Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes: Band 2, Teil 1 Einzelne Schuldverhältnisse, §§ 433–704 [11. Aufl. Reprint 2018] 9783111336695, 9783110988390

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Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes: Band 2, Teil 1 Einzelne Schuldverhältnisse, §§ 433–704 [11. Aufl. Reprint 2018]
 9783111336695, 9783110988390

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Siebenter Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse
Einleitung
Erster Titel. Kauf. Tausch
Zweiter Titel. Schenkung
Dritter Titel. Miete. Pacht
Vierter Titel. Leihe
Fünfter Titel. Darlehn
Sechster Titel. Dienstvertrag
Siebenter Titel. Werkvertrag
Achter Titel. Mäklervertrag
Neunter Titel. Auslobung
Zehnter Titel. Auftrag
Elfter Titel. Geschäftsführung ohne Auftrag
Zwölfter Titel. Verwahrung
Dreizehnter Titel. Einbringung von Sachen bei Gastwirten

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G r o ß k o m m e n t a r e der Praxis

Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes

Kommentar herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern Elfte Auflage n . Band, 1. Teil Einzelne Schuldverhältnisse, §§ 433—704 bearbeitet von

Johannes Denecke

Dr. Georg Kuhn

Reichsgerichtsrat u. Bundesrichter i. R.

Bundesrichter

Prof. Dr. Erich Pritsch

Prof. Dr. Günther Wilde

Senatspräsident am Bundesgerichtshof i. R.

Bundesrichter

(Zitierweise: BGB — RGRK)

Berlin 1959

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

Archiv-Nr. 22 Ol 59 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35. Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin S W 6 1 . Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis z u m I I . B a n d , 1. T e i l Seite

Siebenter Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse

. . §§ 433—704

Einleitung

1—746 1—2

Titel. Kauf. Tausch Allgemeine Vorschriften Gewährleistung wegen Mängel der Sache Besondere Arten des Kaufes 1. Kauf nach Probe. Kauf auf Probe 2. Wiederkauf 3. Vorkauf IV. Tausch

§§ 433—515 §§ 433—458 §§ 459—493

3—284 7—159 159—242

§§ 494—496 §§ 497—503 §§ 504—-514 §5*5

243—250 251—264 264—282 282—284

§§ 516—534

284—326

Dritter Titel. Miete. Pacht

§§ 535—597

327—479

I. Miete I I . Pacht Vierter Titel. Leihe

§§ 535—580 a 360—461 §§ 58i—597 462—479 §§ 598—606 479—487

Fünfter Titel.

Erster I. II. III.

Zweiter Titel.

Schenkung

§§ 607—610

488—517

Sechster Titel. Dienstvertrag

Darlehn

§§ 611—630

517—616

Siebenter Titel. Werkvertrag

§§ 631—651

616—656

Achter Titel.

§§ 652—656

656—672

Neunter Titel. Auslobung

§§ 657—661

672—676

Zehnter Titel. Auftrag

§§ 662—676

677—705

Elfter Titel. Geschäftsführung ohne Auftrag

§§ 677—687

705—724

Zwölfter Titel. Verwahrung

§§ 688—700

724—740

Dreizehnter Titel. Einbringung von Sachen bei Gastwirten §§ 701—704

740—-746

Mäklervertrag

Es h a b e n b e a r b e i t e t : §§ 433—534 :

Bundesrichter D r . G e o r g K u h n

§§ 535—597 :

• Senatspräsident am Bundesgerichtshof i . R . Prof. D r . E r i c h P r i t s c h

§§ 598—606:

Bundesrichter D r . G e o r g K u h n

§§ 607—610:

Bundesrichter Prof. D r . G ü n t h e r W i l d e

§§ 611—704: . . . Reichsgerichtsrat und Bundesrichter i . R . J o h a n n e s D e n e c k e

Siebenter Abschnitt

Einzelne Schuldverhältnisse Einleitung Anm. 1 1. Während das erste Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches, der Allgemeine Teil, diejenigen Vorschriften bringt, die für das gesamte Gebiet des bürgerlichen Rechts gelten, und das zweite Buch in seinen ersten sechs Abschnitten allgemeine Lehren über Schuldverhältnisse enthält, wendet sich der siebente Abschnitt den einzelnen Schuldverhältnissen zu. Er ist wie folgt g e g l i e d e r t . Kauf. Tausch. §§ 433—515. Allgemeine Vorschriften. §§ 433—458. Gewährleistung wegen Mängel der Sache. §§ 459—493. Besondere Arten des Kaufes. §§494—514. 1. Kauf nach Probe. Kauf auf Probe. §§494—496. 2. Wiederkauf. §§ 497—503. 3. Vorkauf. §§ 504—514. IV. Tausch. § 5 1 5 . Tite Schenkung. §§516—534. Tite Miete. Pacht. §§ 535—597Miete. §§ 535—580. I Pacht. §§581—597Tite Leihe. §§ 598—606. Tite Darlehen. §§ 607—610. Tite Dienstvertrag. §§ 611 —630. Tite Werkvertrag. §§631—651. Tite Mäklervertrag. §§ 652—656. Tite Auslobung. §§657—661. Tite Auftrag. §§ 662—676. Tite Geschäftsführung ohne Auftrag. §§ 667—687. Tite Verwahrung. §§ 688—700. Tite Einbringung von Sachen bei Gastwirten. §§ 701—704. Tite Gesellschaft. §§ 705—740. Tite Gemeinschaft. §§ 741—758. Tite Leibrente. §§ 759—761. Tite Spiel. Wette. §§762—764. Tite Bürgschaft. §§ 765—778. Tite Vergleich. § 779. Tite Schuldversprechen. Schuldanerkenntnis. §§ 780—782. Tite Anweisung. §§ 783—792. Tite Schuldverschreibung auf den Inhaber. §§ 793—808. Tite Vorlegung von Sachen. §§809—811. Tite Ungerechtfertigte Bereicherung. §§812—822. Tite Unerlaubte Handlung. §§ 823—853.

i. Titel: I. II. III.

2. 3.

4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

Komm. z. BGB, 11. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

Einl. Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 2—5 Anm. 2 2. Weitere typische Schuldverhältnisse (Vertragsarten) sind in besonderen Gesetzen geregelt. Zu nennen sind hier: a) der Versicherungsvertrag. Vgl. das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) v. 30. 5. 08 und für die öffentlich-rechtliche Seite das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen v. 6. 6. 31. Uber die Seeversicherung vgl. die §§ 778fr. HGB. b) der Verlagsvertrag. Vgl. das Gesetz über das Verlagsrecht v. 19. 6. 01. c) die Altenteilsverträge. Für sie gilt nach Art. 96 EGBGB Landesrecht. Anm. 3 3. Entstehungsgrund der einzelnen Schuldverhältnisse ist zumeist ein Vertrag. In Betracht kommen aber auch Handlungen (unerlaubte Handlung, Geschäftsführung ohne Auftrag), grundlose Vermögensverschiebungen ( § § 8 1 2 ff.), Zustände (Gemeinschaft, §§ 741—758) und einseitige Versprechen (Auslobung). Schließlich kann sich ein besonderes Schuldverhältnis auch als Folge eines Anspruchs oder aus einem rechtlichen Interesse ergeben (Vorlegung von Sachen, §§ 809—811). Anm. 4 4. Das Recht der Schuldverhältnisse wird weitgehend vom Prinzip der Vertragsfreiheit (vgl. dazu auch Vorbem. 1 zu § § 4 3 3 ff.) beherrscht. Dieses Prinzip hat einmal zum Inhalt, daß die Vertragschließenden eine gesetzlich geregelte Vertragstype nach ihren Sonderwünschen und ihren besonderen Verhältnissen abändern und umgestalten dürfen (inhaltliche Gestaltungsfreiheit), und zum anderen, daß atypische Verträge geschlossen werden dürfen. Eine absolute Vertragsfreiheit besteht nicht; das Bürgerliche Gesetzbuch gibt die Befugnis zum Vertragsschluß vielmehr von vornherein nur in begrenzter Ermächtigung. Einschränkungen der Vertragsfreiheit bringen sowohl Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs selbst (§§ 134, 138, 242, 276 Abs. 2, 306, 443, 476) als auch zahlreiche Nebengesetze wie das Gesetz über die Abzahlungsgeschäfte v. 16. 5. 1894, das Mieterschutzgesetz v. 15. 12. 42 oder das Kündigungsschutzgesetz v. 10. 8. 5 1 . Weil die Rechtsordnung den Parteiwillen nicht schrankenlos als Recht schöpfende Kraft anerkennt, muß er insoweit unbeachtet bleiben, als er über die Grenzen dieser Anerkennung hinauszugreifen versucht. Anm. 5 5. Verträge eigener Art sind: a) das Vinkulationsgeschäft (vgl. § 433 Anm. 79), b) der Garantievertrag (RG 146, 120, 123/24 m. w. Nachw., 163, 91 = DR 1940, 860), c) die Schuldmitübernahme ( R G 5 1 , 1 2 0 ; 5 9 , 2 3 2 ; 6 2 , 1 7 2 ; 6 4 , 3 1 8 ; 6 8 , 1 2 6 ; 7 1 , 1 1 3 ; 78, 3 7 ; 9 0 , 4 * 5 ; 143» ! 5 4 ; 1 5 3 , 3 4 5 ; B G H 6 , 3 8 5 , 3 9 7 ) ,

d) der Schiedsgutachtervertrag (RG 152, 2 0 1 ; 153, 1 9 3 ; J W 1936, 820; 1937, 2969; BGH 6, 3 3 5 ; 1 7 , 366, 372),

e) der Schiedsrichtervertrag (RG 94, 210; BGH 15, 12), f) der Trödelvertrag, durch den der Trödler ermächtigt wird, eine fremde Sache zu einem festgesetzten Mindestpreis zu veräußern und den Mehrerlös für sich zu behalten oder die Sache zurückzugeben (Mot. 517) — der Trödler hat kein Eigentum, sondern nur eine Veräußerungsbefugnis —, g) die Tarifverträge (Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II, 1 5 3 ff-),

h) der Lizenzvertrag (vgl. § 433 Anm. 93), i) der Bühnenaufführungsvertrag, BGH 1 3 , 1 1 5 , k) der Filmverwertungsvertrag, BGH 2, 3 3 1 ; 9, 264; BFH NJW 1957, 767; vgl. auch RG 158, 3 2 1 ; 1 6 1 , 3 2 1 . 2

Kauf. Tausch

Vor § 433 Anm. 1, 2

Erster Titel

Kauf. Tausch Vorbemerkung Anm. 1 1. Der G r u n d s a t z der V e r t r a g s freiheit läßt die mannigfaltigste Ausgestaltung des Kaufvertrages zu. Mit Hilfe dieses Prinzips werden die Käuferrechte immer mehr eingeengt; das geschieht vielfach in einer Weise, die nicht nur den Anstand, sondern auch die guten Sitten (§ 138) verletzt oder sonst gegen die Rechts- und Wirtschaftsordnung verstößt. Der mißbräuchlichen Ausnutzung der Vertragsfreiheit ist die rechtliche Anerkennung zu versagen ( L a r e n z , Schuldrecht. 2. Aufl., § 39 I I e 3). Die Vertragsfreiheit besteht einmal in der Freiheit, einen Vertrag abzuschließen (Abschlußfreiheit) und zum anderen in der Freiheit, den Inhalt des Vertrages auszuhandeln und zu gestalten (Gestaltungsfreiheit). Bleibt dem einen Teil — das wird im allgemeinen der Käufer oder Verbraucher sein — nur die Wahl, ob er sich einseitig festgesetzten Bedingungen unterwerfen oder den Vertragsschluß ablehnen will, wird ihm also bloß die Abschlußfreiheit gelassen, so kann darin ein Mißbrauch der wirtschaftlichen Machtstellung (Unternehmerstellung) liegen, der den geschlossenen Vertrag nichtig macht. Das ist in voller Anerkennung des Wunsches, die Lieferverträge für das eigene Unternehmen einheitlich festzulegen und auf diese Weise das Vertragswesen des Betriebes zu rationalisieren, und das Interesse hervorzuheben, das Risiko einschränkend abzugrenzen, um so festere Größen für die Kalkulation zu gewinnen und im Interesse eines billigeren Preises Versicherungslasten für unabsehbare Gefahren zu vermeiden.

Anm. 2 a ) Die E i n e n g u n g d e r K ä u f e r r e c h t e in a l l g e m e i n e n V e r t r a g s - u n d G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n geht vielfach zu weit. Die Auffassung, daß rechtlich unbilligen Bedingungen wegen der damit verbundenen Preisverbilligung die Anerkennung nicht versagt werden dürfe, kann keinesfalls gebilligt werden ( F i s c h e r BB 1957,481,485). Die wirtschaftliche Macht, anStelle der gesetzlichen Regelung für sämtliche Beteiligten eine generelle Ordnung ihrer Liefer- und Bezugsverträge zu setzen, kann nicht grenzenlos ausgeübt werden; die Befugnis, eine eigene oder allgemeine Vertragsordnung zu schaffen, ist durch das Gebot beschränkt, daß jede allgemeine Regelung die beiderseitigen Belange sachgerecht zu berücksichtigen und einerseits einseitige Bevorzugungen und andererseits unerträgliche oder ungerechte Belastungen zu vermeiden hat ( F i s c h e r aaO 486). Eine K l a u s e l , d i e d e n E r s a t z des V e r z u g s s c h a d e n s a u s s c h l i e ß t o d e r auf einen ganz geringen Prozentsatz der Vertragssumme oder des Schadens b e g r e n z t , ist in der Regel sittenwidrig, weil sie den Verkäufer von der Einhaltung der Lieferfrist bis zur Willkür befreit und eine solche Freistellung von der vertraglich übernommenen Bindung nur ganz selten notwendig ist, um den Preis nicht durch hohe Versicherungslasten, die sonst notwendig würden, ganz allgemein wesentlich zu erhöhen (vgl. auch § 433 Anm. 40). Der generelle Haftungsausschluß für Sachmängel in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen ist etwas ganz anderes als ein individueller Ausschluß der Gewährungsleistungsansprüche; schon der generelle Ausschluß der Kaufgewähr kann nicht mit § 476 gerechtfertigt werden (BGH 22, 97). Der Ausschluß jeglicher Haftung geht noch darüber hinaus und läßt sich erst recht nicht aus dieser Vorschrift ableiten. Bei der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse läßt sich nicht allgemein sagen, unter welchen Voraussetzungen generelle Freizeichnungsklauseln, mögen sie nur die Gewährleistung oder zugleich jeden anderen Anspruch betreffen, nichtig oder auch nur unbeachtlich sind. Immerhin läßt sich sagen: Die Zulässigkeit von Haftungsausschlüssen oder -beschränkungen wird nicht nur durch § 276 Abs. 2, sondern auch durch § 138 eingeengt (RG 142, 24; J W 1 9 3 1 , 2 7 i g ; B G H 22, 96). Die Freizeichnung von jeder Haftung kann auch gegen Treu und Glauben (§ 242) verstoßen (RG 168, 329; D R 1941, 1726) und darum unwirksam sein ( B G H 22, 90). Behält der Käufer ein Nachbesserungsrecht und kann er auf die Gewährleistungsansprüche zurückgreifen, falls die Nachbesserung un1'

3

V o r § 433 A n m . 3, 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

möglich ist oder nicht zur Behebung des Mangels führt, so sind, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen, keine rechtlichen Bedenken zu erheben (RG87, 335; 96, 268; 142, 353; DR i94ij 1726; LZ 1931, I379;BGHMDR 1954, 345; BGH 22, 96). Wo der Käufer fabrikneuer Waren ein schutzwertes Interesse hat und es sein besonderes Anliegen ist, mangelfreie Ware zu erhalten, ist der völlige Ausschluß der Gewährleistungsansprüche mit § 242 unvereinbar (BGH 22, 90, 100). Im Streitfalle ist eine enge Auslegung von Freizeichnungsklauseln geboten (RG 142, 353; J W 1934,

2395).

Anm. 3 b) Zahlreiche Abzahlungskäufe werden mit einem Finanzierungsvertrag gekoppelt (sog. K u n d e n f i n a n z i e r u n g ) . Obwohl der Abzahlungskäufer beim Abzahlungsunternehmer auf Kredit zu kaufen wünscht, wird er dazu veranlaßt, zusammen mit dem Verkäufer oder allein bei einem selbständigen Kreditinstitut ein Darlehen aufzunehmen, das an den Verkäufer ausgezahlt und zur Abdeckung des Kaufpreises verwendet werden soll. Hier wird das Kaufinteresse (Warenbedürfnis) dazu benutzt, um einem beim Abzahlungsgeschäft auftretenden Verkäufer mit Hilfe des Käufers über ein Kreditinstitut entweder Kredit oder gleich Barzahlung zu verschaffen. Das ist grundsätzlich nicht sittenwidrig, RG 133, 237. Bei ungesunden Geschäften kann hierin aber ein Mißbrauch des Käufers liegen. Der organisierte Austausch von Wechselakzepten (Finanzwechseln) zum Zwecke der Kreditbeschaffung unter Einschaltung eines gewerbsmäßigen Vermittlers, dem die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Partners und dessen Auswahl ohne eigene Verantwortung überlassen bleibt, widerspricht den Grundsätzen des anständigen Geschäftsverkehrs, BGH NJW 1958, 989. Auch die Vereinbarung hoher Raten, deren Aufbringung nach dem voraussichtlichen Lauf der Dinge von vornherein mit Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden kann, ist sittenwidrig, R G 147, 347. Werden mit einem Kauf unter Einschaltung eines Finanzierungsinstituts die gleichen wirtschaftlichen Zwecke wie bei einem regelrechten Abzahlungsgeschäft angestrebt, so findet das Abzahlungsgesetz Anwendung (BGH 3 , 2 5 7 ; 5 , 3 4 7 ) ; der Käufer genießt den Schutz, den ihm das Abzahlungsgesetz bietet, kraft der wirtschaftlichen Einheit von Kauf- und Darlehnsgeschäft grundsätzlich auch gegenüber dem Darlehnsgeber (RG 152, 283; BGH 3, 257; 22, 93; BGH L M Nr. 2 zu § 6 AbzG). Das genügt aber nicht, um Mißbräuche der Kundenfinanzierung zu unterbinden. Der sicherste Weg hierzu ist. den Kaufvertrag und den Darlehnsvertrag trotz ihrer formalen rechtlichen Selbständigkeit als eine Einheit anzusehen und alle Einwendungen aus dem Kaufgeschäft auch gegenüber dem Kreditgeschäft zuzulassen; auf diese Weise wäre der Kreditgeber gezwungen, sich mit der Kreditwürdigkeit des Verkäufers näher zu befassen, statt sich weitgehend darauf zu verlassen, ob der Käufer für die versprochenen Raten gut ist. Dieser Weg ist leider durch die BGH-Urteile v. 7. 12. 55 (LM Nr. 5 zu § 6 AbzG) und v. 8. 2. 56 (BGH 20, 36, 41) versperrt, obwohl der von der ersteren Entscheidung behandelte Fall, daß der Verkäufer das Geld für sich verbraucht, den Kaufvertrag nicht erfüllt und in Konkurs geht, eigentlich dazu führen müßte, daß der Käufer das Darlehen nicht zurückzuzahlen braucht, weil er die mit Hilfe des Kreditinstituts aufgeblähten Verhältnisse des Verkäufers nicht durchschauen konnte, während dies dem Kreditinstitut, hätte es in den Abzahlungskäufern dieses Unternehmens nicht zusätzliche Schuldner gehabt, bei gehöriger Durchleuchtung des Abzahlungsunternehmens nicht hätte entgehen dürfen. Der Käufer, der sich nach der Sachlage berechtigterweise darauf verlassen hat, daß das Kreditinstitut mit einem Vertrauens- und kreditwürdigen Händler zusammenarbeitet, hat gegebenenfalls gegen das Finanzierungsunternehmen einen Schadensersatzanspruch, mit dem er aufrechnen kann (OLG Oldenburg MDR 1957, 359); unter Umständen kann er den Darlehnsanspruch auch unter Berufung auf Treu und Glauben (§ 242) abwehren. Anm. 4 2. Zwischen dem Verkäufer und dem Käufer besteht ein nicht zu verkennender wirtschaftlicher Interessengegensatz. Jeder will einen möglichst hohen Gegen4

K a u f . Tausch

Vor § 433 Anm. 5, 6

wert vom Vertragsgegner erhalten und keiner kann vom anderen erwarten, daß er auch seine Belange wahrnimmt. U m trotz dieses Gegensatzes zu einer Einigung zu gelangen, gilt es, die eigenen Belange und Zwecke mit denen des Gegners zu verknüpfen, J h e r i n g , Zweck im Recht I, 37. I m Zweck der Bedarfsdeckung, hier durch Güter, dort durch Geld, vereinigen sich die Interessen beider. In der Verfolgung seiner Belange ist der einzelne Vertragsteil aber nicht völlig frei; er ist vielmehr durch die bestehende Ordnung gebunden und muß bei der Durchsetzung seiner eigenen Absichten auf die Belange des anderen diejenige Rücksicht nehmen, die eine billige und redliche Durchführung des bestehenden Vertrages erfordert, R G 150, 236. Außer durch die Rücksicht auf den Vertragsgenossen ist die Vertragsfreiheit weiter eingeschränkt durch die R ü c k s i c h t a u f d i e I n t e r e s s e n d e r A l l g e m e i n h e i t . Wenn es sich auch beim K a u f in erster Linie um die Deckung des Bedarfs des einzelnen handelt, so dürfen doch die Belange der Allgemeinheit nicht außer acht gelassen werden. Der K a u f m a n n hat knappe Waren gerecht abzugeben; verkauft er sie vorzugsweise einem Kunden in größerer, nicht zum alsbaldigen Bedarf benötigter Menge, so kann dem Kaufvertrag die Anerkennung im Hinblick auf § 138 zu versagen sein. Wer gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, die Preise, Preisspannen, Zuschläge oder Abschläge, Zahlungs- oder Lieferungsbedingungen, Preisauszeichnungen, Preisbindungen oder andere der Preisbildung oder dem Preisschutz dienende Maßnahmen betrifft und wer vorsätzlich in befugter oder unbefugter Betätigung in einem Beruf oder Gewerbe f ü r Gegenstände oder Leistungen des lebenswichtigen Bedarfs Entgelte fordert, verspricht, vereinbart, annimmt oder gewährt, die infolge einer Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage unangemessen hoch sind, begeht eine Zuwiderhandlung nach den §§2, 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes (1954) v. 9. 7. 54 (BGBl. I 175) idF v. 19. 12. 56 ( R G B 1 . I 924). Derartige Verstöße können auch die Nichtigkeit des Geschäfts nach § 138 nach sich ziehen. Schon eine P r e i s b e s t i m m u n g , die das Prinzip der gerechten Abwägung der beiderseitigen schutzwerten Belange der an einem K a u f typischerweise beteiligten Verkäufer- und Käuferschicht in grober Weise verletzt, kann nach Treu und Glauben nicht als wirksam angesehen werden; die Verkäufer müssen ihre Preise nach Bedingungen kalkulieren, die sich mit den Geboten von Treu und Glauben vereinbaren lassen, und sie dürfen sich insoweit nicht über die Grenzen hinwegsetzen, die für den Rahmen des rechtlich Billigen und Vertretbaren gelten, B G H 22, 90, g8. Das Fordern eines nicht auskalkulierten Preises kann so willkürlich sein, daß der Vertrag ungültig ist. Auch bei freier Marktwirtschaft besteht nicht schrankenlose Freiheit; in einer gesunden Rechtsordnung können Geschäfte keinen Rechtsschutz finden, die in besonders riskanter Weise ungewöhnliche Vorteile anstreben und beim Fehlschlagen zu Entlassungen größeren Umfanges führen und sich in Form von zu zahlender Arbeitslosenunterstützungen fühlbar zu Lasten der Allgemeinheit auswirken müssen. Es ist ein hohes Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein der Vertragschließenden und der über solche Geschäfte urteilenden Richter notwendig, um hier die richtige Grenze zu finden.

Anm. 5 3. Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht auch das Kaufrecht.

Dieser Grundsatz darf, wie schon die Worte besagen, nicht allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen werden. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, die gegenseitiges Vertrauen voraussetzen, hat er auch eine starke, auf dem Gemeinschaftsgedanken beruhende persönliche Seite, O G H M D R 1950, 282. Für Kaufleute umschreibt R G 1 5 1 , 370 den Begriff von Treu und Glauben als die unter Kaufleuten herrschenden Anschauungen von Recht und Billigkeit.

Anm. 6 a ) Schon bloße Vertragsverhandlungen ( V o r v e r h a n d l u n g e n ) über einen K a u f können ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis begründen ( R G 104, 265, 267; 120, 249, 2 5 1 ; 1 5 1 , 357, 358; 162, 129, 1 5 6 ; J W 1936, 799; O L G Schleswig J Z 1952, 592).

5

V o r § 433

A n m . 7, 8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuld Verhältnisse

Sie verpflichten zu der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Die schuldhafte Verletzung dieser Sorgfaltspflicht gibt einen Anspruch auf das negative Vertragsinteresse ( R G 120, 251/52 m. w. Nachw., J W 1936, 799). Ausnahmsweise kann das Erfüllungsinteresse gefordert werden, wenn der Schadensersatzkläger nachweist, daß der ihm angebotene oder ein ihm genehmer Vertrag ohne das schuldhafte Verhalten des Gegners zustande gekommen wäre ( R G 103, 51; 151, 359; D R 1942, 575; B G H Urt. v. 23. 5. 55 II Z R 57/54). Ist in Einkaufsbedingungen bestimmt, daß Bestellungen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedürfen, so wird dadurch, auch wenn mangels Erfüllung der Form kein Vertrag zustande gekommen ist, die Haftung für den Vertrauensschaden nicht ausgeschlossen ( B G H M D R 1954, 346 = L M Nr. 3 zu § 276 [Fa.] BGB). Verschulden beim Vertragsschluß ist es, wenn der Verkäufer eines Grundstücks Schwammfreiheit zusichert, obwohl ihm das Vorhandensein von Schwamm nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist ( B G H L M Nr. 1 zu § 463 BGB). Aus dem selben Grunde kann ein Importeur haften, wenn er seinen ausländischen Vertragspartner nicht darüber aufklärt, daß infolge einer kurz vor Vertragsschluß erfolgten Gesetzesänderung, die dem Ausländer ersichtlich unbekannt geblieben ist, der Vertrag sich als nichtig erweist, während der Vertragsgegner auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut ( B G H W M 1957, 981). Aus dem vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis ergeben sich einmal Anzeige-, Aufklärungs- und Mitteilungspflichten (unten unter c) und zum anderen Schutz-, Fürsorge- und Erhaltungspflichten ( B G H v. 21.4.55 II Z R 66/53; S i e b e r t in Soergel BGB § 242 A II 1; bei bestehendem Vertrage vgl. § 433 Anm. 181).

Anm. 7 b) Bei einem durch die beiderseitigen Leistungen erfüllten Warenumsatzgeschäft können sich gemäß § 242 noch gewisse N a c h w i r k u n g e n d e r v e r t r a g l i c h e n B i n d u n g ergeben. So können die Parteien noch nach Erfüllung der eigentlichen Leistungspflichten zu einem Treu und Glauben gemäßen Verhalten verpflichtet sein; insbesondere können sich Benachrichtigungspflichten ( O G H 1, 380) oder die Pflicht ergeben, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck noch nachträglich gefährden oder vereiteln könnte ( B G H L M Nr. 2 zu § 362 BGB). Es kann auch eine Rechtspflicht zu anderen Unterlassungen oder zu bestimmten Handlungen übrigbleiben ( R G 161, 338; I i i , 303). So haftet der Verkäufer eines Grundstücks nach § 276, wenn er, nachdem der Käufer im Vertrauen auf die vorausgesetzte Unbebaubarkeit des Hinterlandes auf dem Kaufgrundstück ein Wohnhaus errichtet hatte, alsbald selber zur Bebauung des Hinterlandes schreitet, R G 161, 339.

Anm. 8 c ) Wenn auch beim K a u f nicht schlechthin eine O f f e n b a r u n g s p f l i c h t (Aufklärungs- oder Anzeigepflicht) besteht ( R G 69, 15), so kann sich doch eine solche Pflicht nach den Umständen des Falles aus § 242 ergeben ( R G 151, 361). Eine Offenbarungspflicht besteht insbesondere für solche Tatsachen, die für die Entschließung des anderen Teils erkennbar von Bedeutung sein können, z. B. die Wahrscheinlichkeit, daß der Erfüllung oder der rechtzeitigen Erfüllung Hindernisse entgegenstehen, R G 120, 252. Beim K a u f eines unfallbeschädigten Lastzuges ist der Verkäufer in der Regel rechtlich verpflichtet, dem Kaufinteressenten, auch wenn dieser um den Unfall weiß, alle Umstände bekanntzugeben, die die Tauglichkeit des Fahrzeuges auch nach vollzogener Ausbesserung betreffen und geeignet sind, seinen auf den Erwerb gerichteten Willen zu beeinflussen, R G 151, 366. Der Umfang der Offenbarungspflicht beim Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge läßt sich nicht allgemein bestimmen, B G H M D R 1955, 26. Eine Aufklärungspflicht entfällt jedenfalls nicht schon deshalb, weil ein langjährig benutztes Fahrzeug Kaufgegenstand und „wie besehen und probegefahren" verkauft ist; so hat der Verkäufer darauf hinzuweisen, daß der Motor aufgefroren war und hierdurch eine erhebliche Minderung erfahren hatte, denn ein solcher Fehler ist nicht den üblichen Abnutzungserscheinungen gleichzusetzen, mit denen der Käufer eines langjährig gefahrenen Kraftfahrzeuges ohne weiteres zu rechnen hat ( B G H W M 1956, 1499, 1500). Beim Abschluß eines Geschäfts, das auf Dauer berechnet ist und ein Ver-

6

Kauf. Tausch.

Vor § 433 Anm. 9,10 §433

trauensverhältnis voraussetzt, ist eine Offenbarungspflicht über alles anzuerkennen, was für dieses Vertrauen wesentlich ist, RG 142, 222/3. Die Aufklärungspflicht darf jedoch nicht zu weit ausgedehnt werden; die Vertragschließenden können wegen ihrer widerstreitenden Interessen voneinander regelmäßig keine Aufklärung über die Marktlage, die Kreditfähigkeit oder ähnliche den Kauf beeinflussende Verhältnisse verlangen RG i n , 234. Anm. 9 D i e V e r l e t z u n g d e r O f f e n b a r u n g s p f l i c h t führt regelmäßig nur zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (BGH M D R 1955, 26) oder zu einem Schadensersatzanspruch; nur unter ganz besonderen Umständen kann auch ein klagbares Recht auf Aufklärung gegeben sein (OLG Schleswig J Z 1952, 592). Anm. 10 U m g e h u n g v o n H a n d e l s s t u f e n . Warenumsätze, die mit dem Endverbraucher unter Umgehung einer oder mehrerer Handelsstufen vorgenommen werden (Direktverkäufe), sind im allgemeinen nicht verboten. Ohne weiteres sind sie nicht unlauter im Sinne des § 1 UWG, können das aber durch den Hinzutritt sittenwidriger Begleitumstände werden. Ein Verstoß gegen § 1 U W G kann sowohl dann vorliegen, wenn ein Großhändler Direktverkäufe unter Vorkehrungen vornimmt, die das Bekanntwerden seiner Doppelfunktion den von ihm beziehenden Einzelhändlern gegenüber verhindern sollen, und wenn die derart verheimlichten Direktgeschäfte nach Art und Umfang Anstoß bei den Einzelhändlern erregen und ihnen Anlaß gegeben hätten, die Geschäftsbeziehungen zu diesem Großhändler abzubrechen; wie dann, wenn der Großhändler das Bekanntwerden der Direktverkäufe dem Hersteller der Ware gegenüber durch besondere Vorkehrungen verheimlicht und der Hersteller nach Art und Umfang der Geschäfte Anlaß genommen hätte, die Großhandelseinkaufsvorteile für die betreffende Ware nicht zu gewähren, B G H Betrieb 1958, 831. I. A l l g e m e i n e V o r s c h r i f t e n

§ 433 Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer eines Rechtes ist verpflichtet, dem Käufer das Recht zu verschaffen und, wenn das Recht zum Besitz einer Sache berechtigt, die Sache zu übergeben. Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. E I

370, 4 J 9

n

375;

M 1

361;

P 2 jo.

Ü b ersieht I. Wesen des Kaufs 1. Allgemeines 2. Unterschied zu § 493 3. Kauf auf Umtausch 4. Kauf der eigenen Sache 5. Der Kauf als schuldrechtlicher Vertrag 6. Kauf und Erfüllungsgeschäft als getrennte Geschäfte II. Der Kauf als Rechtsgeschäft A. Die Willenserklärung 1. Geschäftsfähigkeit 2. Beschränkte Geschäftsfähigkeit 3. Vertretung ohne Vertretungsmacht 4. Geheimer Vorbehalt, Schein

Anm.

1—8 I 2 3 4 5 6—8 9—50 10—20 11 12 13 14 7

§433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm.

5. Treuhandgeschäft 15 6. Irrtum 16. 17 7. Unrichtige Übermittlung 18 8. Einigungsmangel ig 9. Drohung, arglistige Täuschung 20 B. Die unerlaubten Kaufverträge 21—4g 1. Gesetzesverstoß 21—36 a) Polizeiliche Verbote 22 b ) §§ 456—458 23 c) Umgehungsgeschäfte 24 d) Veräußerungsverbote 25 e) Wettbewerbsbeschränkungen 26 f) Preisbindungen, Preisschutz 27—30 g) Berufsverbot 31 h) Behördliche Genehmigung 32 i) Devisengenehmigung, Switchgeschäft 33, 34 k) Steuerhinterziehung 35 1) Schlußscheinpflichtige Kaufverträge 36 2. Sittenverstoß 37—49 a) Ausnutzung einer Machtstellung 38 b) Auffälliges Mißverhältnis der Leistungen, Freizeichnungsklauseln 39, 40 c) Eingriff in schwebende Verhandlungen 41 d) Unterstützung fremden Vertragsbruchs 42 e) Gläubigerbenachteiligung 43 f) Durch Schmiergelder veranlaßte Verträge 44 g) Praxiskauf 45 h) Sittenwidrigkeit des Grundgeschäfts 46 i) Maßgebender Zeitpunkt 47 k) Aufrechterhaltung eines Kaufs trotz Sittenverstoßes 48 1) Das Verhältnis des § 242 zu § 138 49 C. Wegfall der Geschäftsgrundlage beim K a u f 50 I I I . Der Kauf als Vertrag 51—72 1. Das Angebot 52—60 a) Grundsatz der Bestimmtheit 53 b) Allgemeine Geschäftsbedingungen 54 c) Welthandelsbräuche beim Uberseekauf 55 d) Fakturenvermerke 56 e) Bindungswille 57 f) Kontrahierungszwang 58 g) Lenkungsbestimmungen 59 h) Gewerbepolizeiliche Vorschriften 60 2. Die Annahmeerklärung 61—72 a) Schweigen 62, 63 b) Schlüssiges Verhalten 64 c) Bestätigungsschreiben 65, 66 d) Faktisches Schuldverhältnis 67 3. Kauf durch Stellvertreter 68 4. Form des Kaufvertrages 69 5. Der bedingte Kauf 7° 6. Genehmigungspflichtige Kaufverträge 71 7. Die rechtliche Konstruktion bei der Abgabe zwangsbewirtschafteter Waren 72 I V . Abgrenzung des Kaufs gegen andere Verträge 1. Tausch 2. Geldwechselgeschäft 8

73—94 74 75

Kauf. Tausch

§ 433 Anm.

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.

Werkvertrag Werklieferungsvertrag Auftrag und Kommission Vinkulationsgeschäft Darlehen Einlösungsgeschäft Verpfändung Miete und Pacht Gesellschaft Spedition Differenzgeschäft Ausspielung Börsentermingeschäft Auszahlungsgeschäft Rückkauf Freihändiger Verkauf Enteignung Lizenzvertrag Grabstellenvertrag

76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 g2 93 94

V . Arten des Kaufes 95—123 1. Die gesetzlich geregelten Arten des Kaufes 95—97 2. Die nicht besonders geregelten Arten des Kaufes 98—123 a) K a u f zur Probe 98 b) K a u f auf Kondition 99 c) Lieferungskauf 100 d) Sukzessivlieferungsvertrag 101 102 e) Bezugs vertrag f ) Handkauf 103 g) Vinkulationskauf 104 h) Sicherungskauf 105 i) Hoffnungskauf 106 j) K a u f in Bausch und Bogen 107 k) Kreditkauf 108 1) K a u f auf Abruf 109 m) Spezifikationskauf 110 n) Selbsthilfeverkauf 111 o) Deckungskauf 112 p) Fixhandelskauf 113 q) K a u f auf Umtausch 114 r) K a u f unter Vorbehalt eines besseren Gebots 115 s) K a u f unter Rücktrittsvorbehalt bei unpünktlicher Kaufpreiszahlung 116 t) Wahlkauf 117 u) Abladegeschäft 118 v) Wechseldiskont 119 w) Ankaufsrecht 120 x) Automatenverkauf 121 y) Selbstbedienungskauf 122 z) K a u f nach Gewicht 123 V I . Die Vertragsgegenstände 1. Sachen a) Künftige Sachen b) Die dem Verkäufer nicht gehörenden Sachen 2. Rechte

124—139 125—127 126 127 128

9

§433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

3. Wirtschaftliche und rechtliche Lagen und Zustände a) Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile b) Mantelkauf c) Kauf der Rechte aus dem Meistgebot d) Kauf der Kundschaft e) Rezepte, Geschäftsgeheimnisse f) Arbeit und Dienste g) Praxisverkauf h) Künftige Rechte 4. Waren 5. Verpackung

. . . .

129—137 130 131 132 133 134 135 136 137 138 13g

V I I . Der Preis 1. Leistung an Erfüllungs Statt 2. Leistung erfüllungshalber 3. Der bestimmbare Preis 4. Die Preisbemessung a) fester Preis b) Markt- oder Börsenpreis c) laufender, ortsüblicher Preis d) Ladenpreis, kundenüblicher Preis e) angemessener Preis f) Preistaxen g) Zirka-Preis h) freibleibend i) Hausse (Baisse) Klausel k) Goldklausel 1) Umsatzpreis m) Listenpreis n) Zonenpreis 0) Das Wertverhältnis p) Beweislast q) Einschränkungen der Preisfreiheit

140—159 141 142 143 144—15g 144 145 146 147 148 14g 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159

V I I I . Die Verpflichtungen des Verkäufers

160—201

A. Beim Kauf von Sachen 1. Übergabepflicht a) Besitzkonstitut b) Abtretung des Herausgabeanspruchs c) Übergabe eines Traditionspapiers d) Ubergabe eines Frachtbriefduplikats e) beim Versendungskauf f) Der zweiseitige Akt . g) Die Ablieferung h) Die Ankunft 1) Grundstückübergabe k) beim Kauf von Holz auf dem Stamm 1) Fehlerfreiheit? 2. Eigentumverschaffungspflicht a) Übereignungswille b) Übereignung durch Erfüllungsgehilfen c) Eigentumsvorbehalt in Fakturenvermerken d) Nachwirkende Pflichten 3. Nebenpflichten des Verkäufers a) Auskunftspflicht b) Verwahrungspflicht

10

160—19g 161—172 162 163 164 165 166 167 168 16g 170 171 172 173—177 174 175 176 177 178—187 17g 180

Kauf. Tausch

§ 433 Anm.

c) Erhaltungspflicht d) Löschungspflicht

181 182

e) § 434 • • •

183

f ) Ausscheidungspflicht 184 g) Abwiegepflicht 185 h) Ermöglichung gefahrloser Wegnahme des Kaufgegenstandes . 186 i) Pflicht zu einwandfreier Erfüllung 187 4. Pflichten aus Nebenabreden 188—195 a) Versendungspflicht 189 b) Verpackungs-, Verladungspflicht 190 c) Eindeckungspflicht 191 d) Hindernisbeseitigungspflicht 192 e) Unterweisungspflicht 193 f) Unterlassung von Wettbewerb 194 g) Zurichtungspflicht 195 5. Pflichten beim Abschluß des Vertrages 196—199 a) Ermöglichung gefahrloser Kaufverhandlungen 196 b) Offenbarungs-, Aufklärungs- oder Anzeigepflicht 197 c) Pflicht zur Herbeiführung behördlicher Genehmigung . . . . 198 d) Schutz-, Fürsorge- und Erhaltungspflicht 19g B. Beim Verkauf von Rechten 200, 201 1. Allgemeines 200 2. Bei Rechten, die zum Besitz einer Sache berechtigen 201 I X . Die Verpflichtungen des Käufers 1. Zahlungspflicht a) Barzahlung b) Zahlung auf Konto c) Zahlung durch Akkrediv d) Vorauszahlung e) Zahlung durch Wechsel f ) Verrechnung 2. Abnahmepflicht a) Allgemeines b) Inhalt c) Vertraglicher Ausschluß d) Bei Nachbesserungspflicht des Käufers e) Zwangsvollstreckung 3. Abruf 4. Nebenpflichten des Käufers a) Verzinsung b) Verwendungsersatz c) Lastentragung d) Kosten von Abnahme und Versendung e) Aufbewahrungspflicht f) Rügepflicht g) Sicherungspflicht h) Beibringungspflicht i) Beim K a u f von Rechten X . Typische Nebenabreden 1. Herstellungs- und Ausbesserungspflicht des Verkäufers 2. Montage 3. Abgeltung durch Zahlung einer Prämie 4. Abgeltung durch Vertragsstrafe 5. Direkt- und Alleinverkauf

202—223 202—208 203 204 205 206 207 208 209—213 209 210 211 212 213 214 215—223 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224—256 224 225 226 227 228

11

§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1, 2 Anm.

6. Konkurrenzklausel 7. Verpackungsmaterial 8. Abreden über die Erfüllungszeit a) Erwartungsklausel b) Ankunftsklausel c) Abladegeschäft 9. Weitere Vertragsklauseln a) cif-Klausel b) fob c) verstärkte seemäßige Verpackung und fob d) netto Kasse gegen Faktura e) Kasse gegen Dokumente f) Kasse gegen Dokumente bei Schiffsankunft g) glückliche Ankunft des Schiffes vorbehalten h) Vorbehalt der Lieferungsmöglichkeit i) Ex ship, ab Kai k) ausgeliefertes Gewicht 1) „Beschlagnahme- und verwendungsfrei" m) frei Bestimmungsort n) Sicherstellung des Kaufpreises durch Akkreditiv o) Promptklausel p) Lieferung so schnell wie möglich q) Skonto r) Netto Kasse, rein netto s) force majeur t) Kriegsklausel u) Repartierungsklausel v) Sperrklausel w) laut Muster tel quel x) Arbitrageabrede X I . Erfüllungsort 1. bei Unmöglichkeit am Erfüllungsort 2. Fakturenvermerke über den Erfüllungsort 3. Maßgeblichkeit für das anzuwendende Recht 4. Bedeutung im interlokalen Privatrecht 5. bei Währungsveränderungen X I I . Zeit der Erfüllung

229 230 231—233 231 232 233 234—256 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257—261 258 259 260 261 262 263

I. Wesen des Kaufes Anm. 1 1 . A l l g e m e i n e s . Der Kauf ist wirtschaftlich Umtausch von Gütern (Waren und Rechten) gegen Geld (Preis). Daß der Kaufpreis in Geld bestehen muß, ist für den Begriff wesentlich. Das schließt die entsprechende Anwendung über den Kauf bei andersartigem Entgelt nicht aus, vgl. § 515. Eine entsprechende Anwendung ist vielfach vorgeschrieben (§§515, 651, 365, 757, 2182, 2376).

Anm. 2 2. U n t e r s c h i e d zu § 493. § 493 dagegen erfordert einen Vertrag, in dem der eine Teil die Verpflichtung übernimmt, dem andern Teil das Eigentum an einer Sache zu beschaffen, R G H R R 1930, 608. Dieser Fall liegt nicht vor, wenn der eine Teil dem anderen nur die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit verschaffen soll, das Grundstück eines Dritten in der Zwangsversteigerung zu erstehen, WarnRspr. 1915 Nr. 14. Auch die Abtretung des Rechts aus dem Meistgebot fällt nicht unter §§ 493, 459, J W 19«i> 533 3 , R G 150, 397; 157, 176.

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Kauf. Tausch

§433

A n m . 3—5

Anm. 3 3 . Beim K a u f a u f U m t a u s c h , der vor allem beim Kauf eines für einen Dritten bestimmten Geschenkes vereinbart wird, handelt es sich um einen einzigen unbedingten Kauf mit der Befugnis für Käufer oder vorgesehenen Dritten, die zunächst ausgesuchte Ware durch eine andere ersetzt zu erhalten.

Anm. 4 4. Ein K a u f v e r t r a g ü b e r e i g e n e S a c h e n u n d R e c h t e enthält in der Regel einen Vertrag über eine unmögliche Leistung, §§ 306 ff., R G J W 1924, 1360, vgl. auch unten Anm. 127. Denn, da der Verkäufer nach § 433 das Eigentum zu verschaffen hat, kann er diese Verpflichtung nicht erfüllen, wenn der Käufer das Eigentum bereits hat. Wirksam aber ist der K a u f des Besitzes d e r e i g e nen S a c h e , wie der gestohlenen und der zur Sicherung übereigneten Sache. Ebenso der Kauf der Sache aus einer Zwangsvollstreckung und einem Zwangsverkauf; es liegt hier die Loslösung aus der Beschlagnahme vor, oder aus sonstigen Verpflichtungen, §§ 371 Abs. 3, 373 Abs. 2 HGB. Ferner H G B §§ 376, 379, 388 Abs. 2, 391, 437 Abs. 2; § 179 Abs. 3 AktG. Nach der Strandungsordn. v. 17. 5. 74 (RGBl. 73) § 13 können leicht verderbliche Gegenstände vom Strandamt öffentlich verkauft werden, Käufer kann hier auch der Eigentümer des Strandgutes sein. Das Recht des Gläubigers, seine eigene Sache zu verwerten, die er unter Eigentumsvorbehalt einem Dritten übertragen hat, ist vielfach als Kauf der eigenen Sache betrachtet worden; tatsächlich löst sich der Verkäufer aber nur von der Anwartschaft des Vorbehaltkäufers, L e t z g u s , Die Anwartschaft des Käufers unter Eigentumsvorbehalt (1938) S. 4, 5 1 , 63, 86. E r w i r b t der A b z a h l u n g s v e r k ä u f e r die unter E i g e n t u m s v o r b e h a l t v e r k a u f t e S a c h e vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises im Wege der Zwangsvollstreckung oder auf Grund des § 825 ZPO, so liegt darin gemäß § 5 AbzG ein Rücktritt vom Kaufvertrage ( B G H 15, 1 7 1 ; 15, 241), es sei denn, daß der Käufer die Kaufsache in einer Weise genützt hat, daß sie unbenutzbar geworden ist, und ihm daher durch die Pfandverwertung eine Nutzungsmöglichkeit nicht entzogen wird ( B G H 22, 123; a. A. O s t l e r J R 1957, 252/54, der zu Unrecht die vom Käufer durch Abnutzung herbeigeführte Gebrauchsunfähigkeit der bei Ubergabe der Kaufsache fehlenden Gebrauchsfähigkeit gleichstellt). Daß eine A G i h r e e i g e n e n A k t i e n e r w i r b t , ist an sich eine Unmöglichkeit, da sie damit ihr eigenes Mitglied wird. § 65 AktG gestattet ihr aber den Erwerb eigener Aktien in den dort behandelten Ausnahmefallen. Anm. 5 5. D e r K a u f als s c h u l d r e c h t l i c h e r V e r t r a g . Der Kaufvertrag ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein rein schuldrechtlicher Vertrag, der beide Teile zu einer Leistung verpflichtet. Daß eine Partei keinen Einfluß auf die nähere Ausgestaltung der Vertragsbedingungen hat und die vom Vertragspartner gesetzten Bedingungen im ganzen annehmen muß, steht der Annahme eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses nicht entgegen, O L G Bremen BB 1953, 455. Bis der Verkäufer erfüllt hat, bleibt das Eigentum an der verkauften Sache noch unbeschränkt bei ihm. Er kann die verkaufte Sache, weil und solange er noch ihr Eigentümer ist, an einen Dritten übereignen. Dieser erwirbt das Eigentum, selbst wenn er um den ersten Verkauf weiß. Da das Schuldverhältnis grundsätzlich nur unter den Vertragsparteien wirkt und gegen Dritte keine rechtlich geschützte Stellung erzeugt, erlangt der Käufer aus dem Kaufvertrag keinen Anspruch gegen den Dritten, dem der Verkäufer vertragswidrig die Sache übereignet. Der Käufer kann sich gegen die Nichteinhaltung der Verpflichtung des Verkäufers nur durch eine einstweilige Verfügung nach ZPO § 935 oder durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch schützen. Nach früheren deutschen Partikularrechten, z. B. nach dem A L R , I 19, 5, 6 erzeugte der Kaufabschluß ein Recht zur Sache, ius ad rem, das sich gegenüber dem bösgläubigen Dritterwerber durchsetzte. Ein solches Recht kennt das Bürgerliche Gesetzbuch nicht (Mot. 2, 2; R G 57, 356/7; 103,420; WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 322). Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Käufer in der Regel auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer beschränkt; nur unter den Voraussetzungen

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§ 433 A n m . 6—8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

des § 826 hat der Käufer einen Schadensersatzanspruch gegen den Dritterwerber; gemäß § 249 geht dieser Anspruch auf Herausgabe der Kaufsache, falls der Käufer sie ohne das Schadensereignis unmittelbar vom Verkäufer erlangt hätte ( R G 108, 58 gegen R G !03, 4I9)Anm. 6 6. K a u f u n d E r f ü l l u n g s g e s c h ä f t sind g e t r e n n t e G e s c h ä f t e . Diese Trennung ist für das Wesen des Kaufs wichtig. Das Bürgerliche Gesetzbuch abstrahiert den sachenrechtlichen Vorgang, dem Eigentumsübergang, vom schuldrechtlichen Grundgeschäft und macht den rechtlichen Bestand beider Geschäfte von einander unabhängig. Es unterscheidet zwei Verträge: den rein schuldrechtlichen Kaufvertrag und den dinglichen Vertrag, durch den das Eigentum der Sache auf den Käufer übertragen und die schuldrechtliche Verpflichtung erfüllt wird. Der gemeinsame Abschluß eines Kaufvertrags erzeugt daher nicht notwendig auch gemeinschaftliches Eigentum, R G J W 1926, 206. Der Kaufvertrag bringt kein Ab- und Aussonderungsrecht im Konkurse. Anm. 7 Im täglichen Leben pflegt man Kauf und Eigentumsübergang jedoch nicht streng zu trennen. Insbesondere beim sog. B a r - oder H a n d k a u f , wie er meist im L a d e n vorgenommen wird und bei dem die Ubergabe der Kaufsache und die Zahlung des Kaufpreises sofort im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kaufabschluß erfolgen, wird die gesetzliche Unterscheidung in einen schuldrechtlichen und einen dinglichen Vertrag als gekünstelt und der natürlichen Rechtsanschauung widersprechend angesehen. Es wird gesagt, die Volksanschauung empfinde den Kauf als Einheit, bestehend aus Vertrag und Leistung, und deshalb entspreche es dem Parteiwillen, für beide Teile des Kaufvorganges eine einheitliche Grundlage anzunehmen. Im Zweifel sei jedenfalls in diesem Sinne ein Kaufvertrag auszulegen, auch sei eine solche stillschweigende Vereinbarung möglich. Nur wo das Gesetz für die Leistung eine besondere Vertragsform vorschreibt, wie beim Grundstücksverkehr, sei dies ausgeschlossen. Hierzu die Ausführungen von L a r e n z , Vertrag und Unrecht I. Teil S. 26 und S c h u b e r t , Dtsches Kaufrecht (1937) Anm. 9; L a n g e , Abstraktes od. kausales dingl. Rechtsgeschäft, D R 1936, 485; H e c k , Das abstrakte dingl. Rechtsgeschäft (1937) Rechtsvergleichung S. 48; B r e g h a n , Abstrakte Ubereignung u. Parteiwille in der Rechtsprechung (1929). Dagegen für die Beibehaltung der Trennung eines abstrakten Rechtsaktes M a n i g k , Neubau des Privatrechts (1938) S. 76ff., E n n e c c e r u s / L e h m a n n § 101 I. Das Gesetz zwingt dazu, die von ihm vorgeschriebene Trennung von Rechtsgrundgeschäft und Erfüllungsgeschäft durchzuführen (so auch L a r e n z , Schuldrecht, 2. Aufl. § 35 I I a—d). Das V e r k e h r s b e d ü r f n i s erfordert die Unabhängigkeit des dinglichen Erfolgs vom Schuldgrund schon zum Schutze des guten Glaubens beim Erwerb. Aber auch eine Rechtsvereinfachung tritt nicht ein: Ist über den Ladentisch hinweg mit falschem Geld bezahlt oder versehentlich nicht die gekaufte Ware übergeben worden, so ist doch ein Kauf zustandegekommen und der Erfüllungsanspruch gegeben. Anm. 8 In einzelnen Hinsichten ist es allerdings gerechtfertigt, Kauf und Ubereignung der Kaufsache als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln: Für die Gläubigeranfechtung im Konkurse (§§ 29ff. KO) und außerhalb des Konkursverfahrens (AnfG v. 2 1 . 7 . 79) sind Grundgeschäft und Erfüllungsgeschäft zwar begrifflich zu trennen, in der Regel bilden aber beide Geschäfte als Einheit den Benachteiligungsvorgang ( J a e g e r , K O , § 29 Anm. 3 1 ; derselbe: Die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkurses (1938) § 1 AnfG Anm. 37; J a e g e r / L e n t , K O § 29 Anm. 1 7 ; R G 88, 2 1 7 ; 116, 136). Im allgemeinen hat die Unsittlichkeit des Schuldgrundgeschäfts die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts wegen dessen abstrakter Natur nicht zur Folge; werden aber mit dem dinglichen Vorgang unsittliche Zwecke verfolgt oder liegt in ihm die Unsittlichkeit begründet, so ist auch das dingliche Geschäft nichtig ( R G 145, 152; E n n e c c e r u s / N i p p e r d e y § 178 II, 3). In Fällen solcher Art gehören Schuldgrundgeschäft und dinglicher Erfüllungsakt zusammen. Grundsätzlich dagegen sind Verpflichtung und Erfüllung von einander unabhängige Rechtsgeschäfte, B G H J Z 1951, 782. (Vgl. auch unten Anm. 46.)

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Kauf. Tausch

§433 A n m . 9—14

II. D e r Kauf a l s R e c h t s g e s c h ä f t Anm. 9 Als Rechtsgeschäft unterfallt der Kauf zunächst den allgemeinen Vorschriften des BGB über diese. Sie haben jedoch wie alle allgemeinen Normen nur subsidiäre Geltung. A n m . 10 A . Die Willenserklärung Ein Rechtsgeschäft erfordert eine Willenserklärung. Dazu gehört der Wille, eine Rechtswirkung zu erzielen, RG 68, 322. Es gilt das objektiv Erklärte. A n m . 11 1. Erforderlich ist G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t , § 104, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vorliegen muß. Ein von einem Geschäftsunfähigen abgeschlossener Kaufvertrag ist nichtig, § 105, selbst wenn er für den Geschäftsunfähigen vorteilhaft ist, RG J W 1915, 570. Die Nichtigkeit wird auch nicht durch etwaige spätere Genehmigung des gesetzlichen Vertreters beseitigt und tritt auch dann ein, wenn festzustellen ist, daß der Vertragschließende bei geistiger Gesundheit denselben Vertrag abgeschlossen hätte (bestritten). Ist die Geschäftsunfähigkeit beim Abschluß des Kaufvertrags, nicht aber bei seiner Erfüllung vorhanden, so ist nur der Abschluß, nicht das Erfüllungsgeschäft nichtig, und umgekehrt. Nur wenn zu beiden Zeitpunkten die Geschäftsunfähigkeit vorliegt, sind Abschluß und Erfüllung nichtig. A n m . 12 2. Bei b e s c h r ä n k t e r G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t bleibt die rechtliche Wirkung der Willenserklärung, sofern diese Wirkung dem Erklärenden nicht nur einen rechtlichen Vorteil bringt, § 107, in der Schwebe, bis die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erfolgt oder als verweigert anzusehen ist, § 108. Bei der Frage, ob die Willenserklärung einen rechtlichen Vorteil bringt, ist die juristische Natur des Geschäfts, nicht sein wirtschaftlicher Erfolg entscheidend. Nicht lediglich vorteilhaft ist die Annahme der geschuldeten Leistung als Erfüllung, da damit der Anspruch auf die Leistung erlischt. Wirksam ist dagegen die Übereignung beweglicher Sachen an einen Minderjährigen auf Grund unwirksamen Kausalgeschäfts, es sei denn, daß die Übereignung nur für den Fall gewollt ist, daß den Verkäufer eine Übereignungspflicht trifft (KG O L G 22, 126). Eine Kaufofferte kann gegenüber einem Minderjährigen wirksam abgegeben werden (§ 131 Abs. 2 Satz 2), da er durch die Bindung des Offerenten eine unentziehbare Befugnis und damit einen rechtlichen Vorteil erlangt. Ist die Ehefrau in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf es der Genehmigung ihres gesetzlichen Vertreters nicht, wenn sie wie bei Käufen innerhalb ihrer Schlüsselgewalt nach § 1357 als Vertreterin ihres Ehemannes handelt, der dann unmittelbar durch sie verpflichtet wird, § 165. Bis zur Genehmigung des Kaufvertrags, der von einem in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Käufer oder Verkäufer abgeschlossen wurde, kann der andere Teil den Kaufabschluß widerrufen, § 109. A n m . 13 3. Widerruflich (§ 178) ist auch der o h n e V e r t r e t u n g s m a c h t abgeschlossene Kauf. Dieses Widerrufsrecht besteht nicht bei wider die Vorschriften der §§ 456 und 457 abgeschlossenen Käufen. A n m . 14 4. G e h e i m e r V o r b e h a l t und S c h e i n e r k l ä r u n g machen den Kauf nichtig. Ist das Scheingeschäft dazu bestimmt, RG 77, 403, ein anderes, wirklich gewolltes Geschäft zu verdecken, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung, also, wenn ein Geschenkversprechen durch einen Kaufvertrag verdeckt werden soll, § 518 Abs. 1 Satz 1 (RG 87, 301). Ist in einem Grundstückskauf der Kaufpreis unrichtig beurkundet, so gilt das verdeckte Rechtsgeschäft ( § 1 1 7 Abs. 2); bedarf dieses einer Form, fehlt es aber daran, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft nach § 125

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§ 433 A n m . 15—17

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

nichtig, R G 87, 301. Nach § 4 der V O über die Preisüberwachung und die Rechtsfolgen von Preisverstößen im Grundstücksverkehr v. 7. 7. 42 (RGBl. I 4 5 1 ; B G H 11, 90) gilt jedoch« das beurkundete Entgelt als vereinbart, wenn die Parteien in einem nach dem Inkrafttreten des Preiserhöhungsverbots (18. 10. 36, PrStopVO v. 26. 11. 36, RGBl. I 955) geschlossenen Vertrag die Vertragsteile in Täuschungsabsicht ein geringeres als das vereinbarte Entgelt haben beurkunden lassen. Es genügt, daß die Parteien nur die Absicht gehabt haben, irgend eine Behörde über den in Wahrheit vereinbarten Preis zu täuschen (OGH 1, 77; 4, 63), z. B. daß der Kaufpreis unrichtig beurkundet wird, u m Steuern zu sparen, RG 171, 22. A n m . 15 5. Das T r e u h a n d g e s c h ä f t , das in vielen Spielarten vorkommt, ist dagegen nicht mangels Offenkundigkeit zu beanstanden; es ist auch kein Scheingeschäft (RG 133, 87; B G H 21, 378, 381; über verdeckte und offene Treuhandschaft B G H 10, 49), da der über das wirtschaftlich Gewollte hinaus erstrebte rechtliche Erfolg wirklich gewollt ist. Zu einem Treuhandverhältnis gehört, daß der eine (Treugeber) einen bisher auch rechtlich zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstand einem anderen (Treuhänder) zu treuen Händen anvertraut, also mit der Bestimmung übereignet, daß der andere das übertragene Recht zwar im eigenen Namen ausüben solle, es aber nicht zu seinem Vorteil solle gebrauchen dürfen. Nur da, wo das Treugut zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich aus dem Vermögen des Treugebers ausscheidet, kann von einem Treuverhältnis die Rede sein. Anders, wenn jemand einen Gegenstand nur für Rechnung und im Interesse eines anderen als stiller Stellvertreter für diesen von einem Dritten erworben hat und infolge des Vertretungsverhältnisses dem anderen nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des erworbenen Vermögensgegenstandes zusteht (RG 138, 87). A n m . 16 6. Beim I r r t u m ist zweierlei zu unterscheiden: a ) Der Irrtum beruht auf einer falsehen Vorstellung, die ein Element für die Willensbildung ist. So die Annahme, ein gekauftes Gemälde sei ein Originalgemälde von Rubens, während es eine Kopie ist, das Gemälde sei von Jakob J . van Ruisdael, während es von Jakob S. van Ruisdael stammt. Es handelt sich hier um einen I r r t u m i m B e w e g g r u n d , der sich auf dem Wege der Willensbildung einschleicht. Dieser grundsätzlich unbeachtliche Irrtum wird vom Gesetz dann als beachtlich anerkannt, wenn er wesentliche Eigenschaften der Sache betrifft, § 1 1 9 Abs. 2. Dies muß bei den angeführten Beispielen angenommen werden, wenn die Urheberschaft der Gemälde zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden ist. Anfechtbar ist auch der durch eine T ä u s c h u n g hervorgerufene Irrtum im Beweggrund, § 123 Abs. 1. V o r d e r Ü b e r g a b e der Kaufsache ist die Anfechtung wegen Irrtums immer möglich; n a c h d e r U b e r g a b e kann der Käufer wegen eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der Kaufsache nicht anfechten, da er insoweit die Gewährrechte hat (vgl. §459 Anm. 40). Sind die Parteien bei Abschluß eines Vertrages von einer irrigen Voraussetzung ausgegangen und wäre der Vertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht geschlossen worden, dann verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei die andere an diesem Vertrag festhalten will, R G 108, 1 1 0 ; 122, 203; 126, 243; 153, 358; B G H L M Nr. 1 zu § 242 BGB (Bd.). Umstände, die nur mittelbar den Wert eines Gegenstandes bestimmen, gehören nicht zu den verkehrswesentlichen Eigenschaften im Sinne des § 1 1 9 Abs. 2, RG 149, 239; auch der Wert eines Gegenstandes fällt nicht unter § 119 Abs. 2, RG LZ 1926, 742; H R R 1932, 224; B G H 16, 57; L M Nr. 2 zu § 779 BGB. A n m . 17 b) Der Irrtum schleicht sich nach irrtumsfrei gefaßtem Willensentschluß, bei der Abgabe der Erklärung des Willens ein ( E r k l ä r u n g s i r r t u m ) . Der Erklärende will eine Erklärung eines Willens solchen Inhalts nicht abgeben, verspricht oder verschreibt sich, § 1 1 9 Abs. 1, im Grundstückskaufvertrag wird versehentlich ein falscher Käufer ange-

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Kauf. Tausch

§433 A n m . 18—21

geben, BayObLG J W 1926, 2643, er sagt Pfund statt Kilogramm, oder irrt über die Bedeutung der von ihm gewollten und abgegebenen oder empfangenen Erklärung, etwa aus Unkenntnis der Sprache, der geschäftlichen Ausdrücke, der Mehrdeutigkeit der gebrauchten Bezeichnung im Rechtsverkehr. Der Irrtum in der Erklärungshandlung berechtigt nach § 119 Abs. 1 zur Anfechtung; der Irrende muß aber demjenigen, der auf die Erklärung vertraute, den dadurch entstandenen V e r t r a u e n s s c h a d e n ersetzen (§ 122). Der Geschädigte kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden haben würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte — negatives Vertragsinteresse — (RG 170, 284); hierunter fallen Aufwendungen für Verpackung, Versendung, Aufbewahrung der gekauften Ware, RG 59, 157; WarnRspr. 1913, 373; SeuffArch. 62, 131; WarnRspr. 1933, 173. Das negative Vertragsinteresse kann zwar mit dem positiven Erfüllungsinteresse zusammenfallen (RG 147, 110), nicht aber darüber hinausgehen (RG 170, 284). A n m . 18 7. Der unrichtig erklärten steht die u n r i c h t i g ü b e r m i t t e l t e Erklärung gleich, § 120. Wer sich zur Übermittlung der Erklärung einer Zwischenperson bedient, muß die Erklärung gegen sich gelten lassen, so wie sie über bracht worden ist; sie kann aber unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden, wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung. Übermittlung liegt vor, wenn sie durch den Mund eines Boten oder durch den Telegrafen geschieht, nicht aber bei einer fernmündlichen Erklärung, die unmittelbar und ohne Zwischenperson von Person zu Person erfolgt; auch nicht, wenn der Bote nur Träger und Bringer einer schriftlichen Erklärung ist. A n m . 19 8. Vom Irrtum nach §119 ist der E i n i g u n g s m a n g e l nach § 155 zu unterscheiden, RG H R R 1938, 365. Ein Kaufvertrag ist nicht schon dann abgeschlossen, wenn die Parteien sich über die Ware und den Preis geeinigt haben, sondern erst dann, wenn eine Einigung auch über die Punkte erzielt ist, auf die auch nur eine Partei Wert legt; was im einzelnen Gegenstand der Vereinbarung sein soll, entscheidet sich nicht allein nach der Natur des Geschäfts oder der Bedeutung des in Betracht kommenden Vertragspunktes, sondern nach dem ausdrücklich oder schlüssig erklärten Willen jeder einzelnen Vertragspartei (BGH W M 1955, 970). A n m . 20 9 . Wer zum Abschluß eines Kaufvertrages durch a r g l i s t i g e T ä u s c h u n g oder widerrechtlich durch D r o h u n g bestimmt worden ist, kann den Vertrag anfechten (§ 123). Täuschung und Drohung müssen für den Vertragsschluß ursächlich geworden sein. Bei der Drohung muß außerdem ihr Zweck auf die Herbeiführung einer Willenserklärung gerichtet sein; daran fehlt es, wenn jemand einen Revolver kauft, weil er einen Überfall auf sich erwartet, L a r e n z , Vertrag und Unrecht I, 55. Der Verkäufer eines gebrauchten, verunglückten Kraftwagens begeht eine arglistige Täuschung, wenn er den Unfall bagatellisiert (BGH M D R 1955, 26). Die bloße Absicht, einen Kaufvertrag nicht zu erfüllen, reicht im allgemeinen zur Täuschungsanfechtung nicht aus; Ausnahmefälle sind aber denkbar (RG D R 1941, 201; B G H L M Nr. 12 zu § 123 BGB). Uber arglistige Täuschung bei Kaufkredit B G H 20, 36. B. Die unerlaubten Kaufverträge A n m . 21 1. G e s e t z e s v e r s t o ß Der V e r s t o ß g e g e n e i n g e s e t z l i c h e s V e r b o t kann das Rechtsgeschäft nichtig machen. Die Verurteilung zu einer verbotenen Leistung ist unzulässig (RG 143, 312; 168, 11). Ein Vertrag, der für den Fall abgeschlossen ist, daß ihm kein gesetzliches Verbot mehr entgegensteht, ist wirksam und nur von der Aufhebung des Verbots abhängig (RG 138, 55; OGH 3, 60). I

Komm. 2. BGB, Ii. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 433 A n m . 22—26

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anra. 22 a) Aber nicht jedes Verbotsgesetz fallt unter § 134. Insbesondere Verstöße gegen bloße p o l i z e i l i c h e V e r b o t e , z. B. gegen Ladenschluß oder Sonntagsruhe (Gesetz über den Ladenschluß v. 28. 1 1 . 56, BGBl. I 875; ÄndG v. 17. 7. 57, BGBl. I 722) haben keine Nichtigkeit zur Folge. A n m . 23 b) Gegen §§ 456—458 verstoßende Käufe sind nicht nichtig, sondern genehmigungsbedürftig. A n m . 24 c) Auch Geschäfte, die ein gesetzliches Verbot zu umgehen suchen ( U m g e h u n g s g e s c h ä f t e ) , können nichtig sein. Bedarf ein Kaufvertrag zu seiner Wirksamkeit einer behördlichen Genehmigung und ist diese erschlichen, so ist der Vertrag nichtig (BGH W M 1956, 1265). A n m . 25 d) V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t e berühren nur die Erfüllbarkeit, können aber auch (z. B. nach § 306) Bedeutung für die Wirksamkeit des Kaufgeschäfts haben. Die Unübertragbarkeit von Rechten stellt nicht ohne weiteres ein absolutes Verbot dar, es kann auch ein relatives Verbot gemeint sein, das nur bestimmte Personen schützen soll, R G 92, 400. So enthält § 514 Satz 1 über das unübertragbare persönliche Vorkaufsrecht an einem Grundstück nur ein relatives Veräußerungsverbot, R G 148, 105, 110, 1 1 2 . Nichtig ist in der Regel ein Rechtsgeschäft, bei dem sich das Verbot gegen beide Teile gleichmäßig richtet, sowohl den Verkauf als den Kauf untersagt, R G 60, 276; 78, 353; 100, 23g; 102, 321. Doch auch diese Regel gilt nicht ausnahmslos. Nach § 30 der DV zum Ges. über das Versteigerungsgewerbe v. 30. 10. 34 (RGBl. I 1091) sind die in Abs. 1 unter 1—5 aufgeführten Handlungen nur den Versteigerern verboten; die unter Nr. 5 genannten Geschäfte sind jedoch nichtig, freilich nur relativ und nicht zum Nachteil dessen, der die Nichtigkeitsgründe nicht kannte oder kennen mußte (Abs. 2). Auch § 7 des AbzG macht zwar nur das Verhalten des Verkäufers strafbar, richtet sich aber gegen das Geschäft selbst und macht dieses nach § 134 nichtig, C r i s o l l i , Abzahlungsgeschäft, Anm. 45 zu § 7. Anders das Verbot des § 56 a Nr. 4 GewO, das sich nur gegen das Feilbieten richtet und keine Nichtigkeit zur Folge hat. A n m . 26 e) W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n . Durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. 7. 57 (BGBl. I 1081) sind die alliierten Dekartellierungsbestimmungen außer Kraft gesetzt worden. Die dazu ergangene Rechtsprechung ist, von einzelnen Grundsätzen abgesehen, überholt. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bemüht sich um die Sicherstellung der Wettbewerbsfreiheit. Unabhängig von ihm gelten die zivilrechtlichen Vorschriften weiter. Seine Anwendung kann sich insbesondere wegen Eingreifens der §§ 138, 826 BGB erübrigen. Aus ihm sind für das Kaufrecht vor allem folgende Regeln zu beachten: Kartellverträge und Kartellbeschlüsse, die geeignet sind, die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen, sind unwirksam, soweit sie nicht die einheitliche Anwendung allgemeiner Geschäfts-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen einschließlich der Skonti, den Export oder Rabatte betreffen (§§ 1, 2, 3, 6) oder sonst erlaubt werden können (vgl. § 4 — Krisenkartell —, § 5 — Rationalisierungskartell —, § 8 Generalklausel) und die Kartellbehörde nicht wegen mißbräuchlicher Ausnutzung der durch diese Freistellungen erlangten Stellung im Markt von § 12 Gebrauch macht. Nach § 15 sind vertikale Verträge, soweit sie einen Vertragsbeteiligten in der Gestaltung von Preisen und Geschäftsbedingungen bei Verträgen beschränken, die er mit Dritten über die gelieferten Waren, über andere Waren oder über gewerbliche Leistungen schließt, nichtig. § 15 verbietet nicht nur Bindungen des Käufers, sondern auch Bindungen, die der Käufer dem Verkäufer auferlegt, wie z. B. die Vereinbarung, daß der Verkäufer

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K a u f . Tausch

§433

Anm

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seine Waren an andere K ä u f e r nur zu bestimmten Preisen verkaufen darf. Für Markenartikel und Verlagserzeugnisse läßt § 16 die vertikale Preisbindung zu; die Ausnahme bezieht sich aber nur auf die Vereinbarung bestimmter Preise, während alle sonstigen Bindungen unter das Verbot des § 1 5 fallen. Die Kartellbehörde kann unter den Voraussetzungen des § 18 Verträge zwischen Unternehmen über Waren oder gewerbliche Leistungen für unwirksam erklären und die Anwendung einer neuen gleichartigen Bindung verbieten, soweit sie einen Vertragsbeteiligten in einer dort in Ziff. 1 — 4 bestimmten Weise beeinträchtigen. Verträge über den Erwerb oder die Benutzung von Patenten, Gebrauchsmustern oder Sortenschutzrechten und Verträge über die Uberlassung und Benutzung gesetzlich nicht geschützter Erfindungsleistungen, Fabrikationsverfahren und Konstruktionen unterliegen der Sonderregelung der §§ 20, 2 1 . Die K a r tellbehörde kann Verträge, durch die marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktstellung beim Fordern und Anbieten von Preisen, bei der Gestaltung von Geschäftsbedingungen oder zu nicht handelsüblichen Kopplungsgeschäften mißbrauchen, für unwirksam erklären (§ 22). Insbesondere dürfen marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, nicht unbillig behindern (Behinderungsverbot) oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln (Diskriminierungsverbot) — § 26 Abs. 2 •—. Wettbewerbsbeschränkendes und diskriminierendes Verhalten ist nach Maßgabe des § 25 verboten. Das gilt insbesondere für Liefersperren und Bezugssperren. § 26 Abs. 1. I m B o y k o t t ( B G H 19, 72) kann eine verbotene unterschiedliche Behandlung (§ 26) oder eine nach § 38 Abs. 2 verbotene Empfehlung liegen. M o n o p o l u n t e r n e h m e n sind marktbeherrschende Unternehmen (§ 22 Abs. 1) und unterliegen den f ü r marktbeherrschende Unternehmen geltenden Bestimmungen (§ 22 Abs. 3, 4). Darüber hinaus kann die Ausnutzung einer Monopolstellung sittenwidrig sein (vgl. Anm. 38). E n e r g i e v e r s o r g u n g s v e r t r ä g e mit Einzelabnehmern sind bei Netzumstellungen kündbar, B G H N J W 1957, 1 1 0 6 , und unterliegen nicht der Kündigungsbeschränkung des § 105. Ein Vertrag, durch den sich ein Gastwirt im Rahmen eines Darlehnsabkommens verpflichtet, seinen gesamten Bierbedarf bei einer bestimmten Brauerei oder bei einem bestimmten Bierhändler zu decken — B i e r l i e f e r u n g s v e r t r a g — ( B G H N J W 1952, 344), unterliegt jetzt dem § 18 (vgl. auch Anm. 38). Die in einem Lizenzvertrag übernommene Verpflichtung, das Schutzrecht nicht anzugreifen ( N i c h t a n g r i f f s a b r e d e , B G H 10, 22), ist gültig, § 20 Abs. 2 Nr. 4. V e r t i k a l e P r e i s b i n d u n g e n sind bei Markenwaren und Verlagserzeugnissen zulässig (§ 16); bei Markenwaren bedürfen sie zu ihrer Wirksamkeit der Anmeldung beim Bundeskartellamt und der schriftlichen Bestätigung des Eingangs ( § 1 6 Abs. 4). M i t derartigen Preisbindungen g e k o p p e l t e A b s a t z b i n d u n g e n unterliegen dem § 18. Die Großhändlern von Markenschokolade auferlegte Verpflichtung, nicht an Straßenhändler weiterzuverkaufen, ist keine unbillige Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit, B G H BB 1958, 214. A n m . 27 f ) P r e i s s t o p w i d r i g e K a u f v e r t r ä g e . Kaufverträge, die gegen die PreisstopVO v. 26. 1 1 . 26 ( R G B l . I 955) verstießen, wurden, wenn sie bewegliche Sachen betrafen, als zum zulässigen Preis abgeschlossen und nur zum darüber hinaus vereinbarten Preis als nach § 134 nichtig angesehen ( R G D R 1939, 1633). Grundstückskaufverträge, die nicht die nach dieser V O erforderliche Genehmigung fanden, waren nichtig; sie wurden also nicht erst ungültig, wenn die Preisbehörde das vereinbarte Entgelt beanstandete (RG 166, 89; 168, 9 1 , 96). Hiervon geht auch die Grundstückspreis V O v. 7. 7. 42 (jetzt idF der V O P R Nr. 75/52 v. 28. 1 1 . 52, BGBl. I 792) aus. Nicht die Beanstandung der Preisbehörde führt die Nichtigkeit herbei, sondern die Preisüberschreitung ist der Grund der Nichtigkeit. Die Entscheidung der Preisbehörde, daß das Entgelt gegen den Preisstop verstößt, hat lediglich klarstellende Bedeutung. Erklärt sich der Verkäufer mit dem von der Preisbehörde als zulässig bezeichneten Preis einverstanden oder wird dieses Einverständnis im Klageweg erstritten, so bleibt der Kaufvertrag un2'

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§ 433 A n m . 28

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

wirksam; kraft gesetzlicher Fiktion gilt dann ein hinsichtlich der Preisabrede von dem nichtigen Vertrag abweichender, im übrigen aber ihm inhaltsgleicher Vertrag mit rückwirkender Kraft als abgeschlossen. Die Preisbehörde kann allerdings auf Grund der in § 3 der PreisstopVO erteilten Ermächtigung eine Ausnahmebewilligung erteilen; in diesem Falle wird der nichtige Vertrag rückwirkend wirksam ( R G D R 1944, 26, 28; B G H 14, 1 , 3 ; W M 1958, 642). Für den Verkehr mit bebauten Grundstücken ist die GrundstückspreisVO durch die V O P R Nr. 75/52 v. 29. 1 1 . 52, BGBl. I 792 aufgehoben worden. Sie gilt auch nicht mehr bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken gleichviel welcher Art (VO P R Nr. 1/55, BAnz. 1955 Nr. 75), ist dagegen noch für die Veräußerung unbebauter Grundstücke maßgebend. Die GrundstückspreisVO gilt auch für die Übertragung von Erbbaurechten, B V G N J W 1954, 1132. Die gegen die §§ 4, 5 dieser V O erhobenen Gültigkeitsbedenken sind unbegründet, B G H 11, 90; W M 1957, 1544. Eine Genehmigung nach dem WohnsiedlungsG gilt zugleich als Unbedenklichkeitsbescheinigung der Preisbehörde (§ 1 Abs. 3 Satz 2 der GrundstückspreisVO, B G H 19. 3. 58 V Z R 62/57. War ein Kaufvertrag über ein Grundstück vor dem Inkrafttreten der Preisfreigabeanordnung v. 25. 6. 48 (WiGBl. 61) der Preisbehörde noch nicht vorgelegt worden, so wurde er auf Grund der in dieser Anordnung ausgesprochenen Freistellung von der Preisbindung voll wirksam, wenn das vereinbarte Entgelt etwa den zulässigen Preis überschritten hatte, B G H W M 1958, 642. Beim Verkauf beweglicher Sachen steht § 817 Satz 2 der R ü c k f o r d e r u n g des U b e r p r e i s e s entgegen ( B G H 8, 348, 368fr.). Der Ausschluß der Rückforderung widerstreitet allerdings Sinn und Zweck der Preisvorschriften, denn auf diese Weise behält der Verkäufer gerade das, was er nach dem Gesetz nicht erlangen durfte. Stärker ist aber die Erwägung, daß § 8 1 7 Satz 2 unterschiedslos die Rückforderung des sitten- oder verbotswidrig Geleisteten ausschließt, daß das staatliche Interesse an der Preissicherung für die Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit der Vorschrift keine Rolle spielt und daß demjenigen, der bewußt ein verbotenes Geschäft vornimmt und sich damit außerhalb der Rechtsordnung stellt, der staatliche Rechtsschutz versagt ist ( B G H 8, 372fr.; O G H 4, 62fr.; O L G Braunschweig H E Z 2, 177; R a i s e r J Z 1951, 719). Richtig auch K G J R 1951, 657, das dem Käufer die Rückforderung versagt, wenn er den zum Uberpreis gekauften Gegenstand weiter verkauft, hierbei den Uberpreis auf seinen Abnehmer überwälzt und damit den unzulässigen Preis aufrechterhält. § 817 Satz 2 ist dagegen bei preisstopwidrigen Grundstücksverkäufen nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 5 V O v. 7. 7. 42 nicht anzuwenden, es sei denn, daß selbst das beurkundete Entgelt nicht genehmigt und die Unwirksamkeit des Vertrages nicht nach § 2 Abs. 2 dieser V O geheilt wird ( B G H M D R 1955, 280). Die Anwendung des § 5 V O v. 7. 7. 42 wird dagegen nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Verkäufer zum Abschluß des Schwarzgeschäfts durch die Vorspiegelung des Käufers über seine Bereitschaft, den Mehrpreis zu zahlen, oder durch dessen Zusicherung, er könne die befürchteten Folgen des Schwarzkaufs abwenden, bewogen wurde, B G H W M 1957, 1544. Hat § 817 Satz 2 außer Anwendung zu bleiben, so gilt auch bei beiderseits bewußtem Verstoß gegen die Preisvorschriften für die Gewähr des über dem Stoppreis liegenden nicht beurkundeten Teil des Entgelts des Grundstücks die verschärfte Haftung des § 819 Abs. 2, B G H Betrieb 1958, 835. A n m . 28 Es bestehen nur noch wenige P r e i s b i n d u n g e n und andere dem P r e i s s c h u t z und der P r e i s b i l d u n g dienende Vorschriften. Der Marktschutz ist auf die Tatbestände des § 1 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (BGBl. I 175 idF v. 19. 12. 56, BGBl. I 924) beschränkt. Auf dem Gebiete der P r e i s r e g e l u n g gilt dagegen die Blankettvorschrift des § 2 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954, und gegen Preisüberhöhungen wendet sich der § 2a des ÄndGesetzes v. 19. 12. 56. Es kann die Einziehung und die Abführung des Mehrerlöses angeordnet werden; statt der Abführung des Mehrerlöses kann auf

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Kauf. Tausch

§433 A n m . 29—31

A n t r a g des Geschädigten auch die Rückerstattung des Mehrerlöses a n ihn angeordnet werden, wenn „sein Rückforderungsanspruch gegen d e n T ä t e r begründet erscheint" (§§ 7 ff- Wirtschaftsstrafgesetz 1954). D a m i t wird zur zivilrechtlichen Seite der Rückf o r d e r u n g nichts bestimmt. A n m . 29 Die Preisbehörden sind nicht befugt, d u r c h bloßen Verwaltungsakt verbindliche Bestimmungen nach A r t eines Zwangsvertrages oder eines Erfüllungszwanges zu treffen oder ä n d e r n d in einen V e r t r a g einzugreifen, R G 168, 97. Die P r e i s g e n e h m i g u n g , eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis, kann nicht in bestehende Verträge preisändernd eingreifen u n d gibt nicht schon f ü r sich, sondern n u r in V e r b i n d u n g mit einem Vertrage, einen Anspruch auf Z a h l u n g des freigegebenen Preises. Die F e s t s e t z u n g v o n P r e i s e n ist gleichfalls ein öffentlich-rechtlicher A k t : er erlaubt u n d verbietet zugleich. Die Festsetzung eines H ö c h s t p r e i s e s gestattet, ein Entgelt bis zur zugelassenen H ö h e also auch d a r u n t e r , zu vereinbaren, zu zahlen u n d a n z u n e h m e n , u n d verbietet, d a r ü b e r hinauszugehen, B e t t e r m a n n M D R 1951, 528ff. Die Bedeutung des F e s t p r e i s e s liegt in seiner U n a b d i n g b a r k e i t ; das Wesen des M i n d e s t p r e i s e s besteht darin, d a ß er nicht unterschritten werden darf, D O G N J W 1950, 540. A n m . 30 N a c h der V O v. 6. 4. 44 (RGBl. I 98), die rechtsgültig ist ( B V e r w G N J W 1958, 882), besteht eine P r e i s a u s z e i c h n u n g s p f l i c h t . N u r „sichtbar ausgestellte W a r e n " sind d u r c h Preisschilder auszuzeichnen. Sichtbar ausgestellt ist eine W a r e n u r d a n n , w e n n sie zur W e r b u n g in besonders auffallender Form, also nicht bloß zur Lagerung u n d A u f b e w a h r u n g , zur Schau gestellt w i r d ; das trifft f ü r die W a r e n , die in Ladengeschäften in offenen Regalen untergebracht sind, im allgemeinen — A u s n a h m e : Selbstbedienungsläden — nicht zu, O L G Köln BB 1957, 981. Die Preisschilder müssen gut u n d deutlich lesbar sein, d a der Zweck der Auszeichnungspflicht d a r i n besteht, d e m Beschauer die Möglichkeit eines Vergleichs der Preise der einschlägigen Geschäfte zu geben, O L G Neustadt BB 1955, 491. W a r e n , die nicht sichtbar ausgestellt sind, sondern „ z u m alsbaldigen Verkauf bereit gehalten w e r d e n " , unterliegen nicht der Preisauszeichnung d u r c h Anbringen eines Preisschildes ( O L G K ö l n BB 1957, 981), sondern sind entweder in der Weise auszuzeichnen, d a ß sie oder ihre U m h ü l l u n g oder die Behältnisse (Regale), in denen sie sich befinden, beschriftet oder mit Preisschildern v e r b u n d e n werden, oder in der Weise, d a ß Preisverzeichnisse a n leicht sichtbarer Stelle gut lesbar anzubringen sind oder Preislisten zur Einsichtnahme aufgelegt werden (§ 2 Ziff. 2 PreisauszeichnungsVO). U b e r R a b a t t e vgl. G ü b e r Preisnachlässe v. 25. 11. 33, RGBl. I 1 0 1 1 (geänd. BGBl. 1954, 212) u n d die D V v. 21. 2. 34, RGBl. I 120; 1935 I 208; 1938 I 981, über Zugaben vgl. die V O z u m Schutze der Wirtschaft v. 9. 3. 32 (RGBl. I 1 2 1 ; Änd. RGBl. 1933,264, BGBl. 1953,939; 1955, 719) u n d das G ü b e r Zugabewesen v. 12.5.33 (RGBl. I, 264). Das Rabattgesetz ist gültig, B G H N J W 1958, 1140. Bei der Beurteilung der Frage, ob der U n t e r n e h m e r einen Normalpreis im Sinne des § 1 Abs. 2 R a b G angekündigt hat, k o m m t es entscheidend darauf an, wie die Ankündigung von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden wird, u n d nicht, wie sie der U n t e r n e h m e r verstanden wissen wollte, B G H 30. 5. 58 I Z R 134/56. N i m m t ein Großhändler neben seinen Großhandelsgeschäften auch Direktverkäufe vor (vgl. dazu Bern. 10 vor §§ 433 fr.), so unterliegt er insoweit den Bestimmungen des Rabattgesetzes. Ein solcher G r o ß h ä n d l e r m u ß damit rechnen, d a ß eine Preisauszeichnung a n Gegenständen seines Warenlagers von den einkaufenden E n d v e r b r a u c h e r n als Ankündigung eines Normalpreises i m Sinne des § 1 Abs. 2 R a b G aufgefaßt w i r d ; er verstößt gegen das Rabattgesetz, w e n n er in einem solchen Falle Nachlässe von diesem Preis gewährt, die über die nach d e m R a b a t t gesetz zulässigen R a b a t t e hinausgehen, B G H 30. 5. 58 I Z R 134/56. A n m . 31 g ) Ein B e r u f s v e r b o t kann im R a h m e n eines Strafverfahrens n u r noch auf G r u n d des § 4 2 ! StGB ergehen. I m Verwaltungswege k a n n der H a n d e l mit Gegenständen des

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n n i . 32, 33 täglichen Bedarfs untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Handelstreibende die für den Handelsbetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (§ 20 V O über Handelsbeschränkungen v. 1 3 . 7 . 2 3 , R G B l . I 706). Diese V O , in der U S - Z o n e unanwendbar geworden, in N R W und Niedersachsen außer K r a f t gesetzt ( L a n d m a n n / R o h m e r / E y e r m a n n / F r ö h l e r , Gewerbeordnung 1 1 . Aufl. § 35 b Anm. 1) gibt aber nicht die Befugnis, auch die Fabrikation zu untersagen, B G H L M Nr. 1 zur HandelsbeschränkungsVO.

A n m . 32 h) Auch diejenigen Rechtshandlungen sind nichtig, die einer besonderen Genehmigung bestimmter Behörden oder Stellen bedürfen, diese aber nicht erhalten haben, so bei dem K a u f eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks (Art. I V K R G Nr. 45, V O B 1 B r Z 1 9 4 7 , 4 7 ; v gl- im übrigen unten Anm. 71). Ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßender Kaufvertrag ist selbst dann nichtig, wenn die Parteien zwar die Einholung einer behördlichen Ausnahmegenehmigung vereinbaren, die erteilte Genehmigung aber den geschlossenen Vertrag nicht deckt ( B G H L M Nr. 3 zu § 1 3 4 BGB).

A n m . 33 i ) D e v i s e n g e n e h m i g u n g . Der Handel mit a u s l ä n d i s c h e n Z a h l u n g s m i t t e l n und F o r d e r u n g e n ( D e v i s e n ) unterliegt Beschränkungen ( L a n g e n , K o m m . z. Devisengesetz, 3. Aufl.). Nach § 64 D e v G v. 12. 12. 38, R G B l . I 1 7 3 3 waren devisenrechtlich verbotene Geschäfte grundsätzlich nichtig, jedoch bei nachträglicher Genehmigung vom Zeitpunkt der Vornahme an gültig. R G 156, 162 sah auch die Schuldumwandlung als Verfügung im devisenrechtlichen Sinne an. Das grundsätzliche Verbot des M R G Nr. 53 (Neufassung am 19. 9. 49 in K r a f t getreten) und der franz. V O Nr. 235 geradezu aller Geschäfte mit dem Ausland ist weitgehend durch „Allgemeine Genehmigungen" oder „Mitteilungen" der Bank deutscher Länder und in „Runderlassen, Außenwirtschaft" des Bundeswirtschaftsministers beseitigt. Uber die Veräußerung von Grundstücken im Bundesgebiet durch Devisenausländer vgl. BB 1957, 129 Nr. 259. Der Erwerb von Unternehmen im Ausland, Geschäfte mit ausländischen Wertpapieren und Geschäfte über ausländische Grundstücke sind fast von allen devisenrechtlichen Beschränkungen freigestellt (Runderlaß Außenwirtschaft 49/57, BAnz. Nr. 167/57; Deutsche Bundesbank, Mitteilung 6024/57 = Allgemeine Genehmigung 78/56 BAnz. Nr. 202/57; Deutsche Bundesbank, Mitteilung 6027/57 = Allgemeine Genehmigung 83/57, BAnz. Nr. 227/57). Die Verbote haben keinen absoluten Charakter, B G H BB 1955, 876. Denn nach Art. 3 des Devisenbewirtschaftungsgesetzes der A H K , Amtsblatt S. 5 1 4 , werden genehmigungspflichtige Geschäfte, wenn sie nachträglich genehmigt werden, vom Zeitpunkt ihrer Vornahme an wirksam, wenn auch nur nach Maßgabe des Inhalts der Genehmigung. Wenn auch Art. V I I G Nr. 53 die in der Absicht, Vorschriften dieses Gesetzes zu umgehen, vorgenommenen Geschäfte neben solchen Geschäften nennt, die bloß objektiv das Gesetz verletzen und noch nicht genehmigt sind, so können doch nur die letzteren genehmigungsfähig sein, während die Umgehungsgeschäfte unheilbar nichtig sein müssen, O L G Hamburg M D R 1 9 5 1 , 102 m. Nachw. ; B G H BB 1953, 548; L a n g e n , K o m m . z. Devisengesetz, 3. Aufl., Art. V I I M R G 53 Anm. 7. Für die Genehmigung von Ein- und Ausfuhrgeschäften ist der Bundesminister für Wirtschaft zuständig ( B V G BB 1956, 643 = W M 1956, 935). Entscheidet die Bank deutscher Länder als die höchste deutsche Devisengenehmigungsstelle, daß ein Geschäft nicht der Genehmigungspflicht unterliegt, so kann keine am Rechtsgeschäft beteiligte Person geltend machen, daß das Rechtsgeschäft unwirksam sei, weil eine Devisengenehmigung erforderlich, aber nicht erteilt sei, B G H BB 1 9 5 1 , 372. Bei erschlichener Devisengenehmigung ist das Rechtsgeschäft unwirksam ( B G H W M 1956, 1265). Art. V I I M R G 53 („von den Beteiligten kann verlangt werden, daß sie hinsichtlich der Vermögenswerte, die Gegenstand des verbotenen Geschäfts waren, den ursprünglichen Zustand wiederherstellen") berechtigt bloß die den Devisenverkehr überwachenden Behörden, die Wiederherstellung des früheren Zustandes von den Beteiligten zu verlangen; er gibt dagegen keinen privatrechtlichen Anspruch auf Rück22

Kauf. Tausch

§433

A n m . 34—37

gäbe des zur Erfüllung des nichtigen Geschäfts Geleisteten; einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung steht § 817 Satz 2 entgegen (BGH WM 1956, 91). Hat der inländische Importeur in dem ausländischen Verkäufer schuldhaft die Vorstellung erweckt, daß die deutschen devisenrechtlichen Voraussetzungen für den Abschluß des Kaufvertrages herbeigeführt seien, obwohl es hieran fehlte, so hat er dem Verkäufer den Vertrauensschaden zu ersetzen (BGH W M 1956, 493). Auch sonst kann aus einem mangels Devisengenehmigung nichtigen Geschäft ein Anspruch aus Verschulden beim Vertragsschluß oder aus ungerechtfertigter Bereicherung entstehen (BGH 18, 248, 252/53). Dagegen kann der mit einem solchen Geschäft angestrebte Erfolg nicht mit Hilfe eines Schadensersatzanspruchs erreicht werden (BGH 18, 252). Das Verbot, Einfuhrverträge vor Erteilung der Einfuhrbewilligung abzuschließen, schließt einen Vorvertrag, durch den sich der Importeur zur Einholung dieser Bewilligung verpflichtet, nicht aus (BGH WM 1955, 773). Im übrigen über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Außenhandelsrecht vgl. P i k a r t W M 1955, 1570ff. Anm. 34 S w i t c h g e s c h ä f t e sind Geschäfte, durch die in ein Warengeschäft mit dem Ausland ein in einem dritten Land ansässiger Switchbroker eingeschaltet wird, dem es obliegt, die vom Käufer in knapper harter Währung zu leistende Kaufpreiszahlung gegen eine leichter verfügbare weiche Währung zu tauschen. Sie sind durch den Mangel an konvertiblen (frei austauschbaren) Währungen entstanden. Das Switchgeschäft unterscheidet sich vom Transitgeschäft (Durchfuhrgeschäft) dadurch, daß der Dritte, mag er auch äußerlich als Käufer und Wiederverkäufer der Ware erscheinen, tatsächlich nicht diese Rechtsstellung hat, sondern in das Warengeschäft ausschließlich zu dem Zweck eingebaut ist, damit die Zahlung nicht unmittelbar zwischen dem Exporteur oder Importeur und dem Endabnehmer oder Lieferanten erfolgt. Über Warengeschäfte werden Währungen unter Ausnutzung des Preisgefälles ausgetauscht. Dadurch unterscheidet sich das Switchgeschäft auch vom Valutentausch, bei dem ausländisches Geld, insbesondere Banknoten, ohne Zusammenhang mit einem Warengeschäft ausgetauscht wird. Der Switchbroker steht zwar äußerlich in einem Warengeschäft, ist aber in Wirklichkeit nur Händler mit Währungen, und das Risiko des Geschäfts, die Gewährleistung, ja, alle Rechtsbeziehungen aus dem Warenkauf gehen ausschließlich die an der Ware interessierten Geschäftspartner an. Der Ausfuhr-Switch besteht darin, daß der deutsche Exporteur den in harter Währung geschuldeten Kaufpreis einem Switchbroker überläßt und dafür einen höheren Betrag in einer weichen Währung erhält. Gleichviel, ob dies offen oder versteckt geschieht, liegt in der Verwertung der Kaufpreisforderung gegen andere Devisen eine Verfügung über einen Devisenwert und ist darum ohne Devisengenehmigung nichtig (Hünke BB 1955, 624; aA R. K u h n BB 1955, 530). Anm. 35 k) W e g e n S t e u e r h i n t e r z i e h u n g wird ein Kaufvertrag kaum nichtig sein können. Denn ein Vertrag, mit dem eine Steuerhinterziehung verbunden ist, ist nicht nichtig, wenn die Steuerhinterziehung nicht der alleinige Zweck des Geschäfts ist (RG D R 1942, 40 m. w. Nachw.; BGH 14, 25, 30/31). Anm. 36 1) Kaufverträge, über die nach Bewirtschaftungsbestimmungen ein Schlußschein ausgestellt werden muß, für die aber die Vorschriften über die S c h l u ß s c h e i n p f l i c h t unbeachtet geblieben sind, sind weder nach § 125 (wegen Formmangels) noch nach § 1 3 4 (wegen Gesetzesverstoßes) nichtig, BGH BB 1957, 524. Anm. 37 2. Sittenverstoß Nichtig ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt (§ 138). Dies ist der Fall, wenn es nach dem Anstandsgefühl aller gerecht und billig denkenden Menschen und nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu beurteilenden Gesamtcharakter den guten Sitten zuwiderläuft, RG 86, 148; 98, 78; 23

§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Affin. 38—41 114, 340; 120, 148; 130, 3; O G H 1, 250; B G H 10, 232; BB 1953, 513. M a ß g e b e n d ist das herrschende gesunde Volksbewußtsein; unter Umständen ist auf die Sittenanschauung eines bestimmten Volkskreises Rücksicht zu nehmen, R G 77, 4 2 1 ; 63, 391, z. B. der ehrbaren Kaufmannschaft, B G H 10, 232. Niemals sind aber die gesunkenen Anstandsbegriffe mancher Kreise zu beachten, R G 120, 148. Nicht jede Verletzung von Standespflichten enthält einen Verstoß gegen die guten Sitten, R G 142, 8 1 ; 83, 114. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches V e r b o t braucht nicht auch gegen die guten Sitten zu verstoßen. W ä r e der Begriff gleichen Inhalts, hätte es der verschiedenen Vorschriften nicht bedurft. In § 138 Abs. 2 werden nur Beispiele von Sittenwidrigkeit angeführt.

Anm. 38 a ) Sittenwidrig ist z. B. die A u s n u t z u n g e i n e r rechtlichen oder nur tatsächlichen M o n o p o l s t e l l u n g , R G 81, 1 1 7 ; 96, 204; 99, 107; 144, 301; 148, 42; 149, 99; R o q u e t t e J W 1938, 545; D a n i e l c i k J W 1936, 264. Bierabnahmeverträge unterliegen dem § 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, können aber auch wegen sittenwidriger Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung nichtig sein, R G 63, 390; 67, 101; 152, 253; J W 1936, 569 1 ; D R 1941, I 4 5 6 1 1 ; B G H J Z 1952, 366. Ein Großlieferant, der seine wirtschaftliche Machtstellung gegenüber einem konkursreifen Unternehmen ausnützt, u m sich sämtliche wesentlichen Vermögensstücke dieses Unternehmens zur Sicherheit übereignen zu lassen, handelt sittenwidrig ( B G H N J W 1956,

4«7)-

Anm. 39 b) Ein a u f f ä l l i g e s objektives M i ß v e r h ä l t n i s d e r L e i s t u n g e n genügt nicht. A u f Seiten des die übermäßigen Vorteile beanspruchenden Vertragsteils m u ß außerdem eine solche Gesinnung vorliegen, d a ß das Rechtsgefühl nach Inhalt, Beweggrund und Z w e c k gegen das Anstandsgefühl aller billig Denkenden verstößt ( R G 150, 1). Ein K a u f kann dann nichtig sein, wenn sich ein Teil böswillig oder grobfahrlässig der Erkenntnis verschließt, d a ß sich der andere nur aus einer mißlichen L a g e heraus auf die schweren, ihm auferlegten Bedingungen einläßt ( B G H N J W 1951, 397).

Anm. 40 F r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l n , die es der Willkür des „ V e r k ä u f e r s " überlassen, ob, w a n n und zu welchem Preis geliefert werden soll, sind wegen Sittenverstoßes nichtig, falls nicht schon wegen des Fehlens einer Verpflichtung das Zustandekommen eines Vertrages zu verneinen ist ( R G 104, 307). Eine in allgemeinen Vertrags- oder Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, die den Ersatz des Verzugsschadens ausschließt oder auf einen ganz geringen Prozentsatz der Vertragssumme oder des Schadens beschränkt, ist in der Regel sittenwidrig (Bern, i a vor §§433ff.). Die Vereinbarung von Haftungserleichterungen wird dagegen nur unter besonderen Umständen als Sittenverstoß angesehen werden können ( B G H L M Nr. 1 zu § 138 B G B [Bb]; R a i s e r N J W 1956, 304 Anm.). Als ein solcher Umstand kann die generelle, fast vollständige Verkümmerung der K a u f g e w ä h r zu beurteilen sein (Bern, i a vor §§ 433fr.). A u c h § 242 kann der Geltendmachung von Freizeichnungsklauseln entgegenstehen ( R G 168, 329). H a t die Freizeichnung von Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung oder wegen verspäteter Erfüllung den Sinn, d a ß der Verkäufer im gesetzlich zulässigen U m f a n g (§ 276 Abs. 2) auch dann haftfrei sein soll, wenn die Lieferung deshalb unterbleibt, weil sich der Verkäufer hierzu nicht für verpflichtet hält, so verstößt die Berufung auf diese Klausel dann nicht gegen T r e u und Glauben, wenn der Verkäufer die Lieferung aus sachlichen Gründen unterläßt, ohne daß ihm dies als grobes Verschulden angerechnet werden kann, B G H N J W 1957, 1760.

Anm. 41 c ) W e r i n s c h w e b e n d e K a u f v e r h a n d l u n g e n e i n g r e i f t und K u n d e n abspenstig macht, die verkaufte, aber noch nicht übergebene W a r e seinerseits kauft und sich übereignen läßt, handelt, wenn nicht besondere berechtigte Interessen bei ihm vorliegen, sittenwidrig, R G J W 1931, 2238 16 .

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Kauf. Tausch

§433

Anm. 42—46 Anm, 42 d ) U n t e r s t ü t z u n g eines f r e m d e n V e r t r a g s b r u c h s , um die Vorteile des Vertragsbruchs für sich zu erreichen, ist gleichfalls sittenwidrig, R G 8 i , 91.

Anm. 43 e) Rechtshandlungen, die in der Absicht der G l ä u b i g e r b e n a c h t e i l i g u n g vorgenommen werden, sind nur anfechtbar ( R G 69, 147; 74, 226; 114, 342; 170, 332) und nur beim Hinzutritt weiterer Umstände sittenwidriger Art nichtig ( O G H v. 2 1 . 6 . 5 0 II Z R 172/49). Die Geschäftsübertragung vom Mann auf die Ehefrau zu dem Zweck, dessen Erträgnisse dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, ist nicht ohne weiteres sittenwidrig, R G 67, 169; O L G Dresden DJ 1937, 513; a A O L G Köln DJ 1935, 1194; O L G Breslau H R R 1936, 1215. Uber das Schicksal einer solchen Geschäftsübertragung bei späterer Scheidung der Ehe: R G 169, 250.

Anm. 44 f ) S c h m i e r g e l d e r , die die Vergebung eines Auftrags oder die Vertragsbedingungen zum Nachteil eines Prinzipals beeinflussen, machen das Hauptgeschäft nichtig ( R G 136, 360 m. w. Nachw.; 161, 231). Wer das Schmiergeld gewährt oder versprochen hat, hat zu beweisen, daß dies ohne nachteilige Wirkung für den Vertragsgegner geblieben ist ( R G 136, 360/61; 161, 232/33; O G H J R 1950, 245/46).

Anm. 45 g ) Eine A n w a l t s - o d e r A r z t p r a x i s kann an sich nicht Gegenstand des Handelsverkehrs sein. Ihr Verkauf ist sittenwidrig, wenn der Vertrag dem Käufer unverhältnismäßig schwere Belastungen auferlegt, infolge deren zu befürchten ist, daß er darauf angewiesen sein werde, unter Außerachtlassung der Belange seiner Klienten oder Patienten die Erzielung besonders hoher Einnahmen anzustreben. Die entgeltliche Überlassung einer Anwalts- oder Arztpraxis ist aber nicht unter allen Umständen und ausnahmslos sittenwidrig; das gilt noch weniger, wenn eine Witwe die Veräußerung vornimmt, R G 153, 280, 284; 161, 153; O L G Köln N J W 1956, 346. Das Entsprechende gilt beim Verkauf einer Zahnarztpraxis ( O L G Breslau H R R 1937, 679) und einer Steuerberaterpraxis ( B G H BB 1958, 496 Nr. 890). Die Praxis eines Anwalts kann einen selbständigen Vermögenswert besitzen, B G H M D R 1957, 285"; vgl. auch M ü l l e r NJW 1957, 1270. Ein beim ärztlichen Praxistausch vereinbartes Rückkehrverbot ist grundsätzlich nicht sittenwidrig, B G H 16, 72; es fällt auch nicht unter das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, da . freie Berufe keine Unternehmen sind und Wettbewerbsbeschränkungen unter den Angehörigen freier Berufe nicht der Regelung eines wirtschaftlichen Wettbewerbs dienen, B G H 16, 72, 80/81.

