190 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid. Francisco de Goya y Lucientes, Milchmädchen von Bordeaux, 1825-1827. Öl auf Leinwand, 74 x 68 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid.

184

Die Malerei Die spanische Malerei nahm gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung durch den Maler, Zeichner, Radierer und Lithographen Francisco de Goya y Lucientes (1746 bis 1828), der sich als äußerst vielseitiger Künstler auf allen Gebieten der Malerei, in Fresken, Altarbildern und Bildnissen großen Stils, tummelte. Aber auch in Entwürfen für Wandteppiche und in Sittenbildern aus dem Volksleben betätigte er sich und hielt in satirischen, einerseits die Hofgesellschaft und andererseits religiöse Heuchelei und gewisse Dogmen der Kirche scharf geißelnden Radierungen mit seiner Meinung nicht zurück. Wirklich Großes und Bleibendes hat er aber vor allem in diesen Sittenbildern, etwa wie in Milchmädchen von Bordeaux (S. 187), in Bildnissen und Radierungen wie in seinen aus achtzig Blättern bestehenden Caprichos (1797/1799) geleistet, von denen insbesondere Letztere weit über Spaniens Grenzen hinaus verbreitet worden sind. Goya bezeichnete sich selbst als Schüler von Rembrandt und Velázquez, dessen Kolorit er auch mit Erfolg nacheiferte, während die nur flüchtig andeutende, aber höchst geistreiche Technik seiner Radierungen überwiegend auf das Studium der Blätter Rembrandts zurück geht. In Spanien hatte er keinen Nachfolger;

186

seine Bedeutung ist erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch französische Schriftsteller ins rechte Licht gerückt worden. Die hatten ihn sogar als einen der Ihrigen betrachtet, weil Goya ab 1824 bis zu seinem Tod in Bordeaux gelebt hatte. Schließlich war er hier vor den Nachstellungen der Inquisition sicherer als am spanischen Hof, obwohl er dort höchste Ehren – er war ja ganz nebenbei auch Direktor der Akademie – und als Hofmaler sogar den Schutz des Königs genossen hatte. Für die Entwicklung des Impressionismus war Goyas Kunst von größter Bedeutung. Ein so außergewöhnlicher Maler wie Edouard Manet (1832 bis 1883) fußt geradezu auf ihm. Dessen Olympia (1863), sein Balkon (um 1868) oder auch sein Stierkampf (1865/1866) sind ohne Goya gar nicht denkbar, denn sie sind im unmittelbaren Anschluss an ähnliche Bilder Goyas entstanden. Aber auch sein gesunder Realismus und seine Bemühungen, das Leben der Atmosphäre malerisch zu erfassen, zeigen Goya als einen Wegbereiter auf den Wegen, den die Kunst des 19. Jahrhunderts gegangen ist. Und wenn man etwas genauer hinschaut, kann man auch feststellen, dass Goya einer der Ahnherren des Expressionismus war – schließlich hat kein anderer Maler seine Empfindungen, seine inneren Erlebnisse so rücksichtslos zum Ausdruck gebracht.

VI. Der Übergang zum

19. Jahrhundert it den dramatischen und folgenreichen Ereignissen der französischen Revolution endete das 18., mit einer politischen Umgestaltung Europas begann das 19. Jahrhundert. Frankreich erlangte hierbei eine Machtstellung wie niemals zuvor. Diese Vorgänge berührten die Kunst jedoch nur am Rande, denn die hatte sich für ihren Weg bereits lange vorher entschieden. Eigentlich sogar für zwei Wege, die beide zum gleichen Ziel führen sollten: zur Natur, denn mit der hatte es nach Meinung der meisten Künstler die Kunst des Rokokos gründlich verdorben. Sie hatte der Natur Gewalt angetan und sie entweder verniedlicht, leichtsinnig verfälscht oder absichtlich unwahr wiedergegeben. Man wollte also zur einfachen, natürlichen Natur zurück, suchte den Weg dorthin und glaubte, einen besonders gut geeigneten Weg in der Antike gefunden zu haben.

