Das persönliche Gebet bei den Hethitern: Eine textlinguistische Untersuchung 344710919X, 9783447109192

Als Zeugnisse tiefer Religiosität dokumentieren die persönlichen Gebete der Hethiter aus dem 2. Jahrtausend v.Chr. das m

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Das persönliche Gebet bei den Hethitern: Eine textlinguistische Untersuchung
 344710919X, 9783447109192

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungen
1 Einleitung
1.1 Fragestellung und Ziel
1.2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Korpus
1.3 Forschungsgeschichtlicher Überblick
1.4 Methode und Aufbau der Arbeit
2 Gesamttexte: Textexterne Faktoren
2.1 Intention der Gesamttexte („Textfunktion“)
2.2 Am Kommunikationsprozess beteiligte Akteure
2.3 Kommunikationsmedium und Gültigkeitsdauer der Texte
2.4 Kommunikationsbereich und zugrunde liegende Konzeptionalisierung
3 Textmuster der Gesamttexte
3.1 Klassifikationskriterien für die Strukturelemente
3.2 Strukturanalysen der Texte
3.2.1 CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott
3.2.2 CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna
3.2.3 CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott
3.2.4 CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne
3.2.5 CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna
3.2.6 CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu
3.2.7 CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II.
3.2.8 CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.
3.2.9 CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II.
3.2.10 CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II.
3.2.11 CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia
3.2.12 CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung
3.2.13 CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni
3.2.14 CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna
3.2.15 CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna
3.3 Grundstruktur
3.3.1 Bittpassage: Zentrale Bitten und ihre Stützbitten
3.3.2 Ausführungssichernde Bitten
3.3.3 Falldarlegungs- und Opferdeklaration
3.3.4 Negative Konsequenzen göttlichen Handelns
3.3.5 Gelübde
3.3.6 Positive Konsequenzen göttlichen Handelns
3.3.7 Normen
3.3.8 Zusage von Korrekturmaßnahmen
3.3.9 Anrede und Hymnus
3.3.10 Falldarlegung
3.3.11 Einleitende Kontextualisierung
3.3.12 Zusammenfassung: Die Kohärenz des Gesamttexts
3.4 Überleitungen
3.5 Adressatenstruktur: Teilgebete und Gebetsteile
3.5.1 Einbettungsstruktur
3.5.2 Additionsstruktur
3.5.3 Verknüpfungsstruktur
3.5.4 Eingliedrige Adressatenstruktur
3.6 Serialisierung der Strukturelemente
4 Textmuster der Strukturelemente
4.1 Bittpassage: Zentrale Bitten und ihre Stützbitten
4.2 Ausführungssichernde Bitten
4.3 Deklarationen
4.4 Negative Konsequenzen göttlichen Handelns
4.5 Gelübde
4.6 Positive Konsequenzen göttlichen Handelns
4.7 Normen
4.8 Zusage von Korrekturmaßnahmen
4.9 Anrede und Hymnus
4.10 Falldarlegung
4.11 Einleitende Kontextualisierung
4.12 Synthese
5 Von der Stilistik zur Dramaturgie
5.1 Methode und Zielsetzung
5.2 Das Kolon als zentrale Gliederungseinheit
5.3 Die Sonnengottgebete
5.3.1 CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne
5.3.2 CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott
5.4 Das Gebet Muršilis II. an die Sonnengöttin von Arinna und die Pestgebete
5.4.1 CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna
5.4.2 CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II.
5.4.3 CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.
5.5 CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung
5.6 Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa
5.6.1 CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna
5.6.2 CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna
5.7 Synthese
6 Schluss
Anhang
CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott – Text
CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott – Übersetzung
CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna – Text
CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung
CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott – Text
CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott – Übersetzung
CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne – Text
CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne – Übersetzung
CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna – Text
CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung
CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu – Text
CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu – Übersetzung
CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. – Text
CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung
CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. – Text
CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung
CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. – Text
CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung
CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. – Text
CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung
CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia – Text
CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia – Übersetzung
CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung – Text
CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung – Übersetzung
CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni – Text
CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni – Übersetzung
CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Text
CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung
CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Text
CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung
Siglen
Literatur

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Studien zu den Boğazköy-Texten Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, von Elisabeth Rieken und Daniel Schwemer Band 63

Alexandra Daues und Elisabeth Rieken unter Mitwirkung von Jürgen Lorenz

Das persönliche Gebet bei den Hethitern Eine textlinguistische Untersuchung

2017

Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

Alexandra Daues und Elisabeth Rieken DAS PERSÖNLICHE GEBET BEI DEN HETHITERN

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

Studien zu den Boğazköy-Texten Herausgegeben im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, von Elisabeth Rieken und Daniel Schwemer Band 63

Alexandra Daues und Elisabeth Rieken unter Mitwirkung von Jürgen Lorenz

Das persönliche Gebet bei den Hethitern Eine textlinguistische Untersuchung

2018

Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

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INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Fragestellung und Ziel . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Korpus 1.3 Forschungsgeschichtlicher Überblick . . . . . . . 1.4 Methode und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . .

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2 Gesamttexte: Textexterne Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Intention der Gesamttexte („Textfunktion“) . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Am Kommunikationsprozess beteiligte Akteure . . . . . . . . . . . . 2.3 Kommunikationsmedium und Gültigkeitsdauer der Texte . . . . . . . 2.4 Kommunikationsbereich und zugrunde liegende Konzeptionalisierung

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15 15 18 22 28

3 Textmuster der Gesamttexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Klassifikationskriterien für die Strukturelemente . . . . . . . . . . . . . 3.2 Strukturanalysen der Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott . . . . . . . . . 3.2.2 CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott . . . . . . . . . . . 3.2.4 CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna 3.2.6 CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu . . 3.2.7 CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . 3.2.9 CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . 3.2.10 CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . 3.2.11 CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia . . . . . . 3.2.12 CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung . . . . 3.2.13 CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni 3.2.14 CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.15 CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna

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33 33 36 36

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41 44 48 55 60 63 66 72 73 75 77 82

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88 92

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

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Inhaltsverzeichnis

3.3 Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Bittpassage: Zentrale Bitten und ihre Stützbitten . 3.3.2 Ausführungssichernde Bitten . . . . . . . . . . . 3.3.3 Falldarlegungs- und Opferdeklaration . . . . . . . 3.3.4 Negative Konsequenzen göttlichen Handelns . . . 3.3.5 Gelübde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Positive Konsequenzen göttlichen Handelns . . . 3.3.7 Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.8 Zusage von Korrekturmaßnahmen . . . . . . . . . 3.3.9 Anrede und Hymnus . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.10 Falldarlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.11 Einleitende Kontextualisierung . . . . . . . . . . 3.3.12 Zusammenfassung: Die Kohärenz des Gesamttexts 3.4 Überleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Adressatenstruktur: Teilgebete und Gebetsteile . . . . . . 3.5.1 Einbettungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Additionsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Verknüpfungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Eingliedrige Adressatenstruktur . . . . . . . . . . 3.6 Serialisierung der Strukturelemente . . . . . . . . . . . . 4 Textmuster der Strukturelemente . . . . . . . . . . . 4.1 Bittpassage: Zentrale Bitten und ihre Stützbitten 4.2 Ausführungssichernde Bitten . . . . . . . . . . 4.3 Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Negative Konsequenzen göttlichen Handelns . . 4.5 Gelübde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Positive Konsequenzen göttlichen Handelns . . 4.7 Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Zusage von Korrekturmaßnahmen . . . . . . . 4.9 Anrede und Hymnus . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Falldarlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Einleitende Kontextualisierung . . . . . . . . . 4.12 Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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97 99 100 101 102 103 104 104 106 106 107 109 110 113 118 118 119 120 122 123

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127 128 142 144 151 152 153 155 158 160 164 167 170

5 Von der Stilistik zur Dramaturgie . . . . . . . . . . . . . 5.1 Methode und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Das Kolon als zentrale Gliederungseinheit . . . . . 5.3 Die Sonnengottgebete . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne . . 5.3.2 CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott

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177 177 181 183 183 195

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Inhaltsverzeichnis

VII

5.4 Gebet Muršilis II. an die Sonnengöttin von Arinna und die Pestgebete . 5.4.1 CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna 5.4.2 CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . 5.5 CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung . . . . . . . . 5.6 Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna 5.7 Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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205 205 218 231 247 267

. 267 . 279 . 296

6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott . . . . . . . . . . . . . CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott . . . . . . . . . . . . . . CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna . . . . CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu . . . . . . CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia . . . . . . . . . . CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung . . . . . . . . CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni . . . . CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna . . . .

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326 334 340 352 364 368 378 388 390 398 402 412

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Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

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VORWORT Das vorliegende Buch ist im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts RI 1730/5-1 „Sprachlich-philologische Bearbeitung und digitale Edition der Hymnen und Gebete in hethitischer Sprache (CTH 371–389)“ entstanden. Es handelt sich um ein Gemeinschaftswerk, indem die Kapitel 1–4 und 6 von Elisabeth Rieken stammen, während das umfangreiche Kapitel 5 von Alexandra Daues verfasst wurde. Obgleich wir, die beiden Autorinnen, für jeweils unterschiedliche Kapitel verantwortlich zeichnen, haben wir beide vom beständigen intensiven Austausch außerordentlich profitiert, so dass diese Arbeit, so hoffen wir, zu mehr als der Summe ihrer Einzelteile geworden ist. Die Grundlage für die hier vorgelegte textlinguistische Auswertung der hethitischen Gebete ist die philologische Edition der Texte, die gleichfalls Teil des DFG-Projekts war und die im Hethitologie-Portal Mainz eingesehen werden kann (Rieken, Lorenz und Daues 2016). Zu dieser digitalen Neuausgabe des Gebetskorpus hat Jürgen Lorenz – gleichfalls im Rahmen der Projektarbeit – wesentlich beigetragen und so auch beim Entstehen dieses Buches mitgewirkt. Es ist uns eine angenehme Pflicht, denjenigen Menschen und Institutionen zu danken, die unsere Arbeit unterstützt haben. An erster Stelle ist hier die DFG zu nennen, die das Projekt von Oktober 2011 bis Dezember 2014 finanziert hat. Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Gernot Wilhelm und seinen Mitarbeitern Dr. Silvin Košak und Dr. Francesco Fuscagni danken wir sehr herzlich für die wertvolle Möglichkeit, die Materialien der Arbeitsstelle „Hethitische Forschungen“ der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, verwenden zu dürfen. Prof. Wilhelm war es auch, der sich zuerst bereit erklärt hat, dieses Buch in die Reihe der „Studien zu den Boğazköy-Texten“ aufzunehmen; nach der Übernahme der Herausgeberschaft der Reihe im Jahr 2016 hat dies Prof. Dr. Daniel Schwemer erneut bestätigt. An sie wie auch an den Harrassowitz Verlag geht unser aufrichtiger Dank für die umsichtige Begleitung bis zur Publikation. Prof. Dr. Paola Dardano, Dr. Jürgen Lorenz, Prof. Dr. Daniel Schwemer und Prof. Dr. Ewald Wagner danken wir herzlich für viele wertvolle Hinweise. Unseren Dank möchten wir außerdem Christian Chrószcz, B. A., Stefan Dedio, M. A., und Sandra Herrmann, M. A., die uns bei den Satzarbeiten bzw. Korrekturen unterstützt haben. Und last but not least gilt unser besonderer Dank Matthias Daues und Thomas Rieken, die uns jederzeit ermuntert und es uns oftmals überhaupt ermöglicht haben, ganz in die faszinierende Welt der Hethiter und ihrer Gebete einzutauchen.

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

X

Vorwort

Gewidmet ist dieses Buch drei Größen der Hethitologie, die sich in ihrem Forscherleben um die hethitischen Gebete in hohem Maße verdient gemacht haben: Albrecht Goetze, Hans Gustav Güterbock und Itamar Singer. Im Mai 2017

Alexandra Daues und Elisabeth Rieken

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

ABKÜRZUNGEN

§ Abl. ah. All. Akk. App ausführ.-sich. c. Dat./Lok. Dekl Gen. Gesamtfkt. glaub.-stütz. HS Inf Instr. Int jh. Kol. Kont koop.-sich. mh. motiv.-stütz. n. Nom. Nom./Akk. NS Obl Pl. RS Rs. sachv.-klär. Sg. spät-jh.

Paragraphenstrich Ablativ althethitisch Allativ Akkusativ Appell ausführungssichernd Genus commune Dativ/Lokativ Deklaration Genitiv Gesamtfunktion glaubwürdigkeitsstützend Hauptsatz Information Instrumental Interrogation junghethitisch Kolumne Kontakt kooperationssichernd mittelhethitisch motivationsstützend Genus neutrum Nominativ Nominativ/Akkusativ Nebensatz Obligation Plural Relativsatz Rückseite sachverhaltsklärend Singular spätjunghethitisch

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XII Vermittl.-Gebet versteh.-sich. Vok. Vs. Zentr. Gebet

Abkürzungen

Vermittlungsgebet verstehenssichernd Vokativ Vorderseite Zentrales Gebet

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1 EINLEITUNG (von Elisabeth Rieken)

1.1 Fragestellung und Ziel Die Gebetstexte haben bereits in den Anfängen der hethitologischen Forschung viel Beachtung gefunden, gehören sie doch zu den lebendigsten Zeugnissen hethitischen Denkens und Empfindens. Kaum eine andere Textgattung vermittelt einen stärkeren Eindruck vom individuellen Charakter ihrer Auftraggeber als das persönliche Gebet der hethitischen Herrscher, das diese in der Folge einer schweren Krise des Landes oder der eigenen Gesundheit an die Götter richten. Mit großer Sorgfalt werden die Worte gewählt, um die übermächtigen Adressaten zum Handeln zu bewegen, damit sie mit Wohlwollen gegenüber den Menschen in das Geschehen eingreifen und die Ordnung der Welt wieder herstellen. Die Schreiber des hethitischen Königshofs setzen ihre ganze Gelehrsamkeit und ihr rhetorisches Geschick ein, um Gebete zu verfassen, die den einander widersprechenden Anforderungen gerecht werden. Denn die Kommunikationssituation ist schwierig und komplex: Einerseits sind die Götter mächtiger als die Menschen, andererseits müssen die Menschen trotz der Unausgewogenheit dieser Machtverhältnisse versuchen, das Handeln der Götter in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Geneigtheit der Götter soll durch die hymnische Preisung ihrer Macht, Gerechtigkeit und ordnenden Kraft erreicht werden, während doch der Mensch im Augenblick des Gebets das Gegenteil erfahren muss; Vertrauen und das Gefühl des Ausgeliefertseins widerstreiten hier einander. Der schwierige Akt des Eingeständnisses von Schuld lässt ein persönliches Zwiegespräch wünschenswert erscheinen, doch wird das Gebet im Zuge eines Rituals vor den anwesenden Priestern und wenigstens in zwei Fällen auch vor einer Versammlung gesprochen; es wird mindestens eine Tafel in den Staatsarchiven und Tempeln offiziell niedergelegt. Oft besteht beim Betenden die Bereitschaft zum Bekenntnis der Schuld, aber das Vergehen ist ihm nicht bekannt. Berichte über vergangene Ereignisse und über die gegenwärtige Situation werden ebenso wie wohlüberlegte Argumente in den Darlegungen des eigenen Falls vorgebracht, obgleich die Gottheit in ihrer Allwissenheit mit dem Tatbestand doch bereits vertraut ist. Die Gottheit hört, wenn sie dem Betenden zugewandt ist, die Worte im Moment ihrer Äußerung, doch antwortet sie nicht – zumindest nicht in Worten und nicht unmittelbar. Dass sich auch die Hethiter dieser Situation bewusst waren, zeigt die viel zitierte Feststellung in der Anrufung chthonischer Mächte durch das Königspaar: EME-aš giš armizzi „die Zunge ist eine Brücke“ (KBo 11.10 iii 17; Beckman 1996: 25; 1999: 524f.). Dies alles macht die hethitischen Gebetstexte zu einem reizvollen und interessanten Untersuchungsgegenstand. Welche sprachlichen Mittel verwenden die Hethiter, um ihre

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Einleitung

Inhalte so zu vermitteln, dass sie die ihnen so wichtigen Ziele erreichen? Wie werden die Lexeme und morphosyntaktischen Kategorien eingesetzt, wie werden die Propositionen geordnet und miteinander verknüpft, so dass sich die Themen entfalten und das Ganze einen kohärenten Text bildet? Wodurch wird die intentionale Gesamtfunktion des Textes zum Ausdruck gebracht? Welche Mittel sind es, die nach Auffassung der Hethiter die Erreichung des Ziels der jeweiligen sprachlichen Handlung in ihrem situativen Kontext aussichtsreich machen? Kann man beim hethitischen Gebet von einer Textsorte sprechen, die auf einem „komplexe[n] Muster sprachlicher Kommunikation“ basiert und die „innerhalb der Sprechergemeinschaft im Laufe der historisch-gesellschaftlichen Entwicklung aufgrund kommunikativer Bedürfnisse entstanden“ (Brinker 2010: 120) ist oder im Entstehen begriffen ist? Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Ziel, anhand eines ausgewählten Genres des hethitischen Schrifttums, des persönlichen Gebets, eine textlinguistische Analyse zu bieten, um so einerseits die bisher vernachlässigte Textsortenforschung in der Hethitologie anzustoßen und andererseits auch einen neuen Baustein zu einer sprachund kulturübergreifenden Typologie der weit verbreiteten, aber in der jüngeren Vergangenheit kaum behandelten Textsorte Gebet zu liefern (zu dieser Einschätzung der Forschungssituation s. Wagner 2009: 198f.). Dass hierbei eine solide philologische Grundlage notwendig ist, versteht sich von selbst – zumal in einer Sprache, die so zahlreiche Überlieferungsprobleme bietet wie das Hethitische und deren morphosyntaktische Kategorien hinsichtlich ihrer semantischen und pragmatischen Funktionen noch nicht vollständig erschlossen sind. Hierfür sei auf die online-Edition verwiesen, die im Hethitologie-Portal Mainz (URL: http://www.hethiter.net/txhet_gebet/) eingestellt ist. Auf der digitalen Edition beruhen die Textzitate ebenso wie die Texte, die zur besseren Handhabung des Buches und für die stabile Referenz der Kolon-Nummern im Anhang in gebundener Umschrift mit Übersetzung beigegeben sind; für weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen der Gebete sind sie ohne die digitale Edition, die auch die frühere Forschung würdigt, nicht geeignet. Bestehende kultur- und religionswissenschaftliche Erkenntnisse müssen in einer Untersuchung, die einen Bereich des Diskurses zwischen Menschen und Göttern zum Gegenstand hat, natürlich bei der philologischen Edition zugrunde gelegt werden; doch sie bilden nicht das vorrangige Thema der folgenden Forschungsarbeit. Diese hat im oben beschriebenen Sinne eine dezidiert linguistische Zielsetzung, bei der die Struktur der sprachlichen Äußerung im Zentrum stehen soll. Für die literaturgeschichtliche Betrachtung der Gebetstexte spielen die Übertragungsund Adaptionsprozesse aus den Vorlagen des mesopotamischen und nordsyrischen Raums selbstredend eine wichtige Rolle: Zumindest der überwiegende Teil des möglicherweise nicht bezeugten Archetypus der Sonnengottgebete CTH 372–374 ist aus einem oder mehreren fremdsprachlichen Texten übersetzt worden. Und obgleich das fünfte Kapitel mit der stilistischen Untersuchung ausgewählter Gebetstexte und der Darstellung ihrer Dramaturgien notwendigerweise auch einen teilweise literaturgeschichtlichen Charakter besitzt, soll hier allein der hethitisch-sprachige Text als Produkt hethitischer

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Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Korpus

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Verfasser betrachtet werden. Denn die Hethiter haben mit den persönlichen Gebeten kohärente und in sich geschlossene Texte in offensichtlich korrektem Hethitisch verfasst, die zumindest in einem ersten Schritt als das betrachtet werden sollten, was sie sind: als Zeugnisse hethitischer Sprache.

1.2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Korpus Der Begriff des Gebets hat sich bisher einer kultur- und sprachübergreifenden Definition entzogen. Als einen gemeinsamen Nenner bislang vorgenommener religionswissenschaftlicher Versuche der Eingrenzung dieses Konzepts hält Wagner (2009: 198) fest, „dass es um die Kommunikation zwischen Mensch und Gott geht“, und er kommt nach der Feststellung, dass linguistische Untersuchungen auf formaler Seite keine gemeinsamen textinternen Merkmale ergeben hätten, zu dem Schluss: „Entscheidend ist also die Kommunikationssituation, die von den Kommunikationspartnern bestimmt und durch sie konstituiert wird. Form, Inhalt und Funktion des Textes sind dabei zwar nicht beliebig, aber sehr vielfältig.“ (Wagner 2009: 199)

Führt diese Verbindung von religionswissenschaftlichen und linguistischen Herangehensweisen zu einem sehr unspezifischen und deshalb kaum verwendbaren Ergebnis, so verspricht auch der Versuch einer literaturwissenschaftlichen Gattungsdefinition nur wenig Erfolg. Denn Zernecke (2011: 299) folgend ist eine „kritische“ (oder etische, d. h. von modernen Forschern abgegrenzte) Gattung „charakterisiert durch typische formale und inhaltliche Elemente und den ‚Sitz im Leben‘, der neben dem soziokulturellen Kontext vor allem auch die Frage nach Funktion und Intentionen der Texte umgreift“. Sie basiert also auf denselben, eben schon genannten Merkmalen, die sich – angewendet auf verschiedene Kulturen – nur auf einer sehr abstrakten, wenig aussagekräftigen Ebene vergleichen lassen. Während also eine kultur- und sprachübergreifende Definition auf gravierende Probleme stößt, ist dieselbe Herangehensweise bei der Betrachtung des Korpus einer einzigen Kultur und Sprache möglicherweise aussichtsreicher. Als Ausgangspunkt für die Abgrenzung der hethitischen Gebete von Hymnen, Orakelanfragen und Beschwörungsritualen verwendet Singer (2002a: 2–4) als Kriterium vornehmlich die intentionale Funktion, während der Gewichtung einzelner Strukturelemente eine zweitrangige Stellung zukommt. Dementsprechend definiert derselbe Forscher an anderer Stelle das „persönliche Gebet“ auf eben dieser Basis: „With the exception of Kantuzili’s prayer (CTH 373) the personal prayers are initiated by a king or a queen seeking divine intervention in a concrete situation, such as the solution to an urgent military problem (CTH 375, 385.9), the cure of some severe disease (CTH 378, 380), the absolution for particular sins (CTH 70–71, 383–384), or a combination of several problems (CTH 376A).“ (Singer 2002b: 307)

Damit ist also ein „kritischer“ (oder etischer) Gattungsbegriff auf funktionaler Basis zugrunde gelegt. Mit den beschriebenen funktionalen Merkmalen korreliert auf der struk-

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Einleitung

turellen Seite das Kriterium einer argumentativen Darlegung des Betenden hinsichtlich seiner Notsituation bzw. seines Rechtsfalls.1 Eine weitere Eigenschaft dieser Texte, die oft, aber nicht immer zutrifft, bildet im archivarischen Bereich die Niederlegung des Gebets auf einer eigenen Tafel, die daneben keine oder fast keine Beschreibung der begleitenden Ritualhandlung enthält (de Roos 1995: 1997). Bald nach Beginn der junghethitischen Zeit werden diese Texte entweder in den Kolophonen als arkuwar „Falldarlegung“ bezeichnet, oder der Betende selbst rekurriert auf seinen Gebetssprechakt mit dem Ausdruck arkuwar iye/a- „(seine) Falldarlegung durchführen“ oder arkuwa(e)- „(seinen) Fall darlegen“. Es hat sich damit offensichtlich zumindest für diese Periode ein „ethnischer“ (oder emischer) Gattungsbegriff2 herausgebildet, der mit dem „kritischen“ übereinstimmt, so dass man mit der Abgrenzung des Korpus für das Junghethitische auf recht sicherem Boden steht.3 In dem mittelhethitischen Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikals (CTH 375) wird zwar nicht arkuwa(e)verwendet, aber immerhin das inhaltlich nahe stehende DINAM arnu- „als Rechtssache vorbringen“. Für die mittelhethitischen Sonnengottgebete (CTH 373 und CTH 374) und ihre späteren Adaptionen (CTH 372 und CTH 376.1) steht das Kriterium des „ethnischen“ Gattungsbegriffs freilich nicht zur Verfügung, doch treffen hier alle anderen Merkmale zu; auch die Kontinuität der Entwicklung macht die Einbeziehung der genannten Texte zwingend erforderlich. Es ergibt sich daraus – unter Voraussetzung eines brauchbaren Erhaltungszustands4 – eine Festlegung des Korpus auf die folgenden hethitisch-sprachigen Texte:5

1 Zur hethitischen Konzeptionalisierung der Auseinandersetzung mit den Göttern als Verhandlung vor Gericht s. unten Kapitel 2.4. 2 Im Gegensatz zur „kritischen“ (oder etischen) Gattung handelt es sich im Sinne von Ben-Amos 1969 bei einer „ethnischen“ Gattung um eine von den Vertretern der betreffenden Kultur selbst konzipierte und angewendete Textkategorie. 3 Davon bleibt unberührt, dass der Terminus als Ausdruck für die Falldarlegung (Plädoyer) durch eine gewöhnliche metonymische Bedeutungserweiterung in seiner Bedeutung ambig geworden ist und sich ursprünglich allein auf ein wichtiges Teilelement des Gebets bezog, vgl. Singer 2002a: 5f. mit weiterführender Literatur; eine noch stärkere Einengung des Begriffs vertritt Sürenhagen (1981: 136–40), der ihn als „Einspruch“ wiedergibt. 4 CTH 378.3 und CTH 378.4 werden trotz ihres fragmentarischen Zustands wegen ihrer engen Beziehung zu CTH 378.1 und CTH 378.2 in das Korpus aufgenommen. 5 Die Entstehungszeit gerade der älteren Sonnengottgebete (CTH 373 und CTH 374) ist umstritten. Bis vor kurzem ging die communis opinio dahin, dass der Betende aus CTH 373, Kantuzili, selbst die neue Texttradition des persönlichen Gebets begründet habe und dass dieser mit Kantuzili „dem Priester“, Bruder von Tudḫaliya II./III., Sohn von Arnuwanda und Ašmunikal, zu identifizieren sei (vgl. insbesondere Singer 2002b: 310 mit weiterführender Literatur). Wenn sich jedoch die Referenz auf Arzawa in CTH 374, Kolon 97, auf die historischen Ereignisse in Arzawa aus der Zeit Tudḫaliyas I. bezieht, dann ist mit Schwemer (2015: 361f.) dieser Text um zwei Generationen älter als das KantuziliGebet CTH 373 (anders Singer 2002b: 310 Anm. 55 und jüngst Klinger 2013d: 102). Auch mit einem gemeinsamen frühen Archetypus ist zu rechnen.

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Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Korpus

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• CTH 374: Gebet eines Königs an den Sonnengott (mh.)6 • CTH 375.1: Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna (mh.) • CTH 373: Kantuzilis Gebet an den Sonnengott (mh.) • CTH 372: Hymne und Gebet an die Sonne (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 376.1: Gebet Muršilis II. an die Sonnengöttin von Arinna (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 377: Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 378.1: „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 378.2: „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 378.3: „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 378.4: „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 380.1: Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia (jh.: Ende 14. Jh.) • CTH 382: Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni (jh.: Anfang 13. Jh.) • CTH 381: Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung (jh.: Anfang 13. Jh.) • CTH 383.1: Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna (jh.: 2. Hälfte 13. Jh.) • CTH 384.1: Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna (jh.: 2. Hälfte 13. Jh.) Grenzfälle hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zum Korpus sind CTH 377, CTH 380.1, CTH 381 und CTH 382: CTH 377 ist zwar einem individuellen König zugeordnet und wird im Kolophon als arkuwar klassifiziert, es scheint aber der konkrete Anlass zu fehlen, und im Text selbst wird der Auftrag an den ausführenden Schreiber als Herbeirufung beschrieben (CTH 377, Kolon 6: d telipinun … mugāi). CTH 380.1 bezeichnet Singer (2002a: 71) mit Recht als „substitute ritual and prayer“. Der Grund für die Einbeziehung in das hier untersuchte Korpus sind die Zuordnung zu einer individuellen Königin, der konkrete Anlass und der kurze Abschnitt (Kolon 27–33) mit dem Bericht über die Vorgeschichte des Gebets, der für einen Ritualtext ungewöhnlich ist. CTH 381 wird von Singer (1996: 147f.) überzeugend als „framework for a prayer“ gedeutet: Die Stelle für die Einfügung des persönlichen Gebets ist zwar angegeben, doch ist es nicht ausgeführt, so dass im überlieferten Text selbst der konkrete Anlass des Gebets nicht genannt ist. CTH 382 ist einem individuellen König zugeordnet, wird als arkuwar bezeichnet, und der Anlass wird mit dem Zorn des Wettergottes angegeben. Was aber fehlt, ist die argumentative Darlegung der Notsituation bzw. des Rechtsfalls; stattdessen gibt es nur einzelne Bemerkungen im Rahmen von kasuistisch aufgeführten Gründen für den möglichen Zorn der Gottheit. 6 Die Namen der CTH-Nummern aus dem Hethitologie-Portal Mainz sind hier und im Folgenden strikt beibehalten, auch wenn in dem einen oder anderen Fall die Schreibung der Personennamen von der hier verwendeten abweicht.

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Einleitung

Obgleich die vier Texte trotz des Fehlens wichtiger Kriterien wegen ihrer übrigen Eigenschaften in das zu untersuchende Korpus aufgenommen werden, ist im Folgenden ihre Sonderstellung zu berücksichtigen und die Frage nach ihrer Zugehörigkeit am Schluss der Arbeit zu klären. Gegenüber der letzten umfassenden Sammlung von Singer (2002a) bleiben hier CTH 70, CTH 71, CTH 376.4, CTH 379, CTH 385.9 und CTH 386 von der näheren Betrachtung ausgeschlossen, weil infolge ihres schlechten Erhaltungszustands Strukturanalysen für diese Texte nicht möglich sind.7 CTH 777.8 wird als hurritischer Text nicht einbezogen. Bei den althethitischen Textkompositionen CTH 371, CTH 385.10 und CTH 389.2 handelt es sich indessen um Herbeirufungen (mugauwar) der älteren anatolischen Kultschicht, die anonym bleiben, in eine Ritualbeschreibung eingebettet sind oder nur stereotype Bitten um Sieg oder Wohlergehen des Königspaares ohne konkreten Anlass und Darlegung beinhalten (Singer 2002b: 300–7; Taracha 2009: 142 mit Anm. 826).

1.3 Forschungsgeschichtlicher Überblick Die Erforschung des „persönlichen Gebets“ der Hethiter hat sich im Wesentlichen auf drei Bereiche konzentriert: zunächst die philologische fundierte Bereitstellung des Materials, dann den Prozess der Adaption mesopotamischer Vorbilder und ihre Weiterentwicklung im Zuge der hethitischen Überlieferung sowie schließlich die weitere Auswertung des Materials – diese ebenso in Hinblick auf die Tatsachengeschichte wie auf literaturhistorische, religionswissenschaftliche und geistesgeschichtliche Fragestellungen. Die ersten Editionen mit Übersetzung und philologischem Kommentar stammen von Götze (1930) und Gurney (1940), die sich den Gebeten Muršilis, insbesondere den sogenannten „Pestgebeten“, gewidmet haben. Um die Sonnengottgebete CTH 372–374 hat sich seit dem Ende der 1950er Jahre vor allem Güterbock (1958; 1974; 1978; 1980) verdient gemacht. Daran schlossen sich zahlreiche weitere Bearbeitungen an: von Schuler 1965: 152–67 zu CTH 375; Houwink ten Cate und Josephson 1967 zu CTH 382; Güterbock 1980 zu CTH 376.1; Tischler 1981 zu CTH 380; Sürenhagen 1981 zu CTH 383 und CTH 384; Singer 1996 zu CTH 381; Görke 2000 zu CTH 372–374; Garcı́a Trabazo 2002 zu CTH 373, CTH 376, CTH 378.2, CTH 381 und CTH 384; Kassian und Yakubovich 2007 zu CTH 377; Schwemer 2015 zu CTH 372–374. Eine Gesamtausgabe wurde von Lebrun 1980 vorgelegt, aber gerade diese hat viel Anlass zu Kritik gegeben (vgl. die Rezensionen Kellerman 1983 und Marazzi 1983). Vor diesem Hintergrund ist eine neue kritische Edition des gesamten Korpus im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts „Sprachlichphilologische Bearbeitung und digitale Edition der Hymnen und Gebete in hethitischer Sprache (CTH 371–389)“ als Internetpublikation entstanden (Rieken, Lorenz und Daues 2016), welche die für die vorliegende Untersuchung verwendete Textgrundlage darstellt. 7 Text Nr. 7 von Singer ist als Exemplar E von CTH 376 integriert.

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Forschungsgeschichtlicher Überblick

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Die relevanten Texte sind in gebundener Umschrift und Übersetzung zur leichteren Handhabung und für die Stabilität der Kolon-Nummern als Anhang (S. 319–443) angefügt. Philologische Details und weiterführende Literaturangaben müssen jedoch der genannten online-Edition entnommen werden. Nach einer mustergültigen Übersetzung von Goetze (1950) sind seit den 1970er Jahren außerdem mehrere Anthologien erschienen, in denen die vollständigeren Passagen ausgewählter Gebete ins Englische, Deutsche, Französische, Spanische und Niederländische übertragen worden sind (Kühne 1975 und 1978; Bernabé Pajares 1987; de Roos 1983; Christmann-Franck 1989; Ünal 1991; Beckman 1997a und 1997b; Haas 2006: 253–69; van den Hout 2006: 259–63; Mazoyer 2007 und 2008; Klinger 2013b, 2013c und 2013d; Schwemer 2013). Ihrer Qualität und Vollständigkeit wegen ist vor allem die Sammlung von Singer (2002a) besonders hervorzuheben, in der einer Übersetzung von 24 Einzelgebeten ins Englische auch eine Einbettung in den kulturhistorischen Kontext vorangestellt ist. Die Überlieferungssituation jedes einzelnen Textes, die Fundorte und die Datierung der Tafeln und der aktuelle Stand der Textrekonstruktion lassen sich der von Silvin Košak betreuten Konkordanz des Hethitologie-Portals Mainz (URL: http://www.hethiter.net/hetkonk/) entnehmen. Eine Interpretation der Verteilung von Gebetstafeln auf die verschiedenen Archive der Hethiter-Hauptstadt bieten van den Hout (2007) und Torri (2010: 368), während Waal (2012; 2015: 85–118) die Korrelation des äußeren Erscheinungsbilds von Tontafeln mit Textsorten untersucht. Der zweite bedeutende Forschungsgegenstand besteht in den Adaptions- und Tradierungsprozessen. Grundlegend sind hier die Arbeiten von Güterbock (1958; 1974), der den wichtigen Vergleich mit den mesopotamischen Vorlagen aus den ŠU.ÍL.LA- und DINGIR.ŠÀ.DAB.BA-Gebeten mit dem hethitischen Sonnengott-Hymnus in CTH 374, CTH 372 und CTH 376.1 angestellt hat (vgl. auch Wilhelm 1994; Görke 2000: 101–17). Die von Güterbock als freie Adaptionen angesehenen Zeilen sind jüngst von Metcalf (2011; 2015a und 2015b) um weitere Passagen ergänzt worden, für die er einen sumerischen Hymnus an d Utu als fast wörtliches Vorbild nachweisen konnte, während Haas (2006: 245–53) auf weitere inhaltliche Parallelen zwischen hethitischen und mesopotamischen Hymnen hingewiesen hat. Auf Güterbock aufbauend zeichnet Singer (2002b und 2005: 559) das Szenario eines Übernahmeprozesses, in dem Kantuzili, dem Priester, dem Sohn von Tudḫaliya I. und Nikalmati, aufgrund seiner hurritischen Sozialisierung eine zentrale Rolle zukommt. Daran schließt sich unmittelbar auch die Frage einer hurritischen Vermittlung in diesem Prozess an, die bislang unbeantwortet geblieben ist (de Roos 1995: 1998; Wilhelm 1991: 46f.; Taracha 2009: 142f.). Die Stufen der innerhethitischen Tradierung und die intertextuellen Bezüge, die durch die Wiederverwendung von Versatzstücken aus dem Sonnengott-Hymnus in den persönlichen Gebeten hethitischer Könige mehrerer Generationen zustande gekommen sind, haben die Forscher wegen ihrer literaturhistorischen Relevanz und in der Diskussion um die Datierungskriterien beschäftigt (Houwink ten Cate 1969; Marazzi und Nowicki 1978 und Güterbock 1980 mit synoptischen Darstellungen; Singer 2002b; de Roos 1995: 2002; Metcalf 2015a: 48–52; Metcalf 2015b: 94–103 bzw. Güterbock 1978 und Carruba

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Einleitung

1983). Als Teil des Curriculums der hethitischen Schreibergelehrsamkeit war eine Reihe sumerischer und akkadischer Hymnen in Boğazköy gut bekannt und stand daher als Vorlage für Übersetzungen und Paraphrasierungen bis in die jüngste Zeit zur Verfügung (Klinger 2010; Schwemer 2015: 349). Eine dritte Forschungsrichtung nutzt die Gebetstexte als Quelle für die Literatur-, Religions- und Geistesgeschichte einerseits und die Tatsachengeschichte andererseits (für zusammenfassende Darstellungen s. Houwink ten Cate 1969; de Roos 1995; Singer 2002a). Für die Geschichtsschreibung gelten die Gebete als besonders zuverlässige Quelle, da man davon ausgeht, dass sich der Betende in der Rede zur Gottheit der Wahrheit in besonderem Maße verpflichtet fühlt (Houwink ten Cate 1969: 83; Cancik 1970: 85–7; zuletzt Hutter 2012: 669–71). Stellvertretend für die Vielzahl der historischen Studien, die Informationen aus den Gebetstexten nutzen, sei hier die „Geschichte des hethitischen Reiches“ von Klengel (1999) genannt. Im Bereich der Religionsgeschichte kann exemplarisch auf Singers Beobachtungen zum hethitischen Pantheon verwiesen werden, die sich aus der umfangreichen Götterliste in CTH 381 ergeben (Singer 1996: 171–89). Gelegentlich finden sich kurze Bemerkungen über die Einbettung der Gebete in den rituellen Kontext, so etwa in Houwink ten Cate 1969: 87 und in Singer 2002a: 12f. (etwas ausführlicher auch in Singer 1996: 155–7). Einen breiten Raum in der Forschung nimmt jedoch die Konzeptionalisierung des Gebets als „Falldarlegung“ (Plädoyer) in einem Gerichtsverfahren ein. Seit Laroche (1964/65: 19) wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass das verwendete Vokabular (z. B. arkuwar, kattawatar) und die Konstellation der am Gebet Beteiligten denjenigen eines Prozesses gleichen (Houwink ten Cate 1969: 93f.; Melchert 1979: 268–71 und 1998: 46; Lebrun 1980: 426–31; de Roos 1995: 1998; Singer 2002a: 5–11; Haas 2006: 254; Hutter 2012: 667). Eng damit verbunden ist die Auswertung unter geistesgeschichtlichen Gesichtspunkten. In Gebeten aus allen Perioden finden sich Äußerungen, die Rückschlüsse auf die Weltanschauung der Hethiter erlauben. So zitiert Beckman (1996) Sprichwörter und Vergleiche aus diesen Texten, während Singer (2005) u. a. auf dieser Basis Aussagen zum Verständnis der Konzepte von Sünde und Bestrafung machen kann. Dem gegenüber ist die literaturhistorische Analyse, die für die vorliegende Untersuchung wegen ihrer inhaltlichen Nähe zu den textlinguistischen Fragestellungen besonders wichtig ist, lange Zeit in den Kinderschuhen stecken geblieben (zu dieser Beurteilung vgl. auch Sürenhagen 1981: 84f.). Zwar hat man früh – meist unter Hinweis auf die mesopotamische Herkunft – Aussagen zu einem kompositorischen Schema gemacht, aber präzisere Strukturanalysen einzelner Gebete sind erst später erfolgt. Gurney (1940: 16–39) unterteilt das ihm zur Verfügung stehende Material in mehrere Sektionen und überschreibt diese mit den Titeln „Invocation“, „Hymn of Prayer and Prayer for Blessing“, „Plague Prayer“, „Continuation of previous section and Prayer for Blessing“ und „Colophons“. Darauf aufbauend trifft Güterbock folgende Aussagen: „That [Gurney’s] observation that these prayers are free combinations of essentially independent parts is quite to the point; we shall see that this technique was used by the Hittites in other cases as well.“ (Güterbock 1958: 237f.)

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Forschungsgeschichtlicher Überblick

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„The composition of the text as a whole follows a Babylonian pattern, in broad outlines at least: first the address, then a hymn of praise, followed by a transitional passage that leads to the prayer proper which, in turn, has several sections.“ (Güterbock 1958: 242)

In diesem Sinne äußert sich auch Houwink ten Cate (1969: 82). Zu einer ganz anderen Gewichtung und Gliederung für dieselben Texte kommt Marazzi (1981: 32–4) mit dem Schema Hymnus – Klage – Bitte. Für einige der Gebetstexte legt Lebrun (1980) im Rahmen seiner Textkommentare Inhaltsangaben vor, ohne aber den Versuch einer Generalisierung zu machen. Einen Teil der von Laroche (1964/65) festgestellten „ethnischen“ (oder emischen) Gattungsbegriffe und Typen der Kommunikation mit den Göttern, nämlich arkuwar, wekuwar und malduwar, greift Sürenhagen (1981: 123f.) auf8 und identifiziert sie auch als Strukturelemente von Gebeten. Als Erster stellt er ein detailliertes Strukturschema auf: I Eingangshymnus a Anrede b Hauptteil II Bittgebet c d1 d2 e f

Selbsteinführung Historische Darlegung Klage arkuwar wekuwar

III Versprechen g dalīlīka ludlul-Thema h malduwar Den drei „Oberthemen“ I Eingangshymnus, II Bittgebet und III Versprechen sind jeweils mehrere (Unter-)Themen zugeordnet (a Anrede, b Hauptteil, c Selbsteinführung etc.). Diese (Unter-)Themen, die frei kombinierbar sind, schließen sich nach Sürenhagen zu Gruppen mit je einem Oberthema zusammen. Für CTH 383.1 kommt er z. B. zu folgender Realisierung des Gesamtschemas:

8 Ähnlich äußern sich de Roos (1995: 1999–2002, zu den Strukturelementen arkuwar, mugauwar und walliyatar unter Ausschluss des wekuwar) und Kassian und Yakubovich (2007: 423, speziell in Bezug auf CTH 377 mit der Abfolge mugauwar, walliyatar, arkuwar).

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Einleitung

I II III II III

Eingangshymnus Bittgebet Versprechen Bittgebet Versprechen

Für das erste Vorkommen des Oberthemas II Bittgebet wiederum gibt Sürenhagen (1981: 128) das kompositorische Schema c, d1 , e, d1 , d2 , e, d2 , e, f, e an. Mit Ausnahme der Feststellung, dass c Selbsteinführung zum Anfang und f wekuwar (Bitte) zum Ende hin tendiert, entnimmt er dem kein Ordnungsprinzip. Daraus ergibt sich die problematische Situation, dass außer der Zuordnung der (Unter-)Themen zu den Oberthemen nichts gewonnen ist, weil alle Elemente innerhalb ihres Bereichs in fast freier Folge aufzutreten scheinen. Singer (1996: 145f.) nimmt für CTH 381 ebenfalls eine genaue Strukturanalyse vor, die folgende Bestandteile enthält: • • • • • • • • • • •

Präambel Ritualanweisungen Anrufung der Götter von Ḫatti Agenda des Gebets Erste Bitte um Vermittlung (Šeri) Anrufung der Götter aller Länder Zweite Bitte um Vermittlung (Sonnengott des Himmels) Dritte Bitte um Vermittlung (Wettergott piḫaššašši) Rituelle Gaben für die Götter von Ḫatti Platzhalter für das eigentliche Gebet Rituelle Gaben für die Götter aller Länder und den Sonnengott

Dieses Schema lässt sich allerdings nicht auf andere Gebete übertragen, weil CTH 381, wie oben festgestellt, als „framework for a prayer“ eine Sonderstellung einnimmt und in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten aufweist (z. B. durch die Einbeziehung von Ritualhandlungen). Ähnliches muss man auch einschränkend für die sehr viel einfachere Struktur (mugauwar, walliyatar, arkuwar) sagen, die Kassian und Yakubovich (2007: 423) für CTH 377 feststellen, da es sich hier zwar um ein persönliches Gebet, aber um eines ohne konkreten Anlass handelt (s. oben Kapitel 1.2). Offenbar haben die vorangegangenen Analysen nicht recht zu überzeugen vermocht oder erbringen zumindest kein auf andere Gebete übertragbares Aufbauschema, denn Wilhelm (2010: 34) verweist in jüngster Zeit für das Kantuzili-Gebet CTH 373 wieder auf das mesopotamische Bittgebet des Einzelnen und die biblischen Psalmen, die die Struktur „Anrede mit Epitheta, die hymnisch erweitert werden kann, Selbstvorstellung des Beters, Klage, Tun des Beters, Bitte und Gebetsschluss“ erwarten lassen. Im Gegensatz dazu

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Methode und Aufbau der Arbeit

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kommt Taracha (2009: 141–4) in seiner kurzen Beschreibung der hethitischen Gebete bloß zu der Dreiteilung in invocatio, argumentatio und preces. De Roos (1995: 2002) geht sogar so weit zu behaupten, dass eine übergreifende systematische Strukturanalyse gar nicht möglich sei („the construction of the prayers that, with the exception of the hymns discussed above, cannot be classified within the framework of a systematic structure“). Der Forschungsstand in der hethitischen Literaturgeschichte bezüglich so grundlegender Fragen wie der Strukturanalyse der Textvertreter dieser wichtigen Gattung ist also recht unübersichtlich und unbefriedigend. Dies erscheint umso überraschender, als in den benachbarten Disziplinen der Akkadistik und der alttestamentlichen Wissenschaft die Struktur und die sprachlichen Gestaltungsmittel von Gebetsbeschwörungen bzw. die Formgeschichte der Psalmen seit langem Gegenstand des Forschungsinteresses sind: Als wichtige monographische Arbeiten seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit aus der Akkadistik Kunstmann 1932, Mayer 1976, Wright 1979, Zgoll 2003b, Zernecke 2011, Lenzi 2011, Frechette 2012 und Jaques 2015 genannt, aus der Theologie Gunkel 1933, Gerstenberger 1980, Westermann 1983 und Janowski 2006.9 Dem steht in der Hethitologie bisher wenig gegenüber. Schlechter noch ist es um die textlinguistische Forschung in der Hethitologie bestellt. Hier bilden auch die Gebete keine Ausnahme, denn zusätzlich zu Bemerkungen in den philologischen Kommentaren und den oben genannten Behandlungen der hethitischen Gattungsbezeichnungen gibt es zum Thema nur drei Aufsätze von Torri (2003), Dardano (2014) und Rieken (2014) zu einzelnen sprachlichen Merkmalen der hethitischen Sakralsprache im Allgemeinen. Die vorliegende Untersuchung soll ein erster Schritt sein, die Lücke für die Gattung des persönlichen Gebets zu schließen und zu prüfen, ob sich der Begriff der Textsorte hier auf der Basis typischer gemeinsamer formaler, inhaltlicher, intentional-funktionaler, situativer und medialer Merkmale sinnvoll anwenden lässt.

1.4 Methode und Aufbau der Arbeit Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, eine textlinguistische Analyse der Gattung des persönlichen Gebets im Hethitischen vorzulegen. Dabei handelt es sich um die „kritische“, von modernen Forschern definierte Gattung einer Korpussprache des 2. Jt. v. Chr. Das bringt manches methodische Problem mit sich, das sich aus der zeitlichen und kulturellen Distanz zwischen dem hethitischen Verfasser und dem modernen Rezipienten ergibt. Denn unsere sehr eingeschränkte Kenntnis des „Sitzes im Leben“ dieser Texte und das Fehlen des intuitiven Textsortenwissens macht die Beantwortung einiger wichtiger Fragen, die bei der Textsortenforschung der Gegenwartsphilologien selbstverständlich behandelt werden, fast oder ganz unmöglich. Dennoch soll im Folgenden – auch wenn das eine oder andere offen bleiben muss – eine umfassende Darstellung 9 Außerdem sei auf den ausführlichen forschungsgeschichtlichen Abriss in Zernecke 2011: 1–17 und die Diskussion über den Gattungsbegriff von Zernecke (2011: 297–316) verwiesen.

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Einleitung

versucht werden. Nach der Bestimmung der dominierenden Intention der Gesamttexte in Kapitel 2.1 folgt daher eine Beschreibung der kommunikativen Situation und des Mediums, soweit uns die Quellen hierüber Auskunft geben (Kapitel 2.2–2.4). Um festzustellen, ob es sich bei dem oben in Kapitel 1.2. nach funktionalen Kriterien ausgewählten Korpus tatsächlich um eine Textsorte im linguistischen Sinne handelt, wird dies als Arbeitshypothese für die folgenden Untersuchungsschritte zunächst vorausgesetzt. Ist für die Texte eine gemeinsame Analyse möglich und kann man in vielen und zentralen Bereichen Generalisierungen vornehmen, so lässt sich die Frage nach dem Status als Textsorte positiv beantworten. Hierfür wird der Textsortenbegriff von Gansel & Jürgens, der einen breiten Konsens zum Ausdruck bringt, zugrunde gelegt: „Textsorten konstituieren sich durch ein prototypisches Aufeinander-Bezogen-Sein kontextueller und struktureller Merkmale. Sie bilden Rahmen für prototypische, auf Konventionen der Sprachteilhaber beruhende sprachliche Muster mit charakteristischen funktionalen, medial-situativen und thematischen Merkmalen sowie einer diesen Merkmalen entsprechenden formalen Struktur.“ (Gansel und Jürgens 2007: 92)

Eine Textsorte ist also eine Klasse von Texten, die einem Textmuster folgen. Textmuster wiederum sind „Möglichkeitsfelder, in denen es sowohl einige überindividuelle Handlungsorientierungen gibt als auch Ermessensspielräume“ (Fix, Poethe und Yos 2003: 25f.). Im Falle des hethitischen persönlichen Gebets wäre also z. B. festzustellen, welche Strukturelemente obligatorisch und welche fakultativ auftreten oder welche formalen Merkmale charakteristisch für bestimmte Strukturelemente sind und wieviel Variabilität hier vorhanden ist, also welche Form-Funktion-Korrelationen im Rahmen des Textmusters „persönliches Gebet“ bestimmend sind. Um diese Aufgabe für eine ganze Reihe von Texten leisten zu können, wird ein konsistenter Beschreibungsapparat gebraucht, der jeweils dieselben Kriterien an vergleichbare Kategorien anlegt. Da mit Lehmann (1984: 37) komparative Begriffe notwendigerweise funktional begründet sein müssen, nimmt die vorliegende Untersuchung ihren Ausgangspunkt in funktional definierten Kategorien, um dann jeweils die formseitigen Korrelate zu ermitteln; sie folgt also einem onomasiologischen Ansatz. Unter den funktionalen Kategorien spielt in der Textsortenanalyse wiederum die Sprecherintention eine herausragende Rolle, die deshalb ein zentrales Kriterium für die Segmentierung der Gesamttexte in die untergeordneten Strukturelemente ist und die damit auch für den Aufbau dieser Arbeit bestimmend sein wird: Nach der Behandlung der einzelnen Gesamttexte (Kapitel 3.2.1–3.2.15) folgt eine Auswertung, in der die zugrunde gelegten Kriterienkataloge genutzt werden, um die von den hethitischen Verfassern genutzten Textmuster zu ermitteln (Kapitel 3.3–3.6). Die in der Forschungsliteratur angebotene Vielfalt der Kriterienkataloge und der damit verbundenen Merkmalinventare ist immens. Dabei wird der Schwerpunkt auf ganz unterschiedliche Bereiche des Funktionenspektrums gelegt; auch die Perspektiven, aus denen Textualität generell und die Textsortenproblematik im Besonderen betrachtet werden, sind divers. Einen guten Überblick über die aktuellen Forschungsansätze gibt

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Methode und Aufbau der Arbeit

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jedoch Stede (2007). Von ihm stammt auch der Vorschlag einer ebenenorientierten Textanalyse, die sich jeweils gesondert den verschiedenen zu beschreibenden Merkmalen von Textualität zuwendet, bevor das Zusammenspiel der Ebenen untersucht wird (Stede 2007: 181–3). Folgende Ebenen gibt er an: • • • • • •

Ebene der referenziellen Struktur Ebene der thematischen Struktur Ebene der temporalen Struktur Ebene der Illokutionsstruktur Ebene der Argumentationsstruktur Ebene der rhetorischen Struktur

So sinnvoll diese Vorgehensweise a priori erscheint, um die Ergebnisse übersichtlicher und transparenter gestalten zu können, so schwierig erweist es sich in mehreren Fällen, die Ebenen getrennt zu halten. Stede (2007: 88) selbst bemerkt beispielsweise, dass das Verhältnis von referenzieller und thematischer Struktur noch ungeklärt sei. Weil es zweifellos zwischen beiden starke Überschneidungen gibt, werden sie hier gemeinsam behandelt. Dasselbe gilt für die argumentative und die rhetorische Struktur, denn die Stützungsbeziehungen zwischen den Segmenten einer Argumentationsstruktur sind in den Kohärenzrelationen enthalten, die für die rhetorische Struktur angesetzt werden. Es verbleiben also vier Ebenen: die referenziell-thematische, die temporale, die illokutive und die argumentativ-rhetorische Struktur. Auch die Erkennung mehrerer zusätzlicher textsortenspezifischer Gestaltungsprinzipien im Bereich der Makrostruktur werden für das Verständnis von Textaufbau und Gestaltungspielräumen notwendig sein (s. Kapitel 3.4–3.6). Kapitel 4 ist der mikrostrukturellen Analyse der einzelnen Strukturelemente gewidmet, die in Hinblick auf ihre typischen Ausdrucksformen untersucht werden. Dadurch wird die notwendige Differenzierung zwischen den globalen Merkmalen der Gesamttexte und den lokalen Merkmalen der Strukturelemente erreicht. Ein Katalog von Merkmalen, die in der Forschungsliteratur als relevant erkannt worden sind, wird in der Einleitung zu Kapitel 4 vorgestellt. Durch die Untersuchung der verschiedenen Strukturelemente (Kapitel 4.1–4.11) soll dieser ggf. modifiziert und erweitert werden. Den Schluss bildet eine Synthese der erzielten Ergebnisse (Kapitel 4.12). In Kapitel 5 folgt nach einer kurzen Einleitung zu Methode und Zielsetzung (Kapitel 5.1–5.2) für jeden der analysierten Gesamttexte eine Darstellung seiner Stilistik und Dramaturgie, die die Ergebnisse der Analyse nach Strukturelementen weiter ergänzt und das Zusammenspiel sämtlicher Merkmale innerhalb eines Gesamttextes vor Augen führt (Kapitel 5.3–5.6). Dieser Teil des vorliegenden Buches behandelt dadurch auch literaturgeschichtliche Aspekte, deren Prinzipien in der Synthese zusammengestellt werden (Kapitel 5.7). Den Abschluss (Kapitel 6) bildet neben einer Zusammenfassung der Einzelergebnisse die Diskussion der eingangs gestellten Frage, ob die Texte des ausgewählten Korpus als Vertreter ein und derselben Textsorte gelten dürfen, die jeweils einem gemeinsamen Textmuster folgen, oder ob sie verschiedenen Textsorten zuzuordnen sind.

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2 GESAMTTEXTE: TEXTEXTERNE FAKTOREN (von Elisabeth Rieken) Bevor in den kommenden Kapiteln die textlinguistische Analyse vorgenommen wird, ist es zuerst notwendig, verschiedene textexterne Faktoren, die die sprachliche Form des Textes beeinflussen, in den Blick zu nehmen. Dazu gehören die folgenden Beschreibungskategorien: Intention der Texte, die am Kommunikationsprozess beteiligten Akteure, das Kommunikationsmedium und die angestrebte Gültigkeitsdauer der Texte sowie schließlich der Kommunikationsbereich (Adamzik 2004: 83–94; Stede 2007: 37). Eben weil es sich dabei um Faktoren handelt, die außerhalb des Textes stehen, gehören viele der betreffenden Fragestellungen eher in den Bereich der Religions- und Geistesgeschichte. Dies gilt in besonderem Maße für die dem Gebet zugrunde liegende Konzeptionalisierung, die deshalb schon verschiedentlich Behandlung gefunden hat (s. unten Kapitel 2.4 mit weiterführender Literatur). Während die Ausführungen zu diesem letztgenannten Thema dementsprechend recht knapp gehalten werden können, sollen die anderen hier aus einer spezifisch linguistischen Perspektive genauer betrachtet werden.

2.1 Intention der Gesamttexte („Textfunktion“) Da der Auswahl des Korpus bereits ein „kritischer“ Gattungsbegriff auf funktionaler Basis zugrunde gelegt ist (s. oben Kapitel 1.2 auf S. 3), wird die folgende Beschreibung der Intention der betreffenden Texte notwendigerweise in Teilen zirkulär sein und eher eine Präzisierung aus linguistischer Perspektive darstellen. Ausgangspunkt ist also die von Singer vorgeschlagene Begriffsbestimmung des persönlichen Gebets: „With the exception of Kantuzili’s prayer …, the personal prayers are initiated by a king or a queen seeking divine intervention in a concrete situation, such as the solution to an urgent military problem …, the cure of some severe disease …, the absolution for particular sins …, or a combination of several problems …“ (Singer 2002b: 307)

Die Klassifizierung der Texte als Gebete mit der Bitte um göttliches Eingreifen bringt mit sich, dass dem modernen Textsortenwissen entsprechend von Singer und vielen anderen vor ihm eine appellative Grundfunktion vorausgesetzt wird, dass also der Betende den göttlichen Adressaten zu einer Handlung oder einer veränderten Einstellung bewegen will. Für die textanalytische Bestimmung der Intention oder kommunikativen Funktion des Gesamttextes ist es nun von Bedeutung, über dieses intuitive Verständnis hinaus die Interpretation durch eine semantisch-pragmatische Analyse und korrelierende formale Merkmale zu untermauern. Hier ist noch immer die auf Searle (1979) basierende

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

Klassifikation von Brinker (1985; 2010: 78–119) grundlegend.10 Danach muss zum einen zwischen der dominierenden Intention des gesamten Textes und den möglicherweise abweichenden Intentionen der untergeordneten Strukturelemente unterschieden werden (Brinker 2010: 78); zum anderen ist „die im Text mit bestimmten konventionell geltenden, d. h. in der Kommunikationsgemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln ausgedrückte Kommunikationsabsicht“, die der Adressat nach dem Willen des Sprechers erkennen soll, zu trennen von der „wahren Absicht“ (Brinker 2010: 88, mit Verweis auf Große 1976), die der Sprecher insgeheim mit seiner Äußerung verbinden mag, etwa diejenige der Persuasion. Brinker verwendet dafür die gut etablierte Bezeichnung „Textfunktion“ – ein Ausdruck, der in der vorliegenden Arbeit allerdings vermieden wird, um eine Vermengung mit der sehr viel allgemeineren Gebrauchsweise von „Funktion“ im Zusammenhang mit generellen Form-Funktion-Korrelationen, die über den Bereich der Textlinguistik hinausgehen, zu vermeiden. Unter Berücksichtigung des eben Gesagten gibt Brinker (2010: 98) die folgende Klassifikation von Illokutionen mit ihren kommunikativen Intentionen („textuelle Grundfunktionen“), die den interpersonalen Aspekt zwischen dem Sprecher („Emittent“) und dem Adressaten („Rezipient“) in den Vordergrund stellt: • Information: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass er ihm ein Wissen vermitteln, ihn über etwas informieren will“ (ibid. 98). • Appell: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass er ihn dazu bewegen will, eine bestimmte Einstellung gegenüber einer Sache einzunehmen (Meinungsbeeinflussung) und/oder ein bestimmte Handlung zu vollziehen (Handlungsbeeinflussung)“ (ibid. 101). • Obligation: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass er sich ihm gegenüber dazu verpflichtet, eine bestimmte Handlung zu vollziehen“ (ibid. 109). • Kontakt: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass es ihm um die personale Beziehung zum Rezipienten geht (insbesondere um die Herstellung und Erhaltung des persönlichen Kontakts)“ (ibid. 110). • Deklaration: „Der Emittent gibt dem Rezipienten zu verstehen, dass der Text eine neue Realität schafft, dass die (erfolgreiche) Äußerung des Textes die Einführung eine bestimmten Faktums bedeutet“ (ibid. 111). Auf das persönliche Gebet bei den Hethitern bezogen kann man bereits nach dem oben (Kapitel 1.3) beschriebenen Forschungsstand zur Strukturanalyse zweifellos festhalten, dass die persönlichen Gebete mehrere und sehr unterschiedliche Strukturelemente mit ebenso verschiedenen Intentionen enthalten. Unter diesen lassen sich die Bitten, die an die Gottheiten gerichtet werden, als das zentrale Strukturelement identifizieren, das die dominierende Intention des Gesamttextes vermittelt. Dass diese appellativer Natur ist, kristallisiert sich in den Formulierungen deutlich heraus: Denn hier spricht der Betende 10 Zur Forschungsgeschichte s. ausführlicher Adamzik 2004: 107–17.

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Intention der Gesamttexte

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explizit (fast ausnahmslos im Imperativ) aus, was die angesprochene Gottheit tun soll. Das klar formulierte Bemühen um Handlungsbeeinflussung und Wiederherstellung der gestörten Gottesbeziehung ist also in Brinkers Sinne die „ausgedrückte Kommunikationsabsicht“.11 Dies sei durch die beiden folgenden Beispiele für Bitten an die angerufene Gottheit (1) und an die vermittelnde Gottheit (2) illustriert: (1)

CTH 383.1, Kolon 138 138 nu=mu=kan d UTU uru PÚ-na [GAŠAN=YA] ŠA d 10 uru nerik DUMU=KA āšši[yantaš URU-ri šer] ZI=YA ZI DAM=YA=ya DUMUmeš =Y [A g]enzuwai „Sonnengöttin von Arinna, [meine Herrin, im Interesse der Stadt] des Wettergottes von Nerik, deines gel[iebten] Sohnes, behandle meine Person (und) die Personen meiner Gemahlin [und me]iner Kinder [g]nädig!“

(2)

CTH 372, Kolon 71–74 71 nu=ššan DINGIR-LIM-iš apāš mān nepiši mān=aš taknī 72 zigg=a=šši d UTU-uš katte=šši pāiši 73 nu īt ap[ēd]ani DINGIR-LIM-ni tet 74 nu=šši ⟨⟨nu⟩⟩ ŠA LÚ.NAM.U19 .LU-[UTT ]I uddār EGIR-pa tarkumma[i] „Sei es, dass jener Gott (sich) im Himmel (befindet), oder sei es, dass er (sich) in der Erde (befindet), du aber, Sonnengott, gehst zu ihm. Geh (und) sprich zu j[en]em Gott! Übermittl[e] ihm die (folgenden) Worte des Menschen!“

Andere Strukturelemente wie Anrede, Hymnus oder Gelübde besitzen für sich genommen keinen appellativen Charakter, aber sie stützen sehr wohl die dominierende Intention des Gesamttextes, indem sie durch die Kontaktaufnahme, die Äußerung von Vertrauen oder die Inaussichtstellung von Gegenleistungen eine Voraussetzung und Motivation für die Erfüllung der Bitte schaffen. Diese Stützfunktion ist ein deutlicher Hinweis auf die dominierende Stellung der in den Bitten geäußerten appellativen Intention. Ein anderer ist der temporalen Struktur der Gesamttexte zu entnehmen (freundlicher Hinweis von Thomas Rieken). Die chronologische Ordnung der Strukturelemente zeigt nämlich, dass im Allgemeinen nach generischen (zeitlosen) Sachverhalten zunächst Vergangenes berichtet wird, bis man im Verlauf des Diskurses zur gegenwärtigen Situation gelangt. In der aktuellen Gegenwart und unmittelbaren Zukunft ist das zentrale Geschehen angesiedelt – das sind die Performanz der Bitten und ihre antizipierte Erfüllung –, bevor mit den Gelübden und ihrer Durchführung in der ferneren Zukunft die Nähe zur Gegenwart wieder verlassen wird. In der Dramaturgie der Gebete bilden die Bitten den Höhepunkt. 11 Andere, nicht dominierende Intentionen des Gesamttextes, also „wahre“ oder „geheime Absichten“ und bloße Nebenwirkungen, können in der Psychagogie des Selbst und des Publikums bestehen (Zgoll 2003b: 259–64), im Gemeinschaftserlebnis und in der Identifikation von König und Publikum, in der Gewissenserleichterung und der Äußerung des persönlichen Kummers. Wagner (2009: 201) verweist hier auf das reflexive Moment der Kommunikationssituation und die kognitive Sprachfunktion.

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

Auf der formalen Seite sind die Bitten überwiegend durch den Imperativ der 2. oder 3. Person markiert. Dies ist eine morphologische Markierung, die auf die Bitten beschränkt ist. Allerdings gibt es auch – wie in CTH 372, Kolon 72 – den deutlich selteneren Fall, dass die Bitte oder ein Teil derselben – im Übergang nach generischen Aussagen in hymnischen Passagen – als Konstatierung der gewünschten Handlung im Indikativ Präsens formuliert wird. Das funktionale und formale Zusammenwirken der Strukturelemente wird ausführlich in Kapitel 3 dargestellt. Zuvor soll jedoch in den Kapiteln 2.2–2.4 die kommunikative Situation behandelt werden, in die das persönliche Gebet gestellt ist.

2.2 Am Kommunikationsprozess beteiligte Akteure Was zunächst sehr einfach zu sein scheint, weil man im Allgemeinen bei mündlich geäußerten Texten von Sprechern und Hörern bzw. im Falle schriftlicher Texte von Textproduzenten und -rezipienten ausgeht, kann sich mit Adamzik (2004: 83–94) im Einzelfall als recht komplexe Konstellation mit vielen weiteren beteiligten Akteuren herausstellen. Es kann eine ganze Reihe von Personen in verschiedenen Kommunikantenrollen involviert sein (Äußerer, Formulierer, Korrektor, Unterzeichner, Layouter, Verbreiter, Sponsor usw.); und der Text kann eine Kette von Produktions-, Distributions-, Filter- und Rezeptionsinstanzen durchlaufen. Für das persönliche Gebet der hethitischen Könige lassen sich zumindest die drei Phasen der Produktion, Ausführung und Archivierung annehmen, an denen verschiedene Personen mitwirken können. Im Rahmen des Umgangs der Hethiter mit ihren Texten bietet die Ausführung des Gebets die interessantesten Spezifika. Beim Betenden handelt es sich in den meisten Fällen ausdrücklich um den hethitischen König selbst (CTH 374, CTH 376.1, CTH 377, CTH 378.1–4, CTH 381, CTH 382), seltener um das Königspaar (CTH 375, CTH 383.112 ) oder die Königin (CTH 380.1, CTH 384.1). Nur im Falle des Sonnengottgebets CTH 373 ist der Betende (Kantuzili) als naher Verwandter des Königs nicht selbst königlich. Bei CTH 372 besteht die Besonderheit, dass der Sprecher sich nicht mit Namen nennt, sondern sich stets unspezifisch als DUMU.LÚ.U19 .LU (oder LÚ.NAM.U19 .LU) „Mensch“ bezeichnet. Schwemer (2015: 375) zieht deshalb die Möglichkeit in Betracht, dass der Text in der vorliegenden Form nicht zum Vortrag gedacht war, sondern im Bedarfsfall für den aktuellen Nutzer adaptiert werden sollte. Aber selbst wenn dies zutrifft, darf man wohl davon ausgehen, dass der Nutzer dann der König selbst war.13 Darüber wie der König den Vortrag der recht langen Texte mnemotechnisch bewältigt, gibt es keine Aussage, doch ist denkbar, dass ihm die Worte von einem lesekundigen Schreiber vorgesprochen werden. 12 Den Angaben im Gebet selbst zufolge stammt es sowohl von Ḫattušili als auch Puduḫepa, tatsächlich spricht aber allein Ḫattušili in der 1. Person Singular. 13 Die große Zahl der Korrekturen lässt mit Güterbock (1978: 130) vermuten, dass es sich um einen Entwurf handelt. Alternativ erwägt Schwemer (2015: 375), dass eine Schülertafel vorliegt.

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Am Kommunikationsprozess beteiligte Akteure

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In drei Fällen spricht der König offensichtlich nicht selbst (Singer 2002a: 7), denn im einleitenden Abschnitt der betreffenden Tafeln ist jeweils vermerkt, dass ein Repräsentant die Ausführung für den König (stets Muršili) übernimmt, vgl.: (3)

CTH 377, Kolon 1–2 1 2

[kī=m]a=kan ṬUPPI DUB.SAR ANA DINGIR-LIM anda UD-at UD-at memiške[zzi] [nu DING]IR-LAM walliškezzi

„[Diese] Tafel [ab]er spric[ht] der Tafelschreiber Tag für Tag zur Gottheit, [und] er rü hmt [die Gotth]eit.“ (4)

CTH 378.2, Kolon 1–3 1 2 3

[d I]M uru ḫatti BELI=YA [U DINGIRmeš uru ḫatti BEL]U meš =YA uiyat=mu m murš[iliš LUGAL GAL š]umēl ARAD=KUNU īt=wa ANA d I[M] uru ḫatti [B]ELI=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA k[i]ššan memi

„[Wetter]gott von Ḫatti, mein Herr, [und (ihr) Götter von Ḫatti,] meine [Herr]en, es schickte mich Mur[šili, der König, e]uer Diener. ‚Geh (und) sprich zum Wetter[gott] von Ḫatti, meinem [H]errn, und zu den (anderen) Göttern, meinen Herren, f[o]lgendermaßen!‘“ Aus CTH 377, Kolon 1, geht hervor, dass es sich beim Sprecher um einen Schreiber handelt, während die beiden anderen Passagen (der als Beispiel (4) zitierte Textausschnitt CTH 378.2, Kolon 1–3, und CTH 376.1, Kolon 2–4) keine Rückschlüsse erlauben. Es gibt also keinen expliziten Hinweis darauf, dass es ein Priester war, der wegen seiner Expertise für diese Aufgabe ausgewählt worden wäre. Ein und dasselbe Gebet kann mehrere verschiedene Adressaten aufweisen (s. Kapitel 3.5). Diese Akteure können sehr unterschiedliche Funktionen übernehmen, die sich u. a. in der Art der an sie gerichteten Bitten (um Gehör, um Vermittlung, um Leben und Gesundheit etc.) widerspiegeln. Unter den Adressaten sind die verschiedenen Erscheinungsformen der Sonnengottheit am häufigsten (Singer 2002a: 8; Listen finden sich bei Houwink ten Cate 1969: 84–6 und Singer 1996: 151f.). Dies ist bei den älteren persönlichen Gebeten CTH 374 und CTH 373 sowie in der jüngeren Version CTH 372 der männliche Sonnengott. Der Sonnengott, der in einem Vermittlungsgebet zunächst in einem langen Hymnus angesprochen wird, soll das in den Text eingebettete Zentrale Gebet an den persönlichen Gott („mein Gott“) weitergeben, denn der persönliche Gott ist erzürnt und hat sich vom Betenden abgewandt.14 Diese Funktion besitzt die Sonnengöttin von Arinna nicht, obgleich sie 14 Diese Situation entspricht ganz der mesopotamischen Vorstellungswelt (vgl. Zgoll 2003c: 35f.), wo in den ŠU.ÍL.LA-Ritualen die Bitte an die Hochgötter herangetragen wird, die persönlichen Götter

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

seit althethitischer Zeit (CTH 371) über die mittelhethitische Periode (CTH 375.1) bis in die 2. Hälfte des 13. Jh.s (CTH 383.1 und CTH 384.1) immer wieder angerufen wird. In der Zeit Muršilis und Muwatallis verändert sich das Bild. Nun werden auch andere Gottheiten als die Sonnengottheiten unmittelbar angerufen: Telipinu in dem Gebet CTH 377, der Wettergott von Ḫatti in CTH 378.2 und Lelwani in CTH 380.1 sowie unter Muwatalli der Wettergott von Kummanni in CTH 382. Ruft man die Gesamtheit der Götter zusätzlich zu den individuell genannten Gottheiten an, gibt es einen Wechsel in der Ansprache zwischen dem individuellen Adressaten und den Göttern (CTH 376.1, CTH 378.3, CTH 378.2).15 Außerdem tritt unter Muršili auch schon die Götterversammlung selbst als alleiniger Adressat auf (CTH 378.1, CTH 378.4). Eine Umkehrung des älteren Prinzips aus den Sonnengottgebeten entsteht unter Muwatalli mit CTH 381, das eine Kombination des Gebets an die Götterversammlung mit drei Vermittlungsbitten an individuelle Gottheiten bietet, darunter die bekannte Bitte um Vermittlung an den Sonnengott. Diese evoziert zwar die Vermittlungsgebete, die auch in CTH 372–374 an den Sonnengott gerichtet sind (Singer 2002a: 81), aber die Vermittlungsbitte an den Wettergott piḫaššašši, die wenig später folgt, ruft intertextuell durch verschiedene formale Merkmale die Zentralen Gebete mit dem persönlichen Gott als Adressaten auf. Dem gegenüber sind im Gebet Puduḫepas an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 384.1) die Vermittlungsbitten an die Akolythen der Sonnengöttin dem Zentralen Gebet am Ende angefügt. Im Gebet von Ḫattušili und Puduḫepa (CTH 383.1) wird ganz auf Vermittlung verzichtet und die Sonnengöttin wird unmittelbar angesprochen und anscheinend erstmals allein mit den Zentralen Bitten konfrontiert. Aus dieser chronologisch geordneten Darstellung ist rasch ersichtlich, wie sich die Personenkonstellation und damit auch die Kommunikationssituation im Verlauf von zwei Jahrhunderten immer wieder ändert. Die unterschiedliche Stellung der eigentlich angerufenen und der vermittelnden bzw. als Zeugen auftretenden Gottheiten spiegelt sich, wie unten in Kapitel 4 zu zeigen sein wird, jeweils auch in formalen Merkmalen, im Grad der Vertrautheit und in den angesprochenen Themen wider. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass die persönlichen Gebete der Hethiter auch dann, wenn es nicht ausdrücklich gesagt wird, in einen rituellen Kontext eingebettet sind (so Houwink ten Cate 1969: 87; Singer 2002a: 12). Eine explizite Beschreibung der Ritualhandlung liegt in dem „framework prayer“ Muwatallis (CTH 381) und in dem Ersatzritual und Gebet der Gaššuliyawia (CTH 380.1) vor. Außerdem lassen sich Belege wie die beiden folgenden dahingehend deuten, dass im Gebet eine gerade im Verlauf befindliche Ritualhandlung kommentiert wird: wieder zur Zuwendung zum Betenden zu veranlassen. In den DINGIR.ŠÀ.DAB.BA-Gebeten an den persönlichen Gott trägt dagegen der Betende sein Anliegen ohne viel Umschweife vor. Das Gebet an den persönlichen Gott direkt in das Vermittlungsgebet einzubetten, scheint jedoch eine hethitische Gestaltungstechnik zu sein. 15 Zwar ähnelt die unvermittelte Ansprache an die Götter in CTH 376.1 nach einem langen Hymnus an die Sonnengöttin von Arinna derjenigen an die persönliche Gottheit in den Zentralen Gebeten von CTH 372–374 nach dem Sonnengotthymnus, aber eine explizite Bitte um Vermittlung erfolgt nicht.

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Am Kommunikationsprozess beteiligte Akteure

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(5)

CTH 372, Kolon 47–50 47 nu miewuš kwiuš d UTU-uš tūriyan ḫarši 48 nu=šmaš kāša DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU-aš ḫalkin šuḫḫaš 49 nu miewaš=tiš karippandu 50 nu kwitman mieyawaš=teš ḫalkin karip[p]anzi … „Welche Vier du, Sonnengott, angeschirrt hast, ihnen hat der Mensch hier16 Gerste hingeschüttet. Deine Vier sollen fressen! Und solange deine Vier die Gerste fres[s]en, …“

(6)

CTH 378.1, Kolon 112–115 112 nu=z(a) kāša ANA KUR-TI ḫingani šēr šumēš ANA DINGIRmeš BEL[U Ḫ ]i.a =YA maškan peškemi 113 šarnikziliēškem[i] 114 [n]u=šmaš maškan šarn[i]kziell=a šarnin[k]eškemi 115 nu=mu DINGIRmeš BELU meš =YA ginzu namma datte[n] „Ich hier gebe euch, den Göttern, meinen Herr[e]n, (gerade) ein Aussöhnungsopfer wegen der Seuche des Landes (und) vollzieh[e] (gerade) ein Entschädigungsopfer. Ich entschä[d]ige euch (gerade) (mittels eines) Aussöhnungs- (und eines) Entsch[ä]digungs(opfers). (Ihr) Götter, meine Herren, nehm[t] mir (gegenüber) wieder eine gütige Gesinnung an!“

Solche Passagen zeichnen sich aus durch die sprecherbezogene deiktische Partikel kāša „hier (bei mir)“, vielfach auch durch imperfektivische Verbalformen mit -ške/a-Suffix für die Gegenwart und schließlich durch die unmittelbar folgende an die Gottheit gerichtete Bitte. In Beispiel (6) kommt auch die Konjunktion kwitman „solange“ als Indikator hinzu. Da aber der König das Opfer kaum allein vollziehen wird, ist anzunehmen, dass mindestens auch Ritualexperten zugegen sind, die damit zu Zeugen des persönlichen Gebets werden. Freilich tritt nur zweimal – in parallelen Texten (CTH 376.1, Kolon 155; beim „Grenzfall“ CTH 377, Kolon 61) – eine Zuhörerschaft in Aktion, indem sie die Bitten des Königs Muršili durch einen zustimmenden Ausruf unterstreicht (Houwink ten Cate 1969: 88f.; Singer 2002a: 12): (7)

CTH 376.1, Kolon 155 155 nu panku[š] apāt ē[šd]u ḫalzai „Die Versammlu[ng] ruft: ‚Das so[ll ge]schehen!‘“

Außer beim Verlesen des Gebetstextes spielen die Schreiber bei der Formulierung, Niederschrift und Archivierung des Textes eine tragende Rolle. De Roos (1995: 1997) führt zwar 16 Die Partikel kāša bringt den engen Bezug des Sachverhalts zum Sprecher zum Ausdruck (vgl. Rieken 2009). Das Deutsche hat hierfür kein genaues Äquivalent, weshalb im Folgenden ersatzweise das Adverb hier hinter das auf den Sprecher referierende Substantiv oder Pronomen gesetzt wird.

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

einen Beleg an, der sich – bei korrekter Ergänzung – dahingehend interpretieren ließe, dass der König den Gebetstext selbst formuliert und diktiert habe. Er hält es allerdings für ebenso gut möglich, dass der König lediglich den Inhalt festgelegt habe und die eigentliche Ausformulierung von seinem Schreiber vorgenommen worden sei. Vgl.: (8) CTH 382, Kolon 151 151 ANA d UTU-ŠI=at=kan [iššaz ? p]a[r]ā aniyan „Sie (scil. die Tafel) (ist) für die Majestät [aus dem Mund ? (scil. nach ihren Worten) vo]llst[än]dig fertiggestellt.“ Beide Interpretationen sind gänzlich unsicher, nicht nur wegen der Notwendigkeit, das Schlüsselwort iššaz „aus dem Mund“ zu ergänzen17 , sondern auch weil selbst bei Richtigkeit der Ergänzung eine Übersetzung „auf Befehl für die Majestät“ nicht ausgeschlossen ist. Vor allem erlaubt die geschickte stilistische und dramaturgische Ausgestaltung anderer Gebete den Schluss, dass sie nicht auf einer spontanen Äußerung, sondern auf einem langwierigen Arbeitsprozess beruhen (vgl. die Ausführungen in Kapitel 5). Spätestens jedoch bei der Niederschrift und bei der Vorbereitung des Textes für die Archivierung kommt der Schreiber ins Spiel. Die Tatsache, dass von vielen Texten Duplikate oder auch verschiedene Versionen existieren und dass auch Überarbeitungen in späterer Zeit erfolgt sind (so im Falle des Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia CTH 380.1, dazu Daues und Rieken 2015), bezeugt einen regen Gebrauch von älteren Vorlagen oder zumindest eine hohe Wertschätzung seitens der Verantwortlichen. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Konstellation der an Produktion, Ausführung und Archivierung des Gebets beteiligten Personen insofern vergleichsweise komplex ist, als es neben dem menschlichen Sprecher und dem göttlichen Adressaten des Zentralen Gebets einen göttlichen Vermittler geben kann, an den das übergeordnete Vermittlungsgebet gerichtet ist. Zusätzlich werden in einigen Texten Zuhörer genannt sowie ein Repräsentant, der es im Auftrag des eigentlichen Sprechers vorträgt. In den Kolophonen erscheinen verschiedentlich diejenigen, die das Gebet formuliert bzw. abgeschrieben haben.

2.3 Kommunikationsmedium und Gültigkeitsdauer der Texte Das Medium der Kommunikation ist im Falle der Ausführung des persönlichen Gebets primär mündlich. Dies geht zweifelsfrei aus den metasprachlichen Äußerungen hervor, die in einleitenden Abschnitten und Übergängen enthalten sind:

17 Eine ähnliche Formulierung findet sich in dem Evokationsritual KUB 15.31++ iv 38’–40’ (freundlicher Hinweis von Jürgen Lorenz).

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Kommunikationsmedium und Gültigkeitsdauer der Texte

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CTH 378.1, Kolon 102–105 102 nu=mu DINGIRmeš ENmeš =YA gin[z]u namma datten 103 nu=š[maš=k]an uwaḫḫaru 104 nu=šmaš kwit memiškemi 105 n[u]=mu ištamašten „(Ihr) Götter, meine Herren, nehmt mir (gegenüber) wieder eine gütige Gesin[n]ung an! Ich will (vor) e[uch] erscheinen! Und was auch immer ich (jetzt) zu euch sage, hört mich!“

Dasselbe gilt auch, wenn der König einen Repräsentanten schickt, vgl. die Beispiele (3) und (4) in Kapitel 2.2. Das Gebet findet unter dem Blick der angesprochenen Gottheit statt, und der gewünschte „Blickkontakt“ ist sicher auch der Grund, weshalb das Gebet Muwatallis an die Götterversammlung (CTH 381) „in Richtung der Sonnengottheit“ auf dem Dach stattfindet: (10)

CTH 381, Kolon 4, 7–9 4 šuḫḫi=kan šer d UTU-i menaḫḫanda 2 giš BANŠUR AD.KID [k]ariyanda dāi … 7 nu GIM-an kī S[I×SÁ-et] 8 nu=kan LUGAL-uš šuḫḫi šarā pāizzi 9 n=aš ANA d UTU [Š]AME [UŠK ]EN „Auf dem Dach – in Richtung der Sonnengottheit – stellt er zwei Tische aus Rohrgeflecht [(zu)g]edeckt auf, … Sobald er dies he[rgerichtet hat], geht der König auf das Dach hinauf. Er [vern]eigt sich vor dem Sonnengott des [Hi]mmels.“

Es ist freilich nicht klar, ob sich diese Angabe verallgemeinern lässt.18 Um den direkten Kommunikationskanal zu öffnen, ist es notwendig, die Gottheiten anzurufen und auch bestimmte Gebetshaltungen einzunehmen.19 Anderenfalls achten sie wohl nicht auf den Betenden: (11)

CTH 378.3, Kolon 1 1 [d U]TU uru arinna BELTI=YA U DINGIRmeš ENmeš =YA „[Sonn]engöttin von Arinna, meine Herrin, und (ihr anderen) Götter, meine Herren!“

18 Die einzige vergleichbare Angabe findet sich in der althethitischen (in junger Abschrift vorliegenden) Anrufung an die Sonnengöttin von Arinna CTH 385.10, wo das Ritual im šalimani (u. B.) bei Sonnenaufgang beginnt und auf dem Dach des Tempels der Sonnengöttin von Arinna endet (Singer 2002a: 12). 19 Darunter fallen Verneigungen, das Hinknien, das Emporheben beider Hände und das Anwinkeln des linken Arms mit empor gehaltener Hand (de Roos 1995: 1998; Singer 2002a: 13; Haas 2006: 253f.; Metcalf 2011: 172).

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

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Bei Abwesenheit einer Gottheit, die gerade auch durch Zorn gegenüber dem Betenden bedingt sein kann, muss man sie zuerst aufrütteln und herbeirufen (mūga(e)-, vgl. Melchert 2010). Im folgenden Beispiel erhält ein Schreiber den Auftrag, zuerst genau diese Herbeirufung vorzunehmen und dann das Gebet des Königs verbatim vorzutragen: (12)

CTH 377, Kolon 6–16 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

īt=wa d telipinun anzel EN=NI DINGIR-LAM ŠA SAG.DU=NI mugāi § nu=z(a)=kan mān nakkiš d telipinuš šer nepiši DINGIRmeš -aš ištarna mān aruni našma ANA ḪUR.SAGmeš waḫanna pānz(a) našma=z(a) INA KUR lú KÚR zaḫḫiya pānz(a) § kinuna=tta šanezziš waršulaš giš ERIN-anz(a) Ì-anz(a) kallišdu n=ašta EGIR-pa é karimmi anda e[ḫ]u nu=tta kāša mukiškemi ninda ḫarši[t dug išpa]nduzit nu=ššan parā kalānkanz(a) ēš nu=tta kwit memiškemi nu=mu DINGIR-LUM ištamanan lagān ḫar(a)k n=at išt[am]aški §

„‚Geh (und) rufe den Telipinu, unseren Herrn, unseren persönlichen Gott, herbei!‘ § Falls du, gewichtiger Telipinu, oben im Himmel unter den Göttern (bist), falls du ins Meer (oder) auf die Berge zum Durchstreifen gegangen (bist) oder falls du ins Feindesland zur Schlacht gezogen (bist), § jetzt aber20 soll der angenehme Duft, Zeder und Öl, dich rufen: K[o]mm wieder herein in den Tempel! Ich hier rufe dich (gerade) mi[t] Dickbrot (und) mit [Guss]opfer herbei. Du sollst damit bes[än]ftigt sein! Und wa[s] ich dir (gerade) sage, halte mir, Gott, das Ohr geneigt (und) hö[r]e es!“ Die direkte Anrede an die individuellen Götter erfolgt wie in Beispiel (12) mit Nennung des Namens. Nur in CTH 372–374 bleibt der persönliche Gott ganz in mesopotamischer Tradition namenlos (vgl. Zernecke 2011: 356), weil die Anrufung über die Vermittlung des Sonnengottes erfolgt. Stattdessen spricht der Betende ihn in den eingebetteten Zentralen Gebeten mit „mein Gott!“ an. Wenn die Gesamtheit der Götter im Gebet neben einer individuellen Gottheit angerufen wird, besteht die Anrede ebenfalls nur aus einem anonymen „Götter!“ oder „Götter! Meine Herren!“ (z. B. CTH 376.1, Kolon 80–81, bzw. CTH 378.3, Kolon 1). Aber für die alleinige Ansprache der Götterversammlung stellt Singer (2002a: 61, 64, 86) eine chronologische Entwicklung fest, der zufolge in 20 Während in der älteren Sprache die Sequenz kinuna problemlos als Adverb kinun „jetzt“ und die nicht geminierende Partikel -a „aber“ analysiert werden konnte, sind die beiden in der jüngeren Sprache univerbiert. Dadurch ging entgegen Hoffner und Melchert 2008: 395 die Bedeutung von -a jedoch nicht verloren, so dass kinuna keineswegs im Allgemeinen zu einer Variante von bloßem kinun geworden ist. Letzteres gilt nur für die sehr viel selteneren Fälle von recharakterisiertem kinuna=ma (Radhan 2017). Daher wird hier kinuna in mittelhethitischen Texten als kinun=a segmentiert, in junghethitischen aber nicht, ohne dass dies Auswirkungen auf die Übersetzung hätte.

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Kommunikationsmedium und Gültigkeitsdauer der Texte

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einer ersten Stufe Muršili das gesamte Pantheon nach männlichen und weiblichen Gottheiten unterteilt, es aber noch ohne individuelle Namen aufzählt (CTH 378.1). Die Auflistung der Namen erfolgt dann durch denselben König in CTH 378.4, in CTH 379 (hier nicht behandelt) und schließlich in großer Ausführlichkeit durch Muwatalli in CTH 381. Man wird daraus schließen dürfen, dass die explizite Nennung des Namens der angesprochenen Gottheit(en) eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen Öffnung des Kommunikationskanals spielt. Für die Anrufung kann die Unterstützung durch eine andere Gottheit notwendig sein. Dafür ist die Sonnengottheit (in einer ihrer Erscheinungsformen) besonders gut geeignet, weil einerseits nach hethitischer Vorstellung die Einberufung der Götterversammlung zum Fest wie zum Gericht in ihr Ressort fällt und weil sie andererseits auf ihrem Weg durch Himmel und Erde alles sieht und dabei auch allen anderen Gottheiten begegnet (so schon Goetze 1957: 137; Singer 1996: 149; Kühne 1975: 189 Anm. 42; Singer 2002a: 8f.). Vgl. den folgenden Beleg aus dem Gebet Muwatallis an die Götterversammlung: (13)

CTH 381, Kolon 100–3 100 nu kāša ammuk m NIR.GÁL LUGAL-uš lú SANGA ŠA d UTU uru PÚ-na U DINGIRmeš ḫūmandaš nepišaš d UTU-i arkwiškemi 101 nu nepišaš d UTU-uš EN=YA kēdani UDkam -ti DINGIRmeš arāi 102 nu DINGIRmeš kwiēš kēdani UD-ti kwedani arkuwēšni IŠTU EME=YA ḫalziḫḫun § 103 n=aš nepišaš d UTU-uš nepišaz KI-az ḪUR.SAGmeš -az ÍDmeš -az IŠTU Émeš DINGIRmeš =ŠUNU giš GU.ZAmeš =ŠUNU ḫalzāi § „Ich hier, Muwatalli, König, Priester der Sonnengöttin von Arinna und aller Götter, lege (gerade) (meinen) Fall (vor) dem Sonnengott des Himmels dar. Sonnengott des Himmels, mein Herr, halte an diesem Tag (scil. heute) die Götter an! Die Götter, die ich an diesem Tag zur Falldarlegung mit meiner Zunge angerufen habe, Sonnengott des Himmels, § rufe sie aus Himmel (und) Erde, aus den Bergen (und) aus den Flüssen, aus ihren Tempeln (und) von ihren Thronen herbei!“

Obgleich also das persönliche Gebet in vielerlei Hinsicht einem normalen Gespräch gleicht, besteht ein gravierendes Problem darin, dass die Kommunikation nur in einer Richtung, d. h. vom Menschen zur Gottheit, verläuft. Weder kann der Betende in Gestik und Gesichtsausdruck der angesprochenen Gottheit die Reaktion auf sein Gebet ablesen, noch erhält er unmittelbar eine verbale Antwort auf seine drängenden Fragen, die sich vor allem auf den Grund des göttlichen Zorns beziehen. Aus diesem Grund tritt seit den Anfängen des persönlichen Gebets – angeregt durch die mesopotamischen Vorlagen (Metcalf 2011: 174) – immer wieder die Bitte um Offenbarung durch die erzürnte Gottheit auf. Die avisierten Kommunikationswege sind dabei Träume, Weise, Seher oder Orakelpriester (Beckman 1999):

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

CTH 373, Kolon 41–52 (vgl. CTH 372, Kolon 108–119) 41 [kinun]=a=mu=z(a) ammel DINGIR=YA ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ḫūmantet kardit kīnuddu 42 nu=mu wašdul=mit [tēdd]u 43 n=e=z=(š)an ganešmi 44 naššu=mu DINGIR=YA zašḫeya mēmau 45 nu=mu=z(a) DINGIR=YA ŠÀ=ŠU kinuddu 46 [nu=mu wašd]ul=mit tēddu 47 n=e=z=(š)an ganešmi 48 našma=mu munus ENSI mēmau 49 [našma=mu Š]A d UTU lú AZU IŠTU uzu NÍG.GIG mēmau 50 nu=mu=z(a) DINGIR=YA ḫūmantet kardit [ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ] kīnuddu 51 nu=mu wašdul=mit teddu 52 n=e=z=(š)an ganešmi „[Jetzt] aber soll mein Gott mir sein Innerstes (und) seine Seele offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen [benenn]en, so dass ich sie erkenne! Entweder soll mein Gott zu mir im Traum sprechen! Mein Gott soll mir sein Innerstes offenbaren! Er soll [mir] meine [Vergeh]en benennen, so dass ich sie erkenne! Oder es soll eine Seherin zu mir sprechen! [Oder] ein Orakelpriester [d]es Sonnengottes soll es [mir] aufgrund der Leber sagen! Mein Gott soll mir [sein Innerstes (und) seine Seele] offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen benennen, so dass ich sie erkenne!“

Weitere Belege sind etwa CTH 376.1, Kolon 85–9 und CTH 378.2, Kolon 168–79. Einen konkreten Fall, in dem man sich um die Herbeiführung solch einer göttlichen Äußerung bemüht hat, berichtet Muršili selbst: (15)

CTH 378.2, Kolon 71–74, 77–78 71 nu=z(a) maḫḫan eni ṬUPPA ŠA KUR uru mizri peran wemiyanun 72 n=at IŠTU DINGIR-LIM ariyanun 73 aši=wa kwiš memiyaš [I ]ŠTU d IM uru ḫatti iyanz(a) 74 LÚmeš uru mizri kwit LÚmeš uru ḫatti=ya IŠTU d IM uru ḫatti linganuanteš § … 77 nu=war=aš mān ANA d IM uru ḫatti BELI=YA kartimmiyaz kišat 78 n=at ḫandāettat „Sobald ich jene Tafel über das Land Ägypten gefunden hatte, ermittelte ich es (durch Orakel) von der Gottheit: ‚Jenes Wort, das [v]om Wettergott von Ḫatti gemacht (worden war)‘, was das betrifft, dass die Leute von Ägypten und die Leute von Ḫatti vom Wettergott von Ḫatti unter Eid genommen (waren), § … ‚ob das (scil. die Übertretung des Wortes) dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (ein Grund zum) Zorn wurde?‘, das wurde (durch ein Orakel) festgestellt.“

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Kommunikationsmedium und Gültigkeitsdauer der Texte

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Aber offenbar war auch diese Methode nicht immer erfolgreich, denn die Hethiter sahen sich gezwungen, manche Anfragen mehrfach zu stellen: (16)

CTH 378.4, Kolon 38–41 38 39 40 41

nu ABU=[YA] arišket nu šumeš DINGIRmeš ENmeš ariyašeš[n]a[z U ]L wemīyat [a]mmukk=a=šmaš ariškēnun nu šumeš DINGIRmeš ENmeš =YA ariyašešnaz ammukk=a UL wemiyanun

„[Mein] Vater versuchte, (es) durch ein Orakel zu ermitteln. Euch, Götter, (meine) Herren, fand er dur[ch] die Orakelanf[ra]ge [nic]ht. Auch [i]ch habe versucht, (es) von euch durch ein Orakel zu ermitteln. Und euch, (ihr) Götter, meine Herren, fand auch ich durch die Orakelanfrage nicht.“ Diese Erfahrung spiegelt sich wohl auch in der Bitte um Vermittlung des Gebets wider. Nicht nur für die Anrufung der Gottheit, sondern auch für die Überbringung des eigentlichen Gebets, des Zentralen Gebets, versichert sich der Betende gelegentlich der Unterstützung durch einen oder mehrere andere Götter. Das ist in CTH 372–374 noch in der Tradition der mesopotamischen ŠU.ÍL.LA-Gebete ein Hochgott, die die gestörte Beziehung zum erzürnten persönlichen Gott wiederherstellen soll (Güterbock 1958: 242; Zernecke 2011: 356), während später im Gebet Muwatallis an die Götterversammlung (CTH 381) mit Šeri, dem Sonnengott und schließlich dem persönlichen Gott des Königs, dem Wettergott piḫaššašši, drei verschiedene Vermittler eingeschaltet werden. Nur der Sonnengott entspricht in dieser Funktion dem in den Sonnengottgebeten Üblichen. Dass man aber auch weniger hohe Gottheiten bemüht, um die obersten zu erreichen, ist schon in CTH 371 aus althethitischer Zeit belegt und setzt sich in Puduḫepas Gebet an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 384.1) fort. Dort spricht sie zwar die Sonnengöttin zunächst direkt an, anschließend bittet man aber zusätzlich ihre Akolythen um Vermittlung. Das Bedürfnis nach Einhaltung der Hierarchie überlagert also im Laufe der Zeit wieder den Einfluss der mesopotamischen Vorbilder (vgl. auch Singer 2002a: 9). Man sollte meinen, dass bei Einschaltung eines Vermittlers die Kommunikationssituation zwischen Betendem und dem Adressaten des Zentralen Gebets gegenüber derjenigen in den Vermittlungsgebeten mit direkter Ansprache grundsätzlich anders ist. Denn die Kommunikation geht zwar gleichfalls mündlich vor sich, aber sie verläuft über die vermittelnde Gottheit in zwei Stufen. Es besteht also kein „Blickkontakt“ mit der eigentlich angerufenen Gottheit, die sich ja entfernt hat (über die vermutete zeitliche Unmittelbarkeit lässt sich keine sichere Aussage treffen). Der Unterschied zum direkten Gebet ohne Vermittlung manifestiert sich sprachlich jedoch nicht. Die Zentralen Gebete in CTH 372–374 sind als direkte Reden eingebettet und weisen als in sich abgeschlossene Texte dieselben deiktischen Bezüge auf wie die übergeordneten Vermittlungsgebete. In den Gebeten Muwatallis (CTH 381) und Puduḫepas (CTH 384.1) sind die Vermittlungsgebete an die Strukturelemente des Zentralen Gebets angefügt, und auch hier besteht eine vollständige sprachliche Unabhängigkeit zwischen diesen und dem Zentralen Gebet.

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren

In Hinblick auf die textlinguistischen Klassifikationskriterien von Textsorten wird man hinsichtlich des Kommunikationsmediums also zusammenfassend festhalten, dass die Ausführung der persönlichen Gebete zwar durch das mündliche Gespräch mit unmittelbarem räumlichem Kontakt (face-to-face) charakterisiert ist, dass dieses allerdings in nur einer Kommunikationsrichtung, nämlich vom Menschen zur Gottheit, stattfindet. Die Vermittlung durch andere Gottheiten spielt außerhalb der expliziten diesbezüglichen Aufforderung an den Fürsprecher in sprachlicher Hinsicht insofern keine Rolle, als sich das deiktische Zentrum nicht verschiebt und sowohl Zentrales Gebet als auch Vermittlungsgebet situationsgebunden bleiben. Hinsichtlich der Deixis liegen somit im Sinne von Koch und Oesterreicher (1985) nähesprachliche Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit vor. Dagegen fällt die Beurteilung für die Produktion und die Archivierung der Gebetstexte anders aus. Trotz der sprachlichen Merkmale, die nur durch eine konzipierte Situationsgebundenheit bedingt sein können, sind die Texte nachweislich unter Zuhilfenahme des schriftlichen Mediums abgefasst. Nicht nur die Konsistenz ihrer Argumentation, sondern auch die Komplexität ihrer Dramaturgie, die in den Kapiteln 3 und 5 ausführlich behandelt werden, ebenso wie die intertextuellen Bezüge mit z. T. wortwörtlichen Wiederholungen älterer Versionen (dazu ausführlich Marazzi und Nowicki 1978 und Güterbock 1980) lassen keinen anderen Schluss zu. Das Gebet Muwatallis an die Götterversammlung (CTH 381) besteht sogar nur aus dem wiederverwendbaren Rahmen, in dem ein Platzhalter für die Einsetzung der jeweiligen, für den konkreten Fall verfassten Falldarlegung angegeben ist. Auch die Archivierung, die im 2. Jt. v. Chr. ja nur schriftlich erfolgen konnte, ist auf die Rezeption der Texte in späterer Zeit angelegt (vgl. van den Hout 2008). Die angestrebte Gültigkeitsdauer geht also über die einmalige Verwendung hinaus (zur Wichtigkeit dieses Faktors s. Adamzik 2004: 78). Zu diesem Zweck mussten die Texte für die potenziellen Nutzer in den Archiven zugänglich und inhaltlich verständlich sein. Dementsprechend überwiegen also, was die komplexeren sprachlichen Strukturen betrifft, die distanzsprachlichen Merkmale einer konzeptionellen Schriftlichkeit.

2.4 Kommunikationsbereich und zugrunde liegende Konzeptionalisierung Die Textlinguistik blickt auf eine lange Geschichte von Versuchen zurück, Klassifikationen von Funktionalstilen, Kommunikationswelten und -bereichen zu erstellen (dazu ausführlich Adamzik 2004: 61–74). Doch haben sich keine Kriterien ermitteln lassen, die zu anwendbaren trennscharfen Kategorien geführt hätten, denen man die Texte hätte zuordnen können. Wohl deshalb bleiben die Kategorisierungsversuche etwa bei Stede (2007: 37) auf einer sehr abstrakten Ebene, indem ausschließlich zwischen privat, offiziell und öffentlich unterschieden wird.

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Kommunikationsbereich und Konzeptionalisierung

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Überdies sind die Arbeiten zumeist an den modernen Textsorten orientiert, die sich – wie oben Kapitel 1.2 schon dargelegt – nicht auf diejenigen des Alten Orients übertragen lassen. Daher erfolgt im kommenden Kapitel zunächst nur eine Einordnung auf dieser abstrakten Ebene, um dann in aller Kürze die Ergebnisse religionsund geistesgeschichtlicher Untersuchungen zur hethitischen Konzeptionalisierung der Gebetssituation zu referieren und zu diskutieren. Denn in dieser kommt die hethitische Vorstellung der sozialen Organisation der Tätigkeiten beim persönlichen Gebet zum Ausdruck. Der Kommunikationsbereich, in dem das persönliche Gebet stattfindet, ist aufgrund der menschlichen und göttlichen Partizipanten durchaus ein öffentlicher.21 Er hat, da es in den Bitten entweder um das Wohl staatstragender Persönlichkeiten (fast ausnahmslos König und Königin) oder des gesamten Landes geht, auch einen offiziellen Charakter. Dieser spiegelt sich zudem in der Niederschrift und Archivierung der Texte wider, denn die Tafeln sind wie andere offizielle Texte vor allem in Tempel I und sehr viel seltener im Haus am Hang und in Büyükkale A gelagert; im letztgenannten Gebäude liegen vor allem die wenigen mittelhethitischen Niederschriften. Auch die geringe Anzahl der in Palastnähe befindlichen Tafeln spricht gegen eine alleinige Nutzung durch den König unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die zugrunde liegende inhaltliche Konzeptionalisierung des persönlichen Gebets durch die Hethiter (mit Ausnahme der Sonnengottgebete CTH 372–374) bietet weitere Evidenz dafür, die Texte als öffentlich und offiziell zu klassifizieren. Denn nach übereinstimmender Auffassung der Forscher betrachten die hethitischen Könige ihr Gebet als ein Plädoyer vor der göttlichen Gerichtsversammlung, vor der sie ihren Fall darlegen, das ihnen zustehende Recht einklagen und sich gegen bestehende Anklagen verteidigen. Dies spiegelt sich in der Verwendung des Abstraktums arkuwar „Plädoyer, Falldarlegung“ in den metasprachlichen Äußerungen und in den Kolophonen wider, aber auch im Gebrauch von Lexemen wie šarnink- „entschädigen“ (z. B. CTH 378.1, Kolon 100).22 Möglicherweise ist die Rechtsvorstellung, dass eingeklagt wird, was einem nach der Ordnung ohnehin zusteht, ein Grund dafür, dass die Kategorie des Dankgebets bei den Hethitern fehlt (ähnlich Singer 2002a: 43). Die knappe Zusammenfassung von Singer (2002a: 5–11, bes. 5 mit Verweis auf Laroche 1964/65: 13–20; Houwink ten Cate 1969: 82–7; Lebrun 1980: 426–31; Sürenhagen 1981: 136–40; Singer 1996: 47–9; Melchert 1998: 45–7) beschreibt die Rolle, die die betreffenden Partizipanten nach hethitischer Vorstellung spielen:

21 Anders Klinger (2013d: 104), der ausschließlich die Götter als Adressaten betrachtet. Die Tatsache, dass sonst tabuisierte Themen in den Gebeten behandelt werden, ist jedoch nicht in einer Privatheit des Gebetsvortrags begründet – sofern es dieses Konzept bei den Hethitern überhaupt gegeben hat –, sondern in der Unmöglichkeit, die Götter in der rhetorischen Situation des Gebets zu hintergehen. 22 Damit unterscheiden sich nach dem Adaptionsprozess die hethitischen Gebete von den mesopotamischen ŠU.ÍL.LA-Gebeten, denen nach Zgoll (2003a) und Zernecke (2011: 326) ein Audienzkonzept zugrunde liegt.

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Gesamttexte: Textexterne Faktoren „The structure and rationale of a Hittite prayer is best understood as the enacting of a case in a divine court. This accords with the typically Hittite way of approaching all relations between two parties in legalistic terms. The defendant is the king, the prosecutor is the offended god, the advocate is the addressed deity (requested to act as an intercessor), and the court of justice is the assembly of gods. The prayer is presented by the king or his representative with all the features of a lawsuit, including the confession of or exculpation from guilt, the presentation of mitigating circumstances, and the inveigling of the divine judges with flattery (hymns) and presents ( vows).“ (Singer 2002a: 5)

Dieser Darstellung ist überwiegend zuzustimmen. Die Einschränkung, die Singer (2002a: 8) selbst vornimmt, dass nämlich die am häufigsten angerufenen Gottheiten, die Sonnenund Wettergottheiten, auch dem göttlichen Gerichtshof vorsitzen und deshalb die Rolle des Obersten Richters von derjenigen des Vermittlers (im Zitat „advocate“) nicht klar zu unterscheiden sei, trifft jedoch nur bedingt zu. Hier begegnen wir einem der Widersprüche, die durch die Adaption der Gebete aus dem mesopotamischen Raum hervorgerufen worden sind: Zwar erscheinen der Sonnengott des Himmels bzw. die Sonnengöttin von Arinna gemäß dieser Tradition in den hymnischen Partien als Oberste Richter, im weiteren Verlauf der betreffenden Gebete aber treten sie in einer Richterfunktion nicht oder nur im Kreise der Götterversammlung auf. Wenn sich die Sonnengöttin von Arinna neben Lelwani in Puduḫepas Gebet (CTH 384.1, Kolon 72–73) am Versammlungsort aller Götter einsetzen soll, ist nicht klar, ob das an dieser Stelle verwendete Verb wek- eine Bitte oder eine Forderung der Sonnengöttin zum Ausdruck bringt; allein entscheiden kann sie den Rechtsfall zumindest nicht. Die aus Mesopotamien adaptierte Vermittlerfunktion der Sonnengottheit, die in CTH 372–374 noch so prominent ist, tritt in CTH 375, CTH 376.1 und CTH 378.3 zurück, um nur noch einmal in der späten Großreichszeit zur Zeit Puduḫepas in CTH 384.1 eine Reminiszenz zu erfahren.23 Im Falle des Wettergottes muss man indessen in CTH 378.2 und CTH 382 von der Rolle einer (direkt angesprochenen) zürnenden Gottheit (im Zitat „prosecutor“) ausgehen, auch wenn er offensichtlich Einfluss auf Gerichtsentscheide nehmen kann (vgl. CTH 378.2, Kolon 61). Die Götterversammlung wird entgegen Singer (1996: 151) nicht deshalb angerufen, weil alle anderen Gebete zu individuellen Gottheiten erfolglos waren, sondern weil allein die Götterversammlung die richterliche Macht besitzt (Houwink ten Cate 1987: 18–22),24 als Zeuge von Eiden fungiert (CTH 378.1, Kolon 58; Hutter 2012: 667) und auch die Bestrafung übernimmt (CTH 378.1, Kolon 63–64). Hier sind alle Funktionen vereint und damit ist die Götterversammlung die wichtigste Instanz, die man anrufen kann. 23 In dem Gebet Muwatallis an die Götterversammlung (CTH 381, Kolon 96–103) besteht die Rolle des Sonnengottes des Himmels vornehmlich darin, die Götter zur Versammlung einzuberufen. Die hier ebenfalls angeführte Richterfunktion ist wieder nur Teil der hymnischen Anrufung. Ähnlich ungewöhnlich ist in diesem Gebet auch die Rolle des Wettergottes piḫaššašši, der in Kolon 104–59 als persönlicher Gott fungiert und trotzdem die Vermittlungstätigkeit übernimmt. 24 Houwink ten Cate behandelt in demselben Beitrag (1987) auch Textstellen, die darauf schließen lassen, dass die Hethiter eine Korrelation der Götterversammlung mit dem panku- und des Sonnengottes mit dem König vorgenommen haben.

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Kommunikationsbereich und Konzeptionalisierung

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Schließlich ist eine Einschränkung in Bezug auf die Sonnengottgebete CTH 372–374 notwendig: Da in ihnen nicht nur der Begriff des arkuwar „Falldarlegung“ nicht auftritt, sondern sich diese Gebete auch in ihrer Struktur und der Wahl der Themen von den späteren unterscheiden und sich stattdessen noch sehr stark an die mesopotamischen Gebete mit ihrem zugrunde liegendem Audienzkonzept (Zgoll 2003a und Zernecke 2011: 326) anlehnen, kann man noch nicht von einer Konzeptionalisierung speziell dieser Gebetstexte als ein Plädoyer vor Gericht ausgehen und so auch den Begriff der „Falldarlegung“ nicht sinnvoll verwenden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Hethiter nicht doch generell ihre Beziehung zu den Göttern als ein Rechtsverhältnis angesehen hätten, wie es etwa durch die Verwendung des Ausdrucks kattawatar „Gegenstand der Anklage“ in CTH 373, Kolon 40, zum Ausdruck kommt. Eine weitere Konzeptionalisierung, mit Hilfe derer die Hethiter das Verhältnis zwischen Mensch und Gottheit zu fassen versuchen, ist dasjenige zwischen Kind und (Zieh-)Eltern. Das (Zieh-)Eltern-Kind-Verhältnis wird vor allem in den Gebeten an den persönlichen Gott benutzt (z. B. in CTH 372, Kolon 75–76, 160–3, 210 und CTH 381, Kolon 112, 157) sowie im Hymnus an den Sonnengott (z. B. CTH 372, Kolon 32). Es steht damit in der mesopotamischen Tradition (vgl. zu derselben Zernecke 2011: 355). Das Diener-Herr-Verhältnis, das Zernecke (2011: 355) für die Beziehung zum persönlichen Gott gleichfalls anführt, ist weit verbreitet und manifestiert sich in den hethitischen Gebeten vor allem in den relationalen Appositionen und Anreden „Diener“ bzw. „Herr“ (z. B. ammel=ma ŠA m NIR.GÁL ARAD=KA A[W ]ATE meš „aber meine, des Muwatalli, deines Dieners, Worte“ in CTH 381, Kolon 116, bzw. d 10 piḫaššaššiš EN=YA „Wettergott piḫaššaššiš, mein Herr!“ in CTH 381, Kolon 105). In CTH 378.2, Kolon 142–148, wird außerdem die gewünschte Handlungsweise des Wettergottes gegenüber dem hethitischen König in einem Vergleich mit dem Verhalten des gütigen Herrn gegenüber einem geständigen Diener beschrieben. Dennoch scheint eben wegen ihrer ubiquitären Anwendung in den Appositionen und Anreden die lexikalische Bedeutung der beiden Wörter, „Diener“ und „Herr“, verblasst zu sein und lediglich sozialdeiktisch zur Markierung der Distanz von Sprecher und Adressat zu dienen.

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3 TEXTMUSTER DER GESAMTTEXTE (von Elisabeth Rieken)

3.1 Klassifikationskriterien für die Strukturelemente Aus dem Forschungsüberblick in Kapitel 1.3 geht hervor, dass für das persönliche Gebet der Hethiter eine ganze Reihe von Textmustern vorgeschlagen worden ist. Diese bestehen aus mehreren Strukturelementen, deren Gebrauch und Reihenfolge je nach Forscher in unterschiedlichem Maße als obligatorisch oder fakultativ angesehen werden. Um hier zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen, sollen gemäß dem in Kapitel 1.4 dargelegten methodischen Vorgehen sämtliche der hier untersuchten Texte nach Textsegmenten aufgeschlüsselt werden, die sich inhaltlich als Einheit erweisen, indem sie dieselbe intentionale Funktion besitzen. Dazu sei die Klassifikation von Brinker (2010: 98–112), die auch schon in Kapitel 2.1 zugrunde gelegt worden ist, in aller Kürze in Erinnerung gerufen und mit den hier verwendeten Abkürzungen ausgezeichnet (Tabelle 3.1): Illokution

Intention

Abkürzung

Information Appell Obligation Kontakt Deklaration

Wissensvermittlung, Information Meinungs- und Handlungsbeeinflussung Selbstverpflichtung Herstellung und Erhalt der personalen Beziehung Schaffung einer neuen Realität durch Sprechakt

Inf App Obl Kont Dekl

Tabelle 3.1: Illokutionen und Intentionen nach Brinker Die Textsorte des persönlichen Gebets macht es notwendig, die Kategorie „Deklaration“ dahingehend zu erweitern, dass hierunter nicht nur explizit performative Sprechakte gefasst werden, sondern auch deklarative Hinweise auf die Performanz der Ritualhandlung. Außerdem werden im Folgenden indirekte Sprechakte wie z. B. Aussagen über erwünschte künftige Handlungen seitens der Götter ihrer Intention als Bitte und Appell entsprechend klassifiziert. Ebenso sind rhetorische Fragen nicht der grammatisch ausgedrückten Illokution (Frage), sondern der intendierten Illokution (Information) zugeordnet. Aber nicht alle in den Gebeten belegten Fragen sind rhetorischer Natur, sondern der Betende hofft vielfach tatsächlich auf eine Antwort seitens der Götter durch ein Orakel, um dann in ihrem Sinne handeln zu können. Daher muss die Klassifikation der Illokutionen von Brinker für das hier behandelte Korpus um die Kategorie der Frage

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Textmuster der Gesamttexte

(Interrogation, Abkürzung: Int) erweitert werden. Die Intention der Fragen liegt im Allgemeinen in der Ausführungssicherung, die wiederum die Motivation der Götter zur Erfüllung der Bitten stützen soll. Oben wurde bereits festgestellt, dass die dominierende Intention der Gesamttexte in der Meinungs- und Handlungsbeeinflussung der Götter durch den Betenden besteht (Kapitel 2.1). Diese kommt in den Zentralen Bitten als dem wichtigsten Strukturelement zum Ausdruck. Auf sie richtet sich das gesamte Gebet aus: Die Zentralen Bitten selbst stützen keine anderen Illokutionen, während andererseits die Illokutionen und die damit einhergehenden Intentionen der übrigen Strukturelemente in der Stützung der Zentralen Bitten liegen. Sie dienen allein dazu, eben diese wichtigen sprachlichen Handlungen der Zentralen Bitten erfolgreich sein zu lassen. Daher ermöglicht erst die Erschließung der Stützungsbeziehungen zwischen den Strukturelementen ein Verständnis der Kohärenz der Texte und ihrer argumentativ-rhetorischen Struktur. Einen für die hethitischen Gebete anwendbaren und überschaubaren Beschreibungsapparat von Stützungsbeziehungen bieten Brandt und Rosengren (1992), die ein Korpus von Geschäftsbriefen analysieren. Die Kommunikationssituationen ist in beiden Textsorten aufgrund der schriftlichen Abfassung, der Anrede in der 2. Person und der gleichzeitigen Nicht-Verfügbarkeit des Adressaten durchaus ähnlich. Schmitt (2000) baut auf dem Konzept der beiden Forscherinnen auf und unterscheidet zwischen mittelbar und unmittelbar stützenden Illokutionen: • Mittelbar stützende Illokutionen – Sachverhaltsklärend (Sachv.-klär.): Hintergrundinformationen und orientierende Ergänzungen – Kooperationssichernd (Koop.-sich.): Äußerungen zur Etablierung und Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehung • Unmittelbar stützende Illokutionen – Verstehenssichernd (Versteh.-sich.): Zusatzinformationen, die das Verstehen erleichtern – Glaubwürdigkeitsstützend (Glaub.-stütz.): Begründung, die die Glaubwürdigkeit erhöht25 – Motivationsstützend (Motiv.-stütz.): Motivierung des Adressaten zu einer Handlung, für die der Sprecher um Verständnis wirbt – Ausführungssichernd (Ausführ.-sich.): Information, die dem Adressaten die Ausführung der gewünschten Handlung erleichtert Die Unterscheidung von mittelbar und unmittelbar stützenden Illokutionen wird aber im Folgenden keine Rolle spielen, weil sie in den Gebeten nicht zu aussagekräftigen 25 Schmitt verwendet hier den Ausdruck „glaubensstützend“, der jedoch wegen der hier nicht gewollten Assoziationen mit Bekenntnisreligionen vermieden wird.

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Klassifikationskriterien für die Strukturelemente

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Analysen führt. Daher findet allein die Feindifferenzierung in die sechs Untergruppen Berücksichtigung. Noch eine weitere Modifikation ist hier aufgrund der Textsorte des persönlichen Gebets notwendig: In der Kategorie der ausführungssichernden Illokutionen werden nicht nur Informationen für den Adressaten eingeordnet, sondern auch umgekehrt Fragen bzw. die Aufforderung an den Adressaten, dem Sprecher die Informationen zu vermitteln, die notwendig sind für die Ausführung einer folgenden Selbstverpflichtung durch den Sprecher selbst. Die unten stehenden Strukturanalysen der Gebete des hier untersuchten Korpus nehmen in der 1. und 2. Spalte Bezug auf die Kolon-Nummern der philologischen onlineEdition der Texte im Hethitologie-Portal Mainz (Rieken, Lorenz und Daues 2016 mit weiterführender Literatur), aus der im Anhang (S. 319–443) die gebundene Umschrift und die Übersetzung extrahiert sind. In der 3. Spalte folgt zunächst eine knappe Inhaltsangabe. Auf dieser Basis erfolgt eine Kategorisierung nach den eben aufgelisteten Intentionen, die dem Inventar von Brinker (2010) entnommen und um die Fragen (Int) ergänzt sind (4. Spalte). Diese korreliert in den allermeisten Fällen, aber nicht immer mit den von ihm angegebenen Illokutionen. Die 5. Spalte dient der Angabe der Stützungsbeziehung zwischen den identifizierten Intentionen der Segmente (nach Schmitt 2000), um so zu ihrer Hierarchisierung und zum Verständnis der argumentativ-rhetorischen Struktur des Gesamttextes zu gelangen. Vorangestellte Nebensätze, die wesentliche Informationen enthalten, werden in der 5. Spalte hinsichtlich ihrer Intention als „verstehenssichernd“ klassifiziert, erhalten aber keine in der 4. Spalte keine Kategorisierung als illokutionärer Akt. Diese Position bleibt deshalb leer. Der Übersichtlichkeit halber sind die Intentionen und Stützungsbeziehungen jeweils nur bei ihrem ersten Auftreten explizit genannt und daher für die folgenden Kola, in denen die 5. Spalte leer bleibt, entsprechend zu ergänzen. Sie sind (unabhängig von den Paragraphenstrichen des hethitischen Texts) durch einfache und doppelte Trennlinien gegliedert. Dabei dient eine doppelte Trennlinie dazu, einerseits Einleitende Kontextualisierungen vor dem eigentlichen Gebetstext und Kolophone nach demselben abzugrenzen, andererseits den Wechsel zwischen Teilgebeten zu markieren, d. h. den Wechsel von Zentralen Gebeten und Vermittlungsgebeten im Rahmen einer Einbettungsoder Additionsstruktur, sowie den Wechsel zwischen Gebetsteilen in einer Verknüpfungsstruktur (zu den Strukturtypen s. unten Kapitel 3.5). Die einfache Trennlinie dient dazu, diejenigen Stellen anzuzeigen, in denen der Textverlauf nach dem gängigen Textmuster (Anrede, Hymnus, Falldarlegung, Stützbitte, Bitte) „abgebrochen“ wird und an denen dann jeweils mit einem früheren Strukturelement des Textmusters neu eingesetzt wird, z. B. Anrede, Hymnus, Falldarlegung, Stützbitte – einfache Trennlinie – Falldarlegung, Stützbitte, Bitte (zu diesem Aufbauprinzip ausführlicher in Kapitel 3.6). Im Anschluss an die tabellarische Darstellung folgen jeweils kurze Ausführungen, die die wichtigsten strukturellen Bezüge herausstellen. Die anschließende Auswertung in den Kapiteln 3.3–3.6 hat zum Ziel, auf der Basis der Strukturanalysen der einzelnen Gebetstexte ein gültiges Textmuster – oder wenn notwendig: mehrere alternative Textmuster – bei der Gestaltung eines hethitischen per-

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Textmuster der Gesamttexte

sönlichen Gebets zu extrahieren, d. h. die „Möglichkeitsfelder, in denen es sowohl einige überindividuelle Handlungsorientierungen gibt als auch Ermessensspielräume“ (Fix, Poethe und Yos 2003: 25f.). Dennoch ist es möglicherweise für die Nachvollziehbarkeit der Strukturanalysen von Vorteil, die Lektüre der Auswertung (Kapitel 3.3–3.6) vorzuziehen.

3.2 Strukturanalysen der Texte 3.2.1 CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott Sprecher: Adressaten: Vermittler: Gattung: Anlass:

§ 1’

1 2

König Sonnengott, persönlicher Gott Sonnengott als Vermittler gegenüber dem persönlichen Gott keine Angabe Abwendung des persönlichen Gottes Einleitende Kontextualisierung? : (etwa 10 Zeilen mit Anrede und Hymnus Kont Koop.-sich. →3–112 an Sonnengott? fehlen) Hinweis auf vollzogene Verneigung Dekl Sachv.-klär. →3–112 des Betenden stark zerstört (wohl Ankündigung des Dekl Gebets an Sonnengott)

§ 2’

3

Hymnus: Wirkungsbereich als Spender Kont Koop.-sich. →32 und von Licht 34

§ 3’

4–6

Hymnus: Wirkungsbereich als Richter Kont und Herrscher; Angabe der Mutter; hoher Status im Land

§ 4’

7–9

Hymnus: Wirkungsbereich als gerech- Kont ter Herrscher; Vater und Mutter aller Länder

§ 5’

10–3

Hymnus: Legitimation der Herrschaft Kont durch Vater Enlil; unermüdlicher Richter; Status: Erhabenheit unter uralten Göttern

§ 6’

14–5

Hymnus: Zuteiler der Opfergaben an die Götter

Kont

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Strukturanalysen der Texte

§ 7’

16–7

Hymnus: Durchschreiten der Himmels- Kont tore

§ 8’

18

Hymnus: Gehorsam anderer Götter

Kont

§ 9’

19–20 Hymnus: Gehorsam anderer Götter

Kont

§ 10’ 21

Hymnus: Fürsorge und Schutz für verwaiste und verlassene Menschen

§ 11’ 22

Hymnus: Fürsorge und Schutz für Kont verwaiste und geschädigte Menschen Hymnus: Wirkungsbereich als Spender Kont von Licht

23–4

Kont

§ 12’ 25

Hymnus: Funktion als Richter über Tiere

Kont

§ 13’ 26–8

Hymnus: Funktion als Richter über Tiere und schlechte Menschen

Kont

§ 14’ 29–31 Hymnus: Fürsorge für von den Göttern Kont vergessene oder verfolgte Menschen § 15’ 32 33 34

§ 16’ 35–6 /17’’ 37

§ 18’’ 38 39 40

Zentrale Bitte in Form der FeststelApp Gesamtfkt. d. Verlung zukünftiger Unterstützung durch mittl.-Gebets Sonnengott Opferung von Brot und Bier als posi- Obl Motiv.-stütz. →32 tive Konsequenz göttlichen Handelns Inf Gesamtfkt. d. VerZentrale Bitte in Form der Feststellung zukünftiger Führung durch Sonmittl.-Gebets nengott stark zerstört (Hinweis auf vollzoge- Dekl Motiv.-stütz. →50–1 nes Opfer durch Fütterung für Zugtiere des Sonnenwagens, danach ein Kolon weggebrochen) Bitte um Annahme des Opfers App Koop.-sich. →35–6 (hier fehlt den Parallelversionen zufolge kein Text) Bezug auf Fütterung Versteh.-sich. →39 (Gruß an Sonnengott zerstört,) Hinweis Dekl Sachv.-klär. →50–1 auf Gebet Bitte um Gehör App Koop.-sich. →39

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Textmuster der Gesamttexte

§ 19’’ 41

stark zerstört (wohl Anrede und Hym- Kont Koop.-sich. →50–1 nus: Sonnengott als Durchquerer der Weltecken)

§ 20’’ 42–3

zerstört (Hymnus: begleitende Mächte Kont „Angst“ und „Schrecken“)

§ 21’’ 44–5

Hymnus: begleitende Wesire Bunene und Mišaru

§ 22’’ 46–7

Hinweis auf Verneigung und gegen- Dekl Sachv.-klär. →50–1 wärtiges Gebet an Sonnengott

§ 23’’ 48–9

Mögliche Aufenthaltsorte des krankheitsverursachenden persönlichen Gottes Zentrale Bitte um Vermittlung in Form der Feststellung, dass der Sonnengott zum persönlichen Gott gehen werde

50

§ 24’’ 51

52–3 § 25’’ 54–5

Zentrale Bitte um Vermittlung des Gebets an persönlichen Gott

Kont

Versteh.-sich. →50 App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

Beginn des eingebetteten Gebets an persönlichen Gott: Frage nach der Schuld gegenüber per- Int sönlichem Gott

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →82–5

Norm: Verantwortung der Gott durch Inf Erschaffung des Betenden Frage nach der Schuld gegenüber per- Int sönlichem Gottheit

Sachv.-klär. →82–5

Negative Norm: Kaufmann, der die Inf Waage verfälscht Frage nach der Schuld gegenüber per- Int sönlichem Gott

Sachv.-klär. →82–5

§ 27’’ 60

Klage über entstandene Angst

Inf

Sachv.-klär. →82–5

§ 28’’ 61–2

Klage über gegenwärtige Angst

Inf

§ 29’’ 63–5

Klage über anhaltende Krankheit und Inf Unfähigkeit, sie zu bewältigen Hinweis auf die Klage (fälschlich an Dekl Sachv.-klär. →63–5 Sonnengott statt an persönlichen Gott gerichtet)

56 § 26’’ 57–8 59

66

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →82–5

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →82–5

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Strukturanalysen der Texte

§ 30’’ 67–8

Klage über Albträume

§ 31’’ 69

Klage über verändertes Verhalten der Inf Schutzgottheit und der Gottheit der Stärke Klage über Mangel an Gutem durch Inf rhetorische Frage des Betenden, ob er nie nach der Vorherbestimmung durch persönlichen Gott gefragt habe

70–1

§ 32’’ 72 73 74–5

§ 33’’ 76–7 78

Sachv.-klär. →82–5

stark zerstört (Hinweis auf Ruf nach Dekl Koop.-sich. und motiv.Gnade) stütz. →82–5 Bitte um Gehör App Koop.-sich. →82–5 teilweise zerstört (Klage über fehlende Beliebtheit und Erfolglosigkeit in Rechtsangelegenheiten)

Inf

Sachv.-klär. →82–5

Klage über Vergeltung von Gutem Inf durch Schlechtes seitens der Menschen Hymnus: Charakterisierung des per- Kont Koop.-sich. →82–5 sönlichen Gottes als Vater

§ 34’’ 79–80 Hymnus: Charakterisierung des persönlichen Gottes als einzige Mutter 81 Klage über Angst § 35’’ 82

Inf

Inf

Sachv.-klär. →82–5

83

Zentrale Bitte um Erlösung

84

Zentrale Bitte um Führung an guten Ort Zentrale Bitte um Befreiung aus Abseits

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

§ 36’’ 86–7

Klage über eigenen Rückzug

Inf

§ 37’’ 88–9

Klage über Ziellosigkeit durch Vergleich mit Wasser Klage durch Vergleich mit einem Schiff Inf ohne Orientierung

85

90–1 § 38’’ 92 93

Zentrale Bitte um Überleben

Kont

stark zerstört (wohl Klage) Zentrale Bitte um Führung

Sachv.-klär. →93–5

Inf App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

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Textmuster der Gesamttexte

94

Zentrale Bitte um Zuwendung

95

stark zerstört (wohl Zentrale Bitte)

96

Hinweis auf gegenwärtiges Gebet

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets Dekl Sachv.-klär. →93–5

stark zerstört (Klage über Erniedrigung Inf durch das Land Arzawa)

Sachv.-klär. →105–12

§ 40’’’ 100–4 stark zerstört (wohl Hymnus mit Cha- Inf rakterisierung durch positive Wirkung des freundlichen Blicks)

Koop.-sich. →105–12

§ 39’’ 97–9

§ 41’’’ 105–8 stark zerstört (Zentrale Bitte um siebenmalige Lösung des Vergehens)

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

§ 42’’’ 109–10 stark zerstört (Zentrale Bitten um Be- App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets zwingung eines Übels und um Lösung des Vergehens) § 43’’’ 111–2 stark zerstört (Zentrale Bitte um Angleichung der Seele des persönlichen Gottes an Seelen der Eltern)

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

§ 44’’’ 113–4 Kolophon Anders als CTH 373 und CTH 372 besteht trotz enger Parallelen das hier behandelte Gebet nur aus zwei Teilen: Den ersten bildet das Vermittlungsgebet an den Sonnengott (1–74), an das der zweite Teil mit dem Zentralen Gebet an den persönlichen Gott angeschlossen ist (75–112). Nach dem weitgehend zerstörten einleitenden Abschnitt mit dem Hinweis auf den Gebetsgestus und das kommende Gebet (1–2) folgt ein langer Hymnus auf den Sonnengott (3–31). Die beiden angeschlossenen Zentralen Bitten an den Sonnengott um Unterstützung und Führung (32 und 34) werden wie der Hymnus als Feststellung formuliert, aber durch eine stützende Darstellung der positiven Konsequenzen der göttlichen Fürsorge (33) unterbrochen. Die zweite Gruppe Zentraler Bitten, diejenigen um Vermittlung (48–51), ist ausgiebig durch deklarative Hinweise (A) und gute Wünsche (B) in der Struktur A – B – B – A vorbereitet (35–40). Nach einem hymnischen Abschnitt (41–45) nimmt der Verfasser den Hinweis auf das Gebet wieder auf (46–47), um damit die schon erwähnten Zentralen Bitten um Vermittlung an den verschwundenen persönlichen Gott zu stützen (48–51). Der zweite Teil mit dem „eingebetteten“ Gebet nimmt seinen Ausgang in Fragen nach der eigenen Schuld (A), die durch zwei inhaltlich kontrastierende Einschübe (B) voneinander getrennt sind – hier also gemäß der Struktur A – B – A – B – A (52–59). Drei Abschnitte, die in Zentralen Bitten gipfeln, folgen nun (60–85, 86–96, 97–112).

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41

Strukturanalysen der Texte

Der erste (60–85) besitzt wieder eine ähnliche Struktur (A – B – A – B – A – B – A) mit einem Wechsel von Klagen (A) und Einschüben (B). Eine Reihung von Klagen (60–65) wird durch den ersten Einschub (66) deklarativ als solche ausgewiesen. Eine weitere Reihe von Klagen (67–71) endet mit dem deklarativen Hinweis auf den Ruf nach Gnade und die Bitte um Gehör (72–73). Die dritte kurze Klage (74–77) wird von einem ebenso kurzen Hymnus gefolgt (78–80). Nach der noch kürzeren letzten Klage über die Angst (81) schließen sich die Zentralen Bitten an (82–85). Im zweiten, einfacher strukturierten Abschnitt (86–96) steht wieder eine Reihe von Klagen (86–92) vor den Zentralen Bitten (93–95), die durch einen nachfolgenden Hinweis auf das Gebet (96) gestützt werden. Der dritte Abschnitt (97–112) enthält abermals zuerst Klagen (97–99), deren Länge aber wegen der Textlücke davor unklar ist. Jetzt unterstützt ein kurzer vorangestellter Hymnus (100–104) den Vortrag der Zentralen Bitten (105–112). Trotz der Parallelität langer Passagen zwischen CTH 374 auf der einen Seite und CTH 373 und CTH 372 auf der anderen Seite weicht also nicht nur der Gesamtbau des Textes deutlich ab, indem die beiden mittleren Gebetspartien komplett fehlen, sondern auch am Schluss ist der Wechsel in der Gewichtung der einzelnen Strukturelemente nicht in der gleichen Weise ausgearbeitet, wie dies für CTH 372 gilt. 3.2.2 CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna Sprecher: Adressaten: Gattung: Anlass:

Arnuwanda und Ašmunikal Götter des Himmels (nach CTH 375.2 auch Sonnengöttin von Arinna) DINUM Bedrohung der Kultlieferungen durch die Kaškäer Textanfang zerstört (wohl Anrufung und vielleicht Hymnus an die Götter des Himmels) Verdienste Ḫattušas: weitgehend zerstört (Tempelpflege)

§ 1’

1–2

Inf

§ 2’

3–5

Verdienste Ḫattušas um Reinheit des Inf Landes und der Opfergaben und um Ehrerbietung gegenüber Göttern; Kontrastierung mit den Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti

§ 3’

6

Feststellung der Bekanntheit der Opfer- Inf gaben und Ehrerbietung bei den Göttern

Sachv.-klär. →?

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42

Textmuster der Gesamttexte

7

Kontrastierung mit den früheren Verhältnissen bei der Tempelpflege

§ 4’

8–9

Ehrfurcht gegenüber Tempeln; Pflege Inf der göttlichen Güter (Silber, Gold, Rhyta, Becher); Kontrastierung mit Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti

§ 5’

10–3

Erneuerung der Götterstatuen und Uten- Inf silien; Kontrastierung mit Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti

§ 6’

14–5

Ehrerbietung für Opfer und vollständige Inf Durchführung der Opfer und Feste

§ 7’

16–8

Frühere Schädigung der Tempelwirtschaft durch Belegung der Städte der Götter mit šaḫḫan und luzzi zerstört (wohl Behebung der früheren Schädigung)

19

Inf

Inf Inf

§ 8’’

20–1

teilweise zerstört (Opfergaben durch Inf Arnuwanda und Ašmunikal) Feststellung der Bekanntheit der Opfer- Inf gaben bei den Göttern

§ 9’’

22–4

weitgehend zerstört (wohl Opfer Arnu- Inf wandas, Ašmunikals und des Thronfolgers) weitgehend zerstört (unklar)

25

§ 10’’ 26–30 Hinweis auf Bericht über Vergehen Dekl der Feinde und Vortrag als Rechtssache

§ 11’’ 31–6 –14’’

Darlegung der Vergehen der Kaškäer an den Göttern: Raub von Kultpersonal und -lieferungen, Inf Opfergaben, Kultobjekten in den genannten Ländern

§ 15’’ 37–9

Zerstörung von Tempeln und Göttersta- Inf tuen

§ 16’’ 40–1

Raub und Verteilung der Kultobjekte

§ 17’’ 42–4

Raub und Versklavung des Tempelperso- Inf nals

Inf

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43

Strukturanalysen der Texte

§ 18’’ 44–6

§ 19’’ 47–9

Raub und Verteilung der Opfertiere und Inf Ländereien Negative Konsequenzen für die Götter: Ausbleiben von Preisung, Opfern, Fes- Inf ten und Ritualen in den besetzten Ländern

§ 20’’ 50–1

Ausbleiben von Tributzahlungen und Inf Verschwinden der Kultakteure in Ḫattuša

§ 21’’ 52–3

Ausbleiben des Kultgeräts, der Opferga- Inf ben und Tiere für Götter und Sonnengöttin

§ 22’’ 54–5

stark zerstört (über Opfergaben)

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →?

Inf

§ 23’’’ 56–60 teilweise zerstört (Zerstörung und Bedro- Inf hung von Städten) § 24’’’ 61–4

Sendung der Opfer für die Götter von Nerik wegen der Eroberung Neriks ersatzweise nach Ḫakmiš

Inf

§ 25’’’ 65–70 Versuch, die Kaškäer durch Geschenke Inf und Schwur zur Durchlassung der Opfer nach Nerik zu bringen § 26’’’ 71–6

Scheitern des Versuchs; Vertragsbruch Inf durch Kaškäer

§ 27’’’ 77–80 Raub der Opfertiere und -gaben für Wettergott von Nerik

Inf

§ 28’’’ 81–4

Eindringen der Kaškäer ins Land Ḫatti

Inf

§ 29’’’ 85–6

weitgehend zerstört (wohl weiterhin Eindringen der Kaškäer)

Inf

§ 30’’’’ 87–92 weitgehend zerstört (Liste von Städten –35’’’’ und Befehlshabern) Textende weggebrochen (wohl Bitten)

Inf

Da der Beginn des Gebets CTH 375.1 weggebrochen ist, setzt der erhaltene Text erst mit einer Darlegung der Verdienste Ḫattušas (2–25) ein, die sprachlich als Hymnus verkleidet ist. Dann folgt der einzig erhaltene deklarative Hinweis auf den Vortrag der

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44

Textmuster der Gesamttexte

Rechtsangelegenheit, der die Falldarlegung ankündigt (26–30). Diese handelt über die Vergehen der Kaškäer (31–46) und deren negative Konsequenzen für die Götter (47–55) sowie über die konkreten Probleme bei der Aufrechterhaltung der Kultlieferungen (56–92). Der Aspekt der Anklage wird auf diese Weise hervorgehoben. 3.2.3 CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott Sprecher: Adressat: Vermittler: Gattung: Anlass:

§ 1’

1–4 5 6 7–8

§ 2’

9–14 15–6

§ 3’

Kantuzili Sonnengott, persönlicher Gott Sonnengott als Vermittler gegenüber dem persönlichen Gott keine Angabe Abwendung des persönlichen Gottes (etwa die Hälfte der Tafelvorderseite mit Anrede und Hymnus auf Sonnengott zerstört) Klage über Zorn des persönlichen Got- Inf tes und Abwendung vom Betenden Mögliche Aufenthaltsorte des persönlichen Gottes Zentrale Bitte um Vermittlung in App Form der Feststellung, dass Sonnengott zum persönlichen Gott gehen werde Zentrale Bitte an Sonnengott um App Vermittlung gegenüber persönlichem Gott

Sachv.-klär. →6–8 Versteh.-sich. →6–8 Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

Zentrales Gebet an persönlichen Gott: Anrede und Hymnus: Verdienste des Kont Koop.-sich. →53 persönlichen Gottes um Kantuzili in seinem sozialen Umfeld Anerkennung der Verdienste in Form Inf Sachv.-klär. →53 einer rhetorischen Frage

17–8

Schon frühere Anerkennung der Ver- Inf dienste 19–23 Beteuerung der Unschuld Kantuzilis Inf hinsichtlich Meineid, Essen und Verunreinigung des Körpers

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45

Strukturanalysen der Texte

§ 4’

24–9 30–3

Beteuerung der Unschuld Kantuzilis Inf hinsichtlich Diebstahls Anerkennung der Rolle des persönli- Inf chen Gottes für zukünftiges Überleben und Rüstigkeit des Menschen durch rhetorische Frage

§ 5’

34–5

§ 6’

41–52 Bitte um Offenbarung der Vergehen für (An)erkennung

App Ausführ.-sich. und motiv.-stütz. →53

§ 7’

53

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

§ 8’

§ 9’

Klage: über Verbindung von Leben und Inf Tod 36–40 Norm: Sterblichkeit des Menschen; Inf Unwichtigkeit von Krankheit im Falle ewigen Lebens

Zentrale Bitte an persönlichen Gott um Ehrerbietung (ergänzt) und Stärkung

Beginn des zweiten Teilgebets an Sonnengott: 54–5 Anrede und Hymnus auf Sonnengott Kont Koop.-sich. →56–61 (Eignung als Vermittler) 56–61 Zentrale Bitte an Sonnengott, der App Gesamtfkt. d. Verpersönliche Gott solle sich ihm wieder mittl.-Gebets zuwenden, ihn am Leben erhalten und ihm Güte zeigen 62–5

Klage über Müdigkeit, Krankheit, Kraft- Inf losigkeit und schwierige Situation

66–7

Zentrale Bitte um Verlöschen des Zorns des persönlichen Gottes Zentrale Bitte um Entfernung aus Krankheit

68 69 70 71 72

Sachv.-klär. →66–8

App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

Anrede und Hymnus auf Sonnengott Kont Koop.-sich. →71 (Pracht, Abstammung) Hinweis auf vollzogene Anrufung Dekl Sachv.-klär. →71 mit Selbsteinführung des Betenden Zentrale Bitte um Überleben App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets Hinweis auf Gebet

Dekl Sachv.-klär. →74

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46

Textmuster der Gesamttexte

§ 10’ 73 74

75–6 77–8 79 80–1 82 § 11’ 83–7 88

Hinweis auf Preisung des persönli- Dekl chen Gottes Zentrale Bitte an Sonnengott um Ge- App Gesamtfkt. d. Verhör durch persönlichen Gott mittl.-Gebets Zentrales Gebet an persönlichen Gott: Frage nach Schuld gegenüber persönlichem Gott Darlegung der Vergangenheit: Erschaffung des Kantuzili durch persönlichen Gott Frage nach Schuld gegenüber persönlichem Gott Negative Norm: Kaufmann, der die Waage verfälscht Frage nach Schuld gegenüber persönlichem Gott

Int Inf Int Inf Int

95 96–7 98–9

Ausführ.-sich. und motiv.-stütz. →91 Sachv.-klär. →91 Ausführ.-sich. und motiv.-stütz. →91

Klage über Angst und Krankheit Inf Sachv.-klär. →91 Hinweis auf Gebetssprechakt gegen- Dekl Sachv.-klär. →83–7 über persönlichem Gott

§ 12’ 89–90 Klage über Albträume und Fehlen of- Inf fenbarender Träume 91 Zentrale Bitte um Mobilisierung von App Kraft und Schutzgottheiten 92–3 Hinweis auf Klage über Krankheit Inf durch rhetorische Frage des Betenden, ob er nie nach der Vorherbestimmung durch persönlichen Gott gefragt habe § 13’ 94

Ausführ.-sich. und motiv.-stütz. →91 Sachv.-klär. →91

Sachv.-klär. →91 Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets Sachv.-klär. →91

Hinweis auf Ruf nach Gnade

Dekl Koop.-sich. und motiv.stütz. →96–7 Bitte um Gehör App Koop.-sich. →96–7 Zentrale Bitte um Erfolg in Rechtsan- App Gesamtfkt. d. Zentr. gelegenheiten Gebets

Klage über mangelnde Unterstützung Inf seitens der Freunde 100 zerstört 101–2 Klage, dass Gottheit die einzige Mutter sei (Hälfte der Rückseite mit Bitten zerstört)

Sachv.-klär. →?

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Strukturanalysen der Texte

47

Obgleich Anfang und Ende des Gebets weggebrochen sind, legt das Gebet CTH 373 offensichtlich im Großen und Ganzen dieselbe Struktur an den Tag wie das vollständiger erhaltene Gebet CTH 372 aus späterer Zeit, indem es eine Doppelung aufweist und jeder der beiden Teile wiederum ein Vermittlungsgebet an den Sonnengott (1–8 und 54–74) und Zentrales Gebet an den persönlichen Gott (9–53 und 75–102) umfasst, so dass es insgesamt vierteilig ist. Der erhaltene Text setzt am Ende des ersten Sonnengottgebets ein mit der Klage über Zorn und Abwendung des persönlichen Gottes (2–4), aus der sich die Bitte um Vermittlung an denselben (5–8) inhaltlich ergibt. Das zu vermittelnde Gebet an den persönlichen Gott beginnt mit einer knappen Anrede (9) und einem ausführlichen Hymnus, in dem das Verhältnis von Betendem und persönlichem Gott dargelegt wird und die zentralen Themen wie die Anerkennung und Preisung der Verdienste des Gottes, die eigene Unschuld und die schwierige Situation des Betenden Behandlung finden (9–40). Übergangslos folgt ein Abschnitt mit drei Bitten um Offenbarung der Vergehen (41–42, 44–46, 48–51), um die Erkennung derselben und damit auch ihre Anerkennung (43, 47, 52) zu ermöglichen. Wieder ohne Übergang ist die knapp formulierte Zentrale Bitte um Wiederherstellung der sozialen Stellung und Gesundheit (53) angefügt. Sie schließt das erste Zentrale Gebet ab. Das zweite Teilgebet an den Sonnengott ist vollständig erhalten und besteht seinerseits aus vier Teilen, die jeweils auf eine der vier Bitten ausgerichtet sind. Die ersten zwei möchten eine Einflussnahme auf das Verhältnis zum persönlichen Gott erreichen (56–61 und 66–68), die dritte stellt eine eigenständige Bitte um Überleben an den Sonnengott selbst dar (71), und die vierte betrifft wieder die Vermittlung an den persönlichen Gott (74). Diese Bitten erhalten jeweils eine Vorbereitung oder Stützung: Anrede und Hymnus mit der Charakterisierung des Sonnengottes als geeigneten Vermittler (54–55) für die Bitte um erneute Zuwendung des persönlichen Gottes sowie eine Klage (62–65) für die Bitte um das Verlöschen seines Zorns und um Gesundung. Die an den Sonnengott gerichtete eingeschobene Bitte um Überleben ist durch Anrede, kurzen Hymnus und einen Hinweis auf die Anrufung vorbereitet (69–70) – insgesamt ergeben die drei Kola ein eigenständiges kurzes Gebet. Ein erneuter Hinweis – dieses Mal auf die Ansprache des persönlichen Gottes und seine Preisung – leitet die neuerliche Bitte um Einflussnahme auf den persönlichen Gott (Bitte um Gehör) ein (72–73). Bevor die Tafel abbricht, ist noch der größte Teil des zweiten Zentralen Gebets an den persönlichen Gott bewahrt. Er beginnt mit einer Struktur A – B – A – B – A (76–82), wobei A eine Frage nach der eigenen Schuld darstellt (76–77, 80, 83) und B die Kontrastierung mit dem früheren Wohlwollen des persönlichen Gottes (78–79) bzw. diejenige mit einem betrügerischen Händler (81–82). Daran schließen sich drei Abschnitte (83–93, 94–97, 98–102) an, die mit Zentralen Bitten die Gesamtfunktion des Textes angeben. Der erste Bittabschnitt besteht zunächst in einer Klage über Angst, Krankheit und schlechte Träume (83–91) – unterbrochen durch einen Hinweis auf eben diese Klage (88) – und in einer Bitte um Kraft und Schutzgottheiten (91), deren Berechtigung durch eine rhetorische Frage gestützt wird (92–93). Der mittlere Bittabschnitt ist abweichend

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Textmuster der Gesamttexte

gestaltet, indem ein Hinweis auf den Ruf nach Gnade und die Bitte um Gehör (94–95) der Zentralen Bitte um Erfolg vor Gericht vorangehen (96–97). Dagegen beginnt der dritte Bittabschnitt wieder mit Klagen und thematisiert die Verlassenheit des Betenden (98–102), bevor der Text abbricht. Gleicht der Aufbau auch weiterhin demjenigen von CTH 372, sollte nach den Klagen eine Vielzahl von Bitten den Schluss des Gebets bilden. 3.2.4 CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne Sprecher: Adressaten: Vermittler: Gattung: Anlass:

§1

1 1–11

12 13

§2

14–9

§3

20–7

Mensch Sonnengott, persönlicher Gott Sonnengott als Vermittler gegenüber dem persönlichen Gott keine Angabe Abwendung des persönlichen Gottes Einleitende Kontextualisierung: Anrede an Sonnengott als Richter und König von Himmel und Erde Hymnus: Charakterisierung des Sonnengottes als siegspendend, gerecht, gütig und als Durchführer der Herbeirufung; Abstammung des Sonnengottes und Aussehen Hinweis auf vollzogene Verneigung des Betenden Hinweis auf folgenden Hymnus auf den Sonnengott

Kont Koop.-sich. →44 und 46 Kont

Dekl Sachv.-klär. →44 und 46 Dekl

Beginn des ersten Teilgebets an Sonnengott: Anrede und Hymnus: Wirkungsbe- Kont Koop.-sich. →44 und reich als Spender von Licht, Richter und 46 Herrscher; Angabe der Mutter; hoher Status unter den Göttern Hymnus: Angabe des Vaters; umfas- Kont sender Wirkungsbereich; unermüdlicher Richter; Status unter den Göttern: Erhabenheit unter uralten Göttern, Zuteiler der Opfergaben an die Götter, Durchschreiten der Himmelstore

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Strukturanalysen der Texte

§4

Kont 28–33 Hymnus: Status unter den Göttern: Verehrung und Gehorsam anderer Götter; Fürsorge und Schutz für geschädigte und verwaiste Menschen

§5

34–43 Hymnus: Wirkungsbereich als Spender von Licht; Funktion als Richter über Tiere und Menschen; Fürsorge für von den Göttern vergessene oder verfolgte Menschen 44 Zentrale Bitte um Gedeihen an Sonnengott 45 Positive Konsequenz: Opferung von Brot und Bier 46 Zentrale Bitte um Führung

§6

47–8

Kont

App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets Obl Motiv.-stütz. →44 App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

49

Hinweis auf vollzogenes Opfer (Füt- Dekl Motiv.-stütz. →66–7 terung für Zugtiere des Sonnenwagens) und 72–4 Bitte um Annahme des Opfers App Koop.-sich. →47–8

50 51 52 53

Bezug auf Fütterung Gruß an Sonnengott Hinweis auf Gebetssprechakt Hymnus: Eignung als Vermittler

54–6

Versteh.-sich. →52 Kont Koop.-sich. →52 Dekl Sachv.-klär. →53 App Koop.-sich. →66–7 und 72–4 Hymnus: Wege des Sonnengottes und Inf begleitende Mächte „Angst“ und „Schrecken“

§7

57–62 Hymnus: Sonnengott inmitten seiner Helfer und Begleiter

§8

63–5 66–7

Inf

Hymnus: Zuteiler für himmlische und unterirdische Götter Zentrale Bitte um Vermittlung App Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

68–70 Klage über Zorn des persönlichen Got- Inf tes und Abwendung vom Betenden 71 Mögliche Aufenthaltsorte des persönlichen Gottes

Sachv.-klär. →72–4 Versteh.-sich. →72–4

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50

Textmuster der Gesamttexte

72

73–4

§9

App Gesamtfkt. d. VerZentrale Bitte um Vermittlung als indirekter Sprechakt in Form der Festmittl.-Gebets stellung, dass Sonnengott zum persönlichen Gott gehen werde Zentrale Bitte um Vermittlung an App Gesamtfkt. d. Verpersönlichen Gott mittl.-Gebets

Beginn des ersten Zentralen Gebets an persönlichen Gott: 75–80 Anrede und Hymnus: Verdienste des Kont Koop.-sich. →120 persönlichen Gottes um Betenden in seinem sozialen Umfeld 81–2 Anerkennung der Verdienste durch Inf Sachv.-klär. →120 rhetorische Frage 83–4 Schon frühere Anerkennung der Ver- Inf dienste

§ 10

85–95 stark zerstört (Beteuerung der UnInf schuld des Betenden hinsichtlich Meineid, Essen, Diebstahl)

§ 11

96–9

§ 12

108–19 Bitte um Offenbarung der Vergehen für (An)erkennung

App Ausführ.-sich. und motiv.-stütz. →120

§ 13

120

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

Anerkennung der Rolle des persönli- Inf chen Gottes für zukünftiges Überleben und Rüstigkeit des Menschen 100–7 stark zerstört (Norm: Überleben und Inf Rüstigkeit des Menschen; Verbindung von Leben und Tod; Sterblichkeit des Menschen und Unwichtigkeit von Krankheit im Falle ewigen Lebens)

Zentrale Bitte an persönlichen Gott um Ehrerbietung und Stärkung

Beginn des zweiten Teilgebets an Sonnengott: Kont Koop.-sich. →123–8 121–2 Anrede und Hymnus: Eignung als Vermittler 123–8 Zentrale Bitte an Sonnengott, der App Gesamtfkt. d. Verpersönliche Gott solle sich ihm wieder mittl.-Gebets zuwenden, ihn am Leben erhalten und ihm Güte zeigen

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Strukturanalysen der Texte

Inf § 14’ 129–30 stark zerstört (Klage) 131–2 zerstört 133 stark zerstört (Zentrale Bitte an Son- App nengott um Besänftigung des persönlichen Gottes) 134 zerstört 135–6 stark zerstört (Zentrale Bitte um Ent- App fernung aus Krankheit

Sachv.-klär. →133–6 Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets Gesamtfkt. d. Vermittl.-Gebets

§ 15’ 137

zerstört

§ 16’ 138

zerstört (wohl Hinweis auf Gebet an Dekl Sachv.-klär. →139 Sonnengott) zerstört (wohl Zentrale Bitte an Son- App Gesamtfkt. d. Vernengott um Gehör durch persönlichen mittl.-Gebets Gott)

139

Beginn des zweiten Zentralen Gebets an persönlichen Gott: 140 Frage nach Schuld gegenüber persönli- Int chem Gott 141–3 Beteuerung der eigenen Unschuld Inf durch Abgrenzung vom Kaufmann, der die Waage verfälscht

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →165–8 Sachv.-klär. →165–8

§ 17’ 144–8 Klage über Angst und Krankheit Inf 149 Hinweis auf Gebetssprechakt gegen- Dekl Sachv.-klär. →144–8 über persönlichem Gott § 18’ 150–3 Klage über Albträume, vom persönli- Inf Sachv.-klär. →165–8 chen Gott zugelassene Kraftlosigkeit und Krankheit 154 Hinweis auf Klage über Leiden durch Inf rhetorische Frage des Betenden, ob er nie nach der Vorherbestimmung durch persönlichen Gott gefragt habe 155 Hinweis auf Ruf nach Gnade Dekl Koop.-sich. und motiv.stütz. →165–8 156–9 Klage über die vom persönlichen Gott Inf verursachte Erfolglosigkeit in Rechtsangelegenheiten und eigenen schlechten Einfluss

Sachv.-klär. →165–8

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Textmuster der Gesamttexte

160–3 Hymnus: Charakterisierung des per- Kont Koop.-sich. →165–8 sönlichen Gottes als Vater und einzige Mutter 164 Klage über Angst und Schlaflosigkeit Inf Sachv.-klär. →165–8 165 Zentrale Bitte um Überleben App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets 166 Zentrale Bitte um Erlösung App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets 167 Zentrale Bitte um Fürsorge App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets 168 Zentrale Bitte um Beseitigung der App Gesamtfkt. d. Zentr. Krankheit Gebets § 19’ 169–76 stark zerstört (Klage, unter anderem Inf Sachv.-klär. →177–9 über Ziellosigkeit) 177–9 Zentrale Bitten um Führung und Für- App Gesamtfkt. d. Zentr. sorge Gebets § 20’ 180 181

Rühmung des persönlichen Gottes als positive Konsequenz der göttlichen Fürsorge zerstört

182–3 Klage über Verrat der Freunde und Niederlage 184 Klage über Zorn der Gottheit 185–7 zerstört (wohl Zentrale Bitte, dass die Krankheit den Betenden loslassen möge? ) § 21’ 188

Obl Motiv.-stütz. →177–9 Obl Inf

Sachv.-klär. →185–210

Inf App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

Zentrale Bitte, den Betenden an guten App Gesamtfkt. d. Zentr. Ort zu stellen Gebets

§ 22’ 189

Zentrale Bitte um Unterstützung in App Gesamtfkt. d. Zentr. Krankheit Gebets 190–2 stark zerstört (wohl Zentrale Bitten) 193 Zentrale Bitte um Lösung des Ärger- App Gesamtfkt. d. Zentr. nisses Gebets 194 stark zerstört (wohl Zentrale Bitte die App Gesamtfkt. d. Zentr. Krankheit betreffend) Gebets

§ 23’ 195

Zentrale Bitte um Fernhalten von bösen Tagen und Nächten

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

§ 24’ 196

Zentrale Bitte um Lösen des Ärgernisses

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

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Strukturanalysen der Texte

197 Bitte um Blick App Koop.-sich. →204 198–9 zerstört 200 Bitte um Akzeptanz des Sonnengottes App Koop.-sich. →204 als Boten? 201–3 stark zerstört 204 Zentrale Bitte um Lösung der Verge- App Gesamtfkt. d. Zentr. hen Gebets § 25’ 205–6 stark zerstört (enthält Bitten) 207

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets Zentrale Bitte um Besänftigung durch App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebet Gebets

§ 26’ 208–9 Zentrale Bitte um Wiedereinsetzen des ursprünglichen Zustands der Seele 210 Zentrale Bitte um Angleichung der Seele des Gottes an Seelen der Eltern § 27’ 211

App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets App Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets

zerstört (Kolophon: beendet)

Das Gebet gliedert sich in zwei Teile, die sich wiederum jeweils aus dem Gebet an den vermittelnden Sonnengott (1–71 und 121–139) und demjenigen an den zürnenden persönlichen Gott zusammensetzen (72–120 und 140–210). Das erste Sonnengottgebet beginnt mit einer Anrufung (1) und einem Hymnus (1–65), bevor sich die Bitte um Vermittlung gegenüber dem persönlichen Gott (66–67 und 72–74) anschließt. Zweimal wird der Hymnus unterbrochen durch Hinweise auf perfomative Akte wie Gesten, Opfer und Sprechakte (12–13 und 47–53). Dadurch ergibt sich ein umfangreicher Mittelteil des Hymnus, der von zwei etwa gleich langen kürzeren Teilen umrahmt wird. Während aber der erste Hinweis auf Niederbeugung und Sprechakt übergangslos in den Hymnus eingeschoben ist, ist die Stellung des zweiten Hinweises im Kontext eine ganz andere: An die Charakterisierung des Sonnengottes als Fürsorger für die Verfolgten (40–43) schließt sich unmittelbar die inhaltlich passende Zentrale Bitte um Unterstützung an (44), gestützt durch die Darstellung der positiven Konsequenzen der Erfüllung der Bitte für den Gott (45) und verstärkt durch eine weitere Zentrale Bitte um Führung (46). Danach beginnt die Abfolge der Strukturelemente aufs Neue mit deklarativen Hinweisen (A) und guten Wünschen (B) in der Struktur A – B – B – A. Die Eignung als Vermittler (53) des Gebets bildet nun den Übergang zurück zum Hymnus, der wieder in einer spiegelnden Bitte um Vermittlung endet (66–67). Wie zuvor die Bitte um Unterstützung (44) nach einem kurzen motivationsstützenden Einschub durch eine weitere inhaltlich passende Bitte um Führung (46) unterstützt worden ist, so erscheint die Bitte um Vermittlung (66–67) in variierter Form wenige Zeilen später wieder (72–74), nach-

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54

Textmuster der Gesamttexte

dem – als Einschub zwischen beiden Bitten – mit dem Verschwinden des persönlichen Gottes die Ursache der Bitten erläutert worden ist. Das nun folgende erste der beiden eingebetteten Gebete hat eine sehr einfache und geradlinige Struktur. Es beginnt mit einer Anrede und einem Hymnus, der die Verdienste des persönlichen Gottes um den Betenden benennt (75–80). Die Anerkennung der bisherigen Verdienste durch den Betenden (81–84) leitet thematisch zu ihm selbst über und bildet zugleich den Anfang der Darstellung des eigenen Tuns, der eigenen Unschuld und des Leidens in der Vergangenheit zusammen mit der Anerkennung zukünftiger Verdienste (81–107). Der Schritt in die Gegenwart wird durch die Bitte um Offenbarung der eigenen Vergehen vollzogen, die die Voraussetzung für ihre Erkennung und Anerkennung bildet (108–119). Dem folgt abschließend die knapp formulierte Zentrale Bitte an den persönlichen Gott um Ehrerbietung und Stärkung (120). Das zweite Teilgebet an den Sonnengott legt eine ganz andere Gewichtung der Strukturelemente an den Tag als das erste. Nach der Anrede und einem kurzen Hymnus, der den Sonnengott wieder als geeigneten Vermittler charakterisiert (121–122), folgen vier Zentrale Bitten an den Sonnengott (B), denen – soweit der Erhaltungszustand des Textes erkennen lässt – jeweils auf das Nachstehende bezogene Erklärungen (A) unterschiedlicher Natur vorausgehen (123–139). Rechnet man den Hymnus dazu, folgt dieses Gebet der Struktur A – B – A – B – A – B – A – B. Wie im ersten Gebet an den Sonnengott gelten die Bitten einerseits dem Verhältnis von Betendem und persönlichem Gott, andererseits soll auch der Sonnengott selbst eine Besserung der Krankheit bewirken (135). Die letzte Bitte an den Sonnengott um Gehör durch den persönlichen Gott (139) bildet den geeigneten Übergang zur zweiten Einbettung, die ein weiteres an den persönlichen Gott gerichtetes Zentrales Gebet enthält. Dieser letzte Teil beginnt mit der Frage nach der eigenen Schuld und einer Unschuldsbeteuerung (140–143). Danach gliedert sich der Text in drei sehr unterschiedliche Abschnitte, die jeweils in den Zentralen Bitten gipfeln (144–168, 169–181 und 182–210). Im ersten Abschnitt ist der Klage (A) viel Raum gegeben (144–164), sie wird jedoch immer wieder durch verschiedene stützende Einschübe (B) unterbrochen, so dass sich ein ähnliches Schema ergibt wie zuvor: A – B – A – B – A – B – A. Bei den Einschüben handelt es sich um einen deklarativen Hinweis auf die sich gerade vollziehende Klage (149), einen deklarativen Hinweis auf den Ruf nach Gnade (155) und eine kontrastive hymnische Darstellung des früheren Idealzustands des Verhältnisses zwischen Betendem und persönlichem Gott (160–163). Die Klage mit dem schlechten Ist-Zustand wird nur noch kurz wieder aufgegriffen, bevor die Zentralen Bitten den Abschluss bilden. Der zweite Abschnitt ist gegenüber dem vorangehenden und folgenden sehr einfach und kurz gehalten, indem Klage (169–176), Bitten (177–179) und Darstellung der positiven Konsequenzen göttlicher Fürsorge (180–181) ohne erkennbare Einschübe in der erwarteten Reihung erscheinen. Der dritte Abschnitt ist wieder durch eine Klage eingeleitet (182–184), die jetzt – anders als im ersten Abschnitt – nur geringen Raum einnimmt. Umgekehrt sind die Bitten, die den Text abschließen, nun in voller Ausführlichkeit aufgelistet (185–210) und vermitteln die Zielsetzung des Gebets in klarer Weise. Allein die stark zerstörte

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Strukturanalysen der Texte

Passage 197–203 kurz vor Ende scheint diesen Ablauf noch einmal zu unterbrechen, indem sie auf das Verhältnis des Betenden zu seiner Umgebung und – wenn der Text richtig emendiert ist – auf die Akzeptanz des Sonnengottes durch den persönlichen Gott eingeht. Das wäre strukturell nicht ganz unerwartet, weil dies die Unterbrechung des langen Hymnus kurz nach dem Anfang des Gebets (12–13) spiegeln würde. Führt man die beiden Teile der Gebete an den Sonnengott bzw. an den persönlichen Gott jeweils zusammen, bekommt man – obgleich vielfach durchbrochen – dennoch vermittels der vom Verfasser vorgenommenen Gewichtung der Strukturelemente sowohl bei den beiden Teilgebeten für den Sonnengott als auch bei denjenigen für den persönlichen Gott den Eindruck einer Reihenfolge Hymnus – Klage – Bitte. 3.2.5 CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna Auftraggeber: Adressaten: Repräsentant: Gattung: Anlass:

§1

1 2–3 4–5 6–10 11 12 13 14

§2

Muršili II. Sonnengöttin von Arinna, Götter vorhanden arkuwar und mugauwar Seuche im Land Ḫatti Einleitende Kontextualisierung: eine halbe Zeile zerstört (wohl Anrede) Einführung von Repräsentant und Auftraggeber Muršili Eingebettete direkte Rede des Auftrags, zur Sonnengöttin zu sprechen; Erläuterung des Auftrags Bitte an Sonnengöttin, sich durch Opfer herbeirufen zu lassen Bitte, in den Tempel zu kommen Hinweis auf Herbeirufung Bitte um Besänftigung durch Opfer Bitte um Gehör für gegenwärtiges Gebet

Kont Koop.-sich. →15–156 Inf Sachv.-klär. →15–156 App Sachv.-klär. →2–3 App Koop.-sich. →15–156 App Dekl Sachv.-klär. →15–156 App Koop.-sich. →15–156 App Koop.-sich. →13, 15–156

Beginn des Gebets an Sonnengöttin: 15 Hymnische Anrede an Sonnengöttin Kont Koop.-sich. →61–2 16–24 Verdienste des Landes Ḫatti um Tem- Inf Motiv.-stütz. →61–2 pel, Feste und Opfer; jeweils Kontrastierung mit Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti

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Textmuster der Gesamttexte

Verdienste ausschließlich des Landes Inf Ḫatti um Verehrung der Sonnengöttin 26 Verdienste Muršilis durch EhrerbieInf tung 27–30 Verdienste des Landes Ḫatti um BeInf reitstellung von Götterstatuen der Sonnengöttin zum Zwecke von Festen und Opfern, um Reinheit der Opfergaben und um Respekt gegenüber Tempelschmuck

§3

25

§4

31–6

§ 5’

58–60 Hymnus auf Sonnengöttin, die Men- Kont schen nicht vernachlässigt 61–2 Zentrale Bitte um Unterstützung und App Gesamtfkt. Halt für Muršili 63–5 Bitte um Gehör für gegenwärtiges App Koop.-sich. →61–2 Gebet

§ 6’

Hymnus auf Sonnengöttin als gewich- Kont Koop.-sich. →61–2 tige und große Gottheit 37–55 Hymnus auf Sonnengöttin als Herrin Kont des Gerichts, Herrscherin über Himmel und Erde, als astrale Gottheit, als ordnende Macht, als geehrte Gottheit im Himmel 56–7 Hymnus auf Sonnengöttin, deren Wort Kont beachtet wird (nur wenige Zeilen, vielleicht 3–5, bis zum Kolumnenende fehlen)

Beginn des gemeinsamen Gebetsteils an die Götter und Sonnengöttin (als Teil der Götterversammlung) 66 Falldarlegung: Anklage des Muršili gegen die Götter 67–8 Zulassen der Seuche und Sterben des Landes Ḫatti 69–79 Sterben der Brot- und Weinopferer, Pflüger, Frauen des Mühlsteins, Rinderund Schafhirten und Tiere 80 Negative Konsequenz für die Götter: Ausbleiben von Opfern

Inf

Sachv.-klär. →67–79

Inf

Sachv.-klär. →80

Inf Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →101–6

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Strukturanalysen der Texte

81 82–4 85–9 90 91

Inf Sachv.-klär. →85–9 Negative Konsequenz für Menschen: Vorwurf der Götter (Themenüberleitung) Falldarlegung: Vergebliches Handeln Inf und Fehler der Menschen Bitte an die Götter um Offenbarung App Ausführ.-sich. → 154 der Ursache der Seuche Falldarlegung durch Vergleich der Inf Sachv.-klär. und motiv.Situation mit Baumeln an der Spitze stütz. →91 einer Nadel Bitte an die Götter um gütige Gesin- App Koop.-sich. →85–9 nung

92–3

Themenüberleitung von Seuche zu Inf Feindesländern 94–100 Falldarlegung: Frevel und Feindschaft Inf der autonomen Feindesländer 101–2 Zentrale Bitte an die Götter um Ankla- App ge gegen Feindesländer und darum, die Seuche dorthin zu senden

Versteh.-sich. →94–100 Sachv.-klär. und motiv.stütz. → 101–2 Gesamtfkt.