Anm. 46 h ) Bestritten ist, ob die S i t t e n w i d r i g k e i t des G r u n d g e s c h ä f t s auch das abstrakte dingliche Rechtsgeschäft erfaßt. Hierüber H e c k , Das abstrakte dingliche Rechtsgeschäft (1937) S. 37. Es wird gesagt, wenn das obligatorische Kausalgeschäft und das dingliche Vollzugsgeschäft einen einheitlichen Lebensvorgang bilde (vgl. oben Anm. 6), so ergreife die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts auch die dingliche Rechtswirkung, § 139. Dies kann nicht anerkannt werden. Das Gesetz behandelt das dingliche Geschäft, losgelöst vom Schuldgrundgeschäft; die dingliche Rechtswirkung entsteht, auch wenn es am schuldrechtlichen Geschäft fehlt; eine ungerechtfertigt eingetretene Vermögensverschiebung ist über die Bereicherungsvorschriften auszugleichen ( R G 104, 102; 109, 201). § 138 Abs. 2 spricht von versprechen und gewähren und erklärt für die ihm unterworfenen Tatbestände sowohl das schuldrechtliche wie das dingliche Geschäft für nichtig, R G 109, 201. Eine entsprechende Regelung für § 138 Abs. 1 fehlt zwar; aber § 817 geht davon aus, daß die dem Grundgeschäft anhaftende Sittenwidrigkeit den dinglichen Rechtsvorgang unberührt läßt. Beim K a u f der beweglichen Sache haben es die Parteien in der Hand, die Gültigkeit des dinglichen Geschäfts durch eine Bedingung von der Gültigkeit des Schuldrechtsgeschäfts abhängig zu machen. Es besteht also nicht einmal ein Bedürfnis, Barkauf und Ubereignung als eine Einheit zu behandeln und damit dem Gesetz Zwang anzutun. Verstößt nur das Schuldrechts-

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§ 433 A n m . 47—49

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

geschäft gegen die guten Sitten, so ist die Übereignung wirksam (BGHSt. 6, 377). Haftet die Unsittlichkeit dagegen auch dem dinglichen Geschäft an, werden insbesondere mit dem dinglichen Vorgang unsittliche Zwecke verfolgt, so ist auch das dingliche Geschäft nichtig (vgl. dazu den Fall von R G 145, 152). Auch der Kaufeines Bordells führt zu Eigentum (RG 63, 184; 68, 99; 75, 74; WarnRspr. 1920 Nr. 147; LZ 1920, 795; a.A. die wertvolle Entscheidung OLG Kiel LZ 1920, 255), denn die Ubereignung des Bordells ist im Gegensatz zum Bordellkauf nicht sittenwidrig. Die Nichtigkeit von Kompensationsverträgen führt nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit der dazugehörigen Erfüllungsgeschäfte, B G H J Z 1951, 782. Diese Entscheidung sagt: „Verpflichtung und Erfüllung sind grundsätzlich voneinander unabhängige Rechtsgeschäfte, sofern nicht im Einzelfalle ein abweichender Wille der Vertragsteile erkennbar ist." A n m . 47 i) M a ß g e b e n d e r Z e i t p u n k t . Für die Beurteilung, ob ein Kauf ohne Verstoß gegen die guten Sitten abgeschlossen worden ist, können nur die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sein, die bei seinem Abschluß bestanden, RG 150, 1. Die Ausnutzung der aus einem gültigen Kauf gewonnenen Rechte kann zufolge veränderter Verhältnisse gegen Treu und Glauben verstoßen, z. B. bei längeren Lieferungsverträgen Zinszusicherungen für längere Dauer. Hierzu H e r s c h e l , Nachträgliche Sittenwidrigkeit J W 1938, 1774. Dagegen kann bei einem Anschauungswandel (vgl. dazu RG 134, 355! ! 47) 7) die Frage nach dem Sittenverstoß nur nach der zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden Anschauung beurteilt werden (Nachw. in RG 153, 303 gegen R G 150, 4; 152, 254; J W 1937, 3221). In grundlegenden Fragen wird aber die im Zeitpunkt der Urteilsfällung verfassungsgesetzlich geltende Auffassung maßgebend sein müssen. A n m . 48 k ) A u f r e c h t e r h a l t u n g e i n e s K a u f s t r o t z S i t t e n v e r s t o ß e s . Die Nichtigkeit ist nicht heilbar; ein unsittliches Geschäft kann weder durch Entgegenkommen des anderen Teiles (RG LZ 1919, 790) noch durch bloße Bestätigung zu einem sittlichen werden, RG 64, 149. Auch diejenige Vertragspartei, in deren ausschließlichem Interesse und zu deren Vorteil eine teilweise nichtige Vereinbarung zustande gekommen ist, ist nicht berechtigt, die nach der Regel des § 139 eintretende Nichtigkeit des ganzen Vertrages dadurch wieder zu beseitigen, daß sie den nichtigen Teil durch Verzicht ausschaltet, R G 91, 360/1. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, daß die Vertragschließenden ihre Entscheidungen in vernünftiger Abwägung der in Betracht kommenden Verhältnisse getroffen hätten und daß sie die Wirksamkeit des ganzen Geschäfts nicht an der Nichtigkeit eines nur unwesentlichen Teiles hätten scheitern lassen, wenn sie die rechtliche Unverbindlichkeit eines Teiles ihrer Erklärungen gekannt hätten, R G 118, 222. Voraussetzung ist allerdings, daß der verbleibende Torso noch von dem hypothetischen Willen der Parteien getragen wird (Sieg NJW 1951, 508). Einem nach den §§ 134, 138, 139 nichtigen Vertrage kann der zulässige Inhalt auch nicht durch Auslegung gegeben werden. Die Auslegung versagt auch da, wo sie zur Umdeutung des Erklärten führen würde, RG J W 1937, 2 1 7 ; OGH 2, 201. Mit ergänzender Vertragsauslegung kann nur geholfen werden, wo eine Vertragslücke vorhanden ist, die ausgefüllt werden muß, soll der Vertragszweck nicht gefährdet werden, RG 159, 259; 171, 90. Sind e i n z e l n e S i c h e r u n g s k l a u s e l n e i n e s A b z a h l u n g s g e s c h ä f t s sittenwidrig, so ist nach § 139 zu prüfen, ob deshalb der ganze Vertrag der Nichtigkeit anheimfällt, RG 131, 222. A n m . 49 1. D a s V e r h ä l t n i s d e s § 242 z u § 138. Ist ein Kaufvertrag trotz seiner scharfen Bedingungen nicht sittenwidrig, so kann doch die Geltendmachung der Vertragsrechte im Einzelfall gegen §242 verstoßen, RG D R 1941, 1456 1 1 . Die Sittenwidrigkeit eines Kaufs kann nicht aus solchen Vertragsbestimmungen hergeleitet werden, denen mit 26

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§433

Anm. 50—52

dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnet werden kann u n d die dadurch ihre H ä r t e oder ihrer die Freiheit beschränkenden Wirkung entkleidet werden können, R G 152, 151; B G H v. 23. 11. 51 I Z R 24/51.

Anm. 50 C. Wegfall der Geschäftsgrundlage Der Kauf unterliegt auch den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Hierdurch ist selbst die völlige Befreiung von der Schuld möglich, R G 165, 199; 168, 126; 172, 20. Infolge der veränderten Sachlage m u ß aber das Festhalten a m Vertrage schlechthin unzumutbar sein, und außerdem m u ß die Veränderung der Lage auf Ereignissen beruhen, die außerhalb des Machtbereichs des Schuldners liegen; ein Abgehen vom gegebenen Wort ist nur im äußersten Falle zulässig, O G H 1, 68; 1, 267; 4> 96/97; B G H L M Nr. 2 zu § 779. Vorstellungen, die sich die Partner eines Kaufvertrages von seinen steuerlichen Folgen machen, gehören jedenfalls dann nicht zur Vertragsgrundlage, wenn die Parteien diese Folge vor oder bei Vertragsschluß nicht erörtert haben, B G H N J W 1951, 517. Dagegen ist der Bestand der Ehe die Geschäftsgrundlage f ü r einen Vertrag, durch den der M a n n sein Handelsgeschäft auf seine Ehefrau überträgt, u m das Auskommen seiner Familie zu sichern, R G 169, 250. Die allgemeine Gefahrenlage in der Kriegszeit u n d das Risiko des Kriegsverlustes gehörten nicht zur Geschäftsgrundlage, B G H 7, 238, 242; 15, 27, 34. Ein Kauf wird infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht ohne weiteres hinfällig (RG 168, 126; B G H M D R 1951, 610); das Festhalten a m Vertrage ist nur unzulässige Rechtsausübung, R G 168, 126. Das kann nicht nur einredeweise geltend gemacht werden, es besteht auch ein schuldrechtlicher Anspruch darauf, daß von der unzulässigen Rechtsausübung Abstand genommen werde ( R G 168, 126). Ist die vertraglich bedungene Leistung nach Treu und Glauben dem einen Vertragsteil nicht mehr zuzumuten, so kann der Wegfall der Geschäftsgrundlage auch zum Rücktritt vom Vertrage berechtigen, R G 165, 199; 168, 73. Die Gerichte können die Vertragspflichten rechtsgestaltend sehr erheblich ändern, wenn dies geboten ist, u m zu einer Leistungsfestsetzung zu gelangen, die den beachtlichen Interessen beider Parteien gerecht wird ( B G H J Z 1952, 145; O G H 1, 69). Gegebenenfalls m u ß der Vertrag ganz der neuen Lage angepaßt werden, B G H N J W 1951, 836. Bei berechtigter Zahlungsverweigerung infolge veränderter Umstände können Treu und Glauben auch eine Schadensteilung rechtfertigen ( R G 172, 20). Ein Ausgleichsanspruch kommt auch in Frage, wenn die Gleichwertigkeit von Leistung u n d Gegenleistung aufgehoben ist, R G 135, 65 m. w. Nachw. I m übrigen vgl. zu § 242.

III. Der Kauf als Vertrag Anm. 51 Der Kauf ist ein Vertrag; er untersteht als solcher den allgemeinen Vorschriften über dessen Zustandekommen, §§ 145—155 und über den Inhalt des bestehenden Vertrags. J e d e r Vertragsabschluß erfordert eine E i n i g u n g zwischen dem Verkäufer u n d Käufer über die wesentlichen Bestandteile des Kaufs. Sie kommt in der Regel dadurch zustande, d a ß die eine Partei ein Vertragsangebot macht u n d die andere es annimmt. Aber auch ohne d a ß ein bestimmtes Angebot vorliegt, kann nach gegenseitigen Verhandlungen durch Unterschrift einer diese wiedergebenden Urkunde ein Vertrag entstehen, M a n i g k , Neubau des Privatrechts (1938) S. 43; S i b e r , Buchrechtsgeschäft S. 108.

Anm. 52 1. Das Angebot Das Angebot m u ß den Willen erkennen lassen, daran gebunden zu sein, R G WarnRspr. 29, 170; K G O L G 32, 348, und inhaltlich so eindeutig sein, d a ß eine glatte A n n a h m e zur Herbeiführung der Einigung möglich ist, § 154, R G H R R 1930, 91. Daß der Kauf sofort wieder rückgängig gemacht werden soll, hindert nicht notwendig die Ernstlichkeit des Bindungswillens. 27

§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 53, 54 Axim. 53 a) Die Eindeutigkeit und Bestimmtheit kann sich auch aus den Umständen, etwa vorausgegangenen Verhandlungen, ergeben, R G Recht 1909 Nr. 2222. Es kann auch der Antragende dem anderen die Wahl innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen überlassen, ohne dadurch die Gebundenheit aufzugeben, z.B. bei Bestellung einer Theaterkarte ohne Angabe eines bestimmten Platzes. Beim S p e z i e s k a u f ist Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Gegenstandes, beim G a t t u n g s k a u f nur Bestimmbarkeit der Gattung erforderlich (§§ 315, 241, 243; Gruchot 51, 956). Liegt reiner Gattungskauf vor und besteht die Möglichkeit, die Ware aus einer beliebigen Anzahl von Quellen zu beziehen, so kann sich der Verkäufer nicht schon um deswillen vom Vertrage lossagen, weil er von demjenigen Lieferanten, bei dem er sich eingedeckt hatte, die Ware nicht erhalten hat, auch nicht bei Vorbehalten wie „ L i e f e r u n g s m ö g l i c h k e i t v o r b e h a l t e n " (RG Recht 1924 Nr. 794). B e s t i m m b a r k e i t nach dem Bedarf des Käufers genügt (§§ 315, 316; R G 60, 174; 64, 114; 66, 121). F e h l e r i n d e r P r e i s b e r e c h n u n g sind regelmäßig unbeachtlich (RG 64, 269; 82, 195). Der K a u f e i n e r künftigen Sache ist nicht ohne weiteres Gattungskauf. Genügend für die Bestimmbarkeit ist auch die „ZirkaKlausel", die eine nach Ermessen des Gerichts unbedeutende Abweichung von der angesetzten Ziffer gestattet ( R O H G 1, 57; 9, 129). Ebenso Verkauf „eines Pöstchens" (SeuffArch. 30,205), bei Vereinbarung von 3—4 Waggons genügen 3 Waggons (JW 1918, 2Ö24). Dagegen nicht genügend: „mehrere hundert Dutzend" ( R O H G 11, 3). Beim K a u f m i t S p e z i f i k a t i o n muß jedenfalls der Grundstoff bestimmt sein, sonst liegt Wahlkauf vor (RG 37, 26). Die Person des Vertragsgegners braucht beim Angebot oder Vertragsschluß weder dem Verkäufer noch dem Käufer bekannt zu sein, es genügt die objektive Bestimmbarkeit (RG v. 2 2 . 1 . 1 6 V 223/15). Dieser Fall liegt vor, wenn für die Gegenpartei jemand offen als Vertreter handelt, diese aber noch offen läßt, sei es, weil er sie kennt, aber nicht nennen will, sei es, weil er sie selbst noch nicht kennt; zustande gekommen ist dann der K a u f im Augenblick des Abschlusses durch den Vertreter für den erst noch zu benennenden Dritten (RG 38, 187; Gruchot 48, 337). Uber Unbestimmtheit des Käufers („Aufgabe des Käufers vorbehalten") vgl. R G 20, 237; 24, 64; J W 1914, 350 3 ; L Z 1919 Sp. 1358 6 . Uber Unbestimmtheit des Verkäufers („Aufgabe vorbehalten") vgl. R G 33, 132; 38, 188. Bei Warenbestellung bei einem Verteilungskartell tritt dieses im Zweifel als Vertreter des noch zu bestimmenden Lieferers auf ( O L G 8, 58). Bei Vereinbarung „Prima A b l a d e r " ist die entsprechende Eigenschaft Bedingung des wirksamen Abschlusses (RG 35, 132; 38, 188). Die Eindeutigkeit kann auch durch ausdrückliche oder stillschweigende Bezugnahme auf allgemeine, dem Gegner bekannte Geschäftsbedingungen geschaffen werden, die zwischen den Vertragsparteien im einzelnen bestehen oder in dem Geschäftszweig allgemein handelsüblich sind. Angebote mit hiervon abweichenden Nebenbestimmungen müssen deutlich erkennen lassen, daß die allgemeinen Bedingungen ausnahmsweise nicht gelten sollen, R G 9 2 , 4 1 7 ; 95, 173; 99, 154; 116, 156.

Anm. 54 b) Allgemeine Geschäftsbedingungen großer Unternehmungen, Banken, Hotels ( R a i s e r , Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935) sind für den Vertragsinhalt und das Angebot maßgebend, wenn sich ihnen der andere Teil unterwirft, was auch stillschweigend geschehen kann, B G H 1, 83, 86; 3, 200, 203; 9, 1, 3. Verträge, die unter Bezugnahme auf allgemeine Geschäftsbedingungen geschlossen werden, stellen sich kaum noch als eine echte vertragliche Vereinbarung dar und bedeuten viel eher die Unterwerfung unter eine fertig bereitliegende Rechtsordnung, R G D R 1941, 1210; R G 170, 240; O G H 2, 299; B G H 1, 86; NJW 1951, 602; H e r s c h e l D R 1942, 753; B e r n h a r d t D R 1942, 1 1 7 1 ; aA K r a u s e BB 1952, 996. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ähnlich wie gesetzliche Vorschriften, nicht wie Verträge auszulegen, R G 170, 240. Auch unterschriftlich nicht gedeckte Geschäftsbedingungen können Vertragsinhalt werden, wenn der Hinweis auf sie deutlich und an sichtbarer Stelle angebracht ist, O G H 3, 355. Fügt der Besteller der Bestellung seine Einkaufsbedingungen bei und erklärt er in ihnen von vornherein, abweichende Bedingungen des Lieferers sollen nur gelten, wenn sie von ihm, dem Besteller, schriftlich anerkannt würden, so

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Kauf. Tausch

§433 Anm. 55—57

genügt es nicht, daß der Lieferer in der Bestellungsannahme nur allgemein einfügt: „ im übrigen gelten unsere allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen", B G H L M Nr. 2 zu § 150 BGB.

Anm. 55 c) Der U b e r s e e k a u f (vgl. eingehend hierüber G r o ß m a n n - D o e r t h , Das Recht des Uberseekaufs; H a a g e , Das Abladegeschäft, 4. Aufl., 1958) wird weitgehend durch die Welthandelsbräuche bestimmt. Die Internationale Handelskammer (IHK) hat mehrfach einheitliche Richtlinien herausgegeben, so 1928 im Pariser Codex und in den Incoterms 1953 (Internationale Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln), auch Trade Terms genannt ( H a a g e , Die Vertragsklauseln cif, fob, ab Kai unter Berücksichtigung der TradeTerms, 1956; vgl. auch unten Anm. 234), den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive und in den Standardformeln für die Eröffnung von Dokumenten-Akkreditiven.

Anm. 56 d) F a k t u r e n v e r m e r k e . Das Vertragsangebot gewährt dem Empfänger keinen gegenwärtigen Anspruch auf Leistung, sondern nur ein Gestaltungsrecht; die Erklärung des Antragenden hat einen künftigen, durch die Annahme entstehenden Anspruch des Antragsempfängers zum Gegenstand und Inhalt, R G 132, 6/7. Einseitige nach Kaufabschluß vorgenommene Änderungen des Angebots bleiben wirkungslos, wenn sie nicht nachträglich noch angenommen werden. Dies gilt namentlich von Fakturenvermerken, die sich auf der Rechnung über einen bereits abgeschlossenen Kaufvertrag befinden, R G 52, 1 3 3 ; 65, 329; 1, 33, 338/9; B G H N J W 1951, 110. Rechnungen sind nicht geeignet, bestehenden Vertragsinhalt abzuändern. Schweigt der Verkäufer auf einen in der Rechnung unternommenen Versuch, den Vertrag geändert zu erhalten, so gilt das weder als Annahme noch als Genehmigung. Bei ständiger Geschäftsverbindung von Kaufleuten kann aber Schweigen auf eine in Rechnungen enthaltene geschäftliche Mitteilung unter ganz besonderen Umständen ausnahmsweise als Zustimmung zu werten sein, O G H 3, 237. Ein Vermerk auf einer erst nachträglich übersandten Rechnung kann keinesfalls rückwirkende Kraft haben, R G 133, 330; B G H N J W 1951, 109 2 . Geht jemandem eine Rechnung für eine nicht bestellte Ware zu, so kommt in der Regel durch Schweigen kein Kaufvertrag zustande. Einen Ausnahmefall behandelt B G H M D R 1958, 232. B a u m g ä r t e l ( M D R 1958, 400) greift diese Entscheidung zu Unrecht an, denn er legt ihr einen Inhalt bei, den sie nicht hat. In der Ubersendung einer R e c h n u n g mit E i g e n t u m s v o r b e h a l t s k l a u s e l vor oder zugleich mit Eingang der Ware liegt der Wille des Verkäufers, das Eigentum nicht zu übertragen, auch wenn vertraglich ein Eigentumsvorbehalt nicht vereinbart ist, K G J W 1929, 2164; O L G München J W 1932, 1668 m. Anm. R ü h l ; O L G Düsseldorf J W 1931, 2580; R ü h l J W 1930, 3493; O e r t m a n n J W 1930, 1421. Das ist allerdings stark bestritten. Richtig ist zwar, daß Rechnungen an sich nicht für Erklärungen zur Eigentumsfrage bestimmt sind und daß der Verkäufer vertragswidrig handelt, wenn er die vorbehaltlos verkaufte Sache nur unter Eigentumsvorbehalt liefert. Tatsächlich aber werden Rechnungen zu derartigen Erklärungen benutzt. Da in der Ubersendung verkaufter Ware regelmäßig schlüssig eine Ubereignungsofferte liegt, R G 108,27, hat der auf die Rechnung gesetzte Eigentumsvorbehalt da, wo die Rechnung dem Käufer vor oder gleichzeitig mit der Ware zugeht, die Bedeutung, der Ubersendung der Ware den Inhalt eines schlüssigen Ubereignungsangebots zu nehmen; um mehr als diese Wirkung geht es nicht; wenn der Verkäufer erkennbar gemacht hat, nicht übereignen zu wollen, so kann die Ubersendung der Ware keine schlüssige Ubereignungserklärung beinhalten. Nach vollzogener Ubereignung ist ein auf der Rechnung gemachter Eigentumsvorbehalt ohne rechtliche Bedeutung (vgl. unten Anm. 176).

Anm. 57 e) B i n d u n g s w i l l e . Aus den besonderen Verhältnissen und Umständen ist zu entnehmen, ob Bindungswille gegeben ist. Das Angebot kann sowohl durch ausdrückliche Erklärung als durch Handlungen, aus denen es verkehrsüblich zu entnehmen ist, erfolgen. In der Ubersendung u n b e s t e l l t e r W a r e n liegt ein Angebot unter Verzicht 29

§ 433 Anm. 57

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

auf Zugang der Annahmeerklärung, § 151. Das Angebot kann auf bestimmte Zeit befristet werden; das kann auch stillschweigend geschehen, § 148, RG 48, 175; 59, 296; L Z 1914, 71. So erlischt der Kaufantrag eines Lotterieloses im Augenblick der Ziehnung, RG 50, 193; 59, 296. Im allgemeinen ist aus der Tatsache, daß jemand ein geschäftliches Unternehmen betreibt, noch nicht zu folgern, daß alle in ihm feilgebotenen Waren und Leistungen Gegenstand eines rechtswirksamen Antrags sein sollen, sondern nur, daß er nach Befinden bereit sein wird, einen darauf gerichteten Antrag anzunehmen. Aus der Art des Feilbietens kann aber zuweilen auch ein rechtsverbindlicher Antrag zum Verkauf entnommen werden, so bei Bereitstellung von Waren in Gastwirtschaften und offenen Ladengeschäften zum sofortigen Kauf, durch Automaten, wie z. B. für Zigaretten und Schokolade und Süßwaren; der Antrag wird durch Einwurf eines Geldstücks in den Automaten angenommen, RGSt. 44, 114. Das Gesetz v. 6. 7. 34, RGBl. I 585 und die AusfVO v. 14. 8. 34, RGBl. I 814 sprechen den Bezug von Waren aus Automaten ausdrücklich als Verkauf an. Kein Antrag liegt vor, wenn die Erklärung nur eine A n r e g u n g und A u f f o r d e r u n g an den anderen enthält, seinerseits ein Angebot zu machen, wie bei der Ubersendung von Preislisten, Katalogen und Empfehlungsschreiben, bei Zeitungsankündigungen, bei der Ankündigung einer Theatervorstellung, RG 133, 390, Ausschreibungen von Materiallieferungen, Auslagen von Waren in Schaufenstern, RG J W 1905, 76. Der mangelnde Wille, gebunden zu sein, fehlt nicht nur bei Erklärungen an die Allgemeinheit und unbestimmte Personen, sondern in der Regel auch bei Ubersendung von Preislisten an eine bestimmte Person. Nur bei individueller Gestaltung des Angebots kann ein rechtswirksam bindender Wille angenommen werden. Die Erklärung, daß keine nach § 145 rechtsverbindliche Bindung eingegangen werden soll, wird häufig durch Hinzufügung von „ f r e i b l e i b e n d " , „ohne o b l i g o " ausgedrückt; sie kann sich aber auch aus dem Geschäftsgebrauch und den Umständen ergeben. Eine solche Erklärung muß spätestens mit dem Zugang des Angebots erfolgen. Erklärt der Käufer auf ein freibleibendes Angebot des Verkäufers, die Ware kaufen zu wollen, so liegt darin ein Angebot, das der Verkäufer annehmen oder ablehnen kann, RG 102, 229; 105, 12. Lehnt er in der nach § 147 Abs. 2 zu bemessenden Zeit nicht ab, so gilt das Angebot des Käufers nach Inhalt des freibleibenden Angebots als angenommen. Der Verkäufer kann die Freiklausel auch auf einzelne Teile des Angebots beschränken, wobei er an das nicht eingeschränkte Angebot gebunden bleibt. So „Lieferung freibleibend", „Preise freibleibend", „Lieferzeit freibleibend". Diese Beschränkungen sind nach Treu und Glauben auszulegen, RG 104, 306. Uber Lieferung freibleibend RG 103, 182; 132, 3 1 1 ; J W 1921, 333 1 ; 1925, 494; Preise freibleibend RG 103, 416; 104, 116, 308; Lieferzeit freibleibend RG 90, 29. Auch der Vereinbarung eines der Höhe nach genau bestimmten Preises kann die Klausel: „Preise freibleibend" angefügt werden, OGH 4, 168. Die Vereinbarung eines Richtpreises berechtigt den Verkäufer, den endgültigen Kaufpreis nach billigem Ermessen entsprechend der Marktlage am Ort und zur Zeit der Lieferung festzusetzen; von diesem Recht kann der Verkäufer jedoch, wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren, nur einmal Gebrauch machen, OGH 4, 174. Preisklauseln, durch die sich der Verkäufer vorbehält, unter bestimmten Voraussetzungen einen erhöhten Kaufpreis zu fordern, können dahin ausgelegt werden, daß der Verkäufer berechtigt ist, gegebenenfalls den neuen Preis nach billigem Ermessen zu bestimmen, BGH 1, 353. Soll der Vertragsabschluß selbst freibleibend sein, so kann zwar ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen, der Verkäufer behält sich aber bei Eintritt besonderer Umstände das Rücktrittsrecht vor, RG 104, 100, 116, 307; 105, 368, 370; J W 1922, 23 3 . Es kann aber auch ein bloßer V o r v e r t r a g oder ein auflösend b e d i n g t e r Vertrag gewollt sein, RG 67, 45; 69, 283; 72, 385; 77, 47; 94, 297; 104, 106. Ist eine Probe v o r b e h a l t e n worden, so muß der Verkäufer das Ergebnis abwarten und ist solange gebunden, RG J W 1923, 605. Auch der Käufer kann dies mit der Klausel „Auftrag freibleibend" tun. Die Ausübung dieses Rücktrittsrechtes darf aber nach Treu und Glauben nicht längere Zeit hinausgeschoben werden, der Käufer kann der Ungewißheit auch nach § 355 ein Ende machen. Ist der A b r u f der gekauften Ware ins Belieben des Käufers gestellt, so muß der Abruf in angemessener Zeit erfolgen, RG 94, 47; ZRpflBay. 1919, 252.

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Kauf. Tausch

§433 Anm. 58, 59

Anm. 58 f ) K o n t r a h i e r u n g s z w a n g . Es gibt geschäftliche Unternehmen, die verpflichtet sind, rechtsverbindliche Angebote zu stellen, deren Annahme freisteht. Man spricht hier ungenau von einem „Kontrahierungszwang", der Zwang besteht aber nur darin, daß der Verkäufer ein bindendes Angebot zu machen hat, die Annahme steht dem Käufer frei. Die Verpflichtung, ein solches verbindliches Angebot zu stellen, beruht darauf, daß der Kaufvertrag nicht bloß Sonderbelangen des einzelnen, sondern Gemeininteressen dient und einer dem Verkäufer obliegenden Versorgungspflicht entspricht. Diese Versorgungspflicht entsteht überall da, wo infolge rechtlicher oder tatsächlicher Verhältnisse der Bezug lebensnotwendiger Güter auf einen bestimmten Verkäufer angewiesen ist und man diese Güter entbehren müßte, wenn der Verkäufer die Abgabe versagte. Jeder Mensch muß sich darauf verlassen können, daß er bei Bedarf diese Güter von dem erhalten kann, der über sie zu verfügen in der Lage ist. So besteht für den Lebensmittelhändler, Händler von Verbandszeug usw., der in abgelegener Berggegend ein Verkaufsgeschäft mit derartigen Gegenständen besitzt, die Pflicht, dem bedürftigen Wanderer diese zu verkaufen. Für Betriebe, die eine M o n o p o l s t e l l u n g für größere Bezirke einnehmen, gilt dasselbe, wenn sich die Monopolstellung auf Waren und Leistungen von lebenswichtiger Bedeutung bezieht. Zum Teil hat der Staat Monopolbetriebe geschaffen, um der Allgemeinheit bestimmte Leistungen zugänglich zu machen, wie Post und Eisenbahn, Telegrafen- und Fernsprechwesen, § 3 ReichspostG, §§453, 471 HGB, § 5 ReichstelegrafenG, städtische Verkehrsanstalten, Versorgungsbetriebe. Diese Vorschriften sind aber nicht Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, daß Anstalten, welche ihre Dienste dem gesamten Publikum anbieten und hierzu konzessioniert sind, den Abschluß ihrer Geschäfte nicht willkürlich verweigern dürften, R G 133, 390. Es gibt auch gesetzliche Bestimmungen, die ausdrücklich anordnen, daß bestimmte Leistungen anzubieten sind, z. B. für Apotheken und Energieversorgungsunternehmen.

Anm. 59 g) L e n k u n g s b e s t i m m u n g e n engen für bestimmte Waren die Abschluß- und die Gestaltungsfreiheit ein. So kann für Getreide im Bedarfsfalle eine A n b l e t u n g s p f l i c h t verordnet werden (§7 GetreidepreisG 1958/59, BGBl. 1958,450); es können auch für die Weiterlieferung, Verteilung und Verwendung von G e t r e i d e Vorschriften erlassen und Auflagen erteilt werden, § 7 GetreideG v. 22. 6. 56, BGBl. I 5 1 1 . Zuckerrüben dürfen nur auf Zucker verarbeitet werden, Zuckerfabriken, Zuckerraffinerien und Einführer dürfen Zucker nur auf Grund von Freigaben abgeben, §§ 4, 5 ZuckerG v. 5. 1. 5 1 , BGBl. 1951, 47, 852. Eingeführter Zucker darf nur durch die Einfuhrstelle in den Verkehr gebracht werden; er ist der Einfuhrstelle zum Kauf anzubieten; die Einfuhrstelle ist zur Übernahme des ihr angebotenen Zuckers berechtigt, aber nicht verpflichtet. Macht sie von ihrem Ubernahmerecht keinen Gebrauch, so darf der Zucker im Bundesgebiet weder in Verkehr gebracht noch verarbeitet noch sonst verwertet werden. Macht sie von ihrem Ubernahmerecht Gebrauch, so verpflichtet sie den Einführer gleichzeitig, den Zucker zu dem von ihr festgesetzten Abgabepreis zurückzukaufen, § 9. Schlachtvieh darf auf Großmärkten und Schlachtviehmärkten nur nach Lebendgewicht und nur an den festgesetzten Markttagen und zu den festgesetzten Marktzeiten gehandelt werden, §§ 7, 6 des Vieh- und FleischG v. 25. 4. 5 1 , BGBl. 1951, 272. Die Verkäufer von Schlachtvieh und die Agenturen haben auf den Großmärkten über jeden Verkauf einen Marktschlußschein auszustellen, § 10, der Kaufpreis ist grundsätzlich an dem Kauftage zu bezahlen, § 12. Milcherzeuger sind verpflichtet, Milch und Rahm, die sie in Verkehr bringen, an eine bestimmte Molkerei zu liefern, § 1 Milch- und FettG v. 10. 12. 1952, BGBl. 1952, 8 1 1 . Milchhändler und Molkereien sind verpflichtet, Milch, Rahm, entrahmte Milch und Buttermilch nur von bestimmten Molkereien zu beziehen, die ihrerseits verpflichtet sind, an die ihnen bestimmten Milchhändler und Molkereien zu liefern, § 2. Die g e s e t z l i c h e G r u n d l a g e f ü r L e n k u n g s m a ß n a h m e n bildet das Gesetz über das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft v. 9. 10. 54, BGBl I 281.

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§ 433 Anm. 60—64

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 60 h) Auch die für den Vertrieb von Waren erlassenen gewerbepolizeilichen Vorschriften beeinflussen den Vertragsinhalt; ihre Verletzung macht den Vertrag nicht nichtig (vgl. oben Anm. 22). Anm. 61 2. Die Annahmeerklärung Zum Angebot muß die Annahme kommen, die rechtzeitig und in gehöriger Form erfolgen muß, §§ 147, 148. Daran fehlt es, wenn die Parteien auch nur in irgendeinem Punkte, der Inhalt des Vertrags werden soll, nicht übereinstimmen, § 154 (vgl. oben Anm. 19). Anm. 62 a) Schweigen gilt im bürgerlichen Rechtsverkehr in der Regel nicht als Willenserklärung (BGH v. 10. 4. 54 I I Z R 29/53) u r | d demzufolge auch nicht als Annahmeerklärung. Das folgt einmal aus den §§416,496,516, in denen Schweigen als Genehmigung „gilt", zum anderen aus §362HGB, nach dem Schweigen auf ein Vertragsangebot selbst im Handelsverkehr nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen als Annahme gilt. Nur ausnahmsweise kann Schweigen im bürgerlichen Rechtsverkehr als Willenserklärung angesehen werden. Schweigen auf eine verspätete Annahmeerklärung (sie gilt nach § 150 Abs. 1 als neuer Antrag) bringt den Vertrag zustande, falls keine Umstände hervorgetreten sind, die die Annahme nahelegen, daß der ursprüngliche Offerent seine sachliche Entschließung geändert hat (BGH L M Nr. 1 zu § 150 BGB). Für diesen Fall geht die Verkehrsübung dahin, bloßes Schweigen als Vollendung des beiderseits gewünschten Vertragsschlusses aufzufassen, RG 103, 12; R G H R R 1929, 1559. Will der Besteller einer Ware nach dem Inhalt seiner Offerte nur nach Maßgabe seiner Einkaufsbedingungen kaufen, der Lieferer aber nach dem Inhalt seiner Annahmeerklärung jedoch nur nach Maßgabe seiner Verkaufsbedingungen verkaufen, so kommt der Vertrag, falls der Besteller nicht der veränderten Annahme der Offerte (§ 150 Abs. 2) widerspricht, nach Maßgabe der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen des Verkäufers zustande, auch wenn der Besteller in der Offerte erklärt hat, daß andere als seine Geschäftsbedingungen nur gelten sollen, wenn er sie schriftlich anerkennt (BGH L M Nr. 3 zu § 150 BGB). Nimmt der Empfanger der Bestellung dagegen die Lieferung bereits auf, bevor dem Besteller die Annahmeerklärung zugegangen ist, und nimmt die Annahmeerklärung nur ganz allgemein auf die allgemeinen Verkaufsbedingungen des Lieferers Bezug, so kommt der Vertrag zu den Bedingungen der Offerte zustande; hier gilt das Schweigen des Bestellers auf den der Annahmeerklärung beigefügten Zusatz nicht als Billigung, weil die Annahmeerklärung mindestens im Zusammenhang mit der vor ihrem Zugang aufgenommenen Lieferung nicht unzweideutig ergibt, daß der Verkäufer nur mit gewissen Maßgaben liefern will, BGH L M Nr. 2 zu § 150 BGB. Anm. 63 Auch i m Handelsverkehr gilt Stillschweigen nur dann als Zustimmung, wenn besondere Umstände vorliegen, die nach Treu und Glauben keine andere Deutung zulassen, BGH J Z 1951, 783. Solche Umstände sind bei einem Kauf mit Preisvorbehalt gegeben, der den Verkäufer berechtigt, von dem ursprünglichen Vertrage abzugehen und dem Käufer einen höheren Preis vorzuschlagen; übt der Verkäufer dieses Recht aus, so ist das Schweigen des Käufers Zustimmung zu einem neuen Vertrag mit höherem Preis, BGH I, 355. Wird im Handelsverkehr einer Abrechnung nicht unverzüglich widersprochen, so ist das im allgemeinen als Zustimmung zu werten, OGH 3, 237. Durch widerspruchslose Hinnahme eines Schlußscheins, der auf Platzüsancen verweist, unterwirft man sich ihnen, OGH NJW 1951, 1 1 1 . Anm. 64 b) Vom Schweigen ist die A n n a h m e eines K a u f a n g e b o t s d u r c h schlüssiges Verhalten zu unterscheiden. Es setzt an sich wie jede Willenserklärung einen Erklärungswillen oder wenigstens das Bewußtsein voraus, daß das Verhalten als eine Erklärung bestimmten Inhalts aufgefaßt werden kann (vgl. RG 68, 322; BGH 2, 152/53). 32

Kauf. Tausch

§433

Anm. 65—67 Ein Verhalten, das vom Verkehr nur als eine bestimmte Erklärung aufgefaßt werden kann, ist aber auch dann als Erklärung anzusehen, wenn es an dem Willen fehlt, überhaupt eine Erklärung oder eine Erklärung dieses Inhalts abzugeben. Soweit S c h w e i g e n als Willenserklärung gilt, kann es nicht mit der Begründung a n g e f o c h t e n werden, es habe eine Erklärung dieses Inhalts nicht abgegeben werden sollen, R G 129, 348; B G H 1 1 , 1, 5; B G H W M 1957, 928. Wenn Schweigen als eine Erklärung bestimmten Inhalts gemeint, aber als eine Erklärung anderen Inhalts zu verstehen ist, kann auch die im Schweigen gelegene Erklärung wegen Irrtums angefochten werden. Wird bestellte Ware übersandt, so liegt in ihrer Absendung die Annahme des Vertragsangebotes, auch wenn seine Annahme nicht gewollt war. Nur bei etwaiger Sachverwechslung kann angefochten werden. Wird unbestellte Ware zugesandt, so liegt darin ein Kaufangebot und in ihrer Aneignung die Annahme dieses Angebots, auch wenn ein Kauf nicht gewollt war. Dient eine Handlung der Abwendung eines Schadens oder Nachteils, so kann sie nicht als schlüssige Zustimmung gewertet werden.

Anm. 65

c) Dem B e s t ä t i g u n g s s c h r e i b e n kann verschiedene Bedeutung zukommen. Es kann den Zweck haben, den bereits bindend abgeschlossenen Vertrag urkundlich, authentisch festzulegen. Seinem Sinn entsprechend, eine verläßliche Grundlage für das Vertragsverhältnis zu schaffen, kann Schweigen solchenfalls nur als Genehmigung gedeutet werden. Weichen die Änderungen vom Vereinbarten derart ab, daß eine Zustimmung des Vertragsgegners nach Treu und Glauben nicht erwartet werden kann, so ist Schweigen keine Zustimmung; das gilt insbesondere, wenn die Änderung offensichtlich auf eine wesentliche Schlechterstellung des Empfängers des Bestätigungsschreibens abzielt oder sich als ein klares Angebot eines neuen Vertrages darstellt (RG SeuffArch. 1922 Nr. 92; R G 95,48; B G H 7,190; 1 1 , 4 ) ; diese Ausnahme setzt aber voraus, daß der Bestätigende nicht im guten Glauben war, B G H 1 1 , 4 . Erst recht darf ein Bestätigungsschreiben mit erlogenem Inhalt unwidersprochen bleiben, R G 129, 349. Soll das Bestätigungsschreiben geführte Verhandlungen zum bindenden Abschluß bringen oder ist es beiderseits als Beurkundung des beabsichtigten Vertrages (§154 Abs. 2) gedacht, so ist Schweigen als Einverständnis zum Niedergelegten zu werten (RG 54, 1 8 1 ; 58, 69; 88, 380; 105, 389). Ein Kaufmann, der ein Bestätigungsschreiben über vorausgegangene Vertragsverhandlungen widerspruchslos entgegennimmt, bringt dadurch grundsätzlich seine Zustimmung zu dem Inhalt des Schreibens zum Ausdruck; auf diese Weise kommt, wenn die Verhandlungen noch zu keinem festen Abschluß geführt hatten, ein Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande, und wenn das Bestätigungsschreiben gegenüber dem Besprochenen abweichende Bestimmungen enthält, wird der Inhalt des Vertrages durch den Inhalt des Bestätigungsschreibens bestimmt (BGH 7, 189; 1 1 , 3). Die stillschweigende Genehmigung des Bestätigungsschreibens umfaßt in der Regel auch die in ihm ausdrücklich in bezug genommenen Geschäftsbedingungen, selbst wenn diese dem Schreiben nicht beigefügt und dem Empfänger auch sonst nicht bekannt waren, B G H 7, 187; a. A. K r a u s e BB 1952, 996.

Anm. 66

Die für das echte Bestätigungsschreiben entwickelten Rechtsgrundsätze sind nicht auf die A u f t r a g s b e s t ä t i g u n g zu übertragen, mit der der Empfänger einer Bestellung das Vertragsangebot nur mit Abweichungen annimmt, B G H 18, 212.

Anm. 67

d) F a k t i s c h e s S c h u l d v e r h ä l t n i s . Der V . Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat angenommen, daß Verträge nicht bloß rechtsgeschäftlich, sondern auch faktisch zustande kommen könnten (Parkuhrenentscheidung, B G H 21, 31g, 333/35). Er erkennt an, daß es Schuldverhältnisse gebe, deren Grundlage nicht in einer rechtsgeschäftlichen Einigung der Beteiligten zu finden sei, sondern in einem rein tatsächlichen öffentlichen Angebot einer Leistung und in der rein tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Leistung. Ein solches Verhalten sei mangels eines entsprechenden Erklärungsbewußtseins beiderseits nicht als Willenserklärung anzusehen, sondern als ein Vorgang, der nach seiner sozialtypischen Bedeutung die gleiche Rechtsfolge habe wie ein rechtsgeschäftliches 3

Komm. z. BGB, 11. Auf], II. Bd. (Kuhn)

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 68, 69 Handeln. Dem ist N i p p e r d e y ( M D R 1957, 129) mit Recht aus dogmatischen Gründen und mit der Warnung vor einer Aufgabe des Vertragsbegriffs entgegengetreten. Der V I I I . Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist allerdings dem V . Zivilsenat f ü r den Fall beigetreten, daß jemand die Leistungen eines Versorgungsunternehmens für Wasser, Gas oder elektrischen Strom als Wohnungsinhaber und Haushaltungsvorstand tatsächlich in Anspruch nimmt ( B G H 23, 175). H e i n r i c h L e h m a n n ( N J W 1958, 2) spricht insoweit sogar von einer Verwilderung der Rechtsprechung. Ablehnend auch W i e a c k e r J Z 1957, 6 1 ; A. B l o m e y e r M D R 1957, 1 5 3 ; B a u r J Z 1957, 764.; 1958, 3 5 3 ; dafür L a r e n z , Schuldrecht 3. Aufl., § 4 I I und N J W 1956, 1897.

A n m . 68 3 . K a u f d u r c h S t e l l v e r t r e t e r . Der Abschluß eines Kaufvertrages kann auch durch Dritte Personen als Stellvertreter erfolgen, die entweder zum Abschluß bevollmächtigt sind oder nur zur Vermittlung und Vorbereitung des Abschlusses. Bevollmächtigt sind nach dem Gesetz die Prokuristen, B G B § 49, die Handlungsbevollmächtigten, H G B § 54, die Handlungsreisenden H G B §§ 55, 87; zum Abschluß ermächtigte Handlungsagenten, H G B § 84 Abs. 1 ; die in einem Laden oder offenen Warenlager Angestellten, H G B § 56. Die Angaben dieser Vertreter muß der Geschäftsherr gegen sich gelten lassen, auch wenn die Bevollmächtigung nicht ausdrücklich bekannt gegeben worden ist, B G B § 164 ( R G 103, 295). Wer weiß, daß jemand, der hierzu nicht bevollmächtigt ist, für ihn handelt, dies duldet, kann sich auf den Mangel der Vollmacht nicht berufen, wenn der Geschäftsgegner die Duldung der Vertretung nach T r e u und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin werten konnte und gewertet hat, daß der Handelnde Vollmacht habe, R G 1 1 7 , 1 6 5 ; B G H M D R 1953, 345; alsdann wird es ganz ohne Rücksicht darauf, ob in der Duldung der ausgeübten Stellvertretung eine Bevollmächtigung liegt, so angesehen, als ob Vollmacht erteilt sei ( D u l d u n g s v o l l m a c h t ) . Dieser Grundsatz ist auch gegenüber Körperschaften des öffentlichen Rechts anwendbar, B G H N J W 1955, 985. Auf den Mangel der Vollmacht kann sich der Vertreter auch dann nicht berufen, wenn er das Verhalten seines angeblichen Vertreters zwar nicht kannte, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte kennen und verhindern können und der Geschäftsgegner das Verhalten des Vertreters nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin auffassen durfte, daß es dem Vertretenen bei verkehrsmäßiger Sorgfalt nicht habe verborgen bleiben dürfen ( A n s c h e i n s v o l l m a c h t ) ; alsdann wird die nicht vorhandene Vollmacht im Interesse der Rechtssicherheit durch den im Bereich des Vertretenen entstandenen Rechtsschein ersetzt ( R G D R 1942, 1 7 2 ; R G 170, 2 8 1 , 284; B G H 5, 1 1 2 ; N J W 1 9 5 1 , 309; L M Nr. 2/3 zu § 278 B G B ; BB 1956, 978). Die Ansicht von R G 162, 129, 148, daß eine Vollmacht kraft Rechtsscheins nicht entgegen den Bestimmungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlicher Satzungen entstehen könne, ist zu eng, N i p p e r d e y J Z 1952, 5 7 7 ; aber auch der öffentliche Geschäftsherr muß das Verhalten des „Vertreters" bei pflichtgemäßer Sorgfalt haben erkennen und verhindern können (vgl. B G H 5, m , 1 1 6 und § 167 Anm. 4—7). Schließt der bloße Vermittler in Überschreitung seiner Befugnisse ab, so muß der Geschäftsherr, sobald er davon Kenntnis erlangt, nach Treu und Glauben widersprechen ; sonst gilt der Vertrag als genehmigt, § 85 H G B . Genehmigt der Geschäftsherr das vom Vermittlungsagenten abgeschlossene Geschäft stillschweigend oder ausdrücklich, so muß er es so gegen sich gelten lassen, wie es der Agent abgeschlossen hat; wer aber weiß oder sich sagen muß, daß der Abschluß dem Interesse des anderen Teils zuwiderläuft und daß dieser ein solches Geschäft keinesfalls selbst geschlossen haben würde, oder wer damit rechnet, der andere Teil werde den genauen Inhalt des Vertrages nicht erfahren und daher das Geschäft unwissend genehmigen, kann sich auf das zustande gekommene Geschäft nicht berufen, R G 134, 7 1 .

A n m . 69 4. Die F o r m des K a u f v e r t r a g e s Der Abschluß eines Kaufvertrages bedarf regelmäßig keiner Form. Ein Formerfordernis enthalten nicht die Bewirtschaftungsvorschriften über die Schlußscheinpflicht, B G H BB 1957, 524.

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Kauf. Tausch

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Vorgeschrieben ist gerichtliche oder notarielle Beurkundung. a) bei Verkauf der Erbschaft, § 2 3 7 1 , b ) bei dem Verkauf des gegenwärtigen Vermögens des Verkäufers in seiner Gesamtheit ( § 3 1 1 ; vgl. hierzu R G 6g, 420; 76, 1 ; WarnRspr. 1917 Nr. 49). Daß das verkaufte Geschäft tatsächlich das ganze Vermögen bildet, macht § 3 1 1 noch nicht anwendbar, c) bei dem Verkauf des gesetzlichen Erbteils oder Pflichtteils unter den künftigen gesetzlichen Erben (§ 312), d) beim Verkauf von Grundstücken, § 3 1 3 . Hier erstreckt sich der Formzwang auf alle Vereinbarungen, aus denen sich der Kaufvertrag zusammensetzt, R G 52, 4; 8 1 , 1 3 4 ; 98, 226; 145, 246, 248. Der Formzwang gilt auch für bedingte Kaufverträge, R G 7 7 , 4 1 7 ; 109, 25; für den Vorvertrag, R G 53, 236; 8 1 , 134; für die Einräumung eines persönlichen und dinglichen Vorkaufs- und Wiederkaufsrechts, R G 72, 385; 106, 176; 1 0 7 , 4 0 ; 1 1 0 , 3 2 7 ; für Vergleiche über Grudnstückskaufverträge, in denen die Verpflichtung zur Übertragung von neuem eingegangen wird, R G 109, 27; für Kaufverträge über ein Handelsgeschäft, zu dem Grundstücke gehören; für Parzellierungsverträge, R G 50, 165; 68, 2 6 1 ; 81, 50; für die unwiderrufliche Vollmacht zum Verkauf eines Grundstücks, R G 66, 432; 104, 237; 108, 126; 135, 7 1 ; für Garantieverträge zur Einhaltung der Erfüllung eines Grundstückskaufvertrags, R G J W 1925, i i i o 3 ; für die Vereinbarung, ein gemeinschaftliches Grundstück unter die Teilhaber in bestimmter Weise aufzuteilen, O H G 1, 206. Nicht formbedürftig sind Grundstücksveräußerungen zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, wie des Auftrags, O G H J R 1949, 3 8 1 ; B G H L M Nr. 13ZU §242 (Bb) B G B ; B G H 19, 70/71; B G H 18. 10. 56 I I Z R 257/54. Verträge, die für eine ohne Rechtsgrund erfolgte Grundstücksübereignung nachträglich den Rechtsgrund setzen, bedürfen nicht der Form des § 3 1 3 , R G J W 1932, 1354. Die Einwilligung des Grundstücksverkäufers in das berechtigte Minderungsverlangen des Käufers ist formlos gültig, R G WarnRspr. 1908 Nr. 449. Das gleiche gilt vom Einverständnis in die Wandlung beim bereits übereigneten Grundstück, R G 137, 294. Nachträgliche Abänderungen eines formgültig abgeschlossenen Vertrages sind jedenfalls dann formfrei, wenn sie nur der Beseitigung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehen hervorgetretenen Schwierigkeit zum Gegenstand haben und durch sie der Inhalt der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen als solcher nicht berührt wird, R G 103, 328, 3 3 1 ; 140, 335, 339, B G H W M 1957, 1458 m. w. Nachw. Die Vertragsurkunde muß die Abreden vollständig und richtig enthalten, sonst ist der ganze Kaufvertrag nichtig, R G 53, 260; 1 1 8 , 100. Nicht vollständig ist der Vertrag beim Fehlen der grundbuchmäßigen Angaben, R G Recht 1935 Nr. 2008; eine bloße falsche Bezeichnung ist jedoch unschädlich, wenn die Parteien über das richtige Grundstück einig sind. Durch eine rechtswirksame Auflassung und Eintragung wird der Formmangel des Kaufvertrags geheilt, § 3 1 3 Satz 2, R G 1 0 9 , 3 5 : , andere Mängel nicht, R G 99, 74; m , 244; O G H 1, 3 3 1 . Deckt die Auflassung das formungültige Geschäft nicht, so kommt ihr auch keine heilende Wirkung zu, O G H 1, 290. Die Heilung hat keine rückwirkende K r a f t ; daher tritt der Gefahrübergang nach §446 auch bei schon übergebenen Grundstücken erst mit der Eintragung ein, R G 75, 1 x 5 ; 1 1 5 , 12. Von da an beginnt auch erst die Verjährungsfrist des § 477. Aus formnichtigen Grundstückskaufverträgen kann weder mit Hilfe des Einwandes des Rechtsmißbrauchs, noch aus Verschulden beim Vertragsschluß, noch aus unerlaubter Handlung Auflassung verlangt werden, O L G Koblenz D R Z 1949, 40. Nur unter besonderen Verhältnissen kann der Verkäufer eines Grundstücks an einen wegen Formmangels nichtigen Kaufvertrag gebunden sein, B G H 12, 286; 16, 334; 23, 249. So liegt es nur dann, wenn die Nichtanerkennung des Vertrages zu einem für den K ä u fer untragbaren Ergebnis führen würde, B G H W M 1957, 1440; sonst, also auch bei einem für den Käufer harten Ergebnis, reicht der beim nichtigen Vertrag gesetzlich gewährte Rechtsschutz aus, O G H 1, 2 1 7 . Die nachgiebigere Rechtspr. des R G (Bd 170, 204/5; 169, 73) führt zu einer unangemessenenen Aushöhlung der Formvorschriften. e) Der Kaufvertrag über ein Erbbaurecht bedarf der Form nach § 3 1 3 ; § 11 ErbbaurechtsVO erfaßt auch diesen Fall; über Bergwerkseigentum R G J W 1927, 262; f ) beim Verkauf von GmbH.-Anteilen, § 15 G m b H G .

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 70 5. D e r b e d i n g t e K a u f . Die Bedingung kann den A b s c h l u ß des K a u f v e r t r a g s betreffen, z. B. ein Möbelkauf von Brautleuten unter der Bedingung, daß sie ein in Aussicht stehendes Darlehen erhalten, oder ein Kaufvertrag, der von einer Ausfuhrbewilligung abhängt, oder unter der Klausel „Lieferung vorbehalten", „glückliche Ankunft" vorbehalten, R G 104, 98. Die Bedingung kann auch bloß das dingliche Erfüllungsgeschäft betreffen, während der Kaufvertrag unbedingt abgeschlossen wird. So wenn die Ubereignung der Kaufsache von der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises abhängig gemacht wird, wie beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt § 455. Die Bedingung kann auch sowohl den Kauf als das dingliche Erfüllungsgeschäft betreffen. Ob dies der Fall ist, ist Tatfrage. Da, wo Grundgeschäft und Erfüllungsgeschäft als ein einheitlicher, zusammengehöriger Rechtsvorgang anzusehen ist, wird es dem Parteiwillen mehr entsprechen, eine zugefügte Bedingung auf beide Geschäfte zu beziehen. Der Kauf auf Probe bietet ein Beispiel dafür, daß auch ein bloßes Wollen des Berechtigten oder Verpflichteten das Ereignis sein kann, das den Eintritt einer Rechtswirkung bestimmt, R G 104, 98; 77, 415. Das bloße Wollen darf nur nicht reine Willkür sein, R G 66, 32; 131, 24; 136, 132, sonst fehlt es überhaupt an einer vertraglichen Bindung, es liegt höchstens ein Angebot vor, so häufig bei Einräumung einer „Option", R G 136, 1 3 2 ; G R U R 1932, 868; B G H g, 237; 22, 349/50. Wird das ungewisse künftige Ereignis erwartet oder das Vorhandensein eines vergangenen oder gegenwärtigen Ereignisses von den Vertragsparteien angenommen, ohne daß dieses Ereignis den Eintritt einer Rechtswirkung bestimmen und diese Bestimmung Inhalt der vertraglichen Bindung werden soll, so liegt eine V o r a u s s e t z u n g vor, R G 66, 1 3 2 ; 70, 86. Auch eine solche kann aber die Wirkung haben, daß bei Nichteintritt oder Nichtvorliegen des Ereignisses vom Vertrage zurückgetreten werden kann (clausula rebus sie stantibus) R G H R R 1928, 1188. Sie kann aber ausdrücklich oder stillschweigend auch zur Vertragsbedingung erhoben werden, wie es z.B. bei einer Kalkulationsgrundlage geschehen kann, R G Recht 1923 Nr. 1221. Auch der bedingte Kauf wird von dem G r u n d s a t z v o n T r e u u n d G l a u b e n beherrscht. Deshalb muß jeder sein Verhalten so einrichten, daß er bei Eintritt der Bedingung seine Vertragspflichten erfüllen kann. A n m . 71 6. Genehmigungspflichtige K a u f v e r t r ä g e Für eine große Anzahl von Kaufverträgen bedarf es der behördlichen Genehmigung. Sie ist ein Wirksamkeitserfordernis für das Entstehen des Rechtsgeschäftes, R G 108, 94. Das Rechtsgeschäft gilt als bereits mit der Vornahme wirksam geworden, § 184 Abs. 1, ebenso kommt es für den guten Glauben auf die Zeit aer Vornahme des Geschäfts an, R G 125, 5 3 ; 142, 59. Der Schwebezustand ist sonach von dem eines bedingten Rechtsgeschäfts verschieden. Hängt die Wirksamkeit eines Kaufs von einer behördlichen Genehmigung ab, so obliegt den Parteien ohne Rücksicht darauf, ob ihnen daraus Nachteile erwachsen ( R G 98, 262), die gegenseitige Treupflicht, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Genehmigung herbeizuführen, und alles zu unterlassen, was dieser Genehmigung hinderlich sein könnte, R G 129, 357, 376; OGH 2, 318; B G H BB 1956, 869; O L G Stuttgart N J W 1953, 670. Hintertreibt eine Partei die zur Wirksamkeit des Kaufs notwendige behördliche Genehmigung, so kann sie unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verpflichtet sein, den Vertragspartner so zu stellen, wie wenn die Genehmigung erteilt worden wäre; unter diesem Gesichtspunkt kann unter Umständen auch die Erfüllung des Kaufs verlangt werden (RG 110, 356, 364; 129, 357, 382ff.; B G H 25. 4. 52 V Z R 67/51). Die Bindung der Parteien entfällt erst, wenn die Genehmigung endgültig versagt ist; wird die Genehmigung nachträglich doch noch erteilt, so bleibt das Rechtsgeschäft, falls es nicht erneuert wird, unwirksam (RG 103, 104; 106, 142, 146; 168, 346, 3 5 1 ; 172, 1, 5; B G H DNotZ 1953, 397); das gilt auch dann, wenn der die Genehmigung versagende Verwaltungsakt fehlerhaft ist und deshalb durch einen anderen Verwaltungsakt als von Anfang an unwirksam aufgehoben wird ( B G H N J W 1956, 1618 m. zust. Anm. H a u e i s e n N J W 1957, 385). Die Genehmigung kann auch unter einer Bedin-

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gung erteilt werden und wirkt dann erst mit Eintritt der Bedingung, R G H R R 1928, 1559. Eine bedingte Genehmigung kann auch die Versagung der Genehmigung zum abgeschlossenen Geschäft und die Erteilung der Genehmigung f ü r ein anderes Geschäft bedeuten, dessen Abschluß den Beteiligten freisteht. Die B e s c h a f f u n g e i n e r E i n f u h r e r l a u b n i s liegt im Zweifel dem K ä u f e r als Ausfluß seiner Abnahmepflicht ob, R G Gruch 1 9 1 8 , 83; J W 1 9 2 1 , 1 4 5 3 1 . Über die Wirkung der Versagung der Einfuhrerlaubnis auf den Eigentumsübergang vgl. unten Anm. 173. a) Soweit eine Genehmigung im B G B erfordert wird, ist sie im i n d i v i d u a l i s t i s c h e n I n t e r e s s e d e r V e r t r a g s p a r t e i e n bestimmt. So bei Käufen eines beschränkt Geschäftsfähigen die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, §§ 107, 1 1 4 B G B . Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist in den Fällen der §§ 1 8 1 2 , 1 8 2 1 , 1822 erforderlich. b) I m a l l g e m e i n e n V o l k s - u n d w i r t s c h a f t l i c h e n I n t e r e s s e ist die Wirksamkeit eines Kaufs in zahlreichen Fällen von Genehmigung staatlicher Stellen abhängig. Der Verkauf und die Auflassung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks bedürfen der Genehmigung, Art. I V K R G Nr. 45, V O B I B Z 1947, 43. Wird das Verpflichtungsgeschäft genehmigt, so erstreckt sich die Genehmigung auch auf das diesem Vertrage entsprechende Erfüllungsgeschäft, Art. I V , 2 K R G Nr. 45. Das ungenehmigte Geschäft is void, nach dem deutschen T e x t : nichtig. I m dogmatischen Sinne handelt es sich jedoch nicht um unheilbare Nichtigkeit, sondern um schwebend unwirksame Rechtsakte, die bei Versagung der Genehmigung endgültig unwirksam sind, B G H 11, 90, 103. Die Genehmigung der Landwirtschaftsbehörde ersetzt auch jede nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigung, auch die preisrechtliche Zustimmung nach der V O v. 7. 7. 42 idF der V O v. 28. 11. 53, BGBl. I 792 ( B G H 11, 103). Bei unbebauten Grundstücken ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Preisbehörde erforderlich, § 1 Abs. 2 der V O v. 7. 7. 42 idF der V O v. 28. 1 1 . 52, BGBl. I, 792. Nach Art. 86 E G B G B , Art. 6, 7 P r A G B G B bedürfen Grundstücksveräußerungen an juristische Personen zu mehr als 5000 D M staatlicher Genehmigung. Z u r Veräußerung eines Grundstücks, das mit der Kapitalabfindung eines Versorgungsanspruchs erworben ist, ist nach § 75 des Bundesversorgungsgesetzes v. 6. 6. 56, BGBl. I 469, die Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich, wenn eine dahingehende Anordnung im Grundbuch eingetragen ist. Der G e n e h m i g u n g n a c h d e m W o h n s i e d l G (v. 22. g. 33, R G B l . I 659) bedarf nicht bloß die Auflassung, sondern auch der Kaufvertrag, B G H 23, 342. Die Genehmigung einer Vereinbarung, die einen nur zum Schein geschlossenen Kaufvertrag und eine zur Erfüllung des verdeckten Rechtsgeschäfts ernstlich gewollte Auflassung enthält, deckt die Auflassung trotz ihres abstrakten Charakters nicht, B G H W M 1958, 784. Eine Genehmigung nach dem WohnsiedlG gilt zugleich als Unbedenklichkeitsbescheinigung der Preisbehörde (§ 1 Abs. 2 Satz 2 der GrundstückspreisVO v. 7. 7. 42, B G H 19. 3. 58 V Z R 62/57)Beachte auch die Genehmigungspflicht nach § 1 1 der V O zur beschleunigten Förderung des Baus von H e u e r l i n g s - u n d W e r k w o h n u n g e n und E i g e n h e i m e n f ü r l ä n d l i c h e A r b e i t e r und Handwerker v. 10. 3. 37 ( R G B l . I 292), sowie die Genehmigung für die V e r ä u ß e r u n g v o n E n t s c h u l d u n g s b e t r i e b e n nach VeräußerungsV O v. 6. i. 37 ( R G B l . I 5), D V v. 19. 4. u. 24. 1 1 . 37 ( R G B l . I 466, 1305), AbwicklungsG v. 25. 3. 52 (BGBl. I 203). Nach § 62 Abs. 2 D G O bedürfen Gemeinden zum Verkauf oder Tausch von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Uber genehmigungsfreie Geschäfte §§ 23—25 D V v. 22. 3. 35, R G B l . I 393. Wer ein Grundstück erwirbt, das in einem F l u r b e r e i n i g u n g s g e b i e t liegt, muß das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch oder bis zur Anmeldung des Erwerbs durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen, FlurbereinigungsG v. 14. 7. 53, BGBl. I 591. A u s l ä n d e r bedürfen zum Erwerb von Grundstücken staatlicher Genehmigung, Art. 88 E G B G B . Die Veräußerung von inländischen Grundstücken durch Ausländer an Deviseninländer ist devisenrechtlich allgemein genehmigt, BB 1956, 445.

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

V e r s i c h e r u n g s a k t i e n g e s e l l s c h a f t e n , Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Bausparkassen bedürfen zum Erwerb von Grundstücken der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, §§ 54, 112 des VersicherungsaufsichtsG v. 6. 6. 31, RGBL I 315. W a s s e r - u n d B o d e n v e r b ä n d e bedürfen zur Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, VO v. 3. 9. 37, RGBl. I 933. Im Bereiche des Gesetzes zum Schutz des E i n z e l h a n d e l s v. 12. 5. 33 (RGBl. I 262, 493; geänd. RGBl. 1934 I 523, 1241; 1935 I 589), also nicht in der ehemals amerikanisch besetzten Zone, bedarf ein G e s c h ä f t s ü b e r n a h m e v e r t r a g behördlicher Genehmigung. Das Fehlen dieser Genehmigung berührt aber die Gültigkeit des Übernahmevertrages nicht, OGH 3, 302; OLG Hamburg MDR 1949, 359. Der nicht genehmigte Vertrag ist aber undurchführbar und damit auf eine unmögliche Leistung gerichtet, §§ 306—308. Das V e r s t e i g e r u n g s g e w e r b e darf nur mit besonderer Erlaubnis ausgeübt werden (Gesetz über das Versteigerergewerbe v. 12. 2. 38, RGBl. I 202). Der H a n d e l m i t S c h u ß w a f f e n u n d M u n i t i o n bedarf besonderer Erlaubnis ( § 7 des Waffengesetzes v. 18. 3. 38, RGBl. I 265); er ist im Umherziehen und auf Jahrmärkten, Schützenfesten und Messen mit Ausnahme von Mustermessen verboten (§ 9). Diese Verbote gewerbepolizeilicher Art berühren die zivilrechtliche Gültigkeit von Kaufverträgen nicht. Die E i n f u h r v o n E l e k t r i z i t ä t o d e r G a s auf festen Leitungswegen und der Abschluß von Verträgen hierüber sind genehmigungspflichtig, EnergiewirtschaftsG v. 13- 12. 35 § 1 0 (RGBl. I 1451). Art. II MilRegG Nr. 52 verbietet u. a. den Erwerb und den Verkauf von nach diesem Gesetz gesperrtem Vermögen. Bei fehlender Genehmigung ist das Geschäft schwebend unwirksam, OGH 3, 82. Nur die in Umgehungs- oder Vereitelungsabsicht geschlossenen Geschäfte sind nicht genehmigungsfähig, sondern nichtig, OGH 3, 82; BGH n . 4. 51 II 9/5°A n m . 72 7. D i e r e c h t l i c h e K o n s t r u k t i o n b e i d e r A b g a b e z w a n g s b e w i r t s c h a f t e t e r Waren. Für die Abgabe zwangsbewirtschafteter Waren galt folgendes: Durch staatlichen Hoheitsakt kann zwar die Abgabe von Waren veranlaßt oder erzwungen werden; dadurch erlangt der Bezugsberechtigte aber keinen vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbaren Anspruch und der Verpflichtete keinen Anspruch auf Zahlung. Gewiß kann auch dem Inhaber der Ware deren Abgabe und dem Bezugsberechtigten ihre Bezahlung aufgegeben werden; dadurch entstehen aber nur Pflichten kraft öffentlichen Rechts, aber weder ein Lieferungs- noch ein Zahlungsanspruch. Hierzu kann es nur durch ein privatrechtliches Geschäft kommen. Ein Gewerbetreibender kann zum Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages kraft öffentlichen Rechts verpflichtet sein; auf welchem privatrechtlichen Wege im einzelnen die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Lieferungspflicht erreicht wird, ist, soweit nichts ausdrücklich bestimmt wird, den Beteiligten überlassen, BGH J Z 1951, 46. Ein Vertrag ist anzunehmen, wenn sich die Beteiligten einander verpflichten wollen; er kommt schlüssig oder durch Schweigen vor oder bei der Lieferung mit der Lieferung zustande, OGH 2, 357. Auch durch bestimmte Einzelanordnungen für die Durchführung treten die Beteiligten nicht in ein öffentlich-rechtliches Uber- und Unterordnungsverhältnis, BGH 1, 78. Durch die gänzliche oder teilweise Ausschaltung der Parteiwillkür wird keiner der Beteiligten über oder unter den anderen gesetzt, sie stehen sich vielmehr gleichberechtigt gegenüber und unterwerfen sich der Zwangsbewirtschaftung nach Art gesetzlicher Unterwerfung oder, wenn eine spezielle Anordnung ergangen ist, dieser (z. B. der Anordnung des Vertragsschlusses und den gestellten Bedingungen), indem sie sich fügen und den Auflagen nachkommen, OGH 2, 357. Was durch den Bewirtschaftungszwang allgemein oder im besonderen geboten ist, wird Mindestinhalt des Vertrages, im übrigen ist für den Parteiwillen Raum, BGH MDR 1952, 155. Auch die Ubereignung kann hoheitlich geboten werden; aber auch ihre Vornahme bleibt ein privates Rechtsgeschäft, da auch 38

Kauf. Tausch

§433 A n m . 73—75

dazu die Beteiligten nicht in das Verhältnis von Uber- und Unterordnung gestellt werden, B G H i, 77. Selbst bei hoheitlich diktierten Verträgen ist das Ergebnis des Zwangseingriffs ein Vertrag; der Abschluß ist zwar erzwungen, diktiert, aber was entsteht und entstehen soll, ist doch ein privates Rechtsgeschäft. Der Erfüllungsanspruch und die Rechte wegen Nichterfüllung sind privatrechtlicher Natur und mit den zivilprozessualen Rechtsbehelfen verfolgbar (OGH 2, 352 fr.; 2, 97/8; 4, 152; B G H 1, 75; J Z 1951, 46; M D R 1952, 155). Geschäfte der gelenkten Wirtschaft unterliegen insbesondere dann den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, wenn sich die staatliche Stelle zur Durchführung der von ihr angeordneten Verteilung des Mittels der Kaufverträge bedient, B G H NJW 1951, 109. Wenn eine Lenkungsstelle einem Importeur in seinem Einverständnis Waren der gelenkten Wirtschaft zum Verkauf an einen zum Kauf bereiten Großhändler zuweist, so treten damit vorvertragliche Bindungen des Importeurs im Verhältnis zum Großhändler ein, B G H M D R 1951, 289. Werden über bewirtschaftete Waren Lieferungsverträge abgeschlossen, ohne daß eine Bezugsberechtigung vorliegt, so berührt das die Gültigkeit nur dann, wenn das Geschäft unter Verletzung des Gesetzes durchgeführt werden soll, OGH 3, 277, B G H M D R 1951, 153. Ein Vertragsverhältnis kann auch durch verwaltungsrechtliche Ersatzvornahme begründet werden, B G H 7, 346,363. Ein gegen Bewirtschaftungsbestimmungen verstoßender Kaufvertrag kann nach Aufhebung dieser Vorschriften wirksam bestätigt werden, B G H 11,59. IV. Die Abgrenzung des Kaufvertrags g e g e n andere Verträge A n m . 73 Die Abgrenzung des Kaufvertrags von anderen Vertragsarten ergibt sich aus seinem auf den Umtausch von Ware gegen Geld gerichteten Wesenszug. A n m . 74 1. T a u s c h v e r t r a g (§515). Er ist Umtausch von Ware gegen Ware, bei ihm schuldet jede Partei Ware, die Parteirollen und ihre Verpflichtungen sind also nicht verschieden. O b Kauf oder Tausch vorliegt, entscheidet sich nicht nach der Absicht und Ansicht der Vertragschließenden, sondern danach, wie das Vereinbarte rechtlich zu beurteilen ist (RG 88, 364). Tauschvertrag liegt vor, wenn eine unmittelbare Ausgleichung individualer Sachleistungen gegeneinander gewollt ist (RG 50, 285; 57, 266; J W 05, 326 16 ). Ist vereinbart, daß ein Grundstück gegen Geld hingegeben werde, und sind in Berichtigung des so vereinbarten Kaufpreises Interimsscheine und eine auf dem Grundstück ruhende Hypothek übernommen worden, so liegt Kauf vor (RG 22. 11. 07 II 224/07). Der als wirtschaftliches Endziel bezweckende Umtausch von Ware gegen Ware kann auch im Wege des Doppelkaufs mit gänzlicher oder teilweiser Aufrechnung der vereinbarten Preise herbeigeführt werden ( R O H G 5, 418; 18, 384; R G Gruch. 49, 1154; SeuffArch. 68, 397). Daß beim Umsatzgeschäft der eine oder beide Gegenstände mit bestimmtem Wertbetrage angesetzt werden, kann bloße Schätzung bedeuten und braucht nicht Bestimmung des Preises als Leistungsgegenstand zu sein. Dies allein macht daher den Tausch noch nicht zum Doppelkauf (RG 73, 153), ebensowenig die bloße Einkleidung in zwei Kaufverträge (RG 50, 285; J W 05, 326 16 ), wenn auch die gebrauchten Ausdrücke für die Feststellung des Willeninhalts von Bedeutung sind (RG 73, 90). Durch Z u g a b e von Geld oder Ware wird die Natur des Geschäfts nicht geändert. Wesentliche Merkmale des Doppelkaufs sind dagegen zeitliches Auseinanderfallen, besonderer Umsatzzweck f ü r jede Warenveräußerung, Preisbestimmung als Inhalt der Gegenleistung. Im Unterschied vom Tausch wirkt Verzug, Nichtlieferung, Mangel der Kaufsache nur für den einen Kauf, die Wandlung und Minderung läßt den andern unberührt. I m Falle der Minderung ist beim Tausch der Wert des Gegenstücks, beim Doppelkauf dagegen der angesetzte Wert maßgebend (RG 73, 153). Die Vorschriften über den Handelskauf (§§ 373 ff-) finden auch auf den Handelstausch Anwendung. A n m . 75 2. Geld W e c h s e l g e s c h ä f t . Dies stellt bei inländischem Geld ein eigenartiges Geschäft dar, ist ebensowenig Tausch wie Kauf, da Geld gegen Geld, nicht Ware gegen

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§ 433 A n m . 76, 77

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Geld oder W a r e gegen W a r e eingetauscht wird. N a c h allgemeiner M e i n u n g j e d o c h liegt T a u s c h vor. Bei der Umwechslung inländischen Geldes in ausländisches oder u m gekehrt ( V a l u t e n t a u s c h , Sortengeschäft) dagegen liegt K a u f vor. A n m . 76 3 . W e r k v e r t r a g (§631). Bei i h m wird die Herstellung eines Werkes, nicht eine Sache geschuldet ( R G 97, 87 [90]); n a c h Abs. 2 kann Gegenstand des Werkvertrages a u c h die Herstellung einer Sache u n d jeder andere d u r c h Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführende Erfolg sein. Ist der Anspruch auf eine Werkleistung in einem I n h a b e r papier verkörpert (Theaterbillett, Eisenbahnfahrkarte), liegt K a u f dieses Papiers vor. Bei einem Maschinenlieferungsvertrag ist die M o n t a g e regelmäßig n u r Nebenleistung. N u r ausnahmsweise k a n n die V e r e i n b a r u n g der M o n t a g e eine selbständige Bedeutung, insbesondere die eines d e m H a u p t v e r t r a g beigefügten Werkvertrags ( R G 66, 279) h a b e n . Soll d a r ü b e r hinaus der V e r t r a g im ganzen mit Rücksicht auf die Montagevereinbarung ein Werkvertrag n a c h § 631 u n d kein K a u f u n d auch kein Werklieferungsvertrag n a c h § 651 sein, so müssen ganz bestimmte U m s t ä n d e hierfür vorliegen ( R G 23. 10. 17 VII178/17), etwa die Maschinen einem bestimmten R a u m oder Betriebe oder sonstigen Verhältnissen besonders anzupassen sein ( R G 16. 2. 04 I I 318/03). Ist Gegenstand die G e s a m t h e i t aufeinander abgestimmter Maschinen f ü r eine Fabrikanlage, nicht die unvertretbare Einzelsache, so liegt K a u f vor, der erst mit Lieferung der letzten Maschine erfüllt ist, R G H R R 1935, 1301. Der V e r t r a g über Lieferung von Öfen f ü r einen N e u b a u ist Kaufvertrag, auch wenn die Aufstellung u n d Einfügung ü b e r n o m m e n wird (WarnRspr. 09 N r . 70). Dagegen ist die Ausstattung einer W o h n u n g mit einer Zentralheizungsanlage Werkvertrag ( R G 45, 63; R G 14. 1. 19 V I I 288/18). A n m . 77 4. W e r k l i e f e r u n g s v e r t r a g (§ 651). A u c h i h m ist die Herstellungspflicht wesentlich, im Unterschied z u m Werkvertrag aber aus einem d e m U n t e r n e h m e r gehörigen Stoff. Mit d e m K a u f h a t er die Pflicht zur Eigentumsverschaffung gemein. H a n d e l t es sich u m die Herstellung vertretbarer Sachen, so finden zwar die Vorschriften über den K a u f Anwendung, der Werklieferungsvertrag ist aber d a r u m noch kein K a u f , denn der V e r t r a g enthält die d e m Wesen des Kaufes sonst f r e m d e Verpflichtung zur Herstellung. Die Vorschriften des Kaufes finden d a h e r n u r insoweit Anwendung, als sich nicht aus der Herstellungsverpflichtung etwas Abweichendes ergibt. Bei Herstellung unvertretbarer Sachen tritt diese Pflicht noch deutlicher hervor. F ü r Werklieferungsvertrag spricht, wenn die Parteien eine Anlage nicht schon mit der Lieferung u n d Aufsteckung als a b g e n o m m e n betrachten, sondern davon ausgehen, d a ß zur A b n a h m e außer der körperlichen H i n n a h m e noch die Anerkennung vertragsmäßiger Herstellung gehört, R G 171, 299/300. Reiner K a u f ist dagegen der sog. L i e f e r u n g s k a u f ; bei i h m ist zwar eine erst herzustellende Sache Vertragsgegenstand, aber ohne d a ß eine Herstellungspflicht mit ü b e r n o m m e n ist (vgl. unten Anm. 100; R G L Z 1912, 311). Wird beim K a u f einer halbfertigen Sache als Nebenverpflichtung die Fertigstellung übernommen, so liegt ein mit Werkvertrag gemischter K a u f v e r t r a g vor ( R G 21, 313; 19, 333). So bei d e m Verkauf eines gebrauchten Autos mit der Verpflichtung z u m U m b a u R G Gruch. 67, 311. Der K a u f eines fertigen Kleidungsstücks mit der Verpflichtung, kleine Änderungen vorzunehmen, ist reiner Kauf, auch wenn f ü r eine Ä n d e r u n g ein besonderes Entgelt gewährt wird. Der Verkauf eines Grundstücks, bei d e m die E r b a u u n g eines W o h n hauses bereits begonnen war, stellt auch d a n n lediglich einen K a u f v e r t r a g dar, wenn der Verkäufer sich zur Fertigstellung des Hauses verpflichtet, eine besondere V e r g ü t u n g jedoch hierfür nicht ausbedungen wird ( R G W a r n R s p r . 1910 N r . 236; igi2Nr.204). A u c h der K a u f e i n e s Hauses auf A b b r u c h ist reiner K a u f ( R G 62, 135). Ebenso ist der K a u f einer erst zu begründenden abstrakten Forderung, wie er sich beim sog. A u s z a h l u n g s g e s c h ä f t (transfer telegraphique, cable transfer) findet, reiner K a u f , R u i e k , Die Rechtsnatur des Kaufs einer Auszahlung (1933), 11. H e f t der A b h a n d l u n g e n z u m bürgerl. Handels- u n d Arbeitsrecht. N a c h R G 107, 136 soll hier Geschäftsbesorgung nach § 675 vorliegen.

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K a u f . Tausch

§433 A n m . 78—80

A n m . 78 5. A u f t r a g u n d K o m m i s s i o n . Nicht entscheidend ist der Wortlaut ( R G 94, 66; 114, 10) oder ob eine Provision vereinbart ist, R G 110, 121. Eigenhandel u n d Kommission gehen in einander über, in der Ausdrucksweise des K a u f m a n n s wird nicht scharf geschieden ( W a r n R s p r . 1 9 1 8 N r . 230). Auch V e r e i n b a r u n g von „Provision" statt „Preis" deutet nicht mit Sicherheit auf Kommission (RG 101, 380). Es ist zulässig, d a ß j e m a n d , der wirtschaftlich bloß Vermittler ist u n d von den Parteien auch so bezeichnet wird, d e m Erwerber gegenüber als Verkäufer u n d Eigenhändler auftritt (RG 11. 5. 07 I 520/06). Es ist auch mit der N a t u r des Kommissionsgeschäfts vereinbar, d a ß derjenige, der die W a r e im eigenen N a m e n f ü r den andern, aber f ü r dessen R e c h n u n g zu vorgeschriebenem Preise einkauft, sein Entgelt f ü r die Geschäftsbesorgung in einem etwa erzielten billigeren Einkaufspreise zu finden h a t ( R G 94, 289). Entscheidend ist auch nicht unbedingt, wem der wirtschaftliche Erfolg des Weiterverkaufs zufällt (RG 1 1 0 , 123). M a ß g e b e n d ist dagegen in der Regel (aber nicht ausnahmslos, R G 110, 121), ob ein fester Preis vereinbart ist; er b r a u c h t aber nicht in festen u n d bestimmten Zahlen ausgedrückt zu sein, m u ß aber immer objektiv feststellbar sein (RG 94, 66; 66, 289; 101, 380); sodann, ob die Absicht der Parteien auf bloße Vermittlung oder auf festen Abschluß gerichtet war. M a ß g e b e n d ist die wirtschaftliche Bedeutung der Erklärungen f ü r die Vertragsteile, R G 114, 10; H R R 1933, 1449. Wird verlangt „möglichst günstig", liegt Auftrag vor ( R O H G 18, 119; R G 3, 11 o; W a r n R s p r . 1918 Nr. 230; O L G 1 o, 340). Für eine Verkaufskommission spricht, wenn trotz Ü b e r s e n d u n g die Gefahr beim Geber bleiben soll (SeufFArch. 57, 55). Entsprechendes gilt f ü r den gewöhnlichen A u f t r a g (SeufTArch. 35, 288). Das Fehlen jeglicher Weisungsbefugnis schließt die A n n a h m e eines Kommissionsverhältnisses aus, O G H 4, 149, 154 fr.; B G H 1, 75, 79/80. A n m . 79 6. V i n k u l a t i o n s g e s c h ä f t . Es besteht in der L o m b a r d i e r u n g rollender Güter u n d ist ein eigenes vom K a u f verschiedenes Schuldverhältnis (RG 54, 2 1 3 ; 88, 70; 94, 94; 99, 20; 101, 320; J W 1921, 67g 2 ; L Z 1912 Sp. 573; 08 Sp. 167; O L G 23, 23). Das Vinkulationsgeschäft h a t sich im H a n d e l mit d e m Ausland herausgebildet (RG 99, 21). Der ausländische Verkäufer läßt die W a r e von einer Bank bevorschussen, übergibt ihr die Verladedokumente u n d m a c h t sie z u m Eigentümer. Die Bank bietet die W a r e mit einer v o m Verkäufer ausgestellten R e c h n u n g d e m K ä u f e r in Erfüllung des K a u f v e r trages, jedoch mit d e m Hinweis an, d a ß der Kaufpreis a n sie, die Bank, zu zahlen sei u n d das Eigentum erst mit der Z a h l u n g oder gegen ein Akzept des Käufers auf ihn übergehe. N i m m t der K ä u f e r das Angebot der Bank an, so k o m m t zwischen beiden ein V e r t r a g zustande, das den K ä u f e r der Bank gegenüber nach M a ß g a b e ihres Angebots verpflichtet (RG 101, 321). Es liegt eine vom Verkäufer ausgehende Doppelanweisung vor, kraft deren die Bank ermächtigt wird, d e m K ä u f e r die W a r e gegen Z a h l u n g der Vinkulationssumme auszuhändigen u n d kraft deren der K ä u f e r ermächtigt wird, den Preis a n den Dispositionsbefugten statt a n den Verkäufer Z u g u m Z u g gegen E m p f a n g der W a r e zu zahlen. I m übrigen bleibt das Kaufgeschäft u n v e r ä n d e r t ; es geht nach wie vor auf R e c h n u n g u n d Gefahr des Verkäufers, der Vinkulant ist n u r Kreditgeber, ihn trifft nicht die Gewährleistungspflicht (vgl. auch unten A n m . 104). A n m . 80 7. D a r l e h e n . Die D i s k o n t i e r u n g v o n W e c h s e l n ist regelmäßig Kauf, R G 93, 26; 142, 26; wenn aber j e m a n d einem anderen Geld gegen einen Wechsel gibt, so wird das Papier nicht als Gegenleistung übertragen, sondern zur Sicherung einer schon bestehenden oder zu begründenden Darlehnsforderung gegeben. N a c h R G 2 1 . 9 . 07 I 68/07 s o " ein Darlehen u n d d a n e b e n ein Wechselkauf vorliegen, was abzulehnen ist. U n t e r „diskontieren" versteht m a n den E r w e r b n o c h n i c h t f ä l l i g e r W e c h s e l unter Abzug der Zinsen f ü r die Zeit zwischen Ankauf u n d Fälligkeitstag. A u ß e r d e m wird meistens eine Provision in R e c h n u n g gestellt. Diskontiert werden a u c h Buchforderungen; dabei handelt es sich u m ein Lombardgeschäft, eine Beleihung mit U b e r deckung, O b s t / H i n t n e r , Geld-, Bank- u n d Börsenwesen, 34. Aufl. S. 4 1 3 . R e d i s k o n t ist der Weiterverkauf von Wechseln a n eine Landeszentralbank; d a d u r c h verschafft sich die Bank, die das Papier gekauft hatte, wieder ihrerseits flüssige Mittel. Die

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§ 433 A n m . 81—86

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

LZ-Banken kaufen nur Wechsel, die binnen 3 Monaten fällig sind und für die mindestens 3 Verpflichtete haften. Darum werden fast nur derartige Wechsel von Banken diskontiert. Die Zeichnung von Staatsanleihen ist Kauf von Wertpapieren. A n m . 81 8. Ubernimmt eine Bank die E i n l ö s u n g von Z i n s s c h e i n e n o d e r f ä l l i g e n T e i l s c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n , so wird sie als Zahlstelle tätig. Die Übernahme der Einlösung durch die Bank ist Geschäftsbesorgung, §675, von G a e m m e r e r , J Z 1951, 740. Die Einlösung ist nicht Zahlung durch einen Dritten, § 267, sondern Zahlung bei einem Dritten. Die Anschaffung der Tilgungsmittel durch den Anleiheschuldner berührt sein Rechtsverhältnis zum Gläubiger nicht. Wer dagegen Zinsscheine bezahlt, nicht um sie zu tilgen, sondern um sie zu erwerben, kauft. A n m . 82 9. Die V e r p f ä n d u n g berührt sich mit dem S i c h e r u n g s k a u f nahe; beide Rechtsinstitute haben die Sicherung einer Forderung gemeinsam; während aber bei der Verpfändung nur die zu sichernde Forderung in Betracht zu ziehen ist, tritt dieser Forderung beim Sicherungskauf der Kaufpreisanspruch gegenüber. Dadurch kann die Ernstlichkeit des Sicherungskaufs in Frage gestellt sein. Ist ernstlich ein Kauf mit Rückkaufsrecht oder -pflicht gemeint, so ist die Aufrechnung durch die Fiduziarabrede ausgeschlossen : sobald die Aufrechnung zulässig wird, wird der Sicherungskauf zum Tilgungskauf. Ist das nicht gewollt, so liegt möglicherweise eine Sicherungsübereignung vor und nur die Ausdrucksweise war falsch, RG 43, 394; 57, 178; 59, 146; 62, 126; SeuffArch. 58, 237. A n m . 83 10. M i e t e oder P a c h t . Pacht liegt vor, wenn der Eigentümer einem anderen schuldrechtliche Befugnisse zum Abbau und zur Gewinnung von Torf, Kohlen, Kies oder anderen Mineralien auf seinem Grundstück einräumt, ohne sich zur Überlassung bestimmter Sachen zu verpflichten und ohne daß das Entgelt für die gewährte Nutzungsmöglichkeit von der tatsächlichen Ausbeute abhängt (RG 94, 280; J W 03, 13124; 09, 451 2 ; Gruch. 53, 964). Bei Pacht erwirbt der Berechtigte die Früchte unmittelbar nach § 953) bei Kauf ist noch ihre Ubereignung erforderlich. Bei Pacht ist dem Berechtigten Besitz an der nutzbaren Sache selbst einzuräumen (§§ 581, 536), beim Kauf nicht (RG 26, 219).

A n m . 84 11. G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g . Ihm ist die Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zweckes wesentlich (RG Gruch. 51, 956). Daß der Vorteil bei beiden Teilen Hand in Hand geht, reicht noch nicht aus (RG J W 07, 1038). So ist das C o n t o - a - m e t ä - G e s c h ä f t ein Ankauf auf eigenen Namen, wenn schon auf gemeinsame Rechnung. Die Beteiligung des andern tritt aber nicht hervor (RG WarnRspr. 1916 Nr. 209; J W 05, 71910). Ein Lieferungs- und Bezugsvertrag, der auch gesellschaftsähnliche Bestimmungen als Nebenabreden enthält, ist grundsätzlich nach den Bestimmungen der §§ 433 ff., nicht der §§ 705 fr. zu beurteilen, RG 27.4. 40 II 8/40. A n m . 85 12. S p e d i t i o n s v e r t r a g . Besondere Anweisungen des Käufers an den Verkäufer wegen Versendung der Ware begründen nur unter besonderen Umständen einen Speditionsvertrag neben dem Kaufvertrag; in der Regel sind sie Nebenbestimmungen im Rahmen des Kaufvertrags (ROHG 8, 10; 13, 325). Alsdann haftet der Verkäufer nur für Anwendung allgemeiner kaufmännischer Sorgfalt, nicht nach den strengeren Grundsätzen der Spedition. A n m . 86 13. D i f f e r e n z g e s c h ä f t (§ 764). Auch hier sind gültige Sicherungs- und Deckungsgeschäfte möglich (RG J W 1923, 10243). 42

Kauf. Tausch

§433 A n m . 87—95

A n m . 87 1 4 . Keine Verkäufe, sondern ö f f e n t l i c h e A u s s p i e l u n g e n nach § 286 Abs. 2 StGB sind der Warenvertrieb in Form des G e l l a - , H y d r a - oder S c h n e e b a l l e n s y s t e m s oder dergl. ( R G 60, 379).

A n m . 88 1 5 . B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t i n W a r e n ( R G 1 0 1 , 3 6 1 ; 107, 22). Es steht im Gegensatz zum handelsrechtlichen Lieferungsgeschäft. Börsentermingeschäfte sind an sich wirkliche Kaufgeschäfte, deren Rechtsnatur durch den Beweggrund der Vertragschließenden nicht geändert wird. Es kann aber möglicherweise nur die Form des Kaufs gewählt sein, während Gegenstand des Vertrags tatsächlich der Preisunterschied ist, also ein S p i e l g e s c h ä f t vorliegt, R G 147, 1 1 4 .

A n m . 89 1 6 . Über die rechtliche Bedeutung des A u s z a h l u n g s g e s c h ä f t s im Bankverkehr, wenn die Auszahlung an einem ausländischen Ort erfolgen soll, vgl. R G 107, 136 und unten unter Anm. 137.

A n m . 90 1 7 . Der „ R ü c k k a u f " e i n e s B a u s p a r v e r t r a g s durch die Bausparkasse ist nicht K a u f , sondern die Rückzahlung der Spareinlage unter Aufhebung des Sparvertrages, R G 147, 32. Uber den „ R ü c k k a u f " e i n e r L e b e n s v e r s i c h e r u n g vgl. §§ 1 7 3 — 1 7 6 V V G und R G 152, 268.

Anm. 91 1 8 . Wird eine gepfändete Sache auf Grund vollstreckungsgerichtlicher Anordnung (§ 825 Z P O , vgl. auch § 821 ZPO) f r e i h ä n d i g durch den Gerichtsvollzieher v e r k a u f t , so ist das kein Verkauf nach sachlichem Recht. Denn der Gerichtsvollzieher handelt nicht als Eigentümer und nicht für den Eigentümer, sondern kraft staatlicher Zwangsgewalt. Wie bei der Zwangsversteigerung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vorgang, um eine Pfandverwertung, die den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung unterliegt; nicht wesentlich anders als in den Fällen der §§ 8 1 7 a , 821 Z P O . Der Erlös ist nicht Kaufpreis, sondern unterfällt dem § 819 Z P O . Der Eigentumsübergang vollzieht sich nicht nach § 92g, sondern kraft Hoheitsakts mit der Ubergabe an den Erwerber, wie bei der Pfandversteigerung, R G 153, 260/1. Böser Glaube hindert den Erwerb nicht, R G 156, 397 gegen R G 6 1 , 3 3 3 ; 104, 301/2; 126, 26 in Fällen der Pfandversteigerung und des gerichtlichen Ubereignungsbeschlusses. Anders ist es zu beurteilen, wenn die Pfandsache nach Anordnung des Vollstreckungsgerichts durch einen anderen als den Gerichtsvollzieher freihändig verkauft werden soll; der andere wird nicht kraft Amtes, sondern auf Grund des ihm vom Vollstreckungsgericht erteilten Auftrags privatrechtlich tätig; Verkauf und Veräußerung vollziehen sich nach bürgerlichem Recht, R G 164, 172.

A n m . 92 1 9 . Die E n t e i g n u n g ist kein K a u f , R G Recht 1 9 1 7 Nr. 30, auch kein Zwangskauf, sondern ein öffentlich-rechtlicher Akt, R G 6 1 , 102; 1 4 1 , 50.

A n m . 93 2 0 . Der L i z e n z v e r t r a g ist ein Vertrag eigener Art, B G H 2, 3 3 1 , 334fr.; 9, 264; w. Nachw. unten unter Anm. 128.

A n m . 94 2 1 . Die Benutzung einer G r a b s t e l l e auf einem Friedhof beruht auf der Eigenschaft des Friedhofs als einer öffentlichen Anstalt und wird von öffentlichem Recht der Friedhofsordnung geregelt, R G 157, 246.

V . A r t e n des K a u f e s A n m . 95 1. Die i m B G B und H G B geregelten A r t e n des K a u f e s Zwischen den Kaufgeschäften des Alltags im Kleinhandel und den Geschäften des Großhandels wird nicht unterschieden. Auf den Handelskauf fiinden die §§ 433 fr.

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 96 A n w e n d u n g , soweit nicht das H G B besondere Vorschriften trifft. D e r Handelskauf ist ein Handelsgeschäft des K a u f m a n n s über W a r e n u n d Wertpapiere, §§ i , 343 A b s . 1, 4, 5 ; 345, 381 H G B ; R G 130, 88. Grundstücke, Briefhypotheken oder sonstige verbriefte Forderungen können z w a r nicht Grundhandelsgeschäfte (§ 1 H G B ) , der H a n d e l damit kann aber Handelsgewerbe nach § 2 H G B und damit a u c h Handelsgeschäft (§ 343 H G B sein. Die Kaufvorschriften finden a u c h auf Handelswerklieferungsverträge A n w e n d u n g . A u c h der V i e h k a u f kann Handelskauf sein. D a n n findet § 373 H G B A n w e n d u n g , nicht aber §§ 377, 378, 382 H G B . Für den Überseekauf k o m m e n besonders die Welthandelsbräuche in Betracht (vgl. oben A n m . 55). V o m B G B b e s o n d e r s g e r e g e l t sind der K a u f nach Probe (§494), K a u f auf Probe (§ 495), W i e d e r k a u f (§ 497), V o r k a u f (§§ 504fr. und §§ 1094fr.), der Gattungskauf (§480), V i e h k a u f ( § 4 8 1 ) , der K a u f mit Eigentumsvorbehalt ( § 4 5 5 ) , der Erbschaftskauf (§§ 2 3 7 1 — 2 3 8 5 ) . Beim S p e z i f i k a t i o n s k a u f (§ 375 H G B ) ist dem K ä u f e r die nähere Bestimmung über Form, M a ß oder ähnliche Verhältnisse vorbehalten; er kommt besonders in der Eisen- u n d Textilindustrie, sowie im Holz-, Papier- und Briketthandel vor. Bei d e m Spezifikationskauf bleibt der genaue Leistungsinhalt zunächst o f f e n ; nicht z u verwechseln mit d e m „ K a u f auf A b r u f " , w o nur die Leistungszeit noch bestimmt w i r d ; immer ist jedenfalls die V e r e i n b a r u n g eines bestimmten Grundstoffs erforderlich, R G 88, 1 7 7 ; 94, 47. Der Spezifikationskauf ist ein festabgeschlossener K a u f v e r t r a g .

A n m . 96 Das A b z a h l u n g s g e s c h ä f t (vgl. das Reichsgesetz v. 16. 5. 94, R G B l . 450; S c h u b e r t , Deutsches K a u f r e c h t [1937] S. 139ff.; C r i s o l l i , Abzahlungsgeschäfte; K l a u ß , Abzahlungsgeschäfte; A u b e l e , Gesetz betr. Abzahlungsgeschäfte) bezieht sich nur auf den K a u f beweglicher Sachen, § 1, a u c h Sachgesamtheiten, R G 53, 320; 144, 64. D i e Sachen müssen übergeben sein; die V e r e i n b a r u n g eines Besitzkonstituts und die A b t r e t u n g des Herausgabeanspruchs (§§ 930, 931 BGB) genügen nicht, w o h l aber die Ü b e r t r a g u n g eines Traditionspapiers, die wie die U b e r g a b e der Sache selbst wirkt, R G 98, 166. D e r Kaufpreis m u ß in Teilzahlungen vereinbart sein, die a u c h durch Wechsel geleistet werden können, R G R e c h t 1932 Nr. 508; B G H 15, 172. D a s Abzahlungsgesetz schränkt die Vertragsfreiheit im Interesse des wirtschaftlich schwächeren K ä u f e r s ein; das ist bei der Auslegung zu beachten, B G H 15, 171, 176; 15, 241, 245. D e m S c h u t z z w e c k d e s G e s e t z e s dienen: das V e r b o t , bestimmte Gegenstände auf A b z a h l u n g z u verkaufen, wie Lotterielose, Inhaberpapiere mit Prämien, Ges. v. 8. 6. 1871 ( R G B l . 210), Bezugs- oder Anteilscheine hierzu, die Verwirkungsklausel nach §§ 1 — 3 u. 5 und die M i l d e r u n g der Verfallklausel und Strafabreden, § 4. Das Rücktrittsrecht des V e r käufers m u ß besonders vereinbart sein und i h m w e g e n Nichterfüllung der Pflichten des K ä u f e r s gesetzlich zustehen, § 326. D e r Rücktritt löst den V e r t r a g rückwirkend auf, ¿0 d a ß sich beide Personen die erhaltenen Leistungen zurückzugeben haben, § 1 ; entgegenstehende A b r e d e n sind nichtig. K e i n e A n w e n d u n g findet das Abzahlungsgesetz, w e n n der E m p f ä n g e r der W a r e ein K a u f m a n n ist, worüber allein die Eintragung im Handelsregister entscheidet. U b e r Wertersatz bei Gebrauchsüberlassung R G 138, 28; 152, 283; B G H 19, 330; M ü n z e l J W 1936, 158. V g l . ferner G e w O § 5 6 a N r . 4. A u f Verträge, die darauf abzielen, die Z w e c k e eines Abzahlungsgeschäfts in einer anderen Rechtsform z u erreichen, findet das A b z G entsprechende A n w e n d u n g (§ 6) — v e r s t e c k t e A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e — . Als einen solchen V e r t r a g nennt § 6 die mietweise Überlassung einer Sache. D a b e i ist an M ö b e l l e i h v e r t r ä g e gedacht. Diese A r t des verhüllten Abzahlungsgeschäfts k a m k a u m noch vor, ist aber als Radioverleihgeschäft mit K a u f a n r e c h t neuerdings wieder aufgetaucht. Die §§ 1 — 5 A b z G sind a u c h anzuwenden, w e n n die V e r p f l i c h t u n g des Käufers zur Entrichtung des Kaufpreises in T e i l z a h l u n g e n durch einen v o n d e m K ä u f e r im Einvertsändnis aller Beteiligten mit einem Dritten geschlossenen Darlehnsvertrag ersetzt wird, der dem K ä u f e r die alsbaldige Bezahlung des Preises ermöglicht und ihn zur R ü c k z a h l u n g des Darlehns in Teilzahlungen verpflichtet (Kundenfinanzierungsgeschäft). Diskontiert der Dritte die Kaufpreisforderung des Vorbehaltsverkäufers, so spricht m a n von einem A b s a t z f i n a n z i e r u n g s g e s c h ä f t . Absatz- u n d Kundenfiinanzierung k o m m e n a u c h

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K a u f . Tausch gekoppelt und in vielfachen Abwandlungen vor. Vergleiche dazu

§433 Anm. 97—101 RG H R R 1933»

1309; R G 128, 254; 131, 213; 143, 16; 152, 283; BGH L M Nr. 2 zu § 6 AbzG;BGH 3,

2 5 7 ; 5, 3 7 2 ; O L G Braunschweig M D R 1951, 6 7 7 ; O L G Bremen N J W 1952, 3 4 7 ; K l a u ß , Abzahlungsgeschäfte, 1950, Anm. 494fr. u. N J W 1953, 6. Derartige Geschäfte sind nicht sittenwidrig, R G 133, 237. R G 147, 347 hält dagegen einen Abzahlungskauf für sittenwidrig, bei dem die vereinbarten Raten über das hinausgehen, was der K ä u f e r aus den ordentlichen Erträgnissen des Kaufgegenstandes (Lastkraftwagens) und aus seinen Hilfsquellen zu leisten vermag: „es geht über das zulässige M a ß der Sicherung gegenüber einem wirtschaftlich Schwächeren hinaus und kann von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden, wenn ein Vertrag nach dem voraussichtlichen L a u f der Dinge von vornherein mit Wahrscheinlichkeit durch die der einen Seite auferlegten Lasten und die der anderen Seite eingeräumten geldwerten Vorteile und Berechtigungen nicht zur Durchführung kommen kann, die doch für den K ä u f e r von lebenswichtiger Bedeutung ist." Das gilt auch für Finanzierungsgeschäfte (über weitere Fälle der Nichtigkeit vgl. Bern, i b vor §§4330".).

Anm. 97 Der K a u f v e r t r a g kann auch m i t e i n e m V e r t r a g e a n d e r e r A r t v e r b u n d e n werden. So z. B. bei Veräußerungen über den Vertrieb von Filmen, bei denen die Veräußerung der Filmkopie als körperliche Sache mit einem Lizenzvertrag verbunden sein kann, R G 1 1 8 , 290; so mit Mietvertrag, R G 1 2 1 , 144. Ist mit dem Kaufvertrag ein Vertrag über den A l l e i n v e r t r i e b verbunden, so kann dieser Vertrag auch ohne dahingehende Vereinbarung beim Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden, da er wie Dauerschuldverhältnisse stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreift und ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen erfordert, R G 169, 206/7; BGH M D R 1 9 5 1 , 610.

Anm. 98 2. Die nicht besonders geregelten Arten des Kaufs Einer besonderen gesetzlichen Regelung entbehren folgende Kaufverträge: a ) Der K a u f z u r P r o b e . Das alte H G B bestimmte in Art. 3 4 1 : „ E i n K a u f zur Probe ist ein unbedingter K a u f unter Hervorhebung des Beweggrunds." E r enthält jedoch häufig mehr: Der Verkäufer verpflichtet sich zugleich zu einer besonderen Nebenleistung, nämlich dem K ä u f e r die G e l e g e n h e i t z u r E r p r o b u n g auf bestimmte und als ungewiß behandelte Eigenschaften zu gewähren. E r hat daher den Probegegenstand nicht nur frei von Rechten Dritter zu verschaffen, sondern alle Maßnahmen zu treffen, die die Erprobung f ü r den K ä u f e r ermöglichen. I m Sprachgebrauch werden häufig K a u f „ z u r P r o b e " und „ a u f Probe" miteinander verwechselt (ROHG 2, 188).

Anm. 99 b ) Der K a u f a u f K o n d i t i o n (im Buchhandel). Hier kauft der K ä u f e r die Ware unter der aufschiebenden Bedingung, daß er sie entweder weiterverkauft oder bis zum Ablauf einer bestimmten Frist, der „Abrechnungsfrist", nicht zurückgibt. Der Sortimenter ist nicht Trödler, sondern verkauft das Buch als eigenes, er erwirbt auch unmittelbar mit Ablauf der Rückgabefrist ohne Zahlung des Kaufpreises das Eigentum. Es ist kein K a u f auf Probe nach §494. P a d e , Buchhändlerisches Bedingungsgeschäft

(1935)Anm. 100

c) Der L i e f e r u n g s k a u f hat die Verpflichtung zum Inhalt, einem anderen eine Sache zu beschaffen, die er sich zu diesem Zweck selbst erst anschafft, gleichviel ob der Dritte, von dem er sie bezieht, sie erst herstellt oder nicht. Die Herstellung selbst aber ist nicht in obligatione; darin unterscheidet sich der Lieferungskauf vom Werklieferungsvertrag (vgl. oben Anm. 77).

Anm. 101 d ) Der S u k z e s s i v l i e f e r u n g s v e r t r a g . E r ist ein einheitlicher Vertrag auf Lieferung einer festbestimmten Menge gegen ein festbestimmtes Entgelt, der in Abweichung

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 102, 103 von § 266 in zeitlich getrennten bestimmten Raten zu erfüllen ist und bei dem jede Rate gesondert bezahlt werden soll, R G 1 3 8 , 336. Dadurch wird die Teilleistung, die im Hinblick auf das Ganze und die Zukunft noch eine unvollständige Gesamtleistung ist, doch im Hinblick auf die Gegenwart und als Rate zur Volleistung ( R O H G 13, 78; R G 6 1 , 130). Bei nichtpünktlicher Einhaltung der Ratenzahlungen ist Rücktritt vom ganzen Vertrag zulässig ( R G 1 0 4 , 4 1 ; 96, 255; 92, 209). Auch wenn der Käufer mangelhafte Teillieferungen entgegen § 377 H G B nicht gerügt hat, behält er bezüglich der künftigen Teillieferungen das Recht, mangelfreie Ware zu verlangen, R G 57, 1 1 5 ; 104, 4 1 ; B G H BB 1955, 490. Der „ K a u f a u f A b r u f " ist häufig, aber nicht notwendig ein Sukzessivlieferungsvertrag ( R G Recht 09 Nr. 2925). Es genügt überall statt der Bestimmtheit die Bestimmbarkeit, „ K a u f n a c h B e d a r f " . Wo diese Grenze aufhört und dann bei völliger Unbestimmbarkeit nur noch ein Vorvertrag anzunehmen ist, ist flüssig. So kann die Biermenge durch den objektiv feststellbaren Bedarf des Wirtes genügend bestimmbar sein. Ist sie dagegen der bloßen Willkür des Wirtes überlassen, liegt nur ein Vorvertrag vor. Bei einem Milchlieferungsvertrag ist die Menge der Lieferung in den einzelnen Zeitabschnitten, aber häufig nicht deren Zeitpunkt bestimmbar. Ubernimmt nur eine Partei die Verpflichtung zur Lieferung und hat die andere nur das Recht der Abnahme, liegt meist nur Vorvertrag vor, dagegen bei Bestimmbarkeit der Menge und Verpflichtungsübernahme ein fester Lieferungsvertrag. Vom Sukzessivlieferungsvertrag ist das W i e d e r k e h r s c h u l d v e r h ä l t n i s zu unterscheiden; bei ihm entsteht die Verpflichtung auf wiederkehrende Leistungen und Gegenleistungen kraft immer wieder stillschweigend vorgenommener Vertragserneuerung für weitere Bezugsmengen und Zeitabschnitte neu. Ob ein Einheitsvertrag oder ein Wiederkehrschuldverhältnis gegeben ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, R G 148, 332. Der Unterschied ist nicht mehr sehr wesentlich, nachdem R G 148, 334 ausgesprochen hat, daß es unzulässig ist, den Konkursverwalter zum Eintritt in einen als Sukzessivlieferungsvertrag aufzufassenden Stromlieferungsvertrag zu zwingen und damit die Anerkennung der aus diesem Vertrag stammenden, noch nicht bezahlten Stromkosten als Masseschulden herbeizuführen, und nachdem der Sukzessivlieferungsvertrag durch § 36 Abs. 2 der Vergleichsordnung v. 26. 2. 35 (RGBl. I 321) dem Wiederkehrschuldverhältnis für die Behandlung im Vergleichsverfahren gleichgestellt worden ist.

A n m . 102 e) Der B e z u g s v e r t r a g ist ein dem Sukzessivlieferungsvertrag ähnlicher Vertrag; er unterscheidet sich von ihm aber dadurch, daß der Käufer seinen ganzen, im einzelnen jetzt noch nicht feststellbaren Bedarf oder die gesamte Produktion des Lieferers kauft. Produktionsabnahmeverträge können auch ohne dahingehende Vereinbarung aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt werden, R G 78, 385; 169, 206/7; B G H M D R 1 9 5 1 , 610. Die Verpflichtung, den gesamten eigenen Bedarf beim Vertragspartner zu decken, wird häufig im Rahmen eines Darlehnsvertrages, insbesondere gegenüber Brauereien und Bierhändlern übernommen. Alle derartigen Verträge unterliegen dem § 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (vgl. oben Anm. 26). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Verleger und dem Händler von Zeitschriften, mit deren Bezug eine Versicherung verbunden ist, ( V e r s i c h e r u n g s z e i t s c h r i f t e n b e z u g ) , erschöpft sich nicht in Einzelkaufverträgen; es besteht vielmehr ein über die Lieferung einzelner Hefte hinausgehendes Rahmenverhältnis; der Verlag kann nicht unvermittelt die Bezugsbedingungen für den Händler verschlechtern, sondern ist dabei an die nach Treu und Glauben sich aus der Natur der Verträge ergebenden Anforderungen gebunden, R G D R 1939, 1887*.

A n m . 103 f) Der H a n d k a u f . Bei ihm wird die Kaufofferte durch die Erfüllungshandlung angenommen. Wer an einem Schalter Postwertzeichen oder Fahrkarten verlangt, macht einen Kaufantrag; der Schalterbeamte, der das Gewünschte gibt, nimmt die Offerte dadurch an, daß er den Vertrag gleich erfüllt. Vertragsschluß und Erfüllung fallen zusammen. Die Besonderheit liegt darin, daß nicht der Käufer die Zahlung des Kaufpreises, sondern der Verkäufer die Nichtzahlung beweisen muß. Das folgt aus dem Erfahrungs-

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Kauf. Tausch

§433 A n m . 104—111

satz, daß solchenfalls sofort bezahlt wird. Beim Barverkauf kann ein Irrtum über die Kreditwürdigkeit keine Grundlage zu einer Irrtumsanfechtung abgeben, R G 105, 206.

A n m . 104 g) Der V i n k u l a t i o n s k a u f . Bei ihm bietet ein anderer als der Verkäufer dem Käufer die Ware an mit dem Hinweis, daß der Kaufpreis an ihn, den Vinkulanten, zu zahlen sei. Der Vinkulant braucht nicht Kreditgeber des Verkäufers zu sein, R G 99, ao. Nimmt der Käufer das Angebot des Vinkulanten an, so kommt zwischen beiden ein Vertrag mit dem Inhalt des Schreibens des Vinkulanten zustande, der aber kein Kaufvertrag, sondern ein Vertrag eigener Art ist (vgl. oben Anm. 79).

A n m . 105 h ) Der S i c h e r u n g s k a u f . (Vgl. dazu oben Anm. 8a).

A n m . 106 i) Der H o f f n u n g s k a u f . Bei ihm ist keine Sache und kein Recht, sondern eine Gewinnaussicht Gegenstand des Kaufs, wie die Gewinnchance bei einer Spiel- oder Losgemeinschaft ( R G 77, 344) oder einer Beteiligung, die weder Gesellschaft noch partiarisches Darlehen ist ( R G 77, 223). Die Gewährleistung ist ausgeschlossen. Umgekehrt kann aus dem Ausschluß der Gewährleistung nicht auf einen Hoffnungskauf geschlossen werden; der Kaufeines gesunkenen Schiffs ist Sachkauf, bei dem die Übergabe ausgeschlossen und die Gewährleistung darauf beschränkt ist, daß die Ausnutzung der Hebemöglichkeit nicht durch berechtigte Ansprüche Dritter beeinträchtigt ist.