M

Durch die Ausgrabungen der durch den gewaltigen Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79 verschütteten Städte Oplontis, Pompei, Stabiae und Herculaneum war die Aufmerksamkeit ja gerade in diese Richtung gelenkt worden. Die ganze gebildete Welt hatte begonnen, sich für archäologische Fragen zu interessieren, lernte sogar allmählich, sehr fein zwischen griechischer und römischer Kunst zu unterscheiden. Die zeitgenössische Kunst kam somit nur dem allgemeinen Geschmack entgegen, als sie sich der Antikenschwärmerei anschloss. Allerdings bestand insofern ein großer Unterschied zwischen der Kunst des Empire und der antikisierenden der „Zopfzeit“, als die eine mit der Antike recht unbefangen umgegangen war, weil sie von ihrer vielfachen Überlegenheit überzeugt war, während die im Bann der Wissenschaftlichkeit stehende andere sich möglichst eng an das antike Vorbild hielt.

Anne-Louis Girodet, Mademoiselle Lange als Danae, 1799. Öl auf Leinwand, 60,3 x 48,6 cm. Minneapolis Institute of Arts, Minneapolis. Philipp Otto Runge, Die Lehrstunde der Nachtigall, 1804-1805. Öl auf Leinwand, 104,7 x 88,5 cm. Hamburger Kunsthalle, Hamburg.

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Élisabeth Vigée-Le Brun, Mme de Stael als Corinne auf der Lyra spielend, 1808. Öl auf Leinwand, 84 x 114 cm. Musée d’Art et d’Histoire, Genf.

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Gottlieb Schick, Wilhelmine von Cotta, 1802. Öl auf Leinwand, 132 x 140 cm. Stuttgart Staatsgalerie, Stuttgart.

François Gérard, Portrait von Katarzyna Starzenska, um 1803. Öl auf Leinwand, 215 x 130,5 cm. Gemäldegalerie, Lemberg.

191

Diese Befangenheit, ihr Streben nach der Strenge und Einfachheit der griechischen Kunst, ihre Lust am Aufstellen von Theorien und ästhetischen Forderungen erkennt man nicht nur als eine Wirkung der Wissenschaft auf die Kunst, sondern auch als einen Mangel an ursprünglicher Schöpferkraft. Wenn Kunst aber im Wesentlichen mit dem Verstand gemacht wird, muss sie notwendigerweise im Akademischen und rein Formalen enden. Dieser Gefahr hoffte man auf dem anderen Weg zu entgehen, auf dem man sich der Natur zu nähern suchte. Auch er wurde bereits im 18. Jahrhundert beschritten, indem die Künstler begannen, sich mit der bedeutend

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Goethe in der römischen Campagna, 1787. Öl auf Leinwand, 164 x 206 cm. Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main. Carl Gustav Carus, Frau auf dem Söller, 1824. Öl auf Leinwand, 42 x 33 cm. Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden.

192

oder interessant erscheinenden heimatlichen Natur zu beschäftigen. Als solche galt ihnen die, die Kunstreste der Vergangenheit aufzuweisen hatte. Alte Brücken, Burgen oder Kirchen übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Künstler aus. Sie schwärmten für die Poesie des Verfalls, und diese Bewegung wuchs ganz besonders, als auch die Literatur eingriff. Darüber hinaus fand man sich schon nicht mehr allein hingezogen zur nationalen Geschichte, sondern auch zur bodenständigen Natur. Anmutige Dörfer, rauschende Bäche, düstere Wälder, aufragende Klippen, wunderbare, majestätische Sonnenauf- und -untergänge, duftige Mondnächte gaben der Phantasie unendlich viele Anregungen, wühlten plötzlich die Herzen auf und boten den Künstlern immer neue, nun auch vom Publikum bewunderte und immer mehr geforderte Gegenstände der Darstellung. Wenn das Gefühl und die Begeisterung, die man alldem nun entgegen brachte, zunächst auch ausschließlich auf das Gegenständliche gerichtet waren, so führten sie allmählich doch zu einer eingehenden Beobachtung der Wirklichkeit und damit zu einem tatsächlich intimen Verhältnis zur Natur, zumindest aber zur Landschaft.

Bibliographie Seemüller, J. (Hrsg). Biographisch – Bibliographisches Kirchenlexikon. Straßburg: Traugott Bautz, 1878. Bossan, Marie-Josèphe. Die Kunst der Schuhe, New York: Parkstone International, 2004. Chledowski, Casimir von. Das Italien des Rokoko, München: Georg Müller-Verlag, 1914. Lübke, Wilhelm und Max Semrau. Barock und Rokoko, Stuttgart: Paul Neff Verlag, 1905.