103–4 Falldarlegung: Wohlergehen der Fein- Inf Sachv.-klär. → 105–6 desländer; Erschöpfung des Landes Ḫatti 105–6 Zentrale Bitte an die Götter um Um- App Gesamtfkt. lenkung des Übels aus erschöpftem Land Ḫatti in ausgeruhte Feindesländer § 7’

107–12 Falldarlegung: Abfall früher zu Ḫat- Inf ti gehöriger Länder von Sonnengöttin von Arinna; Vernachlässigung der Tributzahlungen 113–6 Erfolgreiche Ausbeutung der umliegen- Inf den Großmächte durch Ḫatti zugunsten der Sonnengöttin von Arinna

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →118–9

§ 8’

117

§ 9’

120–5 Zentrale Bitte an die Götter, nur Schul- App Gesamtfkt. dige zu vernichten

Rekapitulation der Feindschaft aller Inf Feindesländer gegenüber Ḫatti 118–9 Zentrale Bitte an Sonnengöttin von App Gesamtfkt. Arinna, Vergeltung zu üben und ihren Namen zu schützen

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Textmuster der Gesamttexte

126 127

Zentrale Bitte an die Götter um Hinwendung zu Ḫatti Zentrale Bitte um Umlenkung der Übel in Feindesländer

App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

§ 10’ 128–9 Zentrale Bitte um Wachstum und Ge- App Gesamtfkt. deihen in Ḫatti und um Wiedereintreten in alten Zustand (nur wenige Zeilen, vielleicht 3–5, bis zum Beginn des Textes auf der nächsten Kolumne fehlen) § 11’’ 130–4 Zentrale Bitte an Sonnengöttin um Umlenkung der Übel auf Feinde der Sonnengöttin

App Gesamtfkt.

Beginn des Gebetsteils an Sonnengöttin: § 12’’ 135–6 Bitte an Sonnengöttin um Selbstkorrek- App Koop.-sich. →137–47 tur 137–8 Zentrale Bitte um Beendigung des Zu- App Gesamtfkt. stands ihrer Lähmung und Hinwendung zu Muršili und zum Land Ḫatti 139–47 Zentrale Bitten für Muršili App Gesamtfkt. 148 Bitte um gütige Gesinnung App Koop.-sich. →149–53 149–53 Zentrale Bitten für Land Ḫatti App Gesamtfkt. 154 Positive Konsequenz für Götter: Kon- Inf Sachv.-klär. und motinuität der Kultobservanz tiv.-stütz. →137–47, 49–153 155 Zustimmung der Versammlung App Glaub.-stütz. →154 (nur wenige Zeilen, vielleicht 4–6, am Kolumnenanfang fehlen) § 13’’’ 156–60 Rechenschaftsbericht des Repräsentanten: schriftliche Niederlegung der Tafel; siebentägige Anrufung der Sonnengöttin in Ḫattuša und Arinna; gesonderte Tafel der Anrufung (mugauwar) vorhanden § 14’’’ 161

zerstört (Nennung der Falldarlegung)

§ 15’’’ 162–65 zerstört (enthält Hinweis auf weitere Sondertafel mit mugauwar)

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Strukturanalysen der Texte

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§ 16’’’ 166–69 zerstört (Rechenschaftsbericht des Repräsentanten über Reise nach Arinna und Zippalanda und Gebetsvortrag) § 17’’’ 170

zerstört (Schreiberkolophon)

Die Einleitende Kontextualisierung enthält nach einer zu ergänzenden Anrufung zur Kontaktaufnahme (1) die Selbsteinführung eines Repräsentanten des Königs (2–3) mit dem eingebetteten Auftrag und der Erläuterung der kommenden Sprechhandlung (4–5): der Herbeirufung der Sonnengöttin von Arinna (6–12) gefolgt von zwei Stützbitten (13–14). Der erste Abschnitt (15–65) des eigentlichen Gebets beginnt – nach einer kurzen hymnischen Anrede – bemerkenswerterweise mit den Verdiensten des Landes Ḫatti um die Verehrung der Sonnengöttin (16–30), die in das Gewand eines Hymnus gekleidet sind. Der eigentliche Hymnus (31–60), der tatsächlich die typischen Motive beinhaltet, schließt vor der ersten Zentralen Bitte, die noch sehr knapp formuliert ist: diejenige um Unterstützung des Muršili (61–62), gefolgt von einer Bitte um Gehör, die an die Stelle der vorher üblichen Vermittlungsbitte tritt (63–65). Der folgende Abschnitt (66–134) wendet sich gemeinsam an die Götter und die Sonnengöttin, wobei die Bitten je nach Zuständigkeit im Wechsel an die Götter und die Sonnengöttin gerichtet sind. Der Gebetsteil setzt mit den Taten der Götter ein, die zu der fatalen Situation im Land geführt haben, und stellt die negativen Konsequenzen für die Götter dar (80). Der nächste kurze Abschnitt ist den Konsequenzen für die Menschen gewidmet, ihrem Versagen und Unwissen (81–84) und führt zur Bitte um Offenbarung der Ursache für die Seuche (85–89), gefolgt von dem Hinweis auf die prekäre Situation und die stützende Illokution einer Bitte um gütige Gesinnung (90–91). Nun leitet der Betende zum Thema der Feindesländer über, um nach der Beschreibung ihres feindlichen Verhaltens (92–100) und ihres guten Zustands im Gegensatz zum Land Ḫatti (103–104) jetzt den Paragraphen mit der zweiten Zentralen Bitte (Umlenkung der Seuche ins Feindesland) abzuschließen (101–102, 105–106). Etwas abweichend ist der nächste aus zwei Paragraphen bestehende Abschnitt aufgebaut, indem dem Bericht über weitere feindliche Länder (107–116) zunächst eine Rekapitulation über das feindliche Verhalten sämtlicher Länder folgt (117). Damit wird die dritte Zentrale Bitte an die Sonnengöttin vorbereitet: diejenige um Vergeltung und die Wahrung des Namens der Sonnengöttin (118–119). Nun folgen als Höhepunkt des Gebets zwei umfangreiche voneinander abgegrenzte Blöcke Zentraler Bitten (120–134 und 137–154). Der erste der beiden Blöcke gehört noch zum Abschnitt des gemeinsamen Gebets an die Götter und die Sonnengöttin. Er wird eingeleitet mit der Bitte um Differenzierung zwischen Schuldigen und Unschuldigen bei der Bestrafung (120–125). Dies wird ausgeführt durch je zwei abwechselnde Bitten um Zuwendung bzw. um Gedeihen für das Land Ḫatti (126 und 128–129) und um Umlenkung der Übel ins Feindesland (127 und 130–134).

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60

Textmuster der Gesamttexte

Der zweite Block gehört indessen schon zu dem abschließenden Textabschnitt (135–155), der sich wieder fast ausschließlich allein an die Sonnengöttin richtet. Der Einschub der beiden Kooperationssichernden Bitten um Selbstkorrektur (135–136) grenzt den zweiten Block der Zentralen Bitten ab (137–153). Dieser stellt zunächst Muršili und Ḫatti gemeinsam, dann Muršili allein und danach – durch eine namentliche Anrufung der Sonnengöttin mit Kooperationssichernder Bitte abgegrenzt – Ḫatti allein ins Zentrum. Prominent ans Ende des Gebets gesetzt folgen die in Aussicht gestellten positiven Konsequenzen für die Götter (154) und die Bestätigung durch die Versammlung (155). 3.2.6 CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu Auftraggeber: Adressat: Repräsentant: Gattung: Anlass: §1

1–2

§2

3 4–5 6

Muršili II. Telipinu vorhanden (Tafelschreiber) arkuwar und mugauwar Seuche im Land Ḫatti Vermerk über Inhalt der Tafel Einleitende Kontextualisierung: Anrede an Telipinu mit hymnischer Kont Koop.-sich. →7–16 Erweiterung Einführung von Repräsentant und Inf Sachv.-klär. →17–60 Auftraggebern Muršili und Gemahlin Eingebettete direkte Rede des Auftrags, App Telipinu herbeizurufen (mugauwar)

§3

7–9

Mögliche Aufenthaltsorte des Telipinu

§4

10

Bitte an Telipinu, sich durch Opfer herbeirufen zu lassen Bitte, in Tempel zu kommen Hinweis auf Herbeirufung Bitte um Besänftigung durch Opfer Bitte um Gehör für gegenwärtiges Gebet

11 12 13 14–6 §5

17 18–9

Versteh.-sich. →10–11 App Koop.-sich. →17–60 App Dekl Motiv.-stütz. →13 App Koop.-sich. →17–60 App

Hymnische Anrede an Telipinu als Kont Koop.-sich. →37–60 gewichtige Gottheit Verdienste des Landes Ḫatti um Tem- Inf Sachv.-klär. und motiv.pel und Kontrastierung mit Verhältnisstütz. →37–60 sen außerhalb des Landes Ḫatti

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61

Strukturanalysen der Texte

20–1

Verdienste des Landes Ḫatti um Rein- Inf heit der Feste und Opfer im Land Ḫatti; Kontrastierung mit Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti Verdienste des Landes Ḫatti um Tem- Inf pelbauten und ihren Schmuck; Kontrastierung mit Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti

§6

22–3

§7

24

Verdienste des Landes Ḫatti um Tem- Inf pelausstattung

§8

25–6

Verdienste des Landes Ḫatti um Kult- Inf observanz; Kontrastierung mit Verhältnissen außerhalb des Landes Ḫatti

§9

27–8

§ 10

34–6

Verdienste Muršilis und seiner Familie Inf durch Ehrerbietung 29–30 Verdienste des Landes Ḫatti um Bereit- Inf stellung von Götterstatuen des Telipinu zum Zwecke von Festen und Opfern, um Reinheit und Heiligkeit der Opfergaben 31–3 Verdienste des Landes Ḫatti durch Inf Ehrerbietung gegenüber Tempelausstattung, durch Tempelpflege und Wahrung von Abstand

§ 11’ 37 38 39 40 § 12’ 41

Anrede und Hymnus auf Telipinu als Kont Koop.-sich. →37–60 gewichtige Gottheit (etwa 20–25 Zeilen fehlen ganz, wohl zweiter Teil des Hymnus entsprechend § 4 aus CTH 376.1) Zentrale Bitte um Wohlwollen für das Königspaar, die Prinzen und das Land Ḫatti Zentrale Bitte um Leben Zentrale Bitte um Wachstum, Zukunft, Gesundheit, langes Leben und Rüstigkeit Zentrale Bitte um positiven Zustand der Seele

App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

Zentrale Bitte um Nachkommenschaft App Gesamtfkt.

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62

Textmuster der Gesamttexte

42 43 44 45–6 § 13’ 47

Zentrale Bitte um Zustimmung und Gehorsam Zentrale Bitte um Wachstum von Pflanzen, Tier und Mensch Zentrale Bitte um siegreiche Waffen Zentrale Bitte um Sieg über Feindesland und dessen Vernichtung Zentrale Bitte um Vertreibung von bösem Fieber, Seuche, Krankheit und Heuschrecken aus Land Ḫatti

§ 14’ 48–50 Nennung der Feindesländer, die streitsüchtig und nicht ehrerbietig sind, die Tempel niederbrennen

App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

Versteh.-sich. →54

§ 15’ 51–2

Nennung der Feindesländer, die stehlen und verwüsten

§ 16’ 53 54

Nennung der Feindesländer, die Tempeldiener entführen Zentrale Bitte, diesen Feindesländern App Gesamtfkt. Fieber, Seuche, Hunger und Heuschrecken zu geben

§ 17’ 55

App Gesamtfkt.

Zentrale Bitte um Leben, Gesundheit, Rüstigkeit, lange Jahre, Zukunft und Freude für König und seine Familie 56–7 Zentrale Bitte um Wachstum von Pflanzen, Tier und Mensch 58–60 Zentrale Bitte um Regen und Winde des Gedeihens, Wachstum und Gedeihen im Land Ḫatti 61 Zustimmung der Versammlung

§ 18’ 62–3

App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Koop.-sich. und glaub.stütz. →37–47 und 54–60

Kolophon: tägliche Falldarlegung für König vor Telipinu durch Tafelschreiber

Nach einem Tafelvermerk (1–2) ist dem Gebet CTH 377 eine Einleitende Kontextualisierung vorangestellt. Sie besteht zunächst in einer hymnisch erweiterten Anrede (3) und einem Bericht über die Erteilung des Auftrags mit der eingebetteten direkten Rede des Königs (4–6). Anschließend wendet sich der Repräsentant thematisch wieder Telipinu zu,

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Strukturanalysen der Texte

den er bittet, von jeglichem Ort aus die Opfer zum Anlass zu nehmen, in seinen Tempel zurückzukehren (7–11). Er weist auf das Opfer hin und bittet den Gott, sich aufgrund dessen zu beruhigen (12–13) und dem Gebet Gehör zu schenken (14–16). Mit der Wiederholung der hymnisch erweiterten Anrufung in leicht variierter Form (17) setzt jetzt das eigentliche Gebet ein. Zunächst sind die Verdienste des Landes Ḫatti – in ein hymnisches Gewand gekleidet – ins Zentrum gestellt (18–33), darauf Telipinu selbst (34–36). Nach einer Lücke von 20–25 Zeilen bilden die Zentralen Bitten eine lange Liste bis zum Ende des Gebets (37–60). Sie behandeln Themen wie Wohlwollen, Leben, Gesundheit, Wachstum, Freude, Nachkommenschaft, Gehorsam, Sieg über die Feinde und die Vertreibung von Krankheit und Heuschrecken. Nicht syntaktisch, aber inhaltlich gibt es dann eine Unterbrechung der Bitten, indem mehrere subordinierte Prädikationen das neue Thema der Untaten der Feindesländer benennen (48–53). Der übergeordnete Hauptsatz (54) schließt inhaltlich wieder unmittelbar an die letzte vorherige Bitte (47) an, indem Krankheit und Heuschrecken in das Feindesland gegeben werden sollen. Auch die folgenden Bitten um Leben und Gesundheit für die königliche Familie, Wachstum für Flora, Fauna und Mensch und generelles Gedeihen im Land greifen einen Teil früheren Themen wieder auf. Den Schluss bildet der zustimmende Ausruf der Versammlung (61). 3.2.7 CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. Sprecher: Adressaten: Gattung: Anlass:

§1

1 2 3–4

§2

5–8 9–10 11 12

Muršili II. alle Götter arkuwar Seuche im Land Ḫatti Einleitende Kontextualisierung: Anrede an alle Götter der Versamm- Kont Koop.-sich. →5–146 lung Hinweis auf vorbereitete Falldarlegung Dekl Sachv.-klär. →5–146 des arkuwar des Muršili Bitte um Gehör für gegenwärtige App Koop.-sich. →5–146 Falldarlegung Darlegung über Zustand unter den Menschen: 20 Jahre Seuche in Ḫatti Inf Vermuteter Grund: Angelegenheit des Inf Tudḫaliya Ermittlung durch Orakel Bestätigung des vermuteten Grundes Inf durch die Gottheit

Sachv.-klär. →90–3

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64

§3

Textmuster der Gesamttexte

13–5

Eid des Vaters des Muršili und der Wür- Inf denträger gegenüber Tudḫaliya

16–9

Eidbruch durch Vater des Muršili Inf und Würdenträger; Ermordung des Tudḫaliya Exilierung seiner Brüder nach Zypern Inf Eidbruch durch Würdenträger; Ermor- Inf dung des Tudḫaliya

20–2 23–6 §4

§5

27–36 Militärische Expansion des Landes Ḫatti unter der Herrschaft des Vaters des Muršili 37–43 Wohlstand in Ḫatti 44–8 Beginn der Rache der Götter: Tod des Vaters und der Würdenträger 49–54 Niedergang des Landes Ḫatti; Beginn der Seuche 55–6 Not des Muršili

Inf Inf Inf Inf Inf

Darlegung über Interaktion von Menschen und Göttern: 57–64 Götter als Zeugen des Eides; Eidbruch Inf durch die Oberen; zweimaliges Ausbleiben der Strafe für den Eidbruch

§6

65–71 Strafe für Eidbruch und Sterben der Oberen

Inf

§ 7’

72 73–8

Inf Inf

§ 8’

Sterben in Ḫatti Geständnis des Muršili über Ermordung Tudḫaliyas durch seinen Vater 79–80 Opfer durch Muršilis Vater wegen seiner Ermordung Tudḫaliyas 81 Kein Handeln seitens des Landes Ḫatti 82 Handeln seitens Muršilis 83–4 Kein Handeln seitens des Landes Ḫatti

85–7

88–9

Sachv.-klär. →90–3

Inf Inf Inf Inf

Darlegung: Rekapitulation der gegen- Inf wärtigen Situation von Ḫatti (Seuche in Ḫatti als Folge der Ermordung des Tudḫaliya) Orakelanfrage durch Muršili über Ent- Inf schädigung

Sachv.-klär. →90–3

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65

Strukturanalysen der Texte

90–2 93

§ 9’

94–8 99 100 101

Dekl Motiv.-stütz. →132, Hinweis auf zukünftige Ausführung des zum Eid gehörigen Opfers 137–40, 142, 145–6 Hinweis auf gegenwärtige Entschädi- Dekl Motiv.-stütz. →132, gung und Versöhnung durch Muršili für 137–40, 142, 145–6 Land Darlegung: Rekapitulation der abgegol- Inf tenen Schuld sowohl durch Mörder des Tudḫaliya als auch durch Land Ḫatti Folgen für Muršili Hinweis auf gegenwärtiges Opfer Dekl durch Muršili und sein Haus Bitte um Beruhigung App

Sachv.-klär. →100 Versteh.-sich.→100 Motiv.-stütz. →132, 137–40, 142, 145–6 Koop.-sich. →132, 137–40, 142, 145–6

102 Bitte um gütige Gesinnung App 103 Bitte um Erlaubnis des Erscheinens App 104–5 Bitte um Gehör für Gebet App 106–10 Darlegung: Rekapitulation der eigenen Inf Unschuld und bereits abgegoltenen Schuld durch Tod der Schuldigen 111 Hinweis auf Folgen für Muršili 112–4 Hinweis auf Muršilis gegenwärtiges Dekl Opfer in der Angelegenheit seines Vaters 115 Bitte um gütige Gesinnung App 116

Sachv.-klär. →112–4 Versteh.-sich. →112–4 Motiv.-stütz. →132, 137–40, 142, 145–46 Koop.-sich. →132, 137–40, 142, 145–6

Bitte um Erlaubnis des Erscheinens App

117–24 Darlegung: Niedergang des Landes Inf Ḫatti; Sterben der Opferpriester; Fortgang der Seuche 125–7 Negative Konsequenzen für die Göt- Inf ter: Ausbleiben der Opfer

Sachv.-klär. →125–7 Sachv.-klär. und motiv.stütz. →132

§ 10’ 128–30 Bitte um gütige Gesinnung App Koop.-sich. →132 131 Bitte um Erlaubnis des Erscheinens App 132 Zentrale Bitte, die Seuche aus dem App Gesamtfkt. Land zu schicken 133–5 Bitte um Leben der Brotopferer und der App Ausführ.-sich. →136 Weinschenke 136 Zusage von Korrekturmaßnahmen Obl Motiv.-stütz. →137–40 in Form einer Bitte

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66

Textmuster der Gesamttexte

App Gesamtfkt. Zentrale Bitte, die Seuche aus dem Land zu schicken 138–40 Zentrale Bitte, die Übel des Eidbruchs App Gesamtfkt. aus dem Land zu schicken

137

141 142

Bitte um gütige Gesinnung für Land App Koop.-sich. →142 App Gesamtfkt. Zentrale Bitte um Wohlergehen für das Land

143 144

Bitte um Erlaubnis des Erscheinens App Koop.-sich. →145–6 Bitte um gütige Gesinnung für Be- App tenden 145–6 Zentrale Bitte um Beendigung von App Gesamtfkt. Muršilis Qual und Angst

§ 11’ 147–8 Tafelende; Inhaltsangabe: Falldarlegung des Muršili wegen Seuche

Nach einer kurzen Einleitenden Kontextualisierung (1–4), die den Kontakt herstellt und das Thema des Folgenden angibt, folgen zwei Berichte, von denen der erste die Geschehnisse unter den Menschen beschreibt, beginnend mit dem Mord an Tudḫaliya dem Jüngeren bis zur gegenwärtigen Situation des Muršili (5–56). Der zweite stellt die Interaktion zwischen Menschen und Göttern, von der Vereidigung vor den Göttern unter Tudḫaliya dem Jüngeren bis zu Muršilis Bemühen um Entschädigung der göttlichen Zeugen des Eides dar (57–84). Die Berichte werden in drei Rekapitulationen aufgegriffen, von denen wiederum die erste die Situation des Landes vergegenwärtigt (85–89), die zweite an die Abgeltung der Schuld erinnert (94–98) und die dritte auf die eigene Unschuld des Muršili rekurriert (106–110). Alle drei resultieren jeweils in Opfern (90–9, 100, 112–114), die beiden letzten in Verbindung mit einer Kontaktherstellung (101–105, 115–116). Etwas abweichend ist der letzte Abschnitt gestaltet (117–146), der schließlich die Zentralen Bitten enthält. Die vorangestellten darlegenden, motivierenden und kooperationssichernden Strukturelemente zur Stützung der Zentralen Bitte werden dabei immer kürzer, so dass die Bitten (132, 137–140, 142, 145–146) immer weniger unterbrochen werden und die Gewichtung sich so zugunsten der Bitten verschiebt. 3.2.8 CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. Auftraggeber: Adressaten: Repräsentant: Gattung: Anlass:

Muršili II. Wettergott von Ḫatti, Götter von Ḫatti vorhanden arkuwar Seuche im Land Ḫatti

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67

Strukturanalysen der Texte

§1

1 2 3 4 5–12 13–4

Darlegung: Anklage des Muršili gegen Inf die Götter 20 Jahre Seuche in Ḫatti von Šuppiluli- Inf uma bis zum Sprechzeitpunkt Not des Muršili Inf

Sachv.-klär. →95

Frühere Gebete des Muršili an alle Göt- Inf ter: 20–6 Eingebettetes Zitat einer Zusammen- Inf fassung der früheren Gebete (Bitte um Gehör; Bitte um Vertreibung der Seuche; Not des Landes Ḫatti; Bitte um Äußerung über Grund der Seuche) 27–32 Verweigerung der Götter; Andauern der Inf Seuche; Not des Landes Ḫatti

§2

15–9

§3

30–3 34 35–8

§4

Einleitende Kontextualisierung: Anrede an Wettergott von Ḫatti und Kont Koop.-sich. →4–151 die Götter von Ḫatti Selbsteinführung des Sprechers als Inf Sachv.-klär. →4–151 Repräsentanten Muršilis Eingebettete direkte Rede des Auftrags, App Sachv.-klär. →2 zu den Göttern zu sprechen

Tod der letzten Brotopferer und Wein- Inf schenke; Not des Landes Ḫatti (1 zerstörte Zeile) Fund zweier alter Tafeln: Inf 1. Tafel über Opfer für Fluss Māla: seit Inf Seuchenausbruch nicht mehr praktiziert

39–42 2. Tafel über Leute von Kuruštamma: Inf Übersiedlung; Vertragsabschluss zwischen Kuruštamma und Ḫatti; Vereidigung beider Parteien 43–9 Rückblickender Bericht über Eidbruch Inf der Leute von Ḫatti gegenüber Wettergott durch mehrfachen Einfall in Ägypten und Amqa 50–60 Bericht über Heiratswunsch der Pha- Inf raonin; Aussendung des Sohnes des Šuppiluliuma nach Ägypten und dessen Ermordung; weiterer Einfall in Ägypten aus Rache; Sieg über Ägypten

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68

Textmuster der Gesamttexte

Sieg über Ägypten durch göttliches Ur- Inf teil und als Folge die Entstehung der Seuche unter ägyptischen Kriegsgefangenen

§5

61–7

§6

68–70 Sterben im Land Ḫatti als Folge der Inf Einschleppung der Seuche durch ägyptische Kriegsgefangenen 71–4 Anlässlich des Fundes der 2. Tafel: Ora- Inf kelanfrage wegen Eidbruchs durch Einfall in Ägypten

§7

75–8

§8

79–80 Anlässlich des Funds der 1. Tafel: Ora- Inf kelanfrage wegen Fluss Māla; Bescheid: Forderung eines Gebets des Muršili an Wettergott von Ḫatti 81–7 Frühere Erfüllung der Forderung: 1. Inf Anerkennung der Schuld seines Vaters durch Muršili 88–9 Weiterhin Zorn des Wettergottes und Inf Sterben im Land Ḫatti

§ 9’

90–1 92 93 94 95

Fortsetzung der Orakelanfrage wegen Inf Eidbruchs durch Einfall in Ägypten, ob dies der Grund des Zornes des Wettergottes sei; positiver Bescheid

(wahrscheinlich keine Textlücke) Hinweis auf gegenwärtige Falldarlegung vor Wettergott von Ḫatti Hinweis auf Niederwerfung vor dem Gott Hinweis auf Ruf nach Gnade Bitte um Gehör Zentrale Bitte an Wettergott von Ḫatti um Beendigung der Seuche

Motiv.-stütz. →95 Sachv.-klär. →90–1

Dekl Sachv.-klär. und motiv.stütz. →95 Dekl Koop.-sich. und motiv.stütz. →95 Dekl. App Koop.-sich. →95 App Gesamtfkt.

§ 10’ 96–9

Hinweis auf Maßnahmen zur LöDekl Motiv.-stütz. →112 sung der Schuld 100–4 1. Eidbruch durch Einfall in Ägypten: Inf Sachv.-klär. →96–9 frühere Durchführung des zum Göttereid gehörigen Opfers vor Wettergott von Ḫatti

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69

Strukturanalysen der Texte

105–6 2. Unterlassenes Opfer für Fluss Māla: unmittelbar bevorstehende Nachholung des Opfers 107 Bitte um Annahme des nachzuholenden Opfers 108–9 Zusage von Korrekturmaßnahmen durch nachzuholendes Opfer 110–1 Bitte um gütige Gesinnung 112 Zentrale Bitte um Ende der Seuche § 11’ 113 114–20

121–3 124–5 126 127 128–9

§ 12’ 130

Anrede an Wettergott von Ḫatti und die anderen Götter Darlegung der Erbschuld und Anwendung auf vorliegenden Fall: Übertragung der Schuld des Vaters auf schuldlosen Muršili 2. Anerkennung der Schuld seines Vaters durch Muršili Bitte um Beruhigung des Sinns an Wettergott von Ḫatti und die anderen Götter Bitte um gütige Gesinnung an Wettergott von Ḫatti und die anderen Götter Zentrale Bitte an die Götter um Vertreibung der Seuche Bitte um Leben der letzten Brot- und Weinopferer

Hinweis auf gegenwärtige Falldarlegung vor Wettergott wegen Seuche 131 Bitte um Gehör an Wettergott 132 Zentrale Bitte an Wettergott um eigenes Überleben 133–5 Norm der Rettung eines Vogels im Nest

Inf

Sachv.-klär. →96–9 und 107

App Ausführ.-sich. →108–9 Obl Motiv.-stütz. →112 App Koop.-sich. →112 App Gesamtfkt. Kont Koop.-sich. →114–29 Inf

Sachv.-klär. →121–3

Inf

Motiv.-stütz. →127–9

App Koop.-sich. →127–9 App App Gesamtfkt. App Motiv.-stütz. →127 und ausführ.-sich. →161 Dekl Sachv.-klär. und motiv.stütz. →132 App Koop.-sich. →132 App Gesamtfkt. Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →132

136–41 Norm für Herrn eines Dieners, der vor Inf ihm seinen Fall darlegt: Gehör durch Herrn; Annehmen einer gütigen Gesinnung durch Herrn; Wendung zum Guten

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →159–60

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Textmuster der Gesamttexte

142–8 Norm für Herrn eines Dieners, der einen Frevel eingesteht: Freiheit zur Bestrafung durch den Herrn; Beruhigung des Sinns des Herrn; Ausbleiben der Bestrafung 149–51 Darlegung: 3. Anerkennung der Schuld des Vaters des Muršili 152–7 Entschädigung bereits durch Seuche geleistet 158 Ausbleiben der erwarteten Beruhigung des Sinns des Wettergottes und der Götter 159–60 Bitte um Offenbarung an Wettergott und Götter nach ausstehendem Entschädigungsopfer 161 Zusage von Korrekturmaßnahmen § 13’ 162 163

Hinweis auf persönliche Falldarlegung vor Wettergott Zentrale Bitte um eigenes Überleben

Inf

Inf

Motiv.-stütz. →159–60

Inf Inf

Sachv.-klär. →159–60

App Ausführ.-sich. →161 Obl Motiv.-stütz. → 132 Dekl Sachv.-klär. und motiv.stütz. →163 App Gesamtfkt.

164

Im Falle des Frevels des Vaters als Ursa- – Versteh.-sich. →165–7 che der Seuche: 165–7 Bitte um Überleben der verbleibenden App Ausführ.-sich. →161 Brot- und Weinopferer während des Prozesses der Wiedergutmachung

§ 14’ 168

Im Falle einer anderen Ursache der – Seuche: 169–71 Bitte um Offenbarung der Ursache App durch Traum, Orakel oder Gottbegeisterten 172–3 Reiner Schlaf der Priester Inf 174

Zentrale Bitte um eigenes Überleben

Versteh.-sich. →169–73 Ausführ.-sich. →161 Sachv.-klär. →161

App Gesamtfkt.

175 zerstört (Bitte um Handeln der Götter) App Ausführ.-sich.? →161 176–9 Bitte um göttliches Walten und um App Ausführ.-sich. → 161 Offenbarung der Ursache der Seuche durch die Götter 180 181

Vergleich der Situation mit Baumeln an Spitze einer Nadel Zentrale Bitte um eigenes Überleben

Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →181–2 App Gesamtfkt.

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71

Strukturanalysen der Texte

182

Zentrale Bitte um Vertreibung und Beendigung der Seuche

App Gesamtfkt.

§ 15’ 183–4 Kolophon: Falldarlegung des Muršili wegen Seuche

Nach einer Einleitenden Kontextualisierung mit einer knappen Anrufung des Wettergottes von Ḫatti und der anderen Götter von Ḫatti (1) sowie einer Selbsteinführung des königlichen Repräsentanten und seines Auftrags (2–3) folgt eine vergleichsweise ausführliche Beschreibung für den Ausgangspunkt des Gebets: das Andauern der Seuche und die eigene Not (4–14) – zwei Themen, die später in den Zentralen Bitten wieder aufgegriffen werden. Der folgende Bericht über die Vorgeschichte fokussiert sich ganz auf die Versuche, die Ursache für Seuche und Not zu erfahren (15–89). Dabei wird gegen Ende dieses langen Abschnitts auch schon über ein erstes Eingeständnis berichtet (81–87). Danach folgen unmittelbar der Hinweis auf die motivationsstützende Falldarlegung und als erster Höhepunkt des Gebets die Zentrale Bitte (95) – unmittelbar vor der Zäsur durch die Opferhandlung. Durch den Hinweis auf die Opferhandlung wird das Gebet in zwei Abschnitte gegliedert. Diese Gliederung wird aber durch ein anderes Prinzip überlagert. Denn unter Einschluss der ersten Zentralen Bitte (95) werden bis zum Schluss des Gebets siebenmal Zentrale Bitten im Sinne der Gesamtfunktion geäußert: dreimal die Bitte, die Seuche zu beenden (95, 112, 127), dreimal die Bitte um die eigene Rettung (132, 163, 174) und schließlich die Kombination beider Bitten (181–182). Die ersten drei (seuchenbezogenen) Bitten werden jeweils vorbereitet durch die Referenz auf die gegenwärtige Falldarlegung bzw. das unmittelbar bevorstehende Opferritual und Äußerungen der Kontaktsuche, ggf. begleitet von Überzeugungsversuchen (90–94, 96–111, 113–126). Dieses Schema wird bei der ersten Bitte um das eigene Überleben (132) abgelöst, denn nun fallen der Hinweis auf die vorangestellte Falldarlegung und die Kontaktsuche sehr kurz aus (130–131), und stattdessen folgt eine lange Liste mit Argumenten für die Gewährung der Bitte, die in der Selbstverpflichtung zu Korrekturmaßnahmen gipfelt (161). Hier erreicht das Gebet einen zweiten Höhepunkt. Anschließend greift ein neues Schema: Es wechseln miteinander in der Struktur A – B – A – B – A Zentrale Bitten und diejenigen Bitten, deren Erfüllung eine Ausführung der versprochenen Opferrituale überhaupt erst ermöglicht (Offenbarung der göttlichen Forderungen und Überleben der Opferpriester) (162–182). Die kombinierte Bitte um Beendigung der Seuche und das eigene Überleben am Ende (181–182) bildet den dritten und abschließenden Höhepunkt des Gebets.

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72

Textmuster der Gesamttexte

3.2.9 CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. Sprecher: Adressaten: Gattung: Anlass:

§1

1 2 3–10

§2

Muršili II. Sonnengöttin von Arinna und (andere) Götter wohl arkuwar Seuche im Land Ḫatti Einleitende Kontextualisierung: Anrede an Sonnengöttin von Arinna und die anderen Götter

Darlegung: Anklage des Muršili gegen Inf Götter 20 Jahre Seuche im Land Ḫatti von Inf Šuppiluliuma bis jetzt

11

Rekapitulation der Not im Land Ḫatti durch Seuche 12–21 wohl Darstellung der Not Muršilis? durch Vergleich mit gealtertem Mann

§3

22

§4’

23

§5’

24 25 26 27–8 29 30–3 34–5 36

Kont Koop.-sich. →2–40 Sachv.-klär. →11–40 Sachv.-klär. →2

Inf

Sachv.-klär. →?

Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →?

zerstört (umfangreiche Textlücke) zerstört Hinweis auf gegenwärtige Falldarlegung? Bitte um Gehör? an Götter Zentrale Bitte um Befreiung von eigener Qual Zentrale Bitte um Sendung der Seuche ins Feindesland Zentrale Bitte um Besserung? im Land Ḫatti

Dekl Sachv.-klär. und motiv.stütz. →26–9 App Koop.-sich. →26–9 App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

Negative Konsequenzen für GötInf Sachv.-klär. und motiv.ter durch Tod der Opferpriester und stütz. →37–40 Ausbleiben der Opferrituale Negative Konsequenzen für MenInf schen durch Vorwurf seitens der Götter wegen Ausbleibens der Opferrituale Bitte um gütige Gesinnung gegenApp Koop.-sich. →37–40 über Land Ḫatti

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73

Strukturanalysen der Texte

Zentrale Bitte an Götter um Vertrei- App Gesamtfkt. bung der Seuche 38–40 Zentrale Bitte um Besserung? im Land App Gesamtfkt. Ḫatti, Gedeihen und Rückkehr zum alten Zustand

37

Von der Tafel liegen uns jeweils Anfang und Ende des Gebets vor. Es ist ungewöhnlich, dass das Gebet direkt mit einer kurzen Anrufung (1) beginnt und ohne Einleitende Kontextualisierung in die Falldarlegung einsteigt. Der erste Abschnitt gibt ersatzweise den Anlass des Gebets, die Seuche, an (2–10). Die Rekapitulation (11) leitet über zur Darstellung der Notsituation, die durch einen Vergleich ausgestaltet wird (12–21). Danach bricht die erste Kolumne ab. Der letzte Abschnitt setzt unmittelbar vor dem Finale mit den Zentralen Bitten wieder ein. Diese sind in zwei Gruppen geteilt (26–29 und 37–40), denen jeweils stützende Illokutionen vorausgehen (24–25 bzw. 30–36). Die erste Gruppe gilt dem König selbst, der Vertreibung der Seuche und dem Land Ḫatti, die zweite Gruppe dagegen nur den beiden letzten Themen. 3.2.10 CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. Sprecher: Adressaten: Gattung: Anlass:

Muršili II. alle Götter wohl arkuwar Seuche im Land Ḫatti

§1

1

Einleitende Kontextualisierung: Anrede an Götter mit Namen

Kont Koop.-sich. →7–123

§2

2 3–6

Hinweis auf Verneigung Bitte um Gehör für Angelegenheit

Dekl Sachv.-klär. →7–123 App Koop.-sich. →7–123

§3

7–11

§4

Darlegung: Beschreibung der idealen Inf Vergangenheit 12 Abwendung der Götter von Menschen Inf zur Zeit Tudḫaliyas I. 13–22 Bedrängnis des Landes Ḫatti und der Inf Götter

Sachv.-klär. →?

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →?

23–4

Situationsveränderung seit Thronbestei- Inf gung Šuppiluliumas I. und Unterstützung durch Götter 25–31 Wiederbesiedlung von Ödland; Neuaus- Inf stattung der Tempel nach Kräften

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74

§5

Textmuster der Gesamttexte

32–4

Keine Bedrängnis Šuppiluliumas und Muršilis seitens der Götter

35–7

Seit Einfall durch Šuppiluliuma in Ägyp- Inf ten; Ausbruch der Seuche im Land Ḫatti Vergebliche Orakelanfrage durch Šuppi- Inf luliuma nach Ursache der Seuche Vergebliche Orakelanfrage durch Murši- Inf li nach Ursache der Seuche

38–9 40–1

Inf

§6

42

zerstört

§7

43–4

zerstört

§8

45–63 Laufende? Arbeiten an Neubau von feh- Inf lenden Tempeln; Wiederherstellung von zerstörten Tempeln und Götterstatuen; Kultobservanz

§ 9’

64–7

§ 10’’ 68

Motiv.-stütz. →97–101?

zerstört Vorlage zerstört

§ 11’’ 69–73 zerstört § 12’’ 74–8

zerstört

§ 13’’’ 79–83 zerstört § 14’’’ 84–6 § 15’’’ 87

zerstört

Wiederherstellung durch Land oder Truppen 87 Möglichkeit der Wiederherstellung 88–90 Negative Konsequenzen für Götter durch Unmöglichkeit der Wiederherstellung bei anhaltendem Sterben von Land und Truppen § 16’’’ 91–2 Vorlage zerstört § 17’’’ 93–94 Negative Konsequenzen für Götter durch Unmöglichkeit der Wiederherstellung in Folge des Sterbens 95 Bitte um gütige Gesinnung 96 Bitte um Zuwendung 97 Zentrale Bitte an die Götter um Vertreibung der Seuche 98–101 Zentrale Bitte für die betroffenen Städte

Inf

Motiv.-stütz. →97–101

Inf Inf

Inf

Motiv.-stütz. →97–101

App Koop.-sich. →97–101 App App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

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75

Strukturanalysen der Texte

102–3 Darlegung: Anerkennung (wohl der Vergehen Šuppiluliumas) 104 Orakelanfrage von Šuppiluliuma 105 zerstört 106 Unwissen des Muršili 107 zerstört (Land Ḫatti erwähnt) 108 Orakelanfrage durch Muršili 109 Falldarlegung durch Muršili? 110–8 zerstört

Inf

Motiv.-stütz. →?

Inf Inf Inf Inf Dekl Motiv.-stütz. →?

§ 18’’’ 119 Anrede an Götter Kont Koop.-sich. →? 120–1 zerstört 122–3 Darlegung: Erwähnung des Landes App? ? Azzi (Bitte ) (etwa 20 Zeilen am Tafelende unbeschrieben) Die Einleitende Kontextualisierung besteht aus zwei Paragraphen, von denen der erste eine lange Liste der angesprochenen Götter darstellt (1); der zweite umfasst die übliche Deklaration mit der Selbsteinführung und dem Hinweis auf das bereits vollzogene Gebet (2) sowie eine etwas ausführlichere Bitte um Gehör (3–6). Im Anschluss daran folgt ein lange Beschreibung der Geschehnisse und ihrer Folgen (7–44), die wohl bis zu den bereits laufenden Arbeiten an der Kultrestauration (45–63) reicht. Nach einer umfangreichen Lücke setzt der Text mit den Bemühungen um die Wiederherstellung des Kultes und den negativen Konsequenzen des anhaltenden Sterbens ein (87–94). Dies mündet nach den vorgeschalteten Stützbitten um gütige Gesinnung (95) und Zuwendung (96) in die Zentralen Bitten um Vertreibung der Seuche und Hilfe für die betroffenen Städte (97–101). Vermutlich setzt der Verfasser mit der Rekapitulation der oben genannten Beschreibung der Ereignisse und dem Eingeständnis erneut an (102–108), um dann den Paragraphen mit dem Hinweis auf die gegenwärtige Falldarlegung (109) und mit den (innerhalb von 110–118 anzunehmenden) weiteren Zentralen Bitten abzuschließen. Die Anrede an die Götter im nächsten Paragraphen (119) und die Erwähnung historischer Ereignisse (122) geben Grund zur Annahme, dass hier aufs Neue die Abfolge von Informationen, Argumentationen und Bitten begonnen wird. 3.2.11 CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia Sprecherin: Adressatin: Gattung: Anlass:

DUMU.MUNUS.GAL Gaššuliyawia Lelwani Ersatzritual Krankheit der Gaššuliyawia

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76 § 1’

Textmuster der Gesamttexte

1–5 6–7 8–11

§ 2’

12–3 14–8 19 20 21 22–4 25–6

§ 3’

(etwa Hälfte der Tafelvorderseite zerstört) Präsentation der Tiersubstitute Dekl Motiv.-stütz. →6–7 Bitte um Umlenkung? des Zorns auf App Koop.-sich. →22–4 Tiersubstitute Bitte um Annahme der Tiersubstitute App Koop.-sich. →22–4 Präsentation des menschlichen Substituts Preisung des menschlichen Substituts Bitte um Aufmerksamkeit für menschliches Substitut Vorführung des Substituts Bitte um Zuwendung Zentrale Bitte um Genesung Positive Konsequenzen für Göttin

Dekl Motiv.-stütz. →22–4 Inf Sachv.-klär. →12–3 App Koop.-sich. →12–3 Inf App App Inf

Darlegung der Vorgeschichte: 27–33 Grund des Zorns, Krankheit als Folge, Inf Schuldeingeständnis, Orakelbestätigung 34–6 Reaktion durch vollzogene Sendung und Inf Vorbereitung der Tiersubstitute

Glaub.-stütz. →19 Koop.-sich. →22–4 Gesamtfkt. Motiv.-stütz. →22–4 Sachv.-klär. →37

§ 4’

37

Opferung der Tiersubstitute

§ 5’’

38

(nur wenige Zeilen, vielleicht 3–6, fehlen) Beschreibung des ambašši-Rituals

§ 6’’

39–40 Bitte um Umlenkung des Zorns auf App Koop.-sich. →50 Tiersubstitute 41–4 Bitte um Annahme der Tiersubstitute App 45–7 48–9 50

§ 7’’

51 52 53 54–6 57–8

Dekl Motiv.-stütz. →50

Hinweis auf vollzogene Sendung Dekl Motiv.-stütz. →50 des menschlichen Substituts Bitte um Annahme des menschlichen App Koop.-sich. →50 Substituts Zentrale Bitte um Beseitigung der App Gesamtfkt. Krankheit Hinweis auf vollzogene Sendung des Beiopfers Bitte um Annahme des Beiopfers Bitte um Zuwendung Zentrale Bitte um Heilung Positive Konsequenzen für Göttin (etwa Hälfte der Tafelrückseite fehlt, war jedoch unbeschrieben)

Dekl Motiv.-stütz. →54–6 App Koop.-sich. →54–6 App App Gesamtfkt. Inf Koop.-sich. →54–6

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Strukturanalysen der Texte

77

Der erhaltene Text gliedert sich in zwei Teile (1–26 und 27–58), die beide die wichtigsten Komponenten eines Gebets enthalten. Der Anfang der Tafel ist zerstört, so dass der Text mitten in der Präsentation der Tiersubstitute einsetzt (1–5). Durch zwei Stützbitten um Umlenkung des Zorns (6–7) und Annahme der Tiersubstitute (8–11) führt der Text auf die Zentrale Bitte hin. Diese bleibt aber zunächst aus, weil – etwas ausführlicher – nun das menschliche Substitut präsentiert wird (12–13). Gestützt wird auch die Präsentation, und zwar durch die Preisung des Substituts (14–18) und die Bitte um Aufmerksamkeit für das vorgeführte Substitut (19–20). Jetzt kommt – vorbereitet durch die standardisierte Bitte um Zuwendung (21) – die Zentrale Bitte um Genesung (22–24). Die Beschreibung der positiven Konsequenzen für Lelwani im Falle der Erfüllung der Bitte schließt diesen ersten Teil ab (25–26). Der zweite Teil des Gebets beginnt wie andere Gebete mit dem Bericht über die Vorgeschichte der aktuellen Handlungen (27–36) bis zur Nennung der gegenwärtigen Opferung der Tiersubstitute (37). Eine kurze, aber stark zerstörte Beschreibung der Opferhandlung unterbricht das Gebet (38), bevor vorbereitende Bitten um die Umlenkung des Zorns (39–40) und die Annahme der Tiersubstitute (41–44) folgen. Statt dann aber in die Zentrale Bitte zu münden, setzt der Text neu ein mit der vollzogenen Sendung des menschlichen Substituts (45–47). Dieses Mal führt die vorbereitende Bitte (48–49) aber tatsächlich zur Zentralen Bitte um die Beseitigung der Krankheit (50). Dieselbe Abfolge, d. h. die vollzogene Sendung – jetzt des Beiopfers – (51), die vorbereitenden Bitten (52–53) und die jetzt etwas ausführlicher ausgestaltete Zentrale Bitte um Heilung (54–56) finden sich ein drittes Mal, gefolgt von der abschließenden Beschreibung der positiven Konsequenzen für Lelwani (57–58). 3.2.12 CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung Sprecher: Adressaten: Vermittler: Zeuge: Gattung: Anlass:

Muwatalli alle Götter 1. Šeri für Vermittlung an die Götter (§ 5); 2. Sonnengott des Himmels für Einberufung der Götterversammlung (§§ 61–62); 3. Wettergott piḫaššašši als persönlicher Gott (§ 66) Sonnengott (§ 23) Ritual und arkuwar „Wenn irgendeine Angelegenheit einen Menschen belastet“

§1

1–3 4–9

Angabe von Sprecher und Thema Ritualbeschreibung

§2

10

Einleitung der Rede Einleitende Kontextualisierung des Zentralen Gebets an alle Götter:

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78

Textmuster der Gesamttexte

11 12–3

Anrede an Hauptgötter und alle Götter Kont Koop.-sich. → 14 Hymnische Prädikation mit HerrInf Motiv.-stütz. →14 schaftslegitimation des Muwatalli durch die Götter

§ 3–4 14 15–8

Bitte um Gehör für folgendes arkuwar App Koop.-sich. →28–159 Hinweis auf das Folgende und Gliede- Dekl Sachv.-klär. →28–159, 204–6 rung: 1. Bericht über Behandlung der Götter, Tempel und Statuen; 2. persönliches arkuwar 19–22 Bitte um Gehör App Koop.-sich. →28–159, 204–6 23 Feststellung, dass arkuwar gehört wird Inf Sachv.-klär. →24–7 24–7 Bitte um Überhören der unangemes- App Koop.-sich. →28–159, senen menschlichen Worte 204–6

§5

28 29 30

Beginn des angefügten Gebets an Šeri: Hymnische Anrede an Šeri Zentrale Bitte an Šeri um Vermittlung des arkuwar an die Götter (1. Vermittler) Bitte um Gehör durch die Götter

Kont Koop.-sich. →29 App Gesamtfkt. d. 1. Einbettung App Sachv.-klär. →29

Fortsetzung des Zentralen Gebets an alle Götter: § X1 31–89 Anrede an alle Götter (Liste) Kont Koop.-sich. →Bitten –59 des Gebets aus 204–6 90–5 Hinweis auf gegenwärtiges Opfer Dekl Motiv.-stütz. →Bitten für die genannten und nicht genannten, des Gebets aus 204–6 beopferten und nicht beopferten Götter, d. h. für alle Götter der Versammlung

§ X60 96 97–9

Beginn des angefügten Gebets an Sonnengott: Anrede an Sonnengott Hymnus auf Sonnengott

Kont Koop.-sich. →101–3 Kont

§ X61 100 Hinweis auf arkuwar vor Sonnengott Dekl Motiv.-stütz. →101–3 –62 101–3 Zentrale Bitte um Versammlung der App Gesamtfkt. d. 2. Einbettung Götter an Sonnengott des Himmels (2. Vermittler)

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Strukturanalysen der Texte

§ X63 104

Einleitung der Rede

Beginn des angefügten Gebets an Wettergott piḫaššašši: 105–11 Darlegung der Beziehung zwischen Muwatalli und Wettergott piḫaššašši von Geburt bis Einsetzung als König § X64 112

Hinweis auf gegenwärtiges arkuwar (wohl vor Wettergott piḫaššašši durch seinen Schützling Muwatalli) 113–4 Hinweis auf vollzogenes arkuwar vor den Göttern 115–7 Zentrale Bitte an Wettergott piḫaššašši um Vermittlung der Falldarlegung (3. Vermittler) 118–9 Zentrale Bitte an Wettergott piḫaššašši um gerechte Würdigung der Falldarlegung durch die Götter

§ X65 120–1 Vergleich: Funktion eines Nests als Zuflucht und Sicherung des Überlebens 122 Darlegung: Zuflucht Muwatallis bei Wettergott piḫaššašši 123 Zentrale Bitte um Überleben an Wettergott piḫaššašši 124–5 Zentrale Bitte um Vermittlung durch Wettergott piḫaššašši 126 Zentrale Bitte an Wettergott piḫaššašši um Gehör durch die Götter 127 Positive Konsequenz der erfolgreichen Vermittlung für Wettergott piḫaššašši

Inf

Sachv.-klär. →112

Dekl Motiv.-stütz. →115–7 Inf

Sachv.-klär. →115–7

App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung Inf

Sachv.-klär. →122

Inf

Motiv.-stütz. →123

App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung Inf Motiv.-stütz. →123–6

§ X66 128–30 Positive Konsequenz der erfolgreiInf chen Vermittlung für Muwatalli: Wiederherstellung des guten Zustands 131–8 Positive Konsequenz der erfolgInf reichen Vermittlung für Wettergott piḫaššašši: Ruhm vor Göttern und Menschen

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →148–59

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Textmuster der Gesamttexte

139–42 Positive Konsequenz, dass Nachfah- Inf ren den Wettergott piḫaššašši ehren und preisen werden § X67 143–4 Positive Konsequenz für Muwatalli: Freude beim Rühmen 145–7 Positive Konsequenz für Wettergott piḫaššašši: Freude über kultische Verehrung 148–50 Zentrale Bitte an Wettergott piḫaššašši um Freude beim Opfer 151–2 Zentrale Bitte an Wettergott piḫaššašši um mildes Licht und Wärme

Inf Inf App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung App Gesamtfkt. d. 3. Einbettung

153–5 Zentrale Bitte an Wettergott piḫaššašši App Gesamtfkt. d. 3. Einum Geleit und Verbindung bettung App Gesamtfkt. d. 3. Ein156–9 Zentrale Bitte um Möglichkeit, den Wettergott piḫaššašši zu preisen bettung §6 –18

160 –203

§ 19

204–6 Platzhalter für Einfügung der Falldarlegung des Königs mit Fortsetzung des Zentralen Gebets an die Götter 207

Ritualbeschreibung soll Gesamtfkt. d. Zentr. Gebets enthalten

Überleitung zur Ritualbeschreibung

§ 20–4 208–22 Ritualbeschreibung 223 Kolophon CTH 381 unterscheidet sich von den anderen Gebeten dadurch, dass es einerseits die Ritualhandlung, in die es eingebettet ist, ausführlich beschreibt und andererseits die Falldarlegung, die dem aktuellen Anlass des Gebets gewidmet ist, nicht ausführt. Im ritualbezogenen Vorspann folgt nach einer typischen Verfasser- und Themenangabe (1–3) zunächst eine Beschreibung von Ritualhandlungen (4–9). Der Übergang zum eigentlichen Gebet entspricht dem Ritualformular (10). Die Einleitende Kontextualisierung beginnt mit einer Anrufung der Hauptgötter und aller Götter (11), die mit dem Hinweis auf die Priesterschaft und die Herrschaftslegitimation Muwatallis verbunden wird (12–13). Ungewöhnlich detailliert ist der Hinweis auf die kommende zweiteilige Falldarlegung, umrahmt von drei Bitten um Gehör – die dritte kombiniert mit der Bitte um das wohlwollende Überhören unangemessener Worte (14–27). Die aus den älteren Sonnengottgebeten bekannte Verbindung von übergeordnetem Vermittlungsgebet und untergeordnetem Zentralen Gebet an den persönlichen Gott, ist hier modifiziert: Drei Bitten an individuelle Götter um Vermittlung sind an Strukturelemente des Zentralen

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Gebets an alle Götter angefügt. So folgt im Falle der Bitten um Gehör für die Falldarlegung (14–27) eine kurze Prädikation des Šeri, die ihn für die Vermittlerrolle geeignet erscheinen lässt (28), dann die Bitte um Vermittlung selbst (29) und schließlich das Ziel derselben, nämlich Gehör durch die Götter (30). Die nun folgende Anrufung aller Götter gehört wieder in das Zentrale Gebet und besteht in einer langen namentlichen Auflistung (31–89) und Nennung des zuvor nicht genannten und nicht beopferten Rests. Sie mündet in den Hinweis auf das gegenwärtige Opfer (94). Die an das Ende gestellte Auflistung der Naturerscheinungen mit Nennung des Ortes der Versammlung erlaubt wiederum den Hinweis auf die gegenwärtige Versammlung der Götter (95). Danach kommt die Anrufung des Sonnengottes (96) mit einer hymnischen Erweiterung (97–99), dem Hinweis auf die gegenwärtige Falldarlegung (100) und eben der Bitte, die angerufenen Götter zu versammeln (101–103). Die nächste Zeile (104) enthält unvermittelt (wie zuvor 10) eine neuerliche Einleitung der Rede des Betenden, die in das übergeordnete Ritualgeschehen gehört. Die dritte Vermittlungsbitte ist an den Wettergott piḫaššašši gerichtet. Sie beginnt wie die älteren Zentralen Gebete aus CTH 372–374 an den persönlichen Gott mit dem Bericht über die Beziehung zwischen dem Betenden und dem Gott (105–111). Der Hinweis auf die gegenwärtige Falldarlegung vor dem Wettergott piḫaššašši (112) bildet die Überleitung zum Hinweis auf die Falldarlegung vor den Göttern (113–114), an die sich unmittelbar die erste Vermittlungsbitte für die Falldarlegung und ihre gerechte Würdigung durch die Götter anschließt (115–119). Diese wird nun nach Art der Zentralen Bitten anderer Gebete in dichter Folge noch zweimal ausgesprochen, modifiziert oder ergänzt und zu diesem Zweck durch eine stützende Argumentation vor- oder auch nachbereitet. Die zweite Liste von Bitten in diesem Vermittlungsgebet beginnt mit dem Vergleich mit einem Zuflucht gewährenden Nest (120–122). Von den drei Bitten schließt sich die erste um Überleben (123) an den Vergleich an, die mittlere und wichtigste ist diejenige um Vermittlung (124–125) und die letzte ist wieder dem Gehör durch die Götter gewidmet (126). Den Übergang zur dritten Bittliste bildet die Darstellung der positiven Konsequenzen der Vermittlung sowohl für Muwatalli als auch den Wettergott piḫaššašši (127–142). Der dritte Teil der Bitten setzt mit einer weiteren Darstellung der positiven Konsequenzen der göttlichen Fürsorge ein: die Freude von opferndem Menschen und beopfertem Gott (143–147). Die Bitten sind der Realisierung des unmittelbar zuvor geschilderten Idealzustandes gewidmet (148–159) und schließen das dritte Vermittlungsgebet ab (156–159). Danach folgt eine lange Beschreibung von Ritualhandlungen (160–222), die lediglich noch durch die Angabe für die Einfügung der angekündigten, aber nicht ausgeführten Falldarlegung des Königs unterbrochen ist (204–206).

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Textmuster der Gesamttexte

3.2.13 CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni Sprecher: Adressat: Andere Götter:

Vermittler: Anlass:

§1

§2

Muwatalli Wettergott von Kummanni Ḫepat, [ … ], Götter der Länder, Berge, Flüsse, Quellen und Brunnen, Ḫuzzi und Ḫutanni, Himmel und Erde, Sonnengott des Himmels als Zeugen; Anunnake(-Gottheiten) zur Versöhnung des Wettergottes Wettergott als Vermittler gegenüber den Göttern Zorn des Wettergottes

Einleitende Kontextualisierung: Hinweis auf vollzogene Anrufung des Wettergottes und Ankündigung des Bekenntnisses 3–8 Hinweis auf vollzogene Anrufung verschiedener Götter als Zeugen und Ziel, den Zorn des Wettergottes zu lösen 9–12 Hinweis auf vollzogene Anrufung von Himmel und Erde mit hymnischer Erweiterung 13–5 Zeugenschaft des Sonnengottes des Himmels 16–7 Hinweis auf vollzogene Anrufung (wohl des Sonnengottes) und Ziel, den Zorn des Wettergottes zu lösen 18 Bitte an Wettergott um Gehör für die Götter? 19–20 Bitte an Wettergott um Versöhnung des Sinns 21 Bitte an Wettergott um versöhnliches Auge 22–3 Bitte um Gehör für Falldarlegung 24–6 Bitte um Gehör für Lösung des Frevels und Falldarlegung

1–2

27

Liste möglicher Ursachen für den Zorn des Wettergottes und diesbezügliche Bitten: Mögliche Ursache 1: Erzürnung durch irgendeine Gottheit

Dekl Koop.-sich. und motiv.stütz.→27–149 Dekl Dekl Inf

Sachv.-klär. →16–7

Dekl Koop.-sich. und motiv.stütz.→27–149 App? Koop.-sich. →27–149 App App App App

Versteh.-sich. →28

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Strukturanalysen der Texte

28 29 30 §3

31 32 33 34

§4

App Gesamtfkt. Zentrale Bitte um Versöhnung von Wettergott und Gottheit durch Annunake-Gottheiten Bitte um versöhnlichen Blick des Wet- App Koop.-sich. →30 tergottes Zentrale Bitte um Wohlergehen des App Gesamtfkt. Landes Mögliche Ursache 2: Erzürnung durch Versteh.-sich. →32 Berge, Flüsse etc. Zentrale Bitte um Versöhnung von App Gesamtfkt. Wettergott mit Bergen, Flüssen etc. durch Annunake-Gottheiten Bitte um versöhnlichen Blick des Wet- App Koop.-sich. →34 tergottes Zentrale Bitte um Wohlergehen des App Gesamtfkt. Landes

35–6

Mögliche Ursache 3: Falldarlegung eines geschädigten Gottes vor Wettergott 37–8 Bitte um Gehör für eigene gegenwärtige Falldarlegung 39–43 Darlegung: Niedergang des Landes; Benachrichtigung der Götter durch Muwatalli zugunsten von Kummanni; dann zerstört und unklar 44–8 Zusage der Einhaltung der auf Tafeln zu findenden Regeln 49–50 Bitte um Mitteilung der bisherigen Verfehlungen in Form der Feststellung der Kenntnis des Wettergottes über dieselben 51–4 Zusage der Einhaltung der von Weisen genannten Regeln 55–62 Bitte in Form einer Beschreibung der Rückkehr zur früheren, der Ordnung entsprechenden Handlungsweise des Wettergottes und der Götter während der Wiederherstellung des Landes 63–5 Zusage der Einhaltung der zu findenden Regeln der göttlichen Verträge

Versteh.-sich. → 37–8 App Koop.-sich. →66 Inf

Sachv.-klär. →44–8

Obl Motiv.-stütz. →67–8 App Ausführ.-sich. →51–4

Obl Motiv.-stütz. →67–8 App Ausführ.-sich. →63–5

Obl Motiv.-stütz. →67–8

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Textmuster der Gesamttexte

66 67 68 §5

69 70 71 72

§6

73–4

§7

94–5

Zentrale Bitte an Wettergott um Ver- App Gesamtfkt. mittlung an die Götter Bitte um versöhnlichen Blick der Göt- App Koop.-sich. →68 ter Zentrale Bitte an die Götter um Wohl- App Gesamtfkt. ergehen des Landes Mögliche Ursache 4: Erzürnung durch Versteh.-sich. →70 Berge, Flüsse etc. (wie Ursache 2) Zentrale Bitte um Versöhnung von App Gesamtfkt. Wettergott mit Bergen, Flüssen etc. durch Annunake-Gottheiten Bitte um versöhnlichen Blick des Wet- App Koop.-sich. →72 tergottes Zentrale Bitte um Wohlergehen des App Gesamtfkt. Landes

Mögliche Ursache 5: Falldarlegung Versteh.-sich. →75–88 eines geschädigten Berges oder šinapšiTempelraums vor Wettergott 75–88 Zusage der Untersuchung und WieObl Motiv.-stütz. →89–92 dergutmachung der Schädigungen und Unterlassungen 89–92 Zentrale Bitte an Wettergott, ausApp Gesamtfkt. schließlich den Schuldigen zu strafen 93 Bitte an Wettergott um wohlwollen- App Koop.-sich. →89–92 den Blick für Land Mögliche Ursache 6: Falldarlegung? eines geschädigten Thrones des Wettergottes, eines Kultsteins oder einer Quelle 96 zerstört (wohl Bitte um Offenbarung der unbekannten Schädigungen durch Wettergott) 97 Zusage der Wiedergutmachung der Schädigungen 98–101 Bitte um Offenbarung der unbekannten Schädigungen mittels Träumen durch Wettergott 102–3 Zusage der Wiedergutmachung von mitgeteilten Schädigungen

Versteh.-sich. →96

App Ausführ.-sich. → 97 Obl Motiv.-stütz. →105 App Ausführ.-sich. → 102–3 Obl Motiv.-stütz. →105

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104 105 §8

§ 9’

Bitte um wohlwollenden Blick? an Wettergott Zentrale Bitte um Wohlergehen für Land

App Koop.-sich. →105 App Gesamtfkt.

106–9 weitgehend zerstört (etwa ein Drittel der Tafelvorderseite mit weiteren 25–30 Zeilen fehlt) (etwa ein Drittel der Tafelrückseite mit 25–30 Zeilen fehlt) 110–2 weitgehend zerstört

§ 10’ 113–5 Mögliche Ursache 7’: Übergabe von Waisenkindern; (folgendes Unrecht an jemandem? ); dessen Falldarlegung vor Šarruma; Šarrumas Falldarlegung vor Wettergott 116 Zusage der Wiedergutmachung der Schädigungen 117–8 Zusage der Wiedergutmachung eines Verlusts 119–21 Zentrale Bitte an Wettergott, ausschließlich den Schuldigen zu strafen und das Land zu verschonen

Versteh.-sich. →116

Obl Motiv.-stütz. →119–21 Obl Motiv.-stütz. →119–21 App Gesamtfkt.

Mögliche Ursache 8’: Verunreinigung? des Brotes eines Toten durch bösen Vogel 123–5 Darlegung: vollzogene Wiedergutma- Inf chung durch kultische Behandlung von Vogel und Brot

§ 11’ 122

Versteh.-sich. →123–5 Sachv.-klär. und motiv.stütz. →129

§ 12’ 126–8 Im Falle des (Weiter)gebens der „guVersteh.-sich. →129 ten Worte von Kummanni“ (d. h. der Nachricht der Wiedergutmachung der Verunreinigung) 129 Zentrale Bitte, in der Angelegenheit App Gesamtfkt. des Vaters des Königs (nur an diesem? ) Rache zu nehmen 130–1 Zusage, das arawanna-Opfer der Stadt Obl Motiv.-stütz. →129 Arušna auszuführen

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Textmuster der Gesamttexte

132–8 Bitte an Anunnake-Gottheiten um Suchen und Offenbarung der unbekannten Vergehen 139–40 Zentrale Bitte um Lösung (des Zorns des Wettergottes ? )

App Ausführ.-sich. → 139–40 App Gesamtfkt.

141

Bitte an Wettergott um wohlwollen- App Koop.-sich. →142–5 den Blick für Kummanni 142–5 Zentrale Bitte an Wettergott um Sät- App Gesamtfkt. tigung der Menschen 146–9 Positive Konsequenz: Preisung und Inf Sachv.-klär. und motiv.reichliche Opfer für Wettergott; Wohlerstütz. →142–5 gehen für die Menschen § 13’ 150–3 Kolophon: 1. Tafel des Vortrags des arkuwar vor Wettergott

CTH 382 setzt in seiner ausführlichen Einleitenden Kontextualisierung unmittelbar mit dem Hinweis auf mehrere bereits vollzogene Anrufungen ein (1–26): Nach dem Wettergott selbst folgen – eingeschoben in das Gebet an den Wettergott – die kizzutwatnäischen Gottheiten (Ḫepat und wohl Šarruma), mehrere topographische Numina und die Berge Ḫuzzi und Ḫutanni sowie Himmel und Erde, die durch eine kurze hymnische Erweiterung herausgehoben sind (9–12), und schließlich der Sonnengott mit einer etwas längeren hymnischen Erweiterung (13–17). Der Umfang der Anrufungen wird also sukzessive größer, wobei der Wettergott, an den das Gebet gerichtet ist, an den Anfang gestellt ist und der (sicher zu ergänzende) Sonnengott des Himmels, der traditionell die Funktion als Zeuge einnimmt, das Ende der Reihung bildet. In dem Einschub heißt es jeweils, dass man vor den zuvor genannten Göttern den Zorn des Wettergottes löse (4, 5, 7, 8, 17), eine der sich stets wiederholenden Bitten des Gebets. Die Rolle der Götter dabei wird wohl im folgenden Kolon beschrieben (18) und bildet die Überleitung zu den Kooperationssichernden Bitten um Versöhnlichkeit des Wettergottes (19–20), um versöhnlichen Blick (21) und um Gehör (22–23 und 24–26). Damit schließt die Einleitende Kontextualisierung. Die darauf folgenden Paragraphen §§ 2–11 (§§ 8 und 9’ sind stark zerstört) enthalten eine Liste von acht (erhaltenen) möglichen Ursachen für den Zorn des Wettergottes, denen in unterschiedlicher Gewichtung und Reihenfolge Bitten um Mediation, Versöhnung mit dem Wettergott und Wohlergehen des Landes sowie in einigen Fällen auch Zusagen von Korrekturmaßnahmen folgen. Die Paragraphen der beiden ersten Ursachen (27–30 und 31–34) sind gänzlich parallel aufgebaut: mögliche Ursache durch Zorn einer Gottheit bzw. topographischer Numina (27 und 31) – Bitte um Mediation durch die Annunake-Gottheiten (28 und 32) – Kooperationssichernde Bitte um versöhnlichen Blick (29 und 33) – Bitte um Wohlergehen des Landes (30 und 34). Der nächste Paragraph

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(35–68) ist nicht nur durch seine Länge und den Charakter einer typischen Falldarlegung herausgehoben, sondern auch durch die veränderte Rolle des Wettergottes, der hier die Funktion des Vermittlers an die Götter übernimmt. Zunächst aber scheint der Abschnitt dem Muster der beiden vorangegangenen Paragraphen zu folgen, indem als mögliche Ursache die Falldarlegung eines geschädigten Gottes in Betracht gezogen wird (35–36), doch dann bleibt die Bitte um Mediation aus und stattdessen wird dies allein für die Überleitung (37–38) zur Bitte um Gehör für die eigene Falldarlegung genutzt. Diese beginnt mit einer kurzen Rückblende über den Niedergang des Landes (39–41), um sofort zu den Bemühungen um Wiedergutmachung zu kommen und zur entsprechenden Zusage, die früher schriftlich festgelegten Regeln einzuhalten (42–48). Anschließend gibt es eine indirekte Bitte um Offenbarung über Verstöße und eine weitere Zusage, die mündlich von Alten benannten Regeln jetzt einzuhalten (49–54). Die dritte Sequenz (55–65) beschreibt zunächst die gewünschte Rückkehr der Götter zur alten Ordnung schon während der Wiedergutmachung und enthält so bereits indirekt eine Ausführungssichernde Bitte. Sie schließt mit einer weiteren Zusage, dann die Bindungen gegenüber den Göttern zu erfüllen. Diese Dreiheit von Zusagen erlaubt nun die Zentrale Bitte an den Wettergott um Vermittlung an die Götter (66) und zuletzt die Zentrale Bitte an die Götter um das Wohlergehen des Landes (68), unterbrochen durch die Stützbitte um einen versöhnlichen Blick (67). Nach dem so ausführlich gestalteten ersten Höhepunkt des Gebets kehrt der Verfasser zum vorher verwendeten knappen Muster zurück und wiederholt mit geringer Abweichung § 2: mögliche Ursache durch Erzürnung durch eine Gottheit (69) – Bitte um Mediation durch Annunake-Gottheiten (70) – Bitte um versöhnlichen Blick (71) – Bitte um Wohlergehen (72). In der Folge aber erscheint dieses Schema mehrfach in modifizierter Form, indem die Bitte um Mediation durch die Zusage einer Korrekturmaßnahme ersetzt wird. In § 6 geht die mögliche Ursache dementsprechend voran (73–74), während sich die kasuistisch aufgebaute Zusage der Untersuchung und Wiedergutmachung (75–88) und die Zentrale Bitte um die Beschränkung der Bestrafung auf die Schuldigen (89–92) anschließen, gestützt durch eine Bitte um wohlwollenden Blick (93). § 7 beginnt mit einem parallelen Aufbau, doch ist einerseits in die Zusage (97–103) eine Bitte um Offenbarung eingeschoben (98–101), andererseits geht vorbereitend die Bitte um wohlwollenden Blick (104) der Zentralen Bitte um Wohlergehen für das Land voran (105). Wo der Text nach der sehr umfangreichen Lücke von 50–60 Zeilen wieder einsetzt (§ 10’), hat sich an der Abfolge der Einzelteile nichts geändert: mögliche Ursache einer über Šarruma weitergeleiteten Falldarlegung geschädigter Waisenkinder (113–115) – Zusage der Wiedergutmachung (116–118) – Zentrale Bitte um Bestrafung der Schuldigen und Verschonung des Landes (119–121). Noch einmal scheint in § 11’ der Text diesem Schema zu folgen, indem eine mögliche Ursache, die Verunreinigung eines Totenbrotes (122), angeführt wird. Die Wiedergutmachung ist aber bereits erfolgt (123–125). So schließt sich – für den Fall, dass die Nachricht darüber bereits an die relevante Gottheit weitergegeben wurde (126–128) – direkt die Zentrale Bitte um

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Textmuster der Gesamttexte

die Beschränkung der Bestrafung auf die Schuldigen (129), während in Umkehrung der zuvor verwendeten Abfolge die stützende Zusage eines Opfers an den Schluss tritt. Nun kommen die Zentralen Bitten des Schlussteils: Zuerst diejenige um die Lösung des Zorns des Wettergottes (139–140), die das eingangs genannte Ziel der Falldarlegung wieder aufgreift, dann die Bitte um Wohlergehen (142–145). Die erste ist vorbereitet durch die wegen der Unkenntnis der Menschen notwendige Bitte um Offenbarung der unbekannten Vergehen (132–138), die zweite ist eingeleitet durch die Bitte um wohlwollenden Blick (141) und gestützt durch die nachfolgende Darstellung des idealen Zustands für Götter und Menschen, die sich aus ihrer Erfüllung ergibt (146–149). 3.2.14 CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna Sprecher: Adressatin: Gattung: Anlass:

§1

1 2–7

§2

8

9–10 11–2 13–5 16–9 20–2 23–5 26 27 28

Ḫattušili III. und Puduḫepa Sonnengöttin von Arinna arkuwar mögliche Vergehen früherer Könige Einleitende Kontextualisierung: Adressatenangabe und Anrede an Kont Koop.-sich. →9–165 Sonnengöttin mit hymnischer Erweiterung Hymnus auf Sonnengöttin Inf Hinweis auf vollzogene Falldarlegung Ḫattušilis und Puduḫepas Darlegung der Schuld der Vorfahren: Mögliche Schuld Muršilis: allgemein Beteuerung der Unschuld Ḫattušilis Mögliche Schuld Muršilis: Prozess der Tawannanna Wissen und Verantwortung der Sonnengöttin Beteuerung der Unschuld Ḫattušilis Bereits abgegoltene Schuld Muršilis Beteuerung der Unschuld Ḫattušilis Zentrale Bitte an Sonnengöttin von Arinna, die abgegoltene Schuld nicht erneut zu bestrafen Norm: bereits abgegoltene Schuld an Nachfahren zu strafen als Unrecht (etwa 7–10 Zeilen fehlen)

Dekl Sachv.-klär. →9–165

Inf

Versteh.-sich. →11–2 Sachv.-klär. →27 Versteh.-sich. →16–9

Inf

Sachv.-klär. →27

Inf Inf Inf App Gesamtfkt. Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →27

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Strukturanalysen der Texte

§ 3’

29–31 stark zerstört (Darlegung der Schuld Muwatallis: Überführung der Götter) 32–4 Wissen und Verantwortung der Sonnengöttin 35–9 Beteuerung der Unschuld Ḫattušilis 40 Schuld Muwatallis: Umverteilung göttlichen Eigentums 41–2 Beteuerung der Unschuld Ḫattušilis

§ 4’/5’ 43–5

Darlegung der Schuld Muwatallis: Prozess Danuḫepas 46–8 Wissen und Verantwortung der Sonnengöttin 49–52 Beteuerung der Unschuld Ḫattušilis 53–8 Bereits abgegoltene Schuld Muwatallis 59 Zentrale Bitte an Sonnengöttin von Arinna, die abgegoltene Schuld nicht erneut zu bestrafen 60 Norm: bereits abgegoltene Schuld am Nachfolger zu strafen als Unrecht 61–2 Bereits abgegoltene Schuld Muwatallis

§ 6’

Verdienste Ḫattušilis: Verdienst durch Einsetzung UrḫiTeššobs als König 68–9 Wissen und Verantwortung der Götter 70–1 Verdienst durch Einsetzung UrḫiTeššobs als König 72–82 stark zerstört (wohl Schuld Urḫi-Teššobs? )

63–7

§ 7’’

83

§ 8’’

84–9 90

§ 9’’

Inf

Sachv.-klär. → 59

Inf Inf Inf Inf Inf Inf Inf Inf App Gesamtfkt. Inf Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →59 Sachv.-klär. →60

Inf

Sachv.-klär. →126–8

Inf Inf Inf

(insgesamt etwa 60 Zeilen fehlen) zerstört Verdienst gegenüber Wettergott von Nerik Rhetorische Frage nach Wissen der Sonnengöttin

Inf Kont

91–101 Verdienste gegenüber Wettergott von Inf Nerik durch Rückeroberung und Wiederaufbau Neriks 102–6 Kontrastierung mit Versagen früherer Inf Könige in Bezug auf Nerik

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Textmuster der Gesamttexte

Inf § 10’’ 107–13 Verdienste um Nerik trotz UrḫiTeššobs Groll gegen Ḫattušili wegen seiner Herrschaft über Nerik und trotz des Verrats durch Freunde 114–20 Ausdruck des Willens, sich für Nerik Inf selbstlos einzusetzen 121–3 Unterstützung durch Sonnengöttin Inf 124 Mögliche Vergehen der Eltern § 11’’ 125 126 127 128 129

Versteh.-sich. →126–8

Mögliche Vergehen der früheren Könige Versteh.-sich. →126–8 Zentrale Bitte, abgegoltene Schuld der App Gesamtfkt. Vorfahren nicht zu rächen Zentrale Bitte, die Vergehen nicht Inf Gesamtfkt. zu beachten wegen der Interessen des Wettergottes von Nerik Zentrale Bitte, den Frevel nicht beApp Gesamtfkt. stehen zu lassen Norm: daḫanga als Ort des Willfahrens Inf

130–3 Zentrale Bitte, die Ḫatti-Länder ins daḫanga einzuschließen und Vergehen wegen des daḫanga nicht bestehen zu lassen 134–7 Norm der Freude von Eltern über Arbeit der Amme und Analogie der Freude der Sonnengöttin über Fürsorge Ḫattušilis für Nerik 138 Zentrale Bitte um Wohlwollen für Ḫattušili und seine Familie wegen Interessenlage des Wettergottes von Nerik 139 zerstört (wohl Zentrale Bitte) 140 Zentrale Bitte, die Vergehen nicht zu beachten

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →130–3 App Gesamtfkt.

Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →138

App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

141–5 stark zerstört (danach fehlen etwa 7–10 Zeilen) 146–54 stark zerstört § 12’’’ 155–61 Mögliche Anklage vor Götterversammlung wegen noch bestehender Vergehen

Versteh.-sich. →162–64

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Strukturanalysen der Texte

162

163 164

91

App Gesamtfkt. Zentrale Bitte an Sonnengöttin von Arinna, den Wettergott und die anderen Götter um Erbarmen im Sinne des daḫanga Zentrale Bitte um Nichtbeachtung der App Gesamtfkt. Vergehen App Gesamtfkt. Zentrale Bitte um Zuwendung für Städte Ḫattuša, Arinna und Nerik

Der Beginn des Gebets CTH 383.126 besteht in einer zunächst als Adressatenangabe im Dativ gehaltenen Anrufung der Sonnengöttin von Arinna mit einer hymnischen Erweiterung (1). Ein kurzer Hymnus, der auf die Macht der Sonnengöttin und ihre Beziehung zu den Wettergöttern von Nerik und Zippalanda verweist, schließt sich an (2–7). Das Inhalt des Gebets wird dann durch den Hinweis auf eine bereits vollzogene Falldarlegung eingeleitet (8). Nach der Einleitenden Kontextualisierung gliedert sich die Falldarlegung – soweit erhalten – in zwei Teile, in denen zunächst mögliche Vergehen eines Vorgängers, d. h. Muršilis (9–28, danach eine Lücke von 7–10 Zeilen) und Muwatallis (29–62), in Betracht gezogen und dann die Verdienste Ḫattušilis angeführt werden (63–123). Die Bitten und Argumentationen konzentrieren sich am Schluss (124–164), wobei die dem zweiten Teil der Falldarlegung zugeordneten Bitten (124–128) den fließenden Übergang zu diesem Schlussteil bilden. Die Abschnitte über die Vergehen der Vorgänger enthält die folgenden Elemente: jeweils die Darstellung der Schuld, Wissen und Verantwortung der Sonnengöttin selbst, die Unschuld Ḫattušilis, den Hinweis auf die bereits abgegoltene Schuld, die Argumentation, dass bereits abgegoltene Schuld zu bestrafen nicht recht sei, und die Zentrale Bitte, die abgegoltene Schuld nicht erneut zu bestrafen. Dabei wird innerhalb der Abschnitte die Reihenfolge dieser Elemente immer wieder variiert. Das Bestreben, die Abschnitte immer wieder anders zu gestalten, stellt offensichtlich das zugrunde liegende Prinzip dar. Einen ganz anderen Aufbau hat der zweite Teil des Gebets mit der Darstellung der Verdienste Ḫattušilis. Hier wird in dem erhaltenen Text fünfmal eine verdienstvolle Tat genannt und durch unterschiedliche Mittel (Kontrastierung mit dem Verhalten anderer bzw. Haltung der Sonnengöttin zum Geschehen) hervorgehoben: Verdienst – Wissen der Sonnengöttin (63–69); Verdienst – Schuld Urḫi-Teššobs (70–82, dann eine umfangreiche Lücke von etwa 60 Zeilen); Verdienst – rhetorische Frage nach Wissen der Sonnengöttin (84–90); Verdienst – Versagen früherer Könige (91–106); Verdienst – Willen zu Verdienst und Unterstützung durch die Sonnengöttin (107–123). Nach einer überleitenden Bezugnahme auf mögliche Vergehen der Vorfahren (124–125) folgt nun eine erste Häufung von 26 Eine an Strukturelementen orientierte Analyse des „kompositorischen Schemas“ findet sich auch in Sürenhagen 1981: 127–30.

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92

Textmuster der Gesamttexte

Zentralen Bitten, die darauf abzielen, dass diese Vergehen nicht beachtet und gerächt werden (126–128). Im nächsten Abschnitt von Bitten (129–140) sind diese jeweils mit Hilfe von Argumentationen durch Normen gestützt. Die erste führt das daḫanga als Ort des Willfahrens ins Feld und versucht eine Behandlung des Landes in diesem Sinne zu erreichen, während die Vergehen keine Beachtung finden sollen (128–133). Die zweite Gruppe von Bitten nutzt das normhafte freundliche Verhalten der Eltern gegenüber einer Amme und möchte ein entsprechendes Verhalten der Sonnengöttin gegenüber Ḫattušili und seiner Familie sowie die Nichtbeachtung der Vergehen erwirken (134–140). Nach einer Passage mit stark zerstörtem Text (darin eine Lücke von etwa 7–10 Zeilen) wird eine mögliche Anklage vor der Götterversammlung wegen der früheren Vergehen behandelt (155–161). Dies mündet im Finale einer dreifachen Bitte um Erbarmen im Sinne des daḫanga, um Nichtbeachtung der Vergehen und – zum ersten Mal – um Zuwendung für die Kultstädte (162–165). 3.2.15 CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna Sprecherin: Adressatin: Vermittler: Gattung: Anlass:

§1

1

§2

2–5 6–9

Puduḫepa Sonnengöttin von Arinna Sonnengöttin von Arinna (gegenüber Göttern); Zintuḫi, Mezzulla, Wettergott von Zippalanda (gegenüber Sonnengöttin von Arinna und Wettergott) arkuwar Sorge um Ḫattušilis Leben Einleitende Kontextualisierung: Adressatenangabe und Anrede an Kont koop.-sich. →zerstörte Sonnengöttin mit hymnischer ErweiteBitte nach 50 rung Hymnus auf Sonnengöttin Einführung der Betenden und ihr Ver- Inf hältnis zur Sonnengöttin

Verdienste Ḫattušilis: Stellung Ḫattušilis als Priester des Wettergottes von Nerik 12–3 Zuweisung der Aufgabe, für Nerik zu sorgen, durch Sonnengöttin 14–9 Vernachlässigung durch frühere Könige 20–31 Einsatz Ḫattušilis für Nerik 10–1

Inf

Sachv.-klär. →zerstörte Bitte nach 50

Inf Inf Inf

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93

Strukturanalysen der Texte

§ 3’

32–3

Einsatz für Nerik und Ḫakmiš bis zum Inf Feldzug gegen Ägypten

§ 4’

34–6 37

Inf Inf

§ 5’

§ 6’

Einsetzung Urḫi-Teššobs als König Schlechte Behandlung Ḫattušilis durch Urḫi-Teššob 38 Wissen der Sonnengöttin 39–41 Vertreibung durch Urḫi-Teššob; Vorwürfe der Prinzen 42 Wissen der Sonnengöttin 43–50 Einsatz Ḫattušilis für Nerik unter schwierigen Umständen (5–10 Zeilen fehlen: wohl Bitte)

51–5

Gegenwärtige Fürsorge für die Götter

56–7

Bitte um Ausbleiben von Blockaden

58

Hinweis auf vollzogene Falldarlegung Puduḫepas für Sonnengöttin 59 Bitte um Willfährigkeit 60 Bitte um Gehör 61–3 Vergleich mit Frau guter Hoffnung, der man willfahrt 64–6 Bitte um Willfährigkeit 67 Zentrale Bitte um Leben für Ḫattušili 68 Zentrale Bitte um Gesundheit für Ḫattušili 69–73 Zentrale Bitte um Fürsprache vor Götterversammlung 74–8 Darlegung: Wissen der Sonnengöttin über Handeln Puduḫepas 79–81 zerstört (wohl Zentrale Bitte)

§ 7’

82–7

§ 8’’

88–95 zerstört (wohl Anrede und Hymnus für Lelwani) 96–7 Hymnus mit Hinweis auf gewichtige Stellung unter den Göttern 98 Bitte um Zuwendung

Inf Inf Inf Inf App Gesamtfkt. Inf

Sachv.-klär. und motiv.stütz. →zerstörte Bitte nach 50 App Ausführ.-sich. →51–5 Dekl Sachv.-klär. →59 App Koop.-sich. →67–73 App Inf Sachv.-klär. und motiv.stütz. →64–6 App Koop.-sich. →67–73 App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. Inf

Sachv.-klär. →79–81

App? Gesamtfkt.

zerstört (Nennung der Sonnengöttin) (etwa 40 Zeilen fehlen) Kont? Koop.-sich. →99–120 Kont App

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94

§ 9’’

Textmuster der Gesamttexte

99–103 Darlegung des Anlasses des Gebets: Rede über Ḫattušilis kurzes Leben 104–6 Mögliche Ursachen für Zorn der Götter: böse Nachrede oder Bestechung 107 Zentrale Bitte, böser Nachrede nicht zu folgen 108 Zentrale Bitte um Fürsprache bei den Göttern 109 Zentrale Bitte an die Götter, sich den Neidern nicht zuzuwenden 110–3 Zentrale Bitte in Form der Beschreibung der guten Taten Lelwanis 114 Zentrale Bitte um Fürsprache für Ḫattušili und Puduḫepa 115 Zentrale Bitte um langes Leben für Ḫattušili und Puduḫepa

Inf

Versteh.-sich. → 107–9

116–20 Gelübde an Lelwani: Leistungen bei Wohlwollen und Erfüllung der Bitten

Obl Motiv.-stütz. →114–5

Inf App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt. App Gesamtfkt.

§ 10’’ 121–3 Anrede und Hymnus an Zintuḫi mit Kont Koop.-sich. →127–8 Hinweis auf ihre Stellung bei Wettergott und Sonnengöttin als Enkelin (5–10 Zeilen fehlen) Hymnus mit Hinweis auf Eignung als Kont Vermittlerin 125 zerstört 126 Bitte um göttliches Walten App Koop.-sich. →127–8 127–8 Zentrale Bitte um Vermittlung des App Gesamtfkt. langen Lebens Ḫattušilis an Wettergott und Sonnengöttin

§ 11’’’ 124

§ 12’’’ 129–31 Gelübde gegenüber Zintuḫi: Leistungen bei Erfüllung der Bitte

Obl Motiv.-stütz. →127–8

§ 13’’’ 132–5 Anrede und Hymnus der Mezzulla Kont Koop.-sich. →136–9 mit Hinweis auf ihre Stellung bei Wettergott und Sonnengöttin als Tochter und Eignung als Vermittlerin 136–9 Zentrale Bitte um Vermittlung der App Gesamtfkt. Falldarlegung an Wettergott und Sonnengöttin und um Erregung ihres Mitleids

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Strukturanalysen der Texte

§ 14’’’ 140–2 Gelübde gegenüber Mezzulla: Leistun- Obl Motiv.-stütz. →136–9 gen bei Erfüllung der Bitte § 15’’’ 143–6 Anrede und Hymnus an Wettergott von Zippalanda mit Hinweis auf Stellung bei Wettergott und Sonnengöttin als Sohn und Eignung als Vermittler 147–9 Zentrale Bitte um Vermittlung der Falldarlegung an Wettergott und Sonnengöttin 150 Bitte um Willfährigkeit 151 Vergleich mit Frau guter Hoffnung und Hinweis auf geleistete Entschädigung 152 Zentrale Bitte um Erregung von Mitleid 153–5 Darlegung: Einsatz Ḫattušilis für Nerik 156 Bitte um Zuwendung für Ḫattušili 157–8 Zentrale Bitte um Vermittlung der Falldarlegung an Wettergott und Sonnengöttin § 16’’’ 159–60 Mögliche Erfüllung der Bitten § 17’’’ 161–3 Gelübde an den Wettergott von Zippalanda: Leistungen bei Erfüllung der Bitten

Kont Koop.-sich. →147–9

App Gesamtfkt. App Koop.-sich. →151 Sachv.-klär. und motiv.stütz. →152 App Gesamtfkt. Inf Motiv.-stütz. →157–8 App Koop.-sich. →157–8 App Gesamtfkt.

Versteh.-sich. →161–3 Obl Motiv.-stütz. →157–8

Der Gebetstext CTH 384.127 besteht aus fünf Teilgebeten, die zwar nicht unabhängig voneinander, doch keineswegs miteinander verwoben sind. Das erste Gebet, das an die Sonnengöttin von Arinna gerichtet ist, nimmt die zentrale Position ein. Es beginnt mit einer Adressatenangabe im Dativ (1), die in einen kurzen Hymnus (1–5) übergeht. Dann aber folgen eine echte Selbsteinführung Puduḫepas und Ḫattušilis mit ihrem Verhältnis zur Sonnengöttin (6–11) und der Feststellung, dass die Sonnengöttin ihn nach Nerik gesandt habe, was den fließenden Übergang zur eigentlichen Falldarlegung schafft (12–13). Diese geht wie üblich chronologisch vor und beschreibt die Ereignisse von der Vernachlässigung der Stadt durch frühere Könige bis in die Zeit unter UrḫiTeššob (14–50). Das Fehlverhalten Urḫi-Teššobs und der Prinzen gegenüber Ḫattušili wird jeweils durch einen Hinweis auf das Wissen der Sonnengöttin über diese Umstände stark hervorgehoben (38 bzw. 42). Das bereitet die Aussage über den selbstlosen und todesmutigen Einsatzwillen Ḫattušilis vor (43–45). Daran schloss sich in der Lücke wohl eine Bitte an, die durch eine Beschreibung der gegenwärtigen Verdienste um die 27 Eine an Strukturelementen orientierte Analyse des „kompositorischen Schemas“ findet sich auch in Sürenhagen 1981: 130f.

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Textmuster der Gesamttexte

Kultobservanz diese vorangegangene Bitte gestützt wird (51–55) – selbst wiederum durch eine Ausführungssichernde Bitte (56–57) gestützt. Anders als die Gelübde in den folgenden vier Teilgebeten der Tafel bildet die Zusage eben nicht den Schluss, sondern es schließt sich nach einem metasprachlichen Hinweis auf die eben vollzogene Falldarlegung (58) eine Akkumulation von Bitten an (59–81). Die Zentralen Bitten (67–73) werden vorbereitet durch eine Dreiheit bestehend aus Kooperationssichernden Bitten (59–60), ihrer Stützung durch einen Vergleich (61–63) und ihrer Wiederholung in variierter Form (64–66). Danach erfolgt wohl eine Vorbereitung neuerlicher Bitten, die an die Sonnengöttin gerichtet sind, die aber wegen ihrer Bruchstückhaftigkeit keine sichere Analyse erlauben. Nach einer umfangreichen Lücke von etwa 40 Zeilen setzt der Text mit dem Hymnus des zweiten Teilgebets ein, der sich an Lelwani richtet (88–97). Die Bitte um Zuwendung (98) bildet die Überleitung zur Falldarlegung (99–103). Diese steht vollständig in syntaktischer Unterordnung zu der großen Gruppe Zentraler Bitten. Die Zentralen Bitten sind in drei Teile unterteilt (107–109, 110–113, 114–115), indem die mittlere Gruppe als Beschreibung formuliert ist. Dabei bringt jeweils die letzte Bitte aus der ersten und dritten Gruppe den Vermittlungsgedanken nicht zum Ausdruck, sondern wendet sich unmittelbar an die Götter (109) bzw. äußert direkt den Wunsch nach einem langen Leben des Königspaars. Der inhaltliche Rahmen einer Vermittlungsbitte wird hier also durchbrochen. Am Schluss findet sich erwartungsgemäß das Gelübde (116–120). Das dritte Teilgebet an Zintuḫi besteht aus einer Anrede mit Hymnus (121–124; die folgenden 5–10 Zeilen, die wohl ebenfalls hymnischen Charakters sind, sind zerstört), aus einer überleitenden Bitte um göttliches Walten (126), der Zentralen Bitte um Vermittlung (dieses Mal an den nicht näher spezifizierten Wettergott und die Sonnengöttin, 127–128) und schließlich aus dem Gelübde (129–131). Noch kürzer ist das Teilgebet an Mezzulla, das sich unter Auslassung der überleitenden Bitte allein aus Anrede mit Hymnus (132–135), Bitte um Vermittlung (wieder an den Wettergott und die Sonnengöttin, 136–139) und Gelübde (140–142) zusammensetzt. Das fünfte und letzte Teilgebet an den Wettergott von Zippalanda scheint zunächst genau dieses soeben beschriebene Muster zugrunde zu legen, indem die Anrede mit Hymnus (143–146) und die Bitte um Vermittlung (147–149) am Anfang stehen. Anstelle des Gelübdes folgen nun aber zwei Sequenzen bestehend aus einer Kooperationssichernden Bitte, einem Argument und einer Zentralen Bitte (150–152 bzw. 153–158). Die zweite Sequenz ist im Sinne der Variation länger als die erste und dreht die Reihenfolge von Kooperationssichernder Bitte und Argument im Vergleich zur ersten Sequenz um. Zudem ist jeder Einzelteil von dem Äquivalent in der anderen Sequenz verschieden: Bitte um Willfährigkeit (150) vs. Bitte um Zuwendung (156), Argument mit Puduḫepas Leistung (151) vs. Argument mit Ḫattušilis Leistung (153–155), Bitte um Erregung von Mitleid (152) vs. Bitte um Vermittlung (157–158). Den Schluss bildet das übliche Gelübde (159–163).

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Grundstruktur

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3.3 Grundstruktur Aus den vorangegangenen Strukturanalysen ergeben sich Strukturelemente, Stützungsbeziehungen und eine auf beidem aufbauende Grundstruktur, deren schematische Darstellung zum besseren Verständnis des Folgenden in Abb. 1 auf S. 98 bereits vorweggenommen sei. Dabei handelt es sich um eine abstrahierte Struktur, in die alle vorkommenden Strukturelemente gemeinsam eingebaut sind, ohne dass dies in irgendeinem der bezeugten Texte tatsächlich realisiert würde. Die Kästchen enthalten die Strukturelemente, die Pfeile stellen die Stützungsbeziehungen dar. Die zweite Reihe besteht aus den Bitten: zum einen die Zentrale Bitte als Gesamtfunktion des Textes mit ihren Stützbitten, zum anderen die Ausführungssichernden Bitten. Diese werden z. B. von der Falldarlegung gestützt, stützen selbst aber die Zusage von Korrekturmaßnahmen, die ihrerseits die Bittpassage mit ihren beiden Bestandteilen stützt. Auch eine direkte Stützung der Bittpassage durch die Ausführungssichernden Bitten ist möglich. Weitere stützende Strukturelemente, die der Bittpassage unmittelbar vorgeschaltet werden können, sind die negativen Konsequenzen göttlichen Handelns, die Falldarlegungs- und Opferdeklarationen sowie die Falldarlegung selbst. Letztere stützt aber die Bittpassage auch indirekt über andere Strukturelemente. Ebenso stützen Anrede und Hymnus nah am Anfang des Textes die Zentrale Bitte direkt. Nahe an der Bittpassage sind – ohne selbst gestützt zu werden – die Kästchen der ersten Reihe: positive Konsequenzen göttlichen Handelns, das Gelübde (der Bittpassage folgend) und die Normen (vorangehend oder folgend). Die Letztgenannten stützen aber auch andere Formen von Bitten (Stützbitten und Ausführungssichernde Bitten). Ganz unten in der letzten Reihe befindet sich die Einleitende Kontextualisierung, die das Gebet in seiner Gesamtheit stützt (symbolisiert durch die geschweifte Klammer). Sie setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, die zum Teil spätere folgende Strukturelemente in Kurzform vorwegnehmen (z. B. Anrede und Hymnus, oder eine Falldarlegungsdeklaration), zum Teil aber auch Elemente umfasst, die wie die Herbeirufung der Gottheit (mugauwar) und die Selbsteinführung ausschließlich an dieser Stelle vorkommen. Die folgenden Erläuterungen der Grundstruktur und der Strukturelemente (Kapitel 3.3.1–3.3.12) gehen zunächst auf die Art der Stützungsbeziehung ein, der die betreffenden Strukturelemente jeweils dienen. Sie behandeln so unter Anführung eines Beispiels ihren funktionalen Stellenwert im Rahmen der argumentativ-rhetorischen Kohärenz des Gesamttextes. Es folgen außerdem Kommentare zur temporalen Verortung, zum illokutiven Charakter und zur referenziell-thematischen Kontinuität der Strukturelemente (s. dazu Kapitel 1.4) sowie schließlich zu den Illokutionen, die ihrer eigenen Stützung dienen. Die für die Strukturelemente jeweils unterschiedliche Realisierung dieser Parameter begründet die hier vorgenommene feinere Differenzierung derselben und macht für einige von ihnen eine präzisere Terminologie als die bisher übliche notwendig (dazu s. Kapitel 1.3).

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Textmuster der Gesamttexte

Normen (ggf. mit Anwendung auf den Fall)

Ausführungssichernde Bitten (ggf. mit Stützbitte)

Gelübde

Bittpassage

Zusage von Korrekturmaßnahmen

Stützbitten

Negative Konsequenzen göttlichen Handelns

Positive Konsequenzen göttlichen Handelns

Zentrale Bitten

Deklarationen zu Falldarlegung und Opfer (ggf. mit Stützbitte)

Falldarlegung mit Bericht über die Vorgeschichte, Verdiensten, Schuldeingeständnis, Unschuldsbeteuerung, Fürsorge der Gottheit in der Vergangenheit oder Klage der Not

Einleitende Kontextualisierung

Anrede (ggf. mit kurzem Hymnus)

Einführung von Betendem/ Repräsentanten, Auftrag, Lösung, Herbeiführung, Stützbitten für Gebet

Anrede und Hymnus

Deklarationen zu Falldarlegung oder Opfer, Stützbitten für Gebet

Abbildung 3.1: Grundstruktur des persönlichen Gebets der Hethiter

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Grundstruktur

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3.3.1 Bittpassage: Zentrale Bitten und ihre Stützbitten Im Kapitel 2.1 wurde bereits vorweggenommen, dass die ausgedrückte dominierende Kommunikationsabsicht der Gesamttexte in der Wiederherstellung der gestörten Gottesbeziehung und der Meinungs- und Handlungsbeeinflussung von Göttern im Sinne des Betenden besteht. Ihren Ausdruck findet diese Absicht in den Zentralen Bitten, welche – allein oder gebündelt – die gewünschte Art der Einwirkung auf das Leben des Betenden seitens der angesprochenen Gottheit benennen. Dazu gehören unter anderem die Bitten um (vgl. auch Sürenhagen 1981: 140): • Genesung und Überleben bei Krankheit, Erlösung und Führung, Zuwendung und Bezwingung des Bösen • Stärkung, Ehrerbietung durch die Mitmenschen und Erfolg in Rechtsangelegenheiten • Unterstützung, Fürsorge und Halt • die Differenzierung von Schuldigen und Unschuldigen, Vergeltung sowie bereits abgegoltene Schuld nicht abermals zu bestrafen • die Beendigung der Seuche oder ihre Verlagerung ins Feindesland • der Sieg über die Feinde • Wohlergehen für das Land, Versöhnung, Sättigung und Wachstum, Nachkommen, Zustimmung und Gehorsam Die Bitten können also positiver oder negativer, abwehrender Natur sein. Sie betreffen den Betenden persönlich oder das ganze Land. Sie können eher formelhaft sein und den typischen Segenswünschen in Ritualtexten gleichen (wie die Bitten um Zustimmung und Gehorsam oder um siegreiche Waffen), oder sie sind ganz individuell gestaltet wie die Bitte um ein langes Leben für Ḫattušili. Im Falle der Vermittlungsgebete steht entweder die Bitte um Vermittlung der Zentralen Bitten an die Götterversammlung bzw. an eine erzürnte Gottheit im Vordergrund oder die direkte Einwirkung auf das Handeln der betreffenden Götter. Oft wird dies aber auch von anderen Bitten begleitet, wie sie oben genannt sind. Auf der argumentativ-rhetorischen Ebene werden die Zentralen Bitten ihrer wichtigen Funktion entsprechend direkt oder indirekt durch alle anderen Strukturelemente gestützt. Eine besondere Stellung nehmen die Kooperationssichernden Stützbitten ein, mit denen gemeinsam die Zentrale Bitten die Bittpassage bilden. Über die in Kapitel 2.1 angegebenen Belege hinaus folgt hier ein weiteres Beispiel für eine Zentrale Bitte um unmittelbare Einwirkung auf Faktoren, deren Kontrolle außerhalb des Betenden liegt: (17)

CTH 378.2, Kolon 93–95 93 94 95

nu duddu ḫa[lziššaḫḫi] [n]u=mu d 10 uru ḫatti EN=YA išdamaš [n]u=kan INA ŠÀ kur ḫatti ḫinkan daru[ptaru]

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100

Textmuster der Gesamttexte

„Ich ru[fe gerade] ‚Gnade!‘ aus. Wettergott von Ḫatti, mein Herr, höre mich! In Ḫatti soll die Seuche been[det werden]!“ Den formalen Hinweis auf eine Bittpassage gibt erwartungsgemäß die Illokution des Appells mit dem Merkmal des Imperativgebrauchs,28 aber die Erkennung der eigentlichen Zentralen Bitten geschieht im oben beschriebenen Sinne auf funktionaler Basis. Das entscheidende Merkmal ist hier, dass die betreffenden Bitten keine Stützfunktion für einen anderen illokutiven Akt innerhalb des Gesamttextes besitzen. Das trifft auch für den Status der Vermittlungsbitte als Zentrale Bitte innerhalb von Vermittlungsgebeten zu, denn zwischen einem Vermittlungsgebet und einem Zentralen Gebet besteht auf der Textebene keine Stützungsbeziehung, sondern die Verbindung liegt einzig in der Interaktion der Akteure, also im textexternen Bereich. In Beispiel (17) wird in typischer Weise die Zentrale Bitte im Rahmen einer Bittpassage durch einen stützenden Appell (Stützbitte um Gehör) vorbereitet, um so die Kooperationsbereitschaft der Gottheit zu sichern. Das alternative Verhalten der Gottheit kann in Unwillen und in der Weigerung bestehen, sich das Anliegen anzuhören – eine Gefahr, die es zu vermeiden gilt. Erst nach der vorbereitenden Stützillokution erfolgt die Zentrale Bitte, in der der Betende seinen eigentlichen Wunsch – in diesem Fall die Beendigung der Seuche – äußert. Zu den Kooperationssichernden Stützbitten gehören u. a. die Bitten um: • • • •

gütige Gesinnung Zuwendung die Erlaubnis des Erscheinens vor der Gottheit Gehör (in CTH 381, Kolon 21–24, auch die Bitte, Unangemessenes zu überhören)

Die Bittpassage mit den Kooperationssichernden Stützbitten und Zentralen Bitten zeichnet sich durch ein hohes Maß an interner Kohärenz aus und wird dementsprechend im Allgemeinen zusammenhängend geäußert. Die argumentativ-rhetorische Funktion der Stützbitten entfaltet sich im unmittelbaren Kontext, indem die Kooperationssicherung einzig dem Erfolg der Zentralen Bitten dient. Auf der illokutiven Ebene sind die Äußerungen durch ihren gemeinsamen appellativen Charakter eng miteinander verbunden, der auch dieselbe temporale Verortung in der unmittelbaren Zukunft zur Folge hat. Eine referenziell-thematische Gleichheit liegt allerdings ausschließlich in der Identität der beiden Sprechaktpartizipanten, dem Betenden und der angesprochenen Gottheit, vor. 3.3.2 Ausführungssichernde Bitten Dieser Typ von Bitten bildet ein eigenständiges Gebetselement und hat für die argumentativ-rhetorische Struktur eine wichtige Bedeutung. Denn nur wenn der Betende von 28 Abweichend davon gibt es in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 auch indirekte Sprechakte mit abweichenden Ausdrucksmitteln (Indikativ), dazu ausführlich in Kapitel 4.2.4.

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Grundstruktur

101

der Gottheit erfährt, welche Verfehlungen begangen wurden, ist er auch in der Lage, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen; alles ihm Bekannte hat er bereits getan. Und nur wenn die Priester am Leben bleiben, ist die Kultobservanz überhaupt möglich. Die Bitten um Offenbarung und Überleben der Opferpriester dienen so der Ausführungssicherung durch den Betenden und damit indirekt der Motivation des Adressaten zur Erfüllung der Zentralen Bitten. Auf sie wird vielfach durch die Falldarlegung in ähnlicher Weise hingeleitet wie auf die Zentralen Bitten selbst. Vgl. Beispiel (18):29 (18)

CTH 376.1, Kolon 82–89 82 83 84 85 86 87 88 89

n=ašta ANA DUMU.LÚ.U19 .LU ḫattatar=šummit ḫar(a)[kt]a nu ZAG-an kwit iyaweni n=at NU.GÁL nu DINGIRmeš kwit waštul uškatteni nu naššu DINGIRmeš -niyanz(a) weddu n=at memau našma=at munus.meš ŠU.GI lú.meš AZU lú.meš MUŠEN.DÙ memiyandu našma=at zašḫiyaz DUMU.LÚ.U19 .LU aušdu

„(Uns,) den Menschen, ist unsere Weisheit verl[or]en gegangen. Was wir richtig machen, das ist nicht vorhanden. Welches Vergehen ihr, Götter, im Auge habt: Entweder soll ein Gottesbegeisterter kommen und es benennen, oder Alte Frauen, Beschwörungspriester (oder) Vogelschauer sollen es benennen, oder ein Mensch soll es durch einen Traum sehen!“ Auch durch ihren appellativen Charakter und ihre temporale Verortung in der unmittelbaren Zukunft stehen die Ausführungssichernden Bitten den Zentralen Bitten tatsächlich nahe, sie stellen aber nicht die dominierende Intention des Gesamttextes dar und besitzen deshalb auf argumentativ-rhetorischer Ebene einen anderen Stellenwert. 3.3.3 Falldarlegungs- und Opferdeklaration Falldarlegungs- und Opferdeklarationen erklären, welche Interaktionen gerade vor sich gehen,30 vgl. Beispiel (19): (19)

CTH 378.2, Kolon 90–95 90 91 92

mān INA ŠÀ KUR uru ḫa[tti akk]iškettari nu=z(a) k[āša AN ]A d IM uru ḫatti EN=YA [ … apa]dda šer ēššaḫḫi nu=tta [ḫ]aliḫliškemi

29 In einem Fall wird die Ausführungssichernde Bitte sogar durch einen Vergleich gestützt (CTH 378.2: Stützung der Bitte in Kolon 152–160 durch den Vergleich in Kolon 142–148 mit der Anwendung in Kolon 149–151). 30 Sürenhagen (1981: 132f.) fasst die betreffenden Passagen als eine Untergruppe der Selbsteinführungen auf.

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102

Textmuster der Gesamttexte

93 94 95

nu duddu ḫa[lziššaḫḫi] [n]u=mu d 10 uru ḫatti EN=YA išdamaš [n]u=kan INA ŠÀ kur ḫatti ḫinkan daru[ptaru]

„Während im Land Ḫa[tti gestor]ben wird, mache ich h[ier desw]egen [de]m Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (gerade) meine [Falldarlegung]. Ich [w]erfe mich (jetzt) vor dir nieder. Ich ru[fe gerade] ‚Gnade!‘ aus. Wettergott von Ḫatti, mein Herr, höre mich! In Ḫatti soll die Seuche been[det werden]!“ Die in Kolon 90–93 zitierten Illokutionen sind deklarativer Natur. Sie sind direkt auf die Zentrale Bitte bezogen, indem sie die Art der gerade stattfindenden Interaktion zwischen Sprecher und Adressat als den Akt des Gebets erläutern und ihm Nachdruck zu verleihen. Mit dem Hinweis verfolgt der Sprecher gleichzeitig indirekt die Absicht, die Motivation der angesprochenen Gottheit, der Bitte nachzukommen, zu erhöhen. Denselben Stellenwert hat auch der häufig bezeugte Hinweis auf ein gegenwärtiges Opfer. Die deklarative Illokution weist wie die Bittpassage eine zeitliche Verortung in der weiteren Gegenwart auf. Auf der referenziell-thematischen Ebene ist neben der Gemeinsamkeit der Sprechaktpartizipanten zu vermerken, dass der metasprachliche Hinweis auf den illokutionären Akt der Falldarlegung die Aufmerksamkeit auch auf den folgenden Akt der Bitte lenkt. 3.3.4 Negative Konsequenzen göttlichen Handelns Kolon 80 aus Beispiel (20) bietet einen Fall für die Argumentation mit den negativen Konsequenzen göttlichen Handelns. Dieses ist zuvor in der Falldarlegung dargestellt worden. Die Götter sind selbst von den Folgen betroffen und werden – so die Hoffnung des Betenden – ihr Verhalten ändern, nachdem sie einmal auf den eigenen Schaden hingewiesen worden sind. (20)

CTH 376.1, Kolon 66–69, 80 66 67 68 69 80

kī DINGIRme [š kwit] i[y]atten nu ḫinkan tarna[tten] nu KUR uru KÙ.BABBAR-t[i ḫūm]an=pat BA.ÚŠ namma ANA D[INGIRmeš ] ninda ḫaršin [dug išp]anduzi=ya UL kwiški iyazi … nu wezzi ANA DINGIRmeš NINDA.GUR4 .RAḪI.A dug išpant[uzz]i UDU auliušš=a karšandari

„Dies, (ihr) Götte[r], (ist), [was] ihr ge[t]an habt: Ihr habt die Seuche zugelas[sen], und das [gan]ze Land Ḫatt[i] ist gestorben. Niemand macht den G[öttern] mehr Dickbrot und [Gusso]pfer. … Später werden für die Götter Dickbrot, Guss[opf]er (und) Schlachtopfer unterbleiben.“

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Inhaltlich ist die Beschreibung der negativen Konsequenzen göttlichen Handelns die Fortführung der Falldarlegung für den Zeitraum der Zukunft. Sie wird von ihr zumeist auch unmittelbar gestützt und ist selbst den Bitten stützend vorgeschaltet – wie in Beispiel (20). Das Strukturelement kann so auch die Funktion einer Überleitung zwischen Falldarlegung und Bittpassage erfüllen. Die beschriebene argumentativ-rhetorische Kohärenz spiegelt sich zumeist sprachlich in der Nähe der Darstellung der negativen Konsequenzen zur Bittpassage wider. Damit geht auch die Kohärenz auf der referenziell-thematischen Ebene einher. Die sachverhaltsklärende Illokution der Information stimmt mit derjenigen der vorangegangenen Falldarlegung überein, während die temporale Ebene mit Verortung des Sachverhalts in der ferneren Zukunft mit der folgenden Bitte übereinstimmt. 3.3.5 Gelübde Obgleich der Betende durch den Akt des Gelübdes wie im Falle der Deklarationen eine Leistung für die angesprochene Gottheit thematisiert und somit die Intention hat, durch die erhöhte Motivation der Gottheit seine Bitten zu stützen, führt ein entscheidender Unterschied zu strukturellen Abweichungen: Die Leistung wird lediglich in Aussicht gestellt und erfolgt nur unter der Bedingung, dass die Gottheit ihrerseits die Zentrale Bitte vorher erfüllt hat, vgl. Beispiel (21): (21)

CTH 384.1, Kolon 116–119 116 nu=kan mān d liliwa[ni]š GAŠAN=YA [ANA DINGIRmeš pa]rranda aššu mematti 117 AR[AD=K ]A m ḫattušilin TI-nuši 118 MUḪI.A =ši ITUKAM.ḪI.A UDḪI.A dalugaēš pešti 119 nu uwami ANA d liliwani GAŠAN=YA ALAM KÙ.BABBAR ŠA m ḫattušili m ḫattušiliš mašiwanz(a) SAG.DU=SÚ ŠUm [eš =Š]Ú GÌRmeš =ŠÚ ŠA GUŠKIN iyami „Falls du, Lelwa[ni], meine Herrin, [den Göttern] Gutes übermittelst, und [dei]nen Die[ner], Ḫattušili, am Leben erhälst, und ihm lange Jahre, Monate (und) Tage gibst, werde ich später der Lelwani, meiner Herrin, eine silberne Statue des Ḫattušili, ebenso groß wie Ḫattušili – seinen Kopf, [sei]ne Hän[de] (und) seine Füße aus Gold – herstellen (lassen).“

Zwar liegt auch hier zwischen Bitte und Gelübde eine referenziell-thematische Identität der Sprechaktpartizipanten sowie des Bittthemas vor, aber die temporale Verortung in der ferneren Zukunft weicht ab, und die Illokution ist hier – anders als bei der Bitte – diejenige der Obligation. Das Gelübde erfährt keine Stützung durch andere illokutionäre Akte.

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3.3.6 Positive Konsequenzen göttlichen Handelns Vom Gelübde ist wiederum eine andere zugleich sachverhaltsklärende und motivationsstützende Illokution zu unterscheiden:31 die Information über die positiven Konsequenzen, die sich aus dem gewünschten künftigen Handeln der Götter ergeben. Ihnen soll vor Augen geführt werden, dass sie durch die Erfüllung der vorangegangenen Bitten die Zukunft zu ihrem eigenen Nutzen verändern können. Anders als beim Gelübde stellt der Betende der angesprochenen Gottheit keine Bedingung im angegebenen Sinne, sondern argumentiert lediglich damit, vgl. Kolon 154 aus Beispiel (22): (22)

CTH 376.1, Kolon 153–154 153 [ … ] šeišdu 154 [n]u šumāš ANA DINGIRme [š ] NINDA.GUR4 .RA=K [UN ]U dug išpantuz[i … ] šar[ā a]r[t]ari „[ … ] es soll gedeihen! [U]nd euch, den Götter[n], wird e[ue]r Dickbrot (und) Gussopf[er … ] zur Verfügung [s]t[e]hen.“

Ziel ist es, die Götter zu motivieren, entsprechend den Bitten zu handeln und letztere so unmittelbar zu stützen. So besteht eine argumentativ-rhetorische Kohärenz, die die Nähe ihrer Äußerung in der typischen Position nach Zentralen Bitten – so auch in Beispiel (22) – begründet. Die temporale Ebene gleicht mit der Verortung des Sachverhalts in der ferneren Zukunft derjenigen des Gelübdes, die illokutive Ebene weicht jedoch durch die sachverhaltsklärende Vermittlung von Information ab. Die Kohärenz auf der referenziellthematischen Ebene besteht, so vorhanden, in erster Linie zur Falldarlegung oder zu den negativen Konsequenzen göttlichen Handelns. Wie das Gelübde wird auch die Darstellung der positiven Konsequenzen göttlichen Handelns argumentativ-rhetorisch nicht durch andere Strukturelemente gestützt. 3.3.7 Normen Anders als die Argumentation mit dem Eigeninteresse der Gottheit (Deklaration, Gelübde, positive und negative Konsequenzen des göttlichen Handelns, Zusage von Korrekturmaßnahmen) geht die Anführung von stützenden Normen von einem Rechtsempfinden der Gottheit aus. Diese Äußerungen, die zunächst einmal Information vermitteln, sollen den Adressaten motivieren, entsprechend ihrem normativen Charakter und damit im Sinne des Betenden zu handeln, und sollen auf diese Weise die Bitten (Zentrale Bitten, Stützbitten, Ausführungssichernde Bitten) stützen. Dieses Strukturelement kommt nur sehr eingeschränkt zum Einsatz und dient neben dem eben beschriebenen Ziel gleichzeitig 31 Sürenhagen (1981: 141–4) unterscheidet ähnlich, aber mit einer etwas anderen Zuordnung der Belege zwischen dem eigentlichen, deutlich vom Bittkontext abgesetzten Versprechen (malduwar „Gelübde“) und dem babylonischen dalīlīka ludlul-Thema, das wie im Beispiel (22) in den Argumentationsgang des Gebets integriert ist.

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auch der Hervorhebung der Wichtigkeit der betreffenden Bitten, auf die es sich bezieht.32 Die normativen Äußerungen (23) und (24) führen solche Stützungsbeziehungen vor: (23)

CTH 383.1, Kolon 129–133 129 ANA DINGIRmeš kariyašḫaš pētan daḫangaš 130 nu=z(a)=kan d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA KUR.KURḪI.A uru ḫatti ANA daḫanga anda kariyašḫaš pedi :yašḫanduwanti ŠÀ-ta šāi 131 nu mān ANA KUR uru ḫatti waštul ḪI.A ēšzi 132 nu kweka 133 d UTU uru arinna=ma=at GAŠAN=YA daḫangaš memini šer arḫa=pat peššiya „Den Göttern (ist) das daḫanga ein Ort des Willfahrens. Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, schließe die Länder von Ḫatti in das daḫanga, in den vertrauenswürdigen Ort des Willfahrens, ins Innere ein! Falls für das Land Ḫatti Vergehen bestehen, und (es) irgendwelche (sind), sie aber, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, verwirf wegen der Angelegenheit des daḫanga!“

(24)

CTH 378.2, Kolon 132–135 132 nu=mu ḫwišnut 133 nu=tta[=kk]an ki[ššan … ] 134 MUŠEN-iš=z(a)=kan giš taptappan EGIR-pa ēpzi 135 n=an giš taptappaš ḫuw[išnuzi] „Lass mich überleben! Zu dir [ … ] folgen[dermaßen]: Ein Vogel nimmt (Zuflucht zu) seinem Nest, das Nest [lässt] ihn überle[ben].“

Während die Verbindung von temporaler Verortung (zeitlos-generisch) mit dem illokutiven Akt der Informationsvermittlung derjenigen des Hymnus gleicht, gibt es eine enge referenziell-thematische Kohärenz dagegen mit den Bitten auf der Ebene des Anwendungsbereichs der Norm, wie z. B. das Willfahren und Erbarmen in Beispiel (23) bzw. das Überlebenlassen in Beispiel (24). Die Sprechaktpartizipanten selbst spielen dagegen nur ausnahmsweise eine Rolle. Damit unterschiedet sich die Argumentation durch Normen hinsichtlich ihrer spezifischen Merkmale der textuellen Kohärenz von allen anderen Stützillokutionen der Bittpassage. Weitere (nicht-exklusive) Merkmale bestehen in der Nähe ihrer Äußerung zur Bittpassage und schließlich in der Tatsache, dass die Normen selbst weder durch die Falldarlegung noch durch andere Strukturelemente gestützt werden.

32 Obgleich die angegebenen Normen mehrfach auf einem implizierten Vergleich beruhen (s. Kapitel 4.1.8), ist das Strukturelement der Normen von den Stilmitteln des Vergleichs und der Metapher zu unterscheiden.

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3.3.8 Zusage von Korrekturmaßnahmen Mit der Information über die negativen Konsequenzen des göttlichen Handelns hat die Zusage des Betenden, dass er künftig Korrekturmaßnahmen zur Behebung möglichen menschlichen Fehlverhaltens ergreifen werde, vieles gemein. Beide sollen die Motivation der Götter, der Bitte gemäß zu handeln, erhöhen und so die Bitte direkt argumentativrhetorisch stützen. Ihrerseits werden sie durch die Falldarlegung gestützt. In beiden Fällen liegt außerdem eine zeitliche Verortung in der ferneren Zukunft vor und die referenziell-thematische Vergleichbarkeit beider geht über die Sprechaktpartizipanten hinaus, indem es im Allgemeinen um die dann mögliche bzw. nicht mehr mögliche Verehrung der Gottheit und Kultobservanz geht. Ein Beispiel bietet das letzte Kolon in (25): (25)

CTH 378.2, Kolon 156–161 156 [EGIR-p]a=ma kw[i]t uru ḫattušaš ḫ[i]nganaz šarnikta 157 n=at 20-anki [UL k]arū apēniššan kišari 158 n[u] ANA d IM uru ḫatti EN=YA [U AN ]A DINGIRmeš BELU meš =YA ZI-anz(a) UL=pat waršiyattari 159 našma=kan mān [amm]uk=ma kwitki šarnikziel ḫanti išḫiyattēni 160 [n=a]t=mu tešḫaz memiešten 161 nu=šmaš=at peḫḫi „W[of]ür Ḫattuša [hinterhe]r aber durch die S[eu]che (bereits) entschädigt hat, ist das [nicht b]ereits auf jene Weise zwanzigfach geschehen? Und dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, [und de]n (anderen) Göttern, meinen Herren, hat sich der Sinn gar nicht beruhigt. Oder falls ihr [mi]r aber irgendetwas als Entschädigungsopfer gesondert auferlegt, sagt [e]s mir durch einen Traum! Ich werde es euch geben.“

Allerdings weicht der illokutive Akt dieser Äußerungsart mit der „Obligation“ von dem der „Information“ in der Nennung der negativen Konsequenzen ab. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied auf der strukturellen Ebene besteht darin, dass die Zusage der Korrekturmaßnahmen ihrerseits alternativ auch durch die Ausführungssichernden Bitten (hier in Kolon 159–160) gestützt wird. In dem gleichen Umstand liegt auch ein wichtiger Unterschied zum Gelübde, mit dem die Zusage der Korrekturmaßnahmen jedoch die Art des illokutionären Aktes („Obligation“) teilt. 3.3.9 Anrede und Hymnus Der illokutive Akt („Kontakt“) von Anrede und Hymnus dient dem Aufbau und dem Erhalt der personalen Beziehung zwischen Betendem und Gottheit. Die namentliche Anrede eröffnet den Kommunikationskanal (s. o. Kapitel 2.3); die positive Darstellung von Position und Wirken der angesprochenen Gottheit im Hymnus soll ihre Kooperationsbereitschaft für die Erfüllung der folgenden Bitte sichern. Damit stützen sie die Bitte direkt.

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Anstelle des Hymnus kann auch eine stark verkürzte Form, die hymnische Erweiterung, treten, die sich vom Hymnus nicht nur durch die geringe Länge, sondern nach der hier vorgenommenen Abgrenzung auch dadurch unterscheidet, dass sie nur aus Appositionen, nicht aus satzwertigen Konstruktionen besteht. Vgl. Beispiel (26) mit einer Anrede und dem Beginn eines Hymnus: (26)

CTH 372, Kolon 1–4 d 1 UTU-e išḫa=mi ḫandanz(a) ḫannešnaš [i]šḫaš nepišaš dāgazipašš=a LUGAL-ue KUR-e zik dudduškeši 2 tarḫuwilatar zik=pat peškeši 3 zik=pat ḫandanz(a) DINGIR-uš 4 genzū daškeši zik=pat „Sonnengott, mein Herr, gerechter [H]err des Gerichts, König über Himmel und Erde, du behandelst das Land gnädig. Siegeskraft gibst du. Du (bist) ein gerechter Gott. Du nimmst eine gütige Gesinnung an.“

Während man der Anrede keine temporale Verortung zuordnen kann, setzt sich der Hymnus aus zeitlos-generischen, charakterisierenden Aussagen über den Adressaten zusammen oder – in selteneren Fällen – aus einer vergangenheitsbezogenen Darstellung der Verdienste der angesprochenen Gottheit um den Betenden. Obgleich sich Anrede und Hymnus mit der darin enthaltenen Charakterisierung dazu eignen sollten, die Bitte auch inhaltlich vorzubereiten, wird nur hin und wieder zwischen den dort genannten Eigenschaften der Gottheit (z. B. der Fürsorge für die Menschen) und den Bitten der Bittpassage eine Beziehung hergestellt. Anrede und Hymnus werden selbst nicht durch andere Strukturelemente gestützt. Damit ist dieses Strukturelement des Gebets trotz seiner direkten Stützfunktion für die Bittpassage in Hinblick auf ihre textuellen Merkmale von derselben weit entfernt, was sich auch in seinem „räumlichen“ Abstand zur Bittpassage innerhalb des Gesamttextes widerspiegelt. 3.3.10 Falldarlegung Die schon mehrfach erwähnte Falldarlegung33 kann als Thema einen Bericht über die Vorgeschichte des Gebets enthalten, ein Schuldeingeständnis oder eine Unschuldsbeteuerung, einen Bericht über erfolgreich erworbene Verdienste und gescheiterte Versuche, Fehlverhalten zu vermeiden, sowie die Anerkennung der Fürsorge der Gottheit in der Vergangenheit oder die Klage der empfundenen Not.34 33 Bei der Verwendung des Terminus „Falldarlegung“ ist zu beachten, dass das Strukturelement der „Falldarlegung“ von der Falldarlegung als Ganzer (heth. arkuwar) zu unterscheiden ist, die im Kontext der hethitischen Gebete als Gattung im Sinne eines pars pro toto neben dem Plädoyer (d. h. den berichtenden und argumentierenden Stützillokutionen) auch Anrede und Hymnus, so vorhanden, und die Bittpassage selbst umfasst. Vgl. dazu Singer 2002a: 5f. und ausführlicher 4 Anm. 3. 34 Sürenhagen (1981: 134–9) unterteilt das hier als Falldarlegung bezeichnete Strukturelement in historische Darlegungen, Klagen und das arkuwar, das nach seiner Auffassung als „Einspruch“ wiederzugeben

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Die Themen bieten Hintergrundinformationen, mit denen andere Äußerungen gestützt werden. Das ist zunächst die Bittpassage mit der Zentralen Bitte selbst, für die die Klärung der beschriebenen Sachverhalte eine Stützung der Motivation bilden kann; aber auch Stützillokutionen für die Bittpassage können ihrerseits durch die Hintergrundinformationen eine Stützung erfahren: die Ausführungssichernden Bitten, die Zusage von Korrekturmaßnahmen, die Falldarlegungsdeklaration und die Konsequenzen göttlichen Handelns. Im Beispiel (27) wird aus der Falldarlegung klar, weshalb die Sonnengöttin von Arinna mit ihrer Hilfe für das Land Ḫatti gleichzeitig die Feindesländer strafen und welches Eigeninteresse sie verfolgen soll: (27)

CTH 376.1, Kolon 94–102 94 nu kuriwanaš KUR.KURmeš kwe araḫzanda 95 KUR uru mittanni KUR uru arzauwa 96 nu ḫūmanz(a) šullēt 97 nu=z(a)=kan DINGIRmeš šarā UL iyanzi 98 n=ašta NIEŠ DINGIRmeš šarreškanzi 99 [n]u KUR uru ḫatti idālauwanni šanḫiš[k]anzi 100 ÉḪI.A DINGIRmeš =ma lauwarruna šanḫiškanzi 101 n=at ANA DINGIRmeš kattawātar namma kišaru 102 nu=ššan ḫinkan kurur gaštan idālun tapaššan ANA KUR uru mittanni U ANA KUR uru arzauwa tarnatten „Autonome Länder, die (sich) ringsum (befinden), das Land Mittanni (und) das Land Arzawa, jeder befand sich im Streit (mit Ḫatti). Sie feiern (euch) Götter nicht, sie übertreten den Göttereid, sie suchen das Land Ḫatti zu schädi[g]en, die Tempel aber suchen sie zu berauben. Das soll (euch) Göttern ein Gegenstand der Anklage werden! Seuche, Feindschaft, Hunger (und) das böse Fieber sollt ihr in das Land Mittanni und das Land Arzawa lassen!“

Von allen anderen Strukturelementen unterscheidet sich die Falldarlegung mit ihren Themen durch ihre weitgehende temporale Verortung in der Vergangenheit, die nur im Übergang von und zu den Verhältnissen in der Gegenwart (z. B. in einer Klage) aufgegeben wird. Mit der Darstellung zukünftiger positiver und negativer Konsequenzen göttlichen Handelns hat die Falldarlegung den illokutiven Charakter durch die Informationsfunktion gemein und der Übergang ist dementsprechend oft fließend. Die referenziell-thematische Kontinuität erfolgt über die Sprechaktpartizipanten hinaus durch den berichteten Gegenstand, der vielfach auch der Gegenstand der gestützten sei. Auf der anderen Seite betrachtet er die Normen, die nach der hier vertretenen Auffassung ein eigenständiges Strukturelement bilden, als Teil des arkuwar. Die unterschiedlichen Klassifizierungen ergeben sich aus der abweichenden Gewichtung der Kohärenzbeziehungen: Während Sürenhagen die argumentativ-rhetorische Kohärenz offensichtlich als hinreichendes Argument für die Integration in ein und dasselbe Strukturelement verwendet, liegt die oben vorgenommene Abgrenzung in der genau entgegengesetzten Verfahrensweise sowie in der Einbeziehung anderer Kohärenzrelationen.

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Illokutionen ist, etwa der Bericht über die Folgen der Seuche, um deren Beseitigung anschließend gebeten wird, oder die Mitteilung des Orakelbefundes, der hinterher zur Zusage der Korrekturmaßnahmen führt. Die Verknüpfungen sind hier zahlreich und von sehr vielfältiger Art. Da den Sonnengottgebeten CTH 372–374 noch das mesopotamische Audienzkonzept zugrunde liegt – die Konzeptionalisierung der persönlichen Gebete der Hethiter als Plädoyer vor der göttlichen Gerichtsversammlung ist in diesen Texten noch nicht durchgeführt – ist der Begriff der „Falldarlegung“ hier nicht angemessen. Es sind daher in den Strukturanalysen aus Kapitel 3.2 die behandelten Themen selbst angegeben. An der Art der Stützungsbeziehung, die auf der argumentativ-rhetorischen Ebene besteht, ändert dies jedoch nichts. 3.3.11 Einleitende Kontextualisierung Die Gebete, deren Anfang erhalten ist, weisen eine einleitende Passage auf, die die Beschreibung der Kommunikationssituation enthält. Zum einen werden typischerweise die beteiligten Akteure benannt: im Falle des Adressaten durch die Anrede, die ggf. auch eine hymnische Erweiterung oder gar einen kurzen Hymnus umfasst; im Falle des Sprechers durch eine Selbsteinführung als Betender oder als Repräsentant (vgl. dazu auch Sürenhagen 1981: 132). Zum anderen wird deklarativ der kommende Kommunikationsakt (arkuwar) spezifiziert oder durch eine Herbeirufung (mugauwar) vorbereitet. Oft findet sich auch eine Kooperationssichernde Bitte. Die argumentativ-rhetorische Funktion der Einleitenden Kontextualisierung besteht darin, den gesamten Sprechakt des Gebets durch die Herstellung des Kontakts, die Kooperationssicherung und Sachverhaltsklärung vorzubereiten und so zu stützen. Obgleich in der Einleitenden Kontextualisierung verschiedene, sonst selbstständige Strukturelemente miteinander und mit weiteren sonst nicht vorkommenden Elementen verknüpft sind, soll sie im Folgenden eben wegen dieser gemeinsamen Funktion als eine eigenständige Untereinheit des Gebets und damit als ein in sich geschlossenes (komplexes) Strukturelement behandelt werden. Keiner der Einzelbestandteile der Einleitenden Kontextualisierung ist jedoch obligatorisch. Die ausführlichste Gestaltung mit Anrede, Einführung des Repräsentanten, Auftraggebers und Auftrags, mit Herbeirufung und Kooperationssichernder Bitte sowie Opfer- und Falldarlegungsdeklaration liegt in CTH 377 vor: (28)

CTH 377, Kolon 3–16 3 4 5 6 7 8 9

d

telipinuš šarkuš nakkiš DINGIR-LIM-iš zik uiyat=mu m murši-DINGIR-LIM LUGAL-uš tuēl ARAD=KA MUNUS.LUGAL-ašš=a tuēl GÉME-iš uyēr īt=wa d telipinun anzel EN=NI DINGIR-LAM ŠA SAG.DU=NI mugāi § nu=z(a)=kan mān nakkiš d telipinuš šer nepiši DINGIRmeš -aš ištarna mān aruni našma ANA ḪUR.SAGmeš waḫanna pānz(a) našma=z(a) INA KUR lú KÚR zaḫḫiya pānz(a) §

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Textmuster der Gesamttexte

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kinuna=tta šanezziš waršulaš giš ERIN-anz(a) Ì-anz(a) kallišdu n=ašta EGIR-pa é karimmi anda e[ḫ]u nu=tta kāša mukiškemi ninda ḫarši[t dug išpa]nduzit nu=ššan parā kalānkanz(a) ēš nu=tta kwit memiškemi nu=mu DINGIR-LUM ištamanan lagān ḫar(a)k n=at išt[am]aški

„Telipinu, erhabener (und) gewichtiger Gott, du. Es schickte mich Muršili. Der König, dein Diener, und die Königin, deine Dienerin, schickten (mich): ‚Geh (und) rufe den Telipinu, unseren Herrn, unseren persönlichen Gott, herbei!‘ § Falls du, gewichtiger Telipinu, oben im Himmel unter den Göttern (bist), falls du ins Meer (oder) auf die Berge zum Durchstreifen gegangen (bist) oder (falls) du ins Feindesland zur Schlacht gezogen (bist), § jetzt aber soll der angenehme Duft, Zeder und Öl, dich rufen: K[o]mm wieder herein in den Tempel! Ich hier rufe dich (gerade) mi[t] Dickbrot (und) mit [Guss]opfer herbei. Du sollst bes[än]ftigt sein! Und wa[s] ich dir (gerade) sage, halte mir, Gott, das Ohr geneigt (und) hö[r]e es!“ Die temporale Verortung in diesem mehrteiligen Strukturelement geht von generischen (Hymnus, Selbsteinführung) zu gegenwartsbezogenen Aussagen (Deklaration) über. Auch die Art der Illokution wechselt zwischen Kontaktherstellung, Information, Deklaration und Appell. Die referenziell-thematische Kontinuität wird intern durch den Kommunikationsakt bestimmt und besteht nach außen über den Betenden insbesondere zur folgenden Falldarlegung. 3.3.12 Zusammenfassung: Die Kohärenz des Gesamttexts Wie eingangs bereits angedeutet, weicht die abstrahierte Grundstruktur von den in Kapitel 1.3 referierten Strukturanalysen früherer Forscher in einigen Bereichen deutlich ab. Ein wesentlicher Fortschritt konnte hier durch die Übernahme der textlinguistischen Methode der Analyse der Stützungsbeziehungen zwischen den Strukturelementen erreicht werden. Dadurch wurde klar, dass – anders als Güterbock (1958: 237f.) angenommen hatte – die Gebetstexte keine „free combinations of essentially independent parts“ darstellen. Vielmehr stehen die Strukturelemente in einem festgelegten argumentativrhetorischen Zusammenhang, der dem Verfasser überhaupt erst die Herstellung eines kohärenten Gesamttextes möglich gemacht hat. In diesem erfüllt jedes der Elemente eine bestimmte Funktion, die sich wiederum in seinen semantischen und pragmatischen Merkmalen der temporalen Verortung, Illokution und referenziell-thematischen Kontinuität niederschlägt. Auf dieser Basis ist es möglich, sie voneinander abzugrenzen und die Voraussetzung für die onomasiologische Untersuchung ihrer formalen Merkmale (Kapitel 4) zu schaffen.

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Grundstruktur

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Der hier vorgenommenen Klassifikation kommt diejenige von Sürenhagen (1981: 123f.,) am nächsten (s. auch oben S. 9), indem sie gleichfalls die folgenden Strukturelemente (bzw. die von Sürenhagen anders benannten Äquivalente) feststellt: • • • • • •

Anrede und Hymnus (Ia Anrede und Ib Hauptteil des Eingangshymnus) Falldarlegung (IId1 Historische Darlegung und IId2 Klage) Normen (IIe arkuwar „Einspruch“ unter Einschließung der Verdienste) Stützbitten und Zentrale Bitte (IIf wekuwar) Zusage von Korrekturmaßnahmen (IIIg dalīlīka ludlul-Thema) Gelübde (IIIh malduwar)

Abweichungen bestehen einerseits in der für das Verständnis der Struktur wichtigen Abgrenzung der Stützbitten von den Zentralen Bitten, die Sürenhagen nicht vornimmt, und andererseits in der Beurteilung der Deklarationen. Letztere sind bei Sürenhagen anhand von CTH 383.1 und CTH 384.1 als eine mögliche Realisierung der Selbsteinführung (IIc) klassifiziert. Wie aus anderen Gebeten hervorgeht, handelt es sich dabei jedoch um zwei unterschiedliche Dinge: Die Deklaration ist ein integrales Strukturelement des Gebets, während die Selbsteinführung im Allgemeinen (mit Ausnahme eben von CTH 384.1) einen Teil der am Rande des Gebets stehenden Einleitenden Kontextualisierung bildet. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass bei Sürenhagen weder die Ausführungssichernden Bitten noch die positiven und negativen Konsequenzen genannt sind, weil sie in CTH 383.1 und CTH 384.1 nicht vorkommen. Aber auch in den Analysen anderer Forscher spielen sie als eigenständige Strukturelemente keine Rolle; so tritt die von der Zentralen Bitte abweichende Stellung der Ausführungssichernden Bitten in der Forschungsliteratur ebenso wenig zu Tage wie die Abgrenzung der Darstellung der positiven und negativen Konsequenzen göttlichen Handelns von der Falldarlegung. Die Kohärenz der Gebetstexte wird vor allem auf der argumentativ-rhetorischen Ebene hergestellt: Die Einleitende Kontextualisierung bereitet die Gottheit durch die Kontaktaufnahme, die Nennung der Akteure, ggf. die Herbeiführung der Kommunikationssituation und die Ankündigung des Kommunikationstyps vor. Dies dient der Kooperationssicherung und der Sachverhaltsklärung. Das eigentliche Gebet setzt entweder mit Anrede und Hymnus, die ebenfalls die Kooperation der angesprochenen Gottheit sichern sollen, oder mit einer Falldarlegung der zurückliegenden Ereignisse neu ein. Diese klärt durch die angeführten Sachverhalte den Grund für die motivationsfördernden Maßnahmen, die die Bitte stützen sollen (Zusage von Korrekturmaßnahmen, positive und negative Konsequenzen und die Deklarationen zu Falldarlegung und Opfer). Die Zusage der Korrekturmaßnahmen setzt freilich in vielen Fällen voraus, dass man die Ursache des göttlichen Zorns kennt bzw. die Mittel für die Maßnahmen zur Verfügung hat, so dass die Erfüllung der Bitte um Offenbarung oder um das Überleben der Opferpriester für die Sicherung der Ausführung notwendig sein kann. Die Motivation zur Erfüllung kann auch im Wissen über rechtmäßiges Verhalten liegen, so dass es zielführend sein kann, durch die Anführung von Normen (Sachverhaltsklärung) an dieses Wissen zu erinnern.

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Textmuster der Gesamttexte

Die Bitte, auf die alle motivationsstützenden Äußerungen abzielen, wird eigens durch Stützbitten vorbereitet, die die Kooperationsbereitschaft der Gottheit sichern sollen. Unter der Bedingung der Erfüllung der Bitte kann man in einem Gelübde schließlich auch Gegenleistungen in Aussicht stellen, die gleichfalls das Entgegenkommen der Gottheit bewirken sollen. Die Kohärenz auf der temporalen Ebene besteht innerhalb des Gesamttextes (ohne Einleitende Kontextualisierung) in der Abfolge von zunächst zeitlosen Aussagen (Hymnus), an die sich dann die anderen Strukturelemente in chronologischer Abfolge von der Vergangenheit (Darlegung) über die Gegenwart (Falldarlegungs- und Opferdeklaration) zur unmittelbaren Zukunft (Stützbitten und Bitte) und ferneren Zukunft (Gelübde) anschließen. Durchbrochen wird das chronologische Schema nicht allein durch die Ausführungssichernden Bitten und die Zukunftsprojektionen (Korrekturmaßnahmen und Darstellung der negativen Konsequenzen göttlichen Handelns), die wegen ihrer argumentativ-rhetorischen Funktion meistens vor den Bitten stehen. Ähnliches gilt auch für die zeitlos-generischen Äußerungen von Normen. Der Wunsch nach argumentativ-rhetorischer Kohärenz überlagert also das Bedürfnis nach einer geordneten chronologischen Darstellung und der Kohärenz auf der temporalen Ebene. Illokutive Kohärenz besteht zum einen zwischen den Stützbitten und den Zentralen Bitten und zum anderen zwischen der Falldarlegung und den Konsequenzen göttlichen Handelns. Der sonst häufige Wechsel der illokutiven Akte hat wohl auch Güterbock (1958: 237f.) dazu veranlasst, die Teile für weitgehend unabhängig voneinander zu halten. Die Illokutivität der Strukturelemente dient aber ganz dem Ausdruck der jeweiligen argumentativ-rhetorischen Funktionen und ist nach ihnen ausgerichtet. Die referenziell-thematische Kohärenz wird durch die Sprechaktpartizipanten, den Betenden und die angesprochene Gottheit, deutlich sichtbar hergestellt. Die wichtigsten Kohärenzbeziehungen bestehen darüber hinaus zwischen der Falldarlegung und den meisten der übrigen Strukturelemente. Diese Verknüpfungen sind sehr individuell gestaltet und von Gebet zu Gebet verschieden. Sie spielen – ihrer Wichtigkeit für die Kohärenz der Texte entsprechend – eine bedeutende Rolle für die Analyse der stilistischen Elemente und der Dramaturgien (Kapitel 5), wo zahlreiche Beispiele für ihren Einsatz zu finden sind. Schließlich gibt es Kohärenzbeziehungen zwischen Bitte und Gelübde hinsichtlich des Bittthemas sowie zwischen den Ausführungssichernden Bitten, der Zusage von Korrekturmaßnahmen und den positiven und negativen Konsequenzen: In diesen Strukturelementen ist das Thema der Kultobservanz meist von zentraler Bedeutung. Erstaunlich selten wird dagegen ein Bezug zwischen den im Hymnus genannten Eigenschaften der Gottheit und ihrer Realisierung durch die Erfüllung der Zentralen Bitten explizit hergestellt. Obgleich im Vorangegangenen von eindeutig bestimmbaren Strukturelementen ausgegangen wurde, gestaltet sich ihre Abgrenzung voneinander wegen der Gestaltungsprinzipien der hethitischen Verfasser durch Überleitungen mitunter als problematisch (s. Kapitel 3.4). Adressatenwechsel, die andere Gestaltungsprinzipien überlagern, tragen zu-

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Überleitungen

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sätzlich zu deren Verschleierung bei (s. Kapitel 3.5). Schließlich ist über die Serialisierung der Strukturelemente durch das Schema in Abb. 1 noch wenig gesagt. Sie wird in Kapitel 3.6 thematisiert. Hier wird sich herausstellen, dass die von Güterbock (1958: 237f.) und Sürenhagen (1981: 123f.) vermutete Freiheit in der Abfolge der Strukturelemente nicht besteht, sondern die Reihung einer recht festen Regel folgt.