A n m . 107 j) Der K a u f i n B a u s c h u n d B o g e n . Hier sind die Vorschriften über die Mängelhaftung regelmäßig ausgeschlossen, O L G Stettin J W 1926, 2003.

A n m . 108 k) Der K r e d i t k a u f . Das ist ein Kauf, bei dem der Kaufpreis gestundet und der Verkäufer vorleistungspflichtig ist. Er steht in der Regel unter der stillschweigenden Bedingung der fortdauernden Kreditwürdigkeit des Käufers. In jedem Falle greift bei einer wesentlichen Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Käufers § 321 ein. Ohne dahingehende Vereinbarung hat derjenige, der auf Kredit kauft, den Kaufpreis nicht zu versinsen, § 452.

A n m . 109 1) Der K a u f a u f A b r u f . Ein solcher Vertrag hat zum Inhalt, daß der Käufer den Zeitpunkt der Lieferung zu bestimmen hat. Der Abruf ist eine Pflicht des Käufers, aber nicht ohne weiteres Hauptverpflichtung, R G SeuffArch. 63 Nr. 6; 83 Nr. 182. (Vgl. im übrigen unten Anm. 214).

A n m . 110 m ) Der S p e z i f i k a t i o n s k a u f . Dem Käufer einer beweglichen Sache ist vorbehalten, die nähere Bestimmung über Form, M a ß oder ähnliche Verhältnisse zu treffen, § 375 H G B . Ist keine Zeit für ihre Vornahme bestimmt und ergibt sie sich auch nicht aus den Umständen, so muß der Käufer die Bestimmung sofort treffen, § 271. Ist der Käufer mit der Erfüllung dieser Verpflichtung im Verzuge, so kann der Verkäufer auf Vornahme der Spezifikation klagen oder die Bestimmung selbst vornehmen (§375 Abs. 2 HGB) oder nach Nachfristsetzung gemäß § 326 Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrage zurücktreten. Er kann aber auch zum Selbsthilfeverkauf (§ 373 HGB) schreiten, R G 37, 28; 43, 104. Die Spezifikation darf nicht unter Mißachtung der §§ aa6, 342 vorgenommen werden. Kein Spezifikationskauf, sondern eine Wahlschuld (§ 262) liegt vor, wenn der Käufer zwischen verschiedenen Warensorten zu wählen hat.

A n m . 111 n ) Der S e l b s t h i l f e v e r k a u f . Der Verkäufer von Waren und Wertpapieren hat beim Annahmeverzug des Käufers ein Recht zum Selbsthilfeverkauf, falls das Geschäft

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§ 433 A n m . 112—114

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

wenigstens auf einer Seite ein Handelsgeschäft ist, § 373 HGB. Der Selbsthilfeverkauf erfolgt durch öffentliche Versteigerung oder, wenn die Ware einen Börsen- oder Marktpreis hat, aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise. Er erfolgt für Rechnung des säumigen Käufers. Der Verkäufer verlangt damit Erfüllung. Die Nichteinhaltung der Bestimmungen über den Selbsthilfeverkauf schließt es nicht aus, daß Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt und die Veräußerung demzufolge so zu behandeln ist, als habe der Verkäufer die Ware im Auftrag des Käufers einem Dritten ausgefolgt und dadurch den Vertrag zum Vollzug gebracht, BGH J Z 1957, 666. A n m . 112 o) Der Deckungskauf dient der Berechnung des Schadens, der dem Käufer aus der Nichterfüllung oder der nicht rechtzeitigen Erfüllung entsteht. Da der Käufer bei gehöriger Erfüllung keinen Schadensersatzanspruch erlangt, muß wenigstens in der Vorstellung des Käufers ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Deckungskauf und der Nichterfüllung des Verkäufers bestehen. Dem Käufer kann nicht erlaubt sein, nachträglich ein beliebiges Geschäft als Deckungskauf zu bezeichnen, das er ganz ohne den Willen, sich für ein anderes Geschäft Deckung zu verschaffen, abgeschlossen hat. Der Deckungskauf muß grundsätzlich zu den Bedingungen des Kaufs, für den Deckung gesucht wird, abgeschlossen werden. Ein noch vor Lieferverzug abgeschlossener Deckungskauf kann z. B. durch die Unzuverlässigkeit des Verkäufers oder die unbedingte Notwendigkeit des Käufers, seine Kunden rechtzeitig zu beliefern, bedingt sein; er geht aber auf Gefahr des Käufers, falls der Verkäufer noch erfüllen darf und erfüllt. Es ist immer Frage des Einzelfalles, ob ein vom Käufer als Deckungsgeschäft vorgenommener Kauf nach Treu und Glauben der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden darf (RG H R R 1933, 476). A n m . 113 p) Der F i x h a n d e l s k a u f . Zum Fixgeschäft gehört, daß die Zeit für die zu erbringende Leistung derart genau bestimmt ist, daß mit ihrer Wahrung oder Nichteinhaltung das Geschäft steht und fällt, RG 51, 348; 108. 1^8. Die Vereinbarung eines bestimmten Lieferungstermins kann ausdrücklich („fix", „genau", „spätestens") geschehen oder sich aus den Umständen ergeben, RG 101, 363. Beim Fixgeschäft löst schon die Fälligkeit das Rücktrittsreht aus, Verzug und Nachfristsetzung (§ 326) sind entbehrlich, RG 108, 159; wenn die Ware erheblichen Preisschwankungen unterliegt, Recht auf Schadensersatz, RG 96, 256. Nach Konkurseröffnung kann nicht mehr Erfüllung, sondern nur noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden, § 18 KO. Fixhandelsgeschäft ist gegeben, wenn das Fixgeschäft Handelskauf ist. Nach § 376 HGB besteht der Unterschied zum bürgerlich-rechtlichen Fixgeschäft darin, daß nach Ablauf des Leistungstermins Erfüllung nur noch verlangt werden kann, wenn dies sofort nach Ablauf des Stichtages erklärt wird. Auch auf den Werklieferungsvertrag sowohl vertretbarer wie unvertretbarer Sachen finden die Vorschriften über den Fixhandelskauf Anwendung, §§ 381 Abs. 2 HGB, 651 Abs. 1. A b l a d e g e s c h ä f t e sind wie Fixgeschäfte zu behandeln, RG 88, 73; das gleiche gilt bei der E r w a r t u n g s k l a u s e l , die sagt, wann der Käufer die Ankunft der Ware im Bestimmungsort spätestens erwarten darf. A n m . 114 q) Der K a u f auf U m t a u s c h ist ein Kauf mit facultas alternativa des Käufers als Gläubiger. Vgl. hierzu oben Anm. 3 und die eingehende Studie von R i e b o w , Rechtswiss. Studien, Heft 21 (1924). Davon zu unterscheiden ist der Umtauschvertrag, der dahin geht, gegen Rückgewähr der gelieferten mangelhaften Sache mangelfreie Ware zu liefern, RG 94, 327. Wieder etwas anderes ist es, wenn sich der Verkäufer erbietet, an Stelle der vom Käufer zurückgewiesenen vertragsmäßigen Gattungssache eine Ware nach Wunsch des Käufers zu liefern, RG 91, 110; vgl. auch § 480 Anm. 5.

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K a u f . Tausch

§433 Anm. 115—124

Anm. 115 r ) Der K a u f u n t e r V o r b e h a l t e i n e s b e s s e r e n G e b o t s (in diem addictio). Hier hat der Verkäufer das Recht zum Rücktritt vom Vertrage für den Fall, daß ein Dritter ein besseres Kaufangebot macht und dieses Gebot vom Verkäufer angenommen wird. Das Rücktrittsrecht erlischt, wenn der Verkäufer das Angebot nicht innerhalb der vereinbarten Frist annimmt; ist keine Frist vereinbart, so greift § 355 ein. Eine nähere Regelung dieses K a u f s war in den §§ 474, 475 des Entwurfs I vorgesehen.

Anm. 116 s ) Der K a u f u n t e r V o r b e h a l t d e s R ü c k t r i t t s f ü r d e n F a l l n i c h t r e c h t z e i t i g e r E n t r i c h t u n g d e s K a u f p r e i s e s (lex commissoria; R G 54, 340). Bei Prämienkauf R G 136, 107.

Anm. 117 t ) Der W a h l k a u f , §264, R G 129, 143.

Anm. 118 u ) Das A b l a d e g e s c h ä f t . Uber das vielseitige Anwendungsgebiet dieses K a u f v e r trages eingehend H a a g e , Das Abladegeschäft, 4. Aufl., 1958 (vgl. auch unten Anm. 233).

Anm. 119 v ) Die D i s k o n t i e r u n g von Wechseln ist in der Regel K a u f , R G 93, 26; 142, 26. Vgl. auch oben Anm. 80.

Anm. 120 w ) Das A n k a u f s r e c h t . R G 154, 355.

Anm. 121 x ) Der A u t o m a t e n v e r k a u f . Die Kaufofferte geht vom Aufsteller des Automaten aus und ist an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet. Sie wird durch den Einwurf eines Geldstücks in den Automaten angenommen. Wie beim Handkauf (oben Anm. 103) fällt die Erfüllungshandlung mit der Annahme des Kaufangebots, also mit dem Zustandekommen des Vertrages, zusammen.

Anm. 122 y ) I m S e l b s t b e d i e n u n g s l a d e n kommt der Vertrag nicht schon mit der Warenentnahme, sondern erst an der Kasse zustande, R e c k e N J W 1 9 5 3 , 9 1 ; S t a u d i n g e r / O s t l e r § 433 Anm. 54.

Anm. 123 z) K a u f n a c h G e w i c h t , § 3 8 0 Abs. 1 H G B : Gewicht der Verpackung (Taragewicht) kommt in Abzug, wenn nicht vereinbart „brutto für netto". § 380 Abs. 2 Vergütung f ü r schadhafte Teile (Refaktie).

Anm. 124

VI. Die Vertragsgegenstände

Gegenstand des Kaufvertrags ist alles, was in Umtausch gegen Geld gegeben werden kann. Dies ist nicht der Fall beim menschlichen Körper und seinen Teilen, die vom Rechtsverkehr ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen ist auch oft Familiengut, Sammlungen, Büchereien, geschichtlich wertvolle Kunstgegenstände. Wenn das B G B nur Sachen und Rechte erwähnt, so hat es dadurch den Umsatz von Dingen, die wie wirtschaftliche als selbständige Substrate und Gegenstände des Umtauschs behandelt werden, von der gleichartigen Regelung nicht ausschließen wollen. Hierfür spricht schon, daß es den Erbschaftskauf nach § 2371 als K a u f anerkennt. Das erhellt ferner aus Prot. 2, 5 1 , wo anerkannt wird, daß neben Sachen und Rechten auch die Befreiung von einer dinglichen oder persönlichen Last und eine ganze Reihe von Werten, die kein besonderes subjektives Recht bilden (wie z. B. der Verkauf eines Geheimnisses, 4

Komm. 2. BGB, 1 1 . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 433 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 125,126 einer Kundschaft, die Gewinnchance bei der emtio spei) Gegenstand eines Kaufs sein können. Daher sind in derartigen Fällen die Bestimmungen vom Kauf gleichfalls anzuwenden, nach RG 63, 59; 67, 86, 386 entsprechend, nach Gierke unmittelbar. Anm. 125 1. Sachen Das sind alle körperlichen Gegenstände (§ 90); der Kauf erstreckt sich auch auf ihre Bestandteile (§ 93) und im Zweifel auch auf ihr Zubehör (§ 314). Eine Filmkopie ist eine körperliche Sache, mit deren Veräußerung die des Vorführungsrechts verbunden ist, RG J W 1928, 356; vgl. aber über den Filmverwertungsvertrag BGH 2, 331; 9, 264. Auch Wasser (RGSt. 14, 121), Dampf (RGSt. 44, 335) und Gas (RGSt. 11, 117 sind Sachen, nicht „Kräfte" wie Elektrizität. Die elektrische Kraft ist aber als Rechtsgegenstand gleichwertig neben die körperliche Sache getreten und wird als Gegenstand eines Kaufvertrags auch vom Gesetz behandelt, § 7 des Ges. zur Förderung der Energiewirtschaft v. 13. 12. 35 (RGBl. I 1451). List, Energierecht (1938) S. 8. Leistung von Strom mit zu geringer Amperemenge ist nach den Regeln über Sachmängel zu beurteilen, RG VII 534/29 28. 4. 30. Wie Verträge über Elektrizität sind auch Verträge über Lieferung von W ä r m e zu beurteilen. Bei diesen Lieferungsverträgen steht der Beurteilung als Kaufverträge der Umstand nicht entgegen, daß häufig der Abnehmer nicht zur Abnahme verpflichtet ist. Vgl. auch VO des Reichskommissars für Elektrizität und Gas v. 26. 7. 17 nebst Ausführungsbestimmungen. Auch RG J W 1930, 19241 beurteilt sie als Kauf beweglicher Sachen, sie sei zwar keine Sache, aber wie eine Sache zu behandeln. Ebenso RG 56, 404; 67, 232; 86, 13. Daher wendet es auch § 4 7 7 an. Werden W e r t p a p i e r e , Kuxe (RG 54, 351), Wechsel verkauft, so ist nicht nur das Papier als Sache, sondern vor allem das in ihm verkörperte Recht Vertragsgegenstand, RG 109, 297; DR 1944,485. Geld ist als solches Mittel, nicht Gegenstand des Güterumsatzes, es können aber Geldstücke und Geldsorten auch Gegenstände des Kaufes sein (Jubiläumsmünzen, Sterbetaler, ausländisches Geld, RG 3 8 , 2 ; 1 5 , 4 4 ) . Auch Sachgesamtheiten, wie das Inventar eines Geschäfts, eines Gasthofs (ROHG 21, 204), können Gegenstand eines einheitlichen Kaufes sein, insbesondere bei „Kauf in Bausch und Bogen" („en bloc"). Ein Zeitungsbezugsvertrag ist ein Kaufvertrag, RG 148, 158 = J W 1935, 2891. Die Bestimmung der Sache als Kaufgegenstand erfolgt derart, daß entweder nur mit dem Einzelgegenstand erfüllt werden kann (RG 70, 423, S p e z i e s k a u f ) oder daß alle Sachen gleicher Gattung zur Erfüllung der Verpflichtung geeignet sind, Gattungskauf (§§ 243, 480). Dazwischen steht der beschränkte Gattungskauf (Milch aus bestimmtem Gut, Zinn von Insel Banga), J W 01, 209, und der Ausscheidungskauf: aus einem speziell bestimmten größeren Ganzen wird ein durch Messen, Wägen oder Zählen bestimmbarer Teil verkauft. Wenn Miteigentümer ein g e m e i n s c h a f t l i c h e s Grundstück verkaufen, liegt Verkauf einer Sache vor. Miteigentumsanteil ist Eigentum, nicht ein neben dem Eigentum stehendes Recht. Anm. 126 a ) Die Sache braucht zur Zeit des Kaufabschlusses noch nicht vorhanden zu sein, sie kann als eine künftige verkauft werden (emtio rei speratae). Der Kauf ist dann von Rechts wegen durch die künftige Entstehung der Sache bedingt. Hierher gehört der Kauf von wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks, wie Holz auf dem Stamme (RG 72, 312; über Zuwachskauf vgl. BGH BB 1958, 281), Früchten einer Ernte, der Ausbeute eines Steinbruchs, Ausbeute eines Bergwerks, RG J W 1936, 1824 2 , der Milcherzeugung ( J W 0 3 , 13124), eines Hauses auf Abbruch. Letzterer ist kein Grundstücksveräußerungsvertrag (RG 60, 317; 62, 137) und bedarf daher nicht der Form des § 313. Verkauf der „nächsten 35 Tonnen Erz einer Grube" ist kein beschränkter Gattungskauf, sondern Spezieskauf einer erst zu erzeugenden zukünftigen Sache. Sobald sie gefördert sind, treten sie als der von vornherein vorgestellte Kaufgegenstand in die Erscheinung, ohne daß es noch einer Ausscheidung bedürfte (RG 92, 371). Der Verkauf einer künftigen Sache ist nicht mit einem Lieferungskauf zu verwechseln, bei dem sich der Verkäufer zur Beschaffung einer Sache von einem Dritten verpflichtet, der sie möglicherweise erst herzustellen hat (vgl. 50

K a u f . Tausch

§433 A n m . 127, 128

oben A n m . i o o ) ; hier geht die Verpflichtung des Verkäufers nur dahin, der Entstehung der künftigen W a r e nicht entgegenzuwirken ( R O H G i , 1 4 1 ) . Beim V e r k a u f e i n e s Waldbestandes hat der K ä u f e r zwar das Recht, das Holz zu schlagen, das „Holzungsrecht" läßt sich aber nicht dinglich durch Eintragung sichern ( R G 60, 3 1 7 ; 78, 36); es bedarf auch nicht der F o r m des § 3 1 3 . Etwas anderes als der K a u f einer künftigen Sache ist der K a u f e i n e r G e w i n n c h a n c e (emtio spei, H o f f n u n g s k a u f ; R G 77, 224; 77, 344), so beim K a u f e i n e s noch nicht gezogenen Loses, eines Fischzugs (vgl. oben A n m . 106). Ist das Los tatsächlich schon gezogen, so liegt beiderseitiger Irrtum über den Vertragsgegenstand vor. Der sog. Hoffnungskauf kann einmal darin bestehen, daß der V e r käufer nur bei Eintritt eines ausschließlich oder weitgehend v o m Zufall abhängigen Ereignisses verpflichtet sein soll, zum anderen auch darin, daß der Verkäufer sofort eine Leistung, z. B. die Übertragung eines Loses schuldet; im letzteren Falle liegt ein unbedingtes Geschäft vor, bei dem die Erfüllung der Verpflichtung des Verkäufers nicht vom Z u f a l l abhängt ( R G 77, 344). Der Hoffnungskauf ist v o m p a r t i a r i s c h e n D a r l e h e n und G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g zu unterscheiden. Ist der Nehmer nicht zu Mitarbeit verpflichtet und besteht ein Rückforderungsanspruch, ist in der R e g e l kein Hoffnungskauf anzunehmen.

A n m . 127 b ) Die Sache b r a u c h t d e m V e r k ä u f e r n i c h t z u g e h ö r e n . E r kann die ihm obliegende Verschaffungspflicht auch beim Verkauf einer fremden Sache erfüllen; dazu gehört, daß er das fremde Eigentum beseitigt; des Durchgangs durch das Eigentum des Verkäufers bedarf es nicht erst, die Übertragung kann unmittelbar durch den dritten Eigentümer erfolgen ( R G 54, 2 1 3 ; 74, 354). Ein K a u f v e r t r a g über die e i g e n e S a c h e ist an sich nach § 306 nichtig (vgl. oben A n m . 4 ) ; er kann aber auch als Vereinbarung unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten bestehen bleiben, und es hat möglicherweise nur die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung als gegenstandslos zu entfallen ( P l a n c k zu § 3 0 6 und § § 2 7 5 — 2 9 2 ; R G Recht 1924 Nr. 8 1 1 ) . Gegenstand eines K a u f s kann auch die Gesamtheit aufeinander abgestimmter Maschinen f ü r eine Fabrikanlage sein. Der K a u f v e r t r a g ist dann erst mit Lieferung der letzten Maschine erfüllt, R G H R R 1935,

1301.

A n m . 128 2 . R e c h t e im weitesten Sinn. Hierunter fallen namentlich auch F o r d e r u n g e n . Ferner Erbbaurechte, alle Rechte auf Nutzungen, auch wenn sie nur ihrer Ausübung nach übertragbar sind, so der E r w e r b von Grabstellenbenutzung, gewerbliche Gerechtigkeiten (Apotheker-, Schankgerechtigkeit, Bohrgerechtigkeit, Berggerechtigkeit, Recht zur Ausbeutung eines Grundstücks auf Bodenbestandteile, R G J W 1 9 3 5 , 1824), dingliche Rechte an Sachen, wie H y p o theken, alle gewerblichen Schutzrechte (Firma, vgl. § 23 H G B , Geschäftsbezeichnung, Warenzeichen, der Anspruch auf Erteilung des Patents und das R e c h t aus dem Patent, R G J W 1 9 3 7 , 2661), sowie alle Urheberrechte und Verlagsrechte, Lebensversicherungspolicen R G 5 1 , 86, Vorführungsrecht eines Films. (Der Filmverwertungsvertrag zwischen dem Inhaber des Urheberrechts a m Film und einem Filmverleiher, durch den das ausschließliche R e c h t zur öffentlichen Vorführung und zum Vertrieb des Films überlassen wird, ist dagegen ein urheberrechtlicher Nutzungsvertrag eigener Art, B G H 2, 3 3 1 ; 9, 264.) Der Wiederkauf von Renten, die auf dem Grundstück lasten, kann K a u f sein. Das verliehene Recht, den Titel als Hofapotheke zu führen, kann Gegenstand eines K a u f e s sein ( R G Warn. 1 9 1 4 Nr. 283). Die Übertragung der gewerblichen Verwertung eines Patents durch einen L i z e n z v e r t r a g ist kein K a u f , sondern ein Vertrag eigener A r t ( R G 54, 2 7 2 ; 5 7 , 3 8 ; 78, 3 6 3 ; i n , 5 2 ; 1 1 5 , 1 9 ; u 8 , 2 9 0 ; B G H 2, 3 3 4 f r . ; 9, 264), d e r

dem Lizenznehmer in der Regel nur ein persönliches Forderungsrecht auf Benutzung des Patents verleiht. Doch kann er zum K a u f werden, wenn in der Person des Lizenznehmers ein besonderes absolutes Recht entstehen soll und dieses Recht Gegenstand der Übertragung ist, also nicht bloß die gewerbliche Ausnutzung gewährt wird ( J W 07, 136 1 7 ). Die Patenturkunde ist nur Beweisurkunde. Die Übertragung eines g e w e r b l i c h e n S c h u t z r e c h t s ergreift n i c h t d i e p e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t l i c h e n B e f u g 4*

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§ 433 A n m . 129, 130

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

n i s s e des Urhebers, L i t U G § 9, K u n s t U r h G § 12, R G 1 5 1 , 50. Bei G e s c h ä f t s a n t e i l e n ist zwischen d e m Recht u n d der wirtschaftlichen Beteiligung zu unterscheiden (RG 83, 180; 86, 48). Der e n t g e l t l i c h e E r w e r b v o n v i n k u l i e r t e n N a m e n s a k t i e n ist K a u f ; wird die Z u s t i m m u n g zur Ü b e r t r a g u n g der Aktien versagt, so h a t der K ä u f e r aber keinerlei Ansprüche gegen den Verkäufer, weder den Anspruch auf Erfüllung, noch auf R ü c k z a h l u n g des Kaufpreises noch auf Schadensersatz, R G 132, 1 5 7 ; O . M ö h r i n g BB 1953, 773. Verkäuflich, gegebenenfalls n u r mit Z u s t i m m u n g des Kartells, ist auch die K a r t e l l q u o t e , wenn auch die Rechte u n d Pflichten des Kartellmitglieds stets von der Mitgliedschaft im Kartell abhängig bleiben , R G 169, 234/5. Auch die A n w a r t s c h a f t ist eine Rechtsstellung, die Gegenstand eines Kaufs sein kann, so bei Vorbehaltskäufen, B G H 20, 88; L e t z g u s , Die Anwartschaft des Käufers u n t e r Eigentumsvorbehalt (1938). Der R e c h t s k a u f hat z u m Teil eine besondere Regelung in § 437 erfahren. Das BGB behandelt den Sachkauf u n d den Rechtskauf als zwei gesonderte Arten des Kaufes, f ü r die es z u m Teil besondere Vorschriften gibt (RG 56, 255; 63, 60; 90, 243). A n m . 129 3. W i r t s c h a f t l i c h e u n d r e c h t l i c h e L a g e n u n d Z u s t ä n d e , sowie i m m a t e r i e l l e G ü t e r , sofern sie einer Überleitung v o m Verkäufer auf den Käufer, also eines U m satzes, fähig sind. M i t U n r e c h t wird ihre Eigenschaft als Kaufsache bestritten. Das Gesetz selbst hebt den K a u f einer Erbschaft hervor (§ 2371), es kommen auch sonst einheitliche V e r m ö g e n s m a s s e n (universitas iuris) in Betracht, ferner kaufmännische u n d gewerbliche U n t e r n e h m u n g e n (§ 25 HGB) oder E r w e r b s g e s c h ä f t e s c h l e c h t h i n in ihrer Eigenschaft als organisierte Substrate einer gewerblichen Tätigkeit, als „Betriebe" (RG 63, 5 7 ; 68, 54), so z. B. ein Pensionat (RG 67, 86), Zeitungsunternehmen (RG 70, 220; i33> 1 1 5 ) , eine ärztliche Praxis (RG 66, 39; 1 1 5 , 1 7 3 ; H R R 1932, 1553). Vgl. hierzu u n t e r I I B. Bei diesen ist zu unterscheiden, was Gegenstand des Kaufes ist: das im Geschäft steckende B e t r i e b s v e r m ö g e n (Grundstücke, Kapitalien, Warenvorräte, Inventar) oder das U n t e r n e h m e n a l s i m m a t e r i e l l e s , d u r c h Arbeit geschaffenes Gut, als organisierter Betrieb, zu d e m Firma, Warenzeichen, eine bestehende Wettbewerbsklausel (RG 102, 129; 133, 1 1 5 ) , geschäftlicher R u f , K u n d s c h a f t , Geschäftsu n d Betriebsgeheimnisse usw. (RG 70, 22; 68, 53) als B e s t a n d t e i l e gehören. Das U n t e r n e h m e n u n d das Geschäftsvermögen können j e f ü r sich veräußert werden (RG 70, 224; 68, 49; 82, 1 5 5 ; R G S t . 28, 277), ebensogut aber als ein zusammengehöriges Ganzes (RG 78, 270). V e r ä u ß e r t ein Einzelkaufmann sein U n t e r n e h m e n an einen andern u n d ist dieses sein gesamtes Vermögen, so kann zwar die den Firmenfortführer treffende H a f t u n g des § 25 Abs. 1 H G B ausgeschlossen werden, § 25 Abs. 2 H G B , nicht aber die zugleich eingreifende H a f t u n g nach § 4 1 9 ( § 4 1 9 Abs. 3); d a h e r haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts, der die F i r m a fortführt, jedenfalls mit d e m Bestände des übern o m m e n e n Vermögens, wenn das Handelsgeschäft tatsächlich (RG 139, 203/4) das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, R G 131, 27, 31. Z u r Anwendbarkeit des § 4 1 9 gehört allerdings, d a ß der Erwerber weiß, d a ß das ü b e r n o m m e n e Handelsgeschäft im wesentlichen das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, R G 134, 1 2 5 ; i54> 375A n m . 130 a ) Die G m b H steht ihren Gesellschaftern als selbständige Rechtspersönlichkeit gegenüber; bei ihr ist zwischen den einzelnen Geschäftsanteilen als T r ä g e r n der Mitgliedschaftsrechte u n d d e m von ihnen beherrschten Geschäftsvermögen, insbesondere d e m U n t e r n e h m e n mit seinen Beziehungen zur K u n d s c h a f t , seiner Firma, gewerblichen Schutzrechten, Inventar, Warenlager usw. zu unterscheiden; es können daher nicht bloß die Geschäftsanteile, sondern auch das der G m b H gehörige Geschäftsvermögen samt d e m dazu gehörigen I n v e n t a r u n d Warenlager als Kaufgegenstand in Betracht kommen (RG 98, 289). N a c h der Auffassung des Verkehrs wird aber ein V e r k a u f s ä m t l i c h e r G e s c h ä f t s a n t e i l e e i n e r G m b H regelmäßig als eine V e r ä u ß e r u n g des U n t e r n e h m e n s selbst angesehen. D e m Erwerber soll tatsächlich die gleiche Stellung

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Kauf. Tausch

§433 A n m . 131—137

eingeräumt werden, wie wenn er das Unternehmen gekauft hätte, R G 120, 287; 124, 164; 150, 4 0 1 ; D R 1944, 485 (vgl. Anm. 9, 18).

A n m . 131 b ) M a n t e l k a u f . E r besteht im K a u f aller oder nahezu aller Anteilsrechte an einer nicht mehr betriebenen Kapitalgesellschaft. Z u Unrecht wird er in der Literatur überwiegend als nichtig angesehen (ebenso K G J F G 10, 1 5 3 = H R R 1933, 8 3 3 ; von R G J W 1934, 27 3 dahingestellt gelassen). Denn es liegt weder eine Umgehung der Gründungsvorschriften, insbesondere über die Aufbringung des Stammkapitals, noch ein Scheingeschäft oder ein sittenwidriges Geschäft vor ( S c h o l z G m b H G § 3 Anm. 6: B r e i t J W 1925, 635 Anm.; G ü r t n e r M D R 1954, 76; P a p e BB 1955, 1099). Uber die steuerrechtliche Seite v g l . B F H Betrieb 1958, 241 und H o f f m a n n Betrieb 1958, 8 1 1 .

A n m . 132 c) Beim K a u f d e r R e c h t e a u s d e m M e i s t g e b o t haftet der Verkäufer anders als beim Verkauf sämtlicher Anteilsrechte einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu oben Anm. 130) nicht nach den §§459 ff. über die Sachmängelgewähr, also nicht für Fehler des erstandenen Grundstücks, R G 150, 397.

A n m . 133 d) Auch besondere kaufmännische und gewerbliche K e n n t n i s s e u n d G e d a n k e n können als i m m a t e r i e l l e G ü t e r übertragen werden, a . M . R G Gruch. 58, 655, wie (unpatentierte) E r f i n d u n g e n , F a b r i k a t i o n s - u n d G e s c h ä f t s g e h e i m n i s s e , R e z e p t e ( O L G 28, 106); ihre Veräußerung ist K a u f , R G J W 1907, 1365 a. M. R G 82, 1 5 5 Der Gedanke muß sich freilich mit festem Inhalt gefüllt haben, nicht bloß unbestimmte, vage Pläne enthalten (Gruch. 58, 655; Recht 1 9 1 3 Nr. 3227). Eine andere Frage ist dagegen, inwieweit die Gewährleistungsansprüche entsprechende Anwendung finden (vgl. §459 Anm. 2 und R G J W 1 9 1 4 , 674 2 ).

A n m . 134 e ) Die „ K u n d s c h a f t " als solche ist kein Gegenstand, der übertragen werden könnte, wohl aber die g e w e r b l i c h e S t e l l u n g , die jemand einnimmt und an die sich natürliche Beziehungen zu dem Kundenkreis knüpfen. Diese Stellung kann aufgegeben und einem anderen eingeräumt werden, was einer Übertragung wirtschaftlich gleichkommt ( R G 95, 5 7 ; J W 05, 389'). Die gewerbliche Stellung ist im gewerblichen Unternehmen verkörpert und lokalisiert und wird daher gleichzeitig in der Regel mit diesem übertragen ( R G 63, 5 7 ; 67, 86; 69, 429; Gruch. 5 1 , 901). Ist eine „ K u n d s c h a f t " verkauft, so kann dieser „Kaufgegenstand" nicht wie eine Sache übergeben werden, und es kann auch kein Eigentum daran verschafft werden; welche Pflichten solchenfalls der Verkäufer hat, ist im einzelnen zu untersuchen (vgl. hierzu R G Recht 1909 Nr. 1 1 9 5 ) und ergibt sich vielfach durch besondere Vereinbarungen der Parteien ( R G D R 1942, 465).

A n m . 135 f) A r b e i t und D i e n s t e können ihrer Natur nach nicht Gegenstand des Kaufvertrags sein. I m übrigen aber vgl. § 445.

A n m . 136 g) Ü b e r Verkauf einer R e c h t s a n w a l t p r a x i s , Ärztepraxis und Tierärztepraxis R G 153, 280, 284; 1 6 1 , 153 und oben Anm. 45.

Anm. 137 h) Was oben Anm. 126, 127 von k ü n f t i g e r s t e n t s t e h e n d e n und dem Verkäufer nicht gehörigen Sachen gesagt ist, gilt gleichermaßen auch für R e c h t e u n d r e c h t s ä h n l i c h e V e r h ä l t n i s s e . Auch ein e r s t z u b e g r ü n d e n d e s absolutes Recht, wie die Gutschrift in einem Girokonto einer Bank, kann Gegenstand eines Kaufes sein, z. B. beim K a u f einer Auszahlung. Beim A u s z a h l u n g s g e s c h ä f t ist Kaufgegenstand eine erst zu begründende abstrakte Forderung ausländischer Währung gegen eine Bank (die Auszahlung), vgl. R G 107, 1 3 6 ; O b s t / H i n t n e r , Geld-, Bank- und Börsenwesen, 34. Aufl. S. 428.

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§ 433 A n m . 138—142

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 138 4. W a r e n Waren sind bewegliche körperliche Sachen (§ i Abs. 2 Nr. i H G B ) , die Gegenstand des Handelsverkehrs sind ( R G 130, 8 3 ; J W 1 9 3 1 , 193). Der Begriff der Ware ist ein allgemeiner Begriff des Handelsrechts, im B G B kommt er bei der Verjährung (§ 196 Abs. 1 Nr. 1) vor. Die Vorschriften über den Handelskauf gelten nach § 381 H G B auch f ü r den K a u f von Wertpapieren. Die §§ 3 7 3 f f . H G B haben nur Waren im Auge ( R G 26, 43).

A n m . 139 5. Verpackung Die Verpackung ( „ T a r a " ) ist nur in den Fällen mitverkauft, in denen sich die Rücksendung verbietet, weil sie schon nach einmaligem Gebrauch wertlos ist oder als Originalverpackung zur Ausstattung gehört. Entsprechendes gilt auch von Säcken, die als Verpackung verwendet werden (vgl. im übrigen unten Anm. 230).

A n m . 140

VII. Der Preis

E r muß in G e l d bestehen. Der Entw. I enthielt noch folgende Vorschrift: Der K a u f preis muß in Geld bestehen. Sie ist in der 2. Lesung, weil überflüssig, weggefallen. Daß der Kaufpreis in Geld bestehen muß, folgt daraus, daß er zu „ z a h l e n " ist (§ 433 Abs. 2). Neben dem in Geld festgesetzten Kaufpreise können L e i s t u n g e n a n d e r e r A r t bedungen werden (z. B. daß der K ä u f e r seinen Bedarf nur beim Verkäufer deckt, R G J W 1907, 1 0 3 ) ; auch kann vereinbart werden, daß solche Leistungen zu einem bestimmten Geldanschlage a n d i e S t e l l e des Kaufpreises treten sollen. Nach § 473 dürfen „neben dem in Geld festgesetzten Preise" Leistungen, die nicht vertretbare Sachen zum Gegenstande haben, bedungen werden. § 507 spricht schlechthin von Nebenleistungen. Neben dem in Geld vereinbarten Preise vorgesehene Leistungen anderer Art machen das Geschäft also nicht zum Tausch. Geld sind Banknoten und Münzen, soweit sie nicht ausnahmsweise als Ware zu behandeln sind.

A n m . 141 1. Die Leistung an Erfüllungs S t a t t Zulässig ist die Vereinbarung, daß der festgesetzte Kaufpreis durch Hingabe eines Gegenstandes an Erfüllungs Statt gewährt werde, sowohl bei als nach Abschluß desVertrags ( R G H R R 1935, 1378). Hauptfall: Übernahme einer f ü r den Verkäufer eingetragenen Hypothek oder Eigentümergrundschuld. Bei letzterer bestritten, ob die Übernahme die Kaufpreisforderung tilgen oder nur sichern soll. Das ist nach § 157 zu beantwortende Auslegung ( R G 120, 168). I n der Regel wird die Übernahme einer Fremdhypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis dahin zu deuten sein, daß damit ein entsprechender Teil der Leistung des Käufers unmittelbar bewirkt wird. Es ist keine Leistung an Erfüllungs Statt nach § 364, weil der K ä u f e r keine andere Leistung als die geschuldete macht. Vielmehr soll in der Regel in Höhe der übernommenen Hypothek eine Geldforderung des Verkäufers gar nicht zur Entstehung kommen, der Kaufpreis soll insoweit nur Rechnungsgröße sein ( R G 1 2 1 , 4 1 ; R G L Z 1928 Sp. 398). Grenzfall mit Tausch ( R G L Z 07 Sp. 235).

A n m . 142 2. Leistung erfüllungshalber Wird ein W e c h s e l a k z e p t gegeben, so geschieht das erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 ; R G 158, 3 1 7 ) ; der Verkäufer hat den Erlös, den er aus der Diskontierung erzielt, auf den Kaufpreis zu verrechnen ( R G 7. 12. 26 V I 266/26). Erst sobald die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des diskontierenden Verkäufers ausgeschlossen ist, gilt der Kaufpreis als beglichen ( R G 109, 35). Auch Gestattung der Abarbeitung des Preises beläßt es bei Kaufvertrag (SeuffArch. 59» 56).

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Kauf. Tausch,

§433 Anm. 143, 144

Anm. 143 3. Der bestimmbare Preis Der Preis muß b e s t i m m t oder wenigstens b e s t i m m b a r sein (§ 315). Bestimmbar ist er auch, wenn er z. B. nach einer bestimmten Quote der Einnahmen des verkauften Geschäfts während einer bestimmten Zeitdauer bemessen wird. Das Geschäft wird dadurch noch nicht zu einer Gesellschaft. Ob der Käufer vor der vereinbarten Zeit den Betrieb aufgeben kann und dann noch Zahlungen zu leisten hat, richtet sich nach Treu und Glauben im Einzelfall (RG 95, 37). Verträge, durch die sich der Verkäufer vorbehält, unter bestimmten Voraussetzungen einen erhöhten Kaufpreis zu fordern ( P r e i s e r h ö h u n g s k l a u s e l ) , haben die Bedeutung, daß der Verkäufer den endgültigen Kaufpreis nach billigem Ermessen so zu bestimmen hat, daß dieser mit den jeweiligen Marktpreisen und der jeweiligen Wirtschaftslage übereinstimmt. Eine solche Klausel kann aber auch dahin auszulegen sein, daß der Verkäufer berechtigt sein soll, von dem geschlossenen Vertrag abzugehen und einen höheren Preis vorzuschlagen, welches Angebot der Käufer annehmen oder ablehnen kann; beim beiderseitigen Handelskauf hat der Käufer auf dieses Angebot unverzüglich zu antworten, widrigenfalls sein Schweigen als Annahme des neuen Angebots anzusehen ist, B G H 1, 353. A n m . 144 4. P r e i s b e m e s s u n g Die Preisbemessung erfolgt: a ) als fester Preis durch Vereinbarung. Er kann berechnet werden als E i n h e i t s preis für die Wareneinheit, so daß sich die Summe aus Zahl, Maß und Gewicht der Ware ergibt (vgl. hierzu § 380 Abs. 1 HGB), oder als G e s a m t p r e i s , wie namentlich beim Kauf in Bausch und Bogen. Da jedem Kaufgeschäft ein Kaufpreis wesentlich ist, ist es beim Vorliegen zweier selbständiger Kaufverträge unzulässig, einen einheitlichen Preis für beide Kaufgegenstände festzusetzen, R G J W 1931, 10286. Für die Bemessung des Preises sind viele Faktoren maßgebend. Beim Verkauf von Gebrauchtwagen ist ein Abzug bei unfallbeschädigten Wagen handelsüblich, OLG Stuttgart BB 1957, 693. Ist ein Preis unter Berücksichtigung eines erheblichen Einfuhrzolls berechnet worden, die Einfuhr dieser Ware aber inzwischen zollfrei geworden, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der eingesetzte Zoll nicht abgesetzt wird (vgl. R G 94, 247). Die Angabe eines bestimmten Bestandes, einer Menge, der Größe eines Grundstücks kann einmal die Zusicherung einer Eigenschaft, aber auch bloß eine Unterlage für die vorläufige Feststellung des Kaufpreises sein, der endgültig erst nach vollständiger Auszahlung oder genauer Abmessung errechnet werden soll, R G 101, 69; J W 1918, 471 6 . Fehler des Verkäufers in der Preisberechnung ( K a l k u l a t i o n ) und Fehler des Käufers bei der Uberprüfung des Kaufpreises sind regelmäßig nur Irrtum im Beweggrund und daher unbeachtlich, R G 64, 268. Ist die Kalkulation dagegen zum Gegenstand der für den Vertragsschluß entscheidenden Verhandlungen und damit zum Bestandteil der Erklärung geworden, so ist der Kauf nach §119 Abs. 1 anfechtbar, R G 64, 268; 94, 67; 105, 406; 116, 15; 14g, 239. Bei beiderseitigem Irrtum über die Kalkulationsgrundlage kommt §242 in Betracht (RG 108, 105, 110; 123, 89). Der Irrtum über den W e r t eines Gegenstandes oder über die Umstände, die nur mittelbar den Wert eines Gegenstandes bestimmen, berechtigt nicht zur Anfechtung, B G H L M Nr. 2 zu § 779 BGB. Die Preisbestimmung kann auch einem Dritten (so bei der A r b i t r a g e a b r e d e wegen Preisminderung, R G 73, 259) oder dem Vertragsgegener überlassen werden (§§315, 316). Unter S e l b s t k o s t e n p r e i s sind die gesamten Gestehungskosten zu verstehen, die sich zusammensetzten aus dem Einstandspreis, den besonderen Betriebsunkosten und dem Anteil an den allgemeinen Betriebsunkosten, Kapitalzinsen, Risikoprämie und Unternehmerlohn. Unter F a b r i k p r e i s e n , O r i g i n a l f a b r i k p r e i s e n sind die Preise zu verstehen, die die Fabrik dem Zwischenhändler beim Verkauf im großen berechnet, ohne Zuschlag der Kosten eines etwaigen eigenen Vertriebs an das Publikum in Verkaufsstellen (RG WarnRspr. 1914 Nr. 201). S y n d i k a t s p r e i s e sind die Preise, die das betreffende Syndikat jeweilig festsetzt (RG LZ 1912, 863 3 ). Beim K a u f n a c h

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§ 433 A n m . 145—149

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

G e w i c h t ist das Nettogewicht maßgebend, d. h. das Gewicht der Ware ohne Verpackung ( = Tara), also Brutto abzüglich Tara (§ 380 HGB). Der Käufer kann Vorwiegen verlangen (OLG 20, 167). „ N e t t o ab h i e r " bedeutet den Abzug aller Spesen (ROHG 8, 120); „ b r u t t o f ü r netto" bedeutet ,daß die Verpackung nicht abgezogen werden darf, sondern vielmehr mit verkauft und zu berechnen ist. Anm. 145 b) als M a r k t - oder Börsenpreis (§385, 453). M a r k t p r e i s ist der am E r f ü l lungsort zur E r f ü l l u n g s z e i t bei normaler M a r k t l a g e gezahlte Durchschnittspreis. Eine N o t m a r k t l a g e kann, wenn Marktpreis vereinbart ist, in der Regel nicht zugrunde gelegt werden (RGSt. 51, 259; 52, 30). Soll der Preis nach künftiger schwankender Marktlage bestimmt werden, und ist ein Höchst- oder Mindestpreis festgesetzt worden, dann hat die Abrede den Zweck, das Geschäftsrisiko der Parteien zu begrenzen (RG g4, 339). Der Börsenpreis ist eine Unterart vom Marktpreis; er wird in der Regel, aber nicht notwendig durch amtliche Ermittlung (Kursmäkler) festgestellt. Bei Wertpapieren wird der Börsenpreis im „Kurs" ausgedrückt; B ( = Brief) bedeutet, daß nur Angebot bei fehlender oder unerheblicher Nachfrage vorhanden war; G ( = Geld) besagt, daß zu diesem Kurse ohne Umsatz Nachfrage bestand; bez. ( = bezahlt) heißt, daß Umsätze zu diesem Kurse stattfanden, mit dem Zusatz G, daß die Nachfrage nicht voll befriedigt werden konnte, beim Zusatz B, daß zum notierten Kurse noch Ware angeboten wurde. Anm. 146 c) Der l a u f e n d e oder ortsübliche Preis (§§385, 373 Abs. 2 BGB, 373 Abs. 2, 376 Abs. 3, 379 Abs. 2 HGB) ist im Gegensatz zum Marktpreis der örtlich von bestimmten Einrichtungen festgesetzte Preis. Er bedeutet dasselbe wie der Tagespreis. Der „bei L i e f e r u n g gültige P r e i s " ist der zur Zeit der Versandbereitschaft gültige Preis, nicht notwendig der zur wirklichen Absendungszeit geltende, wenn die Versendung durch Transportschwierigkeiten usw. verzögert wurde. Anm. 147 d) Der L a d e n p r e i s oder k u n d e n ü b l i c h e Preis ist der im Geschäftsbetrieb des Verkäufers allgemein geforderte Preis (JW 05, 43616), nicht der in anderen Läden des Ortes übliche. Das schließt nicht aus, daß abnorme Abweichungen von den sonst in den Läden des Ortes üblichen Preisen die Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung usw. begründen können. Anm. 148 e) Der angemessene Preis wird bei Waren ohne Markt- oder Ladenpreis nach den §§ 315fr. BGB bestimmt. Uber einseitige Preisfestsetzungen durch Interessengruppen R G J W 1927, 1143 5 . Vgl. auch R G 99, 105 und SeuffArch. 60, 89. Nach § 3:6 gilt die Vereinbarung als zugunsten des Verkäufers getroffen. Die Beweislast der Angemessenheit trifft den Verkäufer (RG 57, 49). Bei M a r k e n a r t i k e l n wird häufig die Einhaltung von Wiederverkaufspreisen vereinbart; dies verstößt nicht gegen die guten Sitten ( R G J W 1937, 2653 15 ; R G 133, 336; 151, 245; aber 136, 73) und nicht gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (vgl. dessen § 16 und oben Anm. 26). Dasselbe gilt für die vertikale Preisbindung für Verlagserzeugnisse. Anm. 149 f) Eine gesetzliche N o r m i e r u n g des angemessenen Preises findet in den behördlichen Preistaxen statt (GewO §80 Abs. 1, z.B. Arzneitaxen). Nach §376 R V O haben die Apotheken den Krankenkassen für Arzneien einen Abschlag von den Preisen der Arzneitaxe zu gewähren. Obwohl § 80 GewO in § 79 nicht genannt ist, können Arzneien und Arzneiwaren billiger verkauft werden. Die Überschreitung der Arzneitaxe ist nach § 148 Ziff. 8 GewO strafbar und der Uberpreis unwirksam, vgl. R G DR 1939, 1633; R G 166, 93/94. Von den behördlichen Preistaxen zu unterscheiden sind die S e l b s t t a x e n , zu deren Aufstellung einzelne Gewerbetreibende verpflichtet

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Kauf. Tausch

§433 Anm. 150—154

sind (§§ 73—75 GewO, Preisverzeichnisse für Backwaren und bei Gastwirten, vgl. V O über Preisauszeichnung v .6. April i944, RGBl. I g8). Für diese beiden Fälle ist die Vereinbarung eines niedrigeren Preises ausdrücklich für zulässig erklärt, §79 GewO. Auch hier macht die Preisüberschreitung nicht den ganzen Vertrag nichtig, sondern nur der Uberpreis ist unwirksam.

Anm. 150 g ) Wenn der Preis mit „ z i r k a " , „ e t w a " , „ g e g e n " und ähnlichen Ausdrücken umschrieben wird, ist in der Regel anzunehmen, daß die Grenze der Angemessenheit den Ansatz nicht nach oben und unten wesentlich übersteigen darf, preismindernde Umstände aber zu berücksichtigen sind. Im Einzelfall kann die Bestimmung auch besagen, daß der Ansatz als Mindestpreis immer gefordert werden, nötigenfalls aber ein mäßiger Zuschlag gemacht werden kann.

Anm. 151 h) „ P r e i s f r e i b l e i b e n d " . Die Unbestimmtheit der Preisabrede tut der bindenden Kraft des Vertrags und dem unveränderten Festhalten der Parteien an seinem Inhalt im übrigen keinen Abbruch. §§315 u. 317 kommen nötigenfalls zur Anwendung ( R G 103, 414). Jedenfalls ist die Vereinbarung, daß der Verkäufer eine Verbindlichkeit in bezug auf Preise nicht übernehme, dann nicht zu beanstanden, wenn sie dahin auszulegen ist, daß die Preise nur nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der Verhältnisse erhöht werden sollen ( R G 104, 306). Auch der Vereinbarung eines der Höhe nach genau bestimmten Preises kann die Klausel: „Preise freibleibend" angefügt werden, O G H 4, 168. Die V e r e i n b a r u n g e i n e s R i c h t p r e i s e s berechtigt den Verkäufer, den endgültigen Kaufpreis nach billigem Ermessen entsprechend der Marktlage am Ort und zur Zeit der Lieferung festzusetzen; von diesem Recht kann der .Verkäufer jedoch, wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren, nur einmal Gebrauch machen, O G H 4, 174. B e h ö r d l i c h b e k a n n t g e g e b e n e R i c h t p r e i s e sind Preisgrenzen, die von dazu berufenen Sachverständigengremien festgesetzt werden und einen Hinweis darauf geben, was nach der Beobachtung des Marktes oder bei gewissenhafter Preiskalkulation noch als angemessen angesehen werden kann. R i c h t p r e i s e v o n p r i v a t e n V e r b ä n d e n , mögen sie auch in die Form privater Gebührenordnungen gekleidet sein, verstoßen gegen die Dekartellierungsvorschriften. Über „ g l e i t e n d e P r e i s e " R G J W 1924, 1140 6 . Vereinbarung, daß man sich über den Preis n a c h t r ä g l i c h e i n i g e n werde, enthält eine aufschiebende Bedingung ( R G Recht 1924 Nr. 1366; 2. April 1924 I 285/23).

Anm. 152 i) Die H a u s s e - K l a u s e l bedeutet die Zulässigkeit angemessener Erhöhung des Preises bei langdauernden Bezugsverträgen infolge Erhöhung der Rohstoffpreise usw. Das Umgekehrte besagt die B a i s s e - K l a u s e l . Zuweilen wird eine zeitliche Grenze gesetzt ( R G 73, 436).

Anm. 153 k) Preis „in Gold berechnet nach dem Stand der Goldmark" bedeutete die Berechnung nach dem Stande der Goldmark gemäß dem Goldankaufspreise der Reichsbank, nicht nach der davon verschiedenen inneren Kaufkraft der Goldmark ( R G J W 1927, 10822).

Anm. 154 1) Der Preis kann auch in einem bestimmten P r o z e n t s a t z vom Umsatz eines Geschäfts oder bei bloßem Verkauf einer Kundschaft nur vom Umsatz an diese bestehen. Wenn der Käufer das Geschäft aufgibt, ist er nicht zu weiteren Zahlungen verpflichtet. Die Aufgabe des Geschäfts muß aber gerechtfertigt sein und darf nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, R G 95, 36. Die Bestimmung des Preises, er solle d u r c h „ V e r r e c h n u n g " bezahlt werden, genügt nicht. Die Vereinbarung, „der Preis solle durch Arbeit abverdient werden", ist eine Nebenverabredung über die Tilgungsweise, setzt aber einen vorausgegangenen bestimmten Preis voraus, R G Recht 1909 Nr. 1666.

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§ 433 A n m . 155—159

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 155 m ) Listenpreis. Die Kohle, Eisen und Stahl erzeugenden Unternehmen müssen ihre Preise in Preislisten festsetzen und veröffentlichen. An die einmal festgesetzten Preise sind sie gebunden. Andere Preise dürfen erst 5 Tage nach Versendung einer neuen Preisliste an die Hohe Behörde gefordert werden. Anm. 156 n) Zonenpreis. Das ist der Preis, der sich generell für die Lieferung von Kohle, Eisen und Stahl in bestimmte Gebiete durch einen von der Hohen Behörde auf den Listenpreis vorgenommenen Nachlaß ergibt. Anm. 157 o) Ein angemessenes Wertverhältnis zwischen Preis und Ware wird bei der Vertragsfreiheit im allgemeinen nicht gefordert, den Rechtsbehelf der laesio enormis kennt das Gesetz nicht mehr. Dagegen hat der Verkäufer bei verändertem sinkendem Geldwerte ein Aufwertungsrecht nach BGB § 242, wie umgekehrt der Käufer ein Abwertungsrecht bei steigendem Geldwert (RG 103, 177; 103, 333; 107, 20; 107, 124; 107, 140, 142). R G 1 1 1 , 259 hält den Irrtum über die Kaufkraft des Geldes für unbeachtlich, da sie keine Eigenschaft des Geldes im Sinne des § 119 Abs. 2, sondern nur das Urteil des Verkehrs darüber sei, welchen Tauschwert das Geld hat. Der Irrtum über die Kaufkraft des Geldes ist in der Tat nichts anderes als der Irrtum über den Wert oder Preis einer Sache (RG 59, 242; 61, 86; 64, 269; 103, 22; 106, 1 1 ; H R R 1932, 224). Wenn auch das BGB den Rechtsbehelf der laesio enormis nicht kennt, so muß doch nach § 242 von dem G r u n d s a t z des G l e i c h g e w i c h t s v e r h ä l t n i s s e s zwischen Leistung und Gegenleistung als der Grundlage des Kaufgeschäftes ausgegangen werden und es ist deshalb bei Entwertung der vereinbarten Valuta dann ein Ausgleichsanspruch gegeben, wenn diese unvorhergesehenen und unvorhersehbar war, R G 141, 212; 148, 38. Ist aus dem Mißverhältnis eine bewußte Ausnutzung eines Vertragsteils zu entnehmen, kann der Vertrag nach § 138 Abs. 1 nichtig sein, R G 150, 1. Anm. 158 p) Beweislast. Der Verkäufer ist für die Vereinbarung des Kaufpreises nach a—i und seine Bestimmtheit oder Unbestimmbarkeit beweispflichtig (RG 68, 305; J W 07, 175). Ist ein Grundstück vom Eigentümer unter dem Zwang der drohenden Enteignung verkauft worden, so ist der Verkauf lediglich als Ersatz für die dadurch vermiedene Enteignung anzusehen; die Kaufpreisforderung ist dann für die Folgen der Geldentwertung denselben Grundsätzen unterworfen, wie die Enteignungsentschädigung, R G 127, 267 und hierzu R G 130, 58. Anm. 159 q) Einschränkungen der Preisfreiheit finden sich schon als obrigkeitliche Taxen, z. B. für Apothekerwaren in GewO § 80 Abs. 1, in §§ 73—75, im Interesse der Allgemeinheit. Eine Beschränkung der Vertragsfreiheit bringen auch die Vorschriften über die Höhe der Zinsen in §§ 246, 288, 247 BGB, § 352 HGB, §§ 48 Abs. 1 Ziff. 2, 49 Ziff. 2 WG, §§ 45 Ziff. 2, 46 Ziff. 2 ScheckG. Nach R G 150, 4 kann die Vereinbarung übermäßiger Zinsen nach § 138 Abs. 1 nichtig sein, auch wenn kein Wucher vorliegt. A l l g e m e i n e P r e i s g e s t a l t u n g s v o r s c h r i f t e n f ü r alle W a r e n g a t t u n g e n enthalten R a b a t t g e s . v. 25. November 1933 (RGBl. I 1011), die DV v. 21. April 1934 (RGBl. I 120) und Z u g a b e v e r o r d n u n g v. 9. März 1932 i d F des Ges. v. 12. Mai 33 (RGBl. I 264), R G 149, 242; J W 1937, 713; R G S t . J W 1937, 270214. Die Rechtswirksamkeit eines Lieferungsvertrages wird grundsätzlich nicht dadurch berührt, daß der Lieferant mit dem Abschluß des Vertrages die ZugabeVO verletzt, B G H L M Nr. 12 zu § 1 UWG. Besondere P r e i s v o r s c h r i f t e n enthält z.B. das Getreidepreisgesetz 1958/59, BGBl. 1958, 450. 58

Kauf. Tausch

§433

Anm, 160—163 I m I n t e r z o n e n h a n d e l s v e r k e h r dürfen nur die genehmigten Preise gefordert und gegeben werden, § 6 InterzonenVO v. 18. J u l i 1 9 5 1 , BGBl. 463. V O ü b e r P r e i s a u s z e i c h n u n g i d F v. 6. April 1944, R G B l . I 98. I m übrigen vgl. oben Anm. 27—ag.

VIII. Die Verpflichtungen des Verkäufers Anm. 160 A. Beim Kauf von Sachen Beim K a u f von Sachen ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Beide Leistungspflichten stehen selbständig nebeneinander. Erst wenn beide Leistungen erfüllt sind, liegt vollständige Erfüllung des Kaufvertrags vor; solange nur die eine Leistung erbracht ist, ist lediglich Teilerfüllung gegeben; Nichterfüllung und Verzug können auch nur mit einer dieser beiden Pflichten eintreten (RG 85, 3 2 2 ; 95, 106; 95, 322). Denn es liegt keine einheitliche Verpflichtung mit doppeltem Inhalt, sondern ein Nebeneinander zweier getrennter Pflichten vor, R G 95, 105. Wird eine Sache unter Eigentumsvorbehalt übergeben, so tritt die vollständige Erfüllung des Kaufvertrags erst mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises ein ( R G 64, 209; 64, 3 3 4 ; 66, 344; 95, 107). Voraussetzung der beiden Leistungspflichten ist ein vollwirksamer Vertrag (RG 98, 246). Der Verkäufer übernimmt mit der Verpflichtung zur Leistung auch die Haftung für seine Leistungsfähigkeit; er hat für sie einzustehen und kann sich deshalb auf das subjektive Unvermögen zur Leistung nicht berufen, R G 69, 355, 3 5 7 ; B G H 1 1 , 16, 22; B G H L M Nr. 7 zu Art. 39 R E G (BrZ); B G H L M Nr. 1 zu Art. 21 R E G (AmZ) unter I I , 1. Zur Begründung dieser Schadensersatzpflicht bedarf es nicht der entsprechenden Anwendung des § 325, der eine gesetzliche Regelung für nachträgliche Unmöglichkeit oder nachträgliches Unvermögen vorsieht, B G H 1 1 , 16, 22. Denn der Verkäufer übernimmt durch den Vertragsabschluß die Haftung für seine Leistungsfähigkeit (vgl. § 440 Anm. 8; § 437 Anm. 3). Dagegen haftet der Verkäufer einer fremden individuell bestimmten Sache für ihre Beschaffung nicht ohne weiteres wie ein Garant; hierzu gehört eine besondere, ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung ( R G 12. M a i 1922 I I 695/21).

Anm. 161 1. Übergabepflicht Die Verpflichtung zur Übergabe ist klagbar und geht dahin, dem Käufer den unmittelbaren, körperlichen Besitz an der Sache mit Zubehör zu verschaffen (§ 854). Sie besteht auch bei einem K a u f unter Eigentumsvorbehalt, R G H R R 1932, 103. Die Ubergabe ist ein Akt des tatsächlichen Angebots der Leistung nach § 294, muß also zum Zweck der Vertragserfüllung erfolgen.

Anm. 162 a ) Wird die körperliche Ubergabe durch einen B e s i t z v e r t r a g e r s e t z t , der nur m i t t e l b a r e n Besitz schafft (§ 930), constitutum possessorium ( L Z 1 9 1 7 , 1279), so liegt darin ein Erlaß auf unmittelbare Besitzverschaffung, der vom freien Willen des Käufers abhängt.

Anm. 163 b ) Das gleiche gilt für die A b t r e t u n g des H e r a u s g a b e a n s p r u c h s (§§ 870,931), R G 103, 152. Ist der Herausgabeanspruch mit Rechtsbeschränkungen für den Erwerber verbunden, so genügt die Abtretung nicht (RG J W 1927, 1087 6 ). Ist dem Käufer die Verpflichtung auferlegt, die Sache bis zur Vollbezahlung des Kaufpreises nicht von einer bestimmten Stelle fortzuschaffen, so ist die Verpflichtung des Verkäufers aus § 433 bis zum Wegfall dieser Unterlassungspflicht noch nicht erfüllt. Ebensowenig wenn sich der Verkäufer bis zur Zahlung des Kaufpreises das Eigentum vorbehalten hat ( R G L Z 1927 Sp. 1 2 1 3 ) . Ist der Abtretungsanspruch aber selbst Gegenstand des Kaufs, so ist der Vertrag mit der vollzogenen Abtretung erfüllt.

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 164—169 A n m . 164 c) Die U b e r g a b e e i n e s D i s p o s i t i o n s p a p i e r s (Konossement der Seeschiffer, § 647 H G B ; Ladeschein der Frachtführer, § 450 H G B ; indossierte Ladescheine der staatlich zur Ausstellung solcher Urkunden ermächtigten Anstalten, § 424 HGB) hat für den Erwerb von Rechten an dem Gut dieselben Wirkungen wie die Übergabe des Gutes selbst ( R G 52, 354; 98, 166; J W 0 4 , 215 33 ); dagegen hat der Eigentumserwerb am Papier nicht stets den Eigentumserwerb an der Ware zur Folge, B G H Betrieb 1958, 833. Da die Pflicht des Verkäufers aus §433 auf die Verschaffung des körperlichen Besitzes der Sache selbst gerichtet ist, kommt es darauf an, ob ein K a u f gegen Dispositionspapiere abgeschlossen ist oder nicht. Letzterenfalls braucht sich der Käufer mit dem Anbieten eines Dispositionspapiers nicht zu begnügen und kann körperliche Ubergabe der Sache selbst verlangen R G J W 01, 654 14 ); ersterenfalls dagegen enthält die Ubergabe des Dispositionspapiers vertraglich die Übergabe der Kaufsache und dann knüpfen sich an die Ubergabe des Papiers auch alle gesetzlichen Folgen der Ubergabe der Sache selbst, z. B. Gefahrübergang ( R G 52, 354). Die Ubergabe des Traditionspapiers ersetzt die Besitzübertragung nur da, wo sie mittelbaren Besitz übertragen kann, also nicht bei abhandengekommenem Gut, Repräsentationstheorie, R G 89, 41.

A n m . 165 d) Das F r a c h t b r i e f d u p l i k a t ist kein Traditionspapier; unter Umständen kann seine Ubergabe aber eine Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 beinhalten, R G 102, 97.

A n m . 166 e) Beim V e r s e n d u n g s k a u f wird die Besitzverschaffungspflicht durch §447 begrenzt ( R G 49, 76; 59, 23). Versendet der Verkäufer dagegen ohne Verlangen des Käufers, so ist körperliche Übergabe der Sache oder des Frachtbriefs zur Vertragserfüllung erforderlich, R G H R R 1932, 102. Die Pflicht zur Ubergabe wird auch dadurch erfüllt, daß der Verkäufer die Ware auf Anweisung des Käufers einem Dritten, etwa dem Abkäufer des Erstkäufers, übergibt ( R G 74,354; Gruchot 60,992); dem steht auch die Ubergabe an den Vertreter des Käufers gleich. Bei Übergabe an den Spediteur ist zu prüfen, ob dieser Vertreter des Verkäufers oder des Käufers sein soll.

A n m . 167 f) Die körperliche und u n m i t t e l b a r e B e s i t z ü b e r t r a g u n g ist ein z w e i s e i t i g e r A k t ; der Ubergabe entspricht die Annahme durch den Käufer. Beide Tätigkeiten bilden ein zusammengehöriges Ganzes derart, daß der eine Akt ohne den andern nicht möglich ist. Zu diesem Zusammenwirken ist der Verkäufer seiner Besitzübertragungspflicht entsprechend verpflichtet.

A n m . 168 g ) Verschieden von der Ubergabe ist die A b l i e f e r u n g . Diese ist nicht Teil eines Gesamtaktes, nicht Teil eines Zusammenwirkens von Verkäufer und Käufer, sondern ein selbständiger und einseitiger Akt des Verkäufers, durch den er den Käufer in die Lage setzt, nunmehr seinerseits durch einen selbständigen und einseitigen Akt über die Ware zu verfügen und ihre Beschaffenheit zu untersuchen (§ 377 H G B ; R G 73, 379; 91, 2go; 108, 27/28). Die Ablieferung ist ein rein tatsächlicher Vorgang, der sich durch irgendwelche Verabredungen nicht ersetzen läßt, er hat nicht notwendig den Besitzerwerb im Sinne des Rechtes zur Voraussetzung ( O L G 10,411; Gruchot 43,760). Auch bei Versendungskäufen erfolgt die Ablieferung regelmäßig erst am Bestimmungsort, wo der Käufer die Sache abnimmt (WarnRspr. 1911 Nr. 230), der vom Erfüllungsort der Vertragsleistung verschieden sein kann, R G Holdheim Mschr. 11, 170. Der Verkäufer darf aber die Ware nicht einseitig mit Nachnahme belasten.

A n m . 169 h) V o n der Ubergabe und der Ablieferung ist die A n k u n f t der Ware zu unterscheiden; hierunter ist lediglich das Eintreffen am Bestimmungsort zu verstehen („Zah-

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Kauf. Tausch

§433 A n m . 170—172

lung des Kaufpreises bei Ankunft der Ware", J W 0 4 , 46 16 ). „Glückliche Ankunft vorbehalten", RG 98, 141. A n m . 170 i) Zur Ubergabe eines Grundstücks gehört auch seine Räumung und die Besitzaufgabe. A n m . 171 k ) Beim V e r k a u f v o n H o l z a u f d e m S t a m m oder von Bäumen eines Grundstücks kann eine Übergabe erst nach Trennung der Bäume vom Grundstück stattfinden, die, wenn nichts anderes vereinbart, dem Verkäufer obliegt (vgl. § 956 Abs. 1). Ist dem Käufer die Aneignung gestattet und das Waldstück übergeben, so erwirbt er das Eigentum an den Bäumen mit dem Fällen, also mit der Trennung. An geschlagenem Holz das noch im Walde liegt, geht das Eigentum nicht schon mit der bloßen Uberweisung des Holzes, wohl aber mit der Erteilung und Entgegennahme der Abfuhrerlaubnis über, falls damit der Übereignungswille verbunden ist, B G H L M Nr. 1 zu § 854 BGB. Das Anschlagen von Stämmen mit dem Zeichen des Käufers bedeutet keinen Ubergang des unmittelbaren Besitzes, sondern bloß die Übernahme der gekauften Ware, O L G München M D R 1955, 414. A n m . 172 1) Der Verkäufer hat die Kaufsache frei von Fehlern zu übergeben (RG 53, 70; 66, 76) und nicht bloß im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache nach § 459 zu haften. Das kann allerdings weder aus § 433 noch aus § 480 hergeleitet werden. § 433 bestimmt nur, daß der Verkäufer zur Ubergabe der Kaufsache und zur Eigentumsverschaffung verpflichtet ist, sagt aber nichts darüber aus, von welcher Beschaffenheit die zu liefernde Kaufsache sein muß. § 480 gibt dem Käufer einer Gattungssache bei Lieferung einer mangelhaften Sache den Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache; wenn sich auch das Gattungsschuldverhältnis spätestens mit der Lieferung der mangelhaften Sache auf diese als den Erfüllungsgegenstand konkretisiert und damit in einen Spezieskauf umgewandelt hat, so ist doch aus § 480 keine Schlußfolgerung für den Spezieskauf möglich, weil hier der Kauf von vornherein auf eine ganz bestimmte Sache gerichtet und deshalb ein Nachlieferungsanspruch begrifflich ausgeschlossen ist. Aber § 459 ergibt, daß der Käufer einen Anspruch auf mangelfreie Leistung hat (vgl. im einzelnen § 459 Anm. 3). Denn die Kaufsache ist mangelhaft, wenn sie im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern, oder wenn ihr eine vertraglich zugesicherte Eigenschaft fehlt. Der Kaufvertrag ist auf die Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand gerichtet, denn es entspricht der Parteiabsicht und dem Geschäftszweck, daß die Kaufsache mangelfrei und zu dem vertraglichen Zweck brauchbar ist. Auch aus § 294 folgt, daß die Kaufsache so, wie sie nach dem Vertrag zu bewirken ist, also mangelfrei, angeboten werden muß. Die F r e i h e i t v o n M ä n g e l n ist daher I n h a l t d e r V e r k ä u f e r p f l i c h t e n ; andernfalls wäre eine Anfechtung nach § 1 ig Abs. 2 nicht denkbar und der Ausschluß der Haftung im Falle des § 460 nicht begründet. Die Ubergabe einer mangelhaften Sache enthält daher immer zugleich eine mangelhafte Vertragserfüllung (RG 53, 70; 66, 76; SeuffArch. 59 Nr. 197), die zur Zurückweisung und Verweigerung der Annahme berechtigt, daher den Verkäufer nach § 323 haftbar macht und zur Anwendung des § 326 führen kann (RG 52, 2; 52, 355; 53, 92; 86, 92). Die Ablehnung der Annahme wegen Geringfügigkeit der Mängel kann jedoch gegen Treu und Glauben verstoßen (RG 53, 73j J W 05, 42Ö3). Ist eine bestimmte Sache verkauft, die mit einem nicht behebbaren Mangel behaftet ist, so ist der Vertrag auf eine unmögliche Leistung gerichtet und daher nach § 306 nichtig. Entsteht der unheilbare Mangel nach Kaufabschluß, so ist die Leistung insoweit nachträglich unmöglich geworden; das Schuldverhältnis regelt sich dann nach den Grundsätzen über die nachträgliche Teilunmöglichkeit (vgl. dazu RG 140, 383 m. Nachw.; C o i n g SJZ 1949* 5 3 2 H a t der Verkäufer die Ubergabe

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 173 einer mangelhaften Sache verschuldet, hat der Käufer Anspruch auf Schadensersatz (§276). Die Verpflichtung zur fehlerfreien Leistung bedeutet aber nicht die V e r p f l i c h t u n g , eine mangelfreie Sache herzustellen und einen der Sache anhaftenden Mangel zu bes e i t i g e n . Eine derartige Verpflichtung ist in der Übergabeverpflichtung nicht inbegriffen. Aber Treu und Glauben können es erfordern, die anhaftenden Mängel zu beseitigen, R G 61, 92; 87, 335; SeuffArch. 84, 176; L Z 1912 Sp. 147 10 .

Anm. 173 2. Eigentumverschaffungspflicht Die Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums geht weiter als das bloße Haften für habere licere. Sie geht auch nicht auf bloße Gewährleistung, sondern ist eine Leis t u n g s p f l i c h t und besteht darin, mit äußerster Sorgfalt alles zum Eigentumserwerb Erforderliche zu tun, R G H R R 1933, 1 1 7 7 . Der Verkäufer hat demgemäß die zur Verschaffung des Eigentums erforderlichen Erklärungen und Handlungen formgültig vorzunehmen (§§ 929, 931, 873, 925) und die zum Eigentumserwerb des Käufers notwendigen Voraussetzungen herbeizuführen (vgl. z.B. §§ 40, 41 GBO). Er ist verpflichtet, dem Käufer die Umschreibungsbewilligung zwecks Eintragung in die Patentrolle auszuhändigen, R G 126, 280. Er hat alle Hindernisse zu beseitigen, die dem Eigentumserwerb des Käufers im Wege stehen. Das folgt aus §§ 434, 435, wonach das Eigentum frei von Rechten Dritter und nicht bestehenden Belastungen zu verschaffen ist, und zwar zur Zeit des Eigentumsübergangs (RG 83, 2 1 4 ; m , 89). Bei Grundstücken hat der Verkäufer nicht nur Bucheigentum, sondern vollwirksames Eigentum zu verschaffen, R G 132, 148. Das geschieht nicht, wenn der Eigentumserwerb wegen eines Veräußerungsverbots unwirksam ist, R G 113, 405; J W 1931, 2467®. Der Verkäufer hat allerdings auf die Bewirkung der Eintragung, durch die der Käufer erst das Eigentum erlangt, als eine behördliche Tätigkeit keinen unmittelbaren Einfluß. Er hat aber die Pflicht, alles zu tun, um die Umschreibung herbeizuführen, z. B. die Grundsteuer zu zahlen, R G 118, 101; J W 1931, 2628. An die einmal vorgenommene Auflassung ist er unwiderruflich gebunden, R G m , 1 0 1 ; J W 1923, 761 3 ; 1926, 987®. Nur nach § 8 1 2 kann ein Rückforderungsrecht bestehen, R G 1 1 7 , 200; 120, 1 1 8 ; J W 1923, 306 3 ; 1923 1634. Das Recht des Käufers aus § 433 wird dagegen nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Verkäufer beim Kauf von Holz auf dem Stamm die Gestattung aus § 956 widerruft (RG 22. Mai 1922 V I 817/21). Daß die Sache zur Zeit des Vertragsschlusses in f r e m d e m E i g e n t u m stand, macht die E r f ü l l u n g noch nicht u n m ö g l i c h . Dies geschieht erst, wenn es für den Verkäufer objektiv ausgeschlossen ist, sich den Kaufgegenstand zwecks Übereignung zu verschaffen oder den Eigentümer unmittelbar zur Ubereignung an den Käufer zu veranlassen (RG 68, 293; 73, 210; 86, 2 1 3 ; WarnRspr. 1918 Nr. 158). Ebenso ist die Eigentumsverschaffung unmöglich, wenn die Sache als Kriegsbedarf beschlagnahmt oder ihre Übereignung sonst rechtlich unmöglich ist (RG 61, 76; 59, 361), weil sie rechtsunwirksam sein würde (§134; R G 9. Januar 1920 I I 223/19). Die Versagung der Einfuhrgenehmigung hindert nicht den Eigentumsübergang, weil sie keinen Eingriff in dingliche Rechte darstellt, O L G Hamburg H R R 1935, 1300. Die Übereignung darf auch nicht unsittlich sein (RG 62, 137). Bei einer Pfandversteigerung darf der Eigentümer der Pfandsache mitbieten (§ 1239). Der Nichteigentümer kann die Verpflichtung, Eigentum zu verschaffen, auch durch eine eigene Ubereignungserklärung erfüllen, wenn ihm der gute Glaube des Erwerbers zu Hilfe kommt oder wenn er kraft Vertretungsmacht im Namen des Eigentümers handelt (§ 164) oder die Erklärung mit Einwilligung des Eigentümers abgibt oder dieser sie nachträglich genehmigt (§ 185; ZB1FG 15, 35). Die Verpflichtung „aufzulassen" kann auch Inhalt einer Verurteilung sein. Damit ist der Verpflichtung aber nur dann genügt, wenn die durch die Rechtskraft des Urteils als abgegeben geltende Willenserklärung des Verurteilten (vgl. § 894 ZPO) zur Eigentumsverschaffung ausreicht. Andernfalls bedarf es einer weiteren Vollstreckung nach ZPO §§ 887, 888 (ZB1FG 14, 54). Im Handelsverkehr werden vielfach Auslieferungs- und Traditionspapiere verwendet. „Zahlung gegen Lieferschein" enthält die Anweisung an den Verkäufer, die Ware gegen 62

Kauf. Tausch

§433 A n m . 174—176

Rückgabe des Lieferscheins auszuhändigen, K r ö n i g J W 1923, 229. Ist der Käufer verpflichtet, gegen Konnossement und Versicherungspapiere zu zahlen, so hat der Verkäufer erfüllt, wenn er die Ware zur Abladung gebracht hat, R G 98, 164; 3 1 , 107. Wissen die Vertragschließenden, daß die Kaufsache eine fremde ist, so übernimmt der Verkäufer im Zweifel eine Garantie dahin, das Eigentum zu verschaffen ( R G 22, 284). Bei zweimaligem Verkauf derselben Sache ist der durch Übergabe Besitzer gewordene spätere Käufer, der durch planmäßiges Zusammenwirken mit dem Verkäufer das Recht der ersten Käufers vereitelt, nach § 826 schadensersatzpflichtig; gemäß § 249 geht der Schadensersatzanspruch auf Herausgabe der Kaufsache, falls sie der Erstkäufer ohne das Schadensereignis unmittelbar vom Verkäufer erlangt hätte ( R G 108, 58 gegen 103, 419). Eine verkaufte und übergebene, aber noch nicht übereignete Sache muß im Falle der Erfüllungsablehnung aus K O § 17 dem anderen Teil herausgegeben werden; seinem Anspruch aus § 985 kann nicht aus § 433 ein Recht zum Besitz entgegengehalten werden, denn dieses Recht besteht infolge der Erfüllungsverweigerung nicht mehr, R G 90, 2 1 8 ; 140, 156; J W 1936, 655. A n m . 174 a ) U b e r e i g n u n g s w i l l e . Der auf Übertragung oder Erwerb des Eigentums gerichtete Wille braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden; er kann auch durch schlüssige Handlungen kundgegeben werden, R G 108, 27. Hat der Verkäufer das seine getan, was ihm zur Eigentumsverschaffung oblag, ist aber trotzdem das Eigentum nicht übergangen, etwa weil das Grundbuchamt die Eintragung noch nicht vorgenommen hat, so hat gleichwohl der Verkäufer seiner Leistungspflicht nach § 433 genügt, R G 1 1 8 , 103; R G Recht 1907 Nr. 3785. Denn der Verkäufer ist außerstande, diese behördliche Tätigkeit zu besorgen, sie kann daher schon begrifflich nicht Gegenstand seiner Verpflichtung sein. Dagegen kommt dem Verkäufer auch zugute, wenn der Käufer das Eigentum nur vermöge seines guten Glaubens erworben hat (§ 932). Die Erlangung des Eigentums durch Ausübung eines Hoheitsrechts (Beschlagnahme) hat jedoch nicht dieselbe Wirkung, weil es hier an er Ubergabe als privatrechtlichem Akt fehlt ( R G 1 . 7 . 1 9 I I 176/19). Ist der Eigentumsübergang betagt oder bedingt, wie beim Eigentumsvorbehalt, ist der K a u f vertrag noch nicht vollständig erfüllt, R G 8 3 , 2 1 4 ; 64,206. Der vom Verkäufer beauftragte Spediteur oder Frachtführer ist nicht Vertreter des Käufers, es sei denn, daß der Verkäufer im Auftrag oder Einverständnis des Käufers gehandelt hat; nur im letzteren Falle steht die Ubergabe der Ware an den Spediteur der Ubergabe an den Käufer gleich ( R G 84, 320; 102, 39). Ubergibt der Verkäufer die vorbehaltlos verkaufte Ware an eine Transportperson, so geschieht das in der Regel mit dem Willen, das Eigentum auf den Käufer zu übertragen. In der Annahme druch den Käufer kommt jedoch zunächst nur sein Wille zum Ausdruck, die Ware in Gewahrsam zu nehmen und seiner Übernahmepflicht zu genügen, um festzustellen, ob die Ware vertragsmäßig, empfangbar ist. Eigentum geht auf ihn aber erst dann über, wenn er zugleich zu erkennen gibt, daß er die Ware als sein Eigentum behalten will; das kann auch durch schlüssiges Verhalten geschehen ( R G 108, 27). Gibt der Käufer die nach § 377 H G B gebotene Mängelrüge ab, so liegt darin nicht ohne weiteres die Zustimmung zum Eigentumserwerb ( R G 108, 26). A n m . 175 b) U b e r e i g n u n g d u r c h E r f ü l l u n g s g e h i l f e n . Der Verkäufer kann seine Eigentumsübertragungsverpflichtung auch durch einen E r f ü l l u n g s g e h i l f e n erfüllen. Daß der Lieferant des Verkäufers grundsätzlich nicht als Erfüllungsgehilfe angesehen werden könne, läßt sich nicht sagen. Ausschlaggebend ist allein, wie er dem Berechtigten gegenübertritt. Es genügt, daß er bei der Vertragserfüllung als Hilfsperson des Verkäufers mitwirkt. Anders in der Regel nur, wenn die Ware zunächst dem Verkäufer geliefert wird ( R G 1 0 1 , 1 5 2 ; R G 12. Mai 1908 I I 548/07). Wenn aber der Lieferant dem Käufer die Ware unmittelbar liefert, sind die Voraussetzungen für § 278 gegeben ( R G 108, 223). A n m . 176 c) E i g e n t u m s v o r b e h a l t in F a k t u r e n v e r m e r k e n . Ein Eigentumsvorbehalt, der in einer erst nach Ubersendung der Ware zugesandten Rechnung gemacht wird,

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 177—179 ist wirkungslos, wenn der Käufer die in der Übersendung ohne Eigentumsvorbehalt verkaufter Ware liegende Ubereignungsofferte bereits angenommen hat. Trifft dagegen eine mit dem Vermerk des Eigentumsvorbehalts ausgestattete Rechnung vor oder mit der vorbehaltlos verkauften Ware ein, so geht das Eigentum nicht über, weil dann in der Zusendung der Ware keine Ubereignungsofferte gefunden werden kann, K G J W 1929, 2 1 6 4 ; O L G München J W 1932, 1668 m . A n m . ; O L G Düsseldorf J W 1 9 3 1 , 2580; R ü h l J W 1930, 3493; O e r t m a n n J W 1930, 1 4 2 1 . V o n den zahlreichen Gegnern dieser Ansicht wird insbesondere geltend gemacht, die Rechnung sei nicht zu Erklärungen zur Eigentumsfrage bestimmt, sondern nur dazu, die übersandte Ware zu bezeichnen und Preis und Verpackungsangaben aufzunehmen. Diese Auffassung gibt dem nicht genug Gewicht, daß in der Übersendung verkaufter Ware schlüssig eine Übereignungsofferte liegt, R G 108, 27, und daß der Eigentumsvorbehalt auf einer Rechnung, die dem Käufer vor oder gleichzeitig mit der Ware zugeht, nur die Bedeutung hat, der Ubersendung der Ware den Inhalt eines schlüssigen Ubereignungsangebots zu nehmen (vgl. auch oben Anm. 56). Der Empfänger solcher Rechnungen braucht nicht durch die Annahme vollzogener Übereignung geschützt zu werden, denn er kann den Eigentumsvorbehalt zurückweisen, vorbehaltlose Ubereignung verlangen und die Rechte der Nichterfüllung geltend machen, da der Verkäufer noch nicht erfüllt hat. Bestritten ist, ob der Verkäufer beim Eigentumsvorbehalt mit Verfügungsermächtigung den Kaufvertrag bereits voll erfüllt hat, wenn er dem K ä u f e r die Ermächtigung zur Weiterveräußerung der Ware erteilt hat (dafür M e r k e l J W 1 9 3 1 , 2088; 1932, 1 5 8 ; dagegen D a n i e l c i k J W 1932, 157.

Anm. 177 d) N a c h w i r k e n d e P f l i c h t e n . Mit der Vornahme des dinglichen Erfüllungsgeschäfts hören die Pflichten des Verkäufers keineswegs auf; es gibt noch über die Erfüllung hinausreichende ( n a c h w i r k e n d e ) Pflichten. So hat es der Zedent einer verkauften Forderung wegen § 407 zu unterlassen, die abgetretene Forderung einzuziehen. Der Verkäufer darf den K ä u f e r nicht im Besitz oder Eigentum des gekauften Gegenstandes stören, R G m , 3 0 3 ; H R R 1933, 1 1 7 7 . Auch der Verkäufer, der seine Eigentumsverschaffungspflicht mittels Konossements erfüllt hat, darf keine Maßnahmen ergreifen, die die Ausantwortung der Ware an den K ä u f e r hindern; abzulehnen R G J W 1 9 3 1 , 2904 (vgl. auch Bern. 3 b vor § 4 3 3 ; O e r t m a n n J W 1926, 982).

Anm. 178 3. Nebenpflichten des Verkäufers Aus den Verpflichtungen unter 1 und 2 ergeben sich für den Verkäufer auf Grund des abgeschlossenen Kaufvertrags o h n e b e s o n d e r e V e r e i n b a r u n g eine Reihe von Nebenpflichten, von denen nur einige ausdrücklich im Gesetz geregelt sind.

Anm. 179 Hierher gehören a ) die A u s k u n f t s p f l i c h t über die den Gegenstand betreffenden rechtlichen Verhältnisse und die P f l i c h t z u r H e r a u s g a b e der den Gegenstand betreffenden Urkunden (§444 BGB). Z u diesen gehören nicht nur die Beweisurkunden, sondern auch die Dispositionsurkunden. Auch die Verpflichtung zur Erteilung eines Nummernverzeichnisses der verkauften K u x e gehört hierher, R G 121, 48. Dagegen ist der Verkäufer einer individuell bestimmten Ware grundsätzlich nicht verpflichtet, die Ware auf ihre Tauglichkeit für den ihm bekannten Verwendungszweck des Käufers näher zu prüfen, auch wenn er Sachverständiger ist. Vielmehr ist diese Prüfung Sache des Käufers ( J W 1 9 1 0 , 749). Es kann sich aber aus der Verkehrssitte und aus besonderen Umständen des Falles eine solche Prüfungspflicht ergeben, R G 125, 78. Die Verletzung dieser Pflicht berechtigt den K ä u f e r aber nur dann, Schadensersatz zu verlangen, wenn der K ä u f e r einer Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 B G B nachgekommen oder die Untersuchung nach dem ordnungsmäßigen Geschäftsgang untunlich ist, R G 125, 78/79

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Kauf. Tausch

§433 Anm. 180—185

m. w. Nachw. Der Verkäufer von Schrott hat zu prüfen, ob sich darunter etwa Sprengkörper befinden; entsteht dem Käufer durch einen mitgelieferten Sprengkörper ein mittelbarer Schaden, so ist sein Schadensersatzanspruch nicht davon abhängig, daß er die Ware gehörig untersucht hat, denn für den mittelbaren Schaden gilt § 377 H G B nicht ( B G H BB 1953, 992). Erfordert die Prüfung einer Maschine durch den Käufer deren Vorführung, so trifft den Verkäufer auch diese Pflicht. Der Verkäufer hat nicht die Pflicht, etwaige Mängel auszubessern. Eine solche Pflicht läßt sich auch nicht daraus ableiten, daß der Verkäufer mangelfreie Ware zu liefern hat; denn die Verpflichtung zu liefern ist von der Verpflichtung herzustellen verschieden. Davon ist zu unterscheiden, ob der Verkäufer das Recht zu freiwilliger Nachbesserung hat, was für die Zeit zwischen Abschluß des Vertrags und Ubergabe der Kaufsache und dann zu bejahen ist, wenn die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen seitens des Käufers nur den Zweck haben kann, dem Verkäufer Schaden zuzufügen oder wenn aus dem Inhalt des Vertrages die Verpflichtung des Käufers zu folgern ist, die ausgebesserte Sache als Erfüllung gelten zu lassen ( B G H 23. Juni 1955 II Z R 184/54).

Anm. 180 b ) Die V e r w a h r u n g s p f l i c h t der noch nicht übergebenen Kaufsache (Recht 1914 Nr. 601), wozu bei Tieren auch ihre Fütterung und Wartung gehört. Zuweilen wird auch ein besonderer Verwahrungsvertrag abgeschlossen und dann ist besondere Vergütung hierfür zu zahlen, z. B. wenn Bank ein Nummerverzeichnis der gekauften Stücke übersendet. Bei Gattungsschulden besteht keine Verwahrungspflicht ( R G 27. Februar 1923 I I I 259/22).

Anm. 181 c ) Die E r h a l t u n g s p f l i c h t . Aus der Verpflichtung, die Sache so zu übergeben, wie sie zur Zeit des Kaufabschlusses war, und der Gefahrtragung bis zur Ubergabe, ergibt sich ohne weiteres die Pflicht, sie so zu behandeln, daß sie erhalten und nicht beschädigt wird ( R G 25. März 1904 III 371/03). Diese Pflicht hat mit der Gewährleistungspflicht nichts gemein (RG 52, 18). Ein Anwendungsfall dieser allgemeinen Verpflichtung wird in § 450 behandelt. Diese Verpflichtung wird eingeschränkt in § 300. Sie kann sich im Einzelfall zur Verpflichtung steigern, die Sache zu versichern ( R G 50, 169). Beim Verkauf von Wertpapieren, die vor der Ubergabe bei irgendeiner Stelle anzumelden sind oder gar einem befristeten Umtausch unterliegen, trifft den Verkäufer auch die Pflicht, diese Maßnahmen zu ergreifen ( S c h u t z - o d e r F ü r s o r g e p f l i c h t , vgl. R G 101, 49; WarnRspr. i g i o Nr. 247; O L G Hamburg D R 1940, 1629'; B G H 21. April 1955 II Z R 66/53; Bern. 3a vor §433).

Anm. 182 d) Die L ö s c h u n g s p f l i c h t hinsichtlich nicht bestehender, aber noch im Grundbuch eingetragener Rechte (§ 435).

Anm. 183 e) Die Pflicht, d a f ü r z u s o r g e n , daß R e c h t e a n d e r e r an der Kaufsache gegen den Käufer nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich nicht geltend gemacht werden können (§434).

Anm. 184 f ) Die A u s s c h e i d u n g s - u n d K o n z e n t r i e r u n g s p f l i c h t (§ 243)-

b e i m Gattungskauf

Anm. 185 g ) Das A b m e s s e n , A b w ä g e n und Bereitstellen der gehörig geordneten Ware als Vorbereitung der Ubergabe (§448; WarnRspr. 1912 Nr. 200). Der Käufer kann auch Vorwiegen der Ware verlangen ( O L G 20, 167), ebenso Herbeiholen zur Spezifikation, Gestattung der Untersuchung zwecks Entscheidung über die Annahme der Ware als Erfüllung (Recht 07 Nr. 1628; 1910 Nr. 1234). 5

Komm. 2. BGB, II. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 433 A n m . 186—192

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 186 h) Der Verkäufer hat dem Käufer die g e f a h r l o s e W e g n a h m e der K a u f s a c h e zu ermöglichen (RG 73, 148). Bei Verletzung dieser Pflicht haftet der Verkäufer aus § 276. A n m . 187 i) Die P f l i c h t e i n w a n d f r e i e r E r f ü l l u n g . Eine schuldhaft mangelhafte Lieferung verpflichtet zum Schadensersatz, §276 (RG 53, 203; 56, 169; 93, 161; 117, 316; 129, 282). Dieser Schadensersatzanspruch unterliegt der kurzen Verjährungsfrist des §477; anders der Schadensersatzanspruch, der auf mangelhafte Ausführung vom Verkäufer vorgenommener Nachbesserungsarbeiten gestützt wird, R G 144, 162. A n m . 188 4. Pflichten aus Nebenabreden Nach der besonderen Gestaltung des Falles und der im Verkehr üblich gewordenen Gewohnheit gelten im Zweifel folgende Nebenpflichten als s t i l l s c h w e i g e n d vereinbart. Diese Pflichten sind keine Nebenverpflichtungen aus dem Kaufvertrag, sondern aus einem verkehrsüblich mit ihm zusammen stillschweigend abgeschlossenen Nebenvertrag. Sie bestehen erst recht bei ausdrücklicher Vereinbarung. A n m . 189 a ) Die V e r s e n d u n g s p f l i c h t b e i m D i s t a n z k a u f (BGB §447) und die Uberb r i n g u n g s p f l i c h t beim O r t s k a u f (RG 34, 66; Recht 1911 Nr. 3086). In der Regel handelt der Verkäufer dabei auf Kosten des Käufers (RG LZ 1921 Sp. 628). Die Schuld wird nicht zur Bringschuld, und der Verkäufer übernimmt auch nicht die Gefahr der Übermittlung (RG 34, 66). Nach der Verkehrssitte ist das häufig anders, wenn der Verkäufer durch seine eigenen Angestellten die Uberbringung freiwillig übernimmt. Dann wird vereinbarungsgemäß diese Uberbringung auf seine Gefahr erfolgen, weil er allein die

Auswahl unter den Angestellten trifft und ihre Zuverlässigkeit zu beurteilen vermag. Der versendende Verkäufer muß etwaige Ersatzansprüche rechtzeitig dem Spediteur gegenüber geltend machen (RG LZ 1921 Sp. 762). Die Absendung der Ware kann der Verkäufer nach Handelsbrauch nicht von vorheriger Bezahlung des Kaufpreises abhängig machen, weil der Käufer noch nicht in der Lage ist, die Ware zu untersuchen und über sie zu verfügen. Grundsätzlich kann er auch keine vorherige Sicherstellung fordern, R G JW 1925, 60610. Dies nur, wenn Umstände eingetreten sind, die die spätere Bezahlung als gefährdet erscheinen lassen. A n m . 190 b) In Zusammenhang hiermit steht die Pflicht zur V e r p a c k u n g (§ 448) und ordnungsmäßigen V e r l a d u n g (JW 1922, 2876). Durch Witterungseinfluß verderbliche Ware ist ordnungsmäßig verwahrt, bedeckt zur Beförderung zu bringen; greift der Verkäufer im eigenen Interesse in den Beförderungsverlauf ein, indem er z. B. die Bedeckung entfernen läßt, so hat er für anderweitige Bedeckung zu sorgen, R G 115, 162. A n m . 191 c ) Bei Lieferungsverträgen, bei denen der Verkäufer erkennbar macht, daß deren Aushaltung von der Durchführbarkeit eines vorausgehenden Deckungskaufs abhängt, übernimmt der Verkäufer stillschweigend seinem Vertragsgegner gegenüber die G a r a n t i e , daß die Lieferungsverpflichtungen seines Vormanns ihm gegenüber mindestens die g l e i c h e S i c h e r h e i t für die Lieferung bieten, wie er selbst sie seinem Abkäufer im Lieferungsvertrage gewährleistet (RG 2. 1. 20 II 271/19). A n m . 192 d) Grundsätzlich hat der lieferungspllichtige Verkäufer die der Warenlieferung entgegenstehenden Hindernisse zu beseitigen, während der Käufer, soweit nötig, auf Verlangen mitwirken muß (RG 98, 260). Es gibt aber Ausnahmen in besonderen Fällen (RG 97, 257; WarnRspr. 1916 Nr. 155; 1918 Nr. 216).

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Kauf. Tausch

§433

A n m . 193—198 A n m . 193 e) Den Verkäufer trifft eine U n t e r w e i s u n g s p f l i c h t da, wo beim Käufer nicht die erforderliche Sachkenntnis beim Gebrauch, bei der Bedienung oder Handhabung des Kaufgegenstandes erwartet werden kann. Das wird vor allem beim Verkauf komplizierter Maschinen oder Geräte und beim Verkauf von Patenten, Pflanzen oder leichtverderblicher Ware praktisch (RG LZ 1930, 1447). A n m . 194 f ) Wird beim Verkauf eines Unternehmens eine Wettbewerbsklausel vereinbart, so ist der Kaufvertrag erst dann vollständig erfüllt, wenn ein Wettbewerb nicht mehr in Frage kommt, R G 133, 115/16. Ein solcher Vertrag unterliegt nicht dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (vgl. oben Anm. 26; B G H 5, 126). A n m . 195 g) Es können auch bestimmte Zurichtungen der Ware noch vom Verkäufer übernommen werden, z. B. kostenloses Dekatieren des verkauften Stoffes oder die Herstellung der Betriebsfähigkeit einer Maschine (RG J W 1901, 1062'). A n m . 196 5. Pflichten b e i A b s c h l u ß des Vertrages Den Verkäufer treffen schon beim Abschluß des Vertrages Pflichten. a) Bereits im Stadium der Vertragsverhandlungen bestehen wechselseitige Pflichten, deren Verletzung den Pflichtigen nach den §§ 276, 278 haftbar macht. Der Verkäufer hat daher dem Käufer gefahrlose Kaufverhandlungen zu ermöglichen, RG 78, 239. Bei Verletzung dieser Pflicht ist die volle Schadloshaltung zu gewähren, der Schadensersatzanspruch wird nicht durch das Erfüllungsinteresse begrenzt, denn als der wiederherzustellende Zustand kommt eine Lage, wie sie bei Erfüllung bestände, nicht in Frage, R G 151, 359. Zu Unrecht lehnt R G 74, 125 die Anwendung des § 278 zugunsten eines Käufers ab, der nach Abschluß eines Kaufes beim Verlassen des Kaufhauses infolge mangelnder Treppenbeleuchtung zu Schaden kommt. Unrichtig auch RG J W 1 I 9 3> 25> daß die Verletzung eines Kauflustigen, der ein Warenhaus gerade betreten hat, durch einen herabfallenden Ständer keinen Schadensersatzanspruch aus § 276 begründe, weil noch kein vertragsähnliches Verhältnis entstanden sei (dagegen auch E r m a n AcP 139, 324/25). Mit Recht hat dagegen RG J W 1928, 22106 Vertragshaftung für den Fall angenommen, daß ein Kaufinteressent in einem Laden infolge ölgetränkten Fußbodenbelags während der Kaufverhandlungen ausrutscht. A n m . 197 b) Die O f f e n b a r u n g s - , A u f k l ä r u n g s - o d e r A n z e i g e p f l i c h t . Vgl. dazu Bern. 3c vor §433. Hier braucht nur noch folgendes hervorgehoben zu werden: Der Verkäufer, der über einen für die Entschließung des Käufers wesentlichen Punkt günstige, an sich wahre Angaben macht, ist verpflichtet, auch ungünstige wesentliche Tatsachen anzugeben, wenn die Mitteilung lediglich der günstigen Umstände beim Käufer einen Irrtum über jenen Punkt erregen würde (RGSt. 70, 151 = J W 1936, 1671). Die Offenbarungspflicht reicht so weit, wie die Erheblichkeit für den Kaufentschluß des anderen Teils und dessen Nichtkenntnis angenommen wird, R G WarnRspr. 1929 Nr. 45. Diese Entscheidung ist für den Umfang der Aufklärungspflicht gegenüber vom Käufer gestellten Fragen bedeutungsvoll, da gestellte Fragen deutlich machen, was der Käufer für wesentlich hält. A n m . 198 c) Hängt die Wirksamkeit eines Kaufs von einer behördlichen Genehmigung ab, so haben beide Vertragschließenden alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Genehmigung herbeizuführen, und alles zu unterlassen, was der Erteilung dieser Genehmigung hinderlich sein könnte (vgl. oben Anm. 71). Anders liegt es bei der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung; ob der Vormund die vormundschaftsgerichtliche >*

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§ 433

Anm. 199—201

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Genehmigung einholen oder von der erteilten Genehmigung Gebrauch machen will, steht dem Vertragsgegner gegenüber in seinem freien Belieben, R G D R 1944, 663 1 9 .

Anm. 199 d) Schon durch bloße Vertragsverhandlungen können sich S c h u t z - , F ü r s o r g e u n d E r h a l t u n g s p f l i c h t e n ergeben (Bern. 3 a vor § 4 3 3 ) . Der Käufer eines K r a f t fahrzeugs, das nicht verkehrssicher hergestellt wurde, und durch dessen Ingebrauchnahme der Käufer einen Unfall erleidet, haftet aber nicht für ein Verschulden des Herstellers, B G H L M Nr. 2 zu § 276 (Hb) BGB.

B . Die Pflichten des Verkäufers beim Verkauf von Rechten Anm. 200 1. Allgemeines Beim Verkauf von Rechten geht die Verpflichtung des Verkäufers in erster Linie dahin, dem K ä u f e r ein b e s t e h e n d e s Recht zu v e r s c h a f f e n . Der Verkäufer haftet f ü r den rechtlichen Bestand des Rechts oder der Forderung, § 437, z. B. für Erteilung eines Patents, R G 78, 365; nicht für den grundbuchmäßigen R a n g eines Rechts, R G 121, 129. Das Recht muß zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages bestehen, R G 143, 22. Meist erfolgt mit dem Verkauf eines Rechts gleich dessen Übertragung. Aus der Eigenart des auf den Verkauf einer Forderung oder sonstigen Rechts gerichteten Vertrags ist der Verkäufer über die unmittelbare, durch die Vornahme der Abtretung bewirkte Erfüllung hinaus vertraglich (arg. §§ 437, 402, 407) verpflichtet, alles zu unterlassen, was den neuen Gläubiger beeinträchtigt; er darf daher insbesondere nicht die Leistung des Schuldners der abgetretenen Forderung entgegennehmen und ist zur Herausgabe des dennoch Erlangten verpflichtet ( R G m , 302). Diese Verschaffungspflicht ist von der Pflicht, Garantie für den Fall zu leisten, daß das Recht nicht verschafft worden ist, zu unterscheiden. Die Folgen der NichtVerschaffung sind, wie sich aus § 440 ergibt, dieselben wie bei der NichtVerschaffung des Eigentums an Sachen. Der Ausdruck „ h a f t e n " ist daher in § 437 ungenau, insofern damit nicht die Haftung aus der Gewährleistungspflicht gemeint ist. Auch § 438 begründet eine Nebenverpflichtung. Als Erfüllunghandlungen kommen namentlich in Betracht die Abtretung von Forderungen (§§ 398, 4 1 3 ) , die Indossierung von Orderpapieren, Erklärungen vor dem Grundbuchamt (§ 873); bei Rechten, bei denen die Verfügungsmöglichkeit an eine Urkunde gebunden ist, gehört zur Erfüllung auch die Ubergabe der Urkunde ( R G 63, 424; 126, 284; §§ 1 1 5 4 , 1192). Eine Blankettabtretungserklärung wird aber erst mit ihrer Ausfüllung wirksam, B G H 22, 128. Bei Rechten, die an eine Urkunde gebunden sind (Wertpapiere, Inhaberpapiere), stellt die Verpflichtung zur Ubergabe der Papiere die Hauptverpflichtung dar. Der Verkäufer haftet dafür, daß dem K ä u f e r die Befugnis zur Geltendmachung des verbrieften Rechts verschafft wird ( R G 1, 292; 10, 170; 30, 1 5 8 ; 108, 3 1 8 ; 109, 297). Bei einem Kaufvertrag über Aktien handelt es sich um einen K a u f von Rechten; im allgemeinen kommt der wirtschaftliche Zustand des Vermögens der A G als eine nach §459 zu gewährleistende Sacheigenschaft der Aktien nicht in Betracht, R G 122,380. Auch beim Rechtskauf können die Grundsätze vom gutgläubigen Erwerb durchgreifen (§437). Ist das verkaufte Recht nicht vorhanden, so ist darum der Kaufvertrag nicht nichtig. Der Verkäufer kann es noch begründen, wie er auch eine noch nicht vorhandene Sache, die er verkauft hat, noch herstellen kann. Nur wenn dies von vornherein unmöglich ist, ist der Vertrag nichtig. § 306, R G 68, 293; 86, 2 1 3 ; 90, 244. I m übrigen s. zu § 437.

Anm. 201 2. Rechte, die zum Besitz einer Sache berechtigen Hier hat der Verkäufer außer der Beschaffung des Rechtes auch die Sache zu übergeben, R G 126, 283. Hierfür gelten die für sie bestehenden Grundsätze. I n Betracht

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Kauf. Tausch

§ 433 A n m . 202—205

kommen das Erbbaurecht (ErbbauVO §§ i , 11), das Nießbrauchsrecht (§§ 1036 Abs. 1, 1059), das Wohnungsrecht (§§ 1093 Abs. 1, 1092), pfandrechtlich gesicherte Forderungen (§§ 1250, 1251 Abs. 1). Bei Verkauf eines Patents muß das Patentrecht an den Käufer abgetreten werden. In der Regel erfolgt diese Abtretung in dem Veräußerungsvertrag selbst und ohne eine besondere Ubertragungshandlung. Die Übertragung erfolgt durch formfreien Vertrag, der Eintragung in die Patentrolle bedarf es zum Vollzuge nicht, R G 126, 284. I X . Die Verpflichtungen des Käufers Anm. 202 1. Die Zahlungspflicht Vgl. dazu die §§244, 245, 267, 268, 270, 362, 387, 1 1 4 2 , 1249; § 3 6 1 H G B . Auch sie steht unter der allgemeinen Regel des § 242 (Aufwertung!). Uber die Rechtsnatur der Zahlung s. zu § 362. Anm. 203 a) Bei B a r z a h l u n g ist Geld zu leisten. Dies gilt nicht nur für den Tageskauf, sondern auch für den Zeitkauf und den Ratenkauf. Der Handkauf ist keine besondere Art des Kaufs (vgl. oben Anm. 103), der Antrag zum Abschluß eines Kaufvertrags wird hier nur mit dessen Erfüllung in einem Akt angenommen. Bei Vereinbarung sofortiger Bezahlung ist Aufrechnung ausgeschlossen (RG 60, 356), sofern die Gegenforderung nicht aus dem K a u f selbst entstanden ist (RG 60, 294). Die Aufrechnung kann auch ausgeschlossen sein, wenn vereinbart ist, daß der Kaufpreis zur Abdeckung eines Kredits des Verkäufers unmittelbar an eine Bank gezahlt werden soll, der Verkäufer die Bankschuld aber infolge einer Zahlungsverzögerung des Käufers inzwischen aus eigenen Mitteln abgedeckt hat und deshalb Zahlung an sich selbst fordert, B G H W M 1957, 98. Die Klausel „netto Kasse gegen Dokumente" enthält ein Barzahlungsversprechen und schließt die Aufrechnung aus, B G H 14, 61. Kein Aufrechnungsverbot enthält dagegen die Klausel „sofortige rein netto Kasse bei Empfang der Faktura" (RG L Z 1 9 1 7 , 853). Grundsätzlich (§§ 2 7 1 , 320) hat der Käufer die Ware Zug um Zug zu bezahlen. Bei sofortiger Zahlung bleibt eine spätere Geldentwertung unberücksichtigt (RG J W 1923, 285; 1924, 175 1 2 , 675®; R G 107, 124). Vor dem 20. 6. 48 (Währungsstichtag) erloschene Forderungen waren nicht umzustellen. Bei V e r s e n d u n g s k ä u f e n braucht der Käufer den Preis erst nach Empfang und Prüfung der Ware zu zahlen, R G J W 1925, 606. Daher ist der Verkäufer nicht berechtigt, ohne weiteres die Ware mit N a c h n a h m e zu belegen. Denn dadurch wird der Kauf zum Vorauszahlungskauf. Die Vereinbarung einer Nachnahme berührt im übrigen die gesetzlichen Regeln über Tragung der Gefahr und Kosten nicht, sie soll nur den Verkäufer sichern ( R G 16. 9. 21 I I I 54/21). Die Regel greift aber nicht Platz, wenn etwas anderes vereinbart, z. B. die Ware abredegemäß auf dem Lagerplatz des Verkäufers zu prüfen war (RG 10. 5. 07 I I 12/07). Anm. 204 b) Bezahlt ist der Kaufpreis im Falle vereinbarter oder dem Käufer freigestellter Ü b e r w e i s u n g auf ein vom Verkäufer bezeichnetes Bank-, Postscheck- oder Girokonto des Verkäufers mit der Gutschrift auf dem Konto des Verkäufers; die Gutschrift hat auch dann Zahlungscharakter, wenn der Kontoinhaber noch nichts von der Gutschrift weiß oder nichts von ihr erfährt, OGH 4, 49; 4, 193/4. Wer sich mit Zahlungen oder Überweisungen auf sein Bank- oder Postscheckkonto einverstanden erklärt, muß sie als Zahlung gegen sich gelten lassen. Das ergibt sich aus den §§ 362 Abs. 2, 364 Abs. 1. Das Einverständnis kann generell auf Geschäftsmitteilungen, Briefbögen, Briefumschlägen, Rechnungen und in ähnlicher Weise erklärt werden, R G 105, 266; 1 1 4 , 139; 1 4 1 , 289; OGH 4, 49; B G H N J W 1953, 897. A n m . 205 c ) Für den Fall der A k k r e d i t i v s t e l l u n g ist noch eine Erklärung der Bank an den Verkäufer über den Eingang des Geldes zu erfordern, weil ein Verhältnis zwischen dem

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§ 433 Anm. 206

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Verkäufer und der Akkreditivbank geschaffen werden muß (RG 105, 269; 103, 376; 102, 155; J W 1922, 770; 1923, 5003). Die Stellung eines Akkreditivs geschieht im Zweifel bloß erfullungshalber, so daß dem Verkäufer der Anspruch aus dem Kaufvertrag bis zur Auszahlung der Akkreditivsumme verbleibt, BGH WM 1956, 755 (im übrigen unten Anm. 206). Die Einzahlung von Reichsmark auf das Sperrkonto eines ausländischen Verkäufers war keine Bezahlung, der Verkäufer war zur Annahme der Sperrmark nicht verpflichtet, RG 1 5 1 , 1 1 6 . Zahlt der Käufer auf Grund gefälschter Quittung, so wird er zwar nicht frei, § 370, aber er kann nochmalige Zahlung verweigern, wenn der Verkäufer durch mangelhafte Kontrolle seiner Quittungsformulare und seines Firmenstempels die Fälschung schuldhaft ermöglicht hat, OLG Königsberg H R R 1937, 1578. Anm. 206 d) Die V o r a u s z a h l u n g enthält einen auflösend bedingten Verzicht auf Rückforderung des Vorausgezahlten für den Fall, daß die Kaufpreisforderung entsteht. Sie kann im übrigen verschiedenen Zwecken dienen und namentlich bei Kontokorrent verschiedene Wirkung haben (RG 38, 236; 56, 23). Der Verkäufer darf im Zweifel die Vorauszahlung nicht zurückweisen (§ 271 Abs. 2, aber § 299). Vorleistung findet namentlich statt bei der Vereinbarung „Kasse gegen Faktura", „Kasse bei Faktura" (RG 30. 5. 22 II 593/21; Gruchot 1924, 208). Der Verkäufer hat die Ware fertig zum Versand zu machen, bevor er die Faktura dem Käufer schickt, darf aber mit der Absendung der Ware warten, bis der Kaufpreis bei ihm eingeht (RG 69, 125; 106, 299). Dieses Rechtes begibt er sich auch nicht durch die Formel der Faktura „Sandte Ihnen". Hat er dennoch vor Eingang des Kaufpreises die Ware abgehen lassen, so kann er ihre Aushändigung an den Käufer bis zum Eingang des Kaufpreises verbieten, und der Käufer gelangt in Zahlungsverzug, wenn er nicht nach Empfang der Faktura zahlt, es sei denn, daß die Ware zu der Zeit tatsächlich noch nicht versandbereit war, was er beweisen muß (RG 30. 5. 21 I I I 593/21). Sind bestimmte Lieferfristen vereinbart und werden diese nicht eingehalten, bleibt an sich in der Regel die Vorleistungspflicht dadurch unberührt (Gruchot 1919, 220). Kommt der Verkäufer mit der Fakturasendung in Verzug, erhält der Käufer die Rechtsstellung, als habe er den Kaufpreis vergeblich angeboten. Die Vereinbarung: „Kasse gegen Dokumente" enthält ebenfalls eine Vereinbarung der Vorauszahlung und zugleich ein Aufrechnungsverbot (BGH BB 1954, 612). Der Käufer muß zahlen, ehe er die Ware prüfen kann. Ist diese Prüfung aber ausnahmsweise möglich, darf er sie auch vor der Zahlung vornehmen (RG 30, 100; 47, 142). Über Vereinbarung „Kasse gegen Dokumente bei Ankunft des Schiffes" (RG 90, 1; J W 1916, 1194). Dokumente sind die Dispositions- und Traditionspapiere nach §§ 424, 450, 647 HGB, auch Duplikatfrachtbriefe, in diesen ist eine Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB zu erblicken. Auch Versicherungspapiere, Ursprungszeugnisse, Ein- und Ausfuhrgenehmigungen, Affidavits sind Dokumente. Ohne die Vereinbarung: „Kasse gegen Faktura" ist jedoch nach feststehendem Handelsbrauch der Kaufpreis nicht eher zu bezahlen, als bis nach Ankunft der Ware am Bestimmungsort ihre Untersuchung auf die vertragsmäßige Beschaffenheit möglich ist. Insoweit besteht für den Verkäufer eine Vorleistungspflicht (RG 30, 412; RG 4. 4. 22 V I I 337/21). Stellung eines A k k r e d i t i v s bedeutet Vorleistung (RG 30. 1. 22 V I 522/21). Uber die Bedeutung der Akkreditivstellung und über die Vertretungspflicht des Akkreditierenden für Versehen der Bank auch dann, wenn es die des Käufers ist (RG 102, 155; 103, 376; 105, 34; 106, 387; 107, 9; vgl. auch oben Anm. 205 und Z a h n , Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, S. 14fr.). Die Akkreditivstellung ist eine abstrakte Zahlungsverpflichtung, die vom Warengeschäft losgelöst ist und ausschließlich von den im Akkreditiv, also im Zahlungsauftrag selbst genannten Voraussetzungen abhängt. Die akkreditivstellende Bank darf nicht eigenmächtig aus Gesichtspunkten, die im Warenvorgang liegen, etwas an dem Akkreditiv ändern oder von ihm abweichen, mögen die hierfür sprechenden Gesichtspunkte an sich auch noch so berechtigt und vernünftig erscheinen. 70

Kauf. Tausch

§433 Anm. 207—209

Macht der Käufer geltend, daß er berechtigt sei, die Einlösung der Papiere und die Vorleistung zu verweigern, etwa weil die Ware nicht versandbereit sei, so trifft ihn die Beweislast ( R G 47, 132; 47, 145; 59, 25; 61, 349; R G J W 1923, 685*).

