Das Gebet der Angeklagten im Alten Testament

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Vorwort
DAS GEBET DER ANGEKLAGTEN IM ALTEN TESTAMENT

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Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

W. Frankenberg: Die Datierung der Psalmen Salomos. 1896 . . Mark 3.20 Ch. Torrey: Composition and Historical Value of Ezra-Nehemia. '96. . 2.40 A. v. Gall: Altisraelitische Kultstätten. '98 . . . 5,— M. L o h r : Untersuchungen zum Buch Arnos. 1901 2.50 G. Diettrich: Eine jakobitische Einleitung in den Psalter. 'Ol . . . . 6.50 G. Diettrich: Isö'dadh's Stellung i. d. Auslegungsgesch. d. A. T., an s. Kommentaren zu Hosea, Joel, Jona, Sacharja usw. veranschaulicht. '02 . 7.50 7. E. Baumann: Der Aufbau der Amosreden. '03 2.40 8. G. Diettrich: Ein Apparatus criticus zur Pesitto z. Proph. Jesaia. '05. 10.— 9. E. Brederek: Konkordanz zum Targum Onkelos. '06 6.50 10. M. L o h r : Sozialismus und Individualismus im Alten Testament. '06 . . 1.— 11. J. Schliebitz: Isö'dadh's Kommentar z. Buche Hiob. Text u. üebersetzg. '07 4.— 12. M. Peisker: Die Beziehungen der Nichtisraeliten zu Jahve. '07 . . . 2.50 13. J. Müller: Beiträge zur Erklärung und Kritik des Buches Tobit. B. Smend: Alter und Herkunft des Achikar-Romans u. sein Verhältnis zu Aesop. '08 4.40 14. F. Lundgreen: Benutzung d. Pflanzenwelt in, d. alttestamentl. Religion. '08 5.— 15. Gr. Westphal: Jahwes Wohnstätten nach den Anschauungen d. Hebräer. '08 11.— 16. A. K r o p a t : Die Syntax des Autors der Chronik, verglichen mit der seiner Qnellen. Ein Beitrag zur historischen Syntax des Hebräischen. '09 . 4.— 17. A. Merx: Der Messias oder Ta'eb der Samaritaner. '09 5.— 18. W. Brandt: Die jüdischen Baptismen oder das religiöse Waschen u. Baden im Judentum mit Einschluß des Judeuchristentums. '10 7.50 19. W. Brandt: Jüdische Reinheitslehre u. ihre Beschreibg. i. d. Evangelien. '10 2.70 20. J . Hänel: Die außermasoretischen Uebereinstimmungen zwischen der Septuaginta und der Peschittha in der Genesis '11 3.60 21. W. Frankenberg: Das Verständnis der Oden Salomos. '11 5.— 22. J . Meinhold: 1. Mose 14. Eine historisch-kritische Untersuchung. '11. 1.50 23. 0 . Holtzmann: Der Tosephtatraktat, Berakot. Text, Uebers. u. Erklg. '12. 7 — 24. 0 . E i ß f e l d t : Der Maschal im Alten Testament, '13 3.— 25. W. Naumanns Untersuchungen über den apokryphen Jeremiasbrief. '13 2.20 26. IV. Frankenberg: Der Organismus der semitischen Wortbildung. '13 6.50 27. Studien zur semitischen Philologie und Eeligionsgeschichte. J u l i u s W e l l h a u s e n zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsgg. v. K. M a r t i . '14 22.— 28. 0 . Klein: Syrisch-griechisches Wörterbuch zu den vier kanon. E w . '16 . 6.60 29. W. Coßmann: Die Entwicklung des Gericbtsgedankens bei den alttestamentlichen Propheten '15 7.— 30. X. Messel: Die Einheitlichkeit der jüdischen Eschatologie. '15 . . . . 6.50 31. W. Eichrodt,: Die Quellen der Genesis, von neuem untersucht. '16 . . 5.60 32. W. Baumgartner: Die Klagegedichte des Jeremias. '17 5.— 33. Abhandlungen zur semitischen Religionsgeschichte und Sprachwissenschaft. Pestschrift B a u d i s s i n zum 70. Geburtstage. '18 . 28.— 34. Beiträge zur alttestamentlichen Wissenschaft. K a r l B u d d e zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsgg. v. K. M a r t i . '20 10.— 35. N. Messel: Der Menschensohn in den Bilderreden des Henoch. '22 . . 2.80 36. H. J a h n o w : Das hebr. Leichenlied im Rahmen der Völkerdichtung. '23 . . 9.— 37. L. Köhler: Deuterojesaja (Jesaja 40—55) stilkritisch untersucht. '23 . 3.60 38. M. L o h r : Hexateuchproblem: 1. der Priesterkodex in der Genesis. '24 . —.80 39. G. Hölscher: Hesekiel, Der Dichter und das Buch. '24 10.— 40. E. L. Dietrich: Schub sch'but. Die endzeitliche Wiederherstellung bei den Propheten. '25 4.— 41. Vom Alten Testament. Festschrift K a r l M a r t i zum 70. Geburtstage. Hrsgg. von K. Budde. '25 16.— 42. J. Fischer: Zur Septuaginta-Vorlage im Pentateuch. '26 2.30 43. G. Kuhn: Erklärung des Buches Koheleth. '26 2.60 44. A. Allwohn: Die Ehe des Propheten Hosea in psychoanalytischer Beleuchtung. '26 4.— 45. M. L u r j e : Studien zur Geschichte der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im israelitisch-jüdischen Reiche. '27 3.40 46. N. Nicolsky: Spuren magischer Formeln in den Psalmen. '27 . . . . 5.50 47. N. Gineck: Das Wort hesed im alttestamentlichen Sprachgebrauche als menschliche und göttliche gemeinschaftsgemäße Verhaltungsweise. '27 4.—