3.4 Überleitungen Die Gestaltung des Übergangs zwischen den Themen – im Falle des persönlichen Gebets meist von einem Strukturelement zum nächsten – bedarf der grundsätzlichen Entscheidung des Verfassers, ob das inhaltliche Voranschreiten abrupt und ggf. sogar markiert sein oder fließend und nahezu unsichtbar vor sich gehen soll. Die abruptesten Übergänge finden sich sicher zwischen der Einleitenden Kontextualisierung und der Falldarlegung, so in CTH 378.2: (29)

CTH 378.2, Kolon 1–5 1 2 3 4 5

[d I]M uru ḫatti BELI=YA [U DINGIRmeš uru ḫatti BEL]U meš =YA uiyat=mu m murš[iliš … š]umēl ARAD=KUNU īt=wa ANA d I[M] uru ḫatti [B]ELI=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA k[i]ššan memi kī=wa kwit iyatten nu=wa=kan INA ŠÀ-BI KUR uru ḫatti ḫinkan tarnatten

„[Wetter]gott von Ḫatti, mein Herr, [und (ihr) Götter von Ḫatti,] meine [Herr]en, es schickte mich Mur[šili, der König, e]uer Diener. Geh (und) sprich zum Wetter[gott] von Ḫatti, meinem [H]errn, und zu den (anderen) Göttern, meinen Herren, f[o]lgendermaßen: ‚Dies (ist es), was ihr getan habt: Ihr habt die Seuche ins Land Ḫatti gelassen.‘“ Im Übergang zwischen den beiden Strukturelementen (von Kolon 3 zu 4) gibt es auffallend wenige kohärenzstiftenden Merkmale: Illokutiver Akt und temporale Verortung weichen voneinander ab, und nur der Adressat bleibt auf der referenziell-thematischen Ebene gleich (der Sprecher dagegen wechselt vom Repräsentanten zu Muršili). Auf der argumentativ-rhetorischen Ebene gibt es in der Einleitenden Kontextualisierung eine sachverhaltsklärende Information für die folgende Äußerung, angezeigt durch das kataphorische Pronominaladverb kiššan. Das fast vollständige Fehlen der referenziellthematischen Kohärenz hat auf der pragmatischen Ebene der politeness die bemerkenswerte Konsequenz, dass der Vorwurf überraschend und ohne jede Vorbereitung an die Götter gerichtet wird. Die Abruptheit dieses Übergangs ist so ungewöhnlich für die hethitischen Gebete, dass man sich berechtigterweise die Frage stellen kann, ob die Einleitende Kontextualisierung tatsächlich als integraler Bestandteil des Gebets angesehen werden kann. Doch

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Textmuster der Gesamttexte

ist zum einen in CTH 378.2 selbst die für den Kommunikationsakt so wichtige Anrede an die Götter ein Teil der Einleitenden Kontextualisierung, zum anderen gibt es genügend weitere Fälle, wo man sich um Kohärenz zwischen Einleitender Kontextualisierung und Falldarlegung deutlich bemüht hat oder die Einleitende Kontextualisierung sogar für den argumentativ-rhetorischen Gesamtzusammenhang genutzt hat – vgl. besonders Beispiel (33) auf S. 116 –, so dass die Ausklammerung der Einleitenden Kontextualisierungen aus der Struktur des Gesamttextes keine ernsthafte Option für die Analyse darstellt. Eine andere, häufiger verwendete Art des Übergangs ist es, Kohärenz durch referenziell-thematische Kontinuität herzustellen. Der Einschub eines Satzes erlaubt es, das alte mit dem neuen Thema inhaltlich zu verknüpfen, vgl. Kolon 92–93 in Beispiel (30): (30)

CTH 376.1, Kolon 89–96 89 90 91 92 93 94 95 96

… našma=at zašḫiyaz DUMU.LÚ.U19 .LU aušdu n=ašta urudu ZI.KIN.BAR-aš giš šarpaz kunkuwēn nu DINGIRmeš ANA KUR uru KÙ.BABBAR-ti genzu namma tatten kēzz=at ḫingananz(a) tamašta kēzz(a)=ma=at kururanz(a) tamašta nu kuriwanaš KUR.KURmeš kwe araḫzanda KUR uru mittanni KUR uru arzauwa nu ḫūmanz(a) šullēt

„ … oder ein Mensch soll es durch einen Traum sehen! Wir baumelten von der Spitze einer Nadel. (Ihr) Götter, nehmt dem Land Ḫatti (gegenüber) wieder eine gütige Gesinnung an! Von der einen Seite bedrängte es die Seuche, von der anderen Seite aber bedrängte es der Feind. Autonome Länder, die (sich) ringsum (befinden), das Land Mittanni (und) das Land Arzawa, jeder befand sich im Streit (mit Ḫatti).“ In Beispiel (30) enthalten Kolon 89–91 den Schluss einer Ausführungssichernden Bitte um Offenbarung der Ursachen des göttlichen Zorns und der Seuche (Kolon 89), gefolgt von zwei Stützillokutionen (Kolon 90–91). Ab Kolon 94 beginnt das nächste Strukturelement: die Falldarlegung mit dem neuen Thema der Feinde des Landes Ḫatti. Die Überleitung bilden die Kola 92–93, die durch kēzz … kēzz=ma … „von der einen Seite … von der anderen Seite aber …“ in zwei parallel aufgebauten Sätzen die beiden Inhalte Seuche und Feind verbinden. Ohne eigens einen Satz einzuschieben, bewerkstelligt der Verfasser den Übergang vom Vermittlungsgebet zum Zentralen Gebet in CTH 374, Kolon 46–51, durch referenziellthematische Kontinuität: (31)

CTH 374, Kolon 46–52 46 47 48

nu=tta kāša LUGAL-us aruwanun nu=tta memiškemi § kwiš=mu DINGIR-LUM kī inan paiš

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Überleitungen

49 50 51 52

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nu=ššan DINGIR-LIM apāš mān nēpiši mān taknī zig=a d UTU-uš katti=šši paiši § nu īt ANA DINGIR-LIM apēdani mēmi ūk=z(a) nikku DINGIR=YA tuk kwit iyanun

„Hier, (vor) dir (scil. dem Sonnengott) habe ich, der König, mich niedergebeugt, und zu dir spreche ich (jetzt): § Welcher Gott mir diese Krankheit gegeben hat, sei es, dass jener Gott (sich) im Himmel (befindet), oder sei es, dass er (sich) in der Erde (befindet), du aber, Sonnengott, gehst zu ihm. § Geh (und) sprich zu jenem Gott! Habe ich etwa dir, meinem Gott, etwas getan?“ Obgleich die gesamte Passage bis Kolon 51 noch an den Sonnengott gerichtet ist, wird der Adressat des folgenden Zentralen Gebets (DINGIR=YA „mein Gott“), der sofort in Kolon 52 in der Anrede auftreten wird, bereits mehrfach vorerwähnt: in Kolon 48, 49 und 51 durch explizite Nennung und in Kolon 50 durch pronominale Referenz. Auch die Konstruktion von mema- „sprechen“ mit Dativ/Lokativ in Kolon 51, die den Adressatenwechsel schließlich anzeigt, erscheint in Kolon 47 schon einmal für den Sonnengott. Die referenziell-thematische Verschränkung der beiden Teilgebete an der Schnittstelle ermöglicht so dem Verfasser die Gestaltung einer fließenden Überleitung zum nächsten Teilgebet. In vielen Fällen sind die Hethiter in der Gestaltung der Übergänge von einem Strukturelement zum nächsten so geschickt, dass es ihnen gelingt, diesen Wechsel regelrecht zu verdunkeln. Was aus der Perspektive des hethitischen Verfassers, der einen kohärenten und rhetorisch anspruchsvollen Text schaffen will, offensichtlich einen positiven Effekt hat, bereitet dem modernen Forscher bei der Strukturanalyse vielfach Probleme. Denn dieses Gestaltungsprinzip erschwert nicht nur die Erkennung und Abgrenzung der Strukturelemente, sondern es lassen sich auch einzelne Kola oft nicht a priori eindeutig zuweisen. Zur Illustration dieser Erscheinung seien CTH 378.2, Kolon 90 und 93, in ihrem weiteren Kontext angeführt: (32)

CTH 378.2, Kolon 88–95 88 89 90 91 92 93 94 95

nu=z(a) d I[M … ] šer kartimmiyawa[nz(a)] [ … a]kkiškettar[i] § mān INA ŠÀ KUR uru ḫa[tti akk]iškettari nu=z(a) k[āša AN ]A d IM uru ḫatti EN=YA [ … apa]dda šer ēššaḫḫi nu=tta [ḫ]aliḫliškemi nu duddu ḫa[lziššaḫḫi] [n]u=mu d 10 uru ḫatti EN=YA išdamaš [n]u=kan INA ŠÀ kur ḫatti ḫinkan daru[ptaru]

„Der Wetter[gott ] (ist) zorn[ig] wegen [ … ]. [ … w]ird gestorbe[n]. § Während im Land Ḫa[tti gestor]ben wird, mache ich [desw]egen [de]m Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (gerade) meine [Falldarlegung]. Ich [w]erfe mich (gerade)

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vor dir nieder. Ich ru[fe gerade] ‚Gnade!‘ aus. Wettergott von Ḫatti, mein Herr, höre mich! In Ḫatti soll die Seuche been[det werden]!“ Die zitierte Passage umfasst drei Strukturelemente: Kolon 88–89 ist das Ende der Falldarlegung, Kolon 90–93 enthalten die Falldarlegungsdeklaration, und bei Kolon 94–95 handelt es sich um eine Kooperationssichernde Stützbitte mit folgender Zentraler Bitte. Den Übergang von der Falldarlegung zur Falldarlegungsdeklaration bewältigt der hethitische Verfasser durch den Schritt zur Beschreibung der gerade bestehenden Situation (Imperfektivum akkiške/a- zum Ausdruck des anhaltenden Sterbens) mit der Vorwegnahme der temporalen Verortung in der aktuellen Gegenwart noch im Rahmen der Falldarlegung (Kolon 88–89), dagegen in der sich anschließenden Falldarlegungsdeklaration durch die Verwendung eines Temporalsatzes (Kolon 90) ganz im Sinne des Tail-head-linking bei gleichzeitiger lexikalischer Kontinuität (akkiške/a-). Der Adressat wird dadurch fast unmerklich von einem Strukturelement in das nächste geführt. Dasselbe erreicht der Verfasser ein zweites Mal noch geschickter im Übergang von der Falldarlegungsdeklaration zur Bittpassage. Hier haben die beiden ersten Kola der Falldarlegungsdeklaration (Kolon 90–91) typischerweise die Funktion, Information über den Kommunikationsakt zu geben und den Adressaten zur Erfüllung der folgenden Bitte zu motivieren. Das nächste Kolon (92) besitzt noch immer deklarativen Charakter und weist weiterhin die imperfektivische Verbalform in der 1. Person Sg. auf, dient aber inhaltlich durch die Beschreibung der Demutsgeste bereits der Kooperationssicherung. Ähnlich gilt dies auch für den Hinweis auf die Bitte um Gnade in Kolon 93, die auf der Oberfläche als deklarativ zu beurteilen ist, aber als indirekter Sprechakt inhaltlich zugleich eine Kooperationssichernde Bitte darstellt, die durch den eingebetteten Ausruf duddu „Gnade!“ zum Ausdruck kommt. Erst jetzt, in Kolon 94, wird der Bittcharakter auch formal offenbar, indem die Kooperationssichernde Bitte tatsächlich auch eine Verbalform im Imperativ der 2. Person Sg. aufweist (išdamaš). Durch diesen fließenden Übergang vorbereitet kann schließlich die Zentrale Bitte um Beendigung der Seuche mit allen entsprechenden formalen Eigenschaften folgen (Kolon 95). In der ersten Überleitung (Kolon 88–89 zu Kolon 90–92) ist es die referenziellthematische und temporale Kohärenz, die den Wechsel der Strukturelemente verdunkelt. Dabei wird in der Falldarlegung die übliche temporale Verortung in der Vergangenheit kurz vor dem Übergang aufgegeben. In der zweiten Überleitung (Kolon 90–93 zu Kolon 94–95) sorgt der hethitische Verfasser durch die Diskrepanz zwischen illokutivem Akt und formalem Ausdruck, d. h. durch einen indirekten Sprechakt, für die Möglichkeit des fließenden Übergangs. Das Gemeinsame besteht also darin, dass in diesen überleitenden Textpassagen außer der Kohärenzherstellung vor allem inhaltliche und formale Merkmale in nicht prototypischer Weise miteinander verknüpft werden. Ein letztes Beispiel soll diese Technik der Verdunklung von Übergängen vorführen: (33)

CTH 384.1, Kolon 1–13 1 [A]NA d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA GAŠAN KUR.KURmeš uru ḫatti MUNUS.LUGAL ŠAME U ERṢETIM §

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Überleitungen

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

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d

UTU uru PÚ-na=z(a) GAŠAN=YA KUR-eaš ḫūmandaš MUNUS.LUGAL-aš nu=z(a)=kan INA KUR uru ḫatti d UTU uru PÚ-na ŠUM-an daišt[a] namma=ma=z(a) kwit KUR-e giš ERIN-aš iyat nu=z(a)=kan d ḫepat ŠUM-an daišta ammuk=ma=z(a) f puduḫepaš annalliš GÉME-[K ]A ŠA É.GU4 =du=z(a) AMAR-uš šamanaš=ma=ddu=z(a) [N]A4 -aš nu=mu GAŠAN=YA šarā datta nu=mu ANA m ḫattušili ARAD=KA kwedani arallāet nu=kan apāšš=a pula[z] ANA d 10 uru nerik DUMU=KA āššiyanti ḫaptat nu=nnaš d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kwedani pedi tittanut n=at tuel aššiyantaš DUMU-aš ŠA d IM uru nerik AŠRU

„[A]n die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde: § Du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, (bist) Königin über alle Länder. Du gab[st] dir im Land Ḫatti den Namen ‚Sonnengöttin von Arinna‘. Welches Land du ferner zum (Land) der Zeder machtest, (dort) gabst du dir den Namen ‚Ḫepat‘. Ich aber, Puduḫepa, (bin) [d]eine langjährige Dienerin, ein Kälbchen deines Rinderstalls bin ich, ein [S]tein aber deines Fundaments bin ich. Du, meine Herrin, nahmst mich auf. Und Ḫattušili, dein Diener, welchem du mich beigesellt hast, auch jener war du[rch] das Los dem Wettergott von Nerik, deinem geliebten Sohn, (als Priester) zugeteilt. An welchem Ort du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, uns einsetztest, das (ist) der Ort deines geliebten Sohnes, des Wettergottes von Nerik.“ Der Text beginnt zunächst wie üblich mit Anrede und Hymnus (Kolon 1–5). Aber an der Stelle, an der man die Falldarlegungsdeklaration erwarten würde, erfolgt zwar der Wechsel zur 1. Person und damit eine Selbsteinführung, doch wird statt der Deklaration – wie zu Beginn des Zentralen Gebets in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 – das Verhältnis der Betenden zur angesprochenen Gottheit beschrieben, in Kolon 6–8 in Bezug auf den Status quo, in Kolon 9–10 hinsichtlich der Taten der Gottheit in der Vergangenheit. Dabei enthält Kolon 10 die Information über Puduḫepas Eheschließung mit Ḫattušili, und diese bildet die Überleitung zu den Verdiensten des genannten Königs, so dass die Falldarlegung inhaltlich bereits zu ihrem zentralen Thema gelangt ist. Dadurch dass der hethitische Verfasser also einerseits von der sonst üblichen Falldarlegungsdeklaration ein prominentes formales Merkmal (1. Person) beibehält, andererseits inhaltlich direkt zur Falldarlegung übergeht, schafft er den ersten Schritt einer unauffälligen Hinführung zum Thema. Der zweite gelingt durch die Schaffung von referenziell-thematischer Kohärenz (von Kolon 9 zu 10 und von Kolon 10 zu 11) im Rahmen ein und desselben Strukturelements. Es lässt sich also abschließend festhalten, dass den hethitischen Verfassern nicht daran gelegen war, einen Text zu schaffen, dessen Gliederung klar und offen zu Tage tritt. Vielmehr galt es offensichtlich als Ideal, die Übergänge von einem Strukturelement zum

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Textmuster der Gesamttexte

Anderen zu verdunkeln und durch referenziell-thematische Kohärenz sowie mit Hilfe von Überleitungen, die sich durch untypische Form-Inhalt-Verbindungen auszeichnen, miteinander zu verknüpfen.

3.5 Adressatenstruktur: Teilgebete und Gebetsteile Im Folgenden sollen verschiedene Arten von Strukturen vorgestellt werden, durch die sich die hethitischen Gebete unterscheiden und die sich vor allem über die Adressatenstruktur definieren. 3.5.1 Einbettungsstruktur Mehrere Gebete enthalten als Bestandteile („Teilgebete“) sowohl ein oder mehrere Vermittlungsgebete als auch zu übermittelnde Zentrale Gebete mit dem eigentlichen Gebetsinhalt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Vermittlungsgebete an Adressaten gerichtet sind, die von denjenigen der Zentralen Gebete abweichen. Die Vermittlungsgebete weisen in ihrer Minimalstruktur eine Anrede mit hymnischer Erweiterung und eine Vermittlungsbitte auf; meist sind sie aber weiter ausgestaltet, indem sie einen umfangreichen Hymnus auf den Adressaten, eine Falldarlegung und andere Stützillokutionen sowie eine Zentrale Bitte (um Vermittlung, Überleben u. a.) enthalten. Vermittlungsgebete sind auch aus dem mesopotamischen Raum bekannt. Eine Besonderheit des persönlichen Gebets der Hethiter bietet aber die Vereinigung des Zentralen Gebets mit dem Vermittlungsgebet zu einem Gesamttext. Die Sonnengottgebete CTH 372–374 stellen sicherlich das prominenteste Beispiel dar. So schreibt erst jüngst wieder Schwemer zu dieser Textgruppe: „Alle drei Texte bestehen aus einem Hymnus an den Sonnengott, in den ein Gebet an den persönlichen Schutzgott eingebettet wird; der Sonnengott, der den gesamten Kosmos durchläuft, wird gebeten, das Gebet an den im Zorn ferne weilenden persönlichen Gott des Beters zu übermitteln. Beide Textteile, der Hymnus an den Sonnengott und das Gebet an den persönlichen Gott, besitzen zahlreiche parallele Passagen in der sumerisch-akkadischen Literatur, auch wenn die Komposition als ganze (bisher?) nicht in sumerischer oder akkadischer Sprache nachgewiesen werden konnte.“ (Schwemer 2013: 105)

Eine Überleitung vom Vermittlungsgebet an den Sonnengott zum Zentralen Gebet an den persönlichen Gott mit der Bitte um Wohlergehen bietet CTH 374, Kolon 46–51, das bereits als Beispiel (31) auf S. 114 zitiert wurde. Obgleich genau genommen das Zentrale Gebet als Gegenstand der erbetenen Vermittlung an den Sonnengott ein Bestandteil des Vermittlungsgebets ist, sind beide Teilgebete jeweils in sich geschlossene, vollständige Einheiten. Das Zentrale Gebet ist dabei ohne Markierung einer eingebetteten direkten Rede und ohne Verschiebung des deiktischen Zentrums gegenüber dem Vermittlungsgebet formuliert. Die explizit ausgedrückte Bitte um Vermittlung (memi „sprich!“) ist der einzige Hinweis auf den inhaltlichen Zusammenhang zwischen beiden Teilgebeten, den Schwemer (s. o.) und andere vor ihm als

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Adressatenstruktur

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„Einbettung“ beschreiben. Diese Struktur soll daher als „Einbettungsstruktur“ bezeichnet werden. Der prominenteste Vertreter dieser Gruppe, CTH 372, bietet einen bemerkenswerten Aufbau: Ein erstes Vermittlungsgebet (Kolon 1–74) an den Sonnengott besteht vor allem aus Einleitender Kontextualisierung, Anrede und Hymnus (Kolon 1–13, 14–43, 49–51, 53–65), also aus Strukturelementen, die an den Anfang eines Gebets gehören. Die kurzen Zentralen Bitten (Kolon 44, 46, 71–74), die Deklarationen (Kolon 47–48, 52) und die Klage (Kolon 66–70) besitzen dem gegenüber jeweils nur eine geringes Gewicht. Nach dem ersten Zentralen Gebet folgt ein zweites Vermittlungsgebet. In diesem ist das Verhältnis umgekehrt: Auf die Strukturelemente des Gebetsanfangs, Anrede und Hymnus, werden nur zwei Kola verwendet (Kolon 121–122); dagegen umfassen Klage und Zentrale Bitte 16 Kola (Kolon 123–137, 139). Hier ist also jedes der beiden Teilgebete vollständig, aber sie ergänzen sich gleichzeitig auch gegenseitig durch die komplementäre Gewichtung der Strukturelemente des Gebetsanfangs und des Gebetsendes. Im Falle der beiden Teilgebete an den persönlichen Gott sind im ersten Anrede und Hymnus vorhanden (Kolon 75–80) und auf die Darlegung, Klage und Ausführungssichernden Bitten (Kolon 81–119) folgt nur ein einziges Kolon mit der Zentralen Bitte (Kolon 120); das zweite Teilgebet weist indessen weder Anrede noch Hymnus auf und an die Darlegung und Klage schließt sich eine lange, nur noch kurz unterbrochene Reihung Zentraler Bitten an (Kolon 165–210). Hier ergänzen sich also die beiden Teilgebete im eigentlichen Sinne, so dass man sie aneinanderfügen könnte, ohne ein auffälliges Muster zu erhalten. Das gleiche Strukturierungsprinzip mit zwei mal zwei Teilgebeten liegt – trotz des fehlenden Textanfangs sicher erkennbar – auch CTH 373 zugrunde. Dagegen ist CTH 374 trotz weitgehender Parallelität zu CTH 373 und CTH 372 einfacher gestaltet: Es verzichtet auf die eben beschriebene Technik der Spaltung von Vermittlungsgebet und Zentralem Gebet in jeweils zwei Teile und weist lediglich zwei in sich geschlossene Teilgebete an den Sonnengott und an den persönlichen Gott auf. Das beschriebene Prinzip der komplementären Gewichtung der Strukturelemente zeigt deutlich, dass die vier (in CTH 374 zwei) Teilgebete ein Ganzes bilden, so dass man entgegen Wilhelm 2010: 37f. für CTH 373 nicht von zwei Parallelversionen auf einer (ursprünglichen) Sammeltafel darf. Vielmehr ist die Gestaltung der Teilgebete sehr bewusst auf ihre gemeinsame und aufeinander aufbauende Rezeption angelegt (s. auch S.195). 3.5.2 Additionsstruktur Im Gegensatz zu den Gebeten mit Einbettungsstruktur CTH 372–374 wird man für CTH 384.1 trotz seiner Mehrteiligkeit schon wegen der Reihenfolge der Einzelteile nicht von einer Einbettung ausgehen wollen. Dort steht nämlich zunächst das Zentrale Gebet an die Sonnengöttin von Arinna (Kolon 1–87), das die Zentralen Bitten um langes Leben für Ḫattušili und Fürsprache vor der Götterversammlung enthält, am Anfang

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Textmuster der Gesamttexte

des Gesamttextes. Dann folgen ohne Überleitung35 vier kürzere Teilgebete an weitere Gottheiten, in denen es der Betenden, Puduḫepa, ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend um die Vermittlung ihrer Bitten an die Sonnengöttin und den Wettergott geht. Es handelt sich deutlich um eine rein additive Struktur, bei der in den angefügten Teilgebeten lediglich auf die vorherige Falldarlegung rekurriert wird, vgl. Beispiel (34) aus dem Teilgebet an Mezzulla: (34)

CTH 384.1, Kolon 136–139 136 [ammu]kk=a=z(a) f puduḫepaš GÉME=KA kē kwe AWATE meš [ANA] d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA [ark]uwar iyanun 137 n=at=mu d mezzullaš GAŠAN=YA [tarkum]māi 138 n=at ANA d IM ABI=KA [U ] ANA d UTU uru P[Ú-n]a AMA=K [A p]arā arnut 139 [nu=mu=k]an uwāi[nut] „Auch diese Worte, die [ic]h, Puduḫepa, deine Dienerin, [dem] Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, als meine [Fall]darlegung gemacht habe, [übermit]tle sie für mich, Mezzulla, meine Herrin, und [b]efördere sie weiter zum Wettergott, deinem Vater, [und] zur Sonnengöttin von A[rinn]a, dei[ner] Mutter, [und mache mich] bemitleidenswert!“

Schließlich spricht auch der Umstand, dass sich vier Vermittlungsgebete auf ein und dasselbe Zentrale Gebet beziehen, gegen eine Einbettung. Statt dessen liegt hier also eine „Additionsstruktur“ vor. Ähnliches gilt auch für das Gebet Muwatallis (CTH 381). Dort sind die drei Vermittlungsgebete an zwei verschiedenen Stellen an Strukturelemente des Zentralen Gebets an die Götterversammlung angefügt (in Kolon 28–30 an die Einleitende Kontextualisierung und in Kolon 96–159 an die Anrufung der Götter aller Länder). Während also die Verbindung von Zentralem Gebet und Vermittlungsgebet zu einem Gesamttext und der damit einhergehende Adressatenwechsel als Option für den Aufbau des persönlichen Gebets von mittelhethitischer Zeit (CTH 374) bis zu Puduḫepa (CTH 384.1) erhalten bleibt, verändert sich das Verhältnis der Teilgebete zueinander. In den Sonnengottgebeten (CTH 372–374) liegt eine Einbettung des Zentralen Gebets in das Vermittlungsgebet vor; bei Muwatalli (CTH 381) und Puduḫepa (CTH 384.1) sind es hingegen die Teilgebete mit den Vermittlungsbitten, die dem Zentrale Gebet – allenfalls durch referenziell-thematische Kontinuität integriert – angefügt sind. 3.5.3 Verknüpfungsstruktur Eine gemeinsame Untergruppe bilden auch CTH 376.1 und 378.2, die unter Muršili entstanden sind und die sich dadurch auszeichnen, dass in demselben Gebet eine spezifische Gottheit – die Sonnengöttin von Arinna in CTH 376.1 bzw. der Wettergott von 35 Das Fehlen einer Überleitung lässt sich zumindest für die drei letzten Teilgebete nachweisen, während im zweiten Teilgebet an Lelwani der Anfang weggebrochen ist.

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Adressatenstruktur

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Ḫatti in CTH 378.2 – neben der Götterversammlung angesprochen wird.36 Bei den betreffenden Teilen des Gebets handelt es sich nicht wie bei den eingebetteten Teilgebeten um vollständige Gebete (wie in Kapitel 3.5.2 beschrieben), weshalb im Folgenden von „Gebetsteilen“ die Rede sein soll. Die in CTH 376.1 und 378.2 verwendete Technik, die Gebetsteile mit den verschiedenen Adressaten miteinander eng zu verknüpfen, ist wird als „Verknüpfungsstruktur“ bezeichnet. Im ersten Gebetsteil von CTH 376.1 ist die Sonnengöttin die Adressatin (Kolon 15–65): Muršili benennt die Verdienste des Landes Ḫatti und Muršilis und enthält den Hymnus an die Göttin sowie eine Bitte für sich selbst. Der zweite Gebetsteil ist vorwiegend an die Götterversammlung und weniger, vor allem gegen Ende, an die Sonnengöttin gerichtet, und er behandelt das Wohl des Landes (Kolon 66–134). Schließlich endet das Gebet mit einem Teil, in dem fast ausschließlich wieder die Sonnengöttin angesprochen wird – mit Ausnahme des letzten Kolons (154), das die positiven Konsequenzen für sämtliche Götter in Aussicht stellt –, und Muršili selbst rückt wieder gemeinsam mit dem Land ins Zentrum des Interesses (Kolon 135–154). Der Übergang vom ersten zum zweiten Gebetsteil ist recht abrupt. Dadurch und durch die kurze Zentrale Bitte an die Sonnengöttin am Ende des ersten Gebetsteils sowie durch die Formulierung kī DINGIRme [š kwit] i[y]atten „Dies, (ihr) Götte[r], (ist), [was] ihr ge[t]an habt:“ (Kolon 66) spielt das Gebet in intertextuellem Bezug auf den Übergang vom Gebet an den Sonnengott zum Gebet an den persönlichen Gott an, der aus CTH 372–374 bekannt war. In CTH 378.2 ist die beschriebene Struktur nicht ganz so offensichtlich, aber immerhin klar genug, um die Gemeinsamkeiten mit CTH 376.1 erkennen zu lassen. Nach der Einleitenden Kontextualisierung beginnt der erste Gebetsteil zwar mit einer Anrede an die Götter (Kolon 4), doch endet er nach der Falldarlegung parallel zu CTH 376.1 mit einer vorbereiteten, aber kurzen Zentralen Bitte an den Wettergott von Ḫatti (Kolon 95). Der zweite Gebetsteil (Kolon 96–129), der der Seuche im Land und ihren Ursachen gewidmet ist, enthält Anreden und Bitten an den Wettergott und die Götter. Im dritten Gebetsteil (Kolon 130–182) wendet sich der Betende wie in CTH 376.1 in den Zentralen Bitten verstärkt dem Wohl seiner eigenen Person zu, wenngleich das Thema Seuche im Land zweimal eingeflochten wird. Als Adressaten treten die Götter zurück, indem sie lediglich in der 3. Person in den Ausführungssichernden Bitten erscheinen. Stattdessen richten sich die Bitten primär an den Wettergott. Hinsichtlich des Übergangs vom ersten zum zweiten Gebetsteil ist festzustellen, dass er durch die referenziell-thematische Kohärenz anders als in CTH 376.1 eher gleitend verläuft. Der hethitische Verfasser verfolgt damit noch konsequenter das Ziel, die Übergänge zu verdunkeln (s. Kapitel 3.4). Der Effekt dieses Aufbaus besteht darin, dass sowohl die beiden Adressatenstränge (Sonnengöttin/Wettergott und Götterversammlung) als auch die beiden inhaltlichen Themen (Interessen des Landes und Person des Königs) miteinander verknüpft werden. Dabei liegt die Zuständigkeit für das Land bei der Götterversammlung und diejenige 36 Dabei sind die beiden spezifischen Gottheiten gleichzeitig Teil der Götterversammlung.

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Textmuster der Gesamttexte

für den König bei der angerufenen spezifischen Gottheit. Dass diese beiden Themen in eben dieser Reihenfolge die wesentlichen Anliegen der Gebete jener Periode darstellen, wird auch dadurch deutlich, dass Muršilis Nachfolger Muwatalli im Gebet CTH 381 sein inhaltliches Vorhaben in eben diese zwei Teile gliedert: (35)

CTH 381, Kolon 15–18 15 ḫūdak=ma=z šumel=pat ŠA EN-LÍ DINGIRmeš ŠA Émeš DINGIR-LIM=KUNU ŠA ALAM=KUNU arkuwar iyami 16 DINGIRmeš ŠA KUR uru.giš GIDRU-ti GIM-an iyanteš 17 GIM-ann=a=at idaluwaḫḫanteš § 18 EGIR=ŠU=ma=z(a) ŠA ZI=YA AWATE meš arkuwar iyami „Als erstes aber werde ich eure, der herrschaftlichen Götter, (Angelegenheit), (nämlich die) eurer Tempel (und) eurer Statuen, als meinen Fall darlegen: (darüber,) wie die Götter von Ḫatti gefeiert worden sind und auch (darüber), wie sie schlecht behandelt worden sind. § Dann aber werde ich (die) Worte meiner Seele als meinen Fall darlegen.“

Die Übergänge zwischen den Gebetsteilen sind mit der zuvor genannten einzigen Ausnahme in CTH 376.1 nicht auf den ersten Blick erkennbar. So ist die Verbindung zwischen den verschiedenen Adressaten und ihren Zuständigkeiten mithilfe der beschriebenen Technik sehr elegant vollzogen. Wie für die Gebete typisch steht trotz der Dreiteilung am Anfang, d. h. im ersten Gebetsteil, die hymnische Passage; in den späteren Teilen findet sich der Wechsel von Darlegung und weiteren stützenden Strukturelementen – beides zusammen mit den Bitten, die sich am Schluss häufen. 3.5.4 Eingliedrige Adressatenstruktur Die übrigen hier behandelten Gebete zeichnen sich nicht durch eine komplexe Adressatenstruktur aus. Sie haben einen einzigen Adressaten, an den sich die Anreden und Bitten richten: CTH 377 an Telipinu, CTH 378.1 an alle Götter, CTH 378.4 an die aufgelisteten Götter, CTH 380.1 an Lelwani und CTH 382 an den Wettergott von Kummanni. Eine marginale Besonderheit weist noch CTH 378.3 mit einer Reminiszenz an die Verknüpfungsstruktur auf, indem es in der Anrede in Kolon 1 zwar die Sonnengöttin von Arinna gemeinsam mit den anderen Göttern nennt, sich dann aber im folgenden erhaltenen Text ausschließlich an die Götter (wahrscheinlich unter Einschluss der Sonnengöttin) wendet. In CTH 383.1 betet Ḫattušili allein zur Sonnengöttin von Arinna – mit Ausnahme von Kolon 123, wo im Zusammenhang mit der Eroberung Neriks die Sonnengöttin gemeinsam mit dem Wettergott von Ḫatti als Urheberin des Erfolgs angesprochen wird. Als allgemeine Tendenz ist festzuhalten, dass im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Gebetstexte die Adressatenstruktur an Komplexität verliert, indem die Einbettungsstruktur durch die Additionsstruktur ersetzt wird und die Verknüpfungsstruktur nicht mehr

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Serialisierung der Strukturelemente

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zur Anwendung kommt. Nur die eingliedrige Struktur und die gleichfalls sehr einfache Additionsstruktur bleiben im 13. Jh. übrig.

3.6 Serialisierung der Strukturelemente Die Kapitel 3.3.1–3.3.12 zu den Strukturelementen enthalten bereits einige Hinweise zu ihrer Positionierung im Rahmen des Gesamttextes. Für die Angabe eines Textmusters, das die hethitischen Verfasser bei der Serialisierung der Strukturelemente befolgten, ist die Unterscheidung zwischen den Sonnengottgebeten CTH 372–374 einerseits und den übrigen Gebeten andererseits notwendig. Die Sonnengottgebete weisen spezifische Strukturierungsprinzipien auf, die im Widerspruch zum Serialisierungsprinzip der späteren Gebete stehen. Die folgende Liste gibt nun als Serialisierungsprinzip der hier untersuchten Gebete – außer CTH 372–374 – die relative Position der einzelnen Strukturelemente zueinander in vertikaler Richtung an, wobei Alternativen in horizontaler Anordnung genannt werden. Stützbitten, die vor oder nach verschiedenen Strukturelementen auftreten können, sind hier der Übersichtlichkeit halber nicht berücksichtigt bzw. sind im Falle der Zentralen Bitte in der Bittpassage enthalten. Dagegen sind die Normen mit ihrer Anwendung auf den Fall, die entweder vor oder nach einer Bitte (Zentrale Bitte, Stützbitte, Ausführungssichernde Bitte) auftreten können, zweimal aufgeführt. Von den Strukturelementen sind nur Anrede und Deklaration des Gebetssprechakts (z. T. im Rahmen der Einleitenden Kontextualisierung), die Falldarlegung und die Bittpassage obligatorisch. Einleitende Kontextualisierung Anrede und Hymnus Falldarlegung Deklaration – Negative Konsequenzen – Normen Ausführungssichernde Bitte Zusage von Korrekturmaßnahmen Bittpassage Gelübde – Positive Konsequenzen – Normen Dass die Verbindlichkeit der angegebenen Reihung bisher als solche nicht erkannt wurde, liegt nicht nur an den durchkreuzenden Prinzipien der Adressatenstruktur (Einbettungsoder Additionsstruktur), sondern auch und vor allem an einer wichtigen Option beim Aufbau der Gesamttexte: Der hethitische Verfasser hat nämlich an jedem Punkt der Reihung die Möglichkeit, diese abzubrechen und an einem früheren Punkt der Reihung wieder einzusetzen. Innerhalb eines solchen Abschnitts muss er aber die Reihenfolge einhalten.

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Textmuster der Gesamttexte

In CTH 376.1 etwa findet sich die untenstehende Reihung. Das angegebene Kolon bezieht sich jeweils auf den Beginn des Strukturelements, während der Abbruch und das neue Einsetzen der Reihung durch eine waagrechte Trennlinie markiert sind.37 1 Einleitende Kontextualisierung 15 Anrede mit hymnischer Erweiterung 16 Falldarlegung 31 Anrede und Hymnus 61 Zentrale Bitten 63 Bitte um Gehör 66 Falldarlegung 80 Negative Konsequenzen 85 Ausführungssichernde Bitten 90 Falldarlegung 91 Stützbitte 92 Falldarlegung 101 Zentrale Bitten 107 Falldarlegung 118 Zentrale Bitten 135 Zentrale Bitten mit Stützbitten 154 Positive Konsequenzen 155 Stützbitte 156 Kolophon Für das sehr viel spätere Gebet CTH 383.1 aus der Zeit Ḫattušilis gilt noch dasselbe Textmuster: 1 9 27 28

Einleitende Kontextualisierung Falldarlegung Zentrale Bitte Norm zerstört

29 Falldarlegung 59 Zentrale Bitte 60 Norm 37 Da es sich bei der Bitte um Gehör der kommenden Falldarlegung in Kolon 63 noch um eine Reminiszenz an die Sonnengottgebete mit Einbettungsstruktur handelt, ist sie ungewöhnlich selbstständig und verhält sich eher wie eine Zentrale Bitte um Vermittlung in einem Vermittlungsgebet.

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Serialisierung der Strukturelemente

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63 Falldarlegung 126 Zentrale Bitten 129 Norm 130 Zentrale Bitten 134 Norm 138 Zentrale Bitten zerstört 155 Zentrale Bitten Das beschriebene Serialisierungsprinzip lässt sich anhand der Strukturanalysen in Kapitel 3.2 auch für die anderen Gebete nachvollziehen. Dem gegenüber bilden die Sonnengottgebete CTH 372–374 eine eigene Gruppe. Zum einen können in den Teilgebeten an den Sonnengott die inhaltlich natürlich wichtigen Deklarationen mehrfach und an ganz unterschiedlichen Stellen in die Abfolge Anrede – Hymnus – Bitte eingefügt werden. Zum anderen werden in den Teilgebeten an den persönlichen Gott wichtige und umfangreiche Strukturelemente durch meist relativ kurze Einschübe anderen Inhalts unterbrochen. Beides ist in CTH 374 aus mittelhethitischer Zeit realisiert, in dem das Teilgebet an den Sonnengott bis Kolon 51 zweimal die Reihung Anrede – Hymnus – Bitte aufweist, das Teilgebet an den persönlichen Gott ab Kolon 52 zwei Abschnitte der Struktur A – B – A – B – A (Kolon 52–59) mit Fragen nach der eigenen Schuld (A) und Einschüben (B) bzw. A – B – A – B – A – B – A (Kolon 60–85) mit Klagen (A) und anderen Elementen (B) enthält, bevor der Text mit Klagen, Hymnus und Bitten seinen Fortgang nimmt. ca. 10 Zeilen mit Anrede und Hymnus fehlen 1 Falldarlegungsdeklaration 3 Anrede und Hymnus 32 Zentrale Bitten 35 39 41 46 48

Opferdeklaration mit Ausführungssichernder Bitte Deklaration mit Stützbitte Anrede und Hymnus Deklaration Zentrale Bitte

52 54 56 57 59 60

Unschuldsbeteuerung Argumentation mit Erschaffung des Betenden Unschuldsbeteuerung Abgrenzung vom betrügerischen Kaufmann Unschuldsbeteuerung Klage

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Textmuster der Gesamttexte

66 67 72 74 78 81 86

Deklaration der Klage Klage Deklaration des Rufes nach Gnade und Stützbitte Klage Hymnus Klage …

Ein weiteres Ordnungsprinzip ist in den Sonnengottgebeten nicht festzustellen. Von der Gruppe der Sonnengottgebete CTH 372–374 zu den späteren Gebeten hat also eine Entwicklung in der Serialisierung stattgefunden: In den Teilgebeten an den Sonnengott ist die Serialisierungsstruktur mit einer festen Anordnung der Strukturelemente in der Abfolge Anrede – Hymnus – Bitte bereits angelegt, ebenso wie die Möglichkeit, die Abfolge zu wiederholen. Die Festlegung der Deklarationen auf zwei festgelegte Positionen innerhalb der Einleitenden Kontextualisierung und nach der Falldarlegung ist dagegen später erfolgt. Die Häufung der Bitten am Ende des Gebets und ihre Durchbrechung durch andere Strukturelemente, die man etwa in CTH 376.1 beobachten kann (s. o. S.124), wirkt wie eine Nachahmung des Musters A – B – A – B – A (– B – A) aus den Teilgebeten an den persönlichen Gott. Im Rahmen der Serialisierungsstruktur der späteren Gebeten ist dies aber als ein Abbrechen der Abfolge und ein neuerliches Einsetzen an einem früheren Punkt zu verstehen. Das zeigt sich auch daran, dass oft mehr als nur ein Element „eingeschoben“ wird.

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4 TEXTMUSTER DER STRUKTURELEMENTE (von Elisabeth Rieken) Während im vorangegangenen Kapitel 3 im Rahmen der Analyse der Makrostruktur die Kohärenzbeziehungen zwischen den Strukturelementen im Vordergrund standen und sich daraus für den Gesamttext ein Textmuster mit einer Grundstruktur erschließen ließ, sollen nun die einzelnen Strukturelemente in den Blick genommen werden. Vielfach liegt in textlinguistischen Untersuchungen das Hauptaugenmerk auch hinsichtlich der mikrostrukturellen Ebene auf den Kohärenzbeziehungen und ihren Ausdrucksmitteln – dann aber zwischen kleineren Einheiten und ihren kohärenzstiftenden Signalen. Die Textsegmente, die man hier im Allgemeinen analysiert und als elementary discourse units (EDU) betrachtet, sind solche, die sich aus Referenz und Prädikation zusammensetzen, d. h. also Propositionen bzw. auf der syntaktischen Ebene prototypische einfache Sätze und Teilsätze (Stede 2007: 155–9 mit besonderem Bezug auf die Rhetorical Structure Theory). Dies entspricht im Hethitischen weitgehend dem Kolon, das für das zugrunde gelegte Korpus als zentrale Gliederungseinheit gebraucht wurde und das auch bei der stilistischen Gestaltung der Gebetstexte durch die hethitischen Verfasser als solches zum Tragen kommt (s. unten Kapitel 5.2). Da sich aber weder die inhaltlichen Beziehungen zwischen den Kola noch die kohärenzstiftenden lexikalischen und grammatischen Mittel in den persönlichen Gebeten der Hethiter von denjenigen anderer Textsorten unterscheiden, führt ihre Untersuchung für eine Beschreibung textsortenspezifischer Charakteristika der Gebete nicht wesentlich weiter. Stattdessen soll im Folgenden für die Analyse der Strukturelemente der Blick geweitet werden: Gegenstand der sowohl propositions- als auch wortorientierten Analyse sind auf der formalen Seite charakteristische Signalwörter und Phraseologismen (Formeln), Merkmale im Gebrauch von Funktionswörtern und Kategorien des TempusAspekt-Modus-Bereichs, syntaktische Konstruktionen und Ereignisschemata, deiktische Elemente und Illokutionsmarker.38 Dies wird in Hinblick auf die Intention der betreffenden Einheit und des betreffenden Strukturelements betrachtet.39 Auf diese Weise lässt sich entscheiden, in welchem Maße die Verfasser einem festgelegten Muster und sprachlichen Routinen folgten bzw. in welchem Bereich sie Entscheidungsfreiheit bei der Abfassung ihres Textes genossen. Auch auf der mikrostrukturellen Ebene gilt es also, 38 Ausgeklammert bleiben diejenigen sprachlichen Ausdrucksmittel, die man der Stilistik zurechnen kann und die in Kapitel 5 eingehend besprochen werden. Dass es zwischen beiden Kapiteln aber auch Überschneidungen gibt, lässt sich dabei nicht ganz vermeiden. 39 Ein ähnliches Vorgehen wählt auch Christiansen (2012: 418f.) in der Untersuchung der hethitischen Eide, wenn sie für diese „wesentliche formale, inhaltliche und funktionale Merkmale“ herausarbeitet, die eine Abgrenzung der Formeln voneinander erlauben.

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Textmuster der Strukturelemente

die „Möglichkeitsfelder, in denen es sowohl einige ü berindividuelle Handlungsorientierungen gibt, als auch Ermessensspielräume“ (Fix, Poethe und Yos 2003: 25f.) festzustellen. Zwar gibt es – dies sei hier vorweggenommen – in den persönlichen Gebeten der Hethiter durchaus immer wiederkehrende, für bestimmte Strukturelemente typische Ausdrucksweisen, diese werden aber ausgesprochen variabel eingesetzt und wörtliche Wiederholungen der komplexeren Ausdrücke sind ausgesprochen selten. Innerhalb des Spektrums von Variation und Repetition bewegen sich die hethitischen Verfasser vorzugsweise im Bereich der Variation (Rieken 2016) – ein Umstand, der die Erkennung spezifischer Merkmale nicht erleichtert. Dadurch entsteht eine – selbst in dem wenig umfangreichen Korpus der hethitischen Gebete – manchmal unüberschaubare Anzahl verschiedener Ausprägungen bei der Ausgestaltung eines inhaltlichen Konzepts.40

4.1 Bittpassage: Zentrale Bitten und ihre Stützbitten Die Bittpassagen enthalten entweder vorbereitende Kooperationssichernde Bitten, Zentrale Bitten zum Ausdruck der Gesamtfunktion oder eine Verbindung von beidem. Je nach ihrer Position im Gesamttext besitzen die Bittpassagen unterschiedlichen Umfang, weil der Funktion der Zentralen Bitten entsprechend eine generelle Tendenz zu ihrer Häufung am Ende des Textes besteht – dann vielfach durchbrochen von anderen, motivationsstützenden Illokutionen. Doch werden nicht selten auch schon vorher kürzere Bittpassagen zur Gliederung des Gesamttextes eingeschoben (vgl. z. B. die Strukturanalyse von CTH 376.1 in Kapitel 3.2.5). Bittpassagen ohne Zentrale Bitte kommen zustande, wenn nach den Regeln für die Serialisierung die übliche Folge der Strukturelemente nach den Stützbitten abbricht und der Text an einem früheren Punkt der Abfolge wieder einsetzt (s. Kapitel 3.6). Im überwiegenden Teil der Belege des hier untersuchten Korpus gehen die Stützbitten zur Kooperationssicherung den Zentralen Bitten voran, sehr viel seltener folgen sie ihnen. Dass die Bitten die richtigen Adressaten erreichen, wird durch die obligatorische Anrede bzw. die explizite Nennung der Adressaten gewährleistet (s. Kapitel 2.3), sei es dass sie namentlich geschieht oder an die Götter in ihrer Gesamtheit gerichtet ist. Die normale Position der Anrede oder Nennung ist der Anfang der Bittpassage, manchmal kann sie dort aber auch ausbleiben, wenn unmittelbar zuvor die betreffende Gottheit angesprochen worden ist, z. B. in einer Deklaration. Sie ist formal entweder als Vokativ oder Nominativ ausgedrückt, oder sie erfolgt syntaktisch als Satzglied oder Apposition, wobei eine Verstärkung vor allem in der älteren Zeit auch durch das selbstständige Pronomen der 2. Person bewirkt werden kann (vgl. Daues 2014). In dieser Periode besteht auch die Tendenz, die Anrede oder Nennung in längeren Bittpassagen mehrfach zu wiederholen, vgl. Beispiel (36): 40 Die Angabe der Vorkommenshäufigkeit eines Phänomens, mit der Adamzik 2008: 166 dieser Problematik beikommen möchte, ist bei den niedrigen Fallzahlen auch nicht immer hilfreich.

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Bittpassage

(36)

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CTH 373, Kolon 94–97 94 kinun=a šiuni=mi peran tuwaddu ḫalziššaḫḫi 95 nu=mu DINGIR=YA ištama[š] 96 [nu=m]u LUGAL-an āški DINGIR=YA UL aššanuwandan anduḫšan lē iššatti 97 nu=mu da[nduk]išnaš DUMU-li peran šā[kl]i(n)=man lē GUB-laḫḫiškeši „Jetzt aber rufe ich vor meinem Gott ‚Gnade!‘ aus. Und du, mein Gott, hör[e] mich! Mein Gott, mache [m]ich am Königstor nicht mehr zu einem nicht gut gestellten Menschen! Lasse mir vor einem Kind der Ste[rblich]keit mein Re[ch]t nicht mehr erfolglos sein!“

Der Betende erscheint dem gegenüber meistens in Form eines enklitischen Personalpronomens der 1. Person (-mu). Die explizite Nennung durch Titel oder Namen erfolgt im Rahmen der Bittpassagen in deutlich selteneren Fällen – darunter mehrfach in Deklarationen, die syntaktisch in eine Bitte (meist eine Bitte um Gehör) eingebettet sind. Es handelt sich hierbei also eher um ein Merkmal der Deklarationen als um eines von Bitten (z. B. CTH 381, Kolon 14; CTH 384.1, 136–137, 147–148.; vgl. Kapitel 4.2). Außerhalb des eben genannten Deklarationskontextes gibt es inhaltliche Gründe für die explizite Nennung des Betenden, so die Fokussierung durch Kontrast oder Selektion wie im folgenden Beispiel (37), wo sich der Blickwinkel von den allgemeinen Eigenschaften der Sonnengöttin auf ihr Verhalten gegenüber Muršili verengt: (37)

CTH 376.1, Kolon 58–63 58 [ant]uḫši=ya=z(a)=kan kwedani DINGIRmeš [ … ] 59 [n]=an=šan arha paškuwanz[i] 60 [z]ik=pat d UTU uru arinna ge[nzu ? … ] 61 [k]inuna m murši-DINGIR-LIM-in LUGAL-un d UTU uru ar[inna l]uluwāi „Auch welchem [Men]schen die Götter [zürnen und] (wen) sie vernachlässige[n], (den) [behandelst d]u, Sonnengöttin von Arinna, gü[tig]. [J]etzt aber [un]terstütze du, Sonnengöttin von Ar[inna], Muršili, den König!“

Innerhalb der Bittpassage wird die Hinführung aus generischen oder Vergangenheitskontexten auf Person und Gegenwart des Betenden und Angebeteten unterstützt durch den Gebrauch des selbstständigen Personalpronomens der 1. Person ammuk, durch das sprecherbezogene Pronomen kā- „der (hier bei mir)“ oder durch kinun(=)a „jetzt aber“, vgl. kinuna im eben zitierten Beispiel (37) oder kā- im folgenden Beispiel (38): (38)

CTH 372, Kolon 40–44 40 antuḫšann=a=z kwin DINGIRmeš šanzi 41 n=a(n)=šan arḫa paškuwanz[i] 42 n=an āppa zik kappūwaši 43 n=an genzuw[aši] 44 kūnn=a LÚ.NAM.U19 .LU-aš ARAD=KA d UTU-uš luluwāi

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Textmuster der Strukturelemente

„Auch welchem Menschen die Götter zürnen und (wen) sie vernachlässige[n], um den kümmerst du dich wieder und den behandelst du gütig. Auch diesen (hier), deinen Diener unter den Menschen, unterstütze (du,) Sonnengott!“ Das wichtigste Ausdrucksmittel der Bitte ist der Imperativ der Verbalform bzw. der mit lē verneinte Indikativ. Das Verb steht – anders als in Beschwörungsritualen – ausnahmslos am Ende des Satzes (s. Rieken 2011; vgl. auch Sideltsev 2015: 107), vgl. die Beispiele (36)–(38). Der sehr direkte Versuch der Einflussnahme auf den Adressaten, der gegen das Prinzip der negative politeness und des face keeping verstößt (vgl. Brown und Levinson 1987), wird nicht etwa durch Partikeln abgeschwächt; diese Funktion übernehmen stattdessen die Kooperationssichernden Bitten, oft in Verbindung mit motivationsstützenden Argumenten. Diesem üblichen Textmuster stehen als Ausnahme Illokutionen mit Bittfunktion gegenüber, die die Aufforderung nicht formal zum Ausdruck bringen, sondern durch eine Beschreibung des gewünschten Verhaltens der Gottheit oder des Idealzustands vermitteln (CTH 374, Kolon 32 und 34, 48–50; CTH 373, Kolon 6 und 8; CTH 372, Kolon 72; CTH 382, Kolon 55–62; CTH 384.1, Kolon 110–113). Die eigentliche Funktion entpuppt sich durch die unmittelbare Nachbarschaft zur Bittpassage oder sogar durch Einbettung in dieselbe wie im folgenden Beispiel (39): (39)

CTH 384.1, Kolon 109–114 109 nu=nnaš DINGIRmeš ENm [eš DINI ] aršanattallaš Ḫ[UL- … ]-aš pe[r]an [l]ē neya[tteni] 110 [ … ]=an DINGIR-LUM GAŠAN=Y [A] TI-nuši 111 nu=kan ANA DINGIRmeš še[r … p]arrand[a] mematti 112 nu kē ḪUL-u[wa … G]ÌRmeš -i[t] išparratti 113 n=at ar[ḫa … -y]aši 114 nu=kan tuk ANA d liliwan[i … ] ŠA m ḫattušili ARAD=KA U [ŠA f puduḫ]e[pa] GÉME=KA TI-[tar] PANI DINGIRmeš tueda[z K]A×U-a[z wedd]u „Ihr, Götter, Herr[en des Rechtsstreits, sollt] euch [n]icht (gegen) uns den Neidern, den b[ösen …]-n, zuwend[en]! Du, Gottheit, mei[ne] Herrin, erhältst [ihn … ] am Leben. Fü[r] die Götter [ü]bermittelst du [Gutes]. Diese böse[n Worte] trittst du [mit den F]üßen nieder. Du [ … ]-st sie fo[rt]. Dir, Lelwan[i, meiner Herrin, soll] vor den Göttern das Leb[en] des Ḫattušili, deines Dieners, und der [Puduḫ]e[pa], deiner Dienerin, [aus] deine[m M]und [komm]en!“

Was auf der Oberfläche als Ausdruck des Vertrauens in die Gottheit gewertet werden kann, ist gleichzeitig auch ein indirekter Sprechakt, der eine Bitte vermittelt. Der in den Zentralen Bitten und Stützbitten genannte Sachverhalt kann als den Agens den Sprecher, den Adressaten oder andere Referenten aufweisen. Der Sprecher als Agens ist vergleichsweise selten und kommt vor allem in der Stützbitte um die Erlaubnis des Erscheinens vor der Gottheit (s. S. 139) und in CTH 381, Kolon 148–149, vor. Hier wird

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Bittpassage

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dann die 1. Person Sg. des Imperativs (Voluntativ) gebraucht. Die beiden anderen Fälle sind dagegen sehr häufig. Bitten, die sich auf die Handlungen und Vorgänge von Dritten (außerhalb der Sprechaktpartizipanten) beziehen, verwenden erwartungsgemäß die 3. Person Sg./Pl. des Imperativs. Ist der Agens mit dem Adressaten identisch, erscheint das Verb in der Regel in der 2. Person Sg./Pl. des Imperativs, vgl. wieder die Beispiele (36)–(38). Nur in wenigen Belegen von Zentralen Bitten und Stützbitten im hier untersuchten Korpus werden die Adressaten zunächst in der 3. Person angesprochen, vgl. Beispiel (40): (40)

CTH 383.1, Kolon 160–163 160 nu d 10 kuwapi DINGIRmeš =ya tuliya tianzi 161 nu=kan mān apāt ḪUL-lu uttar tuliya kwiški anda memai 162 d UTU uru PÚ-na=ma=z(a)=kan d 10 uru ḫatti DINGIRmeš =ya ŠA d 10 uru neri[k] daḫangaš uttar ŠÀ-ta tarnandu 163 nu apāt ḪUL-lu uttar d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA DINGIRmeš =y[a AN ]A KUR uru ḫatti apez arḫa peš[šiya]tten „Sobald der Wettergott und die (anderen) Götter zur Versammlung (zusammen)treten, falls (da) irgendjemand über jene böse Angelegenheit in der Versammlung spricht, (so) sollen die Sonnengöttin von Arinna aber, der Wettergott von Ḫatti und (die anderen) Götter die Sache des daḫanga des Wettergottes von Neri[k] ins Herz lassen! Jene böse Angelegenheit, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, un[d] ihr (anderen) Götter, we[rf]t für Ḫatti aus jenem hinaus!“

Der Grund für diese außergewöhnliche Wahl der 3. Person in Kolon 162 liegt im Übergang von der beschreibenden Formulierung im Rahmen eines Konditionalsatzes in der 3. Person, die den Wettergott und die anderen Götter zum Gegenstand hat (Kolon 160–161), zur Bitte an den Wettergott und die Götter unter Einschluss der Sonnengöttin, an die das Gebet sonst gerichtet ist (Kolon 162). Die vorläufige Beibehaltung derselben Personenkategorie hat also kohärenzstiftende Funktion.41 Danach erfolgt jedoch sofort der Wechsel zur üblichen 2. Person (Kolon 163). Dieselbe Konstellation findet sich in den drei gleichartigen Belegen aus CTH 382 (Kolon 28, 32 und 70), wo der Wettergott Hauptadressat des Gebets ist und die Bitte an die Annunake-Gottheiten, ihn mit dem Zorn verursachenden Gott zu versöhnen, in der 3. Person formuliert wird. Die darauf folgende Bitte an den Wettergott selbst steht wieder erwartungsgemäß in der 2. Person, vgl. die erste dieser Textstellen in Beispiel (41): (41)

CTH 382, Kolon 27–29 27 mān=kan d 10 DINGIR-LUM KUR-TI kwiški TUKU.TUKU-nut 28 kinuna d A.NUN.NA.KE4 d 10-an ANA DINGIR-LIM apēdan[i mena]ḫḫanda takšulāndu 29 nu d 10 KUR-TAM anda takšulit IGIḪI.A -it namma au

41 Ein vergleichbares Phänomen ist auch für die Aspektkategorie zu beobachten, s. S. 133.

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Textmuster der Strukturelemente

„Falls irgendein Gott des Landes den Wettergott erzürnt hat: Jetzt aber sollen die Anunnake(-Gottheiten) den Wettergott [mi]t jene[m] Gott versöhnen! Und (du), Wettergott, schau das Land wieder mit versöhnlichen Augen an!“ Den Status einer echten Ausnahme haben indessen CTH 382, Kolon 23 und 26 (im Rahmen der Einleitenden Kontextualisierung), Kolon 38, 66 und 141. CTH 382, das sich in vieler Hinsicht als sehr ungewöhnlich erweist, zeigt auch hierin eine Sonderstellung.42 Abgesehen von dieser Ausnahme kann jedoch festgehalten werden, dass die Bitten, die sich an die angesprochene Gottheit richten, in der 2. Person formuliert sind. Die Verbalformen in Zentralen Bitten und Stützbitten sind im Allgemeinen hinsichtlich der Kategorie Aspekt unmarkiert, vgl. die Beispiele (37)–(41). Drei Arten von Ausnahmen sind hier allerdings zu verzeichnen.43 Die erste findet sich etwa oben in Beispiel (36) aus CTH 373, wo inhaltlich bedingt die Negation lē in Verbindung mit einer imperfektivischen Verbalform inhibitives „nicht mehr“ zum Ausdruck bringen soll (s. Hoffner und Melchert 2008: 319f.).44 Die zweite Ausnahme betrifft regelmäßig die Verben pai-/pe-/pi(ya)- „geben“ und dai-/te-/ti(ya)- „setzen, stellen, legen“ und ist insofern interessant, als die Belege vornehmlich in Gebeten auftreten, die durch Kolophon bzw. Einleitende Kontextualisierung als mugauwar „Herbeirufung“ klassifiziert sind, und zwar in Bittpassagen, die den typischen Segenswünschen in Ritualtexten gleichen (CTH 376.1, Kolon 139–147, und CTH 377, Kolon 39–45, 55). Auch in den Ritualen enthalten diese Segenswünsche vielfach imperfektivisches peške/a-, vgl. etwa KBo 15.10+ ii 34–35, iii 35–36 (Szabó 1971: 24f., 40f.). Dieser Gebrauch in Gebeten und Ritualtexten ist natürlich inhaltlich nachvollziehbar, da der Wunsch nach Stärke, Nachwuchs etc. dauerhaft besteht. Aufgrund der Ähnlichkeit der Formulierung ist klar, dass hier für die Gebete eine Anleihe aus der Ritualliteratur gemacht worden ist,45 und zwar bereits in mittelhethitischer Zeit, wie der entsprechende Beleg in CTH 373, Kolon 53, beweist. Dass es sich dabei aber nicht um einen Automatismus handelt, dem zufolge alle Verbalformen von pai-/pe-/pi(ya)- „geben“ imperfektivisch gebraucht werden, zeigt das folgende Beispiel (42): (42)

CTH 377, Kolon 53–55 53 kwiēš=(š)maš=z(a) lú.meš APIN.LÁ lú.meš NU.giš KIRI6 .GEŠTIN lú.meš NU.giš MÚ.SAR MUNUS.MEŠ na4 ARA5 danna šanḫiškanzi 54 nu idalun tapašan [ḫink]an kāštann=a BURU5 ḪI.A =ya apēdaš ANA KUR.KUR lú KÚR pāi §

42 In CTH 373, Kolon 56–61, und CTH 372, Kolon 123–128, ist der Gebrauch der 3. Person indessen dadurch bedingt, dass es sich eigentlich um eine Bitte an den Sonnengott handelt und darin gesagt wird, wie der persönliche Gott sich verhalten soll. 43 Der imperfektivische Gebrauch von au(š)-/uwa- „sehen“ in der Phrase Akk. + menaḫḫanda au(š)-/uwa„einer Sache entgegensehen, etwas erwarten“ ist lexikalisiert (s. CHD: M, 287) und stellt daher keine prinzipielle Ausnahme zum hier Gesagten dar. 44 Hierher wohl auch CTH 381, Kolon 150. 45 Zur Kooperationssichernden Bitte um Besänftigung galankanz(a) ēš s. S. 137.

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Bittpassage

55

133

ANA LUGAL=ma MUNUS.LUGAL DUMUmeš LUGAL U ANA KUR uru ḫatti TI-tar ḫaddulatar innarawatar MUkam GÍD.DA EGIR.UD-MI dušgarattann=a p[išk]i

„Welche versuchen, sich eure Pflüger, Weingärtner, Gemüsegärtner (und) Frauen am Mühlstein zu nehmen, gib das böse Fieber, [Seuc]he und Hunger und Heuschrecken jenen Feindesländern! § Dem König aber, der Königin, den Prinzen und dem Land Ḫatti g[i]b Leben, Gesundheit, Rüstigkeit, lange Jahre, Zukunft und Freude!“ Zwar enthält der Segenswunsch (Kolon 55) eine imperfektivische Verbalform von pai/pe-/pi(ya)- „geben“, aber die einmalige Handlung der Übertragung der Übel auf die Feindesländer (Kolon 54) wird durch das unmarkierte Verb zum Ausdruck gebracht. Der dritte Typ von Ausnahmen beruht auf der Beibehaltung des imperfektiven Aspekts nach vorangegangen (Teil-)Sätzen mit Imperfektivformen, vgl. Beispiel (43): (43)

CTH 377, Kolon 12–16 12 13 14 15 16

nu=tta kāša mukiškemi ninda ḫarši[t dug išpa]nduzit nu=ššan parā kalānkanz(a) ēš nu=tta kwit memiškemi nu=mu DINGIR-LUM ištamanan lagān ḫar(a)k n=at išt[am]aški

„Ich hier rufe dich (gerade) mi[t] Dickbrot (und) mit [Guss]opfer herbei. Du sollst bes[än]ftigt sein! Und wa[s] ich dir (gerade) sage, halte mir, Gott, das Ohr geneigt (und) hö[r]e es!“ Wie oben im Falle der Weiterführung der 3. Person in Bitten, die an den Adressaten gerichtet sind, wird auch gelegentlich der imperfektive Aspekt fortgeführt. Im Beispiel (43) bildet das Imperfektivum išt[am]aški in Kolon 16 gegenüber sonst üblichem ištamaš die Ausnahme, setzt aber die Reihung solcher Formen aus den Deklarationen in Kolon 12–15 fort und stärkt die Kohärenz der Passage. Weitere Belege dieser Art sind CTH 376.1, Kolon 14 und 65 (aber anders CTH 378.2, Kolon 130–131).46 Einen Extremfall bietet die Formulierung in Beispiel (44), indem die imperfektivische Aspektmarkierung der Deklaration der Herbeirufung im vorangegangenen Kolon auf die merkwürdige Bitte um Selbstherbeirufung übertragen worden ist: (44)

CTH 376.1, Kolon 135 135 nu=z(a) d UTU uru ari[nn]a GAŠAN=YA zikila mukeškeḫḫu[t] „Sonnengöttin von Ari[nn]a, meine Herrin, ruf[e] du selbst dich herbei!“

46 Eine Korrelation zwischen imperfektivischen lagan ḫark-Periphrasen und dem Gebrauch von ištamaške/a- stellt auch Dardano (2014: 179–83) fest, wobei sie allerdings von einer resultativen Funktion der Periphrase und einer iterativ-durativen Funktion für -ške/a- ausgeht.

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Textmuster der Strukturelemente

Sieht man von den beschriebenen und meist gut begründeten Ausnahmen ab, zeichnet sich die prototypische Bittpassage also durch folgende formale Merkmale aus: • Nennung des Adressaten (als Anrede, Satzglied oder Apposition) • Hinweis auf den Betenden, sofern notwendig, durch Pronominalformen • Verb im Imperativ der 2. oder 3. Person, in einer aspektuell unmarkierten Form (außer bei pai-/pe-/pi(ya)- „geben“ und dai-/te-/ti(ya)- „setzen, stellen, legen“) • Voranstellung der Stützbitten vor die Zentralen Bitten Signalwörter und Phraseologismen (Formeln) im Rahmen der Zentralen Bitten finden sich vor allem in den Anleihen von standardisierten Segenswünschen für Königsfamilie und Land aus der Ritualliteratur. Sie kommen in verschiedenen Gebeten in unterschiedlicher Dichte vor (z. B. CTH 377, Kolon 37–47, 55–60; CTH 376.1, Kolon 139–147, 149–153; CTH 378.3, Kolon 38–39; CTH 382, Kolon 30, 34, 68; CTH 384.1, Kolon 68) und sind jeweils an ihren syntaktischen Kontext angepasst, d. h. sie erscheinen nicht immer in demselben Wortlaut, sondern zeichnen sich vielmehr durch die Frequenz der eben genannten grammatischen Kategorien und bestimmter Lexeme aus. Es sind hier Formulierungen wie die Folgenden zu verzeichnen: • Gen. + miyatar peške/a- „Gedeihen von jemandem/etwas geben“ • Dat./Lok. + LÚ-aš tarḫuwilin parā neyantan d.GIŠ TUKUL-in peške/a- „jemandem die siegreiche, gezückte Waffe geben“ • Akk. + ḫuišnuwan ḫark- „jemanden am Leben erhalten“ • INA KUR uru GIDRU-ti māu šešdu „im Land Ḫatti soll es wachsen (und) gedeihen!“ • =kan ŠÀ-BI KUR-TI āššu … miyatarr=a iye/a- „im Land (materielles) Gut, … und Wachstum schaffen“ Dem gegenüber sind die meisten Zentralen Bitten der individuellen Situation, die den Betenden zu seinem Gebet veranlasst, im Wortlaut angepasst, und es herrscht eine entsprechend große Vielfalt des Ausdrucks. Es scheint sogar, als würde eine wortwörtliche Wiederholung bewusst vermieden (vgl. Rieken 2016). Statt auf Repetition setzen die hethitischen Schreiber zum Schmuck der von ihnen verfassten Gebete auf Variation, so auch in der Bitte um die Beendigung der Seuche in CTH 378.2, der man durchaus auch durch die Wiederholung des immer gleichen Wortlauts hätte Nachdruck verleihen können. Genau dies ist aber nicht der Fall, s. Beispiel (45): (45)

CTH 378.2, Kolon 95, 112 und 127

a. 95 [n]u=kan INA ŠÀ kur ḫatti ḫinkan daru[ptaru] „In Ḫatti soll die Seuche been[det werden]!“ b. 112 nu=kan INA ŠÀ KUR uru GIDRU-ti ḫingan lazziyattaru „Und im Land Ḫatti soll die Seuche gut werden!“

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Bittpassage

c.

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127 nu=kan IŠTU KUR uru ḫatti ḫinkan arḫa namma uiyatten „Schickt die Seuche aus dem Land Ḫatti wieder fort!“

Ähnliches gilt für die Bitten um Vermittlung, wo fünf verschiedene Ausdrucksweisen miteinander konkurrieren: • Dat./Lok. (der Gottheit) + tē- oder mema- „zur Gottheit … sprechen“ • Dat./Lok. (der Gottheit) + uddār (+ Possessorangabe des Betenden) + āppa tarkumma- „der Gottheit … die Worte (des Betenden …) übermitteln“ • Dat./Lok. (des Betenden) + Akk. (der Botschaft) tarkumma-/i(ya)- „für jemanden etwas übermitteln“ • Dat./Lok. (der Gottheit) + Akk. (der Botschaft) parā arnu- „für jemanden zur Gottheit … etwas weiter befördern“ • Dat./Lok. (der Gottheit) + Akk. (der Botschaft) anda šunna- „der Gottheit … etwas einfüllen“ Es können durchaus auch zwei dieser Ausdrücke miteinander kombiniert werden (z. B. in CTH 373, Kolon 7–8, oder CTH 384.1, Kolon 148–149) oder innerhalb eines Textes miteinander wechseln (vgl. etwa CTH 381, Kolon 29 und 117 bzw. 125). Eine nahezu unveränderliche Formel findet sich unter den Zentralen Bitten allein in der kurzen Bitte ums Überleben, die je nach Bedarf mit oder ohne Zusatz eines Vokativs gebraucht wird, vgl. Beispiel (46): (46) a.

CTH 378.2, Kolon 163 und 174 163 nu=mu TI-nut „Lass mich überleben!“

b. 174 nu=mu d 10 ur [u ḫa]tti EN=YA ḫuwišnut „Wettergott von [Ḫa]tti, mein Herr, lass mich überleben!“ Anders als die Zentralen Bitten besitzen die Kooperationssichernden Stützbitten zumindest teilweise einen stärker formelhaften Charakter. Dies entspricht sicher dem standardisierten Gebrauch von Höflichkeitsausdrücken in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die Stützbitten lassen sich im Wesentlichen fünf verschiedenen Themenbereichen zuordnen, die sich wiederum mit einem Körperteil verknüpfen lassen: • • • • •

Bitte um ruhigen Gemütszustand (ZI „Sinn“) Bitte um Bereitschaft zu freundlichem Verhalten (genzu- „Schoß“) Bitte um Blickkontakt (Auge) Bitte um Gehör (Ohr) Bitte um Annahme der Leistung (Hand)

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Textmuster der Strukturelemente

Während die Stützbitten im Allgemeinen allein oder gepaart auftreten, zeigt Beispiel (47) aus CTH 378.1 im Anschluss an eine Opferdeklaration eine ungewöhnliche Häufung, in der immerhin vier der genannten Themen repräsentiert sind: (47)

CTH 378.1, Kolon 100–105 100 101 102 103 104 105

n=at ammukk=a IŠTU É-TI=YA šarnikzilaz maškanna[z] šarnenkiškemi nu ANA DINGIRmeš ENmeš =YA ZI-anz(a) namma war(a)šdu nu=mu DINGIRmeš ENmeš =YA gin[z]u namma datten nu=š[maš=k]an uwaḫḫaru nu=šmaš kwit memiškemi n[u]=mu ištamašten

„Auch ich entschädige für sie (gerade) (gemeinsam) mit meinem Haus (mittels eines) Entschädigungs- (und) Aussöhnun[gs](opfers). Der Sinn soll sich (euch) Göttern, meinen Herren, wieder beruhigen! (Ihr) Götter, meine Herren, nehmt mir (gegenüber) wieder eine gütige Gesin[n]ung an! Ich will (vor) e[uch] erscheinen! Und was auch immer ich (jetzt) zu euch sage, hört mich!“ Die Reihenfolge orientiert sich an den äußeren sozialen und räumlichen Gegebenheiten: Die Beruhigung des Sinns ist die Voraussetzung für eine freundliche Gesinnung; diese wiederum lässt die Gottheit dazu geneigt sein, sich dem Betenden zuzuwenden und ihm schließlich auch zuzuhören. Letzteres ist für das erfolgreiche Vorlegen einer Bitte unerlässlich. Dementsprechend steht die Bitte um Gehör stets in unmittelbarer Nachbarschaft zur Zentralen Bitte.47 Ihre Wichtigkeit zeigt sich auch darin, dass die beiden Typen der Bitte um Gehör anders als andere Bitten ein und desselben Themenbereichs zusammen auftreten können und dass sie – zusammen mit den Falldarlegungsdeklarationen – mehrfach in geringem Abstand eingesetzt werden können. Von der letztgenannten Möglichkeit macht Muwatalli Gebrauch in CTH 381, Kolon 14, 19–20 und 22, sowie in CTH 382, Kolon 23 und 26, vgl. Beispiel (48): (48)

CTH 381, Kolon 14–22 14 15 18 19 20 21 22

kinuna= … arkuwar ištamašten ḫūdak=ma=z … arkuwar iyami … EGIR=ŠU=ma=z(a) … arkuwar iyami nu=mu DINGIRmeš ENmeš GEŠTU-an parā ēpten nu=mu kē arkuwarri ḪI.A ištamašten nu=z(a) AWATE meš kwe ANA DINGIRmeš ENmeš arkuwar DÙ-mi nu kī AWATE meš DINGIRmeš ENmeš datten

„Jetzt aber, (ihr) Götter, hört … als Falldarlegung! Als erstes aber werde ich … als meinen Fall darlegen: … . Dann aber werde ich … als meinen Fall darlegen. Haltet 47 Dies gilt, wenn nicht die Abfolge der Strukturelemente gemäß den Serialisierungsregeln gerade nach der Bitte um Gehör abgebrochen wird; s. dazu Kapitel 3.6

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Bittpassage

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mir, (ihr) Götter, (meine) Herren, (euer) Ohr hin! Hört diese meine Falldarlegungen an! Die Worte, die ich den Göttern, den Herren, als meine Falldarlegung mache, diese Worte, (ihr) Götter, (meine) Herren, nehmt an!“ Zusätzlich verstärkt wird der gewünschte Effekt der Hervorhebung der Bitte um Gehör einerseits durch die ungewöhnliche Formulierung als Bitte um Annahme der Worte und andererseits durch die anschließende Bitte um das Überhören unangemessener Worte. Die fünf Themenbereiche der Stützbitten werden jeweils vermittels mehrerer Typen realisiert: • Bitte um ruhigen Gemütszustand – Besänftigung – Beruhigung des Sinns – Versöhnung des Sinns • Bitte um Bereitschaft zu freundlichem Verhalten – – – –

gütige Gesinnung Willfährigkeit göttliches Walten Beigesellung

• Bitte um Blickkontakt – Erlaubnis des Erscheinens – Zuwendung – (wohlwollender/versöhnlicher) Blick • Bitte um Gehör – Anhörung – Hinhalten des Ohrs • Bitte um Annahme der Leistung – Annahme des Opfers – Annahme der Worte Von den drei Typen von Bitten um ruhigen Gemütszustand tritt die Bitte um Besänftigung, die dem Formular der Ritualsprache entnommen ist, wenig überraschend genau in den beiden Gebeten auf, die die engste Beziehung zu den mugauwar-Ritualen aufweisen: in CTH 377, Kolon 13, und in CTH 376.1, Kolon 13 (=ššan parā galankanz(a) ēš „sei besänftigt!“). Auch die Bitte um Beruhigung des Sinns ist im hier untersuchten Korpus nur zweimal belegt (in den Pestgebeten Muršilis CTH 378.1, Kolon 101, und CTH 378.2, Kolon 125). Sie weist in beiden Belegen dieselbe Struktur auf, die durch das eben zitierte Beispiel (47) repräsentiert ist:

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Textmuster der Strukturelemente

• Dat./Lok. (der Gottheit) + ZI-anz(a) namma war(a)š(iya)du „der Gottheit … soll sich der Sinn beruhigen“ Der dritte Typ, die Bitte um Versöhnung des Sinns, ist nur in CTH 382, Kolon 19, bezeugt und setzt den Schwerpunkt der Aussage auf die menschlichen Benefizienten, die explizit genannt werden: • ZI-anz(a) mit Gen. (der Gottheit) + menaḫḫanda + Dat./Lok. (des Betenden/des Landes) + takšula(e)- „der Sinn der Gottheit soll sich gegenüber … versöhnen“ Inhaltlich schafft man die Voraussetzungen für den ruhigen Gemütszustand in fast allen Fällen durch den motivationsstützenden Hinweis auf eine Leistung des Betenden: ein Opfer mit Herbeirufung, die Ankündigung der Lösung des Zorns, ein Entschädigungsopfer bzw. das Eingeständnis der Schuld. Die Vermittlung durch andere Götter kann aber zusätzlich helfen. Unter den Bitten um Bereitschaft zu freundlichem Verhalten ist diejenige um gütige Gesinnung am häufigsten anzutreffen, aber auch sie ist auf die Pestgebete Muršilis beschränkt. Sie hat eine starke Standardisierung erfahren, die sich durch folgende Merkmale auszeichnet (repräsentiert durch Beispiel 47): • Dat./Lok. (des Betenden/des Landes) + genzu + dā- „dem (Betenden) … gegenüber eine gütige Gesinnung annehmen“ Der Vokativ der angesprochenen Gottheit wird nach Bedarf gesetzt. Das Verb dā- tritt in den Imperativ der 2. Person und ist nicht imperfektivisch markiert. Der Referent der Form des Dativ/Lokativ ist das Land, außer wenn der Betende kurz zuvor wie in Beispiel (47) auf sich selbst verweist. Dann erscheint der Dat./Lok. -mu „mir (gegenüber)“. Die Partikel namma „wieder“ gehört nicht zur Formel, sondern ist inhaltlich bedingt und korreliert mit der Setzung von namma im unmittelbaren Kontext, vgl. wieder Beispiel (47), wo die Partikel nicht nur in der Bitte um gütige Gesinnung in Kolon 102, sondern auch schon zuvor in der Bitte um Beruhigung des Sinns in Kolon 101 verwendet wird. Wie in Beispiel (47) geht die Bitte um gütige Gesinnung oft der Bitte um Zuwendung voran,48 steht aber gelegentlich auch direkt vor oder nach einer Ausführungssichernden oder Zentralen Bitte (z. B. in CTH 378.3, Kolon 36, und CTH 376.1, Kolon 91). Bitten um freundliches Verhalten treten nach Muršilis Pestgebeten erst wieder in Puduḫepas Gebet an die Sonnengöttin von Arinna auf. In CTH 384.1 gibt es eine Vielfalt solcher Bitten, von denen allerdings nur die Bitte um Willfährigkeit wegen ihrer Wiederholung in gleicher Form auf eine Konventionalisierung schließen lässt:

48 Eine Ausnahme bildet CTH 378.1, Kolon 143–144, wo die Stellung der Variation wegen umgekehrt ist.

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Bittpassage

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• die Bitte um Willfährigkeit (Kolon 59, 64, 150) – Dat./Lok. -mu + Vok. (der Gottheit) + (Dat./Lok. der Sache +) kāri tiya „willfahre mir, (Gottheit) …, (in etwas)!“ • die Bitte um göttliches Walten (Kolon 126) – -z(a) + Nom. (der Gottheit) + parā ḫandandatar + Imp. 3. Person von tikkušnu„(die Gottheit) … soll göttliches Walten zeigen!“49 • die Bitte um Beigesellung (Kolon 156) – -kan + zik + Vok. (der Gottheit) + Dat./Lok. (des Betenden) + aššuli + Imp. 2. Person M./P. von ḫarpiya- „du, (Gottheit) …, geselle dich dem (Betenden) … zum Wohle bei!“ Auch die Bitte um Blickkontakt besitzt ganz unterschiedliche Ausprägungen, die nahezu komplementär auf die Gebete, in denen sie vorkommen, verteilt sind: • die Bitte um Erlaubnis des Erscheinens – -kan + Dat./Lok. -šmaš „euch“ oder Dat./Lok. der Gottheiten + uwaḫḫaru „ich will vor … erscheinen!“ (CTH 378.1, Kolon 103, 116, 131, 143, s. auch Beispiel 47)50 • die Bitte um Zuwendung – -mu + Imp. der 2. Person von waḫnu- „mir zuwenden“ (CTH 378.4, Kolon 96) – Dat./Lok. (des Betenden) + anda + aššuli + Imp. M./P. der 2. Person von nai-/ne(ya)- „sich dem (Betenden) … zum Wohle zuwenden“ (CTH 380.1, Kolon 53) • die Bitte um (wohlwollenden/versöhnlichen) Blick – =kan + (Vok. der Gottheit + Akk. der Sache +) anda + aššawit/takšulit IGIḪI.A -it + Imp. von au(š)-/uwa- „(Anrede an die Gottheit), (etwas) mit guten/versöhnlichen Augen anschauen“ (CTH 382, Kolon 21, 29, 67, 71, 93, wohl [104] und 141) – =kan + Akk. (der Sache) + menaḫḫanda + Imp. des Imperfektivums der 2. Person von au(š)-/uwa- „einer Sache entgegen sehen, etwas erwarten“ (CTH 380.1, Kolon 19) 49 Das Verb ist nach CTH 378.2, Kolon 176, ergänzt, wo die Bitte um göttliches Walten allerdings zu den Ausführungssichernden Bitten gehört. 50 In Kolon 143 ist die Nennung des Sprechers mit dem selbstständigen Pronomen der 1. Person Sg. und einer Apposition ausführlicher gestaltet, weil hier ein Themenwechsel von den Belangen des Landes zum Sprecher selbst erfolgt.

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140

Textmuster der Strukturelemente

Es ist sicher kein Zufall, dass die Verwendung des Phraseologismus anda + aššuli + nai-/ne(ya)-, der aus der Ritualliteratur gut bekannt ist (s. CHD: N, 357), gerade in CTH 380.1 bezeugt ist, dessen enge Verbindung zu den Ersatzritualen auch Singer (2002a: 71) festgestellt hat. Dagegen kommen die Wendungen šakuwa lāg-/lag- „die Augen neigen“, šakuwa nai-/ne(ya)- „die Augen zuwenden“ und LIM laplipuš karp- „die 1000 Lider heben“, die Dardano (2014: 183–8) als sakralsprachlich anführt, in den Bitten des hier untersuchten Korpus nicht vor (vgl. allerdings KBo 7.28 + KBo 8.92 Vs. 11’–13’ [CTH 371] – für einen entsprechenden Beleg). Die Bitten um Gehör finden sich zu allen Zeiten.51 Sie beziehen sich zumeist auf den Sprecher oder seltener auf eine Äußerung, die entweder zuvor genannt oder in der Bitte selbst als Objektsausdruck (z. B. arkuwar) enthalten ist: • die Bitte um Anhörung (s. auch Beispiel 47) – -mu + Imp. der 2. Person von ištamaš(š)- „mich anhören“ – -at + Imp. der 2. Person von ištamaš(š)- „es anhören“52 – Akk. der Sache + Imp. der 2. Person von ištamaš(š)- „(mein Wort/die Falldarlegung/den Eid) anhören“ • die Bitte um Hinhalten des Ohrs, die mit Dardano (2014) auf die Kommunikation zwischen Mensch und Gott oder zwischen Göttern beschränkt ist – =mu + Vok. (der Gottheit) + ištamanan + Imp. der 2. Person von (parā) lagān ḫark- „mir (Anrede an die Gottheit) das Ohr hinhalten“ (CTH 376.1, Kolon 65; CTH 377, Kolon 15) – =mu + ištamanan + Imp. der 2. Person von (parā) ep- „mir das Ohr hinhalten“ (CTH 378.4, Kolon 5 [ergänzt]; CTH 381, Kolon 19) Im hier untersuchten Korpus geht die Bitte um Hinhalten des Ohrs der Bitte um Anhörung stets voran. Da es sich bei (parā) lagān ḫark- um einen imperfektivischen Ausdruck handelt, erscheint auch ištamaš(š)- „hören“ im Folgekolon mit Imperfektivsuffix. Dem gegenüber folgt dem aspektuell unmarkierten (parā) ep- gleichfalls unmarkiertes ištamaš(š)(s. Dardano 2014: 179–183 und o. S. 132). Aus der Beobachtung Dardanos kann man schließen, dass ein Suppletivverhältnis der beiden Phraseologismen in Hinblick auf die Aspektmarkierung vorliegt und beide wohl inhaltlich gleichbedeutend sind. Ausgelöst 51 Merkwürdig ist allerdings, dass in CTH 372 die Bitte um Anhörung an beiden Stellen, wo sie nach Auskunft der beiden anderen Versionen der Sonnengottgebete stehen sollte, nicht vorkommt: In Kolon 53 scheint die Bitte, sofern kein Fehler vorliegt, umformuliert zu sein, und nach Kolon 155 ist sie ausgelassen. 52 Eine mögliche Ausnahme hinsichtlich der 2. Person gibt es in CTH 382, Kolon 23 und 26, wo der Wettergott das Subjekt zum Verb in der 3. Person ist, wo aber auch die Vermittlung durch die unmittelbar zuvor angesprochenen Götter an den Wettergott gemeint sein kann. Dies gilt aber wohl nicht für Kolon 38. Die Personendeixis von CTH 382 ist notorisch unklar.

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Bittpassage

141

wird die Entscheidung für die aspektuell markierte oder unmarkierte durch den Kontext, der den beiden Phraseologismen vorangeht. Die Bitten um Annahme einer Leistung sind so vielfältig wie die Arten der Leistungen, sei es dass man die Gottheit zum Essen und Trinken der Opfergaben auffordert und das Substitut an die Stelle der Betenden setzt (CTH 380.1, Kolon 8–11, 41–44, 48–49) oder den Erfolg einer Herbeirufung erhofft (CTH 376.1, Kolon 6–11; CTH 377, Kolon 7–11). Die Phraseologismen sind hier wieder der Ritualliteratur entnommen (für Belege vgl. CHD: N, 443–444 bzw. HW²: E, 20). Die Verbalformen sind erwartungsgemäß imperativisch, stehen überwiegend in der 2. Person (wenngleich bei abweichendem Subjekt auch die 3. Person möglich ist)53 und sind aspektuell unmarkiert. Bemerkenswert ist hier vor allem, dass das Verb dā- „(an)nehmen“ nicht nur wie üblich mit Bezug auf konkrete Opfergaben erscheint (CTH 380, Kolon 52), sondern dass auch für Personen und abstrakte Begriffe die Annahme erbeten wird, so für den als vermittelnden Boten ausgesandten Sonnengott (CTH 372, Kolon 200) oder die Worte der Falldarlegung (CTH 381, Kolon 21–22). Es ist deutlich, dass der inhaltlichen Nähe zum Opferritual entsprechend die Ritualfachsprache hier in besonderem Maße Eingang in die persönlichen Gebete der Hethiter gefunden hat. Die Textmuster der Bestandteile der Bittpassagen haben sich in der vorangegangenen Untersuchung als ausgesprochen variabel erwiesen – im Falle der Zentralen Bitten noch stärker als bei den Kooperationssichernden Stützbitten. Es gibt sehr deutliche Tendenzen bezüglich der Stellung der Bitten in Relation zu anderen Strukturelementen, hinsichtlich der Nennung der Sprechaktpartizipanten und der Deixis ebenso wie in Hinblick auf die präferierten Kategorien des Prädikatsverbs (Tempus, Aspekt, Modus, Person). Dennoch ist immer wieder festzustellen, dass diese Tendenzen nicht realisiert werden, wenn eine besondere Verbindung von Inhalten eine abweichende Ausdrucksweise erfordert. So ist auch der Gebrauch der satzeinleitenden Partikeln ganz durch den Kontext bestimmt. Signalwörter und Phraseologismen spielen eine wichtige Rolle. Dies gilt vor allem für Zentrale Bitten, die der Ritualliteratur entnommen sind, und für Stützbitten, für die man eine Konventionalisierung in der zwischenmenschlichen Kommunikation annehmen kann. Eine Ausnahme unter den Zentralen Bitten bildet die standardisierte Bitte um Überleben. Ob auch hier ein Vorbild aus Gesprächssituationen zwischen Menschen zugrunde liegt, muss offen bleiben. Insgesamt ist aber auch die Varianz der gewählten Lexeme in den meisten Themenbereichen beträchtlich. Es ist im Gegenteil ganz offensichtlich das Ziel der Verfasser der hethitischen Gebete, durch Varianz den Grad an Repetition auch beim Ausdruck ein und desselben Gedankens möglichst gering zu halten.

53 Beispielsweise steht die Aufforderung an den Sonnengott, die Pferde des Wagens das geopferte Futter fressen zu lassen (CTH 374, Kolon 37; CTH 372, Kolon 49) in der 3. Person (vgl. Alaura und Bonechi 2012: 28 für das mesopotamische Vorbild).

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142

Textmuster der Strukturelemente

4.2 Ausführungssichernde Bitten Wie oben in Kapitel 3.3.2 dargelegt, gibt es im Wesentlichen zwei Typen Ausführungssichernder Bitten in den persönlichen Gebeten der Hethiter: die Bitte um Offenbarung und die Bitte um das Überleben der Opferpriester. Die Erstgenannte tritt zum ersten Mal in mittelhethitischer Zeit in CTH 373, Kolon 41–52, sowie später stark zerstört in der junghethitischen Version CTH 372, Kolon 108–119, auf. Aus der Mitte der langen Passage sei hier ein Ausschnitt wiederholt, der in ähnlicher Form mit jeweils anderen Offenbarungsformen und mit ansteigendem Umfang dreimal hintereinander auftritt – zusätzlich variiert durch adverbiale Bestimmungen und die Änderung der Reihenfolge der einzelnen Bestandteile (s. dazu Kapitel 5.3.2): (49)

CTH 373, Kolon 44–47 44 45 46 47

naššu=mu DINGIR=YA zašḫeya mēmau nu=mu=z(a) DINGIR=YA ŠÀ=ŠU kinuddu [nu=mu wašd]ul=mit tēddu n=e=z=(š)an ganešmi

„Entweder soll mein Gott zu mir im Traum sprechen! Mein Gott soll mir sein Innerstes offenbaren! Er soll [mir] meine [Vergeh]en benennen, so dass ich sie erkenne!“ Es handelt es sich zunächst um die recht getreue Übertragung eines sumerischen Vorbilds (s. Metcalf 2015a: 43–8), die sich allerdings im Zuge der Adaptierung an das hethitische religiöse Umfeld in CTH 376.1, Kolon 85–89, und CTH 378.2, Kolon 159–160, 168–173, 175–179, weiter vom sumerischen Text entfernt. Aus dem Vorbild stammt nicht nur der Inhalt, sondern auch die refrainartige Wiederkehr des letzten Kolons. Der sumerischen Vorlage ist desweiteren geschuldet, dass anfangs der persönliche Gott, der Innerstes und Seele offenbaren soll, in den Ausführungssichernden Bitten in der 3. Person genannt wird – in gleicher Weise wie die Seherin und der Orakelpriester, die die Offenbarung der Gottheit weitergeben sollen. Damit unterscheiden sich die Ausführungssichernden Bitten von den prototypischen Stützbitten und Zentralen Bitten, in denen der Adressat in der 2. Person erscheint. Sonst aber gleichen sich die morphologischen Ausdrucksformen der Prädikate der drei Arten von Bitten, d. h. die Verben stehen im Imperativ und sind aspektuell unmarkiert. Die Nennung des Sprechers wird in jedem Kolon durch pronominale Formen (=mu „mir“, ammel „mein“, =mit „mein“) realisiert. Der Adressat, der hier in der 3. Person auftritt, wird in jedem der drei Teile der Offenbarungsbitte genannt (DINGIR=YA). Der Partikelgebrauch entspricht dem Üblichen, indem der Schritt von den vorhergehenden generischen Aussagen zur aktuellen Gegenwart durch kinun „jetzt“ (CTH 372, Kolon 108) erfolgt, našma die Alternativen einleitet und sonst nu steht. Das letzte Kolon (n=e=z=(š)an ganešmi), das dem vorangehenden zwar nicht syntaktisch, aber inhaltlich untergeordnet ist, enthält dagegen ein Verb in der 1. Person und wird ohne Varianz formelhaft wiederholt.

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Ausführungssichernde Bitten

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Von diesen formalen Eigenschaften bleibt in späteren Offenbarungsbitten nur wenig bestehen: die Partikel našma zur Markierung der alternativen Offenbarungswege und die Möglichkeit, die Bitte um Offenbarung durch die Götter in der 3. Person auszudrücken, vgl. Beispiel (50):54 (50)

CTH 378.2, Kolon 176 176 nu=z(a) DINGIRmeš BELU meš =YA parā ḫandandatar tikkušnuwandu „Die Götter, meine Herren, sollen ihr göttliches Walten zeigen!“

Daneben existiert aber auch schon die für Bitten eigentlich typische Aufforderung in der 2. Person – vgl. Beispiel (51) aus demselben Text – und sogar die 1. Person – Beispiel (52): (51)

CTH 378.2, Kolon 159–160 159 našma=kan mān [amm]uk=ma kwitki šarnikziel ḫanti išḫiyattēni 160 [n=a]t=mu tešḫaz memiešten „Oder falls ihr [mi]r aber irgendetwas als Entschädigungsopfer gesondert auferlegt, sagt [e]s mir durch einen Traum!“

(52)

CTH 378.2, Kolon 169 169 n=at=z(a)=kan naššu tešḫit uwallu … „(dann) möchte ich das entweder durch einen Traum erkennen …“

Nur implizit ist die Bitte in der indikativischen Aussage über den reinen Schlaf der Priester enthalten (CTH 378, Kolon 172–173). Eine weitere Neuerung der jüngeren Texte besteht in der vorangestellten Themenangabe durch Relativ-, mān- und kwitSätze (CTH 376.1, Kolon 85; CTH 378.2, Kolon 159 und 168; CTH 382, Kolon 98–99 und 135–136), wie sie im eben zitierten Beispiel (51) zu beobachten ist. Schließlich darf man vermuten, dass der Refrain n=e=z=(š)an ganešmi „so dass ich sie erkenne“ durch kurz gefasste andere Strukturelemente wie Zentrale Bitten, Stützbitten oder Zusagen von Korrekturmaßnahmen ersetzt worden ist. Zumindest folgen diese den Bitten um Offenbarung. Der zweite Typ Ausführungssichernder Bitten, derjenigen um das Überleben der Opferpriester, kommt in den Pestgebeten Muršilis dreimal in drei verschiedenen Varianten vor, die sich durch die Einbettung in den Kontext oder Zusätze unterscheiden (CTH 378.1, Kolon 133–135; CTH 378.2, Kolon 128–129 und 165–167). Der gemeinsame Nenner besteht in einem vorangestellten Relativsatz, der die wenigen verbleibenden Wein- und Brotopferer vorerwähnt, und der Bitte, dass sie nicht sterben mögen: • (=šmaš „euch“) + =kan + Nom. Pl. von (kā-) kui- + Nom. Pl. der Opferer (+ tepaweš „wenige“) + ašanzi „sind“/aššanzi „verbleiben“ + n=at lē (namma) akkanzi „sie sollen nicht sterben!“ 54 Weitere Belege sind CTH 382, Kolon 98–101, 132–138, deren Aussagekraft aber angesichts des idiosynkratischen Gebrauchs der Personenkategorie in diesem Text nicht sehr hoch ist.

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Textmuster der Strukturelemente

Der Unterschied zwischen den Bitten der Bittpassage und den Ausführungssichernden Bitten besteht also einerseits in ihrer Funktion, die Bittpassage direkt oder indirekt über die Zusage von Korrekturmaßnahmen zu stützen, und andererseits auf formaler Ebene durch den vermehrten Gebrauch von Prädikaten in der 3. Person. Hinzu kommt im Falle der Offenbarungsbitten die rhetorische Ausgestaltung, die zum Teil ihren Ursprung in der sumerischen Vorlage gehabt hat. Darüber hinaus ist aber festzustellen, dass das Prinzip der Variation außerhalb der sehr kurzen Formeln n=e=z=(š)an ganešmi „so dass ich sie erkenne“ und n=at lē (namma) akkanzi „sie sollen nicht sterben!“ vorherrscht. Durch Zusätze von Adverbialangaben und explizierenden Kola, durch unterschiedliche Lexeme und die Veränderung der Reihenfolge von Kola wird die Gleichheit der Bitten vermieden.

4.3 Deklarationen Die Deklarationen erfüllen drei Funktionen, indem sie erstens die gerade stattfindende Interaktion zwischen Sprecher und Adressat als den Akt des Gebets erläutern, zweitens ihm Nachdruck verleihen und drittens als Akt der Verehrung die Motivation der Gottheit erhöhen, die vorgetragene Bitte zu erfüllen. Für die Analyse der deklarativen Passagen sind die folgenden Typen zu unterscheiden: die Deklarationen, die auf den gesamten Gebetssprechakt hinweisen, die Gruppe der Deklarationen einzelner Gebetsgesten und -äußerungen oder einzelner Ritual- und Opferhandlungen und die Deklarationen ganzer Rituale oder Opfer. Die Unterschiedlichkeit ist nicht nur inhaltlich bedingt, sondern sie zeigt sich auch formal in Frequenz, Position und Zeitraum ihres Auftretens. Zunächst sollen diejenigen Deklarationen im Zentrum der Betrachtung stehen, die auf den gesamten Gebetssprechakt hinweisen, beginnend mit den älteren aus den Sonnengottgebeten CTH 372–374, dann die Falldarlegungsdeklaration aus CTH 375 und schließlich diejenigen aus CTH 376–384.55 In den Sonnengottgebeten CTH 372–374 sind die betreffenden Deklarationen des Gebetssprechakts an den Sonnengott wie in Beispiel (53) und in Beispiel (54), Kolon 52, sehr einfach gehalten: (53)

CTH 374, Kolon 47 47

nu=tta memiškemi

„und zu dir spreche ich (jetzt):“ (54)

CTH 372, Kolon 50–52 50

nu kwitman mieyawaš=teš ḫalkin karip[p]anzi

55 Die Deklarationen, die ausschließlich in der Einleitenden Kontextualisierung auftreten, also Deklarationen der Herbeirufung (muga(e)-) und der Lösung (lā-, lā(e)-), werden im betreffenden Kapitel 4.11 behandelt.

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Deklarationen

51 52

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zig=a d UTU-uš ḫwēš nu=tta kāša LÚ.NAM.U19 .LU ARAD=K [A] uttar memai

„Und solange deine Vier die Gerste fres[s]en: – du aber, Sonnengott, lebe! – zu dir spricht der Mensch hier, dei[n] Diener, ein Wort.“ Die Deklarationen sind auf ein einziges Kolon beschränkt und besitzen die folgenden Merkmale: • Die Referenz auf den angesprochenen Sonnengott erfolgt allein durch das enklitische Personalpronomen der 2. Person Sg. -tta. • Der Sprecher (König; Kantuzili; etwas ausführlicher in CTH 372: der Mensch, dein Diener) wird explizit genannt. • Für die Prädikation gibt es zwei Möglichkeiten: – Sie besteht in einer präsentischen imperfektivischen Form des Verbs mema„sprechen“ in der 1. oder 3. Person Sg. (Beispiel 53) in absolutem Gebrauch. – Sie enthält ein Verb in der neutralen, nicht-imperfektivischen Form der 3. Person Sg. (Beispiel 54). Im diesem Fall geht die perfektive Funktion des Verbs mit dem Gebrauch eines direkten Objekts uttar „Wort“ sowie dem vorgeschalteten Temporalsatz (Kolon 50) mit imperfektiver Semantik einher. Das entspricht hinsichtlich der internen temporalen Struktur der Sachverhalte einem übereinzelsprachlich typischen Muster. • Der Deklaration der Gebetssprechakte geht immer auch die vorbereitende Deklaration einer einzelnen Gebetsgeste bzw. -äußerung oder einer einzelnen Ritualhandlung voran (z. B. CTH 374, Kolon 2, 38, 47). Dabei kann es sich um eine Verneigung (CTH 372, Kolon 12) handeln, eine Anrufung (CTH 373, Kolon 70) oder um das Getreideopfer für das Pferdegespann mit der angeschlossenen Bitte um seine Annahme (vgl. CTH 374, Kolon 1 [fast ganz zerstört], 35–37, 46). Ein auffälliger Unterschied zwischen den vorbereitenden Deklarationen der Geste und den von ihnen vorbereiteten Deklarationen der Gebetssprechakte besteht darin, dass die Erstgenannten stets im Präteritum formuliert sind (aruwanun und aruwā[e]t,56 ḫalziḫḫun, šuḫḫaš). • Wenigstens eine der beiden Deklarationen von Gebetssprechakt und Gebetsgeste/Ritualhandlung enthält die Partikel kāša zur Markierung des Sprecherbezugs. Im Gegensatz dazu ist in den Teilgebeten, die sich an den persönlichen Gott richten, die Deklaration des Gebetssprechakts allein inmitten der Klage eingefügt und hat vor allem die Funktion, der Äußerung Nachdruck zu geben. Die Partikel kāša zur Markierung des Sprecherbezugs erscheint nicht und der Adressat wird im Vokativ oder Dativ/Lokativ 56 Die Frage, welcher Natur der Gebetsgestus genau ist – ein Niederwerfen oder eine Verneigung – ist für die vorliegende Fragestellung nicht von Bedeutung.

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Textmuster der Strukturelemente

(ggf. mit dem selbstständigen Personalpronomen tuk „dir“) explizit genannt. Besteht das Prädikat in einer imperfektivischen Verbalform von mema- „sprechen“, enthält der Satz kein lexikalisches Objekt, sondern referiert mit -at „es“ auf das zuvor Gesagte. Er wirkt wie ein idiomatischer Ausdruck, der aus der zwischenmenschlichen Kommunikation in die Interaktion zwischen Mensch und Gott übertragen wurde, vgl. Beispiel (55): (55)

CTH 373, Kolon 88 94

n=at šiyuni=mi tuk mēmiškemi

„Mein Gott, ich sage es dir (jetzt).“ Alternativ tritt an die Stelle des allgemeinen Hinweises auf das Sprechen auch die spezifischere Angabe des Rufs nach Gnade, gleichfalls mit imperfektivischem Verb (du(wa)ddu ḫalzišša- „‚Gnade!‘ rufen“) und mit expliziter Nennung des Adressaten (CTH 374, Kolon 72; CTH 373, Kolon 94; CTH 372, Kolon 155). Vom eben beschriebenen Textmuster weicht eine der belegten Deklarationen für Gebetssprechakte funktional deutlich ab, weil sie sich als Teil der Bitte um Vermittlung inhaltlich nicht auf die Vermittlungsbitte selbst, sondern auf das Zentrale Gebet bezieht. Die Passage stammt aus CTH 373, Kolon 72–74:57 (56)

CTH 373, Kolon 72–74 72 73 74

[nu=ddu]=z(a)=šta k[āša] mēmiškemi § UTU-i išḫā=mi kāša=z m kan(tuzil)iš DINGIR=YA daššanuškē[mi] [nu=mu DINGI]R=YA ištamašdu

d

„Ich h[ier] sage [dir] (jetzt): § Sonnengott, mein Herr, ich hier, Kantuzili, stärk[e] für mich meinen Gott (gerade). Mein [Got]t soll [mich] hören!“ Es handelt sich also nicht um eine motivationsstützende Information für den Sonnengott, die ihn selbst betrifft, sondern lediglich um eine Klärung, die ihm die Vermittlungsbitte erläutert. Interessant ist nun, dass das verwendete Lexem ein anderes ist. Es geht nicht um den Gebetssprechakt selbst (mema- „sprechen“ und du(wa)ddu ḫalzišša- „‚Gnade!‘ rufen“), sondern um den Effekt des Sprechakts, die Erhöhung (daššanu- „stärken“). Immerhin wird aber das Imperfektivum gewählt und zusätzlich ist mit der Nennung des angesprochenen Gottes und der Partikel kāša der Anklang an das übliche Textmuster deutlich. Die einzige Deklaration, die in CTH 375 erhalten ist (Kolon 26–30), entspricht in Position und Funktion einer abschließenden Deklaration der Einleitenden Kontextualisierung der späteren Gebete (s. Kapitel 4.11). Sie ist aber – soweit der stark zerstörte Kontext eine Aussage zulässt – ganz anders und weit aufwändiger ausgestaltet: 57 Der Beleg bietet gleichzeitig ein gutes Beispiel für die Technik der Überleitung, die in Kapitel 3.4 näher beschrieben wird.

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Deklarationen

(57)

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CTH 375, Kolon 26–30 26 27 28 29 30



KÚR-[ … ]=ma māḫḫan KUR uru ḫatti [ … ] [ … ] KUR-e šaruwēr n=at=z(a) dāer n=at [ … ] šumāš ANA DINGIRmeš memiškewani=pat nu=šmaš=š[a]n DINAM arnuškewani

„Wie die Feind[e … ] aber das Land Ḫatti [ … und … ] das Land plünderten, (wie) sie es sich nahmen, das sagen wir [ … ] euch, den Göttern, (gerade) und bringen es euch (gerade) als Rechtssache vor.“ Die Gebete seit der Zeit Muršilis unterscheiden sich in Bezug auf die Deklarationen zum Gebetssprechakt58 grundlegend von ihren Vorläufern aus den Sonnengottgebeten, indem sie im Allgemeinen nicht wie diese zwischen verschiedenen Adressaten unterscheiden und nicht strikt zwischen der Deklaration des gesamten Gebetssprechakts und derjenigen einzelner Gebetsgesten und -äußerungen trennen. Sie sind auch nicht auf ein einziges Kolon beschränkt. Stattdessen wechselt das syntaktische Muster beständig und spiegelt die Art der Einbettung in den Kontext (innerhalb oder außerhalb der Einleitenden Kontextualisierungen) wider. Folgende Gestaltungsmöglichkeiten sind belegt: • Der deklarative Hinweis erfolgt unmittelbar zuvor über die Herbeirufung oder die Lösung des Zorns (mit angeschlossener Kooperationssichernder Bitte), während die Proposition über die Falldarlegung selbst nicht als Deklaration formuliert ist, sondern der folgenden Bitte um Gehör syntaktisch als Relativsatz untergeordnet wird (CTH 376.1, Kolon 14 [stark zerstört], und mit Wiederaufnahme des Relativsatzes in Kolon 63–65; CTH 377, Kolon 14–16). In CTH 382 wird diese Struktur durch Kolon 22–23 und Kolon 24–26 gedoppelt, indem zuerst allein die Falldarlegung Erwähnung findet, dann aber die Ankündigung der Lösung des Zorns und der Falldarlegung zusammengefasst und als Adverbialsatz syntaktisch untergeordnet werden. • Der deklarative Hinweis erfolgt für die Falldarlegung selbst und wird anschließend in einem Relativsatz wieder aufgegriffen, der der folgenden Bitte um Gehör syntaktisch untergeordnet ist (CTH 378.1, Kolon 2–4). • Eine Kombination aus beidem findet sich in CTH 378.4, Kolon 2–6, indem der Relativsatz einen vorangegangenen deklarativen Hinweis auf die Ritualhandlung (aruwa(e)-) aufnimmt und durch die Angabe kwedāni memiyani „in welcher Angelegenheit“ den Bezug auf den Inhalt des Gebetssprechakts herstellt. Der Relativsatz ist wieder der Bitte um Gehör untergeordnet. 58 Es handelt sich um CTH 376.1, Kolon 14 (stark zerstört) und 63–65; CTH 377, Kolon 14–16; CTH 378.1, Kolon 2–4; CTH 378.2, Kolon 90–94, 130 und 162; CTH 378.4, Kolon 2–6; CTH 381, Kolon 14–23, 100 und 112; CTH 382, Kolon 22–26.

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Textmuster der Strukturelemente

• In dem Sonderfall CTH 381 („framework for a prayer“ nach Singer 1996: 147f.) ist die Erwähnung des arkuwar zunächst als Objekt der Bitte um Gehör syntaktisch untergeordnet, dann aber erfolgt in einer eigenständigen Illokution die ausführliche Beschreibung des Vorhabens, an die sich die Bitte um Gehör anschließt (CTH 381, Kolon 14–23). • Mehrere Deklarationen von Gebetssprechakten, die nicht Teil der Einleitenden Kontextualisierung sind (CTH 381, Kolon 100, 112; CTH 378.2, Kolon 130, 162), bieten das einfachste Muster mit einem bloßen deklarativen Hinweis auf die Falldarlegung vor der anschließenden Bitte. Es handelt sich bei diesen jeweils schon um die zweite und dritte Deklaration innerhalb des Gesamttextes. Auch die Deklaration des Gebetssprechakts in CTH 378.2, Kolon 90–93, weist dieselbe Kürze auf, obgleich sie die erste des Gebets ist. Sie folgt aber der Falldarlegung und ist an diese durch einen zusammenfassenden Adverbialsatz angeschlossen. Wie üblich kommt danach eine Bitte. • Ein Bruch mit diesem sehr variabel gestalteten Textmuster ist für die Gebete unter Ḫattušili zu verzeichnen. In den beiden Deklarationen des Gebetssprechakts aus CTH 383.1 und CTH 384.1, die jeweils die ersten und einzigen des Textes sind, fehlt ein Anschluss nach oben, der über die Setzung der Partikel nu hinausginge. Hier ist vielmehr der reihende Stil der Sonnengottgebete wieder aufgegriffen. Trotz der syntaktischen Vielfalt, die sich aus der unterschiedlichen Einbettung in den Kontext und die dadurch notwendigen kohärenzstiftenden Ausdrucksmittel ergibt, sind es auch hier immer wieder dieselben – jetzt meist optionalen – Elemente, die zusammengefügt werden. Gegenüber den Sonnengottgebeten CTH 372–374 steigt der Grad an Explizitheit. Dieselbe Tendenz spiegelt sich auch auf der lexikalischen und morphologischen Ebene wider. Dabei werden die oben aufgeführten Merkmale für die Teilgebete an den Sonnengott und persönlichen Gott durchaus kombiniert: • Häufig tritt die Partikel kāša zur Markierung des Sprecherbezugs auf, entweder im Hinweis auf die Falldarlegung selbst (so in CTH 376.1, Kolon 12; CTH 377, Kolon 12) oder in der unmittelbar vorangegangenen Herbeirufung. Dieses Merkmal war zuvor in den Teilgebeten an den Sonnengott aufgetreten. Die Partikel erscheint dagegen nicht in CTH 381, Kolon 112 (Vermittlungsgebet an den Wettergott piḫaššašši), in CTH 383.1, Kolon 8, und in CTH 384.1, Kolon 58, ganz wie dies für die Teilgebete an den persönlichen Gott festzustellen war. • Der explizite Hinweis auf den Sprecher (auch ein Merkmal der Teilgebete an den Sonnengott) kann außer durch den bloßen Gebrauch einer Verbalform in der 1. Person Sg. (CTH 377, Kolon 14) einerseits durch die Verwendung des Personalpronomens der 1. Person -mu, ammuk, ammel (CTH 378.1, Kolon 2; CTH 381, Kolon 14, 100, 112) geschehen, andererseits durch die Nennung des Namens, der mit und ohne Titulatur (Majestät, König, Herr der Länder) auftritt und dem gelegentlich auch Appositionen zur Beschreibung der Beziehung zwischen

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Deklarationen

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betendem Menschen und angesprochener Gottheit (euer Priester, euer Diener) hinzugefügt werden. Muwatalli misst dem offenbar eine große Wichtigkeit bei, denn er baut in CTH 381, Kolon 12–13, in die Anrede an die Götter sogar eigens eine Art Selbstvorstellung ein und beschreibt die Beziehung in Kolon 100 und 112 durch ungewöhnlich lange Appositionen. • Bei der Nennung des Adressaten sind die Gottheiten stets mit Namen bzw. in ihrer Gesamtheit als DINGIRmeš angesprochen, oft zusammen mit der sozialdeiktischen Apposition EN(MEŠ) =YA „mein Herr, meine Herren“. Dies war zuvor für die Teilgebete an den Sonnengott typisch gewesen. Eine Nennung unterbleibt jedoch in CTH 383.1, Kolon 8. • Die für die Proposition verwendeten Prädikate sind entweder (uddār) mema„(Worte) sprechen“, memiyani arwa(e)- „sich in einer Angelegenheit niederbeugen“, duddu ḫalza-/i(ya)- „‚Gnade!‘ rufen“, ḫaliḫla- „niederknien“ oder arkuwar iye/a„eine Falldarlegung machen“ und arkuwa(e)- „seinen Fall darlegen“. Während die drei ersten auch in den Teilgebeten an den Sonnengott bzw. an den persönlichen Gott vorkommen, ist der Ausdruck des Falldarlegens (arkuwa(e)- bzw. arkuwar iye/a-) eine junge Erscheinung. • Der Modus ist stets der Indikativ. Hinsichtlich des Tempus variieren die Texte zwischen dem imperfektivischen Präsens und dem Präteritum. Der Tempusgebrauch steht anscheinend in engem Zusammenhang mit der Performanz des Gebetssprechakts. Durch die imperfektivischen Präsensformen wird in einer explizit performativen Äußerung mit progressiver Lesart59 auf die sich gerade vollziehende Falldarlegung verwiesen.60 Von den Präteritalformen ist das in CTH 378.4, Kolon 2–6, verwendete Verb kein Verbum dicendi, sondern beschreibt die rituelle Handlung des Sich-Niederbeugens, die vor dem eigentlichen Gebet stattgefunden haben dürfte. Dies ist sicher eine Reminiszenz an das Merkmal der Sonnengottgebete, dass die Deklarationen des Gebetssprechakts an den Sonnengott durch eine die Deklaration einer einzelnen Gebetsgeste vorbereitet werden. Im zweiten Fall aus CTH 383.1, Kolon 8, und CTH 384.1, Kolon 58, kann sich die Prädikation auf den vorbereitenden Akt der Abfassung des Textes beziehen.61 Diese Interpretation, die von einem inhaltlich gesteuerten Tempusgebrauch ausgeht, bestätigt sich durch Kombination beider Ausdrucksweisen in CTH 378.1: 59 Hier und im Folgenden wird im linguistischen Sinne unter „Lesart“ die kontextbezogene inhaltliche Interpretation einer mehrdeutigen formalen Kategorie verstanden. So könnte eine imperfektivische Präsensform des Hethitischen prinzipiell progressiv, durativ, iterativ, distributiv, habituell etc. „gelesen“ werden, so dass es der Kontext ist, der die Entscheidung für eine Interpretation oder „Lesart“ erlaubt. 60 Die Ausnahme eines Präsens ohne Imperfektivsuffix aus CTH 381, Kolon 1–26, entspricht genau der Funktion der Textpassage, in der die geplanten Vorhaben des Lösens und der Falldarlegung noch angekündigt werden (vgl. Singer 1996: 147f.). Die Lesart ist hier also zukunftsbezogen. 61 Es ist unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um einen ganz isolierten Fall der Nachahmung des sogenannten Koinzidenzfalls im Akkadischen handelt, bei dem der explizit performative Sprechakt im Präteritum steht, vgl. CTH 383.1[181–6]mayer1976.

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Textmuster der Strukturelemente

CTH 378.1, Kolon 2–4 2 k[ā]ša=šmaš ammuk m muršiliš lú SANGA=KUNU ARAD=KUNU arkuwānun 3 nu=šmaš=z(a) arkuwar kwedani memi[y]anni šēr ēššaḫḫi 4 nu=mu DINGIRmeš ENmeš =YA mem[iy]an=mi[t … ] „Ich h[ie]r, Muršili, euer Priester, euer Diener, habe euch den Fall dargelegt. Wegen welcher Angelege[n]heit ich euch (gerade) meine Falldarlegung mache, [hört] meine Angeleg[en]heit, (ihr) Götter, meine Herren!“

Kolon 2 nimmt offensichtlich mit arkuwānun auf den vorangegangenen Akt der Herstellung des arkuwar Bezug, da zu Beginn des Textes außer der Anrede kein weiterer Sprechakt stattgefunden hat. Kolon 3 referiert dagegen mit dem Imperfektivum des Präsens arkuwar ēššaḫḫi auf den laufenden Sprechakt. Ein inhaltlicher Unterschied zwischen arkuwa(e)- und arkuwar iye/a- ist indessen nicht erkennbar. Es zeigt sich, dass der Ausdruck für die Falldarlegungsdeklarationen kaum einem festen Muster folgt. Die Standardisierung nimmt eher ab als zu. Noch stärker gilt dies für die Deklarationen ganzer Opferrituale, die erst in junghethitischer Zeit ohne mesopotamische Vorbilder geschaffen worden sind. Obgleich die fünf Belege in Gebeten ein und desselben Königs und anlässlich desselben Problems entstanden sind, lässt sich kein spezifisches Textmuster feststellen. Aufgrund der funktionalen und situativen Parallelität zu den Falldarlegungsdeklarationen gibt es aber Anklänge. Eine dreifache Deklaration ganzer Opferrituale ersetzt in der Gebetsmitte des Pestgebets CTH 378.1 die Falldarlegungsdeklaration; in CTH 378.2 ist die Falldarlegungsdeklaration um eine gedoppelte Opferdeklaration ergänzt. Wie in den Falldarlegungsdeklarationen tritt mehrfach, aber nicht konstant die Partikel kāša auf, die Verben erscheinen meist, aber nicht immer in der Imperfektivform mit -ške/a-Suffix und die syntaktische Einbettung variiert je nach den inhaltlichen Notwendigkeiten. Von den Partizipanten Agens, Patiens und Rezipient sind keiner, einer, zwei oder alle drei pronominal bzw. lexikalisch ausgedrückt. Ebenso ist die Vielfalt der Lexeme groß, auch wenn die Entschädigung natürlich eine besonders wichtige Rolle spielt: šarni(n)k- „entschädigen“, šarnikzieliye/a- „Entschädigung leisten“, pe-/pai-/pi(ya)- „geben“, SÍSKUR iye/a- „ein Ritual ausführen“, parkuwa- „die Verpflichtung erfüllen“ und lā-, lā(e)- „lösen“. Zieht man die Opferdeklaration aus CTH 382, Kolon 94, hinzu, erweitert sich das Spektrum, da diese – ausgedrückt durch das Verb šippant- „beopfern“ – in die Anrede eingebaut ist und damit in einem ganz anderen Kontext steht. Wieder anders verhält es sich mit den Opferdeklarationen in CTH 380.1, in denen jeweils das offenbar anwesende Opfer der Gottheit Lelwani präsentiert wird (Verb uppa- „schicken“ im Präteritum). Dem Gestaltungswillen sind hier in der junghethitischen Periode offensichtlich keine Grenzen gesetzt, die sich aus einem tradierten Textmuster ergäben.

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Negative Konsequenzen göttlichen Handelns

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4.4 Negative Konsequenzen göttlichen Handelns Die Darstellung der negativen Konsequenzen, die sich für die Götter selbst aus ihrem eigenen Tun zukünftig ergeben können, bildet in den Gebeten Muršilis ein wichtiges argumentativ-rhetorisches Mittel, um die Götter zur Beendigung der Seuche zu bewegen. Die Sorge des Betenden gilt in CTH 376.1, Kolon 80–81, gleichzeitig auch der Abwehr eines potenziellen Vorwurfs seitens der Götter, die das Ausbleiben der Opfer den Menschen zur Last legen könnten (ebenso in CTH 378.3, Kolon 30–35): (59)

CTH 376.1, Kolon 80–81 80 nu wezzi ANA DINGIRmeš NINDA.GUR4 .RAḪI.A dug išpant[uzz]i UDU auliušš=a karšandari 81 nu=nnaš uwatteni DINGIRmeš apēdani uddānī wašduli ḫarteni „Später werden für die Götter Dickbrot, Guss[opf]er (und) Schlachtopfer unterbleiben. Uns werdet ihr, Götter, später in jener Angelegenheit für ein Vergehen (fest)halten.“

Aus der Funktion des Strukturelements erklärt sich seine Positionierung zwischen der Darlegung der Entstehung der Seuche und ihrer bisherigen Folgen für das Land einerseits und der Bittpassage andererseits. Das Voranschreiten auf der Zeitachse von der Darlegung des Geschehens zu den negativen Konsequenzen wird meist durch nu markiert,62 aber es kommen auch andere eindeutigere Ausdrucksmittel hinzu: • Serialisierungskonstruktionen mit we-/uwa- „kommen“, die den zeitlichen Abstand zum vorangegangenen Sachverhalt und eine konsekutive semantische Beziehung zu diesem zum Ausdruck bringen (vgl. Rieken 2010 und van den Hout 2003: 197–9) in CTH 376.1, Kolon 80–82; CTH 378.3, Kolon 34, • vorangestellte, mit mān „wenn“ markierte konditionale Nebensätze mit Zukunftsbezug und neutraler epistemischer Modalisierung („Eventualis“) in CTH 378.1, Kolon 125–127; CTH 378.3, Kolon 30–33; CTH 378.4, Kolon 88–90, • namma „ferner, (nach Negation nicht) mehr“ in CTH 378.1, Kolon 125–127. Damit unterscheidet sich die Wahl der Ausdrucksmittel für den Fortschritt auf der Zeitachse in der Darstellung der negativen Konsequenzen göttlichen Handelns von derjenigen der positiven Konsequenzen (s. Kapitel 4.6) recht deutlich. Für die negativen Konsequenzen, die die Götter selbst betreffen, erfolgt erwartungsgemäß die Nennung der göttlichen Adressaten fast durchgehend explizit als DINGIRmeš (Ausnahme CTH 378.1, Kolon 81: -šmaš). Die Sachverhaltsbeschreibungen enthalten Prädikate mit intransitiven 62 Allein in CTH 378.3, Kolon 30, wo vor der Darstellung der negativen Konsequenzen bereits eine Bitte um die Übertragung der Seuche ins Feindesland geäußert und danach eine neuerliche Bitte desselben Inhalts angeschlossen wird, verwendet der Verfasser für den inhaltlichen Kontrast zwischen der Bitte und den negativen Konsequenzen adversatives -ma anstelle von nu.

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Textmuster der Strukturelemente

Verben (akk-/ek- „sterben“, arḫa ḫark- „zugrunde gehen“) oder solche im Mediopassiv (kars-tari „hört auf“), die keinen menschlichen Agens mit Kontrolle aufweisen, oder aber der menschliche Agens ist negiert und indefinit (UL kwiški kwitki pāi „nicht irgendeiner gibt irgendetwas“). Dem gegenüber fungieren in der Beschreibung der negativen Konsequenzen für die Menschen die Götter als der kontrollierende Agens. Darüber hinaus lässt sich trotz der ähnlichen Inhalte eine Standardisierung auf der formalen Ebene in der Beschreibung der Sachverhalte nicht feststellen: Die schlechten Voraussetzungen für die negativen Konsequenzen erscheinen sowohl syntaktisch untergeordnet in Konditional- und Relativsätzen als auch koordiniert als voranstehende Hauptsätze. Die negative Konsequenz selbst wird in bis zu drei kurzen Sätzen vermittelt, die mit Aussagen, Fragen (CTH 378.4, Kolon 90 und 94) und eingebetteten direkten Reden (CTH 378.3, Kolon 34–35) eine erstaunliche Vielfalt an den Tag legen. Dementsprechend sind bei den Verben alle Personen, Numeri und Diathesen vertreten sowie nicht-imperfektivische Formen und lexikalisch imperfektivische Verben (ḫark- „halten“, CTH 376.1, Kolon 80–81; CTH 378.3, Kolon 34). Der Gedanke, den mächtigen Göttern die negativen Konsequenzen ihres eigenen Handelns vorzuhalten, ist alt und liegt letztlich auch der Klage über menschliches Leid zugrunde. Dass man die Konsequenzen, die sich auch gegen die Götter selbst richten, argumentativ nutzt, ist für die Hethiter bereits in mittelhethitischer Zeit belegt, wo das Königspaar nach einer entsprechenden Deklaration eine lange Klage über den schlechten Zustand des Kultes äußert (CTH 375.1, Kolon 31–85). Diese hat jedoch als Teil der Falldarlegung einen anderen Status und ist auch formal – schon durch ihren erheblichen Umfang und ihren generischen Charakter – vom eben beschriebenen Strukturelement der negativen Konsequenzen göttlichen Handelns verschieden. Man wird die Passage aus CTH 375.1 daher wohl nicht als einen Vorläufer derselben in Anspruch nehmen können.

4.5 Gelübde Gelübde enthalten das Versprechen einer materiellen Gabe des Betenden an die Gottheit. Sie sind in den persönlichen Gebeten der Hethiter auf vier Belege in CTH 384.1, dem Gebet Puduḫepas an die Sonnengöttin von Arinna, beschränkt. Doch gibt es zahlreiche weitere Belege in den Votivtexten, die de Roos (2007) in seiner Ausgabe vorgelegt hat. Er definiert die Gelübde folgendermaßen: „The distinguishing feature of all vows is the promise to a deity of certain performances or of objects, persons or animals if, in exchange, the deity fulfills the wish expressed by the person making the vow. For example: ‚if you do …, then to you, O god, I will give …‘“ (de Roos 2007: 3)

Damit ist bereits der entscheidende formale Unterschied der Gelübde gegenüber der Darstellung der positiven Konsequenzen göttlichen Handelns benannt, nämlich der durch mān „wenn“ markierte Konditionalsatz im Indikativ Präsens und der Matrixsatz in

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Positive Konsequenzen göttlichen Handelns

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der 1. Person Sg. des Indikativ Präsens, der das Versprechen enthält. Dabei greift in den Gebeten – anders als in den Votivtexten – der Konditionalsatz regelmäßig eine Zentrale Bitte aus dem vorhergehenden Kontext auf. Der Matrixsatz wird mit der Partikel nu angeschlossen. Eine zusätzliche Markierung der Nachzeitigkeit des Matrixsatzsachverhalts gegenüber dem Konditionalsatzsachverhalt kommt dagegen nur einmal durch die Serialisierungskonstruktion mit we-/uwa- „kommen“ in CTH 384.1, Kolon 119, zum Ausdruck. Auffallend ist, dass die Gottheit, der zuvor die Bedingung gestellt wird und die später die Votivgabe erhalten soll, zwar durchaus im Konditionalsatz direkt in der 2. Person angesprochen wird, nicht aber im Matrixsatz. Hier erscheint der Name der rezipierenden Gottheit im Dativ/Lokativ als selbstständiges Satzglied, nicht etwa als Apposition zu tuk „dir, für dich“, das nicht gebraucht wird. Dies ist tatsächlich entgegen der oben zitierten Angabe von de Roos die übliche Konstruktion, die auch in den meisten Gelübden der Votivtexte anzutreffen ist.63 Die eben beschriebenen formalen Merkmale sind sämtlich in dem folgenden Beispiel (60) vereint: (60)

CTH 384.1, Kolon 138–142 138 n=at ANA d IM ABI=KA [U ] ANA d UTU uru P[Ú-n]a AMA=K [A p]arā arnut 139 [nu=mu=k]an uwāi[nut] § 140 [nu m]ān d mezzu[llaš GAŠA]N=YA k[ē] AWAT [E ME ]Š [ANA d ]IM ABI=KA U [ANA] d UTU ur [u ]a[rinn]a] AMA=KA [parā a]rnuši 141 uwā[inuši=y]a 142 nu ANA d mezzulla GAŠAN=YA [ … I ]ŠTU NAM.RA ku-[ … ] peḫḫi „und [b]efördere sie weiter zum Wettergott, deinem Vater, [und] zur Sonnengöttin von A[rinn]a, dei[ner] Mutter, [und mache mich] bemitleidenswert! § [Und f]alls du, Mezzu[lla, meine Herrin], die[se] Wort[e dem] Wetter[gott], deinem Vater, und [der] Sonnengöttin von A[rinna], deiner Mutter, weiter beförderst [u]nd (mich) bemitle[idenswert machst], werde ich der Mezzulla, meiner Herrin, irgend-[ … ] zusammen mit Deportierten geben.“

4.6 Positive Konsequenzen göttlichen Handelns Die Darstellung der positiven Konsequenzen, die durch die Erfüllung der Zentralen Bitten seitens der Götter bewirkt werden, ist im hier untersuchten Korpus von der mittelhethitischen Periode (CTH 374) über Muršili (CTH 372, CTH 376.1 und CTH 380) bis Muwatalli (CTH 381 und CTH 382) belegt.64 Stets geht es um die Leistungen der Menschen für die Götter, also um die Opfergaben und die Vermehrung des göttlichen 63 Beleg für die recht seltenen Matrixsätze, in denen die Gottheit mit -tta/-ddu oder tuk „dir, für dich“ angesprochen wird, sind KUB 15.1 Vs. ii 2–3; KBo 41.59 Vs. ii? 12’; KBo 41.60 Vs. i? 6’. 64 Später, im Gebet Puduḫepas, tritt das Gelübde an ihre Stelle gegen Ende des Gebets nach einer Zentralen Bitte.

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Textmuster der Strukturelemente

Ruhms. Erst in den beiden Gebeten des Muwatalli werden am Ende der betreffenden Abschnitte auch umgekehrt die positiven Auswirkungen des Heilszustands auf die Menschen in die Darstellung einbezogen (CTH 381, Kolon 143–147, und CTH 382, Kolon 149). Der Umfang der Passagen ist in dieser Zeit größer als zuvor, wo man sich mit ein oder zwei Kola begnügt hatte. Das gilt vor allem für CTH 381, Kolon 127–147, mit einer ausführlich ausgestalteten Schilderung mit eingebetteten direkten Reden, die die positive Reaktion der Menschen und Götter auf die Preisung zum Inhalt haben. Wie im vorangegangenen Kapitel festgehalten, unterscheidet sich dieses Strukturelement vom Gelübde inhaltlich dadurch, dass der Betende hier keine Bedingung stellt und damit auch keine Kontrolle über die Realisierung der positiven Konsequenzen hat. Stattdessen liegt die Entscheidung allein bei der Gottheit: Nur wenn sie die Zentralen Bitten erfüllt, ist der Betende überhaupt in der Lage und berechtigt, die genannten Leistungen, d. h. Opfer und Preisung, zu erbringen. Aber daran, dass er dies dann tun wird, besteht kein Zweifel. Dieser inhaltliche Unterschied spiegelt sich in mehreren formalen Merkmalen wider, die über das Fehlen des für die Gelübde typischen Konditionalsatzes hinausgehen: • Der Anschluss an die vorangehende Zentrale Bitte geschieht stets durch die Partikel nu (zur sequenziellen Funktion mit konsekutiver Lesart s. Widmer 2009 mit weiterführender Literatur). • Das Voranschreiten auf der Zeitachse zwischen der Äußerung der Bitte und dem Eintreten des Heilszustands findet jedoch nicht selten einen expliziteren Ausdruck als nur die Partikel nu: – ein Prädikatsverb in der Konstruktion von Supinum des Imperfektivstamms mit Auxiliar tiye/a- „(hin)treten“ (CTH 372, Kolon 45, und sehr wahrscheinlich CTH 374, Kolon 33), – eine Serialisierungskonstruktion mit we-/uwa- „kommen“65 (CTH 380, Kolon 25–26 und 57–58; diese Konstruktion einmal auch in den Gelübden), – ein Zeitadverb zilatiya „in Zukunft“ (CTH 380, Kolon 25 und 57), – ein mit kuwapi markierter temporaler Nebensatz mit Referenz auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Zentralen Bitten (CTH 381, Kolon 128), – ein Prädikatsverb in einer Inchoativableitung mit -ēšš- (pankwēšzi „wird reichlich (werden)“ in CTH 382, Kolon 147). • Das Prädikatsverb steht anders als bei den Gelübden keineswegs immer in der 1. Person Sg. des Aktivs, sondern ist in Hinblick auf Person, Numerus und Diathese an die für die Darstellung des Heilszustands notwendigen Partizipanten und Sachverhalte angepasst. Tempus und Modus dagegen sind dieselben wie in den Gelübden: Es steht der Präsens Indikativ, allerdings eben nicht zum Ausdruck der Obligation, sondern zur Beschreibung der zukünftigen Sachverhalte. 65 Vgl. zur Funktion Rieken 2010 und van den Hout 2003: 195–9.

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Normen

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• Eine auffällige Besonderheit besteht darin, dass der göttliche Rezipient in allen Belegen overt genannt wird: entweder mit Namen oder aber mit dem betonten Personalpronomen und einer namentlichen Anrede bzw. Apposition. Diese genannten Merkmale werden durch Beispiel (61) aus CTH 380.1 repräsentiert, das in Kolon 56 eine Zentrale Bitte und in Kolon 57–58 die Darstellung der positiven Konsequenzen bei Erfüllung eben dieser Bitte enthält: (61)

CTH 380.1, Kolon 56–58 56 57 58

n=aš ḫattulešdu namma wezzi f kaššuliyawiyaš zilatiya tuk DINGIR-LAM walliškezzi ŠUM-ann=[a] t[uēl=pat] ŠA DINGIR-LIM memiškezzi

„Sie soll gesund werden! Dann wird später, in der Zukunft, Gaššuliyawia dich, die Gottheit, rühmen [und] d[einen], der Gottheit, Namen wird sie nennen.“

4.7 Normen Die Anführung von Normen zur Stützung einer Bitte zielt darauf ab, dass die angerufene Gottheit die dargestellte Norm wieder einhält und so ihre Handlungsweise zugunsten des Betenden verändert. Stets vermittelt die Bezugnahme auf die Norm die Notwendigkeit gerechten oder gnädigen und fürsorglichen Handelns seitens der Götter gegenüber den Menschen. Oft beruht die Darstellung der Norm auf einem nur impliziten Vergleich bzw. Kontrast, aus dem die Gottheit selbst die gewünschten Schlussfolgerungen ziehen soll, vgl. Beispiel (62): (62)

CTH 374, Kolon 54–59 54 55 56 57 58 59

DINGIR=YA šamnāeš=mu zik dandukišna[n] zik iyaš ug=a ANA DINGIR=YA kwit iyanun § lú DAM.GÀR LÚ-iš d UTU-i kattan GIŠ.ÉRIN ḫarzi nu GIŠ.ÉRIN maršanuzi ug=a ANA DINGIR=YA kwit iyanun

„Mein Gott, du hast mich erschaffen. Du hast (mich), den Sterblichen, gemacht. Ich aber, was habe ich meinem Gott getan? § Der Kaufmann, der Mensch, hält vor dem Sonnengott die Waage, und er verfälscht die Waage. Ich aber, was habe ich meinem Gott getan?“ Der großenteils implizite Argumentationsgang lautet: „Du hast mich erschaffen, also solltest du für mich auf die selbe Weise sorgen, wie Eltern dies normalerweise tun. Das tust du nicht, also bist du verärgert. Daher meine überraschte Frage: Was ist der Grund

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Textmuster der Strukturelemente

deiner Verärgerung? Worin besteht meine Schuld?“ Analog verläuft die Argumentation im zweiten Teil, in dem der gerechte Zorn auf den betrügerischen Kaufmann dem ungerechten Zorn auf den Betenden gegenüber gestellt wird. Daraus ergibt sich wieder die überraschte Frage nach der Ursache des Zorns und der Schuld. Vergleichsstandard und Tertium comparationis, Übertragung und abweichendes Verhalten werden nicht formuliert. Einziger Ausdruck des Kontrasts und der Überraschung ist der Gebrauch des betonten Personalpronomens uk „ich“ mit der Partikel -a/-ma „aber“. Dass die vorgelegte Interpretation korrekt ist, zeigt ein Beleg aus demselben Text, in dem – für die Sonnengottgebete CTH 372–374 nur ausnahmsweise – die overte Nennung des Vergleichsstandards (wie eine Mutter), des Kontrasts (Angst) und der daraus resultierenden Bitte (Überleben) erfolgt, vgl. Beispiel (63): (63)

CTH 374, Kolon 80–82 80 zik=pat=mu=[z(a)] DINGIR=YA a[nnaš] iwar zik 81 kinu[n=a] pittul[iya]š peran UDḪI.A -uš GE6 ḪI. [A -uš] laknu[ške]mi § 82 nu=mu DINGIR=YA ḫwišnut „Du, mein Gott, (bist) mir wie eine M[utter], du. Jetz[t aber] win[d]e ich mich vor An[gs]t Tage und Nächt[e]. Mein Gott, lass mich überleben!“

Von den Pestgebeten Muršilis an vollzieht man die Übertragung des normativen Vergleichsstandards auf das Verhältnis von Gottheit und Betendem explizit, allerdings fehlt weiterhin ein formaler Ausdruck des Vergleichs, d. h. die Partikeln und Satzeinleitungen mān, maḫḫan und iwar mit der Bedeutung „wie“ oder apeniššan und QATAMMA „ebenso“ werden im Allgemeinen nicht genutzt.66 Damit weicht das Strukturelement der Normen hinsichtlich seiner formalen Merkmale deutlich von den Vergleichen bei magischer Analogie in den Beschwörungsritualen ab. Beispiel (64) illustriert die Struktur: (64)

CTH 381, Kolon 120–123 120 MUŠEN-iš giš taptappan EGIR-pa ēpzi 121 n=aš TI-zi 122 uk=ma=[z](a)=kan d 10 piḫaššaššin EN=YA EGIR-pa AṢBAT 123 nu=mu TI-nut „Der Vogel nimmt Zuflucht im Nest, und er überlebt. Ich aber habe Zuflucht bei dem Wettergott piḫaššašši genommen, lass mich überleben!“

Erst unter Ḫattušili wird die Norm explizit benannt, vgl. Kolon 60 in Beispiel (65), wo eine negative Bewertung des entgegengesetzten Verhaltens („ist nicht recht“) erfolgt:

66 Die einzige Ausnahme im hier untersuchten Korpus bildet CTH 382, Kolon 142–144.

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Normen

(65)

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CTH 383.1, Kolon 59–60 59 nu d UTU uru arin[n]a GAŠAN=YA ŠA f danuḫepa uttar ammel UDḪI.A -aš ammuk ANA KUR uru ḫatti=ya menaḫḫanda EGIR-pa lē [ḫ]wittiat[tari] 60 apēniššuwan uttar ammuk m[en]aḫḫ[anda] ammel UDḪI.A -aš EGIR-pa ḫwittiyauwanz[i] UL arān „Sonnengöttin von Arin[n]a, meine Herrin, hol[e] die Angelegenheit der Danuḫepa in meinen Tagen mir und dem Land Ḫatti gegenüber nicht wieder (hervor)! Eine solche Angelegenheit mir g[eg]en[über] in meinen Tagen wieder (hervor) zu hol[en], ist nicht recht.“

Auf der Grundlage des eben beschriebenen Befundes kann man eine im Laufe der Entwicklung zunehmende Explizitheit der normativen Äußerungen feststellen. Damit geht eine Abnahme der Bemühung um negative politeness, der Vermeidung gesichtsbedrohender Äußerungen, einher. Folgende formale Merkmale sind für das Strukturelement der Normen festzuhalten: • Vergleiche und daraus abgeleitete Normen können impliziert werden durch die Beschreibung eines Sachverhalts und den Ausdruck der Überraschung über ein unerwartetes Resultat eben dieses Sachverhalts (kinun „jetzt“ oder Personalpronomen der 1. Person mit -a/-ma „aber“). Vergleichsstandard, Tertium comparationis, Übertragung und die Feststellung des abweichenden Verhaltens sind dann nicht overt (z. B. CTH 374, Kolon 54–59, 78–81; eine Ausnahme bildet CTH 372, Kolon 163). • Von den Pestgebeten Muršilis an werden Vergleichsstandard, Tertium comparationis und Übertragung auch explizit gemacht. Sie sind in unmittelbarer Nachbarschaft der Bitten positioniert (vgl. u. a. CTH 378.2, Kolon 120–123; CTH 383.1, Kolon 27–28). • Das Tertium comparationis zeigt eine Prädikation mit generisch-zeitlosem Charakter und nicht-imperfektivischen präsentischen Verbalformen oder einem Prädikatsnomen (vgl. beispielsweise CTH 378.2, Kolon 133–148). Der zugrunde liegende Vergleich selbst wird als solcher nicht durch komparative Partikeln, Adverbien oder Satzeinleitungen markiert. • Wichtigste Markierung der Übertragung ist der Gebrauch des betonten Personalpronomens der 1. Person, mit und ohne -a/-ma „aber“ bzw. -a/-ya „auch“. Das Verb kann präsentische oder präteritale Formen aufweisen (z. B. CTH 381, Kolon 122; CTH 383.1, Kolon 137). • Die Belege von expliziter Normen bestehen in Sätzen mit nominalen Prädikaten (CTH 383.1, Kolon 60 natta arā(n) „(ist) nicht recht“ und CTH 383.1 Kolon 129 kariyašḫaš pētan „Ort des Willfahrens“), besitzen also erwartungsgemäß generischzeitlosen Charakter.

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Textmuster der Strukturelemente

4.8 Zusage von Korrekturmaßnahmen Die Zusage von Korrekturmaßnahmen ist als ein sicher abgrenzbares Strukturelement zum ersten Mal in Muršilis Pestgebeten bezeugt (CTH 378.2, Kolon 108–109, 161). Dort geht jeweils eine Ausführungssichernde Bitte voran, dann stellt Muršili die Ausführung in Aussicht, vgl. Beispiel (66): (66)

CTH 378.2, Kolon 159–161 159 našma=kan mān [amm]uk=ma kwitki šarnikziel ḫanti išḫiyattēni 160 [n=a]t=mu tešḫaz memiešten 161 nu=šmaš=at peḫḫi § „Oder falls ihr [mi]r aber irgendetwas als Entschädigungsopfer gesondert auferlegt, sagt [e]s mir durch einen Traum! Ich werde es euch geben.“

Da der Gegenstand der Leistung bereits in der vorangegangenen Bitte genannt ist, bleibt die Zusage selbst trotz ihrer hohen rhetorisch-argumentativen Bedeutung ausgesprochen knapp und nüchtern: Sie schließt mit der semantisch blassen Konjunktion nu an, greift die vorerwähnte Leistung und die Rezipienten, die mit den Adressaten identisch sind, mittels der unbetonten Pronomina -at bzw. -šmaš auf und enthält als einziges Lexem für die zentrale Aussage die Verbalform peḫḫi „ich werde geben“. Eine zusätzliche glaubwürdigkeitsstützende Äußerung, Emphase, Modalisierung oder Explizierung der Sprecher-Adressaten-Beziehung wird offensichtlich als unnötig empfunden. Ein anderer Text, in dem Zusagen von Korrekturmaßnahmen vorkommen, ist das Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni, CTH 382. Hier gibt man eine ganze Reihe von möglichen Vergehen oder Unterlassungen an. Diese stehen vielfach auch in inhaltlicher Kohärenzbeziehung zu den Ausführungssichernden Bitten um Offenbarung. In seinem Kern besteht das Strukturelement der Zusagen von Korrekturmaßnahmen also aus einer komplexen Satzkonstruktion mit einem Konditional- oder Relativsatz, der das mögliche Vergehen oder die potenzielle Leistung in unterschiedlicher Ausführlichkeit benennt, gefolgt von einem Matrixsatz, der die Wiedergutmachung in Aussicht stellt (CTH 382, Kolon 44–48, 49–54, 63–65, 73–75, 80–81, 82–84, 85–88, 94–97, 113–116, 117–118; Ausnahmen Kolon 102–103, 130–131). Es können aber auch weitere Ausdrucksmittel eingesetzt werden: • die Fokuspartikel -pat zur Intensivierung des Versprechens und seiner Glaubwürdigkeit (Kolon 54 und 64), • ein weiteres Versprechen der Nachhaltigkeit oder umfassenden Verbesserung (Kolon 65 und 103 bzw. 88), • die Partikeln kinuna und kāša, um die Veränderung der Situation und die Person des Gebenden in den Vordergrund zu stellen (Kolon 75). Die Zahl der verwendeten verbalen Lexeme ist in Anbetracht der wenigen Belege recht vielfältig: pai-/pe-/pi(ya)- „geben“, ašnu- „herrichten“, iye/a- (imperfektivisches ēšša) „machen, durchführen“ und EGIR-pa SIG5 -aḫḫ- „wieder gutmachen“ oder EGIR-pa

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Zusage von Korrekturmaßnahmen

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šuppiyaḫḫ- „wieder reinigen“. Sie stehen entweder im Imperativ (1. oder 3. Person) oder im Präsens Indikativ mit der bekannten zukunftsbezogenen Lesart. Dabei ist die Verwendung imperfektivischer Verbalformen für die Aussage über zukünftige Sachverhalte unerwartet. Eine mögliche Erklärung für einen Teil der Belege könnte in einer distributiven Lesart der Sachverhaltsbeschreibung liegen, die oft, aber nicht immer explizit in den vorangegangenen Nebensätzen durch eine Imperfektivform zum Ausdruck kommt und die aus Gründen der inhaltlichen und formalen Kohärenz in den Matrixsatz übernommen wird (vgl. Kolon 63–65). Dasselbe Phänomen war auch schon beim Imperfektivgebrauch der Bitten aufgetreten (s. oben S. 133f.). Dass sich beim Gebrauch des Imperfektivums in den Zusagen für Korrekturmaßnahmen aber nicht ausschließlich um eine formale Besonderheit handelt, ist aus denjenigen Passagen zu ersehen, in denen kein entsprechender Nebensatz vorangeht oder in denen nicht-imperfektivische Verbalformen diese Kontinuität unterbrechen (z. B. CTH 382, Kolon 51–54 und 102–103). Eine Erklärung bietet sich bisher nicht an, außer dass es sich vielleicht um eine weitere Idiosynkrasie des Verfassers von CTH 382 handelt, da dieser auch Besonderheiten im Gebrauch der 2. und 3. Person von Verbalformen an den Tag legt. Einen Vorläufer des beschriebenen Strukturelements kann man in einer Formulierung suchen, die das letzte Kolon des aus dem Sumerischen übernommenen Refrains im Gebet des Kantuzili (CTH 373, Kolon 43, 47, 52) bildet und die von Hause aus Teil einer Bitte um Offenbarung ist: (67)

CTH 373, Kolon 41–43 41 42 43

[kinun]=a=mu=z(a) ammel DINGIR=YA ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ḫūmantet kardit kīnuddu nu=mu wašdul=mit [tēdd]u n=e=z=(š)an ganešmi

„[Jetzt] aber soll mein Gott mir sein Innerstes (und) seine Seele offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen [benenn]en, so dass ich sie erkenne!“ In der sumerischen Vorlage geht es zunächst vorrangig um das Erkennen des Vergehens, während die Leistung der Anerkennung und Wiedergutmachung wohl allenfalls implizit mitgemeint sind. Ein solches Verständnis lag jedoch für die Hethiter schon durch die semantische Ambiguität des Verbs ganeš(š)- „erkennen, anerkennen“ sehr nahe (Metcalf 2015a: 47). Auf der Basis dieser Interpretation kann sich unter Muršili die Zusage der Korrekturmaßnahmen als ein zwar kurzes, aber im argumentativ-rhetorischen Zusammenhang oft wichtiges Strukturelement herausgebildet haben. Dasselbe gilt für seine Positionierung neben den Ausführungssichernden Bitten. Über den gesamten Zeitraum der Überlieferung hinweg besteht die Gemeinsamkeit zwischen den Zusagen von Korrekturmaßnahmen außer in der Funktion vor allem in der Positionierung und in der Kürze der Äußerung. Angesichts der Mannigfaltigkeit der Ausprägung kann man aber von einer Standardisierung des Strukturelements nicht ausgehen.

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Textmuster der Strukturelemente

4.9 Anrede und Hymnus Die wichtigste Stellung für Anrede und Hymnus ist der Beginn des eigentlichen Gebets nach der Einleitenden Kontextualisierung, einschließlich des Beginns von angefügten Vermittlungsgebeten. Anrede und Hymnus können aber zusätzlich auch im Rahmen der Einleitenden Kontextualisierung auftreten, wo sie deutlich kürzer realisiert sind.67 Die Stellung entspricht ihrer Funktion, den Kommunikationskanal zwischen Betendem und angesprochener Gottheit zu öffnen und die personale Beziehung aufzubauen bzw. zu erhalten. Typischerweise besteht die Anrede im Vokativ des Namens zusammen mit Appositionen („mein Herr!“, „meine Herren!“ und preisende Epitheta), während der Hymnus charakterisierende Prädikationen enthält. Der Übergang zwischen beiden ist jedoch fließend, denn die Appositionen der hymnischen Erweiterung sind zumindest in mittelhethitischer Zeit von den kopulalosen nominalen Prädikationen syntaktisch nicht zu unterscheiden. Erst im Junghethitischen ist in den Nominalsätzen in der 2. Person die Setzung der Partikel -z(a) obligatorisch geworden, so dass die formale Unterscheidung möglich ist. Ein solcher Übergang ist mit allen Zwischenstufen in folgendem Beleg zu beobachten: (68)

CTH 384.1, Kolon 121–124 121 d zintuḫīš GAŠAN=YA ŠA d IM d UTU uru PÚ-na=ya āššiyanz(a) ḫaššaš 122 ANA d IM=z(a) U ANA d UTU uru PÚ-na uzu GABA-aš TUDITTUM 123 nu=ddu=z(a) lammar lammar katta uškanzi § 124 [nu=kan ANA DINGIRmeš šer āššu] par[randa memat]ti „Zintuḫi, meine Herrin, geliebte Enkelin des Wettergottes und der Sonnengöttin von Arinna, für den Wettergott und die Sonnengöttin von Arinna (bist) du die (Schmuck-)Nadel an der Brust. Stunde um Stunde geben sie auf dich acht. § [Du üb]er[mittelst Gutes für die Götter].“

Kolon 121 enthält die namentliche Anrede unter Nennung der sozialen Beziehung sowie mit der Verwandtschaftsangabe ein schmückendes Beiwort. In Kolon 122 liegt eine nominale Prädikation mit der Partikel -z(a) vor und schließlich treten in den beiden letzten Kola zwei Aussagen über die Göttin mit finitem Verb auf, bevor in Kolon 125 eine Bitte folgen wird. Eine strikte Trennlinie zwischen Anrede und Hymnus zu ziehen, wäre an vielen Stellen artifiziell, weshalb sie hier aus praktischen Gründen als ein Strukturelement zusammengefasst sind. Anrede und Hymnus gehören sicher zu den Elementen, die am stärksten durch ihre mesopotamischen Vorbilder beeinflusst worden sind, denn die Hymnen bildeten einen Teil des Lehrkanons der hethitischen Schreiberausbildung (vgl. etwa Wilhelm 1994: 74). Dies spiegelt sich in den formalen Merkmalen wider, die sich (in morphologischer 67 Die kurzen Anreden mit und ohne Appositionen, die ubiquitär innerhalb der anderen Strukturelemente auftreten, bleiben hierbei außer Betracht.

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Anrede und Hymnus

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Hinsicht mutatis mutandis) mit außergewöhnlicher Durchgängigkeit in den betreffenden Passagen finden. Es handelt sich um folgende strukturelle Eigenschaften: • Die Anrede erfolgt im Allgemeinen mit Namen. Allerdings spricht im Falle des persönlichen Gottes der Betende diesen allein mit DINGIR=YA (heth. šiuni=mi) „mein Gott“ an, sofern nicht im Anschluss die frühere Fürsorge des Gottes für den Betenden gepriesen wird (z. B. CTH 372, Kolon 75–84). In Gebeten an die Götterversammlung erfolgt mitunter eine lange Reihung der Namen der göttlichen Adressaten, so in Extremform in CTH 381, Kolon 32–89, wo nachträglich sogar explizit die Ansprache an die zuvor nicht genannten Götter sichergestellt wird (Kolon 90–95).68 • Im Kontext des Strukturelements geht mit der Anrede mehrfach eine soziale Verortung der Sprechaktpartizipanten durch die Anrede an die Gottheit als BELI=YA (heth. išḫa=mi) „mein Herr“ bzw. GAŠAN=YA „meine Herrin“ einher. • Die preisende Beschreibung von Eigenschaften, sozialer Position, Funktion und Handlungsweisen der angesprochenen Gottheit geschieht durch generische69 Prädikationen mit unterschiedlichen Graden der Nominalisierung: – Der Name des Adressaten wird von einem oder mehreren charakterisierende Adjektiven oder Substantiven in appositioneller Funktion begleitet. Die Letztgenannten erscheinen überwiegend selbst durch genitivische oder adjektivische Attribute modifiziert. – Es werden ein oder mehrere beschreibende Nominalsätze mit adjektivischem oder substantivischem Prädikatsnomen mit zeitlosen Merkmalen der Gottheit angeschlossen. In junghethitischer Zeit ist die Setzung der Partikel -z(a) in den Nominalsätzen mit Subjekt in der 2. Person bekanntermaßen obligatorisch (Hoffner und Melchert 2008: 362–4). – Verbalsätze beschreiben habituelle Handlungen der angesprochenen Gottheit im menschlichen und göttlichen Kontext wie auch umgekehrt Handlungen von Menschen und Göttern gegenüber der Gottheit. Diese wird als Sprechaktpartizipant in der 2. Person Sg. angesprochen. Das Verb weist vielfach imperfektivische Formen auf (-ške/a-Ableitungen, Partizipien mit und ohne Kopula, Periphrasen mit Partizip und ḫark-). In CTH 384.1, Kolon 123, findet sich auch ein lexikalischer Ausdruck in lammar lammar „Stunde um Stunde“.

68 Nur im Sonnengottgebet CTH 372, Kolon 51, wird eine Grußformel – zig=a d UTU-uš ḫuēš „du aber, Sonnengott lebe!“ – verwendet, s. Schwemer 2015: 390f. mit weiterführender Literatur. 69 Generische Aussagen beschreiben merkmalhafte Eigenschaften, die in dauerhaften oder habituellen oder zeitlos gültigen Sachverhalten realisiert werden (vgl. dazu Koschmieder 1965: 60f.). Eine neuere zusammenfassende Darstellung zur Erforschung generischer Sachverhaltsbeschreibungen findet sich in Carlson 2011: 1155–65. Vgl. auch Mari, Beyssade und Prete 2013.

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Textmuster der Strukturelemente

– Appositive Relativsätze enthalten zusätzliche Information über die Gottheit (vgl. CTH 381, Kolon 12–13 und 95, CTH 378.1, Kolon 1). Sie besitzen aber bemerkenswerterweise keine charakterisierende Funktion, sondern beziehen sich inhaltlich meist auf die gegenwärtige Situation (z. B. das Erscheinen zur Versammlung), so dass es sich nur scheinbar auf der formalen Ebene um eine relativische Prädikation handelt. Vielmehr stellt der Relativsatz eine Überleitung zur anschließenden Deklaration dar. • Allen Arten von Prädikationen ist gemeinsam, dass sie mit auffallender Häufigkeit das selbstständige Personalpronomen der 2. Person Sg. aufweisen. Es steht besonders häufig natürlich im Nominativ, aber auch in anderen Kasusformen, und wird vielfach durch die Fokuspartikel -pat verstärkt. Dabei findet es sich nur in etwa einem Fünftel der Fälle in der normalen Position am Satzanfang, in zwei Belegen noch hinter dem Verb und sonst in der Fokusposition vor dem Verb oder Prädikatsnomen bzw. selbst als Prädikatsnomen am Satzende (vgl. Daues 2014). Der Selektionsfokus, der mit dieser markierten Stellung zum Ausdruck gebracht wird, dient der preisenden Heraushebung des Adressaten aus der Menge der Gottheiten und ist als charakteristisches Merkmal des Strukturelements „Anrede und Hymnus“ (und in rein hymnischen Texten als Genremerkmal) zu werten. • Die Kola sind – für hethitische Verhältnisse ungewöhnlich – oft asyndetisch aneinander gefügt. Dies unterstreicht den Listencharakter der Merkmalsreihung in den Hymnen. Gegenüber der üblichen Verwendung des generischen Präsens im Hymnus bieten die Gebete an den persönlichen Gott eine Besonderheit, indem sie für die Geschichte der Verdienste des persönlichem Gottes um den Betenden Aussagesätze mit Vergangenheitsbezug im Präteritum aufweisen (z. B. CTH 373, Kolon 9–14). Diese Passagen haben zwar hymnischen Charakter, weil sie das Handeln der Gottheit gegenüber dem Betenden preisen, aber gleichzeitig hat die Darstellung der Vorgeschichte inhaltlich auch Züge einer Falldarlegung, was im Tempusgebrauch formal reflektiert ist.70 Beide Strukturelemente haben auch die Emphase der Verdienste durch eine rhetorische Frage nach ihrer Anerkennung durch den Betenden (CTH 373, Kolon 15–16, und CTH 372, Kolon 81–82) gemein. Hier ist also der Inhalt des Hymnus mit Mitteln gestaltet, die eher für die Falldarlegung typisch sind. Das umgekehrte Phänomen findet sich in den langen hymnischen Passagen, in denen anstelle des Preises der Gottheit tatsächlich eine Liste der Verdienste des Betenden gegenüber der Gottheit untergebracht ist, vgl. Kolon 18–21 aus Beispiel (69):

70 Eine echte Ausnahme stellt CTH 384.1, Kolon 3–5, dar, wo die Namengebung als vergangene Handlung im Präteritum beschrieben wird, anstatt das Resultat mittels einer Partizipialkonstruktion zu nennen.

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Anrede und Hymnus

(69)

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CTH 377, Kolon 17–21 17 zik=z(a) d telipinuš nakkiš DINGIR-LIM-iš 18 nu=tta DINGIR-LIM=YA U Émeš DINGIRmeš INA KUR uru GI[DRU]-ti=pat daššanuwan 19 namma=ma=ta da[mmē]dani utnē UL kuwapikki ēšzi 20 [n]u=tta EZEN4 ḪI.A SÍSKUR INA KUR uru GIDRU-ti parkwi šuppi piškanzi 21 namma=ma=ta dammēdani utnē UL kuw[a]pikki piškanzi „Du, Telipinu, (bist ein) gewichtiger Gott. Für dich, mein Gott, (sind) sogar die Tempel nur im Land Ḫatti gestärkt. Ferner aber ist (das) für dich nirgendwo in einem a[nde]ren Land (so). Feste (und) Opfer gibt man dir (nur) im Land Ḫatti rein (und) heilig.“

In diesem Fall ist eine Passage, die inhaltlich eigentlich ein Teil der Falldarlegung ist, oberflächlich so gestaltet, als ob es sich um einen Hymnus handele. Dies ist an dem einleitenden hymnischen Kolon 17 und der Position im Gebet zu erkennen, am Nominalstil mit partizipialem Prädikatsnomen (Kolon 18) und imperfektivischem Verbalsatz (Kolon 20 und 21), am Gebrauch des Pronomen der 2. Person Sg. -t(t)a (Kolon 18–21) und an der Emphase der Einzigartigkeit (durch die Fokuspartikel -pat und die Phrase dammēdani utnē UL kuwapikki „nirgendwo in einem anderen Land“).71 Sonst gilt der Gottheit der Hinweis auf Einzigartigkeit; aber hier ist er auf die einzigartigen Verdienste der Verehrung im Land Ḫatti umgemünzt. Der Text wird in dieser Weise weitergeführt, bis Kolon 34 der Wortlaut von Kolon 17 wiederholt wird und zwei weitere hymnische Kola folgen. In vergleichbarer Weise sind auch CTH 376.1, Kolon 15–30, und schon CTH 375.1, Kolon 2–25, aufgebaut. Die Strategie, ein Strukturelement in das Gewand eines anderen zu kleiden, die man in ausgeprägter Form im Gebet Muwatallis an die Götterversammlung (CTH 381) beobachten kann, ist also schon in mittelhethitischer Zeit zur Anwendung gekommen. Eine sprachliche Schmückung der hymnischen Passagen ist allenthalben festzustellen. Hier kommen die üblichen stilistischen Mittel zur Anwendung (zur hethitischen Stilistik s. de Vries 1967; Watkins 1995: 144–51, 167f., 208f., 247–51; Haas 2006: 123–5; Francia 2010; vgl. auch unten Kapitel 5): • • • •

Parallelismus (z. B. CTH 381, Kolon 90–91, 92–93) Chiasmus (z. B. CTH 372, Kolon 6–9) Kontrast (z. B. CTH 381, Kolon 90–91, 92–93) Epitheta und generell eine hohe Frequenz von genitivischen und adjektivischen Attributen (z. B. CTH 372, Kolon 17–19) • Hendiadyoin insbesondere komplementärer Begriffe (z. B. CTH 381, Kolon 95, und CTH 374, Kolon 21) 71 Zu diesem Motiv s. Singer 2002a: 68 Anm. 3; Metcalf 2015b: 85f.

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Textmuster der Strukturelemente

• Tmesis (z. B. CTH 374, Kolon 16, 20) • morphologischer Reim und andere Lautbilder (z. B. CTH 372, Kolon 6–9) • rhythmische Gliederung (z. B. CTH 372, Kolon 1–11) u. a. Dies sind Merkmale hymnisch-epischer Sprache, die man auch in den akkadischen Texten desselben Genres antrifft (vgl. die Übersicht in Hecker 1974: 101–60 sowie von Soden 1981; von Soden 1984; Wasserman 2003: 5–28; freundliche Hinweise zur Literatur von Daniel Schwemer). Die in Gebete eingebetteten Hymnen folgen also nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ihren mesopotamischen Vorbildern.

4.10 Falldarlegung Im Falle des Strukturelement der Falldarlegung ist es notwendig, die Sonnengottgebete CTH 372–374 gesondert von den anderen Gebeten zu behandeln. Die Falldarlegung definiert sich außerhalb der Sonnengottgebete thematisch über die Darstellung der Vorgeschichte des Gebets. Dementsprechend setzt sie entweder nach Anrede und Hymnus oder direkt nach einer Falldarlegungsdeklaration (diese meist im Rahmen einer Einleitenden Kontextualisierung) ein. Besonders brüsk wirkt aus heutiger Sicht die in Gebeten zur Beseitigung der Pest mehrfach bezeugte Einleitung durch die Phrase kī(=) … kwit iyatten „Dies … ist es, was ihr getan habt!“ (CTH 376.1, Kolon 66; CTH 378.2, Kolon 4; CTH 378.3, Kolon 2). Zumindest lässt sich objektiv festhalten, dass der Betende hier keine Strategien der positiven oder negativen Höflichkeit zur Anwendung bringt. Nach der Deklaration oder der Einleitung führt die Falldarlegung den Adressaten in einem oder mehreren Textabschnitten gemäß den in Kapitel 3.6 beschriebenen Serialisierungsregeln von der entfernten Vergangenheit bis zum gegenwärtigen Sprechzeitpunkt. Dementsprechend kann an Anfang und Ende der Falldarlegung – im Übergang zu Strukturelementen mit anderem Zeitbezug – der Vergangenheitsbezug zugunsten des Gegenwartsbezugs aufgegeben werden.72 Innerhalb der Falldarlegung aber folgt der Betende zumeist einer chronologischen Anordnung der Ereignisse. Die daraus resultierende Wichtigkeit der temporalen Verortung spiegelt sich in der Frequenz der diesbezüglichen formalen Ausdrucksmittel wider: • Gebrauch des Präteritums für die Schilderung vergangener Ereignisse • Gebrauch der subordinierenden Temporalkonjunktionen maḫḫan und kuwapi „als, wie“ zur Einleitung neuer Zeitabschnitte, während kwit „was das betrifft, dass“ für neue Themen verwendet wird 72 Zur formalen Gestaltung von Überleitungen, wo sich das Verb hinsichtlich seiner morphologischen Kategorien an die umgebenden Strukturelemente anpasst, s. Kapitel 3.3.2. Ein Paradebeispiel für einen auf inhaltlicher Ebene ganz allmählichen Übergang von Hymnus zu Falldarlegung ist CTH 384.1, Kolon 2–15. Ein Beispiel, in dem der Inhalt einer Falldarlegung als hymnische Passage gestaltet ist, wird S. 163 behandelt.