Anm. 207 e) Bei Zahlung mit W e c h s e l n kann die Vereinbarung bedeuten, daß der Käufer ein Akzept geben soll oder daß Kundenwechsel zu geben sind. Letztenfalls müssen diese so gut sein, daß sie der Verkäufer bei seiner Bank ohne weiteres diskontieren kann. Die Hingabe eines Wechsels zur Bezahlung einer Schuld bedeutet regelmäßig Leistung zahlungshalber, nicht an Zahlungs Statt, R G BankArch. 34, 166. Die Kaufpreisschuld bleibt daher bestehen; bis zum Verfall des Wechsels darf aber auf sie nicht zurückgegriffen werden, da die Entgegennahme des Wechsels eine Stundung bis zu dessen Fälligkeit enthält ( R G 153, 182). Der Verkäufer hat zunächst zu versuchen, sich aus dem Wechsel zu befriedigen, R G 153, 182. Läßt er den Wechsel verfallen, so erlischt die Kaufpreisschuld. Läßt der Verkäufer das Papier diskontieren, so erlischt die Kaufpreisschuld nicht, solange der Verkäufer wechselregreßpflichtig, R G 136, 137. Wird das Papier eingelöst, so ist der Kaufpreis nicht bloß in Höhe der Diskontsumme, sondern zum Nennbetrag des Wechsels beglichen; der in der Wechselhingabe zu sehende Zahlungsversuch nimmt infolge der Einlösung des Papiers das Wesen einer endgültigen Zahlung an, R G 158, 317. Der Verkäufer ist nicht befugt, nach Lieferung der Ware Wechsel auf den Käufer zu ziehen, falls er diese Befugnis nicht durch besondere Vereinbarung oder stillschweigend durch Verkehrsübung erhalten hat. Bei Hingabe von gefälschten Wechseln vgl. R G 82, 337; J W 1910, 470'; 1914, 192®. Eine besondere Form ist das W e c h s e l r e m b o u r s g e s c h ä f t , namentlich bei überseeischen Geschäften ( R G 92, 225). Es vollzieht sich so, daß der Importeur den Exporteur anweist, Wechsel in Höhe des Kaufpreises auf des Importeurs Bank, die Remboursstelle, zu ziehen (Wechselrembours zu nehmen), und dieser Tratte dann die Verschiffungspapiere (Konnossement, Seeversicherung usw.) beizufügen („dokumentierte Tratte"). Die Auslandsbank des Exporteurs schickt die Tratte mit den Dokumenten meist in zwei Ausfertigungen an die Remboursstelle zur Akzeptation, belastet den Importeur und übergibt ihm die Dokumente. In den Kaufvertrag aber tritt weder die Bank des Exporteurs noch des Importeurs ein. Zahlung mittels u n g e d e c k t e n S c h e c k s ist positive Vertragsverletzung ( R G BankArch. 1924, 62 O L G Oldenburg M D R 1951, 309).

Anm. 208 f ) Die Vereinbarung, den K a u f p r e i s zu v e r r e c h n e n , muß bestimmt erkennen lassen, worauf der Kaufpreis verrechnet werden soll. Es bleibt bei der Barzahlung, wenn keine zur Gegenrechnung geeignete Forderung entsteht. Möglicherweise können zwei Kaufverträge mit der Abrede gegenseitiger Aufrechnung vorliegen ( R G 50, 285). Zuweilen wird die Aufrechnung ausgeschlossen. Das Verbot gilt aber nach Treu und Glauben nicht für Gegenansprüche, die aus dem betrügerischen Verhalten des Verkäufers beim Vertragsschluß erwachsen sind. Weitere Fälle R G 160, 52; B G H N J W 1954, 1722; W M 1957, 98. Die Verrechnung erfolgt bei Käufen von Grundstücken häufig durch Übernahme von Hypotheken oder Grundschulden auf den Kaufpreis. Diese Übernahme geschieht im Zweifel als Erfüllung, nicht an Erfüllungs Statt und tilgt die Kaufpreisforderung in Höhe des angerechneten Betrags, R G 1 2 1 , 4 1 ; J W 1928, 2831 2 1 . Etwas Gegenteiliges muß besonders vereinbart werden, R G 120, 168. Die Übernahme der Hypothek ist zwischen Verkäufer und Käufer zu vereinbaren und vom Hypothekengläubiger zu genehmigen, §§415, 416, oder zwischen Käufer und Hypothekengläubiger direkt zu vereinbaren, §414.

Anm. 209 2. Die Abnahmepflicht Sie ist in § 433 Abs. 2 neben die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises gestellt, a ) Die Gesetzesfassung und die Beratungen in der Kommission (Prot. 2, 1170) lassen erkennen, daß damit die Abnahmepflicht für den Kauf als klagbare ( R G 53, 162; 56,

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§ 433 A n m . 210—212

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

igi ; 57, 109) Verpflichtung begründet werden sollte. Verzug mit der Abnahme begründet die Verpflichtung zu Schadensersatz nach §§ 283, 286 (RG 53, 162; 57, 105; 60, 162). Ebenso sind die Vorschriften der §§ 325 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 3 anwendbar. Dagegen wird die Anwendung des § 287 bei Abnahmeverzug verneint (RG 57, 406). Beim Gattungskauf hat der Verkäufer auch im Falle des Abnahmeverzugs sein durch Zufall verursachtes Unvermögen zur Leistung zu vertreten, wenn nicht die Voraussetzungen für den Gefahrübergang auf den Käufer nach § 300 Abs. 2 gegeben sind (RG 57,402). §326 ist regelmäßig unanwendbar, RG 51, 110; 53, 164; 56, 1 7 1 ; 57, 108; 69, 107; g2, 270; RG L Z ig22 Sp. 117. In besonderen Fällen kann die Anwendung auch dieser Vorschrift gerechtfertigt sein, nämlich dann, wenn auf die Abnahme dasselbe Gewicht gelegt wird wie auf Bezahlung des Kaufpreises und sie zu einer wesentlichen Vertragsverpflichtung (Hauptverpflichtung) gemacht worden ist (RG 69, 107; 92, 270; J W 1918, 5065). Wird durch das Verhalten des Käufers die Abnahme unmöglich gemacht, so kann der Verkäufer vom Vertrage zurücktreten (RG Gruchot 1924, 297). Da Abnahmepflicht und Zahlungspflicht selbständige Pflichten aus dem Kaufvertrag sind, so muß der Klagantrag gegebenenfalls auch auf Zahlung und auf Abnahme lauten, nicht auf Abnahme gegen Zahlung (RG 5. 2. 04 II 274/03). Eine Verpflichtung zur Abnahme besteht übrigens nur dann, wenn die Sache zur körperlichen Wegnahme bereitsteht (RG 53, 161; 56, 173; RG J W 1905, 78), vertragsmäßig angeboten wird (RG 53, 74) und der Verkäufer imstande ist, die Sache so zu übergeben (RG 56, 173; 57, 108), daß sie die vertragsmäßigen Eigenschaften hat (RG 54,80; 63, 298). Sowohl beim Bringkauf als beim Distanzkauf muß die Leistung dem Käufer so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden (§ 294). Über die Beweislast des Verkäufers, wenn der Käufer die Empfangbarkeit bestreitet, RG 66, 281. A n m . 210 b) Den Inhalt der Abnahmepflicht bildet die tatsächliche körperliche Wegnahme, die für den Käufer die Verfügungsgewalt begründet, dem Verkäufer aber Besitz und Verfügung abnimmt und ihn dadurch, und das ist gerade der Zweck der Verpflichtung, von den Pflichten dieses Besitzes entlastet (RG 53, 162; 56, 175; 57, 105; 57, 401); auch die Entgegennahme der Auflassung bei Grundstücken (RG 69, 103, 107). Zutreffender wäre der Ausdruck „an sich nehmen", weil der Kaufmann unter „Abnahme" die sämtlichen Erfüllungshandlungen des Käufers versteht (RG 56, 177; 57, 10g). Die Pflicht zur bloßen tatsächlichen Abnahme ist daher zu unterscheiden von der Annahme der Leistung als Erfüllung im Sinne von § 363, RG 71, 23. Erstere schafft lediglich Inhabung, diese Eigenbesitz an der Sache. In der Abnahme liegt auch keine Billigung der Wäre, RG 108, 27/28. Die Abnahme erfolgt häufig, ohne überhaupt prüfen zu können, wie bei Postpaketen (RG 30, 1 1 7 ; 32, 112). Beim Versendungskauf von Gattungssachen erfolgt die Abnahme der Ware im Zweifel nur mit dem Willen, der Abnahmepflicht zu genügen und um die Untersuchung der Ware zu ermöglichen (RG 108, 28). Zum Begriff der Übernahme gehört nicht, daß der Übernehmende die vorhandenen Mängel erkannt hat (RG J W 1927, 436). Wenn teils bestellte, teils unbestellte Waren geliefert werden und die Ausscheidung zeitraubend ist, kann die ganze Sendung zurückgewiesen werden (RG 20. 10. 03 II 92/03). Als A u s f l u ß der A b n a h m e p f l i c h t liegt dem Käufer im Zweifel die B e s c h a f f u n g der E i n f u h r e r l a u b n i s ob (vgl. oben Anm. 71). A n m . 211 c) Die A b n a h m e p f l i c h t kann v e r t r a g l i c h für bestimmte Umstände ausgeschlossen werden. Eine solche Vereinbarung lag RG 125, 236 zugrunde, wo die Abnahmepflicht einer Raffinerie bei gänzlicher Zerstörung ihrer Fabrik als aufgehoben angesehen wurde. A n m . 212 d) Bei g e r i n g f ü g i g e n M ä n g e l n , die der K ä u f e r in seinem Betrieb ohne weiteres nachbessern kann, hat der Käufer die Ware abzunehmen und unter an-

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Kauf. Tausch

§433

Anm. 213, 214

gemessener Minderung des Kaufpreises zu bezahlen; nach Treu und Glauben kann ihm ausnahmsweise zumutbar sein, geringfügige, ohne wesentlichen Aufwand behebbare Mängel selbst zu beseitigen, B G H BB 1957, 92 (vgl. auch §459 Anm. u ) . Anm. 213 e) Die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g aus dem auf Abnahme lautenden Urteile erfolgt nach ZPO §§ 887, 888. Die K l a g e auf A b n a h m e kann mit der Klage auf Zahlung verbunden werden. Anm. 214 3. Abruf Verschieden von der Abnahme ist der Abruf. Er ist kein Teil der Abnahmepflicht, sondern eine n e b e n ihr stehende selbständige Verpflichtung. Der Abruf beruht auf einer vertraglichen Nebenverpflichtung, ist regelmäßig keine Hauptleistung, kann es aber sein, R G SeufFArch. 63 Nr. 6; 83 Nr. 182. Die Pflicht zum Abruf hat der Käufer. Mangels besonderer Vereinbarung muß s o f o r t unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Geschäftsgangs abgenommen werden, wobei persönliche Behinderungen oder Raummangel nicht entschuldigen. Zuweilen wird aber die Abnahmeverpflichtung b e f r i s t e t bis zum Abruf, d. h. bis zu dem Zeitpunkt, wo die Ablieferung vom Verkäufer auf Seiten des Käufers verlangt wird. Damit wird notwendig mittelbar auch die Pflicht zur Übergabe befristet. Diese Zeit kann fest bestimmt oder nach Treu und Glauben zu bemessen sein. Bei festgelegter oder bestimmbarer Fälligkeit des Abrufs kann auf ihn geklagt werden; es treten auch die Verzugsfolgen nach § 326 ein, wenn die Pflicht zum Abruf wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrags geworden ist (SeuffArch. 63 Nr. 6). Das Abrufen bedeutet sonach die Beseitigung der Hemmung, die bis dahin der Abnahme und der Übergabe entgegenstand. Durch Unterlassung dieser Beseitigung wird an sich die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und die des Käufers zur Abnahme nicht berührt, sie bleibt in Kraft, auch wenn der Käufer durch Nichtausübung des Abrufs in Verzug kommt. Ebensowenig wird beim unbenutzten Ablauf der Abruffrist die Lieferung sofort fallig (RG Recht 1918 Nr. 477). Es kann dann aber auf Ausübung des Abrufs vom Verkäufer geklagt werden (RG 57, 109; WarnRspr. 1916 Nr. 190). Einen Abruf zu unangemessener Zeit und vor allem nach Ablauf einer langen Zeit braucht der Verkäufer als wider Treu und Glauben verstoßend nicht gelten zu lassen (WarnRspr. 1916 Nr. 221, SeufFArch. 72, 184, Recht 1921 Nr. 33). Gab der Käufer zu erkennen, daß er an den Lieferungen kein Interesse habe, kann der Verkäufer erwarten, daß der Käufer bis zum Schluß der Abruffrist noch kundtut, daß er beim Vertrag trotzdem stehen bleiben wolle (RG 88, 263). Wenn sich bei einem V e r t r a g auf w i e d e r k e h r e n d e T e i l l i e f e r u n g e n die Abwicklung des Geschäfts durch die Schuld des Verkäufers hinzieht, kann er nicht verlangen, daß der Käufer die Ware jetzt auf einmal abruft und abnimmt (RG Recht 1909 Nr. 1066; WarnRspr. 09 Nr. 70). Im allgemeinen besteht bei Sukzessivlieferungsverträgen nur für den Verkäufer die Pflicht, sukzessiv zu liefern, nicht aber die entsprechende Pflicht des Käufers abzurufen. Dies bedarf besonderer — ausdrücklicher oder stillschweigender — Vereinbarung, RG J W 1916, 1188. Eine besondere Art des Abrufs findet sich beim S p e z i f i k a t i o n s k a u f (§ 375 HGB), bei einer Wahlschuld (§ 264 BGB; RG 56, 178). Auch wenn sich der Käufer bei der Auftragerteilung vorbehält, nähere Bestimmung über Größe, Stärke, Farbe usw. der Ware zu treffen, liegt ein festabgeschlossener Kauf vor, RG 43, 102; 14, 244; 30, 100. Der Käufer muß die Bestimmung nach § 375 Abs. 1 HGB vornehmen, im Zweifel nach freiem Ermessen; § 3 1 5 ist darum unanwendbar. Eine Frist ist nicht vorgeschrieben, der Zeitpunkt der Vornahme des Abrufs wird durch die Umstände bestimmt. Ist der Käufer mit der Vornahme der Bestimmung im Verzuge, dann hat der Verkäufer das Recht der Selbstspezifikation oder die Rechte aus Schuldnerverzug. Eine Klage auf Vornahme der Spezifikation durch den Käufer hat er nicht.

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§ 433 A n m . 215—220

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 215 4. Nebenpflichten des Käufers Hierfür kommen auch ohne Abrede in Betracht: a) Die V e r z i n s u n g des Kaufpreises vom Zeitpunkt des Ubergangs der Nutzungen ( § 4 5 2 ) . Die Zinsen sind gesetzliche, keine Verzugszinsen, Mahnung nicht erforderlich. A n m . 216 b) Die Pflichten des Käufers zum Ersatz von V e r w e n d u n g e n , die der Verkäufer auf die Sache macht (§§ 450, 683, 670). A n m . 217 c) Tragung der L a s t e n der Sache von ihrer Ubergabe an (§446). Als Ausgleich hat er die N u t z u n g e n . Die Lasten sind öffentliche oder privatrechtliche, die auf der Sache selbst ruhen, nicht auch z. B. Versicherungsprämien. Vgl. hierzu § 103 und wegen der Nutzungen §101. A n m . 218 d) Tragung der K o s t e n der A b n a h m e und der V e r s e n d u n g an einen andern Ort als den Erfüllungsort (§ 448). Wegen der Sonderabreden hierzu vgl. Anm. 234fr, wegen der Verpackung vgl. unten Anm. 230. A n m . 219 e) Die A u f b e w a h r u n g s p f l i c h t der übersandten, aber bemängelten Ware. Diese Pflicht ist für den Handelskauf in § 379 HGB noch besonders hervorgehoben, muß aber bei jedem Kauf angenommen werden. Die Aufbewahrungspflicht ist aber nur eine einstweilige (RG 43, 32). Eine Pflicht, die Ware zurückzusenden, hat der Käufer nicht, R G 50, 173. Nach Handelsbrauch kann Abweichendes gelten. Der Käufer braucht die Ware nicht selbst in Aufbewahrung zu nehmen, sondern kann sie bei verläßlicher Stelle einlagern. Auch bei Selbstaufbewahrung kann er nach § 354 HGB ein Lagergeld verlangen, RG 45, 302. Dann muß er aber für jedes Verschulden haften. Bei Lagerung bei einem Dritten keine Haftung nach § 278, RG 98, 70, sondern nur für Verschulden bei der Auswahl. Die Geltendmachung des Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t s verschärft die Aufbewahrungspflicht nicht, insbesondere entsteht durch sie nicht ein Pfandbesitz (RG 98, 69). Dagegen besteht für den Käufer von Handelsware, die dem Verderb ausgesetzt ist, nach § 379 Abs. 2 HGB zwar das Recht, aber nicht die Pflicht zum Notverkauf, RG 43, 27. Der Notverkauf darf nur unter Beobachtung des § 373 HGB vorgenommen werden, RG

96, 7 3 ; 101, 19; 66, 192.

Bei Z u s e n d u n g u n b e s t e l l t e r W a r e ist der Empfänger nicht zur Abnahme und einstweiligen Aufbewahrung verpflichtet. In Ausnahmefällen, z. B. wenn sich der Zusendende der Ware nicht annehmen kann, oder ersichtlich von einer in Wirklichkeit nicht erteilten Bestellung ausgegangen ist oder bei bestehender Geschäftsverbindung, kann jedoch Treu und Glauben ein ähnliches Verhalten fordern, wie bei Zusendung bestellter Ware, deren Annahme abgelehnt wird (RG 23, 127; ROHG 17, 172). A n m . 220 f ) R ü g e p f l i c h t . Beim beiderseitigen Handelskauf hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung zu untersuchen und einen Mangel unverzüglich zu rügen ( § 3 7 7 HGB), sonst gilt die Ware als genehmigt. Die Bedeutung der Untersuchungspflicht liegt darin, daß die für die ordnungsmäßige Untersuchung erforderliche Frist für die Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige maßgebend ist, RG 96, 175; B G H L M Nr. 1 zu § 377 HGB, und darin, daß Mängel, die bei gehöriger Untersuchung nicht erkennbar waren, noch unverzüglich nach ihrer Entdeckung gerügt werden können. Die Untersuchungspflicht kann durch einen etwa entgegenstehenden Handelsbrauch nicht beseitigt werden. Das würde ein nicht zu beachtender Mißbrauch sein. Auch der Umstand, daß der Mangel selten vorzukommen pflegt, befreit grundsätzlich nicht von der Untersuchungspflicht, RG 68, 369; 125, 79. Nur wenn sie nach ordnungs74

Kauf. Tausch

§433 Anm. 221—225

mäßigem Geschäftsgang nicht tunlich ist, entfallt sie. Aber der Berufung auf die Verspätung der Mängelrüge kann der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengehalten werden, R G 170, 158. Für den gewöhnlichen Kauf und beim einseitigen Handelskauf besteht keine Rügepflicht. Dagegen hat der Käufer das Recht, die Ware vor der Abnahme zu untersuchen, da die Untersuchung die notwendige Voraussetzung für berechtigte Geltendmachung eines Mangels ist. Das gilt auch für Käufe Zug um Zug, RG 118, 290, und muß nach Treu und Glauben auch für Käufe gelten, die nicht Handelskäufe sind. Die Untersuchung kann auch zur besonderen Verpflichtung gemacht werden (RG J W 1918, 5066). Anm. 221 g) Schon vor der A n n a h m e der Ware hat der Käufer die Pflicht, äußerlich erkennbare M ä n g e l der übersandten Ware durch amtlich bestellte Sachverständige feststellen zu lassen, um dem Verkäufer die Ansprüche an den Frachtführer nötigenfalls zu wahren (§438 Abs. 1 HGB; ROHG 6, 107). Der Käufer darf die Ware nicht einfach ihrem Schicksal überlassen ( J W 03 Beil. 614). Anm. 222 h) Beibringung eines F r e i g a b e s c h e i n s für die Ware. Diese Verpflichtung kann jedoch gegebenenfalls auch einen Teil der Abnahmepflicht bilden (JW 1924, 537"). Über die Beschaffung einer Einfuhrerlaubnis vgl. oben Anm. 71. Hat ein inländischer Käufer einer Einfuhrware in dem ausländischen Verkäufer schuldhaft die Vorstellung erweckt, daß die deutschen devisenrechtlichen Voraussetzungen für den Abschluß des Kaufvertrages herbeigeführt seien, während dies nicht der Fall war, so hat er dem Verkäufer den Vertrauensschaden zu ersetzen, BGH WM 1956, 493. Anm. 223 i) Bei Abtretung von Rechten hat der Verkäufer alles zu u n t e r l a s s e n , was den Erfolg der Abtretung wirkungslos machen kann, z. B. die dem Käufer gegenüber wirksame Einziehung, §407 (RG m , 302; O e r t m a n n J W 1926, 982). Der Käufer eines Rechts an einem Grundstück trägt die Kosten der Beurkundung und Eintragung im Grundbuch. Durch den Kauf von gewerblichen Schutzrechten kann für den Käufer die Verpflichtung zur Ausstellung, Propaganda, Ausnutzung begründet sein. X . Typische Nebenabreden Anm. 224 P f l i c h t e n aus besonderen N e b e n a b r e d e n beim K a u f können sowohl die Pflichten des Verkäufers als des Käufers oder beide gemeinsam erweitern oder beschränken. Werden dem Vertrag Bestimmungen beigefügt, die die wesentlichen Erfordernisse eines andersartigen Rechtsgeschäfts enthalten, so entsteht das Rechtsgebilde des gemischten Vertrags. Entscheidend für die rechtliche Beurteilung eines gemischten Vertrags ist sein Hauptzweck und die Interessenlage des einzelnen Falles. Von den typischen Nebenabreden (typische Vertragsbestimmungen bei H e l l a u e r , Kaufverträge, Konsignations- und Leihverträge in Warenhandel und Industrie, 1927, ferner S t e r n , Die kaufm. Lieferungspflicht und die gebräuchlichsten Klauseln beim Handelskauf, 1924) sind folgende hervorzuheben: 1. Der Verkäufer übernimmt die H e r s t e l l u n g s - und Ausbesserungspflicht. Durch die Übernahme der ersteren wird der Kauf zum Werkvertrag und unterliegt dessen besonderer Regelung. Damit verbunden ist zuweilen die Übernahme der Garantie für die Güte des hergestellten Werkes (RG 107, 140). Die Übernahme der Ausbesserungspflicht dagegen nimmt dem Vertrag nicht die Natur eines Kaufes. Anm. 225 2. Die M o n t a g e kann nicht nur Nebenleistung, sondern Hauptverpflichtung sein. Hierzu tritt oft die Verpflichtung zur Unterweisung und zum Anlernen, die auch stillschweigend vereinbart sein kann (SeuffArch. 29 Nr. 19; OLG 13, 403; vgl. auch oben

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§ 433 A n m . 226—230

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 193). Der Schadensersatzanspruch, der auf Fehler bei der Montage gestützt wird, unterliegt nicht der kurzen Verjährungsfrist des § 477, sondern der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195, RG 144, 162. A n m . 226 3. Gelegentlich verspricht der Verkäufer dem Käufer eine P r ä m i e als Entgelt für ein sich vorbehaltenes Rücktrittsrecht (ROHG 19, 6). A n m . 227 4. Sagt der Verkäufer für den Fall der Lieferung mangelhafter Ware die Zahlung einer V e r t r a g s s t r a f e zu, so ist sie ohne Rücksicht auf die Höhe des eingetretenen Schadens zu zahlen. A n m . 228 5. Sowohl Verträge, durch die sich der Verkäufer verpflichtet, Ware nicht unmittelbar an den Verbraucher abzusetzen oder eine Handelsstufe nicht zu umgehen ( V e r b o t des D i r e k t v e r k a u f s ) , wie Verträge, durch die sich der Käufer verpflichtet, eine bestimmte Ware nur von einem bestimmten Verkäufer zu beziehen und sie nur innerhalb eines fest abgegrenzten Bezirks weiter zu verkaufen ( A l l e i n v e r k a u f s k l a u s e l ) und alle sonstigen V e r t r i e b s b i n d u n g e n sind, wenn zwischen Unternehmungen getroffen, nach § 15 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nichtig. Die Verknüpfung derartiger Bindungen mit Preisbindungen von Markenwaren berechtigt die Kartellbehörde, die Preisbindung für unwirksam zu erklären (§ 17 G gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Soweit Vertriebsbindungen noch zulässig sind, können sie sittenwidrig sein (vgl. RG 63, 390; 67, 1 o 1; J W 1935, 3217; 1936, 569); beim Vorliegen eines wichtigen Grundes können sie auch ohne diesbezügliche Vereinbarung gekündigt werden, RG 169, 206/7; BGH MDR 1951, 610. A n m . 229 6. Bei Verkäufen von ganzen Geschäftsunternehmungen findet sich häufig eine K o n k u r r e n z k l a u s e l . Sie kann auch stillschweigend aus der Natur der Sache als vereinbart gelten. Sie unterliegt nicht dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (vgl. oben Anm. 194). A n m . 230 7. Wenn S ä c k e und ä h n l i c h e B e h ä l t n i s s e der Ware, wie Bierflaschen, Kohlensäureflaschen, die nicht mitgekauft sind (vgl. dazu oben Anm. 139), vom Käufer der Ware nicht oder verzögerlich zurückgesandt werden, ist der Verkäufer an sich nur berechtigt, Schadensersatz, nicht Leihgebühren zu fordern, da es sich nicht um eine neben dem Kauf einhergehende Miete handelt, sondern um Ausführung der Versendungspflichten. Häufig werden jedoch hierüber besondere Vereinbarungen getroffen oder sind als verkehrsüblich getroffen anzusehen. Die gewöhnliche Vereinbarung ist die eines „Mietzinses" für die nicht rechtzeitig zurückgegebenen Säcke. Die rechtliche Natur dieser Abrede ist bestritten, am einfachsten wird sie als eine Nebenabrede eigner Art zum Kaufvertrag aufgefaßt, die dem Verkäufer ein Entgelt für die länger als notwendig entzogene Nutzung der Säcke vorsieht und den Regeln des Kaufvertrags unterfällt. Für zufälligen Untergang haftet der Käufer nicht, aber auch bei Rückgabeverzug entfällt für ihn eine solche Haftung, da der Verkäufer durch den „Mietzins" entschädigt wird. Der „Mietzins" kann insgesamt auch über den Wert der Kaufsache hinausgehen (ROHG 19, 304). Es kann auch vereinbart werden, daß der Käufer die Säcke bei Nichtzurückgabe zu bezahlen habe. Solchenfalls liegt ein aufschiebend bedingter Kauf der Säcke vor. Endlich kann die Vereinbarung dahin gehen, daß für die nicht zurückgegebenen Säcke zunächst ein Mietzins, nach Ablauf einer weiteren Frist aber ein Kaufpreis zu bezahlen ist. Müssen dieselben Flaschen, die der Verkäufer geliefert hat, als Leergut zurückgegeben werden, so haftet der Empfänger schon vor Eintritt der Rechtshängigkeit in entsprechender Anwendung des § 989, BGH LM Nr. 2 zu § 989. Wird Bier in Einheitsflaschen verkauft und verpflichtet sich der Käufer mit oder ohne Flaschen76

Kauf. Tausch

§433

Anm. 231—234 pfand zur Rückgabe von Flaschen gleicher Art, Güte und Menge, so liegt ein Flaschendarlehen vor, O L G 45, 150; O G H J R 1950, 341; B G H M D R 1956, 154; D ü r k e s BB 1948, 68 u. 196; BB 1956, 25). Stellt eine Brauerei einem Bierverleger leere Bierflaschen und Flaschenträger zur Verfügung, so ist Leihe gegeben, R G 159, 65. Beim Versendungskauf trägt der Verkäufer die Gefahr für die als Verpackungsmaterial dienenden Säcke, O L G Stuttgart/Karlsruhe N J W 1949, 68. Ein Kesselwagen ist nicht bloß Transportmittel, sondern gleichzeitig Verpackung für die transportierte Flüssigkeit, B G H 16, 231. Vermischt eine Sackfabrik kraft ihr erteilter Ermächtigung zu säubernde oder auszubessernde Säcke zahlreicher Mühlen, so sind die Mühlen an dem Sackbestand und einem etwaigen Verlust durch Plünderung im Verhältnis ihrer hereingegebenen Stückzahl analog den Verhältnissen bei der Sammelverwahrung, §419 HGB, beteiligt; eine schuldhafte anderweitige Verteilung macht die Sackfabrik ersatzpflichtig, O G H BB

1949, 362. Anm. 231

8. A b r e d e n ü b e r d i e E r f ü l l u n g s z e i t finden sich a) bei der E r w a r t u n g s k l a u s e l , etwa: J a n u a r bis Ende März Erwartung. Der Käufer kann dann eine Lieferung verlangen, deren Ankunft am Bestimmungsort nach Lage der Umstände spätestens Ende März zu erwarten ist. Diese „ E r w a r t u n g " wird wie eine objektive Eigenschaft der Ware angesehen, für die der Verkäufer haftet, wenn sich eine bestimmte Herkunft der W a r e (Ernte) daraus erkennen läßt (OLG 13, 418).

Anm. 232 b) Ist eine feste Lieferzeit für den Ankunftsort der Ware vereinbart ( A n k u n f t s klausel), so ist bei nicht fristgerechter Lieferung eine Nachfristsetzung aus § 326 nicht erforderlich. B G H M D R 1955, 343.

Anm. 233 c) Beim ü b e r s e e i s c h e n A b l a d e g e s c h ä f t (Abladung = Einladung ins Schiff, R G 3°> 59! 7 I > 3 ° 7 ; G r o ß m a n n - D o e r t h , Uberseekauf; H a a g e , Das Abladegeschäft, 4. Aufl., 1958) ist jeweils Bestandteil des Vertrags, d a ß die verkaufte Ware zu einer bestimmten Abladezeit zu liefern ist. Die Zeit der Verschiffung ist wesentlich (RG 88, 419; WarnRspr. 1917 Nr. 197). Daher gehört zur Ablehnung der Ware bei nicht rechtzeitiger Lieferung keine Nachfristsetzung nach § 326 (RG 89, 419; B G H M D R 1955, 343). Liegt Unmöglichkeit der Lieferung am Ende der Abladezeit vor, wird dies als Unmöglichkeit der Abladung schlechthin angesehen (RG J W 1917, 927). Eine Abladung außerhalb der bestimmten Zeit gilt nicht als Vertragserfüllung (Warn. Rspr. 1916 Nr. 216). Eine Garantie f ü r rechtzeitiges Eintreffen der rechtzeitig abgeladenen Ware übernimmt aber der Verkäufer nicht. Bei Verträgen, bei denen der Zeitpunkt der Verladung nicht nur für die Rechtzeitigkeit der Lieferung, sondern auch für die Vertragsmäßigkeit der Ware (Getreide) wesentlich ist, m u ß regelmäßig zwischen Verladung und Ausstellung des Konnossements oder Ladescheins unterschieden werden. Verladung kann auch Übernahme zur Beförderung bedeuten (RG 104, 4). Beim Abladegeschäft gilt im Zweifel der A b l a d e o r t als Erfüllungsort f ü r den Verkäufer (BGH M D R 1955, 343). Bis dorthin trägt von der Abladung an der Käufer die Gefahr ( O L G H a m b u r g L Z 1916, 1140). Daher ist der Preis zu zahlen, auch wenn der Dampfer nicht ankommt. Es kann aber auch der Bestimmungshafen erst als Erfüllungsort vereinbart werden (RG 96, 230). Die Geschäfte des Überseehandels werden regelmäßig mittels des Dokumententrattengeschäfts oder eines Dokumentenakkreditivs abgewickelt. Die Ubergabe der Dokumente macht den Käufer bereits zum Eigentümer der Ware und befähigt ihn, die Marktlage auszunutzen. Der Käufer braucht sich nicht die Andienung der Ware statt der Konnossemente gefallen zu lassen, §§ 424, 450, 647 H G B ; R G 52, 354.

Anm. 234 9. Weitere Vertragsklauseln a) Der Abladeklausel wird häufig die „ C i f " - K l a u s e l beigefügt. Das Cif-Geschäft ist eine Variation des Abladegeschäfts, mit ihm aber keineswegs identisch ( H o l l ä n d e r ,

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§ 433

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 234 Die Sorgfalt des Cif-Verkäufers Hans RechtZ 1927, 3 6 1 ; H a a g e , Die Vertragsklauseln cif, fob, ab Kai unter Berücksichtigung der Trade-Terms). Die Cif-Klausel bedeutet, daß der Verkäufer die Kosten der Abladung, Fracht und Seeversicherung übernimmt (c = cost, Kosten; i = insurance, Seeversicherung; f = freight, Fracht). Sie erklärt sich daraus, daß der Verkäufer zur Versendung der Ware und der Käufer zur Tragung der Kosten der Versendung verpflichtet ist (§ 448), daß der Käufer diese Kosten nicht kennt, gleichwohl durch Konnossement über die Ware verfügen will und deshalb daran interessiert ist, daß der Verkäufer die Versendungskosten gegen einen höheren Warenkaufpreis übernimmt. Inhalt der Cif-Klausel ist also die Verpflichtung des Verkäufers, die Ware zum vereinbarten Preis auf seine Kosten zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist an Bord des Seeschiffes im Verschiffungshafen zu verladen, eine Versicherung gegen alle gewöhnlichen Schäden unter Berücksichtigung der besonderen Handelsbräuche und des vorgesehenen SchifFsweges abzuschließen und zu bezahlen (die Versicherung hat die Ware während der Uberfahrt bis zu ihrer Niederlegung auf dem Kai des Bestimmungshafens zu decken oder bis zu ihrer dortigen Verbringung auf ein Schiff, dessen Befrachtung dem Käufer obliegt; die Versicherung muß bei zuverlässigen Versicherern oder Versicherungsgesellschaften vorgenommen werden und den Cif-Preis decken, und dazu einen Betrag von 1 0 % , wenn kein gegenteiliger Handelsbrauch besteht), den Vertrag für die Beförderung der Ware bis zum Bestimmungshafen z,u den üblichen Bedingungen abzuschließen und die Fracht zu tragen (vgl. hierzu und weitergehend die Incoterms 1936 = Internationale Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln, Drucksache Nr. 92 der Internationalen Handelskammer). Der Käufer dagegen hat die Kosten für die Löschung, die Leichterung und die Verbringung an Land zu tragen, soweit diese Kosten nicht in der Fracht mit einbegriffen sind, wie dies beim Verkauf C. & F. landed der Fall ist. Die Franzosen gebrauchen statt Cif auch Caf (cout, assurance, fret). Bei der Klausel C. & F., „Kostfracht" (Kosten und Fracht), hat der Käufer die Seeversicherung selber zu tragen. Die Beifügung der Cif-Klausel zum Abladegeschäft läßt im allgemeinen erkennen, daß es bei der Regel sein Bewenden haben soll, wonach der Abladehafen für den Verkäufer der Erfüllungsort ist, er dort seiner Übergabepflicht genügt und der Käufer die Gefahr der Reise trägt (RG 87, 134; 90, 1 ; 96, 230; WarnRspr. 1916 Nr. 159; 1918 Nr. 27). Auch die Klausel „ C i f B e s t i m m u n g s h a f e n " ändert daran nichts, daß der Abladeort Erfüllungsort bleibt, besagt nur, daß Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungshafen (z. B. bei Kaffee Hamburg) in den Preis der Ware inbegriffen sind (RG 87, 134; 90, 1). Abweichende Bestimmungen sind jedoch nicht ausgeschlossen. Die V e r z o l l u n g gehört nicht zu den Versendungskosten, sie ist Sache des Käufers. Die Cif-Klausel verpflichtet den Verkäufer nicht, die Sendung zu frankieren (OLG 9, 271). Der Verkäufer ist verpflichtet, die Ware gegen Verauslagung der Fracht abzunehmen, er kann aber die Frachtsumme vom Verkäufer einziehen. Praktisch wird es so gehandhabt, daß der Verkäufer die Frachtsumme gleich vom Preise in Abzug bringt. Daher kann der Verkäufer zur Erfüllung des vollen Kaufpreises die abgesetzte Frachtsumme dann vom Käufer noch verlangen, wenn das Schiff untergeht, da die Ware auf Gefahr des Käufers reist (OLG 13, 410). Zur Seeversicherung gehört n i c h t die K r i e g s v e r s i c h e r u n g , auch nicht die Aufenthaltsortsversicherung. Wenn der Verkäufer die Versicherung auf seine laufende Versicherung übernimmt, muß er dem Käufer ein Z e r t i f i k a t übersenden, als Selbstversicherer darf er nicht eintreten (RG HansGZ 1917 Nr. 37). Die vom Verkäufer genommene Seeversicherung „für Rechnung, wen es angeht" ist im Preise als zur Deckung seines Eigentümerinteresses bestimmt anzusehen (RG 89, 68). L i e f e r u n g s g e g e n s t a n d ist n u r d i e a b g e l a d e n e W a r e , nur sie erfüllt den Vertrag, der Verkäufer ist nicht berechtigt, Abnahme noch nicht abgeladener Ware am Abladeplatz zu verlangen. Dagegen hat der Käufer das Recht, die Auslieferung der Ware schon am Abladeplatz zu verlangen. Der Verkäufer hat veränderten Anweisungen des Käufers nachzukommen und kann nur verlangen, schadlos gehalten zu werden (JW 1917, 927; L Z 1917 Sp. 596). Die Abnahme und Untersuchung der Ware erfolgt nicht im Abladehafen, sondern an dem Ort, nach dem cif verkauft worden ist. Wußte

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Kauf. Tausch

§433

A n m . 235—238 der Verkäufer, daß die Ware vom Bestimmungshafen nach dem Binnenland gleich weitergeschafft werden sollte und war er hiermit einverstanden, erfolgt Abnahme und Untersuchung erst am Ort des Binnenlandes. Wird der Cif-Klausel die Klausel „Glückliche Ankunft des Dampfers vorbehalten" beigefügt, so hat der Zusatz keine Bedeutung; „Glückliche Ankunft des Dampfers vorbehalten" stellt eine Freizeichnungsklausel dar, durch die sich der Verkäufer gegen etwaige Ansprüche auf Ersatzbeschaffung für den Fall des Untergangs oder der Beschädigung der Ware schützen will; derartige Ansprüche kommen aber beim CifAbladegeschäft, wenn die Ware nach der Konkretisierung, die durch Absendung der Verladeanzeige oder Andienung der Dokumente eintritt, untergeht, ohnehin nicht in Frage (Haage, Das Abladegeschäft, 2. Aufl., S. 94). Daß die Klausel: „Glückliche Ankunft des Dampfers vorbehalten" nicht bereits für die Zeit vor Konkretisierung der Ware gilt, ist anerkannt, RG J W 1929, 919. B e i m K a u f s c h w i m m e n d e r W a r e cif B e s t i m m u n g s o r t ist nach dem Willen der Parteien der überseeische Abladeort als der Erfüllungsort anzusehen; kraft Handelsbrauchs geht die Gefahr mit rückwirkender Kraft im Abladezeitpunkt über; der Käufer schwimmender Ware trägt wie beim reinen Cif-Geschäft das Transportrisiko; hierauf kann sich der Verkäufer jedoch nicht berufen, wenn er bei Vertragsschluß wußte oder wissen mußte, daß die reisende Ware bereits untergegangen oder beschädigt war. A n m . 235 b) Die Klausel „ f o b " = free on bord besagt, daß der Verkäufer die Ware an Bord des vom Käufer angegebenen Seeschiffes im vereinbarten Verschiffungshafen zur vereinbarten Zeit oder innerhalb der vereinbarten Frist entsprechend dem Hafengebrauch zu liefern und alle Kosten und Gefahren bis zu dem Zeitpunkt zu tragen hat, in dem die Ware im vereinbarten Verschiffungshafen die Reeling des Seeschiffs tatsächlich überschritten hat. Der Käufer dagegen hat ein Seeschiff zu chartern oder den notwendigen Schiffsraum zu beschaffen und alle Kosten und Gefahren von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die Ware im vereinbarten Verschiffungshafen die Reeling des Seeschiffs tatsächlich überschritten hat (vgl. hierzu und weitergehend Incoterms 1936). Die Fob-Klausel ist mehr als eine Spesenklausel. Der Verkäufer ist verpflichtet, die Ware an das Schiff zu bringen, auch unter Beförderung der Ware aus dem Binnenlande. Seine Verpflichtung ist nicht schon damit erfüllt, daß er die Ware einem Spediteur oder Frachtführer im Binnenland ausliefert, denn es ist kein Fall von § 447 (RG 106, 212; 92, 130; 88, 74). I m Verhältnis des Abladers zum Schiffer bedeutet die Klausel, daß der Ablader die zu Wasser herangeschaffte Ware längs Schiffseite zu liefern, der Schiffer sie aber auf seine Kosten in sein Schiff zu laden hat (OLG 19, 354). Der Erfüllungsort ist an den Fobort verlegt ( H e u e r LZ 1925, 26; R i t t e r ArchBR 37, 1 7 1 ; 3 8 ) 387; 4°> 4335 a M O L G Hamburg 3, 92). A n m . 236 c) Ist die Ware „ i n v e r s t ä r k t e r s e e m ä ß i g e r V e r p a c k u n g " u n d f o b zu liefern, so ist sie nicht schon am Verschiffungsort, sondern erst am Bestimmungsort in Übersee zu untersuchen, B G H BB 1953, 186. A n m . 237 d) „ N e t t o K a s s e g e g e n F a k t u r a " verpflichtet den Käufer zur Zahlung des Kaufpreises nach Eingang der Rechnung. Mit der Absendung der Ware darf der Verkäufer bis nach Eingang des Kaufpreises warten, RG 69, 126. A n m . 238 e) „ K a s s e g e g e n D o k u m e n t e " verpflichtet den Käufer, falls d i e W a r e n o c h n i c h t a n g e k o m m e n i s t , schon bei Andienung der Dokumente vorschußweise zu zahlen, ohne die Ware besichtigen zu können (RG 59, 23; B G H 14, 61). Der in der Klausel „netto Kasse gegen Rechnung und Verladepapiere" enthaltene Aufrechnungsverzicht (BGH 14, 61) gilt in der Regel auch dann, wenn die Ware ohne Verladepapiere ausgeliefert wird und mit der Rechnung lediglich G e w i c h t s b e s c h e i n i g u n g e n vor-

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§ 433 Anm. 239, 240

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

zulegen sind, BGH NJW 1957, 827. Zahlt er nicht, kommt er in Zahlungsverzug, es sei denn, daß er die Nichtempfangbarkeit der Ware nachweisen kann. Eine vom Käufer mit Einlösung der Dokumente beauftragte Bank braucht die Ware nicht zu untersuchen, sondern hat die Dokumente einzulösen, wenn sie äußerlich in Ordnung sind und sonst keine Bedenken bestehen. Ist die Ware schon angekommen, so muß dem Käufer ihre Untersuchung vor der Zahlung gestattet werden (RG 30, 100; 47, 142). In jedem Falle braucht der Käufer nur gegen Dokumente zu zahlen. Gehen die Konnossemente, ohne das dies der Verkäufer zu vertreten hat, verloren, so wird dieser zwar von der Lieferung frei, kann aber auch den Kaufpreis nicht verlangen. Daß die Dokumente wertlos und die Ware nicht mehr vorhanden sei, kann der Käufer dann nicht geltend machen, wenn, wie beim Abladegeschäft, die Gefahr der Reise bereits auf ihn übergegangen war (RG 88, 37). Auf den Erfüllungsort hat die Klausel keinen Einfluß (RG 46, 195). Das F r a c h t b r i e f d u p l i k a t hat nicht die gesetzliche Bedeutung eines Lagerscheins oder Konnossements, also eines Traditionspapiers (vgl. Intern. Ubereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr Art. 8 Abs. 6 und Eisenbahnverkehrsordnung v. 1909 § 61 Abs. 6). In der Übergabe an den Käufer kann aber der beiderseitige Wille ausgedrückt sein, daß der Anspruch des Verkäufers gegen die Eisenbahn auf Herausgabe des Frachtguts und das Eigentum am Frachtgut auf den Käufer übergehen soll, §§931, 929 (WarnRspr. 08 Nr. 584; J W 1919, 182; RG 102, 97; 103, 152). Die Klausel „netto Kasse gegen D o k u m e n t e " enthält ein Barzahlungsversprechen mit Vorauszahlungsabrede; sie schließt die Aufrechnung vertraglich aus, BGH 14, 61. Anm. 239 f) „ K a s s e gegen Dokumente bei A n k u n f t des S c h i f f e s " bezieht sich lediglich auf den Zeitpunkt der Zahlung, nicht auf die Frage, ob zu zahlen ist. Die Zahlung soll solange hinausgeschoben werden, bis das Schiff angekommen ist oder feststeht, daß es nicht ankommen wird (RG 87, 136; 90, 1; L Z 1919, 254). Ist die Ware verladen, kann aber die Reise wegen Kündigung des Frachtvertrages nicht zu Ende geführt werden, so hat der Käufer trotzdem den Kaufpreis zu zahlen. Die Kündigung des Frachtvertrages nach Vornahme der Verladung hat die gleiche Wirkung wie der Verlust der Ware; die Reederei ist nicht verpflichtet, die Ware auf andere Dampfer umzuladen, der Verkäufer braucht eine neue Abladung nicht vorzunehmen (RG WarnRspr. 1918 Nr. 27). Anm. 240 g) „ G l ü c k l i c h e A n k u n f t des Schiffes v o r b e h a l t e n " . Die Bedeutung trifft nur das Lokogeschäft, beim Cif-Abladegeschäft sinnlos (vgl. oben Anm. 234). Der Verkäufer verkauft unter dem Vorbehalt der glücklichen Ankunft des Schiffes, in dem sich die zur Erfüllung in Aussicht genommene Ware befindet. Das ist eine auflösende Bedingung für den Fall, daß die Ware nicht glücklich ankommt. Daher muß die Identität der Ware als Gegenstand des Verkaufs bereits feststehen, eine bloße innere Bestimmung seitens des Verkäufers genügt nicht. Es muß entweder von vornherein ein Spezieskauf vorliegen oder beim Gattungskauf bereits eine Spezialisierung der Ware nach § 243 Abs. 2 erfolgt sein oder beschränkter Gattungskauf vorliegen. Z. B. kann die Lieferung aus einer bestimmten Fabrik in Frage kommen und Befreiung gewollt sein, wenn diese dem Verkäufer nicht liefert. Auf diese Fälle beschränkt sich das Anwendungsgebiet der Klausel, auf einen reinen Gattungskauf findet sie keine Anwendung (WarnRspr. 1918 Nr. 219; RG 93, 1 7 1 ; 95, 246; J W 1918, 6831). Durch die Vereinbarung wird vom Verkäufer keine Gewähr dafür übernommen, daß bereits bei Vertragsschluß die von ihm verkaufte Ware abgeladen sei. Abwälzung der Versendungsgefahr und Einstehen für eine bereits erfolgte Abladung sind verschiedene Dinge, das eine schließt das andere nicht notwendig ein; RG 95, 246 erfordert dafür besondere Zusagen (RG 98, 141). Für widerrechtliche Beschlagnahme ist der Verkäufer nicht verantwortlich (RG 96, 80; J W 1925, 494).

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Kauf. Tausch

§433

A n m . 241—243 A n m . 241 h) Gleiche Bedeutung hat die Klausel „ L i e f e r u n g s m ö g l i c h k e i t v o r b e h a l t e n " , R G Recht 1924 Nr. 794. Hier ist jedoch nach dem Willen der Vertragsparteien besonders zu prüfen, welche Unmöglichkeit der Lieferung frei machen soll. Der Vorbehalt der Liefermöglichkeit hat jedenfalls die Bedeutung, daß der Verkäufer, der ohne eigenes Verschulden von seinem Lieferanten im Stich gelassen wird, zur Erfüllung nicht mehr verpflichtet ist, wenn nach den Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien Einverständnis darüber besteht, daß der Verkäufer die Ware von einem bestimmten Lieferanten beziehen soll, B G H 27. 9. 56 II Z R 146/55. Auch die Klausel: „ V e r k ä u f e r l i e f e r t n u r , w e n n i h m W a r e s e l b s t g e l i e f e r t w i r d " , hindert die Annahme des Abschlusses eines festen Kaufvertrags. Sie ist als auflösende Bedingung oder als Kauf mit Rücktrittsvorbehalt zu verstehen. Uber die verschiedenen möglichen Bedeutungen dieser F r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l R G 95, 102; 102, 227. Letztere Entscheidung betont mit Recht, daß der im Geschäftsleben sich zeigenden Neigung, durch die Wahl unklarer Worte unklare Verhältnisse zu schaffen, um je nach der Entwicklung der Dinge die dem Erklärenden günstigere Auslegung sich anzueignen, entgegengetreten werden müsse. Es muß daher klar erkennbar sein, ob sich „freibleibend" nur auf das Vertragsangebot bezieht oder zum Bestandteil des Vertrags selbst werden soll. Alle diese Klauseln stehen unter der Vorschrift des § 157- Vgl. auch R G 103, 182; J W 1925, 4g4. Sie berechtigen im Zweifel nur zum Rücktritt vom g a n z e n Vertrag (RG 19. 10. 21 I 63/21). Der Verkäufer hat für die Vertragstreue seines Unterlieferers einzustehen, sofern er diese Haftung nicht ausgeschlossen hat. Sie ist ausgeschlossen durch die Formel: „Falls durch Umstände, die wir nicht verschuldet haben, eine Lieferung durch den von uns vorgeschriebenen Lieferanten nicht erfolgen kann, sind wir nicht verpflichtet, Material von anderer Stelle zu verschaffen. Wir sind nur so weit verpflichtet, als wir die Ware selbst vom Vorverkäufer erhalten" (RG J W 1925, 23g26). Auch die Klausel „ r i c h t i g e u n d r e c h t z e i t i g e S e l b s t b e l i e f e r u n g v o r b e h a l t e n " bedeutet, daß der Verkäufer von seiner Verpflichtung frei wird, wenn er von seinem Lieferanten im Stich gelassen wird (OGH 1, 178 = NJW 1949, 22; O L G Hamburg H E Z 1, 126; BB 1955, 942). Steht diese Klausel allein oder zusammen mit den Klauseln „glückliche Ankunft, behördliche Maßnahmen vorbehalten" bloß unter einer bestimmten Vertragsbedingung, etwa im Abschnitt über die Lieferzeit, so kann sie die Bedeutung haben, daß sie nur für diesen Vertragspunkt gelten soll, B G H 24, 39. Denn derartige Klauseln können auch zur Freizeichnung von einem begrenzten Risiko dienen. Über Freizeichnung bei Gewalt, Streik, Aussperrung R G 125, 236. Uber die Wirkung der sofortigen Annahme eines „ f r e i b l e i b e n d e n " A n g e b o t s R G 103, 312; J W 1921, 51 8 ; 1921, 1234 11 ; '922, 23®. Uber P r e i s f r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l n R G J W 1922, 1319 5 und R G 104 S. 101, 114, 306 und oben Anm. 151; über Sittenverstöße bei F r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l n vgl. oben Anm. 40. Bei ihr muß der Verkäufer gleichwohl p ü n k t l i c h zur vereinbarten Z e i t liefern. Uber Vorbehalt: „ D i e L i e f e r u n g h i n a u s s c h i e b e n z u d ü r f e n " , „ L i e f e r u n g s z e i t v o r b e h a l t e n " R G 94, 80. Dies darf aber nicht willkürlich geschehen (§315), sondern nur unter Einhaltung von Treu und Glauben (RG 9. 3. 21 V I 608/21). Vgl. auch oben Anm. 57. Anm. 242 i) Die Klauseln „ E x s h i p " , „ a b K a i " besagen, daß durch sie der Bestimmungshafen zum Erfüllungsort wird, sonach der Verkäufer die Gefahr der Reise trägt. Über die Einzelheiten beider Klauseln vgl. die Incoterms 1936 und H a a g e , Die Klausel „ a b K a i " unter Berücksichtigung der Trade Terms, BB 1956, 195. Wird mit einer dieser Klauseln die Cif-Klausel verbunden, so hat diese nur noch die Bedeutung einer bloßen Preisbemessung. A n m . 243 k ) „ A u s g e l i e f e r t e s G e w i c h t " , „ s o u n d d e l i v e r e d " = „gesund ausgeliefert" wird vereinbart, weil sich oft bei Abladung schwer feststellen läßt, wieviel das Gewicht ist, auch der Schwund auf der Reise nicht sicher ist. Daher soll die im Abladehafen vor6

Komm. z. BGB, Ii. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 433 Anm. 244—247

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

läufig und allgemein getroffene Bestimmung des Gewichts für die Preisberechnung im Bestimmungshafen berichtigt werden. Daß damit, wie RG in HansGZ 1917 Nr. 145 meint, dieser zum Erfüllungsort werde, kann nicht zugegeben werden. Vgl. auch RG 90, 1. Anm. 244 1) „ B e s c h l a g n a h m e - und v e r w e n d u n g s f r e i " bezieht sich im Zweifel auf den Zeitpunkt, in dem die Ware in die Hand des Käufers gelangt (RG 93, 333); dieser Ort kann von dem Erfüllungsort verschieden sein. Der Verkäufer übernimmt damit eine Garantie auch für die Zeit nach der Erfüllung und Ubergabe der Kaufsache. Die „Verwendung" setzt notwendig voraus, daß der Käufer in einen solchen Besitz der Ware gelangt, daß ihm die Verwendung zu den vorausgesetzten Zwecken möglich ist (RG J W 1918, 7673). Die Versicherung, daß die Zollpapiere einer ausländischen Ware in Ordnung seien, enthält eine Garantieübernahme gegen Beschlagnahme (OLG Düsseldorf J W 1926, 2002). Anm. 245 m ) „ F r e i Bestimmungsort" (ebenso „ b a h n f r e i Berlin netto K a s s e Z u g um Zug") bürdet dem Verkäufer die Versendungskosten auf, R G 106, 212; ob außerdem auch die Gefahr, hängt vom Parteiwillen ab. Nach den Incoterms 1936 besagt „frei Bestimmungsort" für den i n t e r n a t i o n a l e n H a n d e l s v e r k e h r , daß der Verkäufer Kosten und Gefahr bis zu dem Zeitpunkt zu tragen hat, in dem der Käufer die Ware abzunehmen hat; Kosten und Gefahr der Ausladung hat dagegen der Käufer zu tragen. Uber „franko Fracht" RG J W 1933, 1452 1 . Anm. 246 n) Die Vereinbarung, „ K a u f p r e i s durch A k k r e d i t i v bei Bank sicherzustellen", ist die Vereinbarung eines Bankrembourses. Bei Vereinbarung, daß Bank dem Verkäufer die Akkreditierung in bestimmter Frist zu bestätigen hat, ist auch eine geringfügige Fristüberschreitung wesentlich (RG 92, 208; 96, 255; J W 1921, 1312 7 ). Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts hat der Käufer, der ein Akkreditiv bei der Bank des Verkäufers zu dessen Gunsten gegen Duplikatfrachtbrief stellt, dafür zu sorgen, daß das Akkreditiv rechtzeitig gestellt wird, was erst geschehen ist, wenn die Bank den Verkäufer benachrichtigt, daß das Geld zu seiner Verfügung stehe. Versehen der Bank hierbei hat der Akkreditierende zu vertreten, auch wenn er das Akkreditiv auf Verlangen des Verkäufers bei dessen Bank gestellt hat (RG 102, 155; 103, 376; 105, 33! J W 1921, 312; vgl. auch oben Anm. 205). Die gleichen Grundsätze gelten bei der Formel gleichen Sinnes: „ B a n k ü b e r w e i sung gegen D u p l i k a t f r a c h t b r i e f " bei Zusammenwirken mehrerer Banken (RG 105, 48). „ K a s s e gegen A k k r e d i t i v " bedeutet Gleichstellung des Akkreditivs mit Kasse ( = Barzahlung) und demnach Unwiderruflichkeit des gestellten Akkreditivs (RG 103, 376)-

Bei der Klausel „Akkreditiv gegen F r a c h t b r i e f d o p p e l " geht der Wille der Vertragschließenden regelmäßig auf Abtretung des Eigentumsherausgabeanspruchs gegen den Spediteur oder Frachtführer, der die Ware in Besitz hat, OLG München NJW 1958, 424. Anm. 247 o) Die „ P r o m p t k l a u s e l " verpflichtet zu möglichst schneller Lieferung, hat aber keinen festen Stichtag wie das Fixgeschäft, der Verkäufer verpflichtet sich damit auch nur zur prompten Absendung, übernimmt nicht, wie beim Fixgeschäft, Gewähr für rechtzeitiges Eintreffen (SeufFArch. 38 Nr. 247; Recht 1911 Nr. 471). Der Verkäufer kann aber hier je nach der Art des Geschäfts, wie beim Fixgeschäft, auch ohne Mahnung in Verzug kommen. 82

Kauf. Tausch

§433 Anm. 248—256

Anm. 248 p ) Die Klausel „ L i e f e r u n g so s c h n e l l w i e m ö g l i c h " kann bedeuten, daß eine angemessene kurze Lieferfrist ohne Stundung vereinbart ist, oder, daß die Leistungszeit in das Belieben des Schuldners gestellt ist, O L G BB 1954, 116.

Anm. 249 q) Vereinbarung eines S k o n t o s . Man unterscheidet Z a h l u n g s s k o n t o und W a r e n s k o n t o . Das Zahlungsskonto kann eine Prämie für vorzeitige oder für pünktliche Leistung bedeuten. Vorzeitige: „Ziel 3 Monate, 2 % Kasse"; pünktliche: „Ziel 3 Monate, 2 % " oder „Ziel 3 Monate Kasse mit 2 % " . Beim Warenskonto kommt der Abzug ohne Rücksicht auf die Zahlungszeit zur Ausführung: „Ziel 3 Monate 2 % " kann daher auch nur heißen, dem Käufer ist ein 3-Monatsziel und unabhängig davon ein Abzug von 2 % bewilligt. „Kasse 2 % " bedeutet, daß der Käufer nur bei sofortiger Zahlung das Skonto abziehen darf (LZ 07, 741). Wird nicht pünktlich gezahlt, fällt das Zahlungsskonto weg. Das Zahlungsskonto muß der Käufer beweisen, das Warenskonto bedeutet nur eine Preisbestimmung; die Höhe des Preises muß der Verkäufer beweisen.

Anm. 250 r ) „ N e t t o K a s s e " , „ r e i n n e t t o " schließt einen sonst etwa verkehrsüblichen Abzug ausdrücklich aus (ROHG 8, 120).

Anm. 251 s ) Die „ F o r c e majeur"-Klausel muß in angemessener Zeit geltend gemacht werden; der Verkäufer darf die Geltendmachung nicht beliebig hinausschieben (RG 91, 108; J W 1930, 1297). Wenn die B e f r e i u n g s k l a u s e l auf Betriebsstörung abstellt, muß namentlich erforscht werden, was darunter im einzelnen Fall zu vertehen sei (RG 94, 8 1 ; 100, 262; 125, 236).

Anm. 252 t) Auf die K r i e g s k l a u s e l , die den Verkäufer zur Einschränkung oder Aufhebung der Lieferung berechtigt, sind dieselben Grundzüge wie zu Anm. 251 anzuwenden. Der Verkäufer kann sich auf sie auch dann berufen, wenn die Ware infolge Kriegsausbruchs auf der Reise angehalten wird ( R G 92, 271).

Anm. 253 u) In der Inflationszeit spielte de R e p a r t i e r u n g s k l a u s e l (hinsichtlich der Zuteilung von Devisen) eine Rolle (RG J W 1927, 177 9 ).

Anm. 254 v ) Die S p e r r k l a u s e l beim Kauf von Pfandbriefen besagt, daß der Käufer die innerhalb der Sperrfrist an das Emissionshaus zurückgelangten Stücke mindestens zum Emissionskurs wieder abnehmen muß, B G H L M Nr. 1 zu § 157 (F) BGB.

Anm. 255 w ) Ist „ l a u t M u s t e r tel q u e l " verkauft, so ist nicht die Haftung für zugesicherte Eigenschaften ausgeschlossen, aber gestattet, unbeschadet der Gültigkeit besonderer Vertragsabreden über Sorte und Qualität der Ware die geringwertigste Qualität der ausbedungenen Warengattung zu liefern, B G H BB 1954, 1 1 6 ; R G J W 1938, 2 4 1 1 .

Anm. 256 x ) Die A r b i t r a g e a b r e d e geht dahin, daß der Käufer die Ware abnehmen muß und nach dem Spruch der gewählten Arbitratoren den Minderwert verlangen kann (vgl. §459 Anm. 6). Eine Sammlung von Verträgen und Geschäftsbedingungen im Warenhandel und in der Industrie der verschiedensten Branchen, aus denen zugleich die in ihnen geltenden Handelsbräuche zu ersehen sind, gibt H e l l a u e r , Kaufverträge usw. in Warenhandel 6»

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§ 433 Anm. 257—261

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

und Industrie (1927). Wertvolle Hinweise auch bei Z a h n , Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel (1957), wo auch die Internationalen Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln, die Incoterms 1936, abgedruckt sind. XI. Ort der Erfüllung Anm. 257 Es gelten die allgemeinen Vorschriften des § 269 und § 361 HGB, sofern nicht aus besonderen Abreden, der Art der Leistung oder nach Treu und Glauben etwas anderes zu entnehmen ist. Danach ist Erfüllungsort für den Verkäufer sein Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung, für den Käufer dessen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages. Das gilt für den Platzkauf wie für den Versendungskauf. Auch beim Versendungskauf erfüllt der Verkäufer am Ort seiner Niederlassung (RG 106, 212). Es kann natürlich der Bestimmungsort zum Erfüllungsort erhoben werden ( F e r n k a u f ) . Da die Ablieferung und folglich auch die Abnahme aber an dem Bestimmungort zu erfolgen hat, ist für letztere der Wohnort des Käufers der Erfüllungsort (RG 4g, 72). Der Umstand, daß die Ware an einen andern als den Wohnort des Käufers zu schicken ist, macht den Ort der Ablieferung noch nicht zum Ort der Zahlung für den Kaufpreis (RG 30, 379). Auch eine Vertragsbestimmung, daß der Kaufpreis durch Akzept einer an einem andern Ort wohnenden Person zu decken sei, ändert nichts am Erfüllungsort (RG 50, 270; RG J W 1922, 484*). Über Bedeutung der Klausel: „Netto Kasse bei Empfang der Ware loco Fabrik. Die Ware geht mit Ausstellung der Faktura in Ihren Besitz über" vgl. RG 102, 40. Anm. 258 1. Bei U n m ö g l i c h k e i t oder Unzumutbarkeit d e r E r f ü l l u n g a m v e r e i n b a r t e n E r f ü l l u n g s o r t tritt an seine Stelle der angemessene Erfüllungsort, OGH 1, 363. Anm. 259 2. Nach RG 59, 351; 52, 135 sind F a k t u r e n v e r m e r k e des Verkäufers über den Erfüllungsort auch dann nicht maßgebend, wenn bei einer dauernden Geschäftsverbindung fortgesetzt derartige Rechnungen übersandt werden und ihr Empfänger immer neue Bestellungen ohne Widerspruch aufgibt. Da die Rechnung regelmäßig nach Abschluß des Geschäfts übersandt wird und sich ihr Empfanger auf eine Änderung des vereinbarten Vertrages nicht einzulassen braucht, braucht er Rechnungsvermerken, die auf eine Änderung der Vertragsbedingungen abzielen, nicht zu widersprechen; eine andere Frage ist es aber, ob nicht der Besteller, der immer wieder Rechnungen mit aufgedruckten Bedingungen erhält und sie sieht, sie nicht seinerseits zum Inhalt seines Vertragsangebots erhebt (vgl. dazu RG HRR 1930, 322). Anm. 260 3. Der Ort der E r f ü l l u n g ist a u c h e n t s c h e i d e n d f ü r das z u r A n w e n d u n g k o m m e n d e R e c h t (RG 73, 387; 74, 173). Wenn dieser für beide Teile auseinanderfällt, kann es kommen, daß für das einheitliche Rechtsverhältnis zwei verschiedene Rechte anzuwenden sind. Deshalb wird oft zu fragen sein, ob die Parteien, wenn sie sich die Frage vorgelegt hätten, nicht ein einziges Recht und welches haben maßgebend sein lassen wollen, und danach ist dann die Lücke im Vertrag zu ergänzen (RG 68, 205; 74, 174). Ist ein einheitlicher Erfüllungsort für das ganze Vertragsverhältnis anzunehmen, ist auch die minder bedeutsame Abnahmepflicht an dem für die Zahlung bestehenden Erfüllungsort zu erfüllen (RG 56, 138). Anm. 261 4. Auf das deutsche interlokale Recht sind wegen seiner Wesensverwandtschaft mit dem zwischenstaatlichen Privatrecht dessen Vorschriften grundsätzlich anwendbar, RG 170, 202. Nach anerkannten Grundsätzen des deutschen internationalen Privatrechts hat das Gericht den seiner Beurteilung unterliegenden Tatbestand zur Feststellung des anzuwendenden Rechts zunächst vom Standpunkt des deutschen Rechts aus rechtlich einzuordnen, RG 138, 245; OGH 4, 196. Das Schuldstatut bestimmt sich nach dem 84

Kauf. Tausch

§ 433 A n m . 262, 263 §434

ausdrücklichen oder stillschweigenden, notfalls nach dem mutmaßlichen (hypothetischen) Parteiwillen oder dem Erfüllungsort, OGH i, 392; 4, 56; BGH 1, 109; 5, 35). A n m . 262 5. Im Falle einer Währungsspaltung wird der ursprüngliche Anknüpfungspunkt gegenstandslos; es wird eine Ersatzanknüpfung (BGH 1, 112) erforderlich; für sie ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern der der Währungsspaltung maßgebend; da währungsrechtliche Eingriffe Ausfluß der staatlichen Währungshoheit sind und sie nur gegenüber denjenigen Rechts- und Schuldverhältnissen durchgesetzt werden können, die der Gesetzgebungs- und Zwangsgewalt des über das Währungsrecht bestimmenden Hoheitsträgers unterliegen, muß der Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Währungsspaltung maßgebend sein, O G H 1, 392; 4, 56; B G H 1, 113; 5, 302; 7, 231; 8, 288; 9, 151. XII. Zeit der Erfüllung A n m . 263 Sie bestimmt sich mangels anderer Verabredung nach § 271. Sie kann sich auch aus der Art des Geschäfts ergeben, z. B. beim Tageskauf, Kassageschäft, Zeitkauf, Lieferungskauf, Termingeschäft. Bei Leistung Z u g u m Z u g muß nach Treu und Glauben (§ 157) dem Käufer ermöglicht werden, die Kaufsache vor Abnahme und Bezahlung so zu besichtigen, daß er sich über ihre Beschaffenheit genügend vergewissern kann, RG 118, 290. Ist die Leistungszeit fest bestimmt, liegt ein Fixgeschäft vor, für das beim Handelskauf die Regeln des § 376 HGB gelten. Börsentermingeschäfte gehören zu den Fixkäufen (BörsenG §§ 50ff.). Zu beachten ferner §§ 186ff., §§ 358, 359 HGB. Die Fälligkeit der Forderung löst die Verjährung des Anspruchs (§§ 198, 201), die Möglichkeit der Aufrechnung (§ 387) und der Zurückhaltung (§ 273) aus. Verzug dagegen tritt in der Regel erst mit der Mahnung ein.

§434 Der Verkäufer i s t verpflichtet, d e m Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend g e m a c h t werden können. E I 371 II 376; M 2 214; P 1 653.

Ubersicht Anm.

I. Allgemeines 1—7 1. Abdingbarkeit 1 2. Maßgebender Zeitpunkt 2 3. Nach Kaufabschluß entstandene Rechte 3 4. Rechtsfolgen 4 5. Unanwendbarkeit 5 6. Verhältnis z u § n g 6 7. Rechtsnatur der Zusicherung eines bestimmten Hypothekenstandes . 7 II. Anwendungsbereich 8 III. Die von § 434 betroffenen Rechte 9—14 1. Dingliche Rechte 10 2. Persönliche Rechte 11 3. öffentlich-rechtliche Verbote 12 4. Erfordernis des subjektiven Rechts 13 5. Rückerstattungspflicht 14 IV. Grundstückskauf „mit allen Rechten und Lasten" 15 V. Annahme der Kaufsache in Kenntnis von Rechtsmängeln 16 VI. Beweislast 17 VII. Arglist (§ 443) 18 VIII. Streitwert 19

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§ 434 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

I. Allgemeines Anm. 1 1. Abdingbarkeit Die in §§ 434—436 niedergelegten Haftungsgrundsätze sind dispositiver Natur, R G 163, 8; BGH 11, 24; BGH W M 1955, 1098. Auf die Verpflichtung kann im Kaufvertrag verzichtet werden, RG 16.3. 12 V 442/11. Durch § 365 wird die Verpflichtung nicht ausgedehnt, RG 26. 10. 11 V I 532/10. § 434 enthält eine nähere Erläuterung und Ergänzung des § 433, der die Verschaffung des Eigentums oder Rechtes bestimmt: der Kaufgegenstand ist so zu gewähren, daß das Recht an ihm unangefochten von Ansprüchen Dritter bleibt. Die Verpflichtung ist eine Hauptleistung. Während § 434 ausdrücklich bestimmt, daß der Käufer den Kaufgegenstand frei von Rechtsmängeln zu verschaffen hat, fehlt eine entsprechende Bestimmung für die Sachmängel. Gleichwohl ist anzunehmen, daß der Verkäufer auch frei von Sachmängeln zu leisten hat (vgl. §459 Anm. 3). Aber während der Käufer beim Vorhandensein von Sachmängeln nicht den Erfüllungsanspruch, sondern statt dessen die Gewährrechte hat, kann der Käufer bei nicht rechtsfreier Verschaffung entweder die Gewährhaftung geltend machen oder Beseitigung des Drittrechts verlangen. „ S p e k u l a t i v e r E i n s c h l a g " kann die Anwendung von §434 ausschließen (RG 1 1 2 , 329). Von der Verpflichtung aus § 434 wird gemeinhin bei der Übernahme einer Hypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis abgewichen. Hier kennt der Käufer die Belastung (vgl. dazu sonst § 439), und er will durch Übernahme der ihr zugrunde liegenden persönlichen Schuld seine eigene Kaufpreisschuld tilgen. Genehmigt der Hypothekar die Schuldübernahme nicht, so greift § 415 Abs. 3 Satz 2 ein. Die Schuldübernahme ist dann zwar endgültig gegenstandslos geworden, aber es ist nicht der Wille der Vertragschließenden, daß in solchem Falle der Verkäufer dem Käufer ein hypothekenfreies Grundstück zu verschaffen habe (WarnRspr. 1914 Nr. 246). Daher ist auch die Unkündbarkeit einer vom Käufer in Anrechnung auf den Kaufpreis übernommenen Hypothek kein Rechtsmangel (RG WarnRspr. 09 Nr. 134; R G V 27/08 25. 10. 08). Anm. 2 2. Maßgebender Zeitpunkt Grundsätzlich kommt es auf den Zeitpunkt der Übergabe an. Zu diesem Zeitpunkt muß ein Mangel im Recht bestanden haben, um Gewährleistungsansprüche zu begründen. Wird die verkaufte Sache erst zu einem späteren Zeitpunkt dem Berechtigten herausgegeben, so liegt ein Mangel im Recht dann vor, wenn die Rechtsgrundlage für die spätere Wegnahme der Sache bereits bei ihrer Übergabe vorhanden war, R G 105, 275; i n , 89; J W 1926, 2842; OGH 2, 363. Liegt nur eine widerrufliche Einfuhrbewilligung vor und muß bei ihrem Widerruf damit gerechnet werden, daß die eingeführte Ware für verfallen erklärt wird, so ist, auch wenn es hierzu erst nach Übergabe der Kaufsache kommt, ein Rechtsmangel gegeben, der seine Rechtsgrundlage in Rechtsverhältnissen findet, die zur Zeit der Übergabe schon bestanden haben, RG m , 89. Bei einer unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache braucht die Verpflichtung zur Befreiung von etwaigen Rechten Dritter erst im Augenblick des Eigentumsüberganges erfüllt zu werden, RG 83, 215. Die Tatsache, daß ein Gegenstand der R ü c k e r s t a t t u n g unterliegt, ist zwar kein Rechtsmangel im eigentlichen Sinne, aber wie ein anfänglicher Mangel im Eigentum zu behandeln, BGH 11, 16; BGH BB 1957, 493. Die Verpflichtung des § 434 entsteht zwar schon mit Kaufabschluß; zu erfüllen ist sie aber bei beweglichen Sachen erst mit der Übergabe, bei Grundstücken erst im Auflassungstermin. Die Belastung des Grundstücks zwischen Verkauf und Auflassung ist daher nicht schlechthin verboten. Nimmt der Verkäufer eine solche Belastung vor, ohne sie bis zur Auflassung wieder zu beseitigen, so haftet er bei Verschulden aus positiver Vertragsverletzung; ist die Beseitigung der Belastung möglich, so stehen dem Käufer die Rechtsbehelfe des § 326 zu; ist deren Beseitigung unmöglich, so hat er die Rechtsbehelfe der §§323, 325, RG 10. 1 1 . 07 II 322/07. 86

Kauf. Tausch

§434 A n m . 3—8

Anm. 3 3. N a c h Kaufabschluß entstandene Rechte Unter § 434 fallen auch die wirksam n a c h V e r t r a g s s c h l u ß begründeten Rechte; die Vorschrift erfaßt ferner solche Rechte, die erst nach Abschluß des Kaufvertrags oder gar erst nach Auflassung im Wege der Zwangsvollstreckung auf die Kaufsache gelegt worden sind, RG H R R 1929, 293. Der Verkäufer hat auch eine auf Grund einstweiliger Verfügung erst nach Auflassung eingetragene Vormerkung zu löschen, RG 149, 197. § 434 paßt dagegen nicht auf den Fall, daß Rechte Dritter durch einen Vertrag entstehen, den der Käufer selbst nach der Ubergabe zur Unterbringung der Kaufsache abgeschlossen hat, RG J W 1937, 1631 2 ; RG 83, 214. Uber Ausgleichspflicht einer erst nachher durch Aufwertung neu entstandenen Hypothek auf einem bis dahin lastenfreien Grundstücke RG 112, 329; 120, 283; 120, 292. Anm. 4 4. Rechtsfolgen Die NichtVerschaffung eines Gegenstandes frei von Rechten Dritter enthält, wie die NichtVerschaffung des Eigentums oder Rechtes selbst, eine t e i l w e i s e N i c h t e r f ü l l u n g der dem Verkäufer nach §433 obliegenden Verpflichtungen; beruht sie auf Verzug, ist § 3 2 6 Abs. 1 Satz 3 anwendbar, im übrigen §§ 320 ff., 440 und die besondere Vorschrift des § 437 beim Verkauf einer Forderung (RG 28. 9. 21 V 103/21). War der Verkäufer von vornherein dauernd unvermögend, seiner Verpflichtung aus §434 nachzukommen, so haftet er ohne weiteres auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, weil er mit der Pflicht zur Leistung zugleich die Haftung für seine Leistungsfähigkeit übernommen hat (RG 69, 356). Der Käufer kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er den Kaufgegenstand frei von Rechten Dritter erworben hätte (RG 59» 336; J W 1914, 9228). Anm. 5 5. Unanwendbarkeit Grundsätzlich leidet § 434 überhaupt keine Anwendung überall dort, wo der Käufer die Sache nach § 936 auf Grund seines guten Glaubens frei von den Rechten Dritter erwirbt oder wo der Erwerber eines auf Grund einer Pfändung veräußerten Gegenstandes Gewährleistung wegen Mangel im Recht nicht zu beanspruchen hat (ZPO §806 und ZVG §56). Anm. 6 6. Verhältnis zur I r r t u m s a n f e c h t u n g Anders als bei Sachmängeln ist Anfechtung wegen I r r t u m s möglich, RG I I 283/08 15. 1. 09. Anm. 7 7. Rechtsnatur der Zusicherung eines b e s t i m m t e n Hypothekenstandes Die Gewährleistung eines bestimmten Hypothekenstandes ist grundsätzlich ein Versprechen rechtlichen Inhalts, RG 28. 3. 08 V 299/07. Die Belastungsverhältnisse eines Grundstücks können ausnahmsweise auch zugesicherte Eigenschaft sein, RG 2. 5. 06 V 458/05. Anm. 8 II. A n w e n d u n g s b e r e i c h Die Vorschrift ist nicht nur auf den Sachkauf abgestellt, wie § 433, sondern beim Kauf eines jeden Gegenstandes (RG 88, 106), insbesondere den Rechtskauf anwendbar; für ihn gelten außerdem die Vorschriften des § 437. Beim Verkauf von Aktien gehören Belastungen des Vermögens der AG nicht zu den vom Verkäufer zu beseitigenden Rechten, da sie nicht am Kaufgegestand, der Aktie, bestehen, R G 122, 380. 87

§ 434 A n m . 9, 10

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 9 III. Die von § 434 betroffenen Rechte Als Rechte, die von einem Dritten geltend gemacht werden können, kommen an sich nur solche in Betracht, die schon ihrer Beschaffenheit nach die Geltendmachung auch dem Käufer gegenüber gestatten (RG 52, 275). Beim Verkauf eines Fabrikationsgeschäfts mit der Befugnis zur Fortführung der Firma kann aber auch die früher vom Veräußerer eingegangene Verpflichtung, sein Geschäft nur in bestimmter Weise auszuüben, unter § 434 fallen, obwohl diese Beschränkung des Fabrikationsbetriebes nur nach Maßgabe des § 25 HGB gegen den Käufer wirkt, RG 88, 103. Die Verpflichtung des Verkäufers, den Kaufgegenstand dem Käufer frei von Rechten Dritter zu verschaffen, erstreckt sich auf die Freistellung des Käufers von einem Verfahrenspatent, das der vertragsmäßigen Benutzung des Kaufgegenstandes entgegensteht. Auch der einstweilige Patentschutz auf Grund der Bekanntmachung der angemeldeten Erfindung nach § 30 PatG ist ein solches vom Verkäufer zu beseitigendes Fremdrecht, RG DR 1940, 81027. § 434 bezieht sich nur auf solche Belastungen, deren Grund außerhalb des verkauften Gegenstandes liegt und welche Rechten Dritter entsprechen. Da der Geschäftsanteil an einer Gesellschaft m. b. H. die aus der Mitgliedschaft fließenden Einzelrechte und Verpflichtungen in sich umfaßt, die Gesellschaft dem Inhaber des Anteils auch nicht als Dritte gegenübersteht, trifft dies auf Einlagerückstände nicht zu (RG 16. 2. 15 II 553/14). Zu den Dritten gehört auch der K ä u f e r selbst, wenn für ihn ein Recht im Sinne des §434 auf das Grundstück haftet (RG 59, 400). Auch ohne besondere Abmachung haftet der Verkäufer eines bei Vertragsabschluß lastenfreien Grundstücks dafür, daß das Grundstück zur Zeit der Ubereignung frei von Rechten ist (RG 83, 214; 120, 295). Abweichend mit Unrecht RG 99, 60. Außerdem kommt § 440 zur Anwendung und die Grundsätze über die Haftung wegen positiver Vertragsverletzung (RG 9. 3. 07 II 322/06). A n m . 10 1 . Unter §434 fallen alle dinglichen Rechte: Ansprüche aus dem Eigentum, falls ein Nichteigentümer eine fremde Sache verkauft hat; Pfandrechte, Hypotheken, Grundschulden, Auszugsrechte, RG V 308/17 27. 4. 18, Grunddienstbarkeiten, Dienstbarkeiten (RG 66, 328), rheinisches Kellerrecht (RG 56, 258), dingliches Vorkaufsrecht, wirksame und unwirksame (§ 435) Vormerkungen zur Sicherung des Anspruchs auf Bestellung eines Rechtes an einem Grundstück oder einem eingetragenen Recht (RG WarnRspr. 1919 Nr. 95; RG 149, 197; OLG Breslau J W 1926, 2706), Reallasten, das Recht des Nacherben nach §§2113—2115 (WarnRspr. 1912 Nr. 59), Veräußerungsverbote nach §§ 135, 136; Recht des Ehemanns auf Verwaltung und Nutznießung (RG Recht 1921 Nr. 521). Die Verpflichtung des Verkäufers, eine Hypothek zur Löschung zu bringen, wird nicht dadurch unmöglich, daß das verkaufte Grundstück dem Käufer aufgelassen ist (RG 3. 1 1 . 06 V 109/06). Die Verpflichtung besteht, auch wenn der Verkäufer die Belastung nicht gekannt hat, RG 69, 355 oder wenn das Recht erst nach der Auflassung von den Gläubigern im Wege der Zwangsvollstreckung auf das Grundstück gelegt worden ist, RG H R R 1929, 293. Uber den Anspruch gegen den Erwerber auf Leistung eines angemessenen Beitrags zu der vom Veräußerer für die Beseitigung der Hypotheken aufzuwendenden Summe vgl. grundsätzlich RG 112, 329 sowie RG n 8 , 135; 1 ig, 133; 120, 288; 121, 58; 1 2 1 , 1 3 3 (Rücktrittsrecht); 121,330; 122, 149; 122, 383; 123, 166; 124, 164; 126, 13. Bei Grundstücksveräußerungen wird der Veräußerer seiner Verpflichtung zur lastenfreien Übertragung des Grundstücks nicht dadurch enthoben, daß er durch eine während der Inflationszeit bewirkte, auf Grund der späteren Aufwertungsgesetzgebung in ihren Wirkungen wieder aufgehobene Löschung diese Verpflichtung zu erfüllen versuchte. Vielmehr muß er auch die Aufwertungsschuld beseitigen, RG 112, 329; 120, 288; RG J W 1927, g82le. Der Verkäufer b e w e g l i c h e r Sachen, die als Z u b e h ö r eines Grundstücks dem Hypothekengläubiger haften, hat die Hypothek insoweit zu beseitigen, als sie die Zubehörstücke belastet (RG 57, 1; strittig).

88

K a u f . Tausch

§434 A n m . 11—13

A n m . 11 2 . P e r s ö n l i c h e R e c h t e b e g r ü n d e n einen Mangel im Recht, falls sie d e m K ä u f e r gegenüber wirksam sind ( R G 52, 275; 59, 404; 88, 107); so namentlich das Recht z u m Besitz aus M i e t e , P a c h t ( R G W a r n R s p r . 1910 N r . 106; J W 1914, 922); das einseitige R e c h t des Mieters auf Verlängerung des Mietverhältnisses ( J W 1914, 922®) oder auf Ausbesserung der M i e t r ä u m e (SeufTArch. 73, 188), ein d u r c h V o r m e r k u n g gesicherter Anspruch eines Dritten auf Auflassung, R G W a r n R s p r . 1919 N r . 95; R G 149, 197. Weiter das persönliche Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t insofern, als der im Besitz der Sache befindliche Berechtigte die Einwendungen, die er gegenüber d e m Verkäufer hat, auch gegen den K ä u f e r geltend m a c h e n kann (§ 986 Abs. 2); dies ist nicht der Fall, wenn der Spediteur ohne Wissen des Verkäufers die W a r e versichert h a t u n d der K ä u f e r die Erstattung weigert ( R G 62, 3 3 1 ; 99, 56); ferner V e r l a g s r e c h t e , L i z e n z r e c h t e , die Z a h l u n g s s p e r r e zugunsten des Antragstellers; die beschränkten Veräußerungsverbote n a c h § 135. A u c h der schuldrechtliche Anspruch gegen den Verkäufer eines Fabrikgeschäfts, d a ß Betrieb u n d Herstellung gewisser W a r e n in einem bestimmten Bezirk unterbleibe, sowie andere K o n k u r r e n z k l a u s e l n ( R G 88, 103). Dagegen nicht die das Geschäft nichtig m a c h e n d e n Verbote im Sinne von § 134. — Das p e r s ö n l i c h e V o r k a u f s r e c h t fällt nicht unter § 434 ( R G 12. 3. 09 I I 470/08). — Bei V e r ä u ß e r u n g n i c h t v o l l e i n g e z a h l t e r G e s c h ä f t s a n t e i l e e i n e r G. m . b. H . , die Verkäufer u n d K ä u f e r wegen des rückständigen Teiles n a c h § 16 Abs. 3 G m b H G haften läßt, findet § 437 A n w e n d u n g , da die Gesellschaft nicht Dritter n a c h § 434 ist ( R G L Z 08 Sp. 950 7 ). U n t e r die R e c h t e fallen nicht Belastungen des Vermögens der A k t i e n g e s e l l s c h a f t bei d e m Verkauf von Aktien, da die Aktie d e m Berechtigten nur eine rechtlich besonders geordnete Beteiligung verschafft, R G 122, 380. A n m . 12 3 . U n t e r § 4 3 4 fallen auch ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t e u n d B e s c h l a g n a h m e r e c h t e , die geeignet sind, d e m K ä u f e r die Sache zu entziehen oder seinen Besitz zu schmälern; E i n z i e h u n g , V e r f a l l e r k l ä r u n g ( R G m , 88; 105, 273; 105, 390; 106, 350). Nicht die Beschlagnahme als solche, sondern n u r die zu R e c h t ergangene Beschlagnahme ist ein Mangel im Recht. Die zu U n r e c h t erfolgte Beschlagnahme ist ein Zufall, den der K ä u f e r zu tragen h a t ( R G 96, 77; K G M D R 1953, 614). A u c h die rechtmäßige Beschlagnahme einer bereits übergebenen Kaufsache kann, falls die Voraussetzungen f ü r den Eingriff schon beim Eigentumsü b e r g a n g v o r h a n d e n waren, einen Rechtsmangel im Sinne des § 434 darstellen, K G J R 1952, 242; M D R 1953, 614. Die berechtigte Kriegsbeschlagnahme einer Besatzungsbehörde beseitigt das f r ü h e r e Eigentum u n d alle d a r a n h a f t e n d e n R e c h t e ( R G J W 1926, 2842®), so wenn die Reichsstelle die u n e r l a u b t vom Ausland eingeführte W a r e in Anspruch n i m m t ( R G 59, 406; 96, 77; 102, 292), ebenso wegen eines auf der W a r e lastenden Zugriffsrechts des Fiskus wegen unterbliebener Versteuerung ( R G 105, 390). A n m . 13 4 . I m m e r m u ß es sich aber u m s u b j e k t i v e R e c h t s b e f u g n i s s e handeln, die in einem besonderen zivilrechtlichen Titel ihre Grundlage haben, nicht u m Beschränkungen auf G r u n d gesetzlicher Vorschrift selbst, insbesondere des öffentlichen Rechtes. (Anders bei öffentlich-rechtlichen Veräußerungsverboten u n d Beschlagnahmerechten, vgl. oben u n t e r A n m . 12). D e n n solche gesetzlichen Beschränkungen vermag der Verkäufer nicht zu beseitigen, d a er die Gesetze nicht ä n d e r n k a n n . Die aus § 9 1 7 sich ergebende Pflicht zur D u l d u n g eines Notwegs stellt kein R e c h t eines Dritten dar, von d e m der Verkäufer den K ä u f e r g e m ä ß § 434 freizuhalten hätte, R G W a r n . Erg.Bd. I X (1916) N r . 161. B a u b e s c h r ä n k u n g e n auf ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e r Grundlage von Bauordnungen fallen zwar nicht u n t e r § 434, d a sie nicht beseitigt werden können. M a g a u c h § 436 w o r t l a u t g e m ä ß zutreffen, so ist es doch nicht gerechtfertigt, den Verkäufer haftfrei zu lassen; mit R e c h t lassen R G 1 3 1 , 348; 137, 294; 161, 195 die H a f t u n g f ü r Sachmängel eintreten; ebenso R G J W 07, 478°; SeuffArch. 63 Nr. 39 bei baupolizeiwidrigem Zustand des Gebäudes. Rechtsmängel sind: eine die Bebaubarkeit einschränkende Grunddienstbarkeit, R G 69, 356; das Recht, die Bebauung des Nachbargrundstücks zu verbieten,

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§ 434 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 14—18 RG 93, 73. Baubeschränkungen infolge einer Grundgerechtigkeit (RG 69, 356), eines Altenteils, sind Mängel im Recht. Ein auf dem Grundstück eingetragener Auszug ist ein Mangel im Recht (WarnRspr. 1918 Nr. 114). Für nicht e i n g e t r a g e n e Ablösungsrenten hat der Verkäufer Gewähr zu leisten (Gruch. 47, 396; RG 25. 11. 16 V 226/16; 11. 12. 01 V 283/01); desgl. für G r u n d s t e u e r e n t s c h ä d i g u n g s r e n t e n ,

die nach preußischem Recht zwar als öffentliche, aber als eintragungsfähige Lasten gelten (RG 5g, 404). Ein mit r ü c k s t ä n d i g e r Zubuße b e l a s t e t e r Kux ist mit einem Mangel im Recht belastet (RG 6. 5. 03 I 25/03), ebenso eine Maschine, die wegen eines entgegenstehenden Patents unbenutzbar ist (WarnRspr. 1911 Nr. 366) oder durch ein Gebrauchsmusterrecht beschränkt wird (OLG 23, 24). Der Anspruch der Gemeinde auf Leistung der A n l i e g e r b e i t r ä g e4 ist öffentlich-rechtlicher Natur (RG 26.4. 11 V 472/19; OLG Köln J W 1927, 1436 ), ebenso die Seuchensperre über verkauftes Vieh (RG WarnRspr. 08 Nr. 29; SeuffArch. 63 Nr. 153), Veräußerungsverbote und Beschlagnahmen auf Grund von Kriegsverordnungen. Abweichend RG 96, 80. Der p o l i z e i w i d r i g e Zustand eines Grundstücks ist kein Rechtsmangel (RG 24. 1. 23 V 235/22).

Anm. 14 5. Die R ü c k e r s t a t t u n g s p f l i c h t ist von Gesetzes wegen ein Mangel im Recht,

B G H 11, 16, 20ff; 13, 67, 68; 13, 341, 343; 16, 185.

Anm. 15 IV. Grundstückskauf „mit allen Rechten und Lasten" Ist in einem Kaufvertrage bestimmt, daß das Grundstück „mit allen Rechten und Lasten" verkauft werde, so kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Käufer auch eine ihm unbekannte Grunddienstbarkeit übernommen habe (RG 66, 316; 69, 355; WarnRspr. 1911 Nr. 367; J W 1927, 260). Denn unter „Lasten" sind nach dem Sprachgebrauch des BGB nicht Rechte Dritter am Grundstück, sondern Leistungen zu verstehen, die aus dem Grundstück zu entrichten sind. Bei einer so allgemeinen Abrede haftet der Verkäufer für eine dem Käufer unbekannte Grunddienstbarkeit, von Arglist abgesehen, nur dann nicht, wenn die Parteien unter dem Ausdruck „Lasten" nachweisbar auch nicht eingetragene Rechte Dritter verstanden haben, RG 66, 319. Beim Verkauf schlechthin „ l a s t e n f r e i " kann auch eine Verpflichtung nach §434 gemeint sein (WarnRspr. 1916 Nr. 131). Die Verpflichtung des Verkäufers, Rechte Dritter zu beseitigen, braucht beim Grundstückskauf erst im Zeitpunkt der Auflassung erfüllt zu werden (RG 9. 2. 21 V 359/20). Auch im Falle des § 455 erst im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs (RG 83, 214). Bei Einbringung einer Sachgemeinschaft in eine noch zu bildende Gesellschaft bedeutet die Klausel „wie alles steht und liegt" nicht notwendig den Ausschluß von der Verpflichtung nach § 434, RG 30. 1. 25 II 75/24.

Anm. 16 V. Die Annahme der Sache in Kenntnis der Rechtsmängel schließt deren Geltendmachung nicht aus. Der Käufer braucht sie sich nicht vorzubehalten. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn aus der Annahme ein V e r z i c h t zu folgern ist (RG 8. 11. 05 V 138/05).

Anm. 17 VI. Beweislast Wenn der Verkäufer den Mangel im Recht bestreitet, so trifft den Käufer die Beweislast, § 442. Anm. 18 VII. Arglist (§ 443) Ein arglistiges Verschweigen des Rechts eines Dritten kann auch darin liegen, daß der Verkäufer sich den Anschein gibt, er halte es nur für zweifelhaft, RG 75, 436.

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Kauf. Tausch

§ 434 Anm. 19 § 435 Anm. 1—3

Anm. 19 VIII. Streitwert Wenn eine veräußerte Sache dem Erwerber durch einen Dritten entwehrt ist, so ist der vom Erwerber gegen den Veräußerer neben dem Gewährleistungsanspruch geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Prozeßführung mit dem Dritten erwachsenen Kosten eine Nebenforderung nach Z P O § 4 (RG 55, 80).

§435 Der Verkäufer eines Grundstücks oder eines Rechtes an einem Grundstück ist verpflichtet, im Grundbuch eingetragene Rechte, die nicht bestehen, auf seine Kosten zur Löschung zu bringen, wenn sie im Falle ihres Bestehens das dem Käufer zu verschaffende Recht beeinträchtigen würden. Das gleiche gilt bei dem Verkauf eines eingetragenen Schiffs oder Schiffsbauwerks oder einer Schiffshypothek für die im Schiffsregister eingetragenen Rechte. E I 378 II 377; M 2 222; P 1 664.

Anm. 1 Die Vorschrift erweitert die Verschaffungspflicht dahin, daß der Verkäufer auch

materiell nicht mehr bestehende Rechte Dritter, sofern sie im Grundbuch oder im

Schiffsregister formell noch eingetragen sind, zu beseitigen hat, und zwar, wie sich nach dem Verschaffungsprinzip von selbst versteht, auf eigene Kosten, R G 149, 195. Die Löschungspflicht ist eine Hauptleistung, R G 149, 197; bis zur Löschung hat der Verkäufer noch nicht voll erfüllt, und der Käufer braucht die angebotene Auflassung nicht entgegenzunehmen (SeuffArch. 55 Nr. 10). Ist bereits aufgelassen, so gilt § 320 Abs. 2. Der Verzug des Verkäufers rechtfertigt auch die Anwendung des § 326 (RG WarnRspr. 1908 Nr. 613). Diese Vorschrift kann sich der Käufer auch dann zunutze machen, wenn die eingetragenen Rechte nur zweifelhaft sind, da sie ihn von der Verpflichtung nach § 442 befreit. § 326 trifft auch zu, wenn der Verkäufer eine unwirksame Vormerkung nicht beseitigt, R G 149, 197. Voraussetzung ist, daß der Verkäufer die rechtliche Möglichkeit hat, das eingetragene Recht löschen zu lassen, R G 53, 408; 64, 168.

Anm. 2 D a s M i t t e l z u r L ö s c h u n g eingetragener, nicht bestehender Rechte ist der Berichtigungsanspruch nach § 894. Ihn kann der Verkäufer selbst nach Auflassung und Umschreibung des Grundstücks auf den Käufer geltend machen, da das vom Käufer gestellte Löschungsverlangen den Verkäufer ermächtigt, den nach Eigentumsübergang an sich dem Käufer zustehenden Berichtigungsanspruch klageweise im eigenen Namen geltend zu machen, und da eine solche Klageermächtigung, die bei vertraglich übernommener Löschungsverpflichtung anerkannt ist (RG 53, 4 1 1 ; 59, 289; 64, 165; 1 1 2 , 26o),beidergesetzlichenLöschungsverpflichtung(§435) nicht unzulässig sein kann. Die Vornahme der Berichtigung kann nach Maßgabe der §§ ig, 22, 27, 13 Abs. 2 GBO erreicht werden. § 435 greift auch gegenüber Eintragungen ein, die schon ihrem Inhalt nach unzulässig sind (RG 88, 22). Dasselbe gilt gegenüber unwirksamen Vormerkungen, R G 149, 197. Das gilt selbst dann, wenn der Käufer eine solche Vormerkung kraft einer für ihn eingetragenen rangbesseren Auflassungsvormerkung beseitigen könnte, R G 149» *97"

Anm. 3 Die Fassung des Abs. 2 beruht auf der DV zum SchiffsG v. 21. 12. 1940.

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§436

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1—5

§436 Der Verkäufer eines Grundstücks haftet nicht für die Freiheit des Grundstücks von öffentlichen Abgaben und von anderen öffentlichen Lasten, die zur Eintragung in das Grundbuch nicht geeignet sind. E I 371 II 378; M 2 215; P 1 656.

Anm. 1 Der Zweck der Vorschrift ist, die Tragweite der §§ 434 u. 435 klarzustellen und die daraus etwa zu ziehenden Folgerungen zu beschränken. Sie ist auch auf den Verkauf eines Rechtes an einem Grundstück entsprechend anzuwenden, bezieht sich dagegen nicht auf Verkäufe von beweglichen Sachen und anderen Gegenständen, bei denen gleichfalls öffentliche Abgaben vorkommen können (RG 105, 391). Gegen diese enge Beschränkung H e c k J W 1923, 176 allerdings mit beachtlichen Gründen. § 436 wiederholt die Bestimmung des § 435 Abs. 2 nicht. Die Vorschrift enthält kein zwingendes Recht (RG BayZ 1906, 361; H R R 1932, 441).

Anm. 2 Welche Lasten als öffentliche zu gelten haben, bestimmt sich nach Landesrecht. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind öffentliche Lasten nur Leistungen, die aus dem Grundstück zu entrichten sind und daher dessen Nutzungen mindern (RG 66, 316; 72, 397), wie Abgaben und sonstige fortlaufend gleichmäßig zu entrichtende Leistungen öffentlich-rechtlicher Art, nicht aber Ausgaben zu rein privatwirtschaftlichen Zwecken (JW 1914, 868 8 ). Dagegen ist nicht immer für den öffentlichen Charakter der Abgaben entscheidend, daß sie auch öffentlich-rechtlichen Ursprungs sind (RG SeuffBl. 68, 277). Der Ausdruck „Belastungen" umfaßt dagegen alle Rechte Dritter am Grundstück (§434; R G J W 1915, 241 4 ). I m übrigen ist es Sache der Auslegung festzustellen, was die Parteien unter dem Ausdruck „Lasten" oder „Lastenfreiheit" verstanden haben (RG 66, 319; RG WarnRspr. 1916 Nr. 131). Der Wille des Käufers, alle Kosten zu übernehmen, umfaßt begrifflich auch die Übernahme der dem Käufer unbekannten Beträge, sofern diese zu den in seinem Sinne gedachten Kosten gehören. RG V 232/10 12. 12. 10.

Anm. 3 I m einzelnen g e h ö r e n hierher: G r u n d s t e u e r n , H a u s z i n s s t e u e r n , k o m m u n a l e A b g a b e n , S t r a ß e n a n l i e g e r b e i t r ä g e (RG 42, 276; 70, 263), S t r a ß e n b a u k o s t e n (RG 67, 244; O L G Köln J W 1927, 1436 4 ; H R R 1932, 1560; O L G München D R 1942, 297; S t r a ß e n g r u n d e r w e r b s k o s t e n (RG 67, 244), K i r c h e n - u n d S c h u l b a u l a s t (RG 43, 206), P a t r o n a t s l a s t (RG 65, 1 ; 70, 263). Abgeltungslast nach der V O über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer v. 31. 7. 42, RGBl. I, 501. N i c h t gehören h i e r h e r : die p r e u ß i s c h e n R e n t e n b a n k r e n t e n (RG J W 02, 69), die s ä c h s i s c h e L a n d e s k u l t u r r e n t e SeuffArch. 73, 9), die G r u n d s t e u e r e n t s c h ä d i g u n g s r e n t e , RG 59,100, die W e r t z u w a c h s s t e u e r (RG 72,395), die G r u n d e r w e r b s t e u e r (RG 75, 208), die A b l ö s u n g s r e n t e n d e r R e n t e n b a n k e n (RG 59, 100; Gruchot 47, 396), der D o m ä n e n z i n s (Neumanns J a h r b . 7, 196), die I n d u s t r i e b e l a s t u n g nach dem Ges. v. 30. 8. 24 (RGBl. I I 257), RG 127, 130.

Anm. 4 öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen sind als Sachmängel zu beurteilen (RG 131, 343 [348/49] m. w. Nachw.; 137, 294; 161, 195).

Anm. 5 Der Verkäufer haftet für die Hypothekengewinnabgabe und U m s t e l l u n g s grundschulden nach § 123 Abs. 2 LAG, obwohl es sich dabei um öffentliche Lasten handelt (§111 LAG).

92

K a u f . Tausch

§ 4 3 6 A n m . 6, 7

§ 437 Anm. 1,2

Anm. 6 Über Verteilung d e r L a s t e n zwischen Verkäufer und K ä u f e r §§ 449, 103.

Anm. 7 Auf r ü c k s t ä n d i g e öffentliche A b g a b e n bezieht sich die Vorschrift nicht (Mot. zu Entw. I, 7a).

§437 Der Verkäufer einer Forderung oder eines sonstigen Rechtes haftet für den rechtlichen Bestand der Forderung oder des Rechtes. Der Verkäufer eines Wertpapiers haftet auch dafür, daß es nicht zum Zwecke der Kraftloserklärung aufgeboten ist. E I 298 II 379; M j 125; P 1 386, 669.

Ubersicht I. Die Bedeutung der Vorschrift I I . Inhalt der Haftung 1. Allgemeines 2. Einzelfragen 3. Nebenrechte I I I . Keine Haftung für die Güte der Forderung I V . Maßgebender Zeitpunkt V . Erfüllungsort V I . Übertragung ganzer Vermögensmassen V I I . Haftungsumfang V I I I . Wertpapiere 1. Absatz 1 a) Haftung für den rechtlichen Bestand . . . .' b) nicht für Güte c) Kaufgegenstand d) Einzelheiten e) Haftungsausschluß 2. Absatz 2 I X . Verjährung X . Handelsbrauch

Anm. 1

Anm.

:

1—3 4—10 4—8 9 10 11—14 15, 16 17 18 19, 20 21—27 21—26 22 23 24 25 26 27 28 29

I. Die Bedeutung der Vorschrift

Das Bürgerliche Gesetzbuch behandelt den K a u f einer Sache und den K a u f eines Rechtes als zwei gesonderte Arten des K a u f s und gibt für jede dieser beiden Kaufarten besondere Vorschriften, R G 90, 240, 243. Während der Verkäufer einer Sache dem K ä u f e r dafür haftet, daß sie zur Zeit des Gefahrübergangs nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern (§ 459), haftet der Verkäufer einer Forderung oder eines sonstigen Rechtes für den rechtlichen Bestand der Forderung oder des Rechtes (§437). §459 ist auf den K a u f e i n e r Forderung oder eines Rechtes unanwendbar, R G 56, 2 5 5 ; 63, 60; 90, 2 4 3 ; das gilt auch von dem K a u f von Rechten an Sachen ( R G WarnRspr. 1909, 5 2 8 ; 1 9 1 5 , 2 7 5 ; R G 103, 49; J W 1904, 403 2 ; 1 9 1 2 , 1 3 7 1 0 ; 1 9 1 2 , 724 4 ), §493 rechtfertigt insoweit kein anderes Ergebnis ( R G H R R 1930, 608; a. A. F l u m e , Eigenschaftsirrtum und K a u f 1 7 7 f f ) .