Verlag von A l f r e d T ö p e l m a n n in G i e ß e n

DAS

GEBET DER ANGEKLAGTEN IM ALTEN TESTAMENT VON

HANS SCHMIDT D. THEOL., O. PROFESSOR AN DER HESSISCHEN LUDWIGS-UNIVERSITÄT IN GIESSEN

1928 VERLAG

VON A L F R E D T Ö P E L M A N N

IN

GIESSEN

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 49

Vorwort Diese Untersuchung ist entstanden zur Vorbereitung eines Vortrages, den ich in O x f o r d am 30. September dieses Jahres bei einem Meeting der S o c i e t y f o r O l d T e s t a m e n t S t u d y gehalten habe. Der Vortrag durfte wegen der kurzen für ihn verfügbaren Zeit nur 2000 "Wörter umfassen. In dieser Form ist er in dem Verhandlungsbericht der Oxforder Tagung (Old Testament Essays, papers read before the Society for Old Testament Study at its eighteenth meeting, held at Keble College, Oxford, London 1927, p. 143—156) erschienen. Das vorliegende Heft bietet die ursprüngliche, ungekürzte Niederschrift, erweitert und erläutert durch Anmerkungen. Grieß en, den 1. Dezember 1927.

D. Hans Schmidt.

Printed in Germany.

In dem großen, der deuteronomistischen Bearbeitung der Königsbücher angehörigen „Weihegebet" des Salomo spricht der König zu Jahwe ( I Reg 8, 30): „Höre auf das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel, so oft sie an diesem Orte beten. Und wenn du es hörst . . . so tue (was sie bitten) und sei gnädig." Im folgenden werden dann die Gebete, die Jahwe erfüllen soll, wenn sie im Tempel gesprochen werden, im einzelnen aufgezählt: V. 33—37 sprechen von den großen ö f f e n t l i c h e n B u ß g e b e t e n , zu denen sich das Volk in seiner Gesamtheit im Tempel einfindet, und nennen die besonderen Anlässe — die Plagen und Nöte —, bei denen solche Bußfeiern stattfinden 2. V. 31 und 32 aber stellen dem voran einen Anlaß, aus dem ein E i n z e l n e r zum Gebet in den Tempel kommt: „Wenn sich jemand gegen einen seiner Volksgenossen versündigt hat, und jener legt ihm einen Eid auf und läßt ihn schwören, und der nimmt vor deinem Altar in diesem Hause den E i d " auf sich, so höre du im Himmel und handle und richte deine Knechte, indem du den Schuldigen für schuldig erklärst und sein Tun 4 auf sein Haupt kommen läßt, den Gerechten aber für gerecht erklärst und ihm gibst entsprechend seiner Gerechtigkeit." Der Vorgang, von dem hier die Rede ist. wird in diesen Worten sehr anschaulich: E s handelt sich um einen Streit zwischen zwei Israeliten. Dem einen ist ein Unrecht widerfahren, und er gibt die Schuld daran einem andern. Dieser andere — das wird nicht ausgesprochen, ist aber die Voraussetzung des Ganzen — gesteht diese Schuld nicht ein. Nun legt ihm der Geschädigte auf, einen Eid (eine Selbstverwünschung) vor dem Altar Jahwes im Tempel auf sich zu nehmen. Es wird erwartet, daß Jahwe darauf einschreitet, daß er etwas — leider hören wir nicht, was — tun wird, woraus man deut1