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Falldarlegung

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• Gebrauch der Serialisierungskonstruktion mit we-/uwa- „kommen“ in der Bedeutung „später“ zur Einleitung neuer Zeitabschnitte • regelmäßige Setzung der satzeinleitenden Partikel nu „und (dann)“, außer wenn aus semantischen oder pragmatischen Gründen eine andere Satzeinleitung notwendig ist • mehrfach Setzung von kinuna „jetzt aber“ in der Überleitung zur Gegenwart Eine darüber hinaus gehende Standardisierung auf morphosyntaktischer Ebene ist nicht festzustellen. Dies liegt an der Vielfalt der Themen, die in dem Bericht der Vorgeschichte abgehandelt werden können. Als Handelnde treten der Betende, die angesprochenen Götter oder Dritte auf, so dass alle Personen und Numeri des Verbs eingesetzt werden. Besonderheiten im Partikelgebrauch scheint es nicht zu geben, ebenso wenig eine auffällige Verwendung von anderen Funktionswörtern oder syntaktischen Konstruktionen als den eben Genannten. Dem gegenüber lehnt sich in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 die Argumentation73 thematisch sehr viel stärker an die mesopotamischen Vorbilder an. Die Aussagen der umfangreichen Klagen beziehen sich hier wie dort vor allem auf die gegenwärtige Situation und sind kaum zeitlich gestaffelt. Weist der beschriebene Sachverhalt – etwa das frühere Verhalten des Betenden oder die vormalige Fürsorge des persönlichen Gottes gegenüber dem Betendem – dennoch Vergangenheitsbezug auf, besitzt er einen stärker generischen oder resultativen Charakter, zum Teil sogar Anklänge an hymnische Formulierungen, vgl. Beispiel (70) bzw. (71): (70)

CTH 373, Kolon 24 24

GU4 -un=a=šta ḫāliaz āppa UL kuššanka karšun

„Ein Rind aber habe ich nie von seiner Hürde wieder getrennt.“ (71)

CTH 374, Kolon 54 54

DINGIR=YA šamnāeš=mu zik

„Mein Gott, du hast mich erschaffen.“ Andere Erscheinungsformen der Generizität wie Zuständlichkeit oder Habitualität sind semantische Eigenschaften der Klagen über die gegenwärtige Situation, die einen großen Teil der Argumentation in CTH 372–374 ausmachen. In Beispiel (72) will der Betende auf diese Weise das Mitleid des persönlichen Gottes erwecken: (72)

CTH 372, Kolon 150–151 150 išpante=mu=ššan šašte=mi šan[ezziš] tešḫaš UL ēpzi 151 lamman=ma=m[u=ššan] šer aššulli UL išduwari

73 Wegen des andersartigen Inhalts und des zugrunde liegenden Audienzkonzepts (s. Zgoll 2003a und Zernecke 2011: 326; vgl. S. 31) wird für diese Gruppe der Begriff der Falldarlegung vermieden.

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Textmuster der Strukturelemente

„In der Nacht ergreift mich in meinem Bett kein angen[ehmer] Traum. (Mein) Name aber erscheint mi[r] (scil. im Traum) nicht im Guten.“ In Korrelation mit der Andersartigkeit der temporalen Verortung und der internen zeitlichen Struktur der Sachverhalte weicht auch der formale Ausdruck von dem der späteren Falldarlegungen ab: In den meisten Fällen sind die Sätze nur durch die Partikeln nu „und (dann)“ und -a/-ma „aber“ miteinander verbunden. Im Inhalt wie in der Form gibt es also zwischen den Sonnengottgebeten (CTH 372–374) und den anderen Gebeten (CTH 375.1 und CTH 376–384) einen eklatanten Unterschied. Inhaltlich ist beiden Gruppen auf einer sehr generellen Ebene dennoch gemein, dass durch das Strukturelement die folgende Bitte in ihren Kontext eingebettet werden soll: im ersten Fall in den gegenwärtigen situativen Kontext, im zweiten Fall vor allem in den Kontext der Entstehung der Situation. Mit dieser Entwicklung entfernt sich das persönliche Gebet der Hethiter deutlich von seinem mesopotamischen Vorbild, denn, wie bereits Sürenhagen (1981: 127) feststellt, „ist eine derartige Ausführlichkeit historischer Berichterstattung, gemessen am babylonischen Gebet, ungewöhnlich“. Zusätzlich zum eben Beschriebenen entstehen und verschwinden im Laufe der Entwicklung weitere Merkmale, die ganz oder fast auf die Falldarlegungen beschränkt sind. Sie rufen Besonderheiten im sprachlichen Gebrauch hervor, sind aber – falls eine Abgrenzung überhaupt möglich ist – eher dem Bereich der Stilistik zuzuordnen. Dies soll hier durch drei Beispiele veranschaulicht werden, während ihre Rolle im Gesamtkontext der betreffenden Gebete ausführlicher in Kapitel 5 zur Sprache kommen soll. So besteht ein spezifisches Merkmal der Falldarlegung im Ausdruck von Sprechereinstellungen mit starker Emotionalität. Dies betrifft gerade Äußerungen, in denen der Betende mit der Klage über die gegenwärtige Situation das Mitleid der Gottheit erwirken oder seine Unschuld und Verdienste glaubhaft versichern möchte. Eine der Strategien, Letztgenanntes zu erreichen, tritt – nach einem Vorläufer in CTH 375.1, Kolon 6 – erst in den Gebeten Ḫattušilis und Puduḫepas wieder auf und besteht in einer mehrfach auftretenden, aber immer wieder variierten Phrase mit der Feststellung, dass die Gottheit selbst über die Ereignisse Bescheid wisse oder gewusst habe. Zugleich trägt die Gottheit damit, so das implizite Argument, selbst die Verantwortung, während der unwissende oder gütig urteilende König nicht zur Rechenschaft gezogen werden solle (vgl. CTH 383.1, Kolon 46–49; CTH 384.1, Kolon 15, 38). In anderen Belegen soll ausschließlich die Wahrheit der Aussage bekräftigt werden. Eine zweite Methode, Aufmerksamkeit des Adressaten für eine Klage zu erreichen und die Glaubwürdigkeit für den guten Willen des Betenden zu erhöhen, ist die Frage nach der Art der eigenen Schuld. Dabei handelt es sich durchaus um eine ernst gemeinte Frage (CTH 374, Kolon 52–53, 56, 59); daran lässt die in denselben Texten ausgesprochene Bitte um Offenbarung keinen Zweifel. Dieses Mittel kommt ausschließlich in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 zur Anwendung. Daneben gibt es in denselben Gebeten auch rhetorische Fragen, die den Kontakt zwischen dem Betendem und der Gottheit thematisieren (z. B. CTH 374, Kolon 70–71).

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Einleitende Kontextualisierung

Außerhalb dessen kommt eine rhetorische Frage nur in CTH 383.1, Kolon 87–89, in Verknüpfung mit der Wissensphrase vor. Schließlich bietet die Einbettung direkter Reden die Möglichkeit, Höhepunkte des Berichts dramatisch oder zumindest lebendig zu gestalten (z. B. CTH 384.1, Kolon 103). Dieses Merkmal kommt in den narrativen Passagen der Falldarlegung häufiger n anderen Strukturelementen zur Anwendung. Dabei kann es in einer einseitigen Äußerung des Betenden oder einer anderen handelnden Person bestehen oder sogar in einem kurzen Dialog (CTH 383.1, Kolon 107–116; CTH 384.1, Kolon 40–45). Dies entspricht der generellen Erwartung, dass die Falldarlegungen aufgrund ihrer inhaltlichen Eigenschaften auch formale Merkmale mit Texten gemeinsam haben, die wie die Annalen des Muršili, die Apologie Ḫattušilis usw. historische Begebenheiten darstellen.

4.11 Einleitende Kontextualisierung Das komplexe Strukturelement der Einleitenden Kontextualisierung zeichnet sich durch eine einheitliche, auf das gesamte folgende Gebet bezogene Stützfunktion aus, indem es den situativen Kontext und die Partizipanten des Gebets-Sprechakts beschreibt, deklarativ auf ihn hinweist und ggf. kooperationssichernde Äußerungen für die wohlwollende Aufnahme enthält. Es steht daher immer am Anfang des Gebets und umfasst vier mögliche Bestandteile in fester Reihenfolge, von denen aber keiner obligatorisch ist: Anrede (ggf. mit Hymnus), Einfü hrung des Betenden und ggf. des Repräsentanten mit Auftrag, Herbeirufung mit Stü tzbitten für das folgende Gebet (CTH 382: Vorhaben) und Deklarationen zu Falldarlegung oder Opfer mit Stü tzbitten für das folgende Gebet. Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung der Einleitenden Kontextualisierungen der Texte, in denen der Textanfang erhalten ist: Anrede Einführung Herbeirufung Deklaration CTH 372 CTH 376.1 CTH 377 CTH 378.1 CTH 378.2 CTH 378.3 CTH 378.4 CTH 381 CTH 382 CTH 383.1 CTH 384.1

× × × × × × × × – × ×

– × × – × – – – – – ×

– × × – – – – – × – –

× × × × × – × × × × –

Tabelle 4.1: Elemente der Einleitenden Kontextualisierung

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Textmuster der Strukturelemente

Die Anrede (ggf. mit Hymnus), die Deklaration und die Stützbitten wurden bereits in den Kapiteln 4.1, 4.3 und 4.9 behandelt. Die folgenden Bemerkungen sind also denjenigen Elementen gewidmet, die ausschließlich in der Einleitenden Kontextualisierung auftreten. Ihr Vorkommen ist jedoch jeweils auf wenige Text beschränkt, so dass sich die folgenden Aussagen nicht auf eine breite Datenbasis gründen können. Die singuläre Form einer expliziten Selbsteinführung des Betenden findet sich erst gegen Ende der Überlieferung in CTH 384.1, wo Puduḫepa nach Anrede und kurzem Hymnus auf die Sonnengöttin sich selbst als Dienerin derselben vorstellt und in zwei Metaphern ihr inniges Verhältnis zur Göttin beschreibt. Gewählt werden hierfür drei kopulalose Nominalsätze, von denen der erste durch das selbstständige Personalpronomen der 1. Person Sg. mit Partikel (ammuk=ma „ich aber“) eingeleitet ist. Die Zuständlichkeit der Aussagen entspricht noch ganz dem Stil der vorangegangenen hymnischen Passage. Dagegen geschieht unter Muršili die Einführung des Betenden durch seinen Repräsentanten stets vermittels eines thetischen Satzes, d. h. durch einen Satz mit einem nicht-vorerwähnten, nicht-topikalen Subjekt (Sasse 1995), dem König. Die formale Besonderheit dieser Sätze ist die im Hethitischen stark markierte Verbanfangsstellung, vgl. Kolon 2 aus Beispiel (73): (73)

CTH 378.2, Kolon 1–3 1 2 3

[d I]M uru ḫatti BELI=YA [U DINGIRmeš uru ḫatti BEL]U meš =YA uiyat=mu m murš[iliš … š]umēl ARAD=KUNU īt=wa ANA d I[M] uru ḫatti [B]ELI=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA k[i]ššan memi

„[Wetter]gott von Ḫatti, mein Herr, [und (ihr) Götter von Ḫatti,] meine [Herr]en, geschickt hat mich Mur[šili, der König, e]uer Diener. Geh (und) sprich zum Wetter[gott] von Ḫatti, meinem [H]errn, und zu den (anderen) Göttern, meinen Herren, f[o]lgendermaßen:“ In CTH 377, Kolon 4–5, formuliert der Verfasser den Sachverhalt des Ausschickens sogar ein zweites Mal, indem er das Subjekt auf König und Königin erweitert, jetzt aber – nach der Vorerwähnung des Königs – in der normalen Wortstellung mit dem Verb am Ende des Satzes. Der Auftrag des Königs erscheint jeweils in der direkten Rede, markiert durch die Partikel -wa(r)-. Sie enthält außer dem Adressaten als direktem oder indirektem Objekt ein Verb des Sprechens (mema- „sprechen“, muga(e)- „herbeirufen“) im Imperativ der 2. Person im Rahmen einer Serialisierungskonstruktion mit i(ya)- „gehen“. Danach fahren die Texte aber ganz unterschiedlich fort: mit der rekursiv eingebetteten direkten Rede des Gebets des Königs in CTH 378.2, mit dem Zitat einer Absichtserklärung des auftraggebenden Königs in CTH 376.1 oder mit der Herbeirufung des Telipinu durch den beauftragten Priester in CTH 377. Die Herbeirufungen der Gottheit, die sich abgewandt hat und zum Gebet in ihren Tempel zurückkehren sollen, entsprechen dem aus der Ritualliteratur Bekannten. Dabei sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden betreffenden Passagen aus

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Einleitende Kontextualisierung

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CTH 376.1, Kolon 6–13, und CTH 377, Kolon 7–13, bezeichnend für die Gestaltungstechnik in den hethitischen Gebeten. Beide weisen genau die gleiche Abfolge von Elementen auf: • Nebensätze (alternative Irrelevanzkonditionalia) mit zuständlicher Semantik, die die möglichen Aufenthaltsorte der Gottheit benennen • die Bitte, dass „jetzt aber“ (kinuna) die Opfergaben eine erfolgreiche Einladung der Gottheit ermöglichen • die direkte Bitte um Rückkehr • die Deklaration der Opferung • die Kooperationssichernde Bitte um Beruhigung Auch die relevanten grammatischen Kategorien, Signalwörter und Phrasen treten jeweils in beiden Texten auf, doch ist die Ausführung im Detail unterschiedlich: • Die subordinierende Konjunktion mān „ob … (oder)“ wird mehrfach wiederholt – in CTH 377, Kolon 8, ist sie jedoch einmal durch našma „oder“ ersetzt. • Himmel, Meer und Berge werden einander gegenübergestellt – CTH 377, Kolon 9, nennt allerdings zusätzlich das Feindesland. • Die Reflexivpartikel -z(a) wird jeweils in den Nominalsätzen der 2. Person verwendet – aber in CTH 377, Kolon 8, wird sie nicht wiederholt. • Die herbeirufenden Opfergaben werden genannt – in CTH 376.1 sind sie aber auf zwei Kola (9 und 10) verteilt. Nur bei der Opferdeklaration und den Kooperationssichernden Bitten um Rückkehr und Beruhigung gibt es einen höheren Grad an formaler Standardisierung. Wieder eine andere Form der Einleitenden Kontextualisierung findet sich im Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni (CTH 382, Kolon 1–26). Hier gibt es zunächst ohne Anrede und Hymnus nur Deklarationen über vollzogene Anrufungen an verschiedene Götter (Präteritum ḫalziyawen „wir riefen an“), im mehrfachen Wechsel mit der Ankündigung des Vorhabens, vor ihnen zu bekennen bzw. den Zorn des Wettergottes lösen zu wollen (Präsens/Futur lāweni „wir werden lösen“). Inhaltlich kommt dies fast einer Zusage für Korrekturmaßnahmen gleich, doch hat dieses Strukturelement sonst eine ganz andere Position innerhalb des Gebets. Den Abschluss bildet eine doppelte Bitte um Gehör für Falldarlegung und Lösung, deren Deklaration in Relativsätzen syntaktisch untergeordnet ist. Die knappe Vorstellung der verschiedenen Formen der Einleitenden Kontextualisierung hat gezeigt, dass dieses Strukturelement starkem Wandel unterworfen ist. Die Variabilität wird gebraucht, um ganz unterschiedliche Informationen über den kommenden Sprechakt zu vermitteln. Die früheste Form ist zuerst in CTH 372, Kolon 1–13, klar bezeugt. Sie besteht aus einer Anrede mit einem kurzen Hymnus und einer abschließenden Falldarlegungsdeklaration. In ähnlicher Form lag sie aber wahrscheinlich auch

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Textmuster der Strukturelemente

schon in dem weitgehend zerstörten Text vor Kolon 3 des mittelhethitischen Gebets CTH 374 vor. An die Stelle des Hymnus tritt dann mehrfach das Element der Einführung des Betenden und ggf. des Repräsentanten mit seinem Auftrag (CTH 376.1, CTH 377, CTH 378.2). Alternativ werden beide Elemente auch ganz ausgelassen (s. Tabelle 4.1 oben S. 167). Die beiden Gebete Muwatallis (CTH 381 und CTH 382) zeichnen sich dadurch aus, dass sie offensichtlich den Deklarationen mit ihren Stützbitten einen hohen Stellenwert beimessen und diesen viel Raum geben. Auch die Gestaltung ist jeweils in höchstem Maße idiosynkratisch. In Anlehnung an die ältere Tradition greift man schließlich unter Ḫattušili und Puduḫepa die Möglichkeit, im Rahmen der Einleitenden Kontextualisierung die Anrede durch einen kurzen Hymnus rhetorisch wirksam zu gestalten, wieder auf, ist aber bereit, das bis dahin einzige konstante Element der Deklaration aufzugeben (in CTH 384.1).

4.12 Synthese Die Untersuchung der elf Strukturelemente hatte zum Ziel, auf der mikrostrukturellen Ebene mittels einer propositions- und wortorientierten Analyse herauszufinden, ob die Verfasser der hethitischen Gebetstexte einem sprachlichen Muster und bestehenden Routinen folgten oder ob sie Gestaltungsfreiheit bei der Abfassung ihrer Texte besaßen. Tatsächlich ist beides der Fall. Es lassen sich Textmuster feststellen, oder besser: typische und zum Teil distinktive Merkmale für die einzelnen Strukturelemente; ihre Verwendung ist aber nicht obligatorisch und sie werden in variabler Weise kombiniert und eingesetzt. Die Merkmale verteilen sich über fast alle Bereiche der hethitischen Sprache. Hier seien jeweils nur ein oder zwei Beispiele zur Illustration ihres breiten Spektrums und ihrer Funktionsweise aus den vorangegangenen Kapiteln zusammengestellt: • Kasus und Ereignisschemata: Die grammatischen Kasus markieren die Konstituenten von Ereignisschemata, die regelmäßig wiederkehren (z. B. in den Vermittlungsbitten: Dat./Lok. (des Betenden) + Akk. (der Botschaft) tarkumma-/i(ya)„fü r jemanden etwas ü bermitteln“). Die semantischen Kasus sind hierbei indessen kaum vertreten. • Nennung der Partizipanten: Gerade in den Kooperationssichernden Stützbitten gibt es ausgeprägte Tendenzen hinsichtlich dessen, ob und in welcher Form die Sprechaktpartizipanten genannt werden (als Appellativa bzw. mit Namen, durch Pronomina oder gar nicht). • Pronomina: Typisch für die älteren hymnischen Passagen ist der Gebrauch des selbstständigen Pronomens der 2. Person Sg. zik „du“. • Person: Die Ausführungssichernden Bitten unterscheiden sich von den Stützbitten und Zentralen Bitten formal dadurch, dass sie den göttlichen Adressaten in der 3. Person ansprechen.

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Synthese

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• Diathese: Die Darstellung negativer Konsequenzen enthält typischerweise mediopassive Verbalformen sowie verbale Lexeme, die sich nicht durch einen menschlichen Controller auszeichnen. • Tempus: Ein Merkmal der Deklarationen des Gebetssprechakts in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 besteht darin, dass ihnen die Deklaration einer einzelnen Gebets- oder Ritualhandlung vorausgeht. Diese zeichnen sich durch den Gebrauch des Präteritums aus. – Mittels der Serialisierungskonstruktion mit we-/uwa- „kommen“ werden Handlungen als nachzeitig gegenüber der vorangegangenen Handlung markiert. Dies kommt nicht ausschließlich, aber vor allem in der Darstellung negativer Konsequenzen göttlichen Handelns vor. • Aspekt: Der Gebrauch des durch Verbalsuffix markierten Imperfektivums ist von Bedeutung für die Erkennung von Deklarationen, die die gleichzeitige Performanz begleiten. • Modus: Die Markierung der Illokution der Bitte geschieht vor allem durch den Gebrauch des Imperativs. Der Imperativ der 1. Person Sg. (Voluntativ) kennzeichnet gelegentlich Zusagen von Korrekturmaßnahmen, konkurriert hier aber mit dem Präsens in futurischer Lesart. • Hauptsatztypen: Neben Aussagesatz und Aufforderung (s. eben zum Modus) treten auch Fragen – teils rhetorischer Natur – auf, die die Beteuerung der Aussage, die Anerkennung von Sachverhalten u. ä. zum Ausdruck bringen können. • Partikeln: Die Sequenzialisierung der berichteten Ereignisse ist in den Falldarlegungen von Bedeutung und geschieht vielmals mit Hilfe von Partikeln und Konjunktionen bzw. Adverbien (nu, im Junghethitischen kinuna). Andere Partikeln wie kāša drücken in Deklarationen den Sprecherbezug aus. Die enklitische Fokuspartikel -pat tritt vornehmlich in Hymnen auf. • Asyndese: Umgekehrt ist das Fehlen von satzeinleitenden Partikeln in mehreren aufeinander folgenden Kola ein sicheres Zeichen für den hymnischen Charakter einer Passage. • Wortstellung: Die satzfinale Stellung des selbstständigen Pronomens der 2. Person Sg. zik „du“ zeigt in eindeutiger Weise einen Hymnus an. Thetische Sätze mit Verbanfangsstellung finden sich dagegen in der Einleitenden Kontextualisierung. • Nebensatztypen und Einbettungen: Typisch für Gelübde und für Ausführungssichernde Bitten sind Konditionalsätze mit mān „wenn“. – Das Zitat des Wortlauts einer Äußerung der Partizipanten wird zur Steigerung der Emotionalität vor allem in den Falldarlegungen gebraucht. • Signalwörter und -phrasen: Die Ausdrücke arkuwar iye/a- „eine Falldarlegung machen“ und arkuwa(e)- „seinen Fall darlegen“ finden sich vornehmlich in Stützbitten und Deklarationen. Ganze Phrasen wie n=at šakti „das weißt du“ dienen in CTH 384.1 der Bekräftigung der zuvor gemachten Aussage. • Reihenfolge der untergeordneten Elemente: Einige der Strukturelemente setzen sich aus mehreren einzelnen Elementen zusammen. In solchen Fällen

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Textmuster der Strukturelemente

ist ihre Reihung von Bedeutung. Z. B. ist die Abfolge beim Auftreten mehrerer Kooperationssichernder Stützbitten im Allgemeinen festgelegt. Dasselbe gilt für die Bestandteile der Einleitenden Kontextualisierung. • Umfang: Für den Umfang eines Strukturelements gibt es ungefähre Richtlinien. So ist die Falldarlegung das umfangreichste Strukturelement, während die Kooperationssichernde Stützbitten nur zwischen ein und vier Kola beanspruchen können. Die Missachtung der üblichen Maßgaben in den Gebeten Muwatallis erhöht den Grad der Aufmerksamkeit des Adressaten. • Stilmittel: Stilistische Schmückung des Textes findet sich in unterschiedlichem Maße in nahezu allen Strukturelementen; eine besondere Häufung derselben trifft man aber in den hymnischen Passagen an, die sich eng an die mesopotamischen Vorbilder anlehnen. Es ist also festzuhalten, dass sich die Strukturelemente gemäß ihren Funktionen und Stützbeziehungen durch häufig wiederkehrende formale Ausdrucksmittel auszeichnen. Dabei spielen syntaktische Konstruktionen eine erstaunlich geringe Rolle und zeigen eine große Varianz. Dies wird z. B. in den hymnischen Passagen deutlich, wo ein ganzes Spektrum von Nominalisierungsphänomenen von der Apposition bis zum Relativsatz nebeneinander vorkommt. In den Deklarationen zeigt sich, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen die Wahl einer syntaktischen Konstruktion vor allem von der Notwendigkeit, die betreffende Äußerung in den Kontext einzubetten, geprägt sein kann. Stattdessen kommt die stärkste Signifikanz bestimmten Signalwörtern und -phrasen – seltener Partikeln – sowie den morphologischen Kategorien des Verbs zu. Diese Merkmale gewährleisten nicht nur die interne Kohärenz, sondern vielfach auch die Kohärenz zwischen den Strukturelementen. Eine Besonderheit, die die Abgrenzung der einzelnen Strukturelemente voneinander erschwert, besteht in der Technik der hethitischen Verfasser, Überleitungen zu schaffen, die sich durch eine nur allmähliche Veränderung der morphosyntaktischen Kategorien zwischen den Strukturelementen auszeichnen, z. B. durch die Vorwegnahme des imperfektiven Aspekts im Übergang von Falldarlegung zu Deklaration (s. Kapitel 3.3.2). Das hat auch zur Folge, dass an den Rändern der Strukturelemente untypische Kategorien Verwendung finden können. Außerdem können einige Merkmale innerhalb eines Bereichs von zwei aufeinanderfolgenden kurzen Strukturelementen zwar obligatorisch sein, aber der Verfasser kann für ihre Positionierung zwischen beiden wählen. Dies ist etwa bei der namentlichen Anrede an den Adressaten der Fall, die entweder in der Deklaration oder in der darauf folgenden Bitte eingefügt werden kann. In der Beschreibung der jeweiligen Strukturelemente bedeutet dies jedoch einen Faktor der Variabilität. Der Grad der Standardisierung oder Verbindlichkeit der Textmuster weist zwischen den Strukturelementen große Unterschiede auf. Generell lässt sich festhalten, dass die Standardisierung in sehr kurzen Elementen – insbesondere solchen, die aus nur einem Kolon bestehen – sehr viel höher ist als im Falle der umfangreicheren oder komplexeren Elemente, wie schon der diesbezügliche Kontrast der knappen Kooperationssichernden

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Synthese

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Stützbitten und der Ausführungssichernden Bitten zeigt. Noch mehr gilt dies für die Falldarlegung oder die Einleitende Kontextualiserung. Dies überrascht nicht, zumal dies mit dem Umstand einhergeht, dass die kurzen Stützbitten fast alle wohl der zwischenmenschlichen Kommunikation entnommen sind und sich so aufgrund ihrer hohen Frequenz ein standardisiertes Textmuster herausbilden konnte. Eine Tendenz zur Standardisierung besteht auch dort, wo auf entsprechende Textmuster aus der Ritualliteratur zurückgegriffen wird. Ganz eklatant ist dies in den Herbeirufungen (mugauwar) im Rahmen der Einleitenden Kontextualisierungen in den Gebeten Muršilis der Fall. Entsprechendes gilt für die Segenswünsche in denselben Gebeten. Auf der anderen Seite wirken aber einer Standardisierung mehrere andere Faktoren entgegen. Einer davon liegt in dem offensichtlichen Bemühen um Vermeidung von Repetition (s. Rieken 2016). Die deshalb eingeführte Variation der Merkmale kann sich in einem engen Rahmen bewegen (wie lexikalische Ersetzung, Zufügung von koordinierten Elementen in eine Konstituente u. ä.), oder sie kann den Rahmen des Üblichen gänzlich sprengen, wie dies insbesondere in den Gebeten Muwatallis der Fall ist: Der Verfasser dehnt z. B. die Bitte um Gehör für seine Falldarlegung in CTH 381 auf zwei Gruppen von je vier Kola aus, statt nur ein oder zwei Kola zu verwenden. Die Aufmerksamkeit des Adressaten soll so geweckt werden. Auch die Existenz wahrscheinlich prestigereicher mesopotamisch geprägter Vorläufer hat das Streben nach Originalität nicht gehemmt. Denn durch die Herstellung mehrerer Versionen der Sonnengottgebete (CTH 372–374) waren sicher alle Voraussetzungen für die Standardisierung einzelner Formulierungen oder umfänglicher Textmuster vorhanden. Stattdessen scheint es ein Anliegen der späteren hethitischen Schreiber zu sein, auf diese Textmuster zu rekurrieren, sie aber unter Verwendung der bekannten Themen und Phrasen neu zu formulieren und in neue Kontexte einzubauen (vgl. Metcalf 2015a). Im Falle der unterschiedlichen Deklarationen, die in CTH 372–374 an den Sonnengott bzw. an den persönlichen Gott gerichtet sind, werden die Merkmale der Textmuster später neu kombiniert. Die Freiheit geht sogar so weit, dass in das formale Muster des einen Strukturmerkmals die Inhalte eines anderen eingesetzt werden (vgl. die Verdiensteliste in CTH 377, Kolon 18–33, die eigentlich Teil einer Falldarlegung sein müsste, aber wie ein Hymnus gestaltet und positioniert ist). Reminiszenzen an die traditionellen Vorbilder mischen sich also mit eigenständigen Neuerungen. Als Konsequenz daraus ergibt sich – bei aller Kontinuität der Tradition – auch hinsichtlich der Mikrostruktur ein mehrfacher Wechsel in der Gestaltung der Gebetstexte: Neben den Sonnengottgebeten CTH 372–374, die infolge ihrer Ähnlichkeit untereinander und ihrer noch starken Verbundenheit mit den mesopotamischen Modellen eine geschlossene Gruppe bilden, zeichnen sich die Pestgebete Muršilis CTH 378.1–378.4 bekanntermaßen durch eine große Ähnlichkeit aus und später wieder die beiden Gebete Ḫattušilis und Puduḫepas CTH 383.1 und CTH 384.1. Starke Berührungen untereinander zeigen das mittelhethitische Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikals an die Sonnengöttin von Arinna CTH 375.1 und das Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu CTH 377 durch die Gestaltung des Hymnus, während Muršilis Gebet an die Sonnengöttin von Arinna

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Textmuster der Strukturelemente

CTH 376.1 sowohl diesen als auch den Sonnengottgebeten verpflichtet ist. Das Gebet fü r die Genesung von Gaššuliyawia CTH 380.1 orientiert sich – abgesehen von dem kurzen Bericht über die Vorgeschichte des Rituals – ganz an den Ersatzritualen. Von den beiden Gebeten Muwatallis zeigt CTH 381, das Gebet an die Götterversammlung, ein hohes Maß an Eigenwilligkeit und bezieht sich gerade in der mikrostrukturellen Gestaltung stark auf die Sonnengottgebete. Für CTH 382 berühren die Themen mit der Suche nach der Ursache für den Zorn des Wettergottes Bekanntes aus früheren Gebeten; die Ausführung ist jedoch ganz anders. Nur die Segenswünsche sind wieder der Ritualliteratur entnommen.74 Im Verlaufe der Entwicklung ist zudem ein zunehmendes Bedürfnis nach Explizitheit festzustellen, wie sich deutlich in der Formulierung der Normen erkennen lässt. Gleichzeitig hat dies aber zur Folge, dass die negative politeness gegenüber den mächtigeren Göttern, d. h. die Gewährung des Handlungsspielraums des Adressaten, eingeschränkt wird. Denn die explizite Ausführung dessen, wie normgerechtes Handeln durch die Götter auszusehen habe, verletzt die Anerkennung ihrer Entscheidungsfreiheit. Überhaupt versetzt die Direktheit, mit der die Hethiter ihre Vorwürfe und Forderungen an die Götter richten, den modernen Leser in Erstaunen. Die ausdrückliche Formulierung von Bitten ist in einem Teil der Gebete sogar mit der Argumentation mittels drohender Konsequenzen bei abweichendem Verhalten gepaart. Sprachliche Ausdrücke, die die Illokution der Aufforderung abschwächen, scheinen dagegen nicht voll grammatikalisiert worden zu sein. Zumindest gibt es keine entsprechenden Partikeln (wie dt. bitte). Stattdessen werden allein die Kooperationssichernden Bitten um Gehör, die deklarativen Hinweise auf die Bitte um Gnade und andere Gebetshandlungen unmittelbar vorangestellt oder aber die Anrede mit einem Hymnus am Gebetsanfang positioniert. Mit dem Fehlen grammatikalisierter Äußerungen von Höflichkeit stehen die Gebetstexte nicht allein: Auch die Briefe weisen nichts auf, was über die Vermittlung guter Wünsche, die einen vollständigen Satz in Anspruch nimmt, hinausgeht. Auch bekannte Ausdrucksmittel werden nicht immer an den Stellen genutzt, wo man sie vielleicht erwarten würde. So überrascht es, dass es die hethitischen Verfasser der Gebete gerade in den Zusagen von Korrekturmaßnahmen meist nicht für notwendig halten, ihre Äußerung besonders eindringlich zu gestalten, sei es durch emphatische Partikeln (-pat, ḫandan „wirklich“) oder durch eine Modalisierung (Voluntativ). Der Grad, in dem sich die hethitischen Verfasser der persönlichen Gebete einem Textmuster verpflichtet fühlten, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer in Relation zur Standardisierung anderer Textsorten setzen. Auch eine vergleichende Aussage über die Auswahl der sprachlichen Mittel, die hierbei eine Rolle spielen, ist kaum möglich, 74 CTH 382 zeigt auffällige Inkohärenzen im Gebrauch der verbalen Kategorien, vor allem in Bezug auf den Gebrauch des Imperfektivums und die Person, in der die Adressaten angesprochen werden (2. und 3. Person). Dies wiederum korreliert mit der ungewöhnlichen Struktur, so dass sich die Frage stellt, ob die Abfassung des Textes tatsächlich abgeschlossen wurde.

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Synthese

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da es bisher fast keine Studien zu diesen Fragestellungen gibt. Man kann vermuten, dass die hethitischen Gebete eine Mittelstellung einnehmen, da für fachsprachliche Textsorten wie Festrituale, deren repetitiver Charakter immer wieder betont worden ist, offensichtlich ein viel benutztes Formular existiert. Dem gegenüber dürften historische Berichte wie Annalen ein höheres Maß an Freiheit und Varianz aufweisen.

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5 VON DER STILISTIK ZUR DRAMATURGIE (von Alexandra Daues)

5.1 Methode und Zielsetzung In Kapitel 3 wurden die Gebetstexte auf ihre funktionale Struktur hin untersucht, woraus sich eine Hierarchisierung der Illokutionen eines Gesamttextes ergab. Diese realisiert sich in der Unterscheidung von: • Illokutionen zur Äußerung der Gesamtfunktion (Zentrale Bitten) • Gruppen von untergeordneten Illokutionen, die jeweils gemeinsam die Gesamtfunktion stützen sollen (Strukturelemente) • einzelnen Illokutionen, die wiederum die Funktionen der Strukturelemente stützen Dadurch wurde die funktionsbasierte Definition einzelner Strukturelemente möglich. Die aufgrund dieses zunächst inhaltlichen Kriteriums ermittelten Strukturelemente wurden in Kapitel 4 aus der Perspektive der Mikrostruktur beschrieben und hinsichtlich Variationsbreite und spezifischen sprachlichen Merkmalen dargestellt. Im Folgenden soll nun der Blick wieder auf den Gesamttext gerichtet werden. Über die in den Kapiteln 3 und 4 beschriebene argumentativ-rhetorische Struktur hinaus sind die hethitischen Gebetstexte in einer übergeordneten Weise gestaltet, die als „Dramaturgie“ bezeichnet werden kann. Nach Fischborn lässt sich der Begriff „Dramaturgie“ „auf alle strukturierten, prozessualen Tätigkeiten, kommunikativen Akte (einschließlich der Sprechakte), Vorgänge und Geschehnisabfolgen im gesellschaftlichen wie im individuellen Leben der Menschen beziehen, ob in unmittelbaren oder abgeleiteten Lebensbereichen, in der Sphäre des Alltags wie der symbolischen Repräsentation, in der Realität wie in den Künsten. … Unabdingbar für die Anwendbarkeit des Begriffs sind raum-zeitliche Strukturiertheit (Gestalt) und Kommunikativität – völlig unstrukturierte Abläufe oder solche ohne kommunikative Intention beziehungsweise Wirkung haben auch keine Dramaturgie.“ (Fischborn 2012: 16)

Da es sich bei den Gebeten um schriftlich fixierte Texte mit einem durch die umrahmende Opferhandlung gesicherten Aufführungscharakter und damit um performative Texte mit einer kommunikativen Intention handelt, können die Gestaltung der einzelnen Strukturelemente (Mikrostruktur) und ihre Zusammenfügung (Makrostruktur) in diesem Sinne als Dramaturgie interpretiert und auf dieser Grundlage analysiert werden. Eine ähnliche Textinterpretation haben bereits Zgoll (2003b) und Zernecke (2011) für mehrere Gebete mesopotamischen Ursprungs vorgenommen. Zgoll begründet ihre Herangehensweise an die babylonisch-assyrischen Handerhebungsgebete folgendermaßen:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„Ob Formen inhaltlich funktionslos sind, willkürlich und geistlos eingesetzt werden, oder ob eine gezielte Auswahl aus einem Schatz an Formen und Formulierungen getroffen wird, läßt sich nicht anhand losgelöster Textsegmente entscheiden, sondern muß in Detailstudien am einzelnen Text und im Textvergleich überprüft werden.“ (Zgoll 2003b: 14)

So begibt sie sich auf die sprachliche Ebene der Texte und erschließt textimmanent den Aufbau der einzelnen Gebetstexte. Von der Form kommt sie zur Funktion: „Die literarische Formung beginnt im Mikrobereich mit dem Einsatz des Klanges der einzelnen Wörter und reicht bis zur Gestaltung der Makrostruktur, etwa durch die Art der Anordnung und Verknüpfung der Teile im Gesamt des Gebets. Im einzelnen Gebet werden meist, um eine bestimmte Wirkung hervorzurufen, mehrere Stilmittel kombiniert. Gerade in der Summe wird ihre Funktion eindeutig.“ (Zgoll 2003b: 247)

Durch eine ausführliche sprachlich-stilistische Untersuchung der von ihr zugrunde gelegten Gebetstexte weist Zgoll (2003b: 260) „auf der Ebene der Makrostruktur eine verknüpfende und ordnende Textur“ nach. Die Makrostruktur der mesopotamischen Gebetstexte verfügt also über eine dramaturgische Textkomposition, die inhaltlich auf die Bitten hin ausgerichtet ist und sich formal einer literarischen Ausgestaltung bedient. Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass sich auch für die hethitischen Gebete eine derartige verknüpfende und ordnende Textur nachweisen lässt. Die besondere Dramaturgie der Gebete zeigt sich dabei einerseits in der sprachlich-stilistischen Ausformung der Strukturelemente (Mikrostruktur), andererseits in ihrem Arrangement (Makrostruktur). Die hethitischen Schreiber haben sich von der Kunstfertigkeit der mesopotamischen Vorbilder inspirieren lassen und die von ihnen verfassten Gebetstexte mit den Mitteln ihrer eigenen Sprache ausgestaltet und weiter entwickelt. So sind kohärente und in sich geschlossene Texte entstanden: Zeugnisse hethitischer Sprache, die im Folgenden – ohne den Einfluss von außen zu unterschätzen – zunächst einmal für sich, d. h. ohne den Rekurs auf mögliche fremdsprachliche Vorlagen, den Gegenstand der Untersuchung bilden sollen.75 Die Umsetzung des dramaturgischen Konzepts erfolgt über die Stilistik. Diese wird hier im Sinne von Jeffries und McIntyre von Hause aus in der Sprachwissenschaft verortet. Die beiden Autoren verstehen die Stilistik dementsprechend als „the study of literary texts using linguistic techniques“, wenngleich sie ihren Status als „interdiscipline“ (Jeffries und McIntyre 2012: 191) durchaus anerkennen. In Übereinstimmung hiermit geschieht die folgende sprachwissenschaftliche Untersuchung der hethitischen Gebete auf der Ebene des einzelnen Gesamttextes. Ihr Ergebnis besteht in der Analyse der Dramaturgien der betreffenden Gebete (Kapitel 5.3). Eine Abhandlung mit literaturwissenschaftlichem Anspruch ist dabei nicht angestrebt, auch wenn sich viele Aspekte der folgenden Darstellung an der Schnittstelle zur Literaturwissenschaft bewegen. 75 Für Hinweise, in welchen Fällen unmittelbare mesopotamische Vorlagen von den Forschern nachgewiesen worden sind, sei hier auf die online-Edition von Rieken, Lorenz und Daues (2016) verwiesen, die weiterführende Literatur enthält.

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Methode und Zielsetzung

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Grundlage der jeweiligen Untersuchung ist also allein der Primärtext. Als Gegenstand stilistischer Analysen formulieren Jeffries und McIntyre die Art und Weise, wie der Inhalt der Aussage sprachlich umgesetzt ist: „ … there are many different ways of saying essentially the same thing, and that this element of choice over how to say something was the proper subject of study for stylistics.“ (Jeffries und McIntyre 2012: 25)

Die Analyse hat danach zum Ziel festzustellen, welcher Effekt durch den Einsatz spezifischer stilistischer Mittel in einem spezifischen Text hervorgerufen wird. Sprachlich auffällige Merkmale – in Form von Abweichungen vom internen Kontext oder von der externen sprachlichen Norm (deviation) einerseits und durch den Einsatz von internen Parallelismen (parallelism) andererseits – dienen im Sinne von Jeffries und McIntyre (2012: 31) dem foregrounding. Durch das foregrounding wird der Leser auf die Wichtigkeit der vermittelten Information aufmerksam gemacht: „Essentially, foregrounding theory suggests that in any text some sounds, words, phrases and/or clauses may be so different from what surrounds them, or from some perceived ‚norm‘ in the language generally, that they are set into relief by this difference and made more prominent as a result. Furthermore, the foregrounded features of a text are often seen as both memorable and highly interpretable. Foregrounding is achieved by either linguistic deviation or linguistic parallelism.“ (Jeffries und McIntyre 2012: 31)

Die so hervorgehobenen wichtigen Informationen sind in einer kohärenten Struktur zusammengeführt, die wie der Ablauf des rituellen Geschehens dramaturgisch gestaltet ist. Diese Art der Annäherung an die Texte – ausgehend von der Stilistik hin zur Dramaturgie – legt somit nicht ausschließlich ein inhaltliches Kriterium zugrunde, sondern versucht darüber hinaus, über ein Verständnis der sprachlichen Form Klarheit über die funktionalen Größen des Textes zu gewinnen. Daraus können wiederum präzisierende Informationen über die Intention des Textes abgeleitet werden. So entsteht ein vergleichsweise objektives Instrumentarium zum Textverständnis, das geeignet ist, die Probleme zu minimieren, die sich aus dem zeitlichen und kulturellen Abstand des hethitischen und modernen Rezipienten ergeben. Im Falle der hier ausführlich untersuchten Gebete CTH 372, 373, 376.1, 378.1, 378.2, 381, 383.1 und 384.1 hat sich diese zunächst rein am Text orientierte Methode als zielführend erwiesen. Wir können die Gebete so als herausragende Textzeugnisse begreifen, die in außergewöhnlichen Notsituationen an die zuständige göttliche Instanz verfasst sind: Die Intention des Textes wird mit allen Mitteln, die dem jeweiligen Verfasser zur Verfügung standen, und mit aller Kunstfertigkeit, die er aufbringen konnte, – begleitet von den Ritualhandlungen der Opferpriester – umgesetzt, um das Überleben des Königs, des Landes bzw. seiner Bewohner zu sichern und damit den Fortbestand des Hethiterreichs zu garantieren. Der königliche Sprecher, der nur ausnahmsweise durch einen Repräsentanten vertreten wird, tritt dabei in jedem der untersuchten Gebete auf eine erstaunlich

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

individuelle Weise hervor. Die Hethiter haben ihre Gebete dem Adressaten, dem Anlass und der Persönlichkeit des Sprechers mit dem gezielten Einsatz von Stilmitteln mit großem Geschick angepasst: Keines der Gebete funktioniert wie das andere, jedes ist individuell konzipiert und ausgestaltet worden. Keiner der hethitischen Herrscher lässt die Gebete seiner Amtsvorgänger einfach abschreiben, jeder scheint die älteren Texte zu kennen, diese werden zitiert, aber auch modernisiert bzw. „hethitisiert“: Während die Sonnengottgebete CTH 372–374 formal und stilistisch noch einen starken Bezug zu den mesopotamischen Gebeten aufweisen, werden diese Formen in den anderen Gebeten Muršilis bereits frei adaptiert und im Rahmen der Pestgebete zu sprachlich eindrucksvollen Argumentationsgebäuden umgebildet. Muwatallis Schreiber sammelt den status quo und erweitert das Formenspektrum. Unter Ḫattušili und Puduḫepa stehen vor allem inhaltliche Aspekte im Vordergrund: Die zur Verfügung stehenden formalen Mittel werden nicht als l’art pour l’art eingesetzt, um einer Gottheit zu schmeicheln, sondern sie werden gezielt eingesetzt, um die jeweilige Argumentation zu untermauern. Die Auswahl der hier als Dramaturgien untersuchten Texte folgt in erster Linie dem Erhaltungszustand der Texte: Der inhaltlichen Kohärenz wegen können nur ausreichend erhaltene Texte berücksichtigt werden. Dabei ergänzen sich die Sonnengottgebete CTH 372 und CTH 373 gegenseitig. Zusätzlich wurde das Vorhandensein einer argumentativ untermauerten Falldarlegung oder Klage als ein Hinweis darauf gewertet, dass die Verfasser einem Text besondere gestalterische Sorgfalt gewidmet haben und eine Untersuchung interessante Ergebnisse verspricht. Die vorgenommene Gruppierung der Texte berücksichtigt zweierlei Größen: Zum einen ergeben sich die Gruppen auf formaler und inhaltlicher Seite durch Ausgestaltung und Themenwahl, zum anderen zeichnet sich so auch eine chronologische Entwicklung der Gebete ab. Aus der ins Mittelhethitische zurückreichenden Gruppe von Sonnengottgebeten sind CTH 372 und CTH 373 ausgewählt, die formal durch die ihnen gemeinsame Einbettungsstruktur auffallen (Kapitel 3.3.3.1). CTH 376.1 und die Pestgebete, die alle auf Muršili zurück gehen, sind der Form nach zwar sehr unterschiedlich, doch thematisch sind sie eng miteinander verbunden: Die Bedrohung durch die Seuche tritt auch in CTH 376.1 deutlich zu Tage, vor allem aber in den Gebeten CTH 378.1 und CTH 378.2 stehen die Frage nach der Ursache der Seuche und die Bitte um deren Ende im Mittelpunkt. CTH 381 nimmt wegen seiner Einbindung in den Ritualrahmen einerseits und wegen der Auslassung der eigentlichen Falldarlegung andererseits eine Sonderstellung ein. Es ist aber eines der längsten und besterhaltenen Gebete der Hethiter und darf deshalb hier nicht unberücksichtigt bleiben. Dagegen lassen sich CTH 383.1, das Gebet Ḫattušilis und Puduḫepas, und CTH 384.1, das Gebet Puduḫepas, vorwiegend aus inhaltlichen Gründen zu einer Gruppe zusammenfassen: Die Argumentation beider zielt auf eine Rechtfertigung der Taten Ḫattušilis ab; Hauptthema der Zentralen Bitten ist das Überleben Ḫattušilis. Die Gesamtkomposition beider Gebete unterscheidet sich aber trotz der inhaltlichen Nähe und trotz starker intertextueller Bezüge, da sie in hohem Maße individuell ausgestaltet worden sind.

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Das Kolon als zentrale Gliederungseinheit

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Um eine lesbare und zusammenhängende Darstellung zu ermöglichen, wird auch für dieses Kapitel auf die Angabe philologischer Details mit der betreffenden Sekundärliteratur verzichtet. Da ohne sie aber eine Bewertung einzelner Textpassagen nicht möglich ist, wird hier ausdrücklich auf die online-Edition von Rieken, Lorenz und Daues (2016) verwiesen, wo die betreffenden Informationen zu finden sind.

5.2 Das Kolon als zentrale Gliederungseinheit Für die Edition der hethitischen Gebetstexte im Rahmen des Hethitologie-Portals Mainz (URL: http://www.hethiter.net/txhet_gebet/) ist das „Kolon“ als typographische Gliederungseinheit vorgegeben. Hierfür wird – ohne eine Argumentation aus linguistischer Sicht – aus rein pragmatischen Gründen in der Regel ein Hauptsatz, ein subordinierter Teilsatz oder gelegentlich auch eine längere Folge von nominalen Appositionen im Rahmen einer Anrede typographisch durch eine Absatzmarkierung und Zählung abgesetzt, ohne auf die durch die Keilschrifttafeln vorgegebenen Zeilenumbrüche Rücksicht zu nehmen. Dieses für die hethitische Philologie ungewöhnliche Arrangement der Texte hat sich als ein glücklicher Umstand erwiesen, weil sich im Zuge der stilistischen Untersuchung, die auf der Basis der digitalen Neuedition vorgenommen wurde, das Kolon, d. h. die sprachliche Ebene der Proposition (Referenz plus Prädikation), als eine zentrale textuelle Gliederungseinheit manifestiert hat. Die Tatsache, dass sich das Kolon als Gliederungseinheit nicht auch im Zeilenumbruch auf den hethitischen Keilschrifttafeln widerspiegelt, hat eine Parallele in den Schreibergewohnheiten der Hethiter bei der Adaption des Ullikummi-Mythos. Nach verbreiteter Auffassung ist dieser Text rhythmisch gestaltet (zuerst Güterbock 1951: 142; McNeil 1963; Durnford 1971; in jüngerer Zeit Kloekhorst 2014: 619–39; Melchert 2015; Zweifel bei Weeden 2013; Sideltsev 2017: 202), zeigt jedoch keine Übereinstimmung von Zeile und Verseinheit. So kann der Umstand, dass auch in den Gebetstexten keine Übereinstimmung von Kolon und Zeile vorhanden ist, nicht als Argument gegen das Kolon als zentrale Gliederungseinheit derselben gelten. Positive Evidenz hierfür ist den Texten dagegen reichlich zu entnehmen und wird im Rahmen der Dramaturgien an den betreffenden Stellen erörtert. Im Folgenden sollen daher nur zwei verschiedenartige Passagen vorgeführt werden, um das Phänomen vorzustellen und einen ersten Nachweis zu erbringen. Durch Bezüge einzelner Kola aufeinander werden Klammerungen vorgenommen. Eine ungerade Zahl beteiligter Kola ermöglicht es hier oft, das gerahmte Kolon im Zentrum der Aussage zu identifizieren, z. B. im Pestgebet CTH 378.1, in dem Kolon 119 und 125 aufeinander Bezug nehmen und sich so als Rahmen um das zentrale Argument in Kolon 122 herumlegen:

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CTH 378.1, Kolon 119–125 119 nu šumāš ANA DINGIRmeš ENmeš =YA ninda ḫ[ar]šin dug išpanduzzi=[ya] kwēš [ē]ššer 120 n=aš ḫinganazz(a) mekki tamašta 121 n=at ḫinganaz [ … ]-ta 122 anda=at 123 ÚŠ-anz(a)=ma EGIR-an arḫa UL=pat dāi 124 nu akkišket[tari] 125 [ … ] kwēš lú.meš ḫaršiyalaš lú.meš išpantuzziyalašš=ya tepawēš [ … ] … „Welche euch, den Göttern, meinen Herren, B[r]ot [und] Gussopfer zu [ber]eiten pflegten, die bedrückte die Seuche stark. Die Seuche [ …]-te sie/es (scil. die Opfer oder das Land). Sie (ist) da. Die Seuche aber nimmt kein Ende. (So) [wird] (weiter) gestorb[en]. Welche Brot- und Weinopferer (schon) wenige [geworden sind], …“

Darüber hinaus finden sich auf der Ebene korrespondierender Kola komplexe Stilmittel wie in CTH 373, Kolon 41–52, wo in der Bitte um Offenbarung Textsegmente mit gleichmäßig zunehmendem Umfang (A: Kolon 41, 44–45, 48–50) und refrainartige Wiederholungselemente gleichen Wortlauts und Umfangs (B: Kolon 42–43, 46–47, 51–52) im Wechsel angeordnet sind: (75)

CTH 373, Kolon 41–52 41 [kinun]=a=mu=z(a) ammel DINGIR=YA ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ḫūmantet kardit kīnuddu 42 nu=mu wašdul=mit [tēdd]u 43 n=e=z=(š)an ganešmi 44 naššu=mu DINGIR=YA zašḫeya mēmau 45 nu=mu=z(a) DINGIR=YA ŠÀ=ŠU kinuddu 46 [ … wašd]ul=mit tēddu 47 n=e=z=(š)an ganešmi 48 našma=mu munus ENSI mēmau 49 [našma=mu Š]A d UTU lú AZU IŠTU uzu NÍG.GIG mēmau 50 nu=mu=z(a) DINGIR=YA ḫūmantet kardit [ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ] kīnuddu 51 nu=mu wašdul=mit teddu 52 n=e=z=(s)an ganešmi „[Jetzt] aber soll mein Gott mir sein Innerstes (und) seine Seele offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen [benenn]en, so dass ich sie erkenne! Entweder soll ein Gott zu mir im Traum sprechen! Mein Gott soll mir sein Innerstes offenbaren! Er soll [mir] meine [Vergeh]en benennen, so dass ich sie erkenne! Oder es soll eine Seherin zu mir sprechen! [Oder] ein Orakelpriester [d]es Sonnengottes soll es [mir] aufgrund der Leber sagen! Mein Gott soll mir [sein Innerstes (und) seine Seele] offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen benennen, so dass ich sie erkenne!“

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Die Sonnengottgebete

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Die Struktur lautet also A1 , B1 , B2 – A2 , A1 , B1 , B2 – A3 , A4 , A1 , B1 , B2 . Auf diese Weise macht die erkennbare Bezugnahme der einzelnen Kola aufeinander, ihre Verschränkung bzw. Klammerung, die zentrale Stellung des Kolons als Gliederungseinheit deutlich.

5.3 Die Sonnengottgebete 5.3.1 CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne Das junghethitische Sonnengottgebet CTH 372 weist eine vierteilige Einbettungsstruktur auf: I.1 I.2 II.1 II.2

Vermittlungsgebet an den Sonnengott (Kolon 1–74) Zentrales Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 75–120) Vermittlungsgebet an den Sonnengott (Kolon 121–139) Zentrales Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 140–210)

Das Sonnengottgebet CTH 372 beginnt mit der Anrede des Sonnengottes, d UTU-e, der durch išḫa=mi „mein Herr“ in Relation zum Sprecher gesetzt wird. Darauf folgen zwei Epitheta: ḫandanz(a) ḫannešnaš [i]šḫaš „gerechter Herr des Gerichts“ und nepišaš dāgazipašš=a LUGAL-ue „König über Himmel und Erde“, die seinen Herrschaftstitel und seinen Herrschaftsbereich definieren. Durch KUR-e zik dudduškeši „du behandelst das Land gnädig“ (Kolon 1) wird der Sonnengott darüber hinaus als Segensspender charakterisiert. Kolon 2 verweist mit tarḫuwilatar zik=pat peškeši „Siegeskraft gibst du“ auf den kriegerischen Aspekt des Sonnengottes. Die so beginnende hymnische Textpassage (Kolon 1–2) benennt die Themen der „Gerechtigkeit“, der „Kraft und Macht“ und der „Güte“, die im Folgenden variiert und expliziert werden: zum einen ḫandanz(a) DINGIR-uš „gerechter Gott“ (Kolon 3), zum anderen die Aussagen zur Befähigung in mugāuwar zik=pat ēššatti „die Herbeirufung führst du aus“ (Kolon 5) und n=an zik=pat šar[l]iškeši „du erhöhst ihn“ (Kolon 9) zusammen mit šuwaru mayanz(a) „ganz erwachsen“ (Kolon 10) und schließlich genzū daškeši „du nimmst eine gütige Gesinnung an“ (Kolon 4 und 7), genzuwalaš d UTU-uš „gütiger Gott“ (Kolon 6). Das Adjektiv ḫandanz(a) „gerecht“, das sich in Kolon 3 auf den Sonnengott bezieht, wird nun in Kolon 8 wiederholt, allerdings mit Bezug auf den Menschen, der dem Sonnengott lieb ist. So wird – jenseits der in Kolon 1 erwähnten hierarchischen Beziehung zwischen Gott und Mensch – eine persönliche Beziehung zwischen angebetetem Sonnengott und betendem Menschen angedeutet. Es wird also in dieser Eröffnung des Hymnus an den Sonnengott all das genannt, was sich der Betende vom Sonnengott erhofft: Gerechtigkeit, Macht und Kraft, eine gütige Gesinnung, und dass er den zürnenden Gott mittels eines mugāuwar, einer „Herbeirufung“, zugänglich macht. Eine genealogische Einordnung des angebeteten Sonnengottes, die erneut seine hohe Stellung verdeutlicht, erfolgt in Kolon 10, wo er ihn als DUMU d NIN.GAL „den Sohn der Ningal“ anspricht. Die Erwä hnung seines „Bartes aus Lapislazuli“ (Kolon 11), der dem

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

gegenüber das Erwachsensein (Kolon 10) und damit seine Kraft veranschaulicht, fü hrt gleichzeitig auch das Bild des Gottes vor Augen. Vor diesem Gott befindet sich nun der Betende. Er hat sich bereits vor der Gottheit verneigt, wenn er – hervorgehoben durch kāša zur Markierung des Sprecherbezugs – sich selbst einführt: 12

kāša=tta DUMU.LÚ.U19 .LU-aš ARAD=KA aruwā[e]t

„(Vor) dir hat sich hier, ein Mensch, dein Diener, vernei[gt].“ So wie der Sonnengott am Anfang der Einleitenden Kontextualisierung (§ 1) als išḫa=mi „mein Herr“ bezeichnet wurde, so bezeichnet sich an ihrem Ende der Sprecher nun als ARAD=KA „dein Diener“ und rundet damit das Bild des Verhältnisses beider als Gott und Schützling ab. Nach dieser Unterbrechung des Hymnus durch die wohlpositionierte Selbsteinführung des Sprechers (Kolon 12 und 13) wird der Hymnus ab Kolon 14 wieder aufgenommen: 14

nepiš[aš t]aknašš=a ḫūlale[š]ni zik=pat d UTU-uš [lā]lukimaš

„Du, Sonnengott, (bist) die [Li]cht(quelle) in der Umkrei[s]ung von Himmel und Erde.“ Mit diesem Kolon, das phonetisch durch eine Häufung von /l/, /n/ und /s/ auffällt, wird der Sonnengott nun in seinem astralen Aspekt angesprochen. In Übereinstimmung mit der Zielsetzung, die Worte des Sprechers später durch den fahrenden Sonnengott dem zürnenden Gott überbringen zu lassen, gewinnt die zunächst statisch beschreibende Hymnik der ersten Kola hier zunehmend an Bewegung. Am Beginn sind Kolon 15 und 16 parallel konstruiert, indem sie beide mit d UTU-e šarkui LUGAL-ue „Sonnengott, erhabener König“ (Kolon 15) bzw. d UTU-i šarku LUGAL-ue (Kolon 16), d. h. /istanue ḫassue sarku(i)/, anfangen und die Häufung von /s/ aus Kolon 14 fortführen. Anders als im ersten Teil des Hymnus ist es hier nicht die persönliche Beziehung zwischen Angebetetem und Betendem, die sich in den Epitheta ausdrückt. Vielmehr wird auf seine absolute Machtposition abgehoben, wenn der Sonnengott zweimal als LUGAL-ue „König“ bezeichnet wird; das Epitheton DUMU d NIN.GAL „Sohn der Ningal“ aus Kolon 15 verankert ihn erneut (nach Kolon 10) im Pantheon. Es ist also die Rolle, die er in der Welt der Götter und Menschen einnimmt, die ab Kolon 14 herausgearbeitet wird: sein Wirkungsbereich als Spender von Licht (Kolon 14) und als Richter (Kolon 15) sowie sein hoher Status unter den Göttern (Kolon 16) und den Menschen (Kolon 18 und 19). Der sich auf Himmel und Erde gleichermaßen erstreckende Machtbereich wird auch im nächsten Paragraphen ab Kolon 20 thematisiert. Hier wird er als d UTU-i GAL-li LUGAL-ue „Sonnengott, großer König“ angesprochen, gefolgt von der Nennung seines Vaters Enlil, des Schöpfergottes: Er hat dem Sonnengott die vier (Welt-)Ecken in die Hand gelegt und ihn so legitimiert. Erneut wird er als Richter (Kolon 21) in Erinnerung gerufen (vgl. Kolon 1). Die folgenden Kola (Kolon 23–31) widmen sich wieder der Sphäre der Götter: Unter den Göttern des Himmel ebenso wie unter den karuwiliyaš DINGIRmeš -naš

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„den uralten Göttern“, den Göttern der Unterwelt, ist der Sonnengott [š]arkuš „erhaben“ (Kolon 23). Ab Kolon 24 kommt der Bereich des Opfers ins Spiel. Hierbei ist es zunächst der Sonnengott, zu dessen Aufgabenbereich die Zuteilung der Opfergaben an die Götter gehört: Er stellt den Göttern die Opfer bereit (Kolon 24), ebenso den uralten Göttern (Kolon 25). Umgekehrt öffnen ihm die Götter die Himmelstür (Kolon 26), durch die der Sonnengott als ein aššanuwanz(a) „Gutgestellter“ (Kolon 27) schreitet. In Kolon 28 und 29 wird – syntaktisch wieder ganz parallel strukturiert – die Verbeugung der Götter des Himmels und der Erde beschrieben. Die Parallelität der Sachverhalte (Verneigung des Betenden in Kolon 12 und Verbeugung durch die Götter in Kolon 28 und 29) baut hier auch auf der Handlungsebene einen Bezug zwischen den Göttern und dem Betenden (Kolon 12) auf. Auf der Ebene des Textes wird allerdings der nächste Einschub vorbereitet, denn die beiden folgenden Kola (Kolon 30 und 31) greifen die Verben der Selbsteinführung (Kolon 12 aruwa(e)- und 13 mema-) in umgekehrter Reihenfolge wieder auf: 30 kwitt=a d UTU-uš memiškeši 31 DINGIRmeš -š=a āppa tuk=pat aruwēškanzi „Was auch immer du, Sonnengott, sagst, die Götter aber verneigen sich wiederum vor dir.“ So wird über das Stilmittel des Chiasmus ein Analogieschluss möglich: Zuvor (in Kolon 12 und 13) hatte sich der Mensch vor dem Sonnengott verneigt (Kolon 12), um zu ihm zu sprechen (Kolon 13), nun sind es die Götter, die sich, um zu hören, was der Sonnengott ihnen zu übermitteln hat (Kolon 30), vor dem Sonnengott verneigen (Kolon 31). Mit diesen Kola ist also das Ziel des Gebets vorbereitet: Der Sonnengott soll den Betenden hören und das Gehörte der Versammlung der Götter zutragen. Die Folgekola 32 und 33 werden mittels eines weiteren Chiasmus kunstvoll gestaltet: 32 33

d

UTU-uš dammeišḫandaš kurimmašš[=a a]ntuḫḫaš attaš annaš zik kurim[m]aš da[m]m[i]šḫandaš antuḫsaš kattawāttar zik[=pa]t d UTU-uš šarninkiškeši „Sonnengott, für geschädigte [und] verwaiste [M]enschen Vater (und) Mutter (bist) du. Für den Anklagegegenstand der verwais[t]en (und) ge[s]ch[ä]digten Menschen entschädigst du, Sonnengott.“ Der Name des Sonnengottes d UTU-uš bildet fast einen Rahmen um die beiden Kola; dammeišḫandaš kurimmašš[=a steht umgekehrtem kurim[m]aš da[m]m[i]šḫandaš gegenüber; Prädikatsnomen und Subjekt sind in der Reihenfolge gegenüber Subjekt und Prädikatsverb vertauscht.76 76 Im mittelhethitischen CTH 374, ist es eher die Parallelität der Konstruktion, die ins Auge sticht. Dadurch wird die Diskrepanz in der jeweils zweiten Kolonhälfte, also attaš annaš „Vater (und) Mutter“ in Kolon 21 und antuḫšaš k[attawā]tar ( … ) šarninkiškeši „den Ank[lagegegenstan]d des Menschen ( … ) entschädigst du“ in Kolon 22, in Szene gesetzt.

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Im zweiten Teil des Hymnus an den Sonnengott (Kolon 14–33) zeigt sich also die zunehmende Dynamik, die sich auch in Szenenwechseln bemerkbar macht: der Bereich der Mutter Ningal, der Bereich des Vaters Enlil, der Bereich der Menschen, der Bereich der Götter(versammlung), die sich wiederum als Götter des Himmels und Götter der Erde gegenüberstehen. Verbindendes und vermittelndes Element ist der bewegliche Sonnengott. Mehrere der für Hymnen charakteristischen sprachlichen Merkmale enden nach Kolon 33: im Nominalbereich die wiederholte Anrede mit Namen d UTU-e/i oder d UTU-uš und im Verbalbereich die Ausdrucksformen der Generizität (Zeitlosigkeit), d. h. Nominalsätze, Verbalformen mit -ant-Suffix oder Syntagmen mit -ške/a-Formen. Auch im Pronominalbereich nimmt die Frequenz des selbstständigen Personalpronomens zik bzw. tuk (mit und ohne Fokuspartikel =pat) ab.77 Die Schwellenzeilen Kolon 34 und 35, die den dritten Teil des Hymnus (§ 5) eröffnen, beginnen mit der nebensatzeinleitenden Konjunktion mān und geben der zunehmenden Bewegung, die der Text bekommt, eine Richtung: mān=ašta karūwarwar d UTU-uš nepišaz šarā ūpzi nu=ššan šarāzziyaš KUR-eaš katterašš=a utneyaš ḫūmandaš tuel=pat d UTU-waš ⟨lālukimaš⟩ tiyari „Wenn bei Tagesanbruch der Sonnengott auf der Seite des Himmels aufsteigt, dann tritt dein, des Sonnengottes, ⟨Licht⟩ in alle oberen Länder und unteren Länder.“ 34 35

Auffällig ist hier die Verwendung der 3. Person in Kolon 34. Mit Kolon 35 wechselt die Personendeixis allerdings gleich wieder zurück in die übliche 2. Person. Die folgende Textpassage (Kolon 36–39) hebt noch einmal die Funktion des Sonnengottes als Richter hervor. Sie verdichtet sich sprachlich durch eine Fülle von Wiederholungen wie ḫanneššar „Rechtsangelegenheit“ (dreimal) und ḫannattari „er richtet“ (dreimal), auch als Figura etymologica miteinander verbunden. Lautlich zeichnet sich die Textpassage durch eine Häufung des Nasals /n/ und der Frikative /ḫ/ und /s/ aus. Inhaltlich erfolgt die Fokussierung auf das Thema durch die folgende Liste: „du richtest über die Rechtsangelegenhei[t] von Hund und Schwein“ (Kolon 36), über die „der Tiere, die nicht m[i]t dem Mund sprechen können“ (Kolon 37) und auch „über die Rechtsangelegenheiten von schlechten und der böswilligen Menschen (Kolon 39)“. Sie alle befinden sich am unteren Ende der Hierarchie. Hier wird im Rahmen des Hymnus argumentiert und so die in den Kola 44 und 46 folgende Bitte des Sprechers an den Sonnengott vorbereitet. Der Sprecher impliziert, dass der Sonnengott erst recht für ihn, den sich unschuldig wähnenden Betenden, der sich zudem am oberen Ende des hierarchischen Spektrums ansiedelt, eintreten wird. 77 Das mittelhethitische Sonnengottgebet CTH 374 stimmt an der Parallelstelle dahingehend überein, dass der Gebrauch der imperfektivischen Verbalformen hier aufhört; die Personalpronomina und Anreden des Sonnengottes werden jedoch fortgesetzt.

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Im anschließenden Abschnitt (Kolon 40–43) konkretisiert sich die Zuständigkeit des Sonnengott in seiner Funktion als Mittler für die Belange des Sprechers weiter: 40 antuḫšann=a=z kwin DINGIRmeš šanzi 41 n=a(n)=šan arḫa paškuwanz[i] 42 n=an āppa zik kappūwaši 43 n=an genzuw[aši] „Auch welchem Menschen die Götter zürnen und (wen) sie vernachlässige[n], um den kümmerst du dich wieder und den behande[lst] du gütig.“ Das generische antuḫša- „Mensch“ und das Personalpronomen -an (Kolon 41, 42, 43) wird dann in Kolon 44 mit kūn aufgegriffen, dem Pronomen des Sprecherbezugs. Dadurch vollzieht sich eine Identifikation des Sprechers mit dem in Kolon 40–43 beschriebenen vernachlässigten Menschen. Erst darauf folgt nach langer Vorbereitung die Bitte des Sprechers an den Sonnengott: 44 kūnn=a LÚ.NAM.U19 .LU-aš ARAD=KA d UTU-uš luluwāi 45 nu d UTU-i NINDA-an KAŠ šippaz(a)keuwan tiyazzi 46 n=an ḫantantan ARAD=KA d UTU-uš kišar[t]a ēp „Auch diesen (hier), deinen Diener unter den Menschen, unterstütze (du), Sonnengott! Dann opfert er (dir), dem Sonnengott, Brot (und) Bier. Nimm ihn (als) deinen treuen Diener, Sonnengott, [a]n die Hand!“ Diese Kulmination aus Bitte (Kolon 44), positiver Konsequenz (Kolon 45) und wieder Bitte (Kolon 46) verdichtet sich auch sprachlich: die ersten beiden Imperative des Gebets (Kolon 44 und 46) stechen ebenso hervor wie die drei Nennungen des Sonnengottes. Der Sprecher, der von sich weiterhin in der 3. Person spricht, hat sein zentrales Anliegen vorgebracht. Eingerahmt durch die Bitten ist in Kolon 45 das in Aussicht gestellte Opfer. An dieses schließt sich in Kolon 47–48 das Opfer für die Zugtiere des Sonnenwagens an. Sie sollen für die bevorstehende Reise gestärkt werden: 47 nu miewuš kwiuš d UTU-uš tūriyan ḫarši 48 nu=šmaš kāša DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU-aš ḫalkin šuḫḫaš „Welche Vier du, Sonnengott, angeschirrt hast, ihnen hat der Mensch hier Gerste hingeschüttet.“ Das Opfer für die Zugtiere wird offenbar parallel zum Vortrag des Gebets vollzogen. In Kolon 49 werden nun die Zugtiere zur Annahme des Opfers aufgefordert. Bis sie sich gesättigt haben, steht der Sonnenwagen still, und der Betende kann den Moment nutzen, dem Sonnengott seinen Gruß zu entbieten und sein Anliegen vorzutragen (vgl. auch Eichner 2009: 7): 49 50

nu miewaš=tiš karippandu nu kwitman mieyawaš=teš ḫalkin karip[p]anzi

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51 zig=a d UTU-uš hwēš 52 nu=tta kāša LÚ.NAM.U19 .LU ARAD=K [A] uttar memai „Deine Vier sollen fressen! Und solange deine Vier die Gerste fres[s]en: – Du aber, Sonnengott, lebe! – Zu dir spricht der Mensch hier, dei[n] Diener, ein Wort.“ Die beiden ersten Kola, bestehend aus Aufforderung und (syntaktisch untergeordneter) Information, beziehen sich die Tiere (A); die beiden letzten Kola, die gleichfalls eine Aufforderung und eine Information enthalten, sprechen den Gott (B) an. Die vier Kola sind also im Schema A1 – A2 – B1 – B2 parallel gestaltet. Mit dem Hinweis auf die Worte des Sonnengottes (uttar in Kolon 53 wie in Kolon 52) und dessen Charakterisierung als geeigneter Vermittler leitet der Gebetstext von der Opfersequenz zurück zum Hymnus, der mit einer Beschreibung des Gespanns des Sonnengottes fortgeführt wird. Auf dem Weg durch die bereits eingeführten vier (Welt‑)Ecken (Kolon 54), wird der Wagen des Sonnengottes begleitet: 55 ZAG-az=tet naḫšaratteš ḫuiya[n]teš 56 GÙB-laz=ma[=tt]a we⟨ri⟩temaš ḫuiyanteš „zu deiner Rechten lauf[e]n die Ängste, zu [dei]ner Linken aber laufen die Schrecken.“ Die beiden parallelen Inhalte sind auch hier formal parallel dargestellt. Die folgenden drei Kola sind leider nur teilweise erhalten. Hier werden offenbar weitere Umstände des Anschirrens und Himmeldurchquerens ausgeführt. In Kolon 59 erscheint erstmals der persönliche Gott (DINGIR‑LUM), leider in zerstörtem Kontext. Erst ab Kolon 60 ist der Text wieder erhalten. Hier, in den zwei wieder parallel konstruierten Kola 60 und 61, werden nun die Wesire Bunene und Mišaru als zur Rechten und zur Linken des Sonnengottes laufend beschrieben (anders als in Kolon 55 und 56). Das Gesamtbild des am Himmel dahin ziehenden Sonnenwagens mit vollem Geleit, das sich von Kolon 54 bis 61 erstreckt, wird in Kolon 62 noch einmal zusammengefasst: 62 nu=kan d UTU-uš nepi[š ištarna] arḫa pa[iši] „(So) bewe[gst du,] Sonnengott, dich am Himm[el] entl[ang].“ An die Beschreibung des Sonnenwagens knüpft sich nun die Beschreibung des Weges, den der Sonnenwagen auf seinem Weg beschreibt: der obere Bereich, der den Göttern des Himmels zukommt (Kolon 63), und die dunkle Erde, dem Ort der uralten Götter (Kolon 64), der gleichzeitig auch Ausgangspunkt der Bewegung des Sonnengottes ist (Kolon 65). Trotz der Zerstörung der Kola 66–68 markiert das erhaltene sprecherbezogene Personalpronomen kāš deutlich den betenden Menschen als handelnde Person (Kolon 66), der in Kolon 67 offenbar eine zweite Bitte um Unterstützung an den vermittelnden Sonnengott (d UTU-uš) ausspricht. Hier wird das Anliegen nun auch begründet: Der persönliche Gott (DINGIR-LUM) hat sich bzw. seine Augen abgewendet. Seine Abwesenheit vom Sprecher wird hier zusätzlich durch das adressatenbezogene Pronomen apāš angezeigt:

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69 nu=z(a)=kan DINGIR-LUM apāš šakuwa=ššit tapu[šz(a)] tamēda nāyeš „jener Gott hat seine Augen [zur] Seit[e] woandershin gewendet.“ Der persönliche Gott ist der Adressat des Zentralen Gebets, an den sich der Betende über die Vermittlung des Sonnengottes wendet. Diese Konstellation wirkt auf die Gesprächssituation zurück: Der Sprecher referiert auf sich in der 3. Person (vgl. kāš in Kolon 66, DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU in Kolon 70, LÚ.NAM.U19 .LU-[UTT ]I in Kolon 74), als Adressat wird der Sonnengott in der 2. Person angesprochen (vgl. zigg=a=šši d UTU-uš in Kolon 72), der zürnende persönliche Gott hingegen verbleibt durchweg in der 3. Person (vgl. Kolon 69, 71 und 73 jeweils mit einer Form des Pronomens apā-). Schließlich folgt die Bitte, den persönlichen Gott aufzusuchen (Kolon 71–72) und die Worte des Betenden an ihn zu vermitteln (Kolon 73–74): 73 nu īt ap[ēd]ani DINGIR-LIM-ni tet 74 nu=šši ⟨⟨nu⟩⟩ ŠA LÚ.NAM.U19 .LU-[UTT ]I uddār EGIR-pa tarkumma[i] „Geh (und) sprich zu j[en]em Gott! Übermittl[e] ihm die (folgenden) Worte des Menschen!“ Zusammenfassend kann zur Struktur des hier zu Ende gehenden ersten Teilgebets festgehalten werden, dass die erste Bittpassage mit Bitten um Unterstützung und Führung (Kolon 44–46) auf eine hymnische Textpassage folgt, die ganz auf den Sonnengott ausgerichtet ist (Kolon 1–43). Die Bitte, sich auf den Weg zum persönlichen Gott zu machen, und Beschreibung des Sonnenwagens, mit dem der Sonnengott die Worte überbringen soll (Kolon 47–67), leiten dann über zum angestrebten Ziel des Sonnenwagens, dem persönlichen Gott des Betenden, der kurz vor der ausdrücklichen Bitte um Übermittlung der Worte (Kolon 72–73) als im Zorn abgewandter und abwesender Gott charakterisiert wird (Kolon 68–71). An ihn richtet sich nun ab Kolon 75 das erste eingebettete Gebet. Der Betende geht in medias res und beginnt so einen neuen Textabschnitt, der sich bis Kolon 120 erstreckt. Der angesprochene Gott ist durch seine Anrede als DINGIR-LUM „persönlicher Gott“ (bzw. šiuni=mi „mein Gott“ in Kolon 87) eindeutig identifizierbar. Gleich der erste Teil des leider teilweise zerstörten Textes setzt mit dem Vokativ [a]mmel DINGIR-LIM „[m]ein Gott“ (Kolon 75) ein. Im anschließenden Hymnus wird zunächst die Beziehung zwischen betendem Menschen und angesprochenem persönlichen Gott beschrieben: 75 [a]mmel DINGIR-LIM kwit=mu=z(a) AMA=YA ḫašta 76 nu=mu ammel [DINGIR-LIM šal]lanuškeši „[M]ein Gott, was das betrifft, dass mich meine Mutter gebar: Du, mein [Gott, zie]hst mich groß.“ Die persönliche Verflechtung des Sprechers mit dem zürnenden Gott ist somit intensiver und direkter als das Verhältnis des Sprechers zum Sonnengott. Diese zunächst rein am Inhalt orientierte Beobachtung wird auch durch die Adressatenstruktur der Rede

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zum Ausdruck gebracht: Anders als in der vergleichsweise verhaltenen Rede an den Sonnengott (Kolon 1–74), in der der Sonnengott in der 2. Person und der Sprecher in der 3. Person kodiert ist, wendet sich der Sprecher hier (ab Kolon 75) dem persönlichen Gott in der 1. Person zu. Den persönlichen Gott spricht er direkt in der 2. Person an, so dass eine unmittelbare und vertraut wirkende Gesprächssituation entsteht. Das enge Verhältnis spiegelt sich auch in der dreimaligen Anrede an den persönlichen Gott als zik=pat DINGIR=YA „du, mein Gott“ (Kolon 77, 78 und 79) wider. Inhaltlich können die nachfolgenden, leider stark zerstörten Textpassagen (Kolon 85–119) anhand von CTH 373 (Kolon 17–52) nachvollzogen werden:78 Zunächst wird die Schuldlosigkeit des Sprechers (in Form der eigenen Verdienste) geschildert (Kolon 85–95), gefolgt von der Fürsorge der Gottheit um ihn (Kolon 96–99). Darauf folgen Klagen über den befürchteten drohenden Tod des Sprechers (Kolon 100ff.) und – durch kinun „jetzt“ hervorgehoben – die Bitten an den persönlichen Gott, sich zu offenbaren (Kolon 108) und die Vergehen zu benennen (Kolon 109). Der Sprecher verweist auf die Möglichkeit, sie dann zu erkennen und anzuerkennen (Kolon 110). Bevor der Sprecher die Bitte um Offenbarung (Kolon 113) wiederholt, schlägt er Vermittlungswege hierfür vor (Kolon 111–112) und weist auf die Möglichkeit der Anerkennung hin (Kolon 114). Es folgt eine weitere Bitte um Benennung der Vergehen (Kolon 115–118) und ein weiterer Hinweis auf die Anerkennung (Kolon 119). Damit befinden wir uns in Kolon 120 im Zentrum des Sprecheranliegens, der Bitte um die Wiederherstellung von Ehrerbietung und Stärkung: 120 nu=mu naḫšar[att]an tašnu[marr=a] EGIR-pa DINGIR=YA pā[i] „Mein Gott, gi[b] mir Ehrerb[ietu]ng und Stärk[ung] zurück!“ Markiert durch den Adressatenwechsel in Kolon 121 beginnt das zweite Teilgebet an den Sonnengott (Kolon 121–148) mit einem verkürzten Hymnus: 121 d UTU-uš ḫūma[ntan] lú SIPA=ŠUNU zik 122 nu=tta ḫūmant[iya ḫal]ugaš=tiš šanezziš „Sonnengott, der Hirte von all[en] (bist) du. Deine [Bot]schaft ist angenehm für jed[en].“ Die Folgezeilen (Kolon 123–128) rekurrieren auf die Übergangspassage (Kolon 40–43) aus dem ersten Teilgebet an den Sonnengott. Dort führt sie eloquent zu den Bitten hin, wobei die Götter als Subjekt genannt werden; hier ist ihr Inhalt mit denselben Lexemen als Bitte in der 3. Person formuliert, wobei der persönliche Gott als Subjekt erscheint, dem der Sonnengott folgende Worte übermitteln soll: 125 [appa=y]a=mu=z(a) a[p]aš=pat kappwedd[u] 126 [nu=mu ḫwi]šnud[d]u 78 Die Parallelversion (ab Kolon 68) ist im mittelhethitischen Text CTH 373 in einem besseren Erhaltungszustand. Für eine ausführliche Dramaturgie dieser Textpassage sei daher auf diesen Text verwiesen.

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Die Sonnengottgebete

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127 nu=mu kwiš DINGIR=Y [A … ]-ašnut 128 [n]u=mu genzu namma [ … ] „d[e]r sol[l] sich au[ch wieder] um mich kümmern! Er so[l]l [mich am Leb]en erhalten! Me[in] Gott, der mir/mich [ge- … ]-t hat, soll mir gegenüber wieder eine gütige Gesinnung [annehmen]!“ Anders als im ersten Vermittlungsgebet tritt der Sprecher dem Sonnengott in der 1. Person gegenüber. Die vorgetragenen Bitten sind inhaltlicher Natur: Sie betreffen die Rückkehr des persönlichen Gottes, die Wiederaufnahme seiner Unterstützung für den Betenden, dessen Lebenserhaltung und eine gütige Gesinnung ihm gegenüber. Damit wird das ab Kolon 140 folgende zweite Gebet an den persönlichen Gott bereits antizipiert. Zu den stark zerstörten Kola 129–137 gibt es keine Parallele in anderen Texten. Es ist anzunehmen, dass weitere Bitten folgen. Diese Annahme wird durch Kolon 138 bestätigt, wo die Parallelversion CTH 373 wieder aussagekräftig ist. CTH 372 weicht von CTH 373 nur in Details ab. So kann Kolon 138 – nach CTH 373, Kolon 73 – zu einer Bitte um Stärkung ergänzt werden, Kolon 139 deutet auf eine Bitte um Gehör hin und leitet damit zum zweiten eingebetteten Teilgebet über, das sich – in Analogie zum ersten, ebenfalls zwei Teile umfassenden Gebetskomplex von CTH 372 – nun wieder an den persönlichen Gott richtet. Anders als in CTH 373 steigt der Sprecher in das zweite eingebettete Gebet an den persönlichen Gott nicht mit einer dreistufigen Variation der Frage nach den eigenen Vergehen ein. Vielmehr stellt er diese Frage nur einmal: 140 [DUMU.NAM.LÚ.U19 ].LU-UTTI AN [A DINGIR=YA … ] kwit iya[nun] „Was ha[be ich, der Mensc]h, [meinem Gott … ] ge[tan]?“ Der sich anschließende Vergleich mit einem Kaufmann, der vor dem Sonnengott die Waage verfälscht (Kolon 141–142), dient dem Kontrast zur eigenen Unschuld. Kolon 143 ist zerstört; in Analogie zu CTH 373, Kolon 82, kann man hier mit einer weiteren Unschuldsbeteuerung rechnen. Kolon 144–148 sind von den Klagen des Betenden über Krankheit und Angst geprägt.79 Die Grenzen seiner Belastbarkeit sind erreicht und er versetzt seinen Worten Nachdruck: 149 n=at šiuni=m[i] tuk memi[škemi] „Mei[n] Gott, ich sag[e] es dir (jetzt).“ Dieses Kolon ist performativer Natur und leitet zugleich auch zu den nächsten Klagen über, die der Betende in Kolon 150–152 in drei negierten Aussagen vorbringt: Er leidet unter Albträumen, die weder seinen Namen noch sein eigenes Wort erfolgreich sein lassen (gegenüber CTH 373, Kolon 89–91, mit modifiziertem Wortlaut und Inhalt). Eine 79 Auch für diese Passagen kann auf die Dramaturgie von CTH 373 (Kolon 80–88) verwiesen werden.

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phonetische Auffälligkeit ist die Häufung von Sibilanten, die das Albtraumszenario lautlich zu untermalen scheinen: 150 išpante=mu=ššan šašte=mi šan[ezziš] tešḫaš UL ēpzi 151 lamman=ma=m[u=ššan] šer aššulli UL išduwari 152 innarawatar=ma=mu uddār d [LAMMA] UL iyazi „In der Nacht ergreift mich in meinem Bett kein angen[ehmer] Traum. (Mein) Name aber erscheint mi[r] (scil. im Traum) nicht im Guten. Die [Schutz]gottheit verleiht meinen Worten keine Kraft.“ Daran schließt sich eine rhetorische Frage. Sie weist abermals auf die Unschuld des Betenden hin: 153 mān=mu=kan annaz kartaz DINGIR=YA [kī inan] gul(a)šta 154 ug=a=z(a) āppa munus ENSI UL k[u]ššanka punuššun „Ob du mir vom Mutterleib an, mein Gott, [diese Krankheit] (fest)geschrieben hast, habe ich aber (denn) niem[a]ls eine Seherin wiederum befragt?“ Durch den Gebrauch des selbstständigen Personalpronomens ug rückt der Betende auffällig in den Mittelpunkt. Die Fokussierung auf Sprecher und Sprechsituation wird im Folgekolon durch kinun am Anfang des performativen Hinweises (mit imperfektivischem Verb) auf den Ruf nach Gnade noch verstärkt: 155 kinun DINGIR-LIM-ni peran duddu ḫalziššaḫ[ḫi] „Jetzt ruf[e] ich (gerade) vor der Gottheit ‚Gnade!‘ aus.“ Anstelle der sonst üblichen Bitte um Gehör (so in CTH 373, Kolon 95, und CTH 374, Kolon 74) lässt er weitere Vorwürfe und Klagen an den persönlichen Gott folgen: 156 nu=mu DINGIR=YA LUGAL-was āški UL aššanuwandan antuḫšan iyaš 157 nu=mu DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU-UTTI peran šaklaye(n)=man GÙB-laḫta 158 nu=z(a) kwedani=ya āššus 159 apāš āššu ŠUM-an UL dāi „Mein Gott, du hast mich am Königstor zu einem nicht gut gestellten Menschen gemacht. Du hast mir mein Recht vor den Menschen erfolglos sein lassen. Und wem auch immer ich lieb (bin), jener bekommt keinen guten Namen.“ Kolon 159, /apās āssu lāman natta dāi/, ist durch eine Häufung des Vokals /a/ hervorgehoben. Einerseits enthält es mit āššu ŠUM-an einen Rückbezug auf Kolon 151 (lamman= … šer aššulli), andererseits bildet es den Schluss des vier Kola umfassenden Textabschnitts (Kolon 156–159), der sich zudem durch eine Fülle von überwiegend negierten aššuBelegen auszeichnet: UL aššanuwandan antuḫšan „einen nicht gut gestellten Menschen“ (Kolon 156), āššuš „gut“ (Kolon 158) und āššu ŠUM-an UL „keinen guten Namen“ (Kolon

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159). Der Betende gestaltet so das Bild von all dem Unguten aus, mit dem sein Name behaftet ist. Dieses „Ungute“ steht in starkem Kontrast zum Sonnengott, der in Kolon 16 als zik=pat ašnuanz(a) „du (bist) der am besten Gestellte“ und in Kolon 27 als zik=pat aššanuwanz(a) d UTU-us „du (als) ein Gutgestellter“ bezeichnet wurde. So wird auch klar, warum in Kolon 150–151 die albtraumbelasteten Nächte – im Gegensatz zu den sonnenerfüllten Tagen – hervorgehoben werden: Sowie der helle Sonnengott Inbegriff eines aššanuwanz(a) „Gutgestellten“ ist, so sehr sieht sich der Betende als einen UL aššanuwandan antuḫšan „nicht gut gestellten Menschen“ (Kolon 156) und damit von Nacht und Albträumen gefangen. Eingerahmt von den beiden Textabschnitten Kolon 150–152 und Kolon 156–159 steht eben der Ruf nach Gnade (Kolon 155). Er befindet sich exakt in der Mitte zwischen den beiden Erwähnungen des unguten Namens (Kolon 151 lamman= … šer aššulli UL išduwari und Kolon 159 āššu ŠUM-an UL dāi). Dass ein mit „Ungutem“ behafteter Name für einen Menschen, der einen Gott seinen Vater und seine Mutter nennt, nicht ziemlich sei, steht als Gedanke hinter den anschließenden Kola 160–163, in denen der persönliche Gott noch einmal als Vaterund Mutterersatz (vgl. bereits Kolon 75 und 76) charakterisiert wird: Der persönliche Gott wird also mit einer Verletzung der durch den Verwandtschaftsgrad bestehenden Fürsorgeverpflichtung konfrontiert. Mit Kolon 164, das zwar nur in zerstörtem Zustand überliefert ist, in dem es aber – nach der Parallele in CTH 374, Kolon 81 – offenkundig noch einmal um die Angst bei Tag und Nacht geht, stellt der Text einen Rückbezug zum nächtlichen Albtraumszenario her, das in Kolon 150 eröffnet wurde. Das Thema der Angst umfasst so den erweiterten Textabschnitt als zweite motivische Klammer. Ebenso wie im Hinweis auf den Ruf nach Gnade (Kolon 155) markiert auch in Kolon 164 nach dem Rückgriff in die Vergangenheit (ḫašta „du gebarst“ in Kolon 163) das einleitende kinun „jetzt“ den Gegenwartsbezug und steigert damit die Intensität der Aussage. Diese verleiht auch den nachfolgenden Bitten Nachdruck, allen voran der Zentralen Bitte um das Überleben der eigenen Person (Kolon 165): 165 nu=mu ḫwišnut „Lass mich überleben!“ Hier, am Ende des ersten Paragraphen des zweiten Teilgebets an den persönlichen Gott, folgen noch drei weitere, teilweise zerstörte Bitten: eine Bitte um Lösung der Vergehen (Kolon 166), eine Bitte um Führung (Kolon 167), eine Bitte um Wegnahme der Krankheit (Kolon 168). Für die Kola 169–179, die leider stark zerstört sind und durch CTH 374, Kolon 86–94, nur in Ansätzen restituiert werden können, ist anzunehmen, dass sie weitere Klagen enthalten: Es wird ein Bild des ziellosen Treibens auf einem Fluss entworfen. Auch die Angst des Betenden wird in Kolon 176 noch einmal erwähnt, doch entzieht sich der Text einer gesicherten Analysegrundlage. Soviel ist klar: Der Adressat bleibt derselbe, und auch dieser Abschnitt schließt mit mehreren teilweise zerstörten Bitten an den

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persönlichen Gott: Die Bitte um Führung (Kolon 177) wird wiederholt (vgl. Kolon 167), während die Bitte um Fürsorge (Kolon 179) hier erstmals direkt an den persönlichen Gott gerichtet wird (im Gegensatz zu Kolon 125). Auf die Bitten folgt in Kolon 180 die Darstellung der positiven Konsequenz der Fürsorge: 180 nu tuk DINGIR=YA wallaḫḫi „Dich, mein Gott, werde ich rühmen!“ Der Rest des Paragraphen ist stark zerstört und erfährt auch durch CTH 374 keine Erhellung: Kolon 182–186 beinhalten noch einmal Klagen. Auffällig ist hier die Verdichtung von Negativbegriffen: wašd[ul … ] karpišš=a „Vergeh[en … ] und Zorn“ (Kolon 184), idāluš „böse“ (Kolon 185) und idalauwanz(a) „böse“ (Kolon 187), die mit negiertem āššu„gut“ (Kolon 156–159) korrelieren. Der zerstörte Kontext erschwert allerdings weitere Aussagen. Das mit kinuna beginnende Kolon 187 leitet zu den nächsten, oft zerstörten Bitten ab Kolon 188 über. Es sind dies Bitten um einen guten Ort (Kolon 188), Unterstützung in der Krankheit (Kolon 189), Lösen des göttlichen Zorns (Kolon 193), gute Tage und gute Nächte (Kolon 195), Lösen des Ärgernisses (Kolon 196), Zuwendung (Kolon 197), Annahme des Boten (Kolon 200), Lösung der Vergehen (Kolon 204), Bezwingung der Gegner oder der Angst (Kolon 205), Besänftigung des göttlichen Herzens (Kolon 207), Rückführung in den guten Zustand der Kindheit (Kolon 208–209) und Behandlung durch den Gott wie durch Eltern (Kolon 210) mit Rückbezug auf Kolon 75–76: 210 [nu=m]u tuel ŠA DINGIR=YA ZI=KA ammuk IGI-anda [a]ttaš=maš annaš ḫaššannaš āššu [Z]IḪI.A kišantaru „Deine, meines Gottes, Seele soll [m]ir gegenüber auf gute Weise zu den [S]eelen meines [V]aters, (meiner) Mutter (und meiner) Familie werden!“ Diese in doppeltem Sinne abschließende Bitte (am Ende des zweiten Teilgebets an den persönlichen Gott ebenso wie am Ende des gesamten Textes CTH 372) rundet das Gebet an den persönlichen Gott auch insofern ab, als damit auf den Anfang des ersten Teilgebets an den persönlichen Gott (Kolon 75 und 76) Bezug genommen wird: Dort hatte das Gebet mit der Geburt durch die Mutter (Kolon 75) und der Erziehung durch den persönlichen Gott (Kolon 76) seinen Anfang genommen, während hier – am Ende des Texts – nun die familiären Bezüge auch auf die Ebene der Seelen ausgeweitet werden. In Kolon 211 ist der Text durch [Q]ATI als „beendet“ gekennzeichnet. Die beiden Teilgebete an den Sonnengott in CTH 372 (Kolon 1–74 und Kolon 121–139) ergänzen sich zu einem einzigen Gebet – wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung und mit geringfügigen Überschneidungen. Das Strukturelement Hymnus ist im ersten Teilgebet lang, im zweiten Teilgebet kurz, während das der Bitten im ersten Teilgebet kurz, im zweiten Teilgebet lang ist. Noch deutlicher ist die Zusammengehörigkeit der beiden eingebetteten Teilgebete an den persönlichen Gott. Sie sind so gestaltet, dass sie zwei Teile eines einzigen Gebets darstellen. Das erste Teilgebet umfasst einen Hymnus

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(Kolon 75–84), eine Verdiensteliste (Kolon 85–107) und eine Bitte um Offenbarung (Kolon 108–118) zusammen mit der Zusicherung seitens des Betenden, diese Offenbarung dann auch anzuerkennen (Kolon 119). Das zweite Teilgebet an den persönlichen Gott geht in medias res und beginnt mit der Beteuerung der eigenen Unschuld (Kolon 140–143). Es folgen Klagen (Kolon 144–148), die nach einem performativen Einschub (Kolon 149) fortgeführt werden und sich wie ein Rahmen um den Hinweis auf den Ruf nach Gnade in Kolon 155 legen (Kolon 150–164). Darauf folgen die Zentralen Bitten (Kolon 165–168). Weitere Klagen (Kolon 169–176) münden in weitere Bitten (Kolon 177–179), die von der Darstellung der positiven Konsequenz der Erfüllung abgerundet werden (Kolon 180). Es folgt eine kürzere Klagesequenz (Kolon 181–187) und spätestens ab Kolon 188 noch einmal eine längere Abfolge von Bitten, mit denen das Gebet endet. Der Gesamtstruktur liegt also ein in sich geschlossenes Konzept zugrunde (entgegen Wilhelm 2010; s. auch S.119). 5.3.2 CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott Auch das mittelhethitische Sonnengottgebet des Kantuzili bietet eine vierteilige Einbettungsstruktur:80 I.1 Schluss des Vermittlungsgebets an den Sonnengott (Kolon 1–8) I.2 Zentrales Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 9–53) II.1 Vermittlungsgebet an den Sonnengott (Kolon 54–69) mit Überleitung zum zweiten Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 70–74) II.2 Zentrales Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 75–103) Der Anfang des Sonnengottgebets CTH 373 ist zerstört. Dem Tafelformat nach zu urteilen, ist lediglich die Hälfte der Tafel erhalten. Wir können also annehmen, dass am Anfang und am Ende des Textes jeweils eine halbe Kolumne fehlt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass am Anfang eine Parallelversion zur ersten Kolumne des Textes CTH 372 gestanden hat, d. h. die Anrede an den Sonnengott, der Hymnus an den Sonnengott (1.Teil), die Selbsteinführung des Sprechers, der Hymnus an den Sonnengott (2. Teil), die Charakterisierung des Sonnengottes als Richter und Bote sowie das Stärkungsopfer für die Zugtiere des Sonnenwagens. Danach setzt der Text mit einer Übergangspassage vom ersten Teilgebet an den Sonnengott zum ersten Teilgebet an den persönlichen Gott ein, die sich durch die Nennung der drei beteiligten Akteure auszeichnet: 1 2

n[u … ] kwi[š=še]=ššan DINGIR-uš ḫatuggā-[ … ]-a šāet

80 Dass diese Struktur den Sonnengottgebeten nicht zwingend zu eigen ist, zeigt das gleichfalls mittelhethitische Gebet CTH 374, das eine zweiteilige Einbettungsstruktur aufweist: I. Gebet an den Sonnengott (Kolon 1–45) mit Überleitung (Kolon 46–51); II. Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 52–112).

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3 n[u=z(a)=kan … ] dam[a]tta naiš 4 nu ANA m kan(tuzi)li iyauwa UL pāi 5 nu=ššan DINGIR-u[š … ] mān=[aš t]aknī 6 zig=a d UTU-uš katti=ši paiši „U[nd … ]. D[er] Gott, der [ihm] schrecklich [ … ] zürnte, (er) hat [seine Augen zur Seite] woan[d]ershin gewendet. Dem Kantuzili (über)gibt er nicht das Handeln. [Sei es], dass [jener] Gott (sich) [im Himmel] (befindet), oder dass er (sich) in der [E]rde (befindet), du aber, Sonnengott, gehst zu ihm.“ Der persönliche Gott (DINGIR-uš) wird in Kolon 2 als zürnender Gott beschrieben, der nicht nur seinen Blick abgewendet hat, sondern – nach Kolon 5 – sogar ganz verschwunden ist; Kantuzili (in Kolon 4) ist der Sprecher des Gebets, der – wie wir aus CTH 372, Kolon 1–74, wissen – in dem an den Sonnengott gerichteten Teilgebet durchweg in der 3. Person erscheint; und der Sonnengott, der als zig d UTU-uš „du, Sonnengott“ in Kolon 6 direkt in der 2. Person angesprochen wird, erhält den Auftrag, zum zürnenden Gott zu gehen. Diese Bündelung der Akteure bereitet einen Adressatenwechsel vor und damit den Übergang zum eingebetteten Zentralen Gebet an den zürnenden persönlichen Gott, das ab Kolon 9 folgt. Doch zunächst bittet der Betende den Sonnengott um Übermittlung seiner Worte: 7 nu īt apedani DINGIR=YA tēt 8 n[u=šši] ŠA m kantuzili uttār=šet āppa tarkumiyai „Geh (und) sprich zu diesem meinem Gott! Übermittle [ihm] seine, des Kantuzili, Worte!“ Mit dem Vokativ ammel DINGIR=YA „mein Gott“ beginnt in Kolon 9 der leider etwas zerstörte Text des Teilgebets an den persönlichen Gott und erstreckt sich bis zum nächsten Adressatenwechsel in Kolon 54. Der angesprochene Gott ist dabei im gesamten Teilgebet durch die Anrede „mein Gott“ eindeutig identifizierbar. Ohne den Gebrauch weiterer Epitheta definiert der Betende die Beziehung zwischen sich und seinem persönlichen Gott: 9 ammel DINGIR=YA kwit=mu=z(a) AMA=YA ḫāšta 10 nu=mu ammel DINGIR=YA šallanuš „Mein Gott, was das betrifft, dass meine Mutter mich gebar: Du, mein Gott, zogst mich groß.“ Die Nähe des Betenden zu seinem persönlichen Gott stellt sich, auch wenn dieser abwesend ist, als besonders innig dar: Der Betende tritt nun in der 1. Person auf und spricht den persönlichen Gott in der 2. Person direkt an, dabei enthält fast jedes Kolon dieser Textpassage (Kolon 9–16) eine Anrede an den persönlichen Gott im Vokativ (Kolon 9, 10, 11, [12], 13, 14, 15). Die Kola 11–13 wählen sogar die eindringlichere Form zik=pat DINGIR=YA „du, mein Gott“. Die präterital formulierten Aussagen (Kolon 10–14) erinnern den persönlichen Gott an seine dem Betenden früher entgegen gebrachte Fürsorge.

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Sie gipfelt in der Feststellung, dass die enge Beziehung beider einst auf Gegenseitigkeit beruhte: [ … ] ammel DINGIR=YA m kantuzilin tuggaš=taš ištanzanaš=taš ARAD=KA ḫalzaet[ta] „Mein Gott, du ha[st mich], den Kantuzili, zu deinem Diener, (Diener) deines Körpers (und) deiner Seele ernannt.“ 14

Danach stellt der Sprecher seinem Gott zwei rhetorische Fragen: 15 nu=z(a) DUMU-annaz kwit ŠA DINGIR=YA duddumar natta šākḫi 16 n=at U [L] ganešm[i] „Welche Gnade meines Gottes kenne ich sei[t (meiner) K]indheit nicht? Erkenn[e] ich sie ni[cht] an?“ Mit den rhetorischen Fragen wehrt der Betende den potenziellen Vorwurf des Gottes, diese Gnade nicht anerkannt zu haben, ab. Der neue Paragraph (Kolon17–23) beginnt mit folgenden Worten: 17 kwit=a imma miešḫati „Was aber gar das betrifft, dass ich gedieh:“ Sie greifen Kolon 9 und 10 wieder auf, indem – hier wie dort – mit einem durch kwit „was das betrifft, dass“ eingeleiteten Nebensatz auf den Entwicklungsprozess des Betenden Bezug genommen wird. Ein Rückverweis auf die Fürsorge-Passage (Kolon 9–14) ist damit hergestellt. Dort folgen darauf in Kolon 15 und 16 die beiden rhetorischen Fragen, deren Thema der Betende nun nach dem genannten Rückgriff mit Kolon 18 ein zweites Mal behandelt: 18 nu=z(a)=(š)ta ŠA DINGIR=YA duddumar ḫattata ḫūmanta šakinun „Ich habe meines Gottes Gnade und Weisheit in allem kund getan.“ Die Bezugnahme auf Kolon 15 wird zusätzlich durch die Wiederaufnahme von ŠA DINGIR=YA duddumar und durch die lautlichen Anklänge von natta (Kolon 15) an ḫattata (Kolon 18) und von šākḫi (Kolon 15) an šakinun (Kolon 18) unterstützt. Der Betende ist also überzeugt davon, dass er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen. Die Deutung der Fragen aus Kolon 15 und 16 als rhetorische Fragen bestätigt sich also. Es folgt eine lange (nach Güterbock 1974: 325 auf mesopotamische Vorlagen zurückgehende) Liste, in der der Betende vorträgt, welche Vergehen er sich nicht hat zu Schulden kommen lassen (Kola 19–29): Er hat die Gebote des Gottes hinsichtlich der Eide (Kolon 19 und 20), der Nahrungsmittel (Kolon 21 und 22) und der körperlichen Reinheit (Kolon 23) stets befolgt. Er hat zudem die Rinder und Schafe nicht von ihren Herden getrennt (Kolon 24 und 25) und hat Brot und Wasser stets geteilt (Kolon 26 und 27). Auffällig gestaltet ist diese Auflistung durch kurze, parataktische Sätze mit präteritalen

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Verbalformen auf -un, die am Kolonende einen gleichförmigen Auslaut erzeugen (Kolon 18, 19, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 29). Weiterhin wiederholen sich UL kuššanka „niemals“ (Kolon 19, 20, 22, 24) und natta / UL kuwapikki „niemals“ (Kolon 27, 29). Am Ende dieses Sinnabschnitts finden sich – mit kinun „jetzt“ eingeleitet – wieder zwei Fragen: 30 kinun=a=man mān lazziaḫḫat 31 nu tuel šiunaš uddanta natta SIG5 -aḫḫat 32 mā(n)=man innaraḫḫat=ma 33 nu tuēl šiunaš uddanta UL innaraḫḫat „Wenn ich aber jetzt gesunden würde, würde ich da nicht durch dein, des Gottes, Wort gesunden? Wenn ich kräftig würde, würde ich da nicht durch dein, des Gottes, Wort kräftig?“ Die konditionalen mān-Sätze führen dem Gott eine Handlungsmöglichkeit vor Augen, die der Betende durch ihre Nennung evozieren möchte. Fast beiläufig werden hier erstmalig seine Krankheit und Schwäche thematisiert. Beide Fragen sind gänzlich parallel konstruiert und haben so eine eindrückliche Wirkung. Die daran anschließende Textpassage hat nach Metcalf (2011) zwar wieder eine mesopotamische Vorlage, doch zeichnet sich hier der hethitische Text durch phonetische Stilmittel, insbesondere durch Alliterationen mit /ḫ-/, aber auch durch die Häufung der Vokale /a/ und /i/ sowie von Nasalen aus. Der Chiasmus von ḫwišwatar und ḫingan auf dem Hintergrund der ansonsten völlig parallel konstruierten Kola 34 und 35 hebt deutlich hervor, wo die inhaltlichen Akzente zu suchen sind: 34 ḫwišwatar=m(u)=apa anda ḫingani ḫaminkan 35 ḫingan=a=m(u)=apa anda ḫwišwanni=ya ḫaminkan „Das Leben (ist) mir verbunden mit dem Tod. Der Tod aber (ist) mir auch mit dem Leben verbunden.“ Das Spannungsfeld von Leben und Tod steht also im Zentrum dieser Textpassage. Die Todesangst des Betenden bleibt nicht verborgen. So meint er auch sich selbst, wenn er unmittelbar im Anschluss in Kolon 36 formuliert: 36 dandukišnaš=a DUMU-aš uktūri natta ḫwišwanz(a) „Ein Kind der Sterblichkeit lebt aber nicht ewig.“ Seine Sehnsucht nach Leben wird auch durch die Häufung des Lexems zum Ausdruck gebracht: ḫwišwatar „Leben“ (Kolon 34, 35, 37), ḫwišwanz(a) „(ist) lebendig“ (Kolon 36, 38). Auf die Aussage in Kolon 36 bezieht sich der durch die Irrealispartikel man (Kolon 38, 39, 40) deutlich als irreal gekennzeichnete Gedankengang, den der Betende in den Kola 38–40 verfolgt: 38 39 40

mā(n)=mman dandukišnaš=a DUMU-aš uktūri ḫuw[i]šwanz(a) ēšta man=ašta mān [a]ntuwaḫḫaš idāluwa inan arta man=at=ši natta kattawatar

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Die Sonnengottgebete

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„Wenn aber ein Kind der Sterblichkeit ewig l[e]bte, (selbst) wenn ein Übel für den [M]enschen, eine Krankheit, bestünde, (dann wäre) das kein Gegenstand der Anklage für ihn.“ Der Umkehrschluss lautet: Da der Betende krank ist und als Mensch den Tod fürchten muss, beklagt er sich nun bei den Göttern. Der juristische Terminus kattawatar „Gegenstand der Anklage“ (Kolon 40) als letztes Wort des Paragraphen lässt bereits die Ansätze der später üblichen Konzeptionalisierung des Gebets als Plädoyer vor Gericht durchscheinen. Nach diesen Klagen des Betenden gegenüber dem persönlichen Gott folgt nun im nächsten Paragraphen (Kolon 41–52) eine eindringliche und mehrstufige Bitte um Offenbarung möglicher Vergehen des sich unschuldig wähnenden Betenden. Denn er diagnostiziert ihm unbekannte Vergehen als Ursache seiner bestehenden Krankheit. Diese Textpassage aus drei einzelnen Teilen hat folgende Grundstruktur:81 • • • • • •

keine Vorschaltung D 1. Teil: A, B, C (41–43) einfache Vorschaltung: D (44) 2. Teil: A, B, C (45–47) doppelt Vorschaltung: D, D (48–49) 3. Teil: A, B, C (50–52)

Auf eine Offenbarungsbitte (A) folgt also jeweils die Bitte an den Gott, die Vergehen zu benennen (B). Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, das Offenbarte dann auch zu erkennen und damit anzuerkennen (C), schließt der betreffende Teil, z. B. in Kolon 50–52: 50 nu=mu=z(a) DINGIR=YA ḫūmantet kardit [ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ] kīnuddu (=A) 51 nu=mu wašdul=mit teddu (=B) 52 n=e=z=(s)an ganešmi (=C) „Mein Gott soll mir [sein Innerstes (und) seine Seele] offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen benennen, so dass ich sie erkenne!“ Während der ersten Offenbarungsbitte (1. Teil) kein Vorschlag eines Offenbarungswegs (D) vorausgeht, ist in der ersten Wiederholung (2. Teil) der Offenbarungsbitte dann mit Kolon 44 der Vorschlag eines ersten möglichen Offenbarungsweges (Traum) vorgeschaltet: 44 naššu=mu DINGIR=YA zašḫeya mēmau „Entweder soll mein Gott zu mir im Traum sprechen!“ Der zweiten Wiederholung (3. Teil) werden nun zwei Vorschläge möglicher Offenbarungswege (Seherin, Orakelpriester) vorangestellt: 81 Zur sumerischen Vorlage s. Metcalf 2015a.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

48 49

našma=mu munus ENSI mēmau [našma=mu Š]A d UTU lú AZU IŠTU

uzu

NÍG.GIG mēmau

„Oder es soll eine Seherin zu mir sprechen! [Oder] ein Orakelpriester [d]es Sonnengottes soll es [mir] aufgrund der Leber sagen!“ Gegenüber dieser im Umfang ansteigenden Form ist die Offenbarungsbitte selbst (A) im Umfang lang – kurz – lang. Die umrahmenden Ausführungen (Kolon 41 und 50) zeichnen sich ebenso durch eine Parallelität der Syntax wie durch eine chiastische Stellung der Objekte (ŠÀ=ŠU ZI=ŠU „sein Innerstes (und) seine Seele“), die in der Lücke zu ergänzen sind, und der Adverbialangabe (ḫūmantet kardit „mit ganzem Herzen“) aus. Zentrum dieses Chiasmus (Kolon 41 und Kolon 50) ist Kolon 45 mit seiner schmucklosen, auf die zentrale Funktion fokussierten Aufforderung: 45

nu=mu=z(a) DINGIR=YA ŠÀ=ŠU kīnuddu

„Mein Gott soll mir sein Innerstes offenbaren!“ Hier endet die nach Metcalf (2011 und 2015) auf eine mesopotamische Vorlage zurückgehende Textpassage (Kolon 34–52). Ihr ist eine weitere Bitte angeschlossen: 53

[ … taš]numarr=a āppa zik=pat ammel DINGIR=YA piški

„[ … ] und [Stär]kung gib [mir] zurück, du, mein Gott!“ In tašnumar- „Stärkung“ und „Ehrerbietung“ (seitens der anderen Menschen) – so nach CTH 372, Kolon 120, zu ergänzen – scheint sich das Anliegen des Betenden zu bündeln. Gleichzeitig wird die Herstellung der wechselseitigen Beziehung von Betendem und angebetetem persönlichen Gott in dem Lexem tašnumar „Stärkung“ vorbereitet: Die Stärkung des Betenden durch den Gott wird einerseits hier in Kolon 53 erbeten, andererseits erfolgt die „Stärkung des persönlichen Gottes“ Kolon 73 zufolge durch das Gebet. Anschließend beginnt ein neues Teilgebet mit dem Sonnengott als Adressaten. Er wird vom Sprecher, der in der 1. Person auftritt, in der 2. Person direkt angesprochen. Leider ist der Erhaltungszustand des Textes nicht gut. Der erhaltende Text von CTH 372, Kolon 121–128, kann hier – trotz einiger Abweichungen im Detail – für die Analyse der Mikrostruktur weiterhelfen. So lässt sich auf dieser Grundlage Folgendes festgehalten: Der Sonnengott wird als „Hirte aller“ bezeichnet (Kolon 54 nach CTH 372, Kolon 121) und seine Botschaft als ḫūmantiya šanezzis „angenehm für jeden“ (Kolon 55 nach CTH 372, Kolon 122) gerühmt. Nach diesem Kurzhymnus, der vor allem die Fürsorgepflicht des Sonnengottes sowie seine Eignung als Vermittler charakterisierend herausstreicht, beginnt mit Kolon 56–58 eine Textpassage, die in CTH 372 (Kolon 123–124) ebenfalls in Variation begegnet und die hier wie dort als erklärende Darlegung des Geschehenen, d. h. des Zorns und der Abwendung des persönlichen Gottes, die Funktion der Überleitung zu den Bitten hat: Nach CTH 372, Kolon 125–128, sind es vor allem die Bitte um die

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Die Sonnengottgebete

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Rückkehr des persönlichen Gottes zu seinen Aufgaben der Fürsorge und Lebenserhaltung (CTH 373, Kolon 58–59) und die Bitte um seine gütige Gesinnung (CTH 373, Kolon 60–61). Die nachfolgenden Kola 62–65 enthalten Klagen über die Auswirkungen der Krankheit. Darauf folgen im neuen Paragraphen drei weitere Bitten an den persönlichen Gott, die der Sonnengott übermitteln soll: Der Zorn soll sich wieder legen (Kolon 66), der Zorn im Herzen des persönlichen Gottes soll verlöschen (Kolon 67) und der persönliche Gott soll den Betenden wieder von der Krankheit befreien (Kolon 68).82 Anschließend wendet sich der Betende mit einer hymnischen Reminiszenz wieder direkt an den Sonnengott: 69 [d UTU-u]š šuwāru mayanz(a) [ŠA d SÎ ]N U d NIN.G[AL … =Š]UNU zik „[Sonnengot]t, der ganz erwachsene [Sohn von Sî]n und Ning[al] (bist) du.“ So wird der Sonnengotthymnus, der sicher auch im Anfang von CTH 373 enthalten war (vgl. CTH 372, Kolon 1–33), in Erinnerung gerufen. Das kolonschließende zik „(bist) du“ (Kolon 69) mit der auffallenden Endstellung des selbstständigen Personalpronomens schließt zudem die Klammer, die mit Kolon 54, das ebenfalls hymnisch auf zik „(bist) du“ endet, eröffnet wurde. Nachdem zwischen Kolon 56 und 68 allein Sprecher und persönlicher Gott thematisiert worden sind, tritt jetzt also wieder die Gesprächssituation mit dem Sonnengott selbst in den Vordergrund. An dieser Stelle finden sich zwei Hinweise des Sprechers auf seinen Sprechakt (Kolon 70 und 72), die die Zentrale Bitte um das Überleben der eigenen Person umrahmen. Hier wird sie – nach derselben Bitte an den persönlichen Gott (Kolon 59) – nun auch an den Sonnengott gerichtet: 70 kāš[a=tt]a m kantuziliš ARAD=KA [ … ] ḫalziḫḫun 71 nu=mu ḫwišnut 72 [nu=ddu]=z(a)=šta k[āša] memiškemi „Ich hier, Kantuzili, dein Diener, habe d[ich, … ] gerufen: Halte mich am Leben! Ich h[ier] sage [dir] (jetzt):“ An dieser Stelle geht das Ende des zweiten Teilgebets an den Sonnengott (Kolon 54–74) – gekennzeichnet vor allem durch die letzte an ihn gerichtete Bitte (die Zentrale Bitte um das eigenen Überleben in Kolon 71) – sukzessive in das zweite Teilgebet an den persönlichen Gott (Kolon 75–103) über. Mit Kolon 70–72 wird noch ganz klar der Sonnengott angesprochen (-tta ḫalziḫḫun „ich habe dich gerufen“ und -ddu memiškemi „ich sage dir (gerade)“), die Bitte in Kolon 71 richtet sich noch an ihn. In Kolon 73 hingegen bündelt der Sprecher – ähnlich wie in der Übergangspassage (Kolon 1–8) – die Akteure: 73 d UTU-i išḫā=mi kāša=z m kan(tuzil)iš DINGIR=YA daššanuškē[mi] 74 [nu=mu DINGI]R=YA ištamašdu „Sonnengott, mein Herr, ich hier, Kantuzili, stärk[e] für mich meinen Gott (gerade). Mein [Got]t soll [mich] hören!“ 82 Der Gebrauch des Imperativs der 2. Person ist hier wohl fehlerhaft.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Angesprochen ist in Kolon 73 d UTU-i išḫā=mi „Sonnengott, mein Herr“ in der 2. Person; als Sprecher tritt Kantuzili mit kāša m kan(tuzil)iš „ich hier, Kantuzili“ in der 1. Person auf; und dem persönlichen Gott (DINGIR=YA „mein Gott“), auf den hier – am Ende des Teilgebets an den Sonnengott – noch in der 3. Person referiert wird, wird gerade die Stärkung zuteil. Auf ihn zielt auch die Bitte um Gehör in Kolon 74: Durch [DINGI]R=YA ištamašdu „mein Gott soll hören“ ist der persönliche Gott deutlich als Adressat des nachfolgenden Gebets gekennzeichnet. Während inhaltlich bereits der persönliche Gott angesprochen ist, richten sich formal die Worte weiterhin an den Sonnengott als vermittelnde Instanz. Diese Verschränkung in der Adressatenstruktur kennzeichnet Kolon 70–74 als Übergangspassage. Die enge Zusammengehörigkeit der Textpassage, die sich über einen Paragraphenstrich fortsetzt, wird durch die dreimalige Wiederholung der die Sprecherorientierung anzeigenden Partikel kāša (Kolon 70, 72, 73) ebenso deutlich wie durch die aufeinander Bezug nehmenden -ške/a-Formen (Kolon 72, 73). Der Imperativ in Kolon 74 hingegen lenkt den Fokus langsam vom Sonnengott auf den persönlichen Gott. Ab Kolon 75 wird der vorbereitete Wechsel der Partizipanten umgesetzt. Der Betende spricht nun den persönlichen Gott direkt in der 2. Person an: Das selbstständige Personalpronomen uk „ich“ (Kolon 75) erhält mit zik „du“ (Kolon 77, 78) ein Gegenüber. Wie schon im ersten Gebet an den persönlichen Gott (Kolon 9–53) tritt der Betende auch hier ohne Anrede und ohne Hymnus an den persönlichen Gott heran. Auch der Inhalt wird sehr direkt mit zwei Fragen in Angriff genommen: 75 uk=z(a) niku m kan(tuzil)iš ANA DINGIR=YA kwit iyanun 76 nu kwit [waštaḫḫu]n „Habe ich, Kan(tuzil)i, meinem Gott, etwas getan? Worin [hab]e ich [gefrevelt]?“ Im ersten Gebet an den persönlichen Gott hatte der Betende bereits angeführt, dass er seiner eigenen Einschätzung zufolge keinen Fehler begangen habe (Kolon 19–29). Mit seinem korrekten Handeln korreliert er nun das, was der persönliche Gott für ihn früher getan hat, und nimmt so inhaltlich Bezug auf die Fürsorge-Passage aus dem ersten Gebet (Kolon 9–14): 77 šiyuni=mi zik=mu iyaš 78 zik=mu šamnāeš „Mein Gott, du hast mich gemacht. Du hast mich erschaffen.“ Daraufhin wiederholt er in Kolon 79 noch einmal mit leichter Variation des Wortlauts die Frage aus Kolon 75: 79 kinun=a=tta m k[an(tuzil)iš kwi]t iyanun „Jetzt aber, [wa]s habe ich, K[an(tuzil)i], dir getan?“ Es folgt ein Vergleich. Vergleiche haben in den hethitischen Gebeten die Funktion, an Textstellen von besonderer Wichtigkeit das Anliegen des Sprechers durch ein Bild zu veranschaulichen. Dies gilt auch an dieser Stelle. Sie dienen zudem als retardierendes Moment:

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Die Sonnengottgebete

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80 lú DAM.GÀR-š=a LÚ-aš d UTU-i giš ēlzi ḫarzi 81 nu giš ēlzi maršanuzz[i] „Der Kaufmann, der Mensch, hält (vor) dem Sonnengott die Waage, und er verfälsch[t] die Waage.“ Nach dem Vergleich mit dem Kaufmann, der vor dem Sonnengott die Waage verfälscht, stellt der Betende die Frage nach seiner Schuld ein drittes Mal: 82 [ug=a ANA] DINGIR=YA kwit iyanun „[Ich aber], was habe ich mein[em] Gott getan?“ Die folgende Textpassage (Kolon 83–88) bildet eine Klage. Der Sprecher beschreibt seine Krankheit, seine Angst und deren Auswirkungen auf seine Seele. Die einleitenden und – nach Güterbock (1974) auf eine sumerische Vorlage zurückgehenden – Kola 83 und 84 bauen kunstvoll aufeinander auf: 83 nu=mu É=YA inani peran pittuliyaš É-er kišat 84 nu=mu pittuliyai peran ištanzaš=miš tamatta pēdi zappiškezzi „Mein Haus ist für mich durch die Krankheit ein Haus der Angst geworden. Vor Angst driftet mir meine Seele an einen anderen Ort.“ Das Thema der Angst mit dem Lexem pittuliyaš verbindet beide Kola. Dieses wird vom Satzende im ersten Kolon an den Satzanfang im zweiten Kolon übernommen, während „mein Haus“ am Anfang des ersten Kolons dem „anderen Ort“ am Ende des zweiten kontrastiv gegenübersteht. Hinzu kommt die durchgehende Alliteration durch den Anlaut /p-/ in per (É), peran, pittuliya-, per (É), pittuliya-, peran und pēdi.83 Im Folgenden beschreibt der Sprecher sich selbst. Dazu zieht er einen weiteren Vergleich heran: 85 nu MU-ti mieniyaš armalaš maḫḫan 86 nu=z(a) ūkk=a QATAMMA kišḫat „Wie (einer, der) krank (ist) für den Zeitraum des (ganzen) Jahres, ebenso bin auch ich geworden.“ Der Betende definiert hier seine Koordinaten in Raum (Kolon 83 und 84) und Zeit (Kolon 85). Damit greift er kontrastiv eine weitere Textpassage aus dem ersten Teilgebet an den persönlichen Gott wieder auf: In Kolon 34–40 hatte er seine Sehnsucht nach einem ewigen Leben zum Ausdruck gebracht. Gerade die Verankerung in Raum und Zeit trennt aber das dandukišnaš=a DUMU-aš „Kind der Sterblichkeit“ vom Ewigen. Vor allem die Krankheit führt ihm dabei seine Sterblichkeit vor Augen und begründet seine Angst. 83 Die Parallelstelle aus dem gleichfalls mittelhethitischen Sonnengottgebet CTH 374, Kolon 60–62, enthält als mittleres Kolon (61) eine Aussage über die empfundene Furcht. Sie ist hier weggelassen, was in CTH 373, Kolon 83–84, die beschriebene konzise, aber rhetorisch kunstvolle Gestaltung möglich macht.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Mit Kolon 87 rücken die wichtigsten Sorgen wieder in den Fokus, indem inan „Krankheit“ und pittuliyaš „Angst“ aus Kolon 83 und 84 wieder aufgegriffen werden:84 87 kinun=a=mu=ššan inan pittuliyašš=a makkēšta „Jetzt aber sind mir Krankheit und Angst (zu) viel geworden.“ Nachdem so die Darstellung der Bedrohung ihren Höhepunkt erreicht hat, bekräftigt der Betende seine Äußerung: 88 n=at šiyuni=mi tuk mēmiškemi „Mein Gott, ich sage es dir (jetzt).“ Die anschließende Textpassage nimmt ein weiteres Mal Bezug auf das erste Teilgebet an den persönlichen Gott. Dort hatte der Betende in einer dreistufigen Bitte um die Offenbarung seiner Vergehen gebeten (Kolon 41–52). Die dort vorgeschlagenen Offenbarungswege sind von der Gottheit offenbar nicht genutzt worden. An die Stelle offenbarender Traumbilder (vgl. Kolon 44) treten nun die Albträume, die der Betende onomatopoetisch unter Häufung des Lautes /s/ beklagt: 89 išpanti=mu=ššan šašti=mi šānezziš tešḫaš natta ēpzi 90 nu=mu=ššan šēr aššul natta išduwari „In der Nacht ergreift mich in meinem Bett kein angenehmer Traum. Für mich wird Gutes nicht offenbar.“ Kolon 91 antwortet darauf mit einer Bitte um Kraft und Unterstützung: 91 kinun=a=m(u)=apa [DINGIR=Y ]A innarau[w]ār U d LAMMA anda tūriya „Jetzt aber spanne, [mei]n [Gott], für mich (deine) Kraft und die Schutzgottheit ein!“ Auch der mögliche Offenbarungsweg über eine Seherin (Kolon 92–93, vgl. Kolon 48) hat keine Antwort erbracht, und dieses Mal – wieder durch kinun=a „jetzt aber“ eingeleitet – schließen sich der Klage ein performativer Hinweis und eine Bitte an, hier um den Erfolg vor Gericht (Kolon 94–97). Warum er in dieser Angelegenheit die Unterstützung des persönlichen Gottes erbittet, erklärt er mit der Ungerechtigkeit, die er unter den Menschen befürchtet: 98 āššu kwiuš iššaḫ[ḫun] 99 [nu] ḫwišnuzzi UL kwišk[i] „Welche ich gut behandel[t habe], keine[r] (davon) hält (mich) am Leben.“ 84 Während der Betende hier in emotional expressiver Weise auf „Krankheit und Angst“ Bezug nimmt, ist es in CTH 374, Kolon 65, lediglich inan „die Krankheit“, die der Betende beklagt: Die Abweichung in CTH 373 gegenüber CTH 374, für das Schwemer (2015: 361f.) eine frühere Entstehungszeit in Betracht zieht, könnte man als Ergebnis einer Bearbeitung deuten, denn in diesem Fall wäre das Resultat eine dramatischere und pointiertere Darstellung der Nöte des Betenden.

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Die Gebete Muršilis II.

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Ab Kolon 100 ist der Text weitgehend zerstört und bricht nach Kolon 103 – ungefähr in der Mitte der Tafel – ganz weg. Nach Ausweis von CTH 372 folgen hier zunächst Klagen und andere Äußerungen, die den persönlichen Gott zum Handeln bewegen sollen, im Wechsel mit Bitten. Letztere nehmen, je weiter der Text fortschreitet, einen immer größeren Raum ein, so dass das Anliegen des Betenden im zweiten Teilgebet an den persönlichen Gott deutlich zum Ausdruck kommt. Auch wenn am Anfang und am Ende dieses mittelhethitischen Gebetstextes große Teile fehlen, lässt sich doch die viergliedrige Struktur zweifelsfrei feststellen, da die letzten Kola des ersten Teilgebets an den Sonnengott noch erhalten sind, ebenso wie der Beginn des zweiten Teilgebets an den persönlichen Gott. Das Verhältnis der Teilgebete und ihrer Inhalte untereinander gleicht damit genau dem, was oben schon für das jüngere Gebet CTH 372 festgestellt worden ist (s. S. 194).

5.4 Das Gebet Muršilis II. an die Sonnengöttin von Arinna und die Pestgebete 5.4.1 CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna Dreiteilige Verknüpfungsstruktur: I. Gebetsteil an die Sonnengöttin von Arinna nach Einleitender Kontextualisierung (Kolon 1–65) II. Gebetsteil an die Götterversammlung und die Sonnengöttin als Teil der Götterversammlung (Kolon 66–134) III. Gebetsteil an die Sonnengöttin von Arinna (Kolon 135–155) Der Anfang des Gebets an die Sonnengöttin von Arinna ist zerstört. Die ersten erhaltenen Worte finden sich in folgendem fragmentarischen Kolon: 2

uyaet=mu [m mu]ršil[iš … ]

„Es schickte mich [Mu]rši[li … ]“ Der Satzbeginn enthält trotzdem eine Fülle von Informationen. Muršili ist der Betende, der aber nicht selber spricht, sondern einen Repräsentanten als Sprecher agieren lässt. Der Übermittlungsauftrag des Muršili folgt als Zitat in wörtlicher Rede, zusammen mit der näheren Erläuterung dieses Auftrags in Kolon 4–5: 4 5

īt=wa ammel ANA BE[LTI=YA … ANA d UTU ur ]u arinna memi nu=wa d UTU ur [u arinna … ŠA S]AG.DU=YA mugāmi

„Geh (und) sprich zu meiner Her[rin, meiner persönlichen Gottheit, der Sonnengöttin von] Arinna! Ich werde (nämlich) die Sonnengöttin von [Arinna, meine Herrin,] meine [pe]rsönliche [Gottheit], herbeirufen.“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Als Adressatin des zu übermittelnden Gebets ist die Sonnengöttin von Arinna hier erstmals genannt, zunächst in der 3. Person. Durch den Zusatz [ … ŠA S]AG.DU=YA „meine [pe]rsönliche [Gottheit]“ wird sie nicht nur in Relation zum Betenden gesetzt, sondern darüber hinaus auch in die Pflicht genommen. Diesem Kolon kommt außerdem als Scharnier eine doppelte Funktion zu, denn das Verb mugāmi „ich rufe herbei“ lässt in seinen Bezügen eine doppelte Deutung zu: Sowohl der König als auch der Repräsentant verbergen sich hinter dem Sprecher-Ich, denn einerseits kündigt der König seine Herbeirufung in der 1. Person an,85 andererseits wird der Repräsentant in Kolon 12 auf seinen eigenen Sprechakt der Herbeirufung der Göttin hinweisen, und zwar mit demselben Verb und gleichfalls in der 1. Person ([nu=tta kāš]a m[ukiškem]i „ich [hie]r r[ufe dich (jetzt)] herbei]“, ergänzt nach CTH 377, Kolon 12). Der Repräsentant, der im Namen des Königs das mugauwar sprechen soll, übernimmt also dessen Rolle. Ebenso wechselt die angesprochene Göttin, die in Kolon 4 und 5 noch in der 3. Person erscheint, im eigentlichen mugauwar (Kolon 6–11) und im folgenden Gebet, zur 2. Person. Durch diese Rollenverteilung bzw. -umverteilung werden die beiden Hauptakteure des Gebets, der betende König Muršili und die angebetete persönliche Gottheit, die Sonnengöttin von Arinna, über den Repräsentanten zusammengeführt. Ab Kolon 6 folgt die durch das deklarative mugāmi des Königs angekündigte Herbeirufung: 6 7 8 9

nu=z(a)=ka[n … nakk]iš d UTU uru arinna nepiš[i … ] šer mān=z(a) aruni mān=z(a) AN [A ḪUR.SAGmeš … ]-ka waḫḫanna pān[z(a)] [kinun]a=tta giš ERIN-anz(a) Ì-[ … ]-du

„[Falls] (du), die [ … gewich]tige Sonnengöttin von Arinna, oben im Himme[l … in der Erde] (bist), falls (du) im Meer (bist), falls (du) in d[ie Berge … ] zum Durchstreifen gega[ngen] (bist), sollen dich [jetz]t aber Zeder, Ö[l … rufen]!“ Die Anrede an die Göttin in der 2. Person ergibt sich im hethitischen Text aus der Verwendung der Reflexivpartikel -z(a). Kolon 10, das ohne Parallele in CTH 377 ist, ist weitgehend zerstört. Mit Kolon 11 folgt eine weitere und konkretisierende Aufforderung: 11

[n=ašta EGI]R-pa é karimm[i anda eḫu]

„[Komm zur]ück [hinein in den] Tempe[l]!“ Durch kinuna „jetzt aber“ (Kolon 9) und é karimmi „in den Tempel“ (Kolon 11) sind Zeit und Ort definiert. Diesen der Göttin von Arinna zugedachten Ort im Tempel hat sie aus Zorn verlassen. Mit dem Wohlgeruch von Zeder(nholz) und Öl wird die Göttin nun zum Tempel gelockt: 85 In CTH 377, Kolon 6, das insgesamt unpersönlicher und formelhafter gestaltet ist, erscheint an dieser Stelle wie im Kolon vorher der Imperativ der 2. Person.

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Die Gebete Muršilis II.

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[nu=tta kāš]a m[ukiškem]i ninda haršit [dug išpanduzit]

„Ich [hie]r r[ufe dich jetzt] mit Dickbrot [(und) Gussopfern herbei].“ Dort steht der Betende und weist nicht nur auf Opferhandlungen hin, sondern auch auf die zeitgleich stattfindende verbale Herbeirufung der Göttin (markiert durch die imperfektivische -ške/a-Form des Verbs). Durch kāša lenkt er die Aufmerksamkeit zusätzlich auf seine eigene Person: Hier in Kolon 12 vollzieht sich also eine neuerliche Selbsteinführung des Sprechers. Zum Abschluss der „Herbeirufung“ werden nun noch zwei Bitten vorgetragen: zum einen die Bitte um Besänftigung des Zorns (Kolon 13), zum anderen die stützende Bitte um Gehör (Kolon 14). Diese Bitte um Gehör schließt hier einerseits das mugauwar ab, andererseits leitet sie bereits zum nächsten Strukturelement, dem Hymnus, über. Der Hymnus an die Sonnengöttin von Arinna setzt mit einem teilweise zerstörten Kolon ein: 15

[ … nakki]š DINGIR-LIM-iš

„[Du, Sonnengöttin von Arinna, (bist) eine gewicht]ige Gottheit.“ Der gerade erst begonnenen Hymnus nimmt mit den Kola 15–30 aber einen thematisch ungewöhnlichen Verlauf. Es folgt nämlich zunächst eine Auflistung von Verdiensten (wie in CTH 375.1), durch die sich das Land Ḫatti unter König Muršili um die Göttin verdient gemacht hat. Dabei ist eine Zweiteilung der Verdiensteliste festzustellen: In einem ersten Teil (bis Kolon 24) werden die Verdienste um die Göttin im Land Ḫatti hervorgehoben (Tempel, Opfer, Feste, Gold- und Silberschmuck des Tempels, kostbare Tempelausstattung, Jahreszeitenfeste); im zweiten Teil (Kolon 25–30) werden die angesprochenen Verdienste um die Göttin (Verehrung, Ehrfurcht, Opfergaben für die Götterstatuen, Reinheit, Wahrung von Distanz) in Bezug zur Person des Muršili gesetzt. Diese Zweiteilung macht sich nicht allein an der graphischen Unterteilung in zwei Paragraphen (§ 2’ und § 3’) fest, sondern lässt sich auch auf struktureller Ebene nachvollziehen: Im ersten Teil wird die Sonderrolle, die Ḫatti durch seine Verehrung der Sonnengöttin von Arinna einnimmt, immer wieder hervorgehoben. Folgende Fügung tritt – mit Variationen (vgl. Singer 2002a: 40) – mehrfach auf (Kolon 17, 19, 21 und 24) und bewirkt einen Parallelismus, vgl. z. B. die beiden letzten Kola: 21

namma=ma=at=ta [ … UL kuwapi]kki ēšzi

„Ferner aber ist das für dich [nirgendw]o [in einem anderen Land] (so).“ 24

namm[a]=ma[=at=ta] tamēdani KUR-e UL kuwapikki ēšš[a]nzi

„Fern[er] aber f[ü]hrt man [sie für dich] nirgendwo in einem anderen Land durch.“ Dadurch ist die Passage von Kolon 15–24 symmetrisch in vier kleine Abschnitte eingeteilt, die nach dem Muster A – B – B – A je 3, 2, 2 und 3 Kola umfassen.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Im zweiten Teil (Kolon 25–30) hingegen ist weniger die parallele Konstruktion der Bestandteile vorherrschend, als vielmehr die Verschränkung und Steigerung der einzelnen Glieder. Die Bezüge sind hier komplexer: nu tuel ŠA d UTU uru arinna DINGIR-LIM-yatar INA KUR uru ḫatti=pat nakkiyaḫḫan 26 nu=tta=kkan m murši-DINGIR-LIM-iš LUGAL-uš ARAD=KA INA KUR uru KÙ.BABBAR-ti=pat naḫḫanz(a) 27 nu tuel ŠA d UTU uru arinna himmuš SÍSKURḪI.A EZEN4 ḪI.A iyauwanzi šarā tittanuškanzi 28 nu=tta ḫūman parkwi peškanzi 29 namma=ššan É DINGIR-LIM=KA ANA KÙ.BABBAR GUŠKIN naḫšaraz tiyanz(a) 30 nu maninkuwan UL kwiški tiyazzi „Deine, der Sonnengöttin von Arinna, Göttlichkeit (wird) nur im Land Ḫatti verehrt. Muršili, der König, dein Diener, (ist) dir (gegenüber) ehrerbietig eben im Land Ḫatti. Deine, der Sonnengöttin von Arinna, Götterbilder stellt man auf, um Feste (und) Opfer durchzuführen. Alles gibt man dir rein. Ferner (wird) deinem Tempel, dem Silber (und) Gold Ehrfurcht (entgegen) gebracht. Niemand tritt (zu) nahe.“ 25

Der Beginn der Kola 25 und 27 ist identisch (nu tuel ŠA d UTU uru arinna). Dieser Parallelismus bildet einen Rahmen um die erste Nennung des Muršili als König und Diener in Kolon 26 – abgesehen vom Übermittlungsauftrag in Kolon 2. In Kolon 26 definiert er sich erneut als König über das Land Ḫatti und als Diener der Sonnengöttin, die seine persönliche Gottheit ist. Am Kolonende beziehen sich hingegen Kolon 25 und 26 aufeinander, wobei naḫḫanz(a) „(ist) ehrführchtig“ aus Kolon 26 zusätzlich in Kolon 29 mit naḫšaraz tiyanz(a) „Ehrfurcht (wird ihr) entgegengebracht“ wieder aufgegriffen wird. Hierdurch wird das Verhältnis zwischen dem König und seiner persönlichen Gottheit weiter ausgestaltet. Auch die Formen tittanuškanzi, tiyanz(a) und tiyazzi (Kolon 27, 29 und 30) verbinden die Kola durch die Zugehörigkeit zum Verb „stellen“ miteinander. Die kolonschließenden Verben šarā tittanuškanzi (in Kolon 27) und peškanzi (in Kolon 28) beziehen sich schon allein lautlich, aber auch funktional (-ške/a-Formen) aufeinander und stellen darüber hinaus einen Bezug zum ersten Teil der Verdiensteliste her (vgl. peškanzi in Kolon 19). Schließlich rekurrieren Kolon 29 und 30 noch einmal auf den Tempel und damit den Ort des Geschehens: Dorthin soll die angebetete Göttin zurückgelockt werden. Der Schutz und die Heiligkeit des Tempels sollen der Göttin eine ungestörte Rückkehr garantieren. Dadurch wird auch inhaltlich ein Bezug zum ersten Teil der Verdiensteliste hergestellt, der die Tempelausstattung sowie die dort erfolgenden Feste thematisiert. Der Text nimmt zudem einen Rückgriff auf das mugauwar vor, indem er den Tempel als Ausgangs- und Zielort der Göttin inszeniert. Insgesamt kommen der Verdiensteliste mehrere Funktionen zu: Sie umrahmt die neuerliche Selbsteinführung des Muršili (Kolon 26), in dem er sich König nennt und

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Die Gebete Muršilis II.

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das sich so deutlich von allen anderen Kola der Passage abhebt (Kolon 16–25 und Kolon 27–30). Sie antizipiert den ab Kolon 31 tatsächlich beginnenden Hymnus an die Sonnengöttin von Arinna, indem sie das Verhältnis des Königs zu seiner persönlichen Gottheit beschreibt. Außerdem bereitet sie zwischen mugauwar und Hymnus bereits die Argumente des arkuwar, der „Falldarlegung“, vor, die mit Kolon 66 beginnt. Danach erst, nachdem alle Bezüge hergestellt sind, kann der Hymnus wirklich beginnen. Der Hymnus an die angesprochene persönliche Gottheit setzt in Kolon 31 mit den – bereits aus dem teilweise zerstörten Kolon 15 bekannten – Worten erneut ein: 31

zik=z(a) d UTU uru arinna nakkiš DINGIR-LIM-iš

„Du, Sonnengöttin von Arinna, (bist) eine gewichtige Gottheit.“ Ebenso wie die Verdiensteliste weist der Hymnus eine deutliche Zweiteilung auf. Der erste Teil (Kolon 31–36) ist speziell auf die Sonnengöttin von Arinna zugeschnitten: Hervorstechende Adjektive sind vor allem nakki- „gewichtig“ (Kolon 31, 32, 33, 34, 36) und šalli- „groß“ (Kolon 35, 36) zur Beschreibung der angebeteten Göttin. Die Abfolge der Adjektive ist hierbei auffällig strukturiert: In vier aufeinander folgenden Kola wird die Göttin zunächst mit nakki- bezeichnet, dann folgt ein Beleg von šalli- und in Kolon 36 treten beide Adjektive gemeinsam auf. Dabei findet vor dieser Synthese (Kolon 36) eine Steigerung statt, indem der Name der Göttin (d UTU uru arinna) zweimal zusätzlich genannt wird (Kolon 34 und 35). Das Gestaltungsmuster A – B – A+B ist auch in anderen Gebeten zu beobachten. Typisch für die hymnischen Textpassagen ist die häufige Nennung des Namens der persönlichen Gottheit, oft als Apposition zum selbstständig gebrauchten Personalpronomen der 2. Person zik, das auch durch die Fokuspartikel -pat verstärkt wird – so in Kolon 34, wo alle drei Elemente belegt sind: 34

namma=z(a)=kan DINGIRmeš -aš ištarna zik=pat d UTU uru arinna nakkiš

„Ferner (bist) du, Sonnengöttin von Arinna, unter den Göttern die gewichtigste.“ Der Anteil an Nominalsätzen ist im Hymnus sehr hoch. Charakteristisch sind außerdem ške/a-Formen mit generischer Funktion: Auch unter den 26 Kola des zweiten Hymnenteils finden sich 15 Nominalsätze und elf -ške/a-Formen. Der zweite Teil des Hymnus (Kolon 37–62) lehnt sich dann gänzlich an den Hymnus auf den Sonnengott aus den Sonnengottgebeten an, vgl. z. B. CTH 372 (Kolon 1–46). Die einzelnen Kola erscheinen zwar oft eher in variierter als in zitierter Form, doch ist – abgesehen von relativ großzügigen Auslassungen – die Reihenfolge der betreffenden Kola streng eingehalten. Die Sonnengöttin von Arinna scheint hier – im Gegensatz zum ersten Hymnenteil (Kolon 31–36) – nicht in ihrem allgemeinen Status angesprochen zu sein, sondern in ihrer Position als Sonnengottheit mit all ihren Funktionen. Neben den sprachlichen Merkmalen des Hymnus lassen sich also die inhaltlichen Momente des allgemeinen Hymnenteils zu den folgenden Themenbereichen zusammenfassen:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„gütige Gesinnung“ (z. B. Kolon 42), „Gerechtigkeit“ (z. B. Kolon 43), „Bewegung durch den Kosmos“ (z. B. Kolon 45), „Vater und Mutter aller Länder“ (Kolon 46), „Verteilung der Opfergaben an alte und neue Götter“ (Kolon 51 und 52) und „Zugang zum Himmel und Durchschreiten des Himmelstores“ (Kolon 53 und 54). Eine auffällige Abweichungen gegenüber der in CTH 372 erhaltenen Vorlage ist das vollständige Fehlen der Textpassage, die den Zugtieren und der Ausschmückung des Sonnenwagens gewidmet ist. Enthalten, wenn auch teilweise zerstört, ist hingegen die folgende Passage: 56 [ … ] d UTU uru arinna memieškeši 57 [ … d UTU uru ari]nna aruwišk[anzi] „[Was auch immer] du sagst, Sonnengöttin von Arinna, [die Götter] verneig[en sich vor dir, der Sonnengöttin von Ari]nna.“ Gegen Ende des Hymnus wird damit auf die Sonnengöttin von Arinna in ihrer Vermittlerfunktion zwischen Mensch und Götterversammlung rekurriert (vgl. auch CTH 372, Kolon 30 und 31). Obwohl die Sonnengöttin von Arinna also nicht explizit um Vermittlung der Worte des Muršili gebeten wird, mündet der Hymnus doch in einen impliziten Vermittlungsauftrag: Die Sonnengöttin von Arinna ist offenbar als Autorität unter den Göttern akzeptiert und so erscheint die Erwartungshaltung, dass man ihr in der Götterversammlung zuhören werde, berechtigt. Dann – parallel zu CTH 372, Kolon 40–43 – kommt der Mensch ins Spiel: 58 [ant]uḫši=ya=z(a)=kan kwedani DINGIRmeš [ … ] 59 [n]=an=šan arḫa paškuwanz[i] 60 [z]ik=pat d UTU uru arinna ge[nzu ? … ] „Auch welchem [Men]schen die Götter [zürnen und] wen sie vernachlässige[n, behandelst d]u, Sonnengöttin von Arinna, gü[tig].“ Während andere Götter den Menschen mit Zorn und Vernachlässigung strafen, ist es wieder die Sonnengöttin von Arinna, die sich durch „Güte“ auszeichnet und auf deren Unterstützung der sie verehrende Mensch hoffen kann. So wünscht es sich der Betende, der dies im Folgenden (Kolon 61–65) auch verbalisiert. Die Partikel kinuna „jetzt aber“ (Kolon 61) bildet den Übergang vom zunächst noch allgemein gehaltenen Szenario zur aktuellen Gegenwart: 61 [k]inuna m murši-DINGIR-LIM-in LUGAL-un d UTU uru ar[inna l]uluwāi „[J]etzt [un]terstütze du, Sonnengöttin von Ar[inna], Muršili, den König!“ Denn Muršili, der König, entpuppt sich als der besagte Mensch, um den es hier geht: Auf ihn sind die Götter zornig, und er ist es, den die Götter vernachlässigen. Die Sonnengöttin von Arinna wird nun gebeten, ihn zu unterstützen. Sie soll sich also in der Götterversammlung für ihn einzusetzen. Auf ihre am Anfang des zweiten Hymnenteils vorbereitete, hier aber nicht näher ausgeführte Güte, Gnade und Gerechtigkeit (Kolon

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Die Gebete Muršilis II.

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37–43) hofft Muršili. Nach der allgemeineren Bitte um Unterstützung in Kolon 61 folgt nun mit Kolon 62 eine weitere Bitte, die dies veranschaulicht: nu m murši-DINGIR-LIM-in LUGAL-[u]n ḫanda[ntan] ARAD=KA d UTU uru arinna kiššart(a) ḫar(a)[k] „und halt[e] du, Sonnengöttin von Arinna, Muršili, den Kön[i]g, deinen gere[chten] Diener, an der Hand!“ 62

Die Göttin soll ihn an der Hand halten. Hierauf folgt die das arkuwar antizipierende Bitte um Gehör (Kolon 63–65): 63 nu m murši-DINGIR-LIM-iš LUGAL-uš uddār kwe memiškezzi 64 nu d UTU uru arinna GEŠTU-[an] parā l[ag]ān ḫar(a)k 65 n=at ištamaški „Welche Worte Muršili, der König, (gerade) zu dir spricht, halte du, Sonnengöttin von Arinna, das Oh[r] hin[ge]neigt und höre sie!“ Kolon 63 greift mit der -ške/a-Form memiškezzi auf Kolon 56 zurück: Dort spricht die Sonnengöttin von Arinna (zu den Göttern), hier in Kolon 63 spricht der König Muršili (zur Sonnengöttin von Arinna). Die Parallele wird dabei durch eine chiastische Verschränkung der Personendeixis durchbrochen: 2. Person in Kolon 56, 3. Person in Kolon 57 gegenüber der 3. Person in Kolon 63 und der 2. Person in Kolon 64 und 65: 56 [ … ] d UTU uru arinna memieškeši 57 [ … d UTU uru ari]nna aruwišk[anzi] „[Was auch immer] du sagst, Sonnengöttin von Arinna, [die Götter] vernei[gen sich vor dir, der Sonnengöttin von Ari]nna.“ Auch inhaltlich ergibt sich eine Verschränkung, aus der die Sonnengöttin von Arinna als zentrale Gestalt und Mittlerin hervorgeht: Einerseits spricht sie zu den Göttern (Kolon 56) und diese verneigen sich aufmerksam vor ihr (Kolon 57); andererseits spricht nun Muršili zu ihr (Kolon 63) und sie neigt das Ohr und hört (Kolon 64–65). Bevor also das arkuwar beginnt, wird die Sonnengöttin von Arinna als persönliche Gottheit des Königs und als seine Mittlerin und Anwältin in der Götterversammlung motiviert und mobilisiert. Gleichzeitig ist auch das mittlere Kolon der letzten Bitte, also Kolon 64, im Text durch einen Rückbezug verankert. Es nimmt Bezug auf Kolon 62: Dort ist es kiššart(a) „die Hand“, mit der die Göttin Muršili halten soll, hier in Kolon 64 ist es GEŠTU „das Ohr“, das sie hingeneigt halten soll. Die Unterstützung, die sich Muršili von seiner persönlichen Gottheit wünscht (Kolon 61), ist eine konkrete, wenn er die Göttin durch die Nennung der Körperteile bzw. Sinnesorgane (implizit Mund in Kolon 65, Schoß in Kolon 60, Hand, Ohr) bildlich ausgestaltet. Damit gewinnt sie zunehmend an Präsenz, so dass nun die Falldarlegung, die sie an die Götterversammlung übermitteln soll, endlich beginnen kann.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Der neue Paragraph (§ 6’’), mit dem das gemeinsame Gebet an die Götter und die Sonnengöttin (als Teil der Götterversammlung) beginnt, bringt sofort den zentralen Vorwurf vor: 66 67 68

kī DINGIRme [š kwit] i[y]atten nu ḫinkan tarna[tten] nu KUR uru KÙ.BABBAR-t[i ḫūm]an=pat BA.ÚŠ

„Dies, (ihr) Götte[r], (ist), [was] ihr ge[t]an habt: Ihr habt die Seuche zugelas[sen], und das [gan]ze Land Ḫatt[i] ist gestorben.“ Die Passage klingt an den Anfang der eingebetteten Gebete an den persönlichen Gott in CTH 372–374 an und zeigt dadurch auch formal an, dass hier gleichfalls eine Vermittlung durch die Sonnengöttin an die Götter gewollt ist. Sie sind die Adressaten des zweiten Gebetsteils. Nach Einschätzung des Sprechers sind es die Götter, die die Seuche in Ḫatti veranlasst haben und die somit für den Tod der Menschen verantwortlich sind. Mit Kolon 69 schildert er die aus der Seuche resultierenden Konsequenzen, auch und vor allem für die Götter: 69

namma ANA D[INGIRmeš ] ninda ḫaršin [dug išp]anduzi=ya UL kwiški iyazi

„Niemand macht den G[öttern] mehr Dickbrot und [Gusso]pfer.“ Die Dreiheit der Akteure (A), des Sterbens (B) und der Konsequenz des ausbleibenden Opfers (C) in Kolon 67–69 erscheint in der Folge modifiziert dreimal in drei Textsequenzen, die eine Ausgestaltung dieses Sachverhalts anhand konkreter Bilder aus unterschiedlichen Abschnitten der Produktionskette der Opfergaben bieten. Das Schema ABC – ABC – ABC ist einfach: Im jeweils ersten Kolon (A) wird eine Berufsgruppe (Pflüger, Müllerinnen, Hirten) ausgewählt und durch einen Relativsatz in charakteristischen Handlungen beschrieben (Kolon 70, 74, 77), danach – im zweiten Kolon (B) – folgt eker „sie starben“ (Kolon 71, 75, 78), weiter gefolgt von Kolon (C), einer mit namma eingeleiteten Konsequenz (Kolon 72–73, 76, 79). Das Ergebnis, dass die Opferquellen versiegen, ist in Kolon 80 zusammengefasst. Hier wird das zu erwartende Szenario noch einmal beschrieben – zeitlich abgesetzt durch eine uwa-Periphrase mit konsekutivem Nebensinn: 80

nu wezzi ANA DINGIRmeš NINDA.GUR4 .RAḪI.A dug išpant[uzz]i UDU auliušš=a karšandari

„Später werden für die Götter Dickbrot, Guss[opf]er (und) Schlachtopfer unterbleiben.“ Der Sprecher befürchtet offenbar, dass die Götter letztlich den Menschen die Schuld am Ausbleiben der Opfergaben geben werden:

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nu=nnaš uwatteni apēdani uddānī wašduli ḫarteni

„Uns werdet ihr, Götter, später in jener Angelegenheit für ein Vergehen (fest)halten.“ Mit dieser Befürchtung verbinden sich Ratlosigkeit und Ausweglosigkeit: 82 83 84

n=ašta ANA DUMU.LÚ.U19 .LU ḫattatar=šummit ḫar(a)[kt]a nu ZAG-an kwit iyaweni n=at NU.GÁL

„(Uns,) den Menschen, ist unsere Weisheit verl[or]en gegangen. Was wir richtig machen, das ist nicht vorhanden.“ Mit kwit iyaweni „was wir machen“ aus Kolon 83 schließt sich dann die Textklammer, die mit kwit iyatten „was ihr getan habt“ in Kolon 66 eröffnet wurde. Die „Bitte um Offenbarung“, die der Sicherung der Ausführung dienen soll (Kolon 85–89), ist im Vergleich zu den Sonnengottgebeten (z. B. CTH 373, Kolon 41–52) kurz gehalten. Zwar ist sie ebenfalls dreistufig (Gottesbegeisterter, alte Frau/Beschwörungspriester/Vogelschauer, Traum eines Menschen), doch wird im Vergleich zu den Sonnengottgebeten deutlich, dass die involvierten Personen den hethitischen religiösen Vorstellungen angepasst worden sind. Der dort refrainartig geäußerte Hinweis auf die erbetene Möglichkeit der Erkennung und Anerkennung der Vergehen (n=e=z=(š)an ganešmi „so dass ich sie erkenne“) fehlt hier (vgl. auch Metcalf 2015a: 48–51). Auf das Bild des Baumelns an der Spitze einer Nadel (Kolon 90), das veranschaulichen soll, wie prekär die Lage ist, folgt die Kooperationssichernde Bitte an die Götter, dem Land Ḫatti gegenüber eine gütige Gesinnung anzunehmen (Kolon 91). Die zum Nächsten überleitenden Kola 92 und 93 sind parallel konstruiert und durch -ma in adversative Relation zueinander gesetzt: 92 93

kēzz=at ḫingananz(a) tamašta kēzz(a)=ma=at kururanz(a) tamašta

„Von der einen Seite bedrängte es die Seuche, von der anderen Seite aber bedrängte es der Feind.“ Der Bedrohungen sind also zwei, die parallel formuliert und offenbar als gleichwertig eingeschätzt werden. Während sich Kolon 92 nach der Bitte um eine gütige Gesinnung (Kolon 91) abschließend auf die Textpassage bezieht, in der über die Seuche geklagt wird und die Götter für die Seuche verantwortlich gemacht werden (Kolon 66–92), leitet Kolon 92 zum nächsten Themenkomplex über, in dem eine Klage über die Feinde folgt, und eröffnet so die nächste Textpassage. In Kolon 94 und 95 wird der Feind dann mit Namen benannt: Es sind die Nachbarländer Mittanni und Arzawa, die sich im Streit mit dem Land Ḫatti befinden, vgl. Kolon 96. In der Folge werden die Gründe für den „Streit“ aufgeführt: Erstens feiern sie die Götter nicht (Kolon 97), zweitens übertreten sie die Göttereide (Kolon 98), drittens versuchen sie, das

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Land Ḫatti zu schädigen (Kolon 99), und viertens wollen sie die Tempel berauben (Kolon 100). Hier nimmt der Text Bezug auf die Verdiensteliste aus Kolon 16–30: Während dort mit den präsentischen -ške/a-Formen (peškanzi „sie geben“ in Kolon 18, 19, 28 und tittanuškanzi „sie stellen auf“ in Kolon 27) das positive Handeln des Landes Ḫatti ausgeführt wurde, wird hier mit den präsentischen -ške/a-Formen (šarreškanzi „sie übertreten“ in Kolon 98 und šanḫiškanzi „sie versuchen“ in Kolon 99 und 100) das damit kontrastierende negative Verhalten der Feindesländer beschrieben. Darauf beziehen sich Bitten an die Götterversammlung: 101 n=at ANA DINGIRmeš kattawātar namma kišaru 102 nu=ššan ḫinkan kurur gaštan idālun tapaššan ANA KUR uru mittanni U ANA KUR uru arzauwa tarnatten „Das soll (euch) Göttern ein Gegenstand der Anklage werden! Seuche, Feindschaft, Hunger (und) das böse Fieber sollt ihr in das Land Mittanni und das Land Arzawa lassen!“ Die Zentrale Bitte des Gebets wird hier zum ersten Mal formuliert (Wiederholungen folgen in Kolon 127 und Kolon 134). Mit ihr wird deutlich, warum in diesem Gebetstext die beiden Themenkomplexe „Seuche“ und „Feinde“ gemeinsam behandelt werden: Beide großen Probleme des Landes Ḫatti werden so miteinander verbunden und sollen sich gegenseitig neutralisieren. Für diesen Vorschlag an die Götter wird nun eine Begründung nachgetragen: 103 waršanda šullanda KUR.KURḪI.A 104 ANA KUR uru KÙ.BABBAR-ti=ma tariyan KUR-e „Ausgeruht (und) streitsüchtig (sind diese) Länder, das Land Ḫatti aber hat ein erschöpftes Land.“ Die vorgetragene Begründung zur Untermauerung der Zentralen Bitte wird in Kolon 105 und 106 gleich noch ein zweites Mal als Bitte formuliert, wobei durch die umgekehrte Wiederaufnahme der -ant-Bildungen ein Chiasmus entsteht: 105 nu tariyandan lātten 106 waršiyandan=ma tūriyatten „(Er)löst den Erschöpften! Den Ausgeruhten aber schirrt an!“ Nach dem Abschnitt über den Krieg des Landes Ḫatti mit den autonomen Ländern (Kolon 94–106), der sich offenbar im Zuständigkeitsbereich der Götter befindet, wendet sich der Text nun vom nächsten Paragraphen an (§ 7’’) der kriegerischen Auseinandersetzung mit den von Ḫatti abhängigen Ländern zu, die aus der Missachtung der Sonnengöttin und dem Ausbleiben der Tributzahlungen resultiert (Kolon 107–119). Hier greift die Sonnengöttin von Arinna ein. Sie wird in dieser Textpassage viermal erwähnt (Kolon 110, 113, 116, 118) und mit Kolon 119 auch direkt in der 2. Person mit einer Bitte angesprochen.