Enzyklopädien und andere Quellen Der Brockhaus multimedial 2007. Mannheim: Bibliographisches Institut Software, 2007. DVD-Rom. Meyers Konversations-Lexikon, Ausgabe von 1885-1892. Müller, Friedrich. „Die Künstler aller Zeiten und Völker“, 1857. www.textlog.de. P. M. Enzyklopädie: Die große Bertelsmann-Lexikon Substanz. München: USM SoftMedia-Verlag, 2006. Rosenberg, Adolf. Handbuch der Kunstgeschichte. Bielefeld: Velhagen & Klasing, 1902. Springer, Anton. Handbuch der Kunstgeschichte. Leipzig: Verlag E. A. Seemann, 1909. Süddeutsche Zeitung, Nr. 243 vom 22. Oktober 2007, Seite 9.

194

Index A

B

C

Amigoni, Jacopo Zephyr und Flora Asam, Cosmas Damian und Egid Quirin Kirche St. Johann Nepomuk, genannt Asamkirche Verkündigungsszene in der Klosterkirche von Rohr Barelli, Agostino Schloss Nymphenburg Bellotto, Bernardo Kreuzkirche in Dresden (Die) Trümmer der ehemaligen Kreuzkirche zu Dresden (Die) Boffrand, Germain Dekor im Salon der Prinzessin im Hôtel de Soubise Residenzschloss Würzburg Bouchardon, Edmé Amor, der sich aus der Keule des Herkules einen Bogen schnitzt Hl. Bartholomäus (Der) Boucher, François Frühstück (Das) Madame Pompadour Ruhendes Mädchen Toilette Toilette der Venus Triumph der Venus Caffieri, Jean-Jacques Büste von Alexis-Jean-Eustache Taitbout Kanoniker Alexandre-Gui Pingré (Der) Canal, Antonio, genannt Canaletto Alte Walton-Brücke (Die) Bucintoro am Molo an Himmelfahrt (Das) Capriccio: Die Rialtobrücke und die Kirche San Giorgio Maggiore Ehemalige Kreuzkirche in Dresden (Die) Canova, Antonio Durch Amors Kuss wiedererweckte Psyche Carriera, Rosalba Portrait eines Knaben der Familie Leblond Carus, Carl Gustav Frau auf dem Söller Chardin, Jean Siméon Buffet (Das) Knabe mit dem Kreisel (Der) Mädchen mit dem Federball (Das) Morgentoilette (Die) Rochen (Der) Tischgebet (Das) Corradini, Antonio Verschleierte Frau (Glaube?) Cotte, Robert (de) Residenzschloss Würzburg Coustou, Guillaume Pferdezähmer Coypel, Noël Nicolas Geburt der Venus (Die) Coysevox, Antoine Ruhm reitet auf Pegasus (Der)

7 131 164

142-143 107 105 33 139 77 69 32 27 42 48 6 45

84 84 9 110-111 108 106 127 86 193 20 18 52 49 54 51 125 139 71 44 70 195

Cuvilliés, François (de) Amalienburg (Spiegelsaal) Schloss Augustusburg

D

F

G

196

Delamair, Pierre Alexis Hôtel de Soubise, Hoffassade De La Tour, Maurice-Quentin Graf Moritz von Sachsen Ludwig XV. Portrait der Marquise de Pompadour Dietrich, Christian Wilhelm Ernst Grablegung Christi Falconet, Étienne-Maurice Flora Pygmalion und Galatea Reiterstandbild von Peter dem Großen Fischer von Erlach, Johann Bernhard Hofbibliothek Schloss Schönbrunn Schloss Schönbrunn, große Galerie mit Fresken von Gregorio Guglielmi Flaxman, John Wut des Athamas (Die) Fragonard, Jean-Honoré Blindekuhspiel Dichter (Der) Gestohlene Kuss (Der) Junges Mädchen Liebesspiel Riegel (Der) Rosenopfer (Das) Sappho wird durch Amor inspiriert Schaukel (Die) Frisoni, Donato Giuseppe Schloss Ludwigsburg Fuga, Ferdinand Basilika Santa Maria Maggiore Gainsborough, Thomas Herr und Frau Andrews Knabe in Blau Mrs. Richard Brinsley Sheridan Portrait der Gräfin Howe Portrait der Mrs. Sarah Siddons Gérard, François Portrait von Katarzyna Starzenska Girard, Dominique Schloss Nymphenburg (Gärten) Girodet, Anne-Louis Mademoiselle Lange als Danae Goya y Lucientes, Francisco (de) Bekleidete Maja (Die) Milchmädchen von Bordeaux Portrait der Familie Karl IV. Greuze, Jean-Baptiste Dorfbraut (Die) Portrait der Gräfin Ekaterina Shuvalova Tote Vogel (Der) Guardi, Francesco Architektonische Caprice (Eine) Venezianisches Galakonzert