Mit L X X (xai 7iotrtoci;) ist zu lesen ¡i'byi.

2

Vergleiche:

6 0 . Geburtstag.

HAKS SCHMIDT

L e i p z i g 1927.

Beihefte z. ZAW 49

„Hosea 6, 1—4'3

in der

n ^ a wie Neh 10, 20.

Festschrift 1

zu

ia-j;. 1

Sellins

2

Das Gericht im Tempel.

lieh erkennt, ob der Betreffende „schuldig", ein yen, oder ob er „ T i n schuldig", ein p'-s, ist W i r sehen also, daß der Tempel die Stätte eines G e r i c h t s v e r f a h r e n s , genauer, eines U n t e r s u c h u n g s v e r f a h r e n s ist Natürlich muß es sich dabei um eine A i t von G o t t e s g e r i c h t gehandelt haben: Jahwe ist es, der den Angeklagten als Frevler brandmarkt oder seine Unschuld an den Tag bringt Da der Vorgang am Anfang einer Aufzählung von G e b e t e n , die im Tempel gesprochen werden sollen, steht, muß auch bei ihm wohl ein Gebet gesprochen worden sein. Als Betenden kann man sich denken etwa den Priester, der die Eidesabgabe und das Gottesgericht vorbereitet und überwacht, oder den Kläger oder den Angeklagten. Genaueres ist hier nicht zu ersehen. Man wird annehmen dürfen, daß eine Anrufung der Gottheit aus diesem Anlaß recht häufig gewesen ist; wie könnte sie sonst in dieser Aufzählung voranstehen In der Tat hören wir nun auch sonst von einem Verfahren im Heiligtum, das man unternimmt, um in einer Strafsache zur Klarheit über Schuld oder Unschuld zu kommen: Deut 17, 8 heißt es: „Wenn dir ein Urteil (tSEttfn!? I3"i) zu schwierig erscheint in Sachen eines Mordes (cn^1 •"V?)> einer Eigentumsfrage CT"!'', V~T?) a> einer Mißhandlung (jniij y:: ya), wenn darüber in deinen Toren die Meinungen wider einander stehen (?jnytp'3 nb,"l dann mache dich auf, wandere hinauf zu dem Ort, den Jahwe, dein Gotty sich erwählt, und bringe es vor die levitischen Priester 8 und frage sie ;. sie werden dir dann das Urteil kundtun." Diese Verordnung wird getroffen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Laiengerichten [ü^pWi ü'üStp] in allen Orten Israels, einer Einrichtung, die mit der deuteronomischen Zentralisation des Kultus in Jerusalem innerlich zusammenhängt: Weil die Kultusstätten in den einzelnen Städten des Landes, außer in Jerusalem, aufgehoben werden, sieht sich der Gesetzgeber veranlaßt, auch für die Hechtspflege ringsum im Lande durch eine neue Verordnung zu sorgen. Man sieht schon daraus, daß die Verfolgung von Straftaten v o r h e r überall 1 Nachher Y. 38 werden noch andere Gebete Einzelner, die im Tempel gesprochen; werden, angeführt, aber nur beiläufig und summarisch. 2 Daß diese Worte so zu verstehen sind, ist nur aus dem Zusammenhang zu erschließen. Es muß etwas Konkretes, das zwischen Mord und Mißhandlung als ein drittes stehen kann, gemeint sein. 3 Die noch dabei stehenden Worte „und an den Richter, der zu jener Zeit seilt wird", sind wohl Zusatz. Sie scheinen mir die Eechte des Königs gegenüber den Priestern wahren zu trollen, vgl. S. 3 Anm. 1 und BKBTHOLET „Deuteronomium" S. 53 L

Das Gericht im Tempel.