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Das Temporaladverb karū „früher“ leitet dabei einen zeitlichen Rückgriff ein, in dem von den vergangenen Erfolgen berichtet wird, dass nämlich das Land Ḫatti im Namen der Sonnengöttin von Arinna wie ein Löwe bei den umliegenden Ländern gewütet (Kolon 113) und darüber hinaus die Länder Ḫalpa und Babylon vernichtet habe (Kolon 114). Das Kriegsgut wie Silber, Gold und die Götterstatuen wurden der Sonnengöttin von Arinna dargebracht (Kolon 115). Auffällig sind die drei präteritalen -ške/a-Formen šarḫišket „es (scil. das Land Ḫatti) wütete“ (Kolon 113), ḫarninkišket „vernichtete“ (Kolon 114) und [zikk]er „sie (scil. die Leute von Ḫatti) [legt]en“ (Kolon 116), die zum einen in der hier vorliegenden Lesart die habituelle Realisierung der genannten Taten in der Vergangenheit markieren, zum anderen einen Bezug zu den -ške/a-Formen aus dem vorangegangenen Paragraphen erlauben (annešker „aussäten“ in Kolon 70, mallešker „mahlten“ in Kolon 74 und kar(a)šker „absonderten“ in Kolon 77). Im Zuge des Vorwurfs an die Götter hatten die Kola der zuletzt zitierten Formen die Funktion, die kostbaren und üppigen Opfergaben an die Göttin in vergangenen „guten Zeiten“ zu beschreiben. Auch in Kolon 113–116 liegt eben diese Funktion der Erinnerung an vergangene gute Zeiten vor. Das implizite Argument liegt auf der Hand: Geht es dem Land Ḫatti gut, wird es auch der Göttin gut gehen; geht es Ḫatti aber schlecht, wird es auch der Göttin schlecht gehen. Dieser Rückgriff steht zugleich in Kontrast zum nachfolgenden, mit kinuna „jetzt aber“ eingeleiteten Kolon 117, das wiederum in Form und Inhalt auf Kolon 112 – vor dem Exkurs in die Vergangenheit – zurückgreift: 117 kinuna araḫzenanteš udneanteš ḫūmanteš KUR uru KÙ.BABBAR-ti [w]al[ḫ]annieškeuwan dāer „Jetzt aber haben seither alle umliegenden Länder das Land Ḫatti [b]ek[ä]mpft.“ Darauf folgt nun – parallel zu dem an die Götter gerichteten Kolon 101 – die Bitte an die Sonnengöttin von Arinna, den „Gegenstand der Anklage“ (kattawātar) zur eigenen, göttlichen Angelegenheit zu machen: 118 n=at ANA d UTU uru arinna kattawātar namma kišāru „Das soll (dir,) der Sonnengöttin von Arinna, wiederum Gegenstand der Anklage werden!“ Wie in Kolon 101 folgt auf diese Bitte auch hier eine weitere Zentrale Bitte. Die Sonnengöttin von Arinna als persönliche Gottheit wird daran erinnert, dass im Rahmen ihrer Verpflichtung gegenüber ihrem Schützling sein Gesichtsverlust auch den ihren darstellt: 119 nu=z(a) DINGIR-LUM tuel ŠUM=KA ⟨lē⟩ tepšanuši „Du, Gottheit, sollst deinen Namen ⟨nicht⟩ erniedrigen!“ Jetzt werden die Zentralen Bitten bis zum Ende des Gebetsteils (Kolon 134) fortgesetzt. Als Adressat sind nun wieder die Götter genannt: Sie werden ermahnt, trotz ihres Zorns die Rache differenziert zu üben und nicht die Guten und die Bösen gemeinsam zu

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vernichten (Kolon 120–122); es soll nur der Einzelne zugrunde gehen, nicht das ganze Land (Kolon 123–125). Diese beiden Bitten nehmen nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell aufeinander Bezug: Sie erstrecken sich über je drei Kola, wobei jeweils zwei Nebensätze (NS) die Bitten im Hauptsatz (HS) vorbereiten: als Schema NS NS HS – NS NS HS. Gleichzeitig gehen die Verben der beiden Bitten in den Hauptsätzen (lē anda ḫarkanzi „sie sollen nicht zugrunde gehen!“ in Kolon 122 und ḫarn[inkandu] „[sie sollen] vern[ichten]!“ in Kolon 125) auf dieselbe Verbalwurzel zurück. Mit Kolon 127 wird nun die Zentrale Bitte aus Kolon 102 ein zweites Mal – hier in verkürzter Form – an die Götter gerichtet: 126 KUR uru KÙ.BABBAR-ti=ma=ašta DINGIR[meš SIG5 -i]t IGIḪI.A -it aušten 127 idālu=ma ḫinkan [idālauwaš] utnē[aš p]eš⟨t⟩en „[Auf] das Land Ḫatti aber schaut, (ihr) Gött[er, mit gute]n Augen! Die böse Seuche aber [g]ebt den [bösen] Länd[ern]!“ Diese variierte Form der Bitte greift auf inhaltlicher Ebene vor allem auf die gerade zuvor in Kolon 122 eingeführte Dichotomie „gut“ (āššāwēš „die Guten“) versus „böse“ (idālauwaš „(mit) den Bösen“) zurück. Im Gegensatz zu Kolon 102, in dem die Zentrale Bitte um Zerstörung der Feinde mittels der Seuche durch das Argument der Erschöpfung des Landes Ḫatti begründet wurde, wird hier das Argument der Gerechtigkeit angeführt: Die Guten, d. h. das Land Ḫatti, sollen Güte erfahren (Kolon 126); die Bösen sollen gerechterweise die böse Seuche zu spüren bekommen (Kolon 127). Es schließen sich zwei weitere Bitten für das Land Ḫatti um Gedeihen und Rückkehr zum früheren guten Zustand an, die den ersten Teil des Doppelkolons näher ausführen. Die folgenden vier Kola zeichnen sich formal wieder durch eine Dichte von -ške/a-Formen aus (ila[liš]kanzi „sie be[ge]hren“ in Kolon 130, šanḫiškanzi „sie versuchen“ in Kolon 131, 132 und 133). In vier Relativsätzen (Kolon 130–133) definiert der Sprecher diejenigen, die versuchen, diese glücklichen Zustände zu zerstören. Sie sollen durch die Erfüllung der Zentralen Bitte getroffen werden: 134 nu idālun tapaššan ḫinkan gaštan d UTU uru arinna GAŠAN=YA apēdaš ANA KUR.KURḪI.A lú KÚR pāi „jenen Feindesländern gib, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, das böse Fieber, Seuche (und) Hunger!“ Diese dritte Variante der Zentralen Bitte aus Kolon 102 und 127 richtet sich nun explizit allein an die Sonnengöttin von Arinna. Sie soll also nicht nur die Worte des Betenden übermitteln und als persönliche Gottheit in der Götterversammlung für ihren Schützling Partei ergreifen, sie soll auch selbst an der Erfüllung seiner Zentralen Bitten mitwirken. Hier endet der Gebetsteil an die Götter und die Sonnengöttin von Arinna, der inhaltlich eine Zusammenführung der Themen „Seuche“ und „Feinde“ darstellt. Der Adressatenwechsel in Kolon 134 leitet bereits zum dritten Gebetsteil (Kolon 135–161)

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über, in dem sich der Sprecher mit den Bitten für die Person Muršilis wieder direkt an die Sonnengöttin von Arinna als seine persönliche Göttin wendet. Mit Kolon 135 erfolgt nun die bemerkenswerte Bitte an die Sonnengöttin von Arinna, sich selbst herbeizurufen: 135 nu=z(a) d UTU uru ari[nn]a GAŠAN=YA zikila mukeškeḫḫu[t] „Sonnengöttin von Ari[nn]a, meine Herrin, ruf[e] du selbst dich herbei!“ Damit greift der Text auf das mugauwar, die „Herbeirufung“, am Anfang des Textes zurück (Kolon 6–11) und markiert so den Beginn des neuen Gebetsteils. Nach der Auffrischung der Adressatennennung wird auch der König namentlich genannt, vgl. ANA m muršili LUGAL-i ANA ARAD=K [A] „dem Muršili, dem König, dein[em] Diener“ in Kolon 138 und ohne den Königstitel in Kolon 139. Wie im ersten Gebetsteil (Kolon 1–65) wird die Sonnengöttin von Arinna jetzt wieder in der 2. Person angesprochen, während der repräsentierte König in der 3. Person erscheint.86 Nach dem zweiten Gebetsteil (Kolon 66–134) kommt so der Betende also wieder zum ersten Gebetsteil zurück und fährt mit seinem Gebet an die Sonnengöttin von Arinna fort, indem er nun – nach den Bitten an die Götter für das Land – der persönlichen Gottheit die persönlichen Bitten vorträgt (Kolon 138–147), nämlich die üblichen um Leben, Gesundheit, Nachkommenschaft und den Sieg über die Feindesländer. Dann folgen weitere, größtenteils zerstörte Bitten für das Gedeihen des Landes Ḫatti (wohl Kolon 148–153), bevor der Betende in Kolon 154 noch einmal alle Götter anspricht und ihnen die positiven Konsequenzen einer Erfüllung der Bitten in Aussicht stellt. Hierdurch wird das Gebetsende mit der Thematik des zweiten Gebetsteils an die Götterversammlung verwoben, in dem den Göttern die negativen Konsequenzen vor Augen geführt worden sind: 154 [n]u šumāš ANA DINGIRme [š ] NINDA.GUR4 .RA=K [UN ]U dug išpanduz[i … ] šar[ā a]r[t]ari „[U]nd euch, den Götter[n], wird e[ue]r Dickbrot (und) Gussopf[er … ] zu[r V]erfügung [s]t[e]hen.“ Was auf lexikalischer Ebene mit der Struktur A – B – A+B in Kolon 31–36 zu beobachten war, ist hier auf der Ebene der Gebetsteile im Rahmen der Verknüpfungsstruktur durchgeführt. Es ist nicht klar, ob das folgende Kolon eine Regieanweisung ist oder ob nicht auch die Zustimmung der Götterversammlung zum Geschehen gleichzeitig auch vorgestellt wird: 155 nu panku[š] apāt ē[šd]u halzai „Die Versammlu[ng] ruft: ‚Das soll geschehen!‘“ 86 Der zweite Gebetsteil (Kolon 66–134) kommt hingegen überwiegend ohne Bezug auf die Sprechaktpartizipanten aus.

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Das Zitat der Zustimmung der Versammlung hat bezeichnenderweise ihre einzige Parallele im mugauwar CTH 377. Auch der nachfolgende Kolophon (Kolon 156–170) hebt sich durch seine ungewöhnliche Länge und Ausführlichkeit von dem anderer Gebete ab. U. a. werden hier die hethitischen Gattungensbezeichnungen mugauwar „Herbeirufung“ (Kolon 160) und wohl auch [ark]uwa[r] „Falldarlegung“ (Kolon 161) genannt. 5.4.2 CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. CTH 378.1 zeichnet sich durch eine eingliedrige Adressatenstruktur mit drei themenbezogenen Gebetsteilen aus: I. Ereignisse aus der Perspektive der Menschen (Kolon 1–56) II. Ereignisse aus der Perspektive der richtenden Götterversammlung (Kolon 57–116) III. Thema Ḫatti und Zentrale Bitten (Kolon 117–148) Das Gebet CTH 378.1 beginnt mit der Anrufung der Götter (DINGIRmeš ENmeš =YA „Götter, meine Herren“). Die unterschiedlichen Göttergruppen, an die der nachfolgende Text gerichtet ist, werden in männlich und weiblich geschieden aufgelistet. Gleich in der Anrede werden die Götter an apedani UD-ti erinnert, also an jenen Tag, an dem der Eid zustande kam, dessen Bruch zum Niedergang des Landes Ḫatti geführt hat und somit den Ausgangspunkt dieses Gebets bildet. In Kolon 2 führt sich der betende König selbst ein und teilt den Göttern die Vorbereitung eines arkuwar, einer „Falldarlegung“, mit: 2

k[ā]ša=šmaš ammuk m muršiliš arkuwānun



SANGA=KUNU ARAD=KUNU

„Ich h[ie]r, Muršili, euer Priester, euer Diener, habe euch den Fall dargelegt.“ Dabei signalisiert das sprecherbezogene kāša die Präsenz des Sprechers, der sich zudem durch das betonte Personalpronomen der 1. Person ammuk in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Er nennt weiterhin seinen Namen (m muršiliš), bringt sich durch seine Funktionsbezeichnung (lú SANGA=KUNU ) in Relation zu den Göttern und stellt der höflichen Anrede ENmeš =YA (Kolon 1) das höfliche Pendant ARAD=KUNU „euer Diener“ gegenüber. Die Falldarlegung, die er vorbereitet hat (arkuwānun), trägt er nun vor (ēššaḫḫi), gestützt durch eine Bitte um Gehör (Kolon 3–4). Die Götter werden direkt mit dem Anliegen des Sprechers konfrontiert: Eine Seuche ist ausgebrochen, und sie bedrückt das Land Ḫatti. Die Darstellung der Situation wird über drei Kola wiederholt, gesteigert und verdichtet: 5 6 7

DINGIRmeš E[Nm ]eš =YA [Š]À KUR uru ḫatti=kan ÚŠ-an kišat nu KUR uru ḫatti ḫin⟨ga⟩naz tamaštat [n]=at mekki damm[ešḫaetta]t

„Götter, meine He[rre]n, im Land Ḫatti brach eine Seuche aus. Das Land Ḫatti wurde von der Seuche bedrückt. Es wurde stark bed[räng]t.“

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Die Gebete Muršilis II.

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Während die Nennung des Landes Ḫatti sich von ŠÀ KUR uru ḫatti über KUR uru ḫatti zu -at reduziert, nimmt die Intensität der Bedrängnis in der Darstellung zu und gipfelt in der Angabe der enormen zeitlichen Dimension: ḫinkan kišat „eine Seuche brach aus“ (Kolon 5) über ḫin⟨ga⟩naz tamaštat „wurde von der Seuche bedrückt“ (Kolon 6) über mekki damm[ešḫaetta]t „wurde stark bedrängt“ (Kolon 7) zu nu kāš MU-20kam „Dies (ist) das 20. Jahr“ (Kolon 8). Sie führt den Adressaten vor Augen, dass es sich nicht um eine Episode aus einer abgeschlossen gedachten Vergangenheit handelt, vielmehr ist der Betende mit den Folgen seit langem und noch immer konfrontiert (Kolon 8). Mit Kolon 10 bringt sich der Sprecher wieder selbst ins Spiel ([ammu]k), denn durch das große Sterben im Land Ḫatti veranlasst, hat er eine Orakelanfrage angestellt (Kolon 11). Mittels eines Orakels hat ihm die Gottheit bestätigt, dass in der AWAT m dutḫaliya TUR-RI „der Angelegenheit Tudḫaliyas, des Jüngeren“ die Ursache für die Seuche zu suchen sei (Kolon 12), die im Folgenden näher geschildert wird. Es beginnt mit der Vorgeschichte, der Vereidigung des Hofstaats einschließlich des Vaters des Muršili: 13 14 15

m

dutḫ[aliyaš] kwit TUR-RU KUR uru ḫatti BEL=ŠUNU ēšta nu=šši=k[an uru ḫat]tušaš DUMUmeš LUGAL BELU ḪI.A UGULA LÚm [eš ] LIM-TUM lú.meš DUGUD ÉRINmeš =ya ANŠE.KUR.RAḪI.A ḫūmanz(a) šēr linkešta ABU=YA=ya=šši šēr link[ešta]

„Was das betrifft, dass Tudḫ[aliya], der Jüngere, für das Land Ḫatti ihr Herr war: Auf ihn legten die Prinzen von [Ḫat]tuša, die Herren, die Anführer von Tausend, die Würdenträger und die Fuß- und Wagentruppen ein jeder einen Eid ab. Auch mein Vater leg[te] auf ihn einen Eid ab.“ Durch die Doppelung von linkešta „legte einen Eid ab“ (Kolonende von 14 und 15) wird dieser Eid besonders hervorgehoben. In Kolon 16 beginnt die Darstellung des eigentlichen Vergehens: Der Vater des Betenden bringt Tudḫaliya in Bedrängnis. Mit dammešḫāet „er bedrängte“ wird dasselbe Lexem verwendet, das zuvor in Kolon 7 die Bedrängnis des Landes Ḫatti durch die Seuche ausgedrückt hatte. Der Vater des Betenden erfährt Unterstützung von all jenen, die in Kolon 14 bereits als durch Eid an Tudḫaliya gebunden genannt worden sind (Kolon 17). Sie werden eidbrüchig und fallen Tudḫaliya in den Rücken (Kolon 18), so dass es letztlich zu dessen Ermordung kommt (Kolon 19). Kolon 20–22 beschreiben die Gefangennahme und Exilierung der Brüder des ermordeten Machthabers und implizieren so, dass die Thronfolge nun frei für denjenigen ist, der aus dem Umsturz als Sieger hervorgeht. Mit Kolon 23–26 wird im Anschluss noch einmal zusammengefasst, worin die eigentliche Schuld besteht: zum einen im Eidbruch gegenüber dem Eidherrn, zum anderen im Eidbruch gegenüber der Versammlung der Götter, und schließlich im Mord an Tudḫaliya. Der sprachlich wenig auffällige Textabschnitt Kolon 10–26 verfolgt eine klare Argumentationsstrategie: Nach der Orakelepisode in Kolon 10–12 wird in Kolon 13–15 zunächst der Aufbau der Eidstruktur geschildert: Eidnehmer ist Tudḫaliya (Kolon 13),

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Eidgeber sind seine Untergebenen (Kolon 14), darunter auch der Vater des Betenden (Kolon 15). Der Vater erhält also keine Sonderrolle, sondern erscheint lediglich als einer von vielen. Durch die gezielte Positionierung der anderen eidgebundenen Untertanen in Kolon 14 entsteht eine Art Puffer zwischen Tudḫaliya und dem Vater des Betenden. Auch in den Kola 16–19 sind die anderen Eidgebundenen Teil der Eidstruktur, hier in chiastischer Stellung zu Kolon 13–15: Zunächst wird der Vater genannt, von dem die Bedrängung des Tudḫaliya ausgeht (Kolon 16 gegenüber Kolon 15); dann folgen die anderen Untertanen, die sich dem Vater angeschlossen haben (Kolon 17 gegenüber Kolon 14) und schließlich wird Tudḫaliya in Kolon 18 als linkiya[n] EN=ŠUNU „ihr Herr der Eide“ bezeichnet, womit wiederum Bezug auf seinen Status als KUR uru ḫatti BEL=ŠUNU „für das Land Ḫatti ihr Herr“ in Kolon 13 genommen wird. Den Abschluss dieser Passage bildet Kolon 19 mit der Ermordung des Tudḫaliya. Die Darstellung verfolgt die Strategie, den Vater zwar als Auslöser des Umsturzes zu nennen (Kolon 16), doch als Schuldige an den Vergehen werden alle Untertanen dargestellt, indem hierauf mit den Verbalformen in der 3. Person Pl. Bezug genommen wird (Kolon 17–22: waggariē[r] „sie fehlten (gegen ihn)“, kwenner „sie töteten (ihn)“, ēpper „sie ergriffen“ und uper „sie schickten“). So wird der Vater entlastet und zum bloßen Mittäter gemacht. Die Zusammenfassung der Tatbestände (Kolon 23–26) bestätigt dies, indem sich Kolon 23 noch einmal auf Kolon 13 bezieht, Kolon 24 mit dem anaphorischen Pronomen apūš „jene“ die ausführlichen Nennungen der Untertanen (Kolon 14 und Kolon 17) aufgreift und Kolon 26 noch einmal die Aussage aus Kolon 19 wiederholt: 23 nu[=šma]š m dutḫaliyaš kwit BEL=ŠUNU ēšta „Was das betrifft, dass Tudḫaliya [ihne]n ihr Herr war“ 13 m dutḫ[aliyaš] kwit DUMU-RU KUR uru ḫatti BEL=ŠUNU ēšta „Was das betrifft, dass Tudḫ[aliya], der Jüngere, für das Land Ḫatti ihr Herr war:“ 24 apūš=ma=šš[i] l[inkiy]aš ARADmeš =ŠU ešer „– jene aber waren ih[m] seine Diener des E[ide]s –“ nu=šši=k[an uru ḫat]tušaš DUMUmeš LUGAL BELU ḪI.A UGULA LÚm [eš ] LIM-TUM lú.meš DUGUD ÉRINmeš =ya ANŠE.KUR.RAḪI.A ḫūmanz(a) šēr linkešta „Auf ihn legten sie, die Prinzen von [Ḫat]tuša, die Herren, die Anführer von Tausend, die Würdenträger und die Fuß- und Wagentruppen ein jeder einen Eid ab.“ 14

26 [nu=kan] m dutḫaliya[n k]wenner „[und t]öteten Tudḫaliya“ 19 n=an=kan kwenner „und töteten ihn“

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Es ist aber noch eine weitere Parallelität zu beobachten: So wie sich vor dem zusammenfassenden Abschnitt (Kolon 23–26) noch ein Exkurs zur Behandlung der Brüder des Ermordeten (Kolon 20–22) befindet, so wird auch hier vor den Schlusspunkt, d. h. vor die Ermordung des Tudḫaliya (Kolon 26), noch ein Exkurs gestellt: Kolon 25 zieht eine parallele Argumentationsebene ein, indem die Götter durch die Anrede ENmeš =YA „meine Herren“ daran erinnert werden, dass auch sie sich zum Betenden in einem HerrenUntertan-Verhältnis befinden: So wie Tudḫaliya in Kolon 18 als linkiya[n] EN=ŠUNU „Eidherr“ bezeichnet wird, so werden auch die Götter in Kolon 25 durch šume[nza]n ENmeš =YA NIEŠ DINGIR-LIM „euren, meiner Herren, Göttereid“ sowohl als Herren über den Betenden wie auch als Zeugen des Eides ins Geschehen eingebunden. Die Untertanen haben sich also nicht nur an Tudḫaliya vergangen, sondern durch den Eidbruch auch und vor allem an den Göttern. Kolon 25 nimmt somit das eigentliche Problem in den Fokus: das Vergehen an den Göttern. Gleichzeitig bekräftigt der Betende seine unverbrüchliche Beziehung zu den Göttern, die durch seine Einordnung in die Hierarchie, also durch den Vokativ ENmeš =YA, zum Ausdruck gebracht wird. Der neue Abschnitt wird, wie schon in Kolon 1 und Kolon 5, auch in Kolon 27 durch die dritte direkte Anrede [DI]NGIRmeš ENmeš =[Y ]A „Götter, meine Herren“ kenntlich gemacht. Aufstieg und Niedergang des Landes Ḫatti unter der Herrschaft des Vaters des Muršili werden geschildert. Vor allem der erste Teil, der den Aufstieg des Landes Ḫatti unter dem Vater beschreibt (Kolon 27–43), ist teilweise zerstört. Trotzdem fällt in dieser Textpassage die häufige Nennung des Landes Ḫatti als KUR uru GIDRU-ti (viermal) und ZAGḪI.A „Gebiet, Grenze“ (dreimal) auf. Gleich zu Beginn des neuen Abschnitts werden die Götter als ins Geschehen eingreifend dargestellt: 27 28

[nu DI]NGIRmeš ENmeš =[Y ]A ABU=YA paḫḫašten [ … ] and[a … ] ardummati

„[(Ihr) Gö]tter, [mei]ne Herren, beschütztet meinen Vater. Ihr standet i[n … ].“ In dem – durch die Nennung Muršilis in Kolon 2–4 einerseits und Kolon 55–56 anderseits – geklammerten ersten Gebetsteil (Kolon 2–56) bildet dieses Eingreifen der Götter ins Geschehen das Zentrum. Hier wird ein stiller Vorwurf an die Götter laut: Warum haben sie nicht zu diesem Zeitpunkt eingegriffen? Warum haben sie die bzw. den Täter geschützt? Ab Kolon 29 wird die historische Situation wieder aufgegriffen: Die Machtübernahme durch den Vater erfolgte während einer schwierigen Lage des Landes Ḫatti, denn Ḫatti litt unter der Invasion der Kaškäer (Kolon 29–34). Die Situationsbeschreibung bedient sich zunächst einer ḫark-Konstruktion und dann mehrerer aufeinander folgender ‑ške/a-Formen. In Kolon 34 wird sie resümiert: 30 31 32

ZAGḪI.A [Š]A KUR uru GIDRU-ti lú KÚR dān ḫarta [ … GUL-aḫḫi]šket n=aš=kan kuwašket

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

33 ŠA KUR uru GIDRU-ti[=y]a [ … m ]eš [daš]ket 34 ZAGḪI.A =ma=šmaš=kan arḫa dāš „Der Feind hatte das Gebiet [d]es Landes Ḫatti genommen. Er [schlu]g [ … ] und er tötete sie und er [nah]m [au]ch die [ … ] des Landes Ḫatti. Das Gebiet aber nahm er ihnen weg.“ Die beiden Kola 30 und 34 setzen dabei die Textklammer, in deren Zentrum die Untaten der Feinde thematisiert werden. Mit der perfektivischen Verbalform arḫa dāš „er nahm weg“ endet die Situationsbeschreibung (backgrounding). Sie bildet den Hintergrund für die Aktionen des Vaters des Betenden ab Kolon 35: Die Feldzüge des Vaters wenden die Situation zum Guten (Kolon 35–43), d. h. der Vater erobert das Gebiet zurück (Kolon 35) und treibt die Expansion voran (Kolon 36). Doch das wiederhergestellte Land Ḫatti wird nicht nur größer unter seiner Herrschaft, es wird auch reicher (nu KUR uru GIDRU-ti luluwaet „er ließ das Land Ḫatti gedeihen“, Kolon 37). Die Kola 38–42 konkretisieren das Gedeihen und gipfeln in Kolon 43: 43 UL kwitki ḫar(a)kta „Nichts (und niemand) ging zugrunde.“ Diese Aussage steht in scharfem Kontrast zu der Situationsbeschreibung von Kolon 30–34: Während der Feind nur Elend gebracht hatte, bewirkte der Vater des Betenden nur Positives. Implizit ist die Ermordung des Tudḫaliya also das einzige Vergehen des Vaters und diesem Mord steht eine Fülle von Wohltaten gegenüber. Ein Wendepunkt der Geschicke im Land Ḫatti kündigt sich an, angezeigt durch die Serialisierungskonstruktion mit we-/uwa- in Kolon 44 und durch die Zeitangaben in Kolon 45: Nach dem Aufstieg des Vaters (Kolon 29–43) steht nun sein Fall bevor (Kolon 44–54). Der Schutz durch die Götter (Kolon 27) wird jetzt von der Rache der Götter abgelöst: nu=kan uwatten DINGIRm [eš … ] [ … ]=ya=z(a) apun AWAT m dutḫaliya TUR-RI ANA ABI=YA kinun appezz[iyaz] anda šanḫ(a)tten 46 nu=kan ABU=YA I [ŠT ]U ŠA m dutḫaliya išḫana[z … ] „Später [ … -tet] ihr, Götte[r, meine Herren], und [ … ] rächtet ihr jene Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, an meinem Vater jetzt im Nachhin[ein]. Mein Vater [starb] w[ege]n der Blut[tat] an Tudḫaliya.“ 44 45

Was mit AWAT m dutḫaliya TUR-RI „Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren“ in Kolon 10 und 12 noch verschlüsselt wurde, wird hier durch das anaphorische apun AWAT m dutḫaliya TUR-RI „jene Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren“ aufgegriffen und als Schuld gekennzeichnet, für die der Schuldige mit seinem Leben bezahlen musste: ABU=YA „mein Vater“. Und auch diejenigen, die sich ihm angeschlossen hatten, bezahlten den Mord an Tudḫaliya mit ihrem Leben (Kolon 47 und 48). Doch ist damit offenbar die Schuld noch nicht abgegolten: Die Rache der Götter trifft auch das Land Ḫatti.

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Die Gebete Muršilis II.

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49 ANA KUR uru GIDRU-ti=ya=kan apāš=pat memiaš ār(a)š „Eben jene Angelegenheit erreichte auch das Land Ḫatti.“ Die Verdichtung, die die Häufung des adressatenbezogenen Pronomens apā- bewirkt (vgl. Kolon 45, 48, 49), bündelt die Ergebnisse der göttlichen Rache in einer Liste der Heimsuchungen des Landes Ḫatti: apun AWAT m dutḫaliya ( … ) anda šanḫ(a)tten „jene Angelegenheit des Tudḫaliya ( … ) rächtet ihr“ (Kolon 45) mit dem Tod des Vaters, a[pēz] memiyanaz eker „sie starben wegen jener Angelegenheit“ (Kolon 48) mit dem Tod der Prinzen und apāš=pat memiaš ār(a)š „jene Angelegenheit erreichte auch das Land Ḫatti“ (Kolon 49) mit dem Niedergang. Gleichzeitig werden die in den §§ 2, 3 und 4 (Kolon 2–49) eröffneten Erzählstränge gegen Ende des ersten Gebetsteils zusammengeführt. In Kolon 50–53 folgt nun der symmetrisch gespiegelte Rückbau von Kolon 6–9: A = 6–7 nu KUR uru ḫatti ḫin⟨ga⟩naz tamaštat [n]=at mekki damm[ešḫaetta]t „Das Land Ḫatti wurde von der Seuche bedrückt. Es wurde stark bed[räng]t.“ B=8 nu kāš MU-20kam „Dies (ist) das 20. Jahr, …“ C=9 mekki=ya kwit KUR uru ḫatti akkiškett[ari] „… dass (im) Land Ḫatti in großer Zahl gestor[ben wird].“ gegenüber: C = 50 nu KUR u [ru ḫatti] memiyanaz akkiškewan tī [ya]t „Seither siec[h]t das Land Ḫ[atti] wegen der Angelegenheit dahin.“ B = 51 nu KUR uru GIDRU-ti duwān parā [ … ] „Das Land Ḫatti [ … ] in der Folgezeit.“ A = 53 KUR uru GIDRU-ti ḫinganaz [ … ] dammešḫaettat „Das Land Ḫatti wurde durch die Seuche [ … ] bedrängt.“ Hier wird also in Kolon 50–53 ein Gedankengang abgeschlossen, der in Kolon 6–9 begonnen hatte. Insgesamt kann § 4 in die Themenkomplexe „Aufstieg“ (Kolon 27–43) und „Fall“ (Kolon 44–54) des Vaters untergliedert werden. Der Abschnitt „Aufstieg“ besteht zunächst aus den „negativen Handlungen des Feindes“ als Hintergrund (Kolon 29–33), dann folgt das „positive Einwirken des Vaters“ (Kolon 34–43). Der Abschnitt „Fall“ (Kolon 44–48) schildert zunächst die Rache am Vater und seinen Verbündeten als „gerecht“, während Kolon 50–54 die harte Bestrafung des Landes Ḫatti wegen der „Angelegenheit des Tudḫaliya“ implizit als „ungerecht“ erscheinen lässt. Dies ist also die Botschaft, die Muršili am Herzen liegt, wenn er seine Falldarlegung an die Götter richtet: Die Rache der Götter übersteigt durch ihre Ausweitung auf das Land Ḫatti das rechte Maß. Die beiden letzten Kola von § 4, die den ersten Gebetsteil abschließen, lauten:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

55 56

[am]muk=ma=z(a) m muršiliš A[RAD=KUNU ] laḫlaḫḫiman U [L tar]uḫmi N[Í.T]E-az=ma=z(a) pittuliyan UL [taruḫmi]

„[I]ch aber, Muršili, [euer] Di[ener], [bez]winge die [von] meinem [Herzen (ausgehende)] Qual nic[ht]. Die von meinem Kö[rp]er (ausgehende) Angst aber [bezwinge] ich nicht.“ Sie erinnern stark an das Sonnengottgebet CTH 373, wo es heißt: 62 63

[ … in]ani peran tariaḫḫun mali[k]kun nu=z(a) namma UL taruḫmi

„[ … ] vor [Krank]heit bin ich müde geworden (und) leide. Ich kann (sie, scil. die Krankheit) nicht mehr (aus eigener Kraft) bezwingen.“ Ebenso wie Kantuzili in CTH 373 formuliert Muršili gegenüber den Göttern seine Gefühle, seine Qual und seine Angst. Hier, in CTH 378.1, ist dies der Moment, der deutlich macht, dass die Rache der Götter nach seinem Vater und den Verschwörern nicht nur das Land Ḫatti erreicht hat, sondern auch bei Muršili selbst angekommen ist. Das erneute Hervortreten des Sprechers, der sich mit dem selbstständigen Personalpronomen ammuk wieder in den Fokus rückt – gefolgt von der Nennung seines Namens und seiner Relation zu den Göttern, ARAD=KUNU „euer Diener“ – verweist auf seine Selbsteinführung in Kolon 2. Es legt sich somit um die eben behandelte Textklammer (Kolon 5–9 und Kolon 50–54) eine weitere Klammer: einerseits durch die Selbsteinführung des Muršili (Kolon 2) und andererseits durch die Selbstreferenz mit der Offenbarung seiner Nöte und Ängste (Kolon 55–56). Im Zentrum des ersten Gebetsteils befinden sich bei Zugrundelegung dieses Gliederungsprinzips die beiden oben zitierten Kola 27 und 28, die die Götter und ihr Eingreifen ins Geschehen thematisieren, vor allem in ihrer Verantwortung, die sie damit für die Geschicke des Landes übernommen haben. Mit Kolon 56 endet der in sich geschlossene erste Gebetsteil. Der zweite Gebetsteil beginnt in Kolon 57 mit einer teilweise zerstörten Anrufung der Götter. Danach nimmt Kolon 58 Bezug auf den Relativsatz in Kolon 1: 58

ANA [ … ] tuliyaz kwit linkiya kutruw[a]nni ḫal[ziyanteš ēšten]

„Was das betrifft, dass [ihr] dem [ … ] aus der Versammlung zum Eid in den Zeugenst[a]nd geru[fen worden seid]:“ Da die nachfolgenden Kola stark zerstört sind, ist eine eingehende Analyse schwierig. Dass der Eidbruch von den Götter ein weiteres Mal nicht bestraft wurde, ist aber eindeutig die zentrale Aussage von § 5 (Kolon 57–64). Der Fortgang der Ereignisse wird in den weitgehend zerstörten §§ 6 und 7’ berichtet: die Schuld des Muršili, seine Bemühungen um Wiedergutmachung durch das Eingeständnis, das Ritual seines Vaters zur Sühnung und das Ritual Muršilis zur Sühnung. Das eigene Tun kontrastiert der Betende mit der Untätigkeit des Landes (Kolon 83):

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Die Gebete Muršilis II.

82 83

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[uw]anun=ma=z(a) i[šḫanaš SÍSKUR a]mmukk=a iyanun KUR-eanz(a)=m[a U ]L kwitki iy[at]

„Später aber [machte] auch [i]ch [ein Ritual (wegen) der Bluttat]. Das Land ab[er] ta[t nic]hts.“ Hier werden die Ereignisse aus der Perspektive der Götter betrachtet und in die Verhandlungslogik eines möglichen Göttergerichts übersetzt. § 8’ (Kolon 85–93) beginnt mit kinuna „jetzt aber“, das hier aber nicht etwa das Ende der Erzählung und Interpretation der Vergangenheit anzeigt, sondern lediglich die Aktualität der bereits in § 2 beschriebenen Situation unterstreicht: 85 86 87 88 89

kinuna KUR uru GIDRU-ti kwit ḫi[ngan]az(a) mekki tamaš[ta]t nu KUR uru GIDRU-ti akkiškett[ari] [ … ] AWAT m dutḫaliya ANA KUR-TI šer nakkišta IŠTU [DINGIR-LIM=y]a=aš=mu ḫantaettat nu[=šši … ] ariyanun

„Was das betrifft, dass das Land Ḫatti jetzt aber von der Se[uch]e stark bedrü[ck]t wurde: (So) sie[cht] das Land Ḫatti dahin. [Und] die Angelegenheit des Tudḫaliya wurde dem Land schwer. Sie wurde mir [au]ch von [der Gottheit] festgestellt, und ich habe [darüber] eine Orakelanfrage gestellt.“ Mit leichter Variation wird hier der Beginn von § 2 wiederholt: 85 → 6

nu KUR uru ḫatti ḫin⟨ga⟩naz tamaštat

„Das Land Ḫatti wurde von der Seuche bedrückt.“ 86 → 9

mekki=ya kwit KUR uru ḫatti akkiškett[ari]

„dass im Land Ḫatti in großer Zahl gestor[ben wird].“ 87 → 10

[nu ammu]k šer AWAT m dutḫaliya TUR-RI ŠA DUMU dutḫali[ya] n[a]kkēšta

m

„Auf [mi]r l[a]stete die Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, des Sohnes des Tudḫali[ya], schwer.“ 88 → 12

[ … ] AWAT m dutḫaliya TUR-RI I [ŠT ]U DINGIR-LIM=ya ḫandāeddat

„Die Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, wurde auch v[o]n der Gottheit festgestellt.“ 89 → 11

IŠTU DINGIR-LIM=ya ariyanu[n]

„Auch von der Gottheit ermittelt[e] ich (sie) durch Orakel.“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Anders als im ersten Gebetsteil werden hier nun die Forderungen der Götter genannt. Die Erfüllung durch das Land wird in Aussicht gestellt, diejenige durch den König erfolgt schon im Verlauf des Gebets: 93

ammu[kk]=a šumāš ANA DINGIRmeš ENmeš =Y [A] šarnikziel maškann=a KUR-e [ÚŠ-n]i šer šarninkiškemi

„Auch ic[h] leiste euch, den Göttern, mei[nen] Herren, (gerade) ein Entschädigungs- und Aussöhnungsopfer wegen [der Seuc]he im Land.“ Die äußerst seltene Doppelung selbstständiger Personalpronomina (ammu[kk]=a und šumāš) unterstreicht hier das direkte Gegenüber von Opfergeber und Opfernehmer. Das Opfer, bei dem es sich ja um eine Opferleistung wegen des begangenen Eidbruchs handelt, wird hier als Forderung der Götter erfüllt. Anders als in § 8’, wo der Eidbruchs als Ursache der Seuche im Fokus steht, thematisiert § 9’ (Kolon 94–127) zunächst die Ermordung von Tudḫaliya (vgl. ēšḫar „Mord, Bluttat“ in Kolon 94, 96 und 97). Sie wurde bereits ausführlich in § 3 dargestellt. Hier wird sie nun im Hinblick auf die Abgeltung der damit verbundenen Schuld behandelt (vgl. šarnink- „abgelten“ in Kolon 96, 98 und 100). Eine Darstellung der Auswirkung des Mordes an Tudḫaliya hatte es bereits in § 4 gegeben (Kolon 44–56). Die Bilanz lautet hier: 94 95 96 97 98 99 100

DINGIRmeš BELU meš =YA ŠA m dutḫali[y]a kwit ēšḫar EGIR-an šanḫa[tteni] nu=kan m dutḫaliyan kwiēš kwenner nu ēšḫar apūš šarni[nker] nu KUR uru ḫatti=ya apāš išḫanaz(a) arḫa namma zinne[šta] n=at KUR uru GIDRU-ti=ya karū šarnikta kinun=aya=at=kan [k]wit [a]mmu[k] ar(a)š n=at ammukk=a IŠTU É-TI=YA šarnikzilaz maškanna[z] šarnenkiškemi

„Was das betrifft, dass ihr die Götter, meine Herren, die Bluttat an Tudḫali[y]a räc[ht]: Die, die Tudḫaliya getötet haben, jene [haben] für die Bluttat geb[üßt]. Jene Bluttat hat auch noch das Land Ḫatti völlig zerst[ört], und auch das Land Ḫatti hat sie bereits gebüßt. Und [w]as das betrifft, dass sie (scil. die Bluttat) jetzt [m]ic[h] erreicht hat: Auch ich entschädige für sie (gerade) (gemeinsam) mit meinem Haus (mittels eines) Entschädigungs- (und) Aussöhnun[gs]opfers.“ Muršili rechnet den Göttern also den Stand der Abgeltung vor: Sein Vater und seine Verbündeten haben die Bluttat bereits abgegolten und dafür mit ihrem Leben bezahlt (Kolon 95 und 96). Auch das Land Ḫatti hat die Bluttat mit seiner völligen Zerstörung im Zuge der Seuche bezahlt (Kolon 97 und 98). Und Muršili, der in Kolon 99 eindrücklich feststellt, dass die Blutschuld nun ihn erreicht habe, bekräftigt sein zeitgleich ausgeführtes Opfer (Kolon 100). Nach dem Opferritual, das wegen des Eidbruchs ausgeführt wurde (Kolon 93), schließt sich nun also noch ein Opferritual wegen der Bluttat an. Damit sind

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Die Gebete Muršilis II.

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alle im ersten Gebetsteil erörterten Themen der „Vergehen“ in die Kategorie „Abgeltung“ übertragen und durch die beiden Opfervorgänge (Kolon 93 und 100) abschließend ausgeglichen. Danach folgen die Kooperationssichernden Bitten, die sich an die Götter richten (DINGIRmeš ENmeš =YA „Götter, meine Herren“, Kolon 101 und 102): • • • •

Bitte um Beruhigung des Sinns der Götter (Kolon 101) Bitte um gütige Gesinnung (Kolon 102) Bitte um Blickkontakt (Kolon 103) Bitte um Gehör (Kolon 105)

In diesen Bitten werden der Reihe nach die Organe ZI „Galle; Seele“ (Kolon 101), genzu „Schoß, Geschlechtsteile; Gesinnung“ (Kolon 102), Auge (Kolon 103) und Ohr (Kolon 105) der Götter angesprochen. Daran schließt der Betende eine Unschuldsbeteuerung an, denn er hat zwei Opfer durchgeführt, obwohl er eigentlich unschuldig ist. Diese Unschuldsbeteuerung kontrastiert er mit der Schuld der anderen. Doch diese sind bereits verstorben. Indem der Betende mit 111–114 auf Kolon 99–100 rekurriert, bildet er eine Textklammer: 111 a[mm]uk=ma=kan ŠA ABI=YA memiaš ār(a)š kwit 112 nu=z(a) kāša ANA KUR-TI ḫingani šēr šumēš ANA DINGIRmeš BEL[U Ḫ ]I.A =YA maškan peškemi 113 šarnikziliēškem[i] 114 [n]u=šmaš maškan šarn[i]kziell=a šarnin[k]eškemi „Was das betrifft, dass die Angelegenheit meines Vaters aber m[i]ch erreicht hat: Ich hier gebe euch, den Göttern, meinen Herr[e]n, (gerade) ein Aussöhnungsopfer wegen der Seuche des Landes (und) vollzieh[e] (gerade) ein Entschädigungsopfer. Ich entschä[d]ige euch (gerade) (mittels eines) Aussöhnungs- (und eines) Entsch[ä]digungsopfers.“ Sprachlich zeigt sich eine Verdichtung: Deutlich tritt der Betende in der 1. Person zunächst als der Betroffene (ammuk in Kolon 111), dann als Handelnder (dreimal Verben auf -škemi in Kolon 112, 113, 114) auf, wobei die Partikel kāša den Sprecherbezug zusätzlich hervorhebt und so dem Sprecher den durch šumēš „euch“ ebenfalls exponierten Adressaten gegenüberstellt (vgl. ähnlich bereits Kolon 93). Die beiden Arten der dargebrachten Opferhandlungen (maškan „Aussöhnungsopfer“ und šarnikziel „Entschädigungsopfer“) werden zunächst einzeln in Kolon 112 bzw. 113 und dann in Kolon 114 noch einmal gemeinsam erwähnt. Das Schema A – B – A+B zeigt sich hier auf lexikalischer Ebene. Erwähnenswert ist zudem die Figura etymologica šarnikziel šarnenkiškemi „durch ein Entschädigungsopfer entschädigen“ in Kolon 114. Im Zentrum der Textklammer von Kolon 99–100 und Kolon 111–114 befindet sich Kolon 106, das Muršilis Unschuld hervorhebt (idālu [U ]L kwitki kwit ammuk iyanun

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„Was das betrifft, dass ich [ni]chts Böses getan habe“). Hierin ist auch der Fokus seiner Aussage zu suchen. Es folgen noch einmal zwei der schon zuvor in Kolon 101–105 vorgebrachten Stützbitten: die Bitte um gütige Gesinnung (Kolon 115) und die Bitte um Blickkontakt (Kolon 116). An die kurze, zwei Kola umfassende Opferdeklaration (Kolon 99–100) haben sich vier Kola mit Stützbitten angeschlossen, während nun auf die längere, vier Kola umfassende Opferdeklaration (Kolon 111–114) eine nur kurze Passage mit zwei Stützbitten folgt. Das zugrunde liegende chiastische Muster kann anhand der Kolonanzahl als 2 – 4 – 4 – 2 analysiert werden. Dieser zweite Abschnitt des zweiten Gebetsteils (Kola 94–116) stellt einerseits das Ende der Opfer dar und gleichzeitig damit auch das Ende der Betrachtung der Ereignisse aus der Perspektive der richtenden Götter. Der zweite Gebetsteil aus der Perspektive der Götter hatte dabei immer wieder Bezug zum ersten Gebetsteil aus der Perspektive der Menschen genommen. Der dritte Gebetsteil (Kolon 117–148) setzt mit einem Rückbezug zum ersten Gebetsteil ein: Die Kola 117–118 greifen die Worte aus Kolon 53–54 kurz vor dem Abschluss desselben auf: 53 54

KUR uru GIDRU-ti ḫinganaz [ … ] dammešḫaettat n=at tepawē[šta]

„Das Land Ḫatti wurde durch die Seuche [ … ] bedrängt, und es wur[de] klein.“ Hier werden diese Kola nun als Themenangabe in einem kwit-Satz dem folgenden Matrixsatz untergeordnet: 117 nu KUR uru GIDRU-ti kwit ḫinganaz(a) dammešḫāet 118 n=at [te]pauyēšta „Was das betrifft, dass die Seuche das Land Ḫatti bedrängte und es [kl]ein geworden ist:“ Neben dem deutlichen Rückbezug auf das Ende des ersten Gebetsteils leiten die beiden Kola direkt zum Thema des dritten Gebetsteils über: Der Fokus richtet sich noch einmal auf das Land Ḫatti. Auch die Anrede an die Götter (im Dat./Lok. Pl.) signalisiert den Beginn des dritten Gebetsteils (vgl. auch Kolon 1): 119 nu šumāš ANA DINGIRmeš ENmeš =YA ninda ḫ[ar]šin dug išpanduzzi=[ya] kwēš [ē]ššer 120 n=aš ḫinganazz(a) mekki tamašta „Welche euch Göttern, meinen Herren, B[r]ot [und] Gussopfer zu [ber]eiten pflegten, die bedrückte die Seuche stark.“ Ein Bezug des dritten Gebetsteils auf den Beginn des ersten Gebetsteils wird durch die folgenden Lexeme hergestellt: ḫinganazz(a) „von der Seuche“ (vgl. Kolon 6), mekki „stark“

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Die Gebete Muršilis II.

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(vgl. Kolon 7) und tamašta „bedrückte“ (vgl. Kolon 6). Doch hier ist es nicht das Land Ḫatti im Allgemeinen, das als Opfer der Seuche dargestellt wird, sondern es sind – wie sich aus Kolon 119 ergibt – die Brot- und Weinopferer des Landes Ḫatti. Es wird also ein Ausschnitt des Landes Ḫatti in den Blick genommen. So bereitet Muršili das zentrale Argument vor, mit dem die Götter zum Eingreifen bewegt werden sollen. Nachdem sie nämlich gerade – im zweiten Gebetsteil – üppig mit Opfergaben ausgestattet worden sind (Kolon 93, Kolon 100, Kolon 111–114), droht Muršili ihnen nun mit einem von ihnen selbst verschuldeten Ausbleiben der Opfer: 125 [ … ] kwēš lú.meš ḫaršiyalaš lú.meš išpantuzziyalašš=a tepawēš [ … ] 126 n=at mān arḫa ḫarkanzi 127 nu=šmaš namma NINDA.GUR4 .RA išpantu[zzi=ya] U [L] kwiški kwitki pāi „Welche Brot- und Weinopferer (schon) wenige [geworden sind], wenn sie (alle) zugrunde gehen, gibt euch [k]einer mehr irgendwelches Brot [und] Gussopf[er].“ Kolon 125 greift dabei auf Kolon 119 zurück: Die Situation hat sich stark zum Schlechteren verändert. Wieder entsteht eine Textklammer, in deren Zentrum sich folgende Kola befinden, in ihrer Mitte Kolon 122: 121 n=at ḫinganaz [ … ]-ta 122 anda=at 123 ÚŠ-anz(a)=ma EGIR-an arḫa UL=pat dāi „Die Seuche [ … ]-te sie. Sie (ist) da. Die Seuche aber nimmt kein Ende.“ Dieses kürzestmögliche Kolon nimmt das Problem, dem sich der Gebetstext widmet, kurz und knapp in den Fokus: Sie (scil. die Seuche) ist da. In der wichtigen Position vor dem Bittteil wird nun das zentrale Problem (Kolon 122) ebenso wie das umrahmende zentrale Argument (vorbereitend: Kolon 119–120, ausführend: 125–127) platziert, das die Götter zum Eingreifen und damit zur Problemlösung veranlassen soll. Die abschließenden Bitten in § 10’ (Kolon 128–146) richten sich in Kolon 128 wohl wieder – wie in Kolon 119 – an die Götter. Nach einer Überleitung (Kolon 128) werden zunächst die beiden Kooperationssichernden Bitten um gütige Gesinnung (Kolon 130) und um Blickkontakt (Kolon 131) wiederholt. Sie werden hier zum dritten Mal ausgesprochen (nach Kolon 102–103 und Kolon 115–116). Die erste der Zentralen Bitten zielt auf die Beseitigung der Seuche aus dem Land Ḫatti: 132 nu=kan ḫing[an … uey]atten „[Schic]kt die Seu[che aus dem Land Ḫatti]!“ Sie gehört zu einer Abfolge von drei gleichartigen Bitten (A) um die Wegnahme des Übels, die jeweils durch Kola anderen Inhalts (B) unterbrochen werden (Schema A – B – AAA – B – A). An Kolon 132 schließt sich also ein Abschnitt von vier Kola (Kolon 133–136) mit Ausführungssichernden Bitten um das Leben der verbliebenen Brot- und Weinopferer,

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

um wieder in die Zentrale Bitte um die Beseitigung der Übel zu münden: Die Kola 137–140 bestehen aus drei Sätzen, von denen der mittlere durch einen vorgeschalteten Nebensatz den größten Umfang besitzt und die alle drei wieder – wie zuvor Kolon 132 – auf das Verb ueiyatten „schickt!“ enden. 137 nu=kan DINGIRmeš [B]ELU meš =YA [ … ] ḫink[a]n a[rḫa ue]iyatten 138 kwe=ya=kan kwe idālawa ANA [ … ] ŠA m d[u]tḫaliya [še]r INA ŠÀ KUR uru GIDRU-ti kišan 139 n=at=kan DINGIRmeš ša[r- … ] ueiyatten 140 [n]=at INA KUR lú KÚR ueiyatten „(Ihr) Götter, meine [H]erren, [ … ] schickt die Seu[ch]e fort! Und welche bösen (Dinge) auch immer we[gen … ] des T[u]dḫaliya im Land Ḫatti geschehen (sind), (ihr) Götter, schickt sie [ … ] und schickt sie ins Feindesland!“ Ergänzt werden diese Bitten im Rahmen der zweiten, vier Kola umfassenden Unterbrechung (B) durch zwei weitere Bitten: 141 ANA KUR uru GIDRU-ti=ma gi[nzu … ] datten 142 nu=kan KUR-e anda SIG5 -ru namma „Dem Land Ḫatti (gegenüber) nehmt [wieder] eine gütige Gesi[nnung] an! Im Land soll es wieder gut sein!“ Die Kooperationssichernde Bitte um gütige Gesinnung bezieht sich hier zum ersten Mal auf das Land Ḫatti. Ihr folgt eine Zentrale Bitte um das Wohl des Landes Ḫatti. Fortgesetzt wird die Unterbrechung (B) durch zwei Kooperationssichernde Bitten, die den Betenden wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken – unterstützt durch das selbstständige Personalpronomen ammuk „ich“: 143 ammukk=a=šmaš=kan lú SANGA=KUNU ARAD=KUN [U ] uwaḫḫaru 144 nu=mu ginzu datten „Auch ich, euer Priester, eue[r] Diener, möchte vor euch erscheinen! Nehmt mir (gegenüber) eine gütige Gesinnung an!“ Diese beiden Kooperationssichernden Bitten werden hier das vierte Mal formuliert (Kolon 102 –103, Kolon 115–116, Kolon 130–131). Sie treten jetzt in umgekehrter Reihenfolge auf (AB – AB – AB – BA). So wird ermöglicht, dass die Bitte um gütige Gesinnung die Unterbrechung (B) in Kolon 144 ebenso beschließt, wie sie sie zuvor in Kolon 141 eröffnet hat. Sie leitet zur dritten Zentralen Bitte (A) über, die sich auf die Person des Muršili bezieht. Die erste von ihnen enthält wieder das prominente Verb ueiyatten „schickt!“ und schließt damit das in Kolon 132 begonnene Schema A – B – AAA – B – A ab: 145 nu=mu=kan ŠÀ-az laḫlaḫiman arḫa ueyatten 146 NÍ.TE-az=ma=mu=kan pittuliyan dātten „Schickt die Qual fort aus meinem Herzen! Von meinem Körper nehmt (mir) die Angst!“

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Die Gebete Muršilis II.

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Mit diesen Bitten findet das Gebet einen Abschluss: Muršili greift auf seine persönlichen Klagen aus Kolon 55–56 zurück, die wiederum als schließende Textklammer bereits den Abschluss des ersten Gebetsteils bilden und auf die Selbsteinführung in Kolon 2 verweisen. Dort, wie hier in Kolon 143, finden sich weiterhin die einzigen beiden Selbstreferenzen von Muršili als ammuk lú SANGA=KUNU ARAD=KUN [U ] „ich, euer Priester, euer Diener“. Das Gebet fügt sich also auf mehreren Ebenen zu einem Ganzen. Über diesen Rückbezug von Anfang und Ende hinaus gelingt es, durch die beiden Kola 145–146 alle drei Gebetsteile zusammen zu führen. 5.4.3 CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. Das Gebet weist eine Verknüpfungsstruktur mit drei Gebetsteilen auf: I. Gebetsteil an den Wettergott von Ḫatti nach Einleitender Kontextualisierung (Kolon 1–95) II. Gebetsteil an den Wettergott von Ḫatti und die (anderen) Götter (Kolon 96–129) III. Gebetsteil an den Wettergott von Ḫatti (130–182) Wichtig ist in diesem Text weniger das kleinteilige Arrangement stilistischer Elemente, als vielmehr das über das gesamte Gebet hinweg aufgebaute System von Bezügen. CTH 378.2 beginnt mit der Anrufung des Wettergottes von Ḫatti und der anderen Götter. Danach führt sich – wie bereits in CTH 376.1 – der Repräsentant mit folgenden Worten ein: 2

uiyat=mu m murš[iliš … š]umēl ARAD=KUNU

„Es schickte mich Mur[šili, der König, e]uer Diener.“ Der Auftraggeber ist Muršili, der König, Diener der Götter. Es folgt weiter – ebenfalls wie in CTH 376.1 – der Auftrag des Muršili an den Repräsentanten, der durch die Partikel -wa als wörtliches Zitat der Rede des Königs markiert ist: 3

īt=wa ANA d I[M] uru ḫatti [B]ELI=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA k[i]ššan memi

„Geh (und) sprich zum Wetter[gott] von Ḫatti, meinem [H]errn, und zu den (anderen) Göttern, meinen Herren, f[o]lgendermaßen:“ Doch hier folgt nun im Gegensatz zu CTH 376.1 kein mugauwar, keine „Herbeirufung“ der Götter. Denn während in CTH 376.1 die Vorwürfe an die Götter erst im zweiten Teil des Gebets in Kolon 66–67 aufgeführt werden, geht der Text in CTH 378.2 nach der Einleitenden Kontextualisierung ohne Umschweife, formal weiterhin durch -wa sowie durch den Adressatenwechsel markiert, über zum Gebet mit den Vorwürfen an die Götter. Muršili wird zitiert und seine Worte richten sich nun direkt an die Götter:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

4 kī=wa kwit iyatten 5 nu=wa=kan INA ŠÀ-BI KUR uru ḫatti ḫinkan tarnatten „Dies (ist es), was ihr getan habt: Ihr habt die Seuche ins Land Ḫatti gelassen“ Der weitere Textverlauf richtet sich allerdings nicht weiter nach CTH 376.1, Kolon 66ff., sondern entspricht CTH 378.1, Kolon 6 (nu KUR uru ḫatti ḫinganaz tamaštat „das Land Ḫatti wurde von der Seuche bedrückt“). Aber dort wird im Vorfeld den Göttern vom Ausbruch der Seuche lediglich berichtet. Hier, in CTH 378.2, werden die Götter gleich zu Textbeginn für die Seuche verantwortlich gemacht, und ab Kolon 6 werden ihre Auswirkungen weiterhin als wörtliche Rede vorgetragen (markiert bis Kolon 9): 6 nu=wa KUR uru ḫatti ḫinganaz arumma mekki tamaštat 7 nu=wa PAN ABI=YA PAN ŠEŠ=YA akkišketat 8 kwitt=aya=wa=z ammuk A[N ]A DINGIRmeš lú SANGA kišḫat 9 nu=wa kinunn=a ammuk peran akkiškettari „und das Land Ḫatti wurde von der Seuche überaus heftig bedrückt. Es wurde unter meinem Vater (und) meinem Bruder gestorben. Auch was das betrifft, dass ich zum Priester f[ü]r die Götter wurde: Es wird auch jetzt unter mir gestorben.“ Die Kola 7 und 9, die auf der inhaltlichen Seite beide das anhaltende Sterben beklagen, sind formal parallel konstruiert (vgl. die Textauszeichnungen) und bilden so einen Rahmen um Kolon 8, in dessen Zentrum sich Muršili durch ammuk „ich“ erstmals hervorhebt. Er führt sich hier als Priester der Götter ein. Mit kinunn=a ammuk peran „auch jetzt unter mir“ wird in Kolon 9 das hic et nunc des anhaltenden Sterbens problematisiert. Die Kola 7–9 stellen gegenüber CTH 378.1 eine Texterweiterung dar. Erst mit Kolon 10–11 treffen sich die beiden Texte wieder (vgl. CTH 378.1, Kolon 8–9): 10 kāš MU-20kam 11 kwit=kan INA ŠÀ KUR uru ḫatti akkiškettari „Dies (ist) das 20. Jahr, dass im Land Ḫatti gestorben wird.“ Die Verdichtung durch akkiške/a- „(weiter) sterben“ in Kolon 7, 9, 11 einerseits und ḫingan- „Seuche“ in Kolon 5, 6, 12 andererseits unterstreicht die dramatische Situation, in der sich das Land Ḫatti unter der Herrschaft Muršilis befindet: Die Seuche bedroht die Existenz des Landes Ḫatti. Das ist das zentrale Thema dieses Gebets. Ein Ende ist nicht in Sicht: 12 nu=kan IŠTU KUR uru ḫatti ḫinkan [a]rḫa UL=pat taruptari „Die Seuche wird aus dem Land Ḫatti nicht [f]ort(geschafft und) beendet.“ Mit Kolon 13–14 nimmt CTH 378.2 noch einmal Bezug auf CTH 378.1, Kolon 55–56: 13 ammuk=ma=z ŠÀ-az laḫlaḫḫiman UL taruḫmi 14 NÍ.TE-az=ma=z(a) pittuliyan namma U [L] taruḫmi „Ich aber bezwinge die von meinem Herzen (ausgehende) Qual nicht. Die von meinem Körper (ausgehende) Angst aber bezwinge ich nich[t] mehr.“

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Die Gebete Muršilis II.

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Diese beiden Klagen Muršilis sind fast vollständig parallel konstruiert: der verursachende Körper(teil) im Ablativ, das Leiden im Akkusativ und das negierte Verb UL taruḫmi „ich bezwinge nicht“. Wie zuvor von Kolon 5–7 zu Kolon 8–9 gibt es erneut eine Engführung ausgehend vom Land Ḫatti (Kolon 10–12) auf seinen König Muršili (Kolon 13–14). Beide Textpassagen (Kolon 5–9 und Kolon 10–14), die je fünf Kola umfassen, weisen also beide eine interne Gewichtung von 3 : 2 Kola auf. Auf phonetischer Ebene unterstreicht die häufige Verwendung des Lautes /m/ das in Kolon 13–14 zum Ausdruck gebrachte Lamentieren. Im Vergleich zu CTH 378.1 wirkt das Gebet CTH 378.2 deutlich gerafft. Dort markieren die beiden Klagen des Muršili das Ende des ersten Gebetsteils, der die Vorgeschichte der Seuche aufarbeitet. Demgegenüber fasst CTH 378.2, Kolon 4–14, den Inhalt des ersten Gebetsteils von CTH 378.1 mit nur wenigen Sätzen zusammen. Nach seinen Klagen über die Auswirkungen der Seuche auf das Land Ḫatti und auf seine persönliche Situation zählt Muršili nun seine Verdienste um die Götter auf: 15 16 17 18

namma=z(a) EZEN4 ḪI.A =ya kuwapi ēššaḫḫun nu ANA DINGIRmeš ḫūmandaš peran EGIR-pa iyaḫḫat 1-EN É DINGIR-LIM=kan UL teḫḫun nu=z(a) ḫing[a]ni šer ANA DINGIRmeš ḫūmandaš arkūwar ē[š]šaḫḫun

„Ferner, wenn ich (früher) auch Feste durchführte, trat ich wieder vor alle Götter. Einen einzelnen Tempel setzte ich nicht (scil. an erste Stelle? ). Wegen der Se[u]che m[a]chte ich vor allen Göttern meine Falldarlegung(en).“ Durch asyndetisches kuwapi „damals als, früher wenn“ (Kolon 15) weist sich die Textpassage (nach Heinhold-Krahmer 2010 und Daues 2012[2014]) als ein Rückgriff in die Vergangenheit aus. Muršili nutzt diese Verdiensteliste, um seine Unschuld zu untermauern, die er in CTH 378.1, Kolon 110 (idālu [U ]L kwitki kwit ammuk iyanun „Was das betrifft, dass ich [ni]chts Böses getan habe“), deutlich formuliert hat. Auch betont er, dass er bei seinen Festen und im Zuge der Falldarlegung(en) alle Götter gleichermaßen bedacht habe (vgl. ANA DINGIRmeš ḫūmandaš „vor allen Göttern“ in Kolon 16 und Kolon 18). Durch die Verbalformen der 1. Sg. Präteritum auf -ḫḫun werden die vier inhaltlich zusammengehörigen Kola durch die Homoioteleuta am Kolonende auch formal als zusammengehörig markiert. Aus Kolon 18 geht hervor, dass Muršili wegen der Seuche bereits mindestens87 eine Falldarlegung an die Götter gerichtet hat. Nach einem überleitenden Kolon (Kolon 19) wird ein älterer Gebetstext zitiert (Kolon 20–26). Alle Kola sind mit der Partikel -wa zur Kennzeichnung der wörtlichen Rede markiert. Leider ist der Text stark zerstört: 19 20 21

I [KRIBI ḪI.A =ma=šmaš=ka]n [ … ]-zaškenun [ … BELU me ]š =YA [i]štamašten [ … IŠTU KUR uru ḫat]ti ḫinkan [arḫa uiyatten]

87 Die Nominalform ist hinsichtlich des Numerus ambig.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

22 23 24 25 26

[uru ḫattuš]aš=wa [ … ] taruḫzi [ … akki]škettari [ … SI×SÁ-at]taru našma=wa! =at=z(a)=ka[n … ] [ … lú DINGIR-LIM-niya]nz(a)=ma memāu

„G[ebete aber … ]-te ich [für sie]: ‚[H]ört [mich, (ihr) Götter,] meine [Herre]n! [Schickt] die [S]euche [aus dem Land Ḫat]ti [fort]! [Ḫattuš]a bezwingt [nicht … ]. [Aus welchem Grund aber das Land Ḫatti dahinsi]echt, [das soll (entweder) durch ein Orakel ermit]telt werden oder [ich will] es [in einem Traum sehen oder] aber [ein Gottesbegeiste]rter soll es sagen!‘“ Die Bitte um Gehör (Kolon 20) ist in CTH 376.1 zweimal belegt (Kolon 14, 65), ebenso in CTH 378.1 (im zerstörten Kolon 4 und in Kolon 105). Die Zentrale Bitte um das Fortschicken der Seuche (Kolon 21) ist in CTH 376.1 (Kolon 102, 127, 134) ausdrücklich mit der Bitte verbunden, die Seuche in die Feindesländer zu schicken; die Bitte um das einfache Fortschicken der Seuche – ohne Benennung eines Wunschziels wie hier – ist in CTH 378.1 (Kolon 132, 137, 145) mehrfach als Zentrale Bitte formuliert. Von der Erschöpfung des Landes Ḫatti (Kolon 22) berichtet CTH 378.1 ausführlich (Kolon 104–105), doch werden hier in CTH 378.2 gänzlich andere Lexeme verwendet. Das Lexem akkiške/a- „(weiter) sterben“ aus Kolon 23 ist in CTH 378.1 häufig belegt, während es in CTH 376.1 nur einmal im Kolophon auftritt. Die Offenbarungsbitte (Kolon 24–26) hingegen ist in CTH 378.1 (Kolon 88 und 89) lediglich erwähnt (dort wird dann ab Kolon 90 das Ergebnis der Orakelanfrage geschildert), während in CTH 376.1 (Kolon 86–89) eine Offenbarungsbitte ausgeführt wird, allerdings in anderer Reihenfolge und Zusammensetzung der möglichen Offenbarungswege. Der hier in CTH 378.2 zitierte Gebetstext bildet also weder CTH 376.1 noch CTH 378.1 wortgetreu nach, obgleich beide ebenfalls die Seuche zum Thema haben. Darauf folgt ein zweiter Vorwurf an die Götter: 27 28

DINGIRmeš =ma=m[u … ] [ … KUR uru ]ḫatti ḫinkan UL SIG5 -at[tat]

„Die Götter aber [hörten] mi[ch nicht. Im Land] Ḫatti wur[de] die Seuche nicht gut.“ Nachdem die angerufenen Götter die bisherigen Gebete nicht erhört haben, wendet sich Muršili mit seinem Anliegen nun vornehmlich an den Wettergott von Ḫatti. Da auf den ersten Vorwurf an die Götter (Kolon 4–5) die Feststellung folgt, dass das Land von der Seuche heftig bedrückt ist (Kolon 6), scheint eine entsprechende Ergänzung von Kolon 29 im Anschluss an den zweiten Vorwurf berechtigt: 29

[nu KUR uru ḫatti arumma mekki tamašt]at

„[Das Land Ḫatti wurde überaus stark bedrück]t.“

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Die Gebete Muršilis II.

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Auch in CTH 378.1 ist dieses Kolon in variierter Form der dreiteiligen Grundstruktur entsprechend dreimal belegt: einmal in Kolon 6 zu Beginn des ersten Gebetsteils, einmal in Kolon 85 unmittelbar vor der Orakelanfrage und einmal in Kolon 120 im Rahmen der Textpassage, die sich dem anhaltenden Sterben der Brot- und Weinopferer widmet. Wie im Falle des dritten Belegs aus CTH 378.1 folgt nun auch hier in CTH 378.2, das eine stark gekürzte Fassung von CTH 378.1 enthält, die Sequenz, die die sterbenden Brotund Weinopferer thematisiert: 30 [ … Š]A DINGIRmeš =YA kwiēš lú.meš NINDA.GUR4 .RA-[uš … ašša]nteš ešer 31 n=at akki[škantat] „Die [wenigen] Brot- [(und) Weinopferer] meiner Götter, die [übr]ig geblieben waren, die sta[rben weiter dahin].“ Im Vergleich zu CTH 378.1 (Kolon 125–127), wo wenige Brot- und Weinopferer noch am Leben waren („Welche Brot- und Weinopferer (schon) wenige [geworden sind], wenn sie (alle) zugrunde gehen, gibt euch [k]einer mehr irgendwelches Brot [und] Gussopf[er]!“), hat sich die dramatische Situation offenbar nicht verbessert, denn das Sterben geht weiter (vgl. die -ške/a-Form akkiške/a- „(weiter) sterben“). In CTH 378.1 sind die Opferpriester das zentrale Argument Muršilis gegenüber den Göttern: Nur wenn die Opferpriester überleben, kann die Versorgung der Götter mit Opfergaben garantiert werden. Offenbar haben die Götter auch auf diese Argumentation nicht reagiert, ebenso wenig wie auf die in CTH 378.1 darauf folgenden Bitten. Da also weder Muršilis Wunsch nach Offenbarung der Ursache der Seuche von den Götter gehört (vgl. Kolon 27) noch seine Bitte um das Überleben der Opferpriester bisher gewährt wurde, hat er sich offenbar eigenständig auf die Suche nach der Ursache der Seuche gemacht. Über das Ergebnis seiner Nachforschungen berichtet er ab Kolon 34: 34 [ … k]arūila DUB-2KAM.ḪI.A peran w[emiyanu]n „Ich f[an]d zwei [a]lte Tafeln vor.“ Zum einen ist es die Tafel über das Ritual des Māla-Flusses: Dabei handelt es sich um ein Ritual, das in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt wurde und so den Göttern Anlass zum Zorn geboten haben könnte (Kolon 35–38). Zum anderen hat Muršili die Tafel der Stadt Kuruštamma gefunden. Während er den Fund der Māla-Tafel mit nur drei Kola (Kolon 36–38) kommentiert, widmet er der Kuruštamma-Tafel eine längere Textpassage (Kolon 40–70). In den Kola 40–42 gibt er zunächst eine Inhaltsgabe. Mit der Konjunktion maḫḫan „wie“ wird das jeweilige Thema angegeben: 1. Wie der Wettergott von Ḫatti die Leute von Kuruštamma nach Ägypten brachte (Kolon 40) und 2. wie der Wettergott von Ḫatti für sie (scil. die Leute von Kuruštamma in Ägypten) mit den Leuten von Ḫatti einen Vertrag machte und er sie so unter Eid nahm (Kolon 41 und 42). Die Wichtigkeit dieser Vorgänge in Zusammenhang mit dem Wettergott von Ḫatti dürfte auch der Grund dafür sein, dass dieser mit CTH 378.2 zum Hauptadressaten des Gebets geworden ist. Es folgt mit den Kola 43–70 ausgehend vom Inhalt der Kuruštamma-Tafel ein Bericht

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

über die Auseinandersetzung mit Ägypten und das Schicksal der Kriegsgefangenen. Wie in CTH 378.1, Kolon 5–26, gliedert sich die Textpassage (Kolon 40–70) in die beiden folgenden Inhaltsbereiche: Zuerst werden Eid und Eidbruch thematisiert (išḫiūl „Eid“ in Kolon 41, linganuwanteš „die unter Eid genommenen“ in Kolon 42 und 43, šarriyēr „sie übertraten (den Göttereid)“ in Kolon 45), daran schließt sich ein Bericht über die Folgen des Eidbruchs an, nämlich Krieg mit Ägypten (ab Kolon 46), die Ermordung des hethitischen Königssohnes (Kolon 56) und die Rache des hethitischen Königs an Ägypten (Kolon 58–60). Auch hier spiegelt sich die Gewalttätigkeit der Auseinandersetzung in der Wahl der Lexeme wider: wal(a)ḫta/wal(a)ḫḫer „er schlug/sie schlugen“ in Kolon 47, 49, 59 und kwenta/kwenner „er tötete/sie töteten“ in Kolon 56, 60, 63. Formal zeichnet sich diese Textpassage durch einen wenig abwechslungsreichen, vorwiegend parataktischen Stil aus, der sich in kurzen, fast stichwortartigen Sätzen realisiert. Zur Satzeinleitung wird häufig namma verwendet (Kolon 48, 49, 51). Die vergleichsweise wenigen Nebensätze werden gleichförmig mittels der temporalen Konjunktion maḫḫan eingebettet (Kolon 50, 54, 55, 65, 68). Am Ende dieser Textpassage wird der Bezug zum Wettergott wieder aufgenommen: 61 nu apiya=ya d IM uru ḫatti BELI=YA ABA=Y [A] ḫannešnit šarlāet „Auch da ließ der Wettergott von Ḫatti, mein Herr, mein[en] Vater durch einen (göttlichen) Gerichtsentscheid gewinnen:“ Die beiden Folgekola 62–63 schildern das Ergebnis der kriegerischen Auseinandersetzung: 62 nu=z(a) ÉRINmeš ANŠE.KUR.RAmeš ŠA KUR uru mizri taruḫta 63 n=at=kan kwenta „Er (scil. mein Vater) besiegte die Fuß- (und) Wagentruppen des Landes Ägypten und tötete sie.“ Gleichzeitig leiten die beiden Kola bereits zum nächsten und eigentlichen Thema des Gebets über, zur Seuche. Zunächst entstand sie unter den Kriegsgefangenen (Kolon 64–67), dann brachten diese die Seuche ins Land Ḫatti (68–70). Beide Textpassagen bedienen sich derselben Worte, so dass eine Parallelität zwischen Kolon 64–67 einerseits und Kolon 68–70 andererseits erzeugt wird: 64 nu LÚmeš appa[ndan] kwin ēpper 65 n=an maḫḫan INA KUR uru ḫatti EGIR-pa uwatēr 66 nu=kan INA ŠÀ-BI lú.meš ŠU.DAB.BIḪI.A ḫinkan kišat 67 n=aš a[k]kiškewan d[āiš] „Die Kriegsgefangenen, die sie ergriffen – [a]ls sie sie ins Land Ḫatti (mit sich) zurückbrachten, entstand (unterwegs) eine Seuche unter den Kriegsgefangenen. Seither s[t]arb[en] sie (beständig).“ Danach fährt der Text unter Verwendung derselben Lexeme, aber mit Bezug auf das Land Ḫatti fort. Die Segmentierung der Entstehung der Seuche und ihr Wirken im Land Ḫatti

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schafft ein retardierendes Element, das zusammen mit der konkretisierenden Zeitangabe apēzz(a) UDkam -az „seit jenem Tag“ den Fortgang des Unheils in der Kausalitätskette herausstellt: 68 maḫḫan=ma lú.meš ŠU.DAB.BIḪI.A INA ŠÀ-BI KUR uru ḫa[t]ti arnuēr 69 nu=kan ḫingan INA ŠÀ-BI KUR uru ḫatti lú.meš ṢABTUTUM utēr 70 nu=kan INA ŠÀ KUR uru ḫatti apēzz(a) UDkam -az akkiškettari „Als man aber die Kriegsgefangenen ins Land Ḫa[t]ti brachte, brachten die Kriegsgefangenen die Seuche ins Land Ḫatti. Seit jenem Tag wird im Land Ḫatti gestorben.“ Mit Kolon 70 als Überleitung zur gegenwärtigen Situation ist die Aufarbeitung der Vorgeschichte der Seuche, die mit dem Eidbruch der Leute von Ḫatti gegenüber dem Wettergott von Ḫatti ihren Anfang genommen hatte, abgeschlossen. Kolon 71 rekurriert auf die Erstnennung der Tafelfunde in Kolon 34. So kommt der Sprecher nach den Ausführungen des Inhalts der Tafel (Kolon 40–70) zum Ausgangspunkt zurück und nimmt den Fund der Tafeln wieder auf. Es folgt eine zweite und deutlich kürzere Ausführung zu beiden Tafeln in umgekehrter Reihenfolge, denn nun spricht Muršili zunächst über die zweite Tafel, die – anders als in Kolon 39, wo sie als ṬUPPU ŠA uru kuruštamma „Tafel von Kuruštamma“ bezeichnet wird – nun ṬUPPU ŠA uru mizri „Tafel von Ägypten“ genannt wird: Er berichtet über eine diesbezügliche Orakelanfrage an die Götter (Kolon 72). Kolon 73 und 77 zitieren hier – durch die Partikel der wörtlichen Rede -wa(r)- markiert – die vorgenommene Anfrage, während die Kola 74–76 als inhaltlicher Kommentar zu verstehen sind: 73 aši=wa kwiš memiyaš [I ]ŠTU d IM uru ḫatti iyanz(a) 74 LÚmeš uru mizri kwit LÚmeš uru ḫatti=ya IŠTU d IM uru ḫatti linganuanteš § 75 d damnaššaruš=kan kwit INA ŠÀ-BI É d IM uru ḫatti BELI=YA 76 memiyan=ma=kan d IM uru ḫatti=pat ḫūdāk šarriyēr 77 nu=war=aš mān ANA d IM uru ḫatti BELI=YA kartimmiyaz kišat 78 n=at ḫandāettat „Jenes Wort, das [v]om Wettergott von Ḫatti gemacht (worden war),“ was das betrifft, dass die Leute von Ägypten und die Leute von Ḫatti vom Wettergott von Ḫatti unter Eid genommen (waren), § (und) was das betrifft, dass die damnaššara-Gottheiten sich im Tempel des Wettergottes von Ḫatti, meines Herrn, (befinden), (dass) aber ausgerechnet die Leute von Ḫatti das Wort plötzlich übertraten, „ob das (scil. die Übertretung des Wortes) dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (ein Grund zum Zorn) wurde,“ das wurde (durch ein Orakel) festgestellt. Die Ausführung von Kolon 74–76 stellt dabei einen Rückbezug zum ersten Teil des berichteten Tafelinhalts (vor allem zu Kolon 40–45) her: IŠTU d IM uru ḫatti linganuanteš (Kolon 74) greift die Formulierung aus Kolon 42–43 wortwörtlich auf und auch ḫūdāk

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šarriyēr (Kolon 76) zitiert den Text aus Kolon 45. Beide Textpassagen zur zweiten Tafel – die über den Fund der Tafel (Kolon 39–70) ebenso wie die über die Orakelanfrage (Kolon 71–78) – behandeln den Inhalt der Tafel jeweils als Einschub (erster Einschub: Kolon 40–45; zweiter Einschub: Kolon 74–76). Die im Zuge der Orakelanfrage geäußerte Vermutung, dass der Eidbruch gegenüber dem Wettergott von Ḫatti als Ursache der Seuche gewertet werden könne, wird abschließend durch das Orakel bestätigt (Kolon 78). Dann folgt die zweite Orakelanfrage (Kolon 79). Sie bezieht sich auf das unterlassene Opfer für den Māla-Fluss (Kolon 35–38). Der Wortlaut der Orakelanfrage wird hier – anders als bei der Orakelanfrage im Falle Ägyptens (Kolon 73–77) – nicht zitiert und nicht kommentiert. Kurz und knapp wird auch der Kasus Māla als Ursache bestätigt (Kolon 80). Die Behandlung beider Tafeln (Kolon 34–80) erfolgt dabei in chiastischer Form, wobei die Segmente eine sehr unterschiedliche Länge aufweisen: • • • •

A: Tafel 1: Nennung, Inhalt kurz ohne Einschub (Kolon 35–38); kurz B: Tafel 2: Nennung, Inhalt ausführlich mit Einschub (Kolon 39–70); sehr lang B: Tafel 2: Orakelanfrage ausführlich mit Einschub (Kolon 71–78); lang A: Tafel 1: Orakelanfrage kurz ohne Einschub (Kolon 79–80); sehr kurz

So ergibt sich gegen Ende der Tafel-Sequenz (Kolon 34–80) mit der Zusammenführung beider Orakelanfragen (B: Kolon 72-78 mit ariyanun in Kolon 72 und ḫandāettat in Kolon 78; A: Kolon 79 und 80 mit ariyanun in Kolon 79 und ḫandāettat in Kolon 80) eine Zuspitzung in der Darstellung der Ermittlung der Schuld. Das Bekenntnis des Muršili, das sich ab Kolon 81 daran anknüpft, bezieht sich dementsprechend wohl auf beide ermittelten Ursachen. Es lautet: 81 nu=z(a)=kan kāša [ … waš]tul tarnaḫḫun „Und ich hier habe [vor dem Wettergott] den [Fr]evel bekannt:“ Auf dieses Schuldbekenntnis, in dem Muršili – besonders hervorgehoben durch die sprecherbezogene Partikel kāša – festhält, dass er selbst die Schuld bekannt hat (Kolon 81), wird durch die unmittelbar folgenden Kola 82–83 bekräftigt: 82 ešzi=at 83 iyanwēnn=[a=(a)t] „Er ist (so), [un]d wir haben [es] getan.“ Die Pluralform des Verbs in Kolon 83 leitet zu einer Einschränkung seiner persönlichen Schuld über. Zwar sind die sechs nachfolgenden Kola bis zum Ende der Vorderseite der Tafel teilweise zerstört, doch geht daraus hervor, dass der Betende trotz des Schuldbekenntnisses von seiner persönlichen Unschuld überzeugt ist. Er verweist darauf, dass das Vergehen vor seiner Zeit (Kolon 84–85) begangen worden sei. Abschließend räumt er aber ein, dass dies an dem Zorn des Wettergottes nichts ändere und darin der Grund

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für das Sterben im Land Ḫatti zu suchen sei (Kolon 88–89). Damit endet der Bericht über die Vorgeschichte des Gebets. Der Text widmet sich nun den Ritualhandlungen, die im Rahmen der Orakelanfragen als Ergebnisse ermittelt worden sind. Bereits am Anfang hatte Muršili in Kolon 18 mit den folgenden Worten auf mindestens ein früheres arkūwar (Kolon 20–26) hingewiesen, das allerdings ohne Gehör durch die Götter geblieben war (Kolon 27). Mit zwar teilweise zerstörtem, aber doch auffallend ähnlichem Wortlaut richtet Muršili nun in Kolon 91 – zu Beginn des neuen Abschnitts – die aktuelle Falldarlegung an den Wettergott von Ḫatti: 91

nu=z(a) k[āša AN ]A d IM uru ḫatti EN=YA [ … apa]dda šer ēššaḫḫi

„( …) mache ich h[ier desw]egen [de]m Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (gerade) meine [Falldarlegung].“ Es folgen zunächst Hinweise auf die Handlungen, die das geforderte Ritual begleiten – Muršilis Niederwerfung vor dem Gott (Kolon 92), sein Ruf nach Gnade (Kolon 93) –, dann die Bitte um Gehör (Kolon 94). Anschließend wird die erste Zentrale Bitte um Beendigung der Seuche (Kolon 95) formuliert. Sie befindet sich genau in der Mitte, an der Scheitelstelle des Gebets (Kolon 90–99): 95

[n]u=kan INA ŠÀ kur ḫatti ḫinkan daru[ptaru]

„In Ḫatti soll die Seuche been[det werden!]“ Dieses zentrale Thema der Beendigung der Seuche strukturiert das Gebet in markanter Weise: Es begegnet – abgesehen vom Beleg innerhalb des Einschubs des zitierten Gebets (Kolon 20–26) – dreimal in CTH 378.2: ganz am Anfang in der Vorgeschichte des Gebets in Kolon 12 als Klage formuliert, hier im Zentrum des Textes in Kolon 95 als Zentrale Bitte und als Abschluss des Gebets in Kolon 182, direkt vor dem Kolophon. Mit diesem ersten Höhepunkt endet also der erste Gebetsteil, der vor allem an den Wettergott von Ḫatti gerichtet ist. Die beiden auf die Zentrale Bitte (Kolon 95) folgenden Nebensätze (Kolon 96–97) zu Beginn des zweiten Gebetsteils stellen einen Bezug zu den Orakelanfragen aus Kolon 72–78 (Kuruštamma-Tafel) und Kolon 79–80 (Māla-Tafel) her und rufen so die beiden für die Seuche ermittelten Ursachen in Erinnerung. Durch diese Rückbezüge im neuen Textabschnitt werden aus dem ersten Textabschnitt bereits bekannte Bestandteile aufgegriffen und neu kombiniert: 96

[nu]=z(a) uttar kwit arḫa ariyanun

„Welche Ursache ich durch das Orakel ermittelt habe“ → mit Rückbezug auf Kolon 72 (Kuruštamma-Tafel) und 79 (Māla-Tafel) 97

[ … ] ḫingani šer kwe INIMmeš ḫandaettat

„[und] welche Gründe für die Seuche festgestellt worden sind“ → mit Rückbezug auf Kolon 78 (Kuruštamma-Tafel) und 80 (Māla-Tafel)

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Auf diese vorangestellten Nebensätzen folgen die Kola 98–99, mit denen der Betende auf die Ritualperformanz Bezug nimmt und so – neben der ersten Zentralen Bitte (95) – ein weiteres Signal für die Zäsur im Gebet setzt: 98 99

[n=a]t EGIR-pa lāiškemi n=at=[kan ša]rninkiškemi

„[di]e löse ich (gerade) wieder los, für die [entsch]ädige ich (gerade).“ Es sind die imperfektivischen Verbalformen in der 1. Sg. Präsens, die markieren, dass die Verbalhandlungen gerade in ihrem Verlauf sind. Die Ritualperformanz vollzieht sich hier also parallel zum Gebetsvortrag. Ab Kolon 100 erläutert Muršili den Stand der Kultobservanz: Er hält fest, dass die vom Orakel in der Angelegenheit des gebrochenen Göttereides ermittelte Forderung der Götter erfüllt wurde (Kolon 100–104), verweist aber auch darauf, dass das lange vernachlässigte Ritual für den Fluss Māla noch nachgeholt werden muss (105–109). Um dieses ausführen zu können, muss Muršili sich erst zum Fluss begeben: 106 nu kāš[a ANA íd m]āla kwit iyaḫḫari „und was das betrifft, dass ich hie[r] (gerade) [zum Fluss M]āla gehe:“ Nach diesen Erläuterungen, die auch vergangene Bemühungen um den Kult betreffen, wird der Fokus also wieder auf das aktuelle Ritualgeschehen gelenkt (Kolon 105–106). Dies stützt die folgende Bitte um die Zulassung des anstehenden Rituals für den MālaFluss (Kolon 107), und diese stützt wiederum die Zusage der Durchführung (Kolon 108–109). Beide zu den zwei alten Tafeln gehörenden Textpassagen (Kolon 100–104 und Kolon 105–109) haben hier zunächst dieselbe Länge von fünf Kola und beginnen jeweils mit Eröffnungskola (Kolon 100 und 105 [z. T. ergänzt]), die in ihrer zweiten Hälfte dieselbe Formulierung enthalten (… kwit ḫingani šer ḫandaettat „… was das betrifft, dass (als eine Ursache) für die Seuche festgestellt wurde“). Kolon 110 leitet aber mit einem erneuten kwit-Satz einen weiteren Zusatz ein, der sich an die Ausführungen zum Ritual für den Māla-Fluss anschließt: eine Kooperationssichernde Bitte (Kolon 111) gefolgt von der Zentralen Bitte (Kolon 112): 110 iyami=at=(a)z kwedāni uddanī ḫingani šer 111 nu=mu DINGIRmeš BELU meš =YA genzu datten 112 nu=kan INA ŠÀ KUR uru GIDRU-ti ḫinkan lazziyattaru „In welcher Angelegenheit ich es wegen der Seuche ausführen werde, nehmt mir (gegenüber) eine gütige Gesinnung an, (ihr) Götter, meine Herren! Und im Land Ḫatti soll die Seuche gut werden!“ Bei der Zentralen Bitte in Kolon 112 handelt es sich um eben diejenige, die in Kolon 28 – im Rahmen des zweiten Vorwurfs an die Götter – schon einmal als nicht gehört beschrieben worden ist. Dabei richtet sich die Bitte um Gehör in der 2. Person Pl. an

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die Götter, ebenso bereits in Kolon 107, wo der Wettergott und die anderen Götter gleichermaßen angesprochen sind. Auf diese Bitte folgt nun eine Abhandlung zum Thema „Schuld“, die ein zweites Schuldbekenntnis (Kolon 121–123) vorbereitet und die gleichermaßen an den Wettergott und die anderen Götter gerichtet ist: Muršili beschreibt die Übertragung der Schuld vom Vater auf den Sohn und hebt so noch einmal seine eigene Unschuld in der Sache hervor. Auch im Zusammenhang mit dem ersten Schuldeingeständnis (Kolon 81–83) hatte Muršili eine vergleichbare Einschränkung vorgenommen (Kolon 84–89). Formal ist die Textpassage (Kolon 113–120) vom Lexem wašta- „freveln“ und seinen Ableitungen geprägt (Kolon 114: wašteškanzi; Kolon 115: waštaš; Kolon 117: wašdaḫḫun; Kolon 119: waštul; Kolon 120: waštul). Die beiden Bekenntnisse (Kolon 81–83 und Kolon 121–123) sind – mit leichter Variation – weitgehend parallel gestaltet: 121 n=at=z(a)=kan kāša ANA d 10 uru ḫa[t]ti EN=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA peran tarnan ḫarmi 122 ēšzi=at 123 iyawen=at „Vor dem Wettergott von Ḫa[t]ti, meinem Herrn, und den (anderen) Göttern, meinen Herren, habe ich ihn (scil. den Frevel) hier bekannt. Es ist (so). Wir haben es getan.“ Dieses zweite Schuldbekenntnis variiert das erste, indem es im ersten Kolon (Kolon 121 gegenüber 81) die synthetische Verbalform durch eine ḫar(k)-Konstruktion ersetzt. In Kolon 81 ist das Verb mit einem lexikalischen Akkusativobjekt (waštul „Frevel“) konstruiert, während Kolon 121 wegen der Salienz des Begriffs aus dem vorangegangenen Kontext ohne eine erneute Nennung von waštul „Frevel“ auskommt – nur ein Pronomen greift das Substantiv kurz auf – , dafür wird aber eine ausführliche Adverbialangabe eingefügt. Der Schwerpunkt der Aussage ist hier also auf das bereits vollzogene Bekenntnis verschoben. Auch der Hinweis auf Muršilis eigene Unschuld geschieht in Kolon 124 nur implizit: 124 nu=z(a)=kan ŠA ABI=YA kwit waštul tarnan ḫarmi „Was das betrifft, dass ich den Frevel meines Vaters bekannt habe:“ Mit diesem Nebensatz weist Muršili einerseits indirekt darauf hin, dass der Frevel nicht von ihm, sondern von seinem Vater begangen worden sei, und andererseits – wieder mittels der ḫar(k)-Konstruktion –, dass er den Frevel bekannt habe. Hierauf liegt der Schwerpunkt der Aussage. Deswegen bittet er nun: 125 nu ANA d 10 uru ḫatti EN=YA U ANA DINGIRmeš BELUMEŠ =YA ZI-anz(a) namma waršiyaddu „Dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, und den (anderen) Göttern, meinen Herren, soll sich der Sinn wieder beruhigen!“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Damit greift Muršili auf den Zorn des Wettergottes als Grund für das Sterben in Kolon 88–89 zurück, der in der Vorgeschichte des Gebets ebenfalls nach dem Schuldbekenntnis und dessen Einschränkung platziert war. Die folgenden Bitten richten sich an den Wettergott und die anderen Götter: zunächst die Kooperationssichernden Bitten um die Beruhigung des Sinns (Kolon 125), dann um gütige Gesinnung (Kolon 126) und die Zentrale Bitte um die Vertreibung der Seuche aus dem Land Ḫatti (Kolon 127). Diese Bitte wurde ähnlich bereits am Ende des zweiten Bittteils (Kolon 110–112) vorgebracht (eine anders formulierte, aber auch seuchenbezogene Bitte gab es am Ende des ersten Bittteils in Kolon 92–95); hier, gegen Ende des dritten Bittteils (Kolon 125–129) wird sie erneut ausgesprochen. Es folgt hier aber noch eine weitere, diese Mal Ausführungssichernde Bitte, nämlich diejenige um den Erhalt des Lebens der Brot- und Weinopferer, deren Thema bereits aus Kolon 30–31 bekannt ist (s. o. S. 235) und die auch in CTH 378.1 vorkommt: 128 nu=kan kēuš kwiēš lú.meš NINDA.GUR4 .RA-uš lú.meš išpantuzziyaliuš tēpawēš āššanteš 129 n=at=mu lē akkanzi „Die wenigen Brot- (und) Weinopferer, die übrig blieben, die sollen mir nicht (auch noch) sterben!“ Anders als in CTH 378.1, Kolon 135, wo die Bitte als n=at lē ak[kiškantari] „sie sollen nicht weiter sterben!“ formuliert ist, liegt hier eine Verschiebung des Fokus vor: Zum einen drückt die Bitte aus Kolon 129 durch das Pronomen -mu ein hohes Maß an persönlicher Betroffenheit aus, zum anderen ist der -ške/a-losen Verbalform zu entnehmen, dass wirklich nur noch wenige Opferpriester übrig sind und zu befürchten ist, dass der Prozess ihres Sterbens bald abgeschlossen sein wird. Da in der Vorgeschichte das anhaltende Sterben der Brot- und Weinopferer (Kolon 30–31) offenbar in Zusammenhang mit den erneuten Orakelanfragen gestanden hat (vgl. Positionierung der betreffenden Textpassage kurz vor dem Bericht von den Tafelfunden, Kolon 34–80), ist nun – nach Erfüllung aller Forderungen der Götter im Opferteil (Kolon 90–112) – die Bitte um das Überleben der Brot- und Weinopferer nur folgerichtig. Auch durch die Äußerung im Anschluss an die letzte der drei Bitten um die Beseitigung der Seuche wirkt der bisherige Text inhaltlich abgeschlossen. Der dritte Gebetsteil (Kolon 130–182) ist persönlicher gehalten als die ersten beiden Gebetsteile. Er richtet sich ausschließlich an den Wettergott von Ḫatti, während Handlungen der anderen Götter nur in der 3. Person genannt werden: 130 nu=z(a) kāša ANA d IM EN=YA ḫingani šer arkūwar ēššaḫḫi 131 nu=mu d 10 uru ḫatti EN=YA ištamaš 132 nu=mu ḫwišnut „Ich hier mache (gerade) dem Wettergott, meinem Herrn, wegen der Seuche meine Falldarlegung. Wettergott von Ḫatti, mein Herr, höre mich! Lass mich überleben!“

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Im Eröffnungskolon 130 weist Muršili erneut auf seine Falldarlegung an den Wettergott hin. Damit stellt er den direkten Bezug zu Kolon 91 her, wo er am Ende des ersten Gebetsteils gleichfalls den Wettergott als Adressaten seiner Falldarlegung anspricht. Sofort folgt die Zentrale Bitte um das eigene Überleben, gestützt durch eine Kooperationssichernde Bitte um Gehör (Kolon 131–132). Um seinem Anliegen Anschaulichkeit zu verleihen und um das Gewicht seiner dramatischen Bitte um sein Überleben zu unterstreichen, bedient sich Muršili im Rahmen von Vergleichen gleich mehrerer Darstellungen normgerechten Verhaltens. Dabei bringt er folgende Normen ins Spiel: 1. Der Vogel, der in seinem Nest Zuflucht sucht und so gerettet wird (Kolon 134–135): -an ḫuw[išnuzi] „[lässt] ihn überle[ben]“ in Kolon 135 schließt mit dem direkten Rückbezug auf Kolon 132 den ersten Vergleich ab; der Wunsch nach Überleben ist das tertium comparationis. 2. Der Diener, der sich in Bedrängnis seinem Herrn offenbart und so vom Herrn gütige Gesinnung erfährt (Kolon 136–141): In Kolon 137 nimmt Muršili mit =z(a) arkuwar iyazzi „er (scil. der Diener) macht seine Falldarlegung“ einen Rückbezug auf Kolon 130 vor; die Falldarlegung und die sich daraus ergebende gütige Gesinnung (Kolon 111 und Kolon 126) fungieren hier als tertium comparationis. Dabei wird der Gott mit dem Herrn gleichgesetzt, ebenso der Diener des Gottes mit dem Diener des Herrn. 3. Der Diener, der einen Frevel begangen hat, ihn seinem Herrn gesteht und so Vergebung erwirkt (Kolon 142–148): Der dritte Vergleich ist geprägt von der Verwendung des Lexems waštul „Frevel“ (Kolon 142, 143, 146 wie zuvor auch die Textpassage Kolon 113–120). Die Beruhigung des Sinns in Kolon 147 greift die Bitte um die Beruhigung des Sinns des Wettergottes aus Kolon 125 wieder auf. Vor allem die zweite und dritte Norm heben stark auf das ebenso hierarchisch ausgerichtete wie persönliche Verhältnis zwischen dem Wettergott und seinem Diener, dem König, ab. Mit je zwei Kola Unterbrechung wird die Relation waštul tarna- „(seinen) Frevel bekennen“ (Kolon 143, 146 und 149) wiederholt. So entsteht eine Überleitung zum dritten Schuldbekenntnis, das sich auch im zweiten Gebetsteil schon an die vom Lexem waštul „Frevel“ geprägte Textpassage (Kolon 113–120) angeschlossen hatte. Das dritte Schuldbekenntnis (Kolon 149–151) lautet: 149 [a]mmuk=z(a)=kan ŠA ABI=YA waštul tarna[ḫḫun] 150 ašān=at 151 iyanun=at „[I]ch habe den Frevel meines Vaters bekan[nt]. Es (ist) wahr. Ich habe es getan.“ Statt durch die Partikel zum Ausdruck des Sprecherbezugs kāša aus den Vergleichskola 81 und 121 findet sich hier das selbstständige Personalpronomen ammuk „ich“ zur Hervorhebung des Betenden. Adressaten sind nicht genannt. Das Objekt des Bekenntnisses

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ist – anders als in Kolon 81 und 121, aber wie in Kolon 124 – „der Frevel meines Vaters“. Außerdem wird anstelle von zweimaligem 3. Person Sg. ēšzi hier das Partizip āšan von derselben Wurzel gebraucht (zu dieser Stilfigur s. Watkins 1995: 165–9). Ebenfalls anders als in den ersten Bekenntnissen (Kolon 81–83 und Kolon 121–123) verwendet Muršili hier in Kolon 151 eine Verbalform in der 1. Singular (statt der 1. Plural in Kolon 83 und 123) und hebt wie mit dem Personalpronomen der 1. Person ammuk „ich“ aus Kolon 149 die Selbstaussage hervor: Obwohl der Vater den Frevel begangen hat, übernimmt er, der unschuldige Sohn, im persönlichen Teil des Gebets durch sein Bekenntnis nun bereitwillig die Schuld seines Vaters. Er unterlässt es allerdings nicht, wie im Falle der anderen Bekenntnisse eine Einschränkung zu machen, indem er darauf hinweist, dass bereits früher (karū „früher“ in Kolon 153 und 157) ausreichend Entschädigungsleistungen erbracht worden seien (Kolon 152–157), ohne dass der Wettergott die Bitte um Beruhigung des Sinns erhört habe (Kolon 158 bezugnehmend auf die Bitte in Kolon 125). Es folgt eine kurze Bitte Muršilis um Offenbarung, die sich nun wieder an alle Götter (wohl einschließlich des Wettergottes) richtet, für den Fall, dass sie ihm ein zusätzliches Entschädigungsopfer auferlegt haben (Kolon 159–160). Mit der Zusage der Korrekturmaßnahme, die möglichen Zusatzforderungen der Götter zu erfüllen (Kolon 161), unterstützt er – zusätzlich zu allen vorgebrachten Argumenten – seine Bitte um das eigene Überleben (Kolon 132) und schließt damit den mittleren und wichtigsten der sieben Bittabschnitte (Kolon 130–161) ab. Für den ersten der drei folgenden kürzeren Bittabschnitte greift Muršili mit den Kola 162–163 den Beginn des persönlichen Gebetsteils aus Kolon 130–132 wieder auf und variiert ihn: 162 [nu=tt]a kāša ammukk=a ANA d 10 uru ḫatti EN=YA arkuweškemi 163 nu=mu TI-nut „Ich hier lege (gerade) auch für mich vor [di]r, dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, meinen Fall dar. Lass mich überleben!“ Die Variation besteht nicht allein in der Auslassung der Kooperationssichernden Bitte um Gehör und der Veränderung der Verbalphrase arkūwar ēššaḫḫi aus Kolon 130 zu arkuweškemi. Hier wird auch der Wettergott von Ḫatti direkt in der 2. Person (‑tta) angesprochen und die folgende Bitte richtet sich direkt an ihn. Dazu passt die Hervorhebung des Betenden, der durch kāša ammukk=a „ich hier auch für mich“ explizit genannt wird: So intensiviert sich die Beziehung zum Wettergott von Ḫatti im Zuge der wiederholten Bitte um das eigene Überleben. Es werden noch drei weitere kurze Passagen mit Zentralen Bitten folgen (Kolon 162–163, 174 und 181–182). Sie umrahmen zwei Passagen, die jeweils Ausführungssichernde Bitten – um das Überleben der der Brot- und Weinopferer (Kolon 164–167) bzw. um Offenbarung möglicherweise geforderter Opfer – enthalten (Kolon 168–173 und 175–179). Die erste lautet:

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Die Gebete Muršilis II.

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164 [nu=m]ān kēzz(a) uddānaz akkiškettari 165 n=at kwitman [EGIR-p]a SIG5 -aḫḫiškemi 166 nu=kan ŠA DINGIRmeš kwiēš lú.meš NINDA.GUR4 .RA lú.meš išpantuzzilašš=a [āšš]anteš 167 n=at lē namma akkanzi „[F]alls etwa aus diesem Grund gestorben wird: Während ich es (gerade) [wiede]r gut mache – die Brot- und Weinopferer, die [übr]ig sind, die sollen nicht (auch noch) sterben!“ Muršili befürchtet offensichtlich, dass ihm die Zeit knapp wird und es noch weitere Gründe gibt, die dem Wettergott Anlass zum Zorn geboten haben könnten. Die Worte tamētazz=iya kwēzka uddānaz „auch aus irgendeinem anderen Grund“ (Kolon 168) ziehen diese Möglichkeit in Betracht. Für diesen Fall bittet Muršili erneut um Offenbarung der Ursache durch ein Orakel (Kolon 168–173) über die üblichen Offenbarungswege.88 Im Anschluss, in Kolon 174, äußert Muršili seine Zentrale Bitte um das eigene Überleben ein weiteres Mal (vgl. bereits Kolon 132 und 163). Der Einschub von Offenbarungsbitten in Kolon 168–173 ist generellerer Natur und richtet sich an alle Götter. Während der Wettergott von Ḫatti in den Bitten ab Kolon 132 durchgehend in der 2. Singular direkt angesprochen wird, steht die Bitte, die sich an die anderen Götter richtet, in der 3. Plural (Kolon 175–176). Nachdem in Kolon 177 der Offenbarungsweg des Traums aus Kolon 160 wieder aufgegriffen worden ist, folgt eine abschließende Bitte um Offenbarung: 178 nu kwēzz(a) uddānaz akkiškettari 179 n=at wemiyattaru „Aus welchem Grund gestorben wird, das soll (heraus)gefunden werden!“ Damit erfahren die vorangegangenen konkreten Offenbarungsbitten (Kolon 159–161, 168–173 und 177) eine generelle Zusammenfassung. Abschließend werden die drei Bitten an den Wettergott und die drei an die anderen Götter zusammengeführt. Dies ist der siebte und letzte Bittabschnitt. Das vorbereitende Bild vom Baumeln an der Spitze einer Nadel – auch bekannt aus CTH 376.1, Kolon 90 – veranschaulicht kurz vor Ende des Gebets die dramatische Situation, die zum vorliegenden Gebet geführt hat: 180 nu=kan urudu ZI.[KI]N.BAR-aš giš šarpaz kunkuweni „Wir baumeln an der Spitze einer Na[d]el.“ Diese bildlich dargestellte Zuspitzung leitet zu einer weiteren Bitte um das eigene Überleben über: 88 Zur Entwicklung der Auswahl der Orakeltypen und ihrer Adaption des sumerischen Vorbilds über die Sonnengottgebete CTH 373 und CTH 372 weiter über CTH 376.1 bis hin zu CTH 378.2 s. Metcalf 2015a: 49–52.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

181 nu=mu d I[M ur ]u ḫatti [E]N=YA [T]I-nut „Wetter[gott von] Ḫatti, mein [H]err, lass mich überleben!“ Es ist der vierte Beleg dieser Bitte im dritten Gebetsteil (Kolon 132, 163, 174 und 181). Während die ersten beiden Bitten (Kolon 132 und 163) ohne die Anrede auskommen, nennen die beiden letzten Bitten (Kolon 174 und 181), die Teil des persönlichen Bittabschnitts sind, den Wettergott von Ḫatti. Auf die persönliche Bitte an den Wettergott folgt unmittelbar eine erneute Bitte um die Beendigung der Seuche an die Götter: 182 nu=kan ḫinkan [I ]ŠTU KUR uru ḫatti arḫa namma [taru]pdāru „Die Seuche soll [a]us dem Land Ḫatti wieder fort(geschafft und) beendet werden!“ Sie schließt das Gebet, indem sie die in Kolon 12 gleich zu Beginn des ersten Gebetsteils eröffnete, in Kolon 95 am Scheitelpunkt des Gebets vor dem Hinweis auf das Opfer wiederholte Thematik wieder aufgreift und sie als Zentrale Bitte wirkungsvoll ans Ende stellt. Dieser dritte Beleg der Bitte vollendet nun den dritten Gebetsteil. In diesem Gebetstext fällt auf, dass mehrere Elemente je dreimal in variierter Form enthalten sind: • • • • •

Beseitigung der Seuche als zentrales Anliegen (Kolon 12, 95, 182) Bitte um Gehör (Kolon 20, 94, 131) Ankündigung des arkuwar (Kolon 18, 91, 130) Sterben der Opferpriester (Kolon 30–31, 128–129, 166–167) Bekenntnis (Kolon 81–83, 121–123, 149–151)

Wenngleich diese Elemente nicht ganz gleichmäßig auf die drei Gebetsteile verteilt sind, so lässt sich doch deutlich erkennen, dass sie sich am Anfang, in der Mitte und am Ende konzentrieren. Vor allem der erste und der letzte Gebetsteil sind so über gemeinsame, sich wiederholende Bestandteile miteinander verbunden und umrahmen damit den mittleren Gebetsteil. Die Dreiteilung des Textes ergibt sich formal durch die jeweils dreimal auftretenden Segmente. Auch auf inhaltlicher Ebene bestätigt sich die Dreiteilung, die sich sozusagen darüber legt. Denn zunächst werden die fehlgeschlagenen Gebete der Vergangenheit thematisiert (einschließlich der Vorwürfe an die Götter), dann das gegenwärtige Vorgehen in Bezug auf die beiden Tafelfunde (Hauptteil des Gebets) und zuletzt als dritter Teil die zusätzlichen Bitten um Offenbarung eventueller weiterer Vergehen und die Zentralen Bitten als Zukunftsausblick.

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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5.5 CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung Der Text CTH 381 liegt in den beiden Hauptmanuskripten A (KUB 6.45++) und B (KUB 6.46) vor. Bei Manuskript A handelt es sich offenbar um eine Korrektur des Manuskripts B (Singer 1996: 141f.). Denn einerseits sind offensichtliche Fehler aus B in Manuskript A verbessert, andererseits weist Manuskript A gegenüber Manuskript B eine veränderte Textkomposition auf, wobei die Einzelteile zwar alle enthalten, aber in abweichender Reihenfolge angeordnet sind: Während Manuskript A den Gebetstext nun stärker zusammenhält, ordnet Manuskript B die Ritualteile noch den Teilgebeten zu und nimmt dafür eine Unterbrechung des Gebetstextes in Kauf. Die Verflechtung von Gebet (weiß) und Ritual (grau unterlegt) verhält sich in beiden Manuskripten wie in der Tabelle 5.1 auf S. 248 angegeben. Der Text beginnt mit dem Akkadogramm UMMA „folgendermaßen“ und der für den Großkönig üblichen Titulatur. Dabei handelt es sich um eine Einleitungsform, wie sie auch aus anderen Genres bekannt ist (vgl. Annalen, Briefe, Rituale etc.): UMMA tabarna m NIR.GÁL LUGAL GAL LUGAL KUR uru ḫatti DUMU m muršili LUGAL GAL LUGAL KUR uru ḫatti UR.SAG „Folgendermaßen (spricht) der Tabarna Muwatalli, der Großkönig, der König des Landes Ḫatti, der Sohn des Muršili, des Großkönigs, des Königs des Landes Ḫatti, Held:“ 1

Dies weist zunächst nicht darauf hin, dass in der Folge ein Gebetstext zu erwarten ist. Es geht auch nicht daraus hervor, an welche Gottheit er gerichtet sein wird, während die anderen Gebetstexte vornehmlich mit der Nennung der angesprochenen Gottheit beginnen. Stattdessen wird hier der Form nach das üblicherweise in Ritualen auf die UMMA-Einleitung (Kolon 1) folgende konditionale Gefüge nachgebaut: 2 mān UN-ši [mem]iaš kwiški nakkiyašzi 3 nu=z(a) ANA DINGIRmeš arkuwar [D]Ù-zi „Wenn irgendeine [Angelege]nheit einen Menschen belastet, [ma]cht er den Göttern seine Falldarlegung.“ Damit lässt sich z. B. der Beginn von CTH 393 (VBoT 24 Vs. I 1–3) vergleichen: 1 UMMA f anniwiyani AMA m armati lú MUŠEN.DÙ 2 ARAD m ḫūrlu mān d LAMMA lulimiyaš 3 SÍSKUR iyami nu kī daḫḫi „Folgendermaßen (spricht) Anniwiyani, die Mutter des Armati, des Auguren, des Untergebenen des Ḫurlu: Wenn ich das Ritual des d LAMMA lulimi- durchführe, dann nehme ich: …“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Manuskript B (Entwurf)

Manuskript A (Korrektur)

Ritualrahmen (Eröffnung): formale Einführung, Thema, Opfervorbereitung, Überleitung (I 1–10) Gebet (Eröffnung 1): Anrede an die Götter von Ḫatti, hymnische Erweiterung, Falldarlegungsdeklaration (I 21–33) Gebet (Addition 1): Vermittlungsbitte an Šeri (I 34–38) Ritualrahmen (Durchführung 1): Opfer für die Götter von Ḫatti (I 39–II 1) Verankerung des Gebets im Ritualrahmen: Hinweis auf arkuwar (II 1) Gebet (Eröffnung 2): Anrufung der Götter aller Länder, Hinweis auf Opfer, Versammlung (II 2–III 51) Gebet (Addition 2A): Gebet an Sonnengott des Himmels (III 52–64) Gebet (Addition 2B): Gebet an Wettergott piḫaššašši (III 65–IV 44)

Ritualrahmen (Eröffnung): formale Einführung, Thema, Opfervorbereitung, Überleitung (I 1–10) Gebet (Eröffnung 1): Anrede an die Götter von Ḫatti, hymnische Erweiterung, Falldarlegungsdeklaration (I 10–32) Gebet (Addition 1): Vermittlungsbitte an Šeri (I 33–36)

Ritualrahmen (Durchführung 2): Opfer für die Götter aller Länder, Sonnengott des Himmels (IV 48–55)

Gebet (Eröffnung 2): Anrufung der Götter aller Länder, Hinweis auf Opfer, Versammlung (I 37–III 12) Gebet (Addition 2A): Gebet an Sonnengott des Himmels (III 13–24) Gebet (Addition 2B): Gebet an Wettergott piḫaššašši (III 25–76) Ritualrahmen (Durchführung 1): Opfer für die Götter von Ḫatti (IV 1–45) Verankerung des Gebets im Ritualrahmen: Hinweis auf ein arkuwar (IV 45–48) Ritualrahmen (Durchführung 2): Opfer für die Götter aller Länder, Sonnengott des Himmels (IV 49–58) Ritualrahmen (Abschluss): Verbrennen der Opfergaben (IV 59–61)

Tabelle 5.1: Manuskripte A und B im Vergleich Gleichzeitig bezieht sich Muwatalli in den beiden Kola aber auch auf ein Motiv, das aus einem Gebetstext seines Vaters Muršili (CTH 378.2, Kolon 136–137) bekannt ist. Dort heißt es:

136 našma mān ANA ARAD-TI kwedanikki kwitki na[k]kiyaḫḫa[n] 137 nu=z(a) ANA EN=ŠU arkuwar iyazzi

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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„Oder wenn irgendetwas irgendeinem Diener be[d]rücken[d] (ist), (dann) macht er seinem Herrn seine Falldarlegung.“ Ganz in dem von Muršili angestrebten Sinne überträgt Muwatalli dessen Kola über die Beziehung von ARAD-TI „Diener“ und EN=ŠU „Herr“ (Kolon 136–137) auf das Verhältnis von UN-ši „Mensch“ und DINGIRmeš „Götter“ (Kolon 2–3). Die Textsorten des Gebets und der Ritualbeschreibung sind so in diesen einleitenden Worten miteinander verbunden. Auf die Einführung von Sprecher und Thema folgt eine Beschreibung der Vorbereitung des gebetsbegleitenden Rituals: In sechs Kola (Kolon 4–9) wird zunächst der Ort des Rituals, ein Dach, genannt (Kolon 4), dann die Opferzurüstung (Kolon 5–6) und schließlich der Auftritt des Königs beschrieben, der sich – sobald alles hergerichtet ist (Kolon 7–8) – vor dem Sonnengott des Himmels verneigt (Kolon 9). Auf diese Vorbereitungen, die sich vollends in den Rahmen der eingangs eröffneten Ritualbeschreibung einpassen, folgt mit Kolon 10 (nu kiššan memai „folgendermaßen spricht er“) eine Überleitung zum Gebet. Auch sie entspricht dem Formular der Ritualbeschreibung, vgl. etwa wieder CTH 393 (VBoT 24 Rs. III 35–3689 ). In Kolon 11 werden nun die Götter, an die sich dieses Gebet richtet, angerufen: der Sonnengott des Himmels, die Sonnengöttin von Arinna, der Wettergott, Ḫebat, der Wettergott der Stadt Ḫattuša, der Wettergott von Zippalanda, Šeri, Ḫurri sowie alle männlichen und weiblichen Götter, alle Berge und Flüsse des Landes Ḫatti mit vielen ihrer Epitheta. Sie werden direkt in der 2. Person angesprochen. In Kolon 12–13 sind sie dann noch einmal zusammengefasst und zum Land Ḫatti und zum Sprecher in Bezug gesetzt: DINGIRmeš ENmeš d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA U DINGIRmeš ḫūmanduš ŠA KUR uru KÙ.BABBAR-ti ENmeš lú SANGA=(a)z kwedaš 13 ŠA KUR uru ḫatti=mu=kan EN-UTTA ḫūmandaz kwiēš memišten „(ihr) göttlichen Herren, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, und alle Götter von Ḫatti, (meine) Herren, für die ich Priester (bin), die ihr mir die Herrschaft über das Land Ḫatti ganz zugesprochen habt.“ 12

Muwatalli nimmt also zunächst die Rolle des Priesters der Götter von Ḫatti ein (Kolon 12); er spricht sie gemäß dem üblichen Bild von Diener und Herr als ENMEŠ „Herren“ an. Durch die Götter wiederum ist seine eigene Herrschaft über das Land Ḫatti legitimiert (Kolon 13). Die beiden Kola 12 und 13 weisen mit den nachgestellten appositiven Relativsätzen ein typisches Merkmal hymnischer Sprache auf, indem diese sonst seltene syntaktische Konstruktion für eine Charakterisierung der angesprochenen Götter Verwendung findet (relativische Prädikation). Auch wenn es hier nicht explizit gemacht wird, sollen sich die Götter ebenso, wie sich Muwatalli um das Land kümmert, ihrerseits um Muwatalli kümmern. Auf der Grundlage dieser Verflechtung der göttlichen und 89 Hier folgt gleichfalls ein an Götter gerichteter Text. Er besteht aus fünf Bitten an den Schutzgott des Vlieses (VBoT 24 Rs. III 37–45).

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

menschlichen Sphäre äußert Muwatalli seine erste Bitte, nämlich diejenige um Gehör seiner Falldarlegung: kinuna=mu DINGIRmeš ammel ŠA lú SANGA=KUNU ARAD=KUNU memian arkuwar ištamašten „Jetzt aber, (ihr) Götter, hört meine, eures Priesters (und) eures Dieners, Angelegenheit als Falldarlegung!“ 14

Das Signalwort kinuna „jetzt aber“ und der Vokativ DINGIRmeš „(ihr) Götter“ lenken die Aufmerksamkeit auf die nachfolgenden Worte, die mit arkuwar „Falldarlegung“ das Thema nennen und es – durch ištamaš(š)- „hören“ angekündigt – zum zentralen Anliegen des hier beginnenden Textabschnitts ausbauen. Es handelt sich hierbei um eine vergleichsweise ausführliche Falldarlegungsdeklaration (Kolon 14–27), die von einer starken inhaltlichen und formalen Kohärenz geprägt ist. Sie beginnt mit einer zweigliedrigen Inhaltsangabe zum arkuwar-Vorhaben: ḫūdak=ma=z „als erstes aber“ leitet dabei das erste von zwei Gliederungselementen ein (Kolon 15 gegenüber Kolon 18). Muwatalli kündigt im Rahmen der Falldarlegung einen Rechenschaftsbericht über das Handeln gegenüber den Göttern von Ḫatti an: ḫūdak=ma=z šumel=pat ŠA EN-LÍ DINGIRmeš ŠA Émeš DINGIR-LIM=KUNU ŠA ALAM=KUNU arkuwar iyami 16 DINGIRmeš ŠA KUR uru.giš GIDRU-ti GIM-an iyanteš 17 GIM-ann=a=at idalawaḫḫanteš „Als erstes aber werde ich eure, der herrschaftlichen Götter, (Angelegenheit), (nämlich die) eurer Tempel (und) eurer Statuen, als meinen Fall darlegen: (darüber), wie die Götter von Ḫatti gefeiert worden (sind) und auch (darüber), wie sie schlecht behandelt worden (sind).“ 15

Anhand der beiden syntaktisch parallelen und gleich auslautenden Partizipialformen auf -anteš in semantischer Opposition (Kolon 16–17) erläutert er die Beurteilungsskala, die er in seinem arkuwar ansetzen wird: GIM-an iyanteš „wie (sie) gefeiert worden sind“ (Kolon 16) und GIM-ann=a=at idalawaḫḫanteš „wie (sie) schlecht behandelt worden sind“. Als zweiten Bestandteil seiner Falldarlegung kündigt er – mit EGIR=ŠU=ma= „dann aber“ eingeleitet – ein weiteres Anliegen an: 18 EGIR=ŠU=ma=z(a) ŠA ZI=YA AWATE meš arkuwar iyami „Dann aber werde ich (die) Worte meiner Seele als meinen Fall darlegen.“ Dabei ist Kolon 18 syntaktisch parallel zu Kolon 15 aufgebaut. Der formalen Parallelität steht allerdings eine inhaltliche Opposition gegenüber: Während die materielle Ausstattung der göttlichen Tempel und Statuen den äußeren Zustand reflektiert (Kolon 15–17), widmet sich der zweite Teil dem inneren Zustand des Betenden (Kolon 18). Weil dieser zweiteilige Plan aber nirgendwo tatsächlich ausgeführt wird, vermutet Singer (1996: 44,

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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147f.), dass es sich bei dem vorliegenden Gebet um eine Textvorlage handelt, in die nach Bedarf die betreffenden Teile „eingetragen“ werden konnten. Die dafür vorgesehene Stelle ist Kolon 205–206. Daran schließt sich in Kolon 19 eine überleitende Bitte um das Hinhalten des göttlichen Ohres (vgl. Dardano 2014). Diese in den Gebeten vergleichsweise selten geäußerte Bitte findet sich auch in Muršilis Gebeten CTH 376.1, Kolon 64, und CTH 378.4, Kolon 5. Sie lehnt sich dort wie hier an die inhaltlich verwandte Stützbitte um Gehör (Kolon 20) an und wirkt so verstärkend: 19 20

nu=mu DINGIRmeš ENmeš GEŠTU-an parā ēpten nu=mu kē arkuwarri ḪI.A ištamašten

„Haltet mir, (ihr) Götter, (meine) Herren, (euer) Ohr hin! Hört diese meine Falldarlegungen an!“ Kolon 20 wiederholt zudem die bereits in Kolon 14 geäußerte Bitte. Allerdings fasst der ungewöhnliche Plural kē arkuwarri ḪI.A „diese (meine) Falldarlegungen“ hier in Kolon 20 nun beide Falldarlegungsbestandteile aus Kolon 15–17 und Kolon 18 zusammen. Die beiden Bitten um Gehör (Kolon 14 und Kolon 20) bilden also den Rahmen dieser ersten Textpassage der Falldarlegungsdeklaration, die folgende Bestandteile umfasst: eine Bitte um Gehör (A1 ) in Kolon 14, die Vorstellung der beiden bevorstehenden arkuwar-Vorhaben (erstes Thema B1 : Kolon 15–17; zweites Thema B2 : Kolon 18), eine weitere Bitte um Gehör (A2 ) in Kolon 20. So ergibt sich eine chiastische Reihenfolge der Strukturelemente A (Bitten) und B (arkuwar-Vorhaben) in unterschiedlicher Gewichtung, die sich aus der Anzahl der Kola ergibt: A1 – B1 B1 B1 – B2 – A2 A2 . Die anderen sieben Kola des Paragraphen (Kolon 21–27) gehören der zweiten in sich geschlossenen Textpassage der Falldarlegungsdeklaration an. Inhaltlich baut sie auf der ersten auf. Hier wird nun die Bitte um Gehör weiter differenziert: ištamaštini=at „ihr werdet sie erhören“ (Kolon 23) und ištamaššuwanzi parā tarništen „überhört sie!“ (Kolon 27). Die Entscheidung darüber, was die angerufenen Götter hören und was sie nicht hören, ist allein ihre Sache. Inhaltlich interessant ist das vorletzte Kolon 26, das lexikalisch deutlich aus dem Rahmen des umgebenden Textabschnitts fällt: 26

n=at=mu=kan UN-az KA×U-az šarā wezzi=pat

„und sie (scil. die Worte) kommen aus meinem, eines Menschen, Mund“ Es handelt sich hierbei um eine prophylaktische Entschuldigung Muwatallis vor den Göttern: Was aus eines Menschen Mund kommt, kann verfehlt sein. Ganz anders verhält es sich mit dem, was aus der Götter Mund kommt – wie wir aus CTH 384.1, Kolon 114, wissen: 114 (…) TI-[tar] PANI DINGIRmeš tueda[z K]A×U-a[z wedd]u „(…) vor den Göttern [soll] Leb[en] aus deine[m M]und [komm]en!“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

So lautet dort die Bitte an die Totengöttin Lelwani (ähnlich CTH 384.1, Kolon 128, über den Wettergott und die Sonnengöttin von Arinna). Um keinen Anlass zu neuerlicher Verärgerung seitens der Götter zu geben, betont Muwatalli also, dass es allein die Entscheidung der Götter sei, welche Bestandteile des arkuwar sie anhören und welche sie überhören werden. Die Götter werden von Muwatalli in § 4 (Kolon 18–27) auffallend häufig als DINGIRmeš meš EN „Götter, Herren“ (Kolon 19, 21, 22, 27) bezeichnet. Überhaupt ist der Textabschnitt geprägt von lexikalischer Repetition: in arkuwar iye- „eine Falldarlegung machen“ (Kolon 15, 18, 21, 25) einerseits und (arkuwar) istamaš(š)- „(die Falldarlegung) hören“ (Kolon 14, 20, 23, 24, 27) andererseits. Während sich Anrede (Kolon 11), hymnische Erweiterung (Kolon 12–13) und Falldarlegungsdeklaration (Kolon 14–27) direkt an die Götter richten, spricht Muwatalli nun in Kolon 28 den als Vermittler vorgesehenen göttlichen Šeri an, der den Göttern von Ḫatti sehr nahe steht: nu=mu kēdaš ANA AWATE meš arkuwar tiyauwaš ANA DINGIRmeš tarkummai 30 nu=mu DINGIRmeš ENmeš kē AWATE meš arkuwar DINGIRmeš ENmeš nepišaš KI-ašš=a ištamaššandu „übermittle in diesen Worten meine Falldarlegung (zum Zwecke) des Vortrags vor den Göttern! Die Götter, die Herren, sollen diese Worte als meine Falldarlegung hören, die Götter, die Herren des Himmels und der Erde!“ 29

An die Bitte um Vermittlung (Kolon 29) schließt sich die dritte Bitte um Gehör (Kolon 14, 20, 30) durch die Götter an, die nun – dem Kontext entsprechend – in der 3. Person steht. Dabei wird die inhaltliche Kohärenz auch zwischen der Falldarlegungsdeklaration (Kolon 14–27) und der anschließenden Vermittlungsbitte durch lexikalische Kohäsion fortgeführt, vgl. DINGIRmeš ENmeš „Götter, Herren“ (Kolon 30), arkuwar „Falldarlegung“ (Kolon 29 und 30) und istamaš(š)- „hören“ (Kolon 30). Das sprecherorientierte Demonstrativpronomen kā- „dieser“ verdeutlicht hier, dass sich diese Worte (kēdaš ANA AWATE meš , jeweils in Kolon 29 und 30) noch „in Sprechernähe befinden“ und von dort an die Adressaten vermittelt werden sollen. Dabei ist bemerkenswert, dass – anders als in anderen Gebeten, die eine vermittelnde Gottheit bemühen – zunächst nicht die Sonnengottheit als Vermittler ausgewählt wird: Erst die zweite „Vermittlungsbitte“ (Kolon 96–103) ist an den Sonnengott des Himmels gerichtet, wobei angemerkt werden muss, dass es sich dabei nicht im eigentlichen Sinne um eine Vermittlungsbitte handelt, da der Sonnengott des Himmels die Götter lediglich anhalten (Kolon 101) und rufen (Kolon 103) soll. Mit einer dritten Vermittlungsbitte – oder vielmehr einem eigenständigen Gebet mit dem Anliegen um die Vermittlung des arkuwar – wendet sich der Betende danach (Kolon 104–158) an seinen persönlichen Gott, den Wettergott piḫaššašši. Die Vermittlungsbitten weisen einen ansteigenden Umfang auf, der mit der Wichtigkeit der Adressaten korreliert. Bei der Vermittlungsbitte an den göttlichen Šeri handelt es sich somit um die erste und kürzeste der insgesamt drei „Vermittlungsbitten“ dieses Gebets.

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Bis hierhin verlaufen die beiden Manuskripte A und B kompositorisch parallel (s. die Tabelle auf S. 248). Im Entwurf (Manuskript B) folgt nun eine Rückkehr zum Ritualrahmen: Es werden die in Kolon 11 angesprochenen Götter von Ḫatti (abgesehen vom Wettergott piḫaššašši, der in der Anrede fehlt, aber beim Opfer vorhanden ist) der Reihe nach (teilweise in leicht veränderter Reihenfolge) mit Opfergaben bedacht. Diese Textpassage findet sich im korrigierten Manuskript A erst am Ende des Gebetstextes in den Kola 160–203. Dort soll sie auch im Rahmen dieser Dramaturgie, die sich an Manuskript A orientiert, besprochen werden. In Manuskript A beginnt dagegen im Anschluss an die Vermittlungsbitte an Šeri eine lange Reihe von Anrufungen (Kolon 31–89). Im Entwurfsmanuskript B befinden sich diese erst an späterer Stelle. Da die Götterauflistung bereits von Singer (1996: 171ff.) ausführlich untersucht worden ist, wird sie hier – zumal es sich um einen in sich geschlossenen Teilkomplex des Gebetstextes handelt – nicht weiter ausgeführt. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die Anrufung der Götter aller Länder (Kolon 31–89) in der Anrufung der Götter von Ḫatti (Kolon 11) ein inhaltliches Gegenstück findet. Im Anschluss an die lange Götteranrufung beginnt eine neue Textpassage: Die vier Kola 90–93 enthalten jeweils zwei der Form nach parallele, inhaltlich aber in Gegensatz stehende Relativsatzpaare (Kolon 90 gegenüber 91, Kolon 92 gegenüber 93). Sie folgen damit demselben dualen Schema, das sich bereits an anderen Stellen dieses Gebets abgezeichnet hat (Kolon 16 gegenüber 17, Kolon 21–23 gegenüber Kolon 24–27), vgl. dazu Watkins 1995: 207f. Die Relativsätze sind den Hauptsätzen in Kolon 94–95 vorgeschaltet: 90 91 92 93 94 95

kwiēš daranteš kwiēš UL daranteš kwetaš ANA Émeš DINGIRmeš LUGAL MUNUS.LUGAL peran EGIR-pa iyantari kwetaš=at ANA Émeš DINGIRmeš peran EGIR-pa UL iyantari n=aš lú.meš SANGA šippanz(a)kanzi DINGIR LÚmeš DINGIR MUNUSmeš [A]N-aš GE6 -iš KI-aš nepiš tekan alpuš IMḪI.A -uš tetḫimaš wantewantemaš tuliyaš pēdaš DINGIRmeš kwedani pedi tuliya tiškanzi

„Die genannt (sind), (und) die nicht genannt (sind), welche Tempel der König (und) die Königin aufsuchen (und) welche Tempel sie nicht aufsuchen, die beopfern die Priester (gerade), (also) die männlichen Götter (und) die weiblichen Götter des [Hi]mmels (und) der schwarzen Erde, Himmel (und) Erde, Wolken (und) Winde, Donner (und) Blitz, der Ort der Versammlung, der Ort, an welchem die Götter (gerade) zur Versammlung treten.“ Die positive Formulierung von Kolon 90 wird durch die negative Formulierung von Kolon 91 zu einem Ganzen ergänzt (Merismus), ebenso verhält es sich mit Kolon 92 gegenüber Kolon 93. Kein Gott bleibt also unbeachtet; die Priester opfern ihnen allen. Wie sich an die Anrede an die Götter von Ḫatti (Kolon 11) eine hymnische Erweiterung mit

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

einer zweiten zusammenfassenden Anrede an die Götter (Kolon 12) anschließt, so wird auch hier in paralleler Struktur an die umfangreiche Anrufung der Götter aller Länder (Kolon 31–89) eine hymnische Erweiterung mit einer zweiten zusammenfassenden Anrede angefügt (Kolon 90–95). Zeitgleich mit der Anrufung – markiert durch die ške/a-Formen šippanz(a)kanzi in Kolon 94 und tiškanzi in Kolon 95 – treten die Götter am Ort der Versammlung zusammen. Das letzte Kolon erinnert an die Eröffnung des Textes CTH 378.1, Kolon 1, wo folgender Relativsatz am Ende derselben eingebettet ist: 1

… apedani=z(a) UD-ti kwiēš DINGIRmeš tul[iya] linkīya k[ut]ruwanni ḫalziyanteš ēšten

„(…), (ihr) Götter, die ihr an jenem Tage [in die] Versam[mlung] zum Eid in den Z[eug]enstand gerufen worden seid“ Damit ist die Anrufung für das Gebet an alle Götter abgeschlossen: Alle Götter sind versammelt. Von Kolon 96 an beginnt das neue Teilgebet an den Sonnengott des Himmels, der als höchster Gott der Götterversammlung angesprochen wird. Es besteht aus den aufeinander folgenden Strukturelementen Anrede (Kolon 96) mit Hymnus (Kolon 97–99), Falldarlegungsdeklaration (Kolon 100) und Bitten (Kolon 101–103). Nicht nur durch die Wahl des Adressaten (d UTU ŠAME), sondern auch durch Aufbau und Ausgestaltung erinnert es stark an die entsprechenden Teilgebete der Sonnengottgebete CTH 372–374. So bezeichnet Muwatalli den Sonnengott des Himmel gleich zu Beginn seiner Anrufung als Hirten der Menschen: 96

d

UTU ŠAME EN=YA ŠA DUMU.LÚ.U19 .LU lú SIPA-aš

„Sonnengott des Himmels, mein Herr, Hirte der Menschen“ Im Sonnengottgebet CTH 372, in dem der Sprecher sich durchweg als DUMU.LÚ.U19 .LU „Mensch“ bezeichnet (vgl. z. B. die Selbsteinführung in CTH 372, Kolon 12), gibt es mit Kolon 121 eine vergleichbare Textstelle: 121

d

UTU-uš ḫūma[ntan] lú SIPA=ŠUNU zik

„Sonnengott, der Hirte von all[en] (bist) du.“ Auf diese Anrufung folgt ein Kurzhymnus, der die Bewegung des Sonnengottes beschreibt. Auch dies ist aus dem ungleich längeren Hymnus an den Sonnengott in CTH 372 bekannt. In CTH 381 heißt es: 97 98

šarā=kan uwaši nepišaš d UTU-uš arunaz nu=ššan nepiši tiyaši

„du kommst herauf aus dem Meer, Sonnengott des Himmels, und trittst in den Himmel (ein)“

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Die Vergleichspassage aus CTH 372 findet sich in Kolon 34–35: 34 35

mān=ašta karūwarwar d UTU-uš nepišaz šarā ūpzi nu=ššan šarāzziyaš KUR-eaš katterašš=a utneyaš ḫūmandaš tuel=pat d UTU-waš ⟨lalukkimaš ⟩ tiyari

„Wenn bei Tagesanbruch der Sonnengott auf der Seite des Himmels aufsteigt, dann tritt dein, des Sonnengottes, ⟨Licht⟩ in alle oberen Länder und unteren Länder.“ Die in CTH 381 und CTH 372 beschriebenen Bewegungen des Sonnengottes weichen in ihrer Perspektive voneinander ab: In CTH 381 steigt die Sonne aus dem Meer und tritt in den Himmel ein, in CTH 372 steigt sie vom Himmel auf und tritt in die oberen und unteren Länder ein. In beiden Hymnen folgt auf die Beschreibung der Umlaufbahn die Charakterisierung des Sonnengottes als Richter. In CTH 381 lautet das hymnische Kolon 99 wie folgt: 99

d

UTU ŠAME EN=YA ŠA DUMU.LÚ.U19 .LU-TI UR.GI7 -maš ŠAḪ-aš gimrašš=a ḫwitnaš DINAM UD-tili zik d UTU-uš ḫanneškeši

„Sonnengott des Himmels, mein Herr, die Rechtsangelegenheiten der Menschen, der Hunde, der Schweine und der Tiere des Feldes richtest du, Sonnengott, täglich.“ Auch hier ist die inhaltlich vergleichbare Textstelle im älteren Text CTH 372 ausführlicher. CTH 372 leitet anschließend zu den Bitten um Unterstützung und Führung über, während CTH 381 mit einer Selbsteinführung des Sprechers fortfährt, die in eine Falldarlegungsdeklaration mündet: 100 nu kāša ammuk m NIR.GÁL LUGAL-uš lú SANGA ŠA d UTU uru PÚ-na U DINGIRMEŠ ḫūmandaš nepišaš d UTU-i arkwiškemi „Ich hier, Muwatalli, König, Priester der Sonnengöttin von Arinna und aller Götter, lege (gerade) (meinen) Fall (vor) dem Sonnengott des Himmels dar.“ Muwatalli als König und als Priester der Sonnengöttin von Arinna sowie aller anderen Götter wendet sich nun – wieder wie in den Sonnengottgebeten – an den männlichen Sonnengott, den Sonnengott des Himmels: Muwatalli legt ihm hier und jetzt seinen Fall dar, vgl. kāša ammuk „ich hier“ und die -ške/a-Form arkwiškemi. Warum er für die unmittelbar nachfolgenden Bitten den Sonnengott des Himmels als Adressaten auswählt, hat er in seinem kurzen Hymnus (Kolon 96–99) bereits dargelegt: Er ist mobil (Kolon 96–98) und ein Hüter der Gerechtigkeit (Kolon 99). Die beiden Bitten, die Muwatalli nun an ihn richtet, sind, zunächst die Götter anzuhalten (Kolon 101) und sie dann zur Falldarlegung herbei zu rufen (Kolon 102 und 103):

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

101 nepišaš d UTU-uš EN=YA kēdani UDkam -ti DINGIRmeš arāi 102 nu DINGIRmeš kwiēš kēdani UD-ti kwedani arkuwēšni IŠTU EME=YA ḫalziḫḫun § 103 n=aš nepišaš d UTU-uš nepišaz KI-az ḪUR.SAGmeš -az ÍDmeš -az IŠ-TU Émeš .DINGIRmeš =ŠUNU giš GU.ZAmeš =ŠUNU ḫalzāi „Sonnengott des Himmels, mein Herr, halte an diesem Tag (scil. heute) die Götter an! Die Götter, die ich an diesem Tag zur Falldarlegung mit meiner Zunge angerufen habe, § Sonnengott des Himmels, rufe sie aus Himmel (und) Erde, aus den Bergen (und) aus den Flüssen, aus ihren Tempeln (und) von ihren Thronen!“ Diese erste Bitte um das Anhalten der Götter (Kolon 101) ist einzigartig. Sie folgt keiner uns bekannten Vorlage. Auch die Vorbereitung der zweiten Bitte im Folgekolon 102 hebt mit der Nennung der Zunge einen bisher unbekannten Aspekt hervor. Denn Körperteile und Sinnesorgane sind zwar auch in vielen anderen Gebeten wichtige Bestandteile der Bildlichkeit der Texte (vgl. z. B. CTH 376.1, Kolon 58–65), doch die Zunge wird hier erstmals genannt. Auch im weiteren Textverlauf (Kolon 113, 116) spielt sie eine auffällige Rolle, die in den anderen Gebetstexten keine Parallele findet. Die zweite Bitte (Kolon 103) hingegen scheint auf das „Herbeirufen“ (mugauwar) der Götter zu rekurrieren, wie es in anderen Gebeten gelegentlich belegt ist, vgl. z. B. CTH 376.1, Kolon 6–11. Dort wird die Sonnengöttin von Arinna mit Zedernholz und Öl herbei gerufen. Dabei ist das „Herbeirufen“ eine Handlung, die den Menschen obliegt, während die hier angesprochene Handlung des Rufens mit dem Lexem halza-/i(ya)- ausgedrückt wird und vom Sonnengott des Himmels ausgeführt werden soll. Im Gegensatz zu den Sonnengottgebeten fehlt hier also die charakteristische Bitte um die Vermittlung des arkuwar. Muwatalli spielt mit Form und Inhalt, indem er beides nicht in der erwarteten Weise miteinander verbindet: So geht das vermeintliche Vermittlungsgebet an den Sonnengott des Himmels lediglich mit Muwatallis Bitte um das „Rufen“ der Götter zu Ende. Mit Kolon 104 wechselt der Text kurz zurück auf die beschreibende Ebene, die mit Kolon 1–10 eröffnet worden ist. Mit einer Regieanweisung für das Ritual leitet der Verfasser zu einem neuen Textabschnitt über, vgl. auch Kolon 10. Hier wird nun der König als Sprecher explizit genannt: 104 EGIR=ŠU=ma LUGAL-uš kiššan memai „Danach aber spricht der König folgendermaßen:“ Auf das Gebet an den Sonnengott des Himmels folgt nun – ganz wie in den Sonnengottgebeten – das Gebet an die persönliche Gottheit, den Wettergott piḫaššašši. Zwar fehlt hier die für die Sonnengottgebete so charakteristische Überleitung vom Vermittlungsgebet zum jeweils eingebetteten zentralen Gebet, doch die Bezugnahme des ab Kolon 105 folgenden Gebets an den Wettergott piḫaššašši (Kolon 105–158) auf die Gebete an den persönlichen Gott, die jeweils an die Sonnengottgebete angeschlossen sind, lässt sich weiter untermauern: So bezeichnet sich der Sprecher nun auch dem Wettergott piḫaššašši,

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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seinem persönlichen Gott, gegenüber als DUMU.LÚ.U19 .LU „Mensch“. Mit folgenden Worten, die hier – nun ähnlich unvermittelt wie in den Sonnengottgebeten – einsetzen, wird die Rede an den Wettergott piḫaššašši eröffnet: 105 d 10 piḫaššaššiš EN=YA DUMU.LÚ.U19 .LU-aš ešun „Wettergott piḫaššašši, mein Herr, ich war (nur) ein Mensch.“ Der Adressat wird mit Namen und der Apposition EN=YA „mein Herr“ angesprochen, auch der Sprecher führt sich ein: Früher war er bloß ein Mensch. Erst durch das Verdienst seines persönlichen Gottes wurde sein Aufstieg möglich (Kolon 105–111). Zunächst aber wird Muwatallis Vater Muršili in seiner Eigenschaft als Priester für die Sonnengöttin von Arinna und für alle anderen Götter genannt (Kolon 106). Ihm in allem nachfolgend wird auch Muwatalli vom Wettergott piḫaššašši zum Priester für die Sonnengöttin von Arinna und alle anderen Götter ernannt (Kolon 110). Diese beiden parallel gestalteten Inhalte legen sich als Rahmen um die drei zentralen Kola 107–109. Auf die dort benannten Sachverhalte gründet sich sein Erfolg und sie bereiten die Legitimation seiner Herrschaft in Kolon 111 vor: 107 nu=mu=z(a) ABU=YA DÙ-at 108 d 10 piḫaššašši=ma=mu annaz dāš 109 nu=mu šallanut „Mein Vater zeugte mich, aber der Wettergott piḫaššašši nahm mich von meiner Mutter und zog mich groß.“ Während der Wettergott piḫaššašši in Kolon 105 direkt angesprochen wird, erscheint er in den Kola 108–111 in der 3. Person. Dieser Wechsel in der Personendeixis wirkt um so auffälliger im Vergleich mit einer parallel gestalteten Textpassage aus dem Sonnengottgebet CTH 372. Dort beginnt das Gebet an den persönlichen Gott mit den folgenden, vergleichbaren Worten: 75 [a]mmel DINGIR-LIM kwit=mu=z(a) AMA=YA ḫašta 76 nu=mu ammel [DINGIR-LIM šal]lanuškeši „Mein Gott, was das betrifft, dass mich meine Mutter gebar: Du, mein [Gott, zie]hst mich groß.“ Hier wird der persönliche Gott direkt in der 2. Person angesprochen. CTH 381 behält dagegen in der gesamten Textpassage von Kolon 106–111 die 3. Person bei. Neben dem ersten Rahmen, den die Kola 106 und 110 um den durch die Initiative des Wettergottes eingeleiteten Wendepunkt in der Biographie Muwatallis herumlegen, indem sie das Priesteramt von Vater und Sohn zum Wohle der Sonnengöttin von Arinna und der anderen Götter thematisieren, legen sich wiederum die Kola 105 (s. o.) und 111 mit Beginn und Höhepunkt der Erfolgsgeschichte Muwatallis als ein zweiter Rahmen um das narrative Zentrum der Textpassage:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

111 ANA KUR uru ḫatti=ma=mu LUGAL-eznanni dāiš „Für das Land Ḫatti aber hat er mich in die Königsherrschaft (ein)gesetzt.“ Mit dieser auf den Wettergott piḫaššašši zurückgehenden Legitimierung der Herrschaft Muwatallis endet der erste Abschnitt des Gebets an den Wettergott piḫaššašši, der offensichtlich der ihm zugedachten Rolle des persönlichen Gottes gerecht geworden ist. Es folgt eine Falldarlegungsdeklaration, die – ebenso wie diejenige aus dem Gebet an den Wettergott des Himmels (Kolon 100) – im hic et nunc verankert ist: 112 [k]inuna ammuk m NIR.GÁL LUGAL-uš tuedaz [IŠ]TU d 10 piḫaššašši šallanuwanz(a) arkuwēškemi „[J]etzt aber lege ich, Muwatalli, der König, der [vo]n dir, dem Wettergott piḫaššašši, großgezogen worden ist, (gerade) (meinen) Fall dar.“ Das Personalpronomen der 2. Person tuedaz „von dir“ zeigt den Wechsel der Personendeixis zurück in die 2. Person an, die bis zum Ende des Teilgebets (in Kolon 158) gebraucht wird. So wie das Teilgebet an den Sonnengott des Himmels (Kolon 96–103) zunächst eine Motivation für die persönliche Hinwendung des Sprechers an diese Gottheit liefert (Kolon 96–99) und dann – nach der Falldarlegungsdeklaration – der angebeteten Gottheit die Bitten zuträgt (Kolon 101–103), so verfolgt auch das Gebet an den Wettergott piḫaššašši eben diese Strategie: Zunächst wird die besondere Beziehung des Sprechers zu dieser spezifischen Gottheit ausgeführt (Kolon 105–111) und damit als Rechtfertigung genutzt, sich dem Gott zuzuwenden (Kolon 112), bevor sich der Betende mit spezifischen Bitten an ihn richten wird (Kolon 115–126). Doch auch mit einem weiteren Motiv nehmen beide Teilgebete aufeinander Bezug, nämlich durch das „Rufen“ der Götter. Im Teilgebet an den Sonnengott des Himmels findet sich in Kolon 102 – umrahmt von zwei Bitten – ein Relativsatz, der sich auf die Anrufungen der Götter aus Kolon 31–95 und Kolon 11–13 bezieht. Ausgedrückt wird dies mit dem Ausdruck DINGIRmeš IŠTU EME=YA ḫalzai/i(ya)- „die Götter mit meiner Zunge anrufen“ im Rahmen eines Relativsatzes: 102 nu DINGIRmeš kwiēš kēdani UD-ti kwedani arkuwēšni IŠTU EME=YA ḫalziḫḫun „Die Götter, die ich an diesem Tage zur Falldarlegung mit meiner Zunge angerufen habe, …“ Im Gebet an den Wettergott piḫaššašši findet sich in diesem Kontext die gleiche Wendung: 113 [nu I ]ŠTU EME-YA kwiēš DINGIRmeš ḫalziḫḫun 114 nu ANA DINGIRmeš arkuwanun „[Und] die Götter, die ich [m]it meiner Zunge (an)gerufen habe, vor (eben) den Göttern habe ich den Fall dargelegt.“

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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Während sich der Textabschnitt vor der Falldarlegungsdeklaration (Kolon 112) der Bindung des Sprechers an seinen persönlichen Gott widmet (Kolon 105–111), hat der darauf folgende Textabschnitt (Kolon 113–126) nun zum Ziel, dem persönlichen Gott den Vermittlungsauftrag zu geben. Es folgt zunächst eine Bitte um die Erregung von Mitleid für den Betenden: 115 nu=mu=kan DINGIRmeš -aš uwayanut dapiaš „Mache mich bemitleidenswert bei den Göttern, (und zwar) bei allen!“ Diese Bitte ist neu, findet sich aber bei Puduḫepa wieder, vgl. z. B. CTH 384.1, Kolon 139 und 152. Dort wie hier ist die Erregung von Mitleid Bestandteil der Vermittlung. Den Prozess derselben stellt sich Muwatalli folgendermaßen vor: 116 117 118 119

ammel=ma ŠA m NIR.GÁL ARAD=KA A[W ]ATE meš ŠA EME=YA dā n=at=kan ANA PANI DINGIRmeš šunni nu=z(a) ANA DINGIRmeš kwe AWATE meš arkuwar iyami n=at=mu EGIR-pa lē waḫnuwanzi

„Meine, des Muwatalli, deines Dieners, W[o]rte meiner Zunge aber nimm und fülle sie im Angesicht der Götter ein (scil. trage sie vor)! Welche Worte ich den Göttern als meine Falldarlegung mache, sie soll man mir nicht verdrehen!“ Wie die Bitte um die Erregung von Mitleid (Kolon 115) sind die Metapher des Einfüllens der Worte (Kolon 117) und die Bitte, die Worte nicht zu verdrehen (Kolon 119), neu. Die Bitte um Gehör der Worte der Falldarlegung ist eine Variante derselben Bitte an Šeri (Kolon 18–20) und kehrt in Kolon 124–126 – auch hier mit der Metapher des Einfüllens verbunden – in erneuter Variation wieder: 124 nu=z(a) ANA DINGIRmeš kwit arkuwar iyami 125 nu=kan AWATE meš ANA DINGIRmeš anda šunni 126 nu=mu ištamaššandu „Worüber ich den Göttern meine Falldarlegung mache, fülle die Worte in die Götter ein (scil. trage sie vor)! Sie sollen mich erhören!“ Diese beiden Textpassagen, Kolon 115–119 und Kolon 124–126, bilden einen Rahmen um das zentrale Anliegen des Sprechers, das in Kolon 120–123 zum Ausdruck kommt. Dabei wird der Rahmencharakter zusätzlich durch die chiastische Konstruktion der Kola 117 (A) und 118 (B) gegenüber Kolon 124 (B) und 125 (A) hervorgehoben, so dass sich insgesamt eine konzentrische Struktur ergibt. Der Rahmen legt sich um die folgende Textpassage, die sich aus dem Vergleich (Kolon 120–121) mit einem Vogel, der Zuflucht im Nest sucht, und der darauf aufbauenden Bitte um das eigene Überleben (Kolon 122–123) zusammensetzt:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

120 121 122 123

MUŠEN-iš giš taptappan EGIR-pa ēpzi n=aš TI-zi uk=ma=[z](a)=kan d 10 piḫaššaššin EN=YA EGIR-pa AṢBAT nu=mu TI-nut

„Der Vogel nimmt Zuflucht im Nest und er überlebt. Ich aber habe Zuflucht bei dem Wettergott piḫaššašši genommen, lass mich überleben!“ Der Vergleichsstandard (Kolon 120–121) ist beinahe wortwörtlich aus CTH 378.2, Kolon 134–135, übernommen: So wie der Vogel im Nest Zuflucht nimmt, so beschreibt Muwatalli sich als einen Menschen, der Zuflucht beim Wettergott piḫaššašši sucht (Kolon 122) und ihn so um sein Überleben bittet (Kolon 123). Hiermit liegt eine kurze Zentrale Bitte vor, wie sie für Vermittlungsgebete üblich ist, vgl. wiederum Puduḫepas Gebet CTH 384.1, Kolon 114 (an Lelwani). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich der Vergleich in CTH 378.2, Kolon 134–135, in unmittelbarer Nähe zu Kolon 136–137 befindet, wo das Verhältnis von Diener und Herr thematisiert wird und als Vorlage von Kolon 2–3 zu Beginn von CTH 381 herausgestellt werden konnte. Das können wir als einen weiteren Nachweis von Intertextualität in den hethitischen Gebeten werten. An die Zentrale Bitte um das eigene Überleben (Kolon 123) schließen sich – der Rahmenstruktur folgend – die Wiederholung der Bitte um das Einfüllen der Worte in die Götter und resümierend die Bitte um Gehör durch die Götterversammlung (Kolon 126) an. Die letzte Bitte richtet sich mit ištamaššandu „sie sollen hören!“ in der 3. Person an die Götter und impliziert so, dass der Wettergott piḫaššašši die Bitte an die Götter weiterleiten möge. Damit ist die Vermittlungsbitte an den Wettergott piḫaššašši formal abgeschlossen (vgl. auch die abschließende Bitte um Gehör am Ende der Vermittlungsbitte an Šeri in Kolon 30). Insgesamt weisen das Teilgebet an den Sonnengott des Himmels (Kolon 96–103) und der Hauptteil des Teilgebets an den Wettergott piḫaššašši (Kolon 105–126) also einige Parallelen auf: Sie stellen einen deutlichen Bezug zu den Sonnengottgebeten her, indem einerseits jedes der beiden Teilgebete seine intertextuelle Anbindung an die Sonnengottgebete über Anklänge und Zitate immer wieder unterstreicht, andererseits aber auch durch ihre Abfolge. Denn so wie in den Sonnengottgebeten auf das erste Teilgebet an den Sonnengott des Himmels ein zweites Teilgebet an den persönlichen Gott folgt, so halten auch die beiden deutlich kürzeren Teilgebete aus CTH 381 an den Sonnengott und den persönlichen Gott, den Wettergott piḫaššašši, eben diese Abfolge ein. Das Teilgebet an den Wettergott piḫaššašši ist aber mit der Bitte um Gehör aus Kolon 126 keinesfalls beendet. Von der Betrachtung der Gegenwart leitet Muwatalli über zu einem neuen Abschnitt des Teilgebets, der einen Ausblick auf die Zukunft gibt, indem er die letzten Worte der vorangegangenen Textpassage, Kolon 124–126, mit Kolon 127–128 wieder aufgreift und daran seine Hoffnungen auf die positiven Konsequenzen der Erfüllung der Vermittlungsbitte anknüpft:

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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127 nu apiya=ya d 10 piḫaššaššin šarliškemi § 128 nu ammel kuwapi AWATE meš DINGIRmeš ištamaššanzi 129 nu=mu=kan kwiš idaluš memiaš ZI-ni anda 130 n=an=mu DINGIRmeš EGIR-pa SIG5 -aḫḫanzi šarlanzi „Und auch dann werde ich den Wettergott piḫaššašši immer wieder erhöhen: § Wenn die Götter meine Worte hören, welche böse Angelegenheit in meinem Herzen (ist), werden die Götter mir wieder gut machen (und auf)heben.“ In der Gewissheit, dass – wenn die Götter die Worte nur hören – sie diese auch erhören und alles wieder gut machen werden, gründet sich die Bedeutung des Vermittlungsgebets. Eine gelungene Vermittlung des Anliegens bedeutet offenbar, dass die Götter sich der Angelegenheit annehmen werden. Dem Vermittlungsgebet kommt somit eine Schlüsselrolle zu. Es ist nun interessant, welche Strategie Muwatalli wählt, um den Wettergott piḫaššašši dazu zu bringen, seine Bitte um Vermittlung zu erfüllen. Er lockt seinen persönlichen Gott, indem er ihm folgende Fragen stellt: 131 nu=z(a) kwēl walliyatar 132 UL=z(a) ŠA d 10 piḫaššašši EN=YA walliyatar „Wessen Ruhm bin ich (dann)? Werde nicht ich der Ruhm des Wettergottes piḫaššašši, meines Herrn, sein?“ Vor allem der Wettergott piḫaššašši wird also davon profitieren, wenn er sich für seinen Schützling einsetzt, denn walliyatar „Ruhm“ wird sein Lohn sein. Die zweifache Nennung in Kolon 131 und 132 hebt das hervor. Dem Gott „Ruhm“ zu versprechen, ist bereits aus CTH 372, Kolon 180, bekannt, wo es heißt: 180 nu tuk DINGIR=YA wallaḫḫi „Dich, mein Gott, werde ich rühmen.“ Zur weiteren Ausgestaltung der positiven Konsequenzen, die der Einsatz des Wettergottes piḫaššašši für Muwatalli auf dessen Achtung durch Götter und Menschen haben würde, verwendet er das im Rahmen des Gebets nicht häufige Mittel der wörtlichen Rede (vgl. auch CTH 383.1, Kolon 110 und Kolon 115–116, sowie CTH 384.1, Kolon 41 und Kolon 45). Es sind zunächst zwei Sequenzen (Kolon 135–138 und Kolon 141), die jeweils durch nu kiššan memai „folgendermaßen spricht er“ (Kolon 134 und 140) eingeleitet werden. Beide sind – wie die Fragen in Kolon 131–132 – Zukunftsprojektionen. Die erste Sequenz bezieht sich auf das, was ein Gott oder ein Mensch über den Wettergott piḫaššašši sagen wird, sofern sich dieser für Muwatalli verwendet:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

133 134 135 136 137 138

nu mān DINGIR-LAM našma DUMU.LÚ.U19 .LU-TI aušzi nu kiššan memai ḫandan=wa d 10 piḫaššašši EN=YA nepišaš LUGAL-uš UN-an kaništa nu=war=an kulānitta nu=war=an=kan aššanut nu=war=an=kan mēḫunaš arnut

„Wenn ein Gott oder ein Mensch (hin)sieht, wird er folgendermaßen sprechen: ‚Wahrhaftig, du, Wettergott piḫaššašši, mein Herr, König des Himmels, erkanntest den Menschen an, du brachtest ihn erfolgreich auf (seinen) Weg, du versorgtest ihn, du brachtest ihn durch die Zeiten.‘“ Die wörtliche Rede in Kolon 135–138 zeichnet sich durch auffallend kurze und prägnante Sätze aus. Der mündliche Stil setzt sich auf diese Weise deutlich vom schriftlichen ab. Auffällig ist außerdem der Gebrauch eines eindeutig luwischen Lexems, :kulānitta in Kolon 136. Auch ḫandan in der Verwendung als Interjektion in der Bedeutung „wahrhaftig“ ist äußerst selten und daher ebenfalls stilistisch markant. Die zweite wörtliche Rede in Kolon 141 beginnt gleichfalls mit ḫandan „wahrhaftig“. Hier werden die Kinder und Kindeskinder des Muwatalli, also Könige, Königinnen, Prinzen und Herren des Landes Ḫatti, als zukünftige Verehrer des Wettergottes piḫaššašši (Kolon 139) und damit als Multiplikatoren des Ruhmes fiktiv zitiert. Wieder wird der wörtlichen Rede ein einleitendes Kolon (Kolon 140) vorangestellt. Die zweite Sequenz wörtlicher Rede umfasst aber lediglich ein einziges Kolon (Kolon 141): 140 nu kiššan memanzi 141 ḫandan=wa aši DINGIR-LIM šarkuš UR.SAG-iš parā ḫandanz(a) DINGIR-LUM „Sie werden folgendermaßen sprechen: ‚Wahrhaftig, jener Gott (ist) ein erhabener Held, ein gerechter Gott!‘“ Auch hierbei handelt es sich um einen kurzen Satz, der als Nominalsatz sogar ohne Verb auskommt: das Adjektiv šarkuš „erhaben“ wird bereits in den Sonnengottgebeten für den Sonnengott des Himmels verwendet (z. B. CTH 372, Kolon 15); UR.SAG „Held“ ist Teil der königlichen Titulatur; und schließlich ist das Adjektiv ḫandanz(a) „gerecht“ wieder aus den Sonnengottgebeten bekannt, wo es zur Charakterisierung des Sonnengottes des Himmels gebraucht wird (z. B. CTH 372, Kolon 3). Auf die wörtlichen Reden folgt ein resümierendes Kolon, das mit dem Gebrauch des Lexems waliyanzi „rühmen“ zudem den Rahmen schließt, der mit Kolon 131–132 eröffnet wurde: 142 nu=tta DINGIRmeš ŠAME ḪUR.SAGmeš ÍDmeš waliyanzi „Die Götter des Himmels, die Berge (und) Flüsse werden dich rühmen!“

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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Die nächste Textpassage ist durch das Lexem duške/a- und damit durch das Thema „Freude“ geprägt. Nachdem Muwatalli die positiven Konsequenzen der Gewährung seines Anliegens durch den Wettergott piḫaššašši beschrieben hat, berichtet er nun, welche positiven Auswirkungen die Erhörung seines Anliegens durch die Götter zunächst auf seine eigene Person haben wird. Dabei ist der hyperkorrekte Gebrauch der nahezu obsoleten Pronominalform uga ein weiteres Zeichen für das Bemühen, den Text bewusst sprachlich zu gestalten: 143 uga=kan ANA m NIR.GÁL ANA ARAD=KA ZI-anz(a) anda dušgai „In mir aber, Muwatalli, deinem Diener, wird sich die Seele freuen.“ Durch die Freude, mit der Muwatalli den Wettergott piḫaššašši rühmen wird (Kolon 144), wird auch der Wettergott piḫaššašši an dieser Freude teilhaben: 147 nu=z(a)=kan d 10 piḫaššaššiš EN=YA parā duškatti „wirst du dich, Wettergott piḫaššašši, mein Herr, freuen. “ Diese beiden aufeinander Bezug nehmenden Kola legen sich als Rahmen um das auslösende Element der Freude: 144 nu d 10 piḫaššaššin EN=YA šarlāmi 145 Émeš DINGIRmeš =ya=tta kwe iyami 146 šaklaušš=a=da kwiēš [DÙ]-mi „Ich werde den Wettergott piḫaššašši, meinen Herrn, erhöhen. Sowohl über die Tempel, die ich dir errichten werde, als auch über die Riten, die ich für dich [vollzie]hen werde“ Es folgt nun eine Fortsetzung der Bitten in drei Kola, die jeweils eine -ške/a-Form des Verbs pai-/pi(ya)- „geben“ variieren (peškemi in Kolon 148, piškellu in Kolon 149, lē peškemi in Kolon 150) – in Kolon 149 kombiniert mit dem vorangegangenen Thema „Freude“: 148 nu NINDA.GUR4 .RA išpanduzzi=ya kwin ANA d 10 piḫaššašši EN=YA peškemi 149 n=an=ši dušgarauwanz(a) piškellu 150 pidduliyawanz(a)=ma=da lē peškemi „Das Dickbrot und das Libationsopfer, das ich dem Wettergott piḫaššašši, meinem Herrn, (jetzt) gebe, das will ich ihm freudig geben! Verängstigt aber will ich (es) dir nicht (mehr) geben.“ Die -ške/a-Formen greifen die -ške/a-Form apiya=ya … šarliškemi „und auch dann werde ich … immer wieder erhö hen“ aus Kolon 127 wieder auf. Aus dem immateriellen Lobpreis

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

einerseits und den materiellen Opfergaben andererseits bestehen die positiven Konsequenzen für den Gott und den Betenden, die in die Argumentation eingebracht werden. Damit sind die Bitten, die Muwatalli ab Kolon 148 vorbringt, hinreichend vorbereitet.90 Die fünf Bitten, die nun folgen, greifen weder die Bitten um Vermittlung wieder auf (Kolon 115–126) noch die Zentrale Bitte um das eigene Überleben (vgl. Kolon 123). Es sind Bitten, die für die uns bekannten Gebete der Hethiter vergleichsweise untypisch sind: 151 nu=mu d 10 piḫaššaššiš EN=YA armuwalašḫaš iwar šer armūwalai 152 nepišaš=ma=mu d UTU-aš iwar šer wantāi § 153 nu=mu ZAG-ni GEŠPÚ katta iyanni 154 nu=mu=kan GU4 -i GIM-an ḫwittiyauwanzi ḫarpiyaḫḫut 155 d 10-nili=ma=mu awan šarā iyanni „Wettergott piḫaššašši, mein Herr, scheine auf mich (von) oben (so mild) wie der Mondschein! Wärme mich aber (von) oben wie der Sonnengott des Himmels! § Schreite mit mir an der rechten Hand! Verbinde dich mit mir wie mit einem Rind zum Ziehen! Nach Art des Wettergottes aber schreite mit mir nach oben!“ Einige der Bilder, die der Betende hier verwendet, finden sich in den Sonnengottgebeten wieder, so die Bitte um Begleitung an der Hand (Kolon 153) in anderer Formulierung im ersten Teilgebet an den Sonnengott aus CTH 372: 46 n=an ḫantantan ARAD=KA d UTU-uš kišar[t]a ēp „Nimm ihn (als) deinen treuen Diener, Sonnengott, [a]n die Hand!“ Darauf folgt in CTH 372, Kolon 47–50, eine Textpassage, in der die Fütterung der vier Tiere des Sonnenwagens beschrieben ist. Das durch Kolon 154 evozierte Bild der gemeinsam angeschirrten Zugtiere aus dem älteren Text ist im vorliegenden Kontext allerdings stark modifiziert. In CTH 374, Kolon 84–85, wird das Reichen der Hand dagegen mit einer Bitte um das Heraufziehen aus dem Abseits verbunden: 84 nu=mu SIG5 -uwanti pēdi QAT [UM] ēp 85 nu=m(u)=ašta arušaz šarā ḫwitti „Nimm mich an der Ha[nd] zu einem guten Ort! Ziehe mich herauf aus dem Abseits!“ Die gemeinsame Bewegung mit dem Gott nach oben findet sich auch in CTH 381, Kolon 155 – doch wieder deutlich verändert. Die verwendeten Bilder spielen also durchaus auf die Sonnengottgebete an, allerdings sind hier andere Formulierungen und Szenarien gewählt. 90 Der auffällige Wechsel der Personendeixis, der sich von Kolon 149 zu Kolon 150 vollzieht, besteht nur in dem korrigierten Manuskript A. Der Entwurf in Manuskript B, der sonst oft als fehlerhaft gilt, hat hier die erwartete Form n=an=ta [duš]garauwanz(a) [ … ] „das will ich dir [fre]udig [geben]“.