129 145

34 56 57 41 157

79 76 11 132 138 135 180 29 18 62 58 46 63 47 59 26 140 100

178-179 172 168 24 22 191 142-143 188 186 187 184-185 17 59 53 112 91

Guarini, Guarino Cappella della Sacra Sindone Guêpière, Philippe (de La) Schloss Monrepos

H

J

K

L

M

Hackert, Jacob Philipp Sicht auf die Ruinen des antiken Theaters von Pompeï Hardouin-Mansart, Jules Groß-Trianon Orangerie Héré, Emmanuel Place Stanislas Hildebrandt, Lucas (von) Residenzschloss Würzburg Hogarth, William Krabbenmädchen (Das) Maler und sein Mops (Der) Mariage à la mode: Der Ehevertrag Portrait des Schauspielers David Garrick und seiner Frau Houdon, Jean-Antoine Denis Diderot Frierende (Die) Muskelmann Portraitbüste des sitzenden Voltaire Portraitbüste von Molière Prinz Galitzin (Modell des Grabes für Prinz Alexander Michailowitsch Galitzine) Sophie Arnould Juvarra, Filippo Jagdschlösschen von Stupinigi Palazzo Madama, Treppenhaus Kauffmann, Angelika Abschied Abélards von Héloise David Garrick Selbstbildnis Venus überredet Helena, Paris zu erhören Knobelsdorff, Georg Wenzeslaus (von) Ansicht von Schloss Rheinsberg Schloss Sanssouci Largillière, Nicolas (de) Portrait einer Frau Lawrence, Thomas Portrait des Meister Ainslie Liotard, Jean-Étienne Schokoladenmädchen (Das) Longhi, Pietro Einleitung (Die) Rhinozeros (Das) Loo, Charles André (van), genannt Carle van Loo Lesend aus einem spanischen Buch Spanisches Konzert Maron, Anton (von) Weibliches Bildnis Meléndez, Luis Eugenio Stillleben mit einer Schachtel Süßigkeiten und Brot Mengs, Anton Raphael Bildnis von Johann Joachim Winckelmann (?) Perseus und Andromeda

99 146

152 38 39 36-37 139 169 176 174-175 173 72 76 74 80 85 82 73

102-103 95

116 88 87 118 154 148-149

59 171 50 90 15 30 14

158 21 88 120

197

Selbstbildnis Urteil des Paris (Das) Messerschmidt, Franz Xaver Charakterköpfe (Ein Erhängter) Charakterköpfe (Ein Erzbösewicht) Charakterköpfe (Der Schnabelkopf) Charakterköpfe (Zweiter Schnabelkopf) Michel, Claude, genannt Clodion Charles de Secondat, Baron von Montesquieu Vestalin eine junge Frau am Pan Altar vorstellend

N

P

R

198

Natoire, Charles Joseph Dekor im Salon der Prinzessin im Hôtel de Soubise Nattier, Jean-Marc Herzogin von Chaulnes als Hebe (Die) Portrait der Königin Maria Leszczinska Schlacht von Lesnaya Nering, Johann Arnold Schloss Charlottenburg Nette, Johann Friedrich Schloss Ludwigsburg Neumann, Johann Balthasar Basilika Vierzehnheiligen Residenzschloss Würzburg Pannini, Giovanni Paolo Fluss Arno mit der Brücke Santa Trinita (Der) Pater, Jean-Baptiste Szene in einem Park Permoser, Balthasar Mohr mit Smaragdstufe Perronneau, Jean-Baptiste Portrait der Madame de Sorquainville Pigage, Nicolas (de) Schloss Benrath Pigalle, Jean-Baptiste Madame de Pompadour als Freundschaft Merkur, seine geflügelten Sandalen schnürend Sitzstatue des nackten Voltaire Pittoni, Giovanni Battista (Giambattista) Mariä Verkündigung Ramsay, Allan Frau des Künstlers: Margaret Lindsay of Evelick (Die) Reynolds, Joshua Gräfin Spencer und ihre Tochter Giorgiana (Die) Lavinia Bingham Portrait von Miss Bowles und ihrem Hund Selbstbildnis Ricci, Sebastiano Allegorie der Toskana Robert, Hubert Abbruch der Häuser auf der Pont Notre-Dame Galerie während der Restaurierung (Die) Rodríguez, Ventura Palacio Real Sabatinigärten, Palacio Real Romney, George Familie Leigh (Die) Runge, Philipp Otto Lehrstunde der Nachtigall (Die)