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ihren Ort an den Heiligtümern gehabt hat, daß sie in den einzelnen Ortschaften von oder vor den Priestern geschehen ist. Nun es außer Jerusalem keine Heiligtümer und keine Priester mehr gibt, treten an ihre Stelle Laienrichter. Für «Jerusalem, den Ort des Zcntralheiligtums, konnte alles beim Alten bleiben. J a , die Bedeutung des Tempels als Gerichtsstätte mußte sich noch erhöhen. Der Tempel wurde nun zum Ort des Untersuchungsgerichtes für alle diejenigen Fälle, in denen die Laiengerichte die Schuldfrage nicht zu klären vermochten. Denn auch hier handelt es sich ja offenbar um das U n t e r s u c h u n g s v e r f a h r e n . Fragt man, wie die Priester zu dem Rechtsspruch, den sie zu fällen haben, gelangen, so wird man auch hier an ein Gottesgericht zu denken haben; denn die Fähigkeit, sonst unlösbare Dinge herauszubringen, wird ja als an der besonderen Heiligkeit des Ortes haftend angesehen. Daraus ergibt sich von selbst die überrationale Methode der Entscheidung 1 . Noch deutlicher spricht von dem uns vorschwebenden Sachverhalt E x o d u s 22, 6ff.: 6. „Wenn jemand einem andern Geld oder Sachen zur Aufbewahrung übergeben hat, und es wird (etwas davon) aus dem Hause des Betreffenden gestohlen — wenn dann der Dieb ermittelt wird, dann soll er das Doppelte als Ersatz leisten. 7. Wird der Dieb aber nicht ermittelt, d a n n s o l l d e r B e s i t z e r d e s H a u s e s v o r G o t t t r e t e n {damit man herausbringt) ob nicht etwa er seine Hand nach dem Besitz des andern ausgestreckt hat. 8. Bei jeder Art von Veruntreuung — mag es sich um ein Rind oder um einen Esel oder um ein Schaf oder um einen Mantel, kurz um irgendetwas abhanden Gekommenes handeln, wovon jener (der Geschädigte) sagt: ,das ist es!', da soll die Sache der beiden vor Gott kommen. U n d w e n n G o t t i h n (den A n g e 1 Nicht ganz zu klären ist die Frage, wie sich dieses priesterliche Untersuchungsverfahren mit der richterlichen Gewalt des Königs und seiner Beamten einerseits, dem Gericht der Ältesten anderseits hat vereinbaren lassen. In dieser Beziehung haben wohl schwankende, im Laufe der Geschichte wechselnde, auch wohl örtlich verschiedene Verhältnisse bestanden. Mehrfach zeigt sich das deutlich genug im T e x t : z. B. Deut 19, 16ff.: „Wenn ein auf Gewalttat bedachter Zeuge [Don-ip] gegen irgend jemanden auftritt, um ihn einer Gesetzesübertretung anzuklagen, so sollen sich die beiden Männer, die den Streit haben, stellen vor Jahwe, vor die Priester [vor die Richter, die in jenen Tagen sein werden, und die Richter sollen eine sorgfältige Untersuchung anstellen], und stellt sich heraus, daß jener Zeuge ein LUgenzeuge war, der Lüge gegen seinen Bruder ausgesagt hat, dann sollt ihr ihm tnn, wie er seinem Bruder zu tun gesonnen war." Die eingeklammerten Worte stoßen sich mit der Vorschrift, „vor Jahwe", (d. h.) „vor die Priester" zu gehen. Sie nehmen — so scheint es — das Untersuchungsverfahren für eine weltliche Instanz in Anspruch. Auch hier zeigt sich aber, daß es u r s p r ü n g l i c h Sache der Priester gewesen ist.

1*

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Num 5, 11.