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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In die Bitten ist eine dritte wörtliche Rede integriert. Es handelt sich dabei um den Wunsch, eine Grundlage dafür zu haben, die Leistungen des persönlichen Gottes für den Betenden erkennen und sie anerkennen zu können (Kolon 156–158). Wieder – wie in Kolon 134–138 und Kolon 140 – wird ḫandan „wahrhaftig“ (Kolon 156) zur Einleitung verwendet, hier allerdings nicht als Teil der wörtlichen Rede, sondern als Einleitung des Übergangskolons. So nimmt der Text auf die beiden vorangegangenen wörtlichen Reden Bezug und schließt die dritte Sequenz wörtlicher Rede (Kolon 157–158) an: 156 nu ḫandan ūk kiššan memallu 157 IŠTU d 10 piḫaššašši=wa=z(a) kanišša[nz(a) šall]anuwanz(a) mimmamešš=a 158 nu=wa=kan [ … ]-ešta „Wahrhaftig, ich will folgendermaßen sprechen: ‚Vom Wettergott piḫaššašši (bin) ich anerka[nnt, groß]gezogen und geschätzt worden. Und er [ … ]-te.‘“ Sowohl die dritte Nennung von ḫandan „wahrhaftig“ (Kolon 135, 141, 156), als auch der dritte Beleg von kiššan mema- „folgendermaßen sprechen“ (Kolon 134, 140, 156) und das dritte Zitat (Kolon 135–138, 141, 157–158) weisen auf die Dreiheit der Sequenzen. Hierbei sind auch die drei Partizipien in Reihung kaniššanz(a) šallanuwanz(a) mimmamešš=a „anerkannt, großgezogen und geschätzt“ (Kolon 157) für das Hethitische stilistisch sehr auffällig. Bemerkenswert ist weiterhin, dass es sich bei dem Partizip mimmamma/i„(wert)schätzen, anerkennen“ (mit Melchert 1993: 147) wieder um einen Luwismus handelt (vgl. bereits Kolon 136), der innerhalb der wörtlichen Rede gebraucht wird. Die Dreiheit, die am Ende des längsten Vermittlungsgebets zu Tage tritt, korreliert zudem mit der Dreiheit der in CTH 381 belegten Vermittlungsgebete: Zunächst das nur drei Kola umfassende und damit sehr kurze Vermittlungsgebet an den göttlichen Šeri (Kolon 28–30), dann das neun (3 × 3) Kola lange Gebet an den Sonnengott des Himmels (Kolon 96–103), das weniger auf die Vermittlung abzielt als vielmehr darauf, dass die Götter angehalten und gerufen werden sollen, und schließlich das 54 Kola (2 × 3 × 3 × 3) umfassende Gebet an den Wettergott piḫaššašši (Kolon 105–158), das Singer (1996: 145) als „the centerpiece of the text in style and originality“ bezeichnet. Das zerstörte Kolon 159 (nu=kan GIM-an […] ḫalz[i- …]) gehört nicht mehr zur wörtlichen Rede. Hiermit endet also der Gebetstext aus CTH 381, und beide Manuskripte A und B wechseln nun zurück zum Ritualrahmen. In Manuskript A folgen die Opfer für die Götter von Ḫatti (Kolon 160–203), die in Manuskript B unmittelbar nach der Vermittlungsbitte an Šeri platziert sind. Auf die Beendigung des Opfers, die in Kolon 204 mit einem Temporalsatz als Einschnitt in der Opferhandlung markiert wird, folgt der Hinweis auf das arkuwar (Kolon 205–206): 204 205 206 207

GIM-an=ma NINDA.GUR4 .RAḪI.A paršiyauwanzi zinnai nu=kan kwe AWATE MEŠ ANA d UTU-ŠI ŠÀ-ta n=at=z(a) ANA DINGIRmeš arkuwar DÙ-zi GIM-an=ma=kan arkuwar tiyauwar kar(a)ptari

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„Sobald er aber abschließt, die Dickbrote zu brechen, welche Worte (da) der Majestät auf dem Herzen (liegen), die legt sie (vor) den Göttern als ihren Fall dar. Sobald aber der Vortrag der Falldarlegung beendet ist:“ Der Platzhalter (Kolon 205–206), an dessen Stelle der arkuwar-Text im Ritual verankert ist, ist ein beiden Manuskripten gemeinsames Phänomen, das aber vor dem Hintergrund der anderen Gebete der Hethiter einzigartig ist.91 Damit korreliert, dass dem Text CTH 381 ein arkuwar im engeren Sinne einer raison d’être fehlt (vgl. auch Singer 1996: 147f.): An die ausführliche Falldarlegungsdeklaration fügen sich lediglich Vermittlungsgebete. Auf der Ebene der Performanz ist das arkuwar mit Kolon 207, das das Ende der Sprechhandlung anzeigt, bereits abgeschlossen. Die Satzeinleitung nu EGIR=ŠU von Kolon 208 setzt sich von den – durchgängig mit EGIR=ŠU=ma eingeleiteten – Vergleichsbelegen (Kolon 163, 169, 174, 179, 184, 189, 194, 196, 198, 200, 202) ab, so dass es – zumindest für Manuskript A – möglich ist, Kolon 208 tatsächlich als Fortführung von Kolon 207 zu betrachten. Es folgt die ausführliche Beschreibung der Beopferung der verschiedenen angerufenen individuellen Gottheiten und Göttergruppen.92 Der eigentliche Gebetstext umfasst neben den Anrufungen vier in sich geschlossene Teilgebete: die Falldarlegungsdeklaration, die an die Götter gerichtet ist (Kolon 14–27), die Vermittlungsbitte an Šeri (Kolon 28–30), die sich lexikalisch und inhaltlich sehr eng an die Deklaration anlehnt, das Teilgebet an den Sonnengott des Himmels (Kolon 96–103), auf das sich wiederum das Teilgebet an den persönlichen Gott, den Wettergott piḫaššašši (Kolon 104–158), in auffälligem Maße bezieht. Unter diesen stellen das dritte und vierte Teilgebete (Sonnengott in Kolon 96–103 und Wettergott in Kolon 105–126) starke Rückbezüge zu den Sonnengottgebeten her und verweisen so auf einen Gebetstyp, dessen Wiederverwendung und freie Adaption schon unter Muršili zu beobachten ist. Der zweite Teil des vierten Teilgebets an den Wettergott piḫaššašši (Kolon 127–158) weist allerdings über die Sonnengottgebete hinaus, indem er im Rahmen der Darstellung der positiven Konsequenzen der Erfüllung der Bitten einerseits neue Themen wie „Ruhm“ und „Freude“ ausarbeitet, andererseits mit den wörtlichen Reden auch neue Formelemente entwickelt, die in den Gebeten von Ḫattušili (CTH 383.1) und Puduḫepa (CTH 384.1) aufgegriffen werden. So wie sich die vier Teilgebete aufgrund von formalen und inhaltlichen Elementen in Paare zusammenfassen lassen, so können, wenn man sich an der Auswahl der Adressaten orientiert, auch Bezüge zwischen dem ersten und dritten Teilgebet einerseits und dem zweiten und vierten Teilgebet andererseits hergestellt werden: So ist der Sonnengott des Himmels als Adressat des dritten Teilgebets der höchste Gott der Götterversammlung, die im ersten Teilgebet angesprochen ist, während Šeri, der Adressat des zweiten Teilgebets, der Stier des Wettergottes ist, der im vierten Teilgebet in seiner Manifestation als Wettergott piḫaššašši angesprochen wird. In allen 91 In den akkadischen Gebetsbeschwörungen entspricht dem die Anweisung mala libbašu ṣabtu idabbub, dazu s. Frechette 2012: 154f. 92 Im Anschluss an Kolon 207 fügt das Entwurfsmanuskript B die lange Liste der Götteranrufungen (§§ X1–X59) ein, die im korrigierten Manuskript A bereits als Kolon 31–89 integriert sind.

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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vier Teilgebeten geht es vor allem um Kommunikation. Das äußert sich nicht zuletzt in den vielen Belegen von „Falldarlegung machen“ und „Falldarlegung hören“, aber auch in den häufig belegten Körperteilen „Zunge“ und „Ohren“. Der besondere Charakter des Textes CTH 381 ist einerseits in seiner Funktion als „model for a prayer“ (vgl. Singer 1996: 154) begründet; andererseits nimmt kein anderes hethitisches Gebet in so ausgedehntem Maße Bezug auf Vorgängergebete und arbeitet die intertextuellen Bezüge derart kunstvoll aus.

5.6 Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa 5.6.1 CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna Der Text besitzt eine eingliedrige Adressatenstruktur mit drei themenbezogenen Gebetsteilen: I. Unschuld Ḫattušilis (Kolon 1–82) II. Verdienste Ḫattušilis (Kolon 83–123) III. Zentrale Bitten (124–164) Das Gebet beginnt mit der Anrede an die angesprochene Gottheit, die Sonnengöttin von Arinna. Sie steht im Dativ ANA d UTU uru arinna GAŠAN=YA und ist um vier Epitheta erweitert, die auf ihre Herrschaft (A: durch Unterstreichung markiert) ebenso abheben wie auf ihren solaren Charakter (B: durch Fettdruck markiert). Beide Aspekte wechseln sich ab, so dass sich das Muster A – B – A – B ergibt: 1

ANA d UTU uru arinna GAŠAN=YA GAŠAN KUR.KURḪI.A [u ]ru ḫatti MUNUS.LUGAL ŠAME U ERṢETI GAŠAN LUGALmeš MUNUS.LUGALmeš ŠA KUR uru ḫatti ŠA KUR uru ḫatti giš zupparu

„An die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde, Herrin der Könige (und) Königinnen des Landes Ḫatti, Fackel des Landes Ḫatti.“ Durch die Darstellung ihres Herrschaftsaspekts (A) in Kolon 1 vorbereitet wird die Sonnengöttin von Arinna in den auf die Anrede folgenden sechs Kola (Kolon 2–7) als machtgebende Instanz gepriesen (vgl. auch Sürenhagen 1981: 125f.). Durch je zwei aufeinander folgende Relativsätze (RS), die durch nur einen korrelierenden Hauptsatz (HS) abgeschlossen werden, ist eine formale Einheit nach dem Muster RS – RS – HS | RS – RS – HS gebildet. Die beiden die Göttin charakterisierenden präsentischen -ške/a-Formen in Kolon 5 (šarā kwiš daškeši „die du aufnimmst“) und Kolon 6 (arḫa kwiš piššiškeši „die du verstößt“) bauen eine semantische Opposition zweier widerstreitender Aspekte der

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Gottheit auf, die in Kolon 7 und mit der Verbalform „du nahmst“ zugunsten der als positiv empfundenen Alternative aufgelöst wird. Weniger der Inhalt, als vielmehr die präsentischen -ške/a-Formen, aber auch die Appositionen des Eigennamens der Göttin (Kolon 3 und 4) geben dem Textabschnitt einen hymnischen Charakter (ähnlich Sürenhagen 1981: 126). In Kolon 8 werden die Namen der beiden Sprecher erstmals genannt: Ḫattušili und Puduḫepa, die sich hier nicht als König und Königin bezeichnen; vielmehr setzen sie sich durch die Appositionen ARAD=KA und GÉME=KA als „dein Diener“ und „deine Dienerin“ in Beziehung zur Sonnengöttin von Arinna. Kolon 8 benennt zudem den nachfolgenden Text als arkuwar „Falldarlegung“: m 8 ḫattušiliš ARAD=KA f pud[uḫ]epaš GÉME=KA arkuwar kiššan iyat „Ḫattušili, dein Diener, (und) Pud[uḫ]epa, deine Dienerin, haben folgendermaßen (ihre) Falldarlegung gemacht:“

König und Königin treten als Paar mit der 3. Singular im Verb auf. Doch zu Beginn des arkuwar offenbart sich Ḫattušili durch die Worte d muršiliš ABU=YA „Muršili, mein Vater“ in Kolon 9 als der einzige Sprecher. Puduḫepa wird in der Folge nicht mehr genannt. Ḫattušilis arkuwar setzt mit einer Unschuldsbeteuerung (Kolon 9–12) ein. Sie schließt – anders als in den Gebeten seiner Vorgänger – nicht an die Beschreibung konkreter Vergehen anderer an und wird weder von einer Orakelanfrage noch von einem Schuldeingeständnis oder einer Opferhandlung umrahmt. Ihr sind vielmehr zwei Nebensätze vorgeschaltet, die zum einen einen zeitlichen Rahmen setzen („Solange mein Vater Muršili am Leben war“, Kolon 9), zum anderen eine inhaltliche Fokussierung vornehmen („falls mein Vater die Götter, meine Herrn, durch irgendeine Angelegenheit, durch Hochmut gere[iz]t hat“, Kolon 10). Auffällig ist dabei die Wortstellung in Kolon 10, wo kwēzka memiyanaz „durch irgendeine Angelegenheit“ hinter dem Verb positioniert ist (Rechtsausklammerung). Die inhaltliche Nähe des Ausdrucks zum Folgekolon 11 wird durch die syntaktische Nähe bestätigt, wo kwēzka memiyanaz durch apēdani ANA INIM ABI=YA „jene Angelegenheit meines Vater“ aufgegriffen wird. So verrät der Sprecher, dass ihm im Grunde sehr wohl bewusst ist, dass ein Vergehen vorliegen könnte, doch Ḫattušilis Fokus liegt – durch ammuk=ma „ich aber“ deutlich markiert – auf seiner eigenen Unschuld, die im Kontrast zur Schuld seines Vaters steht. Von der Möglichkeit einer Erbschuld – wie sie Muršili für sich noch voraussetzt – spricht er nicht: 11 ammuk=ma=z(a)=kan apēdani ANA INIM ABI=YA UL kwitki an[da] ešun 12 nūwa=z(a) TUR-aš ešun „war ich aber in jene Angelegenheit meines Vaters nicht involviert, ich war (ja) noch ein Kind.“ Mit Kolon 13 beginnt nun doch ein Bericht konkreter Tatsachen. Zunächst nennt Ḫattušili die Demütigung der Königin Tawannanna durch König Muršili im Rahmen eines Gerichtsprozesses (Kolon 14). Das Vergehen an Tawannanna wiegt dadurch schwerer, dass sie eine Dienerin der Gottheit war (Kolon 15). Hier wendet sich der Text nun direkt an die Sonnengöttin von Arinna:

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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16 [ … ANA Z]I DINGIR-LIM GAŠAN=YA and[a k]wiš šakta 17 [ … tepn]um[ar mān Z]I-anz(a) ēšta 18 [ … ZI-anz](a) ēšta „(Du bist es), d]ie du [in deinem,] der Gottheit, meiner Herrin, [Si]nn wusstest, [ob die Dem]üt[igung der Königin dein Wu]nsch war [(oder) ob es nicht dein Wu]nsch war.“ Bei diesen Worten handelt es sich um eine Formel, die mehrfach in diesem Text belegt ist und offenbar immer dann herangezogen wird, wenn die Schwere des Vergehens besonders wiegt. Diese im Folgenden „Wunsch-und-Wissen-der-Göttin-Formel“ genannten Kola implizieren auch eine Mitschuld der Götter, denn sie hätten eingreifen können (oder müssen), haben es aber nicht getan. So darf Ḫattušili annehmen, dass die Schuld des Muršili im Ermessen der Göttin lag. Die Nennung der Schuld (Kolon 13–15) mündet also im Rahmen der Wunsch-und-Wissen-der-Göttin-Formel in eine Zuweisung der Verantwortung an die Göttin. Muršili aber war derjenige, der die Straftat ausübte, wie aus Kolon 19 hervorzugehen scheint: 19 [ … ŠA f tawannann]a tepnumar [iyat] „[Jener aber beging] die Demütigung [der Tawannann]a.“ Die Ergänzung nach Sürenhagen 1981: 89 hat im Kontext durchaus Plausibilität, denn die Schuld des Muršili wird so in Opposition zur Unschuld Ḫattušilis (Kolon 11–12) gesetzt. Von Kolon 19 bis Kolon 22 ist der Text weitgehend zerstört. Zu erkennen sind UL kuwatka „keineswegs“ in Kolon 20, ēšta „war“ in Kolon 21 und [k]uwatka „[keines]wegs“ in Kolon 22. Im Kontext ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Kola dem Aufbau des Unschuldsbeweises Ḫattušilis dienen. In Kolon 23–25 befasst sich Ḫattušili mit der Entschädigung für das Vergehen, die sich erübrigt, da der Täter bereits gestorben ist (Kolon 24–25). Das teilweise zerstörte Kolon 26 weist auf eine weitere Bekundung der eigenen Unschuld Ḫattušilis hin, bevor mit Kolon 27–28 eine zerstörte Bitte an die Sonnengöttin von Arinna folgt. Sie kann wohl anhand von Kolon 59 mit der Bitte, die alte Angelegenheit ruhen zu lassen, ergänzt werden: 26 [ … tapar]iya UL anda ešun 27 [ … d UTU uru ar]inna GAŠAN=YA [ … EGIR-p]a [l]ē [ … ] 28 [ … ḫwittiyauw]anzi [ … ] „[ … in den Befeh]l war ich nicht involviert. [ … Sonnengöttin von Ar]inna, meine Herrin, [ … n]icht w[ieder … ]! [ … hervorzuho]len [ … ]“ In § 2 (Kolon 8–28) werden so die Bestandteile des Gebets eingeführt, die dann in der Folge weiter variiert werden, sowohl innerhalb der Kola, aber auch innerhalb der Gesamtstruktur des jeweiligen Textabschnitts: Unschuldsbeteuerung (A), Tatsachenbericht (B), Wunsch-und-Wissen-der-Göttin-Formel (C), Schuldzuweisung (D), Abgeltungseinschätzung (E), Bitte (F).

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Nach einer Lücke unbestimmter Größe lässt der erhaltene Text der Kola 29–31 am Anfang von § 3’ auf einen Tatsachenbericht (B) schließen. Es wird die Überführung der Götter(statuen) thematisiert. Wie in § 2 folgt auch hier auf den Bericht eine – wenn auch teilweise zerstörte – Variation der Wunsch-und-Wissen-der-Göttin-Formel (C, Kola 32–34). Hierdurch wird wieder kenntlich gemacht, dass ein schlimmes Vergehen vorliegt: 32 [m]ān ZI-anz(a) [ … ] 33 [ … Z]I-anz(a) ēšt[a] 34 [ … ] kwiš anda šakta „[O]b es (dein) Wunsch [war (oder) ob es nicht dein Wu]nsch wa[r, Sonnengöttin von Arinna], (du bist es), die du [es in deinem Sinn] wusstest.“ Im Gegensatz zum ersten Beleg der Formel (Kolon 16–18) ist hier die Reihenfolge der variierten Zeilen allerdings umgekehrt, vgl. Rieken 2016. Daran schließt sich eine Unschuldsbeteuerung (A) in Kolon 35–42 an, die allerdings nicht so klar formuliert werden kann wie in Kolon 11 und 12 bzw. 26, denn hier ist der Sachverhalt komplexer: Ḫattušili war zur Tatzeit kein Kind mehr und damit nicht a priori unschuldig. Doch aufgrund seiner untergeordneten Position fungierte er nur als Befehlsempfänger (Kolon 36): Im Falle des Vorwurfs der Überführung der Götter war Angst seine Motivation für die Ausführung des Befehls (Kolon 39). Als eigentlichen Täter charakterisiert er hingegen seinen Bruder Muwatalli (Kolon 40–41), wenn er dessen Umverteilung der Besitztümer der Gottheiten beschreibt. An diese Schuldzuweisungen (D) schließt sich kontrastierend eine weitere Beteuerung der eigenen Unschuld (A): 42 nu=z(a)=kan apēda[ni=ya] tapariya UL kwitki anda [ … ] „ … [auch] in jen[en] Befehl [war ich] in keiner Weise involviert.“ Kolon 42 nimmt klar Bezug auf Kolon 26: Beide schließen mit den für die Unschuldspassagen (A) charakteristischen Signalworten tapariya UL anda, in Kolon 42 ist UL lediglich um kwitki „in keiner Weise“ erweitert. Bereits in der Unschuldsbeteuerung in Kolon 11 liegt mit UL kwitki an[da] ešun „ich war in keiner Weise involviert“ eine Variante dieser Aussage vor. Wie schon in der Textpassage über die Demütigung der Tawannanna wird auch hier die Unschuld Ḫattušilis (A) der Schuld eines anderen (B), in diesem Fall des Muwatalli, gegenüber gestellt (Kolon 35–42). § 4’ (Kolon 43–46) beginnt wieder mit einem Tatsachenbericht (B). Dieses Mal steht das Thema der Demütigung der Danuḫepa, die ebenfalls unter Muwatalli erfolgte, im Mittelpunkt: mān=ma=kan wet ŠÀ É LUGAL DINU ŠA f dan[uḫepa] ŠA munus AMA.DINGIR-LIM=KA kišat f 44 danuḫepan G[IM-an tepnut] „Als später aber im Palast der Prozess der Dan[uḫepa], deiner Gottesmutter, stattfand, w[ie] er Danuḫepa [demütigte],“ 43

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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Die Formulierung der Kola 43 und 44 stellt lexikalisch und inhaltlich eine Parallelität zur Demütigung der Tawannanna (Kolon 13–14) her, wo es hieß: mān=ma=kan [Š]À É LUGAL DINU ŠA f tawannanna GÉME=KUNU kiša[t] 14 ABU=YA GIM-an f tawannan[n]an MUNUS.LUGAL tepnut „Als aber im [I]nneren des Palastes der Prozess der Tawannanna, eurer Dienerin, stattfan[d], wie mein Vater die Tawannan[n]a, die Königin, demütigte,“ 13

Hier wie dort folgt eine Variante der Wunsch-und-Wissen-der-Göttin-Formel (C). Danach bekräftigt Ḫattušili wieder seine eigenen Unschuld (A), mit dem Mord am Sohn der Danuḫepa nichts zu tun gehabt zu haben (Kolon 49 in § 5’), gefolgt von seinem eigenen Verdienst (G), darüber gerichtet und in dem Gerichtsprozess eine gütige Gesinnung gezeigt zu haben (Kolon 50–51). Durch seinen Befehl sei niemand zugrunde gegangen (Kolon 52). Das Textsegment (G) mit den Verdiensten Ḫattušilis wird hier neu eingeführt. Im Laufe des Textes wird die Opposition Schuld versus Unschuld (1. Gebetsteil) zunehmend von Auflistungen der Verdienste Ḫattušilis (2. Gebetsteil) abgelöst. Den drei Kola 53–55, bestehend aus drei Nebensätzen, in denen die Schuld gegenüber Danuḫepa rekapituliert wird (D), sind drei Hauptsätze in Kolon 56–58 syntaktisch übergeordnet, die sich mit der bereits erfolgten Abgeltung der Schuld (E) beschäftigen, vgl. karū in Kolon 56 und 58. In Kolon 59–60 folgt die aus Kolon 27–28 bereits bekannte Bitte, die alte Angelegenheit nicht wieder hervorzuholen (F), vgl.: nu d UTU uru arin[n]a GAŠAN=YA ŠA f danuḫepa uttar ammel UDḪI.A -aš ammuk ANA KUR uru ḫatti=ya menaḫḫanda EGIR-pa lē [ḫ]wittiat[tari] 60 apēniššuwan uttar ammuk m[en]aḫḫ[anda] ammel UDḪI.A -aš EGIR-pa ḫwittiyauwanz[i] UL arān „Sonnengö ttin von Arin[n]a, meine Herrin, hol[e] die Angelegenheit der Danuḫepa in meinen Tagen mir und dem Land Ḫ atti gegenü ber nicht wieder (hervor)! Eine solche Angelegenheit mir g[eg]en[über] in meinen Tagen wieder (hervor) zu hol[en], ist nicht recht.“ 59

Danach betont Ḫattušili noch einmal, dass die Angelegenheit ohnehin bereits abgegolten sei: 62 karū apāš=pat šarnikt[a] „eben jener hat (dafür) schon Entschädigung geleist[et].“ Während also in der Vergleichspassage in Kolon 27–28 der Bitte, die alte Angelegenheit nicht wieder hervorzuholen (F), die Unschuldsbeteuerung (A) in Kolon 26 vorangeht, wird hier die Bitte (F) von Abgeltungseinschätzungen (E) eingerahmt (Kolon 53–58 und Kolon 61–62). Hinsichtlich der Gewichtung und Positionierung der Bestandteile (A)–(F) zeigen die Textpassagen somit eine große Variationsbreite.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

§ 6’ (Kolon 63–82) setzt sich nach der Amtszeit des Muršili (§ 2) und der Amtszeit Muwatallis (§ 3 – § 5’) nun mit der Amtszeit des Urḫi-Teššob auseinander. Was zunächst wie ein Tatsachenbericht (B) beginnt, weitet sich schnell zu einer Verdiensteliste Ḫattušilis (G) aus. Dabei werden die Kola 64–66 durch die Kola 69–71 aufgegriffen und variiert. Dazwischen, in Kolon 67–68, findet sich eine weitere Wiederholung der Wunschund-Wissen-der-Göttin-Formel (C). Die beiden Textsegmente lauten: 64 65 66

ammuk[=m]a ŠA ŠEŠ=YA nakkianni ḫa[ndaš] UL manka iyanun nu m urḫi- d 10-u[pan] DUMU ŠEŠ=YA daḫḫun n=an LUGAL-izna[nni] tittanunun

„(…,) tat ich [ab]er der Würde meines Bruders ent[sprechend] nicht irgendwie (scil. etwas Schlechtes): Ich nahm Urḫi-Teššo[b], den Sohn meines Bruders, und setzte ihn in die Königsherr[schaft] ein.“ 69 70 71

ammuk=ma=kan ŠA ŠEŠ=YA kariyaš[ḫi … ] apūn memian iyanun nu DUMU ŠEŠ=Y [A … ] n=an LUGAL-iznanni tittan[unun]

„Ich aber behandelte jene Angelegenheit [entsprechend] der Großzügigke[it] gegenü ber meinem Bruder. Und [ich nahm] den Sohn [me]ines Bruders und set[zte] ihn in die Kö nigsherrschaft ein.“ Die Kola sind inhaltlich parallel angeordnet. Dabei weisen Kolon 69 und 70 gegenüber Kolon 64 und 65 Variationen auf: Das erste Kolon verändert =kan nakkianni ḫa[ndaš] „der Würde (entsprechend)“ (in Kolon 64) zu kariyašḫi „der Großzügigkeit (entsprechend)“ (in Kolon 69). Weiter ist UL manka iyanun „ich handelte nicht irgendwie“ (in Kolon 64) ersetzt durch apūn memian iyanun „ich behandelte jene Angelegenheit“ (in Kolon 69). Zwischen Kolon 65 und 70 ist lediglich die Wortstellung geändert, während Kolon 66 und Kolon 71 völlig identisch sind. Was in der ersten Textpassage noch negativ und als von außen gesteuert formuliert ist, erscheint in der zweiten als ein positiver, aus eigenem Antrieb erfolgter Akt. Die Wiederholung der Äußerung ist ein Indiz für die Wichtigkeit des Anliegens: Ḫattušili unterstreicht – ohne es auszusprechen – die Tatsache, dass er anders gehandelt hat als seine Vorfahren: Er hat nicht gemordet, um auf den Thron zu kommen, und er hat seinem Neffen die ihm zustehende Thronfolge überlassen. Die Wunsch-und-Wissen-der-Göttin-Formel (C) in Kolon 67–68, die von den beiden Berichten über die Inthronisierung Urḫi-Teššobs (Kolon 64–66 und 69–71) eingerahmt wird, unterscheidet sich hier auffällig von den bisherigen Belegen aus Kolon 16–18, 32–34 und 46–48, indem sie sich nicht an die Sonnengöttin von Arinna, sondern an alle Götter richtet. Auch dies kennzeichnet im Textverlauf die Wichtigkeit der umgebenden Aussage über die Ḫattušilis Unterstützung der Thronbesteigung Urḫi-Teššobs. Nach Kolon 71 ist die Vorderseite der Tafel weitgehend zerstört. Die zu erwartenden Textbestandteile können in ihrer variablen Reihenfolge lediglich vermutet werden: Mit Kolon 72 (beginnend mit apāš=ma) kann – analog zu Kolon 15 – ein Tatsachenbericht

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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(B) über Urḫi-Teššob erwartet werden. Ab Kolon 75 liegt mit nu apāt iyat „jenes hat er gemacht“ eine Schuldzuweisung (D) vor. Die verbleibenden und weitgehend zerstörten Kola der Vorderseite berichten über die fehlende Kultobservanz seitens des Urḫi-Teššob (so auch Klengel 1999: 227). Der Anordnung von Textbausteinen, die der Anrede an die Göttin und ihrem Hymnus (§ 1) folgen, scheint keine Regel zugrunde zu liegen. Je nach inhaltlichem Bedarf können sie eingebaut werden und treten in stets neuer Variation auf. Da die Falldarlegung eine chronologische Reihenfolge der Ereignisse zugrunde legt, sind gegen Anfang – also in Ḫattušilis Kindheit und Jugend – die Unschuldsbeteuerungen (A) vorherrschend (§ 2, § 3’, §§ 4’–5’), der die Schuld anderer (D) kontrastiv gegenübersteht. Später – mit zunehmender Macht Ḫattušilis – gewinnt das Element der Verdienste Ḫattušilis (G) an Relevanz (§ 6’). Die von den Verdiensten um die Stadt Nerik geprägte Gegenwart Ḫattušilis steht dann im Zentrum des nächsten Teils des Gebets. Dieser beginnt nach einer großen Textlücke, die die zweite Hälfte der Vorderseite II und die erste Hälfte von Rückseite III umfasst. Das erste teilweise erhaltene Kolon lautet: 84

ammuk=ma=z(a) m ḫattušili[š … ]

„Ich aber, Ḫattušili[, dein Diener, … ].“ Bereits in Kolon 64 und 69 ist ammuk=ma als Einleitung eines Verdienstes Ḫattušilis (G) belegt. An dieser Stelle bestätigt es sich als Signalwort. Trotz der großen Textlücke kann durch diese Hinwendung zu den Verdiensten Ḫattušilis (G) eine Verbindung zum Ende der Vorderseite vor der Lücke hergestellt werden, denn die nun aufgezählten Verdienste bilden einen plausiblen Kontrast zu den Unterlassungen Urḫi-Teššobs, von denen ab Kolon 78 berichtet worden ist (D). In den teilweise zerstörten Kola 85 und 86 wird mit ŠA d 10 uru nerik „des Wettergottes von Nerik“ sowohl der Wettergott als auch die Stadt Nerik zweimal genannt. Nerik wird in der Folge eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung von Ḫattušili und Urḫi-Teššob spielen. Nach der Einführung des Wettergottes von Nerik folgen zunächst weitere zerstörte Kola. Erst mit Kolon 89 beginnt wieder verständlicher Text: 89

nu d UTU uru ari[n]na GAŠAN=YA [U ]L š[akti]

„W[eißt du], Sonnengöttin von Ari[n]na, meine Herrin, (es) [n]icht?“ Es handelt sich um eine weitere Formel, die im Zusammenhang mit der Sonnengöttin von Arinna steht. Im Gegensatz zur mehrfach belegten Wunsch-und-Wissen-der-GöttinFormel der Vorderseite, die stets im Zusammenhang mit Schuld (D) eingesetzt wurde, ist der Kontext der Wissens-Formel hier von Verdiensten (G) geprägt. Diese Wissens-Formel, die in Kolon 89 als Frage formuliert ist, wird auch von Puduḫepa in ihrem Gebet an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 384.1) mehrfach verwendet (Kolon 15, 29, 38, 42). Sie schließt sich dort jeweils an die Verdienste Ḫattušilis an mit der Absicht, sich der Kooperation der Götter zu versichern. Dies bestätigt den Befund für CTH 383.1.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Im Anschluss an die als Fragesatz formulierte Wissens-Formel steht in Kolon 90 ein überwiegend zerstörter Satz unklaren Inhalts. Da er aber mit kwit=ma eingeleitet ist und im Kolon 91 nach dem unmittelbar folgenden Paragraphenstrich der Temporalkonjunktion mān das übliche =ma „aber“ fehlt, gehören beide Sätze wohl syntaktisch zusammen und leiten das neue Thema ein. Die auffällige Häufung von Nebensätzen, von der der bisherige Text geprägt war, findet aber nach dieser Stelle ein Ende. Lediglich die mān-Sätze zu Beginn jedes neuen Paragraphen, die den zeitlichen Rahmen setzen, durchbrechen die parataktische Reihung. Auch die juristische Argumentation – und mit ihr die wiederkehrenden Textsegmente (A)–(F) – kommt nicht mehr vor. Der Text widmet sich jetzt ausschließlich den Verdiensten Ḫattušilis. In einem durch perfektivische Verbalformen charakterisierten Erzählstil folgt eine Tat Ḫattušilis auf die andere: Zunächst rühmt er sich, gegenüber der Herrschaft über die Städte Ḫattuša und Katapa gleichgültig gewesen zu sein (UL memaḫḫun, Kolon 92), wohl um sich Nerik ungeteilt widmen zu können. Auf den vernachlässigten Zustand Neriks geht er in Kolon 93 ein; für diesen macht er die Unzulänglichkeit der Wege verantwortlich (Kolon 94). Ein Vergleich Neriks mit einem Stein, den er aus den tiefen Wassern heraufgebracht hat (Kolon 95–97), steigert Lebendigkeit und Dramatik der Erzählung. Ḫattušili habe das Land Nerik für den Wettergott von Nerik eingenommen (daḫḫun, Kolon 98), es wieder besiedelt (EGIR-pa ašešanunun, Kolon 99) und aufgebaut (EGIR-[p]a wedaḫḫun, Kolon 100). Als einen weiteren Höhepunkt in der Heraushebung seiner Leistung fügt Ḫattušili hinzu, dass er die ganze Zeit über Leib und Leben für Nerik eingesetzt habe (uššaniškenun, Kolon 101). Von Kolon 102–106 wird in einem Rückblick durch imperfektivische Verbalformen (ešer, piyan ḫart[a], taruḫḫišker) sowie durch Negationen (UL kwiški [ēpta] in Kolon 105, UL kwiški wetet in Kolon 106) der Hintergrund für Ḫattušilis Leistungen und Verdienste ausgestaltet (backgrounding): Die Erfolglosigkeit der früheren Könige steht in direktem Kontrast zu Ḫattušilis zuvor geschilderten Taten, vgl. UL kwiški wetet „keiner baute (Nerik) auf“ aus Kolon 106 im Kontrast zu Ḫattušilis EGIR-pa wedaḫḫun „ich baute wieder auf“ in Kolon 100. In §10’’ (Kolon 107–124) erwähnt Ḫattušili erstmals, dass Urḫi-Teššob ihm die Herrschaft über Nerik neidete (Kolon 107–108). Die Verschränkung des Themas der (Un)Taten des Urḫi-Teššob einerseits und der Verdienste Ḫattušilis andererseits, die bereits in Kolon 63–82 vorbereitet worden ist, erweist sich nun als erbitterter Machtkampf zwischen zwei Kontrahenten. Ḫattušili wird von seinen Freunden und Gefährten gewarnt. Sie versuchen, ihn zur Aufgabe Neriks zu bewegen (Kolon 107–111). Bemerkenswert ist hier das Zitat in wörtlicher Rede (Kolon 110), das die Dynamik des parataktischen Stils verstärkt: 110 ANA uru nerik=wa=kan [šer] anda ḫar(a)kti „[Wegen] Nerik wirst du dabei umkommen.“ Bevor allerdings auch Ḫattušilis Antwort in Kolon 115–116 wörtlich zitiert wird, folgen zunächst – eingeleitet wieder von ammuk=ma und der Beteuerung, dass er sich nicht

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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vom zürnenden König und den ängstlichen Gefährten unter Druck setzen lasse (Kolon 111) – die parallel konstruierten Kola 112 und 113: 111 ammuk=ma ŠA EN=YA TUKU.TUKU-an ŠA lú.meš TAPPI=YA=ya kurku[rimm]an UL ištamaššun 112 nu=z(a)=kan kī udd[ā]r tamaššun 113 kī=ma=z(a)=kan DI-[ … ] tamaššun „Ich aber hörte nicht auf den Groll meines Herrn (und) nicht auf die A[ngs]t meiner Gefährten. Diese Wor[t]e (unter)drückte ich, jene Recht[sangelegenheit] aber (unter)drückte ich.“ Die parallele Konstruktion der Kola 112 und 113, die mit der lexikalische Ersetzung von kī uddār in Kolon 112 durch kī=ma=z(a)=kan DI-[ … ] in Kolon 113 kombiniert wird, verleiht Ḫattušilis Aussage zusätzliches Gewicht: Er hätte hier wohl auch mit einem einzigen Kolon auskommen können, doch durch die Wiederholung der Konstruktion unterstreicht und betont er seine Aussage. Besondere Aufmerksamkeit verdient außerdem das Homoioteleuton mit ištamaššun (Kolon 111), tamaššun (Kolon 112) und tamaššun (Kolon 113), das hier, auf dem Höhepunkt des Gebetstextes, im Umfang über die Endung der 1. Person Sg. Präteritum -un (Kolon 97–101, 114, 117–122) deutlich hinausgeht. Erst nach dem retardierenden Moment, in dem Ḫattušili seine Einstellung bekundet (Kolon 111–113), kommt seine Antwort auf die Warnung seiner Gefährten: 114 nu kišan memaḫḫun 115 kwit=ma=wa uru nerikkan damēdani peḫḫi 116 nu=wa ANA uru nerik šer aggallu=pat „Folgendermaßen sprach ich: ‚Warum soll ich Nerik einem anderen geben? (Eher) will ich wegen Nerik sterben!‘“ Diese zentrale Textstelle hat durch das Zitat eine auffällige Form. Auf der pragmatischen Ebene ist der Adressat direkt in das Geschehen einbezogen. Ohne Übergang folgt auf diese dramatische Passage wieder ein Textabschnitt, der mehr Distanz zum Geschehen vermittelt. Mit dem Signalwort DUMU AMILUTTI (Kolon 117, 118 und 121) stellt sich Ḫattušili als „Menschen“ dem Sohn der Sonnengöttin von Arinna, dem Wettergott von Nerik, gegenüber, der später immer wieder als DUMU=KA āššiyant- „dein geliebter Sohn“ bezeichnet wird (Kolon 122, 127, 137, 138). Gleichzeitig setzt er seine Selbstcharakterisierung fort, die in den hethitischen Gebeten ohne Vergleich ist: 117 118 119 120

nu=z(a) ammuk DUMU AMILUTTI ešun nu=kan ŠA DUMU AMILUTTI NÍG.TUKU-ti anda UL dariyanun nu NÍG.TUKU-an UL šanḫ[u]n nu=kan tuel ŠA DINGIR-LIM ANA KUR-TI ŠA DUMU=KA šer [ … -u]n

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„Ich war (bloß) ein Mensch. Ich mühte mich (aber) nicht um den Wohlstand eines Menschen. Ich such[t]e nicht Wohlstand. Wegen des Landes deines, der Gottheit, Sohnes [ … -t]e ich.“ So beschreibt er also seinen Charakter: Er strebt nicht nach Wohlstand, wie es die Menschen sonst zu tun pflegen (Kolon 118). Vielmehr zeichnet er sich als einen Idealisten (Kolon 119). Selbstlos setzt er sich für das Wohl des Wettergottes von Nerik und dessen Kultort ein (Kolon 120). Aus diesem Grund erhält er die Unterstützung der Sonnengöttin von Arinna und des Wettergottes von Ḫatti, der Eltern des Wettergottes von Nerik, (Kolon 121–123): 121 nu ammuk GIM-an DUMU AMILUTTI apāt iyan[un] 122 nu ŠA d 10 uru nerik DUMU=KA āššiyan AŠR[U uru ]nerikkan URU-an ēppun 123 d UTU uru PÚ-na=ma GAŠAN=YA KUR.KURḪI.A uru ḫatti d 10 uru GIDRU-ti EN=YA ANA UGU d 10 uru nerik DUMU=KA āššiyanti šer kūn memian iyatten „Als ich, der Mensch, jenes durchführ[te] und ich des Wettergottes von Nerik, deines Sohnes, geliebten Or[t, die St]adt Nerik, einnahm, (da) bewirktet ihr aber, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, (Herrin) der Länder von Ḫatti, (und) Wettergott von Ḫatti, mein Herr, diese Sache zugunsten des Wettergottes von Nerik, deines geliebten Sohnes.“ Dem Subjekt von Kolon 121 ammuk DUMU AMILUTTI „ich, der Mensch“ wird das Subjekt von Kolon 123 d UTU uru PÚ-na=ma GAŠAN=YA KUR.KURḪI.A uru ḫatti d 10 uru GIDRU-ti EN=YA „(ihr), Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, (Herrin) der Länder von Ḫatti, (und) Wettergott von Ḫatti, mein Herr“ gegenübergestellt. Auch durch apāt iyan[un] (Kolon 121) und kūn memian iyatten (Kolon 123) nehmen die beiden Kola aufeinander Bezug. Denn das adressatenbezogene Pronomen apā- und das sprecherbezogene Pronomen kā- bewirken in Kombination mit der 1. bzw. 2. Person des Verbs eine Verschränkung von Subjekt und Objekt beider Kola, also: „ich führt das zu euch Gehörige durch und ihr führtet die zu mir gehörige Angelegenheit durch“. Dazwischen, in Kolon 122, ist der Wettergott von Nerik genannt, in dessen Interesse alles Handeln geschieht. Mit dieser zentralen Aussage über die Allianz zwischen sich und der Götterfamilie schließt Ḫattušili die bemerkenswerte Textpassage ab und leitet nun, da klar ist, weshalb gute Aussichten auf die Erfüllung seiner Bitten bestehen, zum eigentlichen Bittteil über, der in Kolon 124 beginnt.93 Durch zwei parallele Konditionalsätze (Kolon 124–125), die die Möglichkeit von Vergehen der Vorfahren in Betracht ziehen, wird ein Bezug zu den beiden Bitten aus 93 Der Bittteil hätte durch einen Paragraphenstrich abgesetzt sein sollen. Dieser ist allerdings fehlerhaft gesetzt und folgt erst ein Kolon später, nach Kolon 124. Dieselbe Ungenauigkeit konnte schon für Kolon 46–47 und Kolon 90–91 festgestellt werden.

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Kolon 27–28 und Kolon 59 hergestellt: Die alten Angelegenheiten sollen nicht wieder hervorgeholt werden. Man soll sie um des Sohnes willen nicht rächen, sondern verwerfen (Kolon 126–128). Diese Bitte bedarf offenbar einer zusätzlichen Unterstützung: 129 ANA DINGIRmeš kariyašḫaš pētan daḫangaš „Den Göttern (ist) das daḫanga ein Ort des Willfahrens.“ Über das Lexem kariyašḫa- „Erbarmen“ stellt der Text noch einen weiteren Bezug zum Tatsachenbericht her, denn bereits in Kolon 69 hat Ḫattušili erwähnt, dass er selbst hinsichtlich der Thronfolge des Urḫi-Teššob kariyašḫa- „Erbarmen“ um seines Bruders willen gezeigt habe. Kolon 130 führt die Bitte um Erbarmen weiter aus. Dann folgt eine weitere Bitte um Verwerfung eventueller Freveltaten (Kolon 131–133). Dieses Mal bezieht sie sich auf die Freveltaten des Landes Ḫatti, und auch in diesem Zusammenhang wird daḫangaš memini šer „wegen der Angelegenheit des daḫanga“ in Kolon 133 als Beweggrund für die Erfüllung angeführt. Zur Bekräftigung folgt ein Vergleich: 134 mān UN-aš=pat atti anni DUMU-an šallanuzi 135 nu=šši attaš annaš ŠA munus ÙMMEDA UL imma pāi 136 UL=ma=an=z(a)=an=kan duškiyazi „Wenn ein Mensch ein Kind anstelle von Vater (und) Mutter großzieht, geben ihm Vater (und) Mutter nicht (den Lohn) einer Amme? Und erfreuen sie ihn (scil. den Menschen) nicht?“ Wie Ḫattušili diesen Vergleich verstanden wissen möchte und welche Rolle es in seiner Argumentation spielt, macht er umgehend deutlich: 137 ammukk=a=kan ANA ŠA d 10 uru n[erik] DUMU=KA āššiyantaš URU-ri anda dariyaḫḫun „(So) bemühte auch ich mich um die Stadt des Wettergottes von N[erik], deines geliebten Sohnes.“ Ḫattušili selbst sieht sich also in der Rolle der Amme. Er hat sich um den Sohn der Sonnengöttin von Arinna und des Wettergottes von Ḫatti gekümmert und verdient nun einen angemessenen Lohn. Die folgende Bitte verrät, was er für angemessen hält und was im Interesse der Götter ist: 138 nu=mu=kan d UTU uru PÚ-na [GAŠAN=YA] ŠA d 10 uru nerik DUMU=KA āšši[yantaš URU-ri šer] ZI=YA ZI DAM=YA=ya DUMUmeš =Y [A g]enzuwai „Sonnengöttin von Arinna, [meine Herrin, im Interesse der Stadt] des Wettergottes von Nerik, deines gel[iebten] Sohnes, behandle meine Person (und) die Personen meiner Gemahlin [und me]iner Kinder [g]nädig!“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

In den folgenden, weitgehend zerstörten Bitten scheint Ḫattušili an demselben Tenor festzuhalten. Auch in § 12’’’ (Kolon 157–161) greift er den Gedanken aus 124–128 wieder auf, dass vielleicht alte Angelegenheiten wieder hervorgeholt worden seien. Einen Rückbezug auf den Beginn der Bitten gibt es in Kolon 162–163. Dort sollen die Götter die Angelegenheit des daḫanga in ihr Herz hineinlassen und die böse Angelegenheit hinauswerfen (vgl. 127, 130 und 133). Was in § 11’’ aus der Perspektive der Menschen vorgetragen wurde, wird also in § 12’’’ noch einmal in die Sphäre der Götter übertragen. Hier sind es keine Formvariationen, sondern hier wird der Inhalt umformuliert und für die Götterversammlung neu in Worte gefasst. Der Text endet mit der Bitte um Blickkontakt und die Zuwendung der Sonnengöttin von Arinna zu den Kultorten. Auf ungewöhnliche Weise sind so die Inhalte von Kooperationssichernder und Zentraler Bitte vermischt: 164 nu=tta=kkan uru ḫattušaš DINGIR[ME ]Š -aš tuliya[š AŠ]RU uru arinnaš tuel āššianz(a) U[RU-aš] uru nerikkaš uru zippaland[a]š ŠA DUMU=KA URUDIDLI.ḪI.A uwandaru „Von dir sollen Ḫattuša, [O]rt der Versammlun[g] der Gött[er], Arinna, deine geliebte S[tadt], (sowie) Nerik (und) Zippaland[a], die Städte deines Sohnes, (an)gesehen werden!“ Hier wird nicht die dreistufige Hierarchie Göttereltern – Göttersohn – Ḫattušili beschworen wie in den zentralen Kola 121–123 oder im Rahmen des Ammen-Vergleichs in Kolon 134–136, hier – im Rahmen des an die Götterversammlung gerichteten letzten Paragraphen – ist es eine lokale Trias, die Ḫattuša, Arinna und Nerik bzw. Zippalanda zusammen führt und hinter der sich eine höher angesiedelte Hierarchie verbirgt: Götter der Versammlung – Sonnengöttin von Arinna – Göttersohn. In dieser göttlichen Sphäre spielt Ḫattušili als DUMU AMILUTTI „Mensch“ keine Rolle mehr. Bei diesem Gebetstext handelt es sich um ein arkuwar mit dreiteiliger Struktur, die sich vor dem Bittteil inhaltlich in die Themen „Unschuld Ḫattušilis“ und „Verdienste Ḫattušilis“ gliedern lässt. Formal zeichnet sich der erste Teil durch ein hohes Maß an Hypotaxe und eine Struktur aus, die eine Vielzahl von Strukturelementen dem Inhalt entsprechend variiert (Unschuldsbeteuerung, Tatsachenbericht, Wunsch-und-Wissender-Göttin-Formel, Schuldzuweisung, Stand der Abgeltung der Schuld, Verdienste Ḫattušilis). Der zweite Teil ist dominiert vom Thema der Eroberung der Kultstadt Nerik und dem damit zusammenhängenden Machtkampf zwischen Urḫi-Teššob und Ḫattušili, der sich – so stellt es Ḫattušili dar – durch Einwirken der Sonnengöttin von Arinna und des Wettergottes von Ḫatti zu seinen Gunsten entscheidet. Formal wird dieser Höhepunkt des Gebets u. a. durch eine parataktische Syntax unterstrichen. Die zweiteilige Struktur des Tatsachenberichts wiederholt sich hier in zwei Vergleichen, zwei wörtlichen Zitaten, zwei Selbstcharakterisierungen und einer doppelt formulierten Zentralen Bitte. Der abschließende Bittteil richtet sich zunächst an die Sonnengöttin von Arinna, am Ende aber auch an die Götter der Versammlung, denen die Sonnengöttin von Arinna die Worte übermitteln soll.

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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Verändert ist in diesem Gebet die Sicht auf die Schuldfrage: Während Muršili – trotz eigener Unschuld – noch davon ausgeht, dass sich die Schuld seiner Vorväter auf ihn übertragen hat und somit seine eigene Schuld ist, akzeptiert Ḫattušili die Schuld seiner Vorväter nicht als seine eigene. Deshalb benötigt er keine Orakelanfragen mehr, keine Offenbarungen von Schuld und keine Zusagen, sie anzunehmen. Er muss auch keine Opfer mehr durchführen, um seiner Gottheit Gegenleistungen zu bringen: Falls eine Schuld der Vorfahren besteht, hat er bereits genug Verdienste erbracht, und wegen des daḫanga- soll ihm Willfahren seitens der Götter zuteil und die Schuld nicht angerechnet werden. 5.6.2 CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna Das Gebet ist nach dem Muster der Additionsstruktur aufgebaut und umfasst fünf Teilgebete: I. II. III. IV. V.

Teilgebet mit arkuwar an die Sonnengöttin von Arinna (Kolon 1–87) Teilgebet mit Vermittlungsbitte an die Totengöttin Lelwani (Kolon 88–120) Teilgebet mit Vermittlungsbitte an die Göttin Zintuḫi (Kolon 116–131) Teilgebet mit Vermittlungsbitte an die Göttin Mezzulla (Kolon 132–142) Teilgebet mit Vermittlungsbitte an den Wettergott von Zippalanda (Kolon 143–163)

Wie CTH 383.1 beginnt der Text mit der Anrede an die angesprochenen Göttin, der Sonnengöttin von Arinna. Als Adressatin wird sie durch den mit ANA markierten Dativ gekennzeichnet. Ihr Name ist um drei Epitheta erweitert, die bereits aus CTH 383.1 bekannt sind: 1

[A]NA d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA GAŠAN KUR.KURḪI.A uru ḫatti MUNUS.LUGAL ŠAME U ERṢETIM

„[A]n die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde.“ Der astrale Charakter der Sonnengöttin und der Herrschaftsaspekt sind damit gleichermaßen angesprochen. Während sie allerdings in CTH 383.1 als „Herrin der Könige (und) Königinnen des Landes Ḫatti“ bezeichnet wird, ist sie hier, in Kolon 2, die „Königin über alle Länder“: KUR-eaš ḫūmandaš MUNUS.LUGAL-aš. Mit diesen Worten wird der kleine Hymnus auf die Sonnengöttin eingeleitet (Kolon 2–5), der auf die Anrede folgt. Die Kola 3–5 gehen auf ihren Namen ein und identifizieren die Sonnengöttin von Arinna des Landes Ḫatti mit der Göttin Ḫepat im „Land der Zedern“. Die Deutung als Hymnus macht sich hier vor allem an inhaltlichen Punkten fest. Sprachlich sind die Kola 3–5 nur durch die Verwendung der 2. Person als Hymnus charakterisiert, während weitere Charakteristika wie Vokative, das Pronomen zik und generische Verbalformen fehlen.

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Nach der Würdigung der Göttin folgt ab Kolon 6 eine Selbsteinführung der Betenden, Puduḫepa. Sie bezeichnet sich dabei auffälligerweise nicht als Königin des Landes Ḫatti, sondern beschreibt ihre Beziehung zur Sonnengöttin von Arinna, indem sie sich ihre langjährige Dienerin nennt (Kolon 6), ein Kälbchen ihres Rinderstalls (Kolon 7) und einen Stein des Fundamentes der Göttin (Kolon 8). Die Kola dieser Textpassage sind auffällig kurz und als einfache Nominalsätze gestaltet. Wie im Gebet Ḫattušilis an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 383.1, Kolon 5) wird nun auch hier eine für das Verhältnis von Königspaar und Göttin charakteristische Handlung genannt: Sie hat Puduḫepa aufgenommen (šarā dā- „aufnehmen“, Kolon 9). Weiterhin hat sie Puduḫepa dem Ḫattušili beigesellt (Kolon 10) und diesen dem geliebten Sohn der Sonnengöttin von Arinna (DUMU=KA āššiyant-), dem Wettergott von Nerik, zugeteilt (Kolon 11). Auch die Verbindung des Königspaares mit der Stadt Nerik geht also auf die Sonnengöttin von Arinna zurück (Kolon 12 und 13). Die Überleitung zum angestrebten Thema wird auf diese Weise geschickt eingefädelt: Puduḫepa ist Dienerin der Sonnengöttin von Arinna (Kolon 6), sie wird dem Ḫattušili von der Göttin als Ehemann beigesellt (Kolon 10) und er wiederum ist dem geliebten Sohn der Sonnengöttin von Arinna zugeteilt (Kolon 11). Dieser ist der Wettergott von Nerik (Kolon 11 und 13). Der Ort, an den die Sonnengöttin von Arinna beide gestellt hat, das ist Nerik, der Ort ihres geliebten Sohnes. So ist sie am Ziel angekommen, beim Thema Nerik. Ihre Ausführungen beginnt sie mit dem Topos der Fehlleistungen früherer Könige (Kolon14–19), hier der Vernachlässigung Neriks. Davon wird auch in CTH 383.1, Kolon 93, berichtet. Darin erfolgt sofort im zweiten Kolon eine Hervorhebung dieses Tatbestands durch eine Variante der ebenfalls aus CTH 383.1, Kolon 89, bekannten, dort allerdings noch als Frage formulierten Wissens-Formel: 15 n=at d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA [š]akti „das [w]eißt du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin“ Entsprechend der Aussage der Formel, dass die Göttin bereits informiert sei, setzt Puduḫepas Gebet erst mit der Regierungszeit Muwatallis ein. Während CTH 383.1 für die ausführliche Vorgeschichte des arkuwar bei Muršili beginnt, ist diese Zeit in Puduḫepas Gebet in den Kola 14–19 knapp zusammengefasst. Doch bei beiden steht die Kontrastierung der Verdienste Ḫattušilis mit den Freveltaten und dem Versagen seiner Vorgänger im Vordergrund. Während diese mit erfolgreichen Feldzügen zufrieden waren, hat nur er die Rückeroberung Neriks betrieben. Zunächst der Beleg aus Ḫattušilis Gebet CTH 383.1: 102 karū=ma kwiē[š LU]GALmeš ešer 103 d IM kwe[dašš=a] giš TUKUL piyan ḫart[a] 104 [nu=z](a) lú KÚRmeš taruḫḫišker 105 KUR uru nerik=[ma EG]IR-pa UL kwiški [ēpta] „Welche früher aber [Kö]nige waren [und] wel[chen] der Wettergott die Waffe gegeben ha[tte], die besiegten (zwar) stets die Feinde, das Land von Nerik [aber nahm] keiner (von ihnen) [wie]der [ein]“

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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Bei Puduḫepa in CTH 384.1 ist die vergleichbare Textpassage folgendermaßen formuliert: 16 17 18 19

ḫantezziuš LUGALmeš kwiēš ešer UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kwedaš giš TUKULmeš SUM-an ḫarta [araḫzen]aš KUR.KURmeš lú KÚR taruḫḫišker [URU ne]rikkan=ma URU-an appanna UL kwi[šk]i [šan](a)ḫta d

„Welche die frühen Könige waren, denen du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Waffen gegeben hattest, die pflegten die [benachbart]en Feindesländer zu besiegen. Die Stadt [Ne]rik aber [(ver)su]chte ni[ema]nd einzunehmen.“ Es besteht ein ganz klarer Bezug zu Ḫattušilis Gebet: Kolon 16 entspricht Kolon 102; Kolon 17 greift Kolon 103 auf; Kolon 18 nimmt Bezug auf Kolon 104; Kolon 19 bezieht sich auf Kolon 105. Dabei stellen Puduḫepas Worte eine Variation der seinen dar, und sie hebt einen weiteren inhaltlichen Aspekt hervor: Mit dem Hinweis auf die Einnahme Neriks, die die früheren Könige nicht einmal versucht hätten, möchte sie zeigen, dass sich Ḫattušili den Anspruch auf Nerik erkämpft und damit seine Herrschaft über Nerik verdient hat. Interessant ist freilich, dass die Sieg verleihende Gottheit die jeweils angesprochene ist (vgl. Wettergott in CTH 383.1, Kolon 103, gegenüber der Sonnengöttin von Arinna in CTH 384.1, Kolon 17). Dass Ḫattušili damals noch nicht König (Kolon 22), sondern lediglich Königssohn war (Kolon 23), lässt die Leistung umso größer erscheinen. Mit Kolon 24 bezieht sie sich noch einmal auf ihre Formulierung in Kolon 19, indem sie bekräftigt, dass er es trotzdem geschafft habe, die Stadt Nerik einzunehmen: 24

[uru ]nerikkaš=ši=kan URU-aš appanna ešta

„Es war ihm (möglich), die Stadt Nerik einzunehmen.“ Dabei hätte Ḫattušili ohne Weiteres auf die Eroberung von Nerik verzichten können: 25 26

URU

nerikkan=man UR[U-an appanna] UL taruḫta nu=šši apēl Š[EŠ=ŠU t]amai KUR.KURḪI.A [p]ešket

„Wenn er nicht vermocht hätte, die Sta[dt] Nerik [einzunehmen], hätte ihm [sein] Brud[er a]ndere Länder gegeben:“ Das Angebot bestand immerhin in Ḫattuša und Katapa. Auch dies erhöht den Wert seines Handelns, wobei die Wissens-Formel die Aussage hervorhebt (Kolon 27–29). Puduḫepa nennt in diesem Zusammenhang die Einnahme Neriks innerhalb nur weniger Zeilen dreimal (Kolon 19, 24 und 25): Sie ist Ḫattušilis großes Verdienst; daraus leiten sich alle weiteren Ansprüche ab. Bemerkenswert ist auch, dass der Name der Sonnengöttin von Arinna mit dem Epitheton GAŠAN=YA in den 31 Kola der beiden ersten Paragraphen neunmal auftritt. Die Göttin ist über alle Vorgänge informiert, intensiv in sie involviert und legitimiert sie. Die Kola 30–31 sind weitgehend zerstört. Am Anfang des neuen Paragraphen wird nun ein weiteres Kolon aus CTH 383.1 relevant. Ḫattušili sagt dort:

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

101 nu=z(a) ANA KUR URU ner[ik šer] SAG.DU=YA ZI=YA uššaniškenun „[Für] das Land von Ner[ik] setzte ich meinen Leib (und) mein Leben ein.“ In CTH 383.1 ist diese Äußerung das Fazit seines Tatenberichts. Dasselbe gilt für die erweiterte Fassung in CTH 384.1: [AN ]A KUR uru n[er]ik U ANA KUR uru [ḫakpiš ap]ēl SAG.DU-an apēll=a [ZI-an ušš]anišket 33 kwitman ANA LU[GAL KUR uru mizri mena]ḫḫanda KASKAL-an iyat „[Für da]s Land N[er]ik und das Land [Ḫakmiš se]tzte er [se]inen Leib und sein [Leben] ein, bis er [ge]gen den Kö[nig von Ägypten] den Feldzug unternahm.“ 32

Damit ist der Zeitabschnitt vor Muwatallis Tod abgeschlossen. Jetzt rückt Puduḫepa ein neues Thema in den Fokus: Ḫattušili hat sich nach dem Tode seines Bruders Muwatalli nicht selbst auf dessen Thron gesetzt und zum König gemacht, wie es nach den Ausführungen aus § 2 nahegelegen hätte, sondern inthronisierte Muwatallis Sohn Urḫi-Teššob, seinen späteren Kontrahenten. Auch in CTH 383.1 ist dies ein wichtiges Argument. Ḫattušili beginnt damit seine Verdiensteliste und erzeugt durch die leicht variierte Wiederholung (Kolon 69–71 gegenüber Kolon 63–66) eine besondere Hervorhebung seiner selbstlosen Tat, vgl. die erste Passage aus CTH 383.1: 63 mān=ma=z(a) m NIR.GÁL-iš=ma ŠEŠ=YA DINGIR-LIM-i[š kišat] 64 ammuk[=m]a ŠA ŠEŠ=YA nakkianni ḫa[ndaš] UL manka iyanun 65 nu m urḫi- d 10-u[pan] DUMU ŠEŠ=YA daḫḫun 66 n=an LUGAL-izna[nni] tittanunun „Als Muwatalli aber, mein Bruder, Got[t wurde], tat ich [ab]er der Würde meines Bruders ent[sprechend] nicht irgendwie (scil. etwas Schlechtes): Ich nahm UrḫiTeššo[b], den Sohn meines Bruders, und setzte ihn in die Königsherr[schaft] ein.“ Bei Puduḫepa finden sich Ḫattušilis Worte mit Ausnahme von Kolon 64 zitiert. Sie sind dabei konsequent in die 3. Person umgesetzt. Die Verwendung von temporalem maḫḫan gegenüber konservativerem mān in derselben Funktion lässt auf einen moderneren Sprachgebrauch in Puduḫepas Gebet schließen: 34 maḫḫan=ma=z(a) m mūwatalli[š ap]ē[l ŠEŠ=ŠU ] DINGIR-LIM-iš kišat 35 m urḫi- d IM-upa[n DUMU-a]n Š[EŠ=ŠU d]atta 36 n=an LUGAL-weznanni ti[ttanut] „Als aber Muwatalli, [se]i[n Bruder], Gott wurde, [n]ahm er Urḫi-Teššob, [den Soh]n [seines] Br[uders], und se[tzte] ihn in die Königsherrschaft [ein].“ In Puduḫepas Gebet gibt es keine Doppelung, sondern es bleibt bei der kurzen Darstellung der Inthronisierung des Urḫi-Teššob. Gleich darauf, in Kolon 37–39, wird dieser zum

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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Handlungsträger: Er verfolgt Ḫattušili. Die Schwierigkeit der Situation wird durch die zweifache Beschreibung in Kolon 37 und 39 deutlich, verstärkt durch die Wissensformel. 37 38 39

nu=kan m ḫattušilin ARAD=KA ANA uru nerikka maḫḫan and[a … ] n=at d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA šakti EN=ŠU=an parḫišket

„Wie [er] den Ḫattušili, deinen Diener, i[n] der/die Stadt Nerik [ … ], das weißt du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin: Sein [H]err hetzte ihn.“ Das sind deutliche Worte. Bei Ḫattušili heißt es an der Vergeichsstelle in CTH 383.1 lediglich viel abstrakter: 107 mānn=a=mu m urḫi- d 10-upaš kwiš AŠŠUM EN-UTT [I kartimmiyattat] 108 [n=aš]=mu ANA KUR uru nerik šer ḪUL-išt[a] „Auch als Urḫi-Teššob mir wegen der Herrschaf[t grollte und er] mir wegen des Landes von Nerik böse wurd[e],“ Beide Texte halten sich hier an die Chronologie der Ereignisse, obwohl sie völlig unterschiedliche Formulierungen wählen und die kolportierten Inhalte so kaum wieder zu erkennen sind. Auf die Konfrontation zwischen Urḫi-Teššob und Ḫattušili wegen Nerik folgt die Einmischung der Freunde und Gefährten Ḫattušilis, die ihn zum Nachgeben gegenüber Urḫi-Teššob bewegen wollen. Bei Ḫattušili heißt es in CTH 383.1: 109 ammell=a=mu=kan lú.meš aruš lú.meš TAPPI=YA=[ya] šarrišker 110 ANA URU nerik=wa=kan [šer] anda ḫar(a)kti „(Da) trennten sich selbst meine Freunde [und] meine Gefährten von mir (und sagten): ‚[Wegen] Nerik wirst du dabei umkommen!‘“ Bei Puduḫepa in CTH 384.1 folgt die wörtliche Rede ohne die Beschreibung der näheren Begleitumstände, aber dafür ist die Darstellung durch den Verweis auf die Warnung der Freunde emotionaler gestaltet: 40 41

DUMUmeš .LUGAL=ya=an [ … w]erešker ANA uru nerikka=wa [ … ]

„Auch die Königssöhne [r]iefen ihn [ … ]: ‚[Wegen] Nerik [wirst du noch umkommen]!‘“ Beachtenswert ist überhaupt der Gebrauch der wörtlichen Rede (CTH 383.1, Kolon 110, und CTH 384.1, Kolon 41). Nur in den Gebeten CTH 376.1, CTH 378.1, 378.2 und CTH 381 sind weitere wörtliche Reden belegt. Dort stehen sie entweder zu Textbeginn und dienen der Einführung des Repräsentanten (vgl. CTH 376.1 und CTH 378.1), zitieren im Laufe des Textes zurückliegende Aussagen (vgl. CTH 378.2) oder stehen als Bestandteil der Zentralen Bitten am Ende des Gebets (vgl. CTH 381). In CTH 383.1 und CTH 384.1 findet sich die wörtliche Rede in der Falldarlegung und hat die Funktion der Hervorhebung

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

und zusätzlichen Dramatisierung. Die Wissensformel in CTH 383.1, Kolon 42, verstärkt die Aussage. Während CTH 383.1, Kolon 111–113, die Reaktion Ḫattušilis durch die Missachtung der Worte selbst beschreibt („ich aber hörte nicht …, diese Wor[t]e (unter)drückte ich, jene Recht[sangelegenheit] aber (unter)drückte ich.“), bezieht sich Puduḫepa lebendiger unmittelbar auf den Inhalt der Warnung: 43

apāš=ma apēl ḫarga[n ap]ēll=a ḫingan UL kapp[uwāet]

„Jener aber kümm[erte] sich nicht um seinen To[d] noch [se]in Verderben.“ Ebenso wie Ḫattušili diese Textpassage durch die lautlich Wiederholung in ištamaššun (Kolon 111), tamaššun (Kolon 112) und tamaššun (Kolon 113) besonders hervorhebt, bedient sich auch Puduḫepa lautlicher Mittel zur besonderen Markierung: vgl. die Alliteration in ḫarga[n] und ḫingan sowie ap- in apāš=ma, apēl, [ap]ēll=a und wohl auch -app- in kapp[uwāet]. Nach diesem Einschub wird zwar in beiden Texten die wörtliche Rede weiter fortgesetzt, aber die Formulierungen, mit denen die Entschlossenheit Ḫattušilis zum Ausdruck gebracht wird, sind sehr unterschiedlich. Puduḫepas Gebet scheint hier einen Übergang zu weiteren Aktionen Ḫattušilis zu suchen: 44 45

[nu A]NA uru nerikka šer aggatar ē[pta] [app]anna=wa uru nerikkan par[ā …]

„Er n[ahm] den Tod für Nerik (in Kauf): ‚[Ich gehe] vorwär[ts,] Nerik einzu[nehmen].‘“ Danach bricht der Text ab (wahrscheinlich fehlen 15–20 Kola). Er setzt auf mit einer Passage wieder ein, die sich nicht – wie das bisherige Gebet – an die Sonnengöttin von Arinna richtet, sondern an DINGIRmeš „die Götter“. Die Nennung der Götter wiederholt sich im Verlauf von 7 Kola fünfmal (Kolon 52, 53, 54, 55, 56). Die Passage beinhaltet die Feststellung einer verbesserten Kultobservanz – Reinigung (Kolon 51), Pflege der Götter (Kolon 52), Einhaltung des Göttervertrags (Kolon 53), Feste für die Götter (Kolon 54–55) – und schließt mit der Bitte, die Städte für die Pflege der Götter zugänglich zu halten (Kolon 56–57). Die Unterbrechung der Kulthandlungen in Nerik soll sich nicht wiederholen. Diese zwischenzeitliche Hinwendung an die Gesamtheit der Götter, bevor man seine Worte wieder an eine spezifische Gottheit richtet, erinnert an die Verknüpfungsstruktur aus CTH 376.1 und CTH 378.2 mit ihren drei Gebetsteilen. Nachdem das arkuwar mit der Beschreibung der erfolgreichen Bemühungen Ḫattušilis seinen Abschluss gefunden hat, bringt Puduḫepa einen Rückverweis auf das bereits vollzogene Gebet (Kolon 1–57), indem sie mit kī uttar „diese Worte“ und arkuwar „Falldarlegung“ (beides in Kolon 58) darauf rekurriert. Dabei wird die Adressatin mit allen in Kolon 1 genannten Epitheta erneut genannt, ebenso die Sprecherin Puduḫepa. Gleichzeitig fungiert Kolon 58 als Überleitung und Motivation für die Erfüllung der

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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folgenden Bitten: die Kooperationssichernden Bitten Puduḫepas, ihren Wünschen nachzugeben (Kolon 59), sowie eine Bitte um Gehör (Kolon 60). Ihre Zentralen Bitten bereitet Puduḫepa bisher aber nur vor. Sie zögert sie hinaus, indem sie nun noch einen Vergleich formuliert, der durch ein Sprichwort eröffnet wird: 61 62

ANA DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU=pat=kan anda memian kišan memiškan[z]i ḫarnāuwaš=wa MUNUS-nī DINGIR-LUM kāri tiy[az]i

„Unter den Menschen haben sie folgendermaßen ein Sprichwort: ‚Der Frau des Gebärstuhls gi[b]t die Gottheit nach.‘“ So wie sie hier den Vergleich mit der Frau des Gebärstuhls zur Vorbereitung der Bitten verwendet, wobei sie sich durch ammukk=a „auch ich“ (Kolon 63) als Vergleichsziel präsentiert, so hat auch Ḫattušili in CTH 383.1 seinen Bitten einen Vergleich vorgeschaltet: Dort war es der Vergleich mit der Amme gewesen, die ein fremdes Kind groß zieht. Das Vergleichsziel, nämlich Ḫattušili selbst, führt er ebenfalls mit den Worten ammukk=a= „auch ich“ (Kolon 137) ein. Die Vorbereitungstechnik ist also dieselbe. An das Sprichwort (Kolon 62) und den Vergleich (Kolon 63) schließt Puduḫepa die erneute Bitte an, dass die Göttin ihr bzw. ihren Bitten nachgeben möge (Kolon 64) und wiederholt so wortwörtlich Kolon 59 (nu=mu d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kāri tiya „Gib mir nach, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin!“). Diese identischen Kola legen sich als Klammer um Sprichwort und Vergleich und heben so die Bedeutung dieses Textelements hervor, das seinerseits die Zentralen Bitten unterstützen soll. Dieselbe Bitte um Erfüllung der Wünsche formuliert sie mit anderen Worten noch ein zweites Mal (Kolon 65–66); dann erst kommen die ersten Zentralen Bitten an die Sonnengöttin von Arinna (Kolon 67–68), die den stereotypen Bitten aus Ritualtexten gleichen: 65 66 67 68

nu=tta [ … ] kwit n=at=mu pāi ANA m [ḫattušili AR]AD=KA TI-tar pāi [ … ] d MAḪmeš -az MUḪI.A UDḪI.A [GÍD.DA innarawatar piy]anteš [ašandu]

„Was [ich] von dir [wünsche], das gib mir! Gib dem [Ḫattušili,] deinem [Die]ner, Leben! [Und von den Schicksalsgottheiten] (und) den Muttergottheiten [sollen ihm lange] Jahre (und) Tage, Rüstigkeit [gege]ben [sein]!“ Nach einem weitgehend zerstörten Kolon (Kolon 69), folgt mit den Kola 70–73 eine Textpassage, die sich auf die Situation in der Götterversammlung bezieht, in der die Sonnengöttin als Vermittlerin der Bitten und Wünsche Puduḫepas auftreten soll. Dass eine Sonnengottheit diese Funktion übernimmt, ist aus den Sonnengottgebeten (CTH 372–374) bekannt. Doch auch in CTH 383.1 werden die Zentralen Bitten von einer Textpassage begleitet, in der die Sonnengöttin von Arinna um eine Übermittlung der Bitten an die Götterversammlung gebeten wird (Kolon 161–162). Dort bietet dies den Anlass, die

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Zentralen Bitten des Gebetstextes CTH 383.1 am Ende des Textes noch einmal zu wiederholen. Auch in CTH 384.1 wird die erste zu vermittelnde Bitte um das Leben Ḫattušilis wohl als Objekt der Bitte um Vermittlung wiederholt (Kolon 72). Dass die Bitte wegen der Verdienste Puduḫepas gerechtfertigt ist, wird auch von der Sonnengöttin anerkannt (Wissens-Formel in Kolon 78). Da der Text ab Kolon 79 teilweise zerstört ist, können wir nur annehmen, dass hier der Text mit einer Ausgestaltung der Vermittlungsbitte fortgeführt wird. Zumindest wird die Wurzel wek- nach wek „erbitte!“ (Kolon 72) und wekuwar „Bitte“ (Kolon 73) auch in Kolon 81 ein weiteres Mal verwendet. Im Gegensatz zu CTH 383.1, wo sich Ḫattušilis Bitten vor allem auf das Erbarmen der Götter und auf das Verwerfen eventueller ererbter Vergehen beziehen, geht Puduḫepa weiter: Trotz der strukturellen Ähnlichkeit beider Gebete sind Puduḫepas Bitten viel konkreter: Sie konzentrieren sich auf den offenbar dramatisch gewordenen Gesundheitszustand Ḫattušilis; die Bitte um sein Überleben steht im Mittelpunkt, vgl. die Kola 67, 68 und 72. Damit ist eine weitere Parallele zu den Sonnengottgebeten (CTH 372–374) eröffnet. Kurz danach bricht der Text der Vorderseite ab, und es fehlen hier etwa 30–40 Kola. Auf der Rückseite der Tafel finden sich vier weitere Gebete, die sich an unterschiedliche Gottheiten richten. Das erste der angefügten Gebete ist an die Totengöttin Lelwani gerichtet, die auch aus CTH 380.1, dem Gebet der Gaššuliyawia, als Adressatin eines durch Krankheit veranlassten Gebets bekannt ist. Von dem Gebet sind die ersten acht Kola (Kolon 88–95) stark zerstört. In Kolon 96 wird Lelwani erstmals genannt und mit GAŠAN=YA „meine Herrin“ angeredet. Zudem wird ihre Eignung als Übermittlerin mit folgenden Worten hervorgehoben: 96 [d lili]waniš G[AŠAN]=YA AN [A DINGIRmeš āššu] mematti „[Lel]wani, meine H[errin], d[en Göttern] übermittelst du [Gutes].“ Unmittelbar vorher ist der Beginn des Kurzhymnus zu vermuten, der mit diesen Worten einen Abschluss findet und den Übergang zum nächsten Textteil herstellt. Es folgt die Kooperationssichernde Bitte um Beistand. Ab Kolon 99 bezieht sich die Sprecherin wieder auf die Prophezeiung, die offenbar über Ḫattušili kursierte: 99 k[ū]n=z(a)=kan kwin memian UN-n[i anda] ištamaššun 100 nu=mu peran :[ … ] 101 ARAD=KA kwiš m ḫattušiliš [ … ] 102 nu=šši=kan PANI m urḫi- d 10-up kwit U[N-naš] andan memier 103 maninkuwantaš=wa [TI-aš … ] „Di[ese]s Wort, welches ich bei den Mensche[n] hörte, vor mir [ … ]. Ḫattušili, welcher (als) dein Diener [ … ], was das betrifft, dass man über ihn unter UrḫiTeššob bei den Me[nschen] sagte: ‚Eines kurzen [Lebens …]‘“ An dieses Thema schließt sich nun zunächst die Bitte um Abwendung von bösem Leumund, der durch Dritte die Götterversammlung erreicht haben könnte: Im Unterschied

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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zu CTH 383.1 geht Puduḫepa gegenüber Lelwani davon aus, dass die schlechte Situation Ḫattušilis durch üble Einwirkung eines Dritten zustande gekommen sei. Das Vorgehen gegen das Böse (ḪUL „böse“ bzw. ḪUL-atar „böse Gesinnung“) spielt in diesem Gebet eine zentrale Rolle. So führt sie in drei periphrastischen Konstruktionen mögliche Fälle von übelwollender Manipulation an, die unterbunden werden sollen: 104 nu mān m ḫattušili ARAD=K [A] šumaš DINGIRmeš -aš peran IŠTU ŠU AMILUTTI iyanz[(a)] 105 našma=šši=kan DINGIRmeš UGU DINIGRmeš ŠAPLITI kwiški ḪUL-uwanni EGIR-an šarā tiyan ḫarzi 106 našma piyan kwiški ŠA m ḫattušili ḪUL-wanni še[r] ANA DINGIRmeš piyan ḫarzi „falls Ḫattušili, dei[n] Diener, vor euch, den Göttern, durch die Hand eines Menschen behandel[t] (worden ist) oder (falls) irgendeiner hinter ihm (scil. seinem Rücken) die Oberen Götter (oder) die Unteren Götter in böse Gesinnung versetzt hat oder irgendeiner fü[r] eine böse Gesinnung gegen Ḫattušili den Göttern eine Gabe gegeben hat,“ Diese drei Nebensätze sind durch mān … našma … našma … bereits am linken Rand jeweils durch eine öffnende Klammer als parallel konstruiert gekennzeichnet, doch auch am rechten Rand findet sich die Parallelität markiert. Hier sind es gleichzeitig lautliche und morphologische Mittel, die genutzt werden: Mit den imperfektivischen Bildungen iyanza (Kolon 104), tiyan ḫarzi (Kolon 105) und piyan (…) piyan ḫarzi (Kolon 106) werden die drei Möglichkeiten des schlechten Zustands nach dem Gesetz der wachsenden Glieder inhaltlich ausgestaltet und geben der Gesamtkonstruktion eine schließende Klammer. Sie werden durch drei Hauptsätze aufgegriffen, die drei Bitten beinhalten: 107 nu=z(a) DINGIR-LUM [GAŠA]N=Y [A] a[p]ē ḪUL-uwa AWATE meš lē [išt]amatti 108 n[u=ka]n ANA m ḫattušili ARAD=K [A ḪUL-atar] parā lē tarnatti 109 nu=nnaš DINGIRmeš ENm [eš DINI ] aršanattallaš Ḫ[UL- … ]-aš pe[r]an [l]ē neya[tteni] „du, Gottheit, [me]ine [Herr]in, sollst je[n]e bösen Worte nicht [hö]ren! Du sollst dem Ḫattušili, dein[em] Diener, (gegenüber) [eine böse Gesinnung] nicht zulassen! Ihr, Götter, Herr[en des Rechtsstreits, sollt] euch [n]icht (gegen) uns den Neidern, den b[ösen … ]-n zuwend[en]!“ Auch diese Bitten, die sich zunächst in Kolon 107 und 108 an die Totengöttin Lelwani richten und in Kolon 109 an alle Götter der Gerichtsversammlung wenden, sind am linken Rand durch die vergleichsweise unauffällige Partikel nu geklammert, am rechten Rand aber durch Formen des verneinten Imperativs in enge Verbindung gebracht, denn neben der parallelen Morphologie sind es auch lautliche Anklänge, die in ihrem Wechselspiel aus alveolarem Verschlusslaut und Nasal gegen die Annahme eines Zufalls sprechen: lē

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

ištamatti (Kolon 107), lē tarnatti (Kolon 108) und lē neyatteni (Kolon 109). Auffällig ist in der gesamten Textpassage die häufige Wiederholung von ḪUL „böse“ bzw. ḪUL-atar „böse Gesinnung“ (Kolon 105, 106, 107, wohl 108, 109). Der zerstörte Anfang von Kolon 110 macht die Art der Einbettung der nachfolgenden Textpassage (Kolon 110–113) in den Kontext unsicher. Wahrscheinlich handelt es sich um Aussagesätze: 110 111 112 113

[ … ]=an DINGIR-LUM GAŠAN=Y [A] TI-nuši nu=kan ANA DINGIRmeš še[r āššu p]arrand[a] mematti nu kē ḪUL-u[wa AWATE meš G]ÌRmeš -i[t] išparratti n=at ar[ḫa … -y]aši

„Du, Gottheit, mei[ne] Herrin, erhältst ihn am Leben. Fü[r] die Götter [ü]bermittelst du [Gutes]. Diese böse[n Worte] trittst du [mit den F]üßen nieder. Du [ … ]-st sie fo[rt].“ Der Erhalt des Lebens Ḫattušilis war bereits in Kolon 67 und 72 Gegenstand der Bitten Puduḫepas an die Sonnengöttin von Arinna. Hier wird die zuvor als Anlass des Gebets angegebene Prophezeiung über das kurze Leben Ḫattušilis (Kolon 103) gegenüber der Totengöttin Lelwani durch -an TI-nuši „du erhältst ihn am Leben“ (Kolon 110) als Zukunftsprojektion beschrieben und ist somit als indirekter Sprechakt einer Zentralen Bitte zu verstehen. Als Totengöttin scheint Lelwani in dieser Angelegenheit, der Bitte um das Überleben Ḫattušilis, die richtige Adressatin zu sein. Hinter den folgenden Äußerungen steht der inständige Wunsch, die Totengöttin möge nicht ihres Amtes walten. Auch die Beschreibung der Übermittlung guter Nachrichten (Kolon 111) und der Vernichtung und Beseitigung böser Nachrichten (Kolon 112–113) vermittelt indirekt eine Bitte. An diese indirekten Sprechakte schließen sich zwei direkte Bitten an die Göttin an. Sie sind bereits aus dem Gebet Puduḫepas an die Sonnengöttin von Arinna bekannt, werden allerdings mit anderen Worten zum Ausdruck gebracht. Die erste Bitte um das Leben Ḫattušilis ist gegenüber der Vorderseite (Kolon 67) durch den zusätzlichen Bezug auf Puduḫepa erweitert: 114 nu=kan tuk ANA d liliwan[i … ] ŠA m ḫattušili ARAD=KA U [ŠA f puduḫ]e[pa] GÉME=KA TI-[tar] PANI DINGIRmeš tueda[z K]A×U-a[z wedd]u „Dir, Lelwan[i, meiner Herrin, soll] vor den Göttern das Leb[en] des Ḫattušili, deines Dieners, und der [Puduḫ]e[pa], deiner Dienerin, [aus] deine[m M]und [komm]en!“ Auch die zweite, inhaltlich darauf aufbauende Bitte um lange Jahre, Tage und Rüstigkeit (vgl. Kolon 68) findet sich im zweiten Teil von CTH 384.1 auf Puduḫepa erweitert und umformuliert:

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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115 nu ANA m ḫattušil[i ARAD=K ]A U ANA f puduḫepa GÉME=KA MUḪI.A ITUḪI.A UDḪI.A =ya [dalug]aēš pāi „Dem Ḫattušil[i, dein]em [Diener,] und der Puduḫepa, deiner Dienerin, gib [lang]e Jahre, Monate und Tage!“ Mit dieser Einschränkung deckt sich also der Inhalt der Zentralen Bitten an die Totengöttin Lelwani mit den Bitten an die Sonnengöttin von Arinna im ersten Teilgebet. Ab Kolon 116 folgt nun ein Gelübde, in dem Lelwani Folgendes zugesagt wird: Wenn sie den Götter Gutes übermittelt (Kolon 116 mit Bezug auf 96 und 110), wenn sie Ḫattušilis Leben erhält (Kolon 117 mit Bezug auf 114) und wenn sie ihm lange Jahre, Monate und Tage schenkt (Kolon 118 mit Bezug auf 115), dann wird die Sprecherin Puduḫepa für sie eine wertvolle Ḫattušili-Statue anfertigen lassen (Kolon 119 und 120). Das Gelübde wiederholt also noch einmal die Bitten im Sinne eines tail-head-linking, lässt hier aber Puduḫepa bemerkenswerterweise unerwähnt. Die Umsetzung der Bitte wird als conditio sine qua non gewertet. Sie ist Grundlage für die Erfüllung des Gelübdes. Die an Lelwani gerichteten Worte umfassen nach einem zerstörten Textanfang die Bestandteile Kooperationssichernde Bitten, Zentrale Bitten und Gelübde. Es liegt ein in sich geschlossenes Gebet vor. Ab Kolon 121 beginnt ein weiteres Gebet. Es ist an die Göttin Zintuḫi gerichtet. Sie ist die geliebte Enkeltochter des Wettergottes und der Sonnengöttin von Arinna (Kolon 121). Im Gegensatz zu Ḫattušilis Gebet an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 383.1, Kolon 1) und Puduḫepas Gebet an die Sonnengöttin von Arinna (CTH 384.1, Kolon 1) erscheint die angesprochene Göttin hier im Vokativ und nicht mit der Markierung durch ANA. Mit Kolon 122 und 123 folgt ein Kurzhymnus, der sie als (Schmuck-)Nadel an der Brust der Großeltern beschreibt (Kolon 122). Charakterisierend für Zintuḫi ist offenbar die Tatsache, dass ihre Großeltern Stunde um Stunde auf sie acht geben (lammar lammar katta uškanzi, Kolon 123). Danach wird sie – sofern der stark zerstörte Text in Kolon 124 eine Interpretation erlaubt – daran erinnert, dass es auch ihre Eigenschaft sei, den Göttern Gutes zu übermitteln (vgl. Kolon 96, 111 und 116): 124 [nu=kan ANA DINGIRmeš šer āššu] par[randa memat]ti „[Du üb]er[mittelst Gutes an die Götter].“ In diesem Sinne wird auch ihr gegenüber die Bitte um Übermittlung der Worte an ihre Großeltern vorbereitet. Das Folgekolon 125 ist leider zerstört. Mit den Kola 126–128 folgen die drei Zentralen Bitten: 126 [n]u=z(a) d zintuḫīš GAŠAN=YA [kēdani memini tuel p]arā ḫandandatar [tikkuššanut] 127 nu=kan d IM-ni tuel ḫuḫḫi [U ANA] d UTU uru PÚ-na tuel ḫanni [ŠA m ḫa]ttušili ARAD=KA TI-tar MUḪI.A GÍD.DA=ya [parā] arnut 128 nu=šmaš=at=kan KA×U-az weddu

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„Zintuḫi, meine Herrin, [zeige in dieser Angelegenheit dein] göttliches Walten! Zum Wettergott, deinem Großvater, [und zur] Sonnengöttin von Arinna, deiner Großmutter, [be]fördere (die Bitte um) das Leben und die langen Jahre [des Ḫa]ttušili, deines Dieners, [weit]er! Es soll aus ihrem Mund kommen!“ Die Kooperationssichernde Bitte, göttliches Walten zu zeigen (Kolon 126), ist bisher in den Gebeten an die Sonnengöttin von Arinna nicht aufgetreten, jedoch durch die Apologie Ḫattušilis (CTH 81) gut belegt. Die zweite Bitte um Beförderung (der Bitte um) Leben und lange Jahre Ḫattušilis an die Götter verweist auf Zintuḫis Rolle als Vermittlergottheit. Die dritte Bitte „Es soll aus ihrem Mund kommen!“ (Kolon 128) bezieht sich auf die Akzeptanz der übermittelten Worte durch die Großeltern. Der Schluss des Gebets (Kola 129–131) beinhaltet – wie in dem Gebet an Lelwani – eine Wiederholung der Bitten (tail-head-linking), auf die ein Gelübde materieller Art folgt: Falls Zintuḫi also diese Worte hört und göttliches Walten zeigt (Bezug auf Kolon 126), indem sie der Bitte nachkommt und diese Worte weiter zu ihren Großeltern befördert (Bezug auf Kolon 127), verspricht Puduḫepa, für Zintuḫi ein großes Schmuckstück herstellen zu lassen (Kolon 131). Die an Zintuḫi gerichteten Worte umfassen somit Anrede, Kurzhymnus, Vorbereitung der Bitten, Zentrale Bitten und Gelübde. Auch hier handelt es sich um ein in sich geschlossenes Gebet, aber die Sprecherin Puduḫepa tritt nicht namentlich auf. Von Kolon 132 an richten sich die Worte an eine weitere Gottheit: Die Göttin Mezzulla ist nun angesprochen. Das Gebet beginnt mit einem charakterisierenden Kurzhymnus (Kolon 132–135). Als Tochter des Wettergotts und der Sonnengöttin von Arinna scheint sie prädestiniert dafür, ihren Eltern Nachrichten zu übermitteln. Darin ist der Grund für das an sie gerichtete Gebet zu suchen. Der Hinweis auf das Gebet (Kolon 136) enthält alle wichtigen Informationen: Die betende Puduḫepa, die angesprochenen Götter (Wettergott und Sonnengöttin von Arinna) und die Funktion des Textes: Er ist als arkuwar „Falldarlegung“ bezeichnet. Zuvor, in Kolon 58, hatte Puduḫepa ähnlich explizite Angaben in Variation zur Einleitung eines neuen Gebetsteils an die Sonnengöttin von Arinna gebraucht: 136 [ammu]kk=a=z(a) f puduḫepaš GÉME=KA kē kwe AWATE meš [ANA] d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA [ark]uwar iyanun „Auch diese Worte, die [ic]h, Puduḫepa, deine Dienerin, [dem] Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, als meine [Fall]darlegung gemacht habe,“ So leitet sie auch jetzt direkt zu ihren Bitten und dem Gelübde über. Hier wie dort folgen drei Bitten: um Übermittlung (Kolon 137) und Beförderung der Bitten zu Wettergott und Sonnengöttin (Kolon 138) und darum, sie bemitleidenswert zu machen. Letzteres ist nicht neu, es ist bereits aus Muwatallis Gebet CTH 381, Kolon 119, bekannt:

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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139 [nu=mu=k]an uwāi[nut] „[Und mache mich] bemitleidenswert!“ In den Kola 140–141 folgt mit der Formulierung der Bedingungen, unter denen das Gelübde erfüllt wird, eine Wiederholung der letzten beiden Bitten (tail-head-linking) und daraufhin in Kolon 142 das Gelübde, das allerdings teilweise zerstört ist. Das Gebet besteht dementsprechend aus Kurzhymnus, Bitte um Vermittlung mit integrierter Selbsteinführung sowie der Nennung der eigentlichen Adressaten und dem Verweis auf die vorangegangene Falldarlegung vor der Sonnengöttin (CTH 384.1, Kolon 1–87), Zentraler Bitte um das Erregen von Mitleid bei den angerufenen Göttern und Gelübde. Mit Kolon 143 beginnt ein letztes Gebet. Es ist an den Wettergott von Zippalanda gerichtet und umfangreicher als die kurzen Gebete an die Göttinnen Lelwani, Zintuḫi und Mezzulla. Die im ersten Kolon (Kolon 143) ausformulierte Anrede entspricht genau derjenigen an Mezzulla in Kolon 132. Es folgen beide Kola in Gegenüberstellung: 132 [zik=z(a)] d mezzulla [GA]ŠAN=Y [A ANA] d IM-za [U ] ANA d UTU uru PÚ-na āššiyanz(a) DUMU.MUNUS-aš „[Du,] Mezzulla, mei[ne Her]rin, (bist) [für den] Wettergott [und] die Sonnengöttin von Arinna du die geliebte Tochter.“ 143 [zik=z(a) d 10 uru zip]palanda EN=YA [ANA d IM-za U AN ]A d UTU uru PÚ-na āššiyanz(a) DUMU-aš „[Du, Wettergott von Zip]palanda, mein Herr, [für den Wettergott und di]e Sonnengöttin von Arinna (bist du) der geliebte Sohn.“ Auch die charakterisierenden Kola 144–146 beziehen sich stark auf die Kola 133–135 aus dem Mezzulla-Gebet: 133 [ANA] d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA [kwi]t zik d mezzullaš GAŠAN=YA mematti 134 [n=a]t ištamaššanzi=pat 135 UL=at=kan waḫnuwanzi „[Wa]s du, Mezzulla, meine Herrin, [dem] Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, sagst, [d]as hören sie: Sie weisen es nicht (zurück).“ Im Gebet an den Wettergott von Zippalanda heißt es in anderer Reihenfolge: 144 [kwit ANA d IM AB]I=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA tarkumm[aiši] 145 [nu=kan d IM] ABU=KA d UTU uru PÚ-na AMA=KA tuel memi[an UL w]aḫnuwanzi 146 ištamaššanzi=ta

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

„[Was du dem Wettergott,] deinem [Vat]er, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, übermitt[elst], dein Wor[t w]eisen [der Wettergott,] dein Vater, (und) die Sonnengöttin von Arinna, deine Mutter, [nicht (zurück)], (sondern) sie hören dich.“ Kolon 133 und 144 stellen denselben Inhalt mit anderen Worten dar, nur die Namen der göttlichen Eltern mit Appositionen sind identisch. Kolon 134–135 orientieren sich zwar dem Wortlaut nach an Kolon 145–146, doch sind hier die beiden Sätze chiastisch umgestellt. Ihr enger inhaltlicher Zusammenhang, der jeweils zwischen beiden Kola besteht, spiegelt sich auch in der Asyndese wider. Wie beim Teilgebet an Mezzulla (Kolon 136) folgt auf die Charakterisierung der angesprochenen Gottheit die Selbsteinführung der Sprecherin Puduḫepa (Kolon 147), wobei der Wortlaut nicht zitiert, sondern wieder variiert wird. Nach dieser Überleitung beginnt die Bittpassage, die auch hier aus drei Bitten besteht: Dabei stellt Kolon 148 (die Bitte um Vermittlung) eine Variation von Kolon 137 dar; Kolon 149 (die Bitte um Beförderung der Bitten) ist eine Variation von Kolon 138; aber die dritte Bitte aus Kolon 139 (die Bitte um das Erregen von Mitleid) findet sich im Gebet an den Wettergott von Zippalanda erst in Kolon 152, denn sie wird durch einen Einschub (Kolon 150–151) vorbereitet, der seinerseits auf ein aus dem Gebet an die Sonnengöttin von Arinna bekanntes Argument zurückgreift (Kolon 62): auf das Sprichwort von der Frau des Gebärstuhls, der man nachgibt. Dort, im Gebet an die Sonnengöttin von Arinna, leitet es zu den Zentralen Bitten um Überleben und langes Leben Ḫattušilis über (Kolon 139). Hier, im Gebet an den Wettergott von Zippalanda, bereitet der Hinweis auf den persönlichen Einsatz Puduḫepas durch die Geburten die Zentrale Bitte um Erregung von Mitleid vor (Kolon 152): 150 DINGIR-LUM=mu EN=YA kēdani memini kari tiya 151 ḫarnāwaš=z(a) kwit MUNUS-z(a) ANA DINGIR-LIM EN=YA šer S[AG.D]U-z(a) šarninkan ḫarmi 152 nu=mu=kan DINGIR-LUM EN=YA ANA d [IM] ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA uwāinut „Gott, mein Herr, gib mir in dieser Angelegenheit nach! Was das betrifft, dass ich (als) eine Frau des Gebärstuhls dem Gott, meinem Herrn, per[sön]lich (scil. für diese Angelegenheit) Entschädigung geleistet habe: Gott, mein Herr, mache mich beim [Wettergott], deinem Vater, und bei der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, bemitleidenswert!“ Der Bitte, die infolge des Einschubs isoliert steht, ist gegenüber dem Vergleichskolon 139 mehr Gewicht gegeben, indem sie um den Vokativ beider Götternamen erweitert ist. Es gibt aber noch einen weiteren Zusatz gegenüber dem Mezzulla-Gebet, wo an dieser Stelle bereits das Gelübde folgt. Das Teilgebet an den Wettergott von Zippalanda eröffnet hier einen neuen Themenkomplex, indem es Ḫattušili einführt: m ḫattušili[šš]=a ARAD=KA „auch Ḫattušili, dein Diener“ aus Kolon 153 steht in direktem formalen und

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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inhaltlichen Bezug zu f puduḫepaš GÉME=KA „Puduḫepa, deine Dienerin“ in Kolon 147. So wie Kolon 147 die Puduḫepa-Passage (Kolon 147–152) eingeleitet hat, so wird nun zur Passage über Ḫattušili (Kolon 153–158) übergeleitet, der ja ebenfalls – wie Puduḫepa als Frau des Gebärstuhls – Leib und Leben im Einsatz für Nerik riskiert hat. In Kolon 153–155 heißt es: 153 m ḫattušili[šš]=a ARAD=KA ANA ZI DINGIR-LIM šer dariyat 154 nu=z(a) apē[l SA]G.DU-an ZI=ŠÚ=ya uššanišket 155 kwitman [ŠA DING]IR-LIM EN=YA uru nerikkan āššiyant[an UR]U-an EGIR-pa wetet „Auch Ḫattušili, dein Diener, bemühte sich um den Sinn der Gottheit: Er setzte sich, sein[en Ko]pf und sein Leben ein, bis er Nerik, die gelieb[te Sta]dt [des Gott]es, meines Herren, wieder aufgebaut hatte.“ Das Argument ist bereits aus dem Gebet an die Sonnengöttin von Arinna bekannt: 32 33

[AN ]A KUR uru n[er]ik U ANA KUR uru [ḫakpiš ap]ēl SAG.DU-an apēll=a [ZI-an ušš]anišket kwitman ANA LU[GAL KUR uru mizri mena]ḫḫanda KASKAL-an iyat

„[Für da]s Land N[er]ik und das Land [Ḫakmiš se]tzte er [se]inen Leib und sein [Leben] ein, bis er [ge]gen den Kö[nig von Ägypten] den Feldzug unternahm.“ Während Puduḫepa in Kolon 32–33 Ḫattušilis Einsatz für Nerik und Ḫakmiš hervorhebt, ist es im Rahmen des Teilgebets an den Wettergott von Zippalanda sein Einsatz für den Wettergott selbst – mit genau demselben Wortlaut ([ap]ēl SAG.DU-an apēll=a [ZIan ušš]anišket). Im ersten Fall findet sein persönlicher Einsatz durch den Feldzug in ägyptisches Territorium ein Ende, das andere Mal ist es der erfolgreiche Abschluss des Wiederaufbaus von Nerik. Beide Terminierungen sind durch einen kwitman-Satz ausgedrückt. Der Hinweis auf die Leistungen Ḫattušilis bereitet hier die umgehend folgende Kooperationssichernde Bitte um Unterstützung vor, an die sich die Zentrale Bitte um Vermittlung anschließt: 156 nu=kan zikk=a DINGIR-LUM [EN=Y ]A ANA m ḫattušili ARAD=KA aššuli ḫa[r]p[iy]aḫḫut 157 nu=z(a) kē kwe AWATE meš ANA d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA arkuwar ēššaḫḫi 158 n=at=mu d 10 uru zippalanda EN=YA parā arnut „Auch du, Gott, [me]in [Herr], s[t]ehe dem Ḫattušili, deinem Diener, zum Wohle bei! Diese Worte, die ich dem Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, (gerade) als Falldarlegung mache, befördere sie für mich weiter, Wettergott von Zippalanda, mein Herr!“

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

Der Vokativ zikk=a DINGIR-LUM EN=YA „auch du, Gott, mein Herr“ rekurriert über das konnektive =a auf m ḫattušili[šš]=a ARAD=KA in Kolon 153. So wie Ḫattušili sich dort um den Sinn der Gottheit bemühte, so soll sich nun der Wettergott von Zippalanda für Ḫattušili einsetzen. Im Gegensatz zu den vergleichbaren präteritalen Belegen von arkuwar iyanun „ich machte eine Falldarlegung“ in Kolon 58 und 136 erklärt sich die Verwendung des Präsens arkuwar ēššaḫḫi „ich mache (gerade) eine Falldarlegung“ in Kolon 157 im eigenständigen Charakter der argumentativen Textpassage. Hier steht nicht – wie in den beiden vorangegangenen Gebeten an die Göttinnen Zintuḫi und Mezzulla – allein die Bitte um Übermittlung von Worten, insbesondere des Gebets an die Sonnengöttin von Arinna (Kolon 1–88), im Vordergrund. Es liegt vielmehr eine selbstständige Falldarlegung vor. Es schließt sich durch die Bezugnahme dieses letzten Teilgebets an den Wettergott von Zippalanda auf Passagen des ersten Teilgebets an die Sonnengöttin von Arinna der Kreis: Einerseits greift die Puduḫepa-Passage das Gebärstuhl-Sprichwort auf dieses Gebet zurück (Kolon 62), andererseits enthält die Ḫattušili-Passage einen Rückgriff auf den Einsatz von Leib und Leben Ḫattušilis (Kolon 32–33). Aber auch ein weiterer Kreis schließt sich. Die beiden teils parallel, teils chiastisch konstruierten zentralen Textpassagen des arkuwar (zu Puduḫepa, Kolon 147–152, und zu Ḫattušili, Kolon 153–157) sind in einen gemeinsamen formalen und inhaltlichen Kontext eingebettet: Die Bitten um Vermittlung (Kolon 147–149 bzw. 157–158) umrahmen die argumentativen Passagen (Kolon 151 bzw. 153–155). An den Schnittstellen stehen – symmetrisch verteilt – die Kooperationssichernden Bitten um Willfährigkeit (Kolon 150) und um Zuwendung (Kolon 156). Im Zentrum des Ganzen befindet sich mit Kolon 152 die Zentrale Bitte um das Erregen von Mitleid. Die Kola 147–158 folgen also einem Ringschema. Innerhalb der beiden Bitten um Vermittlung folgt in der Puduḫepa-Passage auf das kataphorische, kommentierende Kolon 147 zunächst die Bitte um Übermittlung (Kolon 148), dann die Bitte um Beförderung (Kolon 149): 147 nu=z(a) kūn kwi[n INIM] ammuk f puduḫepaš GÉME=KA arkuwar i[yami] 148 nu=mu zik d IM uru zippalanda EN=YA tarkummāi 149 n=a[n=kan p]arā arnut „Dieses [Wort, d]as ich, Puduḫepa, deine Dienerin, als meine Falldarlegung m[ache], das übermittle du, Wettergott von Zippalanda, mein Herr, für mich und befördere e[s w]eiter!“ Damit nimmt Puduḫepa – wie oben bereits dargestellt – in Abfolge und Inhalt der Bitten Bezug auf das Gebet an Mezzulla. Auch in der Ḫattušili-Passage folgt auf das anaphorische Kommentarkolon 157 die Bitte um Beförderung. Aber sonst ist das Ausmaß an Variation beachtlich: Die Bitte um Übermittlung ist in der Ḫattušili-Passage ausgelassen. Während in Kolon 147 das selbstständige Personalpronomen steht und auch noch durch Appositionen erweitert ist, ist das Subjekt in Kolon 157 nur durch die Verbalendung zum Ausdruck gebracht. Dafür fehlt in Kolon 147 der Adressat, der hingegen in 157

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Die Gebete Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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ausführlich benannt ist (ANA d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA). In Kolon 147 ist das Objekt mit kūn kwi[n INIM] im Singular ausgedrückt und dementsprechend in Kolon 149 durch das Pronomen =an „es (scil. das Wort)“ wieder aufgenommen. In Kolon 157 findet sich der Plural kē kwe AWATE meš ; dasselbe gilt für das anaphorische Pronomen =at „sie (scil. die Worte)“ in Kolon 158. In Kolon 149 ist weder ein Dativus commodi noch ein Vokativ zu finden, während Kolon 158 über beides verfügt – das Personalpronomen =mu „für mich“ und d 10 uru zippalanda EN=YA. Mit der Bitte um Beförderung in Kolon 158 endet die Bittpassage. Es folgt – nach Nennung der Bedingung für die Erfüllung (tail-head-linking) – ein Gelübde, wie bereits in den vorangegangenen Gebeten an Lelwani, Zintuḫi und Mezzulla. Der Struktur des Gebets entsprechend umfasst die Gelübdebedingung zwei Komponenten: die Vermittlung der Worte an den Wettergott und die Sonnengöttin von Arinna (Kolon 159) sowie den persönlichen Einsatz des Wettergottes von Zippalanda für das Wohl Ḫattušilis (vgl. die Opposition von aššuli „zum Guten“ in Kolon 156 und ḪUL-uwaz „weg vom Bösen“ in Kolon 160). Sind diese Bedingungen erfüllt, verspricht Puduḫepa Gegenleistungen materieller Art (Kolon 162 und 163). Leider sind die letzten Zeilen der Tafel weitgehend zerstört. Das Gebet an den Wettergott von Zippalanda umfasst also eine Anrede, einen charakterisierenden Kurzhymnus, eine zweiteilige Argumentation mit integrierten Bitten und ein abschließendes Gelübde. Das erste und umfassendste Teilgebet der Tafel ist an die persönliche Göttin Puduḫepas gerichtet (Kolon 1–87). Das zweite Teilgebet der Tafel spricht die Totengöttin Lelwani an, in deren Ressort die offenbar lebensbedrohliche Erkrankung Ḫattušilis fällt (Kolon 88–120). Das dritte Teilgebet eröffnet den Reigen kürzerer, der Gebetslänge nach aber gemäß dem Gesetz der wachsenden Glieder angeordneter Teilgebete (11 Kola – 11 Kola – mindestens 21 Kola). Sie sind an die Mitglieder der Familie der Sonnengöttin von Arinna und ihres Gemahls, des Wettergottes, gerichtet: Zunächst erhält die Enkeltochter ein kurzes Gebet (Kolon 121–131). Sein Inhalt ist lediglich die Vermittlung. Durch eine ähnliche Wortwahl wie gegenüber Lelwani (āššu parranda mematti „du sollst Gutes übermitteln!“ in den Kola 96, 111, 116 und 124; KA×U-az weddu „es soll aus dem Mund kommen!“ in Kolon 114 und in Kolon 128) wird eine Verbindung beider Gebete zueinander hergestellt. In starkem Kontrast zur parallel gestalteten Wortwahl stehen die Persönlichkeiten der Göttinnen: Während Lelwani als Totengöttin das Ende des Lebens symbolisiert, erscheint die selbst noch schutzbedürftige (Kolon 123) Enkelin Zintuḫi als Symbol von Beginn und Hoffnung. Das nächste Teilgebet gleicher Länge richtet sich an die Tochter der Sonnengöttin und des Wettergottes, Mezzulla (Kolon 132–142). Seine Funktion ist – ebenso wie bei Zintuḫi – lediglich die Vermittlung an das Götterpaar. Das letzte Teilgebet ist an den Wettergott von Zippalanda gerichtet (Kolon 143–163), den Sohn der Sonnengöttin von Arinna und des Wettergottes. Es ist nicht nur das längste der Verwandtengebete (Zintuḫi, Mezzulla, Wettergott von Zippalanda), sondern auch inhaltlich das umfassendste: In Aufbau und Wortwahl ist es zwar dem Gebet an Mezzulla

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Von der Stilistik zu Dramaturgie

sehr ähnlich, aber anders als dieses verfügt es über eine eigenständige Argumentation und beinhaltet Bitten, die über die bloße Bitte um Vermittlung hinausgehen.

5.7 Synthese Wie die bisherigen Kapitel zeigen konnten, sind die hethitischen Gebete sowohl hinsichtlich der formalen Ausgestaltung von Mikro- und Makrostruktur als auch in der inhaltlichen Ausrichtung auf ein Ziel hin rhetorisch geschickt komponiert. Fasst man die Sonnengottgebete CTH 372–374 mit ihren verschiedenen Versionen zusammen, so „plagiiert“ keines der uns bekannten Gebete ein anderes; jedes ist individuell gestaltet. Die Gebete argumentieren in sich kohärent, und ihre formale und strukturelle Ausgestaltung ist anhand inhaltlicher bzw. argumentativer Kriterien gewählt. Das Spektrum der hethitischen Gebetstexte ist dementsprechend weit, und es gibt keinen Automatismus, mit dessen Hilfe wir diese Texte interpretieren könnten: Jedes Gebet bedarf einer gesonderten Untersuchung; jedes muss für sich verstanden werden. Ausgehend von der syntaktischen Gliederung des Textes in Kola, die durch die hier verwendeten Editionsprinzipien augenfällig gemacht werden, wird auch die poetische Formung der Texte offenbar (s. Kap. 5.2): Durch stilistisch markierte Kola, die sich aufeinander beziehen, können wir die Texte segmentieren und so anhand von verwendeten Stilmitteln inhaltlich und argumentativ zusammen gehörige Textabschnitte erkennen. Denn über das Prinzip der Abweichung von der Sprachnorm (deviation) einerseits und parallelen Gestaltungsmustern (parallelism) andererseits (vgl. Jeffries und McIntyre 2012: 31) lenken Stilmittel die Aufmerksamkeit des Rezipienten und kodieren so die Intention des Verfassers. Was so an der Oberfläche der Kola sichtbar wird, ist in der Struktur des jeweiligen Textes verankert und erhält von dort auch die Motivation für seine Gestaltung. So gelangen wir über die Stilmittel zu wichtigen Informationen über die Struktur des Textes sowie zu bedeutenden Hinweisen zum Textverständnis. Bei den Stilmitteln, die wir erkennen können, handelt es sich um solche, die uns auch aus der Literatur anderer Kulturen bekannt sind. Die Hymnen der Sonnengottgebete (CTH 372–374) erweisen sich hierbei als eine wichtige Keimzelle der für die hethitischen Gebete charakteristischen Stilistik. Sie lehnen sich eng an mesopotamische Vorlagen an, in denen sich formvollendet lautlicher Redeschmuck, Parallelismen, Chiasmen und eine stark bildhafte Sprache finden (Zgoll 2003b: 248–57). Diese Stilmittel können dabei auf unterschiedlichen Ebenen agieren: So reicht die stilistische Formung der Gebete von der lautlichen Ebene im Mikrobereich, auf der sich der Klang einzelner Worte verdichtet (vgl. z. B. CTH 372, Kolon 150), über lexikalische Einheiten (vgl. z. B. CTH 378.1, Kolon 114), ganze Phraseme (vgl. CTH 384.1, Kolon 43) und die Ebene des Kolons (vgl. CTH 372, Kolon 28 und 29) bis hin zur makrostrukturellen Ebene der Textkomposition (wie im strukturierenden Parallelismus der Kola 55–56 und 150–151 aus CTH 378.1). Besonders markante Textteile der hethitischen Gebete zeichnen sich durch eine starke Häufung der Figuren aus, so dass sich gerade aus der Summe der

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auf mehreren Ebenen ineinander greifenden Stilmittel das argumentative Gewicht der Textstelle ermessen lässt. Die folgenden Stilmittel sind in den hethitischen Gebeten in besonderem Maße relevant: • Phonetische Häufungen: Lauthäufungen im Bereich des Vokalismus und/oder Konsonantismus, mitunter zur lautmalerischen Unterstützung der Aussage (Onomatopoesie), finden sich z. B. in CTH 374, Kolon 67 und 68. • Partielle Assonanzen (Alliteration, Homoioteleuton): Wörter mit gleichem Anlaut (vgl. CTH 373, v. a. Kolon 34 und 35) ebenso wie Wörter mit gleichem Auslaut (vgl. CTH 373, Kolon 30–33) können sowohl innerhalb eines Kolons, als auch über mehrere Kola hinweg miteinander korrespondieren. • Assonanzen (Anapher, Epipher): Die über satzeinleitende Partikel(ketten) stark strukturierende Syntax des Hethitischen lässt der Anapher als Stilmittel wenig Raum. Hier ist eher die Abweichung (deviation) auffallend. Als Stilmittel gebraucht ist die Anapher z. B. in CTH 378.2, Kolon 170–172. Als Epipher weist sich CTH 383.1, Kolon 112 und 113, aus (mit Wortspiel gegenüber Kolon 111). • Figura etymologica: Mit nur drei Belegen ist die Figura etymologica in den hethitischen Gebeten im Vergleich zu anderen, weiter standardisierten Textgattungen selten, vgl. CTH 374, Kolon 25 (ḫanneššar ḫannatta), CTH 378.1, Kolon 114 (šarnikziell=a šarninkeškemi) und CTH 384.1, Kolon 106 (piyan … piyan ḫarzi). • Wiederholung (Lexeme, Konstituenten): Die Wiederholung einzelner Lexeme ist häufig, vgl. CTH 376.1, Kolon 31, 32, 33, 34, 36. Sie trägt zur Verdichtung bei und setzt inhaltliche Akzente. CTH 381, Kolon 14–30, fällt durch eine Vielzahl an Wiederholungen mehrerer unterschiedlicher Konstituenten auf. • Wiederholung ganzer Kola (mit Variation): Die Wiederholung ganzer Kola wird vermieden. Beliebt ist hingegen die Variation, in der die Wiederholung eine besondere Rolle spielen kann (Rieken 2016), so in CTH 373, Kolon 79 gegenüber Kolon 75. • Parallelismus (formal): Das wohl auffälligste und häufigste Stilmittel der hethitischen Gebete ist der Parallelismus. Ursprünglich an mesopotamischen Vorbildern orientiert wie in den hymnischen Teilen der Sonnengottgebete (vgl. u. a. CTH 374, Kolon 44–45), finden sich auch in den spätjunghethitischen Gebeten etliche Beispiele, z. B. in CTH 383.1, Kolon 5–6. • Parallelismus (inhaltlich): Auch auf der inhaltlichen Ebene können Parallelismen eingesetzt werden, um Bezüge herzustellen und Textverweise zu setzen. Vor allem in den Gebeten Ḫattušilis und Puduḫepas wird der inhaltliche Parallelismus weiter ausgestaltet und in zunehmendem Maße instrumentalisiert, um argumentative Ziele zu erreichen, z. B. wird das Motiv „Tatsachenbericht“ in CTH 383.1 in Kolon 13–14 eröffnet und in Kolon 43–44 zum ersten Mal wieder aufgegriffen. Hier werden parallel aufgefasste Sachverhalte auch parallel formuliert und als Argumente im Rahmen der Falldarlegung vorgebracht.

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• Chiasmus (formal): Der Chiasmus ist in den hethitischen Gebeten ein etabliertes Stilmittel. Er ähnelt dem Parallelismus insofern, als er sich dessen parallele Struktur als Grundlage für seine inverse Struktur zunutze macht, vgl. z. B. CTH 373, Kolon 34–35, auf der Ebene einzelner Lexeme. Aber auch auf der Ebene von Kola gibt es viele Belege des beliebten Stilmittels, wie in CTH 381, wo Kolon 117–118 und Kolon 124–125 chiastisch aufeinander Bezug nehmen. • Chiasmus (inhaltlich): Ähnlich wie beim Parallelismus gibt es auch im Rahmen des Chiasmus Belege, die inhaltlicher Natur sind, so CTH 383.1, Kolon 121 und 123. Die Verschränkung betrifft hier die Deixis: Das adressatenbezogene Pronomen apā- in Verbindung mit dem Subjekt in der 1. Person (Sprecher) in Kolon 121 steht dem sprecherbezogenen Pronomen kā- mit dem Subjekt der 2. Person (Adressat) in Kolon 123 gegenüber, so dass sich ein Chiasmus auf inhaltlicher Ebene ergibt. • Rahmenkonstruktion (mit Zentrum): Bei diesem komplexen Stilmittel handelt es sich um parallel gestaltete Kola, die sich wie ein Rahmen um ein meist genau in der Mitte liegendes Zentrum legen, vgl. CTH 372, Kolon 44 und 46 mit Kolon 45 als Zentrum. Es gibt aber auch umfangreichere Textpassagen (mit ungerader Kolonzahl), die sich dann wie konzentrische Kreise um das Zentrum legen, vgl. CTH 378.1, Kolon 119 und Kolon 125 mit Kolon 122 als Zentrum. Diese Rahmenkonstruktionen sind in den hethitischen Gebeten mit einer gewissen Häufigkeit belegt und liefern zuverlässige Informationen zur Textstruktur. • Textmuster: Über die Rahmenkonstruktionen hinaus sind viele weitere komplexe Textmuster belegt, die in den einzelnen Texten individuell ausgestaltet sind. Als Beispiel kann CTH 373, Kolon 41–52, angeführt werden, wo sich ein Textmuster ∅ – ABC – D – ABC – DD – ABC ergibt; desgleichen das Textmuster A – B – A+B, das sich auf der Ebene der Lexeme nakki- und šalli- in CTH 376.1, Kolon 31–36, findet. In CTH 378.1, wo es um die Opferhandlungen geht, lässt sich dieses Textmuster außerdem auf inhaltlicher Ebene beobachten: erst A (Kolon 93), dann B (Kolon 99–100), dann beide zusammen (Kolon 111–114). Der Ausgestaltung und Variation von Textmustern scheinen kaum Grenzen gesetzt. • Elemente ansteigender Größe: Auffällig an der Struktur der hethitischen Gebete ist die Beliebtheit der Anordnung von Elementen in ansteigender Größe. Dieses Phänomen ist sowohl im Kleinen zu beobachten, wenn z. B. in CTH 384.1, Kolon 43, die Silbenzahl der alliterierenden Bestandteile von drei (apāš=ma) auf vier (apēl ḫargan) und letzlich weiter auf fünf (apēll=a ḫinkan) anwächst, als auch im Großen. Als Beispiel hierfür kann CTH 373, Kolon 41–52, angeführt werden. Dort wechseln im Rahmen der Bitte um Offenbarung Textsegmente mit ansteigender Kolonzahl mit gleichbleibenden Wiederholungssegmenten, ausführlich dargestellt auf S. 237–238 (Kap. 5.2). In CTH 381 ist zu beobachten, dass die Vermittlungsbitten sukzessive an Umfang zunehmen: zunächst die Bitte an Šeri (Kolon 28–30), dann diejenige an den Sonnengott des Himmels (Kolon 96–103) und schließlich die Bitte an den persönlichen Gott (Kolon 105–159).

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• Rückgriff: Der Rückgriff ist in den hethitischen Gebeten ein beliebtes Mittel, um Textkohäsion zu erzeugen. So wird in CTH 378.2 zunächst von zwei Tafelfunden berichtet (Kolon 34–38: Māla-Tafel, Kolon 39–78: Ägypten-Tafel), auf die dann im Rahmen der Orakelanfrage ein Rückgriff erfolgt (Kolon 71–78: Ägypten-Tafel, Kolon 79–80: Māla-Tafel). Ein weiteres Mal wird das Thema aufgegriffen, wenn die Opfer erfolgen (Kolon 100–104: Opfer wegen Māla, Kolon 105–109: Opfer wegen Ägypten). Im Rahmen der Rückgriffe sind Chiasmen sehr beliebt. • Antithese: Das Gegenüber von Gegensätzen wie „gut“ und „schlecht“ wird in den hethitischen Gebeten gerne thematisiert; so z. B. in dem Sonnengottgebet CTH 372, in dem der Sonnengott in Kolon 27 als „Gutgestellter“ charakterisiert wird, während der Betende sich in Kolon 156 als einen in seinem Unglück „nicht gutgestellten Menschen“ beschreibt. Oft wird die Antithese im Rahmen eines Rückgriffs ausgestaltet. • Merismus: Das Stilmittel des Merismus (außerhalb fester meristischer Formeln wie „des Himmels und der Erde“) ist eine Besonderheit der Texte Muwatallis. Die Gegensätzlichkeit von Form und Inhalt zeigt sich z. B. in CTH 381, Kolon 16–17. Hier liegt formal ein Parallelismus vor, doch auf inhaltlicher Ebene wird eine Opposition aufgebaut. • Wörtliche Rede: Die wörtliche Rede wird im Gebet verwendet, um in der Einleitenden Kontextualisierung Repräsentanten einzuführen, so in CTH 376.1, Kolon 4 und 5, oder um über zurückliegende Aussagen zu berichten. Dramaturgisch markant ist die wörtliche Rede in CTH 383.1, Kolon 110 und Kolon 115–116, gebraucht, wo sie auf dem Höhepunkt des Gebetstextes effektvoll zum highlighting eingesetzt ist: Hier verdichtet sich in einer Frage- und Antwortsequenz die Dramatik des Textes. • Vergleich: Vergleiche werden in den hethitischen Gebeten durchweg an argumentativ bedeutenden Textstellen angeführt. Dem bildlich ausgestaltendem Vergleich als retardierendem Moment – besonders markant in der Position vor der Zentralen Bitte – kommt dabei eine wichtige Funktion zu. So folgen in CTH 374 auf vier Bitten (Kolon 82–85) vier kurze Vergleiche (Kolon 86–92), bevor ab Kolon 93 weitere Bitten folgen. Als Vergleichsgrößen werden Tiere, Gestirne, Stein und Schwangerschaft herangezogen. • Sprichwort: Den späten Beleg eines Sprichwortes gibt es in den hethitischen Gebeten, vgl. CTH 384.1, Kolon 62. Das in wörtlicher Rede zitierte Sprichwort bildet hier die Grundlage für einen Vergleich und ist – wie die anderen Vergleiche – vor den Zentralen Bitten positioniert. • Intertextuelle Bezüge: Obwohl jedes Gebet seine eigene Struktur und seinen eigenen Charakter hat, zeigt sich in allen den Sonnengottgebeten CTH 372–374 nachfolgenden Gebeten immer wieder das Phänomen, dass Bezüge zu den Vorgängergebeten hergestellt werden. Besonders deutlich wird dies bei der Verwendung des Vergleichs des Vogels im Nest, der in CTH 378.1, Kolon 134–135, im Kontext der

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Zentralen Bitte um das eigene Überleben zu finden ist. In CTH 381, Kolon 120–121, wird der Vogel-Vergleich als Vorbereitung auf die Zentralen Bitten verwendet, allerdings in abweichendem Wortlaut. Vor allem in CTH 381 ist die Bezugnahme auf Vorgängergebete besonders stark ausgeprägt. Die nachfolgende Tabelle dokumentiert die Beleglage dieser Stilmittel in den unterschiedlichen Gebetstextgruppen: CTH 372–4

Muršili

Muwatalli

Ḫattušili

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× – ×

× × ×

×

×



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– × – × × × × × × × × × – ×

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Stilmittel Phonetische Häufungen (ggf. mit Onomatopoesie) Partielle Assonanz (Alliteration, Homoioteleuton) Assonanz (Anapher, Epipher) Figura etymologica Wiederholung (Lexeme, Konstituenten) Wiederholung ganzer Kola (mit Variation) Parallelismus (formal) Parallelismus (inhaltlich) Chiasmus (formal) Chiasmus (inhaltlich) Rahmenkonstruktion Textmuster Elemente ansteigender Größe Rückgriff Antithese Merismus Wörtliche Rede Vergleich Sprichwort Intertextuelle Bezüge

Tabelle 5.2: Chronologische Entwicklung der Stilmittel Aus der breiten Palette der beobachtbaren Stilmitteln tritt auf allen Textebenen besonders der Parallelismus als ebenso auffälliges wie häufiges Stilmittel hervor. Er ist in allen hethitischen Gebetstexten gleichermaßen bedeutend. Er kann dabei ganz streng formaler Natur sein und zwei (oder mehrere) Kola zueinander in Bezug setzen oder aber auf inhaltlicher Ebene zwei (oder mehr) Textabschnitte als Parallelen markieren. Die

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Verwendung von Parallelismen ist in den älteren Gebeten wie den Sonnengottgebeten (CTH 372–374) tendenziell eher formaler Natur und auf die angesprochene Gottheit euphonisch ausgerichtet, während in den späten Gebeten, wie wir sie aus der Zeit von Ḫattušili und Puduḫepa (CTH 383.1 und CTH 384.1) kennen, nicht so sehr die ästhetische Formvollendung im Vordergrund steht als vielmehr eine zielgerichtete Argumentation, um Ḫattušili im rechten Licht erscheinen zu lassen. Als Kernstilmittel gibt uns der Parallelismus wichtige Hinweise auf die Struktur der hethitischen Gebetstexte. Besonders charakteristisch für die hethitischen Gebete sind – neben den auf mesopotamische Vorbilder zurück gehenden Rahmenkonstruktionen mit konzentrischer Formung (vgl. Zgoll 2003b: 250) – die komplexen Textmuster. Wenngleich unter Muršili (CTH 376.1, CTH 378.1, CTH 378.2) zur Meisterschaft gebracht, sind sie in allen Gebetstextgruppen vertreten und zeichnen sich – wie bereits ausgeführt – durch eine individuelle Gestaltung aus. Der rhetorische Anspruch der hethitischen Gebete lässt sich an der Komplexität der Textmuster ebenso messen wie an der Gesamtkomposition der Gebete. Bemerkenswert ist hierbei die Vielschichtigkeit der Textkomposition: Mehrere Kompositionsebenen können nebeneinander bestehen, indem sie den Gebetstext anhand unterschiedlicher Kriterien auf unterschiedliche Weise strukturieren, wie z. B. in CTH 378.2, wo neben der klaren Zweigliedrigkeit des Gebetstextes (1. Gebetsteil: Kolon 1–89, 2. Gebetsteil: Kolon 90–182) eine ebenso deutliche Dreigliedrigkeit der Strukturelemente besteht (z. B. 1. Bekenntnis: Kolon 82–83, 2. Bekenntnis: Kolon 128–129, 3. Bekenntnis: Kolon 166­–167). Mit Feinsinn sind hier beide Textrhythmen gegeneinander gestellt, um sich zu einem großen Ganzen zu vereinen. Der Ehrgeiz der Verfasser der Gebetstexte richtet sich also sowohl in der Komposition der Gebetstexte als auch bei der Verwendung und Ausgestaltung der einzelnen Stilmittel darauf, sie so einmalig und rhetorisch geschickt wie möglich zur Anwendung zu bringen. Dabei gilt die Prämisse: Je höher die Verdichtung von Stilmitteln einer Textpassage, um so größer ist ihr Nachdruck und um so wichtiger ist ihr argumentativer Gehalt. Es gilt um jeden Preis, die Neugier der Götter zu wecken und die Aufmerksamkeit der Götter zu erhalten; sie dürfen nicht gelangweilt werden und sollen die offen zutage liegende Argumentation des Betenden leicht erkennen können, so dass sie das nicht Gesagte übersehen. Die Verwendung der Stilmittel gewährleistet die rhetorische Ausgestaltung eines einmaligen Textes mit individueller Zielsetzung. Insgesamt bleibt die Menge der verwendeten Stilmittel konstant, lediglich die Akzente verschieben sich vom Euphonischen zum Argumentativen, vom Allgemeinen zum Individuellen, von der Form zum Inhaltlichen: Die Sonnengottgebete (CTH 372–374) lehnen sich noch stark an die Formensprache der mesopotamischen Gebete an. Muršilis Gebete (CTH 376.1, CTH 378.1, CTH 378.2), die von der Bedrohung durch die Seuche geprägt sind, weisen ihn als einen Meister der komplexen Stilmittel (z. B. Rahmenkonstruktion, Textmuster) sowie der Textkomposition (z. B. Rückgriff) aus. Muwatallis Gebet CTH 381 hingegen glänzt durch seine makellose Oberfläche mit oft zuwider laufendem Inhalt (z. B. Merismen). Die Bezugnahme auf Vorgängergebete (Intertextualität) ist hier ausgeprägt. Die Gebete von Ḫattušili und Puduḫepa (CTH 383.1, CTH 384.1) sind in einer dargestell-

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ten historischen Realität verankert und haben das Ziel, Ḫattušili gut präsentieren. Der starke Gegenwartsbezug kommt durch Stilmittel wie wörtliche Rede, Vergleiche und den Einsatz eines Sprichwortes zum Ausdruck. Auch in diesem Adaptionsprozess zeigt sich aufs Neue die Kreativität und Gestaltungsfreude der hethitischen Verfasser, deren Texte sich in zunehmendem Maße von den mesopotamischen Vorbildern entfernen.

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6 SCHLUSS (von Elisabeth Rieken) Die vorangegangene Arbeit hatte zum Ziel, erstmals eine Textsorte des hethitischen Schrifttums hinsichtlich ihrer Abgrenzbarkeit zu untersuchen. Es sollte eine umfassende Beschreibung und textlinguistische Analyse vorgenommen werden. Hierfür bot sich das Genre des persönlichen Gebets an, weil es nicht nur eine hinreichende und gleichzeitig noch überschaubare Menge an Material umfasst, sondern auch eine Reihe von Merkmalen besitzt, die eine derartige Studie lohnend erscheinen lassen. Die Schnittstelle zur Literaturwissenschaft ergab sich über die Rhetorik in der Behandlung der Stilistik und der Dramaturgie der Texte. Die Untersuchung basiert auf der online publizierten Neuedition der Gebetstexte (Rieken, Lorenz und Daues 2016), der die philologischen Details und weiterführende Sekundärliteratur entnehmen sind, in der die zahllosen früheren Arbeiten die gebührende Würdigung erfahren. Dementsprechend sind auch die im Anhang (S. 319–443) wiedergegebenen Texte nicht als wissenschaftliche Edition gedacht, sondern als Handreichung für den schnellen Überblick über den Text und für die – gegenüber der onlinePublikation – stabile Referenz auf die Kolon-Nummern. Für die Begriffsbestimmung (Kapitel 1.2) der persönlichen Gebete der Hethiter bildete zunächst die Definition von Singer (2002b: 307) den Ausgangspunkt, der zufolge es sich dabei um Gebete (Rede zu Gott) handelt, in denen der König oder die Königin von den Göttern ein hilfreiches Eingreifen in einer Notsituation erbitten; nur im Falle des Kantuzili-Gebets CTH 373 ist der Betende lediglich ein hochrangiges Mitglied der königlichen Familie. Bei diesem inhaltlich orientierten Abgrenzungsversuch ergab sich eine weitgehende Übereinstimmung mit dem „ethnischen“, d. h. von den Hethitern selbst verwendeten (emischen) Gattungsbegriff des arkuwar „Falldarlegung“, der von den Hethitern selbst im Sinne eines pars pro toto in junghethitischer Zeit in den deklarativen Hinweisen innerhalb des Gebets oder im Kolophon für die betreffenden Texte gebraucht wird. Die Einbeziehung von CTH 375 ist dabei aufgrund der Verwendung des semantisch wohl äquivalenten Ausdrucks DINAM arnu- „als Rechtssache vorbringen“ erfolgt, während die Sonnengottgebete CTH 372–374 und CTH 376.1 wegen der Kontinuität der Entwicklung ihrer formalen und inhaltlichen Merkmale in das Korpus eingeschlossen wurden. Darauf aufbauend wurde wiederum zusätzlich als notwendiges strukturelles Kriterium das Vorkommen einer argumentativen Darlegung des Betenden hinsichtlich seiner Notsituation bzw. seines Rechtsfalls hinzugenommen. Auf dieser Grundlage haben sich allerdings CTH 377, CTH 380.1, CTH 381 und CTH 382 als potenzielle Grenzfälle hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Textsorte des persönlichen Gebets herausgestellt. Was bereits in diesem Versuch einer Definition der Textsorte anhand von gemeinsamen hinreichenden und notwendigen Merkmalen zutage tritt, hat sich im Verlauf der

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Untersuchung bestätigt: Die Zugehörigkeit zur Kategorie des persönlichen Gebets ist gradueller Natur, und die Übergänge zu benachbarten Kategorien (etwa den Textsorten der Rituale, Hymnen und Gelübde) sind mitunter fließend. Neben den eben genannten Kriterien gibt es eine Reihe von anderen Kriterien auf der Ebene der externen Faktoren (Situation, Medium, Akteure u. a.), der Makrostruktur (Adressatenstruktur, Gebrauch und Anordnung von Strukturelementen), der Mikrostruktur (Anwendung bestehender Textmuster und Intertextualität) sowie des Einsatzes stilistischer Mittel und des dramaturgischen Aufbaus. Bei der Beurteilung, ob ein gegebener Text der Textsorte des persönlichen Gebets angehört, spielt aber nicht nur die Menge der für die Textsorte typischen Merkmale eine Rolle, sondern auch die Merkmale selbst können in mehr oder weniger typischer Form gestaltet sein. Im Folgenden sollen nun – durchaus auch im Sinne einer Zusammenfassung – die in der Untersuchung behandelten Merkmale gesichtet werden, um so einerseits den Grad ihrer Wichtigkeit für die Textsorte einschätzen zu können und um andererseits festzustellen, welche Texte als prototypisch für das persönliche Gebet der Hethiter gelten können und welche eher als randständig zu betrachten sind. Es ist also durchaus möglich, dass auch die oben genannten Grenzfälle (CTH 377, CTH 380.1, CTH 381 und CTH 382) eine andere Position einnehmen als anfangs erwartet. Für alle persönlichen Gebete der Hethiter (und viele andere Arten der Rede zu Gott) gilt, dass die Intention des Gesamttextes eine appellative ist: Der Sprecher möchte die Gottheit in ihrem Handeln und ihrer Einstellung in seinem Sinne beeinflussen (Kapitel 2.1). Diese Kommunikationsabsicht ist als Bitte (sehr selten als Feststellung) formuliert und bildet das dominierende Zentrum aller anderen stützenden Illokutionen. Gleichzeitig ist der explizit performative Hinweis auf das Bitten der dramaturgische Höhepunkt des Gebets: Die chronologische Anordnung der Strukturelemente ist auf das Hier und Jetzt des Gebetsaktes ausgerichtet. Für die Zugehörigkeit zur Textsorte erweisen sich die beteiligten Akteure als relevant (Kapitel 2.2). Beim Sprecher handelt es sich zumeist um den König selbst, seltener um die Königin oder um ein Mitglied der königlichen Familie. Lediglich drei Gebete (CTH 376.1, CTH 377 und CTH 378.2) werden von einem Repräsentanten ausgeführt. Dabei fällt auf, dass diese drei Texte relativ früh (unter Muršili) verfasst sind und dass in der Einleitenden Kontextualisierung der beiden erstgenannten der Auftrag als muga(e)- „herbeirufen“ bezeichnet wird. Diese explizite Einbettung in ein mugauwar ist atypisch und korreliert in CTH 377 wiederum mit dem Fehlen des konkreten Anlasses für das Gebet, das – so die Einleitung des Gebets – zudem täglich (ohne Angabe einer zeitlichen Begrenzung) gesprochen wird. Die enge Anbindung an die Ritualtradition scheint sich in diesem Fall auf Inhalt und Ausführung auszuwirken. Die Adressaten sind überwiegend staatstragende Gottheiten oder die Götterversammlung. Anders verhält es sich, wenn in der Einbettungs- oder Additionsstruktur (s. Kapitel 3.3.3.1 bzw. 3.3.3.2) mehrere verschiedene Adressaten auftreten: In den Sonnengottgebeten CTH 372–374 erscheint der persönliche Gott im eingebetteten Zentralen Gebet, während in den jüngeren Texten Gottheiten niedrigeren Ranges in den ange-

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fügten Vermittlungsgebeten angerufen werden. Für diese beiden gängigen Muster sind die folgenden Ausnahmen zu verzeichnen: CTH 377 richtet sich an Telipinu, den verschwundenen Gott par excellence, was in Übereinstimmung mit der Zuordnung zu den mugauwar-Ritualen steht. In CTH 380.1, dem „substitution ritual and prayer“, bittet man aus Anlass einer lebensbedrohlichen Krankheit die Totengottheit Lelwani ums Überleben. CTH 381, das sich in vielerlei Hinsicht und nicht zuletzt durch die rituelle Einbettung und Auslassung der Falldarlegung als idiosynkratisch erwiesen hat, setzt drei Vermittler ein: Šeri, als Akolythen des Wettergottes, den staatstragenden Sonnengott und den persönlichen Gott des Königs, d. h. den Wettergott piḫaššašši. CTH 382, das u. a. durch das Fehlen einer zusammenhängenden vergangenheitsbezogenen Falldarlegung seinen besonderen Status erhält, ist an den Wettergott von Kummanni gerichtet, der wohl nur unter Muwatalli eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Es sind also gerade die vier Grenzfälle, die sich hinsichtlich der Adressaten atypisch verhalten. Obgleich Konsens darüber besteht, dass die Gebete als Teil des Rituals Verwendung gefunden haben (vgl. etwa Houwink ten Cate 1969: 87; Singer 2002a: 12), und obgleich es in den Texten selbst durch deklarative Passagen mehrfach Hinweise auf gleichzeitig stattfindende Rituale gibt, ist dies nur in zwei Gebetstexten durch Beschreibungen explizit festgehalten. Es handelt sich dabei um das „substitution ritual and prayer“ CTH 380.1 und das „framework of a prayer“ CTH 381. Hier ist also die Anwesenheit von Ritualexperten als weiteren Akteuren wahrscheinlich. Eine Versammlung, die sich den Bitten durch Zuruf anschließt, wird jeweils am Ende von CTH 376.1 und CTH 377 erwähnt. Diese beiden Gebete zeichnen sich zudem dadurch aus, dass sie Teil eines mugauwar-Rituals sind, wie aus der Einleitenden Kontextualisierung hervorgeht. Die Frage nach der Autorenschaft, für die de Roos (1995: 1997) noch das Diktat durch den König erwogen hat, kann nach der vorliegenden Untersuchung dahingehend beantwortet werden, dass hier eindeutig die gelehrten Schreiber auch die Verfasser sind. Für die persönlichen Gebete, die keine Grenzfälle darstellen, und für CTH 381 lassen die ausgefeilte stilistische und dramaturgische Gestaltung der Gebete und ihre Intertextualität keinen anderen Schluss zu, als dass die Texte mit Sorgfalt und großem Zeitaufwand und vor allem mit genauer Kenntnis schon vorhandener Gebetstexte formuliert worden sind. Für CTH 377 und CTH 380.1 gibt es wiederum keinen Grund zur Annahme, dass man für die Niederschrift der insgesamt formelhaften Äußerungen noch auf den König zurückgreifen musste. Im Falle von CTH 382 selbst hätte sich auch der König auf die lange kasuistische Aufzählung möglicher Vergehen vorbereiten müssen; eine spontane Äußerung liegt jedenfalls nicht zugrunde. Auch für die Archivierung und Tradierung waren selbstverständlich die Schreiber zuständig. Die Rolle des Königs beschränkt sich also ganz auf den Auftrag für das Gebet und die Performanz desselben, wenn er nicht sogar diese an einen Repräsentanten abgetreten hat. Für alle Gebete des Korpus gilt aber gleichermaßen, dass sie trotz der Distanz zwischen menschlicher und göttlicher Sphäre verschiedene nähesprachliche Merkmale konzeptioneller Mü ndlichkeit aufweisen (Kapitel 2.3). So ist die Kommunikationssituation als mündliches Gespräch mit der Gottheit im Angesicht derselben vorgestellt

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(vgl. CTH 381, Kolon 4), wobei allerdings die direkte Kommunikation nach einer (meist namentlichen) Anrede nur einseitig vom Menschen zur Gottheit stattfindet; ggf. eingeforderte Antworten auf Fragen des Menschen müssen über Orakel eingeholt werden. Hat sich eine Gottheit vom Betenden abgewandt und entfernt, so muss sie zuerst durch ein Ritual (mugauwar) herbeigerufen bzw. ihr Zorn „gelöst“ werden. Informationen hierüber liefern vor allem die ungewöhnlich ausführlichen Einleitenden Kontextualisierungen der Gebete CTH 376.1 und CTH 377 bzw. CTH 382. Eine Weitergabe der menschlichen Botschaft an den göttlichen Adressaten durch einen Vermittler spiegelt sich außer in der Bitte um Vermittlung sprachlich nicht wider: Eine Verschiebung des an die Sprechsituation gebundenen deiktischen Zentrums ist in der eingebetteten direkten Rede nicht notwendig. In der Wahl der vermittelnden Gottheiten stellt CTH 381 insofern eine Besonderheit dar, als es für die Fürsprache sowohl einen Akolythen (Šeri) als auch den Sonnengott, d. h. einen Hochgott, einsetzt. Zusätzlich wird die Rolle des persönlichen Gottes vom Adressaten des Zentralen Gebets gleichfalls zu der des Vermittlers umgestaltet: Das Teilgebet an den Wettergott piḫaššašši enthält zwar typische Elemente der Zentralen Gebete aus CTH 372–374 wie den Hinweis auf seine Elternrolle, aber es trägt ihm die Fürsprache für den Betenden vor der Götterversammlung auf. Die Komplexität der Strukturen und dramaturgischen Gestaltung sowie die Intertextualität der Gebete zeigen deutlich, dass – im Gegensatz zu Merkmalen konzeptioneller Mündlichkeit, die auf die Sprechsituation bezogen sind – die Texte ein Produkt der Schreibergelehrsamkeit darstellen; sie sind für die Archivierung und Wiederverwendung vorgesehen. Letzteres wird wieder anhand des Gebets Muwatallis II. an die Götterversammlung (CTH 381) deutlich, das lediglich den wiederholbaren Rahmen des Gebets umfasst, in den die Falldarlegung entsprechend dem aktuellen Anlass eingesetzt werden soll. Das persönliche Gebet der hethitischen Könige findet im öffentlichen Raum statt (Kapitel 2.4). Dies geht aus der Art der Bitten hervor, in denen es vielfach um das Wohl des Staates geht, aus den öffentlichen Orten der Archivierung und der Konzeptionalisierung vieler Gebete als Plädoyer in der Gerichtsverhandlung, von der man annehmen kann, dass sie öffentlich vor der Versammlung abgehalten wurde. Dementsprechend heißt es zum Schluss von immerhin zwei Gebeten, dass die Versammlung zustimmen solle (CTH 376.1, Kolon 155, und CTH 377, Kolon 61). Es handelt sich dabei – wohl nicht zufällig – um genau diejenigen beiden Gebete, die der Einleitenden Kontextualisierung zufolge als mugauwar klassifiziert und von einem Repräsentanten gesprochen werden. Houwink ten Cate (1987) vermutet mit Recht, dass in diesen Gebetsschlüssen eine Analogie zwischen der richtenden Götterversammlung einerseits und der menschlichen Versammlung (panku-) andererseits hergestellt wird. Die Konzeptionalisierung der Gebete als Plädoyer in der Gerichtsverhandlung beinhaltet, dass der König als Angeklagter, die vermittelnde Gottheit, so vorhanden, als Anwalt, die zürnende Gottheit als Kläger und die Götterversammlung als richtende Instanz zu betrachten ist. Nur in den Sonnengottgebeten CTH 372–374, die der mesopotamischen

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Gebetstradition noch sehr viel näher stehen, liegt eher ein Audienzkonzept zugrunde. Auch hier legt der Betende vor dem Adressaten seinen Fall dar, um zu bewirken, dass dieser seine göttliche Macht in seinem Sinne ausübt. Da eingangs das Vorhandensein einer Falldarlegung als notwendiges Kriterium für die Einbeziehung eines Gebets in das Korpus verwendet worden ist, gilt eine dieser beiden Konzeptionalisierungen für jeden der hier untersuchten Texte. Eine Ausnahme bildet vielleicht das Gebet fü r die Genesung von Gaššuliyawia (CTH 380.1). Denn hier berichtet die Betende im Rahmen des Ersatzrituals zwar kurz über die Vorgeschichte des Gebets; eine Verteidigungsstrategie ist darin aber nicht zu entdecken. Allenfalls gibt es ein Eingeständnis der Schuld, um zusätzlich zum Opfer den Zorn der Gottheit auch verbal zu besänftigen. Eine Deklaration des Sprechakts gibt es somit nicht, sondern nur einen Hinweis auf das Opfer. Der Text ist also auch in dieser Hinsicht exzeptionell. Im Falle von CTH 381 ist dagegen wenigstens ein Platzhalter für die Falldarlegung vorhanden. Eine ausführliche Analyse der makrostrukturellen Ebene (Kapitel 3.1–3.2) diente dem Ziel, innerhalb der Gesamttexte der persönlichen Gebete eine Grundstruktur und ihre wiederkehrenden Strukturelemente zu identifizieren, um diese hinsichtlich ihrer referenziell-thematischen, temporalen und illokutiven Kohärenz (Kapitel 3.3.1), ihrer Verknüpfung miteinander (Kapitel 3.3.2), ihrer Verflechtung mit der Adressatenstruktur (Kapitel 3.3.3) und ihrer Anordnung (Kapitel 3.3.4) besser zu verstehen und so die Voraussetzung für die Untersuchung ihrer Mikrostruktur (Kapitel 4) zu schaffen. Die Identifikation der Strukturelemente basierte auf mehreren Kriterien der Inhaltsseite, von denen das wichtigste die Erkennung der Stützungsbeziehungen innerhalb des Texte ist. Hier gibt es verschiedene funktionale Kategorien der Stützung, die die argumentativrhetorische Kohärenz des Textes ausmachen: • Sachverhaltsklärend: Hintergrundinformationen und orientierende Ergänzungen • Kooperationssichernd: Äußerungen zur Etablierung und Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehung • Verstehenssichernd: Zusatzinformationen, die das Verstehen erleichtern • Glaubwürdigkeitsstützend: Begründung, die die Glaubwürdigkeit erhöht • Motivationsstützend: Motivierung des Adressaten zu einer Handlung, für die der Sprecher um Verständnis wirbt • Ausführungssichernd: Information, die dem Adressaten die Ausführung der gewünschten Handlung erleichtert Auf dieser Basis konnten die folgenden elf möglichen Strukturelemente identifiziert werden, aus denen sich die persönlichen Gebete der Hethiter zusammensetzen: • Bittpassage: Zentrale Bitten (z. B. um Überleben) und ihre Stü tzbitten (z. B. um Gehör) • Ausfü hrungssichernde Bitte (z. B. um Überleben der Opferpriester)

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• Falldarlegungs- und Opferdeklaration (z. B. Hinweis auf zeitgleich vollzogenes arkuwar) • Negative Konsequenzen göttlichen Handelns (z. B. Ausbleiben der Opfer) • Gelü bde (z. B. Weihung einer Statue) • Positive Konsequenzen göttlichen Handelns (z. B. gute Reputation der Gottheit unter den Menschen und Göttern) • Normen (z. B. Ablassen vom Zorn nach dem Eingeständnis der Schuld) • Zusage von Korrekturmaßnahmen (z. B. Nachholen der ausstehenden Opfer) • Anrede und Hymnus auf Adressaten (z. B. Beschreibung des hohes Status) • Falldarlegung (z. B. Bericht über die Vorgeschichte der Beziehungen zwischen Betendem und Göttern; in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 stattdessen Klage über die Notsituation) • Einleitende Kontextualisierung (u. a. Nennung der Akteure) Die Grundstruktur und die argumentativ-rhetorischen Stützungsbeziehungen sind zusammenfassend in Abb. 1 auf S. 98 schematisch dargestellt. So dienen etwa Anrede und Hymnus der Kontaktaufnahme und der Herstellung der Kooperationsbereitschaft der angesprochenen Gottheit; die Falldarlegung erklärt die Gründe für die Zentralen Bitten oder auch die Ausführungssichernden Bitten; die Normen sollen der Gottheit vor Augen führen, was Recht ist, um sie auf dieser Grundlage zu rechtem Handeln und zur Erfüllung der Bitten zu bewegen. Stützungsverhältnisse wie diese sind das wichtigste Mittel, das Gebet als ein kohärentes Ganzes zu gestalten, und zeigen deutlich, dass entgegen Güterbock (1958: 237f.) die Strukturelemente keineswegs inhaltlich voneinander unabhängig sind, sondern in einem engen funktionalen Zusammenhang stehen. An dem Ausdruck der argumentativ-rhetorischen Stützungsbeziehungen sind auch die Illokutionen ausgerichtet. Weniger stark festgelegt, aber dennoch von Bedeutung ist zum einen die Kohärenz auf der temporalen Ebene – mit der Äußerung der Zentralen Bitten im Zentrum des Gebets, im Hier und Jetzt – und zum anderen die referenziellthematische Kohärenz, die die Sprechaktpartizipanten und das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Geschehen zu einander in Beziehung setzt. Die Strukturelemente decken sich in wesentlichen Teilen mit denjenigen, die Sürenhagen (1981: 123f.) festgestellt hat. Unterschiede gibt es aber hinsichtlich der Differenzierung von Zentralen Bitten und Stützbitten, im Hinblick auf den Stellenwert der Deklaration und sowie durch die Hinzunahme der Einleitenden Kontextualisierung, der Ausführungssichernden Bitten und der positiven bzw. negativen Konsequenzen göttlichen Handelns. Von den elf Strukturelementen sind lediglich drei obligatorisch: die Anrede, die Deklaration des Gebetssprechakts (z. T. im Rahmen der Einleitenden Kontextualisierung) und die Bittpassage. In dem eingangs vorgenommenen Abgrenzungsversuch der Textsorte ist auch die zusammenhängende Darlegung des Betenden hinsichtlich seiner Notsituation bzw. seines Rechtsfalls als notwendiges Kriterium für die Zuordnung

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eines Textes zum Korpus festgelegt worden. Dies hat zur Folge, dass man CTH 377, CTH 380.1, CTH 381 und CTH 382 aufgrund des Fehlens einer solchen Falldarlegung oder ihrer ungewöhnlichen Ausführung als atypische Vertreter der Textsorte betrachten muss – eine Einschätzung, die sich wegen weiterer bereits festgestellter Besonderheiten dieser Gebete zu bestätigen scheint. Umgekehrt sind unter den übrigen Strukturelementen die Ausführungssichernden Bitten und die oft daran gekoppelten Zusagen von Korrekturmaßnahmen, die Darstellung negativer Konsequenzen göttlichen Handelns sowie die Gelübde bzw. die positiven Konsequenzen göttlichen Handelns nur unregelmäßig vertreten. Das Mittelfeld nehmen die Normen, die Hymnen und die Opferdeklarationen ein. Diejenigen Gebete, die von der Vielfalt der Strukturelemente am wenigsten Gebrauch machen und deren Erhaltungszustand gleichzeitig eine Aussage zulässt,94 sind wieder CTH 377, CTH 380.1, CTH 381 und CTH 382, aber erstaunlicherweise auch CTH 383.1. Das letztgenannte Gebet ist in besonderem Maße auf die Falldarlegung fokussiert; und mit der dahinter stehenden Rechtsauffassung, dass bei gerechter Behandlung ein unterwürfiges Bitten unnötig ist, lässt sich möglicherweise auch das einzigartige Merkmal des Fehlens von Stützbitten erklären. Die Strukturelemente, aus denen sich ein kohärenter Gesamttext zusammensetzt, sind oft nicht klar voneinander abgegrenzt. Stattdessen versuchen die Verfasser der hethitischen Gebete, gerade diese Übergänge durch geschickte Überleitungen zu verbergen (Kapitel 3.3.2). Hierfür greifen sie nicht allein auf referenziell-thematische Kontinuität zwischen den betreffenden Strukturelementen zurück, sondern setzen auch die Verwendung morphosyntaktischer Kategorien aus einem vorangehenden Kolon fort, obgleich sie inhaltlich nicht mehr angemessen sind; stattdessen dient die Form der unauffälligen Überleitung. Diese Technik findet sich von der mittelhethitischen Periode bis in Zeit Ḫattušilis und Puduḫepas, allerdings ist ein solches Bemühen weder in dem stärker ritual-orientierten Gebet CTH 380.1 noch in CTH 382 mit seiner klar strukturierten und durch mān „wenn“ markierten kasuistischen Reihung von Einzelfällen zu erkennen. Vermittels der Analyse der Gebete in Hinblick auf die Adressaten lassen sich verschiedene Strukturen erkennen (Kapitel 3.3.3), die andere strukturbildende Merkmale überlagern oder kreuzen. Die einander widersprechenden Gliederungsprinzipien tragen in vielen Fällen zur Verflechtung der unterschiedlichen Einheiten innerhalb eines Gesamttextes bei. Vier Strukturtypen lassen sich feststellen: • Einbettungsstruktur: Ein Gebet (Zentrales Gebet) mit Zentralen Bitten ist als Gegenstand der Vermittlung in ein anderes Gebet an eine andere, vermittelnde Gottheit als direkte Rede eingebettet (Vermittlungsgebet). Trotz geschickter Überleitungen sind beide Teilgebete in sich geschlossene Einheiten. Neben dieser Struktur, die durch CTH 374 repräsentiert wird, liegt in CTH 372 und in CTH 373 eine Aufspaltung der beiden Teilgebete in jeweils zwei Teile vor, aus denen sich 94 CTH 375, CTH 378.3, CTH 378.4 sind dabei also ausgeschlossen.