88 119 162 162 163 163 81 68

33 61 19 12 136-137 140 128 139

109 46 165 41 151 73 75 81 123

170 170 23 171 176 93 8 66 183 182 25 189

S

T

V

W

Sabatini, Francesco Palacio Real Sabatinigärten, Palacio Real Sachetti, Juan Bautista Palacio Real Sabatinigärten, Palacio Real Sarmiento, Fray Martín Palacio Real Sabatinigärten, Palacio Real Schadow, Johann Gottfried Bacchus beruhigt Ariane Kronprinzessinen Luise und Friederike von Preußen (Die) Schick, Gottlieb Wilhelmine von Cotta Schlaun, Johann Conrad Erbdrostenhof, großer Salon Schloss Augustusburg Schlüter, Andreas Denkmal des Großen Kurfürsten Seekatz, Johann Conrad Verstoßung der Hagar (Die) Subleyras, Pierre Atelier des Malers (Das) Tiepolo, Giovanni Battista (Giambattista) Abraham und die Engel Ausmalung des Kaisersaales im Residenzschloss zu Würzburg Bankett der Cleopatra (Das) Lobpreisung Spaniens Raub der Europa Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm Goethe in der römischen Campagna Tocque, Louis Portrait von Elisabeth Petrowna Traversi, Gaspare Musikunterricht (Der) Zeichenunterricht (Der) Troger, Paul Heilige Sebastian und die Frauen (Der) Vanbrugh, John (Sir) Blenheim Palace Vanvitelli, Luigi Diana-und-Aktäon-Brunnen Königspalast Caserta Treppenhaus im Königspalast Caserta bei Neapel Vigée-Le Brun, Élisabeth Mme de Stael als Corinne auf der Lyra spielend Portrait von Stanislaw August Poniatowski Selbstbildnis Watteau, Antoine Bad der Diana (Das) Beschämende Antrag (Der) Einschiffung nach Kythera Fest im Park Gersaints Ladenschild Venezianische Feste Welsch, Maximilian (von) Residenzschloss Würzburg West, Benjamin Tod des Generals Wolfe Wren, Christopher (Sir) Hampton Court Palace (Süd- und Ostflügel)

183 182 183 182 183 182 161 160 190 134 145 10 153 65

121 96-97 113 92 122 192 60 115 114 156

166 124 101 94 190 22 52

43 31 13 28 64 40 139 177 167 199

Kollektion Kunst der Jahrhunderte Abstrakter Expressionismus

Kubismus

Pop Art

Abstraktion

Dadaismus

Postimpressionismus

American Scene

Expressionismus

Die Präraffaeliten

Arts & Crafts

Fauvismus

Rayonismus

Art Deco

Freie Figuration

Realismus

Art Informel

Futurismus

Regionalismus

Jugendstil

Gotische Kunst

Die Kunst der Renaissance

Arte Povera

Hudson River Schule

Rokoko

Amerikanischer Realismus

Impressionismus

Romanische Kunst

Barock

Manierismus

Die Romantik

Bauhaus

Minimale Kunst

Russische Avantgarde

Byzantinische Kunst

Naive Kunst

Barbizon Schule

Camden Town Gruppe

Naturalismus

Sozialrealismus

COBRA

Neoklassizismus

Surrealismus

Konstruktivismus

Neuer Realismus

Symbolismus

D

as Wort Rokoko leitet sich wahrscheinlich von dem vermutlich in französischen Emigrantenkreisen aufgekommenen Wort "rocaille" (Muschel) ab. Diese Kunstrichtung entwickelte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts und breitete sich schnell in ganz Europa aus. Ihre verspielten und extravaganten Charakteristika standen im Einklang mit dem feinsinnigen Lebensgefühl der Aristokratie zu jener Zeit. In vielerlei Hinsicht gilt das Barock als Vorläufer dieser oft auch als Spätbarock bezeichneten Kunstrichtung. Während die Werke Tiepolos, Bouchers und Reynolds die Höhepunkte der Rokoko-Kunst darstellen, wurde die Strömung gelegentlich wegen ihrer vermeintlichen Oberflächlichkeit verurteilt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verschwand das Rokoko allmählich und machte dem Neoklassizismus Platz. Erst ungefähr ein Jahrhundert später entdeckten Kunsthistoriker den Glanz dieses von Klaus H. Carl und Victoria Charles näher untersuchten goldenen Zeitalters wieder.