Anm. 2 Der G r u n d d e r H a f t u n g des Verkäufers liegt sowohl bei der Sachmängel- wie bei der Rechtsmängelhaftung darin, daß die Leistung des mangelhaften Kaufgegenstandes

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§ 437 Anm. 3—6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

der Kalifvereinbarung nicht entspricht. Der Verkäufer haftet, weil die von ihm bewirkte Leistung nicht dem Inhalt der vereinbarten Leistungspflicht entspricht. Nach § 433 Abs. i Satz 2 ist der Verkäufer eines Rechts verpflichtet, dem Käufer das Recht zu verschaffen, und zwar nach § 434 frei von Rechten Dritter. Kommt dem der Verkäufer nicht nach, so haftet er nach den §§ 437, 440, 323. Entgegen RG 68, 293; 73, 210; SeuffArch. 65, 96; H R R 1932, 440 bedarf es nicht der Annahme eines stillschweigenden Garantievertrages, um die Haftung des Verkäufers für den Bestand des verkauften Rechtes zu erklären. Anm. 3 §433 Abs. 1 S a t z 2 setzt n i c h t v o r a u s , daß das v e r k a u f t e R e c h t schon besteht. Es kann auch eine noch nicht bestehende Forderung und ein noch nicht existentes Recht verkauft werden (vgl. §433 Anm. 137). In diesem Falle hat sich der Verkäufer den verkauften Gegenstand zu beschaffen, um erfüllen zu können. Gelingt ihm das nicht, so haftet er wegen Nichterfüllung seiner Verschaffuungspflicht (vgl. § 440 Anm. 8, 14 und unten Anm. 19, 20); anders als beim Verkauf einer nicht existierenden Sache ist § 306 weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, weil § 437, ausgehend von der Annahme, daß Unvermögen die Gültigkeit eines Vertrages nicht berührt (RG86, 2 1 3 ; 90, 244), den Verkäufer schlechthin auf das Erfüllungsinteresse für den Bestand des verkauften Rechts oder der verkauften Forderung haften läßt (RG 68, 293; 73, 210; 92, 73). So haftet der Verkäufer nichtiger Kuxe für den Bestand des verkauften Rechts (RG 73, 210; 92, 73, 76); oder der Verkäufer einer Hypothekenforderung dafür, daß die Hypothek besteht (RG 90, 240); ferner der Verkäufer nicht bestehender, aber begründbarer Warenzeichenrechte (RG 86, 210). Eine o b j e k t i v u n m ö g l i c h e L e i stung macht dagegen den Vertrag nichtig (§ 306); so liegt es, wenn ein Recht des vereinbarten Inhalts überhaupt nicht entstehen kann; alsdann greift §437 nicht ein (RG 68, 292; Verkauf eines rechtlich überhaupt nicht schutzfähigen Gebrauchsmusters; RG J W 1932, 1836 1 1 : Verkauf einer Lizenz, die rechtlich unmöglich zur Entstehung gelangen kann, vgl. auch RG 78, 10). II. Inhalt der Haftung Anm. 4 1. Allgemeines Der Verkäufer haftet für den Bestand des Rechtes oder der Forderung. Das bedeutet ein Einstehen dahin, daß eine Forderung oder ein Recht so, wie sie verkauft sind, rechtlich bestehen oder zur Entstehung kommen. Der Verkäufer hat, wenn er das Recht oder die Forderung nicht verschafft, dem Käufer das zu gewähren, was er gehabt hätte, wenn ihm das Recht oder die Forderung verschafft, worden wäre. Anm. 5 §437 bezieht sich nur auf den Z e i t p u n k t des K a u f v e r t r a g s , §439 Abs. 1. Besteht das Recht zur Zeit des Vertragsschlusses, geht es aber vor seiner Übertragung unter oder wird es in seinem Bestände so verändert, daß seine Übertragung nicht mehr als Erfüllung gelten kann, so richten sich die Rechte des Käufers nicht nach § 437, sondern nach den Regeln über nachträgliche Unmöglichkeit oder nachträgliches Unvermögen (RG 143, 22; RG Recht 1932 Nr. 638 = SeuffArch. 86 Nr. 164). Sind z. B. Aktien verkauft und ist über das Vermögen der A G vor Erfüllung des Vertrages das Konkursverfahren eröffnet worden, so wird dadurch der rechtliche Bestand des Aktienrechts beeinträchtigt; der Käufer kann sich zwar nicht auf § 437 berufen, er kann aber gemäß § 323 die Gegenleistung verweigern, falls sich aus den Parteivereinbarungen nicht das Gegenteil ergibt, RG 143, 20, BGH 24, 279, 297. Anm. 6 Der Verkäufer hat nicht nur dafür einzustehen, daß die Kaufsache nicht mit bereits vorhandenen Rechten Dritter belastet ist, sondern auch dafür, daß R e c h t e , die erst in der E n t s t e h u n g b e g r i f f e n sind (z. B. noch nicht bekannt gemachte Patentanmeldungen, vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 PatG), den Gebrauch der Kaufsache nicht hindern, RG G R U R 1940, 265, 267; BGH 8, 233.

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Kauf. Tausch

§437 A n m . 7—9

Anm. 7 Dem Mangel am rechtlichen Bestand kommt gleich der M a n g e l an der M ö g l i c h keit der G e l t e n d m a c h u n g des Rechts, z. B. eine über ein Wertpapier verhängte Z a h l u n g s s p e r r e (RG 109, 297). Ist eine Forderung als zweifelhaft abgetreten, so kommt es darauf an, ob sich der Zweifel auf das Recht bezieht (dann ist die Haftung ausgeschlossen, RG WarnRspr. 1911 Nr. 171), oder auf die Güte und Eintreibbarkeit der Forderung (dann bleibt die Haftung für den Rechtsbestand bestehen). Wer z. B. statt der verkauften 5%igen Hypothek nur eine zu 4V 2 % abtritt, haftet nach § 437, denn die Hypothek besteht nicht in der Art, wie sie verkauft wurde (RG 12. 12. 06 V 205/06). Anm. 8 Die Haftung bezieht sich auch auf die v e r e i n b a r t e n E i g e n s c h a f t e n des v e r k a u f t e n R e c h t s ( F l u m e aaO 47). Das gilt insbesondere von dem grundbuchbuchmäßigen Rang des Rechts (RG H R R 1934, 1009: „Der Rang einer Grundschuld bildet eine rechtliche Eigenschaft, für welche der Verkäufer des Rechts nach § 437 einzustehen hat", a. A. RG 1 2 1 , 129). Aus dem D i s k o n t g e s c h ä f t haftet der Wechselveräußerer gemäß § 437 für den rechtlichen Bestand der Wechselforderung, gleichgültig, ob in der Diskontierung selbst oder in dem zugrunde liegenden Geschäft ein Kauf zu finden ist (RG 93, 26); dies gilt auch dann, wenn einer der Wechselverpflichteten den Wechsel veräußert hat (RG 9. 11. 18 V 205/18). Anm. 9 2. Einzelfragen Eine besondere z i v i l r e c h t l i c h e H a f t u n g f ü r den E i n g a n g der S c h e c k s u m m e übernimmt der Verkäufer, der zugleich Aussteller ist, nicht (RG 1 1 2 , 46). Der Verkäufer eines P a t e n t s haftet für die richtige Erteilung des Patents durch das Patentamt, R G 78, 365, er hat die zur Eintragung nötigen Papiere dem Käufer auszuhändigen, RG 120, 284; entsprechende Haftung tritt ein für ein i m m a t e r i e l l e s G u t , das wirtschaftlich einem patentrechtlich geschützten gleichsteht (JW 1913, 86'). Verleiht der Patentinhaber einem anderen eine ausschließliche L i z e n z , so ist damit nicht die Gewähr für das Nichtbestehen von Vorbenutzungsrechten übernommen; das Vorbenutzungsrecht des Dritten berührt nicht den „rechtlichen Bestand" des Patents; mag man einen „Mangel im Recht" annehmen, so erscheint es doch ausgeschlossen, hieran die Folge zu knüpfen, daß der Lizenzgeber für das Nichtbestehen des Vorbenutzungsrechts voll aufzukommen hätte, denn es gehört zur gesetzlichen Natur jedes Patents, sich gegenüber einem Vorbenutzungsrecht nicht durchsetzen zu können; es ist aber zu prüfen, ob dem Lizenznehmer noch das Festhalten am Vertrag zugemutet werden kann oder ob seine Leistung bei Aufrechterhaltung des Vertrages nicht angemessen herabgesetzt werden muß (RG 78, 365). Uber Verkauf eines G e h e i m v e r f a h r e n s R G 82, 155; B G H 16, 172. Wenn mit e i n e m G r u n d s t ü c k ein d a m i t v e r b u n d e n e s R e c h t v e r k a u f t ist, haftet der Verkäufer für das Vorhandensein des Rechtes (RG 83, 198: Mitverkauf einer Abdeckereigerechtigkeit; RG 4. 7. 14 V 91/14: Mitverkauf einer Flößereigerechtigkeit; RG WarnRspr. 1914 Nr. 283: Fortführung des Rechtes der Bezeichnung „Hofapotheke"; RG 96, 89; 96, 227; L Z 08 Sp. 950. Wird beim Verkaufeines Gutes das Recht, auf einem Nachbargut eine Feldbahn zu halten, als fortdauernd bestehend mitverkauft, so haftet der Verkäufer auf das Erfüllungsinteresse (RG 73, 210; 83, 200; 93, 73). D i e k ä u f l i c h e Ü b e r n a h m e der Rechte und Pflichten aus einem Pachtvertrag ist Rechtskauf, nicht Sachkauf, R G H R R 1932, 440. Wissentlich falsche Zusicherungen über den Umfang der Pachtländereien und über das Bestehen und den Umfang mitübertragener Rechte (Jagd, Versicherungen) und deren Rechtsfolgen sind nicht nach den Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 fr, sondern nach den Rechtsgrundsätzen über den Rechtskauf (§§ 433, 437, 440, 320ff.) zu beurteilen; der getäuschte Käufer kann im Falle des Unvermögens des Väufers die Leistung des Erfüllungsinteresses fordern (RG 60, 60; 68, 292; 69, 355; 73, 2iof).

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§ 437 Anm. 10, 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Wenn auch eine G r u n d d i e n s t b a r k e i t als Grundstücksbestandteil gilt, §96, so ist sie doch ihrem Wesen nach ein Recht; der Verkäufer eines Grundstücks haftet daher nach §437 für das Nichtbestehen einer zugesicherten Grunddienstbarkeit, RG 93, 71. Der entgeltliche E r w e r b v i n k u l i e r t e r Namensaktien ist Kauf; wird die Zustimmung zur Übertragung der Aktien versagt, so hat der Käufer keinerlei Rechte aus dem Kauf, auch nicht aus §437 (RG 132, 157; O. M ö h r i n g BB 1953, 773; vgl. §433 unter Anm. 128). Der G e s e l l s c h a f t e r , der ein Recht als S a c h e i n l a g e einzubringen hat, haftet, wenn das Recht nicht besteht, RG 94, 210. Der K a u f e i n e s GmbH-Geschäftsanteils ist Rechtskauf; der Verkäufer haftet daher nur für den rechtlichen Bestand des Mitgliedschaftsrechts; er kann aber eine vertraglich darüber hinausgehende Haftung übernehmen, R G 171, 93. § 437 greift ein, falls der Erwerber für die bei Anmeldung der Gesellschaft rückständigen gesellschaftlichen Leistungen gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG einstehen muß, R G 10. 4. 08 II 621/07. Das gleiche gilt beim Verkauf eines Genossenschafts- oder GmbH-Anteils, wenn wegen Nichterfüllung von Einlageverpflichtungen die Ausschließung möglich ist. Der Verkauf sämtlicher G e s c h ä f t s a n t e i l e einer GmbH ist in der Regel dagegen als Verkauf des Unternehmens anzusehen (vgl. § 433 Anm. 130). Deshalb haftet der Verkäufer für Sach- und Rechtsmängel so, wie wenn er das Unternehmen selbst verkauft hätte; besteht beim Verkauf sämtlicher Anteile an einer Grundstücks-GmbH das ganze Vermögen der Gesellschaft in einem Grundstück, so sind die darauf lastenden Hypotheken als Belastungen des Unternehmens selbst anzusehen und der Verkäufer in entsprechender Anwendung der §§ 434, 499 Abs. 2 zu ihrer Beseitigung verpflichtet, R G 120, 287; 122, 381; 124, 164; 150, 401 ; J W 1930, 37407, DR 1944, 4851. Der Grundsatz, daß der Verkauf aller Aktien einer AG oder aller Geschäftsanteile einer GmbH als ein Verkauf des von der AG oder GmbH betriebenen Unternehmens selbst anzusehen ist und als solcher den Gewährleistungsansprüchen aus § 459 unterliegt, läßt sich nicht auf Fälle übertragen, in denen nur ein größerer Teil der Aktien oder Geschäftsanteile übertragen wird, R G DR 1944, 485 1 , R G 120, 287; 122, 381. Dagegen haftet beim gleichzeitigen Verkauf sämtlicher GmbH-Anteile auch derjenige Verkäufer, der einen einzigen Anteil verkauft hat, wie beim Verkauf des ganzen Unternehmens für dessen Rechts- und Sachmängel, OLG Hamburg MDR 1953, 49. Der Verkäufer der R e c h t e aus dem Meistgebot haftet nicht für Fehler des versteigerten Grundstücks, R G 150, 397; dieser Fall steht dem Verkauf aller Geschäftsanteile einer Grundstücks-GmbH nicht gleich, da der Meistbietende anders als der Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile einer Grundstücks-GmbH keinen beherrschenden Einfluß auf das Grundstück hat. § 437 ist auch beim A u s z a h l u n g s g e s c h ä f t anwendbar, der Verkäufer haftet hier für den Bestand des Guthabens so, wie es begründet werden soll. Anm. 10 3. Nebenrechte Die Haftung erstreckt sich auch auf Nebenrechte (Bürgschaften, Pfandrechte, Hypotheken; §401: R G 56, 253; 68, 293; go, 244; 93, 71). Bei der Veräußerung von Aktien begründet die Zusicherung von Nebenrechten, z. B. daß die Dividende durch Hinterlegung von Wertpapieren gedeckt sei, eine Haftung aus § 437, es handelt sich hier nicht um die Zusicherung einer Eigenschaft (RG 56, 255). Die Zession der Forderung ergreift nicht ohne weiteres den Gewährleistungsanspruch; der die abgetretene Forderung betreffende Gewährleistungsanspruch kann aber noch nachträglich abgetreten werden, R G 25. 3. 05 V 74/05. Auch die Abtretung nach bereits eingetretener Haftungspflicht ist möglich (RG 72, 138; Gruchot 49, 906). III. Keine Haftung für die Güte der Forderung oder die Verwertbarkeit des Rechtes

Anm. 11 Von Gesetzes wegen haftet der Verkäufer einer Forderung nicht für ihre Einbringlichkeit; ebensowenig haftet der Verkäufer eines Rechts dafür, daß es verwertbar ist.

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Kauf. Tausch

§437

Anm. 12—15 Der Verkäufer kann sich hierzu aber besonders verpflichten. Der Zedent haftet nicht für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners, es sei dehn, daß er die Haftung ausdrücklich übernommen hat (§ 438), der Verkäufer eines Patents zwar dafür, daß es nicht ganz oder teilweise nichtig ist, aber nicht für die Brauchbarkeit der Erfindung; der Verkäufer eines Mitgliedschaftsrechts haftet für den Bestand, nicht für den Ertrag aus dem Recht. Die Zusicherung: „die Hypothek ist gut" legt der Hypothek die Eigenschaft bei, daß sie innerhalb des Wertes des belasteten Grundstücks ausgeht (RG 25. 1 1 . 03 V 228/03; Gruchot 48, 343); für die p e r s ö n l i c h e Zahlungsfähigkeit des Schuldners wird dadurch keine Haftung übernommen (OLG 36, 35). Anm. 12 Anders als beim Sachkauf (§ 459) haftet der Verkäufer beim Rechtskauf kraft Gesetzes auch nicht für E i g e n s c h a f t e n des verkauften Rechtes oder der verkauften Forderung (RG 56, 255; 73, 136; 1 1 2 , 46; J W 1912, 7424). Auch eine entsprechende Anwendung des § 459 findet nicht statt, da das Gesetz den Sachkauf und den Rechtskauf besonders geregelt hat (RG 63, 60). Aber auch insoweit kann eine Haftung durch besonderen G a r a n t i e l e i s t u n g s v e r t r a g übernommen werden. Dazu gehört, daß sich beide Teile bewußt sind, daß das Einstehen für die zugesicherte Eigenschaft einen Teil der vertragsmäßigen Leistung bildet. Eine solche Verpflichtung ist eine Nebenverpflichtung des Kaufvertrags, keine Bürgschaft, und bedarf nicht der Schriftform (§438), R G 29. 1 1 . 16 V 300/16. Anm. 13 Hat sich der Käufer die Beschaffenheit des gekauften Rechts anders vorgestellt, als sie in Wirklichkeit ist, hat er sich insbesondere über den Rang, die Verzinslichkeit, Fälligkeit oder Unkündkarkeit der gekauften Grundschuld g e i r r t , so kann er den Kauf nach § 1 1 9 Abs. 2 anfechten, da diese Vorschrift nicht bloß den Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache (§ go) betrifft, sondern jeden Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften des Erklärungsgegenstandes, R G 149, 235, 238. Wenn der Käufer einer Hypothek das Nichtbestehen der gesicherten Forderung kennt, entfällt die Haftung für den rechtlichen Bestand sowohl für die Forderung als für die Hypothek, RG 81, 260. Anm. 14 Bei den sog. g e w a g t e n G e s c h ä f t e n , wie der Kauf von gewerblichen Schutzrechten (Patenten usw.) muß der Käufer gegebenenfalls mit dem Vorliegen entgegenstehender Ansprüche (z. B. Abhängigkeit von Patenten) rechnen.

Anm. 15

IV. Maßgebender Zeitpunkt

Die Haftung bezieht sich auf den Z e i t p u n k t des A b s c h l u s s e s des K a u f v e r t r a g s , RG 143, 22. Das folgt aus § 439, wonach der Verkäufer einen Mangel im Recht dann nicht zu vertreten hat, wenn der Käufer ihn beim Abschluß des Vertrages kennt. Damit soll jedoch nur gesagt sein, daß der Inhalt und der Umfang der Vertretungspflicht, die der Verkäufer durch Abschluß des Kaufvertrags übernimmt, nach dem Zeitpunkt dieses Abschlusses bestimmt wird. Nach ihm bemißt sich die Verschaffungspflicht. Die Eigenart des auf den Verkauf eines Rechts gerichteten Vertrags läßt jedoch den Verkäufer auch noch über die unmittelbare Erfüllung hinaus haften. Die Vertragspflicht des Zedenten erreicht mit dem Vollzug der Abtretung nicht notwendig ihr Ende (RG i n , 298); es können sich auch noch gewisse Nachwirkungen der vertraglichen Bindung ergeben (vgl. Bern. 2 b vor §433). Die F o l g e n der N i c h t V e r s c h a f f u n g regeln sich nach §440. §437 begründet keine dem § 459 entsprechnde Gewährleistungspflicht für den Zustand des Rechtes oder der Forderung. Die Haftung tritt nicht ein, wenn die F o r d e r u n g als z w e i f e l h a f t verkauft worden ist (RG L Z 1 9 1 1 , 297; O L G Königsberg H R R 1940, 735). 7

Komm. z. BGB, II. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 437 A n m . 16—22

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 16 Beim Verkauf einer k ü n f t i g e n F o r d e r u n g erstreckt sich die Haftung nach dem Parteiwillen im Zweifel auf den Bestand zur Zeit der Fälligkeit (OLG 20, 173). A n m . 17

V

' Erfüllungsort

Erfüllungsort für die sich aus § 437 ergebende Gewährleistungspflicht, insbesondere für etwaige Schadensersatzansprüche ist nicht der Erfüllungsort der abgetretenen Forderung, sondern der Wohnsitz des Verkäufers (JW 01, 640). ^ ^

jg

VI. Übertragung ganzer Vermögensmassen

Auf den Verkauf einer ganzen Vermögensmasse oder eines einheitlichen geschäftlichen Unternehmens ist § 437 nicht anwendbar, auch nicht entsprechend. Werden aber einzelne Rechte oder Forderungen als Bestandteile einer ganzen Vermögensmasse oder eines Unternehmens mit diesem zusammen abgetreten, so ist § 437 auf die Einzelrechte anwendbar. Denn nur die rechtlich bestehenden bilden einen Bestandteil des Unternehmens und der Vermögensmasse. Der Rechtsmangel eines Bestandteils kann auch einen Eigenschaftsmangel des Unternehmens nach § 459 darstellen. Werden die sämtlichen Anteilsrechte an einer Aktiengesellschaft oder GmbH einem und demselben Käufer verkauft, so haftet der Verkäufer nicht bloß für den rechtlichen Bestand der verkauften Geschäftsanteile (§§ 434, 439), sondern auch für Sach- und Rechtsmängel des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens, denn in der Regel ist der Verkauf sämtlicher Anteilsrechte zugleich als eine Veräußerung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens anzusehen (RG 120, 287; 122, 381; 124, 164; 150, 401; J W 1930, 3740 7 ; DR 1944, 485 1 ); soll zu dem Vermögen der Gesellschaft ein Recht gehören, das ihr aber in Wirklichkeit nicht zusteht, so hat der Käufer die Rechte aus § 459 (aA RG 86, 184, 186). jg VII. Haftungsumfang Kann der Verkäufer das verkaufte Recht oder die verkaufte Forderung dem Käufer nicht verschaffen, so ist er zum Schadensersatz wegen N i c h t e r f ü l l u n g verpflichtet (vgl. § 440 Anm. 8, 9). Er kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei gehöriger Erfüllung gestanden haben würde. A n m . 20 Das E r f ü l l u n g s i n t e r e s s e besteht nicht im Kaufpreis, sondern im Wert der gekauften Forderung oder des gekauften Rechts. Dafür ist die Zahlungsfähigkeit des Schuldners oder die Verwertbarkeit des Rechts maßgebend. K a u s a l z u s a m m e n h a n g ist erforderlich, RG Recht 1917 Nr. 1975, M i t v e r s c h u l d e n ist möglich, BGH 8, 222, 234/35VIIL A n m . 21 Wertpapiere 1 . Für Wertpapiere gelten dieselben Grundsätze, die A b s a t z 1 für andere Rechte und Forderungen aufstellt. Das folgt aus Absatz 2: „Der Verkäufer eines Wertpapiers haftet auch dafür, daß . . ." A n m . 22 a) Der Verkäufer haftet also für den rechtlichen Bestand. Er haftet daher z. B., wenn die verkaufte Inhaberschuldverschreibung der staatlichen Genehmigung ermangelt (§ 795), wenn das verkaufte Wertpapier wegen Nichtbeachtung wesentlicher Formerfordernisse (z. B. Art. 1, 2, 75, 76 WG) kein Recht oder nicht das versprochene Recht gibt, wenn über das verkaufte Papier eine Zahlungssperre (§ 1019 ZPO; RG 109, 298) verhängt ist, wenn es ausgelost oder gekündigt ist, wenn das Papier falsch oder gefälscht ist (OLG Königsberg J W 1924, 1382) oder wenn Aktien oder Zwischenscheine entgegen § 34 Abs. 4 AktG vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben werden. 98

Kauf. Tausch

§437 Anm. 23—26

Dagegen können Vorgänge, die das in der Urkunde verkörperte Schuldverhältnis zum Erlöschen bringen, dem berechtigten Inhaber gegenüber nur dann geltend gemacht werden, wenn sie aus der Urkunde selbst hervorgehen §§ 793, 796). Der Verkäufer eines Wertpapiers hat dagegen auch dafür einzustehen, daß dem Käufer das zunächst erlangte Eigentum nicht durch gesetzliche Maßnahmen wieder entzogen wird, falls diese Maßnahmen in tatsächlichen Verhältnissen wurzeln, die zur Zeit des Kaufabschlusses bereits bestanden und eine gesetzliche Regelung der dann getroffenen Art (Wertpapierbereinigungsgesetz) erwarten ließen, B G H 8, 222, 233.

Anm. 23 b) Der V e r k ä u f e r h a f t e t n i c h t f ü r d i e G ü t e des v e r k a u f t e n W e r t p a p i e r s . Deshalb haftet der Verkäufer einer Aktie nicht dafür, daß ihre Ertragsfähigkeit oder ihr Kurs bestehen bleibt (RG 59, 243; WarnRsp. 09 Nr. 502).

Anm. 24 c) K a u f g e g e n s t a n d ist das in d e m P a p i e r v e r k ö r p e r t e R e c h t (RG 59, 244; 56, 253; 109, 279; J W 09, 492 14 ). Der Verkäufer haftet daher auch dafür, daß er dem Käufer die Befugnis zur Geltendmachung des verbrieften Rechts verschafft (RG 1, 292; 10, 170; 38, 158; 108, 3 1 7 ; 109, 297; Gruchot 67, 199) oder daß gattungsmäßig verkaufte Banknoten nicht gefälscht sind (RG J W 1923, 179). Die Zusicherung einer Dividendengarantie ist keine Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2, sondern erweitert den Verkauf der Aktie, einen Rechtskauf, um das versprochene Nebenrecht und begründet die Haftung aus § 437 (RG 56, 253). A b e r a u c h das P a p i e r als k ö r p e r l i c h e S a c h e ist K a u f g e g e n s t a n d . Ein Mangel, der zur Urkunde als solcher in Beziehung steht, das Wertpapier als Sache betrifft, löst die Sachmängelgewähr (§ 45g) aus. Das ist der Fall, wenn das Papier zerrissen, sonst schadhaft oder unlesbar ist oder wenn ein Teil von ihm fehlt. Alsdann kann nur Wandlung und nicht Lieferung einer mangelfreien Urkunde und auch nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden. So liegt es auch, wenn am Bankschalter gefälschte ausländische Banknoten umgetauscht werden, denn dann sind ganz bestimmte Stücke Gegenstand des Kaufs; der Spezieskauf von Banknoten ist Sachkauf, so daß § 459 und nicht § 437 anwendbar ist, R G 10g, 279.

Anm. 25 d) E i n z e l h e i t e n . Bei der Veräußerung eines G m b H - G e s c h ä f t s a n t e i l s ist die unterbliebene Volleinzahlung Mangel im Recht, R G 96, 227 (vgl. auch oben unter Anm. g). Der Verkäufer eines S c h e c k s haftet nach §437 dafür, daß der Scheck nicht zum Zwecke der Kraftloserklärung aufgeboten ist; er haftet im übrigen aber nur, wenn in rechtsgültiger Form scheckrechtliche Ansprüche begründet worden sind (RG 1 1 2 , 48). Aber nicht jede Schecküberlassung gegen Zahlung ist Kauf, sondern nur, wenn aus dem Scheck neben dem Aussteller noch ein Dritter haftet. Jedenfalls haftet Verkäufer nur für den Bestand, nicht für die Güte des Schecks. Beim W e c h s e l d i s k o n t g e s c h ä f t haftet der Verkäufer nicht für eine spätere Verschlechterung der Valuta, R G 142, 28. Es haftet aber der Verkäufer für den rechtlichen Bestand der Wechselforderung selbst, gleichgültig, ob in der Wechseldiskontierung selbst oder in dem zugrunde liegenden Geschäft ein Kauf zu finden ist, R G g3, 26. Dies gilt auch dann, wenn einer der Wechselverpflichteten den Wechsel veräußert hat, R G 9. 1 1 . 18 V 205/18.

Anm. 26 e) H a f t u n g s a u s s c h l u ß . Wird ein Wertpapier zur Kapitalanlage oder in spekulativer Absicht gekauft, so wird der Zweck, den der Käufer mit dem Geschäft verfolgt, vereitelt, wenn das im Wertpapier verkörperte Recht einen Mangel aufweist; der Käufer ist hierfür grund7

99

§ 4 3 7 A n m . 27—29 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 438 A n m . 1 sätzlich verantwortlich. Diese Haftung kann aber durch die besonderen Umstände ausgeschlossen sein. Das ist der Fall, wenn der Käufer über den Ankauf von Wertpapieren hinweg die Erlangung eines gewinnbringenden Auftrags erstrebt und auf Kosten des Verkäufers spekulieren würde, wollte man hinsichtlich der Wertpapiere noch den Rückgriff gegen den Verkäufer zulassen (RG 99, 217, 220/21). A n m . 27 2. A b s a t z 2. Absatz 2 entscheidet eine früher bestrittene Frage: Der Verkäufer eines dem Inhaber abhanden gekommenen und zum Zweck der Kraftloserklärung aufgebotenen Wertpapiers haftet nach den Grundsätzen des Rechtsmangels, nicht des Sachmangels. Hier wird schon die Gefahr eines Rechtsverlustes, der erst durch die Kraftloserklärung eintritt, als Rechtsmangel angesehen, ganz ohne Rücksicht darauf, ob es zu diesem Rechtsverlust kommt oder nicht. Wie sich aus den Protokollen der II. Kommission ergibt, nimmt Absatz 2 dagegen nicht zu der Frage Stellung, ob die Wertpapiere wie körperliche Sachen oder wie Rechte zu behandeln sind. IX. Verjährung A n m . 28 Schadensersatzansprüche wegen Nichtbestehens eines Rechtes verjähren nach § 195 in dreißig Jahren (RG 93, 71; 108, 318 bei zugesicherter Grunddienstbarkeit), bei Sachmängeln in 6 Wochen bis 1 Jahr (§490, §477, §480). Es gibt Rechtsmängel (öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen), die als Sachmängel zu beurteilen sind, RG 131. 348. X. Handelsbrauch A n m . 29 Die Verpflichtung aus § 437 kann durch Handelsbrauch beseitigt oder beschränkt werden (RG Gruchot 1924, 199).

§438 Ü b e r n i m m t der Verkäufer einer Forderung die Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners, so ist die Haftung i m Zweifel nur auf die Zahlungsfähigkeit zur Zeit der Abtretung zu beziehen. E I 299 II 380; M a 126; P 1 387.

Üb ersieht Anm.

I. Der Grundsatz II. Einzelheiten III. Rechtsnatur des Versprechens

1 2—6 7

Anm. 1 I. Der Grundsatz Die Vorschrift fällt aus der Ordnung über die Regelung der Haftung für Mängel im Rechte heraus und hat ausschließlich den Fall im Auge, daß die Gewähr für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners vertraglich übernommen wird. Eine gesetzliche Haftung des Verkäufers einer Forderung besteht zwar für den Bestand der Forderung (§ 437), nicht aber auch für ihre Güte oder für die Leistungsfähigkeit des Schuldners. Die Vorschrift stellt zugunsten des Verpflichteten die widerlegbare Vermutung auf, daß sich sein Gewährschaftsversprechen nach der Parteiabsicht nur auf den Zustand zur Zeit der Abtretung beschränken soll. Es handelt sich um eine Nebenverpflichtung des Kaufvertrags.

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Kauf. Tausch

§438 Anm. 2—7

Anm. 2 II. Einzelheiten Der Erwerber der Forderung kann den Verkäufer unter Umständen erst dann in Anspruch nehmen, wenn er zunächst in gehöriger Weise versucht hat, die Forderung vom Schuldner beizutreiben. Er hat dabei nach Treu und Glauben zu handeln und ist sonach auch gehalten, die Forderung rechtzeitig zu kündigen und die Zwangsvollstreckung zu betreiben (RG WarnRspr. 1910 Nr. 107).

Anm. 3 Die Bestimmung beruht auf dem Gedanken, daß der Verkäufer eine Forderung für nachträgliche Veränderungen in der Lage des Schuldners nicht einzustehen braucht; nach der allgemeinen Fassung der Vorschrift muß die Vermutung auch für den Fall Platz greifen, daß die Kündbarkeit der Forderung zur Zeit der Abtretung noch ausgeschlossen und auf eine spätere Zeit hinausgeschoben war. Unter solchen Umständen wird jedoch der Parteiwille oftmals dahingehen, daß für die Haftung des Verkäufers nicht der Zeitpunkt der Abtretung, sondern erst der der Kündbarkeit entscheidend sein soll. Gegebenenfalls werden hier daher auch an die Beweispflicht des Käufers, der diesen Ausnahmefall behauptet, nicht zu hohe Anforderungen zu stellen sein. Welcher Zeitpunkt für die Haftung des Käufers maßgebend sein soll, ist von Fall zu Fall nach den obwaltenden Umständen unter Anwendung des § 157 zu ermitteln ( R G 7. 5. 13 V 502/ia).

Anm. 4 Ist die Haftung nur für eine bestimmte Dauer übernommen, so fällt sie fort, wenn die Schuld nicht innerhalb der Gewährsfrist fällig gemacht worden und eingefordert ist, wobei es auf die Fälligkeit dem Schuldner gegenüber ankommt (RG 27. 5. 08 V 382/07). Auf die zeitliche Beschränkung der Haftung gemäß §438 hat der Verkäufer dann kein Anrecht, wenn er die Haftung für den Eingang der Forderung übernahm (RG 23. 10. 12 V 179/12; J W 1910, 231 8 ). Aber auch hier muß der Käufer zunächst gegen den Schuldner vorgehen, um nicht den Gewährsanspruch zu verwirken. Hat indessen der Verkäufer nicht nur für den vollständigen, sondern auch für den pünktlichen Eingang der Forderung Gewähr geleistet, dann ist die Abrede dahin zu verstehen, daß der Käufer bei Säumigkeit des Schuldners zur Inanspruchnahme des Verkäufers ohne weiteres berechtigt sein soll (RG 72, 140; WarnRspr. 1910 Nr. 107). Auf die zeitliche Beschränkung der Haftung gemäß § 438 kann sich der Verkäufer auch dann nicht berufen, wenn er gewußt hat, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht, das aber arglistig verschwieg (Mot. 2, 127).

Anm. 5 Uber die mangelnde Güte einer Hypothek entscheidet nicht immer ihr Ausfall bei der Zwangsversteigerung, zumal dann nicht, wenn der Gläubiger selbst das Grundstück billig erstanden hat (RG J W 1912, 237 6 ).

Anm. 6 Die Bestimmung des § 438 ist bei Abtretung einer Forderung an Erfüllungs Statt (RG Gruchot 47, 642) und dann entsprechend anwendbar, wenn Gegenstand des Kaufes und der Abtretung nicht eine Forderung, sondern eine Hypothek oder eine Grundschuld ist und für deren Güte die Gewähr übernommen wird (RG 7. 5. 13 V 562/12).

Anm. 7 III. Rechtsnatur des Versprechens Die Übernahme der Gewähr stellt kein bürgschaftliches Versprechen dar, weil der Verkäufer für seine eigene, nicht aber für eine fremde Verbindlichkeit zu haften verspricht, und die Haftung ist demgemäß auch nicht vom Bestehen der verkauften Forderung abhängig (RG 60, 3 7 1 ; 72, 140; J W 1912, 239"; Gruchot 54, 926; O L G Frank-

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§ 439 A n m . 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

furt J W 1932, 1573 4 ). Das Versprechen unterliegt daher auch nicht der Schriftform nach § 766; der Käufer darf aber, dem § 776 entsprechend, nicht arglistig Sicherheiten aufgeben ( R G J W 07, 165 2 ).

§439 Der V e r k ä u f e r h a t einen M a n g e l i m Rechte nicht zu vertreten, wenn der K ä u f e r den M a n g e l bei d e m A b s c h l ü s s e d e s K a u f e s kennt. Eine Hypothek, eine G r u n d s c h u l d , eine R e n t e n s c h u l d , eine Schiffshypothek oder ein P f a n d r e c h t h a t der V e r k ä u f e r zu beseitigen, a u c h wenn der K ä u f e r die B e l a s t u n g kennt. D a s gleiche gilt von einer V o r m e r k u n g zur S i c h e r u n g d e s A n s p r u c h s auf B e s t e l l u n g eines d i e s e r Rechte. E I 373 II 381; M 2 2 1 ; ; P a 658.

Ü b ersieht Anm.

I. II. III. IV. V.

Die rechtliche Bedeutung der Vorschrift Die Kenntnis des Käufers Maßgebender Zeitpunkt Absatz 2 § 439 bei der Rückerstattung

1—4 5, 6 7 8—11 12

Anm. 1 I . Die rechtliche B e d e u t u n g der V o r s c h r i f t Der Verkäufer haftet nicht für Rechtsmängel, die der Käufer bei Kaufabschluß kennt. Die Vorschrift verfügt eine Ausnahme von der Regel, daß der Verkäufer Rechtsmängel zu vertreten hat. Der Grund des Fortfalls der Vertretungspflicht ist entweder ein Verzicht des Käufers auf die Gewährleistung oder die Annahme, daß der Käufer die sich aus dem Mangel im Recht ergebende Gefahr übernehmen wolle ( R G 81, 266, 269; J W 1911, 645 u , 646; B G H 13, 341, 345). § 439 findet bei Sachmängeln (vgl. § 460) und bei anderen Mängeln als denen im Recht keine Anwendung. Das Bestehen eines p e r s ö n l i c h e n V o r k a u f s r e c h t s ist kein Mangel im Rechte des Verkäufers, R G SeufFArch. 56 Nr. 99; O L G 1, 83; der Dritte, der ein Grundstück in Kenntnis eines persönlichen Vorkaufsrechts kauft, hat daher, wenn der Verkäufer das Grundstück dem Vorkaufsberechtigten übereignet, die Rechte aus §§ 440, 325. Anm. 2 § 439 b e z i e h t sich nur auf die B e f r e i u n g von g e s e t z l i c h e r H a f t u n g , nicht auch auf die durch besondere Zusicherung begründete ( R G 88, 165; R G 23. 1 1 . 18 V 158/18). Hat der Käufer in Kenntnis des Rechtsmangels gekauft, so ist kein Verkauf eines unsicheren Rechts vereinbart, sondern eine bestimmte Sache verkauft. § 439 beseitigt nur die Verpflichtung zur Gewährleistung (vgl. § 443) in dem Umfange der gesetzlichen Haftung, er ändert jedoch nichts an der Natur des Kaufs als eines gegenseitigen Vertrags und an dem Kaufgegenstand, wie er nach dem Inhalt des Vertrages auf Grund des § 433 zu verschaffen ist; wird dieser Gegenstand wegen eines Rechtsmangels beiden Parteien entzogen, ohne daß dies eine der Vertragsparteien zu vertreten hat, so finden — ohne Rücksicht auf § 439 — die allgemeinen Vorschriften über die Folgen der Nichterfüllung einer Vertragspflicht, insbesondere § 323 Anwendung; der Käufer kann den bereits gezahlten Kaufpreis zurückfordern, R G 88, 167; 132, 148/149; D R 1939, 18863. Anm. 3 Zu der gesetzlichen Haftung gehört auch die Pflicht aus § 435. Dagegen bezieht sich die Vorschrift n i c h t n u r auf § 434, sondern auch auf § 43 3, findet also auch Anwendung, wenn der Verkäufer nicht Eigentümer der verkauften Sache war ( R G 52, 276; Recht 1921 Nr. 519).

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Kauf. Tausch

§439 Anm. 4—7

Beim H y p o t h e k e n d a r l e h n ist der Darlehnsnehmer im Zweifel nicht verpflichtet, dem Darlehnsgeber die Hypothek an erster Stelle zu gewähren, wenn dieser das Vorhandensein von Vorbelastungen nicht kennt. § 439 ist auf die Bestellung einer Darlehnshypothek nicht entsprechend anwendbar (RG 55, 128). Anm. 4 A u s g e s c h l o s s e n ist auch die Haftung wegen Rechtsmängel bei der Veräußerung einer Sache in der Zwangsvollstreckung, ZPO § 806. Anm. 5 II. Die Kenntnis des Käufers Die Kenntnis des Käufers muß sich auf das Nichtvorhandensein des Rechtes oder dessen Beschränkungen beziehen. Wer bei Vertragsschluß einen Mangel des zu erwerbenden Rechts kennt, kann daraus, daß er sich über die rechtliche Tragweite des Mangels (RG 5a, 167; WarnRspr. 09 Nr. 501; 1914 Nr. 42) oder über die wirtschaftliche Tragweite dieses Mangels (BGH NJW 1951, 705) geirrt hat, keine Gewährleistungsansprüche herleiten (ebenso für § 539: BGH L M Nr. 1 zu § 539 BGB). Die Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, aus denen der Rechtsmangel folgt, genügt nicht; es muß vielmehr noch hinzukommen, daß der Käufer auch die rechtliche Folge dieser Tatsachen kennt, BGH 13, 341, 345. Doch ist immer die Kenntnis von einem Recht erforderlich. Wenn daher jemand nur das Vorhandensein von Fenstern kennt, so braucht er damit noch nicht notwendig zu wissen, daß diese auf dem Vorhandensein der Rechtsbefugnis eines Dritten beruhen (unrichtig O L G 8, 62). Die Kenntnis vom Mangel des Eigentums beim Verkäufer macht den Kauf noch nicht zu einer emtio spei (RG 88, 165). Aufweiche Weise der Käufer zur Kenntnis gekommen ist, ist gleichgültig, er braucht sie auch nicht durch den Verkäufer und bei Gelegenheit der Vertragsverhandlungen erworben zu haben (RG 52, 276), noch brauchtsie sich aus der Vertragsurkunde zu ergeben. Die K e n n t n i s von einem T e i l des R e c h t e s läßt bei Teilbarkeit der Befugnisse die Haftung für den unbekannten Teil bestehen (SeuffArch. 61 Nr. 198). Anm. 6 Das K e n n e n m ü s s e n (§ 122) steht dem wirklichen Kennen nicht gleich, auch wenn es auf Verschulden beruht (RG 59, 408; J W 0 6 , io 4 ; 1 9 1 1 , 645 1 1 ; 1 9 1 1 , 646 12 ), so z. B. das Grundbuch nicht eingesehen ist. Auch wenn jemand weiß, daß ein Dritter ein Patentrecht für sich in Anspruch nimmt, so bedeutet das noch nicht Kenntnis vom Bestehen des Patents (WarnRspr. 1911 Nr. 366). Auch wenn ein Widerspruch gegen das Recht des Verkäufers (§ 899) oder eine Vormerkung (§ 883) eingetragen ist, kommt es doch auf die Kenntnis vom wirklichen Mangel an. Die Kenntnis davon, daß Eigentumsansprüche behauptet werden, ist daher nicht stets der Kenntnis vom Bestehen eines Rechtes gleichzustellen (RG 149, 198; dagegen Recht 07 Nr. 762). Immer kommt nur ein solches sicheres Kennen in Betracht, aus dem ein Verzicht auf die Gewährleistung anzunehmen ist. Dagegen muß sich derjenige, der erklärt, die Mängel im Rechte zu kennen, so behandeln lassen, als wenn dies der Fall wäre, auch wenn er die Kenntnis in Wahrheit nicht besitzt. So bei der Abrede im Vertrag über ein Grundstück: „Dem Käufer sind die Mietverträge bekannt" (RG 8. 4. 16 V 36/16). Bei Kenntnis des Grundstückkäufers vom Bestehen eines Vorkaufsrechts, das aber im notariellen Kaufvertrag nicht erwähnt ist, gilt der Kaufvertrag als unter der Bedingung der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abgeschlossen, ohne daß die Nichterwähnung dieser Bedingung im Kaufvertrag seine Wirksamkeit berührt, RG H R R I 937> 1495Anm. 7 III. Maßgebender Zeitpunkt Die Kenntnis muß beim Abschluß des Vertrags vorliegen, ein späteres Erkennen ist ohne Einfluß. Bei G r u n d s t ü c k s k ä u f e n erfolgt der Abschluß erst mit der gericht-

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§ 439 A n m . 8—10

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

liehen oder notariellen Beurkundung. Bei einer erst zur Zeit der Erfüllung erlangten Kenntnis kommt § 439 nicht zur Anwendung. Wenn wissentlich eine f r e m d e S a c h e v e r k a u f t w i r d , kann darin ebensowohl eine besondere Gewährleistung des Verkäufers als ein Verzicht des Käufers auf den Rechtsmangel liegen. Es ist Auslegungsfrage. § 43g Abs. 1 ist nachgiebigen Rechtes und kann durch besondere Abreden abgeändert werden. Der Verkäufer haftet für Erfüllung des Kaufvertrags jedenfalls dann, wenn der Käufer nach den Umständen davon ausgehen durfte, daß der Verkäufer im Einverständnis mit dem dritten Eigentümer handelte (Recht 1918 Nr. 216). Hat der Käufer beim Abschluß des Kaufvertrags Kenntnis davon, daß das gekaufte Grundstück mit einem d i n g l i c h e n V o r k a u f s r e c h t belastet ist, so hat der Verkäufer diesen Mangel im Recht nicht zu vertreten, also dem Käufer insbesondere nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten. Im übrigen ist als Inhalt des Kaufgeschäfts anzunehmen, daß der Verkauf nur unter der Bedingung erfolge, daß der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht nicht ausüben werde (RG J W 1922, 5762). Uber das persönliche Vorkaufsrecht vgl. oben unter Anm. 1. Anm. 8 IV. Absatz 2 In Absatz 2 wird von der Regel des Absatzes 1 eine Ausnahme in Ubereinstimmung mit der Verkehrssitte dann begründet, wenn der Mangel im Recht im Bestehen einer Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder eines Pfandrechts beruht. Die Vorschrift ist im allgemeinen nur auf den Verkauf von Grundstücken anwendbar, RG 122, 380. Hier kann der Käufer die Befreiung von solchen Belastungen verlangen, wenn nichts anderes vereinbart ist. Die Pflicht zur Beseitigung der Grundpfandrechte erschöpft sich nicht darin, die zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten zum Erlöschen zu bringen; der Verkäufer hat vielmehr auch dafür Sorge zu tragen, daß die vom Grundstückskäufer nicht übernommenen Belastungen im Grundbuch gelöscht werden (OLG Köln MDR 1957, 35). In § 439 Abs. 2 wird verordnet, daß es bei der Regel der §§ 434 u. 435 verbleibt, auch wenn der Käufer die Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden oder Pfandrechte kennt. Auch die Verpflichtung auf Beseitigung dieser Rechte steht aber unter der Regel des § 242, wenn der Käufer durch die Aufwertungsgesetze zu anderen Leistungen für die Bewirkung der Beseitigung einer Hypothek verpflichtet wird, als bei Kaufabschluß vorausgesehen war (RG 112, 333). Anm. 9 Auch § 439 Abs. 2 ist nachgiebigen Rechtes. Wenn der Käufer eines Grundstücks die H y p o t h e k oder die Grundschuld in A n r e c h n u n g auf den K a u f p r e i s übernommen hat oder der Verkäufer die Gewähr dafür übernimmt, daß das aufhaftende Recht dem Käufer kein Hindernis bereitet (WarnRspr. 1919 Nr. 95), kann die Beseitigungspflicht entfallen. Hat sich der Grundstücksverkäufer dem Käufer gegenüber verpflichtet, die auf dem Grundstück ruhende Rente selbst zu tragen und zur Löschung zu bringen, so muß er im Fall der Zwangsversteigerung von seinem auf die Restkaufgeldhypothek entfallenden Anteil am Erlöse so viel in Abzug bringen, als das zur Hebung kommende Rentenkapital beträgt (RG ri. 6. 10 V 475/09). Der Erwerber einer Hypothek, der das Nichtbestehen der Forderung kennt, kann den Verkäufer nicht wegen Rechtsunbeständigkeit der Hypothek haftbar machen, da Forderung und Hypothek untrennbar zusammenhängen (RG 81, 266). A n m . 10 Nach § 1107 gilt die Vorschrift auch wegen R ü c k s t ä n d e n von Reallasten. Die Reallast nach § 1 1 0 5 fällt nicht unter §439 Abs. 2, sie ist nicht der Hypothek gleichgestellt (OLG 36 Nr. 314).

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Kauf. Tausch

§ 439 Anm. 11,12 § 440 A n m . 1

Anm. 11 Die Erwähnung des Pfandrechts weist darauf hin, daß hier nicht bloß Rechte an Grundstücken, sondern auch an b e w e g l i c h e n Sachen in Frage kommen, auch bewegliches Zubehör zu Grundstücken (RG 57, 1). Anm. 12 V. Rückerstattung Im Rückerstattungsrecht gilt § 439 Abs. 1 nicht, B G H 11 16, 22; 13, 341.

§440 Erfüllt der Verkäufer die ihm nach den §§ 433 bis 437, 439 obliegenden Verpflichtungen nicht, so bestimmen sich die Rechte des Käufers nach den Vorschriften der §§ 320 bis 327. Ist eine bewegliche Sache verkauft und dem Käufer zum Zwecke der Eigentumsübertragung übergeben worden, so kann der Käufer wegen des Rechtes eines Dritten, das zum Besitze der Sache berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangen, wenn er die Sache dem Dritten mit Rücksicht auf dessen Recht herausgegeben hat oder sie dem Verkäufer zurückgewährt oder wenn die Sache untergegangen ist. Der Herausgabe der Sache an den Dritten steht es gleich, wenn der Dritte den Käufer oder dieser den Dritten beerbt oder wenn der Käufer das Recht des Dritten anderweit erwirbt oder den Dritten abfindet. Steht dem Käufer ein Anspruch auf Herausgabe gegen einen anderen zu, so genügt an Stelle der Rückgewähr die Abtretung des Anspruchs. E I 374 n 382; M 1 216; F 1 660; 6 170.

Übersicht I. Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung 1. Nichterfüllung des Käufers 2. Nichterfüllung des Verkäufers II. Absatz 2 III. Einzelheiten IV. Haftung ohne Entwehrung V. Mängel des Kraftfahrzeugbriefs

Anm.

1—14 1—4 5—15 16—19 20 21 22

Anm. 1 I. Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung der in §§ 433 ff. begründeten Vertragspflichten sind im allgemeinen sowohl für den Verkäufer als für den Käufer die Folgen der Nichterfüllung bei gegenseitigen Verträgen überhaupt. 1. Die Nichterfüllung der Pflichten des Käufers §440 trifft insoweit keine besonderen Bestimmungen, es gelten daher die allgemeinen Regeln. a) Da die Zahlung des Kaufpreises in Geld besteht und dieses bei normaler Währung immer vorhanden ist, so ist der M a n g e l an Geld bei dem Käufer nur U n v e r m ö g e n nach § 279, nicht Unmöglichkeit. Das ist auch der Fall bei Inflation, nur daß dann die Summe der Geldzeichen, die an Stelle des Geldes normaler Währung tritt, sich ändert. Unmöglichkeit der Zahlung tritt dagegen ein, wenn der Verkäufer ein Ausländer, der Käufer ein Inländer ist und keine Genehmigung zur Zahlung des Kaufpreises erhält. Hier werden beide Teile von ihrer Leistungspflicht frei, § 323, oder der Verkäufer ist zu Rücktritt oder Schadensersatzanspruch berechtigt, § 325, Schiedsger. Hamburg J W 1935» 158930.

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§ 440

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2—4 Anm. 2 b) Bei V e r z u g des Käufers mit der Zahlung des Kaufpreises (§ 284) hat der Verkäufer das Recht des Schadensersatzes und des Rücktritts, §§ 286, 326; letztere Vorschrift geht als Sonderbestimmung vor, so daß nicht beide Vorschriften nebeneinander Ansprüche geben. Nach § 326 sind Rücktritt und Schadensersatz grundsätzlich von der dort bestimmten Nachfristsetzungserklärung abhängig. Bei Verzug mit nur einem Teil der Leistung, etwa bei Sukzessivlieferungsverträgen, ist Rücktritt vom ganzen Vertrag möglich, wenn die Erfüllung des Restes für den Käufer keinen Wert mehr hat, R G 88, 262; 91, 347; 104, 4 1 ; 140, 383; OGH M D R 1949, 739. Hat der Verkäufer zur Zahlung des Kaufpreises Nachfrist gemäß § 326 gesetzt, so erlischt auch seine Eigentumsverschaffungspflicht mit dem fruchtlosen Ablauf der Nachfrist; sein Recht, vom säumigen Käufer im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs die Annahme seiner Leistung zu verlangen, bleibt jedoch unberührt; bei formgebundenen Verträgen (z. B. bei der Verpflichtung zur Ubereignung eines Grundstücks) kann die ursprüngliche Leistungspflicht nur unter Wahrung der für die Begründung einer sochen Verpflichtung vorgeschriebenen Form wiederhergestellt werden (RG 107, 345; B G H 20, 338).

Anm. 3 c) Bei K a u f a u f K r e d i t ist der R ü c k t r i t t ausgeschlossen, wenn der Verkäufer voll erfüllt hat und der Käufer mit der Stellung der versprochenen Sicherheiten in Verzug ist. Die in § 454 angeordnete Beschränkung des Rücktrittsrechts des Verkäufers tritt insoweit nicht ein, als sich der Käufer außer zur Zahlung des gestundeten Kaufpreises zu anderen Leistungen verpflichtet hat und diesen Verpflichtungen zuwiderhandelt, R G H R R 1934, 1102. Der Verkäufer kann dann nur Schadensersatz verlangen, § 454-

Anm. 4 d) Bei V e r z u g m i t a n d e r e n L e i s t u n g s p f l i c h t e n als der Zahlung ist § 326 in der Regel nicht anwendbar, weil diese Vorschrift Verzug mit einer Hauptleistung voraussetzt. Die Abnahmeverpflichtung des Käufers ist am allgemeinen keine Hauptleistung; kommt der Käufer mit ihr in Verzug, so kommt regelmäßig nur § 286 und nicht § 326 zur Anwendung. Anders, wenn die Abnahmeverpflichtung eine Hauptleistung darstellt (Beispiele dafür: R G 57, 105; 69, 106; 107, 346; J W 1910, 750 7 ; WarnRspr. 1922, 6; Recht 1923 Nr. 186; 1923 Nr. 1229). In der unberechtigten strikten Abnahmeverweigerung kann eine positive Vertragsverletzung liegen (RG 66, 421; 67, 319; 172, 20, 24; WarnRspr. 1922 Nr. 50; vgl. auch R G 1 7 1 , 301); alsdann kann der Verkäufer ohne Nachfristsetzung vom Vertrage zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (vgl. B G H 11, 80, 86). Bei Annahmeverzug des Käufers kann der Verkäufer die Mehraufwendungen für das erfolglose Angebot und für die Aufbewahrung verlangen, § 304; Urkunden und Kostbarkeiten hinterlegen, § 372; zur Hinterlegung nicht geeignete Gegenstände öffentlich versteigern lassen und den Erlös hinterlegen, § 383. Außer diesen Rechten hat bei einem Handelskauf der Verkäufer bei Annahmeverzug die Rechte des § 373 H G B : Hinterlegung oder wahlweise Selbsthilfeverkauf, R G 104, 4 2 1 ; 110, 269; J W 1910, 2g8 36 ; 1921, 394 4 ; Aufbewahrung unter Beanspruchung von Lagergeld, § 354, R G 45, 302. Der Selbsthilfeverkauf setzt eine Androhung voraus, R G 109, 135 und muß ordnungsgemäß nach § 373 H G B erfolgen. Er kann aber auch als ein an keine Form gebundenes D e c k u n g s g e s c h ä f t aufrechterhalten und zur Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung benutzt werden. Es ist immer Frage des Einzelfalles, ob ein als Deckungsgeschäft vorgenommener Verkauf nach Treu und Glauben der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden darf (RG H R R 1933, 476). Keinesfalls darf der Verkäufer die Ware preisgeben und untätig zulassen, daß über sie von Dritten verfügt wird, R G J W 1902, 220 27 . Bei Annahmeverzug des Käufers eines Grundstückes kann jedoch der Verkäufer nach Androhung den Besitz des Grundstücks aufgeben, § 303-

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Kauf. Tausch

§440 A n m . 5—8

Anm. 5 2. Die Nichterfüllung der Pflichten d e s Verkäufers Die Rechtsfolgen werden in §440 für den V e r k ä u f e r noch ausdrücklich hervorgehoben und damit klargestellt, daß j e d e e i n z e l n e der in §§433—437 u. 439 dem Verkäufer obliegende Verpflichtung einen Teil seiner Verpflichtungen ausmacht, er a l s o t e i l w e i s e n i c h t e r f ü l l t hat und die Rechtsbehelfe wegen jedes Teiles zulässig sind, wenn er eine der genannten Verpflichtungen unterläßt. Anm. 6 a ) Der Käufer hat nach §§ 320, 322 die E i n r e d e d e s n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g s , wenn ihm nur die Sache übergeben, aber nicht das Eigentum an ihr verschafft ist, oder wenn ein nicht bestehendes Recht verkauft und vom Verkäufer noch nicht begründet worden ist (§437; RG 73, 210; 108, 318; WarnRspr. 1916 Nr. 161); ferner, wenn dem Verkäufer die Vertragserfüllung nach Abschluß des Kaufvertrages unmöglich wird, RG 143, 22; RG Recht 1932 Nr. 638 = SeuffArch. 86 Nr. 164; B G H 24, 279, 297, oder dem Käufer eine mangelhafte Sache anbietet (RG 86, 93; J W 1912, 4612). Auch bei ursprünglichem Unvermögen des Verkäufers kann der Käufer, statt das Erfüllungsinteresse zu fordern, sich darauf beschränken, die ihm obliegende Gegenleistung zu verweigern, denn die in § 440 Abs. 1 zitierten §§ 320—327 regeln zwar nicht unmittelbar den Fall, daß der Schuldner von Anfang an zur Leistung unvermögend ist, ihnen ist aber der Grundsatz zu entnehmen, daß der Käufer beim Verkauf eines nicht bestehenden Rechts berechtigt ist, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern, R G 73, 210. Anm. 7 b) Der Käufer hat die K l a g e a u f E r f ü l l u n g , und zwar auch dann, wenn der Verkäufer zur Zeit des Kaufabschlusses zur Erfüllung außerstande war; der Verkäufer hat für die Rechtsverschaffung einzustehen und sein Unvermögen zu vertreten, R G 69, 355» 357; B G H 11, 16, 22; B G H L M Nr. 7 zu Art. 39 R E G (BrZ); B G H L M Nr. 1 zu Art. 21 R E G (AmZ) unter II, 1. Die Verurteilung des Verkäufers zur Rechtsverschaffung ist aber nur zulässig, solange noch nicht feststeht, daß dem Verkäufer die Erfüllung endgültig unmöglich ist (vgl. RG 99, 232, 234 m. w. Nachw. Anm. 8 c) Der Käufer hat die K l a g e a u f S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g (§ 325)> felis die dem Verkäufer obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den er zu vertreten hat. § 325 greift aber nur bei verschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit oder zu vertretendem nachträglichen Unvermögen ein. Liegt u r s p r ü n g l i c h e s U n v e r m ö g e n vor, so kann der Käufer, falls der Verkäufer nicht erfüllt, unmittelbar aus dem Kaufvertrage Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Denn mit der Verpflichtung zur Leistung übernimmt der Schuldner zugleich auch die Haftung für seine Leistungsfähigkeit; für sie hat er einzustehen und kann sich deshalb nicht auf sein Unvermögen zur Leistung berufen (RG 69, 355, 357; B G H 11, 16, 22; B G H L M Nr. 7 zu Art. 39 R E G [BrZ]; B G H L M Nr. 1 zu Art. 21 R E G [AmZ] unter II 1). Vielfach wird die Schadensersatzpflicht bei ursprünglichem Unvermögen mit entsprechender Anwendung des § 325 begründet; dessen bedarf es jedoch nicht, da der Verkäufer durch Abschluß des Kaufvertrages die Haftung für seine Leistungsfähigkeit übernimmt, B G H 11, 16, 22. Diese Gewährpflicht ist die gesetzliche Folge des abgeschlossenen Vertrages, sie ergibt sich aus der vereinbarten Leistungspflicht, nicht etwa aus einem stillschweigenden Garantievertrag (vgl. §437 Anm.3). Der Verkäufer haftet auch hier (wie im Falle des § 325) auf das Erfüllungsinteresse, RG 69, 355. Die Verurteilung hierzu setzt voraus, daß feststeht, daß der Verkäufer endgültig nicht erfüllen kann. Will der Käufer ohne diese Voraussetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, so muß er nach § 326 vorgehen; dazu wiederum ist erforderlich, daß dem Verkäufer die Rechtsverschaffung noch möglich ( E r n s t W o l f N J W 1953, 164; 1954, 708) und ihm vergeblich Nachfrist mit der in § 326 vorgesehenen Erklärung gesetzt ist. Der Käufer tut bei ursprünglichem Unvermögen des Verkäufers gut daran, nach § 326

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§ 440 A n m . 9—12

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

zu verfahren; dann ist die Verurteilung des Verkäufers zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung davon unabhängig, ob die Erfüllung endgültig unmöglich oder noch möglich ist.

Anm. 9 S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g hat der Verkäufer auch bei p o s i t i v e r V e r t r a g s v e r l e t z u n g u n d bei V e r s c h u l d e n b e i m V e r t r a g s s c h l u ß (§ 276) zu leisten, R G 95, 58; 107, 362; 1 1 4 , 159; 116, 18; 132, 28; 132, 3 1 0 ; J W 1 9 1 2 , 743®; 1927, 1993 3 , oder wenn die Erfüllung durch einen Umstand, den er zu vertreten hat, nach A b s c h l u ß des V e r t r a g s unmöglich wird (§ 325), R G 54, 102; 57, 1 1 5 ; 106, 24; m , 303; 149, 187, oder wenn eine zugesicherte Eigenschaft bei Gattungssachen zur Zeit des Gefahrübergangs (§ 480 Abs. 2, R G 52, 355) oder bei Speziessachen zur Zeit des Kaufs fehlt (§ 463). Dagegen befreit die vom Verkäufer u n v e r s c h u l d e t e ( z u f ä l l i g e ) U n m ö g l i c h k e i t beide Vertragsteile von der Leistungspflicht.

Anm. 10 Bei V e r z u g des V e r k ä u f e r s mit einer der ihm obliegenden Verpflichtungen hat der Käufer das Recht, S c h a d e n s e r s a t z w e g e n v e r s p ä t e t e r E r f ü l l u n g (§ 286) oder nach vergeblicher Nachfristsetzung mit der Erklärung des § 326 Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 326) zu verlangen. Dies gilt auch, wenn der Verzug darin besteht, daß bisher nur mangelhafte Ware geliefert worden ist, die der Käufer zu Recht nicht abgenommen hat, so daß Verzug mit der Ubergabe vorliegt (JW 03 Nr. 17 [Beil.]). Schadensersatz wegen verspäteter Erfüllung, nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann der Käufer verlangen, dem ein gestohlener Lastkraftwagen verkauft worden ist, der bei ihm zeitweilig bis zur nachträglichen Eigentumsverschaffung beschlagnahmt worden ist, B G H 14. 1 1 . 55 I I Z R 104/54. Bei Sukzessivlieferungen kann der Käufer auch ohne Fristsetzung vom Vertrage zurücktreten oder Schadensersatz fordern, wenn eine Teillieferung erheblich fehlerhaft und zu befürchten ist, daß auch die weiteren nicht anders ausfallen werden, R G 57, 1 1 5 ; 65, 55; 67, 7; 96, 129; 97, 136. Auch in Fällen der Ablade- oder Ankunftsklausel ist bei nicht fristgerechter Lieferung der Ware eine Nachfristsetzung nicht erforderlich (RG 89, 419; B G H M D R 1955, 343). Der Schaden ist nach der D i f f e r e n z t h e o r i e zu berechnen, R G 149, 136.

Anm. 11 d) Der K ä u f e r hat das R e c h t z u m R ü c k t r i t t vom Vertrag nach Maßgabe der §§ 325, 326, 327 (JW 08, 35 9 ), z. B. weil der Verkäufer eine nicht bestehende Hypothek nicht löschen läßt. Dieses Rücktrittsrecht ist eine einseitige, von der Zustimmung des Verkäufers unabhängige Befugnis, so daß nicht auf dessen Einwilligung geklagt werden kann. Feststellungsklage ist zulässig, wenn deren Voraussetzungen sonst vorliegen (RG J W 03 Nr. 157 [Beil.]). Das Rücktrittsrecht des Käufers ist nach § 351 ausgeschlossen, wenn sich der Käufer zur Rückgewähr außerstand gesetzt hat, insbesondere wenn er das Grundstück unter solchen Umständen weiter veräußerte, daß der Nachfolger nicht verpflichtet wurde, seinen Erwerb zurückzugewähren (§ 353; R G 56, 260).

Anm. 12 D e r K ä u f e r v e r l i e r t das R ü c k t r i t t s r e c h t n i c h t d a d u r c h , d a ß er d i e K a u f s a c h e bis zur Entdeckung des Rechtsmangels n o r m a l b e n u t z t u n d a b n u t z t . Die Ansicht von R G 145, 79, 82, daß für den Fall der Wandlung der Zeitpunkt des Empfangs der Kaufsache maßgebend sei, kann für die Rechtsmängelhaftung nicht anerkannt werden. Nach dem in § 440 Abs. 1 zitierten § 327 Satz 2 haftet der Rücktrittsberechtigte nur nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung, falls der Rücktritt wegen eines Umstandes erfolgt, den er nicht zu vertreten hat (RG 116, 377, 379/80; 130, 119, 123; B G H 6, 227, 230). Wenn auch die Verweisung auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nur den Haftungsumfang begrenzt und nicht dazu dient, die Tatbestände festzulegen, durch die eine Herausgabepflicht erzeugt wird (RG 139, 17, 22), so können doch die §§ 347, 351

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§440 A n m . 13

beim gesetzlichen Rücktrittsrecht erst ab Kenntnis vom Rücktrittsgrunde gelten, da sonst der durch § 327 Satz 2 verordnete Haftungsmaßstab durch Umstände ausgeschaltet werden würde, deren Maßgeblichkeit darauf beruht, daß man beim vertraglichen Rücktrittsrecht immer mit der Ausübung des Rücktrittsrechts rechnen muß. Wer den Rücktritt nicht verschuldet hat und mit ihm auch nicht zu rechnen brauchte, haftet nicht nach § 347, sondern nach Bereicherungsgrundsätzen (RG WarnRspr. 1938 Nr.60). Auch eine ü b e r m ä ß i g e A b n u t z u n g der Kaufsache vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes schließt den Rücktritt nicht aus ( M e z g e r J Z 1953, 68/69 u. NJW 1953, 812 unter Ziff. 1 ; a. A. B o e h m e r J Z 1952, 522 u. 588; 1953, 393 unter Ziff. II, der § 351 anwenden will, falls der Käufer wegen übermäßiger Beanspruchung der Kaufsache mit der Ausübung des Rücktrittsrechts gegen Treu und Glauben verstößt, also die aus seinem unwirtschaftlichen Verhalten entspringenden Nachteile durch Ausübung des Rücktrittsrechts auf den Verkäufer abwälzen will). Benutzt der Käufer die Kaufsache in Kenntnis des Rechtsmangels weiter und tritt hierdurch eine wesentliche Verschlechterung des Kaufgegenstandes ein, so ist der Rücktritt nach § 351 ausgeschlossen; gibt darauf der Käufer die gestohlene Kaufsache an den Eigentümer heraus, so stellt sich die Frage, welche Wirkung die Herausgabe hat, nicht erst (Ernst Wolf NJW 1953, 165 unter Ziff. V ; B o e h m e r J Z 1953, 394). A n m . 13 Unter welchen Voraussetzungen sonst die H e r a u s g a b e der K a u f s a c h e an den E i g e n t ü m e r den Rücktritt vom Kaufvertrage ausschließt, ist bestritten. B G H 5, 337 (zustimmend M e z g e r J Z 1953, 67; NJW 1953, 812) vertritt die Ansicht, daß die Herausgabe gekauften Diebesguts an den Eigentümer rechtsmäßig sei und daher den Rücktritt vom Kaufvertrage nicht ausschließe, weil ein rechtmäßiges Verhalten nicht im Sinne des § 351 schuldhaft sein könne. Diesen Standpunkt hat der B G H (LM Nr. 1 zu Art. 47 R E G [AmZ] = NJW/RzW 1953, 71) auch für die Rückgabe eines der Rückerstattung unterliegenden Grundstücks an den Rückerstattungsberechtigten eingenommen. E r n s t Wolf (NJW 1953, 164; J W 1954, 708) meint, durch die freiwillige Herausgabe der gestohlenen Kaufsache an den Eigentümer mache sich der Käufer ihre Rückgabe an den Verkäufer schuldhaft unmöglich, da das Verschulden im Sinne des §351 darin bestehe, daß sich der Käufer durch den Rücktritt vom Kaufvertrage zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch stelle und damit gegen Treu und Glauben verstoße; der Käufer könne sich also nicht durch Rücktritt einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises verschaffen, sondern nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Das ist unrichtig, weil das Bürgerliche Gesetzbuch nicht das gemeinrechtliche Eviktionsprinzip übernommen hat, nach dem die freiwillige Herausgabe an den Eigentümer den Käufer um seine Rückgriffsrechte gegenüber dem Verkäufer brachte. Gewiß macht § 440 Abs. 2, 4 nur den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung von vorheriger Herausgabe der Kaufsache an den Verkäufer oder den Eigentümer abhängig. Aber daraus kann nicht im Gegenschluß gefolgert werden, daß der Käufer das Rücktrittsrecht dadurch verliert, daß er die Kaufsache freiwillig an den Eigentümer herausgibt. Denn der Käufer ist dem Eigentumsherausgabeanspruch (§ 985) ausgesetzt und kann die Möglichkeit des Rücktritts nicht gut dadurch einbüßen, daß er diesen Anspruch erfüllt (vgl. RG WarnRspr. 1938 Nr. 60). B o e h m e r ( J Z 1952, 5 2 1 ; 1953, 392) ist der Ansicht, daß der Käufer mit der Herausgabe der Kaufsache an den Eigentümer in Geschäftsführung ohne Auftrag für den Verkäufer und damit unverschuldet im Sinne des § 351 handle, falls diese Maßnahme dem Interesse des Verkäufers oder seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht; der Käufer verwirke dagegen den Rücktritt nach § 351, falls der Verkäufer ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Wiedererlangung der Kaufsache habe. Auch das ist nicht richtig. Die Rechte des Käufers können nicht davon abhängen, daß der Käufer das Interesse des Verkäufers beachtet und sein Handeln hiernach ausrichtet. Die Lösung der Frage ist auf einer ganz anderen Ebene zu suchen. Maßgebend kann nur sein, ob der Käufer zur Zeit der Herausgabe der Kaufsache an den Eigentümer bereits rücktrittsberechtigt war oder nicht. Das beurteilt sich beim ursprünglichen Unvermögen des Verkäufers ebenso wie der Schadensersatz wegen Nichterfüllung danach, ob der Verkäufer endgültig nicht

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§ 440 A n m . 14—17

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

erfüllen k a n n oder der K ä u f e r g e m ä ß § 326 vergeblich Nachfrist gesetzt h a t . Erfüllt der K ä u f e r den Eigentumsherausgabeanspruch vor einem dieser Zeitpunkte, so m a c h t er sich die R ü c k g a b e der Kaufsache a n den Verkäufer schuldhaft unmöglich, weil er im Verhältnis der Kaufvertragsparteien noch nicht zur H e r a u s g a b e der Kaufsache a n den Eigentümer berechtigt war. Gibt er dagegen a n den Eigentümer heraus, n a c h d e m er d e m Verkäufer gegenüber rücktrittsberechtigt geworden ist, so wird der Rücktritt nicht ausgeschlossen, d a der K ä u f e r mit der H e r a u s g a b e der gestohlenen Kaufsache a n den Eigentümer nicht schuldhaft handelt. R G W a r n R s p r . 1938 N r . 60 meint sogar, f ü r § 3 5 1 sei in den Fällen des § 327 Satz 2 ü b e r h a u p t kein R a u m . A n m . 14 e ) W a r die Erfüllung des Kaufvertrags v o n A n f a n g a n u n m ö g l i c h , so greifen die Vorschriften der §§ 306—308 Platz, der K a u f v e r t r a g ist nichtig; anders bei n u r persönlichem Unvermögen (vgl. oben A n m . 8 u n d § 4 3 7 A n m . 3). Beim Mangel im R e c h t findet § 306 n u r d a n n Anwendung, wenn das Recht seiner A r t nach ü b e r h a u p t nicht zur Entstehung gelangen kann, vgl. zu § 437 Anm. 3. A n m . 15 f ) § 4 4 0 schließt die I r r t u m s a n f e c h t u n g nicht aus, R G J W 09, 132 3 ; SeuffArch. 65 Nr. 117. Wegen eines Rechtsmangels kann also der K a u f auch nach Ü b e r g a b e der Kaufsache wegen I r r t u m s angefochten werden. N a c h Gefahrübergang ist dagegen die auf einen Sachmangel gestützte Irrtumsanfechtung ausgeschlossen (vgl. § 4 5 9 A n m . 36). A n m . 16 II. A b s a t z 2 D e r Grundsatz des Abs. 1 findet im allgemeinen bei allen K ä u f e n gleiche Anwend u n g , m a g der Kaufgegenstand ein Grundstück, eine bewegliche Sache, ein i m m a terielles Rechtsgut oder ein Recht sein. Beim K a u f einer beweglichen Sache, die d e m K ä u f e r z u m Zwecke der Eigentumsübertragung übergeben worden ist, u n d beim K a u f eines Rechtes a n einer beweglichen Sache, das z u m Besitz der Sache berechtigt (§ 441), k a n n der K ä u f e r , wenn ein Dritter Eigentümer ist oder ein sonstiges z u m Besitz der Sache berechtigendes R e c h t hat, n a c h ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes (§ 440 Abs. 2) n u r in den in Abs. 2 bis 4 des § 4 4 0 aufgezählten Fällen S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g v e r l a n g e n . Nämlich: a) w e n n er die Sache d e m Dritten mit Rücksicht auf dessen R e c h t herausgegeben h a t , oder b) sie d e m Verkäufer zurückgewährt, oder c) w e n n die Sache untergegangen ist, oder d) w e n n der K ä u f e r den Dritten oder dieser ihn beerbt, oder e) w e n n der K ä u f e r das R e c h t von einem Dritten anderweit erworben, oder f ) er den Dritten abgefunden, oder g) d e m Verkäufer den Anspruch auf die Sache zurückübertragen hat, R G 117, 337. A n m . 17 D e r Anspruch geht auf vollen Ersatz des d u r c h die Nichterfüllung entstandenen Nachteils (RG 50, 262). Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung besteht nicht, solange der K ä u f e r tatsächlich noch i m G e n u ß des Kaufgegenstandes ist; d a n n ist sein Schaden noch nicht verwirklicht, er tritt erst infolge der E n t w e h r u n g ein. § 440 Abs. 2 will verhüten, d a ß der K ä u f e r eine Entschädigung wegen des Rechtsmangels erhält u n d gleichzeitig im G e n u ß der Sache verbleibt (Prot. I, 663; R G 105, 349» 350; H7) 335) 337/38; B G H 10. 12. 52 I I Z R 50/52). Der Ausschluß dieses doppelten Vorteils ist der leitende Gedanke des Gesetzes bei der Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf die genannten Fälle. Anstatt aber den m a ß g e b e n d e n Grundsatz selbst auszusprechen u n d es der Rechtsprechung zu überlassen, welche Fälle d a f ü r in Frage kommen, n i m m t § 440 eine erschöpfende Aufzählung von Fällen vor. U b e r dieser Fassung des Gesetzes steht aber sein leitender Gedanke. D a r u m ist § 440 Abs. 2 a u c h auf Fälle a n w e n d b a r , die nicht unter den aufgezählten aufgeführt sind, die aber

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Kauf. Tausch

§440

Anm. 18—21 wegen Rechtsähnlichkeit mit einem der aufgezählten Fälle oder — ohne diesen U m weg — allein wegen unmittelbarer Anwendbarkeit jenes leitenden Gedankens des Gesetzes nicht anders behandelt werden können, R G 117, 335, 337/38. Daher kann der Käufer, der eine im Eigentum eines Dritten stehende bewegliche Sache gekauft und übergeben erhalten hat, auch d a n n Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn er dem Eigentümer wegen schuldhafter Unmöglichkeit der Herausgabe der Kaufsache seinerseits Schadensersatz leisten m u ß R G 117, 335, 339) oder er auf Grund eines mit dem Eigentümer geschlossenen Leihvertrages im Besitz der Kaufsache bleibt (RG 105, 350; vgl. auch 115, 34).

Anm. 18 Der Käufer ist nicht verpflichtet, es mit dem Dritten, der den Entwehrungsanspruch erhebt, auf einen Prozeß ankommen zu lassen.

Anm. 19 Gibt der Käufer die Kaufsache dem Verkäufer zurück oder tritt er, wenn er die Kaufsache nicht hat, dem Verkäufer den ihm gegen einen anderen zustehenden Herausgabeanspruch ab (Abs. 4; §§ 867, 870), so liegt darin nicht ohne weiteres ein R ü c k t r i t t vom Vertrage, sondern bloß die in § 440 Abs. 2 für den Schadensersatzanspruch aufgestellte Voraussetzung.

Anm. 20 III. Einzelheiten § 440 Abs. 2 bildet keine Ausnahme von der Gefahrtragung, wie sie § 446 regelt. Die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung ist mit der Übergabe auf den Käufer übergegangen, S t a u d i n g e r / O s t l e r §440 Anm. 22 e; S c h u b e r t , Deutsches Kaufrecht (1937) S. 61. Die Vorschriften über die Entwehrung nach § 440 Abs. 2 gelten nicht für G r u n d s t ü c k e , Ansprüche wegen Rechtsmängeln hat der Käufer erst nach der A u f l a s s u n g ,

RG83, 215.

Die Vorschrift des § 440 findet auch noch Anwendung, wenn die Entwehrung erst gegenüber einem N a c h m a n n d e s K ä u f e r s stattfindet (RG 2. 1. 22 V I 572/21). V e r w i r k t dagegen d e r K ä u f e r d i e von ihm g e k a u f t e und ihm abgetretene F o r d e r u n g , so hat er gegen den Verkäufer keine Rechte aus den §§ 440, 437, 325, mag auch der Verwirkungseinwand damit begründet werden, d a ß die Zeit, die sich Zedent u n d Zessionar für die Geltendmachung der Forderung gelassen haben, zusammen genommen, den Verwirkungstatbestand erfüllt. Denn sonst würde m a n den Verkäufer für die Nachlässigkeit des Käufers mithaften lassen, KG M D R 1954, 547. Beim F i l m v e r w e r t u n g s v e r t r a g finden die Gewährleistungsvorschriften der §§ 440, 325, 320 Anwendung, soweit nicht Mängel des Films, sondern des gewerblichen Vorführungsrechts in Frage stehen, B G H 2, 331.

Anm. 21 IV. Haftung ohne Entwehrung? Dem Verkäufer kommt der gute Glaube des Käufers zugute. Er genügt der Verpflichtung, das Eigentum oder das lastenfreie Eigentum zu verschaffen, falls der Käufer in Ansehung des Eigentums oder der Lastenfreiheit gutgläubig ist (§§ 932, 936) u n d § 935 nicht seinem Erwerb entgegensteht. W e i m a r ( M D R 1956, 591) will dem Käufer den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung auch dann zugestehen, wenn es ihm peinlich ist, eine gutgläubig erworbene Sache zu behalten, oder wenn er dem Verdacht einer strafbaren Handlung entgehen will und die Kaufsache demjenigen herausgibt, der sein Eigentum infolge des eingetretenen gutgläubigen Erwerbs verloren hat. Das ist ausgeschlossen, da § 440 Abs. 2 verlangt, d a ß der Käufer die Kaufsache einem Dritten mit Rücksicht auf dessen Recht zum Besitz herausgibt; gibt der Käufer ohne Entwehrung heraus, so ist das seine Sache (OLG H a m b u r g M D R 1948, 253).

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§ 440 A n m . 22 §§441,442

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 22 V. M ä n g e l des Kraftfahrzeugbriefs Der Kraftfahrzeugbrief schafft Handhaben zur Sicherung des Eigentums am Kraftfahrzeug. Insoweit besteht seine Bedeutung vor allem darin, daß sein Fehlen in der Hand des Veräußerers geeignet ist, den guten Glauben des Erwerbers bei einem Erwerb vom Nichtberechtigten auszuschließen, B G H 18, n o , 1 1 5 . Der Brief dient aber nur dem Schutz des Eigentümers oder des dinglich Berechtigten am Wagen, nicht dem Schutz des Briefinhabers; aus dem Besitz des Kraftfahrzeugbriefs, der kein Traditionspapier ist, kann nicht das Eigentum am Kraftfahrzeug entnommen werden (BGH 10, 122, 125). Wenn auch der Ubergang des Eigentums am Kraftfahrzeug von der Ubergabe des Kraftfahrzeugbriefs unabhängig ist, so ist doch der Verkäufer verpflichtet, den Kraftfahrzeugbrief herauszugeben (§ 444); obwohl diese Verpflichtung nicht Teil der Verpflichtung ist, dem Käufer das Eigentum am Kraftfahrzeug zu verschaffen, ist sie doch eine Hauptverpflichtung im Sinne des § 326; der Käufer kann daher nach vergeblicher Nachfristsetzung vom Vertrage zurücktreten (BGH NJW 1953, 1347). Bei Nichtübereinstimmung der Fahrgestell- und Motornummer des verkauften Kraftfahrzeugs mit den Eintragungen im Kraftfahrzeugbrief hat der Verkäufer nicht erfüllt, selbst wenn der Käufer Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist; der Käufer kann nach § 326 verfahren und nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrage zurücktreten (OLG Schleswig J R 1952, 242; O L G Stuttgart NJW 1953, 1264). Ein Rechtsmangel liegt dagegen nicht vor, falls der Käufer Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist, und dies ist auch ohne Kraftfahrzeugbrief oder mit einem fehlerhaften Brief rechtlich möglich (OLG Hamm NJW 1953, 386). Ein auf der Nichtübereinstimmung zwischen Kraftfahrzeugbrief und Kraftfahrzeug beruhendes Zulassungshindernis kann je nach der Länge der Zulassungsverzögerung einen Sachmangel darstellen, wenn darin nach Lage des Falles bei Berücksichtigung der Verkehrsauffassung eine wesentliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs liegt (BGH 10,242). Zulassungshindernde Fehler des Kraftfahrzeugs sind ohne weiteres Sachmängel, RG J W 1936, 18883.

§ 4 4 1 Die Vorschriften d e s § 440 A b s . 2 bis 4 gelten auch dann, w e n n ein Recht an einer beweglichen Sache verkauft ist, das z u m B e s i t z e der Sache berechtigt. E I 374 II 382; M a 216; P 1 660; 6 170.

Hierunter fallt der Verkauf eines zu bestellenden Nießbrauchs, §§ 1036, 1059 oder eines bestehenden Pfandrechts, § 1251, nicht dagegen das Mietrecht. § 4 4 3 Bestreitet der Verkäufer den v o m Käufer geltend g e m a c h t e n M a n g e l i m Rechte, s o hat der Käufer den Mangel z u b e w e i s e n . E I 379 II 383; M a 222; P 1 66 j.

Die Vorschrift hat den Fall im Auge, daß der Verkäufer den vom Käufer behaupteten R e c h t s m a n g e l bestreitet. Voraussetzung ist, daß der Käufer die Sache als Erfüllung angenommen hat (RG 27. 10. 06 V 100/06). Bestreitet dagegen der Käufer, daß der Verkäufer die zur Rechtsverschaffung notwendigen Handlungen gar nicht vorgenommen habe, z. B. die Abtretung der Forderung, die Auflassungserklärung, so muß nach den allgemeinen Grundsätzen der Verkäufer beweisen, daß er seiner Verschaffungspflicht genügt habe. Der erstere Fall liegt dagegen vor, wenn der Käufer behauptet, trotz vorgenommener Übertragungshandlung kein Eigentum oder keine Forderung erlangt zu haben.

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Kauf. Tausch

§443 Anm. 1, 2

Die Beweisregel umfaßt a l l e S t r e i t f ä l l e i m R a h m e n d e s § 434 ohne Unterschied, ob der Verkäufer rein äußerlich schon erfüllt hat oder nicht (WarnRspr. 1911 Nr. 395), ferner ohne Unterschied, von welchem Rechtsbehelf aus § 440 der Käufer Gebrauch macht (WarnRspr. 1916 Nr. 162). § 44a greift auch Platz, wenn der Käufer unter der Behauptung, daß der Verkäufer wegen des Vorhandenseins eines Mangels im Recht nicht gehörig leisten könne, nach § 320 vom Zurückhaltungsrecht Gebrauch macht oder wenn ein Dritter sein angebliches Recht bereits geltend macht. Im letzteren Falle genügt der Käufer seiner Beweispflicht nicht schon dadurch, daß er nachweist, daß der Dritte ein Recht geltend macht, sondern nur dadurch, daß er nachweist, daß das Recht des Dritten und damit der Rechtsmangel wirklich besteht (WarnRspr. 1916 Nr. 162; R G 3. 5. 16 V 64/16). Es kann natürlich vereinbart werden, daß der Verkäufer den Käufer schon gegen die bloße Geltendmachung eines Rechtes schützen solle. Eine Abmachung, daß der Verkäufer „in jeder Beziehung" für das Nichtbestehen einer Last aufzukommen habe, braucht indes noch nicht in jenem Sinne verstanden zu werden ( R G 27. 10. 06 V 100/06). Hat der Käufer die Kaufsache einem Dritten, dem sie gestohlen war, freiwillig herausgegeben, so genügt er seiner Beweislast nach § 442 schon durch den Nachweis des Diebstahls, falls sich der Dritte auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 2 oder den Besitzanspruch aus § 1007 berufen kann; der Nachweis der negativen Tatsache, daß der Diitte sein zum Besitz berechtigendes Recht nicht verloren habe, kann solchenfalls vom Käufer nicht verlangt werden, B G H 16, 307.

§443 Eine Vereinbarung, durch welche die nach den§§ 433 bis 437, 439 bis 442 wegen eines Mangels im Rechte dem Verkäufer obliegende Verpflichtung zur Gewährleistung erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt. E I 380 I I 384; M 2 223; P 1 667.

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV. V. VI.

Haftungsausschluß und Haftungsbegrenzung Arglistiges Verschweigen Bloße Irreführung Beweislast Haftung für Stellvertreter Haftung für Gehilfen

1 2—9 10 11 12 13

Anm. 1 I. Haftungsausschluß und Haftungsbegrenzung Grundsätzlich herrscht auch hinsichtlich der Gewährleistung wegen Mangels im Recht Vertragsfreiheit, so daß Abreden über Ausschluß, Beschränkung oder Erweiterung zulässig sind. Dies kann auch durch stillschweigende Vereinbarung geschehen oder sich ohne weiteres aus der Besonderheit des Vertrags, z. B. aus der gewagten Natur des Geschäfts ( R G 163, 1, 8), oder aus einem Handelsbrauch ( R G J W 1923, 176) ergeben. Eine Abrede, die sich nur auf einen bestimmten Fehler bezieht, ist im allgemeinen nicht dahin zu deuten, daß die Gewährleistung wegen aller Fehler erlassen sei. Denn der Erlaß ist nicht ausdehnend auszulegen ( R G 62, 122; R G SeufFArch. 85 Nr. 134).

Anm. 2 II. Arglistiges Verschweigen Die Vereinbarung des Ausschlusses oder der Beschränkung der Gewährleistung wegen Mängel im Recht findet ihre Grenze an der A r g l i s t d e s V e r k ä u f e r s . Wenn der Verkäufer den Mangel beim Vertragsabschluß arglistig verschweigt, ist die Abrede nichtig. Das gleiche gilt nach § 476 für eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache erlassen oder beschränkt wird. 8

K o m m . z . B G B , n . A u f l . II. B d .

(Kuhn)

113

§ 443 Anm. 3—11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 3 1. Die Nichtigkeit tritt ohne Anfechtung ein, bleibt aber auf den Erlaß beschränkt und läßt die Rechtsbeständigkeit des Vertrags im übrigen unberührt (RG 62, 125; WarnRspr. 1914 Nr. 115). Anm. 4 2. Auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Arglist und dem Erlaß der Gewährleistung kommt es nicht an, RG 55, 214. Anm. 5 3. Zur Arglist gehört, daß der Verkäufer erstens das Vorhandensein des Fehlers kannte oder wenigstens mit der M ö g l i c h k e i t des Vorhandenseins r e c h n e t e ( R G J W 1913, 1153, DJZ 1916 Nr. 990) — b l o ß e s Zweifeln allein ist nicht ausreichend (mißverständlich SeufFArch. 58, 314) —, daß er zweitens wußte, dem Käufer sei der Mangel nicht bekannt, (könne ihm wenigstens unbekannt sein) und daß er drittens sich bewußt war, der Käufer würde bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag nicht abschließen oder die angebotene Ware als Erfüllung nicht annehmen (RG 62, 150; 62, 300; J W 1 9 1 3 , 684»).

Anm. 6 4. B e i s p i e l e : Hiernach liegt arglistiges Verschweigen namentlich vor, wenn der Verkäufer schweigt, um den Käufer zu täuschen (RG 55, 213), z. B. falls dieser einen Preis bietet, der zum Wert der Sache außer Verhältnis steht und dieser erkennbar aus Irrtum abgegegeben ist (WarnRspr. 08 Nr. 186); wenn er durch sein Verhalten zu verhüten sucht, daß der Käufer den Fehler erfährt (Gruchot 48, 336), sich etwa wahrheitswidrig den Anschein gibt, als halte er das Bestehen des Rechtes für zweifelhaft, während er dessen Nichtbestehen sicher weiß (RG 75, 436) oder sonst in böser Absicht die bei ihm vorhandenen Zweifel dem Käufer nicht mitteilt (RG 62, 149; 75, 436; J W 04, 359™; 09, 48 11 ; WarnRspr. 1912 Nr. 300; 1915 Nr. 110). Anm. 7 5. Dagegen sind besondere Veranstaltungen zur Unterdrückung des Fehlers nicht erforderlich. Anm. 8 6. Nur die K e n n t n i s des K ä u f e r s — nicht auch schuldhaftes Nichtkennen — vom Vorhandensein des Mangels z u r Zeit des V e r t r a g s s c h l u s s e s nimmt ihm das Recht, sich auf die Arglist des Gegners zu berufen (RG 8. 5. 07 V 468/06). Hat aber der Käufer die Kenntnis erst nach dem Vertragsschluß erlangt, so schließt die Annahme der Sache die spätere Geltendmachung eines Mangels im Recht nicht aus, es sei denn, daß ein Verzicht vorliegt ( J W 06, io 4 ). Anm. 9 7. Bei § 464 handelt es sich um Arglist nicht bei Vertragsschluß, sondern bei Erfüllung ( R G 5 5 , 213).

Anm. 10 III. Bloße Irreführung Nur die arglistige Herbeiführung des Erlasses der Gewährleistungspflicht macht diese Vereinbarung nichtig. Hat der Verkäufer gutgläubig durch unrichtige Angaben den Käufer in Irrtum versetzt, so kann dieser die Erklärung anfechten; sie ist aber nicht nichtig (JW03 Beil. 38"). Anm. 11 IV. Beweislast Der Käufer, dem sein etwaiger Erlaß entgegensteht, hat die Arglist des Verkäufers zu beweisen, und der letztere hat alsdann diesen Einwand durch den Nachweis der Kenntnis des Käufers im Zeitpunkte des Vertragsschlusses zu widerlegen, § 439.

114

Kauf. Tausch

§ 443 Anm. 12,13 § 444 Anm. 1,2

Anm. 12 V. Haftung für Stellvertreter Da der Vertretene die Vertragsinhalt gewordenen Erklärungen seines bevollmächtigten Vertreters so gegen sich gelten lassen muß, wie sie abgegeben worden sind, hat der Geschäftsherr für die beim Kaufabschluß begangene Arglist seines bevollmächtigten Vertreters gemäß § 443 einzustehen (RG 61, 207; § 166 Anm. i8ff.). Anm. 13 VI. Haftung für Gehilfen Die Arglist eines Gehilfen, der kein Stellvertreter ist, kann dem Verkäufer um deswillen nicht zugerechnet werden, weil es sich beim Vertragsschlusse nicht um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt, der §278 deshalb außer Anwendung bleiben muß. Möglich ist die Heranziehung des § 831, falls der Verkäufer den Dritten zu einer bestimmten Verrichtung, beispielsweise zur Auskunftserteilung, bestellt und der andere dabei arglistig gehandelt hat.

§444 Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer über die den verkauften Gegenstand betreffenden rechtlichen Verhältnisse, insbesondere im Falle des Verkaufs eines Grundstücks über die Grenzen, Gerechtsame und Lasten, die nötige Auskunft zu erteilen und ihm die zum Beweise des Rechtes dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitze befinden, auszuliefern. Erstreckt sich der Inhalt einer solchen Urkunde auch auf andere Angelegenheiten, so ist der Verkäufer nur zur Erteilung eines öffentlich beglaubigten Auszugs verpflichtet. E 1462 N 385; M 2 322; p 2 58. Übersicht Anm.

I. II. III. IV.

Auskunftspflicht Urkundenauslieferung § 8 1 2 BGB Klagbarkeit

1 2, 3 4 5

Anm. 1 I. Diese Auskunftspflicht ist nicht zu verwechseln mitder etwaigen Anzeigepflicht des Verkäufers beim Vertragsschlusse (§ 443). Sie betrifft den „verkauften" Gegenstand, setzt daher einen Kaufvertrag als bereits gegeben voraus und begründet somit eine weitere selbständige Verkäuferpflicht, deren Verletzung den Käufer zu den im § 440 vorgesehenen Rechtsbehelfen berechtigt (RG 52, 168; J W 1912, 745" betrifft den Fall eines besonderen Vertrauensverhältnisses, RG LZ 1916 Sp. 222 8 ). Sie trifft auch den Vorkaufsverpflichteten, §§505 510 Abs. 1 (RG 108, 68). Die bezeichnete Verpflichtung bezieht sich nur auf die das rechtliche Verhältnis begründenden Unterlagen, umfaßt dagegen nicht auch die Pflicht zu Rechtsbelehrungen (RG aaO). Daß sich der Käufer aus dem Grundbuch unterrichten kann, entbindet den Verkäufer von seiner Auskunftspflicht nicht. Der Käufer kann Vorlegung eines Grundbuchauszugs verlangen. Beim Verkauf von Forderungen kommt auch § 402 in Frage. Anm. 2 II. Die Verpflichtung zur Auslieferung von Urkunden erstreckt sich nur auf solche im mittelbaren oder unmittelbaren Besitze des Verkäufers befindliche Urkunden, die entweder den Rechtsbestand selbst betreffen oder zum Beweise von rechtlichen Verhältnissen, den Kaufgegenstand betreffend dienen, (z. B. Mietverträge und Bescheinigungen über das Eigentumsrecht des Mieters an den eingebrachten Sachen). Daher handelt es sich beim Forderungskaufe auch dann um eine Beweisurkunde im Sinne des § 444, wenn sie nur den Nachweis einer besonderen Beschaffenheit der Forderung (z. B. ihrer Sicherung durch Hypothek) erbringt (RG 3. 4. 09 V 375/08). »*

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§ 444 Anm. 3—5 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 445 Anm. 1 , 2 Bei dem Verkauf eines Kraftwagens gehört die Aushändigung des Kraftfahrzeugbriefs in der Regel zu den Verpflichtungen des Verkäufers, deren Nichterfüllung dem Käufer nach Maßgabe des § 326 ein Recht zum Rücktritt vom Vertrage geben kann, BGH NJW 1953, 1347Anm. 3 Unter die Bestimmung fallen dagegen nicht Urkunden, deren Ubergabe zur Rechtsverschaffung selbst erforderlich ist, bei denen also nicht bloß Beweiszwecke in Frage stehen (§433).

Anm. 4 III. Um sich über die V o l l s t ä n d i g k e i t des öffentlich beglaubigten Auszugs der Urkunde vergewissern zu können, kann der Käufer vom Rechte auf Einsicht in die Urkunde gemäß § 810 Gebrauch machen. Anm. 5 IV. Auf Auskunftserteilung kann geklagt werden. Vollstreckung nach ZPO § 888.

§445 Die Vorschriften der§§ 433 bis 444 finden auf andere Verträge, die auf Veräußerung oder Belastung eines Gegenstandes gegen Entgelt gerichtet sind, entsprechende Anwendung. E U 386; P I 653.

Anm. 1 Für die entsprechende Anwendung kommen als sonstige entgeltliche Veräußerungsgeschäfte in Betracht: der V e r g l e i c h (RG 54, 167; JW 03 Beil. 56), Geschäfte, bei denen das Entgelt nicht in Geld, sondern in Handlungen besteht, der T r ö d l e r v e r t r a g , der Vertrag zwischen V e r l e g e r und S o r t i m e n t e r , der Filmverwertungsvertrag, soweit nicht Mängel des Films, sondern des gewerblichen Vorführungsrechts in Frage stehen, BGH 2, 331; die Auslobung, § 657; der Vertrag über Veräußerung der Rechte aus dem Meistgebot, RG Recht 1935 Nr. 8328; RG 157,175; Veräußerung eines Geheimverfahrens, RG 1 6 3 , 1 ; der Sacheinlagevertrag nach §§20 AktG, 5 Abs. 4 GmbHG, RG J W 1929, 3006; ein Auseinandersetzungsvertrag, durch den einem Gesellschafter ein Grundstück oder eine andere Sache überlassen wird, BGH WM 1955, 224; die Übernahme des einzigen vorhandenen Nachlaßgegenstandes durch einen Miterben, BGH LM Nr. 4 zu § 433 BGB. Dagegen kommen die Gewährleistüngsansprüche überall nur dem Erwerber, nicht auch dem V e r m i t t l e r zu (RG Recht 1915 Nr. 301). Die Abtretung einer Forderung e r f ü l l u n g s h a l b e r ist weder Kauf noch ein kaufähnlicher Vertrag (RG 65, 79). Bei der Auseinandersetzung von Gesellschaftern ist wie bei § 757 für Gewährleistungsansprüche kein Raum, wenn das Gesellschaftsvermögen oder einzelne Stücke davon den Gesellschaftern ihrer Beteiligung entsprechend zugeteilt wird und alle Teile gleich mangelhaft sind; demzufolge ist für einen Rechts- oder Sachmangel nicht Gewähr zu leisten, wenn die Gesellschafter ihr Gesamthandseigentum in Miteigentum überführen (BGH WM 1955, 224) oder es sich um einen Auseinandersetzungsvertrag zwischen zwei Gesellschaftern handelt (BGH 27. 3. 58 II ZR 327/56). Anm. 2 Als entgeltliche Belastung ist der V e r p f ä n d u n g s v e r t r a g und die Hypothekenbestellung hervorzuheben. Die entsprechende Anwendung führt bei letzterer dahin, daß der Verpfänder dem Darleiher das Hypothekenrecht zu verschaffen und dem entgegenstehende Rechte Dritter zu beseitigen hat; darüber hinaus gehen seine Verpflichtungen nicht; namentlich hat er das Grundstück nicht von Rechten, die der Hypothek vorgehen, zu befreien, denn er hat dem Darleiher nicht das Grundstück, sondern das Hypothekenrecht daran zu verschaffen, und das ist mit Rechten, die am Grundstück bestehen, nicht beschwert; der Hypothekar wird durch solche Rechte Dritter auch nicht berührt, da sie gegen ihn nicht geltend gemacht werden können; von einer entspre116

Kauf. Tausch

§ 445 A n m . 3, 4 §446

chenden Anwendung des § 439 auf die Bestellung einer Darlehnshypothek kann daher nicht die Rede sein, R G 55, 131. Der Veräußerer einer Hypothek haftet auch für deren Rang (RG H R R 1934, 1009: „ D e r R a n g einer Grundschuld bildet eine rechtliche Eigenschaft, für welche der Verkäufer des Rechts nach §437 einzustehen h a t " ; a A R G I 2 i , 129). Den Anspruch auf Einräumung eines Vorrangs hat der Verkäufer dem Käufer mit zu übertragen (RG 85, 225). Anm. 3 In einigen Fällen entfällt die entsprechende Anwendung, weil die Anwendung der Vorschriften über den K a u f in besonderer Weise schon durch Einzelvorschriften angeordnet worden ist, so b e i H i n g a b e a n Z a h l u n g s S t a t t (§ 365), T a u s c h (§ 515), W e r k l i e f e r u n g s v e r t r a g (§651), G e m e i n s c h a f t (§757), M i e t e u n d P a c h t (§§541, 581 Abs. 2), V e r m ä c h t n i s s e n (§ 2182), E r b s c h a f t s k a u f (§ 2376). Anm. 4 Ausgeschlossen ist die entsprechende Anwendung a) bei u n e n t g e l t l i c h e n V e r t r ä g e n , für die meist besondere Bestimmungen gelten, Schenkung (§523), Ausstattung (§ 1624), Schenkung einer Erbschaft (§2385 Abs. 2); b ) bei Veräußerungen kraft Gesetzes oder s t a a t l i c h e r V e r f ü g u n g s m a c h t , wie bei Zwangsversteigerung nach Z V G § 156 Abs. 3 ( B G H L M Nr. 5 zu Art. 39 R E G [BrZ]), bei der Enteignung; c) bei Überlassung von Gegenständen und Rechten z u m G e b r a u c h .

§446 Mit der Übergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des zufälligen U n terganges und einer zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Von der Übergabe an gebühren dem Käufer die Nutzungen und trägt er die Lasten der Sache. W i r d der Käufer eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffs oder Schiffsbauwerks vor der Übergabe als Eigentümer in das Grundbuch, das Schiffsregister oder das Schiffsbauregister eingetragen, so treten diese W i r kungen mit der Eintragung ein. E I 463 II 387; M 2 }iz;

P 2 58.

Ubersicht Anm.

I. Begriffliches 1. Gefahr 2. Zufälliger Untergang Verschlechterung II. Der Anwendungsbereich 1. Sachen 2. Gleichstehende Rechte 3. Wertpapiere 4. Abstellbare Mängel III. Wirkung des Gefahrübergangs I V . Die Voraussetzungen 1. Kaufvertrag 2. Ubergabe 3. Folgen aus 1 u. 2 V . Zeitpunkt des Gefahrübergangs V I . Gefahrübergang vor Ubergabe V I I . Grundstückskauf (Absatz 2) V I I I . Ubergang der Nutzungen I X . Tragung der Lasten X . Dispositiver Charakter der Vorschrift

1—4 2 3 4 5—8 5 6 7 8 9 10—13 11 12 13 14 15 16 17 18 19

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§ 446 A n m . 1—6 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse I. Begriffliches

Bei gegenseitigen Verträgen trägt der Schuldner die Gefahr des zufälligen Untergangs bis zur Erfüllung (§§ 333, 275). § 446 schränkt die Regel des § 323 für den Kauf erheblich zugunsten des Verkäufers ein. Beim Kauf geht die Gefahr des zufälligen Untergangs schon vor der vollständigen Erfüllung auf den K ä u f e r über: bei beweglichen Sachen mit der Ubergabe und bei Grundstücken mit der Eintragung. Gleichwohl bleibt der Gefahrübergang eine Folge der Erfüllung, wenn auch nur der Teilerfüllung. Trägt der Käufer bereits die Gefahr, so hat er den Kaufpreis zu zahlen, obwohl der Verkäufer infolge Zufalls nicht mehr leisten kann und von seiner Leistungspflicht ersatzlos (§ 275) frei geworden ist. Die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 446, 447 ist nichts anderes als die Frage, ob der Kaufpreis trotz des zufälligen Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung der Kaufsache zu zahlen ist. Man spricht insoweit auch von der Vergütungs- oder Preisgefahr im Unterschied zur Lieferungs- oder Leistungsgefahr. Diese trägt der Käufer bei Speziessachen bereits vom Vertragsschluß an, da der Verkäufer frei wird (§ 275), wenn die Sache durch Zufall untergeht, und bei Gattungssachen von der Konkretisierung an (vgl. §§ 243 Abs. 2, 300 Abs. 2). Anm. 2 1. Unter der Gefahr des zufälligen Untergangs ist die von keinem Teil zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung zu verstehen; sie trägt bis zur vollständigen Erfüllung der Leistungspflichtige, § 323. Die Gefahr tragen, bedeutet, die Nachteile aus einer bestimmten Lage nicht auf einen anderen abwälzen können. § 446 bezieht sich nicht auf die Auswirkung allgemeiner wirtschaftlicher Katastrophen, jedenfalls muß er unter der beschränkenden Regel von Treu und Glauben angewendet werden, OGH 1, 70. Anm. 3 2. Um zufälligen Untergang und zufällige Verschlechterung handelt es sich nur dann, wenn weder die eine noch die andere Vertragspartei für sie verantwortlich ist (§ 323)- Fälle entgegengesetzter Art regeln §§ 324, 325. Anm. 4 3. Verschlechterung ist nicht schon jede Verminderung einer vorteilhaften Eigenschaft, sondern die wirtschaftlich für das Kaufgeschäft bedeutsame Beeinträchtigung. § 446 umfaßt also die Unmöglichkeit der Leistung wie die Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes. Anm. 5

II. Der Anwendungsbereich

1. Nur der Untergang und die Verschlechterung einer Sache als Kaufgegenstand kommt in Frage. Der Begriff der Sache ist im technischen Sinne des § 90 zu verstehen, es kommen bewegliche und unbewegliche in Betracht, Genus- und Speziessachen. Beim Gattungskauf ist vorherige Auswahl einer bestimmten Einzelsache erforderlich (§ 243; R G 92, 128). Der Verkäufer muß jeden Einfluß auf die Auswahl der Sache verloren haben. Bei § 446 ist nur an körperliche Veränderungen zu denken. Für Entwertungen infolge Mängel im Rechte greifen §§ 434 fr. Platz. Soweit jedoch bei anderen Gegenständen immaterieller Art, Sachgesamtheiten usw., eine dem Herrschaftsverhältnis an körperlichen Sachen gleichkommende Verfügungsgewalt durch einen der Ubergabe entsprechenden Vorgang begründet werden kann wie bei den in Anm. 129 zu §433 erwähnten Gegenständen, muß auch die entsprechende Anwendung des § 446 für zulässig gehalten werden. Dies kann auch aus § 2380 abgeleitet werden. Anm. 6 2. Nach § 451 sind den Sachen die dort bezeichneten Rechte gleichgestellt.