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die beiden Zentralen Gebete einfach zusammenfügen lassen, um ein vollständiges Ganzes zu bilden. Dagegen sind die beiden Vermittlungsgebete zwar jeweils auch für sich genommen vollständig, indem sie alle notwendigen Strukturelemente enthalten; sie ergänzen einander aber in ihrem Umfang, indem z. B. der Hymnus im ersten Teil sehr lang, im zweiten aber sehr kurz ist, während das Verhältnis bei der Zentralen Bitte der beiden Vermittlungsgebete umgekehrt ist. Die Gewichtung verschiebt sich also sukzessive. • Additionsstruktur: Das Zentrale Gebet bildet hierbei entweder den ersten umfangreichen Teil des Gesamttextes, an dessen Ende die kürzeren Vermittlungsgebete angefügt sind (CTH 384.1), oder aber die Vermittlungsgebete sind in das Zentrale Gebet eingeschoben, das den äußeren Rahmen bildet (CTH 381). Es liegt jedoch keine Einbettung vor, denn zum einen ist ein solche formal nicht angezeigt, und zum anderen widerspräche sie dem inhaltlichen Verhältnis der beiden Teilgebete zueinander. • Verknüpfungsstruktur: Der Gesamttext (CTH 376.1 und CTH 378.2) enthält drei Gebetsteile, von denen der erste an eine staatstragende Gottheit gerichtet und dem Wohl des Königs gewidmet ist, der zweite sich dagegen vorwiegend an die Götterversammlung wendet und das Land zum Gegenstand hat. Im dritten Gebetsteil wird wieder vornehmlich die Gottheit angesprochen, wobei die beiden Themenbereiche jetzt aber als Synthese miteinander verwoben sind. Trotz der Dreiteilung ist die übliche Reihenfolge der Strukturelemente eingehalten. • Eingliedrige Adressatenstruktur: Die übrigen Gebete (CTH 377, CTH 378.1, CTH 378.3, CTH 378.4, CTH 380.1, CTH 382, CTH 383.1) haben gemeinsam, dass sich der Betende mit seinen Anreden und Bitten im Wesentlichen nur an einen einzigen Adressaten wendet. Im Laufe der Entwicklung wird die Komplexität der Adressatenstruktur abgebaut, indem man die Einbettung und Verknüpfung zugunsten der Addition bzw. Eingliedrigkeit aufgibt. Keine dieser Strukturen erweist sich als besonders typisch für die Textsorte des persönlichen Gebets. Es bleibt aber festzustellen, dass unter den vorgenannten Grenzfällen immerhin drei (CTH 377, CTH 380.1 und CTH 382) der einfachsten, nämlich der eingliedrigen, Adressatenstruktur zuzuordnen sind. CTH 381 wurde gleichfalls als Grenzfall eingestuft, weil es in einen rituellen Kontext eingebettet ist, während die Falldarlegung nur durch einen Platzhalter repräsentiert ist. Im Gegensatz zu den anderen drei Gebeten macht es aber im Rahmen der Additionsstruktur auf komplexe und geschickte Art von den Techniken seiner Vorläufer Gebrauch: Der Verfasser greift auf die bekannten göttlichen Adressaten (Götterversammlung, Akolyth, Sonnengott und persönlicher Gott) zurück und weist ihnen neue Rollen und Teilgebete zu. Hinsichtlich der Serialisierung der Strukturelemente gibt es zwei verschiedene Gruppen: die Sonnengottgebete CTH 372–374 einerseits und die junghethitischen Gebete mit Ausnahme von CTH 372 andererseits (Kapitel 3.3.4). Die Erstgenannten weisen als Grundstruktur die Abfolge Anrede – Hymnus – Bitte auf. Diese kann sich wiederholen,

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und es können sogar mehrfach Opfer- und Falldeklarationen in sie eingefügt werden. Zudem gehört es zur Struktur, dass umfangreiche Strukturelemente (A) immer wieder durch Einheiten anderen Inhalts (B) nach einem Muster A – B – A – B – A (– B – A) unterbrochen werden. In der junghethitischen Periode haben sich gegenüber den Sonnengottgebeten CTH 372–374 neue Regeln für die Serialisierung herausgebildet, die von einer feststehenden Abfolge des Großteils der Strukturelemente ausgehen. Die unten stehende Liste enthält die obligatorischen und fakultativen Elemente, wobei alternative Möglichkeiten auf der horizontalen Achse angeordnet sind. Die Stützbitten, die ganz unterschiedliche Positionen einnehmen können, bleiben hier unberücksichtigt. Vgl.: Einleitende Kontextualisierung Anrede und Hymnus Falldarlegung Deklaration – Negative Konsequenzen – Normen Ausführungssichernde Bitte Zusage von Korrekturmaßnahmen Bittpassage Gelübde – Positive Konsequenzen – Normen Zu der angegebenen Abfolge gesellt sich ein zweites Prinzip: Der hethitische Verfasser hat an jedem Punkt der Reihung die Möglichkeit, diese abzubrechen und an einem frü heren Punkt der Reihung wieder einzusetzen. Innerhalb eines solchen Abschnitts muss er aber die Reihenfolge einhalten. Diesem Muster folgen alle junghethitischen Gebete (außer dem auf ältere Vorlagen zurückgehenden Gebet CTH 372) einschließlich der „Grenzfälle“. Durch die wort- und propositionsorientierte Analyse der Textmuster der elf identifizierten Strukturelemente haben sich die folgenden Ausdrucksmittel als typische und teilweise auch als distinktive Merkmale erwiesen (Kapitel 4.1–4.12): • • • • • • • • • • •

Nennung der Partizipanten Signalwörter und -phrasen Kasus und Ereignisschemata Pronomina Kategorien Person, Diathese, Tempus, Aspekt, Modus Partikeln und Asyndese Wortstellung Hauptsatztypen, Nebensatztypen und Einbettungen Reihenfolge der Elemente unterhalb der Ebene der Strukturelemente Umfang der Strukturelemente Stilmittel

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Dabei spielen vor allem lexikalische und morphologische Mittel eine wichtige Rolle, während die Syntax fast ganz von der Einbettung in den Kontext bestimmt wird. Der Grad, in dem vorgegebene Textmuster wirksam werden und zu einer Standardisierung führen, ist von Strukturelement zu Strukturelement verschieden, doch kann man festhalten, dass ein geringer Umfang vielfach mit einer stärkeren Festlegung der Ausdrucksmittel einhergeht, in seltenen Fällen sogar mit Formelhaftigkeit. Auch die Affinität zur Ritualliteratur hat eine gewisse fachsprachliche Standardisierung im Gefolge. Durch die Technik, die Grenzen zwischen den Strukturelementen mittels Überleitungen zu verdunkeln, kommt es an den Rändern jedoch auch zu atypischen Verwendungsweisen gerade der morphologischen Kategorien. Auch das Bemühen der hethitischen Schreiber, wörtliche Wiederholungen zu vermeiden und stattdessen durch leichte Variation den Wortlaut immer wieder zu verändern, steht der Ausbildung von Formeln entgegen. Dennoch ist offensichtlich ein Muster vorhanden, denn die Abweichungen vom Normalen, die der Verfasser des Gebets Muwatallis an die Götterversammlung (CTH 381) vornimmt, heben sich vor dieser Folie ab und sollen offensichtlich so die Aufmerksamkeit der Adressaten wecken. Dabei entwickelt er auch die Technik, die Inhalte eines Strukturelements in das formale Muster eines anderen zu kleiden, zu großer Virtuosität. Auch dies kann nur dann eine Wirkung entfalten, wenn ein älteres Textmuster und damit eine Erwartungshaltung vorliegen. Außer den intendierten Abweichungen von vorhandenen Textmustern in CTH 381 sind es tatsächlich die schon genannten Grenzfälle CTH 377, CTH 380.1 und CTH 382, die häufiger als andere bei der Ausgestaltung der Strukturelemente, sofern sie von ihnen überhaupt Gebrauch machen, einen eigenen Weg gehen. Seltener gilt dies für CTH 375.1 und CTH 376.1. Diesbezüglich fallen die folgenden Merkmale besonders ins Auge: • In der Einleitenden Kontextualisierung von CTH 382 gibt es keine Anrede an die angesprochenen Gottheiten. Das Vorhaben der Lösung des Wettergottes wird lediglich mehrmals unter expliziter Nennung der verschiedener Zeugen angekündigt. • CTH 384.1 verzichtet in der Einleitenden Kontextualisierung auf die Deklaration. • Die Einleitenden Kontextualisierungen von CTH 376.1, CTH 377 und CTH 382 weisen einen ungewöhnlich großen Umfang auf. • CTH 375.1, CTH 377 und CTH 376.1 fallen dadurch aus dem Rahmen, dass die Grenze zwischen Hymnus und Falldarlegung verschwimmt, indem Inhalte der Falldarlegung mit formalen Merkmalen des Hymnus gestaltet sind. CTH 377 verzichtet sogar gänzlich auf weitere Elemente einer Falldarlegung außerhalb dieses „Hymnus“. • In CTH 380.1 ist eine Falldarlegung zwar mit den typischen formalen Merkmalen vorhanden, sie hat aber keinen argumentativen Charakter und ist ausgesprochen kurz. • CTH 380.1 enthält nur Deklarationen von Opfern, aber keinen expliziten Hinweis auf die Falldarlegung; allerdings ist der Anfang der Tafel nicht erhalten.

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• In CTH 381 und CTH 382 ist die Beschreibung der erhofften positiven Konsequenzen göttlichen Handelns auch auf den Bereich der Menschen ausgedehnt. • CTH 384.1 ist das einzige Gebet, in dem Gelübde formuliert werden. • CTH 382 zeigt einen auffallenden Gebrauch der verbalen Kategorien der Person und des Aspekts, vor allem in den Bitten. • CTH 376.1 und CTH 377 zeigen in den Bitten eine starke Anlehnung an die Segenswünsche der Ritualliteratur, während CTH 380.1 den Charakter eines Ersatzrituals trägt. Während also die Besonderheiten von CTH 381 in der gewollten Idiosynkrasie begründet ist, scheinen die meisten der eben aufgeführten Abweichungen vom Üblichen ihre Ursache entweder in dem engen Bezug zur rituellen Performanz zu haben (CTH 377, CTH 380.1, CTH 382 und in geringerem Maße CTH 376.1) oder aber in der Tatsache, dass die betreffenden Gebete (CTH 375 und CTH 376.1) eine Mittelstellung zwischen den Sonnengottgebeten und den späteren Gebeten mit argumentativer Falldarlegung einnehmen. Das Streben nach Originalität befördert eine stete Weiterentwicklung der persönlichen Gebete, während Tradition und ihre Realisierung durch intertextuelle Bezüge Stabilität bewirken. In der Wechselwirkung dieser beiden Tendenzen haben sich verschiedene Gruppen von Gebeten mit jeweils ähnlichen Merkmalen herausgebildet. Dies sind: • • • • • •

CTH 372–374, davon stark abhängig CTH 381 CTH 375.1 und CTH 377 CTH 376.1 abhängig von CTH 372–374 sowie von CTH 375.1 und CTH 377 CTH 378.1–378.4 mit Beziehungen zu CTH 376.1 CTH 380.1 und CTH 382 in Abhängigkeit von jeweils verschiedenen Ritualtypen CTH 383.1 und CTH 384.1

Schließlich besteht ein weiteres Moment der Entwicklung in dem zunehmenden Bedürfnis nach Explizitheit, das umgekehrt eine Abnahme der negative politeness, d. h. der Wahrung des Handlungsspielraums des Adressaten, zur Folge hat. Zusätzlich zu den aufwändigen Hymnen und Stützbitten scheinen keine Marker für Höflichkeit grammatikalisiert zu sein. Auch bekräftigende Partikeln o. ä., die den Zusagen der Betenden Nachdruck verleihen könnten, werden kaum gebraucht. Für die Analyse der stilistischen und dramaturgischen Gestaltung der Gesamttexte ist Jeffries und McIntyre (2012: 31) folgend die Annahme zugrunde gelegt, dass durch die sprachliche Abweichung von der Norm und die Verwendung von Parallelismen (und Chiasmen) eine Hervorhebung inhaltlich wichtiger Aussagen erfolgt. Dies – zusammengenommen mit der raum-zeitlichen Strukturiertheit und kommunikativen Intention (Fischborn 2012: 16) der hethitischen Gebete – erlaubt ganz wie im Falle der mesopotamischen Handerhebungsgebete (vgl. Zgoll 2003b und Zernecke 2011)

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eine Auffassung als dramaturgisch gestaltete Texte. Dabei ist jeder einzelne individuell konzipiert und mit rhetorischen Mitteln ausgestaltet. Der Grad an Komplexität wird zusätzlich durch die starken intertextuellen Bezüge, also die Nutzung oder Abweichung von vorhandenen Vorbildern und Textmustern, gesteigert. Die Untersuchung der so eingesetzten sprachlichen Mittel und der durch sie erzielten Wirkung sind Gegenstand der Analyse.95 Das bei der philologischen online-Edition (Rieken, Lorenz und Daues 2016) zunächst als typographische Gliederungseinheit verwendete Kolon – d. h. die Proposition bestehend aus Referenz und Prädikation – hat sich auch für die stilistische Analyse als Basiseinheit erwiesen. Die Stilmittel wirken auf verschiedenen sprachlichen Ebenen des Textes, in kleineren und größeren Einheiten, und umfassen die folgenden Phänomene: • • • • • • • • • •

Phonetische Häufungen Alliteration und Homoioteleuton, Anapher und Epipher, Figura etymologica Wiederholungen von Lexemen, Konstituenten und ganzer Kola (mit Variation) Reihung von Elementen ansteigender Größe Inhaltlicher und formaler Parallelismus und Chiasmus Rahmenkonstruktion (mit Zentrum) Textmuster (z. B. A – B – A – B – A) Antithese und Merismus Wörtliche Rede, Vergleich, Sprichwort Rückgriff und intertextuelle Bezüge

Einen besonderen Stellenwert nehmen durch alle Zeiten hindurch der Parallelismus und der Chiasmus ein. Daneben spielen durchgehend auch die komplexen Textmuster eine bedeutende Rolle. Interessant ist, dass sich mehrere Textebenen durchkreuzen und überlagern können, indem sie jeweils den Text mit unterschiedlichen Mechanismen in verschiedene Textabschnitte untergliedern. Die voneinander abweichenden Unterteilungen konterkarieren jedoch die Wirkung der jeweils anderen, so dass keine auffälligen Brüche im Text entstehen. In Textpassagen, die von besonderer Wichtigkeit sind, verdichten sich die Stilmittel und bilden so einen weiteren Schlüssel zum Textverständnis. Manche Stilmittel konzentrieren sich in einer bestimmten Periode, wie z. B. lautliche Häufungen in den Sonnengottgebeten CTH 372–374 oder Sprichwörter in den Gebeten Ḫattušilis und Puduḫepas. Man kann insgesamt einen Wechsel von der stärker euphonisch orientierten Gestaltung zur Konzentration auf die argumentative Struktur feststellen. 95 Diese musste allerdings aufgrund des gegebenen Rahmens auf diejenigen Gebetstexte beschränkt werden, die sich durch einen hinreichenden Erhaltungszustand auszeichnen und die a priori eine sorgfältige Ausgestaltung vermuten ließen – also nicht die oben festgestellten Grenzfälle, wiederum mit Ausnahme von CTH 381, das eine enge Beziehung zu den prototypischen Gebetstexten aufweist.

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Zum Abschluss der Arbeit soll die eingangs gestellte Frage aufgegriffen werden, ob die hier für die Untersuchung ausgewählten Gebetstexte gemeinsam eine Textsorte bilden und sie dementsprechend deren Vertreter einem gemeinsamen Textmuster folgen oder ob sie vielleicht verschiedenen Textsorten zuzuordnen sind. Dabei geht es nicht um eine binäre Distinktion zwischen „zugehörig“ und „nicht zugehörig“, sondern vielmehr um die Feststellung, welche der Gebetstexte als prototypisch für eine anzunehmende Textsorte gelten können und welche eher als randständig zu betrachten sind. Aufgrund des strukturellen Kriteriums – das Vorhandensein einer argumentativen Darlegung des Betenden hinsichtlich seiner Notsituation bzw. seines Rechtsfalls – stand die Zugehörigkeit von CTH 377, CTH 380.1, CTH 381 und CTH 382 offensichtlich in Frage. Die Randständigkeit hat sich für alle vier Texte bestätigt, im Falle von CTH 381 beruht dies allerdings auf den gewollten idiosynkratischen Abweichungen vom üblichen Textmuster. Überraschend ist der Status von CTH 376.1, dessen auffällige Eigenschaften allerdings sämtlich durch die Ähnlichkeit mit CTH 377 und die Einbettung in ein mugauwar bedingt sind.96 Im Folgenden sind die fünf Gebetstexte, die mehr als drei bemerkenswerte Besonderheiten aufweisen, mit ihren nicht-prototypischen Merkmalen aufgelistet: • CTH 377: – Performanz durch Repräsentanten – Fehlen des aktuellen Anlasses – Adressat des Zentralen Gebets ist weder staatstragende Gottheit, Götterversammlung noch persönlicher Gott – Zuruf der Versammlung – ungewöhnlich ausführliche Einleitende Kontextualisierung; Ankündigung eines mugauwar – geringer Gebrauch von der Vielfalt der Strukturelemente – Inhalte der Falldarlegung in hymnischer Gestalt – Bitten in Anlehnung an Ritualliteratur • CTH 380.1: – Einbettung in den Kontext eines Ersatzrituals – Adressat des Zentralen Gebets ist weder staatstragende Gottheit, Götterversammlung noch persönlicher Gott 96 Die stilistische und dramaturgische Gestaltung, deren Untersuchung im gegebenen Rahmen nicht für alle Gebetstexte gleichermaßen möglich war, kann aus eben diesem Grund nicht als Kriterium herangezogen werden. Eine oberflächliche Durchsicht der verbleibenden Texte lässt vermuten, dass die Hymnen mit den Inhalten der Falldarlegung aus CTH 377 und CTH 375.1 durchaus eine stilistische Ausgestaltung aufweisen könnten. Ebenso dürften wenigstens Ansätze davon auch in CTH 382 zu finden sein. Für CTH 380.1 ist dies kaum zu erwarten. Diese sehr vorläufigen Aussagen bedürfen aber in jedem Fall noch einer Bestätigung durch eine weitere Untersuchung.

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– – – –

geringer Gebrauch von der Vielfalt der Strukturelemente Falldarlegung ist vor allem berichtender, nicht argumentativer Natur keine Anwendung der Überleitungstechnik Formulierungen in Anlehnung an Ritualliteratur

• CTH 382: – Adressat des Zentralen Gebets ist weder staatstragende Gottheit, Götterversammlung noch persönlicher Gott – Ankündigung der Lösung des Zorns des Wettergottes – geringer Gebrauch von der Vielfalt der Strukturelemente – keine Anwendung der Überleitungstechnik – ungewöhnlich ausführliche Einleitende Kontextualisierung, keine Anrede, Verwendung der 1. Plural – nur knappe Falldarlegungspassagen, die ausschließlich im Rahmen der kasuistischen Auflistung der Zornesursachen auftreten – Abweichungen von Textmustern der verwendeten Strukturelemente – ungewöhnlicher Gebrauch der Kategorien Person und Aspekt • CTH 381: – Einbettung des Textes in Ritualkontext – Auslassen der Falldarlegung aus aktuellem Anlass, stattdessen Anzeigen der Leerstelle; geringer Gebrauch von Vielfalt der Strukturelemente als Folge der Auslassung – idiosynkratische Verteilung der Adressatenrollen – idiosynkratische Abweichungen von Textmustern der verwendeten Strukturelemente • CTH 376.1: – ungewöhnlich ausführliche Einleitende Kontextualisierung; Ankündigung eines mugauwar – Performanz durch Repräsentanten – Zuruf der Versammlung – Teil der Inhalte der Falldarlegung in hymnischer Gestalt – Bitten in Anlehnung an Ritualliteratur Zwei der Textvertreter (CTH 380.1 und CTH 382) sind also der Ritualtradition so stark verpflichtet, dass sie hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Textsorte als randständig betrachtet werden müssen, ein weiterer (CTH 377) nimmt eine Mittelstellung ein und zwei andere (CTH 376.1 und CTH 381) zeigen einige Besonderheiten, stellen sich aber klar in

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Schluss

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den Rahmen der Konvention, der die übrigen hier untersuchten Gebetstexte weitgehend folgen. Die eingangs gestellte Frage lässt sich nun dahingehend beantworten, dass es eine „kritische“ Gattung (s. S. 3) oder Textsorte „persönliches Gebet der Hethiter“ gibt, die den Rahmen für prototypische, auf Konventionen der Sprachteilhaber beruhende sprachliche Muster bildet und deren Vertreter charakteristische funktionale, medial-situative und thematische Merkmale besitzen sowie eine diesen Merkmalen entsprechende formale Struktur (nach Gansel und Jürgens 2007: 92). Die in den vorangegangenen Kapiteln vorgenommene Analyse hat eine große Anzahl von wichtigeren und weniger wichtigen Merkmalen dieser Textsorte erbracht, die die Gebetstexte des Korpus wie ein Netzwerk miteinander verbindet. In der formalen Ausgestaltung gibt es aber neben den überindividuellen Handlungsorientierungen auch weite Ermessensspielräume (nach Fix, Poethe und Yos 2003: 25f.), die von den hethitischen Verfassern genutzt werden und die zu einer Weiterentwicklung der Gattung führen. Die persönlichen Gebete der Hethiter sind die Arbeit von gelehrten Schreibern, die sich der Tradition, in der sie standen, sehr genau bewusst waren und die mit akribischer Sorgfalt und großem Können ihre Texte für den Gebrauch der Herrscher formten. Auf diese Weise schufen sie Werke mit hohem rhetorischem Anspruch.

© 2018, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10919-2 - ISBN E-Book: 978-3-447-19701-4

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Anhang Die im folgenden Anhang enthaltenen Umschriften und Übersetzungen hethitischer Gebetstexte sind der online-Edition von Rieken, Lorenz und Daues (2016) entnommen. Sie sind zur besseren Handhabung des Buches und für eine stabile Referenz der KolonNummern beigegeben. Für weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen zu den Gebetstexten wird hier ausdrücklich auf die digitale Edition, die auch die frühere Forschung würdigt, verwiesen.

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320

Anhang

CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott – Text

1 2

Ca. 10 Zeilen fehlen [ … aruwan]un nu[=tta … ]

3

[ … t]aknāšš=a [ … ] d UTU-uš lal[ukimaš]

4 5 6

[d UTU]-e šarku LUGAL-ue [D]UMU d NIN.GAL [i]š[ḫ]iūl šaklai[n … d UTU-u]š ḫanteškeši n=ašta KUR-ya ištarna zik=p[at aššanu]wanz(a) d UTU-uš ⟨ḫandanza⟩ DINGIR-uš zik

7 8 9

[ … t]uk=pat d UTU-i piyan ḫandanz(a) [ … ] [KUR]-eaš ḫūmandaš attaš annaš zik

10

[ … KUR]-e 4 ḫalḫaltūmar tuk=pat kiššari=tti [ … ]

11 12 13

[ḫannešn]aš išḫāš zik nu ḫanne[šnaš … dariyašḫaš=ti]š NU.GÁL karuw[i]l[iyašš=a=kan … i]štarna [ … šarku]š

14 15

[ … SÍSK]UR d UTU-uš [ … ] [karuwil]iyaš=a=ššan [ … ḪA.LA=Š]UNU zik=pat zikkeši

16 17

[ … ] giš IG āppa tuk=pat d UTU-i [ḫaškanz]i n=ašta nepišaš KÁ-uš zik=pat aššanuwanz(a) d UTU-uš šarrašketta

18

[ … ne]pišaš taknāšš=a DINGIRmeš -eš tuk=pat [d U]TU-i kattan kanenanteš

19 20

[kwi]tt=a d UTU-uš memiškeši DINGIRmeš -š=a āppa tuk d UTU-i aruwēškanzi

21

d

22

[ … ] d UTU kurimmaš dammešḫantašš=a antuḫšaš k[attawa]tar zik d UTU-uš šarninkiškeši mān=ašt[a … karūwar]iwar d UTU-uš nēpišaz šarā ūp[zi]

23

UTU-uš kurimmaš wannumiyašš=a attaš annaš zik

24

[ … šara]zziyaš KU[R]-yaš katterašš=a KUR.KUR-aš [ … ] d UTU-waš lalukkimaš tiya[ri]

25

nu ŠA UR.GI7 [Š]A ŠAḪ ḫanneššar zik [ḫ]annatta

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CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott

321

CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott – Übersetzung .

1 2

Ca. 10 Zeilen fehlen [Hier (vor) dir] habe ich[, der König, mich verneig]t und [zu dir spreche ich:]

3

[Du,] Sonnengott, (bist) die Lich[t(quelle) in der Umkreisung von Himmel] und [E]rde.

4 5 6

[Sonnengot]t, erhabener König, [S]ohn der Ningal, [Ver]trag[sr]echt (und) Gewohnheitsrec[ht] machst [du, Sonnengot]t, bindend. Im Land (bist) d[u gut ge]stellt. Sonnengott, ⟨ein gerechter⟩ Gott (bist) du!

7 8 9

[ … ] ist [d]ir, dem Sonnengott, gegeben. Ein gerechter [Herr des Herrschens (bist) du]. Vater (und) Mutter aller [Län]der (bist) du.

10 11 12 13

[Enlil, dein Vater, hat] dir das [Land], die vier (Welt-)Ecken, in deine Hand [gelegt]. Der Herr des [Geric]hts bist du. [Eine Ermüdung am Ort] des Geric[hts] gibt es für dich nicht. [Auch u]nter den al[ten Göttern (bist) du, Sonnengott, erhabe]n:

14 15

[Den Göttern stellst du], Sonnengott, [die Opf]er [bereit]; Auch [den al]ten [Göttern] stellst du [i]hren [Anteil] bereit.

16 17

Dir, dem Sonnengott, [öffnet ma]n die Tür [zum Himmel]. Das Tor des Himmels durchschreitest du, Sonnengott, als ein Gutgestellter.

18

Die Götter des [Hi]mmels und der Erde haben sich (vor) dir, dem [Son]nengott, niedergebeugt.

19 20

Und [wa]s auch immer du, Sonnengott, sagst, die Götter aber verneigen sich wiederum vor dir, dem Sonnengott.

21

Sonnengott, für Verwaiste und Alleinstehende Vater (und) Mutter (bist) du.

22

Sonnengott, für den A[nklagegegenst]and der verwaisten und geschädigten Menschen entschädigst du, Sonnengott. Wenn bei [Tagesan]bruch [ … ] der Sonnengott auf der Seite des Himmels aufsteig[t], trit[t dein], des Sonnengottes Licht in [alle obe]ren Län[d]er und unteren Länder.

23 24 25

Die Rechtsangelegenheit von Hund und Schwein [r]ichtest du.

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322

Anhang

26

šuppalann=a ḫannešša iššit kwi[ē]š UL memiškanz[i]

27 28

apatt=a ḫannattari idālauwašš=a [ḫ]uwappaš antuḫša[š ḫa]nnešša zik=pat d UTU-[u]š ḫannatta

29 30 31

antuḫša[nn=a]=z kwin DINGIRmeš šānzi n=an=šan arḫa paškuwanz[i] [n=an] āppa zik=pat d UTU-uš genzuwaši

32 33 34

ammug=a L[UGAL-un] d UTU-u[š l]uluwaiši nu d UTU-i [UZ]U NINDA-an [KAŠ š]ip[paz(a)keuwan … ] [n]u=mu=z(a) ḫandā[ntan ARAD=K ]A LUGAL-un [ki]ššart[a ēpš]i

35

[n]u mieyawu[š … d UT]U-uš tūr[iyan … ]

36 37

[n]u=šmaš kāš[a … ] [ … karippan]d[u]

38 39 40

[n]u kwitman miyawē[š=te]š ḫalkin k[arippanzi] [ … ] nu=tta kā[ša LUGA]L-uš uttar memaḫḫi nu=mu ištam[aš- … ]

41

[ … ḫa]lḫaldum[arri … ]

42 43

[ZA]G-a[z=t]e[t] naḫšar[att]eš [ḫuyant]eš GÙB-laz=ma=tta uritemeš ḫuyanteš

44 45

d

46 47

nu=tta kāša LUGAL-uš aruwanun nu=tta memiškemi

48 49

kwiš=mu DINGIR-LUM kī inan paiš nu=ššan DINGIR-LIM apāš mān nēpiši mān=aš taknī

50

zig=a d UTU-uš katti=šši paiši

51 52 53

nu īt ANA DINGIR-LIM apēdani mēmi ūk=z(a) nikku DINGIR=YA tuk kwit iyanun nu kwit waštaḫḫun

54 55 56

DINGIR=YA šamnāeš=mu zik dandukišna[n] zik iyaš ug=a ANA DINGIR=YA kwit iyanun

57



d

BUNENE SUKKAL=KA kunnaz=tet iyatta mišaruš=a SUKKAL=KA GÙB-laz=tet iyatta

DAM.GÀR LÚ-iš d UTU-i kattan GIŠ.ÉRIN ḫarzi

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CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott

323

26

Sowohl die Rechtsangelegenheit der Tiere, d[i]e nicht mit dem Mund spreche[n] (können),

27 28

auch die richtest du, als auch der schlechten (und) der [b]öswilligen Mensche[n Re]chtsangelegenheit richtest du, Sonnengo[t]t. Welchem Mensche[n aber] die Götter zürnen, und (wen) sie vernachlässige[n], [den] behandelst du, Sonnengott, wieder gütig.

29 30 31 32 33 34

Mich aber, den K[önig], wirst du, Sonnengot[t, un]terstützen. [Dann werde ich] (dir,) dem Sonnengott, [Fleis]ch, Brot (und) [Bier o]pf[ern]. [U]nd du [wirs]t mich, [deine]n treu[en Diener], den König, [an die H]and [nehmen].

35

Die Vie[r, die du, Sonneng]ott, angesch[irrt hast],

36 37

ihnen [hat der Mensch] hie[r Gerste hingeschüttet]. [Deine Vier sollen fress]e[n]!

38 39 40

Solange [dein]e Vie[r] die Gerste f[ressen], – [ … ] – spreche ich hi[er, der Köni]g, ein Wort zu dir. Hö[re] mich!

41

[Sonnengott, erhabener König, du durchwanderst ewig die vier (Welt-)E]cke[n],

42 43

[zu d]e[iner Rech]ten [lauf]en die Äng[st]e, zu deiner Linken aber laufen die Schrecken.

44 45

Bunene, dein Wesir, geht zu deiner Rechten, und Mišaru, dein Wesir, geht zu deiner Linken.

46 47

Hier, (vor) dir (scil. dem Sonnengott) habe ich, der König, mich niedergebeugt, und zu dir spreche ich (jetzt):

48 49 50

Welcher Gott mir diese Krankheit gegeben hat, sei es, dass jener Gott (sich) im Himmel (befindet), oder sei es, dass er (sich) in der Erde (befindet), du aber, Sonnengott, gehst zu ihm.

51 52 53

Geh (und) sprich zu jenem Gott: Habe ich etwa dir, meinem Gott, etwas getan? Habe ich etwa in irgendetwas gefrevelt?

54 55 56

Mein Gott, du hast mich erschaffen. Du hast (mich), den Sterblichen, gemacht. Ich aber, was habe ich meinem Gott getan?

57

Der Kaufmann, der Mensch, hält vor dem Sonnengott die Waage,

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324

Anhang

58 59 60

nu GIŠ.ÉRIN maršanuzi ug=a ANA DINGIR=YA kwit iyanun nu É=YA pittuliyaš É=YA kīšat

61 62

[ … pitt]uliškemi ZI=YA=ma tamatta pēdi z[a]ppiške[z]zi

63 64 65 66

nu MU-ti mēniaš armalaš maḫḫan n[u=z(a) ūgg=]a apāš kišḫat nu=mu=ššan inan makkešta n=at tuk d UTU-i memiškemi

67 68

[na]mma=mu=ššan išpanti šašti=mi šanizziš t[ešḫaš nat]ta ēpzi namma=mu=ššan lamni=mi šēr āššu [U ]L išduwari

69

[ … ] d LAMMA d ānnarišš=a namma UL karuwil[iyatta]

70

[ … ] DINGIR=YA annaz kartaz āššu UL gu[l(a)šta]

71

[ … ā]ppa ŠA ENSI-ya UL kuššang[a … ]

72 73 74 75

[ … d]uddu ḫalziššaḫḫi nu=mu DINGIR-LIM=YA ištamaš [ … ] LÚ-iš kišḫati ḫannišš(a)naš=a=mu pedi d[i- … ]

76 77 78

ā[ššu … i]ššaḫḫun n=at=mu EGIR-pa idāl[u k]wit šar[ninkiška]nzi zig=a=mu=z(a) DINGIR=YA attaš iwar zik

79 80 81

annaš=[miš=a=m]u NU.GÁL zik=pat=mu=[z(a)] DINGIR=YA a[nnaš] iwar zik kinu[n=a] pittul[iya]š peran UDḪI.A -uš GE6 ḪI. [A -uš] laknu[ške]mi

82 83

nu=mu DINGIR=YA ḫwišnut nu=mu wašdulaš kattan a[rḫ]a išḫiyandan LÚ-an mā[n] arḫa lā

84 85

nu=mu SIG5 -uwanti pēdi QAT [UM] ēp nu=m(u)=ašta arušaz šarā ḫwitti

86 87

dudduwaranz(a)=kan LÚ-aš māḫḫan pitteyawar peššiyanun nu=ššan namma dankuwai takanzipi karuwiliyatta UL weḫaḫḫa

88 89 90 91

nu wātar māḫḫan kuwāpi ar(a)šmi nu pēda(n)=mit UL šakkaḫḫi nu giš MÁ māḫḫan kwitman ḫatantiya ārḫi nu UL IDI

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CTH 374 Gebet eines Königs an den Sonnengott

325

58 59 60

und er verfälscht die Waage. Ich aber, was habe ich meinem Gott getan? Mein Haus ist mein Haus der Angst geworden.

61 62

Ich [äng]stige mich (jetzt). Meine Seele aber dr[i]f[t]et an einen anderen Ort.

63 64 65 66

Wie (einer, der) krank (ist) für den Zeitraum des (ganzen) Jahres, auch [ich] bin (wie) jener geworden. Die Krankheit ist mir (zu) viel geworden. Das sage ich dir (jetzt), Sonnengott!

67 68

In der Nacht ergreift mich in meinem Bett [ke]in angenehmer T[raum me]hr. Für mich, für meinen Namen, wird [ni]chts Gutes mehr offenbar.

69

71

Die Schutzgottheit und die (Gottheit der) Stärke (sind) [mir] nicht mehr (gewogen) wie frü[her]. [Ob] du, mein Gott, [mir] vom Mutterleib an nichts Gutes (fest)geschrie[ben hast], [habe ich (denn) wie]derum niemal[s] eine Seherin danach [gefragt]?

72 73 74 75

[Jetzt rufe ich vor meinem Gott ‚G]nade!‘ aus. Und (du), mein Gott, höre mich! Ich bin zu einem [nicht gutgestellten] Mann geworden. Am Ort des Gerichts aber mich/mir [ … ].

76 77 78

[Welche] ich g[ut beh]andelt habe, sie en[tschädig]en mich dafür wieder mit etwa[s Sch]lechtem. Du aber, mein Gott, (bist) mir wie ein Vater, Du.

79 80 81

[Meine] Mutter [aber] gibt es [für m]ich nicht. Du, mein Gott, (bist) mir wie eine M[utter], du. Jetz[t aber] win[d]e ich mich vor An[gs]t Tage und Nächt[e].

82 83 84 85

Mein Gott, lass mich überleben! (Er)löse mich wie einen Menschen, der g[an]z an (seine) Vergehen gebunden ist! Nimm mich an der Ha[nd] zu einem guten Ort! Ziehe mich herauf aus dem Abseits!

86 87

Wie ein gebrochener Mann habe ich zu laufen aufgehört. Ich streife nicht mehr auf der dunklen Erde umher wie früher.

88 89 90 91

Wohin ich wie Wasser fließe, ich kenne meinen (Ziel)ort nicht. Bis ich – wie ein Schiff – das Ufer erreiche, weiß ich (es) nicht.

70

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326

Anhang

92 93 94 95 96

[ … m]āḫḫan [ … ]-zaiškemi nu=mu DINGIR=YA [kiša]rta ēp nu=mm(u)=ašta [ … p]erān luluwawanzi kappuwi nu=mu [ … ] [ …] šarā memiškemi

97 98 99

[ … ] K[UR ur ]u arzawa tepnu[š]kewa[n … ] [ … ] menaḫḫa[n]da a-[ … ] [ … ]-ul[i … ]

100 101 102 103 104

[ … ]-mit IGIḪI.A -it [ … ] [ … ] IGIḪI.A -it anda [ … ] [ … ] apaš ḫwišwezzi [ … ]-ti nu antūwaḫḫaš [ … ]-ta

105 106 107 108

[ … -i]t kwitki [ … ] [ … ] 7-ŠU waštul [ … ] [ … katt]an arḫa [ … ] […]

109 110 111

[ … ] tarḫwiddu [ … wašt]ul kattan arḫa [ … ]-du [ … m]āḫḫan [ … ]

112

[ … IGI-and]a [ … ann]aš=maš [ … kiš]anda

113 114

[…] [ … men]aḫḫand[a … ]

CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna – Text 1 2

[ … ] an-[ … ] É DINGIRmeš =KUNU=ya=šmaš [ … ] UL kuwapikki

3 4

nu šumāš DINGIRmeš -aš uru ḫattušaš=pat ḫandān parkwi KUR-e SISKURḪI.A =a=šmaš parkwi šalli šanezzi uru ḫattušaš=pat KUR-ya pišgaweni

5

nu=ššan šumāš DINGIRmeš -aš naḫšarattan uru ḫattušaš=pat KUR-ya zikkewani

6

nu šumeš=pat DINGIRmeš DINGIRmeš -aš ištanz[a]nit šekteni

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CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals

92 93 94 95 96

Ich [ … ]-e [ … w]ie [ … ]: Mein Gott, nimm mich an der Hand! Kümmere dich um mich zur Unterstützung [des … w]egen! Und mir/mich [ … ]! [ … ] spreche ich empor.

97 98 99

[ … ] das L[and von] Arzawa [begann] zu ernie[d]rige[n]. [ … ] entge[g]en [ … ]. […]

100 101 102 103 104

[ … ] mein [ … ] mit Augen [ … ]. [ … ]mit Augen an[- … ], [ … ] jener bleibt am Leben. […] Der/ein Mensch [ … ].

105 106 107 108

[ … ] etwas [ … ]. [ … ] siebenmal das Vergehen [löse]! [ … ga]nz fort [ … ]! […]

109 110 111

Er [ … ] soll bezwingen! Er soll [das Vergeh]en ganz fort [ … ]! [ … w]ie [ … ].

112

[ … gegenüb]er [wer]den [ … ] meiner [Mutt]er (Gen.).

113 114

[…] [ … g]egenübe[r … ]

327

CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung 1 2

[…] Auch eure Tempel [ … ] nirgendwo [ … ].

3 4 5

Für euch, die Götter, ist nur Ḫattuša ein wahrhaft reines Land. Opfer aber geben wir euch nur im Land von Ḫattuša rein, groß (und) angenehm. Euch, Göttern, bringen wir nur im Land von Ḫattuša Ehrerbietung (entgegen).

6

Und ihr, Götter, wisst durch (euren) göttlichen S[i]nn:

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328

Anhang

7

karū=z(a) šumenzan É DINGIRmeš =K [UN ]U EGIR-an anzel [iwa]r UL kwiški kappūwan ḫarta

8 9

nu=š[maš É DINGIR]meš =KUNU naḫšarattan kiššan UL [kwiški t]iyan ḫarta nu=z(a) šumenzan Š[A DINGIRmeš ] āššū KÙ.BABBAR GUŠKIN BIBRI ḪI.A TÚGḪI.A anzel iwar EGIR-an UL kwiški kappūwan ḫarta

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

namma šumenzan DINGIRmeš -aš kwe ALAMḪI.A =KUNU ŠA KÙ.BABBAR GUŠKIN nu=ššan kwedani DINGIR-LIM-ni kwit tuēkki=šši anda wezz[(a)]pan DINGIRmeš -š=a kwe UNUTE meš wezz(a)panta n=at anzel iwar EGIR-pa UL kwiški neuwaḫḫan ḫarta namma=šmaš=ša[n SÍS]KURḪI.A -aš parkuyannaš uddanī naḫšarattan kiššan UL kwiški tiyan ḫarta nu=šmaš UD-aš ITU-aš MU-ti meyaniyaš SÍSKURḪI.A EZEN4 ḪI.A kiššan šarā UL kwiški tittanuwan ḫarta namma ŠA DINGIRmeš SAG.GÉME.ARADmeš =KUNU URUDIDLI.ḪI.A =KUNU šaḫḫanit luzzit dammišḫišker nu=z(a) šumenzan ŠA DINGIRmeš ARADmeš =KUNU GÉMEmeš =KUNU daškerr=a n=uš=z(a) ARAD-naḫḫišker GÉME-aḫḫišker [ … ]-za nu[=ššan … ] ūk m arnuwanta LUGAL GAL f ašmun[ikal … ]-an ḫūmantaz=pat [ … ] nu=šmaš=kan [ … NINDA.GUR4 .RA]ḪI.A išpanduzit=a [ … Z]I-it šekteni šumēš=a=šša[n … ] f ašmunikal MUNUS.LUGAL GAL [ … ] tuḫukant[i … ] SIG5 -anduš [ … išpanduzz]i=ya SIG5 -anta [ … ] [ … ] DUMU.NITA SANGA [ … -n]i [ … ] ḫanza-[ … -l]i i-[ … -n]i [ … a]rdumat

26 27 28 29 30



31

šumenzan nepišaš DINGIRmeš -aš kwe KUR.KURḪI.A ninda ḫaršayaš dug išpantuzziyaš argamanašš=a ēšta arḫa=kan lú.meš SANGA munus.meš AMA.DINGIR-LIM šuppaēš lú.meš SAN[GA] lú.meš GUDU12 lú.meš NAR lú.meš išḫamatallieš kwē[z] iyantat DINGIRmeš -š=a=kan argamanuš ḫazziu=ya kwēz arḫa piddāer

32 33

KÚR-[ … ]=ma māḫḫan KUR uru ḫatti [ … ] [ … ] KUR-e šaruwēr n=at=z(a) dāer n=at [ … ] šumāš ANA DINGIRmeš memiškewani=pat nu=šmaš=š[a]n DINAM arnuškewani

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CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals

329

7

Früher hat sich niemand um e[ur]e Tempel gekümmert [wi]e wir.

8 9

Euren [ … ]n hat nie[mand] so Ehrerbietung entgegenge[br]acht: Um eure, d[er Götter,] Güter – Silber, Gold, Rhyta (und) Gewänder – hat sich niemand gekümmert wie wir.

10

Ferner, welche Statuen aus Silber (und) Gold von euch, den Göttern, (existieren), und an welcher Gottheit etwas an ihrem Körper alt (ist), welche Utensilien der Götter aber alt (sind), niemand hat sie wie wir wieder neu gemacht.

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Ferner hat euch niemand Ehrfurcht in der Angelegenheit der Reinheit bei den [Op]fern so entgegengebracht und niemand hat eure Opfer (und) Feste des Tages, des Monats, des Jahresverlaufs so zur Verfügung gestellt. Ferner bedrängte man euer, der Götter, Gesinde (und) eure Städte mit šaḫḫanund luzzi-Diensten, auch nahm man eure, der Götter, Diener und Dienerinnen (fort und machte sie sich zu (eigenen) Dienern und Dienerinnen. […] Ich, Arnuwanda, der Großkönig, (und) Ašmun[ikkal … ] in jeder Hinsicht [ … ]. Und ihr kennt in eurem Her[zen … mit/durch Dickbrot]e(n) und Gussopfer(n).

23 24 25

Ihr aber [ … ] Ašmunikal, Großkönigin, [ … ,] Thronfolg[er, … ] gute [ … ] und [Gussopfe]r, gute [ … ]. [ … ] Sohn, Priester [ … ]. […] [ … s]teht [ … ]!

26 27 28 29 30

Wie die Feind[e … ] aber das Land Ḫatti [ … ] [und … ] das Land plünderten, (wie) sie es sich nahmen, das sagen wir [ … ] euch, den Göttern, (gerade) und bringen es euch (gerade) als Rechtssache vor.

31

Welche eure, der Götter des Himmels, Länder (solche) von Dickbrot, Gussopfer und Tributzahlung waren, [aus] einigen sind die Priester, die Gottesmütter, die reinen Pries[ter], die Gesalbten, die Musiker (und) Sänger fort gegangen (scil. hervorgegangen), aus einigen haben sie die Tributzahlungen und Kulthandlungen der Götter aber entrichtet,

32 33

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330

Anhang

34

ANA d UTU uru arinna šittariuš armanniušš=a ŠA KÙ.BABBAR GUŠKIN ZABAR URUDUḪI.A TÚG SIGḪI.A -TIM TÚG.ḪI.A adupli TÚG.GÚ.È.A kušišiyaš ninda ḫaršauš dug išpantuzzi=ya kwēz arḫa piddāer

35

auliuš=a=kan GU4 .MAḪḪI.A ŠE UDUḪI.A ŠE MÁŠ.GALḪI.A ŠE kwēz arḫa nannēr

36

KUR uru neriggaz ur [u ]ḫuršamaz KUR uru kāššamaz KUR uru šierišaz KUR uru ḫīmuwaz KUR uru taggaštaz KUR uru kammamaz KUR uru zalpūwaz KUR uru kapirūḫaz KUR uru ḫurnaz KUR uru dankušnaz KUR uru tapaš[a]waz KUR uru taruggaz KUR uru ilālūḫaz uru ziḫḫanaz KUR uru šipidduwaz KUR uru wašḫayaz KUR uru patalliyaz

37 38 39

nu kēdaš ANA KUR.KURḪI.A šumenzan ŠA ÉḪI.A DINGIRmeš =KUNU kwe ēšta n=at LÚmeš uru gašga arḫa pipper nu šumenzan ŠA DINGIRmeš ALAMḪI.A arḫa ḫuller

40

nu=z(a) KÙ.BABBAR GUŠKIN BIBRI ḪI.A GALḪI.A ŠA KÙ.BABBAR GUŠKIN kunnanaš UNUTE meš =KUNU ŠA ZABAR TÚGḪI.A =KUNU šaruwēr n=at=z(a) arḫa šarrer

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

lú.meš

SANGA šuppaeš=a=z(a) lú.meš SANGA munus.meš AMA.DINGIR-LIM GUDU12 lú.meš NAR lú.meš išḫamatalluš lú.meš MUḪALDIM [L ]Ú.MEŠ NINDA.DÙ.DÙ lú.meš APIN.LÁ lú.meš NU.giš KIRI6 arḫa šarrer n=uš=z(a) ARAD-naḫḫer lú.meš

GU4 ḪI.A =KUNU=ya=šmaš=z(a) UDUḪI.A =KUNU arḫa šarrer A.ŠÀ AGÀRḪI.A =KUNU=ma=z ninda ḫaršayaš giš KIRI6 .GEŠTINḪI.A dug išpantuzziyaš arḫa šarrer n=aš=z(a) LÚmeš uru g[ašga d]āer n=ašta namma šumāš DINGIRmeš -aš apēdaš ANA KUR.KURḪI.A lāmann=a UL kwiški weryezzi nu=šmaš ŠA U[D-M]I ŠA ITUkam MU-ti mēyaniyaš SÍSKURḪI.A UL kwiški pāi EZEN4 ḪI.A =a=šmaš ḫazziu=ya UL kwiški iyazzi kā=ya=šmaš ANA KUR uru ḫatti namma arg[ama]nuš ḫazziu=ya UL kwiški udai lú SANGA šuppaēšš=a=kan lú.meš SANGA munus.meš AMA.DINGIR-LIM lú.meš NAR lú.meš išḫamat[allie]š namma arḫa UL kwēzga uwanzi

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CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals

34 35

331

aus einigen haben sie der Sonnengöttin von Arinna Sonnenscheiben und Mondsicheln aus Silber, Gold, Bronze (und) Kupfer, die feinen Gewänder, das (königliche) adupli-Festgewand (und) den Mantel des kušiši-Festtagsgewands, die Dickbrote und Gussopfer entrichtet, aus einigen haben sie Opfertiere aber, fette Stiere, fette Schafe (und) fette Ziegenböcke entrichtet:

36

aus dem Land von Nerik, aus Ḫuršama, aus dem Land von Kāššama, aus dem Land von Šēriša, aus dem Land von Ḫīmuwa, aus dem Land von Taggašta, aus dem Land von Kammama, aus dem Land von Zālpūwa, aus dem Land von Kapirūḫa, aus dem Land von Ḫurna, aus dem Land von Dankušna, aus dem Land von Tapaš[a]wa, aus dem Land von Taragga, aus dem Land von Ilālūḫa, aus Ziḫḫana, aus dem Land von Šipidduwa, aus dem Land von Wašḫaya, aus dem Land von Patalliya.

37 38 39

Welche eurer Tempel es in diesen Ländern (gab), die haben die Leute von Kaška umgestürzt und eurer, der Götter, Statuen haben sie zerschlagen.

40

Sie haben Silber, Gold, Rhyta (und) Becher aus Silber, Gold (und) Kupfer(erz), eure (Opfer-)Geräte aus Bronze (und) eure Gewänder geplündert und sie (unter) sich aufgeteilt.

41 42 43 44 45

Die reinen Priester aber, die Priester, die Gottesmütter, die Gesalbten, die Musiker (und) die Sänger, die Köche, Bäcker, Pflüger (und) Gärtner teilten sie (unter) sich auf und machten sie sich zu (ihren) Dienern.

46

Auch eure Rinder (und) eure Schafe teilten sie (unter) sich auf. Die kultivierten Ländereien aber (für die Produktion) des Dickbrots (und) die Weingärten (für die Produktion) der Gussopfer teilten sie (unter) sich auf, und die Leute von K[aška nah]men sie sich.

47

Euch, Götter, ruft in jenen Ländern niemand mehr auch (nur) beim Namen.

48 49

Niemand gibt euch die Opfer des T[ag]es, des Monats (und) des Jahresverlaufs. Auch Feste und Kulthandlungen begeht niemand für euch.

50

Auch hierher ins Land Ḫatti bringt euch keiner mehr Trib[utzahl]ungen und Kulthandlungen. Auch die reinen Priester, die Priester, die Gottesmütter, Musiker (und) Sän[ge]r werden nicht mehr von irgendwo hervorkommen.

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332

Anhang

52

[n]am[m]a šumāš ANA DINGIRmeš d UTU uru arinna [š]ittariēš armanniušš=a ŠA KÙ.BABBAR G[UŠKIN] ZABAR na4 [k]unnanaš TÚGḪI.A SIG-TIM TÚG.ḪI.A adu[pli] [T]ÚG.GÚ.È.A ku[š]išiyaš UL kwiški udai

53 54 55

UL=ma š[um]āš ANA DINGIRmeš ninda ḫaršauš dug išpa[ntuzzi=ya] auliušš=a ŠA GU4 .MAḪḪI.A ŠE ŠA gu4 ÁBḪI.A ŠE [ … ] UDUḪI.A ŠE MÁŠ.G[ALḪI.A ŠE UL kwiški] ūnnai nu=z(a) kē [ … ] ninda ḫaršay[aš … ] šanez[zi … ] [ … ]-at

56 57 58 59 60

[nu w]ēr kā uru ḫattuš[i … ] [ … ] u [ru t]uḫašunan zaḫḫer [ … ] uru taḫatariyan za[ḫḫer] [ … K]Á.GAL-aš kattan wēr nu uru ḫum-[ … ]

61 62 63 64

nu wēš DINGIRmeš -aš kwit na[ḫḫant]eš nu DINGIRmeš -aš ANA EZEN4 ḪI.A EGIR-an=pat arwašta K[UR u ]ru nerigga=ma=z LÚmeš uru gašga kwit dān ḫarkanzi weš=a AN [A] d IM uru nerik U ANA DINGIRmeš uru nerik SÍS[KURḪI.A ur u ] ḫattušaz uru ḫakmišši uppi[šgaw]eni NINDA.GUR4 .RAḪI.A dug išpantuzzi GU4 ḪI.A UDUḪI.A

65 66 67 68

LÚmeš u [ru g]ašga=ma ḫalziwani nu=šmaš NÍG.BAḪI.A [p]iweni namma=aš linganumani ANA d IM uru nerik=wa [kwi]t SÍSKUR uppiweni

69 70

nu=wa=z ḫanzan šumeš ḫarten nu=war=at KASKAL-ši lē kwiški wal(a)ḫzi

71 72 73 74 75 76

nu=z(a) uwanzi NÍG.BAmeš danzi namma linkanzi māḫḫan=ma=at EGIR-pa aranzi n=ašta lingāuš šarranzi nu=z(a) š[u]menzan ŠA DINGIRmeš memiyanuš tepnuwanzi nu [Š]A d IM linkiyaš na4 KIŠIB arḫa ḫullanzi

77 78

nu INA KUR uru ḫakmišša KASKALḪI.A -TIM appanzi nu ANA d I[M] uru nerik kwit SÍSKUR NINDA.GUR4 .RAḪI.A dug išpantuzzi GU[4 ]ḪI.A UDUḪI.A uppiweni n=at LÚmeš uru gašga KASKAL-ši šaruwanz[i] n=at ANA d IM uru nerik tarauwa-[ … ] UL arnuanzi

79 80

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CTH 375.1 Gebet Arnuwandas I. und Ašmunikkals

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54 55

Keiner bringt euch, den Göttern (und) der Sonnengöttin von Arinna, [S]onnenscheiben und Mondsicheln aus Silber, G[old], Bronze (und) [K]upfererz, die feinen Gewänder, das (königliche) adu[pli]-Festgewand (und) den Mantel des ku[š]iši-Festtagsgewands. K[einer] aber schickt e[uc]h, den Göttern, Dickbrote und Gus[sopfer] und Opfertiere von fetten Stieren, fetten Kühen, [ … ] fette Schafe (und) [fette] Ziegenbö[cke] her. Diese [ … ] Dickbr[ot … ] angene[hm … ]. [ … ]-te.

56 57 58 59 60

[Und sp]äter [ … -ten] hierher nach Ḫattuš[a … ]. Sie schlugen [T]uḫašuna [ … ]. Sie sch[lugen] Taḫatariya [ … ]. Sie kamen unten zum Stadttor [ … ]. Und Ḫum-[ … ].

61 62 63 64

Weil wir den Göttern (gegenüber) eh[rerbiet]ig (sind), kümmern wir uns um die Feste der Götter. Weil sich aber die Leute von Kaška das L[and] von Nerik genommen haben, sch[ick]en wir aber (jetzt) de[m] Wettergott von Nerik und den (anderen) Göttern von Nerik die Opf[er(gaben) a]us Ḫattuša nach Ḫakmišša: Dickbrot, Gussopfer, Rinder (und) Schafe.

65 66 67 68 69 70

Die Leute von [K]aška aber rufen wir. Wir [g]eben ihnen Geschenke. Ferner lassen wir sie schwören: „[Welch]es Opfer (scil. welche Opfergaben) wir dem Wettergott von Nerik schicken, ihr sollt (darauf) achten und keiner soll es auf dem Weg angreifen!“

71 72 73 74 75 76

Und danach nehmen sie die Geschenke und ferner schwören sie. Sobald sie aber zurückkehren, übertreten sie die Eide und missachten sie e[u]re, der Götter, Worte. Sie zerschlagen das Siegel der Vertrags(tafel) [d]es Wettergottes.

77 78

Im Land von Ḫakmišša nehmen sie die Wege ein. Was an Opfer(gaben), (also) Dickbrote, Gussopfer, Rin[d]er (und) Schafe, wir dem W[etter]gott von Nerik schicken, das plünder[n] die Leute von Kaška auf dem Weg. Sie bringen tarauwa-[ … ] dem Wettergott von Nerik nicht.

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Anhang

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[Š]À KUR uru ḫatti=ma kwit [ … ] šumenzan [ … -m ]eš KUR-e a-[ … ur ]u gašga uwanz[i] [ … -z]i nu [ … ] DINGIR-LIM kišša[n … ] UL [ … ] [n]amma KUR uru ḫa[tti … ]

85 86 87

[ … ]-ka aranzi […] [ … lú.meš ta]pari-[ … ]

88

[ … ḫūmanz]a lú.meš tapariyaliyē[šš=]a [ … ]

89

[ … lú. ]meš tapariyalliē[šš=a … ]-arrišš=a

90

[ … lú.meš t]apariyalliēšš=a [ …-i]rriš

91

[ … lú.meš tapariya]lliešš=a [ … ]

92

[ … lú.meš tapariyall]iyēšš=a

81

CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott – Text 1 2 3 4 5

n[u … ] kwi[š=še]=ššan DINGIR-uš ḫatuggā-[ … ]-a šāet n[u=z(a)=kan … ] dam[a]tta naiš nu ANA m kan(tuzi)li iyauwa UL pāi nu=ššan DINGIR-u[š … ] mān=[aš t]aknī

6 7 8

zig=a d UTU-uš katti=ši paiši nu īt apedani ANA DINGIR=YA tēt n[u=šši] ŠA m kantuzili uttār=šet āppa tarkumiyai

9 10 11 12 13 14 15 16

ammel DINGIR=YA kwit=mu=z(a) AMA=YA ḫāšta nu=mu ammel DINGIR=YA šallanuš nu=mu=šša[n … ] išḫiešša=mitt=a zik=pat DINGIR=YA nu=mu=kan āššawaš antuḫšaš anda zik=pat [ … ] ḫar(a)pta innarāuwanti=ma=mu pēdi iyauwa zik=pat DINGIR=YA maniyaḫta [ … ] ammel DINGIR=YA m kantuzilin tuggaš=taš ištanzanaš=taš ARAD=KA ḫalzaet[ta] nu=z(a) DUMU-annaz kwit ŠA DINGIR=YA duddumar natta šākḫi n=at U [L] ganešm[i]

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CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott

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335

82 83 84

Weil [ … Leute von] Kaška [im Inn]eren des Landes Ḫatti aber [ … ] euer, [der Götter,] Land [ … ] sehe[n], […] und [ … ]Gottheit folgendermaß[en … ] nicht [ … ]. [F]erner das Land Ḫa[tti … ].

85 86

Sie kommen [ … ] an. […]

87

[ … die Be]fehls[haber … ]

88

[ … die ganz]e [Stadt und die] Befehlshabe[r … ]

89

[ … die] Befehlshabe[r … ] und [ … ]-arri.

90

[ … ] und [die B]efehlshaber [ …] und [ … ]-irri.

91

[ … ] und [die Befehlsha]ber [ … ]

92

[ … ] und [die Befehlsha]ber [ … ]

CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

U[nd … ]. D[er] Gott, der [ihm] schrecklich [ … ] zürnte, (er) hat [seine Augen zur Seite] woan[d]ershin gewendet. Dem Kantuzili (über)gibt er nicht das Handeln. [Sei es], dass [jener] Gott (sich) [im Himmel] (befindet), oder dass er (sich) in der [E]rde (befindet), du aber, Sonnengott, gehst zu ihm. Geh (und) sprich zu diesem meinem Gott! Übermittle [ihm] seine, des Kantuzili, Worte! Mein Gott, was das betrifft, dass meine Mutter mich gebar: Du, mein Gott, zogst mich groß. Du, mein Gott, (bist) [mein Name] und meine (soziale) Bindung. Du[, mein Gott,] hast mich mit guten Menschen verbunden. An einen starken Ort aber hast du, mein Gott, mein Handeln gelenkt. Mein Gott, du ha[st mich], den Kantuzili, zu deinem Diener, (Diener) deines Körpers (und) deiner Seele ernannt. Welche Gnade meines Gottes kenne ich sei[t (meiner) K]indheit nicht? Erkenn[e] ich sie ni[cht] an?

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Anhang

17 18 19 20 21 22 23

kwit=a imma miešḫati nu=z(a)=(š)ta ŠA DINGIR=YA duddumar ḫattata ḫūmanta šakinun nu ANA DINGIR=YA UL kuššanka linkun lingainn=a=š[t]a UL kuššanka šarraḫḫat šiuni=mi=ma=mu kwit šuppi adanna natta ara n=at UL kuššanka edun nu=z(a) tuekka(n)=man natta papraḫḫun

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

GU4 -un=a=šta ḫāliaz āppa UL kuššanka karšun UDU-un⟨n⟩=a=šta ašaunaz EGIR-pa KI.MIN NINDA-an=z(a) wemiyanun n=an=z(a) AḪITI=YA natta kuwapikki edun wātar=ma=z wemiya⟨nun⟩ n=at AḪITI=YA UL kuwapikki ekun kinun=a=man mān lazziaḫḫat nu tuel šiunaš uddanta natta SIG5 -aḫḫat mā(n)=man innaraḫḫat=ma nu tuēl šiunaš uddanta UL innaraḫḫat

34 35 36 37 38 39 40

ḫwišwatar=m(u)=apa anda ḫingani ḫaminkan ḫingan=a=m(u)=apa anda ḫwišwanni=ya ḫaminkan dandukišnaš=a DUMU-aš uktūri natta ḫwišwanz(a) ḫwišwannaš UDḪI.A =ŠU kappuwanteš mā(n)=mman dandukišnaš=a DUMU-aš uktūri ḫuw[i]šwanz(a) ēšta man=ašta mān [a]ntuwaḫḫaš idāluwa inan arta man=at=ši natta kattawatar

41 42 43 44 45 46 47 48 49

[kinun]=a=mu=z(a) ammel DINGIR=YA ŠÀ=ŠU ZI=ŠU ḫūmantet kardit kīnuddu nu=mu wašdul=mit [tēdd]u n=e=z=(š)an ganešmi naššu=mu DINGIR=YA zašḫeya mēmau nu=mu=z(a) DINGIR=YA ŠÀ=ŠU kinuddu [ … wašd]ul=mit tēddu n=e=z=(š)an ganešmi našma=mu munus ENSI mēmau [ … Š]A d UTU lú AZU IŠTU uzu NÍG.GIG mēmau

50

nu=mu=z(a) DINGIR=YA ḫūmantet kardit [ … ] kīnuddu

51 52

nu=mu wašdul=mit teddu n=e=z=(š)an ganešmi

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CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott

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17 18 19 20 21 22 23

Was aber gar das betrifft, dass ich gedieh: Ich habe meines Gottes Gnade und Weisheit in allem kund getan. Niemals habe ich bei meinem Gott einen Meineid geleistet. Einen Eid habe ich auch niemals verletzt. Was aber von dem meinem Gott Heiligen mir nicht zu essen erlaubt (ist), das habe ich niemals gegessen. Ich habe mir meinen Körper nicht verunreinigt!

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Ein Rind aber habe ich nie von seiner Hürde wieder getrennt. Auch ein Schaf von seinem Pferch wieder ditto. Brot habe ich für mich gefunden und habe es ich niemals für mich allein gegessen. Wasser aber habe ich für mich gefunden und habe ich es niemals für mich allein getrunken. Wenn ich aber jetzt gesunden würde, würde ich da nicht durch dein, des Gottes, Wort gesunden? Wenn ich kräftig würde, würde ich da nicht durch dein, des Gottes, Wort kräftig?

34 35 36 37 38 39 40

Das Leben (ist) mir verbunden mit dem Tod. Der Tod aber (ist) mir auch mit dem Leben verbunden. Ein Kind der Sterblichkeit lebt aber nicht ewig. Die Tage seines Lebens (sind) gezählt. Wenn aber ein Kind der Sterblichkeit ewig l[e]bte, (selbst) wenn ein Übel für den [M]enschen, eine Krankheit, bestünde, (dann wäre) das kein Gegenstand der Anklage für ihn.

41

[Jetzt] aber soll mein Gott mir sein Innerstes (und) seine Seele offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen [benenn]en, so dass ich sie erkenne! Entweder soll mein Gott zu mir im Traum sprechen! Mein Gott soll mir sein Innerstes offenbaren! Er soll [mir] meine [Vergeh]en benennen, so dass ich sie erkenne! Oder es soll eine Seherin zu mir sprechen! [Oder] ein Orakelpriester [d]es Sonnengottes soll es [mir] aufgrund der Leber sagen! Mein Gott soll mir [sein Innerstes (und) seine Seele] offenbaren mit ganzem Herzen! Er soll mir meine Vergehen benennen, so dass ich sie erkenne!

42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

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338

Anhang

53

[ … taš]numarr=a āppa zik=pat ammel DINGIR=YA piški

54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

[ … lú SIPAD=ŠUN ]U zik nu=tta ḫūmantiya ḫalukaš=tiš [ … ] [ … ] šāet nu=mu=ššan arḫa paškutta āppa=ya=mu=z(a) [ … ] [nu=mu ḫ]wišnuddu nu=mu kwiš DINGIR=YA inan paiš nu=mu genzu [ … ] [ … in]ani peran tariaḫḫun mali[k]kun nu=z(a) namma UL taruḫmi [ … -]lu māḫḫan arirrišta nu=m[u … ]-ki naitta

66 67 68 69 70 71 72

[ … ] katta namma ešaru n=at āp[pa ka]rdi=šši madu [ … ] inanaz [aw]an arḫa namma titnut [d UTU-u]š šuwāru mayanz(a) [ŠA d SÎ ]N U d NIN.G[AL … =Š]UNU zik kāš[a=tt]a m kantuziliš ARAD=KA [ … ] ḫalziḫḫun nu=mu ḫwišnut [nu=ddu]=z(a)=šta k[āša] mēmiškemi

73

d

74 75 76 77 78 79 80 81 82

[nu=mu DINGI]R=YA ištamašdu uk=z(a) niku m kan(tuzil)iš ANA DINGIR=YA kwit iyanun nu kwit [waštaḫḫu]n šiyuni=mi zik=mu iyaš zik=mu šamnāeš kinun=a=tta m k[an(tuzil)iš kwi]t iyanun lú DAM.GÀR-š=a LÚ-aš d UTU-i giš ēlzi ḫarzi nu giš ēlzi maršanuzz[i] [ug=a ANA] DINGIR=YA kwit iyanun

83 84 85 86 87 88

nu=mu É=YA inani peran pittuliyaš É-er kišat nu=mu pittuliyai peran ištanzaš=miš tamatta pēdi zappiškezzi nu MU-ti mieniyaš armalaš maḫḫan nu=z(a) ūkk=a QATAMMA kišḫat kinun=a=mu=ššan inan pittuliyašš=a makkēšta n=at šiyuni=mi tuk mēmiškemi

89 90

išpanti=mu=ššan šašti=mi šānezziš tešḫaš natta ēpzi nu=mu=ššan šēr aššul natta išduwari

UTU-i išḫā=mi kāša=z m kan(tuzil)iš DINGIR=YA daššanuškē[mi]

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CTH 373 Kantuzilis Gebet an den Sonnengott

339

53

[ … ] und [Stär]kung gib [mir] zurück, du, mein Gott!

54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

[… ih]r [Hirte bist] du. Deine Botschaft (ist) [angenehm] für jeden. [Mein Gott aber, der auf mich] zornig geworden ist und der mich vernachlässigt hat, [der soll sich] auch wieder um mich [kümmern]! [Er soll mich] am Leben erhalten! Mein Gott, der mir (die) Krankheit gegeben hat, [soll] mir gegenüber eine gütige Gesinnung [annehmen]! [ … ] vor [Krank]heit bin ich müde geworden (und) leide. Ich kann (sie, scil. die Krankheit) nicht mehr (aus eigener Kraft) bezwingen. Wie er [ … ] abgeschabt hat, hat er m[ir … ] gewendet.

66 67 68 69 70 71 72

[ … ] soll (sich) wieder legen! Er soll wied[er] verlöschen in seinem [He]rzen! Entferne [ … ] wieder aus der Krankheit! [Sonnengot]t, der ganz erwachsene [Sohn von Sî]n und Ning[al] (bist) du. Ich hier, Kantuzili, dein Diener, habe d[ich … ] gerufen: Erhalte mich am Leben! Ich h[ier] sage [dir] (jetzt):

73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Sonnengott, mein Herr, ich hier, Kantuzili, stärk[e] für mich meinen Gott (gerade). Mein [Got]t soll [mich] hören! Habe ich, Kan(tuzil)i, meinem Gott, etwas getan? Worin [hab]e ich [gefrevelt]? Mein Gott, du hast mich gemacht. Du hast mich erschaffen. Jetzt aber, [wa]s habe ich, K[an(tuzil)i], dir getan? Der Kaufmann, der Mensch, hält (vor) dem Sonnengott die Waage, und er verfälsch[t] die Waage. [Ich aber,] was habe ich mein[em] Gott getan?

83 84 85 86 87 88

Mein Haus ist für mich durch die Krankheit ein Haus der Angst geworden. Vor Angst driftet mir meine Seele an einen anderen Ort. Wie (einer, der) krank (ist) für den Zeitraum des (ganzen) Jahres, ebenso bin auch ich geworden. Jetzt aber sind mir Krankheit und Angst (zu) viel geworden. Mein Gott, ich sage es dir (jetzt).

89 90

In der Nacht ergreift mich in meinem Bett kein angenehmer Traum. Für mich wird Gutes nicht offenbar.

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340

Anhang

91

kinun=a=m(u)=apa [DINGIR=Y ]A innarau[w]ār U d LAMMA anda tūriya

92 93

mān=mu=kan annaz=ma karta[z k]ī inan gul(a)šta ug=a=at=z(a) āppa munus ENSI-ta natta kuššanka punuššun

94 95 96

kinun=a šiuni=mi peran tuwaddu ḫalziššaḫḫi nu=mu DINGIR=YA ištama[š] [nu=m]u LUGAL-an āški DINGIR=YA UL aššanuwandan anduḫšan lē iššatti

97

nu=mu da[nduk]išnaš DUMU-li peran šā[kl]i(n)=man lē GÙB-laḫḫiškeši āššu kwiuš iššaḫ[ḫun] [nu] ḫwišnuzzi UL kwišk[i] [nu=m]u DINGIR=YA [ … ]-zi annaš=miš=a=mu [ … NU.GÁ]L [zi]k=pat=mu=z[(a) … ] […]

98 99 100 101 102 103

CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne – Text 1

d

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

UTU-e išḫa=mi ḫandanz(a) ḫannešnaš [i]šḫaš nepišaš dāgazipašš=a LUGAL-ue KUR-e zik dudduškeši tarḫuwilatar zik=pat peškeši zik=pat ḫandanz(a) DINGIR-uš genzū daškeši zik=pat mugāuwar zik=pat ēššatti zik=pat genzuwalaš d UTU-uš nu genzu zik=pat daškeši ḫandanz(a)=kan antuḫšaš tuk=pat āššuš n=an zik=pat šar[l]iškeši d UTU-uš šuwaru mayanz(a) DUMU d NIN.GAL zamakur=tet ŠA na4 ZA.GÌN-aš kāša=tta DUMU.LÚ.U19 .LU-aš ARAD=KA aruwā[e]t nu=tta memiškezzi

14

nepiš[aš t]aknašš=a ḫūlale[š]ni zik=pat d UTU-uš [lā]lukimaš

15

d

UTU-e šarkui LUGAL-ue DUMU d NIN.GAL utniyandaš šaklain išḫiūl zik=pat ḫant[ei]škeši

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CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne

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341

Jetzt aber spanne, [mei]n [Gott], für mich (deine) Kraft und die Schutzgottheit ein! Ob du mir vom Mutterleib an diese Krankheit (fest)geschrieben hast, habe ich aber (denn) niemals eine Seherin im Gegenzug befragt? Jetzt aber rufe ich vor meinem Gott ‚Gnade!‘ aus. Und du, mein Gott, hör[e] mich! Mein Gott, mache [m]ich am Königstor nicht mehr zu einem nicht gut gestellten Menschen! Lasse mir vor einem Kind der Ste[rblich]keit mein Re[ch]t nicht mehr erfolglos sein! Welche ich gut behandel[t habe], keine[r] (davon) erhält (mich) am Leben. [ … ] mir, mein Gott, [ … ]-t. Meine Mutter aber [ist] mir [nicht vorhand]en. [D]u aber [bist] mir [ … ]. […]

CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Sonnengott, mein Herr, gerechter [H]err des Gerichts, König über Himmel und Erde, du behandelst das Land gnädig. Siegeskraft gibst du. Du (bist) ein gerechter Gott. Du nimmst eine gütige Gesinnung an. Die Herbeirufung führst du aus. Der gütige Sonnengott (bist) du. Eine gütige Gesinnung nimmst du an. Der gerechte Mensch (ist) dir lieb. und du er[h]öhst ihn. Sonnengott, ganz erwachsener Sohn der Ningal! Dein Bart (ist) aus Lapislazuli. (Vor) dir hat sich hier ein Mensch, dein Diener, vernei[gt]. Zu dir spricht es (jetzt): Du, Sonnengott, (bist) die [Li]cht(quelle) in der Umkrei[s]ung von Himm[el] und [E]rde. Sonnengott, erhabener König, Sohn der Ningal, das Gewohnheitsrecht (und) Vertragsrecht der Länder ma[c]hst du bindend.

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Anhang d

UTU-i šarku LUGAL-ue DINGIRmeš -naš=kan iš⟨tar⟩na zik=pat ašnuanz(a) dāššu išḫišša tuk=pat piya[n] ḫandānz(a) maniy[aḫ]ḫayaš išḫāš zik dankuwayaš KUR-e[aš a]ttaš annaš zik

21 22 23 24 25 26 27

UTU-i GAL-li LUGAL-ue d EN.LÍL-aš attaš=t[e]š KUR-e 4 ḫalḫaldumari tu[k=pa]t kišri=tti t[i]yan ḫarzi ḫannešnaš išḫāš zik nu ḫan[n]ešnaš [p]ēdi dariyašḫaš=tiš [N]U.GÁL karuwiliyaš[š]=a=kan DINGIRmeš -naš ištarna d UTU-uš [š]arkuš DINGIRmeš -aš=šan SÍSKUR [z]ik=pat zikkeši karuwiliyaš=šan [DINGIRm ]eš -naš ḪA.LA=[ŠUNU z]ik=pat zikkeši nepišaš giš IG ā[pp]a tuk=pat d UTU-i ḫaškanzi nu=kan nepišaš KÁ-aš zik=pat aššanuwanz(a) d UTU-uš šarreškeši

28 29 30 31 32

nu nepišaš DINGIRmeš -eš tuk=pat kattan kaninanteš taknašš=a DINGIRmeš -eš tuk=pat kattan kanin[a]nteš kwitt=a d UTU-uš memiškeši DINGIRmeš -š=a āppa tuk=pat aruwēškanzi d UTU-uš dammeišḫandaš kurimmašš[=a a]ntuḫḫaš attaš annaš zik

33

kurim[m]aš da[m]m[i]šḫandaš antuḫšaš kattawātar zik[=pa]t d UTU-uš šarninkiškeši

34 35 36 37

mān=ašta karūwarwar d UTU-uš nepišaz šarā ūpzi nu=ššan šarāzziyaš KUR-eaš katterašš=a utneyaš ḫūmandaš tuel=pat d UTU-waš ⟨lālukimaš⟩ tiyari nu UR.GI7 -aš ŠAḪ-ašš=a ḫannešša[r] ḫannattari šuppalann=a ḫanneššar išš[i]t kwiēš UL memiškanzi

38 39

apātt=a ḫan[n]attari idalauwašš=a ḫūwappašš=a antuḫšaš ḫanneššar zik=pat ḫannattari

40 41 42 43 44

antuḫšann=a=z kwin DINGIRmeš šanzi n=a(n)=šan arḫa paškuwanz[i] n=an āppa zik kappūwaši n=an genzuw[aši] kūnn=a LÚ.NAM.U19 .LU-aš ARAD=KA d UTU-uš luluwāi

45 46

nu d UTU-i NINDA-an KAŠ šippaz(a)keuwan tiyazzi n=an ḫantantan ARAD=KA d UTU-uš kišar[t]a ēp

47

nu miewuš kwiuš d UTU-uš tūriyan ḫarši

20

d

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CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne

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343

Sonnengott, erhabener König, unter den Göttern (bist) du der am besten gestellte Gott. Eine starke Bindung (ist) dir gegebe[n]. Ein gerechter Herr des Herr[sc]hens (bist) du. [V]ater (und) Mutter der dunklen Länd[er] (bist) du. Sonnengott, großer König, d[e]in Vater Enlil hat dir das Land, die vier (Welt‑)Ecken, dir in deine Hand g[e]legt. Der Herr des Gerichts (bist) du. Eine Erm[ü]dung am [O]rt des Gerichts gibt es für dich [n]icht. Auch unter den alten Göttern (bist) du, Sonnengott, [e]rhaben: Den Göttern stellst [d]u die Opfer bereit. Den alten [Götter]n stellst [d]u [ihren] Anteil bereit. Dir, dem Sonnengott, öffnet man die Himmelstür. Durch das Tor des Himmels schreitest du, Sonnengott, als ein Gutgestellter. Die Götter des Himmels (haben sich vor) dir niedergebeugt und die Götter der Erde (haben sich vor) dir niedergebeugt. Was auch immer du, Sonnengott, sagst, die Götter aber verneigen sich wiederum vor dir. Sonnengott, für geschädigte [und] verwaiste [M]enschen Vater (und) Mutter (bist) du. Für den Anklagegegenstand der verwais[t]en (und) ge[s]ch[ä]digten Menschen entschädigst du, Sonnengott.

45 46

Wenn bei Tagesanbruch der Sonnengott auf der Seite des Himmels aufsteigt, dann tritt dein, des Sonnengottes, ⟨Licht⟩ in alle oberen Länder und unteren Länder. Du richtest die Rechtsangelegenhei[t] von Hund und Schwein. Sowohl die Rechtsangelegenheit der Tiere, die nicht m[i]t dem Mund sprechen (können), auch jene ric[h]test du, als auch die Rechtsangelegenheiten der schlechten und der böswilligen Menschen richtest du. Auch welchem Menschen die Götter zürnen und (wen) sie vernachlässige[n], um den kümmerst du dich wieder und den behande[lst] du gütig. Auch diesen (hier), deinen Diener unter den Menschen, unterstütze (du), Sonnengott! Dann opfert er (dir), dem Sonnengott, Brot (und) Bier. Nimm ihn (als) deinen treuen Diener, Sonnengott, [a]n die Hand!

47

Welche Vier du, Sonnengott, angeschirrt hast,

36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Anhang

48 49 50 51 52 53 54

nu=šmaš kāša DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU-aš ḫalkin šuḫḫaš nu miewaš=tiš karippandu nu kwitman mieyawaš=teš ḫalkin karip[p]anzi zig=a d UTU-uš ḫwēš nu=tta kāša LÚ.NAM.U19 .LU ARAD=K [A] uttar memai nu uddār=tit ištamaš-[ … ] d UTU-i šarku LUGAL-ue 4 ḫalḫaltūmari uktur[i] ištarna arḫa iyattari

55 56

ZAG-az=tet naḫšaratteš ḫuiya[n]teš GÙB-laz=ma[=tt]a we⟨ri⟩temaš ḫuiyanteš

57 58 59

d

60 61 62

⟨⟨nu⟩⟩ d BUNENE-š=a=[tt]a lú SUKKAL=K [A] ZAG-az=tit iyatta d [mišar]ušš=a=tt[a] lú SUKKAL=KA GÙB-laz=tet [ … ] iyatt[a] nu=kan d UTU-uš nepi[š ištarna] arḫa pa[iši]

63 64 65 66 67 68 69 70 71

nu šarāzzi nepišaš DINGIRmeš -aš [ … ] kattanda dankwi taknī kar[uwiliyaš] DINGIRmeš -aš piddāši kattirra=ma da[nkuwayaš] taknaš karuwiliyaš DINGIRmeš -a[š … ] tagaz(a) šarā […] nu=tta kāš [ … ] n=an d UTU-uš [ … ] DINGIR⟨⟨meš ⟩⟩-uš ḫaduki-[ … ] nu=z(a)=kan DINGIR-LUM apāš šakuwa=ššit tapu[šz(a)] tamēda nāyeš nu DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU iyauwar UL pāi nu=ššan DINGIR-LIM-iš apāš mān nepiši mān=aš taknī

72 73 74

zigg=a=šši d UTU-uš katte=šši pāiši nu īt ap[ēd]ani DINGIR-LIM-ni tet nu=šši ⟨⟨nu⟩⟩ ŠA LÚ.NAM.U19 .LU-[UTT ]I uddār EGIR-pa tarkumma[i]

75 76 77

[a]mmel DINGIR-LIM kwit=mu=z(a) AMA=YA ḫašta nu=mu ammel [DINGIR-LIM šal]lanuškeši nu=mu=ššan laman=mit išḫi[šša=mitt=a] antūwaḫḫaš anda zik=pat DINGIR=YA uškett[a] [U]Nmeš -aš anda zik=pat DINGIR-LUM=YA ḫar(a)pt[a] innarawanti=mu=kan ḫaḫarranni išt[arna] iyawar zik=pat DINGIR=YA maniya[ḫta] nu=mu=z(a) ammel DINGIR=YA DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU tu[ggaš=taš] ištanzanaš=taš ARAD=KA ḫalza[et]

78 79 80

tūrešgala [ … ] d 10 NIR.G[ÁL … ] ašanteš nepišaz [ … ]meš [ … ]=ŠU peyē[r] nepiši=ššan d UTU-i [k]ūn DINGIR-LUM d d[u- … ] yēr

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CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne

48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80

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ihnen hat der Mensch hier Gerste hingeschüttet. Deine Vier sollen fressen! Und solange deine Vier die Gerste fres[s]en: – du aber, Sonnengott, lebe! – Zu dir spricht der Mensch hier, dei[n] Diener, ein Wort, (und) [ … ] hör[- … ] deine Worte. Sonnengott, erhabener König, du durchwanderst ewi[g] die vier (Welt-)Ecken, zu deiner Rechten lauf[e]n die Ängste, zu [dei]ner Linken aber laufen die Schrecken. Der Gott der Anschirr[ung … ] (und) der star[ke] Wettergott sind [ … ]. Vom Himmel schickt[en] die [ … ] sein [ … ]. Im Himmel machten sie für den Sonnengott [di]esen Gott zum Gott der An[schirrung]. Bunene, dei[n] Wesir, geht zu deiner Rechten, und [Mišar]u, dein Wesir, geh[t] zu deiner Linken. (So) bewe[gst du,] Sonnengott, dich am Himm[el] entl[ang]. Im oberen (Bereich) [ … ] den Göttern des Himmels. Unten in der dunklen Erde teilst du den a[lten] Göttern zu. Das Untere aber [ … -st du] den alten Göttern der du[nklen] Erde [ … ] aus der Erde hinauf. Dir dieser [Mensch … ]. Sonnengott, [ … ] ihn. Der Gott, [der] schrecklich [ … ], jener Gott hat seine Augen [zur] Seit[e] woandershin gewendet. Dem Menschen (über)gibt er nicht das Handeln. Sei es, dass jener Gott (sich) im Himmel (befindet), oder sei es, dass er (sich) in der Erde (befindet), du aber, Sonnengott, gehst zu ihm. Geh (und) sprich zu j[en]em Gott! Übermittl[e] ihm die (folgenden) Worte des Menschen! [M]ein Gott, was das betrifft, dass mich meine Mutter gebar: Du, mein [Gott, zie]hst mich groß. Du, mein Gott, achtes[t] mir auf meinen Namen [und meine] (soziale? ) Bind[ung] unter den Menschen. Du, mein Gott, [hast] mich mit [M]enschen verbund[en]. Du, mein Gott, [hast] mein Handeln an einen starken … zw[ischen … ] gelen[kt]. Mein Gott, du hast mich, der Mensch, zu deinem Diener, (Diener) deines K[örpers] (und) deiner Seele, beruf[en].

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Anhang

81 82 83 84

nu=z(a) [DUM]U-annaz(a) kwit ŠA DINGIR=YA d[uddumar] UL šaggaḫḫi n=a[t … ] kanišmi kwit imm[a … ] nu=z(a)=kan [ŠA] DINGIR=YA ḫa[ttata … ] ḫūma[nt]a š[akinun]

85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

nu ANA [DINGIR=YA … ] lin[kun] […] šiuni[=mi=ma=mu … ] [ … ] UL a-[ … ] nu=z(a) giš [ … ] GU4 -un=a=š[ta … ] karšu[n] [ … ] ašau[naz … ] NINDA-a[n=z(a) … ] [ … ] e[dun] […] n[=at … ]

96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107

kin[un]=a=man [ … ] [ … ] ḫa[nt]a U [L … ] […] nu tuēl ŠA DINGIR-LIM u[ddanta … ] TI-tar=m(u)=apa ⟨⟨ḫa⟩⟩ and[a … ] ḫand[a]n ḫing[an=a=m(u)=apa … ] [ … ] antuḫ[š]an TI-t[ar … ] tepu pēdan ka[tta … ] TI-annaš UDḪI.A =ŠU [ … ] mā(n)=man DUMU.NAM.L[Ú.U19 .LU … ] man=ašta mān [ … ] artari mān=[at=ši … ]

108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119

kinun=a[=mu=z](a) ammel [ … ] nu=mu wa[š]dul=me[t … ] […] nu=mu DINGIR=YA zašḫ[iya … ] […] nu=mu wašdu⟨l⟩=mit [ … ] […] n=at=mu damme[li … ] [ … ] IŠTU uzu NÍG.G[IG … ] [ … ] ḫūmant[et … ] nu=mu wašdul=m[it … ] n=ē=z=(š)a[n g]a[nešmi]

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nu=mu naḫšar[att]an tašnu[marr=a] EGIR-pa DINGIR=YA pā[i]

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CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne

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Welche G[nade] meines Gottes kenne ich nicht seit (meiner) [Kin]dheit? Erkenne ich si[e nicht] an? Was aber [gar] das betrifft, dass [ … ], ich habe meines Gottes Wei[sheit … ] in all[em] ku[nd getan].

85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

Bei [ … ge]leistet. [ … ]. [Meine]m Gott [aber mir/mich … ]. [ … ] nicht [ … ]. Und [ … ]. Ein Rind aber [habe ich … ] getrennt. [ … von seinem] Pferc[h]. Brot [ … ]. [ … ] a[ß ich]. [ … ]. Und [ … es … ].

96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107

[Wenn … ] jet[zt aber … ] würde, [ … ] nic[ht … ]? [ … ], [ … ] durch dein, des Gottes, W[ort … ]? Das Leben ist mir [ … ]. Der To[d aber ist mir … ]. [ … ] der Menschen Leb[en … ]. Der kleine Ort hin[ab … ]. Seine Lebenstage [ … ]. Wenn ein Men[sch … ] würde, wenn [ … ] bestünde, (dann) wäre [das für ihn … ].

108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119

Jetzt aber [soll mir … ] mein [Gott … ]! Mir mein[e] Ver[g]ehen [ … ], [ … ]! Mein Gott zu mir im Tra[um … ]! [ … ]! Mir meine Vergehen [ … ], [ … ]! Eine jungfräulich[e Seherin … ] es zu mir [ … ]! [ … ] aus einer Leb[er … ]! [ … ] mit ganzem [Herzen … ]! Mir m[eine] Vergeh[en … ], so dass [ich] sie e[rkenne]!

120

Mein Gott, gi[b] mir Ehrerb[ietu]ng und Stärk[ung] zurück!

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Anhang

121 122 123 124 125 126 127 128

d

UTU-uš ḫūma[ntan] lú SIPA=ŠUNU zik nu=tta ḫūmant[iya ḫal]ugaš=tiš šanezziš [nu=mu]=ššan kwiš DINGIR=YA šayet [nu=mu a]rḫa piššiyaet [appa=y]a=mu=z(a) a[p]aš=pat kappwedd[u] [ … ḫwi]šnud[d]u nu=mu kwiš DINGIR=Y [A … ]-ašnut [n]u=mu genzu namma [ … ]

129 130 131 132 133 134 135 136

[ … ] UL tar[uḫmi] [ … māḫḫ]an ari[rri- … ] [ … ]-z[i] [ … ]-ta [ … ] [ … namm]a ešaru n[=at … ]-uš mā-[ … ] [ … titt]anut d [ … d]apianz(a) [ … ]

137

[ … ]-ta

138 139 140 141 142 143

[ … ]-ta DUMU.N[AM.LÚ.U19 .LU … ] [ … ] d UTU-uš iš-[ … ] [DUMU.NAM.LÚ.U19 ].LU-UTTI AN [A DINGIR=YA … ] kwit iya[nun] [ … d UT]U-i GAM-an giš [ēlzi … ] [ … giš ē]lzi marša[nuzzi] [ … ] UL kwit [ … ]

144 145 146 147 148 149

[ … ] ina⟨⟨na⟩⟩ni p[eran … ] taruḫmi [ … ] ZI=Y [A t]amēda [ … ] nu MUkam -ti [m]ēyaniyaš [ … ] nu=z(a) ūk apā[š=pat] kišḫaḫa[t] [ … ] inan pit[t]ul[iy]ašš=a mēniy[aš] makki[šta] n=at šiuni=m[i] tuk memi[škemi]

150 151 152 153

išpante=mu=ššan šašte=mi šan[ezziš] tešḫaš UL ēpzi lamman=ma=m[u=ššan] šer aššulli UL išduwari innarawatar=ma=mu uddār d [LAMMA] UL iyazi mān=mu=kan annaz kartaz DINGIR=YA [ … ] gul(a)šta

154 155 156 157

ug=a=z(a) āppa munus ENSI UL k[u]ššanka punuššun kinun DINGIR-LIM-ni peran duddu ḫalziššaḫ[ḫi] nu=mu DINGIR=YA LUGAL-waš āški UL aššanuwandan antuḫšan iyaš nu=mu DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU-UTTI peran šaklaye(n)=man GÙB-laḫta

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CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne

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121 122 123 124 125 126 127 128

Sonnengott, der Hirte von all[en] (bist) du. Deine [Bot]schaft ist angenehm für jed[en]. Mein Gott, der [auf mich] zornig geworden ist und der [mich] verstoßen hat, d[e]r sol[l] sich au[ch wieder] um mich kümmern! Er so[l]l [mich am Leb]en erhalten! Me[in] Gott, der mir/mich [ge- … ]-t hat, soll mir gegenüber wieder eine gütige Gesinnung [annehmen]!

129 130 131 132 133 134 135 136

[ … ] nicht bezw[inge ich]. [Wi]e [ … ] abs[chab- … ], […] […] [Der Zorn soll sich wied]er legen! Und [ … ]! [Entfe]rne [ … ]! [ … g]anz [ … ].

137

[ … ]-te.

138 139 140 141 142 143

[ … ] Mensc]h … ] d[ich/dir … ]. [ … ] Sonnengott [ … ] Was ha[be ich, der Mensc]h, [meinem Gott … ] ge[tan]? [ … ] vor dem [Sonnengo]tt die W[aage … ] [und] verfäl[scht die Wa]age. [ … n]icht etwas [ … ].

144 145 146 147 148 149

[ … ] bezwinge ich d[urch] die Krankheit [ … ]. [ … ] mei[ne] Seele [an einen an]deren [Ort … ]. Für den Zeitraum des (ganzen) [J]ahres [ … ]. Ich bin (wie) jene[r] geword[en]. [Mir sind] Krankheit und A[ng]st des Jahres (zu) viel gewor[den]. Mei[n] Gott, ich sag[e] es dir (jetzt).

150 151 152 153

In der Nacht ergreift mich in meinem Bett kein angen[ehmer] Traum. (Mein) Name aber erscheint mi[r] (scil. im Traum) nicht im Guten. Die [Schutz]gottheit verleiht meinen Worten keine Kraft. Ob du mir vom Mutterleib an, mein Gott, [diese Krankheit] (fest)geschrieben hast, habe ich aber (denn) niem[a]ls eine Seherin wiederum befragt? Jetzt ruf[e] ich (gerade) vor der Gottheit ‚Gnade!‘ aus. Mein Gott, du hast mich am Königstor zu einem nicht gutgestellten Menschen gemacht. Du hast mir mein Recht vor den Menschen erfolglos sein lassen.

154 155 156 157

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350

Anhang

158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168

nu=z(a) kwedani=ya āššuš apāš āššu ŠUM-an UL dāi zik=ma=mu=z(a) DINGIR-[YA a]ttaš annaš kw[iš] DINGIR=YA=mu NU.GÁ[L] [zi]k=pat=mu=z(a) DINGIR=Y [A … ] iwar ḫašt[a] [kin]un p[ittuliyaš … ] UDḪI.A -uš GE6 ḪI.A -[uš … ] nu=mu ḫwišnut wa[šdulaš … ] GIM-an lāi nu=mu DINGIR-Y [A k]išarit [ … ] nu=mu=kan [in]a⟨⟨na⟩⟩n arḫa tarn[a]

169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179

DINGIR=Y [A … ] nu=mu=ššan [ … ] [ … ]-šan danku-[ … ] a-[ … ] UL we[ḫaḫḫa] nu parā kuwapi ār(a)šmi nu pēte=m[it] UL šakkaḫḫi nu MÁ GIM[ … ] ÍD-az arḫa ḫa-[ … ] [ … ] pittuliyann=a [ … ] maḫḫ[an … ] nu=mu DINGIR=Y [A … ] ŠU [ … ] nu=mu [ … ] nu=mu=z(a) DINGIR=YA aššuli namma kappuw[i … ]

180 181 182 183 184 185 186 187

nu tuk DINGIR=YA wallaḫḫi nu=ddu=z(a)=kan ša-[ … ] ammel=mu=z(a) ḫanteš arišš=a te-[ … ] nu=mu=z(a) ḫazikeuwan dayēr wašd[ul … ] karpišš=a tuel ŠA DINGIR=YA nu=mu=z(a) mān zik DINGIR=YA menaḫḫand[a] idāluš ug=a=z(a) kwiš namma UN-aš [ … ] kinun=a DINGIR=YA idalauwanz(a) in[an … ]

188

nu=mu āššawe pedi tit[tanut]

189 190 191 192 193 194

inani=mu=z(a) māni [ … ] arānt[i … ] wenal kišḫū[t] [ … ] arnut āršati=m[a … ] nu=šma(š)=šta arḫa ḫa-[ … ] arnut nu ŠA DIN[GIR … -u]š lā ina⟨⟨na- … ⟩⟩ni=pat andan ḫalluwai wielwili lē

195

nu=mu DINGIR=YA dallišš[a]nti UN-ši UDKAM.ḪI.A idala⟨w⟩ēš GE6 -uš ḪUL-ēš maninkuwan lē tarnatti

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CTH 372 Hymne und Gebet an die Sonne

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158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168

Und wem auch immer ich lieb (bin), jener bekommt keinen guten Namen. Du, [mein] Gott, aber bist für mich der [V]ater. D[ie] (mir) die Mutter ist, mein Gott, (sie) ist mir nich[t] vorhand[en]. [D]u, me[in] Gott, hast mich wie [eine Mutter] gebor[en]. Jetzt [vor] A[ngst … ] Tage und Nächt[e … ]. Lass mich überleben! (Er)löse (mich) wie [ … ]! [Nimm] mich an die Hand, mei[n] Gott! Die [Kra]nkheit las[s] fort von mir!

169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179

Me[in] Gott, [ … ]. Und mir/mich [ … ]. Und [ … ] dunkel [ … ]. [ … ] bew[ege ich mich] nicht. Wohin ich fließe, ich kenne meinen (Ziel)ort nicht. Wie ein Schiff [ … ] vom Fluss weg [ … ]. Wie [ … ] und Angst [ … ], mei[n] Gott, [nimm] meine Hand [ … ]! Und mir/mich [ … ]! Kümme[re] dich wieder um mich, mein Gott, zum Guten!

180 181 182 183 184 185 186 187

Dich, mein Gott, werde ich rühmen. Und dir/dich [ … ]. Meine Ersten und Gefährten [ … ] mir/mich. Und so schlugen sie mich. Verge[hen … ] und der Zorn (sind) deine, (nämlich) die meines Gottes. Wenn du, mein Gott, mir gegenübe[r] böse (bist), als welcher Mensch ich aber [ … ], jetzt aber, mein Gott, (als) böse (Gewordener) [ … ] die Krankhei[t … ].

188

Stel[le] mich an einen guten Ort!

189 190 191 192 193 194

Mir, dem in Krankheit, Eiter [ … ] Stehend[en, … ] werd[e] eine Stütze! Bring [ … ]! Es floss? aber [ … ]. Bring [ … ] von ihnen weg! Und löse [dein,] der Gott[heit, … ]! In Krankheit sei nicht in der tiefen Wiese (verschwunden)!

195

Mein Gott, lass mir, einem angen[e]hmen Menschen, böse Tage (und) böse Nächte nicht nahe kommen!

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352

Anhang

196 197 198 199 200 201 202 203 204

nu=mu ḫarā[tar … ]-aš lāi nu=mu=kan DINGIR=YA DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU IGI[ḪI.A -it a]nda au nu=kan [ … ] nu=mu aggatan [ … ]-anz[i] [ … ] d UTU-un! peand[an] LÚ-an dā [ … -t]a [ … ] [ … ] wašduli[n … ] za-[ … ] kwit [ … ] [n]=at=mu 2-ŠU 3-ŠU waštul [ … -m]et arḫa lāi

205 206 207

nu=z(a) [ … ] taruḫdu mu-[ … ] kattan [ … ] ti[ttanuddu] nu=tta kī mu[ki]šnaš udd[ār DIN]GIR=YA ekunaz ! wetenaz ma[ḫḫ]an ŠÀ-⟨t⟩it waršanuddu

208 209 210

n[u=z](a) karū maḫḫan annaz(a) ŠÀ-za ḫaššanz(a) ešun nu[=m]u=kan DINGIR=YA āppa apūn ZI-an anda tāi [nu=m]u tuel ŠA DINGIR=YA ZI=KA ammuk IGI-anda [a]ttaš=maš annaš ḫaššannaš āššu [Z]IḪI.A kišantaru

211

[ … Q]ATI

CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna – Text 1 2 3 4

[…] uyaet=mu [m mu]ršil[i … ] […] īt=wa ammel ANA BE[LTI=YA … ANA d UTU ur ]u arinna memi

5

nu=wa d UTU ur [u arinna … ŠA S]AG.DU=YA mugāmi

6

nu=z(a)=ka[n … nakk]iš d UTU uru arinna nepiš[i … ] šer

7 8 9 10

mān=z(a) aruni mān=z(a) AN [A ḪUR.SAGmeš … ]-ka waḫḫanna pān[z(a)] [kinun]a=tta giš ERIN-anz(a) Ì-[ … ]-du nu=tt[a … ]-ašš=a Š[A … ]

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CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna

196 197 198 199 200 201 202 203 204

353

Löse mir das Ärg[ernis … ]! Mein Gott, schau mich, den Menschen, mit (deinen) Auge[n] an! Und [ … ]. Mich als Toten [ … ]-en sie. Den Sonnengott nimm als gesandt[en] Mann (an)! [ … ]. Weil [ … ] den Frevle[r … ], [ … ] es zweimal, dreimal [ … ], das Vergehen, [m]ein [ … ] löse!

205 Er soll [ … ] bezwingen! 206 Er [soll … ] ganz fort? [ … ] st[ellen]! 207 Diese Wort[e] der An[ru]fung, mein Gott, sollen dein Herz w[i]e durch kühles Wasser besänftigen! 208 Wie ich damals aus (meiner) Mutter, aus (ihrem) Inneren geboren war, 209 (so) setze (nun), mein Gott, jene Seele wieder in [m]ich hinein! 210 Deine, meines Gottes, Seele soll [m]ir gegenüber auf gute Weise zu den [S]eelen meines [V]ater, (meiner) Mutter (und meiner) Familie werden! 211 [ … (Der Text) ist b]eendet.

CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

[ … ]. Es schickte mich [Mu]ršil[i … ]. [ … ]: „Geh (und) sprich zu meiner Her[rin, meiner persönlichen Gottheit, der Sonnengöttin von] Arinna. Ich werde (nämlich) die Sonnengöttin von [Arinna, meine Herrin,] meine [pe]rsönliche [Gottheit], herbeirufen.“ [Falls] (du), die [gewich]tige Sonnengöttin von Arinna, oben im Himme[l … ] in [der Erde] (bist), falls (du) im Meer (bist), falls (du) in d[ie Berge … ] zum Durchstreifen gega[ngen] (bist), sollen dich [jetz]t aber Zeder, Öl [ … rufen]! Und di[ch … ] und der [ … ] des [ … ].

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Anhang

11 12 13 14

[ … EGI]R-pa é karimm[i … ] [ … kāš]a m[ukiškem]i ninda ḫaršit [ … ] [ … kal]anganz(a) ēš [ … išt]amaški

15 16

[ … nakki]š DINGIR-LIM-iš [ … INA KU]R uru KÙ.BABBAR-ti taššanuwan

17 18 19 20

[ … ] É DINGIR-LIM=KA [ … ] [nu]=t[t]a EZEN4 ḪI.A SÍSKURḪI.A =ya [ … parkw]i peškanzi [ … utn]ē UL kuwapikki peškanzi [ … I ]ŠTU KÙ.BABBAR GUŠKIN [ … ] ēšzi

21 22

namma=ma=at=ta [ … UL kuwapi]kki ēšzi [ … KÙ.BABBAR.G]I4 NA4 ḪI.A INA KUR uru KÙ.BABBAR-ti=pat [ … ]

23

[ … IT]UḪI.A MU-ti mīyanaš [ … gimmant]aš ḫamešḫandaš auliuš m[ukišnašš=a EZ]EN4 ḪI.A IN [A KUR u ]ru KÙ.BABBAR-ti=pat ēššanzi

24

namm[a]=ma[=at=ta] tamēdani KUR-e UL kuwapikki ēšš[a]nzi

25

30

nu tuel ŠA d UTU uru arinna DINGIR-LIM-yatar INA KUR uru ḫatti=pat nakkiyaḫḫan nu=tta=kkan m murši-DINGIR-LIM-iš LUGAL-uš ARAD=KA INA KUR uru KÙ.BABBAR-ti=pat naḫḫanz(a) nu tuel ŠA d UTU uru arinna ḫimmuš SÍSKURḪI.A EZEN4 ḪI.A iyauwanzi šarā tittanuškanzi nu=tta ḫūman parkwi peškanzi namma=ššan É DINGIR-LIM=KA ANA KÙ.BABBAR GUŠKIN naḫšaraz tiyanz(a) nu maninkuwan UL kwiški tiyazzi

31 32 33 34 35 36 37 38

zik=z(a) d UTU uru arinna nakkiš DINGIR-LIM-iš nu=tta=kkan ŠUM-an lamnaš ištarna nakkī DINGIR-LIM-yatar=ma=ta=kkan DINGIRmeš -aš ištarna nakkī namma=z(a)=kan DINGIRmeš -aš ištarna zik=pat d UTU uru arinna nakkiš šallešš=a=z zik=pat d UTU uru arinna namma=ta=kkan damāiš DINGIR-LUM nakkiš šallišš=a UL ēšzi ḫantandaš=a=z [ḫa]nnešnaš EN-aš zik=pat nepišašš=a [takn]ašš=a LUGAL-weznatar zik=pat dudduškeši

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[ … ]=kan ZAGḪI.A -uš zik=pat zikkeši

26 27 28 29

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CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna

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11 12 13 14

[Komm zur]ück [hinein in den] Tempe[l]! Ich [hie]r r[ufe dich (jetzt)] mit Dickbrot [(und) Gussopfern herbei]. Sei du [damit bes]änftigt! [was ich dir sage, … hö]re!

15 16

[Du, Sonnengöttin von Arinna (bist) eine gewicht]ige Gottheit. Gestärkt (sind) [für dich, meine (persönliche) Gottheit, auch die Tempel im Land]e Ḫatti. [Ferner aber gibt es für dich nirgendwo in einem anderen Land] deinen Tempel. Feste und Opferrituale gibt man d[i]r [im Land Ḫatti rein (und) heili]g. [Ferner aber] gibt man [dir (das)] nirgendwo [in einem anderen Lan]d. [Und deine Tempel] sind [nur im Land Ḫatti hoch (gebaut und) m]it Gold (und) Silber [geschmückt]. Ferner aber ist das für dich [nirgendw]o [in einem anderen Land] (so). [Becher (und) Rhytha aus Silber, Gol]d (und) Edelsteinen [gibt es für dich] nur im Land Ḫatti. [Feste, (nämlich) Fest(e) des Mon]ats (und Feste) des Jahresverlaufs, für [Herbst, Wint]er (und) Frühling (also), Schlachtopfer? und Herbei[rufungsfes]te führt man nur im [Lande] Ḫatti durch. Fern[er] aber f[ü]hrt man [sie für dich] nirgendwo in einem anderen Land durch.

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Deine, der Sonnengöttin von Arinna, Göttlichkeit (wird) nur im Land Ḫatti verehrt. Muršili, der König, dein Diener, (ist) dir (gegenüber) ehrerbietig eben im Land Ḫatti. Deine, der Sonnengöttin von Arinna, Götterbilder stellt man auf, um Feste (und) Opfer durchzuführen. Alles gibt man dir rein. Ferner (wird) deinem Tempel, dem Silber (und) Gold Ehrfurcht (entgegen) gebracht. Niemand tritt (zu) nahe. Du, Sonnengöttin von Arinna, (bist) eine gewichtige Gottheit. Dein Name (ist) der gewichtigste unter den Namen. Deine Göttlichkeit aber (ist) die gewichtigste unter den Göttern. Ferner (bist) du, Sonnengöttin von Arinna, unter den Göttern die gewichtigste. Auch groß (bist) nur du, Sonnengöttin von Arinna. Ferner ist (im Vergleich zu) dir keine andere Gottheit gewichtig und groß. Der Herr des gerechten [Ge]richtsverfahrens aber (bist) du. Die Königsherrschaft sowohl über den Himmel als auch über die [Erd]e übst du gnädig aus. [ … ] Grenzen setzt du.

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356 40 41 42 43

Anhang

47 48 49 50 51 52 53 54 55

[mug]auwarr=a zik=pat ištamaškeši [zi]k=pat=z(a) d UTU uru arinna gi[n]zuwalaš DINGIR-LUM zi[k] nu ginzu zik=pat daškeši parā ḫandanz(a)š=a=kan antuwaḫḫaš tuk=pat ANA d UTU [ur ]u arinna ašiyanz(a) n=an zik=pat d UTU uru arinna [ša]rleškeši nepišašš=a=z(a) taknašš=a ḫūlalēšni zik=pat d UTU uru arinna lalukk[im]aš KUR.KURḪI.A -š=a=z(a)=kan ištarna zik=pat ašš[anuw]anz(a) DINGIR-LIM-iš nu=z(a) KUR-eaš ḫūmandaš attaš annaš zik ḫannešnaš=a=z parā ḫandanz(a) EN-aš zik nu=tta ḫannešnaš pedi tarriyašḫaš NU.GÁL karuwiliyaš=a=z(a)=kan DINGIRmeš -aš ištarna zik=pat aššanuwanz(a) DINGIRmeš -našš=a=ššan SÍSKURḪI.A zik=pat d UTU uru arinna zikkeši karuwiliyaš=a=ššan DINGIRmeš -naš ḪA.LA=ŠUNU zik=pat zikkeši ne[p]išašš=a giš IG EGIR-pa tuk=pat ḫaškanzi [nu=ka]n [n]epi[šaš] KÁ-uš zik=pat aššanuwanz(a) [ … ša]rrišketta nepišašš=a [ … tu]k=pat ANA d UTU uru arinna [ … ]

56 57

[ … ] d UTU uru arinna memieškeši [ … uru ari]nna aruwišk[anzi]

58 59 60 61 62 63 64 65

[ant]uḫši=ya=z(a)=kan kwedani DINGIRmeš [ … ] [n]=an=šan arḫa paškuwanz[i] [z]ik=pat d UTU uru arinna ge[nzu ? …] [k]inuna m murši-DINGIR-LIM-in LUGAL-un d UTU uru ar[inna l]uluwāi nu m murši-DINGIR-LIM-in LUGAL-[u]n ḫanda[ntan] ARAD=KA d UTU uru arinna kiššart(a) ḫar(a)[k] nu=tta m murši-DINGIR-LIM-iš LUGAL-uš uddār kwe memieškezzi nu d UTU uru arinna GEŠTU-[an] parā l[ag]ān ḫar(a)k n=at ištamaški

66 67 68 69 70 71 72 73 74 75

kī DINGIRme [š kwit] i[y]atten nu ḫinkan tarna[tten] nu KUR uru KÙ.BABBAR-t[i ḫūm]an=pat BA.ÚŠ namma ANA D[INGIRmeš ] ninda ḫaršin [dug išp]anduzi=ya UL kwiški iyazi LÚ.M EŠ [ APIN.L]Á A.ŠÀ A.GÀRḪI.A DINGIR-LIM kwiē[š] annešker n=at eker nu namma A.ŠÀ A.G[À]R DINGIR-LIM [ … ] aniyanzi w[a]r(a)ššanzi UL kwiški MUNUSmeš na4 ARA5 ŠA DINGIRmeš NINDA.GUR4 .RAḪI.A kwiēš mallešker n=at eker

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CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna

40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75

357

Und die [Herbeir]ufung hörst du. [D]u, Sonnengöttin von Arinna, (bist) eine gü[t]ige Gottheit, d[u]. Eine gütige Gesinnung nimmst du an. Der gerecht waltende Mensch aber (ist) dir, der Sonnengöttin von Arinna, lieb. Du, Sonnengöttin von Arinna, [e]rhöhst ihn. Im Umlauf von Himmel und Erde (bist) du, Sonnengöttin von Arinna, die Lic[h]t(quelle). In den Ländern aber (bist) du ein gut gest[ell]te Gottheit. Aller Länder Vater (und) Mutter (bist) du. Der gerecht waltende Herr des Gerichts aber (bist) du. Eine Ermüdung am Ort des Gerichts gibt es für dich nicht. Unter den uralten Göttern aber (bist) du die am besten gestellte (Gottheit). Und für die Götter weist du, Sonnengöttin von Arinna, die Opfer zu. Den uralten Göttern aber weist du ihren Anteil zu. Auch die Tür zum Hi[m]mel öffnet man dir. Das Tor [des H]imme[ls du]rchschreitest du als eine gut gestellte [Gottheit]. Und [die Götter] des Himmels [beugen sich vor di]r, der Sonnengöttin von Arinna, [nieder]. [Was auch immer] du sagst, Sonnengöttin von Arinna, [die Götter] vernei[gen sich vor dir, der Sonnengöttin von Ari]nna. Auch welchem [Men]schen die Götter [zürnen] [und] (wen) sie vernachlässige[n], (den) [behandelst d]u, Sonnengöttin von Arinna, gü[tig]. [J]etzt aber [un]terstütze du, Sonnengöttin von Ar[inna], Muršili, den König, und halt[e] du, Sonnengöttin von Arinna, Muršili, den Kön[i]g, deinen gere[chten] Diener, an der Hand! Welche Worte Muršili, der König, (gerade) zu dir spricht, halte du, Sonnengöttin von Arinna, das Oh[r] hin[ge]neigt und höre sie! Dies, (ihr) Götte[r], (ist), [was] ihr ge[t]an habt: Ihr habt die Seuche zugelas[sen], und das [gan]ze Land Ḫatt[i] ist gestorben. Niemand macht den G[öttern] mehr Dickbrot und [Gusso]pfer. Welch[e] P[flüg]er auf Feld (und) Flur der Gottheit auszusäen pflegten, die sind gestorben. Und [n]iemand sät auf Feld (und) Fl[u]r der Gottheit mehr aus, niemand e[r]ntet mehr. Welche Frauen mit dem Mühlstein (für) das Dickbrot der Götter zu mahlen pflegten, die sind gestorben.

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358

Anhang

76 77

nu namma NINDA.GUR4 .RA UL kwiški mallezi UDU auliūš=kan GU4 ḪI.A UDUḪI.A ḫāliyaz ašaunaz kwēzz=aš kar(a)šker

78 79 80 81

nu [lú.meš SIPA.G]U4 lú.meš SIPA.UDU eker ḫāli=ya ašāuwa[r … =p]at nu wezzi ANA DINGIRmeš NINDA.GUR4 .RAḪI.A dug išpant[uzz]i UDU auliušš=a karšandari nu=nnaš uwatteni DINGIRmeš apēdani uddānī wašduli ḫarteni

82 83 84 85 86 87 88

n=ašta ANA DUMU.LÚ.U19 .LU ḫattatar=šummit ḫar(a)[kt]a nu ZAG-an kwit iyaweni n=at NU.GÁL nu DINGIRmeš kwit waštul uškatteni nu naššu DINGIRmeš -niyanz(a) weddu n=at memau našma=at munus.meš ŠU.GI lú.meš AZU lú.meš MUŠEN.DÙ memiyandu

89 90 91

našma=at zašḫiyaz DUMU.LÚ.U19 .LU aušdu n=ašta urudu ZI.KIN.BAR-aš giš šarpaz kunkuwēn nu DINGIRmeš ANA KUR uru KÙ.BABBAR-ti genzu namma tatten

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106

kēzz=at ḫingananz(a) tamašta kēzz(a)=ma=at kururanz(a) tamašta nu kuriwanaš KUR.KURmeš kwe araḫzanda KUR uru mittanni KUR uru arzauwa nu ḫūmanz(a) šullēt nu=z(a)=kan DINGIRmeš šarā UL iyanzi n=ašta NIEŠ DINGIRmeš šarreškanzi [n]u KUR uru ḫatti idālauwanni šanḫiš[k]anzi ÉḪI.A DINGIRmeš =ma lauwarruna šanḫiškanzi n=at ANA DINGIRmeš kattawātar namma kišaru nu=ššan ḫinkan kurur gaštan idālun tapaššan ANA KUR uru mittanni U ANA KUR uru arzauwa tarnatten waršanda šullanda KUR.KURḪI.A ANA KUR uru KÙ.BABBAR-ti=ma tariyan KUR-e nu tariyandan lātten waršiyandan=ma tūriyatten

107 108 109

[k]ē=ma namma ŠA KUR uru ḫatti=pat KUR.KURḪI.A -TIM KUR uru gašga [n]=at lú.meš SIPA.ŠAḪ U lú.meš EPIŠ GADA ešer U KUR uru arawanna KUR uru kalašma KUR uru lukka KUR uru petašša

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CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna

76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109

359

Niemand mahlt mehr (für) das Dickbrot. Die Schlachtopfertiere, (also) Rinder (und) Schafe, von welchen Hürden (und) Gehegen man sie abzusondern pflegte, (diese) [Rinde]r- und Schafhirten starben. Auch Hürde (und) Geheg[e … ]. Später werden für die Götter Dickbrot, Guss[opf]er (und) Schlachtopfer unterbleiben. Uns werdet ihr, Götter, später in jener Angelegenheit für ein Vergehen (fest)halten. (Uns,) den Menschen, ist unsere Weisheit verl[or]en gegangen. Was wir richtig machen, das ist nicht vorhanden. Welches Vergehen ihr, Götter, im Auge habt: Entweder soll ein Gottesbegeisterter kommen und es benennen, oder Alte Frauen, Beschwörungspriester (oder) Vogelschauer sollen es benennen, oder ein Mensch soll es durch einen Traum sehen! Wir baumelten von der Spitze einer Nadel. (Ihr) Götter, nehmt dem Land Ḫatti (gegenüber) wieder eine gütige Gesinnung an! Von der einen Seite bedrängte es die Seuche, von der anderen Seite aber bedrängte es der Feind. Autonome Länder, die (sich) ringsum (befinden), das Land Mittanni (und) das Land Arzawa, jeder befand sich im Streit (mit Ḫatti). Sie feiern (euch) Götter nicht, sie übertreten den Göttereid, sie suchen das Land Ḫatti zu schädi[g]en, die Tempel aber suchen sie zu berauben. Das soll (euch) Göttern ein Gegenstand der Anklage werden! Seuche, Feindschaft, Hunger (und) das böse Fieber sollt ihr in das Land Mittanni und das Land Arzawa lassen! Ausgeruht (und) streitsüchtig (sind diese) Länder, das Land Ḫatti aber hat ein erschöpftes Land. (Er)löst den Erschöpften! Den Ausgeruhten aber schirrt an! [Di]ese aber (waren) ferner Länder des Landes Ḫatti: das Land Kaška – sie waren Schweinehirten und Tuchmacher – und das Land Arawanna, das Land Kalašma, das Land Lukka (und) das Land Petašša.

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360 110 111 112 113 114 115 116

Anhang

n=ašta kē=ya KUR.KURḪI.A -TIM ANA d UTU uru arinna arawēšta nu argamuš arḫa pēššer nu EGIR-pa KUR uru ḫatti GUL-ḫanniyauwan d[ā]er karū=ya [KUR u ]ru KÙ.BABBAR-ti IŠTU d UTU uru arinna araḫzenaš A[N ]A KUR.KURḪI.A -TIM UR.MAḪ mān šarḫišket nu parā uru ḫalpan uru KÁ.DINGIR.RA-an kwiuš ḫarninkišket nu KUR-eaš ḫūmandaš [āšš]u KÙ.BABBAR GUŠKIN DINGIRmeš =y[a] da-[ … ] n=at PANI d UTU uru arinna [zikk]er

118 119

kinuna araḫzenanteš udneanteš ḫūmanteš KUR uru KÙ.BABBAR-ti [w]al[ḫ]annieškeuwan dāer n=at ANA d UTU uru arinna kattawātar namma kišāru nu=z(a) DINGIR-LUM tuel ŠUM=KA ⟨lē⟩ tepšanuši

120 121 122 123 124 125 126 127

nu ANA DINGIRmeš kwiš karpiš kartimmiyaz kwiš DINGIRmeš -naš UL naḫḫanz(a) n=ašta lē āššawēš idālauwaš anda ḫarkanzi n=aš mān 1-EN URUKI našma=at 1-[EN … ] našma 1-EN LÚ nu DINGIRmeš apūn=pat 1-an ḫarn[ikten] KUR uru KÙ.BABBAR-ti=ma=ašta DINGIR[meš … SIG5 -i]t IGIḪI.A -it aušten idālu=ma ḫinkan [ … ] utnē[aš p]eš⟨t⟩en

128 129

INA KUR uru hatti=ma [ … šešd]u nu KUR uru ḫatti EGIR-pa k[aruwiliatta … ]

130 131

[ … ] ila[liš]kanzi [kw]iēš=ma [ … ] BIBR[I ḪI ].A [ … ] UNUTE meš ŠA [KÙ.BABBAR KÙ.BABBAR.GI4 ] danna šanḫiškanzi kwiēš=(š)maš=z(a) A.ŠÀ A.GÀRḪI.A =KUNU giš KIRI6 meš .GEŠTIN-[K ]UNU [ … ] giš TIRmeš =KUNU tannattauwanzi šanḫiškanzi kwiēš=(š)maš=z(a) lú.meš APIN.LÁ lú.meš NU.giš KIRI6 MUNUS.MEŠ na4 ARA5 tanna šanḫiškanzi nu idālun tapaššan ḫinkan gaštan d UTU uru arinna GAŠAN=YA apēdaš ANA KUR.KURḪI.A lú KÚR pāi

117

132 133 134 135 136 137 138 139

nu=z(a) d UTU uru ari[nn]a GAŠAN=YA zikila mukeškeḫḫu[t] [ … ]-za memi wešuriyanz(a)=m[a] E[GIR-pa] ḫandaḫut n=ašta ANA m muršili LUGAL-i ANA ARAD=K [A] ANA KUR uru ḫatti=ya a[n]da aššuli neišḫut nu ANA m m[uršil]i ARAD=KA TI-tar ḫattulatar i[nna]rauwātar ŠA EGIR.UDMI ZI-a[š lal]ukkiman [M]Ukam GÍD.DA=ya peški

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CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna

110 111 112 113 114 115 116 117 118

361

Und auch diese Länder entledigten sich der Sonnengöttin von Arinna und lehnten die Tributzahlungen ab. Sei[t]her haben sie das Land Ḫatti wieder bekämpft. Auch wütete – auf Geheiß der Sonnengöttin von Arinna – [das Land] Ḫatti früher b[e]i den umliegenden Ländern wie ein Löwe. Ḫalpa (und) Babylon, die es (scil. das Land Ḫatti) darüber hinaus vernichtete, allen Ländern na[hm] es [die (kostbaren) Güte]r, Silber, Gold u[nd] Götter(statuen), und man [legt]e sie vor der Sonnengöttin von Arinna (nieder).

119

Jetzt aber haben seither alle umliegenden Länder das Land Ḫatti [b]ek[ä]mpft. Das soll (dir,) der Sonnengöttin von Arinna, wiederum Gegenstand der Anklage werden! Du, Gottheit, sollst deinen Namen ⟨nicht⟩ erniedrigen!

120 121 122 123 124 125 126 127

Wer (auch immer) den Göttern (ein Grund) für Wut (und) Zorn (ist) (und) wer (auch immer) den Göttern (gegenüber) nicht ehrerbietig (ist): Nicht sollen die Guten mit den Bösen zugrunde gehen! Wenn es eine einzelne Stadt (ist) oder (wenn) es ein ein[zelnes Haus] oder ein einzelner Mensch (ist), vern[ichtet], (ihr) Götter, nur jenen einzelnen! [Auf] das Land Ḫatti aber schaut, (ihr) Gött[er, mit gute]n Augen! Die böse Seuche aber [g]ebt den [bösen] Länd[ern]!

128 129

Im Land Ḫatti aber soll (es) [wachsen (und) gedeih]en! Das Land Ḫatti [soll] wieder w[ie früher werden]!

130 131

[Welche aber] be[ge]hren, [eure Tempel niederzubrennen,] [wel]che aber versuchen, [ … ] Rhyt[a, Becher,] (Opfer)geräte aus [Silber (und) Gold] zu nehmen, welche aber versuchen, euch Feld und eure Flur, [e]ure Weingärten, [(eure) Gemüsegärten] (und) eure Wälder zu verwüsten, welche versuchen, sich eure Pflüger, Gärtner (und) Frauen des Mühlsteins zu nehmen, jenen Feindesländern gib, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, das böse Fieber, Seuche (und) Hunger!

132 133 134 135 136 137 138 139

Sonnengöttin von Ari[nn]a, meine Herrin, ruf[e] du selbst, dich herbei! [ … ] sprich! Als Bedrückte ab[er] bringe dich wi[eder] in Ordnung! Muršili, dem König, dein[em] Diener, und dem Land Ḫatti wende dich z[u]m Wohle [z]u! M[uršil]i, deinem Diener, gib Leben, Gesundheit, R[üst]igkeit, [Glanz der Seele] für die Zukunft und lange [Ja]hre!

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362 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154

Anhang

[nu]=šši=kan [ … ] anda lalukkiman [dušgara]tt[ann=a] zikki nu=šši D[UMU-l]atar [ … ] DUMU.MUNUSmeš ḫaššuš ḫanzaššu[š] peški nu=šši nūn tūmantiyan [peš]ki nu=šši ḫalkiyaš giš [GE]ŠTIN-aš [ … ]-aš GU4 -aš UDU-aš ANŠE.KUR.RA-aš [DUMU.LÚ.U19 .L]U-aš [m]i[y]atar peš[k]i [ … ]-tar tarḫuwi[l]ātar [ … ] parā neyandan [ … ] [nu]=šši KUR.[K]URḪI.A lú KÚR [ŠAPAL GÌRmeš =Š]U zikki [ … -i]š[k]eddu [ … ] peran [ … ]-ru nu d UTU uru arinn[a … KUR uru ḫa]tti g[e]nzu [ … ]

155

[n]=at=z(a) EGIR-an [ … ] [ … ḫ]uwanduš [ … ] […] nu šeišduwa[š] IM-anteš iyandaru [ … ] šeišdu [n]u šumāš ANA DINGIRme [š ] NINDA.GUR4 .RA=K [UN ]U dug išpantuz[i … ] šar[ā a]r[t]ari nu panku[š] apāt ē[šd]u ḫalzai

156

[ … ]-na mugauwanzi [ … ] tuppiyaš AWATE meš apiya aniyanun

157 158 159 160

nu d UTU uru arinna uru KÙ.BABBAR-ši INA UD-7kam mukeškenun INA uru arinna INA UD-7kam mukeškenun n=ašta kī AWATE meš anda memiškenun mugauwaš=ma arḫayan ḫanti tuppi

161

[ … ark]uwa[r … ]

162 163 164 165

[ … ] mān ŠÀ KUR uru GIDRU-t[i … akk]iškettari [… Ṭ ]UPPA [ … ] ḫantī [ … ] [m]ān d UTU uru arinn[a … m]ugānzi nu=šša[n … ] anda memiškanzi

166 167 168 169

[ … ] mān KUR-e [ … ] [n]u=mu d UTU-ŠI [ … ]-wa-[ … ] [n]u pāun DINGIRmeš [ … ur ]u arinni uru z[ippalan- … ] [ … k]ī uddā[r … ]

170

[ … m z]ūw[a- … ]

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CTH 376.1 Hymnen und Gebete an die Sonnengöttin von Arinna

140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156

363

Lege ihm in [seine Seele] Glanz [und Freu]d[e]! Gib ihm J[uge]nd, [Söhne,] Töchter, Enkel, Urenke[l]! [Gi]b ihm Zustimmung (und) Gehorsam! Gi[b] ihm [W]a[ch]stum von Getreide, [Wei]nstöcken, [ … ], von Rind, Schaf, Pferd (und) [Men]sch! [Gib ihm … ]-heit, Siegeswil[l]en, [ … ] (und) eine gezückte [Waffe]! Lege ihm die Feindeslä[n]der [unter se]ine [Füße]! Er soll [ … ]-en! Er soll vor [ … ]-en! Sonnengöttin von Arinn[a, nimm dem Land Ḫa]tti (gegenüber) [wieder] eine gütige G[e]sinnung [an]! Und es [ … ] sich wieder [ … ] [ … die W]inde [sollen kommen]! […] Die Winde des Gedeihens sollen (darüber) gehen! [ … ] es soll gedeihen! [U]nd euch, den Götter[n], wird e[ue]r Dickbrot (und) Gussopf[er … ] zu[r V]erfügung [s]t[e]hen. Die Versammlu[ng] ruft: „Das so[ll ge]schehen!“

157 158 159 160

[ … ] zum Herbeirufen [ … ] legte ich die Worte der Tafel dort (schriftlich) nieder. Die Sonnengöttin von Arinna rief ich in Ḫattuša sieben Tage lang herbei. In Arinna rief ich (sie) sieben Tage lang herbei. Diese Worte sprach ich dabei. Eine Tafel der Herbeirufung aber (existiert) gesondert.

161

[ … Fall]darlegun[g … ]

162 163 164 165

[ … ] wenn im Ḫatt[i]land [ … gest]orben wird, [ … eine T]afel gesondert [ … ] [W]enn man die Sonnengöttin von Arinn[a … her]beiruft, spricht man [ … ] dazu.

166 167 168 169

[ … ] wenn im Land [ … ] Mich, die Majestät, [ … ] Ich ging (und) [ … ] die Götter [ … ] in Arinna (und) Z[ippalanda … ]. [Di]ese Wort[e … ].

170

[ … Z]uw[a- … ].

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364

Anhang

CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu – Text 1 2

[kī=m]a=kan ṬUPPI DUB.SAR ANA DINGIR-LIM anda UD-at UD-at memiške[zzi] [nu DING]IR-LAM walliškezzi

3 4 5 6

d

7 8 9

nu=z(a)=kan mān nakkiš d telipinuš šer nepiši DINGIRmeš -aš ištarna mān aruni našma ANA ḪUR.SAGmeš waḫanna pānz(a) našma=z(a) INA KUR lú KÚR zaḫḫiya pānz(a)

telipinuš šarkuš nakkiš DINGIR-LIM-iš zik uiyat=mu m murši-DINGIR-LIM LUGAL-uš tuēl ARAD=KA MUNUS.LUGAL-ašš=a tuēl GÉME-iš uyēr īt=wa d telipinun anzel EN=NI DINGIR-LAM ŠA SAG.DU=NI mugāi

10 11 12 13 14 15 16

kinuna=tta šanezziš waršulaš giš ERIN-anz(a) Ì-anz(a) kallišdu n=ašta EGIR-pa é karimmi anda e[ḫ]u nu=tta kāša mukiškemi ninda ḫarši[t dug išpa]nduzit nu=ššan parā kalānkanz(a) ēš nu=tta kwit memiškemi nu=mu DINGIR-LUM ištamanan lagān ḫar(a)k n=at išt[am]aški

17 18

zik=z(a) d telipinuš nakkiš DINGIR-LIM-iš nu=tta DINGIR-LIM=YA U Émeš DINGIRmeš INA KUR uru GI[DRU]-ti=pat daššanuwan namma=ma=ta da[mmē]dani utnē UL kuwapikki ēšzi [n]u=tta EZEN4 ḪI.A SÍSKUR INA KUR uru GIDRU-ti parkwi šuppi piškanzi namma=ma=ta dammēdani utnē UL kuw[a]pikki piškanzi

19 20 21 22 23

Émeš DINGIRmeš =ta parku IŠT [U KÙ.BA]BBAR GUŠKIN unuwanta INA KUR uru ḫatti=p[at … ] [ … ] tamēdani K[UR-e U ]L kuwapikk[i … ]

24

[GAL]ḪI.A =ta BIBRI ḪI.A KÙ.BABBAR KÙ.BABBAR.GI4 NA4 [ḪI.A ] INA KUR uru ḫatti=pat ēšzi

25 26

EZEN4 ḪI.A -i=tta EZEN4 ITU EZEN4 ḪI.A MU-aš mēanaš gimmantaš ḫamišḫandaš zenandaš auliuš mukišnašš=a EZEN4 meš INA KUR uru ḫatti=pat ēšzi namma=ma=tta tamēdani KUR-e UL kuwapikki ēššanzi

27

[n]u tuel ŠA d telipinu DINGIRmeš -tar I [NA KUR uru ḫatti=pat] n[a]kk[iyaḫḫ]an

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CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu

365

CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu – Übersetzung 1

[Diese] Tafel [ab]er spric[ht] der Tafelschreiber Tag für Tag zur Gottheit,

2

[und] er rühmt [die Gotth]eit.

3 4 5 6

Telipinu, erhabener (und) gewichtiger Gott, du. Es schickte mich Muršili. Der König, dein Diener, und die Königin, deine Dienerin, schickten (mich): „Geh (und) rufe den Telipinu, unseren Herrn, unseren persönlichen Gott, herbei!“

7 8 9

Falls du, gewichtiger Telipinu, oben im Himmel unter den Göttern (bist), falls du ins Meer (oder) auf die Berge zum Durchstreifen gegangen (bist) oder (falls) du ins Feindesland zur Schlacht gezogen (bist),

10 11 12 13 14 15 16

jetzt aber soll der angenehme Duft, Zeder und Öl, dich rufen: K[o]mm wieder herein in den Tempel! Ich hier rufe dich (gerade) mi[t] Dickbrot (und) mit [Guss]opfer herbei. Du sollst bes[än]ftigt sein! Und wa[s] ich dir (gerade) sage, halte mir, Gott, das Ohr geneigt (und) hö[r]e es!

17 18

Du, Telipinu, (bist ein) gewichtiger Gott. Für dich, mein Gott, (sind) sogar die Tempel nur im Land Ḫatti gestärkt.

19 20 21

Ferner aber ist (das) für dich nirgendwo in einem a[nde]ren Land (so). Feste (und) Opfer gibt man dir (nur) im Land Ḫatti rein (und) heilig. Ferner aber gibt man dir (das so) nirgendwo in e[i]nem anderen Land.

22

Die Tempel [sind] für dich [nu]r im Land Ḫatti hoch (und) mi[t Sil]ber und Gold geschmückt. [Ferner aber ist (das so) für dich n]irgendw[o] in einem anderen L[and].

23 24

[Becher] (und) Rhyta aus Silber, Gold (und) Edelstein[en] gibt es für dich nur im Land Ḫatti.

25

Feste, Monatsfest(e), Jahreszeitenfeste für Winter, Frühling (und) Herbst, Opfertiere und Herbeirufungsfeste gibt es für dich nur im Land Ḫatti.

26

Ferner aber führt man (sie) für dich nirgendwo in einem anderen Land durch.

27

Deine, des Telipinu, Göttlichkeit (wird) [nur im Land Ḫatti] v[e]r[eh]rt.

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366 28 29 30 31

Anhang

nu=tta=kkan m murš[i-DINGIR-LIM … ] U DUMUmeš .LUGAL AR[ADmeš =KA … ] [ … ŠA d telip]inu ḫ[immuš … SÍ]SK[UR iyawanz]i šarā [tittanuška]nz[i]

32 33

[ … ḫ]ūman šupp[i … p]iškanzi [namma=šš]an É DINGIR-LIM=K [A BIBR]I ḪI.A =KA [ … ] UNUTE meš =KA naḫšaraz(a) tiyanz(a) [ … E]GIR-pa kappuwan ANA UNUT [ … mani]nkuwan UL kwiški tiyazzi

34 35 36

[ … d tel]ipinuš nakkiš DINGIR-LIM-iš [ … ŠUM-a]n ŠUM ḪI.A -aš ištarnaš nakkī [ … ] DINGIRmeš -aš ištarna nakk[ī ]

37

[ … ] DUMUm [eš LUGAL … ] U [ANA KUR uru ḫatt]i anda aššuli n[eišḫut]

38

[ … ] d telipinuš šarkuš DINGIR-[LIM-iš … DUMUme ]š LUGAL TI-an ḫar(a)k

39 40

nu=šmaš [ … ] EGIR.UD-MI ḫaddulatar MUKAM.ḪI.A GÍD.DA [ … ] peški nu=šmaš=kan ANA ZI=ŠUNU anda [ … ] lalukkiman dušgaradann=a [ … ]

41 42 43

nu=šmaš [DUM]U.NITAmeš DUMU.MUNUSmeš ḫaššuš ḫanzašuš peški [nu]=šmaš nūn tummantiyan peški nu=šmaš ḫalkiyaš giš GEŠTIN-aš ŠA GU4 UDU DUMU.LÚ.U19 .LU=ya mīyata peški nu=šmaš LÚ-aš tarḫuwilin parā neya[nt]a[n] d.giš TUKUL-in peški nu=šmaš KUR.KUR lú KÚR ŠAPAL GÌRmeš =ŠUNU zikki n=at in[nara … ]

44 45 46 47

IŠTU KUR uru ḫatti=ma=kan idalun ta[pašan] ḫinkan kaštan māšann=a a[rḫa … ]

48 49 50

nu KUR.KURḪI.A lú KÚR kwe šullanta ḫuršallanta kwēš=kan tuk ANA d telipinu U ANA DINGIRmeš uru ḫatti UL naḫḫanteš kwedaš=ma=z šumenzan ÉḪI.A DINGIRmeš =KUNU arḫa warnummanzi ilališkanzi

51

kwēš=ma BIBRI ḪI.A GALḪI.A [ … ] KÙ.BABBAR KÙ.BABBAR.GI4 danna šanḫiškanzi kwēš=(š)[maš=z(a)] A.ŠÀ A.GÀR=KUNU giš KIRI6 .GEŠTIN giš MÚ.SAR giš TIR dannattaḫḫuwanzi [šanḫiška]nzi

52 53 54

kwiēš=(š)maš=z(a) lú.meš APIN.LÁ lú.meš NU.giš KIRI6 .GEŠTIN lú.meš NU.giš MÚ.SAR MUNUS.MEŠ na4 ARA5 danna šanḫiškanzi nu idalun tapašan [ḫink]an kāštann=a BURU5 ḪI.A =ya apēdaš ANA KUR.KUR lú KÚR pāi

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CTH 377 Hymne und Gebet Muršilis II. an den Gott Telipinu

28

367

32 33

Murš[ili, der König, dein Diener, (und) die Königin, deine Dienerin,] und die Prinzen, deine Die[ner, (sind) dir (gegenüber) ehrfürchtig eben im Land Ḫatti]. [Deine, des Telip]inu, G[ötterstatuen ste]llt [man] auf[, um Feste (und) O]pf[er durchzuführ]en. [A]lles [g]ibt man [dir] rei[n (und) heilig]. [Ferner] (wird) dein[em] Tempel, deinen [Rhyth]a, [deinen Bechern] (und) deinen (Opfer)geräten Ehrerbietung (entgegen) gebracht. Man kümmert sich [w]ieder [dar]um. Niemand tritt [in die N]ähe der (Opfer)geräte [des Gottes].

34 35 36

[Du, Tel]ipinu, (bist ein) gewichtiger Gott. [Dein Nam]e (ist) der gewichtigste unter den Namen. [Deine Göttlichkeit aber] (ist) die gewichti[g]ste unter den Göttern.

37

W[ende dich … ], den Prinz[en, deinen Dienern] und [dem Land Ḫatt]i zum Wohle zu! [Du,] Telipinu, erhabener Go[tt], erhalte [König, Königin und die Pri]nzen am Leben! Gib ihnen [Wachstum], Zukunft, Gesundheit, lange Jahre (und) [Rüstigkeit]! [Lege] ihnen in ihre Seele [Milde], Glanz und Freude!

29 30 31

38 39 40 41 42 43 44 45 46

Gib ihnen [Söh]ne (und) Töchter, Enkel (und) Urenkel! Gib ihnen Zustimmung (und) Gehorsam! Gib ihnen Wachstum von Gerste (und) Weinstöcken, von Rind, Schaf und Mensch! Gib ihnen die siegreiche, gezüc[kt]e (göttliche) Waffe des Mannes! Lege ihnen die Feindesländer unter ihre Füße! [Vernichte] sie mit (ganzer) Kr[aft]!

47

Aus dem Land Ḫatti aber [nimm] das böse Fi[eber], Seuche, Hunger und Heuschrecken f[ort].

48 49

Welche Feindesländer auch immer im Streit (und) aufrührerisch (sind), welche dir, dem Telipinu, und den Göttern von Ḫatti (gegenüber) nicht ehrerbietig (sind), welche aber begehren, eure Tempel niederzubrennen,

50 51 52 53 54

welche aber versuchen, Rhyta, Becher, [(Opfer)geräte] aus Silber (und) Gold zu nehmen, welche [versuch]en, [euch euer] Feld und Garten, Weingarten, Gemüsegarten (und) Wald zu verwüsten, welche versuchen, sich eure Pflüger, Weingärtner, Gemüsegärtner (und) Frauen am Mühlstein zu nehmen, gib das böse Fieber, [Seuc]he und Hunger und Heuschrecken jenen Feindesländern!

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Anhang

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ANA LUGAL=ma MUNUS.LUGAL DUMUmeš LUGAL U ANA KUR uru ḫatti TI-tar ḫaddulatar innarawatar MUkam GÍD.DA EGIR.UD-MI dušgarattann=a p[išk]i [nu ḫa]lkiyaš giš GEŠTIN-aš giš šēšannaš GU4 ḪI.A -aš UDUḪI.A -aš UZ6 ḪI.A -[aš] ŠAḪaš ANŠE.GÌR.NUN.NAḪI.A -aš ANŠE.KUR.RA-aš gimraš ḫuwitnit DUMU.LÚ.U19 .LU-ašš=a ŠA EGIR.UD-MI miyātar piški nu miēšdu ḫēmušš=a u[wandu] nu šēššauwaš IMḪI.A -uš iyantar[u] nu INA KUR uru GIDRU-ti māu šešdu nu pānkuš apāt ēšdu ḫalzāi DUB-1-PU QATI lú DUB.SAR=z(a) GIM-an ANA LUGAL šer PANI d telipinu UDkam -tili arkuwar ēššai

CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. – Text 1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

[DINGIRme ]š ENmeš =YA DIN[GIR LÚmeš ḫ]ū[manteš DI]NGIRmeš MUNUSmeš ḫūmanteš DINGIRmeš [ŠA KU]R uru ḫatti [DING]IRmeš LÚmeš ḫ[ūmanteš] linkiyaš DINGIRmeš MUNUSmeš ḫuma[nteš l]i[n]kiyaš karuwilieš DINGIRmeš LÚmeš ḫūmanteš DINGIRmeš MUNUSmeš ḫūmant[eš] apedani=z(a) UD-ti kwiēš DINGIRmeš tul[iya] linkīya k[ut]ruwanni ḫalziyanteš ēšten ḪUR.SAGmeš ÍDmeš P[ÚḪI.A ] d KASKAL.KURmeš =ya k[ā]ša=šmaš ammuk m muršiliš lú SANGA=KUNU ARAD=KUNU arkuwānun nu=šmaš=z(a) arkuwar kwedani memi[y]anni šēr ēššaḫḫi nu=mu DINGIRmeš ENmeš =YA mem[iy]an=mi[t … ] DINGIRmeš E[Nm ]eš =YA [Š]À KUR uru ḫatti=kan ÚŠ-an kišat nu KUR uru ḫatti ḫin⟨ga⟩naz tamaštat [n]=at mekki damm[ešḫaetta]t nu kāš MU-20kam mekki=ya kwit KUR uru ḫatti akkiškett[ari] [nu ammu]k šer AWAT m dutḫaliya TUR-RI ŠA DUMU m dutḫali[ya] n[a]kkēšta IŠTU DINGIR-LIM=ya ariyanu[n] [ … ] AWAT m dutḫaliya TUR-RI I [ŠT ]U DINGIR-LIM=ya ḫandāeddat

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CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II.

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Dem König aber, der Königin, den Prinzen und dem Land Ḫatti g[i]b Leben, Gesundheit, Rüstigkeit, lange Jahre, Zukunft und Freude!

56

[Der Ge]rste, den Weinstöcken, dem Obst, den Rindern, Schafen, Zieg[en], Schweinen, Mauleseln, Pferden (zusammen) mit den Tieren des Feldes sowie der Bevölkerung gib das Gedeihen der Zukunft! Sie sollen wachsen! Auch [soll] der Regen k[ommen]! Und die Winde des Gedeihens soll[en] (darüber) gehen! Im Land Ḫatti soll es wachsen (und) gedeihen! Die Versammlung ruft: „Das soll geschehen!“

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Erste Tafel, beendet. Wie der Tafelschreiber für den König vor Telipinu täglich seine Falldarlegung macht.

CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung 1

[Götte]r, meine Herren, [al]le [männlichen Göt]ter, alle weiblichen Götter, Götter [des Lande]s Ḫatti, a[lle] männlichen [Gött]er des Eides, al[le] weiblichen Götter des [E]ides, alle uralten männlichen Götter, all[e] (uralten) weiblichen Götter, (ihr) Götter, die ihr an jenem Tage [in die] Versam[mlung] zum Eid in den Z[eug]enstand gerufen worden seid, Berge, Flüsse, Que[llen], und unterirdische Wasserläufe:

2 3 4

Ich h[ie]r, Muršili, euer Priester, euer Diener, habe euch den Fall dargelegt. Wegen welcher Angelege[n]heit ich euch (gerade) meine Falldarlegung mache, [hört] meine Angeleg[en]heit, (ihr) Götter, meine Herren!

5 6 7 8 9 10

Götter, meine He[rre]n, im Innern des Landes Ḫatti brach eine Seuche aus. Das Land Ḫatti wurde von der Seuche bedrückt. Es wurde stark bed[räng]t. Dies (ist) das 20. Jahr, dass (im) Land Ḫatti in großer Zahl gestor[ben wird]: Auf [mi]r l[a]stete die Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, des Sohnes des Tudḫali[ya], schwer. Auch von der Gottheit ermittelt[e] ich (sie) durch Orakel. Die Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, wurde auch v[o]n der Gottheit festgestellt.

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Anhang

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m

14

nu=šši=k[an uru ḫat]tušaš DUMUmeš LUGAL BELU ḪI.A UGULA LÚm [eš ] LIMTUM lú.meš DUGUD ÉRINmeš =ya ANŠE.KUR.RAḪI.A ḫūmanz(a) šēr linkešta

15

ABU=YA=ya=šši šer link[ešta]

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

wet=ma AB[U-Y ]A m tutḫaliyan dammešḫāet [KU]R uru ḫattušaš=a=z(a)=kan DUMUmeš [LU]GAL BELU [m ]eš UGULA LÚmeš LIM lú.meš DUGUD ḫūmanz(a) ANA ABI=YA an[da] kišandat nu m dutḫaliyan linkiya[n] EN=ŠUNU waggariē[r] n=an=kan kwenner namma=šši kwēš ŠEŠmeš =ŠU [m … ]-ūda m pirwašš=a n=aš ēpper n=aš I [N ]A KUR uru alašiya uper nu[=šma]š m dutḫaliyaš kwit BEL=ŠUNU ēšta apūš=ma=šš[i] l[inkiy]aš ARADmeš =ŠU ešer nu=kan šume[nza]n ENmeš =YA NIEŠ DINGIR-LIM šarrē[r] [nu=kan] m dutḫaliya[n k]wenner

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

[nu DI]NGIRmeš ENmeš =[Y ]A ABU=YA paḫḫašten [ … ] and[a … ] ardummati nu u [ru ]ḫattušaš kwit IŠTU lú K[ÚR … ] ZAGḪI.A [Š]A KUR uru GIDRU-ti lú KÚR dān ḫarta [ … GUL-aḫḫi]šket n=aš=kan kuwašket ŠA KUR uru GIDRU-ti[=y]a [ … m ]eš [daš]ket ZAGḪI.A =ma=šmaš=kan arḫa dāš n=aš EGIR-p[a … ] namma=ya=z(a) damāi araḫzena KUR.KURmeš LUGAL-wēznann[i … ]

37 38 39 40 41 42 43 44 45

nu KUR uru GIDRU-ti luluwaet nu=šši ZAGḪI.A -uš kēz kēzz=iya [ … ] nu=šši KUR uru GIDRU-ti ḫūman peran SIG5 -in iyanneš nu=šš[i … ] GU4 UDU peran makkešta NAM.RAmeš =ya=z(a) kwiēš IŠTU KUR lú K[UR … ] n=at luluwandat UL kwitki ḫar(a)kta nu=kan uwatten DINGIRm [eš … ] [ … ]=ya=z(a) apun AWAT m dutḫaliya TUR-RI ANA ABI=YA kinun appezz[iyaz] anda šanḫ(a)tten nu=kan ABU=YA I [ŠT ]U ŠA m dutḫaliya išḫana[z … ]

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dutḫ[aliyaš] kwit TUR-RU ANA KUR uru ḫatti BEL=ŠUNU ēšta

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CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II.

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Was das betrifft, dass Tudḫ[aliya], der Jüngere, für das Land Ḫatti ihr Herr war: Auf ihn legten die Prinzen von [Ḫat]tuša, die Herren, die Anführer von Tausend, die Würdenträger und die Fuß- (und) Wagentruppen ein jeder einen Eid ab. Auch mein Vater leg[te] auf ihn einen Eid ab. Später aber bedrängte mei[n V]ater den Tudḫaliya. [Das Land von] Ḫattuša aber, [die Pr]inzen, die Herr[e]n, die Anführer von Tausend, die Würdenträger schlossen sich ein jeder meinem Vater a[n]. Sie fehlte[n] gegen Tudḫaliya, ihren Herrn [der] Eide, und töteten ihn. Seine Brüder, [ … ] und Pirwa, welche ihm ferner [ … ], die ergriffen sie und schickten sie n[a]ch Zypern. Was das betrifft, dass Tudḫaliya [ihne]n ihr Herr war – jene aber waren ih[m] seine Diener des E[ide]s – : Sie brache[n] euren, meiner Herren, Göttereid [und t]öteten Tudḫaliya. [(Ihr) Gö]tter, [mei]ne Herren, beschütztet meinen Vater. Ihr standet i[n …]. Was das betrifft, dass Ḫattuša vom Fe[ind …]: Der Feind hatte das Gebiet [d]es Landes Ḫatti genommen. Er [schlu]g [ … ] und er tötete sie und er [nah]m [au]ch die [ … ] des Landes Ḫatti. Das Gebiet aber nahm er ihnen weg. [ … ] sie wiede[r … ]. Weiterhin [nahm] er sich auch andere umliegende Feindesländer zu[r] Königsherrschaft. Er ließ das Land Ḫatti gedeihen. Ihm [ … -te] er die Grenzen auf dieser und auf jener (Seite). Unter ihm ging es dem ganzen Land Ḫatti gut. Unter ih[m] wurden [ … ], Rind (und) Schaf zahlreich. Sogar die Zivilgefangenen, die aus dem Fein[desland … ], (sogar die) gediehen. Nichts (und niemand) ging zugrunde. Später [ … -tet] ihr, (ihr) Götte[r, meine Herren], und [ … ] rächtet ihr jene Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, an meinem Vater jetzt im Nachhin[ein]. Mein Vater [starb] w[ege]n der Blut[tat] an Tudḫaliya.

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Anhang

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kwēš DUMUmeš LUGAL BELU meš UGULA LÚmeš LIM DUGUD anda kišandat nu a[pēz] memiyanaz eker ANA KUR uru GIDRU-ti=ya=kan apāš=pat memiaš ār(a)š nu KUR u [ru ḫatti] memiyanaz akkiškewan tī [ya]t nu KUR uru GIDRU-ti duwān parā [ … ] kinuna ḫinkan parā namma d[ašše]š[t]a KUR uru GIDRU-ti ḫinganaz [ … ] dammešḫaettat n=at tepawē[šta] [am]muk=ma=z(a) m muršiliš A[RAD=KUNU ] laḫlaḫḫiman U [L tar]uḫmi

56

N[Í.T]E-az=ma=z(a) pittuliyan UL [ … ]

57 58

[ … ] DINGIRmeš ENmeš =YA kwēš ištarāezzi ANA [ … ] tuliyaz kwit linkiya kutruw[a]nni ḫal[ziyanteš ēšten]

59 60 61 62

[ … uru ḫa]ddušaš kuwapi ḫūmanz(a) šer linkešket nu=z(a) [ … ]-waḫḫišker wēr=ma=z(a) li[n]kiyaš kwit BE[L=ŠUNU … ] [nu kwitm]an DINGIRmeš BELU meš =YA apet[a]ni ḫannešni U [L … ]

63 64

[ … d]ān apa[t] ēšḫar UL manka EGIR-an š[an(a)ḫ- … ] [ … -]meš =pat [DINGIRmeš ] BELU meš =YA šarazziēš [ … ]

65 66 67 68 69 70 71

[ … ]=ma waškwiškanzi [ … B]ELU meš =YA linkien kwēš [ … ] [ … ]=ŠUNU kwenner nu apel UDKAM.ḪI. [A … ] karū=at ake[r] [ … -n]inker kwēš=ma IŠTU É [ … ]

72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

[ … KUR uru ḫa]tti=y[a … akk]iškettar[i] [ … ] ēš-[ … w]aštai katta [ … ] [ … -n]a=kan [ … ] apel ANA [ … ] [ … ] ABI=YA kw[it … ]-an iya-[ … ] [ … ]-ka šu-[ … ] ŠA ABI-Y [A … ] [ … ]=z(a)=kan šu-[ … t]arnan ḫarmi [n]u ABI=YA kwi[t m d]utḫaliyan [ … ] nu=z(a) A-BI-Y [A] apaddan EGI[R-pa … ] išḫanaš SÍS[KUR … ] [uru ḫ]addušaš=ma=z(a) UL kwitk[i … ] [uw]anun=ma=z(a) i[šḫanaš SÍSKUR a]mmukk=a iyanun

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lú.meš

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CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II.

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Welche Prinzen, Herren, Anführer von Tausend (und) Würdenträger sich ihm angeschlossen hatten, (die) starben wegen j[ener] Angelegenheit. Eben jene Angelegenheit erreichte auch das Land Ḫatti. Seither siec[h]t das Land Ḫ[atti] wegen der Angelegenheit dahin. Das Land Ḫatti [ … ] in der Folgezeit. Jetzt aber wur[d]e die Seuche noch weiter dr[ücke]nd. Das Land Ḫatti wurde durch die Seuche [ … ] bedrängt, und es wur[de] klein. [I]ch aber, Muršili, [euer] Di[ener], [bez]winge die [von] meinem [Herzen (ausgehende)] Qual nic[ht]. Die von meinem Kö[rp]er (ausgehende) Angst aber [bezwinge] ich nicht.

63 64

Die Götter, meine Herren, welche er [ … ] …-t, was das betrifft, dass [ihr] dem [ … ] aus der Versammlung zum Eid in den Zeugenst[a]nd geru[fen worden seid]: Als damals [Ḫa]ttuša, jeder einzelne, einen Eid auf [ … ]ablegte, [ … ]-ten sie (sich). Was das betrifft, dass sie später aber [ihren] He[rrn] des E[i]des [ … ]: [sola]nge (ihr) Götter, meine Herren, in jen[e]m Gerichtsverfahren ni[cht …-tet], r[ächtet ihr ein zwei]tes Mal jen[e] Bluttat gar nicht. [Die … ]-en, (ihr) Götter,] meine Herren, [ … ] überlegen.

65 66 67 68 69 70 71

[ … ] aber vergehen sich [ … ]. [(ihr) Götter,] meine [H]erren, welche den Eid [ … ]. [ … ] ihren [ … ] töteten sie. Jener Tag[e … ], die sind bereits gestorben. Sie [ …]-ten [ … ]. Welche aber aus dem Haus [ … ].

72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Au[ch wird im Land Ḫa]tti [ … (weiter) ge]storben. [ … verg]eht sich [ … ]. Unter/dabei [ … ]. [ …] aber seinem [ … ]. Was das be[trifft, dass] mein Vater [ … ]: [ … ] mei[nes] Vaters [ … ]. Ich habe [ … ] gestanden. Was das betriff[t, dass] mein Vater den [T]udḫaliya [ … ]: Mei[n] Vater [machte … ] deswegen hinter[her] ein Ritual (wegen) der Bluttat. [Ḫ]attuša aber [tat] nich[ts … ]. Später aber [machte] auch [i]ch [ein Ritual (wegen) der Bluttat.]

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Anhang

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KUR-eanz(a)=m[a U ]L kwitki iy[at] [ … ] KUR-TI kwitki šer yēr

85

kinuna KUR uru GIDRU-ti kwit ḫi[ngan]az(a) mekki tamaš[ta]t

86 87 88 89 90

nu KUR uru GIDRU-ti akkiškett[ari] [ … ] AWAT m dutḫaliya ANA KUR-TI šer nakkišta IŠTU [DINGIR-LIM=y]a=aš=mu ḫantaettat nu[=šši … ] ariyanun nu šumāš ANA [DINGIRmeš B]ELU meš =YA ANA Émeš DINGIRmeš =KUNU MAMITI ANA KUR-TI [ḫ]ingan[i š]er ḫantaettat nu šum[āš ANA DINGIRmeš ] ENmeš =YA ŠA MAMITI SÍSKUR [pe]ran arḫa iyanzi n=uš [ … ] parkuwanzi ammu[kk]=a šumāš ANA DINGIRmeš ENmeš =Y [A] šarnikziel maškann=a KUR-e [ÚŠ-n]i šer šarninkiškemi

91 92 93 94

DINGIRmeš BELU meš =YA ŠA m dutḫali[y]a kwit ēšḫar EGIR-an šanḫa[tteni]

95 96 97 98 99 100

nu=kan m dutḫaliyan kwiēš kwenner nu ēšḫar apūš šarni[nker] nu KUR uru ḫatti=ya apāš išḫananz(a) arḫa namma zinne[šta] n=at KUR uru GIDRU-ti=ya karū šarnikta kinun=aya=at=kan [k]wit [a]mmu[k] ar(a)š n=at ammukk=a IŠTU É-TI=YA šarnikzilaz maškanna[z] šarnenkiškemi

101 102

nu ANA DINGIRmeš ENmeš =YA ZI-anz(a) namma war(a)šdu nu=mu DINGIRmeš ENmeš =YA gin[z]u namma datten

103 104 105 106 107 108 109 110 111 112

nu=š[maš=k]an uwaḫḫaru nu=šmaš kwit memiškemi n[u]=mu ištamašten idālu [U ]L kwitki kwit ammuk iyanun wašter k[w]iēš nu idālu yēr nu apel UDkam -aš namma UL kwiški ēšzi karū=at arḫa eker a[mm]uk=ma=kan ŠA ABI=YA memiaš ār(a)š kwit nu=z(a) kāša ANA KUR-TI ḫingani šēr šumēš ANA DINGIRmeš BEL[U Ḫ ]I.A =YA maškan peškemi šarnikziliēškem[i] [n]u=šmaš maškan šarn[i]kziell=a šarnin[k]eškemi

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Das Land ab[er] ta[t nic]hts. [ … nicht] etwas wegen des Landes.

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Was das betrifft, dass das Land Ḫatti jetzt aber von der Se[uch]e stark bedrü[ck]t wurde: (So) sie[cht] das Land Ḫatti dahin. [Und] die Angelegenheit des Tudḫaliya wurde dem Land schwer. Sie wurde mir [au]ch von [der Gottheit] festgestellt, und ich habe [darüber] eine Orakelanfrage angestellt. Für euch, [die Götter,] meine [He]rren, (und) für eure Tempel ist (Mein-)Eid (als Ursache) für die [S]euch[e] im Land festgestellt worden: [V]or eu[ch, den Göttern,] meinen Herren, wird man das Ritual wegen des (Mein-)Eides ausführen. (So) wird man sie (scil. die Verpflichtung) [ … ] erfüllen. Auch ic[h] leiste euch, den Göttern, mei[nen] Herren, (gerade) ein Entschädigungs- und Aussöhnungsopfer wegen [der Seuche] im Land.

86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114

Was das betrifft, dass ihr Götter, meine Herren, die Bluttat an Tudḫali[y]a räc[ht]: Die, die Tudḫaliya getötet haben, jene [haben] für die Bluttat geb[üßt]. Jene Bluttat hat auch noch das Land Ḫatti völlig zerst[ört], und auch das Land Ḫatti hat für sie bereits gebüßt. Und [w]as das betrifft, dass sie (scil. die Bluttat) jetzt [m]ic[h] erreicht hat: Auch ich entschädige für sie (gerade) (gemeinsam) mit meinem Haus (mittels eines) Entschädigungs- (und) Aussöhnun[gs]opfers. Der Sinn soll sich (euch) Göttern, meinen Herren, wieder beruhigen! (Ihr) Götter, meine Herren, nehmt mir (gegenüber) wieder eine gütige Gesin[n]ung an! Ich will (vor) e[uch] erscheinen! Und was auch immer ich (jetzt) zu euch sage, hört mich! Was das betrifft, dass ich [ni]chts Böses getan habe: D[i]e, die frevelten und Böses taten, keiner jenes Tages ist (jetzt) mehr da. Sie sind bereits verstorben. Was das betrifft, dass die Angelegenheit meines Vater aber m[i]ch erreicht hat: Ich hier gebe euch, den Göttern, meinen Herr[e]n, (gerade) ein Aussöhnungsopfer wegen der Seuche des Landes (und) vollzieh[e] (gerade) ein Entschädigungsopfer. Ich entschä[d]ige euch (gerade) (mittels eines) Aussöhnungs- (und eines) Entsch[ä]digungs(opfers).