Deut 21, 1—8.

k l a g t e n ) a l s d e n S c h u l d i g e n b e z e i c h n e t , dann soll er dem andern das Doppelte als Ersatz leisten." "Wir haben hier einen Sonderfall von dem, was I Reg 8, 30 f. vorgestellt wird: die Klage, geschädigt zu sein, fußt hier auf dem Verdacht der Veruntreuung anvertrauten Gutes. Der Verdächtigte erscheint „vor Gott". Natürlich muß er dort seine Unschuld versichern. Darauf geht etwas vor sich — wiederum wird uns leider nicht beschrieben, was — wodurch die Ansicht Jahwes über die Schuld oder die Unschuld des Angeklagten offenbart wird. Eine Anschauung von solchem Untersuchungsverfahren gewinnen wir aus Num 5, 11 ff., dem Verfahren gegen eine des Ehebruchs verdächtige Frau. Alles, was uns hier berichtet wird, paßt zu den Angaben von I Reg 8 : Ein Geschädigter (in diesem Falle der Ehemann) erhebt Klage. Die Beschuldigte, aber ihre Schuld Leugnende (die Ehefrau), wird in den Tempel geführt. Dort muß sie die eidliche Versicherung ihrer Unschuld unter ganz besonderen begleitenden Handlungen auf sich nehmen. Darauf wird ein Opfer dargebracht, und nun muß die Frau aus einem Becher trinken, dessen Inhalt der Priester vorher gemischt hat. Und je nachdem ihr dieser Trank bekommt, wird ihre Schuld oder Unschuld offenbar. Das ist ein Gottesgericht in ausgesprochener Form. Vergleichen läßt sich auch Deut 21, 1— 8, wo das Ermittlungsverfahren in Sachen eines Mordes beschrieben wird. Die der Schuld Verdächtigen — in diesem Falle als Vertreter ihrer Ortsgemeinde die Altesten des dem Fundort der Leiche nächsten Ortes — versammeln sich an einem heiligen O r t l . Ein besonderes Opfer wird in besondrer Art dargebracht. Darauf beteuern — wiederum unter feierlicher begleitender Handlung (Waschen der Hände über dem geopferten Tier) — die Altesten ihre Unschuld — und zwar angesichts der Priester, „auf deren Ausspruch es bei jedem Streit und jeder Gewalttat ankommt" (V. 5). Daß die Unschuld der Altesten von der Gottheit bestätigt oder aber die Schuld aufgezeigt wird, ist hier nicht ausdrücklich gesagt. Es ist aber doch der Sinn und das Ziel des ganzen Vorgangs. Vielleicht wird man hier nicht an eine u n m i t t e l b a r erfolgende Offenbarung des Wissens der Gottheit über die dunkle Tat zu denken haben. Aber wenn einer der Altesten entgegen seiner feierlichen Aussage Mitwisser oder Mittäter der Bluttat gewesen wäre, so würde sich das aus seinem Geschick alsbald ergeben haben 2 . 1 Das fließende Wasser, und daß der Ort noch zu keinem profanen Dienst verwandt worden ist (V. 4), sowie das Tieropfer lassen deutlich erkennen, daß es sich um eine Kultstätte handelt.

* Zu erinnern ist anch an Num. 15, 32—36.

Hier handelt es sich nicht um ein

Malkijah.

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Ein weiteres Beispiel einer solchen Anrufung des Gottes zur Herausstellung von Schuld und Unschuld findet sich in einer der aramäischen Papyrusurkunden von Elephantine 1 : „Am 18. des Paophi im Jahre 4 des Königs Artaxerxes in J e b . der Festung, sprach Malkijah, der Sohn des Joschibja, ein Aramäer, begütert in der Festung J e b , (gehörig) zum Fähnlein des Nebokudurri zu . ., einem Aramäer, gehörig zum Fähnlein des M. . . du hast betreten mein Haus (??) mit Gewalt (?) und hast gestoßen meine Frau und hast mit Gewalt (?) Geld fortgenommen aus meinem Hause und hast (es) dir angeeignet. Ich habe (darauf) Forderung und Anrufung gemacht hin zu unserm Gott. E r (der Gott) hat mir seine Entscheidung gegeben: Ich Malkijah lasse dich aussprechen (?) vor HaramBethel, dem Gotte, zwischen vier Rächern (?) also: „Nicht habe ich dein Haus mit Gewalt (?) betreten, und deine Frau habe ich nicht gestoßen und Geld habe ich nicht mit Gewalt aus deinem Hause fortgenommen ; und wenn i c h . . . dich gerufen habe vor diesen Rächern (?).. auch (ich rufe?)." Hier erhebt ein Geschädigter (Malkijah) gegen einen andern Klage -. Sie lautet auf Hausfriedensbruch, Körperverletzung (oder tätliche Beleidigung) und Raub. Der Beschuldigte ist nicht geständig. Man muß wohl annehmen, daß die Strafhandlung in dunkler Nacht erfolgt und die Feststellung der Persönlichkeit daher nicht ohne weiteres unbestreitbar sicher ist. Was geschieht nun? Malkijah begibt sich zunächst in den Tempel und erhebt dort „Forderung und Anrufung hin zu unserm Gott", d. h. er bittet, daß der Gott sich der Sache annehmen und die Schuld ans Licht bringen möge. E r verklagt den Verdächtigen im Tempel. Darauf wird ihm die Entscheidung, daß er den Angeklagten „vor dem Gott Ilaram-Bethel", also im Heiligtum (ganz entsprechend dem „vor deinem Altar in diesem Hause" I Reg 8 , 3 1 ) einen Eid schwören lassen soll. Dabei sollen vier Zeugen zugegen sein. Ihre Bezeichnung als „Rächer" — wofern das "Wort von SACHAU richtig Untersuchungsverfahren. Die Schuld des Angeklagten (Sabbatsentheiligung) ist hier klar; im Ungewissen ist man aber über die S t r a f e , die ihn treffen soll. Daher nimmt man ihn zunächst in Haft und wartet, bis J a h v e entschieden hat, ob er getötet werden soll. Auch Exodus 18, 19 ff. haben wir die Entscheidung Gottes als letzte Lösung in F r a g e n des Rechtes. 1 Vgl. EDUARD SACHAU „Aramäische Papyrus und Ostraka aus einer jüdischen Militärkolonie in Elephantine", Leipzig 1911, Papyrus 27.