118

K a u f . Tausch

§446 A n m . 7—11

Aom. 7 3. Beim Verkauf von W e r t p a p i e r e n ist zwischen der U r k u n d e als körperlicher Sache u n d d e m ihr verkörperten R e c h t zu unterscheiden. N u r in bezug auf erstere findet § 446 Anwendung, in bezug auf letztere §§ 433, 437—439, evtl. 4 5 1 . Anm. 8 4. A u c h der a b s t e l l b a r e M a n g e l ist ein Mangel, der zu vertreten ist, wenn er zur Zeit der Ü b e r g a b e v o r h a n d e n ist. Es k a n n allerdings sein, d a ß ein Fehler, der seiner N a t u r n a c h n u r ganz vorübergehend ist, unter U m s t ä n d e n als Mangel nicht anzusehen ist ( R G 9. 3. 22 V 395/21). III. D i e W i r k u n g d e s G e f a h r ü b e r g a n g s Anm. 9 Wie der Gefahrübergang v o m Eigentum u n a b h ä n g i g ist, so bewirkt er insbesondere nicht selbst auch einen Ü b e r g a n g des Eigentums ( R G 108, 27). N a c h § 446 k o m m t n u r diejenige Leistungsunmöglichkeit in Betracht, die eine W i r k u n g des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache ist. Ist die Leistungsunmöglichkeit die Folge anderer Ursachen, z. B. heimlicher Entziehung der Sache d u r c h einen Dritten, R G 3. 11. 20 V 157/20, b e r u h t sie auf objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit zufolge von U m ständen, die schon vor G e f a h r ü b e r g a n g wenigstens i m Keime v o r h a n d e n w a r e n , so haftet der Verkäufer n a c h § 3 2 3 ; diese H a f t u n g wird v o m G e f a h r ü b e r g a n g nicht ber ü h r t (RG 6. 12. 05 V 210/05). IV. Die Voraussetzungen A n m . 10 A n sich liegt es in der N a t u r der Dinge, d a ß der Eigentümer einer Sache den Nachteil, der d u r c h d e n zufälligen U n t e r g a n g oder d u r c h die zufällige Verschlechterung der Sache entsteht, selbst zu tragen h a t (casum sentit dominus). I m Gebiet der Verträge h a t j e d o c h der U n t e r g a n g u n d die Verschlechterung einer Sache, w e n n sie Leistungsgegenstand ist, zugleich Bedeutung f ü r die Leistungsmöglichkeit, u n d so k o m m t die Frage hinzu, wer die Gefahr der Leistungsunmöglichkeit zu tragen h a t . N a c h deutschem Recht blieb diese Gefahr a u c h n a c h Abschluß eines Kaufvertrags so lange beim Verkäufer, als er noch die „ G e w e r e " an der Sache hatte, w ä h r e n d nach römischem Recht mit d e m vollständigen Abschluß des obligatorischen Vertrags auch die Gefahr der Erfüllungsmöglichkeit auf den K ä u f e r überging (periculum est emtoris). Das BGB ist zur alten deutschen Rechtsanschauung zurückgekehrt, wonach erst mit der E r l a n g u n g der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache die Gefahr auf den K ä u f e r übergeht. A n m . 11 1. Voraussetzung ist aber immer, d a ß ein K a u f v e r t r a g besteht; ohne einen solchen hat die Ü b e r g a b e einer Sache nicht den Gefahrübergang zur Folge. Ein K a u f v e r t r a g liegt vor bei einer zugefügten auflösenden Bedingung ( R G 8. 1. 21 I 253/20); nicht dagegen w ä h r e n d des Schwebens einer aufschiebenden Bedingung; bei einem K a u f auf Probe oder Besicht, der n a c h § 495 im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen wird, geht d a h e r die Gefahr nicht schon mit der U b e r g a b e auf d e n Käufer, sondern erst mit der Billigung über. Z u beachten ist jedoch, d a ß die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend Abweichendes über die Gefahrtragung vereinbaren können. H ä u f i g wird d e m Verkäufer, der n a c h Abschluß des Kaufvertrags u n d vor Eintritt der Bedingung die Kaufsache übergeben hat, die Gefahr des Untergangs, d e m K ä u f e r aber die Gefahr der Verschlechterung zugeteilt; zu einer solchen Unterscheidung liegt kein G r u n d vor, H a y m a n n in Savigny-Ztschr. 48, 370. Bei einem a u f s c h i e b e n d b e d i n g t e n V e r t r a g kann auch schon vor Eintritt der Bedingung zur Erfüllung der Verbindlichkeit aus d e m K a u f vorgeleistet werden. Das ist a u c h d a n n der Fall, wenn in der E r w a r t u n g geleistet wird, die Bedingung werde eintreten, a. M . R G 71, 317. A u c h bei einem bedingten K a u f h a t der K ä u f e r gegen den

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§ 446 Anm. 12, 13

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Verkäufer schon ein A n w a r t s c h a f t s r e c h t . Daher kann als Ausfluß dieses Rechts auch schon vor Eintritt der Bedingung die Kaufsache als Erfüllung übergeben werden. Es können auch die an den Bedingungseintritt geknüpften Folgen zurückbezogen werden, und dies muß als Wille der Parteien bei der Vorleistung angenommen werden, § 159. Wesentlich kann auch sein, daß mit der Ubergabe die Bewachungsmöglichkeit vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. Was vom aufschiebend bedingten Vertrag gilt, gilt auch vom g e n e h m i g u n g s b e d ü r f t i g e n ; kommt es zur Genehmigung, so kann es wegen ihrer rückwirkenden Kraft, § 184 Abs. 2, dem Parteiwillen entsprechen, daß die Gefahr bereits mit der Ubergabe übergangen sein soll. Uber die Ansprüche beim Ausfall der Bedingung oder beim Ausbleiben der Genehmigung vgl. RG 129, 307. Anm. 12 2. V o r a u s s e t z u n g ist w e i t e r , d a ß die K a u f s a c h e ü b e r g e b e n w i r d . Der Begriff der Übergabe ist der des § 433. § 446 betrifft daher unmittelbar bloß die k ö r p e r l i c h e U b e r g a b e . Nicht erforderlich ist eine Ubergabe, die zugleich die vollständige Erfüllung des Kaufs enthält. Es kommt nur eine U b e r g a b e in Betracht, die auf G r u n d eines K a u f s und zur Erfüllung der daraus dem Verkäufer obliegenden Verpflichtung erfolgt. Ubergibt der Verkäufer auf Grund eines nebenher gehenden Vertrages, etwa eines Gebrauchsüberlassungsvertrages, wie er gelegentlich mit aufschiebend bedingten Kaufverträgen verbunden wird, so tritt der Gefahrübergang von Gesetzes wegen nicht ein, RG 85, 320, 322; J W 1937, 1628; OGH 1, 149, 154. Beim E i g e n t u m s v o r b e h a l t s k a u f (§ 455) ist Gegenstand der Ubergabe eine verkaufte Sache; nicht der Kaufvertrag, sondern der Eigentumsübergang steht unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises (RG 95, 105). Bei Cif-Verkäufen geht die Gefahr schon mit der Abladung der Ware im Absendungshafen über (RG 87, 134). Wenn nach dem Vertrage die Leistung des Verkäufers als erfüllt anzusehen ist, sofern er dem Käufer nur den m i t t e l b a r e n Besitz verschafft (§§ 930, 931), oder mit der Ubergabe von D i s p o s i t i o n s p a p i e r e n , wie es z. B. beim Verkauf „gegen Konnossement" der Fall ist, so ist anzunehmen, daß auch die in § 446 geordneten Folgen sich an der Verschaffung des mittelbaren Besitzes und an die Ubergabe der Dispositionspapiere knüpfen (RG 52, 354). Der Käufer erhält hierdurch die Möglichkeit, die Sache zu überwachen; der Gedanke der Vorschrift des § 446 trifft auch hier zu. Anders bei bloßer Abtretung des Herausgabeanspruchs, für die wieder die Regel des § 323 zutrifft. Ist nicht gegen Dispositionspapiere gekauft, so braucht der Käufer die Ware nicht anzunehmen. Tut er es doch, so ist es Auslegungsfrage, ob er damit auch die Gefahr nach § 446 hat übernehmen wollen, was im Zweifel anzunehmen ist. Bei der V e r s t e i g e r u n g von g e s c h l a g e n e m Holz geht die Gefahr nicht schon mit dem Zuschlag auf den Ersteher über, sondern erst mit der Besitzeinräumung, die auch durch Aushändigung des Verabfolgzettels geschehen kann. Beim Verkauf von Holz auf dem Stamme tritt der Gefahrübergang schon mit Ubergabe des Grundstücks zum Holzen, nicht erst mit dem Eigentumsübergang ein. Anm. 13 3. Daraus, daß der Gefahrübergang an die Ubergabe der verkauften Sache geknüpft ist, folgt: a) Der G e f a h r ü b e r g a n g ist u n a b h ä n g i g vom Ü b e r g a n g des E i g e n t u m s (RG 85, 320; 93, 330, 331; J W 1937, 16282, 1631. Unerheblich ist insbesondere, ob die Übergabe auch zum Eigentumsübergang führt, OGH 1, 149, 154, und ob sie überhaupt zur Eigentumsverschaffung geeignet ist (RG 93, 331). Eigentumsübertragung und Gefahrübergang haben miteinander nichts zu tun, RG 93, 331. b) A n n a h m e u n d B i l l i g u n g der K a u f s a c h e sind keine Voraussetzungen des Gefahrübergangs, OGH 1, 149, 154. Bei § 446 geht es nicht darum, wie sich die Verschlechterung der Sache auf die aus dem Eigentum fließenden Befugnisse, sondern darum, wie sie sich auf die Leistungs120

Kauf. Tausch

§446

Anm. 14—16

möglichkeit auswirkt. Die Regel des § 300 Abs. 1, daß der Verkäufer bei Annahmeverzug des Käufers nur noch für Vorsatz und Fahrlässigkeit haftet (RG Recht 1920 Nr. 2349)> und die Regel des Gattungskaufs nach § 300 Abs. 2 steht mit diesem Grundsatz nicht in Widerspruch. Wenn beim Gattungskauf der Verkäufer nach § 243 Abs. 2 das zur Aussonderung Erforderliche getan hat und die ausgesonderte Sache dadurch Kaufgegenstand geworden ist, wird der Verkäufer bei nachträglich eintretender Unmöglichkeit der Leistung frei, § 275. c) S a c h m ä n g e l hindern den Gefahrübergang nicht, OGH 1, 149, 154.

Anm. 14

V. Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs

Die Gefahr geht beim Kauf beweglicher Sachen mit der Übergabe der Kaufsache, beim Kauf von Grundstücken, eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken mit der Eintragung ins Grundbuch, Schiffsregister oder Schiffsbauregister über. Der Käufer hat nur die n a c h diesem Zeitpunkt eintretende Verschlechterung und nur den n a c h diesem Zeitpunkt eintretenden Untergang zu tragen. Aber auch die der Anlage nach vorhandene, schon im Keim gegebene Gefahr geht mit der Ubergabe der Kaufsache auf den Käufer über. Anm. 15

VI. Gefahrübergang vor Übergabe

In d r e i F ä l l e n durchbricht das BGB die Regel des Abs. 1 und läßt den G e f a h r ü b e r g a n g vor der U b e r g a b e stattfinden, nämlich beim Grundstückskauf (§446 Abs. 2), beim Ubersendungskauf (§ 447) und beim Erbschaftskauf (§ 2380). Außerdem kann durch Parteivereinbarung von der Regel des § 446 abgewichen werden. So trifft bei einem unter der Cif-Klausel geschlossenen überseeischen Abladegeschäft die Transportgefahr ausnahmsweise dann den Verkäufer, wenn dieser die Gewähr für die Beschaffenheit der Ware übernommen und sich zugleich verpflichtet hat, dem Käufer für Beschädigung der Ware Vergütung zu leisten; dann ist der Bestimmungsort Erfüllungsort für die Verpflichtungen des Verkäufers (RG 96, 230). Eine Abweichung von § 446 wird als stillschweigend vereinbart angenommen werden können, wenn ein S a c h i n b e g r i f f (Inventar) oder eine andere S a c h g e s a m t h e i t , ein Vermögen als Ganzes, ein Handelsunternehmen usw. verkauft wird. Diese Fälle sind dem Erbschaftskauf ähnlich. Sonderbestimmungen noch beim W e r k v e r t r a g (§§ 644, 651) und bei der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g (ZVG § 56). VII. Grundstückskauf (Absatz 2) Anm. 16 Beim Grundstückskauf — entsprechendes gilt beim Kauf eines eingetragenen Schiffs oder Schiffsbauwerks — geht die Gefahr mit der Eintragung des Käufers ins Grundbuch über (§ 446 Abs. 2), falls die Eintragung der Übergabe des Grundstücks vorausgeht, das Grundstück also noch nicht in den tatsächlichen Herrschaftsbereich des Käufers gelangt ist; dies gilt auch dann, wenn der Käufer durch die Eintragung nicht Eigentümer geworden sein sollte. Kommt es dagegen zur Übergabe vor der Auflassung und Eintragung, so bleibt es bei der Regelung des § 446 Abs. 1. Werden mit dem Grundstück bewegliche Sachen verkauft (Warenvorräte — Zubehör — Bestandteile), so gelten, sofern nichts anderes gewollt ist, für das Grundstück und die beweglichen Sachen verschiedene Grundsätze über den Gefahrübergang. Die Fassung des Absatzes 2 beruht auf der DV zum SchiffsG v. 21. 12. 40. Wird bei einem D o p p e l v e r k a u f das Grundstück dem einen Käufer übergeben, dem andern Käufer aber aufgelassen und dieser eingetragen, so liegt für den ersten Käufer Nichterfüllung wegen unterlassener Eigentumsverschaffung vor, er hat daher Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus § 440; der zweite kann den Kaufpreis bis zur körperlichen Übergabe zurückhalten. Die Frage, von welchem der

121

§ 446 A n m . 17—19 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse §447 Doppelkäufer der Verkäufer den Kaufpreis verlangen kann, wenn das verkaufte Grundstück nach der Ubergabe an den einen und nach der Eintragung des anderen zufällig untergegangen ist, ist bestritten. Die einen meinen, von beiden, andere von dem, in dessen Person zuerst der Gefahrübergang eintrat, noch andere, von keinem, wieder andere nur von dem Eingetragenen. Letzteres ist zutreffend und auch die Meinung der Motive. Vgl. über die Streitfrage H e r r m a n n , Zwei Rechtsfälle aus dem Gebiete des mehrfachen Verkaufs derselben Sache durch denselben Verkäufer (191a) u. ArchBürgR 39, 91; S t a u d i n g e r / O s t l e r § 446 Anm. ao. VIII. Übergang der Nutzungen Anm. 17 Der Ü b e r g a n g der N u t z u n g e n auf den Käufer ist die Gegenleistung für die Gefahrtragung; er geschieht daher in demselben Zeitpunkt. Cuius est periculum eius est commoduni. Diese Abhängigkeit besteht auch dann, wenn der Gefahrübergang abredegemäß an ein anderes Ereignis geknüpft ist. Über Nutzungen vgl. § 100. I X . T r a g u n g der Lasten A n m . 18 Die Folge des Genusses der Nutzungen ist die T r a g u n g der L a s t e n . Über Lasten vgl. zu den §§ 103, 436. Hier sind öffentliche und privatrechtliche Lasten gemeint. Zu den Lasten gehören nicht Leistungen, zu denen sich der Verkäufer auf Grund eines Vertrags persönlich verpflichtet hat, insbesondere nicht die zahlenden Versicherungsbeiträge. Auf das Verhältnis zu Dritten, die die Nutzungen zu gewähren haben oder an die als Lasten Beträge abzuführen sind, hat die Regelung des § 446 keinen Einfluß. Nur die von § 446 selbst geregelten Fälle kommen in Betracht, sonach auch die in Abs. a geordnete Ausnahme, nicht aber die des § 447. Beim Übersendungskauf bleibt für den Übergang der Nutzungen und Lasten der Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe trotz des früheren Gefahrübergangs maßgebend. In § 3380 wird die Frage besonders geregelt, ebenso in § 56 ZVG. Von der E i g e n t u m s Verschaffung hängt der Übergang der Nutzungen nicht ab. A n m . 19 X . Die Vorschriften sind dispositiv.

§447 Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. Hat der Käufer eine besondere Anweisung über die Art der Versendung erteilt und weicht der Verkäufer ohne dringenden Grund von der Anweisung ab, so ist der Verkäufer dem Käufer für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. E1465 n 388; M a 326; P 2 67.

Übersicht

I. Begriff 1. Versendung an den Erfüllungsort a. Versendung vom Erfüllungsort aus a) Erfüllungsort b) Eigentumserwerb c) Nachnahme 122

.

Anm. 1—7 3 4 5 6 7

Kauf. Tausch

§ 447 A n m . 1—4 Anm.

II. Die Versendung 1. Das Verlangen des Käufers a) Ubernahmepflicht? b) Rechtsnatur der Versendungspflicht c) Unmöglichkeit der Erfüllung d) Keine Versicherungspflicht 2' Das Mittel der Versendung a) Versendungsperson b) Unanwendbarkeit des § 278 c) Das Versendungsgeschäft d) Eigentumsübergang e) Versendungsart III. Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs 1. Auslieferung a) Eigentumserwerb b) Erfüllung der Ubergabepflicht c) Einzelheiten 2. Konkretisierung a) Sammelladung b) Zuvielsendung 3. Bei Dispositionspapieren 4. Bei Kostenklauseln IV. Die Gefahr V. Zuwiderhandeln gegen die Anweisung des Käufers VI. Nutzungen und Lasten VII. Einzelheiten

8—12 8 9 10 11 12 13—18 14 15 16 17 18 19—28 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

I. Begriff Anm. 1 Der V e r s e n d u n g s k a u f (Distanzkauf, Fernkauf) — Gegensatz: Platzgeschäft — ist ein gewöhnlicher Kauf, bei dem lediglich die Besonderheit besteht, daß der Verkäufer als N e b e n l e i s t u n g die Versendung v o m E r f ü l l u n g s o r t n a c h d e m B e s t i m m u n g s ort übernimmt. Beispiele: die Vereinbarung „Kasse gegen Duplikatfrachtbrief" (RG 7. 4. 23 I 633/21) und Käufe mit cif- und fob-Klausel. Die Versendung der gekauften Ware nach dem Bestimmungsort gehört an sich nicht zu den Obliegenheiten des Verkäufers. Der Verkäufer, der die V e r s e n d u n g auf Verlangen des Käufers vornimmt, besorgt damit vielmehr regelmäßig ein G e s c h ä f t des K ä u f e r s . Daraus ergibt sich, daß der Käufer die Zahlung des Kaufpreises in der Regel nicht schon deshalb verweigern darf, weil der Verkäufer aus irgend einem Grunde außerstande ist, die Versendung zu bewirken, R G 88, 38. Anm. 2 §447 bezieht sich nur auf die Kaufsache. D i e n i c h t m i t v e r k a u f t e E m b a l l a g e reist auf Gefahr des Verkäufers. Aber der Verkäufer hat die Pflicht zur Verpackung. Anm. 3 1. V e r s e n d u n g an den E r f ü l l u n g s o r t . Die Versendung der Ware an den Erfüllungsort fällt nicht unter § 447; befindet sich die Ware nicht an dem Ort, an dem der Verkäufer zu erfüllen hat, so bereitet der Verkäufer mit der Verbringung der Ware dorthin nur die Erfüllung seiner Ubergabepflicht vor, und das fällt in seinen Gefahrenkreis, R G 111, 23. Anm. 4 2. V e r s e n d u n g v o m E r f ü l l u n g s o r t aus. Die Vorschrift des § 447 Abs. 1 setzt voraus, daß vom Erfüllungsort aus versandt wird, nicht von einem anderen vom Verkäufer einseitig bestimmten Orte (RG 106, 213;

123

§ 447

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 5, 6 i n , 25). Wenn die Parteien dagegen vereinbaren, daß die Ware von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort des Verkäufers unmittelbar versendet werden soll (Herstellungsort, Lagerort), so trifft die Transportgefahr den Käufer, R G i n , 23; 46, 193; das gleiche gilt, wenn die Ware beim Transport von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort durch den Erfüllungsort durchtransportiert werden muß; alsdann geht die Gefahr mit der Ankunft am Erfüllungsort auf den Käufer über, O L G Koblenz N J W 1948, 477. In der Vereinbarung, daß der Käufer abweichend von der Regel des § 477 die Gefahr der Versendung tragen soll, liegt noch keine Abänderung des Erfüllungsorts. § 447 bezieht sich nicht auf den Fall, daß nach § 930 der Verkäufer den mittelbaren Besitz auf den Käufer übertragen hat; die Gefahrtragung richtet sich nach den Regeln des vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses, z. B. nach den Regeln des Verwahrungsvertrags der ihm übersendeten Ware in dem Augenblick, in dem er sie annimmt und zu erkennen gibt, daß er die Ware als sein Eigentum behalten will, R G 12, 78; J W 1904, 62. Erklärt der Käufer nach Eintreffen der Ware, daß er sie besichtigen und demnächst Bescheid geben werde, so erwirbt er das Eigentum an ihr selbst dann nicht, wenn er sie im Sinne des § 377 H G B verspätet zur Verfügung stellt, R G 108, 26.

Anm. 5 a) Erfüllungsort Erfüllungsort ist der „Ort der Leistung" im Sinne von § 269, also für den Verkäufer der Ort, wo er seinen Wohnsitz, bei gewerblichen Verkäufen, wo er seine gewerbliche Niederlassung hat. Maßgebend ist die Zeit des Abschlusses des Kaufvertrags. Die Klausel „der Preis versteht sich franco Hamburg Freihafen" ändert am Erfüllungsort nichts (RG i n , 24). Ein späterer Wechsel des Wohnsitzes ändert an dem einmal begründeten Erfüllungsorte nichts. § 269 bezieht sich zunächst nur auf die Ortschaft im geographischen Sinne. Innerhalb der Ortschaft liegt die W o h n u n g und das Geschäft, es ist daher sinngemäß weiter zu sagen, daß der Verkäufer auch nur in seiner Wohnung und in seinem Geschäft zu erfüllen braucht. A n d e n V o r s c h r i f t e n des § 269 ä n d e r t § 447 n i c h t s . Daher ist auch eine abweichend von § 447 getroffene Vereinbarung dahin, daß der Verkäufer die Gefahr (und Kosten) der Versendung tragen soll, ohne Einfluß auf den Erfüllungsort (RG 68, 78; 106, 2 1 3 ; i n , 25). Auch an sonstigen Rechten und Verbindlichkeiten der Parteien ändert § 447 nichts. Bei einer Fristsetzung durch den Käufer muß die gewöhnliche Reisedauer berücksichtigt werden, R G 68, 329; J W 1910, 283; R G 16. 6. 25 I I 598/24. Haben die Parteien als E r f ü l l u n g s o r t abweichend von der Regel den Wohnsitz oder die gewerbliche Niederlassung des K ä u f e r s auch für die Leistung des Verkäufers vertraglich bestimmt, so kommt nicht §447, sondern §446 zur Anwendung, R G 106, 212. Sofern der Käufer in einem andern Ort als dem Erfüllungsort, sei es in einer andern Ortschaft oder wenigstens an anderer Stelle innerhalb der Ortschaft, seine Wohnung oder sein Geschäft hat, braucht auch er nur dort seine Leistung, das ist die Zahlung des Kaufpreises, zu erfüllen. Sein Erfüllungsort ist sonach ein anderer als der des Verkäufers. Da nun an sich jeder nur Zug um Zug zu erfüllen braucht, wäre, wenn jeder bei seinem Rechtsstandpunkt verharrte, die Abwicklung des Geschäfts ausgeschlossen. Der Käufer muß die Ware beim Verkäufer, der Verkäufer beim Käufer den Kaufpreis holen, keiner aber braucht ohne Gegenleistung im Zuge seinerseits zu erfüllen. Es muß sonach der eine oder der andere nachgeben. Ist beim Versendungskauf Leistung „ Z u g um Z u g " vereinbart, so kann der Käufer verlangen, daß ihm vorher die Besichtigung der Ware ermöglicht wird (RG 16. 10. 26 I 19/26). Die Vereinbarung „nach Eintreffen der Ware zahlbar" begründet eine Vorleistungspflicht des Verkäufers.

Anm. 6 b) E i g e n t u m s e r w e r b Der Käufer wird Eigentümer der ihm übersendeten Ware in dem Augenblick, in dem er sie annimmt und zu erkennen gibt, daß er die Ware als sein Eigentum behalten will, R G 12, 78; J W 1904, 62. Erklärt der Käufer nach Eintreffen der Ware, daß er sie besichtigen und demnächst Bescheid geben werde, so erwirbt er das Eigentum an ihr

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K a u f . Tausch

§447

Anm. 7—11

selbst dann nicht, wenn er sie im Sinne des § 377 H G B verspätet zur Verfügung stellt, R G 108, 26. § 447 bezieht sich nicht auf den Fall, daß nach § 930 der Verkäufer den mittelbaren Besitz auf den K ä u f e r übertragen hat; die Gefahrtragung richtet sich nach den Regeln des vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses, z. B. nach den Regeln des Verwahrungsvertrags.

Anm. 7 c) N a c h n a h m e Der Verkäufer darf die Ware nicht einseitig mit Nachnahme belasten, R G 30. 10. 24 I I 706/23.

II. Die Versendung Anm. 8 1. Das Verlangen des Käufers Dem § 447 liegt der Gedanke zugrunde, daß der Verkäufer, der die Versendung vornimmt, im Interesse des Käufers tätig wird und dessen Geschäft führt ( R G 88, 38; 103, 1 3 0 ; § 346 H G B ) . Deshalb ist er für das weitere Schicksal des dem berufsmäßigen Versender übergebenen Kaufgegenstandes nicht verantwortlich ( R G 99, 58). Versendet der Verkäufer vom Erfüllungsort an einen andern ihm vom K ä u f e r angegebenen Ort aus eigenem freiem Belieben oder bloßer Gefälligkeit, ohne daß der K ä u f e r die Versendung verlangt hat, so ist für die in § 447 geschaffene Ausnahme von der Regel des § 446 kein R a u m . Das Verlangen des Käufers braucht das Verlangen kein ausdrückliches zu sein, sondern kann sich aus den Umständen und der Übung ergeben, ist aber unentbehrlich, soll § 447 zur Anwendung gelangen. D i e B e s t i m m u n g d a r ü b e r , w o h i n die verkaufte Ware zu versenden ist, steht dem K ä u f e r zu. Daher muß sich regelmäßig der Verkäufer einer n a c h t r ä g l i c h e n Ä n d e r u n g d e r V e r s e n d u n g s a n w e i s u n g fügen, es sei denn, daß er an der Einhaltung der früheren Anweisung ein besonderes Interesse hat. R G J W 1 9 1 7 , 283 2 ; R G 18. 10. 27 I I 68/27.

Anm. 9 a) Ü b e r n a h m e p f l i c h t ? Eine gesetzliche Verpflichtung, dem Verlangen des Käufers nachzukommen, trifft den Verkäufer nicht. In vielen Handelszweigen besteht aber der allgemeine Handelsgebrauch, daß bei allen Distanzkäufen der Verkäufer die Ware zu übersenden hat und der K ä u f e r erst zu zahlen braucht, wenn sie am Bestimmungsort angelangt ist. Damit wird tatsächlich eine Vorleistungspflicht für den Verkäufer begründet ( R G 18. 1 . 0 7 I I 303/06).

Anm. 10 b) R e c h t s n a t u r der V e r s e n d u n g s p f l i c h t . K o m m t der Verkäufer dem Verlangen des Käufers nach, so vollzieht er damit keinen Auftrag, sondern erfüllt eine N e b e n v e r p f l i c h t u n g , R G J W 1924, 8 1 2 .

Anm. 11 c) U n m ö g l i c h k e i t der E r f ü l l u n g . Ist der V e r k ä u f e r aus irgendeinem Grunde a u ß e r s t a n d e , die übernommene Versendungspflicht zu erfüllen, so bedeutet dies keineswegs Nichterfüllung der Übergabepflicht aus § 433, die am Erfüllungsort zu erfolgen hat; der K ä u f e r kann daher auch um deswillen nicht die Zahlung des Kaufpreises überhaupt verweigern, wenn es auch dabei dies nur Zug um Zug tun zu müssen, verbleibt. Ist in Aussicht genommen, daß die gekaufte Ware ins Ausland gesendet werde, dies aber wegen mangelnder Ausfuhrerlaubnis nicht möglich ist, so ist der Kaufvertrag deshalb nicht unwirksam, R G J W 1 9 1 7 , 2 1 5 u. 283, der K ä u f e r kann dann Lieferung im Inland verlangen, wenn nicht berechtigte Interessen des Verkäufers entgegenstehen, R G 8. 1 1 . 24 I 627/23. Anders liegt es nur, wenn die Versendungspflichi zum wesentlichen Bestandteil des Geschäfts gemacht

125

§ 447 A n m . 12—16

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

worden ist (RG 88, 37). Dann ist die Versendung nicht ein Geschäft des Käufers, sondern des Verkäufers. Klausel „fob" RG 106, 212. Ungewöhnliche Transportschwierigkeiten stehen der Unmöglichkeit der Versendung gleich, ungewöhnliche Anstrengungen braucht der Verkäufer nicht zu machen (OLG 36, 40. A n m . 12 d) K e i n e V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t . Eine Verpflichtung des Verkäufers, die V e r s e n d u n g z u v e r s i c h e r n , besteht an sich nicht, sie kann sich aber aus Vereinbarung oder Handelsbrauch ergeben, O L G Rostock, SeuffArch. 76 Nr. 200; vgl. auch J W 1920, 725. A n m . 13 2. D a s M i t t e l d e r V e r s e n d u n g . Versendung setzt nicht begrifflich eine Verschiedenheit von Ortschaften im geographischen Sinne voraus. Auch innerhalb einer Ortschaft kann von dem Erfüllungsort (Wohnung, geschäftlicher Betriebsstelle des Verkäufers) aus nach einem andern Bestimmungsort (der Wohnung des Käufers oder eines Dritten, dem Bahnhof) eine „Versendung" stattfinden. Das ist namentlich bei ausgedehnten großen Städten der Fall (OLG 2, 218; DJZ 1902, 156; K i s c h KrVSchr. 44, 555. Versenden ist aber vom Uberbringen zu unterscheiden. A n m . 14 a) V e r s e n d u n g s p e r s o n . Bestritten ist, ob das Versenden voraussetzt, daß es durchweg durch eine vom Verkäufer verschiedene und von ihm unabhängige Person ausgeführt wird, oder ob es nicht zum Teil auch durch Angestellte des Verkäufers ausgeführt werden kann. Die letztere Auffassung ist richtig. Mag auch bei der Fassung des § 477 nur an die Zusendung durch einen Dritten gedacht worden sein, so zwingt doch der Wortlaut nicht zu einer hierauf begrenzten Auslegung; auch wenn der Verkäufer die Ware durch seinen eigenen Angestellten auf eigenem Wagen an den Bestimmungsort bringen läßt, kann man davon sprechen, daß der Verkäufer die Kaufsache an eine zur Ausführung der Versendung bestimmte Person „ausgeliefert" hat; jedenfalls beruht § 447 auf dem Gedanken, daß es unbillig sein würde, den Verkäufer, der die verkaufte Ware auf Verlangen und im Interesse des Käufers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versendet und damit eine ihm an sich nicht obliegende Verpflichtung übernimmt, länger die Gefahr des zufälligen Untergangs tragen zu lassen als bei unmittelbarer Ubergabe der Sache an den Käufer; diesem Grundgedanken der Vorschrift wird man nur dann gerecht, wenn man die mit dem Hinschaffen der Kaufsache verbundene Gefahr den Käufer tragen läßt, gleichviel von wem das Hinschaffen ausgeführt wird, von einem Dritten, dem Verkäufer selbst oder einem seiner Leute, RG 96, 258; J W 1919, 992. A n m . 15 b) U n a n w e n d b a r k e i t d e s § 278. § 278 findet grundsätzlich keine Anwendung; der Spediteur ist nicht der Erfüllungsgehilfe des Verkäufers (RG 99, 56), vielmehr hat der Verkäufer die Beförderungsperson nur sorgfältig auszuwählen und haftet nur für sein Verschulden hierbei nach § 276. Er haftet also nicht ohne weiteres für Mißgriffe und Versehen der mit der Versendung beauftragten Person, wie z. B. die Aushändigung an einen Unberechtigten (RG 62, 333; RG 4. 5. 20 II 5 1 1 / 1 9 ) . Demgemäß hat der Verkäufer zu beweisen, daß er eine geeignete Person mit der Beförderung betraut hat, und falls er die Verladung selbst übernommen hat, daß er sie auch sorgfältig ausgeführt hat (JW 01, 725 12 ). A n m . 16 c) D a s V e r s e n d u n g s g e s c h ä f t . Der Vertrag mit der Beförderungsperson ist, da der Verkäufer, wenn er dabei auch die Geschäfte des Käufers führt und in dessen Interesse handelt, der Versender ist, von 126

Kauf. Tausch

§447

Anm. 17—21 ihm im eigenen Namen abzuschließen. Doch ändert es nichts an § 447, wenn der Verkäufer den Vertrag im Namen des Käufers abschließt. Der K ä u f e r kann sogar im e i g e n e n N a m e n den Beförderungsvertrag abschließen, sofern er damit nur die vom Verkäufer nach § 447 übernommene Versendung ausführen und sie nicht selbst für sich bewirken will ( R G 6, 60). Schließt der Verkäufer den Beförderungsvertrag ab, so ist er, wenn die Ware auf dem Transport beschädigt wird, wegen des bereits eingetretenen Gefahrüberganges nicht geschädigt; er kann aber den Schaden geltend machen, der dem Käufer entstanden ist, RG 62, 334/5; 170, 246, 251 ; B G H 15, 224, 228. Hat der Spediteur das für den Schaden ursächliche Versehen in Ausführung einer Weisung des Verkäufers begangen, die dieser in eigenem Interesse, nicht im Interesse des Käufers erteilte, so ist die Anwendung von §278 gerechtfertigt (RG 115, 164). Anm. 17 d) E i g e n t u m s ü b e r g a n g . Der vom Verkäufer beauftragte Spediteur oder Frachtführer ist nicht der Vertreter des Käufers (RG 84, 320; 102, 39). Die Ware wird darum durch Ablieferung an den Spediteur nicht schon dem Käufer übergeben und das Eigentum an der Ware geht auch trotz Ubereignungswillens des Verkäufers nicht schon mit der Ablieferung an den Spediteur auf den Käufer über, es sei denn, daß der Käufer den Spediteur zu seinem Vertreter bei Empfang und Weiterversendung der Ware bestellt hatte, RG 84, 320; 102, 39; 103, 3 1 . Anm. 18 e) V e r s e n d u n g s a r t . Die Versendung muß ordnungsmäßige Versendung sein, wenn sie die Wirkung des § 447 haben soll. Eine Versendung, die den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns widerspricht (z. B. mit Rücksicht auf eine außergewöhnliche Steigerung der Kriegsgefahr), kann den Gefahrübergang nicht bewirken, O L G Braunschweig S J Z 1946, 224. III. Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs Anm. 19 Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist die Auslieferung an die Beförderungsperson. Anm. 20 1. Auslieferung. Die Auslieferung ist ein tatsächlicher Vorgang, der im Sinne des kaufmännischen Verkehrs die gesamten Vorgänge umfaßt, die notwendig sind, um die Ablieferung zu bewirken (RG 92, 273). Auch wenn die Abholung der Ware durch Leute des Käufers erfolgt, liegt dem Verkäufer noch die Anweisung bei der Entnahme vom Lager ob (Recht 1918 Nr. 1139). Anm. 21 a) E i g e n t u m s e r w e r b . Die Auslieferung begründet an und für sich dingliche Rechtsveränderungen noch nicht, sie enthält n i c h t schon die Ü b e r g a b e nach § 433, die erst mit der Ablieferung an den Käufer erfolgt, und ebenso geht das Eigentum erst dann über, wenn der Käufer die Ware tatsächlich erhält und annimmt (RG 99, 57). Nur wenn der Spediteur vom Käufer oder in dessen Auftrag vom Verkäufer zum Vertreter des Käufers beim Empfang und bei der Weitersendung der Ware bestellt worden ist, kann Eigentumsübergang nach § 929 angenommen werden (RG 84, 320; 102, 3 1 ; 103, 31). D i e U b e r g a b e des F r a c h t b r i e f d u p l i k a t s vom Verkäufer an den Käufer hat in der Regel die Bedeutung, daß damit das Eigentum durch Abtretung des Herausgabeanspruchs, § 931, auf den Käufer übergehen solle (RG 102, 97). Ist der Verkäufer nach dem Vertrage zur „Aufhebung der Lieferung im Kriegsfall" berechtigt, so kann er über die noch rollende Ware vor Ankunft am Niederlassungsort des Käufers selbst dann verfügen, wenn als Erfüllungsort 127

§ 447 A n m . 22—25

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

der Niederlassungsort des Verkäufers bereinbart ist (RG 92, 271). Eine während des Transports eintretende B e s c h l a g n a h m e geht daher zu L a s t e n des V e r k ä u f e r s , auch wenn der Absendungsort als Erfüllungsort vereinbart ist. Die Zusage „beschlagnahme- und verwendungsfrei" insbesondere bezieht sich nicht nur auf die Zeit des Kaufabschlusses, sondern auf die Zeit des Eigentumserwerbs (RG 93, 333; J W 1918, 2185). Etwas anderes trifft nur dann zu, wenn die Beförderungsperson bei Empfangnahme der Sache zugleich als Vertreter des Käufers handelt und sich deshalb bereits mit der Empfangnahme durch ihn die Ubergabe verbindet (§ 929). Anm. 22 b) E r f ü l l u n g d e r Ü b e r g a b e p f l i c h t . Der Verkäufer genügt seiner Verpflichtung zur Ubergabe nach § 433 in der Regel schon mit der Auslieferung an die Beförderungsperson (WarnRspr. 1911 Nr. 230). Damit hat der Verkäufer aber noch nicht erfüllt, weil er die Kaufsache mit der Ubergabe an die Transportperson noch nicht aus seiner Verfügungsgewalt entlassen hat, BGH MDR 1951, 95. Ubergibt der Verkäufer die Kaufsache am letzten Tag einer ihm gesetzten Nachfrist einem Spediteur zum Versand, so wendet er damit die Folgen des § 326 ab, BGH NJW 1954, 794. Anm. 23 c) E i n z e l h e i t e n . Ob die Auslieferung stattgefunden hat, richtet sich danach, wer die Beförderungsperson ist, und nach den konkreten Umständen. Bei Verkäufen „franko Waggon" , „frei Bahnhof" beginnt die Versendungspflicht erst mit Auslieferung in den Waggon, auf dem Bahnhof. Die Beförderung bis dorthin gehört noch zu den Ubergabepflichten des Verkäufers, die deshalb auch dann auf seine Gefahr geht, wenn er diese Beförderung nicht durch seine Leute, sondern durch einen Frachtführer oder sonstige selbständige Dritte vornehmen läßt. So auch bei der Klausel „fob Hamburg", RG 106, 212. Lautet dagegen der Verkauf „ab Lager", „ab Magazin", so beginnt die Versendung bereits im Zeitpunkt der Fortschaffung aus dem Lager, gleichviel ob sie von einer selbständigen Beförderungsperson ausgeführt wird oder durch die eigenen Leute des Verkäufers erfolgt (RG J W 1919, 992 1 ). Beim überseeischen Abladegeschäft trägt der Verkäufer die Gefahr bis zur Einladung in das Schiff, RG 88, 392; 92, 130. Klausel „fob" RG 106, 212. Der Zeitpunkt der Verladung kann nicht nur für die Rechtzeitigkeit der Lieferung, sondern auch für die Vertragsmäßigkeit der Ware wesentlich sein (z. B. bei Getreide) RG 104, 4. Anm. 24 2. K o n k r e t i s i e r u n g . Die Bestimmungen des § 447 gelten sowohl für den Spezieskauf als den Genuskauf. Bei Gattungsschulden muß zwar die Sache, bevor die Gefahr übergehen kann, regelmäßig erst ausgeschieden und konkretisiert werden (§ 243). Die Konzentration ist eine einseitige Handlung des Verkäufers; hierzu bedarf es nicht der Benachrichtigung des Käufers. Sie liegt nicht vor, wenn der Verkäufer die Bestimmung nur in seinem Innern trifft; es muß vielmehr eine äußerlich erkennbare, tatsächliche Ausscheidung stattgefunden haben. Nach § 447 sollen aber dieselben Tatbestände, die den Gefahrübergang bewirken, auch die Konkretisierung eintreten lassen, RG 57, 141; 106, 212; 108, 187; m , 25. Hierzu genügt unter Umständen schon die Absendung der Verladungsanzeige, die bloße Einladung ins Schiff dagegen bewirkt den Ubergang der Gefahr regelmäßig noch nicht (RG 88, 392), ebensowenig die Benennung des Dampfers (RG 92, 128). Anm. 25 a) Sammelladung. Andererseits hindert die Absendung in einer Sammelladung den Gefahrübergang an sich nicht, sofern die für den Käufer bestimmte Ware aus der Gesamtmenge genügend ausgesondert ist. Auch bei Sammelladung geht die Gefahr auf den Käufer über. Die Käufer bilden eine Gefahrengemeinschaft. E i f f e r , Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag in rechtsvergl. Darstellung (1927) S. 12.

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Kauf. Tausch

§447

Anm. 26—29 Ist vorgesehen, d a ß der Verkäufer von Gattungssachen (Getreide) zum Zwecke der Vertragserfüllung den B r u c h t e i l e i n e r g r ö ß e r e n M e n g e anbieten darf und der Käufer d a n n in eine Gemeinschaft mit den übrigen beteiligten Empfängern eintreten muß, so genügt der Verkäufer seiner Eigentumsverschaffungspflicht nicht erst durch Verschaffung des Eigentums an der im Vertrag bestimmten Menge, sondern schon durch Verschaffung des Miteigentums zu entsprechendem Bruchteil an der größeren Menge. Diese größere Menge ist aber dann auch die bestimmte Sache, auf die sich das Schuldverhältnis nach § 243 beschränkt (RG 88, 391).

Anm. 26 b) Z u v i e l s e n d u n g . Das gleiche gilt bei Zuvielsendung. Ist der unbestellte Teil besonders ausgeschieden, so bleibt der bestellte konkretisiert. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann die Gefahr mangels Bestimmtheit der Sache nicht durch Ubergabe an die Transportperson auf den Käufer übergehen.

Anm. 27 3. Bei D i s p o s i t i o n s p a p i e r e n . Die Ubergabe eines kaufmännischen Dispositionspapiers an die Transportperson steht der Aushändigung der Ware an sie nicht gleich. Daher geht die Gefahr des Transports nicht schon mit der Aushändigung des Dispositionspapiers an den Beförderer auf den Käufer über. Die Gefahr des Transports des Dispositionspapiers trägt der Käufer nur, wenn es selbst Gegenstand des Kaufes ist. Demnach verbleibt es in beiden Fällen bei der Regel des § 446. Regelmäßig ist zwar zwischen Verladung u n d Ausstellung des Konnossements oder Ladescheins zu unterscheiden, die Verladung hat aber zugleich die Bedeutung der Übernahme der Ware zur Beförderung (RG 104, 4), so daß mit ihr § 447 eingreift.

Anm. 28 4. Bei K o s t e n k l a u s e l n . Die Übernahme der Versendungskosten durch den Verkäufer — abweichend von § 448 — hat auf den Ubergang der Transportgefahr nach § 447 ebensowenig Einfluß wie auf den Erfüllungsort (RG Gruchot. 48, 1014). Vgl. insbes. das „Cif-Geschäft" bei § 433 Anm. 234. Kein Fall des § 447 ist die Vereinbarung einer F o b - K l a u s e l ; auch wenn der Verkäufer im Binnenland seinen Wohnsitz hat, ist die Beförderung der W a r e an das Schiff seine vertraglich übernommene Verpflichtung; er erfüllt sie nicht schon damit, d a ß er die Ware im Binnenland einem Spediteur oder Frachtführer übergibt (RG 106, 212). Auch die Klausel „ a u s g e l i e f e r t e s G e w i c h t " enthält keineswegs die Abwälzung der Gefahr auf den Verkäufer (WarnRspr. 1918 Nr. 27). Die Klausel „ f r e i W a g g o n " bezieht sich nicht auf die Ubersendungspflicht, auch nicht darauf, wer die Eisenbahnwagen beschaffen soll. Sie regelt nur die Verteilung der durch den Transport veranlaßten Kosten. Dagegen besteht ein Handelsbrauch dahin, d a ß der Verkäufer auch hier die Versendung der Ware zu bewirken habe (RG 103, 129). Der Verkäufer wird dabei aber regelmäßig nur als Beauftragter des Käufers tätig (RG 11. 4. 22 II

461/21).

Anm. 29

IV. Die Gefahr

§ 447 spricht vom Ubergang der „Gefahr". Dieser Ausdruck bedeutet für sich allein, ohne Angabe, u m welche Gefahr es sich handelt: Haftung für jeden Zufall, ohne Rücksicht auf die Art der Gefahr und ihre Wirkung. Das kann nach der Stellung der Vorschrift nicht gemeint sein, denn sie folgt unmittelbar auf § 446, der die Gefahr des zufälligen Untergangs und die Gefahr der zufälligen Verschlechterung betrifft. § 447 verweist stillschweigend auf den vorausgehenden § 446 (OGH 2, 202, 204). Unter der „ G e f a h r " im Sinne des §447 ist daher wie in §446 die G e f a h r d e s z u f ä l l i g e n U n t e r g a n g s u n d e i n e r z u f ä l l i g e n V e r s c h l e c h t e r u n g zu verstehen, OGH 2, 204. Eine aus anderen Gründen eintretende Leistungsunmöglichkeit steht dem nicht gleich. 9

Komm. z. BGB, II. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

129

§ 447 A n m . 29

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Die Gefahr des zufälligen Untergangs bedeutet daher in beiden Vorschriften dasselbe. Da beide Bestimmungen bloß für den Sachkauf gelten, kommen an sich nur k ö r p e r l i c h e V e r ä n d e r u n g e n in Betracht. Ihnen ist aber der t a t s ä c h l i c h e V e r lust der Kaufsache gleichzusetzten, auch wenn eine körperliche Veränderung der Kaufsache nicht stattfindet; eine im Meer versunkene Kaufsache ist auch im Sinne der §§446, 447 „untergegangen", H ä r l e SJZ 1948, 205. Hierher gehört der Verlust der Kaufsache durch Verfehlen des Empfangsberechtigten und des Bestimmungsorts durch Mißgriffe und Versehen der Beförderungsperson, wodurch es zur Aushändigung an einen Unberechtigten kommt (RG 93, 330, 332) oder dadurch, daß sie in Feindeshand gerät (OGH 1, 110, 115/16; 2, 204). § 447 enthält hinsichtlich des Begriffs der Gefahr nur insoweit eine Besonderheit gegenüber § 446, als es sich im § 447 zugleich um eine typische Transportgefahr handeln muß; die Gefahr, deren Ubergang § 447 regelt, beschränkt sich auf die B e f ö r d e r u n g s g e f a h r (RG 106, 16; 114, 405; R G WarnRspr. 1921 Nr. 1 1 7 ; R G Recht 1920 Nr. 2351; OGH 2, 204). Das sind nur solche Verluste, für die der Transport oder die Versendung ursächlich oder wenigstens mitursächlich war, R G WarnRspr. 1918 Nr. 25; OGH 1, 272, 278. Tritt ein tatsächlicher Verlust infolge einer B e s c h l a g n a h m e ein, die in der Versendung wenigstens ihre Mitursache hat, so trifft dies den Käufer (RG 114, 405; Casper J W 1925, 590; U l m e r SJZ 1946, 224). Handelt es sich dagegen um eine allgemeine Beschlagnahme, die jedermann hindert, diese Ware oder eine Ware dieser Art zu liefern, so greifen die Grundsätze von der Unmöglichkeit Platz, denn eine derartige Beschlagnahme hat mit der Übergabe der Kaufsache an eine Transportperson und der Verbringung in das Zugriffsgebiet nichts zu tun; hier wird die Lieferung vielmehr aus Gründen unmöglich, die in keinem Zusammenhang mit der Versendung und der Durchführung des Transports stehen (RG 106, 16; J W 1918, 218 6 ; 1922, 641; OGH 2, 204/5). Gegen diese Rechtsprechung haben Beitzke (MDR 1947, 281), B e t t e r m a n n (ZHR i n , 104fr.) und S i e v e k i n g (MDR 1949, 329) Bedenken erhoben; nach dieser Ansicht soll Gefahr im Sinne des § 447 nichts anderes als Haftung für Zufall bedeuten; der Begriff der Gefahr habe nichts mit der Gefährlichkeit zu tun und dürfe darum den „Gefahren, welche die Reise mit sich bringt", nicht gleichgesetzt werden; das Transportrisiko sei nicht das Risiko, das durch den Transport, sondern dasjenige Risiko, das während des Transports entstehe. Dabei wird übersehen, daß § 447 in Art. 345 ADHGB einen Verkäufer hat, der bestimmte, daß bloß „die Gefahr, von welcher die Ware auf dem Transport betroffen wird" — das ist die Gefahr der Versendung -— auf den Käufer übergeht (RG 93, 330, 331/32); außerdem wird dem nicht ausreichend Rechnung getragen, daß der Verkäufer, der die Kaufsache auf Verlangen des Käufers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versendet, durch § 447 nicht besser als durch § 446 gestellt wird und daß im Falle des § 446 nicht jede Beschlagnahme, sondern nur eine solche, die dem tatsächlichen Verlust der Kaufsache gleichsteht (vgl. oben), als „Untergang" gewertet werden kann. Daß der ordnungsmäßig ausgesuchte Spediteur die Ware aus eigenem Entschluß versichert, hindert die Anwendung des § 447 nicht, R G 99, 56. Wenn jedoch die Sache während der Beförderung aus andern Gründen, etwa wegen der ihr schon vorher anhaftenden Mängel, sich verschlechtert oder zugrunde geht, so haftet hierfür der Verkäufer nach den Grundsätzen über Gewährmangel weiter, der Schaden trifft nicht den Käufer (RG 62, 334). Unter § 447 fällt auch der Schaden, den der Käufer durch eine Verzögerung der Reise erleidet, R G 87, 134. Bei U n t e r b r e c h u n g der V e r s e n d u n g bewendet es bei dem einmal erfolgten Gefahrübergang. Beruht die Unterbrechung aber auf einem vom Verkäufer zu vertretenden Umstand, so kann der Käufer dafür Schadensersatz verlangen. G r e i f t der V e r k ä u f e r in seinem eigenen Interesse in den V e r s e n d u n g s v e r l a u f ein, läßt er z. B. Decken, mit denen er die Ware geschützt hat, während der Reise herunternehmen, so haftet er dem Käufer aus §§ 276, 278 auf Schadensersatz, wenn die Ware aus Versehen nicht wieder bedeckt wird und hierdurch Schaden nimmt, R G 115, 164. Verlangt der Verkäufer die R ü c k s e n d u n g der an den Käufer abgelieferten, von diesem aber bemängelten Sache zum Zwecke fachmännischer Untersuchung und geht die einem Spediteur zur Rücksendung vom Käufer übergebene Ware bei diesem ohne

130

K a u f . Tausch

§ 447 Anm. 30—32 §448

Verschulden des Käufers verloren, so kommt es darauf an, ob die Beanstandung der Ware durch den K ä u f e r berechtigt war oder nicht. Letzterenfalls haftet der K ä u f e r nach § 324 Abs. 2 auf Zahlung des Kaufpreises. In dem Verlangen des Verkäufers auf Rücksendung liegt nicht ein von dem Kaufgeschäft unabhängiger selbständiger Auftrag, f ü r dessen Kosten und Verlust der Verkäufer hat einstehen wollen, R G 106, 294.

Anm. 30 V. Ein Zuwiderhandeln gegen die Anweisungen des Käufers ändert grund-

sätzlich nichts am Ubergang der Gefahr nach Absatz 1. Es begründet nur eine Haftung des Verkäufers für den gerade aus der Abweichung entstandenen Schaden. Dem K ä u f e r liegt der Beweis dafür ob, daß die Abweichung für den Schaden ursächlich geworden ist. Daß die Abweichung die ausschließliche Ursache war, ist nicht erforderlich; es genügt der Nachweis, daß der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn der Verkäufer die getroffenen Anordnungen des Käufers nicht verletzt hätte ( R G 1 1 . 4. 05 III 475/04). Der Nachweis einer dringenden Veranlassung für die Abweichung (Tatfrage) dient aber dem Verkäufer als Befreiungsgrund, und im allgemeinen ist anzunehmen, daß der Verkäufer von der ihm angewiesenen Versendungsart dann abzugehen befugt ist, wenn ihm wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten die Befolgung n ach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann ( R G J W 1 9 1 7 , 2 1 5 3 ) . Grundsätzlich steht die Bestimmung darüber, wie und wohin die verkaufte Ware zu versenden ist, dem K ä u f e r zu. Der Verkäufer muß sich regelmäßig auch einer n a c h t r ä g l i c h e n Ä n d e r u n g d e r V e r s e n d u n g s a n w e i s u n g fügen, indes er braucht es dann nicht, wenn er an der Einhaltung der früheren Anweisung ein besonderes Interesse hat ( R G J W 1 9 1 7 , 283 2 ; R G 15. 12. 21 V I 492/21). Wenn eine große Export betreibende Handelsmühle mit der Fob-Klausel verkauft hat, kann nicht von ihr verlangt werden, daß sie nach einem andern als aem ursprünglich bestimmten Ort des Inlands liefere.

Anm. 31 V I . Für den Ubergang von N u t z u n g e n und L a s t e n bewendet es bei der Vorschrift des § 446, er wird durch § 447 nicht vorausgenommen. Früchte, die auf der Reise anfallen, gebühren daher dem Verkäufer, falls nicht anders vereinbart ist.

Anm. 32 V I I . E i n z e l h e i t e n : Über Gefahrübergang beim R e c h t s k a u f § 4 5 1 , beim W e r k v e r t r a g § 644 Abs. 2. Beim beiderseitigen Handelskauf hat der Käufer, wenn er die ihm von einem anderen Orte übersandte Ware beanstandet, für ihre einstweilige Aufbewahrung zu sorgen, § 379 H G B . Die Z a h l u n g s p f l i c h t ist aufgeschoben, bis der K ä u f e r die Möglichkeit hat, die Ware ordnungsmäßig zu untersuchen, R G J W 1925, 606 10 . Für § 447 ist unerheblich, ob der Verkäufer die ihm obliegende Leistung bereits mit der Übergabe an die Transportperson bewirkt hat. Diese Frage ist dagegen für das U m stellungsrecht wesentlich, vgl. dazu O G H 3, 226; B G H M D R 1 9 5 1 , 95.

§448 Die Kosten der Übergabe der verkauften Sache, insbesondere die Kosten des Messens und Wägens, fallen dem Verkäufer, die Kosten der Abnahme und der Versendung der Sache nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte fallen dem Käufer zur Last. Ist ein Recht verkauft, so fallen die Kosten der Begründung oder Übertragung des Rechtes dem Verkäufer zur Last. E I 466 II 39a; M 2 328; P 2 68.

9

131

§ 448 A n m . 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 I . Das Gesetz unterscheidet d r e i A r t e n von Kosten: 1. Die Übergabekosten. Sie entstehen durch die Leistung des Verkäufers. Zu ihnen gehören beim Versendungskauf die Kosten, die durch die Ubergabe an die Transportperson erwachsen. Die Kosten des Transports selbst sind keine Ubergabekosten mehr, sie trägt der Käufer. Die Kosten des M e s s e n s und W ä g e n s sind nur dann Ubergabekosten, wenn die Ausscheidung der Ware aus einer größeren Menge vorgenommen wird oder zur Preisberechnung nötig wird. Wenn das Messen und Wägen zur Nachprüfung vom Käufer vorgenommen wird, gehört es zu den Abnahmekosten. Kosten des Messens (Vermessens) können auch bei Grundstücksverkäufen entstehen. Sie und die Kosten der Auflassung, § 449, trägt der Käufer. Die K o s t e n d e r V e r p a c k u n g sind bei Versendung nach dem Erfüllungsort ebenfalls Übergabekosten, ebenso die A u s f u h r s t e u e r (HansGZ 17, 292), die Z u c k e r s t e u e r (RG LZ 1918 Sp. 418 3 ). Von den Verpackungskosten sind die K o s t e n d e r A u f m a c h u n g zu unterscheiden. Die Gefahr der R ü c k s e n d u n g der Verpackung trägt der Käufer (RG Gruchot. 48, 1015). 2. Die Abnahmekosten. Das sind diejenigen Kosten, die entstehen, wenn der Käufer die Sache in seine Verfügungsgewalt übernimmt. 3. Die Kosten der Versendung nach einem andern Ort als dem Erfüllungsort. Hierher gehören auch Zölle und Steuern. Die T r a n s p o r t v e r s i c h e r u n g s p r ä m i e zählt nicht zu den Transportkosten. Anm. 2 II. Die vom Gesetz vorgenommene Kostenlastverteilung wird häufig durch Klauseln i m Handelsverkehr geändert: 1. „ a b L a g e r " , „ f r e i a b F a b r i k " und ähnliche. Der Käufer hat sämtliche Transportkosten, nach Handelssitte häufig auch die des Heruntertragens vom Lager, zu tragen. 2. „ f r e i B a h n " , „ f r e i U f e r " . Der Verkäufer trägt die Kosten bis zur Bahn, von da ab der Käufer. 3. „ f r e i W a g g o n " ( = fow) und „ f r e i K a h n " ( = fok) sind der Klausel „fob" nachgebildet. Vgl. zu § 433 Anm. 234 und § 447 Anm. 28. 4. „ f r a n k o " vgl. zu § 433 Anm. 245. 5. „ F r a c h t b a s i s " , „ F r a c h t p a r i t ä t " eines bestimmten Ortes zur Berechnung der Kosten. 6. „ f r e i H a u s " . Hier ist zweifelhaft, ob auch die Kosten des Hineinschaffens darunterfallen („frei hinter Käufers Speicher"). „ F o b H a m b u r g " ist nicht reine Spesenklausel, sie verpflichtet den Verkäufer, die Ware in Hamburg an das Schiff zu bringen. Die Beförderung zum Schiff ist Teil seiner vertraglichen Leistung, und bis zur Abladung trifft ihn die Gefahr, RG 106, 212. Anm. 3 III. Der gesetzliche E r f ü l l u n g s o r t u n d d e r Z e i t p u n k t des G e f a h r ü b e r g a n g s werden durch Vereinbarungen über die Kostenlast nicht geändert. Immerhin kann auch das gewollt oder handelsüblich sein; so bei der Klausel „frei ab" (RG 34, 63). Die Kosten des Gas- u n d W a s s e r m e s s e r s fallen an sich dem Verkäufer von Gas und Wasser zur Last. Durch besondere Abrede kann Abweichendes vereinbart werden und geschieht vielfach durch Auferlegung eines vom Käufer zu zahlenden „Mietzinses" für die Meßinstrumente. Anm. 4 IV. Beim Versendungskauf treffen die Abnahme- und Versendungskosten den Käufer deshalb, weil diese Aufwendungen im besonderen Interesse des Käufers liegen und auf seine besondere Veranlassung erforderlich werden (§ 447 Anm. 8). Die N a c h 132

Kauf. Tausch

§ 448 Anm. 5 § 449 Anm. 1 , 2

nähme soll den Verkäufer dagegen scuützen, daß die Ware vor der Zahlung des Preises aus seiner Verfügungsgewalt kommt, läßt aber die gesetzlichen Regeln über die Tragung von Gefahr und Kosten unberührt (RG 16. io. 21 III 54/21). Anm. 5 V. Die zur Begründung und Übertragung eines Rechts erforderlichen Kosten gerichtlicher oder notarieller Beurkundung treffen den Verkäufer. Will der Verkäufer sich dabei durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, so hat er die Kosten der Vollmachtserteilung im Zweifel auch dann zu tragen, wenn der Käufer die Kosten der Begründung oder Übertragung des Rechts abweichend von § 448 Abs. 2 übernommen hat, da die Bevollmächtigung nicht zum eigentlichen Akt der Begründung des Rechtes selbst gehört. §448 Abs. 2 gilt nicht für den Verkauf eines R e c h t e s an e i n e m G r u n d s t ü c k ; vgl. §449.

§449 Der Käufer eines Grundstücks hat die Kosten der Auflassung und der Eintragung, der Käufer eines Rechtes an einem Grundstücke hat die Kosten der zur Begründung oder Übertragung des Rechtes nötigen Eintragung in das Grundbuch, mit Einschluß der Kosten der zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen, zu tragen. Dem Käufer fallen in beiden Fällen auch die Kosten der Beurkundung des Kaufes zur Last. Der Käufer eines eingetragenen Schifies oder Schiffsbauwerks hat die Kosten der Eintragung des Eigentumsübergangs, der Käufer eines Rechts an einem eingetragenen Schiff oder Schiffsbauwerk hat die Kosten einer zur Begründung oder Übertragung nötigen Eintragung in das Schiffsregister oder das Schiffsbauregister mit Einschluß der Kosten der zur Eintragung erforderlichen Erklärung zu tragen. E I 466 II 390; M I 328; P a 68.

Anm. 1 Kosten beim Grundstückskauf Geregelt wird hier die Kostenpflicht allein im Verhältnisse der Kaufvertragsparteien untereinander, dagegen nicht auch Dritten, wie dem Notar, dem Fiskus gegenüber (RG 96, 48). Unter den „Kosten" sind nur die durch den Veräußerungsakt selbst veranlaßten Gebühren und Auslagen zu verstehen (RGJW 1911, 36313); hierzu gehören auch die Kosten der Eintragung einer Auflassungsvormerkung (KG DNotZ 1957, 18). Etwa notwendige vorgängige Eintragungen des Verkäufers (§§ 39, 40 GBO) gehören nicht darunter (§435). Ebenso nicht die Kosten der Vermessung eines verkauften Teilgrundstücks. Zu den Kosten der Beurkundung gehören hier auch die nicht nach § 313 notwendigen. Anm. 2 §449 bezieht sich nicht auf S t e u e r n ; sollen sie vom Käufer getragen werden, so bedarf es einer dahingehenden Vereinbarung. Der Verkauf eines Grundstücks ist nach § 4 Ziff. 9 UStG umsaztsteuerfrei, da der Umsatz von Grundstücken der Grunderwerbsteuerpflicht unterstellt ist. Schuldner der Grunderwerbsteuer sind nach § 15 GrunderwerbStG die am Kaufvertrag als Vertragsteile Beteiligten; sie haften nach § 7 StAnpG als Gesamtschuldner. Die Wertzuwachssteuer soll die Wertsteigerung und daher den treffen, bei dem sie eingetreten ist; sie belastet den Verkäufer persönlich, nicht das Grundstück (vgl. zu § 436) und ist abwälzbar, wenn keine Preisbindung besteht. Zur Abwälzung bedarf es einer zweifelsfreien Vertragsbestimmung ( R G J W 1911, 7494! WarnRspr. 1912 Nr. 297), und es ist ein zweifelsfreier Beweis erforderlich (RG 72, 395; Gruchot 1912, 108). Die Veräußerung spielt für die Wertzuwachssteuer nur insofern eine Rolle, als bei ihr zutage tritt, daß eine Wertsteigerung eingetreten ist. 133

§ 449 A n m . 3 § 450 A n m . 1 , 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Die Kosten des Z u s c h l a g s bei der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g hat der Ersteher zu tragen (§ 58 Z V G ) . Anm. 3 Abs. 2 wurde durch die D V zum SchiffsG v. 2 1 . 12. 1940 eingefügt.

§450 Ist v o r der Übergabe der verkauften Sache die G e f a h r auf den K ä u f e r übergegangen und macht der V e r k ä u f e r v o r der Übergabe Verwendungen auf die Sache, die nach dem Über gange der G e f a h r notwendig geworden sind, so kann er von dem K ä u f e r Ersatz verlangen, wie wenn der K ä u f e r ihn m i t der Verwaltung der Sache beauftragt hätte. Die Verpflichtung des K ä u f e r s zum Ersätze sonstiger Verwendungen bes t i m m t sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne A u f t r a g . E I 464 II 389; M 2 325; P 2 64; 6 170.

Anm. 1 I . Die Vorschrift stellt keine V e r p f l i c h t u n g des Verkäufers zu Verwendungen auf die Sache auf. Inwieweit der Verkäufer zu solchen Verwendungen noch nach Abschluß des Kaufvertrags verpflichtet ist, ist im B G B nicht ausdrücklich bestimmt; eine solche Verpflichtung ergibt sich aber aus der Verpflichtung zur Ubergabe der gekauften Sache nach § 433, die auch nicht notwendig mit dem Ubergang der Gefahr auf den K ä u f e r vollständig erlischt und z. B. bei Unterbrechung der Versendung im Falle des § 447 wieder wirksam werden kann.

Anm. 2 II. Die Vorschrift behandelt vielmehr nur die Fälle, in denen der Verkäufer n a c h A b s c h l u ß des Kaufvertrags und v o r d e r Ü b e r g a b e der Sache tatsächlich Verwendungen gemacht hat, und unterscheidet hierbei, wann das geschehen ist. 1 . n a c h d e m Ü b e r g a n g d e r G e f a h r ( A b s a t z 1 ) . (Dieser Fall kann nach §446 Abs. 2, nach § 447 und bei besonderer Vereinbarung eintreten.) Dann kann der Verkäufer wie ein Beauftragter nach den §§ 669, 670 Ersatz vom K ä u f e r verlangen, wenn die Aufwendungen objektiv notwendig waren (im Gegensatz zu § 670) und die Notwendigkeit der Aufwendungen nach dem Gefahrübergang eingetreten ist. Die Auftragsvorschriften sind nur entsprechend anwendbar, der Verkäufer wird behandelt, „wie w e n n " er Beauftragter wäre, er wird nicht direkt zum Beauftragten gestempelt. Diese Vorschriften sind daher immer nur sinngemäß im Rahmen der Pflichten aus einem K a u f vertrag anzuwenden. 2. v o r d e m Ü b e r g a n g d e r G e f a h r ( A b s a t z 2 ) . Dann hat der Verkäufer, wenn die Verwendungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 entsprechen, nach den Vorschriften des § 683 (ohne daß er geradezu ein Geschäftsführer wird) Ersatz der Aufwendungen wie ein Beauftragter zu beanspruchen, also nach § 670, soweit sie den Umständen der Meinung des Verkäufers nach erforderlich waren. Dazu gehören nicht die zur Erhaltung der Kaufsache notwendigen Verwendungen, da sie der Verkäufer nicht als Geschäftsführer des Käufers und in dessen Interesse, sondern kraft eigener Verpflichtung und im eigenen Interesse macht. G e r i n g f ü g i g e L e i s t u n g e n b e i E r f ü l l u n g d e s V e r t r a g s werden als durch den Kaufpreis mit abgegolten angesehen und daher nicht besonders vergütet, wie in der Regel die V e r p a c k u n g . Wenn jedoch die Verpackung besondere Aufmerksamkeit und Aufwendungen erfordert (bei Glaswaren), kann auch eine besondere Vergütung beansprucht werden ( R O H G 3, 1 1 5 ) . Mit fortschreitender Verteuerung der Verpackungsmittel überhaupt schwindet die Vermutung, daß sie durch den Kaufpreis mit gedeckt werden sollen.

134

Kauf. Tausch

§ 4 5 0 A n m . 3, 4 §§ 4 5 1 , 452 Anm. 1, 2

Anm. 3 III. Kommt der Verkäufer ausnahmsweise in die Lage, nicht nur nach Abschluß des Kaufvertrags und nach Übergang der Gefahr auf den Käufer, sondern auch noch nach U b e r g a b e der Kaufsache Verwendungen auf sie zu machen, was z. B. in Fällen der Ersatzübergabe, der Ubergabe durch Dispositionspapiere, aber auch sonst möglich ist, so richtet sich die Ersatzpflicht entweder nach demjenigen Rechtsverhältnis, kraft dessen der Verkäufer in die Lage kommt, noch Aufwendungen auf die Sache zu machen wie etwa im Fall des § 930, oder es finden unmittelbar die Vorschriften über Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung. Anm. 4 IV. Die Ansprüche aus §450 geben dem Verkäufer ein Z u r ü c k h a l t u n g s r e c h t nach § 273. § 4 5 1 Ist ein Recht an einer Sache verkauft, das zum Besitze der Sache berechtigt, so finden die Vorschriften der §§ 446 bis 450 entsprechende Anwendung. E I 463 II 391; M 2 32J; P 2 62.

Auch bei dem Verkauf von Rechten, die zum Besitze berechtigen (§ 433), ist für den Gefahrübergang die Ubergabe der Sache und im Falle einzutragender Rechte die Ubergabe des Grundstücks oder die zuvor erfolgte Eintragung (§ 446 Abs. 2) entscheidend. §

4 5 2

Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufpreis von dem Zeitpunkt an zu verzinsen, von welchem an die Nutzungen des gekauften Gegenstandes ihm gebühren, sofern nicht der Kaufpreis gestundet ist. E I 467; M 2 329; 2 493; P 2 69.

Anm. 1 Die Verzinsungspflicht des Käufers beruht auf dem Grundsatz, daß niemand die Sache und zugleich den Kaufpreis nutzen soll. Die Regelung (vgl. die ähnliche Bestimmung in § 641 Abs. 2) darf auf Geschäfte ähnlicher Art nicht ausgedehnt werden, da sich dem der Gesetzgeber (Mot. 2, 329) bewußt verschlossen hat, BGH 26, 7. Für den Beginn der Verzinsungspflicht ist regelmäßig der Ubergang des Nutzungsrechts auf den Käufer, nicht die Ubergabe entscheidend. Die Nutzungen können namentlich auch vor Eintragung des Käufers in das Grundbuch von ihm gezogen werden. Es genügt, daß die Nutzungen rechtlich dem Käufer gebühren, RG 80, 371; daß er tatsächlich welche gezogen hat oder ziehen konnte, ist nicht Voraussetzung. Bei Kaufleuten untereinander abweichend § 353 HGB. Nach § 246 betragen die Zinsen 4 v. H., für beiderseitige Handelsgeschäfte 5 v. H. (§ 352 HGB). Die Zinsen sind nicht Verzugszinsen oder Vertragszinsen, sondern gesetzliche Zinsen (RG 80, 373). Die Anwendung des §452 setzt voraus, daß eine Zinsvereinbarung nicht getroffen und der Kaufpreis nicht gestundet ist, BGH WM 1956, 1149, 1150. Ist Verzinsung ausgemacht, so ist für § 452 kein Raum, RG WarnRspr. igi6 Nr. 13; BGH WM 1956, 1152, 1153. Der Verkäufer kann die vereinbarten Zinsen vom vorgesehenen Zeitpunkt ab verlangen, auch wenn er nach diesem Zeitpunkt noch die Nutzungen gezogen hat (RG 12. 6. 20 V 17/20). Anm. 2 Ein Anspruch auf Nutzungszinsen entsteht nicht, wenn der Kaufpreis gestundet ist. Der Kaufpreis ist gestundet, wenn er abredegemäß erst nach (im wesentlichen) vollendeter Leistung des Verkäufers fällig sein soll; die Stundung hat der Käufer zu beweisen (KG DJZ 1903, 250); sie liegt nicht vor, wenn wie der Zahlungstermin so auch der wesentliche Teil der dem Verkäufer obliegenden Leistungen hinausgeschoben 135

§ 452 Anm. 3 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 453 Anm. 1—4 ist und entweder beide Leistungen Zug um Zug erfüllt werden sollen oder die Zahlung vor der Leistung des Verkäufers fällig sein soll (RG 50, 138, wo Stundung verneint wird, falls der Kaufpreis zwar nach der Übergabe, aber vor oder nach der Auflassung des verkauften Grundstücks fällig ist). Kein Hinausschieben der Fälligkeit, also keine Stundung, wenn der Gläubiger dem Schuldner nur die zur Beschaffung des Geldes erforderliche Zeit einräumt (RG 83, 181). Jedenfalls muß die Stundung dem Käufer ein Recht auf Vorleistung des Verkäufers geben, während aus einer ihm bloß erwiesenen Nachsicht kein Recht und keine Verpflichtung erwachsen kann. Ist dem Käufer anstatt der Barzahlung die Regelung mittels eines Akzepts nachgelassen, so wird der Kaufpreis sofort fällig, wenn der Käufer sich weigert, das Akzept zu geben (RG SeufTArch. 63 Nr. 391). §452 ist überhaupt nicht a n w e n d b a r , wenn K a u f p r e i s nicht in bar gezahlt, sondern durch Ü b e r n a h m e von Hypotheken gedeckt werden soll. Bestritten ist, ob mit A b l a u f der Stundung die Zinspflicht aus § 45a ohne weiteres beginnt oder Verzugsetzung erfordert wird. Ersteres ist zu bejahen, da auch in diesem Falle § 452 eingreift und es sich bei den Zinsen dieser Vorschrift nicht um Verzugs-, sondern um Nutzungszinsen handelt. Anm. 3 Einseitige Rückgängigmachung der Stundung ist nach §321 möglich. Der K o n k u r s des Nachleistungspflichtigen gibt an sich kein Recht aus § 321 (RG 56, 240).

§453 Ist als Kaufpreis der Marktpreis bestimmt, so gilt im Zweifel der für den Erfüllungsort zur Erfüllungszeit maßgebende Marktpreis als vereinbart. E I 461 II 392; M 2 322; P a j7.

Anm. 1 „Marktpreis" ist der Durchschnittspreis, wie er sich auf Grund der Marktlage für die in größerem Umfang abgesetzten Waren bildet, unabhängig von börsenmäßiger oder amtlicher Festsetzung, die jedoch ein wichtiges Beweismoment abgeben. Der Marktpreis ist nicht notwendig dasselbe wie der „angemessene Preis". Der Marktpreis kann ausdrücklich oder stillschweigend als Kaufpreis bestimmt sein (Prot. 1, 466). Die Vorschrift kommt nur bei marktgängiger Ware in Betracht, paßt dagegen auf den Kleinhandel überhaupt nicht (Prot. 2, 57). Hier kann der übliche Ladenpreis als vereinbart gelten. Unter Umständen greift die Bestimmung des § 306 Platz (Prot. a. a. O.). Anm. 2 Bloße Vermutung für eine Vereinbarung, die durch den Nachweis anderer Parteiabsicht entkräftet werden kann. Die Beweislast in dieser Hinsicht liegt dem Behauptenden ob. Läßt sich für den Erfüllungsort kein Marktpreis mehr ermitteln, z. B. weil die Notierungen dort aufgehört haben, so ist gemäß § 242 zu erwägen, ob nicht andere Preisfestsetzungen an eben jenem Orte als Ersatz für die Preisnotierungen zu gelten haben (RG J W 07, 5 5 ). Anm. 3 Als Erfüllungsort (§ 269) kommt hier der für den Verkäufer maßgebliche in Betracht (Prot. 2, 57). Besteht am Erfüllungsort kein Marktpreis, kann der des nächsten größeren Ortes maßgebend sein. Die Erfüllungszeit bestimmt sich nach § 271. Bei S u k z e s s i v l i e f e r u n g s v e r t r ä g e n wirkt eine Preiserhöhung nicht ohne weiteres für die nach ihrem Eintritt fälligen Lieferungen. Anm. 4 Die Beweislast regelt sich wie folgt: Fordert der Verkäufer den Marktpreis, so muß er beweisen, daß dieser (ausdrücklich oder stillschweigend) verabredet worden ist, während der Käufer gegebenenfalls zu beweisen hätte, daß der Preis in anderer Art be136

Kauf. Tausch

§454 Anm. 1, 2

stimmt worden sei. Fordert der Kläger den üblichen Ladenpreis oder einen allgemein angemessenen Preis, und macht der Käufer demgegenüber geltend, daß der Preis in dieser oder jener Art bestimmt worden sei, so muß der Kläger den Beweis dafür erbringen, daß der Preis abredegemäß auf die von ihm behauptete Art habe berechnet werden sollen (RG SeufFArch. 58, 266; Recht 07, 376).

§454 Hat der Verkäufer den Vertrag erfüllt und den Kaufpreis gestundet, so steht Ihm das im§ 325 Abs. 2 und im§ 326 bestimmte Rücktrittsrecht nicht zu. E U 393; P 1 69.

Anm. 1 I. Beschränkung des Rücktrittsrechts beim Kauf Voraussetzung hierfür ist erstens, daß der Verkäufer bereits erfüllt hat, und zweitens, daß ein Kreditkauf vorliegt. Die den Käufer begünstigende Sonderbestimmung beruht einmal auf dem Gedanken, daß der Käufer, der die Sache zur Verwendung oder zum Verbrauche erwirbt, durch die Rückgängigmachung des Kaufes unbillig belastet werden würde; zum anderen darauf, daß es nahe liegt, in der Stundung des Kaufpreises einen Verzicht des Verkäufers auf das Rücktrittsrecht zu erblicken, weil sie den bei Zug-um-Zug-Leistungen sonst bestehenden Zusammenhang zwischen Leistung der Ware und Zahlung des Preises auflöst (Prot. 2 , 7 1 ) . In § 454 handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist (WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 259; B G H L M Nr. 2 zu § 454 BGB). Schon nach dem Wortlaut ist sie nicht anzuwenden bei unentgeltlichen Geschäften, bei der Ausstattung und bei Veräußerungen kraft Gesetzes. Auch auf Tauschverträge findet § 454 keine Anwendung, BGH L M Nr. 1 zu § 454 BGB. Der Ausschluß des Rücktrittsrechts wird lediglich an die Tatsache der Erfüllung durch den Verkäufer geknüpft. Selbst die Nichterfüllung, die auf Verschulden des Verkäufers beruht, kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben niemals der Erfüllung i. S. von § 454 gleichgestellt werden, R G 118, 104.

Anm. 2 1 . Was zur Erfüllung gehört, ergibt sich aus § 433. Auf den V e r k a u f u n t e r E i g e n t u m s v o r b e h a l t nach § 455 trifft § 454 nicht zu, weil solange die Bedingung nicht eingetreten ist, der Verkäufer noch nicht voll erfüllt hat, R G J W 1927, 667; H R R 1928, 1967; vgl. a u c h R G 140, 160; 140, 226. Ein f o r t w i r k e n d e s W e t t b e w e r b s v e r b o t gegen den Verkäufer hindert die Anwendung von § 454, da der Verkäufer den Vertrag nicht erfüllt hat, R G 133, 1 1 3 . Auch bei n u r t e i l w e i s e r E r f ü l l u n g ist §454 regelmäßig nicht anwendbar ( R G 10. 12. 07 I I 310/07; R G 50, 139; Gruchot 60, 310). Teilweise Erfüllung liegt vor, wenn der Verkäufer die geschuldete Leistung ihrem Umfange oder ihrer Beschaffenheit nach noch nicht voll erbracht hat (z. B. das verkaufte G r u n d s t ü c k ist zwar übergeben, aber noch nicht a u f g e l a s s e n , R G 50, 139; R G 15. 1. 21 V 205/20). Die E i n t r a g u n g des aufgelassenen Grundstücks gehört nicht zu der vom Verkäufer geschuldeten Erfüllung i. S. von § 433, R G 1 1 8 , 100. Kann die Auflassung nicht zur unmittelbaren Eintragung des Käufers führen, so enthält sie auch noch keine vollständige Erfüllung; ebenso wenn gleichzeitig Verfügungsbeschränkungen eingetragen werden, R G 24. 2. 26 V 299/25. Ist Lieferung in Teilleistungen abgemacht und der für jede Teilleistung besonders zu berechnende Betrag gestundet, so greift die Bestimmung des § 454 in Ansehung des bereits erfüllten Teiles Platz, ungeachtet dessen, daß der Vertrag im ganzen als ein einheitliches Geschäft anzusehen ist ( R G WarnRspr. 08 Nr. 137; streitig). Der Verkäufer verliert das Rücktrittsrecht auch, wenn er den hauptsächlichsten Teil seiner Leistung erbracht hat und nur noch verhältnismäßig unerhebliche Erfüllungsteile ausstehen ( R G 50, 140), wie etwa die Lieferung von Zubehörstücken.

137

§ 4 5 4 A n m . 3—6 Vor § 455 A n m .

1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 3 2. D i e B e s c h r ä n k u n g d e s V e r k ä u f e r s t r i t t insoweit n i c h t e i n , als sich der K ä u f e r außer zur Z a h l u n g des Preises noch zu anderen Nebenleistungen (Bebauung des gekauften Grundstücks, Erfüllung der Nebenverabredung, keine K o n k u r r e n z d e m gekauften U n t e r n e h m e n zu machen, R G 1 3 3 , 113) verpflichtet h a t u n d in dieser Hinsicht in Verzug geraten ist. Dasselbe gilt, wenn die v o m Verkäufer gewährte S t u n d u n g u n d der Verzug des Käufers keine in Geld zu tilgende Kaufpreisschuld, sondern eine andere nicht n u r nebensächliche Verpflichtung des Käufers betreffen, B G H L M N r . 1 zu § 4 5 4 BGB. Solchenfalls h a t der Verkäufer die Rechtsbehelfe aus §§ 3 2 5 , 3 2 6 ( R G J W 1 9 1 5 , 1190 2 ; R G 1 1 3 , 1 1 5 ; R G H R R 1 9 3 4 , 1 1 0 2 ) . Anm. 4 3. Der Verkäufer b ü ß t n u r das g e s e t z l i c h e R ü c k t r i t t s r e c h t aus § 3 2 5 Abs. 2 (wegen fruchtlosen Ablaufs der d e m K ä u f e r g e m ä ß § 2 8 3 gestellten Frist) sowie dasjenige aus § 3 2 6 (wegen Verzuges) e i n , falls die dort aufgestellten Voraussetzungen gegeben sind, nicht auch das vertragsmäßige Rücktrittsrecht im Sinne des § 3 4 6 oder des § 3 6 0 oder das Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus den §§ 3 2 5 , 3 2 6 (WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 2 5 9 ) . Anm. 5 II. I n d e r S t u n d u n g liegt ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht (RG 8 3 , 1 7 9 ) , aber n u r so weit, als die S t u n d u n g reicht. Wegen des nicht gestundeten Teils des Kaufpreises bleibt das Rücktrittsrecht bestehen (RG 1 5 . 6 . 2 5 V 4 3 0 / 2 4 ) . Die G e w ä h r u n g eines Zahlungsziels kann auch handelsüblich sein. S t u n d u n g liegt n u r vor, wenn der Kaufpreis vereinbarungsgemäß erst nach vollendeter Erfüllung des Verkäufers fällig werden soll, also nicht Zug u m Zug zu zahlen ist (RG 5 0 , 1 4 0 ; R G 2 6 . 11. 2 4 I 8 5 / 2 4 ) . Die Vereinb a r u n g , d a ß der Verkäufer die W a r e erst nach E m p f a n g zu bezahlen hat, bedeutet keine S t u n d u n g des Kaufpreises, R G 6 . 1. 2 5 V I 2 7 9 / 2 4 . I n d e m bloßen Zeitlassen zur Beschaffung des Geldes, zur Beseitigung behördlicher Schwierigkeiten liegt noch kein Hinausschieben der Fälligkeit der d e m Beklagten obliegenden Leistung (Prot. 2 , 7 1 ; R G 8 3 , 1 7 9 ) . So liegt Barkauf vor, wenn lediglich deshalb nicht sofort bezahlt wird, weil der K ä u f e r nicht genügendes Geld bei sich hat u n d sofortige Z a h l u n g verspricht. D a n n können die Rechte aus § 3 2 6 unbeschränkt geltend gemacht werden (RG 9 7 , 2 ) . Wer auf Vorstellung des Käufers auf besondere U m s t ä n d e Rücksicht n i m m t , stundet nicht, sondern m a c h t die Fälligkeit der Gegenleistung von gewissen U m s t ä n d e n abhängig (RG 8. 3 . 2 6 V 3°7/25)Anm. 6 Das Rücktrittsrecht des Verkäufers bleibt auch beim W i d e r r u f d e r ausgeschlossen, B G H L M Nr. 2 zu § 4 5 4 BGB.

Stundung

V o r b e m e r k u n g z u § 455 Anm. I N a c h gem. R . galt von Gesetzes wegen, d a ß das Eigentum n u r d a n n übergeht, wenn der Kaufpreis bezahlt oder gestundet ist. Der gesetzliche Eigentumsvorbehalt besteht nicht mehr, es k a n n aber ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden. Der Eigentumsvorbehalt kann a u c h bei anderen Verträgen vorkommen, wie bei Tausch, Werkvertrag. Er findet sich a m häufigsten beim K a u f . D a h e r behandelt ihn das BGB hier als einen besonderen F a l l e i n e s b e d i n g t e n R e c h t s g e s c h ä f t s im Sinne von §§ 1 5 8 f r . Die entsprechende A n w e n d u n g auf a n d e r e Rechtsgeschäfte ist zulässig, b e r u h t aber auf einer Ausnutzung der Vertragsfreiheit, die über den Rechtsschutzgedanken des § 4 5 5 weit hinausgeht, L e h m a n n , R e f o r m der Kreditsicherung a n Fahrnis u. Forderungen, Arbeitsberichte der A k D R 1 9 3 7 , 5 6 . N a c h § 4 3 3 h a t der K ä u f e r Anspruch auf U b e r g a b e der Sache u n d Ü b e r t r a g u n g des Eigentums; beim K a u f unter Eigentumsvorbehalt wird er dagegen erst Eigentümer, wenn er seine Gegenleistung, den Kaufpreis, bewirkt hat. Der V o r b e h a l t verfolgt zwei

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Kauf. Tausch

V o r § 455 A n m . 2—4 §455

einander widerstreitende Zwecke. Das ist für die Beurteilung des Inhalts der Rechte und Pflichten aus einem solchen Kaufvertrag zu beachten: 1. Um einerseits dem Käufer schon vor der Zahlung den wirtschaftlichen Genuß an der gekauften Sache zu verschaffen und andererseits den Verkäufer nicht zu gefährden, wird die Kaufsache dem Käufer nicht zu Eigentum übergeben, sondern ihm nur der Besitz verschafft; auf diese Weise hat er zwar schon das Recht der Nutzung und des Gebrauchs der Kaufsache, er darf aber mit ihr nicht „nach Belieben" (§ 903), sondern nur unter Berücksichtigung der Eigentumsrechte des Verkäufers verfahren, R G J W I933,277i2. Um dem Verkäufer die Sicherheit für seinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu erhalten, wird ihm der mittelbare Besitz und das Eigentum an der verkauften Sache vorbehalten; er wird dadurch gegen Sicherungsübereignung der Ware an Dritte (RG 147, 321) und im Konkurs des Käufers geschützt. Anm. 2 Der Verkäufer erfüllt zunächst nur zum Teil seine Verpflichtung aus § 433 Abs. 1, und der Käufer erfüllt nur zum Teil seine Verpflichtung aus § 433 Abs. 2, nämlich nur die Abnahme- und nicht gleich die Kaufpreiszahlungspflicht. Der Anspruch des Käufers auf Erlangung des Eigentums bleibt als bedingter in der Schwebe. Das bedingte Recht des Käufers auf Erwerb des Eigentums und Eigenbesitzes ist eine Anwartschaft (vgl. §455 Anm. 20ff). Sie ist zwar kein dingliches Recht, wohl aber ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 (RG 170, 1, 6ff.; BGH W M 1957, 515). Der Käufer erwirbt Eigentum erst mit dem Eintritt der Bedingung, BGH 10, 69, 72, während der Verkäufer im gleichen Augenblick das Eigentum verliert. Die Anwartschaft hat also immer eine doppelte Wirkung: eine für den Berechtigten und eine für den Verpflichteten. Ein Recht des Vorbehaltskäufers zum Besitz läßt sich nur aus den schuldrechtlichen Vereinbarungen herleiten, BGH 10, 72; aA B a u k n e c h t (NJW 1955, 1241), der das Anwartschaftsrecht in jeder Hinsicht nach Eigentumsgrundsätzen behandelt wissen will. Anm. 3 Der abgeschlossene Vertrag untersteht der allgemeinen G r u n d p f l i c h t zur W a h r u n g von T r e u und G l a u b e n . Sie verlangt, die Anwartschaft so lange zu wahren und aufrechtzuerhalten, bis sie durch Eintritt oder Wegfall der Bedingung ihr natürliches Ende findet (vgl. § 455 Anm. 22). Diese Verpflichtung ist namentlich füi die Begrenzung des Umfanges der wirtschaftlichen Befugnisse des Käufers oft schwierig zu finden; im täglichen Verkehr besteht die Neigung, dessen Befugnisse soweit als möglich auszudehnen und die Sicherung, die der Verkäufer durch das vorbehaltene Eigentum und den mittelbaren Besitz hat, durch andere Sicherungsmittel zu ersetzen. Dies geschieht durch Anerkennung eines „ K o n t o k o r r e n t v o r b e h a l t s " , „ w e i t e r g e l e i t e t e n Vorbehalts", „ v e r l ä n g e r t e n Vorbehalts", „ e r w e i t e r t e n " Vorbehalts, durch eine Verarbeitungsklausel, Vorausabtretungsklausel und die Möglichkeit der Abtretung einer Anwartschaft. Alles dies führt zu verwickelten und unsicheren rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. R G 147, 331 stellt mit Recht den Grundsatz auf, ein Kaufmann, der sich von einem anderen Waren zur Sicherheit übereignen läßt, muß ohne weiteres damit rechnen, daß auf ihnen ein Eigentumsvorbehalt ruht; ohne nach den Eigentumsverhältnissen geforscht zu haben, ist er daher nicht gutgläubig im Sinne des § 932, R G 143, 18. Klare und feste Umgrenzungen der einzelnen Möglichkeiten sind unerläßlich. Anm. 4 Der Eigentumsvorbehalt ist verwandt mit der S i c h e r u n g s ü b e r e i g n u n g . Dagegen betrifft die V e r f a l l k l a u s e l nur das Kausalgeschäft.

§455 Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist i m Zweifel anzunehmen, daß die

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§455

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 Übertragung des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt und daß der Verkäufer zum Rücktritte von dem Vertrage berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt. E

n 394; p 2 79.

Ubersicht Anm.

I. Der Vertrag II. Die Wirkungen des Vertrages A . für den Verkäufer 1. Ubergabepflicht 2. vollständige Erfüllung? 3. Gefahrübergang 4. §§321—326 5. Rücktrittsrecht 6. Auskunftsanspruch B. für den Käufer III. Die Vertragsgegenstände I V . Begründung des Eigentumsvorbehalts 1. im Kaufvertrag 2. nachträglicher Eigentumsvorbehalt 3. durch Nichtberechtigten 4. bei der Übereignung 5. nach vollzogener Ubereignung V . Die Bedingung 1. Art der Bedingung 2. Inhalt der Bedingung 3. Wirkung der Bedingung V I . Das Abzahlungsgeschäft V I I . Die Anwartschaft 1. Rechtsnatur 2. im Konkurs 3. Bestandswahrungspflicht 4. Vererblichkeit 5. Ubertragbarkeit 6. Pfändbarkeit 7. Nießbrauch 8. gesetzliche Pfandrechte 9. Sicherungsübertragung 10. bei Vermischung, Verarbeitung 11. Verzicht 12. Weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt 13. Verlängerter Eigentumsvorbehalt 14. Vorausabtretungsklauseln 15. Mantel- oder Globalzession 16. Erweiterter Eigentumsvorbehalt 17. Verfügungen über die Vorbehaltssache 18. Ansprüche bei Beschädigung der Vorbehaltssache V I I I . Das Erlöschen des Anwartschaftsrechts

1 2—8 2—7 2 3 4 5 6 7 8 9 10—15 11 12 13 14 15 16—19 16 17 18 19 20—35 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

I. Der Vertrag Anm. 1 § 455 setzt den Abschluß eines Kaufvertrags über eine bewegliche körperliche Sache und außerdem voraus, daß sich der Verkäufer das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehält.

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Kauf. Tausch

§ 455 A n m . 2, 3

Der Kaufvertrag ist ein unbedingtes Kausalgeschäft und untersteht den allgemeinen Vorschriften nach § 433, soweit sich nicht aus der Bedingtheit einzelner aus ihm fließender Verpflichtungen etwas Besonderes ergibt. Die Bedingung des Vorbehalts betrifft an sich nur die dingliche Übereignung, RG 66, 344, ändert aber auch die schuldrechtliche Verpflichtung. Der Verkäufer ist allerdings nicht bloß, wie v o n C a e m m e r e r SJZ 1949 Sp. 827 meint (von OGH 3, 236 dahingestellt gelassen), verpflichtet, durch die Kalifpreiszahlung aufschiebend bedingtes Eigentum zu verschaffen, B G H N J W 1954, 1325; durch Vornahme der bedingten Ubereignung versetzt er den Käufer zwar in die Lage, sich selbst durch die Zahlung des Preises das volle Eigentum zu verschaffen; er bleibt dem Käufer aber verpflichtet, dem Übergang des vollen Eigentums seinerseits nicht entgegenzuwirken und alles zu unterlassen, was den Eintritt der Bedingung hindert, B G H NJW 1954, 1325. Vgl. auch unten Anm. 3. II. Die Wirkungen des Vertrages Anm. 2 A . für den Verkäufer : 1. Er hat zunächst dem Käufer die Sache zu ü b e r g e b e n , also Besitz nach § 854 zu verschaffen, RG J W 1933, 2771. Aber der Vorbehaltskäufer erhält nicht Eigenbesitz im Sinne von § 872 übertragen, RG J W 1906, 76032. Durch die Übergabe der Kaufsache wird der Käufer Besitzmittler, der Verkäufer mittelbarer Besitzer, L e t z g u s , Die Anwartschaft des Käufers unter Eigentumsvorbehalt (1938) S. 23; RG 54, 397; 63, 197; 69, 197; 95, 106; Gruchot 57, 434; a . M . T h i e s i n g ArchBR 20, 240. Ein Kaufvertrag begründet zwar grundsätzlich kein Besitzmittlungsverhältnis; das ist aber beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt wegen des dadurch geschaffenen rechtlichen Schwebezustandes anders: der Eigentumsvorbehaltskäufer besitzt die Kaufsache nicht als ihm gehörend, § 872, sondern als Eigentumsanwärter; der Verkäufer hat einen bedingten dinglichen Herausgabeanspruch und der Käufer lediglich ein Anwartschaftsrecht; im Gegensatz zum einfachen Kauf fehlt es daher nicht an einem Besitzmittlungsverhältnis. Die Besitzvermittlung bedeutet jedoch nicht, daß der Käufer ohne weiteres auch Bevollmächtigter des Vorbehaltsverkäufers geworden ist, RGSt. 63, 334; 68, 304. Die Übergabe muß zugleich mit dem Willen geschehen, daß der Vorbehaltskäufer das nach § 455 bedingte Eigentum erlangt, § 929. Anm. 3 2. Dem Verkäufer verbleibt zunächst volles Eigentum; er ist zur unbedingten Übereignung verpflichtet (BGH NJW 1954, 1325), braucht aber das Eigentum nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises zu übertragen. Ihn trifft auch die Verpflichtung aus §434; also auch das bedingte Eigentum ist f r e i v o n R e c h t e n D r i t t e r zu übertragen. (Vgl. auch Anm. 1). Bestritten ist, ob diese Verpflichtung schon bei Abschluß des Kaufvertrags oder erst mit Eintritt der Bedingung für den Eigentumsübergang zu erfüllen ist. Das Reichsgericht (ebenso OGH 3, 226, 234) sieht den Kaufvertrag nicht als v o l l s t ä n d i g e r f ü l l t an, wenn der Verkäufer die Leistungshandlung vorgenommen hat, sondern erst, wenn auch der Leistungserfolg eingetreten ist; es meint also, daß die Erfüllung so lange unvollständig ist, als der Eigentumsvorbehalt wirkt oder als der Eintritt der Bedingung noch aussteht, RG 64,204; 64,334; 66,83; 85,402; 95,105; 118,100; 133, 40, 160 u. 226; J W 1933, 2213 8 ; 1936, 2 8 8 i ; B G H N J W 1954, 1325. Ebenso S c h a n t z , J W 1931, 508. Diese Auffassung wird namentlich bekämpft von O e r t m a n n , LZ 1927 Sp. 16; Z H R 93, 356, 396; R ü h l , Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft S. 204; L e h m a n n , Festgabe für R. Schmidt S. 346; M e r k e l , J W 1931, 2058 und 1932, 158; J a c u s i e l , Der Eigentumsvorbehalt (1932) S. 40; H o l t z , Das Anwartschaftsrecht aus bedingter Übereignung als Kreditsicherungsmittel (1933) S. 3 1 ; L e t z g u s , Die Anwartschaft des Käufers unter Eigentumsvorbehalt (1938) S. 17, 18. Daß der Verkäufer die Leistungstätigkeit, zu der er nach § 433 verpflichtet ist, auch schon vor Eintritt des Eigentumsüberganges beendet haben kann und dann die ihm obliegenden Handlungspflichten bereits ausreichend erfüllt hat, hat das Reichsgericht selbst mehrfach ange-

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§ 455 A n m . 4, 5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

nommen, z. B. dort, wo zum Eigentumserwerb eines Grundstücks nur dessen Eintragung in das Grundbuch noch aussteht, weil der Verkäufer auf die Tätigkeit des Grundbuchamts keinen Einfluß hat. Ebenso hat er seiner Leistungspflicht genügt, wenn er die Sache, an der er sich das Eigentum vorbehalten hat, dem Käufer übergeben und ihm überdies vielleicht sogar die Veräußerungsbefugnis im normalen Geschäftsverkehr gewährt hat, so daß der Eintritt der Bedingung, die Zahlung des Kaufpreises, nun nicht mehr von ihm abhängt, O L G H a m b u r g Recht 1933 Nr. 75. Festzuhalten ist aber, daß der Eigentumsübergang auf den Käufer der bezweckte Erfolg des Kaufs und der Inhalt des Vertrages ist und daß nach dem Willen der Vertragschließenden erst der Eintritt dieses Erfolges die Erfüllung darstellt, K i e s o w , J W 1933, 1143. Bis zum Eintritt der Bedingung, der dem Käufer erst das Eigentum bringt, hat daher auch der Verkäufer noch Pflichten aus dem noch nicht erledigten Kaufvertrag. Der Verkäufer bleibt auch nach der Ubergabe verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Anwartschaftsrecht des Käufers beeinträchtigt u n d den Eintritt der Bedingung hindert, B G H N J W 1954, 1325. Das ist eine weitere Verpflichtung aus § 433, die aus der Verpflichtung folgt, dem Käufer das Eigentum zu verschaffen u n d keineswegs nur „eine sekundäre Unterlassungspflicht", wie R ü h l a. a. O. S. 195 und J a c u s i e l a. a. O. S. 41 meinen. Auch an der Sache bestehende Rechte Dritter braucht der Verkäufer nicht schon bis zur Ubergabe, sondern erst bis zum Eintritt der Bedingung zu beseitigen; die Pflicht aus § 434 braucht grundsätzlich erst im letzteren Zeitpunkt erfüllt zu sein, R G 83, 214. Da die Wirkung des Eigentumsüberganges erst mit dem Eintritt der Bedingung eintritt, so braucht nach Treu und Glauben auch erst zu diesem Zeitpunkt ein diese Wirkung hinderndes Recht beseitigt zu sein. Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn das fragliche Recht auch die Benutzung des Kaufgegenstandes durch den Käufer hindern würde. Dann m u ß das Recht schon vor der Ubergabe beseitigt werden. Der Auffassung des R G ist also grundsätzlich beizutreten. Das ist auch für den Konkurs sowohl des Vorbehaltsverkäufers wie des Vorbehaltskäufers von Bedeutung; solange das Eigentum auf den Vorbehaltskäufer noch nicht übergegangen ist, ist der Kauf im Sinne des §17 K O noch beideresits unerfüllt ( R G J W 1936, 2881 21 m. w. Nachw.; J a e g e r / L e n t K O § 17 Anm. 11; M e n t z e l / K u h n K O § 17 Anm. 16; B ö h l e - S t a m s c h r ä d e r K O § 17 Anm. 3 a ; C o i n g N J W 1952, 48; aA B a u k n e c h t N J W 1956, 1177); das hat im Konkurse des Vorbehaltsverkäufers die Folge, d a ß der Konkursverwalter dem Vorbehaltskäufer die Kaufsache durch Ablehnung der Erfüllung entziehen kann, es sei denn, daß er damit nach Lage der Dinge gegen Treu und Glauben verstößt, R G 140, 156. Entsprechendes gilt für das Vergleichsverfahren, R G J W 1936, 2881. Anm. 4 3. Die G e f a h r geht nach §446 schon m i t d e r U b e r g a b e , nicht erst mit Erlangung des Eigenbesitzes und Eigentums auf den Vorbehaltskäufer über, R G 93, 330; 85, 320; J W 1908, 329. Denn nicht der Kaufvertrag, sondern der Eigentumsübergang ist bedingt. Daher tritt auch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt die Haftung aus § 459 bereits mit der Ubergabe ein. Versichert der Eigentumsvorbehaltskäufer die Kaufsache schon während der Schwebezeit, so versichert er eigenes und nicht fremdes Interesse, nämlich sein bedingtes Eigentum, R G 74, 126. Anm. 5 4. In Anwendung bleiben ferner die §§321—326. Der Vorbehaltsverkäufer kann unter der Voraussetzung des §326 S c h a d e n s e r s a t z wegen Nichterfüllung verlangen, R G 144, 62. Da er noch Eigentümer ist, kann er nach § 985 auch H e r a u s g a b e der verkauften Sache verlangen, die dann seinen Schadensersatzanspruch mindert ( R G 144, 62, 65). Anders als im Falle des § 5 AbzG (vgl. dazu B G H N J W 1954, 1001; B G H 15, 171; 15, 241; 22, 123) verwirkt der Verkäufer seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht durch Erhebung der Herausgabeklage; dieser Klage gegenüber kann sich der Käufer nicht auf ein Recht zum Besitz berufen, wenn der Verkäufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages fordern kann (§ 986), R G 144, 62, 65/66. Denn ein Recht des Vorbehaltskäufers zum Besitz läßt sich nur aus der schuldrechtlichen Vereinbarung herleiten, B G H 10, 72.

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K a u f . Tausch

§455

A n m . 6—9 Insbesondere wird auch bei Verzug das Rücktrittsrecht aus § 326 nicht d u r c h § 454 ausgeschlossen, wenn m a n , wie hier, a n n i m m t , d a ß die Verpflichtung des Verkäufers aus § 433 noch nicht erfüllt ist, R G 144, 65; zu § 324 u. § 325 vgl. R G 66, 344; J W 1927, 667; 1927, 1037. Der Verkäufer k a n n aber nicht schon deshalb R e c h t e aus § 455 herleiten, weil der Leistungserfolg noch nicht eingetreten ist. Zuweilen erfordern T r e u u n d G l a u b e n i m V e r k e h r , d a ß beide P a r t e i e n schon die Beendigung der Leistungstätigk e i t g e l t e n l a s s e n m ü s s e n . So zutreffend R G 64, 334; 133, 42; 140, 160; 140, 226 f ü r die Frage, ob der Konkursverwalter nach K O § 1 7 die Erfüllung ablehnen u n d vom Vertrag zurücktreten darf, wenn die Leistungstätigkeit beendet ist u n d weitere Verpflichtungen zur Verschaffung des Eigentums gar nicht in Frage kommen (vgl. a u c h oben unter A n m . 4). D a n n ist auch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 oder §§ 36g, 370 H G B ausgeschlossen, K G O L G 26, 56. Anm. 6 5. N e b e n d e m R e c h t aus § 326 h a t der Verkäufer n a c h § 455 bei Nichtzahlung des Kaufpreises ein eigenes, nicht von den Voraussetzungen des § 326 abhängiges R ü c k t r i t t s r e c h t vom Vertrag, R G 144,65. Eine Fristsetzung ist daher nicht erforderlich, R G 144, 65. I n der G e l t e n d m a c h u n g des auf das Eigentum gestützten Herausgabeanspruchs ist außer im Falle des § 5 A b z G die Erklärung des Rücktritts vom V e r t r a g nicht enthalten, R G J W 1907, 3 1 5 1 8 ; R G 144, 65. Sind bei d e m Verkauf eines Geschäfts unter Vorbehalt des Eigentums a m I n v e n t a r die mitverkauften körperlichen Gegenstände von bloß nebensächlicher Bedeutung, so kann nach T r e u u n d Glauben das verschärfte Rücktrittsrecht des § 455 nicht auf den ganzen K a u f v e r t r a g angewendet werden, R G 67, 383. Mit der G e l t e n d m a c h u n g des Eigentumsvorbehalts wird der K a u f v e r t r a g nicht aufgelöst, die Ansprüche des Verkäufers werden nicht hinfällig, R G 7, 148. U m g e k e h r t schließt die E r h e b u n g der Kaufpreisforderung die G e l t e n d m a c h u n g des Eigentumsvorbehalts nicht aus, R G 26. 3. 07 V I I 284/06. Der Verkäufer, der beim Vertrage stehenbleibt, aber unter G e l t e n d m a c h u n g des Eigentumsvorbehalts die R ü c k g a b e der Sache fordert, h a t die geleisteten Abschlagszahlungen nicht zurückzuerstatten, der K ä u f e r h a t Anspruch auf R ü c k z a h l u n g der Bereicherung u n d k a n n gegen Angebot des vollen K a u f preises die Kaufsache wieder beanspruchen, R G 8, 150; R G 22. 3. 07 V I I 246/06; 11. 10. 04 V I I 127/04; R ü h l a. a. O . 105. Anm. 7 6. Der Vorbehaltsverkäufer hat gegen den Vorbehaltskäufer n a c h den §§ 260, 242 einen A n s p r u c h a u f A u s k u n f t ü b e r den Verbleib der Vorbehaltssache u n d die aus ihrem Weiterverkauf erwachsenen F o r d e r u n g e n ; dieser Anspruch besteht auch d e m Konkursverwalter gegenüber, u n d zwar auch f ü r die Zeit vor Konkurseröffnung, O L G Köln N J W 1957, 1032; vgl. auch unter A n m . 35. Anm. 8 B . f ü r den K ä u f e r : 1. Er h a t die gekaufte Sache a b z u n e h m e n . D a d u r c h erhält er jedoch n u r F r e m d besitz; er steht z u m Verkäufer in einem Besitzmittlungsverhältnis, § 868; der Verkäufer ist mittelbarer Besitzer (oben unter A n m . 2). Der K ä u f e r darf den Besitz nur entsprechend d e m Sicherungszweck des Eigentumsvorbehalts ausüben, also n u r das tun, was d e m Verkäufer d e n mittelbaren Besitz erhält. Er ist Verwahrer u n d Verwalter der Sache, R G 64, 334; 74, 129; 95, 107, u n d darf n u r als solcher mit ihr verfahren. 2. Er h a t den K a u f p r e i s g e m ä ß der gewährten S t u n d u n g zu zahlen. III. D i e V e r t r a g s g e g e n s t ä n d e Anm. 9 Der Vorbehalt i. S. von § 455 ist n u r beim Verkauf körperlicher, beweglicher, bestimmt zu bezeichnender Sachen zulässig. Einwandfrei bestimmt sind die Sachen auch, wenn sämtliche in einem R a u m gelagerte oder dorthin zu bringende W a r e n verkauft

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

werden, RG 132, 183. Der Vorbehalt kann auch erst künftig hinzutretende Sachen ergreifen, RG BayZ 2, 381, und dies kann im voraus vereinbart werden, RG 9. 7. 09 V I I 478/08. U n z u l ä s s i g ist der E i g e n t u m s v o r b e h a l t bei Auflassung von Grundstücken und deren wesentlichen Bestandteilen § 158, § 925 Abs. 2. Es kann ein bedingter schuldrechtlicher Anspruch auf Ubereignung oder Rückübereignung begründet werden, der allerdings durch eine Vormerkung dinglich gesichert werden kann. Unzulässig ist ferner der Eigentumsvorbehalt von unkörperlichen Gütern, wie Forderungsrechten, Patenten, Lizenzen, z. B. an Filmen usw., RG 106, 363. Hierunter fällt auch ein Unternehmen, ein Geschäft, RG J W 1935, 30376. Hier ist der Eigentumsvorbehalt aber im Zweifel auf die mitverkauften körperlichen Gegenstände zu beziehen und für sie zulässig. Ebenso ist der Eigentumsvorbehalt an einer Sachgesamtheit, wie einem Warenlager, Inventar, nicht möglich, auch wenn sie zu einem Gesamtpreis verkauft ist. Regelmäßig ist aber der Vorbehalt auf die einzelnen zur Gesamtheit gehörigen Sachen zu beziehen und insoweit zulässig, RG 67, 383; 144, 64; Gruchot 53, 954; WarnRspr. 1909 Nr. 198. Im übrigen ist die Z u l ä s s i g k e i t des E i g e n t u m s v o r b e h a l t s unbeschränkt. Er erstreckt sich auf unpfändbare Sachen, § 811 ZPO und Bestandteile, auch wenn sie später eingebaut werden, RG 60, 422; 62, 248; 67, 30; 69, 158. Im letzteren Falle bleibt der Eigentumsvorbehalt allerdings nur bestehen, wenn die Sache nicht wesentlicher Bestandteil wird. Ob auch Zubehör (Maschinen) ergriffen wird, ist Auslegungsfrage. Ebenso auf Früchte. Bestritten ist, ob das Vorbehaltsrecht sich auf die Nachzucht (Tierjunge) erstreckt. Näheres: Eigentumsvorbehalt beim Viehkauf von Ludwig Mayer (1932) und L Z 1933 Sp. 96; OLG 1931, 325 und M a y e r bejahen es, Stölzle (6. Aufl.) S. 18g, J a c u s i e l S. g u. 15 verneinen es. Nach § 953 teilen die Früchte das Schicksal der Hauptsache. H a r t w i g , LZ 1933 Sp. 575 weist zutreffend daraufhin, daß § 953 nachgiebiges Recht enthält und es auf den Parteiwillen ankommt. Es kann also dem Käufer das Fruchtziehungsrecht eingeräumt werden. Auch ohne dieses ist das Eigentumsrecht des Verkäufers durch das Anwartschaftsrecht des Käufers beschränkt. Die Milch bei Kühen fällt nach dem Parteiwillen nicht unter das Vorbehaltsrecht, dagegen im Zweifel andere Früchte. Möglich ist ein Vorbehalt auch an künstlichen Gliedern, Prothesen, Gebissen und dgl. Hat der Käufer die Kaufsache mit eigenen Sachen untrennbar v e r m i s c h t , so erlangt der Verkäufer an dem vermischten Bestand Miteigentum nach §§947, 948; ebenso entsteht Miteigentum bei einer Mehrzahl von Lieferanten, K G J W 1930, 2798. Bei V e r a r b e i t u n g der Sache durch den Käufer wird das vorbehaltene Eigentum nach § 950 regelmäßig vernichtet; das gilt jedoch dann nicht, wenn die Verarbeitung für den Verkäufer und mit dem Willen, ihm das Eigentum zu erhalten oder zu verschaffen, vorgenommen wurde, OLG 26, 60; 34, 183. Otte, Der Eigentumsvorbehalt i. d. gesamten Bauwirtschaft (2. Aufl.) S. 14. Auch a n v e r b r a u c h b a r e n Sachenkanndas Eigentumsrecht vorbehalten werden. Erfolgt der „Verbrauch" üblicherweise im Geschäftsverkehr, durch Verkauf, so muß im Zweifel angenommen werden, daß dem Käufer die Befugnis zum Verbrauch oder zur Veräußerung der ihm bedingungsweise übereigneten Sachen auch zustehen soll, OLG Hamburg J W 1933, 1142 16 . Dann beschränkt sich der Vorbehalt auf die nicht veräußerten Sachen, RG WarnRspr. 1909 Nr. 198; für die veräußerten Sachen erlischt der Eigentumsvorbehalt des Verkäufers, und zwar auch dann, wenn der Käufer bei dem Weiterverkaufsich das Eigentumsrecht vorbehält, RG H R R 1930, 1916. Bei Eigentumsvorbehalt an Baustoffen und Maschinen, die wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden, verliert der Verkäufer sein Eigentum auch bei gegenteiliger Vereinbarung, §946. Über die Möglichkeit einer Sicherung vgl. Schubert, Deutsches Kaufrecht ('937). j 36. A n m . 10

IV. Begründung des Eigentumsvorbehalts

Begründet wird der Eigentumsvorbehalt mit der Ubergabe und Einigung zu bedingtem Eigentum; er ist also Inhalt des dinglichen Rechtsgeschäfts.