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376

Anhang

115

nu=mu DINGIRmeš BELU meš =YA ginzu namma datte[n]

116 117 118 119

[ … ]-kan uwaḫḫaru nu KUR uru GIDRU-ti kwit ḫinganaz(a) dammešḫāet n=at [te]pauyēšta nu šumāš ANA DINGIRmeš ENmeš =YA ninda ḫ[ar]šin dug išpanduzzi=[ya] kwēš [ē]ššer n=aš ḫinganazz(a) mekki tamašta n=at ḫinganaz [ … ]-ta anda=at ÚŠ-anz(a)=ma EGIR-an arḫa UL=pat dāi nu akkišket[tari] [ … ] kwēš lú.meš ḫaršiyalaš lú.meš išpantuzziyalašš=a tepawēš [ … ] n=at mān arḫa ḫarkanzi nu=šmaš namma NINDA.GUR4 .RA išpantu[zzi=ya] U [L] kwiški kwitki pāi

120 121 122 123 124 125 126 127

139 140 141 142 143 144 145 146

nu [ … ENmeš =Y ]A [AN ]A NINDA.GUR4 .RA išpantuzzi=ya šer kwin […] [ … -z]i=at e-[ … ] [ … ] datten nu=šmaš=kan uwaḫḫaru nu=kan ḫing[an … uey]atten [nu=šm]aš=kan kūš kwēš lú.meš NINDA.GUR4 .RA lú.me [š išpantuzziyaleš] tēp[awēš ašanzi] [n=a]t namma [l]ē dammešḫan[tari] n=at lē ak[kanzi] nu=šma[š NIND]A.GUR4 .R[A išpant]uzzi=ya ē[šš]andu nu=kan DINGIRmeš [B]ELU meš =YA [ … ] ḫink[a]n a[rḫa ue]iyatten kwe=ya=kan kwe idālawa ANA [ … ] ŠA m d[u]tḫaliya [še]r INA ŠÀ KUR uru GIDRU-ti kišan n=at=kan DINGIRmeš ša[r- … ] ueiyatten [n]=at INA KUR lú KÚR ueiyatten ANA KUR uru GIDRU-ti=ma gi[nzu … ] datten nu=kan KUR-e anda SIG5 -ru namma ammukk=a=šmaš=kan lú SANGA=KUNU ARAD=KUN [U ] uwaḫḫaru nu=mu ginzu datten nu=mu=kan ŠÀ-az laḫlaḫiman arḫa ueyatten NÍ.TE-az=ma=mu=kan pittuliyan dātten

147 148

[ … Q]ATI m muršiliš=z(a) GIM-a[n … ] ÚŠ-ni šer [ … ] arkuwar ī [ššešt]a

128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138

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CTH 378.1 „Erstes“ Pestgebet Muršilis II.

115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138

377

(Ihr) Götter, meine Herren, nehm[t] mir (gegenüber) wieder eine gütige Gesinnung an! [(Vor) euch] will ich erscheinen! Was das betrifft, dass die Seuche das Land Ḫatti bedrängte: und es [kl]ein geworden ist: Welche euch, den Göttern, meinen Herren, B[r]ot [und] Gussopfer zu [ber]eiten pflegten, die bedrückte die Seuche stark. Die Seuche [ …]-te sie/es (scil. die Opfer oder das Land). Sie (ist) da. Die Seuche aber nimmt kein Ende. (So) [wird] (weiter) gestorb[en]. Welche Brot- und Weinopferer (schon) wenige [geworden sind], wenn sie (alle) zugrunde gehen, gibt euch [k]einer mehr irgendwelches Brot [und] Gussopf[er]. Welchen [ … ihr, Götter, mei]ne [Herren, u]m des Brotes und Gussopfers willen, [ … ], nehmt [mir gegenüber eine gütige Gesinnung an]! (Vor) euch will ich erscheinen! [Schic]kt die Seu[che aus dem Land Ḫatti]! Welche Brot- (und) [Weinopferer für e]uch wenig (sind),

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sie sollen [n]icht mehr bedräng[t werden]! Sie sollen nicht weiter dahinste[rben]! Sie sollen euc[h Bro]t und [Gu]ssopfer ber[ei]ten! (Ihr) Götter, meine [H]erren, [ … ] schickt die Seu[ch]e fort! Und welche bösen (Dinge) auch immer we[gen … ] des T[u]dḫaliya im Land Ḫatti geschehen (sind), (ihr) Götter, schickt sie [ … ] und schickt sie ins Feindesland! Dem Land Ḫatti (gegenüber) aber nehmt [wieder] eine gütige Gesi[nnung] an! Im Land soll es gut wieder sein! Auch ich, euer Priester, eue[r] Diener, möchte vor euch erscheinen! Nehmt mir (gegenüber) eine gütige Gesinnung an! Schickt die Qual fort aus meinem Herzen! Von meinem Körper aber nehmt (mir) die Angst!

147 148

[Erste Tafel, be]endet. Wi[e] Muršili seine Falldarlegung [ … ] wegen der Seuche [ … ] m[acht]e.

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378

Anhang

CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. – Text

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

[d I]M uru ḫatti BELI=YA [U DINGIRmeš uru ḫatti BEL]U meš =YA uiyat=mu m murš[iliš … š]umēl ARAD=KUNU īt=wa ANA d I[M] uru ḫatti [B]ELI=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA k[i]ššan memi kī=wa kwit iyatten nu=wa=kan INA ŠÀ-BI KUR uru ḫatti ḫinkan tarnatten nu=wa KUR uru ḫatti ḫinganaz arumma mekki tamaštat nu=wa PAN ABI=YA PAN ŠEŠ=YA akkišketat kwitt=aya=wa=z ammuk A[N ]A DINGIRmeš lú SANGA kišḫat nu=wa kinunn=a ammuk peran akkiškettari kāš MU-20kam kwit=kan INA ŠÀ KUR uru ḫatti akkiškettari nu=kan IŠTU KUR uru ḫatti ḫinkan [a]rḫa UL=pat taruptari ammuk=ma=z ŠÀ-az laḫlaḫḫiman UL taruḫmi NÍ.TE-az=ma=z(a) pittuliyan namma U [L] taruḫmi

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

namma=z(a) EZEN4 ḪI.A =ya kuwapi ēššaḫḫun nu ANA DINGIRmeš ḫūmandaš peran EGIR-pa iyaḫḫat 1-EN É DINGIR-LIM=kan UL teḫḫun nu=z(a) ḫing[a]ni šer ANA DINGIRmeš ḫūmandaš arkūwar ē[š]šaḫḫun I [KRIBI ḪI.A =ma=šmaš=ka]n [ … ]-zaškenun [ … BELU me ]š =YA [i]štamašten [ … IŠTU KUR uru ḫat]ti [ḫ]inkan [arḫa uiyatten] [uru ḫattuš]aš=wa [ … ] taruḫzi [ … akki]škettari [ … SI×SÁ-at]taru našma=wa! =at=z(a)=ka[n … ] [ … lú DINGIR-LIM-niya]nz(a)=ma memāu DINGIRmeš =ma=m[u … ] [ … KUR uru ]ḫatti ḫinkan UL SIG5 -at[tat] [ … tamašt]at

30

[ … Š]A DINGIRmeš =YA kwiēš

31 32 33 34 35

n=at akki[škantat] [ … memiya]š namma nakkišta nu ŠA DING[IRmeš … ] [ … k]arūila DUB-2KAM.ḪI.A peran w[emiyanu]n 1 ṬUPPU Š[A SISKUR ŠA íd māla]

1 2 3

lú.meš

NINDA.GUR4 .RA-[uš … ašša]nteš ešer

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CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.

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CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

[Wetter]gott von Ḫatti, mein Herr, [und (ihr) Götter von Ḫatti,] meine [Herr]en, es schickte mich Mur[šili, der König, e]uer Diener. Geh (und) sprich zum Wetter[gott] von Ḫatti, meinem [H]errn, und zu den (anderen) Göttern, meinen Herren, f[o]lgendermaßen: Dies (ist es), was ihr getan habt: Ihr habt die Seuche ins Land Ḫatti gelassen und das Land Ḫatti wurde von der Seuche überaus heftig bedrückt. Es wurde unter meinem Vater (und) meinem Bruder gestorben. Auch was das betrifft, dass ich zum Priester f[ü]r die Götter wurde: Es wird auch jetzt unter mir gestorben. Dies (ist) das 20. Jahr, dass im Land Ḫatti gestorben wird. Die Seuche wird aus dem Land Ḫatti nicht [f]ort(geschafft und) beendet. Ich aber bezwinge die von meinem Herzen (ausgehende) Qual nicht. Die von meinem Körper (ausgehende) Angst aber bezwinge ich nich[t] mehr.

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Ferner, wenn ich (früher) auch Feste durchführte, trat ich wieder vor alle Götter. Einen einzelnen Tempel setzte ich nicht (scil. an erste Stelle? ). Wegen der Se[u]che m[a]chte ich vor allen Göttern meine Falldarlegung(en), G[ebete aber …]-te ich [für sie]: „[H]ört [mich, (ihr) Götter,] meine [Herre]n! [Schickt] die [S]euche [aus dem Land Ḫat]ti [fort]! [Ḫattuš]a bezwingt [nicht … ]. [Aus welchem Grund aber das Land Ḫatti dahinsi]echt, [das soll (entweder) durch ein Orakel ermit]telt werden oder [ich will] es [in einen Traum sehen] [oder] aber [ein Gottesbegeiste]rter soll es sagen.“ Die Götter aber [hörten] mi[ch nicht]. [Im Land] Ḫatti wurde die Seuche nicht gut. [Das Land Ḫatti wurde überaus stark bedrück]t.

30

Die [wenigen] Brot- [(und) Weinopferer] meiner Götter, die [übr]ig geblieben waren, die sta[rben weiter dahin]. [ … die Angelegenhe]it ist wieder drückend geworden. Der Gött[er … ]. Ich f[an]d zwei [a]lte Tafeln vor. Eine Tafel über d[as Ritual des Flusses Māla]:

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Anhang

37 38

[karū]=ma=wa SISKUR ŠA íd māla karuw[iliy]ēš LUGALmeš ḫi[n]k[an ḫarke]r kwitman=ma IŠTU UDkam -U [M] ABI=YA INA KUR uru ḫatti a[kkiškettat] [nu SISKUR Š]A íd māla UL k[u]wapikki iyawēn

39 40

[ŠANU ṬUPP]U=ma ŠA uru kuruštamma LÚmeš uru kuruštamma maḫḫan d 10 uru ḫatti INA KUR uru mizri pē[d]aš

41

44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

nu=šmaš d IM uru ḫatti maḫḫan išḫiūl ANA LÚmeš uru ḫatti menaḫḫanda iyat namma=at IŠTU d 10 uru ḫatti li[n]ganuwanteš nu LÚmeš uru ḫatti kwit LÚmeš uru mizri=ya IŠTU d IM uru ḫatti linganuwanteš ešer nu wēr LÚmeš uru ḫatti peran waḫnuēr nu=kan NIŠ DINGIR-LIM LÚmeš uru ḫatti ḫūdāk šarriyēr nu ABU=YA ÉRINmeš ANŠE.KUR.RAmeš uiyat nu ZAG kur mizri kur amga wal(a)ḫḫer namma=ya uiyat nu namma wal(a)ḫḫer LÚmeš uru mizrī=ma maḫḫan naḫšariyantat [n]amma uiēr n=at wēr nu ANA ABI=YA DUMU=ŠÚ LUGAL-wiznanni anku weker

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nu=šmaš maḫḫan ABU=YA apēl DUMU=ŠÚ pēšta n=an maḫḫan pēḫuter n=an=kan kwēnner ABU=YA=ma :kappilazzatta n=aš INA kur mizri pait nu KUR uru mizri wal(a)ḫta ÉRINmeš =ya=kan ANŠE.KUR.RAmeš ŠA kur mizri kwenta

61

nu apiya=ya d IM uru ḫatti BELI=YA ABA=Y [A] ḫannešnit šarlāet

62 63 64 65 66 67

nu=z(a) ÉRINmeš ANŠE.KUR.RAmeš ŠA KUR uru mizri taruḫta n=at=kan kwenta nu LÚmeš appa[ndan] kwin ēpper n=an maḫḫan INA KUR uru ḫatti EGIR-pa uwatēr nu=kan INA ŠÀ-BI lú.meš ŠU.DAB.BIḪI.A ḫinkan kišat n=aš a[k]kiškewan d[āiš]

68 69

maḫḫan=ma lú.meš ŠU.DAB.BIḪI.A INA ŠÀ-BI KUR uru ḫa[t]ti arnuēr nu=kan ḫingan INA ŠÀ-BI KUR uru ḫatti lú.meš ṢABTUTUM utēr

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CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.

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381

[Früher] aber [habe]n das Ritual des Flusses Māla die a[lt]en Könige darg[ebracht]. Solange aber im Land Ḫatti seit den Tagen meines Vaters ges[torben wurde], führten wir [das Ritual d]es Flusses Māla n[ie]mals durch. [Die zweite Taf]el aber über Kuruštamma: Wie der Wettergott von Ḫatti die Leute von Kuruštamma nach Ägypten bra[ch]te (und) wie der Wettergott von Ḫatti für sie (scil. die Leute von Kuruštamma in Ägypten) mit den Leuten von Ḫatti einen Vertrag machte, (wie) sie ferner vom Wettergott von Ḫatti unter Ei[d] genommen (waren). Was das betrifft, dass die Leute von Ḫatti und die Leute von Ägypten vom Wettergott von Ḫatti unter Eid genommen waren: Später gewannen die Leute von Ḫatti die Oberhand. Mit einem Mal übertraten die Leute von Ḫatti den Göttereid, und mein Vater schickte Fuß- (und) Wagentruppen. Sie schlugen das (Grenz-)Gebiet von Ägypten, (nämlich das Land) Amka. Und wieder schickte er (Fuß- und Wagentruppen), und wieder schlugen sie (zu). Als die Leute von Ägypten aber Angst bekamen, schickten sie [f]erner aus. Sie kamen und sie erbaten dringlich von meinem Vater seinen Sohn für (ihre) Königsherrschaft. Nachdem mein Vater ihnen seinen Sohn gegeben hatte und nachdem man ihn hingebracht hatte, töteten sie ihn. Mein Vater aber wurde feindlich. Er ging nach Ägypten und schlug Ägypten. Auch die Fuß- (und) Wagentruppen Ägyptens tötete er.

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Auch da ließ der Wettergott von Ḫatti, mein Herr, mein[en] Vater durch einen (göttlichen) Gerichtsentscheid gewinnen: Er (scil. mein Vater) besiegte Fuß- (und) Wagentruppen des Landes Ägypten und tötete sie. Die Kriegsgefangenen, die sie ergriffen – [a]ls sie sie ins Land Ḫatti (mit sich) zurückbrachten, entstand (unterwegs) eine Seuche unter den Kriegsgefangenen. Seither s[t]arb[en] sie (beständig).

68 69

Als man aber die Kriegsgefangenen ins Land Ḫa[t]ti brachte, brachten die Kriegsgefangenen die Seuche ins Land Ḫatti.

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Anhang

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nu=kan INA ŠÀ kur ḫatti apēzz(a) UDkam -az akkiškettari nu=z(a) maḫḫan eni ṬUPPA ŠA KUR uru mizri peran wemiyanun n=at IŠTU DINGIR-LIM ariyanun aši=wa kwiš memiyaš [I ]ŠTU d IM uru ḫatti iyanz(a) LÚmeš uru mizri kwit LÚmeš uru ḫatti=ya IŠTU d IM uru ḫatti linganuanteš

75

d

76 77

memiyan=ma=kan LÚmeš uru ḫatti=pat ḫūdāk šarriyēr nu=war=aš mān ANA d IM uru ḫatti BELI=YA kartimmiyaz kišat

78

n=at ḫandāettat

79

SISKUR=ya ŠA í [d m]ā[l]a ḫingani šēr ariyanun

80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

nu=mu=kan apiya=ya d I[M uru ḫatt]i EN=YA peran tiyawanzi ḫandāettat nu=z(a)=kan kāša [ … waš]tul tarnaḫḫun ešzi=at iyawēnn=[a=(a)t] [ … ] ammuk peran kišanz(a) ANA PAN ABI=YA [ … ] [ … ] anda imma šāggaḫḫi [ … ] memiyaš nu=z(a) d I[M … ] šer kartimmiyawa[nz(a)] [ … a]kkiškettar[i]

90 91

mān INA ŠÀ KUR uru ḫa[tti akk]iškettari nu=z(a) k[āša AN ]A d IM uru ḫatti EN=YA [ … apa]dda šer ēššaḫḫi

92 93 94 95

nu=tta [ḫ]aliḫliškemi nu duddu ḫa[lziššaḫḫi] [n]u=mu d 10 uru ḫatti EN=YA išdamaš [n]u=kan INA ŠÀ kur ḫatti ḫinkan daru[ptaru]

damnaššaruš=kan kwit INA ŠÀ-BI É d IM uru ḫatti BELI=YA

96 97 98 99 100

[nu]=z(a) uttar kwit arḫa ariyanun [ … ] ḫingani šer kwe INIMmeš ḫandaettat [n=a]t EGIR-pa lāiškemi n=at=[kan ša]rninkiškemi nu AWAT NI [Š DING]IR-LIM kwit ḫingani šer ḫandae[t]tat

101

nu SISKUR [N ]IŠ DINGIR-LIM ANA d 10 uru ḫatti [ANA DINGIRmeš ENmeš =Y ]A peran arḫa šipantaḫḫun

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CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.

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70 71 72 73 74

Seit jenem Tag wird im Land Ḫatti gestorben. Sobald ich jene Tafel über das Land Ägypten gefunden hatte, ermittelte ich es (durch Orakel) von der Gottheit: „Jenes Wort, das [v]om Wettergott von Ḫatti gemacht (worden war),“ was das betrifft, dass die Leute von Ägypten und die Leute von Ḫatti vom Wettergott von Ḫatti unter Eid genommen (waren),

75

(und) was das betrifft, dass die damnaššara-Gottheiten sich im Tempel des Wettergottes von Ḫatti, meines Herrn, (befinden), (dass) aber ausgerechnet die Leute von Ḫatti das Wort plötzlich übertraten, „ob das (scil. die Übertretung des Wortes) dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (ein Grund zum) Zorn wurde,“ das wurde (durch ein Orakel) festgestellt.

76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101

Auch über das Ritual für den Flu[ss M]ā[l]a stellte ich eine Orakelanfrage wegen der Seuche an. Auch da wurde mir (durch Orakel) festgestellt, vor den Wetter[gott von Ḫatt]i, meinen Herrn, zu treten. Und ich hier habe [vor dem Wettergott] den [Fr]evel bekannt: Es ist (so), [un]d wir haben [es] getan. [ … nicht] unter mir (ist) geschehen, [ … ] unter meinem Vater [ … ]. [ … ] in [ … ] weiß ich sehr wohl. [ … ] die Angelegenheit. Der Wetter[gott ] (ist) zorn[ig] wegen [ … ]. [ … w]ird gestorbe[n]. Während im Land Ḫa[tti gestor]ben wird, mache ich h[ier desw]egen [de]m Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, (gerade) meine [Falldarlegung]. Ich [w]erfe mich (gerade) vor dir nieder. Ich ru[fe gerade] ‚Gnade!‘ aus. Wettergott von Ḫatti, mein Herr, höre mich! In Ḫatti soll die Seuche been[det werden]! Welche Ursache ich durch das Orakel ermittelt habe [und] welche Gründe für die Seuche festgestellt worden sind, [di]e löse ich (gerade) wieder los, für die [entsch]ädige ich (gerade). Was das betrifft, dass die Angelegenheit des (gebrochenen) Göt[tereid]es (als eine Ursache) für die Seuche festgeste[l]lt wurde: Ich habe das (zum) Götter[e]id (gehörige) Ritual vor dem Wettergott von Ḫatti [und vor den Göttern, mein]en [Herren], durchgeführt.

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Anhang

102 103 104 105

[ … ] peran arḫa šipandaḫḫun [ … t]uk ANA d 10 uru GIDRU-ti [ … š]er SISKUR=ya=šmaš [ … ] SIS[KUR Š]A íd māla=ma=mu [k]wi[t … š]er ḫandaettat

106 107

nu kāš[a ANA íd m]āla kwit iyaḫḫari nu=mu d 10 uru ḫa[t]ti EN=YA DINGIRmeš BELU meš =YA SISKUR ŠA íd mā[l]a EGIR-an tarnatten nu SISKUR ŠA í [d māl]a iyallu n=at=kan ašnullu iyami=at=(a)z kwedāni uddanī ḫingani šer nu=mu DINGIRmeš BELU meš =YA genzu datten nu=kan INA ŠÀ KUR uru GIDRU-ti ḫingan lazziyattaru

108 109 110 111 112 113

d

114 115 116 117 118 119 120 121

129

wašteškanzi nu ABU=YA=ya waštaš nu=kan ŠA d IM uru ḫatti EN=YA memiyan zāyiš ammuk=ma UL kwitki wašdaḫḫun nu kikkištāri QATAMMA ŠA ABU=ŠU=kan waštul ANA DUMU=ŠU ari nu=kan ammukk=a ŠA ABI=YA waštul ar(a)š n=at=z(a)=kan kāša ANA d 10 uru ḫa[t]ti EN=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA peran tarnan ḫarmi ēšzi=at iyawen=at nu=z(a)=kan ŠA ABI=YA kwit waštul tarnan ḫarmi nu ANA d 10 uru ḫatti EN=YA U ANA DINGIRmeš BELU meš =YA ZI-anz(a) namma waršiyaddu nu=mu genzu namma dātten nu=kan IŠTU KUR uru ḫatti ḫinkan arḫa namma uiyatten nu=kan kēuš kwiēš lú.meš NINDA.GUR4 .RA-uš lú.meš išpantuzziyaliuš tēpawēš āššanteš n=at=mu lē akkanzi

130

nu=z(a) kāša ANA d IM EN=YA ḫingani šer arkūwar ēššaḫḫi

131 132 133 134 135

nu=mu d 10 uru ḫatti EN=YA ištamaš nu=mu ḫwišnut nu=tta[=kk]an ki[ššan … ] MUŠEN-iš=z(a)=kan giš taptappan EGIR-pa ēpzi n=an giš taptappaš ḫuw[išnuzi]

122 123 124 125 126 127 128

IM uru ḫatti BELI=YA DINGIRmeš BELU meš =YA kikkištāri QATAMMA

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CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.

102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113

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Vor [ … ] habe ich [ … ] geopfert. [ … d]ir, dem Wettergott von Ḫatti, weg[en der Seuche]. Und das Ritual [ … ] euch/ihnen [ … ]. [W]a[s] das betrifft, dass das Rit[ual f]ür den Fluss Māla aber (als eine Ursache) fü[r die Seuche] festgestellt worden ist, und was das betrifft, dass ich hie[r] (gerade) [zum Fluss M]āla gehe: Wettergott von Ḫa[t]ti, mein Herr, (und) ihr (anderen) Götter, meine Herren, lasst mir das Ritual für den Fluss Mā[l]a zu! Ich will das Ritual für den Flu[ss Māl]a ausführen! Ich will es herrichten! In welcher Angelegenheit ich es wegen der Seuche ausführen werde, nehmt mir (gegenüber) eine gütige Gesinnung an, (ihr) Götter, meine Herren! Und im Land Ḫatti soll die Seuche gut werden!

126 127 128

Wettergott von Ḫatti, mein Herr, (und ihr) Götter, meine Herren, es geschieht so: Man frevelt, (und) auch mein Vater hat gefrevelt. Er übertrat das Wort des Wettergottes von Ḫatti, meines Herren. Ich aber habe in keiner Weise gefrevelt, und es geschieht so: Der Frevel seines Vaters gelangt zu seinem Sohn, (so) ist auch zu mir der Frevel meines Vaters gelangt. Vor dem Wettergott von Ḫa[t]ti, meinem Herrn, und vor den (anderen) Göttern, meinen Herren, habe ich ihn (scil. den Frevel) hier bekannt. Es ist (so). Wir haben es getan. Was das betrifft, dass ich den Frevel meines Vater bekannt habe: Dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, und den (anderen) Göttern, meinen Herren, soll sich der Sinn wieder beruhigen! Nehmt mir (gegenüber) wieder eine gütige Gesinnung an! Schickt die Seuche aus dem Land Ḫatti wieder fort! Die wenigen Brot- (und) Weinopferer, die übrig blieben,

129

die sollen mir nicht (auch noch) sterben!

130

Ich hier mache (gerade) dem Wettergott, meinem Herrn, wegen der Seuche meine Falldarlegung. Wettergott von Ḫatti, mein Herr, höre mich! Lass mich überleben! Zu dir [ … ] folgen[dermaßen]: Ein Vogel nimmt (Zuflucht zu) seinem Nest, das Nest [lässt] ihn überle[ben].

114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

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Anhang

136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

našma mān ANA ARAD-TI kwedanikki kwitki na[k]kiyaḫḫa[n] nu=z(a) ANA EN=ŠU arkuwar iyazzi n=an EN=ŠU ištamašzi nu=šši g[enzu … ] kwit nakkiyaḫḫan n=at=ši SIG5 -aḫzi našma mān ANA ARAD-TI kwedanikki waštul waštul=ma=zz(a)=kan ANA PANI E[N=Š]U tarnāi n=an EN=ŠU kwit apiya yēzzi n=an yēzzi waštul=ma=z(a)=ka[n] A[N ]A PANI EN=ŠU kwit tarnāi nu ANA EN=ŠU ZI-anz(a) waršiyazz[i] [nu EN]=ŠU apūn ARAD-DI EGIR-pa UL kappuwezzi

149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159

[a]mmuk=z(a)=kan ŠA ABI=YA waštul tarna[ḫḫun] ašān=at iyanun=at [mā]n šarnikziel kwiš nu ap[ēz ḫinga]naz karū=ya kwit mekki [ … ] [ … ] IŠTU KUR uru mizri kwin lú.meš [ŠU.]DAB uwater NAM.RAḪI.A =ya kwin [ … ] [EGIR-p]a=ma kw[i]t uru ḫattušaš ḫ[i]nganaz šarnikta n=at 20-anki [UL k]arū apēniššan kišari n[u] ANA d IM uru ḫatti EN=YA [U AN ]A DINGIRmeš BELU meš =YA ZI-anz(a) UL=pat waršiyattari našma=kan mān [amm]uk=ma kwitki šarnikziel ḫanti išḫiyattēni

160 161

[n=a]t=mu tešḫaz memiešten nu=šmaš=at peḫḫi

162

[nu=tt]a kāša ammukk=a ANA d 10 uru ḫatti EN=YA arkweškemi

163 164 165 166 167

nu=mu TI-nut [nu=m]ān kēzz(a) kuwatka uddānaz akkiškettari n=at kwitman [EGIR-p]a SIG5 -aḫḫiškemi nu=kan ŠA DINGIRmeš kwiēš lú.meš NINDA.GUR4 .RA lú.meš išpantuzzilašš=a [āšš]anteš n=at lē namma akkanzi

168 169 170 171

[namma=m]a mān tamētazz=iya kwēzka uddānaz akkiškettari n=at=z(a)=kan naššu tešḫit uwallu našma=at ariyašešnaz [ …-y]attaru našma=at lú DINGIR-LIM-nianz(a)=ma memāu

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CTH 378.2 „Zweites“ Pestgebet Muršilis II.

136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162

387

Oder wenn irgendetwas irgendeinem Diener be[d]rücken[d] (ist), (dann) macht er seinem Herrn seine Falldarlegung, (und) sein Herr hört ihn. Er [nimmt] ihm (gegenüber) eine gü[tige Gesinnung an]: Was bedrückend (ist), das macht er gut für ihn. Oder wenn irgendein Diener einen Frevel (begangen hat), seinen Frevel aber (vor) sein[em He]rrn bekennt, was sein Herr dann mit ihm macht, das macht er mit ihm. Weil er aber seinen Frevel (vor) seinem Herrn bekennt, beruhig[t] sich seinem Herr der Sinn (wieder), [und] sein [Herr] kümmert sich nicht mehr um jenen Diener (scil. hinsichtlich einer Bestrafung). [I]ch habe den Frevel meines Vaters bekan[nt]. Es (ist) wahr. Ich habe es getan. [Wen]n irgendeine Entschädigung (besteht): Weil durch [jene Seu]che auch früher schon reichlich [ … ], wen sie [ … ] aus dem Land Ägypten als [Kriegsge]fangene gebracht haben und wen sie als Zivilgefangene [gebracht haben], w[of]ür Ḫattuša [hinterhe]r aber durch die S[eu]che (bereits) entschädigt hat, ist das [nicht b]ereits auf jene Weise zwanzigfach geschehen? Und dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, [und de]n (anderen) Göttern, meinen Herren, hat sich der Sinn gar nicht beruhigt. Oder falls ihr [mi]r aber irgendetwas als Entschädigungsopfer gesondert auferlegt, sagt [e]s mir durch einen Traum! Ich werde es euch geben.

163 164 165 166

Ich hier lege (gerade) auch für mich vor [di]r, dem Wettergott von Ḫatti, meinem Herrn, meinen Fall dar. Lass mich überleben! [F]alls etwa aus diesem Grund gestorben wird: Während ich es (gerade) [wiede]r gut mache – die Brot- und Weinopferer der Götter, die [übr]ig sind,

167

die sollen nicht (auch noch) sterben!

168 169 170 171

[Ferner a]ber, falls aus irgendeinem anderen Grund gestorben wird, möchte ich das entweder durch einen Traum erkennen, oder es soll durch eine Orakelanfrage [ermittel]t werden, oder ein Gottesbegeisterter aber soll es sagen

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388

Anhang

172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182

našma ANA lú.meš SANGA kwit [ḫ]ūmandāš watarnaḫḫun n=at=š(a)maš šuppaya šeškiškanzi nu=mu d 10 ur [u ḫa]tti EN=YA ḫuwišnut nu=z(a) DINGIRmeš BELU meš =YA [ … ] nu=z(a) DINGIRmeš BELU meš =YA parā ḫandandatar tikkušnuwandu n=at=z(a)=kan apiya kwiški tešḫit aušdu nu kwēzz(a) uddānaz akkiškettari n=at wemiyattaru nu=kan urudu ZI.[KI]N.BAR-aš giš šarpaz kunkuweni nu=mu d I[M ur ]u ḫatti [E]N=YA [T]I-nut nu=kan ḫinkan [I ]ŠTU KUR uru ḫatti arḫa namma [taru]pdāru

183 184

DUB-1kam QATI m muršil[iš=z(a) … ] ḫingani še[r arkuw]ar [ … ]

CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. – Text 1

[d U]TU uru arinna BELTI=YA U DINGIRmeš ENmeš =YA

2 3 4 5 6 7 8 9 10

kī kwit D[Ù-atten] nu=kan INA ŠÀ KUR uru ḫatti ḫinkan tarnatten nu KUR uru ḫatt[i ḫinganaz] arumma tamaštat nu PAN ABI=YA PAN AḪI=YA=y[a akkiškettat] ammuk kinun ANA DINGIRmeš lú SANGA kišḫat [ … ] akkiškettari nu kāš MU-20kam me[kki … ] akkiškettari nu KUR uru ḫatti ḫing[anaz … ]

11 12 13 14 15 16 17 18 19

nu KUR uru ḫatti ḫinganaz mekki tam[aštat] [ … ] DUMU-an iyazzi ḫinganaš=ma=an=ši=kan [ … ] [ … ] lú KAL-antešzi UL=ma=aš lú miyaḫ-[ … ] [ … ] kwedanikki āšzi n=aš ḫi[n- … ] [ … ] UL karuwiliyatt[a] [ … ] maḫḫan miyaḫunteš [ … ]

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CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II.

172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182

oder was ich [a]llen Opferpriestern habe mitteilen lassen: Sie legen sich auf reine Weise schlafen. Wettergott von [Ḫa]tti, mein Herr, lass mich überleben! Die Götter, meine Herren, [sollen] (für) sich [ … ]! Die Götter, meine Herren, sollen ihr göttliches Walten zeigen! Irgendjemand soll es dann durch seinen Traum erkennen! Aus welchem Grunde gestorben wird, das soll (heraus)gefunden werden! Wir baumeln an der Spitze einer Na[d]el. Wetter[gott von] Ḫatti, mein [H]err, lass mich überleben! Die Seuche soll [a]us dem Land Ḫatti wieder fort(geschafft und) beendet werden!

183 184

Erste Tafel, beendet. [Wie] Muršil[i seine Falldarleg]ung [ … ] weg[en] der Seuche [ … macht].

389

CTH 378.3 „Drittes“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

[Sonn]engöttin von Arinna, meine Herrin, und (ihr anderen) Götter, meine Herren, dies ist es, was ihr get[an habt:] Ihr ließt die Seuche ins Land Ḫatti und das Land Ḫatt[i] wurde [von der Seuche] heftig bedrückt. Unter meinem Vater u[nd] meinem Bruder [wurde gestorben]. Ich bin jetzt Priester für die Götter geworden. [ … ] wird gestorben. Dies (ist) das 20. Jahr, dass in gro[ßer Zahl … ] gestorben wird. Das Land Ḫatti [ … von der] Seu[che … ].

11 12 13 14 15 16 17 18 19

Das Land Ḫatti [wurde] von der Seuche sehr bedrü[ckt]. [ … ] einen Sohn zeugt, aber als [ … ] der Seuche (Gen.) [ … ] ihn ihm. [Wenn] er [ … ] zum Mann wird, [wird] er aber [ … ] nicht ein alter M[ann]. [ … ] verbleibt irgendeinem, die S[euche … ] sie. [ … ] nicht in den alten Zustand. Wenn [ … ] alt [ … ],

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390

Anhang

20 21

UL=ma wantešzi […]

22 23

nu mān [ … ] per[an … ] i[š- … ] Kolumne bricht ab. Text setzt gegen Ende des Gebets wieder ein. ḫan-[ … ]

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

nu kāša ammuk m murš[ili … ] nu=mu=ššan DINGIRmeš ENmeš =YA [ … ] nu=mu=kan ŠÀ-az laḫlaḫḫiman [ … ] nu=kan ḫinkan IŠTU KUR uru ḫatti [ … ] [ … ] ANA KUR.KURmeš lú KÚR uiyatten ŠÀ KUR uru ḫat[ti … ] mān=ma=kan DINGIRmeš =ma BELU meš ḫinkan IŠT [U … ] ḫaršiyalliyaš=kan išpantuzziya-[ … ] nu mān apūšš=a arḫa akkanzi nu ANA DINGIRmeš BE[LU meš … ] išpantuzzi kar(a)štari nu=mu uwatteni DIN[GIR … ] waštul ḫartēni kuwat=wa=nnaš NINDA.GUR4 .RA-in išpantu[zzi … ] [k]inuna DINGIRmeš ENmeš =YA ANA KUR uru ḫatti genzu namma da[tten]

37 38 39 40

ḫinkan arḫa namma uiyatten nu=kan ŠÀ KUR uru ḫatti [ … ] n=at šešdu māu n=at karuwiliyatta par[a- … ]

CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. – Text 1

DINGIRmeš ENmeš =YA d 10 MULTARRIḪU 2 ENmeš uru lānta d iyarriš DINGIRmeš uru ḫatti DINGIRmeš uru arinna DINGIRmeš uru zippalanda DINGIRmeš uru tūwanuwa DINGIRmeš uru ḫūpišna DINGIRmeš uru durmitta DINGIRmeš uru ānkuwa DINGIRmeš uru šamuḫa d 10 uru šarišša DINGIRmeš uru šarišša DINGIRmeš uru ḫurma DINGIRmeš uru ḫanḫāna DINGIRmeš uru karaḫna DINGIRmeš uru ellaya d kamrušepaš uru taniwanda DINGIRmeš uru zarruwiša d 10 uru liḫz[i]na d LAMMA KARAŠ ŠA ABI d UTU-ŠI INA [u ]ru maraššantiya kwiš d uliliyaššiš ŠA uru parmanna DINGIRmeš uru kattil[a] d 10 uru ḫašūna DINGIRmeš d mūwā[nu] DINGIRmeš uru zazziša d telipinu ḪI.A Émeš d [ … ] ŠÀ KUR-TI arḫa ḫarkan DINGIRmeš uru šalpa d 10 uru ar-[ … ]

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CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II.

20 21

wird ihm aber nicht warm. [ … ].

22

Wenn [ … ] vo[r … ]. Kolumne bricht ab. Text setzt gegen Ende des Gebets wieder ein. [ … ].

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

391

[ … ] ich hier, Murš[ili, … ]. (Ihr) Götter, meine Herren, mir/mich [ … ]! [Schickt] die Qual [fort] aus meinem Herzen! [Schickt] die Seuche aus dem Land Ḫatti [fort]! In die Feindesländer [schickt die Seuche]! Im Land Ḫat[ti … ]. Falls aber (ihr) Götter, die Herren, die Seuche au[s dem Land nicht schickt ? ], die [wenigen] Brotopferer und Weinschen[ke, die noch übrig geblieben sind], falls auch jene wegsterben, (dann) hören [Brot- und] Gussopfer für die Götter, die He[rren,] auf. Später werdet (ihr) Gö[tter, meine Herren, … ] mir den Frevel vorhalten: „Warum [gebt ihr] uns Brot- (und) Gu[ssopfer nicht]?“ [J]etzt aber, (ihr) Götter, meine Herren, ne[hmt] dem Land Ḫatti (gegenüber) wieder eine gütige Gesinnung an: Die Seuche schickt wieder fort! Im Land Ḫatti [ … ]! Es soll gedeihen und wachsen! Es soll [wieder] in den alten Zustand [ … ]!

CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II. – Übersetzung 1

Götter, meine Herren: stolzer Wettergott, (ihr) beiden Herren von Lanta, Iyarri, Götter von Ḫatti, Götter von Arinna, Götter von Zippalanda, Götter von Tuwanuwa, Götter von Ḫupišna, Götter von Durmitta, Götter von Ankuwa, Götter von Šamuḫa, Wettergott von Šarišša, Götter von Šarišša, Götter von Ḫurma, Götter von Ḫanḫana, Götter von Karaḫna, Götter von Ellaya, Kamrušepa von Taniwanda, Götter von Zarruiša, Wettergott von Liḫz[i]na, Schutzgott der Truppe des Vater der Majestät, der in Maraššantiya (ist), Uliliyašši von Parmanna, Götter von Kattil[a], Wettergott von Ḫašuna, Götter von Muwa[nu], Götter von Zazziša, Telipinu-Gottheiten der Häuser (der Gottheit) [ … , die] im Land zerstört (worden sind), Götter von Šalpa, Wettergott von Ar-[ … ].

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392

Anhang

2 3 4 5 6

DINGIRmeš ENmeš =YA kāša=šmaš m m[urš]i-DINGIR-LIM lú SANGA=KUNU arwānun nu=šmaš arwā[nun] kwedāni memiyani nu=mu ištama[šten] [nu=mu GEŠTU-an] parā ēpten nu=mu ištamaš[ten]

12

DINGIRmeš ENmeš -[Y ]A karuwiliyaz=kan ANA [ … ] an[d]a neyanteš ēšten nu antuḫšatar [UL] taršan ḫarten [n]u antuḫšātar mekki [ … ] šumēll=a ARAD[m ]eš DINGIR-LIM meggaēš e[šer] nu ANA DINGIRmeš [E]Nmeš -[Y ]A ninda ḫaršin dug išpan[tuzzi=ya] šarā tittanuēr nu=z(a)=kan DINGIRmeš ENmeš antuḫšanni i[škiš]a waḫnut[ten]

13

nu wet KUR uru ḫatt[i AN ]A PANI ABI ABI-[YA … ] dammešḫā[e]ttat

14 15 16 17 18 19 20 21 22

nu [ … I ]ŠTU lú KÚR ḫa[r(a)kta] [ … ] QATAMMA ÚŠ-z(a) ḫar(a)kt[a] [nu antu]ḫšātar te[pawešta] šumell=a DINGIRm [eš … tēp]awēš[šer] nu šumell=a ŠA DINGIRmeš E[Nme ]š =YA kwe É DINGIR-L[IM … ] kwēl=ma ARAD-TUM ḫar(a)kta kwiš=m[a] ANA DINGIR-L[IM] ḫar(a)kta nu ŠA DINGIRmeš ḫazziweda arḫa ḫ[ar(a)kta] nu=šmaš=at [U ]L [k]wiški iššiš[ta]

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

maḫḫa[n=ma=z(a) ABU-Y ]A LUGAL-wezni eša[t] nu=šš[i … ] DINGIRmeš ENmeš =YA anda tīya[tten] nu-[ … dannatt]a KUR-e EGIR-pa dān ašā[šta] [ … DINGI]R[m ]eš ENmeš =YA kwedani É DINGIR-[LIM … UNU ]T-SU NU.GÁL ēšta kwiš=ma DINGIR-[LIM] arḫa ḫarkanz(a) ēšta nu ABU=YA kwit taruḫ[ta] n=at EGIR-pa iyat kwit=ma UL taruḫ[ta] n=at UL EGIR-pa iyat nu DINGIRmeš ENmeš [=YA] ANA ABI=YA UL kuwapikki nakkē[šten] ammukk=a UL kuwapikki nakkē[šten] nu=mu kinun nakkeš[teni]

35

nu wet ABU=YA kuwapi INA KUR uru mizri p[ait]

7 8 9 10 11

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CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II.

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

393

Götter, meine Herren, ich hier, M[urš]ili, euer Priester, habe mich vor euch verneigt. In welcher Angelegenheit ich mich vor euch verne[igt habe], hö[rt] mich! Haltet [mir (euer) Ohr] hin und hö[rt] mich! (Ihr) Götter, [m]eine Herren, früher wart ihr [ … ] z[u]gewandt. Ihr habt die Menschheit [nicht] ausgedörrt. Die Menschheit [war] zahlreich, auch eure, der Götter, Dien[e]r, w[aren] viele. Sie stell[ten] (euch) Göttern, [me]inen [He]rren, Dickbrot (und) Gu[ss- … ] auf. (Ihr) Götter, Herren, habt [ … ] der Menschheit (nun) euren R[ücke]n zugekeh[rt]. Und danach wurde das Land Ḫatt[i un]ter der Herrschaft [meines] Großvaters [ … ] bedrä[n]gt. Und [ … ging d]urch den Feind zu[grunde], [ …] ging ebenso durch die Seuche zugr[unde], [und die Bevöl]kerung wurde we[nig]. Auch eure, der Gött[er, Diener wu]rden [we]nig. Welche eure, der Götter, meiner Her[re]n, Temp[el], [vorhanden waren], wessen Diener aber zugrunde ging, wer ab[er] der Gotthe[it] (Dat.) zugrunde ging, die Kulthandlungen der Götter [kamen] völlig zum Erl[iegen], und [kei]ner führ[te] sie für euch aus.

27 28 29 30 31 32 33 34

Al[s sich aber me]in [Vater] zur Königsherrschaft (auf den Thron) setz[te], tra[tet ihr] Götter, meine Herren [i]hm (zur Seite). [Die leer]en Länder besie[delte] er wieder zum zweiten Mal. In welchem Temp[el] es [für euch, (ihr) Göt]t[e]r, meine Herren, [ … ] das [Ger]ät nicht gab, welcher Got[t] (scil. welche Götterstatue) aber zerstört war, was mein Vater schaff[te], das stellte er wieder her. Was mein Vater aber nicht schaff[te], das stellte er nicht wieder her. (Ihr) Götter, [meine] Herren, w[urdet nie]mals für meinen Vater bedrückend, auch für mich w[urdet ihr] niemals bedrückend. Jetzt w[erdet ihr] für mich bedrückend.

35

Später, damals als mein Vater nach Ägypten z[og],

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394

Anhang

36 37 38 39 40 41

nu=kan IŠTU UD-UM uru mizri ÚŠ-an ŠÀ KUR [ … ] uktūriēšta nu apet pand[a]laz KUR uru ḫatti akkiškettāri nu ABU=[YA] arišket nu šumeš DINGIRmeš ENmeš ariyašeš[n]a[z U ]L wemīyat [a]mmukk=a=šmaš ariškēnun nu šumeš DINGIRmeš ENmeš =YA ariyašešnaz ammukk=a UL wemiyanun

42

PAB PAB PAB PAB ḫarran

43 44

nu=šma[š … ] maḫḫan [ … ] titt[a- … ]

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

nu DINGIRmeš kwit ENmeš =YA UL [ … ] kinuna=šmaš IGIḪI.A -wa kwit [ … ] nu=šmaš [k]arū š[a]kkaḫḫi [ … ] EGIR-an [iyam]i nu kwedani ANA [DINGIR-LIM … ] ēšzi É [DING]IR-LIM=ma=šši NU.GÁL nu=[šši … ] EG[IR-an] iyami kwedani=ma ANA DING[IR-LIM … ] nu=š[ši] É DINGIR-LIM EGIR-pa witemi kwi[š … ] arḫa ḫarkanz(a) annazz=ma=aš ALAM ē[šta] [ … ALA]M=ŠU [E]GIR-pa iyami É DINGIR-LIM=y[a … ] [ … DINGIR]meš ENmeš =YA ḫūmand[aš … ] [ … karuwi]liyaz maḫḫ[an … ] [ … ]-ta kinun=ay[a … ] [ … ] iwar š[a- … ] [ … ] ši[pa]nz(a)kewan t[i- … ]

64 65 66 67

[ … ] parā [ … ] [ … ]-ḫi nu mā[n … -a]z mem[i- … ] […]

68

PAB [ … ] PAB [ … ]

69 70 71 72 73

nu=mu [ … ] nu=kan [ … ] nu=šm[aš … ] [n]u=šm[aš … ] [ … ]-ru-[ … ]

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CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II.

395

36 37 38 39 40 41

wurde von dem Tag Ägyptens an die Seuche im Lan[d Ḫatti] beständig. Und seit jener Ze[i]t stirbt das Land Ḫatti dahin. [Mein] Vater versuchte, (es) durch ein Orakel zu ermitteln. Euch Götter, (meine) Herren, fand er dur[ch] die Orakelanf[ra]ge [nic]ht. Auch [i]ch habe versucht, (es) von euch durch ein Orakel zu ermitteln. Und euch, (ihr) Götter, meine Herren, fand auch ich durch die Orakelanfrage nicht.

42

ZERSTÖRT. ZERSTÖRT. ZERSTÖRT. ZERSTÖRT. BESCHÄDIGT.

43 44

Und euc[h … ]. Sobald [ … ] einse[tz- … ].

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

Was das betrifft, dass (ihr) Götter, meine Herren, nicht [ … ] und dass euch jetzt aber die Augen [ … ]: Ich habe euch schon [fr]üher kennengel[er]nt. Ich [werde … ] wieder herst[ell]en. Welchem [Gott ein Tempel] gehört (scil. zusteht), ein T[em]pel aber ihm nicht (vorhanden) ist, i[hm] werde ich wi[eder einen Tempel] herstellen. Welchem Go[tt] aber [ … ], ich werde i[hm] wieder einen Tempel bauen. Welche[r Gott] ganz zerstört (ist), früher aber als Statue (vorhanden) w[ar], [ihn] werde ich als [Stat]ue [w]ieder herstellen. Au[ch] ein(en?) Tempel [ … ]. [ … (euch) Gött]ern, meinen Herren, allen [ … ]. [ … al]s früh[er … ]. [ … ]-te. Au[ch] jetzt [ … ]. [ … ] gleich wie [ … ]. Seither li[b]ier[ … ].

64 65 66 67

[ … ] fort [ … ]. [ … ]-e ich. Und wenn [ … ] sag-[ … ]. [ … ].

68

ZERSTÖRT [ … ] ZERSTÖRT [ … ]

69 70 71 72 73

Und mir/mich [ … ]. Und [ … ]. Und ihnen/euch [ … ]. [U]nd ihn[en]/eu[ch … ]. [ … ].

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396

Anhang

74 75 76 77 78

mān [ … ] [ … ] anda [ … ] nu=šm[aš … ] nu=z(a) [ … ] […]

79 80 81 82 83

[…] [ … ] KUR [ … ] [ … ] ÉRINmeš [ … ] [ … ] šumeš [ … ] [ … ] ta-[ … ]

84 85 86

DINGIRmeš EN[meš =YA] kwit [ … ] mān a-[ … ] ANA DINGIRm [eš … ]

87 88 89

našma=a[t] IŠTU KUR-TI=ma našma IŠTU ÉRINmeš ANŠE.KUR.RAḪI.A AN [A DINGIRmeš E]Nmeš =YA EGIR-pa iyanun mān DINGIRmeš EG[IR-pa] tānin[u]mi kinuna=mu É-er KUR-TUM ÉRINmeš ANŠE.KUR.RAḪI.A a[k]kiškettari kwit

90

nu šumeš DINGIRmeš kwēz EGIR-pa taninumi

91 92

PAB PAB

93 94 95

n=aš aki kwit PAB PAB kwēz EGIR-pa taninumi nu=mu DINGIRmeš kēz PAB genzu namma datten

96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109

nu=mu waḫnutten nu=kan ÚŠ-an [KUR]-eaz arḫa namma uiyatten akkiškettari kwedaš ANA URUDIDLI.ḪI.A nu SIG5 -ru ANA URUDIDLI.ḪI.A kwedaš SI[G5 - … ] nu=kan ḫinkan EGIR-pa lē paiz[zi] [ … a]mmukk=a ZI-ni EGIR-pa kiššan [ … ] [ … ] aši memiaš ŠA DINGIR-LIM aša[nz(a)] [ … ] ABU=YA ariyašešna[z … ] [ … ]-at UL=ma=war=aš ammu[k … ] AKŠUD nu=wa KUR uru GIDRU-[ti … ] [ … ]=war=aš ariyašešna[z … ] [ … a]rkuwā-[ … ]

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CTH 378.4 „Viertes“ Pestgebet Muršilis II.

397

74 75 76 77 78

Wenn [ … ]. [ … ] drinnen [ … ]. Und ihn[en … ]/eu[ch … ]. Und sich [ … ]. [ … ].

79 80 81 82 83

[ … ]. [ … ] Land [ … ]. [ … ] Truppen [ … ]. [ … ] ihr [ … ]. [ … ].

84 85 86

(Ihr) Götter, [meine] Herr[en], was das betrifft, dass [ … ]: Wenn [ich früher … ], [habe ich] den Götter[n … ].

87

90

Oder ich habe si[e] de[n Göttern], mei[nen Herren,] aber mittels des Landes oder mittels der Fuß- (und) Wagentruppen wiederhergestellt. Wenn ich die Götter (nun) wie[der] in Ordnung b[ri]nge, was das betrifft, dass mir jetzt aber Haus, Land, Fuß- (und) Wagentruppen s[t]erben: Wodurch soll ich euch, (ihr) Götter, wieder in Ordnung bringen?

91 92

ZERSTÖRT ZERSTÖRT

93 94 95

Was das betrifft, dass er/es stirbt: Wodurch werde ich ZERSTÖRT ZERSTÖRT wieder in Ordnung bringen? Aus diesem (Grunde) ZERSTÖRT nehmt, (ihr) Götter, mir (gegenüber) eine gütige Gesinnung an! Und wendet euch mir zu! Schickt die Seuche aus dem [Land]e wieder fort! In den Städten, in denen gestorben wird, soll es gut werden! In die Städte, in denen es g[ut geworden ist], soll die Seuche nicht wieder komm[en]! [Und] auch zu [m]ir in (meinem) Sinn [ … ] wieder folgendermaßen: [„ … ] jene (schlimme) Angelegenheit der Gottheit (ist) wa[hr]. [ … ] mein Vater [durch] eine Orakelanfrage [ … ]. [ … ]. Erfuhr ic[h] sie aber nicht [ … ]? Das Land Ḫat[ti … ]. [ … ] sie [durch] eine Orakelanfrage [ … ].“ [ … F]all darleg-[ … ].

88 89

96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109

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398

Anhang

110 111 112 113 114 115 116 117 118

[…] […] […] […] […] […] […] […] […]

119 120 121 122 123

DINGIRmeš EN[meš … ] [ … ] edi [ … ] [ … ] ḫanda-[ … ] [ … ] KUR uru [a]z[z]i-[ … uru ]ḫatti [ … ] [ … ]-kan [ … ] NAM [ … ]

CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia – Text 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

nu [ … ] ŠA DINGIR-L[IM … ] kinuna=tta [ … ] 1 gu4 ÁB.NIGA 1 UDU.„SÍG+MUNUS“ [NIGA … ] n=at ANA PANI DINGIR-[LIM … ] apūn kartimmiya[ttan … ] nu ŠA DUMU.MUNUS.GAL kartimmiya[ttan … ] nu=z(a) zik DINGIR-LUM apel ŠA [gu4 ÁB.NIGA … ] uzu Ì ēt nu=z(a) išpāi ēšḫar=ma [ … ] [ … ni]k

12

nu mān DINGIR-LIM EN=YA ammel kwitki Š[A DUMU.MUNUS.GAL] ḪUL-lu šanḫeškeši nu=tta kāšma ammel tarpašš[an] unuwandan uppaḫḫun n=aš=kan ammuk kattan SIG5 -anz(a) parkwiš=aš apāš mišriwanz(a) apāš ḫarkiš=aš apāš n=aš=kan ḫūmandaz ašanuwanz(a) nu=kan DINGIR-LIM EN=YA apūn menaḫḫanda uški

13 14 15 16 17 18 19

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CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia

110 111 112 113 114 115 116 117 118

[ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ].

119 120 121 122 123

(Ihr) Götter, Herr[en, … ]. [ … ] da [ … ]. [ … ]. [ … ] das Land [A]z[z]i-[ … ] Ḫatti [ … ]. [ … ].

399

CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Und [ … ]. Der Gotthei[t (Gen.) … ]. Jetzt aber dir/dich [ … ]. Eine fette Kuh, ein [fettes] weibliches Schaf [ … ]. Sie [ … ] vor der Gott[heit … ]. Jenen Zor[n … ]. Den Zor[n] auf die ‚Große Tochter‘ [ … ]. Iss du, Gottheit, von jener [Kuh (und) jenem Schaf ] das Fett! Und iss dich satt! Das Blut aber [trinke] [und stille deinen D]urst!

12

Für den Fall, dass du, Gottheit, meine Herrin, irgendetwas Böses gegen mich, d[ie ‚Große Tochter‘], (ver)suchst, habe ich zu dir dort mein Substit[ut] (in) geschmückt(em Zustand) geschickt: Es (ist) besser als ich. Es (ist) rein, jenes! Es (ist) glänzend, jenes! Es (ist) weiß, jenes! In jeder Hinsicht (ist) es (gut) ausgestattet. Gottheit, meine Herrin, sieh jenem entgegen!

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400

Anhang

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nu PANI DINGIR-LIM EN=YA kāš MUNUS-aš weḫattaru ANA DUMU.MUNUS.GAL=ma=kan anda aššuli namma nešḫut n=an kēz GIG-z(a) TI-nut nu=šši eni GIG awan arḫa namma tittanut n=aš ḫaddulešdu namma nu wezzi DUMU.MUNUS.GAL zilatiya tuk DINGIR-LAM walliškezzi ŠUM-ann=a tuēl=pat ŠA DINGIR-LAM memiškezzi

27

INA uru šamūḫa kuwapi tuk d lelwanin f kaššuliyawiaš tuēl GÉME-TUM Ù-az aušta nu tuk ANA DINGIR-LIM apēdaš UDKAM.ḪI.A -aš [f ]kaššulawiaš tuēl GÉME-TUM SÍSKUR UL kwitki pešta [k]inuna kāša f kaššuliyawiaš tuēl GÉME-TUM ištarkiat [n]=an GIG-anz(a) tamaštat namma=šši apāt uttar [n]akkiyaḫtat nu DINGIRmeš -az ariyaer n=at DINGIRmeš -azz=iya [ḫandae]ttat kinuna kāša tuk ANA DINGIR-LIM f kaššulawiaš [ … ] ANA [G]IG šer apēl tarpalliuš [… UD]U.„SÍG+MUNUS“ NIGA=ya IŠTU túg NÍG.LÁMmeš waššanduš […] [ … SA]G.DU-i kwiēš ḫandanteš [ … w]arnuwa[nz]i uppešta

28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

[ … DINGIR-LU ]M f kaššulawiaš tuēl GÉME-TUM [ … UDU.„SÍ]G+MUNUS“ U[Z6 … ]-ašta

38

[ … ] UDU.„SÍG+MUNUS“ [ … L]ÀL=ya ambaššiti [ … ]

39 40

[ … ]-aš kēdaš [ … ] katta [ … ] [ … ap]ūn [ … kartimmiya]ddan kāš [gu4 ÁB.NIG]A UDU.„SÍG+MUNUS“ NIGA [ … d]andu nu=z(a) zik d lel[wa]niš [ … ŠA gu4 ÁB.NIGA] U ŠA UDU.NIGA UZ6 =ya uzu Ì ēt [ … ] apāt eku nu=z(a) ning(a) uzu Ì [ … ] ŠA gu4 ÁB.NIGA kēl ŠA UDU.„SÍG+MUNUS“ UZ6 =ya [ … ] kāša tuēl ANA DINGIR-LIM [f kaššulaw]iaš tuēl GÉME-TUM kūn MUNUSan [ … ] IŠTU túg NÍG.LÁMmeš waššiyat nu=z(a) apēl [tarpal]lin uppešta nu mān DINGIR-LIM kwitki kappuwet nu=tta kāš MUNUS-TUM pedi artaru DINGIR-LIM=ma=kan EN=YA irman ANA f kaššuliyawiya EGIR-an arḫa namma kar(a)š

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CTH 380.1 Gebet für die Genesung von Gaššuliyawia

401

20 21 22 23 24 25 26

Vor (dir,) der Gottheit, meiner Herrin, soll sich diese Frau drehen! Der ‚Großen Tochter‘ aber wende dich wieder zum Wohle zu! Aus dieser Krankheit lass sie zum Leben erstehen! Jene Krankheit entferne wieder von ihr! Gesund werden soll sie wieder! Und später, in Zukunft, wird die ‚Große Tochter‘ dich, die Gottheit, rühmen und deinen, der Gottheit, Namen wird sie nennen.

27

Als damals in Šamuḫa Gaššuliyawia, deine Dienerin, dich, Lelwani, im Traum sah, gab Gaššuliyawia, deine Dienerin, dir, der Gottheit, in jenen Tagen kein Opfer.

28 29 30 31 32 33 34 35 36

[J]etzt aber ist Gaššuliyawia hier, deine Dienerin, krank geworden [u]nd die Krankheit hat sie bedrängt. Ferner [f]iel ihr jene Angelegenheit aufs Gewissen. Man ermittelte (durch ein Orakel) von den Göttern. Und das wurde auch durch die Götter [festgest]ellt. Jetzt aber [ … ] Gaššuliyawia hier[, deine Dienerin,] dir, der Gottheit, wegen der [Kr]ankheit ihre Substitute: [eine fette Kuh] und [ein fett]es [weibliches Schaf ], gekleidet mit kostbaren Gewändern. Welche für [ … ihre Pers]on festgelegt (sind), schickte sie [ … zum V]erbrennen.

37

[ … , Gotthei]t, [ … ]-te Gaššuliyawia, deine Dienerin, [ein weibliches Schaf], eine Z[iege … ].

38

[ … ] weibliches Schaf [ … ] und [Ho]nig für das ambašši-Ritual [ … ].

39 40

[ … ] diesen (Dat./Lok. Pl.) [ … ] unten/hinab/dabei [ … ]. [Je]nen [ … Zor]n sollen diese [fette Ku]h (und) das fette weibliche Schaf [und die Ziege … ne]hmen! Du, Lel[wa]ni, iss [ … von der fetten Ziege] und vom fetten weiblichen Schaf und (von) der Ziege das Fett! Jenes [Blut] trinke und stille deinen Durst! Das Fett [ … dieser] fetten Kuh, dieses weiblichen Schafes und der Ziege. [ … schickte Gaššuliyaw]iya hier, deine Dienerin, diese Frau zu deiner Götterstatue. Mit kostbaren Gewändern kleidete sie (sie) und sie schickte für sich als ihr [Subst]itut. Wenn du, Gottheit, dich (je) um irgendetwas gekümmert hast, (dann) soll dir diese Frau an (ihrer) Stelle stehen! (Du) Gottheit, aber, meine Herrin, beseitige der Gaššuliyawia die Krankheit wieder!

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402

Anhang

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[a]rḫayan=ma=tta tuēl ANA DINGIR-LIM f kaššuliyawiaš tuel GÉME-TUM na[mm]a IŠTU gu4 ÁB.NIGA UDU.NIGA NINDA KAŠ.GEŠTIN=ya aššuli uppešta nu=z(a) DINGIR-LIM kē=ya SISKUR aššuli dā DINGIR-LIM=ma=kan ANA f kaššuliyawiya anda aššuli namma nāišḫut n=an edez GIG-z(a) TI-nut n=at=ši karšatti namma dāi n=aš ḫattulešdu namma wezzi f kaššuliyawiyaš zilatiya tuk DINGIR-LAM walliškezzi ŠUM-ann=[a] t[uēl=pat] ŠA DINGIR-LIM memiškezzi

CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung – Text 1

UMMA tabarna m NIR.GÁL LUGAL GAL LUGAL KUR uru ḫatti DUMU m muršīli LUGAL GAL LUGAL KUR uru ḫatti UR.SAG

2 3 4

mān UN-ši [mem]iaš kwiški nakkiyašzi nu=z(a) ANA DINGIRmeš arkuwar [D]Ù-zi šuḫḫi=kan šer d UTU-i menaḫḫanda 2 giš BANŠUR AD.KID [k]ariyanda dāi

5

1 giš BANŠUR ANA d UTU uru PÚ-na U DINGIRmeš LÚmeš [1 giš BA]NŠUR dāi nu=ššan 35 NINDA.GUR4 .RA tarnaš ŠA ZÌ.DA D[U]R5 [dug DÍLIM.G]AL SIG LÀL ŠÀ.BA Ì.DÙG.GA NINDA.Ì.E.DÉ.A dug ÚTUL šūwan me[m]al=ma dug DÍLIM.GAL šūwan 30 dug KUKUB GEŠTIN nu GIM-an kī S[I×SÁ-et] nu=kan LUGAL-uš šuḫḫi šarā pāizzi n=aš ANA d UTU [Š]AME [UŠK ]EN

6 7 8 9 10 11

nu kiššan memai d UTU ŠAME U d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA [MUNU]S.LUGAL GAŠAN=YA MUNUS.LUGAL Š[A KU]R uru ḫatti d 10 LUGAL ŠAME EN=YA d ḫepat MUNUS.LUGAL GAŠAN=YA d 10 [ur ]u. [gi ]š GIDRU-ti LUGAL ŠAME BE KUR uru.giš GIDRU-ti EN=YA d 10 uru ziplan[da] EN=YA ŠA d 10 āššiyanz(a) DUMU-aš EN KUR uru.giš GIDRU-ti d šeriuš gu4 ḫurri DINGIR LÚmeš DINGIR MUNUSmeš ḫūmanteš ḪUR.SAGmeš ÍDmeš ŠA KUR uru.giš GIDRUti ḫūmanteš ENmeš

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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403

[G]esondert aber schickte dir zu deiner Götterstatue Gaššuliyawia, deine Dienerin, mit der fetten Kuh (und) dem fetten Schaf fe[rn]er Brot und Bier zum Wohle. Nimm auch dieses Opfer für dich zum Wohle an! (Du,) Gottheit, aber wende dich der Gaššuliyawia wieder zum Wohle zu! Aus jener Krankheit lass sie zum Leben erstehen! Beseitige sie (die Krankheit) ihr wieder! Sie soll gesund werden! Dann wird später, in der Zukunft, Gaššuliyawia dich, die Gottheit, rühmen [und] d[einen], der Gottheit, Namen wird sie nennen.

CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Folgendermaßen (spricht) der Tabarna Muwatalli, der Großkönig, der König des Landes Ḫatti, der Sohn des Muršili, des Großkönigs, des Königs des Landes Ḫatti, Held: Wenn irgendeine [Angelege]nheit einen Menschen belastet, [ma]cht er den Göttern seine Falldarlegung. Auf dem Dach – in Richtung der Sonnengottheit – stellt er zwei Tische aus Rohrgeflecht [(zu)g]edeckt auf, einen Tisch stellt er für die Sonnengöttin von Arinna auf und für die männlichen Götter [einen Ti]sch. Darauf (befinden sich:) 35 Dickbrote aus einer Handvoll feu[ch]tem Mehl, eine flache Schale mit Honig, darin Feinöl, Fettbrot in einen Topf gefüllt, Grü[tz]e aber in eine Schüssel gefüllt, 30 Krüge mit Wein. Sobald er dies he[rgerichtet hat], geht der König auf das Dach hinauf. Er [vern]eigt sich vor dem Sonnengott des [Hi]mmels. Folgendermaßen spricht er: Sonnengott des Himmels und Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, [Kön]igin, meine Herrin, Königin de[s Lan]des Ḫatti, Wettergott, König des Himmels, mein Herr, Ḫebat, Königin, meine Herrin, Wettergott von [Ḫ]atti, König des Himmels, Herr des Landes Ḫatti, mein Herr, Wettergott von Ziplan[da], mein Herr, geliebter Sohn des Wettergottes, Herr des Landes Ḫatti, (göttlicher) Šeri und Ḫurri, alle männlichen Götter (und) weiblichen Götter, alle Berge (und) Flüsse des Landes Ḫatti, Herren,

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404 12 13

Anhang

DINGIRmeš ENmeš d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA U DINGIRmeš ḫūmanduš ŠA KUR uru KÙ.BABBAR-ti ENmeš lú SANGA=(a)z kwedaš ŠA KUR uru ḫatti=mu=kan EN-UTTA ḫūmandaz kwiēš memišten

16 17

kinuna=mu DINGIRmeš ammel ŠA lú SANGA=KUNU ARAD=KUNU memian arkuwar ištamašten ḫūdak=ma=z šumel=pat ŠA EN-LÍ DINGIRmeš ŠA Émeš DINGIR-LIM=KUNU ŠA ALAM=KUNU arkuwar iyami DINGIRmeš ŠA KUR uru.giš GIDRU-ti GIM-an iyanteš GIM-ann=a=at idalawaḫḫanteš

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

EGIR=ŠU=ma=z(a) ŠA ZI=YA AWATE meš arkuwar iyami nu=mu DINGIRmeš ENmeš GEŠTU-an parā ēpten nu=mu kē arkuwarri ḪI.A ištamašten nu=z(a) AWATE meš kwe ANA DINGIRmeš ENmeš arkuwar DÙ-mi nu kī AWATE meš DINGIRmeš ENmeš datten ištamaštini=at kwe=ma=mu AWATE meš UL ištamašteni ammuk=ma=z=at ANA DINGIRmeš arkuwar iyami=pat n=at=mu=kan UN-az KA×U-az šarā wezzi=pat n=at DINGIRmeš ENmeš ištamaššuwanzi parā tarništen

28

d

29

nu=mu kēdaš ANA AWATE meš arkuwar tiyauwaš ANA DINGIRmeš tarkummai nu=mu DINGIRmeš ENmeš kē AWATE meš arkuwar DINGIRmeš ENmeš nepišaš KI-ašš=a ištamaššandu

14 15

30 31

šeriš=ma EN=YA GU4 ŠA d 10 ŠA KUR uru KÙ.BABBAR-ti peran tianz(a)

d

UTU ŠAME d UTU uru PÚ-na d 10 uru PÚ-na d mizzullaš d ḫullaš zinduḫiyaš DINGIR LÚmeš DINGIR MUNUSmeš ḪUR.SAGmeš ÍDmeš ŠA uru arinna d 10 eḫellibi d 10 šuḫurribi d.munus

… (lange Liste von angesprochenen Göttern) 89 90 91 92 93 94

d

10 ŠA É f tawannanna d 10 ḫulaššaššiš DINGIR LÚmeš DINGIR MUNUSmeš ŠA LUGAL-RI U ŠA MUNUS.LUGAL-TI kwiēš daranteš kwiēš UL daranteš kwetaš ANA Émeš DINGIRmeš LUGAL MUNUS.LUGAL peran EGIR-pa iyantari kwetaš=at ANA Émeš DINGIRmeš peran EGIR-pa UL iyantari n=aš lú.meš SANGA šippanz(a)kanzi

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

405

12

(ihr) göttlichen Herren, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, und alle Götter von Ḫatti, (meine) Herren, für die ich Priester (bin),

13

die ihr mir die Herrschaft über das Land Ḫatti ganz zugesprochen habt.

14

16 17

Jetzt aber, (ihr) Götter, hört meine, eures Priesters (und) eures Dieners, Angelegenheit als Falldarlegung! Als erstes aber werde ich eure, der herrschaftlichen Götter, (Angelegenheit), (nämlich die) eurer Tempel (und) eurer Statuen, als meinen Fall darlegen: (darüber,) wie die Götter von Ḫatti gefeiert worden sind und auch (darüber), wie sie schlecht behandelt worden sind.

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

Dann aber werde ich (die) Worte meiner Seele als meinen Fall darlegen. Haltet mir, (ihr) Götter, (meine) Herren, (euer) Ohr hin! Hört diese meine Falldarlegungen an! Die Worte, die ich den Göttern, den Herren, als meine Falldarlegung mache, diese Worte, (ihr) Götter, (meine) Herren, nehmt an! Ihr werdet sie erhören. Meine Worte aber, die ihr nicht erhört, − ich mache sie aber trotzdem den Göttern zu meiner Falldarlegung und sie kommen aus meinem, eines Menschen, Mund − lasst es, (ihr) Götter, (meine) Herren, sie zu hören (scil. überhört sie)!

28

Šeri aber, mein Herr, das Rind des Wettergottes, Hochrangiger des Landes Ḫatti, übermittle in diesen Worten meine Falldarlegung (zum Zwecke) des Vortrags vor den Göttern. Die Götter, die Herren, sollen diese Worte als meine Falldarlegung hören, die Götter, die Herren des Himmels und der Erde!

15

29 30 31

Sonnengott des Himmels, Sonnengöttin von Arinna, Wettergott von Arinna, Mezzulla, Ḫulla, Zinduḫiya, männliche Götter (und) weibliche Götter, Berge (und) Flüsse von Arinna, Wettergott der Rettung (und) Wettergott des Lebens. … (lange Liste von angesprochenen Göttern)

89 90 91 92 93 94

Wettergott des Hauses der Tawannanna, Wettergott ḫulaššašši, männliche Götter (und) weibliche Götter des Königs und der Königin. Die genannt (sind), (und) die nicht genannt (sind), welche Tempel der König (und) die Königin aufsuchen, (und) welche Tempel sie nicht aufsuchen, die beopfern die Priester (gerade),

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406

Anhang

95

DINGIR LÚmeš DINGIR MUNUSmeš [A]N-aš GE6 -iš ! KI-aš nepiš tekan alpuš IMḪI.A -uš tetḫimaš wantewantemaš tuliyaš pēdaš DINGIRmeš kwedani pedi tuliya tiškanzi

96 97 98 99

d

UTU ŠAME EN=YA ŠA DUMU.LÚ.U19 .LU lú SIPA-aš šarā=kan uwaši nepišaš d UTU-uš arunaz nu=ššan nepiši tiyaši d UTU ŠAME EN=YA ŠA DUMU.LÚ.U19 .LU-TI UR.GI7 -maš ŠAḪ-aš gimrašš=a ḫwitnaš DINAM UD-tili zik d UTU-uš ḫanneškeši

101

nu kāša ammuk m NIR.GÁL LUGAL-uš lú SANGA ŠA d UTU uru PÚ-na U DINGIRmeš ḫūmandaš nepišaš d UTU-i arkwiškemi nu nepišaš d UTU-uš EN=YA kēdani UDkam -ti DINGIRmeš arāi

102

nu DINGIRmeš kwiēš kēdani UD-ti kwedani arkuwēšni IŠTU EME=YA ḫalziḫḫun

103

n=aš nepišaš d UTU-uš nepišaz KI-az ḪUR.SAGmeš -az ÍDmeš -az IŠTU Émeš DINGIRmeš =ŠUNU giš GU.ZAmeš =ŠUNU ḫalzāi

104 105 106

EGIR=ŠU=ma LUGAL-uš kiššan memai d 10 piḫaššaššiš EN=YA DUMU.LÚ.U19 .LU-aš ešun ABU=YA=ma ANA d UTU uru PÚ-na U ANA DINGIRmeš ḫūmandaš ē[š]ta nu=mu=z(a) ABU=YA DÙ-at d 10 piḫaššaššiš=ma=mu annaz dāš nu=mu šallanut nu=mu ANA d UTU uru PÚ-na U ANA DINGIRmeš ḫūmandaš lú SANGA iyat ANA KUR uru ḫatti=ma=mu LUGAL-eznanni dāiš

100

107 108 109 110 111



113 114 115 116 117 118 119

[k]inuna ammuk m NIR.GÁL LUGAL-uš tuedaz [IŠ]TU d 10 piḫaššašši šallanuwanz(a) arkuwēškemi [nu I ]ŠTU EME=YA kwiēš DINGIRmeš ḫalziḫḫun nu ANA DINGIRmeš arkuwanun nu=mu=kan DINGIRmeš -aš uwayanut dapiaš ammel=ma ŠA m NIR.GÁL ARAD=KA A[W ]ATE meš ŠA EME=YA dā n=at=kan ANA PANI DINGIRmeš šunni nu=z(a) ANA DINGIRmeš kwe AWATE meš arkuwar iyami n=at=mu EGIR-pa lē waḫnuwanzi

120 121

MUŠEN-iš n=aš TI-zi

112

giš

taptappan EGIR-pa ēpzi

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SANGA

CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

407

95

(also) die männlichen Götter (und) weiblichen Götter des [Hi]mmels (und) der schwarzen Erde, Himmel (und) Erde, Wolken (und) Winde, Donner (und) Blitz, der Ort der Versammlung, der Ort, an welchem die Götter (gerade) zur Versammlung treten.

96 97 98 99

Sonnengott des Himmels, mein Herr, Hirte der Menschen, du kommst herauf aus dem Meer, Sonnengott des Himmels, und trittst in den Himmel (ein). Sonnengott des Himmels, mein Herr, die Rechtsangelegenheiten der Menschen, der Hunde, der Schweine und der Tiere des Feldes richtest du, Sonnengott, täglich.

100

Ich hier, Muwatalli, König, Priester der Sonnengöttin von Arinna und aller Götter, lege (gerade) (meinen) Fall (vor) dem Sonnengott des Himmels dar. Sonnengott des Himmels, mein Herr, halte an diesem Tag (scil. heute) die Götter an! Die Götter, die ich an diesem Tag zur Falldarlegung mit meiner Zunge angerufen habe,

101 102 103

Sonnengott des Himmels, rufe sie aus Himmel (und) Erde, aus den Bergen (und) aus den Flüssen, aus ihren Tempeln (und) von ihren Thronen!

104 105 106

Danach aber spricht der König folgendermaßen: Wettergott piḫaššašši, mein Herr, ich war (nur) ein Mensch, aber mein Vater w[a]r für die Sonnengöttin von Arinna und alle (anderen) Götter ein Priester. Mein Vater zeugte mich, aber der Wettergott piḫaššašši nahm mich von meiner Mutter und zog mich groß. Er hat mich zum Priester für die Sonnengöttin von Arinna und alle (anderen) Götter gemacht. Für das Land Ḫatti aber hat er mich in die Königsherrschaft (ein)gesetzt.

107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119

[J]etzt aber lege ich, Muwatalli, der König, der [vo]n dir, dem Wettergott piḫaššašši, großgezogen worden ist, (gerade) (meinen) Fall dar. [Und] die Götter, die ich [m]it meiner Zunge (an)gerufen habe, vor (eben) den Göttern habe ich den Fall dargelegt. Mache mich bemitleidenswert bei den Göttern, (und zwar) bei allen! Meine, des Muwatalli, deines Dieners, W[o]rte meiner Zunge aber nimm und fülle sie im Angesicht der Götter ein (scil. trage sie vor)! Welche Worte ich den Göttern als meine Falldarlegung mache, sie soll man mir nicht verdrehen!

120 121

Der Vogel nimmt Zuflucht im Nest, und er überlebt.

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408

Anhang

122 123 124 125 126 127

uk=ma=[z](a)=kan d 10 piḫaššaššin EN=YA EGIR-pa AṢBAT nu=mu TI-nut nu=z(a) ANA DINGIRmeš kwit arkuwar iyami nu=kan AWATE meš ANA DINGIRmeš anda šunni nu=mu ištamaššandu nu apiya=ya d 10 piḫaššaššin šarliškemi

128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139

nu ammel kuwapi AWATE meš DINGIRmeš ištamaššanzi nu=mu=kan kwiš idaluš memiaš ZI-ni anda n=an=mu DINGIRmeš EGIR-pa SIG5 -aḫḫanzi šarlanzi nu=z(a) kwēl walliyatar UL=z(a) ŠA d 10 piḫaššašši EN=YA walliyatar nu mān DINGIR-LAM našma DUMU.LÚ.U19 .LU-TI aušzi nu kiššan memai ḫandan=wa d 10 piḫaššaššiš EN=YA nepišaš LUGAL-uš UN-an kaništa nu=war=an kulānitta nu=war=an=kan aššanut nu=war=an=kan mēḫunaš arnut nu uwanzi zilatiya DUMU=YA DUMU.DUMU=YA LUGALmeš MUNUS.LUGALmeš ŠA uru ḫatti DUMUmeš .LUGAL BELU meš =ya ANA d 10 piḫaššašši EN=YA naḫšarriškewan tiyanzi nu kiššan memanzi ḫandan=wa aši DINGIR-LIM šarkuš UR.SAG-iš parā ḫandanz(a) DINGIR-LUM nu=tta DINGIRmeš ŠAME ḪUR.SAGmeš ÍDmeš waliyanzi

140 141 142

149 150 151

uga=kan ANA m NIR.GÁL ANA ARAD=KA ZI-anz(a) anda dušgai nu d 10 piḫaššaššin EN=YA šarlāmi Émeš DINGIRmeš =ya=tta kwe iyami šaklaušš=a=da kwiēš [DÙ]-mi nu=z(a)=kan d 10 piḫaššaššiš EN=YA parā duškatti nu NINDA.GUR4 .RA išpanduzzi=ya kwin ANA d 10 piḫaššašši EN=YA peškemi n=an=ši dušgarauwanz(a) piškellu pidduliyawanz(a)=ma=da lē peškemi nu=mu d 10 piḫaššaššiš EN=YA armuwalašḫaš iwar šer armūwalai

152

nepišaš=ma=mu d UTU-aš iwar šer wantāi

153 154 155 156

nu=mu ZAG-ni GEŠPÚ katta iyanni nu=mu=kan GU4 -i GIM-an ḫwittiyauwanzi ḫarpiyaḫḫut d 10-nili=ma=mu awan šarā iyanni nu ḫandan ūk kiššan memallu

143 144 145 146 147 148

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

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122 123 124 125 126 127

Ich aber habe Zuflucht bei dem Wettergott piḫaššašši genommen, lass mich überleben! Worüber ich den Göttern meine Falldarlegung mache, fülle die Worte in die Götter ein (d. h. trage sie vor)! Sie sollen mich erhören! Und auch dann werde ich den Wettergott piḫaššašši immer wieder erhöhen:

128 129 130 131 132 133 134 135

Wenn die Götter meine Worte hören, welche böse Angelegenheit in meinem Herzen (ist), werden die Götter mir wieder gut machen (und auf)heben. Wessen Ruhm bin ich (dann)? Werde nicht ich der Ruhm des Wettergottes piḫaššašši, meines Herrn, sein? Wenn ein Gott oder ein Mensch (hin)sieht, wird er folgendermaßen sprechen: „Wahrhaftig, du, Wettergott piḫaššašši, mein Herr, König des Himmels, erkanntest den Menschen an, du brachtest ihn erfolgreich auf (seinen) Weg, du versorgtest ihn, du brachtest ihn durch die Zeiten.“ Und so werden in Zukunft mein Sohn (und) mein Enkel, die Könige (und) Königinnen von Ḫatti, die Prinzen (und) Herren dem Wettergott piḫaššašši, meinem Herrn, Ehrfurcht entgegenbringen. Sie werden folgendermaßen sprechen: „Wahrhaftig, jener Gott (ist) ein erhabener Held, ein gerechter Gott!“ Die Götter des Himmels, die Berge (und) Flüsse werden dich rühmen!

136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

152

In mir aber, Muwatalli, deinem Diener, wird sich die Seele freuen. Ich werde den Wettergott piḫaššašši, meinen Herrn, erhöhen. Sowohl über die Tempel, die ich dir errichten werde, als auch über die Riten, die ich für dich [vollzie]hen werde, wirst du dich, Wettergott piḫaššašši, mein Herr, freuen. Das Dickbrot und das Libationsopfer, das ich dem Wettergott piḫaššašši, meinem Herrn, (jetzt) gebe, das will ich ihm freudig geben! Verängstigt aber will ich (es) dir nicht (mehr) geben! Wettergott piḫaššašši, mein Herr, scheine auf mich (von) oben (so mild) wie der Mondschein! Wärme mich aber (von) oben wie der Sonnengott des Himmels!

153 154 155 156

Schreite mit mir an der rechten Hand! Verbinde dich mit mir wie mit einem Rind zum Ziehen! Nach Art des Wettergottes aber schreite mit mir nach oben! Wahrhaftig, ich will folgendermaßen sprechen:

149 150 151

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410

Anhang

158 159

IŠTU d 10 piḫaššašši=wa=z(a) kanišša[nz(a) šall]anuwanz(a) mimmamešš=a nu=wa=kan [ … ]-ešta nu=kan GIM-an [ … ] ḫalz[i- … ]

160 161 162

[ … -z]i aššanuzzi [ … ] NINDA.GUR4 .RA ANA d UTU AN-I KI.MIN PAB [ … -š]iyazzi

163

[EGIR=Š]U=ma NINDA.GUR4 .RAḪI.A paršiya

164

3 NINDA.GUR4 .RA ŠA ZÌ.DA DUR5 tarnaš ANA d UTU uru PÚ-na

165 166 167 168

n=aš=kan ŠÀ-BI LÀL Ì.DÙG.GA šunniyazi n=aš=kan giš BANŠUR-i ŠA d UTU uru arinna dāi [EGI]R=ŠU=ma NINDA.Ì.E.DÉ.A memal ANA NINDA.GUR4 .RAḪI.A šer šuḫḫai 1 dug KUKUB GEŠTIN šipanti

157

… (Ritualbeschreibung) 204 205 206 207

GIM-an=ma NINDA.GUR4 .RAḪI.A paršiyauwanzi zinnai nu=kan kwe AWATE meš ANA d UTU-ŠI ŠÀ-ta n=at=z(a) ANA DINGIRmeš arkuwar DÙ-zi GIM-an=ma=kan arkuwar tiyauwar kar(a)ptari

208

nu EGIR=ŠU 3 N[INDA.KUR4 .R]A BABBAR ŠÀ.BA 1 SA5 ANA DINGIR LÚmeš KUR-eaš ḫūmandaš paršiya NINDA.Ì.E.DÉ.A memal išḫūwai LÀL Ì.DÙG.GA laḫūwai 1 dug KUKUB GEŠTIN BAL-ti

209 210 211

213 214 215

EGIR=ŠU=ma 3 NINDA.GUR4 .RA BABBAR ANA DINGIR MUNUSmeš KUR-eaš ḫūmandaš paršiya arkuwar=z(a) kwedaš dāiš NINDA.Ì.E.DÉ.A memal ANA NINDA.GUR4 .RAḪI.A šer šuḫḫai LÀL Ì.DÙG.GA laḫūwai

216

EGIR=ŠU=ma 2 NINDA.GUR4 .RA ANA ḪUR.SAGmeš ÍDmeš paršiya KI.MIN

217 218 219

EGIR=ŠU=ma 1 NINDA.GUR4 .RA kutrui d UTU-i paršiya NINDA.Ì.E.DÉ.A memal ANA NINDA.GUR4 .RAḪI.A šer šuḫḫai LÀL Ì.DÙG.GA peran laḫūwai

220 221 222 223

namma ŠA GIŠ-ṢI 2 GUNNI DÙ-anzi nu NINDA.GUR4 .RA kwe paršiy[a] n=aš arḫa PANI 2 giš BANŠUR-pat BIL-nuzi QATI

212

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CTH 381 Gebet Muwatallis II. an die Götterversammlung

157

411

158 159

„Vom Wettergott piḫaššašši (bin) ich anerka[nnt, groß]gezogen und geschätzt worden. Und er [ … ]-te.“ Wie [ … ] ruf-[ … ].

160 161 162

[ … ] versorgt [ … ]. [ … ] Dickbrot(e) dem Sonnengott des Himmels, ditto, ZERSTÖRT. [ … brich]t [er].

163

[Dana]ch aber bricht er die Dickbrote.

164

Drei Dickbrote aus einer Handvoll feuchtem Mehl für die Sonnengöttin von Arinna. Er füllt sie, (ihr) Inneres, mit Honig (und) Feinöl. Er stellt sie auf den Tisch der Sonnengöttin von Arinna. [Dan]ach aber schüttet er Fettbrot (und) Grütze auf die Dickbrote. Er libiert einen Krug Wein davor.

165 166 167 168

… (Ritualbeschreibung) 204 205 206 207

Sobald er aber abschließt, die Dickbrote zu brechen, welche Worte (da) der Majestät auf dem Herzen (liegen), die legt sie (vor) den Göttern als ihren Fall dar. Sobald aber der Vortrag der Falldarlegung beendet ist:

208

Danach bricht er drei weiße D[ickbrot]e, eines davon rot, für die männlichen Götter aller Länder. Er schüttet Fettbrot (und) Grütze hin, gießt Honig (und) Feinöl aus, libiert einen Krug mit Wein.

209 210 211 212 213 214 215

Danach aber bricht er drei weiße Dickbrote für die weiblichen Göttinnen aller Länder. Welchen er seinen Fall vorgelegt hat, schüttet er Fettbrot (und) Grütze auf die Dickbrote. Er gießt Honig (und) Feinöl aus.

216

Danach aber bricht er zwei Dickbrote für die Berge (und) Flüsse. Ditto.

217 218 219

Danach aber bricht er ein Dickbrot für den Zeugen, den Sonnengott. Ditto. Fettbrot (und) Grütze schüttet er auf die Dickbrote. Er gießt Honig (und) Feinöl davor.

220 221 222 223

Ferner stellt man zwei Herde aus Holz her. Die Dickbrote, die er brich[t], die verbrennt er ganz vor eben diesen beiden Holztischen. (Der Text ist) beendet.

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412

Anhang

CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni – Text 1

d

2 3 4 5 6

nu=šši ḫarātar waštull=a p[e]ran t[arnumeni] d ḫepat=ma MUNUS.LUGAL ŠAME ḫalziyawen nu ŠA d 10 TUKU.TUKU-an peran [l]ā[weni … ] nu ŠA d 10 TUKU.TUKU-an peran lāweni DINGIRmeš KUR.KURḪI.A ḪUR.SAGmeš ÍDmeš al[tanni- … ] d ḫuzzi d ḫutanni ḫalziyawen nu ŠA d 10 TUKU.TUKU-an peran l[āweni … ] nu ŠA d 10 TUKU.TUKU-an peran lāweni AN KI ḫalziyawen AN apiya k[wit … ] kinuna apāt=pat AN šer artari KI-aš=ma kwiš apiya kattan [ … ] AN-aš d UTU-uš apiya kwiš ANA AN-E šer artat kinun=aya apāš [ … ] n=aš ANA ŠA d 10 šāuwarri EGIR-pa lānni kutruwanni artar[i] [ … ] ḫalziyawen ŠA d 10 TUKU.TUKU-an peran lāweni

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

10 EN AN KI LUGAL DINGIRmeš ḫalziyawen

nu DINGIRmeš ANA DINGIRmeš [ … ] nu ZI DINGIR-LIM ANA DUMU.LÚ.U19 .LU ANA KUR-TI menaḫḫanda takšulāeddu nu=kan [ … ] kinuna takšulit IGIḪI.A -it anda au d UTU-ŠI=(š)maš m NIR.GÁL EN KUR.KURḪI.A kāša [ … maḫḫan] a[rkuwa]r i[yami] n=at d 10 EN=YA ištamašdu nu=z(a) KUR.KURḪI.A -aš waštul ḪI.A maḫḫan EGIR-pa lāmi [n=at=z](a) k[ī ] arkuwar iyam[i] n=at d 10 EN=YA ištamašdu mān=kan d 10 DINGIR-LUM KUR-TI kwiški TUKU.TUKU-nut kinuna d A.NUN.NA.KE4 d 10-an ANA DINGIR-LIM apēdan[i mena]ḫḫanda takšulāndu nu d 10 KUR-TAM anda takšulit IGIḪI.A -it namma au nu=kan ŠÀ KUR-TI āššu takšul aššu[l miy]atar iyatar :tarāwiy[aš kišaru]

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CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni

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CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Den Wettergott, den Herrn des Himmel (und) der Erde, den König der Götter, haben wir angerufen. V[o]r ihm [wollen wir] Anstoß und Frevel bek[ennen]. Ḫepat aber, die Königin des Himmels, haben wir angerufen. Vor (ihr) [wollen wir] den Zorn des Wettergottes lö[sen. … ]. Vor (ihm) wollen wir den Zorn des Wettergottes lösen. Die Götter der Länder, die Berge, die Flüsse, die Qu[ellen (und) Brunnen … ], Ḫuzzi (und) Ḫutanni haben wir angerufen. Vor (ihnen) [wollen wir] den Zorn des Wettergottes l[ösen. … ]. Vor (ihnen) wollen wir den Zorn des Wettergottes lösen. Himmel (und) Erde haben wir angerufen. Der Himmel, d[er] dort [ … ], [ … ]. Jetzt aber befindet sich eben jener Himmel oben. Die Erde aber, die dort unten [ … ], [ … ]. Der Sonnengott des Himmels, der dort oben im Himmel stand, auch jetzt [ … ] jener [ … ]. Er steh[t] in Zeugenschaft für das Lösen des Zorns des Wettergottes. Wir haben [den Sonnengott ? ] gerufen. Vor (ihnen, scil. Erde, Himmel und Sonnengott) wollen wir den Zorn des Wettergottes lösen. Die Götter den Göttern [ … ]. Der Sinn des Gottes soll (sich) mit dem Menschen (und) dem Land versöhnen! Und [ … ]. Jetzt aber schau mit versöhnlichen Augen darauf! [Wie] ich hier, meine Majestät, Muwatalli, Herr der Länder, für sie (scil. für die Länder) [ … ] eine F[alldarlegun]g m[ache], der Wettergott, mein Herr, soll es hören! Wie ich die Frevel der Länder wieder löse [und das] als diesen meinen Fall darleg[e], das soll der Wettergott, mein Herr, hören! Falls irgendein Gott des Landes den Wettergott erzürnt hat: Jetzt aber sollen die Anunnake(-Gottheiten) den Wettergott [mi]t jene[m] Gott versöhnen. Und (du), Wettergott, schau das Land wieder mit versöhnlichen Augen an! Im Land [sollen] (materielles) Gut, Friede, Güt[e, Wac]hstum, Fülle (und) tarāwiya- [entstehen].

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414

Anhang

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mān=ma=kan d 10 ḪUR.SAGmeš ÍDmeš altanni[š P]ÚḪI.A kwitki TUKU.TUKU-nu[er] kinuna DINGIRmeš d A.NUN.[NA.KE4 ] d 10 ANA ḪUR.SAGmeš ÍDmeš alt[a]nn[iaš PÚḪI.A ] menaḫḫanda takšulāndu nu=kan d 10 EN=YA KUR-TAM anda takš[ulit IGIḪI ].A -it namma au

34

[nu=kan] ŠÀ KUR-TI KI.MIN kišaru

35 36 37 38 39 40 41 42

mān DINGIR-LIM KUR-TI=ma kwiški ḪUL-aḫḫanz(a) nu d 10-ni arku-[ … ] [ … ] m NI[R.GÁL kwi]t ? arkuwar ēššaḫḫi NIŠ d 10 EN=YA ištamašdu KUR-e salli ēšta n=at tep[awešta] [ … ]-at d UTU-ŠI=ma DINGIRmeš kuwapi ANA KUR uru kummanni watarnaḫḫi

43 44 45 46 47

[ … ]-iša nu=kan [ … ] ANA ŠA DINGIRmeš šaklāi parā UL ari ēšzi=ma kwit UNmeš -tar nu atti=mi ḫu[ḫḫi=mi … ] ēšta n=a[t=kan IŠTU GIŠ.ḪU]RḪI.A :gulzattanazz[i=y]a kwit d UTU-ŠI kinu[n] wemiškemi n=at ēššaḫḫi nu=kan Š[A DINGIRME ]Š [kwit š]aklāyaš par[ā UL a]rnuan ḫarmi d 10=at EN=YA šakti kwitt=aya šallin lú ŠU.GI punuškemi nu=kan [1-an š]aklāin EGIR-and[a GIM-an š]ekkanzi n=at memanzi n=at ēššaḫḫi=pat kinuna=z(a) kwitman KUR-TAM ašešanuškemi nu=kan ANA DUMU.LÚ.[U19 .LU … ]-za ḫašatti A.ŠÀ A.GÀR=ma=kan GEŠTIN miyatar neyari nu kwitman KUR-TAM annalli EGIR-pa tiyazi DINGIRmeš KUR-TI-y[a ann]išan maḫḫan ēššer nu=šmaš pēdan QATAMMA EGIR-pa appanzi kwitman=ma KUR-e ašešanuškemi kwitman=at kuršāi Š[A DINGIRm ]eš =ma išḫiūl EGIR-anda kwit wemiškemi n=at ēššaḫḫi=pat nu=ššan parā nāeškettari

31 32

48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

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CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

415

Falls aber Berge, Flüsse, Brunn[en (oder) Qu]ellen den Wettergott irgendwie erzürnt [haben]: Jetzt aber sollen die Anun[nake]-Gottheiten den Wettergott mit den Bergen, Flüssen, Br[u]nn[en (und) Quellen] versöhnen. Und (du), Wettergott, mein Herr, schau das Land wieder [mit] versöhn[lichen Auge]n an! [Und] im Land soll desgleichen entstehen. Falls irgendeine Gottheit des Landes aber geschädigt (ist) und dem Wettergott den Fal[l dargelegt hat]: [ … worüb]er ich, Mu[watalli,] die Falldarlegung mache, der Wettergott, mein Herr, soll den Eid hören! Das Land war groß gewesen, und es ist klei[n geworden]. [ … ]. Wenn ich, meine Majestät, aber die Götter für das Land Kummanni benachrichtige, [ … ]. Und [was] nicht den Regeln der Götter entspricht, welche Bevölkerung aber (jetzt da) ist und [ … ] unter meinem Vater (und) [meinem] Gro[ßvater] war, was das betrifft, dass ich, meine Majestät, es jetz[t] auf [Holztaf]eln u[nd] Schreibtafeln finde, das führe ich aus. Und [was] ich [nicht] gemäß den [R]egeln [der Gött]er befördert habe, das weißt du, Wettergott, mein Herr. Auch was ich jeweils den großen greisen Mann frage, [wenn] sie dann [(auch nur) eine (weitere)] Regel kennen und sie sie nennen, führe ich sie wirklich aus. Während ich jetzt aber das Land besiedele, erzeugst du für den Mensch[en … ]. Feld, Flur (und) Wein(garten) aber sollen Wachstum hervorbringen, bis das Land wieder in den alten Zustand tritt. Auch die Götter des Landes, wie sie es [frü]her gemacht haben, ebenso werden sie ihren Platz wieder einnehmen, solange ich aber das Land besiedele, solange es … . Was ich aber danach als Vertrag d[er Gött]er finde, das führe ich wirklich aus, und es entwickelt sich (auch) weiterhin (so).

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416

Anhang

66 67 68

nu d 10 EN=YA ANA DINGIRmeš [m]emau nu=kan DINGIRmeš KUR-TAM anda takšulit IGIḪI.A -it uwandu nu=kan ŠÀ-BI KUR-TI āššu :tarāwian takšul aššul miy[atar]r=a iyandu

69

71

mān=ma=kan d 10=ma EN=YA ḪUR.SA[GME ]Š -uš ÍDmeš -uš altannuš PÚḪI.A pú šayattiš KUR-eaš TUKU.TUKU-nuan ḫarkanzi [ki]nuna DINGIRmeš d A.NUN.NA.KE4 d 10-an ANA ḪUR.SAGmeš ÍDmeš altanniaš PÚḪI.A menaḫḫanda takšulāndu nu=kan d 10 EN=YA KUR-e anda takšuli[t IGIḪ ]I.A -it namma au

72

nu=kan ŠÀ KUR-TI āššu takšul miyatarr=a kišaru

73

mān=ma ḪUR.SAG=ma kwiški našma šinapši šuppa AŠRU kwitki ḪUL-aḫḫan nu ANA d 10 arkuwaet kinuna=at k[āša] EGIR-pa SIG5 -aḫmi URUDIDLI.ḪI.A ašanduš kwiēš kwedaš ANA URUDIDLI.ḪI.A šinapši ēšzi n=at weḫanzi […] nu EGIR-pa šuppiyaḫḫūwar maḫḫan n=at QATAMMA EGIR-pa šuppiyaḫḫanzi mānn=a maršanuwan kwitki n=at šekkanzi maḫḫan n=at QATAMMA EGIR-pa šuppiya[ḫḫanzi] mān dannadduš=ma kwiēš URUDIDLI.ḪI.A šinapši kwedaš ANA URUDIDLI.ḪI.A ēšzi nu=šmaš=at [ … ] nu apūšš=a QATAMMA ēššuwan tianzi mān 1-EN URU-LUM=ma kwiški našma 1-EN É-TUM kwišk[i … ] ḪUL-aḫzi

70

74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93

n=at=kan DINGIR-LUM apēdani ANA 1-EN URU-LIM 1-EN É-TI anda šanḫi nu apat [ … ] ANA KUR-TI=ma=at=kan lē anda šan(a)ḫti nu=kan d 10 EN=YA KUR-e anda āššawīt IGIḪI.A -i[t … ]

94

mān giš GU.ZA d 10 na4 ZI.KIN kwiški katta laknut

95 96 97

našma=kan šuppa PÚ kwiški šaḫta n[u … ] n=at EGIR-pa SIG5 -aḫmi

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CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni

417

66 67 68

Der Wettergott, mein Herr, soll zu den Göttern [s]prechen! Und die Götter sollen mit versöhnlichen Augen das Land anschauen! Im Land sollen sie (materielles) Gut, tarāwia-, Frieden, Güte und Wach[stum] schaffen!

69

Falls aber die Ber[ge], Flüsse, Brunnen, Quellen (oder) Springquellen des Landes den Wettergott aber, meinen Herrn, erzürnt haben: Jetzt aber sollen die Anunnake-Gottheiten den Wettergott mit den Bergen, Flüssen, Brunnen (und) Quellen versöhnen! Und (du), Wettergott, mein Herr, schau das Land wieder mi[t] versöhnlichen [Aug]en an! Im Land sollen (materielles) Gut, Frieden und Wachstum entstehen!

70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

Falls aber irgendein Berg oder ein šinapši-Tempelraum, reine Orte, irgendwie zu Schaden gekommen (sind) und er dem Wettergott den Fall dargelegt hat: Jetzt aber mache ich h[ier] es wieder gut. Die Städte, die besiedelt (sind), die Städte (darunter), die einen šinapši-Tempelraum haben, das untersucht man. [ … ]. Wie das Wiederreinigen (ansteht), so machen sie sie wieder rein. Und wenn irgendetwas entheiligt (worden ist), (so) wie sie es kennen, so [machen] sie es wieder [r]ein. Wenn (es) aber irgendwelche leeren Städte (gibt), die Städte (darunter), die einen šinapši-Tempelraum haben, denen [wird] man es [ … ]. Und so wird man auch jene gleichermaßen behandeln. Falls igendeine einzelne Stadt aber oder (falls) irgendein einzelnes Haus [ … ] schädigt, räche (du), Gott, es an jener einzelnen Stadt (oder an jenem) einzelnen Haus! Und jenes [ … ]! Am (ganzen) Land aber räche es nicht! Und (du), Wettergott, mein Herr, [schau] das Land [wieder] mit gütigen Augen an! Falls irgendjemand einen Thron des Wettergottes (oder) einen Kultstein umgeworfen hat oder irgendjemand eine reine Quelle verstopft hat, [ … !] (Dann) werde ich es wieder gut machen.

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418

Anhang

98 99 100 101 102 103 104

UL=ma kwit wemiyami UL=at GIŠ.ḪUR gulzattanaz wem[iyami] [apā]t=mu šalliš lú ŠU.GI memai nu=mu DINGIR-LIM kūn memian tešḫit parkunut k[āša … ] EGIR-pa SIG5 -aḫḫeškemi nu AWAT DINGIR-LIM ēššaḫḫi nu=kan d 10 EN=YA [ … ]

105

[ … ] takšul aššul tar[ā]wi[y]aš miyatarr=a [ … ]

106 107 108 109

[ … ]-i ḫurtāi ēšḫanī išḫaḫruwi [ … ]-za kinuna kāša kēdani [ … ] [ … u ]ru ḫatti [ … ] […]

110 111 112

[ … ]=mu anda [ … ] [ … ]-wen nu [ … ]

113 114 115 116 117 118 119 120 121

mān DUMUmeš kurimmuš=ma kwiēš peškanzi [ … ] nu ANA d LUGAL-ma arkuwaet d LUGAL-maš=ma ANA d 10 [ … ] n=at [EG]IR-pa SIG5 -aḫḫanzi katta pānta=ma kwe [ēšzi … ] nu apiya=ya EGIR-pa SIG5 -aḫḫanzi mān=at ŠA lú MÁŠDA [ … ] n=at=kan d 10 EN=YA apēdani ANA É-TI anda šan(a)ḫ KUR-e=ma=at=kan anda lē [ … ]

122 123 124 125

mān=z(a) ḪUL-za=ma MUŠEN-az lú MUŠEN.DÙ-it ⟨⟨našma⟩⟩ ŠA GIDIM kwiški NINDA-an [ … ] kinun=ma kāša apūn MUŠEN yēr n=an arḫa lāer kē=ma [ … ] apūn ŠA GIDIM NINDA-an parkunuer

126 127 128 129 130 131 132 133

mān ŠA KUR uru kummanni āššauwa AWATE meš kī pešta našma=at=kan an-[ … ] našma ANA DINGIR-LIM uru arūšna ḫalzaiš kinun kāša apēdani memini ABI ŠA LU[GAL … ] šanḫ(a) arawannašš=aya SISKUR ŠA DINGIR-LIM uru arūšna BAL-anzi n=at [ … ] anzaš=ma=nnaš DUMU.LÚ.U19 .LU kwit nu šekkweni kwe INIMmeš

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CTH 382 Gebet Muwatallis II. an den Wettergott von Kummanni

98 99 100 101 102 103 104 105

419

Was ich aber (als Vertrag) nicht finde, (d. h.) ich finde es nicht auf den Schreibtafeln, [da]s wird mir der große greise Mann sagen. Gott, kläre mir diese Angelegenheit durch einen Traum! Ich hi[er] mache (gerade) [ … ] wieder gut. Das Wort des Gottes führe ich (gerade) aus. Und (du), Wettergott, mein Herr, [schau das Land wieder mit gütigen Augen an]! [Im Land sollen] (materielles) Gut, Frieden, Güte, tar[ā]wi[y]a- und Wachstum [entstehen]!

106 107 108 109

[ … ] in Fluch, Bluttat (und) Tränen (ist) ge[- … -]t. Jetzt aber hier in diesem [ … ]. [ … (St]adt) Ḫatti [ … ]. [ … ].

110 111 112

[ … ] in mir [ … ]. Wir [ … -]ten [ … ]. Und [ … ].

113 114 115 116 117 118 119 120 121

Falls irgendwelche (Leute) aber Waisenkinder geben, [ … ] und er dem Šarruma den Fall dargelegt hat, Šarruma aber dem Wettergott [den Fall dargelegt hat]: Sie werden es [wie]der gut machen. Was aber verloren (ist) [und … ], auch dann werden sie (es) wieder gut machen. Falls es [das Haus] eines Armen [ … ], (dann) räche (du), Wettergott, mein Herr, es an jenem Haus! Am (ganzen) Land aber [sollst du] es nicht [rächen]!

122 123 124 125

Falls aber irgendjemand durch einen bösen Vogel (oder) mit Hilfe eines Vogelschauers das Brot eines Toten [ … ]: Jetzt aber haben sie hier jenen Vogel behandelt. Sie haben ihn gelöst. Diese (hier) aber haben [ … ] jenes Brot des Toten gereinigt.

126 127 128 129 130 131 132 133

Falls er diese guten Worte des Landes Kummanni (weiter/hin)gegeben hat, sei es, dass er sie [ge- … -t hat], oder der Gottheit von Arušna zugerufen hat: Jetzt hier in jener Angelegenheit des Vaters des Köni[gs] räche [ … ]! Auch das arawanna-Opfer der Gottheit der Stadt Arušna werden sie libieren und [sie werden] es [ … ]. Weil wir aber (nur) Menschen (sind): Welche Worte wir wissen,

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420

Anhang

134 135 136 137 138 139 140 141

KA×U-az=na[š wet] UL kwe šekkweni KA×U=naš=kan kwe UL wet n=at ma-[ … ] n=at DINGIRmeš d A.NUN.NA.KE4 GE6 -i KI-pi šanḫandu n=at kūn UDkam -an [ … ] n=at lāttaru nu=kan d 10 EN=YA KUR uru kummanni ašawīt IGI[ḪI.A -it] auš-[ … ]

142 143 144 145 146 147 148 149

d

150 151 152 153

DUB-1kam ŠA d 10 arkuwar tiyauwaš ANA d UTU-ŠI=at=kan [ … p]a[r]ā aniyan QATI ŠU m lūrma lú AZU TUR GÁB.[ZU.ZU … ] DUMU m aki- d 10-up

10=naš aššuli annaš uzu UBUR maḫḫan šunnaziante[š … ] išpiyanteš=ma=nnaš ANA ME KAṢI maḫḫan nu d 10 EN=YA a-[ … ] n=at DUMU.L[Ú].U19 .LU išpiyanumar ēšdu ANA d 10=ma=at EN=YA wal[liyatar … ] nu=kan ŠÀ KUR-TI ANA d 10 NINDA.GUR4 .RA pankwēšzi GEŠTIN išpantuzzi-[ … ] nu d 10 EN=YA āššawēš UNmeš -uš [ … ]

CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Text 1 2 3 4 5 6 7

ANA d UTU uru arinna GAŠAN=YA GAŠAN KUR.KURḪI.A [u ]ru ḫatti MUNUS.LUGAL ŠAME U ERṢETI GAŠAN LUGALmeš MUNUS.LUGALmeš ŠA KUR uru ḫatti ŠA KUR uru ḫatti giš zupparu LUGALmeš MUNUS.LUGALmeš ŠA KUR uru ḫatti kwiš taparti kwin=kan d UTU uru arinna GAŠAN=YA LUGAL MUNUS.LUGAL ŠA KUR uru ḫatti anda autti n=aš tuetaz IŠTU ŠA d UTU uru PÚ-na ZAG-išzi šarā kwiš daškeši arḫa kwiš piššiškeši ANA DINGIRmeš =z(a) menaḫḫanda KUR.KURḪI.A uru ḫatti šarraz ŠA d 10 uru nerik d 10 uru zippalanda DUMU=KA nakkiyanni ḫandaš datta

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CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153

421

[die sind] un[s] aus dem Mund [gekommen]. Welche (Worte) wir nicht wissen, welche uns nicht aus dem Munde gekommen sind und welche [ … ], die sollen die Anunnake-Gottheiten in der dunklen Erde suchen! Es [ … ] während dieses Tages [ … ], und es soll gelöst werden! Und der Wettergott, mein Herr, [soll] das Land von Kummanni [wieder] mit gütigen Aug[en] anschauen! Wie der Wettergott uns zum Guten die Brüste der Mutter gefüllt [ … , … ]! Wie wir aber Gesättigte mit kaltem Wasser (sind), [ebenso sollst (du)] Wettergott, mein Herr, [ … ]! Und es soll eine Sättigung des Mensch[e]n sein! Für den Wettergott aber, meinen Herrn, soll es [eine Sache der Preisung sein]! Im Land wird für den Wettergott das Dickbrot reichlich werden. Wein [und] Gussopfer [ … ]. Und [du,] Wettergott, mein Herr, [wirst] die guten Menschen [ … ]. Die erste Tafel des Vortrags der Falldarlegung vor dem Wettergott, sie (ist) für die Majestät [ … vo]llst[än]dig fertiggestellt. Beendet. Hand des Lūrma, des jungen Opferschauers, Ausge[bildeter des … ], Sohn des Aki-Tešup.

CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung 1 2 3 4 5 6 7

An die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde, Herrin der Könige (und) Königinnen des Landes Ḫatti, Fackel des Landes Ḫatti. Wer als König (und) Königin des Landes Ḫatti herrscht, wen du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, als König (und) Königin von Ḫatti ansiehst, der wird durch dich, Sonnengöttin von Arinna, erfolgreich. (Du), die du aufnimmst, (du), die du verstößt, du nahmst dir in Gegenwart der (anderen) Götter die Länder von Ḫatti vom Anteil gemäß der Würde des Wettergottes von Nerik (und) des Wettergottes von Zippalanda, deines Sohnes.

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422

Anhang

8

m

ḫattušiliš ARAD=KA f pud[uḫ]epaš GÉME=KA arkuwar kiššan iyat

9 10

kwitman ABU=YA m muršiliš TI-anz(a) ēšta nu mān DINGIRmeš ENmeš =YA ABU=YA šalla[ka]rtaḫta kwēzka memiyanaz

11 12 13

ammuk=ma=z(a)=kan apēdani ANA INIM ABI=YA UL kwitki an[da] ešun nūwa=z(a) TUR-aš ešun mān=ma=kan [Š]À É LUGAL DINU ŠA f tawannanna GÉME=KUNU kiša[t]

14 15 16

ABU=YA GIM-an f tawannan[n]an MUNUS.LUGAL tepnut apāš=ma GÉME DINGIR-LIM kwit ēš[t]a [ … ANA Z]I DINGIR-LIM GAŠAN=YA and[a k]wiš šakta

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

[ … tepn]um[ar mān Z]I-anz(a) ēšta [ … ZI-anz](a) ēšta [ … ŠA f tawannann]a tepnumar [iyat] [ … ] UL kuwatka [ … ] ēšta [ … k]uwatka [ … ŠA f tawannann]a iyat kwiš [ … kiša]t [ … ] [n=a]t IŠTU SAG.DU=ŠU [ … ] [ … tapar]iya UL anda ešun [ … uru ar]inna GAŠAN=YA [ … EGIR-p]a [l]ē [ … ] [ … ḫwittiyauw]anzi [ … ]

29 30 31 32 33 34 35

[…] [ … ] nini[kta] [… ped]i pēt[ummanzi … ] [m]ān ZI-anz(a) [ … ] [ … Z]I-anz(a) ēšt[a] [ … ] kwiš anda šakta [ … ] tapariya DINGIRmeš -aš arn[ummaš … ] ešun

36 37 38 39 40 41 42

GEŠPU-aḫḫūwaš e[šun] EN=YA=aš=mu ēšta DINGIRmeš -aš=ma=[m]u arn[ummar] UL ZI-anz(a) ēšta apēdani [ … ] peran weriteššanz(a) ešu[n] KÙ.BABBAR=ya GUŠKIN ŠA DINGIRmeš ḫūmandaš d[ašket] nu kwēlla KÙ.BABBAR GUŠKIN kwedani ANA DINGIR-LIM pišket nu=z(a)=kan apēda[ni=ya] tapariya UL kwitki anda [ … ]

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CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

423

Ḫattušili, dein Diener, (und) Pud[uḫ]epa, deine Dienerin, haben folgendermaßen (ihre) Falldarlegung gemacht: Solange mein Vater Muršili am Leben war, falls (da) mein Vater die Götter, meine Herren, durch irgendeine Angelegenheit, durch Hochmut, gere[iz]t hat, war ich aber in jene Angelegenheit meines Vaters nicht involviert, ich war (ja) noch ein Kind. Als aber im [I]nneren des Palastes der Prozess der Tawannanna, eurer Dienerin, stattfan[d], wie mein Vater die Tawannan[n]a, die Königin, demütigte, was das betrifft, dass jene aber eine Dienerin der Gottheit w[a]r: [(Du bist es), d]ie du [in deinem,] der Gottheit, meiner Herrin, [Si]nn wusstest, [ob die Dem]üt[igung der Königin dein Wu]nsch war [(oder) ob es nicht dein Wu]nsch war. [Jener aber beging] die Demütigung [der Tawannann]a. [ … ] keineswegs. [ … ] war [ … ]. [ … ke]ineswegs. Und [auch] wer [jene Angelegenheit der Tawannann]a begangen hat, [auch jener i]st [schon Gott geworden … ] [und hat da]für mit seinem (eigenen) Kopf [Entschädigung geleistet … ]. [ … in den Befeh]l war ich nicht involviert. [ … Sonnengöttin von Ar]inna, meine Herrin, [ … n]icht w[ieder … ]! [ … hervorzuho]len [ … ] […] [ … ] ho[b … ] [ … um an einen (anderen) Or]t zu br[ingen … ] [O]b es (dein) Wunsch [war] [(oder) ob es aber nicht dein Wu]nsch wa[r], [Sonnengöttin von Arinna], (du bist es), die du [es in deinem Sinn] wusstest. [ … ] in den Befehl des Über[führens] der Götter war ich [in keiner Weise involviert]. Ich w[urde] gezwungen, (denn) er war mein Herr. Es war das Üb[erführen] der Götter aber nicht [m]ein Wunsch: Gegenüber jenem [Befehl] wa[r] ich ängstlich. Auch Silber (und) Gold aller Götter n[ahm er]. Und welcher Gottheit er Silber (und) Gold eines jeden gab, [auch] in jen[en] Befehl [war ich] in keiner Weise involviert.

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424 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60

Anhang

mān=ma=kan wet ŠÀ É LUGAL DINU ŠA f dan[uḫepa] ŠA munus AMA.DINGIRLIM=KA kišat f danuḫepan G[IM-an … ] QADU DUMUmeš =ŠU UNmeš -tarr=a ḫūman BELUmeš =[ya] EGIR-ezziušš=a UNmeš -tar kuwapi ḫarakt[a] ŠA f danuḫepa=ma ḫargaš ANA d UTU uru PÚ-n[a … ] mān ZI-anz(a) ēšta mān=ši=aš UL ZI-anz(a) ēšta nu=kan apadd=aya ANA ZI DINGIR-LIM GAŠAN=YA anda UL kwiški šakta ammuk=ma=z(a)=kan apēdani ŠA f danuḫepa DUMU=ŠU ḫargannaš memini anda UL ešun šer=ši imma ḫanneškenun genzu=ya=mu ēšta ammel=ma KA×U-aš memiyanit taparriyaz UL kwiški ḫar(a)kta apāt=ma ḪUL-lu uttar iyat kwiš nu=kan mān d UTU uru arinna GAŠAN=YA ANA INIM f danuḫepa šer TUKU.TUKU-išta kwitki nu apātt=aya uttar ŠA f danuḫepa iyat kwiš nu=z(a) apāšš=a DINGIR-LIM-iš karū kišat n=aš=kan KASKAL-az arḫa tiyat n=at IŠTU SAG.D[U=Š]U karū parā šarnikta nu d UTU uru arin[n]a GAŠAN=YA ŠA f danuḫepa uttar ammel UDḪI.A -aš ammuk ANA KUR uru ḫatti=ya menaḫḫanda EGIR-pa lē [ḫ]wittiat[tari]

61 62

apēniššuwan uttar ammuk m[en]aḫḫ[anda] ammel UDḪI.A -aš EGIR-pa ḫwittiyauwanz[i] UL arān ŠA f danuḫepa=ma uttar [kwiš] parā iyat karū apāš=pat šarnikt[a]

63 64

mān=ma=z(a) m NIR.GÁL-iš=ma ŠEŠ=YA DINGIR-LIM-i[š … ] ammuk[=m]a ŠA ŠEŠ=YA nakkianni ḫa[ndaš] UL manka iyanun

65 66 67 68 69

nu m urḫi- d 10-u[pan] DUMU ŠEŠ=YA daḫḫun n=an LUGAL-izna[nni] tittanunun ANA DINGIRmeš =maš mā[n] ZI-anz(a) ēšta mān=š(a)maš U [L … ] ammuk=ma=kan ŠA ŠEŠ=YA kariyaš[ḫi … ] apūn memian iyanun

70 71

nu DUMU ŠEŠ=Y [A … ] n=an LUGAL-iznanni tittan[unun]

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CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71

425

Als später aber im Palast der Prozess der Dan[uḫepa], deiner Gottesmutter, stattfand, w[ie] er Danuḫepa [demütigte], damals zusammen mit ihren Söhnen auch (ihr) ganzes Gefolge, [sowohl] die Herren als auch die Letzten, (eben ihr) Gefolge, zugrun[de ging]: Ob der Untergang der Danuḫepa aber für die Sonnengöttin von Arinn[a, meiner Herrin,] ein Wunsch war (oder) ob er nicht ihr Wunsch war, auch das wusste niemand über die Seele der Gottheit, meiner Herrin. Ich aber war in jene Angelegenheit des Untergangs des Sohnes der Danuḫepa nicht involviert. Über ihn urteilte ich tatsächlich und hatte eine gütige Gesinnung (dabei). Durch das Wort aus meinem Munde aber (und) auf (meinen) Befehl hin ging keiner zugrunde. Wer jene böse Angelegenheit aber beging, wenn die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, wegen der Angelegenheit der Danuḫepa irgendwie zornig wurde, wer (also) auch jene Angelegenheit der Danuḫepa beging, auch jener ist schon Gott geworden, er trat ab vom Weg, und er hat dafür bereits mit seine[m K]opf Entschädigung geleistet. Sonnengöttin von Arin[n]a, meine Herrin, hol[e] die Angelegenheit der Danuḫepa in meinen Tagen mir und dem Land Ḫatti gegenüber nicht wieder (hervor)! Eine solche Angelegenheit mir g[eg]en[über] in meinen Tagen wieder (hervor) zu hol[en], ist nicht recht. [Wer] die Angelegenheit der Danuḫepa aber begangen hat, eben jener hat (dafür) schon Entschädigung geleist[et]. Als Muwatalli aber, mein Bruder, Got[t wurde], tat ich [ab]er der Würde meines Bruders ent[sprechend] nicht irgendwie (scil. etwas Schlechtes): Ich nahm Urḫi-Teššo[b], den Sohn meines Bruders, und setzte ihn in die Königsherr[schaft] ein. O[b] (es) euch, den Göttern, ein Wunsch war (oder) ob (es) euch k[ein Wunsch war, … ]. Ich aber behandelte jene Angelegenheit [entsprechend] der Großzügigke[it] gegenüber meinem Bruder. Und [ich nahm] den Sohn [me]ines Bruders und set[zte] ihn in die Königsherrschaft ein.

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426

Anhang

72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

apāš=ma ŠA d UTU uru arinn[a … ] nu=šmaš=kan uzu GAB-i :paši[ḫāetta] nu attaš ḫuḫḫaš [ … ] nu apāt iyat n[u … ] nu=šmaš=kan NINDA.GUR4 .RA [ … ] nu Émeš DINGIRmeš :ma[r- … ] IŠTU KÙ.BABBAR=ma=[ … ] nu šummaš [ … ] apūn IN[IM … ] […]

83

[…]

84 85 86 87 88 89 90

ammuk=ma=z(a) m ḫattušili[š … ] nu=z(a) pedi kwedani ŠA d 10 uru n[erik … ] n=ašta ŠA d 10 uru nerik [ … ] tiyan ḫarkun anda=z(a)=kan GIM-[an … ] IKTAŠAD=mu [G]IM-an šakuwašš[a- … ] nu d UTU uru ari[n]na GAŠAN=YA [U ]L š[akti] kwit=ma [ … ]

91

mān=mu ŠE[Š=Y ]A m NIR.GÁL-iš uru ḫat[tušan] uru kātapan URU-an namma=[y]a tamāu[š … ] n=at=z(a) UL memaḫḫun KUR uru ner[ik] ḫūd[a]k=pat karuwiliyaš ANA LUGALmeš [ … ] ḫarkanz(a) ēšta nu KASKALmeš anda warḫwē[ššar … ] nu=kan uru nerikkaš URU-aš na4 akuš GIM-an [ … ] anda ēšta nu=kan ḫallūwaš :witaš katt[an … ] nu=kan uru nerikkan URU-an na4 akun GIM-a[n] ḫalluwaz witaz šarā udaḫḫu[n] [ … ] ANA d 10 uru nerik DUMU=KA ḫandaš šer d[aḫḫun]

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106

nu KUR uru nerik EGIR-[p]a ašešanunun uru n[erikkan URU-an] EGIR-pa wedaḫḫun nu=z(a) ANA KUR uru ner[ik … ] SAG.DU=YA ZI=YA uššaniškenun karū=ma kwiē[š LU]GALmeš ešer d IM kwe[dašš=a] giš TUKUL piyan ḫart[a] [nu=z](a) lú KÚRmeš taruḫḫišker KUR uru nerik=[ma EG]IR-pa UL kwiški [ … ] n=an UL kwiški wetet

107

mānn=a=mu m urḫi- d 10-upaš kwiš AŠŠUM EN-UTT [I … ]

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CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

427

72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Der aber [ … ] der Sonnengöttin von Arinn[a (Gen.) … ]. Er ri[eb] es euch auf die Brust. Vater (und) Großvater [ … ] Er tat jenes. U[nd … ]. Und [ … ] euch Dickbrot. Und Tempel [ … ]. Mit Silber aber [ … ]. Und euch [ … ]. Jene Ange[legenheit … ]. [ … ].

83

[ … ].

84 85 86 87 88 89 90

Ich aber, Ḫattušili[, dein Diener, … ]. An welchem Ort [ … ] des Wettergottes von N[erik … ], (dort) habe ich [ … ] des Wettergottes von Nerik hingestellt. Wi[e] sich dabei [ … ] (und) wie mich vollständ[ig … ] erreichte, w[eißt du], Sonnengöttin von Ari[n]na, meine Herrin, (es) [ni]cht? Was aber [ … ],

91

als mei[n Br]uder, Muwatalli, mir Ḫatt[uša,] die Stadt Katapa und ferner ander[e Städte gab], sagte ich nein dazu. Das Land Ner[ik] war plö[tz]lich [unter] den früheren Königen zugrunde gegangen. Auf den Wegen [gab es] Ges[trüpp]. Wie ein Stein [im Wasser] drinnen war die Stadt Nerik. Unt[en] in tiefen Wassern [war sie]. Die Stadt Nerik bracht[e ich] herauf wi[e] einen Stein aus den tiefen Wassern:

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106

Um des Wettergottes von Nerik, deines Sohnes, willen n[ahm ich die Stadt Nerik]. Das Land von Nerik besiedelte ich wied[e]r. D[ie Stadt Nerik] baute ich wieder auf. Für das Land von Ner[ik] setzte ich meinen Leib (und) mein Leben ein. Welche früher aber [Kö]nige waren [und] wel[chen] der Wettergott die Waffe gegeben ha[tte], die besiegten (zwar) stets die Feinde, das Land von Nerik [aber nahm] keiner (von ihnen) [wie]der [ein], keiner (von ihnen) baute es wieder (auf).

107

Auch als Urḫi-Teššob mir/mich wegen der Herrschaf[t … ]

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428 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122

Anhang

[n=aš]=mu ANA KUR uru nerik šer ḪUL-išt[a] ammell=a=mu=kan lú.meš aruš lú.meš TAPPI=YA=[ya] šarrišker ANA uru nerik=wa=kan [šer] anda ḫar(a)kti ammuk=ma ŠA EN=YA TUKU.TUKU-an ŠA lú.meš TAPPI=YA=ya kurku[rimm]an UL ištamaššun nu=z(a)=kan kī udd[ā]r tamaššun kī=ma=z(a)=kan DI-[ … ] tamaššun nu kišan memaḫḫun kwit=ma=wa uru nerikkan damēdani peḫḫi nu=wa ANA uru nerik šer aggallu=pat nu=z(a) ammuk DUMU AMILUTTI ešun nu=kan ŠA DUMU AMILUTTI NÍG.TUKU-ti anda UL dariyanun nu NÍG.TUKU-an UL šanḫ[u]n nu=kan tuel ŠA DINGIR-LIM ANA KUR-TI ŠA DUMU=KA šer [ … -u]n nu ammuk GIM-an DUMU AMILUTTI apāt iyan[un] nu ŠA d 10 uru nerik DUMU=KA āššiyan AŠR[U uru ]nerikkan URU-an ēppun

123

UTU uru PÚ-na=ma GAŠAN=YA KUR.KURḪI.A uru ḫatti d 10 uru GIDRU-ti EN=YA ANA UGU d 10 uru nerik DUMU=KA āššiyanti šer kūn memian iyatten

124

mān DINGIRmeš -aš peran kwiški attaš=maš annaš=maš waštaiš ēšzi

125 126 127

našma=(a)š mān karuwil[iaš … ] waštaiš n=an DINGIR-LIM GAŠAN=YA šan(a)[ḫti] nu DINGIR-LIM GAŠAN=YA apāt waštul ANA d 10 uru ner[ik DUMU=KA] āššianti šer arḫa peššiya n=at lē da[liyaši] ANA DINGIRmeš kariyašḫaš pētan daḫangaš nu=z(a)=kan d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA KUR.KURḪI.A uru ḫatti ANA daḫanga anda kariyašḫaš pedi :yašḫanduwanti ŠÀ-ta šāi nu mān ANA KUR uru ḫatti waštul ḪI.A ēšzi nu kweka d UTU uru arinna=ma=at GAŠAN=YA daḫangaš memini šer arḫa=pat peššiya mān UN-aš=pat atti anni DUMU-an šallanuzi

128 129 130 131 132 133 134 135 136 137

d

nu=šši attaš annaš ŠA munus ÙMMEDA UL imma pāi UL=ma=an=z(a)=an=kan duškiyazi ammukk=a=kan ANA ŠA d 10 uru n[erik] DUMU=KA āššiyantaš URU-ri anda dariyaḫḫun

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CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137

429

[und er] mir wegen des Landes von Nerik böse wurd[e], (da) trennten sich selbst meine Freunde [und] meine Gefährten von mir (und sagten): „[Wegen] Nerik wirst du dabei umkommen.“ Ich aber hörte nicht auf den Groll meines Herrn und nicht auf die A[ngs]t meiner Gefährten. Diese Wor[t]e (unter)drückte ich, jene Recht[sangelegenheit] aber (unter)drückte ich. Folgendermaßen sprach ich: „Warum soll ich Nerik einem anderen geben? (Eher) will ich wegen Nerik sterben!“ Ich war (bloß) ein Mensch. Ich mühte mich (aber) nicht um den Wohlstand eines Menschen. Ich such[t]e nicht Wohlstand. Wegen des Landes deines, der Gottheit, Sohnes [ … -t]e ich. Als ich, der Mensch, jenes durchführ[te] und ich des Wettergottes von Nerik, deines Sohnes, geliebten Or[t, die St]adt Nerik, einnahm, (da) bewirktet ihr aber, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, (Herrin) der Länder von Ḫatti, (und) Wettergott von Ḫatti, mein Herr, diese Sache zugunsten des Wettergottes von Nerik, deines geliebten Sohnes. Falls (also) vor den Göttern irgendein Vergehen meines Vaters (oder) meiner Mutter besteht oder falls es ein Vergehen eines der frühe[ren Könige] (ist), sollst (du,) Gottheit, meine Herrin, es [nicht] rä[chen]! Gottheit, meine Herrin, verwirf jenes Vergehen im Interesse des Wettergottes von Ner[ik, deines] geliebten [Sohnes]! La[ss] es nicht [bestehen]! Den Göttern (ist) das daḫanga ein Ort des Willfahrens. Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, schließe die Länder von Ḫatti in das daḫanga, in den vertrauenswürdigen Ort des Willfahrens, ins Innere ein! Falls für das Land Ḫatti Vergehen bestehen, und (es) irgendwelche (sind), sie aber, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, verwirf wegen der Angelegenheit des daḫanga! Wenn ein Mensch ein Kind für Vater (und) Mutter großzieht, geben ihm Vater (und) Mutter nicht (den Lohn) einer Amme? Und erfreuen sie ihn (scil. den Menschen) nicht? (So) bemühte auch ich mich um die Stadt des Wettergottes von N[erik], deines geliebten Sohnes.

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Anhang

nu=mu=kan d UTU uru PÚ-na [GAŠAN=YA] ŠA d 10 uru nerik DUMU=KA āšši[yantaš URU-ri šer] ZI=YA ZI DAM=YA=ya DUMUmeš =Y [A g]enzuwai nu ANA [ … ] [ap]āt ḪUL-lu a[rḫa … ] [AN ]A ZI=YA DAM=Y [A … ] [ … ] ḪUL-išz[i] [ … ] ŠA d UTU [ … ] [ … ] ŠA DUMU=K [A … ] [ … ] ki [ … ] […] [ … ]-ti za-[ … ] [ … ] menaḫḫanda [ … ] [ … ] ANA KUR uru GIDRU-ti [ … ] [ … m ḫa]ttušili ARAD=KA [ … ] [ … ] lē waḫnuši [ … ]-ra arḫa lē [ … ] [ … ] lē [ … ] [nu=tta]=kkan uru PÚ-naš [ … uru ḫattu]šaš DINGIRmeš -aš tuliyaš AŠRU [ … -r]i

155 156 157 158 159 160

[ … u]ttar [ … ] [ … n]akkī kwit [ … ] ANA DINGIRmeš peran apē waškuwana ešzi=pat kwitki nūwa nu=kan apēdani ḪUL-wi uddanī DINGIR-LIM-iš [k]wiški werianz(a) n=at EGIR-an artari nu d 10 kuwapi DINGIRmeš =ya tuliya tianzi

161

nu=kan mān apāt ḪUL-lu uttar tuliya kwiški anda memai

162

d

163

nu apāt ḪUL-lu uttar d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA DINGIRmeš =y[a AN ]A KUR uru ḫatti apez arḫa peš[šiya]tten nu=tta=kkan uru ḫattušaš DINGIR[ME ]Š -aš tuliya[š AŠ]RU uru arinnaš tuel āššianz(a) U[RU-aš] uru nerikkaš uru zippaland[a]š ŠA DUMU=KA URUDIDLI.ḪI.A uwandaru

164

UTU uru PÚ-na=ma=z(a)=kan d 10 uru ḫatti DINGIRmeš =ya ŠA d 10 uru neri[k] daḫangaš uttar ŠÀ-ta tarnandu

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CTH 383.1 Gebet Ḫattušilis III. und der Puduḫepa

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431

Sonnengöttin von Arinna, [meine Herrin, im Interesse der Stadt] des Wettergottes von Nerik, deines gel[iebten] Sohnes, behandle meine Person (und) die Personen meiner Gemahlin [und me]iner Kinder [g]nädig! Und dem [ … ]! [Je]nes Böse v[erwirf]! [Fü]r meine Person, meine Gemahlin [ … ]. [ … ] wird bös[e]. [ … ] der Sonnengöttin [ … ]. [ … ] dei[nes] Sohnes [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ] gegenüber [ … ]. [ … ] dem Land Ḫatti [ … ]. [ … ] Ḫattušili, dein Diener [ … ]. [ … ] wende nicht! [ … ] nicht fort! [ … ] nicht [ … ]! [Dir/dich … ] Arinna, [… (und) Ḫattu]ša, Ort der Versammlung der Götter […] [ … Ang]elegenheit [ … ]. [ … ] welches [G]ewichtige [ … ], [und falls ? ] vor den Göttern jene Vergehen irgendwie noch bestehen und [ir]gendeine Gottheit in jener bösen Angelegenheit gerufen worden (ist) und sie sich darum kümmert, sobald der Wettergott und die (anderen) Götter zur Versammlung (zusammen)treten, falls (da) irgendjemand über jene böse Angelegenheit in der Versammlung spricht, (so) sollen die Sonnengöttin von Arinna aber, der Wettergott von Ḫatti und (die anderen) Götter die Sache des daḫanga des Wettergottes von Neri[k] ins Herz lassen! Jene böse Angelegenheit, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, un[d] ihr (anderen) Götter, we[rf]t für Ḫatti aus jenem hinaus! Von dir sollen Ḫattuša, [O]rt der Versammlun[g] der Gött[er], Arinna, deine geliebte S[tadt] (sowie) Nerik (und) Zippaland[a], die Städte deines Sohnes, (an)gesehen werden!

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Anhang

CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Text 1

[A]NA d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA GAŠAN KUR.KURmeš uru ḫatti MUNUS.LUGAL ŠAME U ERṢETIM

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

d

UTU uru PÚ-na=z(a) GAŠAN=YA KUR-eaš ḫūmandaš MUNUS.LUGAL-aš nu=z(a)=kan INA KUR uru ḫatti d UTU uru PÚ-na ŠUM-an daišt[a] namma=ma=z(a) kwit KUR-e giš ERIN-aš iyat nu=z(a)=kan d ḫepat ŠUM-an daišta ammuk=ma=z(a) f puduḫepaš annalliš GÉME-[K ]A ŠA É.GU4 =du=z(a) AMAR-uš šamanaš=ma=ddu=z(a) [N]A4 -aš nu=mu GAŠAN=YA šarā datta nu=mu ANA m ḫattušili ARAD=KA kwedani arallāet nu=kan apāšš=a pula[z] ANA d 10 uru nerik DUMU=KA āššiyanti ḫaptat

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

nu=nnaš d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kwedani pedi tittanut n=at tuel aššiyantaš DUMU-aš ŠA d IM uru nerik AŠRU [ḫ]antezziuš=ma=at LUGALmeš maḫḫan [a]rḫa pittalāer n=at d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA [š]akti ḫantezziuš LUGALmeš kwiēš ešer d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kwedaš giš TUKULmeš SUM-an ḫarta [araḫzen]aš KUR.KURmeš lú KÚR taruḫḫišker [uru ne]rikkan=ma URU-an appanna UL kwi[šk]i [šan](a)ḫta ARAD=KA=ma kwiš m ḫattu[šiliš … ] [d UTU u ]ru PÚ-na GAŠAN=YA kwin kinun ša[nḫ(a)tti] [n=aš] UL LUGAL-uš ēšta DUMU.LUGAL-aš ē[šta] [uru ]nerikkaš=ši=kan URU-aš appanna ešta uru nerikkan=man UR[U-an … ] UL taruḫta nu=šši apēl Š[EŠ=ŠU t]amai KUR.KURḪI.A [p]ešket [ur ]u ḫattušann=a=ši šakuw[a- … ] [ … uru ]kātapann=a pešt[a … ] [d UT]U uru PÚ-na=at GAŠAN=YA [ … ] [ … ] d 10 uru n[e]r[ik … ] […]

32 33

[AN ]A KUR uru n[er]ik U ANA KUR uru [ḫakpiš ap]ēl SAG.DU-an apēll=a [ … ušš]anišket kwitman ANA LU[GAL … mena]ḫḫanda KASKAL-an iyat

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maḫḫan=ma=z(a) m mūwatalli[š ap]ē[l ŠEŠ=ŠU ] DINGIR-LIM-iš kišat

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CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna

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CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna – Übersetzung 1

[A]n die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde:

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, (bist) Königin über alle Länder. Du gab[st] dir im Land Ḫatti den Namen ‚Sonnengöttin von Arinna‘. Welches Land du ferner zum (Land) der Zeder machtest, (dort) gabst du dir den Namen ‚Ḫepat‘. Ich aber, Puduḫepa, (bin) [d]eine langjährige Dienerin, ein Kälbchen deines Rinderstalls bin ich, ein [S]tein aber deines Fundaments bin ich. Du, meine Herrin, nahmst mich auf. Und Ḫattušili, dein Diener, welchem du mich beigesellt hast, auch jener war du[rch] das Los dem Wettergott von Nerik, deinem geliebten Sohn, (als Priester) zugeteilt. An welchem Ort du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, uns einsetztest, das (ist) der Ort deines geliebten Sohnes, des Wettergottes von Nerik. Wie (sehr) die [f]rühen Könige ihn (scil. den Ort) aber [v]ernachlässigten, das [w]eißt du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin. Welche die frühen Könige waren, denen du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Waffen gegeben hattest, die pflegten die [benachbart]en Feindesländer zu besiegen. Die Stadt [Ne]rik aber [(ver)su]chte ni[ema]nd einzunehmen. Dein Diener aber, Ḫatt[ušili,] der [ … ], den du, [Sonnengöttin von] Arinna, meine Herrin, jetzt [(heim)suchst], [er] war (damals) nicht König: Er w[ar] (nur) Königssohn. Es war ihm (möglich), die Stadt Nerik zu einzunehmen. Wenn er nicht vermocht hätte, die Sta[dt] Nerik [einzunehmen], hätte ihm [sein] Brud[er a]ndere Länder gegeben: Sowohl Ḫattuša [ … er] ihm [ … ] als auch Katapa wollte er (ihm) ge[ben … ]. [Sonnengö]ttin von Arinna, meine Herrin, das [weißt du]. [ … ] der Wettergott von N[e]r[ik … ] […]

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

[Für da]s Land N[er]ik und das Land [Ḫakmiš se]tzte er [se]inen Leib und sein [Leben] ein, bis er [ge]gen den Kö[nig von Ägypten] den Feldzug unternahm.

34

Als aber Muwatalli, [se]i[n Bruder], Gott wurde,

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Anhang

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

m

51 52 53 54

[ … -y]a=nnaš parkunummeni [namma=šm]aš ANA DINGIRmeš QATAMMA peran EGIR-pa [uwaw]eni nu=nnaš šumel ŠA DINGIRmeš išḫiūl [ḫazz]iwi QATAMMA katta aūmmeni [URUDIDLI.ḪI ].A =ma=šmaš=kan DINGIRmeš kwit EGIR-pa ištappanteš [ḫarke]r

55

nu ANA DINGIRmeš annalliuš EZEN4 meš [MUkam IT]Ukam =ya ēššanzi

56 57

nu=šmaš=kan DINGIRmeš ENmeš =YA [ … l]ē namma ištappanteš k[witm]an=maš šumel ARAD=KUNU GÉME=KUNU per[a]n EGIR-pa uwaweni

58

nu=z(a) kī uttar ANA d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA GAŠAN KUR.KURmeš uru GIDRU-ti MUNUS.LUGAL ŠAME U ERṢETIM ammuk f puduḫepaš GÉME=KA arkuwar iyanun nu=mu d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kāri tiya nu=mu ištamaš ANA DUMU.NAM.LÚ.U19 .LU=pat=kan anda memian kišan memiškan[z]i ḫarnāuwaš=wa MUNUS-nī DINGIR-LUM kāri tiy[az]i ammukk=a=z(a) f puduḫepaš ḫarnāwaš MUNUS-z[(a)] ANA DUMU=KA šer SAG.DU-az piyan ḫarmi nu=mu d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA kāri tiya nu=tta [ … ] kwit n=at=mu pāi ANA m [ḫattušili AR]AD=KA TI-tar pāi [ … ] d MAḪmeš -az MUḪI.A UDḪI.A [ … piy]anteš [ … ]

59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

urḫi- d IM-upa[n DUMU-a]n Š[EŠ=ŠU d]atta n=an LUGAL-weznanni ti[ttanut] nu=kan m ḫattušilin ARAD=KA ANA uru nerikka maḫḫan and[a … ] n=at d UTU uru PÚ-na GAŠAN=YA šakti EN=ŠU=an parḫišket DUMUmeš .LUGAL=ya=an [ … w]erešker ANA uru nerikka=wa [ … ] [ … ša]kti apāš=ma apēl ḫarga[n ap]ēll=a ḫinkan UL kapp[uwāet] [nu A]NA uru nerikka šer aggatar ē[pta] [app]anna=wa uru nerikkan par[ā … ] [ … ]-n=an kwit kwit ḪUL-aḫ-[ … ] [ … tu]ḫḫušta=pat [ … uru n]eri[kk]a arḫa [ … ] [ … ] U [L daḫ]ušiy[aḫta] [ … DIN]GIRmeš -aš=z[(a)]

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CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna

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[n]ahm er Urḫi-Teššob, [den Soh]n [seines] Br[uders], und se[tzte] ihn in die Königsherrschaft [ein]. Wie [er] den Ḫattušili, deinen Diener, i[n] der/die Stadt Nerik [ … ], das weißt du, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin: Sein [H]err hetzte ihn. Auch die Königssöhne [r]iefen ihn [ … ]: „[Wegen] Nerik [wirst du noch umkommen]“, [das we]ißt [du, Gottheit, meine Herrin]. Jener aber kümm[erte] sich nicht um seinen To[d] noch [se]in Verderben. Er n[ahm] den Tod für Nerik (in Kauf): „[Ich gehe] vorwär[ts,] Nerik einzu[nehmen].“ Bezüglich wessen auch immer [ … ] ihn schlecht behandel-[ … ]. [ … en]dete. [ .. N]eri[k] weg [ … ]. [ … sch]wie[g] ni[cht … ]. [ … den Göt]tern si[ch … ].

51 52 53 54

[ … ] wir reinigen uns. [Ferner kümm]ern wir uns um [eu]ch, die Götter, ebenso. Wir behalten euren, der Götter, Vertrag (und) [Kultha]ndlung(en) im Auge. Was das betrifft, dass man [die Städte] aber euch, den Göttern, blockiert [hatt]e, man begeht für die Götter jeweils die alten Feste [des Jahres] und [des Mo]nats. Götter, meine Herren, eure [Städte] sollen [ni]cht mehr blockiert (sein), w[ähren]d wir aber, euer Diener (und) eure Dienerin, uns um euch kümmern!

55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

Diese Worte machte ich, Puduḫepa, deine Dienerin, als Falldarlegung für die Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der Länder von Ḫatti, Königin über Himmel und Erde. Gib mir nach, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin! Höre mich! Unter den Menschen haben sie folgendermaßen ein Sprichwort: „Der Frau des Gebärstuhls gi[b]t die Gottheit nach.“ Auch ich, Puduḫepa, habe mich (wie eine) Frau des Gebärstuhls für deinen Sohn mit meiner (ganzen) Person hingegeben. Gib mir nach, Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin! Was [ich] von dir [wünsche], das gib mir! Gib dem [Ḫattušili,] deinem [Die]ner, Leben! [Und von den Schicksalsgottheiten] (und) den Muttergottheiten [sollen ihm] lange Jahre (und) Tage, Rüstigkeit [gege]ben [sein]!

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Anhang

69 70 71 72

[ … ]-uwallaš DINGIR-LIM-iš [ … ḫ]arti DINGIRmeš -eš ḫūmante[š … tuliy]an ḫarkanz[i] [ … ] kwiški ḫalzāi [ŠA m ḫattušili=ma T]I-tar DINGIRmeš -aš ḫūmand[aš … p]edi wēk

73 74 75 76 77 78 79 80 81

wekuwar[=ta šakuwa]ššaraš ZI-aš ēšdu [ … ur ]u PÚ-na G[AŠAN=Y ]A kwit kaništa [ … ]-ta [ … ]-walatar ZAG-ašš=a=pat [ … ] [A]NA [ … ]-ešnaš ZI-ni naḫḫ[a- … ] [ … ŠA d UT]U uru PÚ-na GAŠAN=YA ZI-an GI[M-an … ]-mi n=at d UTU uru PÚ-na GAŠ[AN=YA ša]kti […] [n]u=z(a)=kan kēdani memin[i … ] [ … ] wekuwar EGIR-pa [ … ]

82 83 84 85 86 87

[ … ]-a munus É.GI4 .A [ … ] [ … udd]anī naḫḫ[a- … ] [ … ] d UTU uru PÚ-n[a … ] [ … a]rti [ … ] [ … ] ša [ … ] [ … -t]a [ … ]

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102

nu [ … ] ḫi-[ … ] d […] […] e-[ … ] d […] […] […] [d lili]waniš G[AŠAN]=YA AN [A … ] mematti pianz[i= … ] [ … -y]anaš=mu=kan ḫarpiya[ḫḫut] k[ū]n=z(a)=kan kwin memian UN-n[i … ] ištamaššun nu=mu peran :[ … ] ARAD=KA kwiš m ḫattušiliš [ … ] nu=šši=kan PANI m urḫi- d 10-up kwit U[N-naš] andan memier

103 104

maninkuwantaš=wa [ … ] nu mān m ḫattušiliš ARAD=K [A] šumaš DINGIRmeš -aš peran IŠTU ŠU AMILUTTI iyanz[(a)] našma=šši=kan DINGIRmeš UGU DINGIRmeš ŠAPLITI kwiški ḪUL-uwanni EGIR-an šarā tiyan ḫarzi

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CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna

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437

73 74 75 76 77 78 79 80 81

[ … als … ]-e Gottheit [ … h]ältst du. [Wenn] all[e] Götter [die Versammlu]ng (ab)halte[n] [und … ] irgendeiner ruft, erbitte [das Leb]en [des Ḫattušili aber am O]rt [der Versammlung] all[er] Götter! [Deine] Bitte soll (die) einer [aufricht]igen Gesinnung sein! Weil du [Sonnengöttin von A]rinna, me[ine Her]rin, [ … ] anerkanntest, [ … ] und der rechte [ … ], dem Willen des [ … ] fürcht[- … ]. W[ie] ich den Willen [der Sonnengött]in von Arinna, meiner Herrin, [ … ]-e, das weißt du, Sonnengöttin von Arinna, [meine] Her[rin]. [ … ]. Und in dieser Angelegenhei[t … ]. [ … ] die Bitte wieder [ … ].

82 83 84 85 86 87

[ … ] Braut [ … ]. [ … Angelegenh]eit fürcht[- … ]. [ … ] Sonnengöttin von Arinn[a … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ].

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105

Und [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [ … ]. [Lelw]ani, meine H[errin,] d[en Göttern] übermittelst du [Gutes]. Sie gebe[n … ]. Ste[h] mir [ … bei]! Di[ese]s Wort, welches ich bei den Mensche[n] hörte, vor mir [ … ]. Ḫattušili, welcher (als) dein Diener [ … ], was das betrifft, dass man über ihn unter Urḫi-Teššob bei den Me[nschen] sagte: „Eines kurzen [Lebens …“], falls Ḫattušili, de[in] Diener, vor euch, den Göttern, durch die Hand eines Menschen behandel[t] (worden ist), oder (falls) irgendeiner hinter ihm die Oberen Götter (oder) die Unteren Götter in böse Gesinnung versetzt hat,

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438 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120

Anhang

našma piyan kwiški ŠA m ḫattušili ḪUL-wanni še[r] ANA DINGIRmeš piyan ḫarzi nu=z(a) DINGIR-LUM [GAŠA]N=[Y ]A a[p]ē ḪUL-uwa AWATE meš lē [išt]amatti n[u=ka]n ANA m ḫattušili ARAD=K [A … ] parā lē tarnatti nu=nnaš DINGIRmeš ENm [eš DINI ] aršanattallaš Ḫ[UL- … ]-aš pe[r]an [l]ē neya[tteni] [ … ]=an DINGIR-LUM GAŠAN=Y [A] TI-nuši nu=kan ANA DINGIRmeš še[r … p]arrand[a] mematti nu kē ḪUL-u[wa … G]ÌRmeš -i[t] išparratti n=at ar[ḫa … -y]aši nu=kan tuk ANA d liliwan[i … ] ŠA m ḫattušili ARAD=KA U [ŠA f puduḫ]e[pa] GÉME=KA TI-[tar] PANI DINGIRmeš tueda[z K]A×U-a[z wedd]u nu ANA m ḫattušil[i ARAD=K ]A U ANA f puduḫepa GÉME=KA MUḪI.A ITUḪI.A UDḪI.A =ya [dalug]aēš pāi nu=kan mān d liliwa[ni]š GAŠAN=YA [ … pa]rranda aššu mematti AR[AD=K ]A m ḫattušilin TI-nuši MUḪI.A =ši ITUKAM.ḪI.A UDḪI.A dalugaēš pešti nu uwami ANA d liliwani GAŠAN=YA ALAM KÙ.BABBAR ŠA m ḫattušili m ḫattušiliš mašiwanz(a) SAG.DU=SÚ ŠUm [eš =Š]Ú GÌRmeš =ŠÚ ŠA GUŠKIN iyami arḫaya[n=m]a=kan kanganumi

121

d

zintuḫīš GAŠAN=YA ŠA d IM d UTU uru PÚ-na=ya āššiyanz(a) ḫaššaš

122

ANA d IM=z(a) U ANA d UTU uru PÚ-na uzu GABA-aš TUDITTUM

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nu=ddu=z(a) lammar lammar katta uškanzi

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[ … ] par[randa mematt]i […] [n]u=z(a) d zintuḫīš GAŠAN=YA [ … p]arā ḫandandatar [ … ]

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nu=kan d IM-ni tuel ḫuḫḫi [U ANA] d UTU uru PÚ-na tuel ḫanni [ŠA m ḫa]ttušili ARAD=KA TI-tar MUḪI.A GÍD.DA=ya [parā] arnut

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nu=šmaš=at=kan KA×U-az weddu

129 130

[ … m]ān d zintuḫ[īš GAŠ]AN=YA kē AWATE meš [išt]amašti n=at ANA d IM tuel ḫuḫḫi [U ] ANA d UTU uru PÚ-na tuel ḫanni parā arnuši

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oder irgendeiner fü[r] eine böse Gesinnung gegen Ḫattušili den Göttern eine Gabe gegeben hat, du, Gottheit, [me]ine [Herr]in, sollst je[n]e bösen Worte nicht [hö]ren! Du sollst dem Ḫattušili, dein[em] Diener, (gegenüber) [eine böse Gesinnung] nicht zulassen! Ihr, Götter, Herr[en des Rechtsstreits, sollt] euch [n]icht (gegen) uns den Neidern, den b[ösen …]-n, zuwend[en]! Du, Gottheit, mei[ne] Herrin, erhältst ihn am Leben. Fü[r] die Götter [ü]bermittelst du [Gutes]. Diese böse[n Worte] trittst du [mit den F]üßen nieder. Du [ … ]-st sie fo[rt]. Dir, Lelwan[i, meiner Herrin, soll] vor den Göttern das Leb[en] des Ḫattušili, deines Dieners, und der [Puduḫ]e[pa], deiner Dienerin, [aus] deine[m M]und [komm]en! Dem Ḫattušil[i, dein]em [Diener,] und der Puduḫepa, deiner Dienerin, gib [lang]e Jahre, Monate und Tage! Falls du, Lelwa[ni], meine Herrin, [den Göttern] Gutes übermittelst, und [dei]nen Die[ner], Ḫattušili, am Leben erhälst, und ihm lange Jahre, Monate (und) Tage gibst, werde ich später der Lelwani, meiner Herrin, eine silberne Statue des Ḫattušili – ebenso groß wie Ḫattušili –, seinen Kopf, [sei]ne Hän[de] (und) seine Füße aus Gold herstellen (lassen). Ich werde s[ie a]ber gesondert abwiegen lassen. Zintuḫi, meine Herrin, geliebte Enkelin des Wettergottes und der Sonnengöttin von Arinna, für den Wettergott und die Sonnengöttin von Arinna (bist) du die (Schmuck-)Nadel an der Brust. Stunde um Stunde geben sie auf dich acht. [Du üb]er[mittelst Gutes an die Götter]. […] Zintuḫi, meine Herrin, [zeige in dieser Angelegenheit dein] göttliches Walten! Zum Wettergott, deinem Großvater, [und zur] Sonnengöttin von Arinna, deiner Großmutter, [be]fördere (die Bitte um) das Leben und die langen Jahre [des Ḫa]ttušili, deines Dieners, [weit]er! Es soll aus ihrem Mund kommen! [F]alls du, Zintuḫ[i,] meine [Her]rin, diese [meine] Worte [hö]rst und sie weiter zum Wettergott, deinem Großvater, [und] zur Sonnengöttin von Arinna, deiner Großmutter, beförderst,

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Anhang

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[nu AN ]A d zintuḫī GAŠAN=YA [šal]lin unuwašḫan iyami

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[zik=z(a)] d mezzulla [GA]ŠAN=Y [A ANA] d IM-za [U ] ANA d UTU uru PÚ-na āššiyanz(a) DUMU.MUNUS-aš [ANA] d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA [kwi]t zik d mezzullaš GAŠAN=YA mematti [n=a]t ištamaššanzi=pat UL=at=kan waḫnuwanzi [ammu]kk=a=z(a) f puduḫepaš GÉME=KA kē kwe AWATE meš [ANA] d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA [ark]uwar iyanun

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n=at=mu d mezzullaš GAŠAN=YA [tarkum]māi n=at ANA d IM ABI=KA [U ] ANA d UTU uru P[Ú-n]a AMA=K [A p]arā arnut

139

[nu=mu=k]an uwāi[nut]

140

[nu m]ān d mezzu[llaš GAŠA]N=YA k[ē] AWAT [E me ]š [ANA d ]IM ABI=KA U [ANA] d UTU ur [u ]a[rinna] AMA=KA [parā a]rnuši

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uwā[inuši=y]a nu ANA d mezzulla GAŠAN=YA [ … I ]ŠTU NAM.RA ku-[ … ] peḫḫi

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[ … uru zip]palanda EN=YA [ … AN ]A d UTU uru PÚ-na āššiyanz(a) DUMU-aš [kwit ANA d IM AB]I=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA tarkumm[aiši] [ … ] ABU=KA d UTU uru PÚ-na AMA=KA tuel memi[an … w]aḫnuwanzi

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ištamaššanzi=ta nu=z(a) kūn kwi[n … ] ammuk f puduḫepaš GÉME=KA arkuwar i[yami]

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nu=mu zik d IM uru zippalanda EN=YA tarkummāi n=a[n=kan p]arā arnut DINGIR-LUM=mu EN=YA kēdani memini kari tiya ḫarnāwaš=z(a) kwit MUNUS-z(a) ANA DINGIR-LIM EN=YA šer S[AG.D]U-z(a) šarninkan ḫarmi nu=mu=kan DINGIR-LUM EN=YA ANA d [IM] ABI=KA U ANA d UTU uru PÚna AMA=KA uwāinut m ḫattušili[šš]=a ARAD=KA ANA ZI DINGIR-LIM šer dariyat nu=z(a) apē[l SA]G.DU-an ZI=ŠÚ=ya uššanišket

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CTH 384.1 Gebet der Puduḫepa an die Sonnengöttin von Arinna

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werde ich der Zintuḫi, meiner Herrin, ein [gro]ßes Schmuckstück herstellen (lassen).

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[Du,] Mezzulla, mei[ne Her]rin, (bist) [für den] Wettergott [und] die Sonnengöttin von Arinna die geliebte Tochter. [Wa]s du, Mezzulla, meine Herrin, [dem] Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, sagst, [d]as hören sie: Sie weisen es nicht (zurück). Auch diese Worte, die [ic]h, Puduḫepa, deine Dienerin, [dem] Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, als meine [Fall]darlegung gemacht habe, [übermit]tle sie für mich, Mezzulla, meine Herrin, und [b]efördere sie weiter zum Wettergott, deinem Vater, [und] zur Sonnengöttin von A[rinn]a, dei[ner] Mutter, [und mache mich] bemitleidenswert!

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[Und f]alls du, Mezzu[lla, meine Herrin], die[se] Wort[e dem] Wetter[gott], deinem Vater, und [der] Sonnengöttin von A[rinna], deiner Mutter, weiter beförderst [u]nd (mich) bemitle[idenswert machst], werde ich der Mezzulla, meiner Herrin, irgend-[ … ] zusammen mit Deportierten geben. [Du, Wettergott von Zip]palanda, mein Herr, [für den Wettergott und di]e Sonnengöttin von Arinna (bist) du der geliebte Sohn. [Was du dem Wettergott,] deinem [Vat]er, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, übermitt[elst], dein Wor[t w]eisen [der Wettergott,] dein Vater, (und) die Sonnengöttin, deine Mutter, [nicht (zurück)], (sondern) sie hören dich. Dieses [Wort, d]as ich, Puduḫepa, deine Dienerin, als meine Falldarlegung m[ache], das übermittle du, Wettergott von Zippalanda, mein Herr, für mich und befördere e[s w]eiter! Gott, mein Herr, gib mir in dieser Angelegenheit nach! Was das betrifft, dass ich (als) Frau des Gebärstuhls dem Gott, meinem Herrn, per[sön]lich (scil. für diese Angelegenheit) Entschädigung geleistet habe: Gott, mein Herr, mache mich beim [Wettergott], deinem Vater, und bei der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, bemitleidenswert! Auch Ḫattušili, dein Diener, bemühte sich um den Sinn der Gottheit: Er setzte sich, sein[en Ko]pf und sein Leben ein,

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Anhang

kwitman [ŠA DING]IR-LIM EN=YA uru nerikkan āššiyant[an UR]U-an EGIR-pa wetet nu=kan zikk=a DINGIR-LUM [EN=Y ]A ANA m ḫattušili ARAD=KA aššuli ḫa[r]p[iy]aḫḫut nu=z(a) kē kwe AWATE meš ANA d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA arkuwar ēššaḫḫi n=at=mu d 10 uru zippalanda EN=YA parā arnut

159

nu=mu mān kē AWATE meš d 10 uru zippalanda EN=YA ANA d IM ABI=KA U ANA d UTU uru PÚ-na AMA=KA parā arnuši

160

ANA m ḫattušili ARAD=KA ḪUL-uwaz [ … ]

161

[ … -y]a kuš ARITUM GUŠKIN ŠA 2 MA.NA iyami

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[ … iy]ami [ … ] uru puputanan=ma ANA DINGIR-LIM [ … ]-riwanta

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bis er Nerik, die gelieb[te Sta]dt [des Gott]es, meines Herren, wieder aufgebaut hatte. Auch du, Gott, [me]in [Herr], s[t]ehe dem Ḫattušili, deinem Diener, zum Wohle bei! Diese Worte, die ich dem Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, (gerade) als Falldarlegung mache, befördere sie für mich weiter, Wettergott von Zippalanda, mein Herr! Falls du diese Worte, Wettergott von Zippalanda, mein Herr, dem Wettergott, deinem Vater, und der Sonnengöttin von Arinna, deiner Mutter, weiter beförderst, dem Ḫattušili, deinem Diener, aus dem Bösen [ … ]. werde ich [ … ] einen Schild aus Gold mit zwei Minen (Gewicht) machen (lassen). [ … ] werde ich ma[chen (lassen)]. [ … ] die Stadt Puputana aber der Gottheit (Dat.) [ … ].

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SIGLEN CHD HW²

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