* Ich übernehme mit allem Vorbehalt die Übersetzung und Auffassung SACHAUS. Nach EPSTEIN ( Z A W 32, 142 f.) und E . MEYEB (Papyrusfund von Elephantine) wäre Malkijah nicht Kläger, sondern Angeklagter. Üie Entscheidung h ä n g t an der E r gänzung der Zeile 4. Beide Auffassungen passen in nnsern Znsammenhang.

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Malkijah.

verstanden worden i s t 1 — scheint ihnen Recht und Pflicht des Vollzuges der Strafe für den Fall, daß der Angeklagte schuldig ist, oder wenigstens seine Auslieferung an das bürgerliche Gericht aufzuerlegen. Ob diese Schuld sich (wie E x 2 2,8; Num 5,11) sofort durch ein Gottesurteil herausstellt, ist auch in diesem Falle nicht deutlich. Man möchte es aber doch annehmen; denn handelte es sich etwa um die Ablegung des Eides lediglich in der Erwartung, daß die Gottheit den Meineid früher oder später rächen werde, so wäre die Bezeichnung „Rächer" für die Zeugen nicht zu erklären. Diese versteht sich nur, wenn die Männer gewissermaßen als Henker bereitstehen, um den vom Gottesurteil Gebrandmarkten sofort zu richten oder seinem Gericht zuzuführen. Das Schriftstück ist eine schriftliche Vorladung vor das Gottesgericht. Auch hier gewinnt man den Eindruck, daß ein solches Verfahren der Untersuchung üblich und daher häufig gewesen ist. In Elephantine hat sich mancherlei von altem religiösen Volksbraucli Israels erhalten. Wir sind wohl berechtigt, das Dokument unmittelbar neben I Reg 8, 30, womit es sich so eng berührt, zu stellen 2 . Die so gewonnene Anschauung scheint mir nun auf eine nicht geringe Anzahl von Psalmen ein helles Licht zu werfen. Es ist ja von vornherein naheliegend, daß — ebenso wie die öffentlichen Klage- und Bußgebete, auf die I Reg 8, 33—37 hinweisen, uns in Anzahl im Psalter erhalten sind 8 — so auch der Hinweis auf Gebete eines Einzelnen aus Anlaß eines Untersuchungsverfahrens im Tempel durch Beispiele aus dem Psalter wird beleuchtet werden können. Dabei ist noch immer die Frage offen, an wen wir als den Betenden I Reg 8, 30ff. zu denken haben, ob an den amtierenden Priester, an den Kläger oder an den Angeklagten. 1 Zu lesen sind nur die Buchstaben N'cp, vor denen durch Wurmfraß offenbar nur e i n Buchstabe zerstört worden ist. Sachau ergänzt „ultores oder Strafrichter". E . Meyer S. 6 2 denkt an „Schwursteine"; Pkdkrsen „Der Eid bei den Semiten" 145 liest N