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Kauf. Tausch

§455

Anm. 11, 12

Vom dinglichen Rechtsgeschäft des Eigentumsvorbehalts bei der Eigentumsübertragung ist das schuldrechtliche Vertragsverhältnis zu unterscheiden, das den Verkäufer zu einer so beschränkten Eigentumsübertragung berechtigt und hierzu auch nur verpflichtet. Ihm kommt durchaus selbständige Bedeutung zu, RG 147, 325. Daher erlischt der Eigentumsvorbehalt zwar mit dem Untergang der Kaufpreisforderung, also durch Zahlung, § 455, nicht aber durch Verjährung des Kaufpreisanspruchs, da sie den Verpflichteten nur berechtigt, die Leistung zu verweigern, § 222, die Kaufpreisforderung selbst aber bestehen läßt; die Sicherung durch das vorbehaltene Eigentum wird gerade bei Erhebung der Verjährungseinrede bedeutsam (vgl. auch § 223). So auch die herrschende Meinung, O e r t m a n n J W 1926, 725; C r i s o l l i J W 1935, 2218 (Anm.); K l a u ß , Abzahlungsgeschäfte, Anm. 380; S o e r g e l Anm. 2c zu §223; S c h u b e r t aaO S. 138; aA OLG Dresden J W 1926, 725; B a u k n e c h t M D R 1956, 722. Ein Eigentumsvorbehalt erlischt auch nicht durch Zahlung der Vergleichsquote nach K O § 193; ihre Bezahlung bringt die vom Zwangsvergleich betroffenen Forderungen nicht zum Erlöschen; es bleiben vielmehr natürliche Verbindlichkeiten zurück, RG 7. 12. 12 V 302/12. Anm. 11 1 . Regelmäßig beruht der Vorbehalt bei der Eigentumsübertragung auf einer im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung. Eine solche Vereinbarung ändert die Eigentumsverschaffungspflicht des § 433 ab. Sie kann ausdrücklich, stillschweigend oder durch Bezugnahme auf allgemeine Geschäftsbedingungen getroffen werden, RG BankArch. 1928/29, 185. Auch im Marktverkehr, für Konsignationsware und bei Hingabe „in Kommission", RG 110, 120, kann der Vorbehalt vereinbart sein. Ein allgemeiner Handelsbrauch besteht nicht, auch nicht für Kraftwagen, RG 143, 14; der Eigentumsvorbehalt ist aber die Regel beim Finanzierungsgeschäft. Der Vertrag kann, wie jeder andere Kaufvertrag, formlos abgeschlossen werden. Wird das dingliche Übereignungsgeschäft auf Grund eines Kaufvertrages, bei dem der Verkäufer sich das Eigentum vorbehalten hat, vorgenommen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß es als E r f ü l l u n g s h a n d l u n g eben dieses K a u f v e r t r a g e s gelten soll, also unter Eigentumsvorbehalt erfolgt. Will der Verkäufer unbedingt übereignen, so muß er auf den vereinbarten Eigentumsvorbehalt ausdrücklich oder stillschweigend verzichten. Anm. 12 2. Der nachträgliche Eigentums vorbehält Ist im Kaufvertrag kein Eigentumsvorbehalt gemacht, so wird er wirksam, wenn er nachträglich beim Übereignungsakt erklärt wird und der K ä u f e r mit der bedingten Ubereignung einverstanden ist, also Willensübereinstimmung besteht. Darin liegt dann zugleich eine Abänderung des Kaufvertrages. Ist der Käufer mit der Änderung nicht einverstanden, so erfüllt der Verkäufer seine Verpflichtung aus § 433 nicht, wenn er das Eigentum nur unter Vorbehalt zu übertragen erklärt. Mangels Einigung findet dann allerdings auch kein Eigentumsübergang statt, und der Verkäufer kann auf unbedingte Übertragung verklagt werden, a. M. J a c u s i e l a. a. O. S. 13. Es kommt wenigstens zum bedingten Eigentumsübergang, wenn der Käufer zwar mit bedingter Eigentumsübertragung einverstanden ist, sie aber nicht als Erfüllung des abgeschlossenen Kaufvertrages gelten läßt. Die Nichterfüllung eines auf unbedingte Eigentumsübertragung gerichteten Kaufvertrags kann aus § 321 gerechtfertigt sein. Der nachträgliche Eigentumsvorbehalt muß deutlich erklärt werden und dem Käufer bei dem Akt der Ubereignung erkennbar sein. Nur dann kann aus der stillschweigenden Annahme der Sache durch den Käufer eine Einigung über einen bedingten Eigentumserwerb geschlossen werden. Bestritten ist, ob ein auf die R e c h n u n g ( F a k t u r a ) g e s e t z t e r E i g e n t u m s v o r b e h a l t diese Wirkung hat. An sich ist es als ein geschäftlicher Mißbrauch anzusehen, wenn mit einem auf die Rechnung gesetzten Vermerk versucht wird, den zunächst uneingeschränkt geschlossenen Kauf nachträglich mit einem Eigentumsvorbehalt auszustatten. Mögen auch Rechnungen zu Erklärungen zur Eigentumsfrage nicht bestimmt sein (RG Recht 1923, 367; 1924, 1322; KG J W 1929, 2164; OLG Stuttgart J W 1931, 10

Komm. z. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

5507) und mögen sie auch daraufhin nicht durchgesehen zu werden brauchen ( B e r t r a m LZ 1933 Sp. 1 0 1 ; S c h r o e d e r LZ 1933 Sp. 827), so kann doch die Ubersendung der Ware, die nach Empfang oder zugleich mit einer Eigentumsvorbehaltsklausel versehenen Rechnung eingeht, nicht als eine Offerte zu unbedingter Ubereignung angesehen werden (KG J W 1929, 2164; OLG München J W 1932, 1668 m. Anm. R ü h l ; O L G Düsseldorf J W 1931, 2580; R ü h l J W 1930, 3493; O e r t m a n n J W 1930, 1421; vgl. auch §433 Anm. 56, 176). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Käufer die Vorbehaltsklausel vor oder bei Empfang der Ware tatsächlich gelesen oder aus längerer Geschäftsverbindung gekannt hat. Durch Schweigen des Käufers ändert sich das Vertragsverhältnis allerdings keineswegs in einen Kauf unter Eigentumsvorbehalt um. Der Käufer behält vielmehr seinen Anspruch auf vorbehaltslose Ubereignung und kann die Rechte der Nichterfüllung geltend machen; kommt es nicht doch noch zur Ubereignung, so ist der Verkäufer im Konkurse des Käufers aussonderungsberechtigt; dagegen wird kaum angenommen werden können, daß nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises erst noch zu übereignen sei; § 455 greift zwar, weil nicht vereinbart, nicht ein; aber der Verkäufer wird seine bedingte Ubereignungsofferte im Regelfall aufrechterhalten, und sie wird als vom Käufer schlüssig durch Zahlung des Kaufpreisrestes angenommen angesehen werden können. Auch wenn der Verkäufer dem Käufer bei Ubergabe der Kaufsache einen L i e f e r s c h e i n übergibt, auf dem ein bisher nicht vereinbarter Eigentumsvorbehalt vermerkt ist, kommt es nicht zum unbedingten Eigentumserwerb des Käufers, wenn dieser den Vermerk tatsächlich zur Kenntnis nimmt; der Vermerk ist dagegen nicht geeignet, den Eigentumsübergang zu hindern, wenn die Aufnahme eines solchen Vermerks in einen Lieferschein ungewöhnlich und nicht zu erwarten ist und der Empfänger deshalb den Lieferschein daraufhin nicht durchgelesen hat, B G H NJW 1953, 217 m. zust. Anm. Raiser. Für den B u c h h a n d e l sind die Vorschriften der buchhändlerischen Verkehrsordnung v. 8. 6. 35 und die Lieferungsbedingungen (Verkaufsordnung) des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, seitdem es diesen Verein nicht mehr gibt, immerhin als Handelsbrauch beachtlich. Nach ihnen gilt ein einseitiger Vorbehalt auf der Rechnung als genehmigt, wenn ihm nicht unverzüglich nach Empfang widersprochen wird, L e i b i J W 1932, 1906. A n m . 13 3. Wie die unbedingte, so kann auch die bedingte Eigentumsübertragung nur vom Eigentümer vorgenommen werden, denn nur wer Eigentum hat, kann es sich vorbehalten. E i n v o m N i c h t e i g e n t ü m e r v o r g e n o m m e n e r V o r b e h a l t wird daher erst wirksam, wenn er das Eigentum erlangt, R G Recht 10 Nr. 4066; WarnRspr. 1932 Nr. 306. Wer aus der Hand eines Nichteigentümers eine Sache unter Eigentumsvorbehalt erwirbt, wird jedoch nach § 932 mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises Eigentümer, wenn er bei Einigung und Ubergabe im guten Glauben war, B G H 10, 69; vgl. auch A. B l o m e y e r AcP 153, 239. A n m . 14 4. Da der Vorbehalt die Wirkung des Ubertragungsaktes beschränkt und vom Eintritt einer Bedingung abhängig macht, muß er b e i d e m Ü b e r t r a g u n g s a k t s e l b s t , der Ubergabe und Einigung, als Bestandteil dieses Rechtsgeschäftes erkennbar sein, §929 Satz 1 und 2, §930, §931. In der Regel wird der Vorbehalt jedoch schon i m v o r a u s , im Kaufvertrag, in Erwartung und in Hinblick auf den demnächst erfolgenden Ubergangsakt erklärt. Schon die einseitige Erklärung des Vorbehaltes bei der Ubereignung hindert den Eigentumsübergang, da der Wille zur sofortigen Übertragung des Eigentums beim Eigentümer fehlt, eine Einigung zwischen Ubertragendem und Erwerber also nicht zustande kommen kann. War kein Eigentumsvorbehalt vereinbart, dann erfüllt der Verkäufer durch eine nur bedingte Ubereignung nicht. Nach erfolgter unbedingter und unbeschränkter Eigentumsübertragung kann der Eigentumsvorbehalt dagegen nicht mehr mit dinglicher Wirkung erklärt werden. Das bereits übergegangene Eigentum kann nicht mehr vorbehalten werden, RG 54, 396.

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Kauf. Tausch

§455

Anm. 15—18

Anm. 15 5. Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nach vollzogener Übereignung kann die Bedeutung einer Rückübereignung haben; alsdann muß Einigkeit darüber bestehen, daß der frühere Eigentümer den mittelbaren Besitz erlangen soll, § 868, und daß hierdurch die Rückgabe der Sache ersetzt wird, § 930. Das hierzu notwendige Besitzmittlungsverhältnis gibt der Eigentumsvorbehalt oder eine besonders ausgestattete Sicherungsvereinbarung ab. In einem solchen nachträglichen Eigentumsvorbehalt kann eine auflösend bedingte S i c h e r u n g s ü b e r e i g n u n g zugunsten des Verkäufers liegen, J a c u s i e l , Der Eigentumsvorbehalt (1912) S. 5; RG WarnRspr. 1928, 245; J W 1915, 445 4 ; R a i s e r NJW 1953, 217 Anm.; S t a u d i n g e r / O s t l e r §455 Anm. 13—15; S c h m i d t MDR 1955, 447; aM RG 49, 170; 54, 396; J W 1913, 492; BGH NJW 1953, 217. Der Wille, das Eigentum nur bedingt zu übertragen, braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, aber ein nur geheimer Vorbehalt genügt nicht. Er muß wenigstens aus den Umständen erkennbar sein. V. Die Bedingung Anm. 16 1. Die in §455 behandelte Bedingung ist eine aufschiebende Bedingung. Bei einer auflösenden Bedingung handelt es sich nur um einen bedingten Rückfall des Eigentums. Wenn in § 455 gesagt wird, „im Zweifel" sei aufschiebende Bedingung anzunehmen, so ist dies ungenau, ergibt aber, daß die Ubereignung auch unter einer auflösenden Bedingung stehen kann, nur daß dann die Bedingung nicht den Eigentumserwerb hinausschiebt, sondern den Rückfall des Eigentums herbeiführt. Anm. 17 2. In § 455 wird die Zahlung des Kaufpreises als Bedingung für den Eigentumsübergang genannt. Daraus erhellt, daß der Zweck des Eigentumsvorbehaltes die S i c h e r u n g des K a u f p r e i s a n s p r u c h s ist. Der Käufer soll zwar wirtschaftlich eine ähnliche Stellung erhalten, wie der Eigentümer, rechtlich aber bleibt der Verkäufer Eigentümer. Wird Eigentum bei einem anderen Veräußerungsvertrag als einem Kauf vorbehalten, so dient das der Sicherung der aus diesem Vertrag zu gewährenden Gegenleistung; die Vorschrift des § 455 ist dann entsprechend anzuwenden. Die Bedingung tritt erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises ein; T e i l z a h l u n g e n für ein unter einheitlichem Eigentumsvorbehalt stehendes Warenlager bewirken keinen ihnen entsprechenden Teilübergang des Eigentums; das gleiche gilt, wenn eine Mehrheit von Sachen unter einheitlichem Eigentumsvorbehalt verkauft ist, RG 9. 7. 09 II 478/08. Der Kaufpreis ist erst dann vollständig bezahlt, wenn alle Gegenleistungen aus dem Kaufvertrag, also auch die zu entgeltenden Kosten der Verpackung oder Versendung sowie Diskontspesen und Verzugszinsen beglichen sind; das gilt, ohne daß dies besonders vereinbart ist. Für die Zahlung gilt § 270. Ist eine besondere Zahlstelle (Bank, Postscheckkonto) vereinbart oder geschäftsüblich zulässig, so ist die Zahlung auch hier mit Eingang an dieser Stelle erfolgt. Der Käufer kann bestimmen, für welche von mehreren Kaufpreisschulden er zahlt, § 366. Die Bestimmung kann schon bei Abschluß des Vorbehaltskaufs getroffen werden; eine solcher Vereinbarung widerstreitende Bestimmung bei der Zahlung ist vertragswidrig, unwirksam und ungeeignet, die der Eigentumsübertragung beigefügte Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises zu erfüllen, RG 66, 54; J a c u s i e l a. a. O. S. 16. Anm. 18 3. M i t dem E i n t r i t t der B e d i n g u n g tritt die Wirkung der Eigentumsübertragung von selbst ein, § 158 Abs. 1. Da die Ubertragungshandlungen bereits stattgefunden haben, bedarf es keines neuen Ubertragungsaktes durch den Verkäufer, etwa einer unbedingten Übertragung. Der Eigentumserwerb des Vorbehaltskäufers vollzieht sich durch die vollständige Bezahlung des Kaufpreises, ohne daß es weiterer Einigung bedarf, RG 140, 226; 66, 349; J W 1925, 353°; SeuffArch. 91, 261. Der dingliche Vertrag ist bereits geschlossen und nicht erst zu schließen, wenn die Bedingung eintritt, KG J W 10*

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§ 455 A n m . 19, 20

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

1931, 2160. Es ist auch nicht nötig, daß der Wille des Eigentümers, Eigentum zu übertragen, noch im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung vorhanden ist; R G 66, 349; 140, 226; RG J W 1925, 353 6 ; B G H NJW 1954, 1325; » G H 20, 88, 97; P l a n c k A 2 a ; J a c u s i e l a a O S. 19; S i e b e r t J W 1933, 2440; H o l t z , Das Anwartschaftsrecht aus bedingter Ubereignung als Kreditsicherungsmittel (1933) S. 22; S c h u b e r t a a O S. 135; L e t z g u s a a O S. 17. Die Kenntnis der Parteien vom Eintritt der Bedingung ist für den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung ohne Bedeutung. Bis zum Eintritt der Bedingung behält der Verkäufer das Eigentum an der verkauften Sache, § 158. Gerät der Vorbehaltskäufer in Konkurs und lehnt der Konkursverwalter die Vertragserfüllung ab ( § 1 7 KO), so hindert § 26 K O den Herausgabeanspruch nicht; der Vorbehaltsverkäufer ist im Konkurse des Käufers aussonderungsberechtigt, RG 56, 241; 64, 204; 66, 80; 85, 402; 95, 405; 118, 100; 133, 40; vgl. auch unten Anm. 21. Im Offenbarungseidsverfahren haben sowohl der Käufer wie der Verkäufer das ihnen aus einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt zustehende Recht aufzuzeigen. VI. D a s A b z a h l u n g s g e s c h ä f t A n m . 19 Nicht jeder Vorbehaltskauf ist ohne weiteres ein Abzahlungsgeschäft nach RGes. vom 16. 5. 1894. Denn beim Vorbehaltskauf brauchen nicht notwendig Teilzahlungen vereinbart zu werden. Ferner findet das AbzGes. keine Anwendung, wenn der Käufer ins Handelsregister eingetragen ist, § 8. Der Umfang des § 455 ist also weiter, als der des AbzGes. Das AbzGes. behandelt den Eigentumsvorbehalt nur in § 5; die übrigen Vorschriften gelten ohne Rücksicht, ob ein Eigentumsvorbehalt vereinbart ist oder nicht. Das Abzahlungsgesetz findet nach seinem § 6 auf sog. „Möbelleihverträge". Die vielfach übliche rechtliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs in einen Kaufvertrag und in einen Kredit-(Darlehns)vertrag ist für die Anwendung des Abzahlungsgesetzes ohne Bedeutung, B G H 3, 257; 22, 93; Bern. 2b vor § 4 3 3 ; vgl. aber K l a u ß N J W 1953,6. Wie bei § 455 ist auch nach § 5 ein Eigentumsvorbehalt nur bei körperlichen beweglichen Sachen zulässig, RG 67, 386. Abzahlungsgeschäfte in Lotterielosen und Inhaberpapieren mit Prämien sind nach § 7 des Gesetzes strafbar. Bei Abzahlungsgeschäften wird öfters vereinbart, daß das Eigentum erst übergehen soll, wenn auch andere Forderungen als aus dem vorliegenden Kaufvertrag getilgt sind. Auch dies ist zulässig, RG Gruchot 53, 954; Recht 1909 Nr. 2 37> § 3 2 0 Abs. 2 ist jedoch anwendbar und zu beachten. Bei der Bemessung der für die Gebrauchsüberlassung nach § 2 AbzGes. zu gewährenden Vergütung ist nur die durch den Gebrauch des Kaufgegenstandes nicht aber eine während des Gebrauchs durch allgemeinen Preisrückgang herbeigeführte Wertminderung zu berücksichtigen, B G H 5, 372. Ein Verkauf mit Vorbehalt des Eigentums gilt nicht als eine Veräußerung im Sinne der §§ 69ff. des RGes. über den Versicherungsvertrag vom 30. 5. 1908, RG 84, 409; 114, 316. VII. Die A n w a r t s c h a f t A n m . 20 1. Die durch die Bedingung geschaffene Rechtslage des Käufers und Verkäufers ist keine statische, sondern eine dynamische, sie soll nicht bestehenbleiben, sondern sich zu einer anderen unabhängigen und festen Rechtslage entwickeln. Der Schwebezustand soll durch Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung beseitigt werden. Er wird als Anwartschaft bezeichnet, RG 140, 223; L a r e n z , Schuldrecht, 2. Aufl., § 39 II c; L e t z g u s . Die Anwartschaft des Käufers unter Eigentumsvorbehalt (1938) S. 14. Die Anwartschaft des Käufers besteht darin, daß er mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises Eigentümer der Kaufsache werden soll, ohne daß es noch einer Handlung des Vorbehaltsverkäufers bedarf und ohne daß bei Bedingungseintritt der Ubereignungswille des Verkäufers noch vorhanden zu sein braucht, R G 66, 349; 140, 226; J W 1925, 325°; B G H 20, 88; 97; B G H NJW 1954, 1325 (insoweit aA RG 64, 206; 95, 107). Der Eintritt des Leistungserfolges hängt nur noch von Handlungen des Käufers ab, R ü h l : Eigentumsvorbehalt und Abzahlungsgeschäft, S. 87, 194. Eine Leistungstätigkeit hinsichtlich des Eigentums-

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Kauf. Tausch

§455

A n m . 21, 22

Übergangs schuldet der Vorbehaltsverkäufer nicht mehr, B G H N J W 1954, 1325. Die Ansicht, daß der Verkäufer bei Eintritt der Bedingung noch den Ubereignungswillen haben müsse, stellt unrichtigerweise auf § 9 2 9 (vgl. dazu R G 83, 230; 109, 203; 135, 367) ab, während, wenn die Ubereignung bereits bedingt vollzogen ist, die von der Bedingung abhängige Wirkung, nämlich der Eigentumsübergang, nicht mehr vom Verkäufer beeinflußt werden darf, sondern nur noch vom Eintritt der Bedingung selbst abhängt, § 158 Abs. 1 ( B G H 20, 88, 97). Die Rechtsstellung des Verkäufers besteht in seinem durch die Zahlung des Kaufpreises abhängigen Recht auf Rückerlangung des unbeschränkten Eigentums und des unmittelbaren Besitzes an Stelle des mittelbaren Besitzes. Das Anwartschaftsrecht des Käufers wird vielfach als eine dingliche Berechtigung angesehen. Das erscheint nicht richtig. Der Vorbehaltskäufer hat vor Eintritt der Bedingung noch kein dingliches Recht, B G H 10, 69, 72. Er hat vom Vorbehaltsverkäufer nur den Besitz, das Recht zum Gebrauch und zur Nutzung und die Anwartschaft auf das Eigentum an der Kaufsache erhalten. Er ist in allen diesen Beziehungen rechtlich geschützt. Während der Schwebezeit ist er gegen Beeinträchtigungen des bedingten Rechts und gegen Zwischenverfügungen durch die §§ 160, 161 gesichert. Daß auf ihn bereits die Gefahr des zufälligen Untergangs übergegangen ist, hilft ihm bei Beschädigung der Kaufsache einen eigenen Schadensersatzanspruch begründen, R G 170, 6/7. Er hat allerdings mehr als eine Rechtsstellung inne. Der Vorbehaltskäufer ist zwar an der Kaufsache Nichtberechtigter im Sinne des § 185; verfügt er über sie, so wird diese Verfügung, falls nicht §§ 932 ff. eingreifen, erst wirksam, wenn er den Gegenstand seinerseits erwirbt, § 185 Abs. 2. In bezug auf das Anwartschaftsrecht ist er aber Berechtigter; er kann und darf es übertragen; tut er dies, so handelt er als Berechtigter; er überträgt dann die ihm zustehende Berechtigung, ein s u b j e k t i v e s R e c h t ( B G H 20, 88, 94). Dagegen ist es ausgeschlossen, das Anwartschaftsrecht als Sachenrecht anzusehen. Ein solcher Versuch scheitert an der geschlossenen Zahl der Sachenrechte. Die Anwartschaft auf den Erwerb des Eigentums gehört nicht dazu. Daß das Gesetz die bedingte Ubereignung gestattet, ist kein Argument dagegen, denn es gewährt dem Vorbehaltskäufer, also im Falle der aufschiebend bedingten Eigentumsübertragung, für die Dauer der Anwartschaft keine anderen Sachenrechte als Besitzrechte. Auch R G 170, 6 hat dem Vorbehaltskäufer bei Beschädigung der unter Eigentumsvorbeahlt stehenden Sache Schadensersatzansprüche nicht etwa aus Eigentum, sondern lediglich wegen Verletzung eines sonstigen Rechts gegeben. A n m . 21 2. Gerät der Vorbehaltskäufer in K o n k u r s , so wird seine Anwartschaft ein Bestandteil der Masse, B a u k n e c h t N J W 1956, 1 1 7 8 / 7 9 ; die Anwartschaft erlischt nach § 17 K O , wenn der Konkursverwalter die Erfüllung ablehnt. Dann kann der Verkäufer die Ware aussondern, ohne daß § 26 K O entgegensteht, R G 56, 241 (vgl. auch oben unter Anm. 18). Sind unter Eigentumsvorbehalt stehende Gegenstände unbefugt weiterveräußert worden, so hat der Eigentumsvorbehaltskäufer das Ersatzaussonderungsrecht aus § 46 K O . Dieses Recht besteht dagegen nicht bei gestatteter Weiterveräußerung, R G 115, 262; 133, 44. Daß der Vorbehaltsverkäufer auch mit der Veräußerung durch den Konkursverwalter einverstanden sei, kann in der Regel nicht angenommen werden; ein Verkauf durch den Konkursverwalter löst entweder nach Ziff. 2 oder nach Ziff. 3 des § 5 9 K O eine Masseschuld aus, B G H N J W 1953, 217. A n m . 22 3. Beide Vertragsteile sind nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, die A n w a r t s c h a f t in i h r e m B e s t a n d u n d in i h r e r E n t w i c k l u n g zu w a h r e n . Der V e r k ä u f e r darf während des Schwebezustandes, der durch die Bedingung entstanden ist, das Anwartschaftsrecht des Käufers nicht verletzen. Die Wegnahme der bedingt übereigneten Sache ist verbotene Eigenmacht, § 858, wenn nicht der Käufer sie gestattet hat, R G SeuffArch. 66, 16. Die vertragliche Einräumung eines solchen Wegnahmerechtes kann nicht ohne weiteres als sittenwidrig bewertet werden, vgl. aber den vom R G J W 1929, 1380 behandelten Fall. Der Verkäufer darfauch ein Interesse an die Entwicklung des Anwartschaftsrechtes des Käufers zum Vollrecht nicht

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§ 455 A s m . 23, 24

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

hindern, BGH NJW 1954, 1325. Tut er dies, etwa durch anderweite Verfügung über die Kaufsache, § 161, so stehen dem Käufer die Rechtsbehelfe des § 325 zu, RG 66, 347. Da auch der Verkäufer an dem Bestand des Anwartschaftsrechtes und seiner Entwicklung zu vollem Eigentum Interesse hat, darf der K ä u f e r diese Entwicklung in vertretbarer Weise nicht unmöglich machen; sonst haftet er. Die Haftung nach § 324 tritt z. B. ein, wenn sich der Käufer verpflichtet hatte, eine Schuld des Verkäufers zu bezahlen, dies aber unterläßt und deshalb der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in die dem Verkäufer gehörige Sache betreibt. A s m . 23 4. Die Anwartschaft des Käufers ist ein subjektives Recht, BGH 20, 88, 94. Sein gegenwärtiger Vermögenswert (RG 101, 185, 187; BGH 20, 88, 98) ist um so größer, je mehr vom Kaufpreis bezahlt ist; die Anwartschaft auf den Erwerb des unbeschränkten Eigentums ist darum auch beim Offenbarungseid anzugeben, R G J W 1933, 2771. Sowohl die Anwartschaft des Käufers wie die Rechtstellung des Verkäufers ist vererblich, wie aus der Vorschrift von § 2313 über bedingte Rechte erhellt; Holtz, Das Anwartschaftsrecht aus bedingter Ubereignung (1932) S. 24; Derselbe, DJZ 1934, 460; Letzgus aaO S. 11 ff. Damit gehen alle Rechte und Pflichten auf den Erben sowohl des Verkäufers als des Käufers über. Der Erbe des Verkäufers erwirbt also das diesem vorbehaltene Eigentum. Der Erbe des Käufers erlangt den Besitz, den der Erblasser hatte; er ist nach § 868 verpflichtet, den Besitz nur als Mittler des Verkäufers auszuüben, R G 95, 107. Diese in §455 nicht ausdrücklich hervorgehobene Verpflichtung des Käufers ergibt sich aus dem gegenseitigen Vertrage und ist für den Verkäufer ebenso bedeutungsvoll wie die Verpflichtung des Käufers, den Kaufpreis zu bezahlen. Daher ist auch die Persönlichkeit des Besitzers für die Sicherheit des Verkäufers von Bedeutung. Das dem Verkäufer in § 455 eingeräumte Recht des Rücktritts steht ihm auch gegen den Erben des Käufers zu, wenn der Erbe mit der Zahlung in Verzug kommt. A n m . 24 5. Die Anwartschaft ist durch Vertrag ü b e r t r a g b a r , RG 67, 21; 69, 416; 95, 107; 140, 225; BGH 20, 88. Die Übertragung der Anwartschaft vollzieht sich in den Formen, die für die Übertragung des dinglichen Rechts selbst gelten, also nach den §§ 929fr, RG 140, 223, 229. Während diese Entscheidung zum unmittelbaren Übergang des Eigentums auf den Dritten eine irgendwie geartete Zustimmung des Vorbehaltsverkäufers verlangt, vertreten RG WarnRspr. 1937 Nr. 110 und BGH 20, 88 den Standpunkt, daß das Eigentum mit dem Eintritt der Bedingung unmittelbar vom Vorbehaltsverkäufer auf den Dritten übergeht. Das wird damit begründet, daß bei Eintritt der Bedingung keine Willensübereinstimmung über den Ubergang des Vollrechts vorhanden zu sein braucht (BGH 20, 88, 97; BGH NJW 1954, 1325; RG 66, 349; 140, 226; R G J W 1925, 3536), daß der unmittelbare Erwerb des Vollrechts Inhalt und Zweck der Anwartschaft sei und daß der Vorbehaltskäufer, den Bedürfnissen des Verkehrs entsprechend, berechtigt sei, den Wert, der in der Chance des Erwerbs des Vollrechts liege, bereits zu Kredit- oder anderen Zwecken für sich auszunutzen; so, wie der Anspruch des Käufers auf Ubereignung der Kaufsache übertragbar sei, müsse dies auch das Anwartschaft sein, da sonst der Vorbehaltskäufer schlechter gestellt sei als derjenige Käufer, dem das Eigentum noch nicht übertragen worden sei und bloß einen Ubereignungsanspruch besitze. Die Begründung ist nicht einwandfrei: Gewiß tritt die Rechtswirkung, die an eine Bedingung geknüpft ist, mit dem Eintritt der Bedingung ein (§ 158). Gewiß auch kann der Vorbehaltsverkäufer die einmal durch seine Ubereignungserklärung in Gang gesetzte Übereignung nicht durch eine Willensänderung hindern (arg. § 162 Abs. 1), so daß der Vorbehaltskäufer im Zeitpunkt des Bedingungseintritts auch dann Eigentümer wird, wenn das der Vorbehaltsverkäufer in diesem Augenblick nicht mehr will. Soll aber der Erwerber des Anwartschaftsrechts das Eigentum an der Kaufsache unmittelbar aus der Hand des Vorbehaltsverkäufers erlangen, so muß der Vorbehaltsverkäufer seinerseits noch etwas tun, er muß die Richtung seiner Ubereignungserklärung ändern, anderenfalls diese Erklärung auf Ubereignung an den Vorbehaltskäufer gerichtet bleibt; der Gedanke, daß der Vorbehaltsverkäufer kein Interesse an der Person

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K a u f . Tausch

§455

Anm. 25 des Erwerbers des Vollrechts habe, sobald die Bedingung eingetreten sei ( B G H 20, 88, 99), berechtigt außer dem Vorbehaltsverkäufer niemandem dazu, der auf einen ganz bestimmten Erwerber, den Vorbehaltskäufer, abgestellten Ubereignungserklärung einen anderen Inhalt zu geben. Der Hinweis auf die Ubertragbarkeit des Ubereignungsanspruchs beweist nur, daß das Anwartschaftsrecht übertragbar ist, ergibt aber nicht, daß das Anwartschaftsrecht mit der Wirkung übertragen werden kann, daß das Eigentum an der Kaufsache ohne Zutun des Vorbehaltsverkäufers bei Bedingungseintritt unmittelbar auf den Dritten übergeht. Auch bei der Abtretung der Rechte aus einer Ubereignungsofferte kann das Eigentum auf den Zessionar unmittelbar nur übergehen, wenn der Offerent [Eigentümer] damit einverstanden ist. Hier wie dort hat die Ubereignungserklärung bereits einen bestimmten Adressaten und liegt damit fest. Wenn das Anwartschaftsrecht wie die Kaufsache selbst übertragbar sein und das Eigentum an der Kaufsache unmittelbar auf den Dritten übergehen soll, ohne daß der Vorbehaltsverkäufer in irgendeiner Form hierzu mitwirkt, so wird das Bedenken von R G 140, 223, 228/29 nicht beachtet, daß sich ein u n m i t t e l b a r e r E i g e n t u m s e r w e r b des Dritten ohne eine irgendwie in die Erscheinung tretende Willenskundgebung des Vorbehaltsverkäufers verbietet, weil die Anwartschaft als solche noch kein dingliches Recht begründet und die bestehende Rechtsordnung nur eine geschlossene Zahl begrenzter dinglicher Rechte kennt. Die Übertragung des Anwartschaftsrechts und der Ubergang des Eigentums an der Kaufsache sind zwei ganz verschiedene Rechtsvorgänge; die Annah me, daß die Übertragung des Anwartschaftsrechts den Eigentumsübergang beeinflusse, ist unbegründet. Nur wenn der Vorbehaltsverkäufer für den Fall des Bedingungseintritts im voraus sein Einverständnis mit dem Eigentumserwerb eines anderen als des Vorbehaltskäufers erteilt hat oder seine Ubereignungserklärung den Umständen nach von vornherein diesen Inhalt gehabt hat, kann sich ein unmittelbarer Eigentumsübergang zwischen dem Vorbehaltsverkäufer und dem Dritten vollziehen. Das kann aber nicht generell angenommen werden, bloß weil die Verwertung des Anwartschaftsrechts durch einen wirtschaftlich schwachen oder gefährdeten Vorbehaltskäufer die Gefahr mit sich bringt, daß die Kaufsache von einem Gläubiger des Vorbehaltskäufers vor Eintritt der Bedingung gepfändet und die Pfändung bei Eintritt der Bedingung wirksam wird. Daß ein unmittelbarer Eigentumsübergang schon dann stattfindet, wenn dem Vorbehaltsverkäufer die Person des Erwerbers hätte gleichgültig sein können, wie O h r (AcP 150, 5 2 5 ; 152, 2 1 6 , 2 3 5 ; M D R 1954, 343) meint, ist mindestens in den Fällen nicht richtig, in denen der Vorbehaltsverkäufer seine Ubereignungsofferte ganz bestimmt an denjenigen, dem gegenüber er den K a u f zu erfüllen hatte, gerichtet hat, also an den Vorbehaltskäufer.

Anm. 25 6. Die Anwartschaft kann als ein übertragbares Recht g e p f ä n d e t werden, §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 3 Z P O , R G 140, 225; B G H N J W 1954, 1325. Anders als bei der Pfändung der Kaufsache selbst kann dann der Vorbehaltsverkäufer nicht nach § 771 Z P O widersprechen. Auf Grund des Surrogationsprinzips tritt mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises an die Stelle des gepfändeten Anwartschaftsrechts die Kaufsache. Das Anwartschaftsrecht ist auch dann pfändbar, wenn dem Vorbehaltskäufer das Recht eingeräumt ist, die Sache weiter zu veräußern, und wenn nach den Umständen feststeht, daß er den Kaufpreis nur mit Hilfe eines Weiterverkaufs aufbringen kann, B G H L M Nr. 17 zu § 154 StGB. Der Gläubiger, der das Anwartschaftsrecht gepfändet hat, erlangt falls der Kaufpreis von ihm oder dem Vorbehaltskäufer bezahlt wird und damit das Eigentum an der Kaufsache auf den K ä u f e r übergeht, ein Pfändungspfandrecht an der Sache selbst nur dann, wenn er zur Zeit des Eigentumsübergangs auch die Sache (nach §808 Z P O ) gepfändet hat, B G H N J W 1954, 1 3 2 5 ; a A B a u k n e c h t N J W 1954, 1749. Das Anwartschaftsrecht kann auch v e r p f ä n d e t werden. Damit ist die Kaufsache aber erst verpfändet, wenn der verpfändende Vorbehaltskäufer durch Eintritt der Bedingung Eigentümer wird. Die Verpfändung des Anwartschaftsrechts geschieht unbedingt; an der Kaufsache zeitigt sie aber erst Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung, nämlich der vollständigen Zahlung des Kaufpreises.

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§ 455 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse A n m . 26—30 Das Recht des Pfandgläubigers kann durch Rücktritt des Verkäufers beeinträchtigt werden, der zulässig bleibt und ausgeübt werden kann, § 455, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt. A n m . 26 7. An der Anwartschaft kann ferner ein N i e ß b r a u c h bestellt werden. Dessen Bestellung erfordert nach § 1032 die Ubergabe der Sache und die Einigung, daß ein Nießbrauch begründet werde. An der Kaufsache entsteht der Nießbrauch erst mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises. Sie kann der Vorbehaltskäufer nicht als Gegenstand der Nießbrauchsbestellung verwenden, es sei denn, daß der Erwerber gutgläubig ist, § 1032. A n m . 27 8. Ein g e s e t z l i c h e s P f a n d r e c h t a n d e r A n w a r t s c h a f t des Vorbehaltskäufers, z. B. nach § 559, kann nicht entstehen, RG 140, 225. Mit Eintritt der Bedingung entsteht jedoch an der Kaufsache ein etwaiges gesetzliches Pfandrecht. Die Anwartschaft fällt dagegen in die Konkursmasse, § 1 K O ( L e t z g u s aaO S. 28; RG 140, 225). A n m . 28 9. Eine S i c h e r u n g s ü b e r t r a g u n g der Anwartschaft des Käufers hat die Wirkung, daß nur bedingtes Eigentum auf den Sicherungserwerber übergeht; damit wird eine volle Sicherung vor Eintritt der Bedingung nicht erreicht. Anders, wenn der Erwerber der Anwartschaft bei Eintritt der Bedingung unmittelbar Eigentum aus der Hand des Vorbehaltsverkäufers erwirbt (vgl. oben Anm. 24). Ebenso kann der Besitz nicht als Eigenbesitz übertragen werden, da der Eigentumsvorbehaltskäufer nur Besitzmittler für den Vorbehaltsveräußerer ist. Unter Umgehung des Vorbehaltskäufers geht das Eigentum vom Vorbehaltsverkäufer auf den Sicherungserwerber nur dann über, wenn der Vorbehaltsverkäufer hiermit einverstanden ist (vgl. oben Anm. 24). Sonst kommt es zu einem Durchgangserwerb des Vorbehaltskäufers, der die Sicherungsübertragung stark entwerten kann, da mit ihm etwaige an der Anwartschaft begründete Pfandrechte und ein etwaiges gesetzliches Pfandrecht wirksam werden. A n m . 29 10. Wenn der Vorbehaltskäufer die gekaufte Sache v e r m i s c h t , v e r a r b e i t e t oder v e r b r a u c h t , entsteht bei Vermischung Miteigentum an dem vorbehaltenen Eigentum des Verkäufers, §§ 946, 947, während das vorbehaltene Eigentum bei Verbrauch und Verarbeitung untergeht. Das letztere gilt auch, wenn Baustoffe und Maschinen mit einem Grundstück fest verbunden werden, § 446, RG 50, 241; 63, 416. Wenn der Vorbehaltsverkäufer die Verarbeitung, die Vermischung oder den Verbrauch nicht gestattet hat, verstößt der Vorbehaltskäufer mit der Vornahme dieser Handlungen gegen seine Vertragspflichten. Um dem Verlust zu begegnen, können beide Vertragsteile vereinbaren, daß der Vorbehaltskäufer bei der Verarbeitung (im Gegensatz zum Einbau von Sachen in Grundstücke) für den Vorbehaltsverkäufer tätig werden und ihn so zum mittelbaren Besitzer und zum Eigentümer an der verarbeiteten neuen Sache machen soll, OLG 26, 60; 34, 183; S c h u b e r t aaO S. 136. Dann tritt diese an Stelle der verarbeiteten Sache, die mit Eigentumsvorbehalt übertragen wurde, und der Verkäufer erlangt an ihr das Eigentum und der Käufer die Anwartschaft nach § 455, indem nun die neue Sache als unter Eigentumsvorbehalt verkauft gilt. Uber die Verarbeitung teils unter einfachem teils unter verlängertem Eigentumsvorbehalt stehender Ware vgl. F r a n k e BB 1955, 717. A n m . 30 11. Durch V e r z i c h t auf den Vorbehalt gehen die Rechte aus dem Vorbehalt unter und der Vorbehaltskäufer wird von Rechts wegen Eigentümer. Der Verzicht bedarf zu seiner Wirksamkeit keiner Annahme, muß aber dem Vorbehaltskäufer gehörig kundgegeben werden, RG 66, 344. Mit dem Verzicht auf den Vorbehalt erfüllt der Verkäufer seine Verpflichtung aus § 433 auf Eigentumsverschaffung. Ob in der Pfändung der unter

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Kauf. Tausch

§455 A n m . 31

Eigentumsvorbehalt verkauften u n d übergebenen Sache durch den Verkäufer oder wenigstens in der vom Verkäufer herbeigeführten Zwangsversteigerung der Kaufsache ein Verzicht zu finden sei, ist Frage des einzelnen Falls. Werden unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Gegenstände in das Inventar eines Pachtgrundstücks einverleibt, so geht dadurch das Eigentum des Verkäufers nicht unter, da der Eigentumsübergang nach § 588 Abs. 2 voraussetzt, d a ß die ersatzbeschafften u n d dem Inventar einverleibten Gegenstände dem Pächter gehören, O L G Dresden J W 1931, 3461. Uber Wirkung der V e r j ä h r u n g oben unter Anm. 10. A n m . 31 12. Ebenso wird das vorbehaltene Eigentum des Verkäufers vernichtet, wenn der Vorbehaltskäufer die Sache w e i t e r v e r ä u ß e r t u n d der neue Erwerber sich dabei in gutem Glauben über das Eigentum des Vorbehaltskäufers befindet, §§ 932, 933, R G 113, 61. Für das Vorhandensein des guten Glaubens stellen R G 143, 16; 147, 331 verstärkte Anforderungen. Das erklärt sich daraus, d a ß der Verkauf von Waren unter Eigentumsvorbehalt weit verbreitet, der Weiterverkauf vielfach durch die Art der Kaufsache geboten oder eine Sicherungsübereignung aus Kreditsicherungsgründen erforderlich ist; jeder Kaufmann, der Ware erwirbt, m u ß daher damit rechnen, d a ß sie mit einem Eigentumsvorbehalt belastet ist, und die Eigentumsverhältnisse bei seinem Vormann weitgehend nachprüfen. Der Vorbehaltskäufer kann den Weiterverkauf der Vorbehaltssache außer bei Gutgläubigkeit des Erwerbers nur dann erfüllen, wenn ihm d i e W e i t e r v e r ä u ß e r u n g g e s t a t t e t ist. Die Erlaubnis zur Weiterveräußerung ist mit § 455 jedenfalls dann vereinbar, wenn sie sich auf einen Weiterverkauf im ordentlichen Geschäftsbetrieb beschränkt, R G 133, 40, 45; Recht 1936 Nr. 91. Die G e s t a t t u n g d e r W e i t e r v e r ä u ß e r u n g hat zur Folge, d a ß der Vorbehaltsverkäufer sein Eigentum bei Vornahme der Weiterveräußerung verliert und kein Recht auf den Erlös und den Kaufpreisanspruch aus dem Weiterverkauf hat. Hieran hat er im Falle des Konkurses des Vorbehaltskäufers auch kein Ersatzaussonderungsrecht, da § 46 K O eine unrechtmäßige Veräußerung voraussetzt, R G 133, 40; 138, 89, 91; B G H N J W 1953, 217; W M 1958, 820. Die Erlaubnis zur Weiterveräußerung deckt nicht eine Weiterveräußerung der Vorbehaltssache durch den Konkursverwalter des Vorbehaltskäufers; ein solcher Weiterverkauf löst vielmehr nach den §§ 17, 59 Nr. 2 K O Masseansprüche aus, B G H N J W 1953, 217. Die G e s t a t t u n g d e r W e i t e r v e r ä u ß e r u n g ist in der Regel solange w i d e r r u f l i c h , als die Ware nicht einem Dritten übereignet worden ist; der Widerruf wird nicht schon dadurch unzulässig, daß der Dritte die Ware kauft und bezahlt, B G H 14, 115. Viele Vorbehaltsverkäufer suchen den Gefahren, die ihnen bei einem Weiterverkauf der Vorbehaltssache drohen, durch eine Sicherung zu begegnen, die dem Eigentumsvorbehalt entspricht. Sie legen dem Vorbehaltskäufer die Verpflichtung auf, an ihren Abnehmer nur unter Eigentumsvorbehalt zu verkaufen ( w e i t e r g e l e i t e t e r E i g e n t u m s v o r b e h a l t ) . Der damit angestrebte Schutz ist recht unvollkommen, wenn der Eigentumsvorbehalt beim Weiterverkauf zugunsten des Vorbehaltskäufers u n d nicht des Vorbehaltsverkäufers gemacht wird u n d sich der Vorbehaltsverkäufer nicht bereits im voraus die dem Vorbehaltskäufer aus dem Weiterverkauf erwachsenden Ansprüche abtreten u n d die Abtretung dem Abnehmer des Vorbehaltskäufers nicht mitteilen läßt. Denn es m u ß einmal verhindert werden, d a ß der Dritte durch Zahlungen an seinen Verkäufer das Eigentum erwirbt und der Vorbehaltsverkäufer hierdurch das Eigentum verliert, ohne seinen Kaufpreis erhalten zu haben, und zum anderen gilt es, die dem Vorbehaltsverkäufer aus der gestatteten Weiterveräußerung beim Konkurse des Vorbehaltskäufers drohenden Gefahren (vgl. dazu zweiter Absatz zuvor) zu bannen. Die durch die erwähnte Vorausabtretung erreichte Sicherung des Vorbehaltsverkäufers kann der Vorbehaltskäufer nicht dadurch vereiteln, d a ß er mit seinem Abnehmer die Unabtretbarkeit der ihm gegen diesen erwachsenden Kaufpreisforderung vereinbart, B G H W M 1958, 820. Denn eine solche Abrede mit dem Dritten verhindert zwar nach § 399» d a ß die Vorausabtretung zur Wirkung kommt, bewirkt aber auch, d a ß die Weiterveräußerung unrechtmäßig, also § 46 K O anwendbar ist, B G H W M 1958, 820.

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§ 455 A n m . 32

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 32 1 3 . Die Sicherung f ü r den V e r l u s t v o r b e h a l t e n e n Eigentums erfolgt regelmäßig dadurch, daß sich der Vorbehaltsverkäufer vom Vorbehaltskäufer die sich aus der Verwertung der Vorbehaltssache (Verarbeitung, Weiterverkauf) ergebenden Forderungen oder andere Ansprüche (z. B. den Vergütungsanspruch des Bauunternehmers, B G H 26, 178) abtreten oder, was aber kaum praktisch ist (Flume NJW 1950, 841), den Erlös im voraus übereignen läßt. Man spricht hier vom verlängerten Eigentumsvorbehalt, eine Bezeichnung, die das Rechtsverhältnis nur schlecht trifft. Denn der Eigentumsvorbehalt selbst ist mit der Sache oder deren Weiterveräußerung untergegangen, und an seine Stelle tritt die Inhaberschaft eines schuldrechtlichen Anspruchs unter denselben Bedingungen, wie das vorbehaltene Eigentum. Als Ersatz wird er auch von R G 149, 102 bezeichnet. Daher besser Vorbehaltsanspruch. a) Droht ein Eigentumsverlust deshalb, weil die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sachen (Baustoffe oder Maschinen) in ein Grundstück als wesentliche Bestandteile eingebaut werden sollen, § 946, so wird der Vorbehaltsverkäufer anstreben, daß ihm der Grundstückseigentümer für seine Ansprüche aus § 951 eine Sicherungshypothek bestellt. S c h u b e r t , aaO S. 136. b) Besonders häufig findet sich im Geschäftsverkehr die Vereinbarung, daß die G e n e h m i g u n g zum W e i t e r v e r k a u f von der V o r a u s a b t r e t u n g der R e c h t e , die durch die Weiterveräußerung erwachsen, abhängig gemacht wird; die Abtretung ist vielfach bedingt durch Entstehung des Rücktrittsrechts des Vorbehaltsverkäufers. Die Abtretung braucht den Vorbehaltsverkäufer nur für den Fall zu sichern, daß er mangels Zahlung des Kaufpreises vom Kauf zurücktritt, die Vorbehaltssache aber nicht zurückerhält; die Abtretung ist gegenstandslos, falls der Kaufpreis voll gezahlt wird oder die Vorbehaltssache trotz der vorgenommenen Weiterveräußerung an den Vorbehaltsverkäufer zurückgegeben wird. Bedingt ist nicht der Vertrag, der den Vorbehaltskäufer obligatorisch zur Abtretung dieser Forderung verpflichtet, sondern die Abtretung selbst, §398, R G 138, 92. c) Gegenstand der Abtretung kann auch ein noch nicht entstandenes, also erst in der Zukunft entstehendes Recht sein, R G 133, 234; 136, 100; 138,91; 149,19. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß nicht außerhalb aller rechtlichen Vorstellungsmöglichkeit liegt, daß dieses Recht tatsächlich entstehen kann; die Rechtsgrundlage hierfür, nicht bloß eine Hoffnung, muß bereits gegeben sein. Das künftig entstehende Recht muß ferner bei der Abtretung nach Inhalt und Umfang so bestimmt sein, daß ohne weiteres klar ist, welches Recht übergehen soll. Der Abtretungsvertrag muß aus sich selbst heraus den Gegenstand und Schuldner der abgetretenen Forderung ausreichend bestimmen. Nur die abgetretene Forderung selbst darf noch fehlen. Also bereits bei Vornahme der Abtretung muß die Rechtslage für jedermann genau erkennbar sein. Sonst ist nicht abgetreten, denn ohne Erfüllung der Voraussetzungen des § 398 liegt überhaupt keine wirksame Abtretung vor. Eine Abtretung, die mangels Bestimmtheit der Forderung unwirksam ist, kann nicht dadurch wirksam werden, daß Art und Umfang der Abtretung aus nachträglich eingetretenen, unvorhergesehenen Umständen bestimmt werden können, R G 149, 96; 155, 26; vgl. auch Anm. 33. Die schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung ist dagegen auch dann wirksam, wenn das abzutretende Recht nur bestimmbar bezeichnet ist. Die Erfüllung der Abtretungsverpflichtung erfordert dagegen eine klare Bestimmung desjenigen Rechts, das Gegenstand der Abtretung ist. Die Einigung über die Abtretung im Sinne von § 398 ist für die Bestimmung des abgetretenen Rechts allein maßgebend, R G 113, 57; 129, 61; 132, 183; 155, 16. Eine bedingte Abtretung wirkt erst mit Eintritt der Bedingung; erst dann geht das von der bedingten Abtretung erfaßte Recht über. Daher braucht solchenfalls das Erfordernis der Bestimmtheit erst bei Eintritt der Bedingung gegeben zu sein, R G 67, 166; 81, 119; 83, 319; 86, 283; 98, 200; 142, 139; 144, 82; 149, 96; 155, 26; J W 1937, 1961 2 . d) Die Abrede des verlängerten Eigentumsvorbehalts ist nach § 138 nichtig, wenn sie zu einer unverhältnismäßigen und die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Käufers unerträglich beschränkenden Ubersicherung des Verkäufers führt, B G H 7, 365, 369 fr; 26, 185, 190 ff. 154

Kauf. Tausch

§455

Anm. 33—35 Anm. 33 1 4 . V o r a u s a b t r e t u n g s k l a u s e l n sind nur wirksam, wenn sich die Forderung im Augenblick ihrer Entstehung eindeutig als von der Abtretung erfaßt bestimmen läßt (RG 136, 100). Hierüber hinaus haben R G 140, 250; 149, 96; 155, 26; J W 1939, 563; D R 1940, 581 aus dem Bedürfnis der Rechtssicherheit heraus verlangt, daß eine in Allgemeinen Lieferungsbedingungen enthaltene Vorausabtretungsabrede, durch die ein E i g e n t u m s v o r b e h a l t v e r l ä n g e r t wird, jede Unklarheit über den konkreten Fall hinaus vermeiden müsse, nicht zu unklaren, undurchsichtigen Rechtsverhältnissen führen dürfe, für jeden denkbaren Fall zweifelsfrei bestimmt und allgemein durchführbar sein müsse. B G H 7, 365 hält dagegen nicht für erforderlich, daß die Bestimmbarkeit der allgemein im voraus abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Vorausabtretung für jeden Fall gewährleistet ist, sondern läßt im Gegensatz zu den angegegebenen RG-Entscheidungen zur Rechtswirksamkeit der Abtretung einer von der allgemeinen Vorausabtretung mit umfaßten Einzelforderung genügen, daß diese Forderung hinreichend individualisierbar ist (ebenso B G H 26, 185, 189). Hiergegen mit Recht v o n C a e m m e r e r J Z 1953, 97, während W a l b (BB 1953, 577) die Entscheidung begrüßt, aber zugeben muß, daß sie zu unübersichtlichen Verhältnissen führt, falls im Konkurse des Vorbehaltskäufers mehrere Gläubiger auf Grund unterschiedlicher Geschäftsbedingungen und der darin getroffenen Vorausabtretungsabreden Rechte auf Forderungen aus der vom Vorbehaltskäufer vorgenommenen Weiterveräußerung erheben. Einschränkend auch B G H 26, 178. Tritt der Vorbehaltskäufer die ihm durch die Weiterveräußerung der Vorbehaltssache erwachsenden Kaufpreisforderungen im voraus an den Vorbehaltsverkäufer ab und vereinbart er mit seinen Abnehmern die Unabtretbarkeit der gegen sie entstehenden Kaufpreisforderungen (§ 399), so vereitelt er, daß die Vorausabtretung zur Wirkung kommt; im Konkurse des Vorbehaltskäufers hat der Vorbehaltsverkäufer dann aber ein Ersatzaussonderungsrecht an den noch offenen Kaufpreisforderungen aus den Weiterverkäufen, B G H W M 1958, 820.

Anm. 34

1 5 . Der verlängerte Eigentumsvorbehalt gibt nicht immer eine ausreichende Sicherheit. Hat der Vorbehaltskäufer, bevor er dem Vorbehaltsverkäufer eine Vorausabtretung auf die ihm beim Weiterverkauf der Vorbehaltssachen erwachsenden Forderungen gegeben hat, zugunsten seiner Bank oder eines Hauptlieferanten eine M a n t e l oder G l o b a l z e s s i o n vorgenommen, so erfaßt diese auch die Forderung aus dem Weiterverkauf der Vorbehaltssache und geht nach dem P r i o r i t ä t s p r i n z i p der im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorhalts vorgenommenen Vorausabtretung der sog. Ersatzforderung vor ( E i c h h o r n Betr. 1954, 532; C a p e l l e r M D R 1956, 137; W e n d t M D R 1956, 336; D e m p e w o l f f NJW 1956, 853; 1956, 1349; 1957, 858; aA F l u m e N J W 1950, 841; AcP 154, 565; H e e s M D K 1955, 525; K e l l e r N J W 1957, 1787). Daß der Vorbehaltskäufer nur ermächtigt ist, die Ware zu veräußern, falls der Vorbehaltsverkäufer die Forderung aus dem Weiterverkauf erlangt, und sich strafbar macht, wenn er die Ware zugunsten eines anderen Gläubigers veräußert, ist unerheblich, da dieser Umstand weder die Wirksamkeit noch die Geltendmachung einer früher anderweit vorgenommenen Vorausabtretung hindert.

Anm. 35 1 6 . Die Zulassung des Eigentumsvorbehalts nach § 455 bezieht sich an sich nur auf die Sicherung des Kaufpreises der Ware und zwar nur der in e i n e m Kaufvertrag verkauften Ware und nur zur Sicherung der Bezahlung dieses Kaufpreises. Zur Kaufpreisforderung gehören allerdings auch die Kosten der Verpackung, Zinsen usw. Für einen Geschäftsmann, der in ständiger Geschäftsverbindung mit einem Kunden steht und auch aus anderen Rechtsgeschäften Ansprüche an ihn hat, liegt es aber nahe, alle diese Ansprüche, mögen sie ihren Entstehungsgrund in anderen Rechtsgeschäften als in Warenkäufen der Vertragsparteien haben, durch den Vorbehalt des Eigentums an der verkauften Ware mit zu sichern. Man spricht vom e r w e i t e r t e n E i g e n t u m s v o r b e h a l t bei einem Eigentumsvorbehalt, durch den das Eigentum bis zur Tilgung noch anderer Forderungen als der Kaufpreisforderung aus dem Vorbehaltskauf gesichert wird. Die

155

§ 455 A n m . 36, 37

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Erweiterung des Eigentumsvorbehalts auf andere Forderungen als den Kaufpreisanspruch aus dem Vorbehaltskauf ist grundsätzlich zulässig, R G 147, 321, 325. Die Ausdehnung des Vorbehalts auf andere Forderungen kann aber im Einzelfall so sehr dem Sinn des Kaufvertrages widersprechen, daß ihr die Anerkennung wegen mißbräuchlicher Ausnutzung der Vertragsfreiheit zu versagen ist ( L a r e n z , Schuldrecht, 2. Aufl. § 39 II e 3). Durch die Erweiterung der Vorbehaltsvereinbarung wird der Vorbehalt des Eigentums der verkauften Ware an mehrere aufschiebende Bedingungen geknüpft. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt geht häufig dahin, daß das Eigentum an den durch einen bestimmten Vertrag verkauften Sachen erst übergehen soll, wenn der Erwerber außer dem Kaufpreis noch andere Schulden an den Verkäufer bezahlt hat, mag auch der Preis für die mit dem Vorbehalt belastete Sache schon vorher getilgt sein, R G 147, 325. Aber auch für mehrere selbständige Kaufverträge kann vereinbart werden, daß das Eigentum an keiner der Kaufsachen vor Bezahlung der Kaufpreisforderungen aus allen diesen Kaufverträgen übergehen soll, R G J W 1932, 2186; O L G 33, 271. Der Eigentumsübergang kann auch an die Bezahlung erst künftig entstehender Forderungen geknüpft werden. Er kann insbesondere von der Bezahlung erst künftig zu liefernder Ware abhängig gemacht werden. Beim Verkauf eines Kraftwagens können auch künftige durch Reparaturen des Fahrzeugs entstehende Forderungen gesichert werden, B G H W M 1958, 818. Bei Sukzessivlieferungsverträgen kann der Eigentumsübergang an den Waren sämtlicher Lieferungen einheitlich von der Bezahlung der letzten zu dem Vertrage gehörigen Lieferung abhängig gemacht werden. Der Vorbehaltskäufer ist dem Vorbehaltsverkäufer gegenüber verpflichtet, A u s k u n f t darüber zu geben, an wen er die Sache weiterverkauft hat und welche Forderungen ihm aus diesem Weiterverkauf erwachsen sind, RG 27. 11. 34 I I 177/34; vgl. auch oben Anm. 7. Bezieht sich der erweiterte Eigentumsvorbehalt auf ein Kontokorrentverhältnis (§ 355 HGB), so spricht man von einem Kontokorrentvorbehalt. Hier sichert der Eigentumsvorbehalt sämtliche aus derselben Geschäftsverbindung entstandenen und noch entstehenden Verbindlichkeiten (RG 147, 321, 324/25). Er geht erst durch den Ausgleich des Saldos unter. Der Konkurs bricht die Saldorechnung ab, J a e g e r / L e n t , K O § 6 5 Anm. 8; RG 93, 13; 125, 416. Auch z u g u n s t e n a n d e r e r G l ä u b i g e r und zur Sicherung der Bezahlung ihrer Forderungen kann nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden. Betrifft er die Forderungen von Konzernfirmen, so spricht man von einem K o n z e r n v o r b e h a l t . Eine solche Vereinbarung hat aber für den Fall des Konkurses nicht die Fähigkeit, die einzelnen Kaufgeschäfte zu einem einheitlichen Gegenseitigkeitsschuldverhältnis zusammenzufassen, von dem sie nur Teile sind. Vielmehr behält jedes dieser Geschäfte seine Selbständigkeit. Daher kann das Recht der Erfüllungsablehnung und des Rücktritts für jedes Geschäft einzeln ausgeübt werden, § 17 K O , § 5 0 VerglO; Bley, Der erstreckte Eigentumsvorbehalt ZAkDR 1937, 43; L i e b s t a e d t e r J W 1932, 3741, und es muß sich jeder Verkäufer einzeln das Eigentum an den von ihm verkauften Sachen vorbehalten, soll es sich im Konkurse des Käufers durchsetzen. A n m . 36 17. Mit der Verfügung über das Anwartschaftsrecht ist die V e r f ü g u n g d e s K ä u f e r s ü b e r d i e S a c h e selbst nicht zu verwechseln. Zu einer solchen Verfügung während der Anwartschaft ist der Käufer in der Regel nicht berechtigt. Ein Rechtserwerb durch Dritte ist allerdings nach den Grundsätzen vom gutgläubigen Erwerb trotzdem möglich, §§ 161, 932, RG 113, 6 1 ; oder über § 185; RG WarnRspr. 1909 Nr. 198, namentlich mit Eintritt der Bedingung. I m Hinblick auf § 9 3 3 kann eine unter Eigentumsvorbehalt stehende Sache gutgläubig nicht schon durch Einräumung des mittelbaren Besitzes erworben werden, R G 8 1 , 141. A n m . 37 18. Aus Verletzungen der Sache oder aus ihrer Enteignung entstehen sowohl dem Vorbehaltseigentümer als dem Anwartschaftsberechtigten Schadensersatzans p r ü c h e aus §§ 823, 989, § 249, R G 62, 334/5; i7°> 6/7; B G H W M 1957, 515.

156

Kauf. Tausch

Anm. 38

§ 455 Anm. 38 § 456 Anm. 1

VIII. Das Erlöschen des Anwartschaftsrechts

Das Anwartschaftsrecht des Käufers erlischt

A. M i t d e r W i r k u n g , daß der Käufer volles Eigentum erlangt: a) Mit E i n t r i t t d e r B e d i n g u n g , also mit der Zahlung des Kaufpreises oder mit anderweitiger Tilgung der Kaufpreisforderung (etwa durch Aufrechnung). Das Anwartschaftsrecht erlischt aber auch, wenn der Käufer aus anderen Gründen volles Eigentum erlangt, z. B. bei Vermischung, Verarbeitung, Verbindung. Ebenso wenn ein Dritter, etwa der gutgläubige Erwerber, § 932, Eigentum erlangt, R G 1 1 3 , 6 1 . Mit dem Beginn der Verarbeitung geht das Eigentum des Vorbehaltsverkäufers dagegen nicht schon unter, F r a n k e BB 1955, 717. b) Wenn der V e r k ä u f e r auf d e n V o r b e h a l t v e r z i c h t e t . Hierzu genügt die Kundgabe einer hierauf gerichteten Erklärung des Verkäufers, B G H W M 1958, 818. Der Verzicht bedarf keiner Annahme durch den Käufer, R G 66, 344. Die Erklärung kann auch in einem schlüssigen Verhalten des Verkäufers gesehen werden, B G H W M 1958, 818. Das zugrunde liegende Schuldverhältnis selbst wird durch den Verzicht nicht beeinflußt. Um den Verkäufer auch des Rücktrittsrechtes aus § 455 verlustig zu machen, bedarf es eines Verzichtvertrages. Ob ein Verzicht anzunehmen ist, wenn der Verkäufer während der Anwartschaft die Kaufsache beim Käufer pfänden läßt, ist Frage des einzelnen Falles, R G 66, 348; 79, 241; WarnRspr. 1911 Nr. 71. c) Mit W e g f a l l des S i c h e r u n g s z w e c k e s . So wenn die zu sichernde Forderung wegfällt, z. B. durch Verzicht auf sie, nicht dagegen bei Verjährung (vgl. oben unter Anm. 10). B . M i t der W i r k u n g , daß der

erhält :

Verkäufer sein volles Eigentum zurück-

Mit N i c h t e i n t r i t t d e r B e d i n g u n g , unter der das Vorbehaltsrecht steht, also bei Nichtzahlung des Kaufpreises zu der bedungenen Zeit. Diese Wirkung tritt ein, gleichviel aus welchem Grunde der Käufer nicht zahlt, ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht; der Verkäufer kann dann die Sache als sein Eigentum zurückfordern. Der obligatorische Kaufvertrag dagegen wird in seinem Bestand durch den Wegfall der Anwartschaft nicht berührt, und die Geltendmachung des Eigentumsrechtes wegen des Wegfalls des Vorbehalts braucht nicht die Geltendmachung des Rücktrittsrechtes zu bedeuten, R G J W 1907, 315 1 8 . Eingehend hierüber S t u t z , Der Eigentumsvorbehalt im in- und ausl. Recht (3. Aufl.), a M R G 119, 68. Das Rücktrittsrecht muß besonders geltend gemacht werden. Es setzt zwar Zahlungsverzug des Käufers, nicht aber eine Nachfristsetzung mit der Erklärung nach § 326 voraus, R G 144, 65.

§456 Bei einem Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung dürfen der mit der Vornahme oder Leitung des Verkaufs Beauftragte und die von ihm zugezogenen Gehilfen, mit Einschluß des Protokollführers, den zum Verkaufe gestellten Gegenstand weder für sich persönlich oder durch einen anderen noch als Vertreter eines anderen kaufen. E I 46S II 395; M 2 330; P 2 72.

Anm. 1 1 . Die Vorschrift will die Unparteilichkeit des Verfahrens schützen. In Betracht kommen Verkäufe im Wege der Zwangsvollstreckung nach §§ 814—817, 821, 857 ZPO, also sowohl bei öffentlicher Versteigerung als bei Verkäufen aus freier Hand. Die Vorschrift bezieht sich auch auf die Zwangsvollstreckung in F o r d e r u n g e n . Auch die Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g v o n G r u n d s t ü c k e n gehört hierher, da auch sie, wie sich aus § 53 Z V G ergibt, eine Veräußerung darstellt.

157

§ 4 5 6 Anm.2—5 § 457, § 458

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 Ein Verstoß gegen die Vorschrift hat nicht die Nichtigkeit des Verkaufs zur Folge. Die Wirksamkeit eines dem Verbot des § 456 zuwider erfolgten Verkaufs und der Eigentumsübertragung hängt nach § 458 von der Zustimmung oder Genehmigung der Beteiligten ab (vgl. Anm. 1 zu §458). §456 bezweckt nur den Schutz der beim Kaufe Beteiligten (M. 2, 331), die Sache liegt hier ähnlich wie bei § 135. Anm. 3 Das Verbot des Vertragsschlusses mit sich selbst nach § 181 greift neben § 456 Platz; beide Verbote sind miteinander verwandt (RG 56, 108). Anm. 4 Das Kaufen „durch einen andern" umfaßt auch den Fall des Erwerbs durch einen mittelbaren (indirekten) Stellvertreter. Anm. 5 Als Hilfspersonen kommen namentlich die nach § 825 ZPO Beauftragten in Betracht, ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e Verbotsbestimmungen, namentlich die landesrechtlichen Bestimmungen, bleiben daneben in Kraft (vgl. § 76 Ziff. 5 der preuß. Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher). § 4 5 7 Die Vorschrift des § 456 gilt auch bei einem Verkauf außerhalb der Zwangsvollstreckung, wenn der Auftrag zu dem Verkauf auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift erteilt worden ist, die den Auftraggeber ermächtigt, den Gegenstand für Rechnung eines anderen verkaufen zu lassen, insbesondere in den Fällen des Pfandverkaufs und des in den §§ 383, 385 zugelassenen Verkaufs, sowie bei einem Verkaufe durch den Konkursverwalter. E I 469 n 395; M 2 332; P a 72.

§457 dehnt das Verbot des §456 auf bestimmte r e c h t s ä h n l i c h e F ä l l e aus. Das sind der Verkauf zum Zwecke der Auftretung einer Gemeinschaft (§ 753) oder Auseinandersetzung von Gesellschaftern (§731), unter Miterben (§2042) oder einer Gütergemeinschaft (§§ 1475 Abs. 3, 1498); die Versteigerung nach den §§966, 979, 983 (Fund), 489 (Tiere) und nach den §§ 179 Abs. 3, 268 Abs. 2, 277 Abs. 2 AktG (Aktienurkunden und Anteilscheine); der Verkauf auf Grund handelsrechtlichen Zurückbehaltungsrechts (§ 371 HGB); der handelsrechtliche Selbsthilfeverkauf (§§ 373, 376, 379> 388, 391, 407, 417, 437, 440 HGB); der Verkauf zur Befriedigung von Verwendungsansprüchen (§§ 1003, 2022); die durch die §§383, 385 zugelassenen Fälle; der Pfandverkauf (§§ 1228fr., §§368, 397, 398, 410, 421, 440, 623 HGB) und der Verkauf durch den Konkursverwalter (§§ 117, 127 KO). Die Aufzählung, die § 457 in zusammenfassenden Formulierungen vornimmt, ist abschließend, nicht bloß beispielhaft.

§ 4 5 8 Die Wirksamkeit eines den Vorschriften der §§ 456,457 zuwider erfolgten Kaufes und der Übertragung des gekauften Gegenstandes hängt von der Zustimmung der bei dem Verkauf als Schuldner, Eigentümer oder Gläubiger Beteiligten ab. Fordert der Käufer einen Beteiligten zur Erklärung über die Genehmigung auf, so finden die Vorschriften des § 177 Abs. 2 entsprechende Anwendung. Wird infolge der Verweigerung der Genehmigung ein neuer Verkauf vorgenommen, so hat der frühere Käufer für die Kosten des neuen Verkaufs sowie für einen Mindererlös aufzukommen. E I 468 II 396; M 2 332; P 2 72.

158

Kauf. Tausch

§ 458 A n m . 1 — 3 §459

Anm. 1 An sich ist ein verbotswidrig erfolgter Kauf nach § 134 nichtig. §458 macht aber hiervon eine Ausnahme. Von der Z u s t i m m u n g d e r Beteiligten hängt sowohl die Wirksamkeit des Schuldverhältnisses als auch die des dinglichen Vollzugsgeschäfts ab. Ist die Zustimmung im voraus erteilt (Einwilligung, §§ 182, 183, 185 Abs. 1), dann sind das Schuldverhältnis sowie das dingliche Rechtsgeschäft von Anfang an wirksam; fehlte es bei ihrer Vornahme an der Einwilligung, dann sind beide Geschäfte bedingt wirksam, und bis zur Erteilung oder Versagung der Genehmigung, besteht ein Schwebezustand. Der Käufer ist jedoch (anders als in den Fällen der §§ 108, 109, 177, 178) bis zur Entscheidung unbedingt gebunden; es liegt daher hier ein hinkendes Geschäft vor. Da die Zustimmung der „Beteiligten" gefordert wird, so ist die Einwilligung oder Genehmigung aller Beteiligten erforderlich; beim Widerspruch auch nur eines von ihnen fällt die Bedingung aus.

Anm. 2 Eine erschöpfende Regel über die Beendigung des S c h w e b e z u s t a n d e s gibt das Gesetz nicht. Insbesondere gibt es dem einzelnen Beteiligten kein Mittel, die übrigen Beteiligten zur Erklärung zu nötigen. Nur den Käufer befähigt es, den endgültigen Zustand dadurch herbeizuführen, daß er denjenigen Beteiligten, um dessen Genehmigung es sich handelt, zur Erklärung mit den Folgen des § 177 Abs. 2 auffordert. Ein Widerruf der Genehmigung, § 178, ist nicht zulässig.

Anm. 3 D e r K ä u f e r h a f t e t o h n e V e r s c h u l d e n nach Maßgabe des Abs. 2 kraft Gesetzes. Darüber hinaus haftet der verbotswidrig handelnde Käufer, falls ihn ein Verschulden trifft, nach § 823 Abs. 2, da dem in § 457 enthaltenen Verbote die Bedeutung eines Schutzgesetzes zukommt. Die Frage nach der G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t des Käufers spielt für die Haftung nach Abs. 2 keine Rolle. Der Kaufeines Geschäftsunfähigen ist nichtig (§ 105), und der Kauf eines beschränkt Geschäftsfähigen bleibt unwirksam, wenn ihn der gesetzliche Vertreter nicht genehmigt (§§ 107, 108). Ein wiederholter Verkauf würde mithin lediglich infolge der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des ersten Verkaufs vorgenommen werden müssen, während die Zustimmung der Beteiligten gar nicht in Frage kommen könnte. Damit fehlt es aber an einer wesentlichen Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 458 Abs. 2. Hat dagegen der gesetzliche Vertreter den Kauf des beschränkt Geschäftsfähigen genehmigt, so muß dieser aus § 458 auch haften.

II. Gewährleistung wegen Mängel der Sache

§459 Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür, daß sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht. Der Verkäufer haftet auch dafür, daß die Sache zur Zeit des Überganges der Gefahr die zugesicherten Eigenschaften hat. E I 483 II 397; M 2 224—217; P 1 6705. Ü b ersieht I. Allgemeines II. Das Wesen der Gewährleistungspflicht I I I . Die Haftungsvoraussetzungen . . . A. Vertrag, Leistungspflicht

Anm. 1,2

3-8 9—13

159

§ 459 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm.

B. Nichterfüllung g 1. maßgebender Zeitpunkt 10 a) Nachbesserung 11 b) Gewährleistung vor Übergabe 12 2. Haftung 13 I V . Die Mängel 14—22 1. Allgemeines 14 a) Begriff des Fehlers 15 b) bei unkörperlichen Sachen 16 c) Umweltsbeziehungen 17 d) aliud 18 2. Gebrauchstauglichkeit 19 a) objektiver Tauschwert 20 b) Tauglichkeit 21 3. Maßgeblichkeit 22 V . Fehlen zugesicherter Eigenschaften 23—28 1. Eigenschaft 24 2. Zusicherung 25 3. Verschulden 26 4. Zeitpunkt 27 5. Bezogenheit, Garantievertrag 28 V I . Haftungsbefreiungen 29 V I I . Beweislast 30 V I I I . Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen 31—44 A . Vor Gefahrübergang 31 B. Nach Gefahrübergang 32—44 1. Annahmeverweigerung 33 2. ursprüngliche Unmöglichkeit 34 3. nachträgliche Unmöglichkeit 35 4. Irrtumsanfechtung 36 5. Täuschungsanfechtung 37 6. unerlaubte Handlung 38 7. positive Vertragsverletzung und Verschulden beim Vertragsschluß 39 8. Fehlen der Geschäftsgrundlage 40 9. ungerechtfertigte Bereicherung 41 42 10. bei Verpackung 11. bei Tieren 43 12. Drittschaden 44 Anm. 1 I. Allgemeines. Die Gewährleistungspflicht ist nichts dem Kaufvertrag Eigentümliches; das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt in § 493 selbst die entsprechende Anwendung auf andere Veräußerungsverträge; außerdem dehnen viele Vorschriften z. B. §§ 515, 365, 757 die Kaufgewährvorschriften auf andere Verträge aus. Man hat aus Gründen der Anschaulichkeit und praktischen Anwendung entgegen den ursprünglichen E n t w ü r f e n ( M u g d a n , Materialien, II S. 116, Art. II S. 646) davon Abstand genommen, die Gewährleistung unter die allgemeinen Vorschriften über Verträge aufzunehmen, wie z. B. Preuß. A L R Teil I Tit. 5 § 318, österr. A B G B § 922, Sächs. BGB, Dresdner Entwurf. Auch der Code civil und das Schweiz. O R haben keine allgemeine Vorschrift über die Gewährleistung aufgenommen. Vgl. St o l l , Die Lehre von den Leistungsstörungen. Denkschr. d. Deutschen A k D R (1936). Die Gewährleistungspflicht hat sich historisch beim Kauf herausgebildet und wird auch vom BGB bei diesem behandelt. Die kurulischen Ädilen gingen von dem Erfahrungssatz aus, daß der Käufer einer Sache, die ihm gegen Geld hingegeben wurde, die Erwartung hege, diese werde die regelmäßigen Eigenschaften haben,

160

K a u f . Tausch

§459

A n m . 2, 3 die für den gewöhnlichen Gebrauch wichtig sind, und sie hielten diese Erwartung f ü r berechtigt. Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet streng, im Gegensatz zum preußischen Recht, zwischen R e c h t s g e w ä h r l e i s t u n g und S a c h g e w ä h r l e i s t u n g (Gewährleistung wegen Mängel der verkauften Sache). Erstere behandeln §§ 434fr, letztere §§ 459 fr. Die besondere Regelung der Sachgewährung in §§ 459 ff bezieht sich grundsätzlich nur auf physische Mängel einer Sache ( R G J W 04, 403; J W 1 9 1 2 , 4 6 1 7 ; 1 9 1 2 , 747 1 0 ); auch auf sachliche Mängel an Wertpapieren, dagegen nicht auf Mängel, die sich nicht unmittelbar auf das Wertpapier als Sache beziehen, wie etwa Mängel tatsächlicher Art in dem Gegenstande eines Aktienunternehmens, wie schlechte Beschaffenheit der Erze oder geringe Ergiebigkeit der Grubenfelder ( R G 59, 240); da die Umwechslung ausländischer Banknoten vom Verkehr als Sachkauf gewertet wird, kommen beim Erwerb von gefälschten ausländischen Banknoten nicht §§ 437 fr, sondern nur §§ 459 ff in Betracht ( R G 108, 280); nicht auf Mängel von Rechten, z. B. Verlagsrechte an Schriftwerken, R G H R R 1933, 9 1 2 , Forderungen ( J W 09, 655' 1 ), Hypotheken ( J W 09, 684*; 1 9 1 2 , 137 1 0 ), Grundschulden ( J W 04, 403 2 ). Wenn ein R e c h t a n e i n e r S a c h e verkauft ist, das zum B e s i t z und Genuß der Sache berechtigt ( § 4 5 1 ) , so wird, falls die Sache Mängel zeigt, auch hier die Sachgewährleistungspflicht nach § 459 anerkannt. Hierher gehört jedoch nicht die Abtretung des Rechtes aus dem Meistgebot ( R G 150, 404). Auch auf den Verkauf anderer Rechte ist § 459 nicht anzuwenden.

Anm. 2 Dagegen werden in der Rechtsprechung u n k ö r p e r l i c h e (immaterielle) G ü t e r , wenn sie im Verkehr wie Sachen behandelt werden, auch im Hinblick auf die Gewährleistungspflicht diesen gleichgestellt, so namentlich ein H a n d e l s g e s c h ä f t u n d ä h n l i c h e G e s c h ä f t s b e t r i e b e ( R G 63, 57; 67, 86; 69, 429; 98, 289; 100, 206; 138, 356; I48> 295J !59> 332. J W 0 9 , 15 9 ; 09, 684"; 1 9 1 2 , 288®; 1 9 1 2 , 4 2 1 ; K u n d s c h a f t , P a t e n t e und L i z e n z e n (WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 396). Auf F a b r i k a t i o n s g e h e i m n i s s e und Geschäftsgeheimnisse läßt sich jedoch § 459 nicht anwenden (WarnRspr. ig 14 Nr. 214). Wenn in einem Grundstück ein Handelsgeschäft betrieben wird und beide zusammen verkauft werden, bilden nach der Verkehrsauffassung beide zusammen den untrennbaren Kaufgegenstand. Der Wandlungsanspruch wegen der Grundstücksmängel trifft daher auch das Geschäft mit ( R G 16. 10. 14 V 179/14). Die Gewährleistungsgrundsätze wegen Sachmängel des Geschäftsunternehmens sind auch dann anzuwenden, wenn mit dem Verkauf der A n t e i l r e c h t e einer mit selbständiger Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft ein Verkauf des von ihr betriebenen Geschäftsunternehmens verbunden ist, R G 120, 287; 122, 3 8 1 ; 124, 164; 150, 4 0 1 ; J W 1929, 1 3 7 4 ; 1930, 3740. Das ist nicht der Fall, wenn nur ein größerer Teil Aktien oder Geschäftsanteile Gegenstand des Kaufs ist, R G D R 1944, 485. Wegen der Gewährleistung beim E r b s c h a f t s k a u f : § 2376.

Anm. 3

II. Das Wesen der Gewährleistungspflicht

Über das Wesen der Gewährleistungspflicht besteht Streit. Vgl. dazu S ü ß , Wesen und Rechtsgrund der Gewährleistung für Sachmängel ( 1 9 3 1 ) , mit reichlichen Angaben des Schrifttums S. 77 in Anm. 1 u. S. 78fr. und über den Rechtsgrund der Gewährleistung S. i 2 2 f f ; S c h o l l m e y e r in J h e r J b 48, 93 (1905); R a b e l , Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Recht (1902); H e r b e r t M e y e r in Festschr. f. Otto Gierke: Z u m Ursprung der Vermögenshaftung i. dtsch. Recht ( 1 9 1 1 ) ; K o r i n t e n b e r g , Erfüllung u. Gewährleistung beim Werkvertrag (1935) und in: Die rechtspolitische Großtat der Ädilizischen Rechtsgeschäfte vor 2000 J a h r e n und heute, (1948); R a a p e , A c P 150, 4 8 i f . ; F l u m e , Eigenschaftsirrtum und K a u f , 1948. E i n i g k e i t b e s t e h t d a r ü b e r , d a ß die Kaufsache von vertragsmäßiger Beschaffenheit sein muß, daß der Käufer, wenn die Kaufsache mangelhaft ist, — von § 480 abgesehen — aber nicht die Beseitigung des Mangels verlangen kann, sondern die Gewähr11

Komm. z. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 459

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 3 rechte hat. R a a p e AcP 150, 482 sagt: „Der Käufer soll die Sache in dem vertragsmäßigen Zustand erhalten, das gebührt ihm, aber was ihm gebührt, kann er nicht verlangen." U m s t r i t t e n ist, ob der Verkäufer zur Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustande verpflichtet ist und der Käufer dementsprechend einen Anspruch auf mangelfreie Leistung hat oder ob der Verkäufer nicht verpflichtet ist, die Sache im vertragsmäßigen Zustande zu liefern, und der Käufer auch keinen Anspruch hierauf hat. Die erstere Ansicht läßt die Gewährleistung als Folge nicht erfüllter Leistungspflicht eintreten, die andere meint, eine Leistungspflicht sei nicht normiert, das Gesetz lege dem Verkäufer die Gewährpflicht auf und diese treffe ihn an Stelle fehlender Leistungspflicht. Der erstgenannten Auffassung ist der Vorzug zu geben. Auch die andere Meinung knüpft die Gewährleistung an die Tatsache der Nichterfüllung an. Der Kaufvertrag ist auf die Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand gerichtet. Was zur Erfüllung des Vertrages gehört, hat der Verkäufer auch zu leisten. Die Leistungspflicht deckt sich mit der Vertragserfüllungspflicht und bleibt nicht hinter ihr zurück. Insoweit kann F l u m e aaO S.41 nicht zugegeben werden, daß zwischen der Nichterfüllung eines Vertrages und der Nichterfüllung einer Vertragspflicht unterschieden werden müsse; die von ihm vermißte Leistungspflicht begründet der Kaufvertrag, der j a gerade auf Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand gerichtet ist. Erstreckte sich die Leistungspflicht des Verkäufers nur auf die Lieferung der Sache und nicht auf deren Beschaffenheit, so würde es insoweit am synallagmatischen Verhältnis fehlen, da der Käufer den Preis doch auch mit dafür bezahlt, daß die Kaufsache von vertragsmäßiger Beschaffenheit ist. W o f ü r d e r V e r k ä u f e r n a c h § 459 h a f t e t , das ist d e r I n h a l t s e i n e r L e i s t u n g s p f l i c h t . Aus § 433 ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Wenn dort besonders die Verpflichtung zur U b e r g a b e der gekauften Sache, zur Besitzverschaffung als Leistungsinhalt neben dem der Rechtverschaffung hervorgehoben worden ist, so folgt daraus nicht, daß hinsichtlich der Beschaffenheit der zu übergebenden Sache Leistungspflichten aus dem Kaufvertrag nicht vorhanden seien. Vielmehr geht die Verpflichtung des Verkäufers nicht bloß auf die körperliche Ubergabe der bestimmten Sache „so wie sie ist", sondern auf Lieferung dieser Sache als einer mangelfreien oder solchen Sache, die die zugesicherten Eigenschaften hat (RG 52, 355; 53, 70; 66, 76). In § 463 wird ganz zutreffend Schadensersatz „wegen Nichterfüllung" zugesprochen. Der Verkäufer hat auch beim Spezieskauf die Sache dem Käufer in derjenigen Beschaffenheit zu übergeben, wie dieser sie nach dem Kaufvertrag zu beanspruchen hat. Beim Gattungskauf geht § 480 von der Pflicht des Verkäufers, die Kaufsache in mangelfreiem Zustand zu liefern, aus und gibt dem Käufer das Recht, statt Wandlung oder Minderung zu verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Soweit es sich jedoch um einen Spezieskauf handelt, konzentriert sich von vornherein die Leistungspflicht auf diese eine bestimmte Sache, und die Lieferung einer andern Sache wäre nicht Erfüllung des Kaufvertrags. Eine andere Sache kann daher der Käufer nicht verlangen. Daraus folgt aber nicht, daß die Leistungspflicht des Verkäufers mit der Lieferung der mangelhaften Sache bereits erschöpft ist. Vielmehr erfüllt er seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrage nur, wenn er die Sache in dem Zustand übergibt, wie er nach dem Vertrage gewollt und dem Verkäufer zugesagt, also Inhalt seiner Leistungspflicht geworden ist. Sie muß demnach nicht nur die konkrete gekaufte Spezies überhaupt sein, sondern auch die zugesicherten Eigenschaften haben oder falls solche nicht besonders zugesichert, diejenigen Eigenschaften, die im Verkehr als gewöhnlich vorhanden vorausgesetzt werden und die deshalb vom Gesetz ohne weiteres als Inhalt der Lieferungspflicht, als gesetzlich vermuteter Vertragsinhalt angesehen werden. Daß die Verpflichtung zur Leistung die zugesicherten Eigenschaften ergreift, ist ohne weiteres klar. Die zugesicherten Eigenschaften werden aber mit den gewöhnlich vorausgesetzten, verkehrsüblich erwarteten in § 459 gleich behandelt. Auch sie werden Leistungsinhalt. Gegen die Annahme, daß auch die in § 459 hervorgehobenen Eigenschaften in obligatione und Inhalt der Leistungspflicht seien, spricht nicht der namentlich von S ü ß vorgebrachte Einwand, der Verkäufer sei nicht zur Herstellung einer mangelfreien Sache oder einer Sache, die die zugesicherten Eigenschaften hat, verpflichtet. Allerdings besteht beim Kauf kein Mängelbeseitigungsanspruch. Daß der Käufer aber nicht verpflichtet ist,

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K a u f . Tausch

§459 Anm. 4

eine mangelfreie Sache oder eine solche mit den zugesicherten Eigenschaften herzustellen, schließt keineswegs aus, daß seine Verpflichtung an sich dahin geht, eine mangelfreie Sache zu liefern und dem K ä u f e r zu übergeben. R a a p e , A c P 150, 482 sagt: Vertragsmäßige Beschaffenheit der Sache gebührt dem Käufer nicht weniger als die Sache selbst. K o r i n t e n b e r g , Die rechtspolitische Großtat der ädilizischen Rechtsbehelfe, S. g, weist mit Recht darauf hin, daß dem Rechtsdenken aller Kulturvölker gemeinsam ist, daß der K ä u f e r darauf vertrauen darf, daß die Kaufsache frei von verborgenen, ihm unbekannten Mängeln ist. Eine Leistung, die dem Vertrauen, das der K ä u f e r in den Vertrag setzen darf, nicht völlig entspricht, ist keine vollständige Leistung im Sinne des Vertrags. Gewiß fehlt eine dem § 434 entsprechende Bestimmung; das Gesetz sagt also nicht: Der Verkäufer einer Sache ist verpflichtet, dem K ä u f e r die K a u f sache ohne Fehler zu verschaffen, die den Wert oder die Tauglichkeit nach dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Es sagt vielmehr in § 459, daß der Verkäufer dem K ä u f e r „ h a f t e t " . A b f es ist nicht daran vorbeizukommen, daß der Vertrag auf Lieferung der Kaufsache im vertragsmäßigen Zustande gerichtet ist, daß § 463 von Schadensersatz wegen „Nichterfüllung" spricht und daß Wandlung und Minderung in § 480, der an Stelle dieser Rechte einen Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache gewährt, auf einer anderen Rechtsgrundlage stehen müßten als beim Spezieskauf. Außerdem geht § 36 Abs. 3 VergleichsO v. 26. 2. 35 davon aus, daß die Leistung einer mangelhaften Sache keine Erfüllung ist, wenn es dort heißt, daß die geschuldete Leistung deshalb nicht als vollständig bewirkt anzusehen ist, weil die Leistung mangelhaft ist. Daß, wie F l u m e a a O S. 35 hervorhebt, eine Erfüllungspflicht nirgends statuiert sei, ist zwar richtig; eine solche Pflicht ist aber dem Vertrag und den §§ 463, 480 zu entnehmen. U n d daß der K ä u f e r nicht auf Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustande klagen und nicht nach § 283 Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann und daß der Verkäufer nicht zur Nachbesserung oder zur Leistung einer anderen, nämlich einer mangelfreien Sache verpflichtet ist, liegt an der Besonderheit der §§ 459 ff, die die auch beim Sachmangel gegebene Nichterfüllung ( K o r i n t e n b e r g , Die rechtspolitische Großtat der ädilizischen Rechtsbehelfe vor 2000 J a h r e n und heute, S. 42) in besonderer Weise und abweichend von den allgemeinen Vorschriften über die Nichterfüllung von Verträgen regeln. Das hindert aber nicht, für die Zeit vor Gefahrübergang einen Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache anzuerkennen und dem Verkäufer eine entsprechende Pflicht aufzuerlegen. Das ist z. B. wichtig für den K a u f einer Sache, die mit einem nicht behebbaren Fehler behaftet ist; ein solcher Vertrag ist nach § 306 nichtig (vgl. unten Anm. 34; a A F l u m e a a O S. 108, der die Anwendbarkeit des § 306 auf die Fälle qualitativer Unmöglichkeit bezweifelt und die allgemeine Bestimmung des § 3 0 6 durch die §§ 4 3 3 f r und 459ff als Sonderregelung ausgeschaltet ansieht, insoweit aber nicht beachtet, daß die Sonderregelung der §§ 4 5 9 f r erst ab Gefahrübergang eingreift). Oder für den Fall, daß eine mangelfreie Sache verkauft ist, die der Verkäufer schuldhaft beschädigt, und nicht wieder ausbessern kann; dann ist nach § 325 Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten (vgl. auch § 4 3 3 Anm. 160.

Anm. 4 D e r G r u n d für die Haftung aus der Lieferungspflicht e n t s t e h t m i t d e m A b s c h l u ß d e s K a u f v e r t r a g s . Der Haftungsfall aber, die Haftung, tritt erst beim Übergang der Gefahr auf den K ä u f e r ein. Dies ist der Zeitpunkt, an dem die Erfüllung aus dem K a u f stattzufinden hat und an dem sich ergibt, ob der Pflicht genügt wird oder wegen Nichterfüllung in der vom Gesetz vorgesehenen Weise zu haften ist. Die aus der Gewährpflicht erwachsenden Ansprüche entstehen sonach erst mit der Ubergabe der mangelhaften Sache ( R G Gruchot 53 Nr. 50). Soweit die Gewährleistung abweichend von den allgemeinen Vorschriften über Nichterfüllung von Verträgen geregelt ist, geht die Sonderregelung der §§ 459 fr den allgemeinen Vorschriften vor und beseitigt deren Anwendbarkeit, so daß diese auch nicht neben den §§ 45g ff oder subsidiär zur Anwendung kommen. Nach allgemeinen Grundsätzen zulässige Rechtsbehelfe können dagegen neben den Rechten aus den §§ 459 fr geltend genacht werden, soweit sie nicht aus Fehlern oder Eigenschaften der Kaufsache hergeleitet werden (vgl. unten Anm. 39). 11*

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§ 459 A n m . 5—8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 5 Die Vorschriften über die Gewährleistung in §§459 ff sind nachgiebiges R e c h t . Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können einerseits dem Verkäufer über den Rahmen der gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften hinausgehende Verpflichtungen auferlegt werden; das geschieht durch Gewähr- oder Garantievertrag, R G 146, 123. Andererseits kann die Kaufgewähr —• unbeschadet des § 476 — aber auch beschränkt oder ausgeschlossen werden. Das geschieht oft durch verkehrsübliche kurze Formeln und Klauseln, z. B. „in Bausch und Bogen", „nach Besicht", „wie besehen", „wie es steht und liegt". Mit letzterer Formel wird oft von vornherein die Lieferungspflicht aus dem K a u f auf die vorliegende Sache abgestellt, gleichviel, welche Eigenschaften sie hat. Daraus folgt dann notwendig auch die Beschränkung der Haftpflicht und die Unanwendbarkeit der Haftung aus § 459 (RG 3 1 , 162; 62, 49; J W 06, 54g 47 ; WarnRspr. igiß Nr. 2 8 1 ; O L G Stettin J W 1926, 2003). Die Formel „wie besehen" hat die Bedeutung, daß die Haftung für alle erkennbaren Mängel ausgeschlossen sein soll, einerlei, ob sie der Käufer tatsächlich erkennt oder nicht, nicht dagegen für später noch hervortretende (RG 94, 287; WarnRspr. 1919 Nr. 1 1 4 ; L Z 1920, 652; SeuffArch. 87 Nr. 129; B G H BB 1953, 693; 1957, 238; vgl. auch unter Anm. 29). Uber Grundstückskäufe „ohne jede Garantie" vgl. O L G Stuttgart Recht 1 9 1 2 Nr. 1592. Die Formel „wie bisher besessen" ist in ihrer Bedeutung nicht klar und vom Tatrichter auszulegen, R G Z A k D R !937) 694. Ferner R G 144, 62; Recht 1 9 1 4 Nr. 2461; Gruchot 68, 222. Anm. 6 Die Vereinbarung einer A r b i t r a g e k l a u s e l ist keine Einschränkung der Haftung an sich, sondern nur eine Beschränkung der aus ihr sich ergebenden Folgen; sie besagt, daß aus der Gewährleistungspflicht nur Minderung des Preises nach der Feststellung von Gutachtern, keine Wandelung verlangt werden kann (RG 73, 257). Die Klausel „Hamburger freundschaftliche Arbitrage" bedeutet, daß das hiermit vorgesehene Schiedsgericht über alle aus dem Geschäft entstehenden Streitpunkte, also auch über die Frage seiner Zuständigkeit entscheiden soll, R G WarnRspr. 1934 Nr. 42; B G H L M Nr. 6 zu § 139 BGB. Nach § 7 der H a m b u r g e r P l a t z u s a n c e n , die für den hamburgischen Warenhandel immer und zwischen einer Hamburger und einer auswärtigen Firma dann gelten, wenn Hamburger freundschaftliche Arbitrage vereinbart ist, steht dem Käufer das Recht, beim Mangel einer zugesicherten Eigenschaft statt der Wandlung oder Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, nicht zu ( H a a g e BB 1955» 944; 946)Anm. 7 Nach den G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n des W a r e n v e r e i n s d e r H a m b u r g e r B ö r s e (WVB) hat der Käufer das Wandlungsrecht bei Qualitätsmängeln nur, wenn der Minderwert 1 0 % überschreitet, bei Lieferung eines aliud dagegen ohne diese Einschränkung, und das Recht auf Schadensersatz wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften ohne Nachfrist niemals bei Qualitätsmängeln, auch wenn diese den Minderwert von 1 0 % überschreiten ( H a a g e BB 1955, 944, 946). Anm. 8 D i e Z u l ä s s i g k e i t des H a f t u n g s a u s s c h l u s s e s und der Haftungsbeschränkung durch allgemeine Geschäftsbedingungen wird nicht nur durch § 276 Abs. 2, sondern weitgehend auch durch § 138 eingeengt, R G 143, 24; R G J W 1 9 3 1 , 2 7 1 9 ; D R 1941, 1726 9 . Eine enge Auslegung solcher Freizeichnungsklauseln ist geboten, R G 142, 3 5 3 ; R G J W 1934, 2395; D R 1941, 1726 9 . Ihnen kann auch § 242 entgegengehalten werden, R G 168, 326; R G D R 1941, 1726 9 . Das alles gilt nicht bloß für die Freizeichnung von Gewährleistungsansprüchen, sondern auch vom Ausschluß der Haftung aus positiver Vertragsverletzung, R G D R 1941, 1726 9 . In vielen Fällen, insbesondere beim Verkauf fabrikneuer Möbel ( B G H 22, 90), kann eine allgemeine Freizeichnung des Verkäufers von Gewährleistungsansprüchen nur zugelassen werden, wenn dem Käufer wenigstens ein Nachbesserungsrecht eingeräumt ist und der Käufer auf die Gewährleistungs164

Kauf. Tausch

§459

Anm. 9, 10 anspräche zurückgreifen darf, falls die Nachbesserung verweigert oder ungebührlich verzögert wird oder nicht zur Beseitigung des Mangels führt (RG 87, 3 3 5 ; 96, 268; R G L Z 1 9 3 1 , 1 3 7 9 ; B G H M D R 1954, 3 4 5 ; B G H 22, 90, 96. Beim V e r k a u f v o n g e b r a u c h t e n K r a f t f a h r z e u g e n kann durch allgemeine Geschäftsbedingungen jede Gewährleistung ausgeschlossen werden, O L G Düsseldorf N J W 1956, 306. Es kommt aber die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht, wenn der Verkäufer einen ihm bekannten Mangel, der den Käufer von einem K a u f unter den vereinbarten Bedingungen abgehalten haben würde, unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht verschweigt; eine Täuschung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Käufer Gelegenheit hatte, den Wagen zu besichtigen und Probe zu fahren, B G H BB 1957, 238. AnlT|

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III. Die Haftungsvoraussetzungen

Voraussetzung für die Haftung nach § 459 ist A . V o r l i e g e n e i n e r L e i s t u n g s p f l i c h t , vor allem das Vorhandensein eines gültigen (RG 7 1 , 4 3 3 ; 74, 3 ; 87, 259), also in gehöriger Form abgeschlossenen (§ 3 1 3 ) , nicht Verbots- oder sittenwidrigen Kaufs (Bordellkaufs, R G 7 1 , 433). Wenn ein K a u f angefochten wird, ist zunächst die Berechtigung der Anfechtung zu erörtern, auch wenn gleichzeitig Wandelung geltend gemacht wird. Es darf nicht die Nichtigkeit oder die Berechtigung der Anfechtung dahingestellt bleiben (RG 49, 422; 87, 256; WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 83; 1 9 1 3 Nr. 190; 1916 Nr. 81). Soweit ein Anfechtungsgrund aus dem Vorliegen von Mängeln und Fehlern hergeholt wird, ist die Anfechtung wegen Irrtums ausgeschlossen, da wegen dieser Umstände die Sonderregelung der §§ 459 fr eingreift R G 6 1 , 1 7 1 ; 70, 423; 97, 3 5 1 ; 135, 340; 138, 356. Ist der K a u f angefochten, so kann die Wirkung der Anfechtung auch nicht durch Einverständnis der Parteien mehr beseitigt werden ( L Z 1916 Sp. 304 1 2 ). Bei einem erst durch Eintragung formgültig rechtsgültig gewordenen K a u f , dem die Form mangelte, § 3 1 3 , Satz 2, entsteht die Gewährleistungspflicht erst im Zeitpunkt der Heilung, R G 134, 87. B . N i c h t e r f ü l l u n g d e r L e i s t u n g s p f l i c h t . Die Pflicht des Verkäufers, die Kaufsache in mangelfreiem Zustand zu liefern, entsteht zwar mit dem Vertragsschluß, ist aber erst in der Zukunft, nämlich bei Ubergabe der Sache zu erfüllen.

Anm. 10 1 . N u r z u d i e s e m Z e i t p u n k t braucht die Sache die v e r t r a g l i c h e n E i g e n s c h a f t e n z u h a b e n ; ob sie diese schon zur Zeit des Vertragsschlusses hatte oder nicht, ist im Hinblick auf die Leistungspflicht belanglos und nur insofern von Bedeutung, als sie künftig die rechte Erfüllung möglich oder unmöglich macht. Zum Schadensersatzanspruch nach § 463 gehört dagegen, daß die zugesicherte Eigenschaft sowohl bei Vertragsschluß wie bei Ubergabe fehlt. § 459 bestimmt als Zeitpunkt, an dem die vertragsmäßigen Eigenschaften bei der verkauften Sache vorhanden sein müssen, den des Gefahrübergangs (§ 446), R G J W 1933, 1388 2 . Wird die Kaufsache in vertragswidrigem Zustande geliefert, so ist der Kaufvertrag zwar nicht richtig erfüllt, aber die Gefahr doch übergegangen. Liegt die Nichterfüllung darin, daß die Sache nicht die vertraglichen Eigenschaften hat, so hat der Käufer keine anderen Rechte als die nach §§ 459 ff. Die Anfechtung wegen Irrtums, die Einrede des unerfüllten Vertrages, überhaupt die Rechte aus den §§ 320 ff sind für die Zeit nach Ubergabe der Sache ausgeschlossen. Nach erfolgter Übergabe können Mängel auch aus dem Gesichtspunkt der mangelnden Geschäftsgrundlage und der culpa in contrahendo (fahrlässig falsche Angaben über Sacheigenschaften) nicht mehr anders als mit den Rechtsbehelfen der §§ 459 fr geltend gemacht werden, R G 1, 1 7 1 ; 62, 282; 7 0 , 4 2 3 ; 135, 346; 148, 296; 1 6 1 , 1 9 3 , 1 9 6 ; 1 6 1 , 3 3 7 ; D R 1939, 799 30 ; B G H 16, 57. Wenn aber das Verschulden in keinem Zusammenhang mit Fehlern oder Eigenschaften der Kaufsache steht, kann auch aus Verschulden bei Vertragschluß und positiver Vertragsverletzung geklagt werden; das ist insbesondere bei Verletzung der Lieferungspflicht des Verkäufers der Fall, R G 144, 162. Bei Grundstücken genügt zum Gefahrübergang die Eintragung des Käufers im Grundbuch ( J W '91 539 12 )- Beim Eigentumsvorbehalt geht die Gefahr schon mit der Ubergabe über, nicht erst mit der Zahlung des Kaufpreises, R G 85, 320; J W 1937, 1628; OGH 1, 149,154.

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§ 459 A n m . 11, 12

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 11 a) Bis zur Ü b e r g a b e hat der V e r k ä u f e r das R e c h t , nachzubessern, um seiner Leistungspflicht bei Übergabe der Sache genügen zu können. Angesichts des Umstandes, daß die Gewährleistungspflicht auf den Zeitpunkt des Gefahrüberganges abgestellt ist, lag kein Anlaß vor, dem Verkäufer für die Zeit davor das Nachbesserungsrecht ausdrücklich zu verleihen; es ergibt sich vielmehr von selbst; der Käufer hat kein Recht darauf, daß eine Sache, die beim Kaufabschluß fehlerhaft war, auch fehlerhaft bleibt, damit ihm die Wandlung ermöglicht werde. Das Bürgerliche Gesetzbuch erkennt ein Recht des Verkäufers, den Gewährleistungsansprüchen durch Nachbesserung zu entgehen, grundsätzlich nicht an. Nur in besonders gearteten Fällen hat der Verkäufer noch nach Ü b e r g a b e der Kaufsache ein N a c h besserungsrecht; ein Anspruch darauf, daß der Käufer die Nachbesserung gestatte, besteht insbesondere dann, wenn die Ablehnung des Erbietens, die Mängel zu beseitigen, gegen Treu und Glauben im Verkehr oder gegen § 226 verstoßen würde (RG 52, 357; 61, 92; 87, 337; WarnRspr. 1912 Nr. 18; 1912 Nr. 29g; SeufFArch. 67 Nr. 109); oder wenn sich aus dem nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegenden Inhalt des Vertrages für den Käufer die Verpflichtung ergibt, eine nachgebesserte Leistung gelten zu lassen (BGH 23. 6. 55 II ZR 184/54); haben die Parteien besondere Abreden über die Beseitigung von Mängeln getroffen und damit zu erkennen gegeben, daß sie mit Fehlern rechnen und den Versuch nachträglicher Beseitigung als dem Vertragszweck entsprechend betrachten, so hat der Verkäufer ein Nachbesserungsrecht, BGH 23. 6. 55 II Z R 184/54. Ein etwaiges Nachbesserungsrecht darf aber immer nur ausgeübt werden, wenn der Käufer hierdurch in dem Gebrauch der Kaufsache nicht erheblich gehindert wird, BGH 23. 6. 55 II ZR 184/54. Da der Verkäufer aber nur zur Lieferung, nicht zur Herstellung einer mangelfreien Sache verpflichtet ist, hat er nicht die Pflicht, nachzubessern. Auf Grund der Pflicht, eine mangelfreie Sache zu leisten, kann den Verkäufer aber auch eine Pflicht zur Mängelbeseitigung im Rahmen des Zumutbaren treffen, K o r i n t e n b e r g , Die rechtspolitische Großtat der ädilizischen Rechtsbehelfe, S. 45. Der Verkäufer verliert das etwa begründete Nachbesserungsrecht und kann Wandlung nicht mehr abwenden, wenn ihm Gelegenheit zur Beseitigung geboten war und dem Käufer die Fortsetzung der Beseitigungsversuche nicht zuzumuten ist (RG 87, 337). Hat der Käufer nach vertraglicher Vereinbarung statt der Gewährrechte nur ein Nachbesserungsrecht, so leben seine Gewährleistungsansprüche wieder auf, wenn Nachbesserung unmöglich wird oder der Verkäufer sie verweigert, BGH 22, go, 100. Sind außerdem alle mittelbaren und unmittelbaren Schadensersatzansprüche ausgeschlossen, so sind damit nicht ohne weiteres auch diejenigen Schadensfolgen ausgeschlossen, die sich aus einer schuldhaften Verletzung der Nachbesserungspflicht ergeben, BGH MDR 1954, 345. Bei geringfügigen Mängeln, die der Käufer ohne Schwierigkeiten in seinem Betrieb ausbessern kann, hat der Käufer die Ware abzunehmen und unter angemessener Minderung des Kaufpreises zu bezahlen; nach Treu und Glauben kann ihm ausnahmsweise zumutbar sein, geringfügige, ohne wesentlichen Aufwand behebbare Mängel selbst zu beseitigen, BGH BB 1957, 92 (vgl. auch § 433 Anm. 212). A n m . 12 b) Vor der Übergabe kann der Käufer den G e w ä h r l e i s t u n g s a n s p r u c h in der Regel nicht geltend machen (RG 53, 70; WarnRspr. 1917 Nr. 83; J W igos, 230). Wenn jedoch feststeht, daß sich der Mangel bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kaufsache zu übergeben wäre, nicht beseitigen läßt, wird dem Käufer nicht zuzumuten sein, sich die Sache erst übergeben zu lassen, damit er die Gewährleistungsrechte gewinnt; er muß vielmehr berechtigt sein, schon vorher die Gewährleistungsansprüche geltend zu machen (RG 87, 260; WarnRspr. 1911, 358; J W 1912, 461; RG 23. 4. 20 II 525/19; R a a p e , AcP 150, 486). Dem steht es gleich, wenn der Verkäufer vorher bestimmt und endgültig erklärt, die Beseitigung des Mangels nicht vornehmen zu wollen (RG 23. 4. 20 II 525/19; RG J W 1912, 461; igi8, 221). Solchenfalls ist der Käufer aber nicht zur Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche verpflichtet, wahlweise kann er auch die Rechte aus § 320 geltend machen (RG 53, 70). 166

Kauf. Tausch

§459 A n m . 13—15

A n m . 13 2 . N u r wegen des F e h l e n s der in § 459 Abs. 1 u. 2 u n d noch enger der in § 482 besonders hervorgehobenen vertraglichen Eigenschaften (Mängel) tritt die H a f t u n g als einer eigenartigen Rechtsfolge der Nichterfüllung des Kaufvertrags, wie sie in §§ 462, 483 ff geregelt ist, ein. Das Gesetz k n ü p f t diese Rechtsfolge an die o b j e k t i v e T a t s a c h e des Ausbleibens der richtigen Vertragserfüllung schlechthin, also a n die Fehlerhaftigkeit der übergebenen Sache a n sich, gleichgültig, ob den Verkäufer ein Verschulden trifft oder nicht. O h n e Belang ist d a h e r auch, o b der Verkäufer die Fehler gekannt h a t . Besonderes gilt nur bei A r g l i s t . IV. Die Mängel A n m . 14 Als Mängel, f ü r die n a c h § 459 Abs. 1 gehaftet wird, k o m m e n F e h l e r in Betracht: 1. Das Gesetz spricht in Abs. 1 von „ F e h l e r n " , in Abs. 2 von „ E i g e n s c h a f t e n " der Kaufsache. D a beides den Zustand einer körperlichen Sache umreißt, ist damit deren natürliche Zuständlichkeit, wie sie sich der sinnlichen W a h r n e h m u n g darstellt, ins Auge gefaßt. Einmal k o m m e n physische Eigenschaften der Sache in Betracht. Das gilt auch hinsichtlich der „ F e h l e r " , mit denen die Sache behaftet ist. Auch hier h a n d e l t es sich u m eine natürliche Zuständlichkeit der Sache, u m ihre physischen Eigenschaften. Z u „ F e h l e r n " werden diese erst v o m besonderen S t a n d p u n k t menschlicher Beurteilung aus. Der Ausdruck „ F e h l e r " ist doppeldeutig, j e n a c h d e m Standpunkt, von d e m aus die Beurteilung vorgenommen wird. Er kann einmal bedeuten, d a ß d e m Kaufgegenstand als Leistungs- u n d Erfüllungsgegenstand vom subjektiven S t a n d p u n k t der Parteien aus die i m V e r t r a g bestimmten Eigenschaften „fehlen", d a ß er nicht vertragsmäßig u n d d a r u m fehlerhaft ist. Sodann kann lediglich der natürliche Zustand der Kaufsache als solcher n a c h der allgemeinen Beurteilung im Verkehr ins Auge gefaßt werden. D a n a c h ist fehlerhaft ein Zustand, der nicht die Eigenschaften hat, die objektiv seiner N a t u r n a c h g e m ä ß den allgemeinen Anschauungen Gegenständen dieser A r t u n d G a t t u n g z u k o m m e n . Fehler ist in diesem Sinne das v o m Normalen u n d Artgemäßen Abweichende. W a s bei N a t u r d i n g e n der Art g e m ä ß ist, ergibt die allgemeine Beurteilung, die sich auf die E r f a h r u n g des Regelmäßigen stützt. W a s bei Gegenständen menschlicher Schöpfung, bei Arbeitsprodukten fehlerhaft ist, ergibt der Zweck, d e m das Arbeitsp r o d u k t dient u n d die Abweichung von den hierzu aufgestellten N o r m e n der Arbeitsweise (nicht zu verwechseln ist dieser Gebrauchszweck des Gegenstandes mit d e m Vertragszweck) . A n m . 15 a ) Der B e g r i f f d e s F e h l e r s ist im klassischen römischen Recht, aus d e m die G r u n d s ä t z e der Gewährleistung wegen Mängel der Kaufsache in das deutsche R e c h t ü b e r n o m m e n sind, i m objektiven Sinne verstanden w o r d e n ; das w a r a u c h die Auffassung im gemeinen Recht. Diese Auffassung w u r d e ursprünglich v o m Reichsgericht geteilt, R G 67, 86, besonders 97, 352 ( „ U n t e r Fehler i m Sinne des § 459 ist ein Abweichen von der normalen Beschaffenheit zu verstehen" . . . „ E s ist kein Fehler eines Instrumentes, d a ß es seiner allgemeinen Beschaffenheit nach hinter besseren zurücksteht . . . Verfehlt wäre es, eine Orchestergeige als fehlerhafte Sologeige zu kennzeichn e n " ) . Das R G ist später von der objektiven Auffassung abgegangen u n d h a t die subjektive Auffassung a n g e n o m m e n , wonach einzig die Untauglichkeit z u m Vertragszweck den Fehler bestimmt; w e n n die Kaufsache eine Eigenschaft oder einen V o r z u g nicht hat, den die Parteien i m Vertrag voraussetzen, so ist sie „fehlerhaft", d. h. fehlerhaft a l s L e i s t u n g ( R G 70, 82; 99, 147; 101, 64; 114, 239; 1 1 5 , 286; 135, 342; 1 6 1 , 334; R G L Z i g n Sp. 927; 1916 Sp. 222, 1 1 8 1 ; Gruchot 66, 452. Gegen die subjektive Auffassung H a y m a n in RG-Festschrift Bd. I I I S. 3 i 7 f f u n d J W 1932, 1862 A n m . ; L e o n h a r d , Schuldrecht (1931) Bd. 2 S. 50 u n d Lobe hier in der 9. Aufl., w ä h r e n d sich ihr E n n e c c e r u s / L e h m a n n , R e c h t der Schuldverhältnisse [ L e h m a n n 13. Aufl. § 108 I I 1 bestimmt den Fehlerbegriff allerdings subjektiv — objektiv], H e d e m a n n , Schuldrecht (1931) S. 235; S i b e r , Schuldrecht (1931) S. 235; W e r n e r J W 1927, 668 1 2 angeschlossen h a b e n . R G 135, 340 = J W 1932, 1862 h a t die widersprechenden

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§ 459

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 16 Ansichten nochmals gewürdigt und ist ausdrücklich bei seiner subjektiven Auffassung stehen geblieben. Die Frage ist von großer praktischer Bedeutung, weil der Ausschluß anderer Rechtsbehelfe wegen fehlerhafter Leistung der Kaufsache nicht weitergeht, als diejenigen Rechtsbehelfe reichen, die sich auf Fehler stützen. Der Streit zwischen der subjektiven und der objektiven Auffassung läßt sich nicht einseitig lösen. Soweit der Kaufgegenstand von der normalen Beschaffenheit abweicht, ist er fehlerhaft. Was normal ist, bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten, nämlich entweder nach der Regelbeschaffenheit von Sachen nach Art der gekauften bestimmten Sache oder nach dem, was der Verkehr als einwandfreie Kaufsache ansieht. Aber auch ein Gegenstand von anomaler Beschaffenheit kann verkauft werden; alsdann kann deshalb von einem Fehler keine Rede sein, weil gerade diese Sache geschuldet und zu liefern war; in diesem Fall ist ganz deutlich, daß es die Kaufvereinbarung ist, die die Beschaffenheit der geschuldeten Leistung bestimmt. Aber ist es, wenn eine Sache von normaler Beschaffenheit gekauft wird, wesentlich anders? Wird die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes nicht auch dann vom Parteiwillen bestimmt, wenn die Beteiligten von dem ausgehen, was objektiv normal ist, statt dies erst im einzelnen zu umschreiben? Auch wer nicht annimmt, daß grundsätzlich eine mangelfreie Sache zu leisten ist, kann nicht bezweifeln, daß dem Käufer eine mangelfreie Sache gebührt und daß er für sein Geld eine fehlerfreie Sache haben will, wenn er nicht gerade absichtlich eine mangelhafte gekauft oder den Mangel gekannt hat (§ 460). Der K ä u f e r w i l l eine S a c h e v o n v e r t r a g s m ä ß i g e r B e s c h a f f e n h e i t , gleichviel ob er seiner Entschließung zugrunde legt, wie nach der Natur oder der Verkehrsauffassung das Normale, die Regelbeschaffenheit ist, oder ob er selbst bestimmt, wie er sich den Kaufgegenstand, wenn er vertragsmäßig sein soll, denkt. F l u m e , Eigenschaftsirrtum und Kauf (1948) geht allerdings zu weit, wenn er Fehlerhaftigkeit mit v e r t r a g s w i d r i g e r Beschaffenheit gleichsetzt und die Lieferung eines aliud in den Fehlerbegriff einbezieht (vgl. dazu unten Anm. 18). E n n e c c e r u s / L e h m a n n hat Recht, wenn er in § 108 I I 1 (13. Aufl.) sagt, Flume gebe mit seiner Auffassung die Formel des § 459 preis. Diese Vorschrift läßt für Fehler haften, die den Wert oder die Tauglichkeit „zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch" aufheben oder mindern. Das ist etwas Verschiedenes, denn das eine ist objektiv, das andere subjektiv bestimmt. Aber beides hat auch etwas gemeinsam, nämlich daß die Vertragschließenden eine Sache bestimmter Beschaffenheit wollen, nur daß sie beim Kauf einer unter dem Gesichtspunkt des gewöhnlichen Gebrauchs bestimmten Sache davon ausgehen, was hierfür objektiv gilt, während sie die Beschaffenheit einer für einen besonderen Gebrauchszweck gekauften Sache nach den Wünschen, Bedürfnissen, Absichten oder Vorstellungen des Käufers im einzelnen bestimmen. In beiden Fällen ist es aber die Abweichung von der vertragsmäßigen Beschaffenheit, die den Fehler ausmacht, nur daß diese Beschaffenheit einmal durch die Norm, die die Beteiligten in ihren Willen aufnehmen (durch objektive Umstände geformter Wille), und im anderen Falle allein nach ihrem Willen und durch die besonderen Parteiabreden (subjektiv geformter Wille) bestimmt wird. B G H NJW 1955, 340 sagt, „auch eine Abweichung von der Beschaffenheit, die die Parteien nach dem Vertrag gemeinsam vorausgesetzt haben", kann ein Fehler des Kaufgegenstandes sein. Auch ein a b s t e l l b a r e r M a n g e l kann als Gewährsmangel in Betracht kommen, es sei denn, daß aus seiner Natur mit seiner baldigen Beseitigung zu rechnen ist (RG 3. 3. 22 V 395/21; B G H 10, 247). M ä n g e l d e r V e r p a c k u n g können unter Umständen Mängel der Ware sein (Originalverpackung, Tropenverpackung; R G J W 1 9 1 1 , 158 2 2 ; R G 59, 120). Da elektrischer Strom wie eine bewegliche Sache zu beurteilen ist, ist Mangel anzunehmen, wenn der gelieferte Strom zu schwach ist, die im Vertrag vorausgesetzte Kraft zu entwickeln, R G J W 1930, 1924 1 .

Anm. 16 b) Da die Rechtsprechung in Ausdehnung der Vorschrift des § 433 nicht nur körperliche, sondern auch u n k ö r p e r l i c h e S a c h e n , wie G e s c h ä f t s u n t e r n e h m u n g e n , Kundschaft usw. als Kaufgegenstände zuläßt, soweit sie jenen im Verkehr gleich behandelt werden, so sind auch die §§ 459 ff auf den Kauf solcher unkörperlichen Sachen

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K a u f . Tausch

§459 A n m . 17

auszudehnen, ( R G 63, 5 7 ; 67, 86; 98, 289; 100, 203; 138, 356; 148, 295; 159, 332). Dasselbe gilt von dem Verkauf a l l e r G e s c h ä f t s a n t e i l e e i n e r G m b H , denn darin liegt zugleich der Verkauf des von der G m b H betriebenen Unternehmens, da dies der wirtschaftliche Zweck des Kaufs ist. Darum haftet der Verkäufer sämtlicher Geschäftsanteile einer G m b H wegen Mängel des Unternehmens nach § 459 ( R G 120, 283; 122, 378; 124, 164; J W 1930, 3740 7 ; D R 1944, 4 8 5 1 ; anders wenn nur ein größerer Teil von Anteilsrechten (Aktien, GmbH-Anteilen) übertragen wird, R G D R 1944, 485. Alles das, was begrifflich das Wesen eines solchen unkörperlichen Gegenstandes nach der allgemeinen Auffassung und Erfahrung über seine normale Beschaffenheit ausmacht und als zu ihm gehörig angesehen wird, um sich als selbständige Einheit in der Art der Erscheinungen zu erweisen, ist seine Eigenschaft. Daher können reine Quantitätsmängel bei Betriebsmitteln, wie z. B. ein geringes Warenlager, Inventar, geringer Vermögensbestand, sehr wohl zugleich Qualitätsmängel eines Geschäftsbetriebs als unkörperlichen Gegenstandes sein ( R G 98, 289). Vgl. auch § 468 Anm. 1. Das Vorhandensein eines bestimmten Betriebskapitals, die Ertragsfähigkeit eines Geschäfts, der Mietertrag eines Grundstücks, dessen Unkosten (Feuerversicherung) können Eigenschaften sein ( R G 100, 204; 146, 1 2 1 ) . Z u den Eigenschaften des Unternehmens gehören auch die tatsächlichen Verhältnisse, die den Geschäftsbetrieb ermöglichen; daher bildet dauernde Möglichkeit der Benutzung eines Grundstückes, unbehindert durch polizeiliche Eingriffe, eine Eigenschaft des Unternehmens, R G 138, 356. Als Eigenschaft eines Ladengeschäfts kann auch die Unkündbarkeit des den Betrieb ermöglichenden Mietverhältnisses gelten ( R G 17. 3. 22 I I I 446/21). Ebenso kann der geringe Umfang einzelner Hefte einer Zeitschriftenreihe (zunächst reiner Quantitätsmangel) hinsichtlich der ganzen Reihe als Qualitätsmangel wirken (SeuffArch. 7 1 , 57). Auch das Bestehen von Arbeitsverträgen mit den Arbeitern kann als eigenartige Organisation des Betriebs Eigenschaft und ihr Fehlen gegebenenfalls Mangel eines Fabrikgeschäfts sein. Die Art der Kundschaft und der Fabrikate sind Eigenschaften des Geschäfts ( R G 13. 5. 14 V 39/14), ebenso das den Betrieb hindernde Entgegenstehen fremder Patente, R G 69, 429. Das W a r e n z e i c h e n ist dagegen keine Eigenschaft eines Geschäftsbetriebs ( R G 24. 11. 10 I I 169/10).

A n m . 17 c ) Für den Begriff des Fehlers und der Eigenschaft einer Kaufsache kommt nicht nur ihre natürliche Beschaffenheit, sondern auch ihr Verhältnis zur Umwelt in Betracht. Tatsächliche wirtschaftliche, soziale und selbst r e c h t l i c h e B e z i e h u n g e n d e r S a c h e z u i h r e r U m w e l t können Sacheigenschaften darstellen und, wenn sie eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit ergeben, als Fehler zu werten sein, R G 1 6 1 , 194; O G H 2, 367. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn diese Beziehungen in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen, ihr für eine gewisse Dauer anhaften und nach der Verkehrsanschauung normalerweise bei derartigen Sachen vorhanden sind. Hierhin gehören alle tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, die zufolge ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung einen Einfluß auf die Brauchbarkeit oder Wertschätzung der Sache zu üben pflegen, R G 1 6 1 , 194; O G H 2, 367, nicht aber Eigenschaften der Persönlichkeiten der Bewohner eines verkauften Hauses oder die ausländische Herkunft einer Drehbank. Eigenschaften, die sich erst mittelbar bei Heranziehung besonderer, außerhalb der Kaufsache liegender Verhältnisse ergeben, stellen keinen Sachmangel im Sinne des § 459 dar, R G 101, 4 1 3 ; K G J R 1954, 60. Die Möglichkeit künftiger Entziehung des Eigentums oder die Entstehung eines Entschädigungsanspruchs nach § 951 ist kein Zustand der Kaufsache und darum keine Eigenschaft im Rechtssinne, B G H 10, 242, 247. Die Wertschätzung der Sache im Verkehr ist nicht maßgebend, wie R G 52, 2 ; 6 1 , 84; SeuffArch. 6 1 , 433 annehmen. Letzterer Umstand aber bildet ein Indiz dafür, daß die Beziehungen von der Sache selbst ausgehen. Bloß von außen her an sie herantretende, außerhalb der Sache liegende Umstände und Beziehungen, namentlich nur vorübergehender und zufälliger Natur, die ebensogut ohne weiteres jede andere Sache ergreifen könnten, sind keine der Sache anhaftende Eigenschaften. So sind z. B. Beschränkungen der rechtlichen Verfügungsmacht über die Sache, die im Recht ihren Grund haben, solche von außen her an sie herantretende Umstände, also keine Eigenschaften der Sache, vgl. hierzu R G 52, 2 ;

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

59, 243; 61, 86; 148, 294. Nur solche Beziehungen der Sache zur Umwelt können als ihre Eigenschaften angesehen werden, die in der Gegenwart, zur Zeit des Gefahrüberganges, vorhanden sind oder in der Vergangenheit bestanden haben (RG 52, 429; 148, 286, 294; D R 1939, 2106 2 ). Zusicherungen, daß eine zur Zeit des Gefahrüberganges vorhandene Eigenschaft auch in Zukunft fortdauern werde, oder nicht vorhandene in Zukunft vorhanden sein werden, sind nicht Zusicherungen von Eigenschaften einer Sache, es handelt sich hier nur um Erwartungen, daß künftig gewisse Verhältnisse eintreten werden. Das gilt z. B. von der Zusicherung, daß sich für die verkaufte Sache alsbald ein Mieter finden werde (RG 148, 295; J W 1912, 747 10 ). Auch ungewisse Möglichkeiten (z. B. die einer künftigen Anordnung von Baubeschränkungen) sind keine Eigenschaften; dieser Begriff umfaßt vielmehr nur die für die Kaufsache wesentlichen Merkmale, R G D R 1939, 2106 2 . Im einzelnen ist es gerade hier schwer zu entscheiden, ob die hervorgehobenen Beziehungen als Eigenschaften der Sache selbst anzusehen sind oder nicht. Namentlich bei den rechtlichen Beziehungen ist die Rechtsprechung nicht durchweg folgerichtig. Aus der reichen Judikatur ist folgendes hervorzuheben: Die mangelhafte Beschaffenheit der einer Aktiengesellschaft gehörigen Grubenfelder und Erze sind keine Eigenschaft der Aktien dieser Gesellschaft (RG 59, 243). Auch der Kurs eines Wertpapiers gehört nicht zu den Eigenschaften einer Sache (JW 06, 378®; 09, 4g2 14 ), ebensowenig die Zusicherung von Nebenrechten (RG 56, 255), was allerdings bestritten ist. Keinen Sachmangel, sondern einen Mangel im Recht enthält die Belastung des verkauften Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit (RG 69, 356; 93, 73). Daher Haftung nach § 437, nicht nach § 468. Ebenso das Verpachtetsein des verkauften Grundstücks (OLG 22, 220), die Unkündbarkeit aufhaftender Hypothek (WarnRspr. 09 Nr. 134; 1931 Nr. 60; R G 149, 238), das Recht, die Bebauung des Nachbargrundstücks zu verbieten (RG 93, 74), die Mietfreiheit von Räumen (WarnRspr. 1917 Nr. 100; Recht 1916 Nr. 1869); und das Nichtfreisein von Rechten, die ein Dritter gegen den Käufer geltend machen kann (RG 59, 404; WarnRspr. 1917 Nr. 100). Nicht zu billigen ist dagegen WarnRspr. i g i 8 Nr. 70, wonach der Umstand, daß die Sache in feindlichem Eigentum steht, Sacheigenschaft sein soll, ebensowenig R G 16. 1 1 . 17 I I 227/17; 10. 5. 18 I I 21/18, das Beschlagnahmefreiheit und Beschlagnahmegefahr der Ware als eine Eigenschaft behandelt (WarnRspr. 1918 Nr. 185), was natürlich nicht Haftung für Zusage von Beschlagnahmefreiheit aus Vertrag ausschließt (LZ 1918 Nr. 226), ferner R G 85, 106 über Vergällungspflichtigen Spiritus. Ist die Ware Schmuggelgut, daher als Beweismittel von Bedeutung und der Möglichkeit der Beschlagnahme (§ 94 StPO) ausgesetzt, so liegt kein Sachmangel im Sinne des §459 vor (RG 101, 4 1 6 ; R G L Z 1922 Sp. 568; KC J R 1954, 60). Keine Eigenschaft der Sache, sondern ein a u ß e r h a l b d e r S a c h e l i e g e n d e r U m s t a n d ist der G e l d w e r t einer Ware (RG 64, 266; 98, 292; 1 1 1 , 260), beim Verkauf eines vermieteten Hauses die Zahlungsunfähigkeit eines Mieters (JW 1912, 910 6 ) beim Verkauf eines für eine besondere Heilmethode bestimmten Geräts die zugesicherte Wirkung der Behandlung (BGH 16, 54). Die Ertragsfähigkeit eines Geschäfts (Bierumsatz einer Gastwirtschaft: R G 52, 1 ; 63, 6 1 ; 67, 86; 93, 74; J W 1935, 1558 8 ; 1938, 2 6 1 3 1 ; H R R 1932, 441), der Mietertrag eines Grundstücks, R G 132, 78; 134, 86, J W 1908, 5499, dessen Unkosten, R G 83, 242, die Feuerversicherung eines Wohnhauses (RG 54, 222; J W 08, 549°), das Geeignetsein eines Grundstücks zum Gastwirtschaftsbetrieb (RG Recht 1914 Nr. 1819), die Bebauung mit bestimmter Getreideart (RG Recht 1 9 1 3 Nr. 2987), ein bestimmter Grad landwirtschaftlicher Nutzbarkeit (RG 129, 283) und freier Ausblick (RG 161, 335) können dagegen als deren Eigenschaft angesehen werden, R G 148, 294. Eine Eigenschaft des Grundstücks steht jedoch nicht in Frage, wenn aus einem früher erzielten Mietertrag für die Zukunft der Mietertrag gleich hoch geschätzt wird (RG 1. 12. 15 V 298/15). Die Zusicherung, daß keine Straßenbaukosten zu zahlen seien, enthält keine Zusicherung einer Eigenschaft des Grundstücks (RG 4. 6. 21 V 499/20). Die Erklärung, daß keine weiteren Verbindlichkeiten bestehen, ist von R G 100, 200 als Zusicherung einer Eigenschaft eines Geschäfts angesehen worden. Die Höhe der Hauszinssteuer ist eine Eigenschaft des Grundstücks. Beim Umsatz eines Geschäfts darf der eigene Verbrauch auch nicht stillschweigend eingerechnet werden (RG 4. 10. 16 V 159/16), ein bloß einjähriger Umsatz wird noch keine Eigenschaft eines Geschäfts sein,

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Kauf. Tausch

§459

Anm. 17 es fehlt die dauernde Zuständlichkeit (JW 1915, 1117 3 ; L Z 1916 Sp. 80412). Wenn die widerrufliche Erlaubnis zur Benutzung einer bestimmten Menge Betriebswasser für eine verkaufte Mühle später eingeschränkt wird, so ist das ein außerhalb der Sache liegender Umstand (WarnRspr. 1912 Nr. 240; R G 27. 4. 18 V 368/17), ebenso wenn keine Erlaubnis zum Gastwirtschaftsbetrieb in einem Grundstück erteilt wird ( R G J W 1930, 1924 1 ). Dagegen wurde ausgesprochen, daß die NichtVerwendbarkeit eines Grundstücks für einen Gewerbebetrieb infolge gewerbepolizeilicher Beanstandung, die Beschränkung der Bebauung auf Grund des preuß. Ansiedlungsgesetzes v. 10. 8. 04 einen Mangel darstellen kann ( R G 7. 10. n V 113/11; WarnRspr. 1914 Nr. 215). Der Grund für die verschiedene Behandlung liegt darin, daß in dem einen Fall die Eigenart des Grundstücks, in dem anderen aber andere Umstände die Ursache der ablehnenden Haltung der Gewerbepolizeibehörde bildeten. Aus dem gleichen Grunde sind m a n g e l n d e B a u r e i f e , das Verbot der Bebaubarkeit, Baubeschränkungen, die im öffentlichen Recht wurzeln, und die Unverwendbarkeit eines als Bauland verkauften Grundstücks infolge privaten Verbietungsrechts als Sachmangel des Grundstücks angesehen worden ( R G 61, 84; 69, 356; 131, 348; 137, 295; D R 1939, 2106 2 ). Auch die L a g e e i n e s G r u n d s t ü c k s , R G 61, 85, die dessen Ungestörtheit und Benutzbarkeit beeinträchtigt (WarnRspr. 1911 Nr. 368; 1912 Nr. 205; R G 161, 333), dauernd hoher Grundwasserstand ( R G 19.4. 13 V 531/12), Nähe der Eisenbahn, Anschlußgleis ( R G 61, 8 5 ; H R R 1930, 1313) sind Eigenschaften eines Grundstücks. Kein Mangel des Grundstücks, wenn sich Zusicherungen über die Entwicklung des Badeorts, in dem das Grundstück liegt, R G 148, 294, oder eines Stadtteils und seiner Verkehrswege als falsch erweisen. Ein Fehler des Grundstücks selbst kann auch in M ä n g e l n d e s Z u b e h ö r s gefunden werden ( R G Gruchot 36, 940 und 16. 2. 21 V 398/20). Wenn Vieh als Zubehör eines Grundstücks verkauft, aber in einer die Ertragsfähigkeit des Grundstücks beeinträchtigenden Weise verseucht ist, so sind nicht die Grundsätze der §§ 481 ff, sondern die Vorschriften der §§ 459 fr anwendbar ( R G 102, 309). Auch bei beweglichen Sachen kann die Sachlage, etwa die Herkunft der Ware ergeben, daß die Kaufsache von bestimmter Beschaffenheit sein muß ( R G 8. 1. 19 I 254/18). Mit Unrecht ist aber schon die erfolgte Ankunft schwimmender Ware in einem bestimmten Ort als Eigenschaft angesehen worden, R G 20. 10. 16 II 287/16, WarnRspr. 1917 Nr. 28, O L G Hamburg Recht 1917, 402, denn es fehlt die dauernde Beziehung zur Sache. Läßt man schon eine vorübergehende Beziehung genügen, wie es unter Umständen R G Recht 1913 Nr. 2986 gestattet, tritt eine vollständige Verflüchtigung des Begriffs der Eigenschaft als etwas der Sache Anhaftendes ein. Das Reichsgericht kommt hierzu auch nur durch die verfehlte Identifizierung mit dem Wertbegriff. Richtig dagegen erachtet R G 71, 307 die bloße Vereinbarung einer Abladezeit nicht als Vereinbarung über eine Eigenschaft. Dagegen ist z. B. ungenügende Sortierung einer Mengeneinheit, Ausfuhrfähigkeit einer Ware, wenn diese auf bestimmten, ihr beiwohnenden Eigenschaften beruht, Sacheigenschaft (SeuffArch. 71, 59). Unter die tatsächlichen Beziehungen einer Sache zu Personen, die als Eigenschaften angesehen werden können, gehört nicht schon die ihr von diesen Personen zuteil werdende bloß subjektive Beurteilung über das Vorliegen oder Fehlen von Vorzügen oder Mängeln, vielmehr müssen objektive Tatsachen und Umstände vorliegen, die als Hinweise auf das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu deuten sind, wenn diese auch noch verborgen und nicht nachweisbar sind. Der K r a f t f a h r z e u g b r i e f hat nicht die Aufgabe, durch seine Eintragungen die technischen Eigenschaften des Kraftfahrzeugs im privaten Rechtsverkehr auszuweisen und den Brief damit für den Erwerber eines Kraftfahrzeugs zu einem über das Fahrzeug ausgestellten Gewährleistungspapier zu machen, B G H 18, 115. F e h l e r e i n e s K r a f t f a h r z e u g s , die zulassungshindernd wirken, sind, auch abgesehen von der Zulassungsfrage, geeignet, die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch, wenn auch vielleicht nicht aufzuheben, so doch im Sinne des § 459 Abs. 1 zu mindern, R G J W 1936, 1888. Eine auf N i c h t ü b e r e i n s t i m m u n g z w i s c h e n K r a f t f a h r z e u g b r i e f u n d K r a f t f a h r z e u g beruhende Zulassungsverweigerung kann einen Gewährleistungsmangel darstellen, B G H 10, 242. Im übrigen vgl. § 440 Anm. 22. Unter den Sachmängeln der Gebäude nimmt der H a u s s c h w a m m eine hervorragende Stellung ein ( R G J W 1904, 359; 1905, 339). Ihm gegenüber ist die Recht-

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§ 459 A n m . 18

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

sprechung besonders streng. Ein Gewährfehler liegt nicht vor, wenn nur die künftige Möglichkeit von Schwammbildung besteht (RG n . i. n V 7 1 / 1 0 ) ; aber nicht nur wirklich vorhandener Hausschwamm wird als Sachfehler betrachtet (RG 4. 5. 11 V 454/11; J W 05, 339 8 ; 08, 74a 10 , 1 1 ; WarnRspr. 1913 Nr. 313), sondern auch schon die nach Beseitigung des Schwamms noch bleibende Schwammverdächtigkeit (RG 85, 252; J W 1912, 1103 4 ). Außer dem eigentlichen Hausschwamm (merulius lacrimans) ist auch die sog. Trockenfäule (polyporus vaporarius) als Mangel anerkannt (RG J W 1908, 742). Beim Verkäufer oder Käufer vorhandener Schwammverdacht im subjektiven Sinne ist nicht mit Schwammverdächtigkeit im objektiven Sinne als ein dem Gebäude anhaftender Verdacht der Wiederkehr zu verwechseln. Letzterer muß auf tatsächlichen Umständen beruhen, die den objektiven Schluß der Wiederkehr gestatten, sonach eine gegenwärtige Gefahr bringen. Der bloße Verdacht einer Partei ist noch kein Mangel der Kaufsache (WarnRspr. 1914 Nr. 297; 1918 Nr. 180). Wie lange die Schwammverdächtigkeit im einzelnen Falle fortdauert, ist eine Tatsache, die von den Fortschritten der Erkenntnis des Übels und der Mittel dagegen abhängt. Wenn auch wissenschaftlich die Gefahr der Wiederkehr eines gründlich beseitigten Hausschwamms zu verneinen ist, so kann gleichwohl fortdauernde Verdächtigkeit angenommen werden, wenn in den für das fragliche Geschäft in Betracht kommenden Verkehrskreisen noch die gegenteilige ältere Ansicht besteht (RG Recht 1914 Nr. 2639). A n m . 18 d) Von der Lieferung einer mangelhaften Sache ist die Lieferung einer anderen Sache, eines aliud, zu unterscheiden. Auf sie finden die Gewährleistungsansprüche des § 459 keine Anwendung (WarnRspr. 1914 Nr. 2 7 1 ; 1918 Nr. 8). R a a p e , AcP 150, 492 befürwortet die entsprechende Anwendung der §§ 459fr. F l u m e , Eigenschaftsirrtum und Kauf (1948), S. 1 1 4 f r will auch bei der Lieferung eines aliud einen Fehler im Sinne des § 459 annehmen, da auch dann eine Abweichung von der vertragsmäßigen Beschaffenheit (vgl. oben Anm. 15) vorliege. Ihm folgt von C a e m m e r e r (Festschrift für Martin Wolff, 1952, S. 1 ff), der die Ansicht von RG 86, 92, daß § 378 HGB nicht bloß die in § 377 HGB für Sachmängel normierte Rügepflicht auf die Lieferung einer andersartigen Sache ausdehnt, sondern zugleich die Anwendung der Gewährleistungsvorschriften gebietet, damit rechtfertigt, daß in jeder Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit ein Fehler liege und daß daher die Lieferung eines aliud ohnehin unter § 377 HGB falle. Daß die Lieferung einer andersartigen Sache als Lieferung einer mangelhaften Sache anzusehen sei, würde zur Folge haben, daß der Käufer mit der Ubergabe einer solchen Sache den Anspruch auf Lieferung der gekauften Sache verliert. Dieses Ergebnis kann nicht gutgeheißen werden. Aber auch seine Begründung ist nicht zu billigen. Ist hartes Holz zu liefern, so kann die Lieferung weichen Holzes Lieferung eines mangelhaften Holzes sein. Ist dagegen die Gattung Eichenholz Vertragsinhalt, so ist die Lieferung Birkenholz die Lieferung eines aliud, denn Birkenholz ist niemals mangelhaftes Eichenholz. Ist eine bestimmte Geige als Stradivarigeige Gegenstand des Kaufes und ist damit eine alte Geige gemeint, bei der die Herkunft von Stradivarius in Frage kommt, dann ist die Lieferung einer aus neuerer Zeit stammenden Geige mangelhaft, WarnRspr. 1916 Nr. 244; L Z 1916 Sp. 1 1 8 1 , ebenso wenn eine Sologeige Vertragsinhalt ist, aber eine Orchestergeige geliefert wird; gewiß ist eine gewöhnliche Geige keine Stradivari und eine Orchestergeige keine fehlerhafte Sologeige, so RG 97, 3 5 1 ; aber die gelieferte Geige hat nicht die vereinbarte Beschaffenheit, die Leistung ist darum mangelhaft, R G 114, 239; 1 1 5 , 287. H a y m a n n J W 1932, 1863 hat Recht, daß eine gesunde Hauskatze nicht dadurch fehlerhaft wird, daß sie als Angorakatze verkauft wird, daß Wachenheimer Wein nicht darum fehlerhaft ist, weil er fälschlich als Niersteiner verkauft wurde (erst recht nicht, wenn der Wachenheimer gar noch besser ist), daß ein echter Raphael nicht deshalb fehlerhaft ist, weil er als ein Gemälde eines anderen Malers verkauft wurde, oder allgemein ausgedrückt, daß eine untadlige Kaufsache nicht deshalb als fehlerhaft bezeichnet werden kann, weil ihr die Vertragschließenden bei Vornahme des Kaufs irrtümlich bestimmte Eigenschaften zugeschrieben haben. Ganz das Entsprechende gilt bei der Lieferung einer andersartigen Sache.

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K a u f . Tausch

§459 Anm. 19—21

O b eine andere Sache vorliegt, läßt sich nur nach dem beurteilen, was Inhalt des Kaufvertrags ist. Neben der natürlichen Beschaffenheit der Ware ist auch die Verkehrsauffassung von Bedeutung, die die Grenzen der Gattung einengen kann ( R G WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 8).

Anm. 19 2. G e b r a u c h s t a u g l i c h k e i t . Nicht jeder Fehler im vorbezeichneten Sinne begründet die besondere Gewährleistungspflicht des § 45g, sondern nur solche, die den Wert einer Sache oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Dies ist durchaus selbständig und getrennt von der Feststellung zu behandeln, ob ein Fehler vorliegt. Die Untauglichkeit zu diesem Gebrauch ist nicht selbst Fehler. R a a p e , A c P 1950, 491 weist mit Recht darauf hin, daß die Behauptung, der Gebrauchszweck von Wein sei verschieden, j e nachdem er Trittenheimer oder Uerziger ist, absurd ist und daß Wein nur einen Zweck hat, getrunken zu werden. Ist Gegenstand des Kaufs ein bestimmtes echtes Bild eines bestimmten großen Malers, ist das Bild aber unecht, so besteht der Mangel der Lieferung nicht in der Untauglichkeit zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch, sondern im Abweichen von der vereinbarten Beschaffenheit, R a a p e , A c P 150, 489/491; F l u m e a a O S. 145. Umgekehrt braucht die Abweichung von normaler Beschaffenheit dem Gebrauchszweck nicht zuwider zu laufen. Ein baufälliges Haus mit beschädigten Türen und Fenstern ist fehlerhaft; wenn der im Vertrag vorausgesetzte Gebrauch aber der Abbruch ist, so beeinträchtigt der Fehler diesen Gebrauch nicht, daher keine Wandlung.

Anm. 20 a ) Der Wert ist der o b j e k t i v e T a u s c h w e r t , nicht die subjektive Bewertung. Der K ä u f e r muß im Zweifel die Möglichkeit der Weiterveräußerung haben. Daher kommen unter Umständen auch Abweichungen von den Normen der Mode und des Geschmacks in Betracht, sofern sie als Fehler anzusehen sind und die Verkäuflichkeit beeinträchtigen (WarnRspr. 1 9 1 0 Nr. 429; O L G 23, 24). Die Ware hat dann einen geringeren Verkehrswert, R G J W 1 9 1 1 , 39 19 .

Anm. 21 b ) Die T a u g l i c h k e i t ist vom Tauschwert unabhängig, ihr Mangel braucht ihn nicht zu beeinflussen (WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 422). Es ist zu unterscheiden zwischen der Tauglichkeit z u m g e w ö h n l i c h e n G e b r a u c h — d. h. zu einem Gebrauch, wie er allgemein mit Sachen gleicher Art geübt wird (ein Reitpferd wird zum Reiten, nicht zum Ziehen verwendet, ein Haus zum Bewohnen, seine Wohnräume müssen also heizbar sein, J W 1903 Beil. 140); entscheidend ist die Verkehrsanschauung mit Rücksicht auf die örtliche und sonstige Lebensauffassung ( R G 70, 85), nicht die subjektive Anschauung

des Käufers — und dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch. Darunter ist

nicht die einseitige Voraussetzung nur einer Vertragspartei, insbesondere des Käufers zu verstehen, auch wenn der Verkäufer die Zweckbestimmung der Kaufsache, die ihr der K ä u f e r zu geben beabsichtigt, erkennt ( R G 70, 86). Vielmehr muß der vorausgesetzte Gebrauch die Voraussetzung (nach O e r t m a n n : „Geschäftsgrundlage") b e i d e r T e i l e geworden sein ( R G 67, 87; 70, 86; R G 1 3 1 , 3 5 2 ; 1 3 5 , 3 4 2 ; J W 1927, 668 1 2 ; Gruchot 66, 452; WarnRspr. 1927, Nr. 140). Beim K a u f nach Probe ist das Muster und dessen Brauchbarkeit maßgebend ( R G 95, 45), wie auch, daß die Ware ohne Offenlegung des Grundstoffs absatzfähig ist, R G D R 1942, 1160 3 9 . Der vorausgesetzte Gebrauchszweck braucht nicht ausdrücklich genannt zu werden, er kann sich auch aus den Umständen ergeben, z. B. ein Pferd wird als Zugtier oder als Schlachttier gekauft, als Deckhengst. Auch aus dem Preis kann erkennbar sein, daß die Kaufsache zu einem Gebrauch verwendet werden soll, der bei dem Vorliegen eines Fehlers unmöglich ist. Der Wert einer Sache bemißt sich nach dem Gebrauchswert, den sie im besonderen Fall für den Besitzer hat. Dieser persönliche Einschlag ist zu berücksichtigen, wenn er nicht der reine Liebhaberwert ist.

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§ 459 Anm. 22—24

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 22 3. Endlich genügt nicht jede Aufhebung oder Minderung des Werts oder Gebrauchs der Sache schlechthin, sondern die Fehler dürfen den Wert oder die Tauglichkeit im vorbezeichneten Sinne nicht bloß unerheblich mindern. Bei der Beurteilung kommt es nicht auf die Wirkung eines jeden einzelnen von mehreren vorhandenen Mängeln an, sondern auf die G e s a m t w i r k u n g a l l e r M ä n g e l , RG J W 1933, 13882. Die Unerheblichkeit kann z. B. auch auf der kurzen Dauer eines Mangels beruhen. So muß sich der Käufer eines neu erbauten Hauses die vorübergehende Baufeuchtigkeit gefallen lassen, RG J W 1933, 13882. Die Frage nach der Unerheblichkeit eines Mangels ist teils Tatfrage, teils Rechtsfrage und insoweit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nicht entzogen, RG WarnRspr. 1908 Nr. 138; 1912 Nr. 206; 1913 Nr. 378; 1914 Nr. 284; BGH 10, 242, 248. Die Bedeutung des Mangels ist nach der Verkehrsauffassung, nach Treu und Glauben und den Umständen des Einzelfalles zu würdigen (BGH 10, 242). Außerdem sind bei der Frage der Geringfügigkeit noch weitere Rechtsgrundsätze zu beachten : Der Fehler als solcher und nicht die durch den Fehler verursachte Wertminderung der Sache muß geringfügig sein (RG 131,351; R G J W1914,827 3 ; WarnRspr. 1914 Nr.284) oder die Preisminderung, die der Käufer wegen des Mangels verlangen kann (RG 2. 5. 19 VII 8/19; J W 1905, 389; 1914, 827). Ein Sachmangel, der an sich nicht unerheblich ist, kann unter Umständen dadurch zu einem unerheblichen werden, daß er entweder bald von selbst verschwindet oder schnell oder mit geringen Kosten beseitigt werden kann,RG WarnRspr. 09 Nr. 135; Gruchot 50, 96; J W 1905,426; 1907, 173. Doch ist auch der Kostenaufwand nicht unbedingt maßgebend (JW05, 426®. WarnRspr. 1914 Nr. 248). Der Gewährleistungsausschluß für u n e r h e b l i c h e Wertminderung greift beim F e h l e n v e r t r a g l i c h z u g e s i c h e r t e r E i g e n s c h a f t e n nach Abs. 2 nicht Platz, RG 134, 88. Daß dies auch bei arglistigem Verschweigen gelten soll, wie RG SeuffArch. 83 Nr. 66, LZ 29, 774 meinen, kann nicht zugegeben werden. V. Fehlen zugesicherter Eigenschaften Anm. 23 Die Haftung wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften hat ihren Rechtsgrund in einer besonderen rechtsgeschäftlichen Erklärung, während die Haftung für Fehler der Kaufsache auf dem bloßen Kaufvertrag beruht. Fehlt eine zugesicherte Eigenschaft, so haftet der Verkäufer in jedem Falle, also auch dann, wenn der Gebrauch der Kaufsache gar nicht beeinträchtigt wird, B G H 28.2.55 II ZR 43/54; auch ein Unterschied zwischen erheblichen und unerheblichen Mängeln wird nicht gemacht (vgl. unten Anm. 26). Das Wesen der Eigenschaften, die der Kaufsache fehlen, ist hier wie dort dasselbe. Anm. 24 1. Eigenschaften sind nicht nur physische Zustände von körperlichen Sachen, sondern auch Merkmale unkörperlicher Sachen und Beziehungen und Verhältnisse von Sachen zur Umwelt (vgl. oben Anm. 14—17). Alles, was nach Abs. 1 als Eigenschaft in Frage kommen kann, kann auch Inhalt der Zusicherung nach Abs. 2 sein. Ohne Grund wird die Zusicherung insbesondere nur auf diejenigen Eigenschaften beschränkt, für deren Fehlen nicht schon nach Abs. 1 gehaftet wird. Nur das ist richtig, daß es nach Abs. 2 nicht darauf ankommt, ob der Mangel der zugesicherten Eigenschaft zugleich auch einen Mangel nach Abs. 1 bildet. Dies ist vielmehr nicht erforderlich, aber möglich (aM SeuffArch. 62, 53). Die Höhe der Hauszinssteuer ist eine Eigenschaft des verkauften Grundstücks, aber kein Fehler. Ist eine bestimmte Farbe des Hengstes ausgemacht, so haftet der Verkäufer dafür, trotz aller Tauglichkeit des Hengstes im übrigen. Auch das Nichtvorhandensein eines Fehlers kann eine Eigenschaft sein, die zugesichert werden kann. Echtheit eines Bildes kann eine Eigenschaft des Bildes sein (RG 114, 240; 115, 286; RG 19. 11. 26 124/26). RG 97, 351 (Sologeige), RG WarnRspr. 1916 Nr. 244 (Stradivarigeige). Zusicherung der Mietzinshöhe betrifft Eigenschaft des Grundstücks, RG HRR 1932, 1439. Uber Zusicherung einer „neutralen Ausstattung der Ware" vgl. R G 130, 379; H R R 1931, 583.

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§459

Anm. 25 Anm. 25 2 . Was unter Z u s i c h e r u n g im Sinne der Vorschrift zu verstehen sei, ist bestritten. Zweifellos gehören darunter nicht bloß a l l g e m e i n e A n p r e i s u n g e n oder S c h ä t z u n g e n (RG 54, 233; WarnRspr. 1911 Nr. 231). Entscheidend ist die Auffassung des Verkehrs. Bei der Prüfung, ob eine allgemeine Anpreisung vorliegt oder nicht, kann auch auf die Sachkunde des Käufers Gewicht gelegt werden (RG Recht 1914 Nr. 2053). Darf der Käufer in Angaben des Verkäufers mehr erblicken und eine ernstlich gemeinte Angabe über die Eigenschaften annehmen (z. B. beim Pferdehandel die Zusicherung „völliger Gesundheit", SeuffArch. 58 Nr. 4), so gehen sie über bloße Anpreisungen hinaus. Auch die Abwesenheit eines Fehlers (OLG 10, 174; 22, 236; SeuffArch. 62, 140) kann den Inhalt einer solchen Angabe bilden. Aber in der Vereinbarung des Haftungsausschlusses mit dem Zusatz, daß dem Grundstücksverkäufer „von dem Vorhandensein von Schwamm oder Hausbock nichts bekannt" sei, liegt nicht die Zusicherung des Fehlens von Hausschwamm, B G H L M Nr. 1 zu § 463 BGB. Bestritten ist aber, ob für die „Zusicherung" nach § 459 Abs. 2 die ernsthafte einseitige Angabe über das Dasein von Eigenschaften der Kaufsache genügt, auf die der Käufer nach Treu und Glauben im Verkehr sich verläßt, oder ob die Zusicherung wie bei § 463 die Bedeutung einer ausdrücklichen Garantieübernahme hat in dem Sinne, daß für die Folgen des NichtVorliegens der zugesicherten Eigenschaften eingestanden wird. Nach der erstgenannten Auffassung, die von H a y m a n n in RG-Festschrift Bd. I I I S. 3 1 7 f r und Anm. J W 1932, 1862; L e o n h a r d , Schuldrecht II, 51 ff und O e r t m a n n , Das Recht der Schuldverhältnisse, § 459 Anm. 1, 4 u. 5 vertreten wird, soll es also zwei Arten von „Zusicherungen", die nach § 459 Abs. 2 und die qualifizierte nach § 463 geben. Bei der Genauigkeit des BGB erscheint es jedoch ausgeschlossen, daß dasselbe Wort Zusicherung in zwei dicht aufeinander folgenden Vorschriften in verschiedenem Sinne gebraucht worden sein könnte, R a a p e , AcP 150, 481. „Nicht jede bei Gelegenheit von Kaufverhandlungen über den Kaufgegenstand abgegebene Erklärung des Verkäufers kann ohne weiteres als Zusicherung nach § 459 BGB betrachtet werden. Um eine solche annehmen zu können, ist vielmehr erforderlich, daß die Erklärung vom Käufer als vertragsmäßig verlangt, vom Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise abgegeben wurde", so R G 54, 223 und die gem. Meinung, z. B. P l a n c k / K n o k e Anm. 2 a zu §459, vgl. aber R G L Z 1928 Sp. 1385. Die Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 liegt nur vor, wenn beide Vertragschließenden die betreffende Erklärung als Bestandteil des Vertrages gewollt haben, B G H 27. 2. 56 I I Z R 49/55; wenn auch nicht verlangt werden kann, daß dieser Wille mit ausdrücklichen Worten geäußert wird, so muß doch die Gesamtheit der Umstände ergeben, daß die Erklärung als Vertragsinhalt vom Käufer gefordert und vom Verkäufer erteilt worden ist (WarnRspr. 1914 Nr. 487; 1916 Nr. 100). Da das Gesetz in § 459 zwischen vertragsmäßig vorausgesetzten und zugesicherten Eigenschaften unterscheidet (RG 114, 239, 241; 161, 330, 337), genügt zur zugesicherten Eigenschaft nicht schon jede ernsthafte Angabe des Verkäufers über die Beschaffenheit der Kaufsache; erforderlich ist vielmehr eine verpflichtende Erklärung des Inhalts, daß der Verkäufer für das Vorhandensein dieser Eigenschaft einstehe, B G H BB 1958, 284. Die Zusicherung bei Grundstückskäufen bedarf der durch § 3 1 3 gebotenen F o r m , R G 5 2 , 3 5 5 4 , 223; 56, 50; J W 1931, 2232°; die Zusicherung muß auch Gegenstand der erforderlichen vormundschaftlichen Genehmigung sein, R G 6 1 , 209; 99, 72; 114, 38; WarnRspr. 1908 Nr. 30; J W 1913, 370 2 . Auch insoweit wird der Formmangel durch Auflassung und Eintragung geheilt. Die Angabe des Zweckes einer vom Käufer geforderten Zusicherung ist nicht nötig (RG Recht 1918, 505). Noch weniger als bloß b e i Gelegenheit von Kaufverhandlungen über die Kaufsache abgegebene Erklärungen werden Angaben in vorausgehenden Zeitungsanzeigen ohne weiteres zum verpflichtenden Vertragsinhalt erhoben (SeuffArch. 68,16; 68,440); beide Teile müssen sich hier erst recht bewußt sein, daß der Erklärende sich hierzu auch verpflichten will (RG 54, 223; 70, 82; J W 09, 71) und daß sich der Käufer hierauf nach

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Treu und Glauben im Verkehr verläßt. Die Zusicherung ist eine Modalität des Kaufangebots selbst und wird mit diesem im ganzen angenommen, ein besonderer Nebenvertrag liegt regelmäßig nicht vor (aA Gruchot 48, 593; 53, 957). Die Z u s i c h e r u n g kann auch stillschweigend und durch konkludente Handlungen erfolgen (RG 138, 354, J W 1910, 748*; 1932, 155a 4 ; aA D J Z 03, 31). Beim Verkauf von Saatgetreide liegt dem Verkäufer die unbedingte Garantie der Saatguteigenschaft ob, R G 103, 77. Stillschweigende Zusicherungen sind allerdings nur in seltenen Fällen anzunehmen. Auch die Annahme der Zusicherung kann ebenso wie die des ganzen Verkaufsangebots stillschweigend erfolgen. Für die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung genügt nicht schon die Kenntnis des Verkäufers davon, daß der Käufer die Sache in bestimmter Weise verwenden wolle, R G 123, 148. Es bedarf auch nicht einer ganz genauen Bezeichnung der Eigenschaften oder der Verwendung des Wortes „Zusicherung". Eine Egienschaft kann auch in der Weise zugesichert werden, daß der K ä u f e r d i e E i g e n s c h a f t e n f e s t l e g t und der Verkäufer daraufhin die Bestellung annimmt, B G H L M Nr. 2 zu § 463 BGB. Unter Umständen kann die Verwendung eines bloßen Warennamens genügen, um die dieser Ware beiwohnenden Eigenschaften zuzusichern (LZ 1919, 9 2 1 ; R G 47, 124; 103, 77 m. w. Nachw.). Erklärt der Verkäufer eine vom Käufer als für seine Zwecke unentbehrlich bezeichnete Eigenschaft als vorhanden, so liegt darin eine Zusicherung (RG 1 1 . 5. 18 I I 31/18). Bei einer Mehrheit von Verkäufern ist die Zusicherung von allen zu erteilen. Die nur von einem erteilte Zusicherung ist auch für ihn unverbindlich, solange nicht die Mitverkäufer sie genehmigt haben (RG 7. 5. 04 V 490/03) oder vorher mit der Erklärung einverstanden waren. Zuzugeben ist freilich, daß die Grenze zwischen den zugesicherten Eigenschaften und solchen, die nach dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch der Sache vorliegen müssen, flüssig ist. Es kann nur darauf abgestellt werden, daß in Abs. 2 die Zusicherung unmittelbar durch Bezeichnung der Eigenschaften, in Abs. 1 dagegen mittelbar durch Beziehung auf einen diese Eigenschaften voraussetzenden, aber nicht näher bestimmten Gebrauch erfolgt. Der Umstand, daß mit dem Fehlen der Eigenschaft vom Käufer gerechnet wird, schließt die Zusicherung nicht aus ( R G 101, 64). Ist beim Kauf eines Unternehmens eine beschränkte Schuldenlast zugesichert, so ist anzunehmen, daß damit eine Gewähr dafür übernommen wird, daß sich nicht nachträglich noch andere Schulden herausstellen. Unter einem Garantievertrag ist ein selbständiger Vertrag zu verstehen, in dem sich jemand verpflichtet, für das Eintreten eines bestimmten Erfolgs einzustehen oder die Gewähr für einen noch nicht entstandenen Schaden zu übernehmen. Der gewährleistete Erfolg muß ein anderer und weiterer sein, als die bloße Vertragsmäßigkeit der Erfüllung nach §459, R G 61, 1 5 7 5 7 2 , 1 3 8 ; 82, 3375 90,4155 92, 1 2 1 ; 1 2 3 , 2 3 1 ; 1 4 0 , 2 1 8 ; 146, 123. Die Übernahme der Garantie für die Erfüllung der Verkäuferpflichten bedeutet, daß der Garant für die Lieferung mangelfreier Ware und bei Lieferung mangelhafter Ware für die Rückzahlung des Kaufpreises einzustehen hat. Wird eine solche Garantie dem vorleistungspflichtigen Käufer gegeben, so bilden Kaufvertrag und Garantieversprechen, auch wenn sie in getrennten Verträgen niedergelegt sind, rechtlich eine Einheit, so daß die Ungültigkeit des Garantievertrages gemäß § 139 die Ungültigkeit auch des Kaufvertrages zur Folge hat, B G H W M 1955, 610 (vgl. auch unter Anm. 28). R a a p e , AcP 150, 489 bildet den Fall, daß ein Bild als ein Ruisdael der Ältere zu einem hierauf abgestellten Preis verkauft wird, das auch als solches von einem Sachverständigen begutachtet ist, daß aber der Verkäufer das Verlangen des Käufers, das zuzusichern, ablehnt. R a a p e spricht hier von Zusage im Gegensatz zur Zusicherung und meint, die vertragswidrige Beschaffenheit mache das Bild nicht fehlerhaft, es liege eine Lücke im Gesetz vor, die durch entsprechende Anwendung des § 459 Abs. 1 ausgefüllt werden müsse; weil die Kaufsache nicht so beschaffen sei, wie sie nach dem Vertrag sein solle, und die vertragswidrige Beschaffenheit einer Sache der Grund für Wandlung und Minderung sei, müßten die Gewährleistungsansprüche auch hier gewährt werden. F l u m e a. a. O. S. 1 1 3 Anm. 10 erörtert den Fall (RG 97, 351), daß eine Geige mit der Erklärung, sie sei von vorzüglicher Klangschönheit und besonders guter Qualität, sie habe hohen Kunstwert und der Preis sei billig, verkauft wird, daß der 176

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§459 A n m . 26—28

Verkäufer aber die verlangte Gewähr dafür, daß die Geige echt und den verlangten Preis wert sei, ablehnt. F l u m e verneint die Anwendbarkeit des §459 und sagt: Wenn eine vom Käufer verlangte Gewährübernahme vom Verkäufer abgelehnt wird, ist die betreffende Eigenschaft nicht Gegenstand der Kaufvereinbarung; dann ist das Bestehen der Eigenschaft sogar in Zweifel gezogen worden, und wenn der Käufer trotzdem den Vertrag abschließt, so nimmt er das Risiko, daß die Eigenschaft nicht besteht, in Kauf. Beide Fälle sind ungeachtet des verschiedenen rechtlichen Standpunkts beider Autoren richtig gelöst; sie unterscheiden sich im Tatsächlichen und machen die Feinheit deutlich, die auch ohne Zusicherung noch zur Haftung des Verkäufers f ü h r t : I m ersteren Falle ist der Kaufpreis darauf ausgerichtet worden, daß der Kaufgegenstand von einem bestimmten Maler stamme; damit bezieht sich die Kaufvereinbarung auf eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufgegenstandes, woran es im zweiten Falle fehlt. A n m . 26 3. Ein V e r s c h u l d e n oder gar eine Kenntnis des Verkäufers vom Fehlen der zugesicherten Eigenschaft wird für die Haftung ebensowenig erfordert wie nach Abs. I. Die Haftung nach Abs. 2 ist aber umfassender als nach Abs. 1, da sie nicht bei unerheblichem Mangel (RG 66, 167; 47, 135; J W 07, 300; B G H 28. 2. 55 II ZR 43/54) ausgeschlossen ist, und außerdem im Falle des §463 auch auf Schadensersatz geht. G a n z g e r i n g f ü g i g e , im Verkehr nicht beachtete Fehler kommen allerdings nach Treu und Glauben auch hier nicht in Betracht (OLG 22, 224). Durch den Umstand, daß dem Käufer der Fehler zufolge grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb, wird die Haftung ebenfalls nicht beseitigt (§460). Eine allgemeine Offenbarungspflicht besteht nicht, außer wenn Treu und Glauben im Verkehr sie erfordern, RG 151, 161. A n m . 27 4. Die Zusicherung erfolgt zwar b e i A b s c h l u ß des Kaufvertrags, bezieht sich aber auf den Zeitpunkt Ubergabe der Kaufsache. Sofern sie n a c h t r ä g l i c h , aber noch vor der Übergabe gegeben wird, kann eine Abänderung des bisherigen Kaufvertrags vorliegen oder eine selbständige neue Verpflichtungsübernahme (RG 67, 146; 95, 120). A n m . 28 5. Die Zusicherung kann sich auch auf Eigenschaften beziehen, die i n d e r G e g e n w a r t (zur Zeit des Kaufabschlusses, WarnRspr. 1917 Nr. 28, oder des Gefahrübergangs) v o r h a n d e n s e i n oder in der V e r g a n g e n h e i t b e s t a n d e n h a b e n sollen (RG Recht 1918, 504). Zusicherungen, daß eine zur Zeit des Gefahrübergangs vorhandene Eigenschaft auch in Zukunft fortdauere oder daß eine nicht vorhandene Eigenschaft in Zukunft vorhanden sein werde, sind nicht Eigenschaftszusicherungen nach § 459 Abs. 2, RG J W 1912, 747 10 ; RG 148, 295; vgl. auch oben unter Anm. 17). Sie sind Gegenstand eines besonderen Garantievertrags, der andern Regeln folgt und in der Übernahme der Verpflichtung besteht, dafür einzustehen, daß ein gewisser Zustand oder Erfolg später vorhanden sein, fortdauern oder eintreten werde (RG J W 1918, 36 1 1 ; 1932, 1552 4 ; WarnRspr. i g u Nr. 172; 1914 Nr. 154; vgl. auch oben V 2). Abweichendes spricht auch RG 91, 306 nicht aus, wenn es annimmt, daß zur Zeit des Gefahrübergangs die Eigenschaft längerer Haltbarkeit garantiert worden sei. Wenn aber R G H R R 1930, 1439 auch in solchem Falle die Gewährleistungsansprüche wegen Mängel der Sache gibt, so befindet es sich in Widerspruch mit den vorstehenden Entscheidungen. Es muß aber anerkannt werden, daß die Vereinbarung eines solchen Garantievertrags die zulässige stillschweigende Abmachung enthalten kann, daß die gewöhnlichen Gewährleistungsansprüche des § 45g Anwendung finden sollen. Insbesondere kann dem Ausdruck, „ d a ß für eine bestimmte Zeit Garantie geleistet werde", eine verschiedene Bedeutung beigelegt werden; entweder dahin, daß der Verkäufer Mängel des verkauften Gegenstandes innerhalb der Garantiefrist unentgeltlich beseitigen werde, oder dahin, daß der Verkäufer auch nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist für die bis zum Ablauf der Garantiefrist entdeckten Fehler haften wolle (RG 65, 1 2 1 ; 91, 306; 128, 213). 11

Komm. z. BGB, u . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 459 A n m . 29, 30

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Zum G a r a n t i e v e r s p r e c h e n gehört nicht, daß es ohne rechtlichen Zusammenhang mit sonstigen Vertragsvereinbarungen, ganz unabhängig erteilt wird; notwendig ist vielmehr, daß der gewährleistete Erfolg ein anderer und ein weitergehenderer ist als die bloße Vertragsmäßigkeit der Leistung, R G 165, 41, 46 fr. Garantiert der Verkäufer dagegen bloß die Leistungsfähigkeit der Kaufsache, so liegt darin nur eine Bekräftigung der Zusicherung einer Eigenschaft, B G H BB 1957, 1195. VI. Haftungsbefreiungen A n m . 29 A u s g e s c h l o s s e n ist die Haftung: 1. wenn der Käufer den Mangel beim Abschluß des Vertrags gekannt hat (§ 460); 2. wenn eine verpfändete Sache in öffentlicher Versteigerung als Pfand verkauft wird (§ 461; § 806 Z P O ; § 56 ZVG); 3. im Falle des § 2376 Abs. 2; vgl. auch § 2385 Abs. 2; 4. wenn die Haftung des Verkäufers d u r c h V e r e i n b a r u n g mit dem Käufer erlassen oder beschränkt ist. Ein Kauf „wie besehen" oder „wie besichtigt" schließt im Zweifel nur die Haftung für sichtbare Mängel aus (RG 94, 287; Recht 1914 Nr. 2637; WarnRspr. 1913 Nr. 281; 1919 Nr. 1 1 4 ; LZ 1920, 652; SeuffArch. 87 Nr. 129; B G H BB 1953, 693; 1957, 238. Ebenso Kaufeines Grundstücks „wie seither besessen" (RG ZAkDR 1937, 1094). Ist der Kaufpreis durch das sachverständige Ermessen eines Dritten zu bestimmen, gilt gleichfalls Gewährleistung für ausgeschlossen (RG Recht 08 Nr. 46). Haftungsausschluß und -beschränkung (vgl. dazu § 433 Anm. 40) sind nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt, § 476. Der Erlaß der Haftung kann auch stillschweigend erfolgen oder sich aus der Natur des ganzen Vertrags ergeben (RG 87, 336 zu eng). So kann die Verabredung über Nachbesserungsarbeiten den Ausschluß der Gewährleistung bedeuten (RG LZ 1916 Sp. 147 12 ). Ebenso kann bei gewagten Geschäften, bei Käufen in Bausch und Bogen stillschweigend die Gewährleistung als ausgeschlossen gewollt sein. Ist bedungen, daß der Verkäufer die gelieferte Sache, falls sie mangelhaft sein sollte, nur nachzubessern habe, „ohne für weiteren Schaden zu haften", so ist im Zweifel der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung dann nicht ausgeschlossen, wenn Nachbesserung vergeblich versucht worden ist, R G 96, 266; vgl. auch oben Anm. 11. Eine Freizeichnungsklausel, die nach der Behauptung des Verkäufers auch die Haftung für zugesicherte Eigenschaften betreffen soll, ist besonders streng auszulegen, R G D R 1939, 18905. Die Zulässigkeit des Haftungsausschlusses und der Haftungsbeschränkung durch allgemeine Lieferungsbedingungen wird nicht nur durch § 276 Abs. 2, sondern weitgehend auch durch § 138 eingeengt, R G D R 1941, 1726». 5. Der Käufer kann der Gewährleistungsansprüche später verlustig gehen, wenn er durch sein Verhalten kundgibt, daß er auf sie verzichtet. Dabei ist aber sein Gesamtverhalten zu berücksichtigen (RG 54, 80; 98, 231). VII. B e w e i s l a s t A n m . 30 Bestreitet der Käufer gegenüber der Kaufpreisklage, die gekaufte Sache oder beim Gattungskauf eine Sache der gekauften Art erhalten zu haben, oder macht er geltend, daß die gelieferte Sache nicht die vertragsmäßigen Eigenschaften besitze, so hat der Verkäufer zu beweisen, daß er erfüllt hat, RG 57, 399; 66, 282; 109, 296; B G H 6, 225. I m Falle des § 447 genügt es, wenn der Verkäufer beweist, daß er die Ware in vertragsmäßigem Zustand abgesandt hat. Nach § 363 kehrt sich die Beweislast um, falls der Käufer die Leistung als Erfüllung angenommen hat, RG 57, 399; 66, 282; 109, 296. Dasselbe gilt, wenn der Verkäufer nach besonderer Vereinbarung schon vor Übergabe der Ware den Kaufpreis fordern darf, was beim Kauf „netto Kasse gegen Faktura", „Kasse gegen Faktura" oder „netto Kasse nach Erhalt der Faktura" der Fall ist (RG 106, 299); hier hat der Verkäufer, der den Kaufpreis einklagt, nur darzutun, daß der Käufer die Rechnung erhalten hat, RG 106, 299.

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§ 459

Anm. 31—33

Der Käufer, der Gewährleistungsansprüche erhebt, hat die Beweislast dafür, daß die gelieferte Sache mangelhaft sei oder daß ihr eine zugesicherte Eigenschaft fehle (BGH L M N r . i zu § 377 H G B ; 16. 5. 55 I I Z R 61/54). Denn das gehört zum Anspruchsgrund.

VIII. Verhältnis der Gewährleistungsansprüche zu anderen Rechtsbehelfen Hier ist zwischen der Zeit v o r und der n a c h d e m G e f a h r ü b e r g a n g zu unterscheiden :

Anm. 31 A . V o r d e r Ü b e r g a b e können die allgemeinen Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung eines Vertrags schlechthin geltend gemacht werden. Denn vor dem Ubergang der Gefahr auf den Käufer können diese Rechtsbehelfe durch den Gewährleistungsanspruch um deswillen nicht behindert sein, weil der Gewährleistungsfall, von besonderen Umständen abgesehen, noch gar nicht eingetreten ist (RG 53, 73; 70, 429; 96, 156). Daher kann der Käufer bis dahin die Rechte aus §§320ff und culpa in contrahendo geltend machen, die Einrede des nichterfüllten Vertrages erheben, sich auf veränderte Geschäftsgrundlage oder auf ursprüngliche und nachträgliche Unmöglichkeit berufen, und zwar auch dann, wenn dafür Fehler der Kaufsache die Grundlage des Anspruchs bilden. Vor Gefahrübergang kann der K ä u f e r den Kaufvertrag w e g e n I r r t u m s ü b e r verkehrswesentliche Eigenschaften der Kaufsache nach § 1 1 9 Abs. 2 anfechten. Die Gründe dafür, daß die Gewährleistungsregelung die Irrtumsanfechtung ausschließt, lassen sich bis auf das aus § 477 abgeleitete Argument allerdings auch dafür anführen, daß die Anfechtung nach § 1 1 9 Abs. 2 bereits vom Kaufabschluß an ausgeschlossen sei (vgl. dazu F l u m e aaO S. 134 und die dort in Anm. 10 gebrachten Zitate). Aber man müßte dann den Käufer bereits v o r Ubergabe auf diejenigen Rechte verweisen, die er nach dem Gesetz erst nach der Ubergabe der Kaufsache haben soll und die ihm, wenn es nicht zur Übergabe kommt, nur beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen (vgl. dazu oben Anm. 12) zugestanden werden können.

Anm. 32 B . Dagegen können n a c h Ü b e r g a b e aus Fehlern der Kaufsache keine anderen Rechte als die Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden.

Anm. 33 1 . Der Käufer ist berechtigt, die angebotene mangelhafte Sache abzulehnen (JW 1912, 461 7 ; 1915, 1003 9 ). Denn das Angebot mangelhafter Ware ist keine Vertragserfüllung (RG 57, 399; 66, 282; 109, 296); kommt es mangels Entgegennahme nicht zur Ubergabe der mangelhaften Kaufsache, so stehen dem Käufer die allgemeinen Rechte zu; er braucht also mangelhafte Ware nicht entgegenzunehmen und sich dadurch nicht auf die Rechte nach den §§ 459fr. abdrängen zu lassen; läßt er es aber zur Übergabe kommen, so hat er keine anderen Rechte als die nach den §§ 459 fr. Alsdann hat er gegenüber der Kaufpreisklage insbesondere nicht die Einrede des unerfüllten Vertrages (RG 66, 333), sondern kann nur die seinen Gewährleistungsansprüchen entsprechenden Einreden vorschützen, also den Kaufpreis bei Minderung teilweise und bei Wandlung ganz verweigern. Da der Bürge die Wandlung nicht an Stelle des Käufers erklären kann, kann er die Wandlungseinrede (anders als die Einrede des nichterfüllten Vertrages) nur erheben, wenn der Käufer dieses Recht bereits geltend gemacht hat, R G 66, 333 (vgl. auch B G H 24, 97; über Minderung vgl. § 462 Anm. 7). Anders als bei der Einrede des nichterfüllten Vertrages trifft den Käufer die Beweislast für die Grundlage der Wandlungs- oder Minderungseinrede, da wegen § 462 derjenige für die Fehlerhaftigkeit der Kaufsache beweispflichtig ist, der daraus Rechte für sich in Anspruch nimmt, R G 95, 119. Beim Gattungskauf kann die Einrede des nichterfüllten Vertrages auch noch nach Ubergabe der mangelhaften Kaufsache erhoben werden, da hier der Käufer den Erfüllungsanspruch behält und ihn statt Wandlung oder Minderung geltend machen kann. ii'

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§ 459 A n m . 34—36

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 34 2. Fehlt der K a u f s a c h e von vornherein die E i g e n s c h a f t , die nach § 45g Abs. 1 vorausgesetzt wird oder nach Abs. 2 zugesichert ist, und kann der Fehler nicht behoben werden, ist also die Lieferung einer vertragsmäßigen Sache unmöglich, so ist der Vertrag an sich nach § 306 nichtig (vgl. auch oben Anm. 3). Da aber die Unmöglichkeit, eine mangelfreie Sache zu liefern, bei Übergabe zugleich den Garantiefall begründet, so kann, wenn die Sache übergeben ist, nicht mehr die ursprünglich vorhandene Unmöglichkeit als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht werden — wie es vor der Ubergabe zulässig war —, sondern der Käufer ist ausschließlich auf die Gewährleistungsansprüche angewiesen ( R G WarnRspr. 1918 Nr. 185). A n m . 35 3. Wird die verkaufte Sache nach Kaufabschluß mangelhaft und dadurch ihre m a n g e l f r e i e L i e f e r u n g u n m ö g l i c h , so sind bis zur Ubergabe die §§ 323, 325, ab Ubergabe der Kaufsache dagegen Wandlung, Minderung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegeben. Denn bei Ubergabe der Kaufsache in mangelhaftem Zustande greift die Sonderregelung der §§ 459 fr. ein, die alle sich aus dem Mangel nach allgemeinen Vorschriften ergebenden Rechtsbehelfe ausschließt. Die Haftung des Verkäufers geht darauf, daß die Sache bei U b e r g a b e frei von Mängeln ist, und hierfür ist es gleichgültig, ob die Mängel vor oder nach dem Kaufabschluß entstanden sind. Es ist auch ohne Belang, ob keine der Parteien oder der Verkäufer die Unmöglichkeit zu vertreten hat, denn nach § 459 kommt es nur auf die objektive Tatsache des Vorliegens von Mängeln an. Wenn aber der K ä u f e r selbst die Unmöglichkeit verschuldet, dann bleibt es bei § 324, denn die Haftung des § 459 bezieht sich nicht auf diesen Fall. Bestritten ist allerdings, ob die mangelhafte Lieferung überhaupt unter den Begriff der Unmöglichkeit (qualitative Unmöglichkeit) fällt (vgl. M a i n z , Die Haftung des Verkäufers für nachträglich entstandene Mängel, 1933). Die Fragestellung ist verfehlt. In Betracht kommt nur, ob ein vorhandener Mangel eine mangelfreie Lieferung unmöglich macht oder nicht. Dies ist aber zu bejahen. Da der Grund der Unmöglichkeit dann der Mangel ist und die Folgen des Mangels von § 459 ausschließlich geregelt sind, kommen die Rechtsregeln über die Unmöglichkeit der Lieferung nicht zur Anwendung (von R G 88, 105 dahingestellt gelassen). Unzulässig ist es jedoch, bei vorhandenen Mängeln von t e i l w e i s e r U n m ö g l i c h k e i t zu reden. Diese setzt voraus, daß die Leistung teilweise möglich ist und in Teile zerlegt werden kann. Daran fehlt es bei der Verpflichtung, eine Sache von vertragsmäßiger Beschaffenheit zu liefern. Ist der Mangel einer Sache nicht behebbar, so ist die Leistung des Verkäufers, soweit sie in der Lieferung einer mangelfreien Sache besteht, gänzlich und nicht bloß teilweise unmöglich. Bei V e r s e n d u n g s k ä u f e n haftet der Verkäufer nicht für Mängel, die zwar bei Ubergabe an den Spediteur vorlagen, aber bei Ablieferung an den Käufer behoben sind, R G 55, 207; J W 96, 7. A n m . 36 4. Die Sachmängelgewähr der §§459 ff. schließt als Sonderregelung die I r r t u m s anfechtung nach § 119 Abs. 2 wegen Fehlens von verkehrswesentlichen Eigenschaften der Kaufsache aus, R G 61, 1 7 1 ; 62, 282; 64, 269; 70, 429; 135, 340; 138, 356; 157, 174; B G H 16, 57. Der Käufer kann also wegen Irrtums über Eigenschaften der Kaufsache, die unter die Gewährschaftshaftung des Verkäufers für Sachmängel fallen, nach Gefahrübergang nicht mehr anfechten; daher können tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse, die zufolge ihrer Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach den Verkehrsanschauungen einen Einfluß auf die Wertschätzung auszuüben pflegen und den Begriff der Eigenschaften im Sinne des § 1 1 9 Abs. 2 erfüllen, nur dann zur Irrtumsanfechtung führen, wenn sie dem Vertrage zugrunde gelegt wurden, ohne daß sich die Verhandlungen zu einer Zusicherung nach den §§ 459 Abs. 2, 463 verdichtet haben, R G 64, 269; B G H 16, 57. F l u m e , Eigenschaftsirrtum und Kauf, geht darüber noch hinaus. Er meint, die Anfechtung sei nicht nur in den Fällen ausgeschlossen, in denen die Rechtsprechung Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften angenommen hat, sondern in a l l e n Fällen, in denen sich der Käufer über die vereinbarte Beschaffenheit der Kaufsache irrt, insbesondere in allen Fällen, in denen die Kaufsache gegenüber der verein-

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K a u f . Tausch

§459

A n m . 37 barten Beschaffenheit anders ist. Damit wird jedoch der gesetzliche Begriff" des Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften verlassen und durch den des Irrtums über die vertragsmäßige Beschaffenheit ersetzt. Wegen Irrtums über die K a u f k r a f t des Geldes kann nicht angefochten werden, R G m , 259Ein mit Kaufvertragsbestandteilen g e m i s c h t e r V e r t r a g (z. B. K a u f - und Agenturvertrag oder Generalvertretung für den Vertrieb einer Ware innerhalb eines bestimmten Bezirks mit der gleichzeitigen Verpflichtung zum Bezüge einer bestimmten Menge der Ware für eigene Rechnung) kann wegen Irrtums über wesentliche Eigenschaften der Ware dann angefochten werden, wenn der Irrtum dafür ursächlich war, daß die Vertriebsverpflichtung übernommen wurde, R G 65, 3 7 ; Gruchot 72, 450; wollte man den Irrenden hier auf die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche verweisen, so würde die besondere Interessenverknüpfung, die derartige Verträge von einem reinen K a u f vertrag unterscheidet, zu Unrecht unberücksichtigt bleiben. Die 9. Aufl. vertrat den Standpunkt, der Verkäufer könne den K a u f nach § 1 1 9 Abs. 2 immer anfechten. Das ist nicht richtig. Der I r r t u m d e s V e r k ä u f e r s über die Beschaffenheit der Kaufsache kann beachtlich sein ( R G 124, 1 1 5 ) . Das gilt insbesondere, wenn sich der Verkäufer über die vereinbarte Beschaffenheit der Kaufsache irrt und hierin ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft liegt. Gleichwohl hat der Verkäufer kein Anfechtungsrecht, falls er sich durch die Anfechtung der Gewährhaftung entziehen würde. Es wäre sinnlos, wenn dasselbe Gesetz, das den Verkäufer für Sachmängel haften läßt, ihm zugleich die Handhabe böte, sich dieser Haftung, wenn auch vielleicht mit dem Nachteil der Schadensersatzpflicht nach § 122 zu entziehen. Das Anfechtungsrecht hat mit der Sachmängelhaftung dagegen dann nichts zu tun und ist darum nicht ausgeschlossen, wenn die Kaufsache außer der vereinbarten Beschaffenheit noch besondere Vorzüge hat, die der Verkäufer nicht kannte, F l u m e aaO S. 146 fr. Dem K ä u f e r kann ein Erklärungsirrtum auch in Bezug auf die Beschaffenheit der Kaufsache unterlaufen, z. B. wenn er ein bestimmtes Stück Porzellan kauft, es als Meißner Porzellan hat kaufen wollen und bei Abgabe seiner Erklärung das Wort Meißner aus Versehen weggelassen hat, oder, wenn er, ohne dies zu erkennen, in eine Roßschlächterei gerät und, auf ein Filet weisend, erklärt, dieses Stück kaufe er (Beispiele von F l u m e a a O S. 105 und B r a u e r , Der Eigenschaftsirrtum, 1 9 4 1 , S. 23). Auch obwohl sich der Erklärungsirrtum solchenfalls auf die Beschaffenheit der Kaufsache bezieht, kann der K ä u f e r ungehindert anfechten. *

A n m . 37 5. Die Anfechtung wegen a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g nach § 123 ist neben den Gewährleistungsansprüchen zulässig; es würde eine ungerechtfertigte Begünstigung des Betrügers bedeuten, wenn der Käufer auf die Wandlung beschränkt würde. Zudem ist nichts ersichtlich, was den Gesetzgeber veranlaßt haben könnte, dem Käufer, der durch arglistige Täuschung in bezug auf die Beschaffenheit der Kaufsache zum Vertragsabschluß bewogen wurde, die für jeden Fall der arglistigen Täuschung berechnete Anfechtung zu entziehen und ihn auf das mit schwächeren Wirkungen ausgerüstete Wandlungsrecht zu beschränken ( R G 62, 1 2 6 ; 96, 1 5 6 ; 104, 1 ; J W 1 9 1 3 , 197 8 ; 1914» 189; SeuffArch. 70, 43). Der Umstand, daß in § 480 Abs. 2 bei G a t t u n g s k ä u f e n dem K ä u f e r anstatt der Wandlung usw. auch ein Schadensersatzanspruch zugebilligt wird, macht nicht den Schluß notwendig, daß hier die Anfechtung ausgeschlossen sein soll, wie R G 70, 423 annimmt. Auch bei Gattungskäufen liegt kein Anlaß vor, den betrügerischen Verkäufer zu stellen. Anfechtung und Wandlung sind in ihren Wirkungen verschieden: Durch Anfechtung wird der Vertrag gegenüber jedermann vernichtet, die Wandlung führt dagegen zur schuldrechtlichen Rückgängigmachung des Vertrages, § 467. Auch die Voraussetzungen unterscheiden sich: zur Wandlung genügt arglistiges Verschweigen oder arglistige Zusicherung, zur Anfechtung gehört, daß der Wille des Käufers durch das arglistige Verhalten bestimmt worden ist. Verlangt der zur Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigte K ä u f e r in Kenntnis dieses Rechts vor Erhebung der Klage Wandlung und gleichzeitig Schadensersatz nach § 463,

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§ 459 A n m . 38, 39

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

so liegt darin grundsätzlich keine Bestätigung des anfechtbaren Kaufvertrags, B G H NJW 1958, i77 l A n m . 38 6. Der Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung n a c h § 826, insbesondere wegen Betrugs, steht dem Käufer aus demselben Grunde wie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung neben dem in § 463 gewährten Schadensersatzanspruch zu und unterliegt nicht der kurzen Verjährung des § 477, RG 56, 169; 93, 160; 117, 316. Er ist auch zulässig, wenn der Kauf wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist, denn die unerlaubte Handlung des Betruges ist selbständiger Klaggrund, das Bestehen eines Vertrages wird nicht vorausgesetzt. Daher kann an sich auch nach erfolgter Anfechtung noch der Schadensersatzanspruch aus § 826 geltend gemacht werden (aM RG 74, 1). Mit der Klage aus § 826 kann der Käufer aber nur Wiederherstellung des früheren Zustandes (§ 249), mit der Klage aus § 463 dagegen das Erfüllungsinteresse verlangen, also begehren, so gestellt zu werden, wie er bei Richtigkeit der Zusicherung gestanden haben würde, RG 132, 78. A n m . 39 7. Positive Vertragsverletzung und Verschulden b e i m Vertragsschluß. P o s i t i v e V e r t r a g s v e r l e t z u n g ist jede schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht, die einen über das Erfüllungsinteresse hinausgehenden Schaden verursacht oder die Erreichung des Vertragszwecks derart gefährdet, daß dem Vertragstreuen Teil die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, R G 161, 337/38; RG J W 1936, 2391 7 . Sie kann auch in der Lieferung mangelhafter Ware oder darin bestehen, daß der Schuldner seine Leistung für die Zukunft verweigert oder nur unter vertragswidrigen Bedingungen leisten will, RG 171, 297, 301; 172, 20, 24; B G H NJW 1958, 177 2 . Eine positive Vertragsverletzung liegt auch vor, wenn sich der Verkäufer schuldhaft weigert, eine bei seinen Vertragsleistungen entstandene, durch ergänzende Vertragsauslegung behebbare Vertragslücke zu schließen, B G H W M 1958, 700; am Verschulden fehlt es solchenfalls nicht, wenn der Käufer mit einem grob unbilligen Standpunkt die ergänzende Auslegung des Vertrages durch Richterspruch abwarten will, B G H M D R 1951, 217; W M 1958, 700. Der Verletzte kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, also verlangen, in Ansehung der Kaufsache so gestellt zu werden, wie er bei gehöriger Erfüllung gestanden haben würde (Erfüllungsinteresse) oder vom Vertrage zurücktreten (BGH 11, 84 m. w. Nachw.; B G H NJW 1958, 1 77 2 ) • Auch jedes V e r s c h u l d e n b e i V e r t r a g s v e r h a n d l u n g e n verpflichtet zum Schadensersatz (RG 120,251 /52 m. w. Nachw.: 159,33,53 f f ) ; in der Regel ist nur das negative Interesse, jedoch nicht über das Erfüllungsinteresse hinaus, zu ersetzen, der Geschädigte also so zu stellen, wie er gestanden haben würde, wenn der andere Teil den ihm bei den Vorverhandlungen bestehenden Pflichten genügt hätte; würde der Geschädigte ohne das schuldhafte Verhalten des anderen Teils einen Erfüllungsanspruch gehabt haben, so deckt sich das negative Interesse mit dem Erfüllungsanspruch; ist der Vertrag nicht schuldhaft vereitelt worden, sondern zustandegekommen, gibt er aber infolge Verschuldens beim Vertragsschluß weniger als bei gehöriger Aufklärung, so besteht das Erfüllungsinteresse in dem, was der Geschädigte erlangt hätte, wenn das, worauf er vertraut hat und den Umständen nach vertrauen durfte, in Erfüllung gegangen wäre, R G 159, 57. Sowohl Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung wie Ansprüche aus Verschulden beim Vertragsschluß können neben den Gewährleistungsansprüchen und unabhängig von ihrem Vorliegen zustehen (RG 52, 18; 53, 200; 56, 166; 66, 289; 68, 192; 144, 162; 148, 296; 149, 187; 161, 193; 161, 337; RG WarnRspr. 1915 Nr. 139); sie stehen dem Käufer auch neben dem Anspruch auf Lieferung einer anderen Gattungssache (§ 480) zu. Soweit aber die gesetzliche Sonderregelung der Gewährleistungsansprüche eingreift, versagt die Haftung wegen schuldhafter Vertragserfüllung (RG 52, 18; ®4> 43! 71' I74> 95» 4> I25> 76) u n d die Haftung wegen Verschuldens beim Vertragsschluß (RG 135, 346/7; 148, 296; 161, 337; RG J W 1930, 3472 2 ; 1934, 2906 2 ; 1935, 1687 4 ). Daher können aus positiver Vertragsverletzung solche Schäden nicht ersetzt

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Kauf. Tausch

§ 459 A n m . 39

verlangt werden, die auch schon bei Nichterfüllung entstehen würden (z. B. wegen Unverwendbarkeit der mangelhaften Ware) oder die auch bei ordnungsmäßiger Erfüllung entstehen würden (z. B. Zahlung des Kaufpreises, Aufwendung der Transportkosten), denn, diese Schäden auszugleichen, ist die Gewährschaftshaftung bestimmt, R G D R 1941, 637. Dagegen kommt ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung in Frage, soweit es sich um einen Nachteil handelt, der über den Mangel der Kaufsache hinausreicht, oder anders ausgedrückt, soweit es um besondere Folgen der mangelhaften Erfüllung geht, insbesondere um solche, die durch die Verwendung der mangelhaften Ware verursacht sind, R G D R 1941, 637 s . Ganz entsprechend können Ansprüche aus Verschulden beim Vertragsschluß nicht aus fahrlässig unrichtigen vorvertraglichen Angaben über Sacheigenschaften (RG 135, 339, 346) und andere Umstände, die für die Erreichung des Vertragszwecks von Wert sind (RG J W 1934, 2906) erhoben werden. Denn daraus, daß § 463 einen Schadensersatzanspruch wegen Verschweigens eines Fehlers nur bei Arglist des Verkäufers gibt und § 476 die Freizeichnung von der Mängelhaftung nur bei Arglist für nichtig erklärt, folgt, daß Schadensersatzansprüche aus bloß fahrlässigem Verhalten beim Vertragsschluß insoweit nicht gegeben werden können, als die Sondervorschriften der §§ 459fr. eingreifen (RG 148, 296; 161, 193; 161, 337; R G SeuffArch. 78 Nr. 7; R G J W 1935, 1687; B G H M D R 1956, 214, 216; BB 1958, 426 Nr. 783). Damit entfällt nicht jede Haftung für fahrlässig unrichtige Angaben beim Vertragsschluß; ein solcher Anspruch ist gegeben, wenn der Sachverhalt nicht unter die Gewährschaftshaftung zu bringen ist, wie das der Fall ist, wenn der Verkäufer eine ihm bewilligte Ermäßigung der Grundsteuern fahrlässigerweise unrichtig angibt und der Käufer diese Angabe seiner Ertragsrechnung zugrunde legt, R G D R 1940, 795 14 . Ähnlich liegt es, wenn sich in geliefertem Schrott ein Geschoß mit intaktem Zünder befindet und durch dessen Explosion ein Schaden entsteht und der Schaden darauf zurückzuführen ist, daß der Schrotthändler der ihm obliegenden Pflicht, den Schrott vor Lieferung zu prüfen, nicht nachgekommen ist, B G H BB 1953, 992. Erhielt der fachkundige Verkäufer, der im Zuge der Vertragsverhandlungen die Stellung einer Vertrauensperson eingenommen und die der fachunkundige Käufer als Berater und Fachmann angesehen hat, Rat oder Empfehlung über die Verwendungsmöglichkeit der Kaufsache, so kann die Ratserteilung Gegenstand einer selbständigen vertraglichen Verpflichtung oder eine Nebenverpflichtung aus dem Kaufvertrag sein, B G H BB 1958, 426 Nr. 783. Soweit ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung aus schuldhaft mangelhafter Lieferung geltend gemacht werden kann — das ist wegen des mittelbaren Schadens, R G D R 1941, 637 —, unterliegt er der kurzen Verjährungsfrist des §477, R G 53, 203; 56, 169; 93, 1 6 1 ; 1 1 7 , 3 1 6 ; 129, 282; 144, 162. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Feststellung von Beschaffenheitsmängeln nach längerer Zeit praktisch undurchführbar ist und daß die längere Zeit hinausgeschobene Geltendmachung von Mängeln den ordentlichen Ablauf des Geschäftsverkehrs stört. Wird jedoch der Schadensersatzanspruch nicht aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache selbst, sondern aus Verletzung einer Nebenpflicht (z. B. aus der Pflicht zum Einbau eines verkauften Motors) hergeleitet, die mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache in keinem Zusammenhang steht, so ist für die Anwendung des §477 kein Raum; alsdann muß § 195 Platz greifen, R G 144, 162. Ganz entsprechend hängt ein auf positive Vertragsverletzung gegründeter Schadensersatzanspruch, der aus schuldhafter Lieferung einer mangelhaften Sache hergeleitet wird, beim beiderseitigen Handelskauf (§§ 377, 378 HGB) davon ab, daß die Mangelhaftigkeit der Kaufsache unverzüglich nach Ablieferung gerügt wird, R G 125, 76, 78; O L G Karlsruhe/Freiburg N J W 1958, 226 1 1 , während ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung, der mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht unmittelbar zusammenhängt, von der Rügepflicht der §§ 377, 378 H G B unabhängig ist (RG 129, 280, 283, B G H Ii. 11.53 II Z R 242/52 insoweit nicht veröffentlicht). Auch das Verschulden beim Vertragsschluß hat mit der Gewährhaftung nichts zu tun, soweit es sich nicht auf Eigenschaften oder Fehler des Kaufgegenstandes bezieht, R G 148, 296. Den B e w e i s des V e r s c h u l d e n s hat der Käufer zu führen, R G 66, 289. Soweit ein Schadensersatzanspruch besteht, kann auch ein Anspruch auf N a c h b e s s e r u n g geltend gemacht werden, §§276, 249.

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§459Anm.40—44 § 460 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 40 8. Fehlte der Kaufsache bei Vertragsschluß die vereinbarte Beschaffenheit, gingen aber beide Vertragsteile vom Vorhandensein dieser Beschaffenheit aus, so kann sich der Käufer nach Gefahrübergang auch nicht auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage berufen, RG 135, 346; 161, 337Anm. 41 9. Nach Eintritt der Verjährung des Wandlungsanspruchs kann die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nicht verlangt werden, RG 128, 215; 135, 347. Anm. 42 10. Zur Ausschließung anderer Rechte kommen nur Mängel und Eigenschaften der Sache selbst, nicht auch z. B. der Verpackung in Betracht (RG 6. 10. 21 VI 345/21)Anm. 43 11. Die Vorschrift des §459 Abs. 1 scheidet beim Kauf der in §481 aufgezählten Tierarten völlig aus, RG 123, 148; vgl. auch §481 Anm. 4. Anm. 44 12. Wer eine Ware im eigenen Namen, aber im Auftrage eines Dritten kauft, damit sie von diesem verwendet wird, kann einen Schadensersatzanspruch aus Gewährleistung oder schuldhaft mangelhafter Erfüllung auch insoweit geltend machen, als dem Dritten durch die Verwendung der Ware ein Schaden entstanden ist (Drittschaden), es sei denn, daß sich der Dritte mit der Lieferung der mangelhaften Ware zufrieden gegeben hat, RG DR 1941, 637».

§460 Der Verkäufer hat einen Mangel der verkauften Sache nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel bei dem Abschlüsse des Kaufes kennt. Ist dem Käufer ein Mangel der i m § 459 Abs. 1 bezeichneten Art infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so haftet der Verkäufer, sofern er nicht die Abwesenheit des Fehlers zugesichert hat, nur, wenn er den Fehler arglistig verschwiegen hat. E 1 3 8 2 n 398; M a 220; P 1 6 7 1 ? .

I. II. III. IV. V.

Kenntnis Grob fahrlässige Unkenntnis Arglist Mitverschulden Beweislast

Übersicht

Anm.

1-—4 5 6—8 9 10

Anm. 1 I. Die in § 459 geordnete Haftung bezieht sich nur auf verborgene Mängel. Die Haftpflicht des Verkäufers ist bei Kenntnis des Käufers von den der verkauften Sache anhaftenden Mängeln ausgeschlossen (stillschweigender Verzicht), und zwar sowohl von den Fehlern (§459 Abs. 1), als von dem Mangel zugesicherter Eigenschaften (§459 Abs. 2). Eine Untersuchungspflicht besteht nach bürgerlichem Recht nicht, sondern nur bei Handelsgeschäften, § 377 HGB. Die Kenntnis von der Absicht des Käufers, die Ware sofort an seinen Verkäufer weiterzusenden, genügt für sich allein nicht, um die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung über die Verlegung des Untersuchungsorts zu rechtfertigen, RG BayZ 1919, 15. Nach dem besonderen Fall kann aber im gänzlichen 184

K a u f . Tausch

§460

Anm. 2—6

Unterlassen einer Besichtigung grobe Fahrlässigkeit liegen. Die Kenntnis schließt auch die Haftung des Verkäufers für arglistig verschwiegene Mängel aus ( R G 55, 2 1 4 ) . Der K ä u f e r muß den Mangel in seiner Gesamtheit kennen. Wußte der Käufer, daß von der gekauften Ware nur ein verhältnismäßig geringer Bruchteil mangelhaft ist, so genügt dies nicht, um die Mängelgewähr wegen der Gesamtheit auszuschließen ( R G 6. 5. 19 I I I 525/18). Handelt es sich um den K a u f e i n e r Ware, die noch im Wachstum begriffen ist, so ist der K a u f darauf abgestellt, daß sie lieferungsfähig wird. Die Kenntnis des Käufers von der Mangelhaftigkeit eines Teiles der noch auf dem Felde stehenden Frucht führt daher überhaupt nicht zur Anwendung von § 460 ( R G L Z 1 9 1 9 Sp. 867 1 6 ). Die Kenntnis muß sich auf alle Voraussetzungen des §459 beziehen ( R G Gruchot 50,368). Dringender Verdacht steht der Kenntnis nicht gleich ( R G L Z 1 9 1 8 , 837). M a ß g e b e n d ist d i e K e n n t n i s z u r Z e i t d e s V e r t r a g s s c h l u s s e s ; denn es ist anzunehmen, daß der Preis darauf abgestellt ist. Die Kenntnis kann schon vor Vertragsschluß erlangt sein. Eine nach Kaufabschluß erlangte Kenntnis ist nur dann von Einfluß, wenn der K ä u f e r die verkaufte Sache gleichwohl vorbehaltlos afinimmt (§ 464; R G 12. 10. 01 V 255/01).

Anm. 2 Bei einem V e r k a u f „ a u f B e s i c h t " jedoch ist in sinngemäßer Anwendung des § 460 nicht der Abschluß des aufschiebend bedingten Vertrags, sondern die Z e i t d e r Billigung des Vertragsgegenstandes durch den K ä u f e r entscheidend ( J W 1 9 1 2 , 8 5 8 1 3 ; R G 94, 285).

Anm. 3 § 460 Satz 1 ist unanwendbar, wenn der K ä u f e r trotz seiner Kenntnis der ä u ß e r e n F e h l e r der Sache den Umstand nicht kennt, daß durch diese Fehler der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit der Sache aufgehoben oder gemindert wird ( R G i t . 6. 05 I I 643/04).

Anm. 4 Dagegen bleibt die Haftpflicht des Verkäufers f ü r z u g e s i c h e r t e E i g e n s c h a f t e n auch bei Kenntnis des Käufers von deren Fehlen bestehen, wenn der Verkäufer eine Eigenschaft in dem Sinne zusagt, daß er sie herzustellen verspricht oder für deren Beschaffung besondere Garantie übernimmt (Mot. 2, 226).

Anm. 5 I I . Auch g r o b f a h r l ä s s i g e U n k e n n t n i s des Käufers vom Mangel schließt die Haftpflicht i m F a l l e des § 4 5 9 A b s . 1 (nicht Abs. 2) aus. Die grobe Fahrlässigkeit braucht dem K ä u f e r nicht gerade im Augenblick des Vertragsschlusses zur Last zu fallen; es genügt, wenn er vorher aus grober Fahrlässigkeit von den Mängeln keine Kenntnis erlangt hat. Nur eine erst nach dem Kaufabschluß eintretende Fahrlässigkeit bleibt außer Betracht, R G 1 3 1 , 353. Grobe Fahrlässigkeit ist eine besonders schwere Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Damit ist der Grundsatz des alten deutschen Rechts, daß der K ä u f e r selber aufpassen muß (Augen auf oder den Beutel) erheblich eingeschränkt. Nicht jedes Unbeachtetlassen eines Bedenkens genügt. Sich verlassen auf das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen kann entschuldigen ( R G 1. 12. 1 1 V I I 2 2 1 / 1 1 ) . Handelt es sich um v e r b o r g e n e Mängel, so ist der Käufer, selbst wenn er Mißtrauen gegen den Verkäufer hegt, nicht veranlaßt, vor dem Kaufabschluß Untersuchungen anzustellen ( R G 7. 10. 10 V 589/09; 22. 5. 12 V 3 1 / 1 2 ; 17. 10. 17 V 143/17). Eine U n t e r s u c h u n g ist nur so weit erforderlich, als nach den Umständen des Falles Treu und Glauben es gebieten (Mot. 2, 226; R G 1 3 1 , 3 5 3 ; R G Recht 1908 Nr. 1 1 6 2 ) . Auch eine besondere Sachkunde des Käufers ist zu berücksichtigen ( D J Z 1903, 405). Wird der K ä u f e r durch einen anderen vertreten, kommt § 166 in Betracht, R G 1 3 1 , 3 5 5 . Erhebliche Eingriffe in Baulichkeiten können nicht erfordert werden ( R G B a y Z 1 9 1 7 , 387)-

Anm. 6 I I I . Der Verkäufer haftet aber auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers unbeschränkt, wenn er die Abwesenheit des Fehlers zugesichert o d e r dessen V o r h a n d e n sein a r g l i s t i g v e r s c h w i e g e n hat. Die §§ 460 Satz 2 und 463 Satz 2 verlangen arg-

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§ 460 A n m . 7—10

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

listiges Verschweigen eines Fehlers im Sinne von § 459 Abs. 1. Sind gewisse Schwächen der Kaufsache keine Gewährleistungsmängel im Sinne von § 459 Abs. 1, so sind die §§460 Satz 2 u. 463 Satz 2 unanwendbar (RG 67, 146). Anm. 7 A r g l i s t i g h a n d e l t , wer sich bewußt ist, daß eine Tatsache für die Entschließung des Gegners von Erheblichkeit ist, nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung diese Tatsache mitzuteilen auch verpflichtet wäre, und sie trotzdem nicht offenbart. Das V e r s c h w e i g e n braucht kein Unterdrücken zu sein. Es genügt, daß der Verkäufer etwas nicht gesagt hat, dessen Mitteilung der Käufer unter den gegebenen Umständen nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte. Maßgebend ist hier wie sonst nur eine Verkehrsauffassung, die den Grundsätzen von Treu und Glauben entspricht. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, schon alle diejenigen Umstände zu offenbaren, die irgendwie für den Käufer erheblich sein können. Unter die Offenbarungspflicht fallen vielmehr nur Fehler, die den Käufer von dem Kauf überhaupt oder von einem Kauf des vereinbarten Inhalts mutmaßlicherweise abgehalten haben würden. Das kann nur nach den Verhältnissen des einzelnen Falles beurteilt werden, RG, 62,149. Hierher gehört namentlich Schwammverdacht bei einem Grundstück und der Verfall von Holzteilen, auch wenn kein echter Schwamm vorliegt, RG J W 1936, 375 2 ; 1936, 502 2 ; RG 151, 36. Auch die U n t e r d r ü c k u n g oder V o r e n t h a l t u n g von bloßen Z w e i f e l n kann arglistig sein; auch insoweit ist maßgebend, ob der Verkäufer nach der Verkehrssitte und den Umständen des Einzelfalles zur Offenbarung verpflichtet ist (RG 62, 149; 69, 15; 75, 436; 77, 314; WarnRspr. 1915 Nr. 110; 1917 Nr. 186). Insbesondere ist es arglistig, wenn der Verkäufer das Bestehen des Mangels vermutet (RG 4. 5. 12 V 454/11; 24. 6. 12 II 69/12). Zur Annahme eines arglistigen V e r s c h w e i g e n s von Mängeln (RG 67, 146; RG J W 1936, 647') genügt nicht, daß der Verkäufer das Vorhandensein der Mängel kennt; vielmehr ist das Verschweigen nur dann arglistig, wenn der Verkäufer damit rechnet, daß der Käufer die verschwiegenen Mängel nicht bemerken und deshalb die Ware bestellen werde. Vgl. auch § 123. Der Tatbestand des arglistigen Verschweigens deckt sich nach der allgemeinen Meinung weder mit dem des Betrugs nach § 263 StGB noch schlechthin mit den Erfordernissen des § 826 (RG 67, 146; RGSt. 17. 1. 13 V 1167/12). Besonderer Veranstaltungen des Verkäufers, um den Käufer in Unkenntnis der Mängel zu halten, bedarf es nicht (RG J W 06, 866; RG 30. 5. 08 V 414/07). Fahrlässige Täuschung genügt nicht (BGH L M Nr. 1 zu § 463 BGB). Daß die Täuschung bezweckt war, ist nicht verlangt, es genügt bewußtes Schweigen auf die Gefahr der Täuschung hin (RG 62, 300). Arglist kann selbst dann vorliegen, wenn der Verkäufer bereitwillig die Untersuchung der Sache gestattet. Sie kann unter Umständen daraus zu entnehmen sein, daß der Verkäufer die Erheblichkeit des Mangels für den Käufer kannte (RG 19. 12. 11 II 412/11; 19. 4. 13 V 531/12) und wußrte, daß der Käufer die Sache für mangelfrei hielt (RG 55, 213; 62, 300; 69, 15). Von Bedeutung kann hierbei auch die Art und der Grad des Mangels sein (RG 9. 12. 11 II 412/11). Anm. 8 Stehen dem Käufer mehrere Verkäufer gegenüber, so ist der Wandlungsanspruch gegen alle Verkäufer begründet, wenn auch nur einer von ihnen einen Fehler arglistig verschwiegen hat (RG 20. 5. 08 V 385/07). Anm. 9 VI. G e g e n ü b e r der Arglist des Verkäufers kommt eine Mitschuld des Käufers nicht in Betracht, der Verkäufer kann sich auch nicht auf Verschulden des Käufers beim Vertragsschluß berufen (RG 67, 281; 69, 277; 76, 313; J W 1911, 91®; WarnRspr. 1914 Nr. 49; OLG Düsseldorf NJW 1952, 1177 1 2 ). A n m . 10 V . Die Beweislast trifft in den Fällen des § 460 den Verkäufer dafür, daß der Käufer den Mangel gekannt habe oder habe kennen müssen, den Käufer dafür, daß der Verkäufer die Abwesenheit des Fehlers (oder dessen Beseitigung) zugesichert oder arglistig verschwiegen habe.

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Kauf. Tausch

§ 461 A n m . 1, 2

§ 462 Anm. 1

§ 4 6 1 Der Verkäufer hat einen Mangel der verkauften Sache nicht zu vertreten, wenn die Sache auf Grund eines Pfandrechts in öffentlicher Versteigerung unter der Bezeichnung als Pfand verkauft wird. E II 398; P J 48off.

Anm. 1 I. Die nach dieser Vorschrift ausgeschlossene Haftpflicht des Verkäufers kann durch Vereinbarung der Parteien begründet werden. Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor, so kann der Verkäufer selbst bei arglistigem Verschweigen nicht auf Grund der §§ 459, 463, sondern nur aus §§ 823; 826 in Anspruch genommen werden. Auf den Mangel zugesicherter Eigenschaften ist §461 nicht zu beziehen; denn die Vorschrift sollte den Verkäufer nur vor einer von ihm nicht gewollten Haftung bewahren. Anm. 2 II. Nach § 806 ZPO (vgl. auch § 56 ZVG) ist auch bei der auf Grund einerPfändung bewirkten Veräußerung die Gewährleistungspflicht des Verkäufers ausgeschlossen. Beim freihändigen Pfandverkauf nach den §§ 1221, 1235 Abs. 2, 1245, 1246 und beim Selbsthilfeverkauf durch einen Gerichtsvollzieher nach § 383 Abs. 3 b l e i b t dagegen die Gewährleistungspflicht bestehen ( R G J W 0 2 , 54511; 04, 561). § 4 6 3 Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach den Vorschriften der§§ 459, 460 zu vertreten hat, kann der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen. E I 383 II 399; M 2 izy; P I 673, 697.

Ubersicht I. Allgemeines 1. Die Befugnis 2. Zur Bedeutung der Ubergabe 3. Selbständigkeit von Wandlung und Minderung 4. Konkurs des Verkäufers II. Wandlung III. Minderung IV. Bürge V. Sukzessivlieferungsvertrag VI. Mängelrüge VII. Freizeichnung VIII. Beweislast IX. Beweissicherung

Anm

1—4 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Anm. 1 I. Allgemeines. 1. Mit dem Eintritt des Gewährleistungsfalles erwachsen dem Käufer die Ansprüche auf Wandlung oder Minderung. Der Kaufvertrag wird nicht automatisch rückgängig gemacht und der Kaufpreis mindert sich nicht von selbst, sondern das Gesetz gibt dem Käufer nur d i e B e f u g n i s , diese Rechte geltend zu machen. Wandlung und Minderung stellen sich als besondere Folgen der Nichterfüllung des Vertrags dar und sind die eigentlichen Gewährleistungsansprüche. Hierzu R a a p e , Probleme der Wandelung und Minderung in Festschrift für Lehmann (1937) S. 159fr, und L a u t n e r , Grundsätze des Gewährleistungsrechts (1937). Daneben wird in besonderer Weise auch der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung vom BGB in § 463 als Gewährleistungsanspruch geregelt.

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§ 462 A n m . 2—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 2. Wird beim aufschiebend bedingten K a u f vereinbart, d a ß die Gefahr bereits mit der vor Bedingungseintritt erfolgten U b e r g a b e der Sache übergehen soll, so erlangt der K ä u f e r bei Eintritt der Bedingung u n d damit zugleich mit d e m Wirksamwerden des Kaufs die Gewährrechte, falls die Sache bei Ü b e r g a b e mangelhaft war. A d e n a u e r , Der Gefahrübergang beim aufschiebend bedingten K a u f , Kölner rechtswiss. Abhdl. H e f t 5 ( 1 9 3 2 ) S. 6 5 vertritt den Standpunkt, solchenfalls könne der Käufer die Gewährleistungsansprüche selbst d a n n geltend machen, wenn der Mangel vor Eintritt der Bedingung behoben sei; d e m kann nicht zugestimmt werden, d a es gegen T r e u u n d G l a u b e n verstoßen würde, wenn der K ä u f e r Mängelrechte erhöbe, obwohl er beim Wirksamwerden des K a u f s eine mangelfreie Sache erlangt. Wird eine Sache nicht in Erfüllung eines Kaufvertrages, sondern z. B. auf G r u n d eines neben einem aufschiebend bedingten K a u f geschlossenen Gebrauchsüberlassungsvertrages übergeben u n d ist sie mangelhaft, so können Kaufgewährrechte nicht entstehen; demzufolge k a n n auch nicht § 4 7 7 Platz greifen, denn die V e r j ä h r u n g kann nicht beginnen, bevor ein Anspruch entstanden ist, R G 6 5 , 247. Anm. 3 3 . Die Ansprüche auf W a n d l u n g u n d auf M i n d e r u n g sind zwei s e l b s t ä n d i g e A n s p r ü c h e , es liegt nicht ein einheitlicher Anspruch mit alternativem Inhalt vor (RG 66, 3 3 2 ) . Der K ä u f e r hat die W a h l , welchen er geltend machen will, so lange, bis der eine oder a n d e r e vollzogen ist. Z u s a m m e n können beide Ansprüche nur im Eventualverhältnis geltend gemacht werden, R G 1 3 1 , 3 4 6 ; J W 1 9 3 1 , 3 2 7 0 . § 2 6 3 ist hier nicht a n w e n d b a r . Daher ist auch der U b e r g a n g von einem Anspruch auf den a n d e r n im Prozeß K l a g ä n d e r u n g (RG 64, 3 7 4 ; J W 0 7 , 4 6 ) . Abweisung des Wandlungsanspruchs schließt den Minderungsanspruch nicht aus ( J W 0 7 , 7 0 8 ; 1 9 1 1 , 5 9 2 ; SeuffArch. 6 7 , 9 1 ) u n d umgekehrt. Das d u r c h Vollziehung erloschene Wahlrecht lebt jedoch auch d a n n nicht wieder auf, wenn die W a n d l u n g infolge eines später eingetretenen Umstandes unwirksam wird (RG 2 0 . 9 . 1 9 I 5 8 / 1 9 ) . W e m nach § 4 6 3 rechtskräftig Schadensersatz zugesprochen ist, kann nicht noch Preisminderung verlangen (RG 1 4 . 1. 1 4 V 4 0 1 / 1 3 ) . Anm. 4 4. G e r ä t d e r V e r k ä u f e r , der eine mangelhafte Sache geliefert hat, i n K o n k u r s u n d verlangt der Konkursverwalter Z a h l u n g des Kaufpreises, so sind die Gewährleistungsansprüche Masseansprüche n a c h § 5 9 N r . 2 K O ( J a e g e r , K O § 5 9 A n m . 6 ; § 1 7 Anm. 2 2 , 2 3 ; K u T 1 9 2 7 , 3fr.; J a e g e r / L e n t , K O § 1 7 Anm. 2 3 ; M e n t z e l / K u h n , K O § 1 7 A n m . 1 6 ; aA M a n s f e l d L Z 1 9 2 7 Sp. 873ff.; weitere Literaturangaben in R G W a r n R s p r . 1 9 2 7 Nr. 2 1 = J W 1 9 2 7 , 6 9 9 ) . D a der K a u f v e r t r a g durch Lieferung einer mangelhaften Sache nicht erfüllt ist (vgl. § 4 5 9 A n m . 3 ) , greift § 1 7 K O ein, falls der Kaufpreis bei Konkurseröffnung noch nicht vollständig bezahlt ist. Es kann M a n s f e l d a a O nicht zugegeben werden, d a ß der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu den Gewährleistungsansprüchen in einem ganz anderen Verhältnis als zu denjenigen Ansprüchen steht, die d e m K ä u f e r sonst bei Unvollständigkeit der Leistung zustehen. Daru m werden die Gewährleistungsansprüche d u r c h das Verlangen des Konkursverwalters auf Z a h l u n g des Kaufpreises zu Masseschulden. Das gilt a u c h d a n n , wenn der K o n kursverwalter die Mangelhaftigkeit der Lieferung nicht gekannt h a t . Er kann aber das Erfüllungsverlangen anfechten (§ 119) u n d d a m i t die Folge des § 5 9 Nr. 2 K O abwenden, w e n n er bei d e m Zahlungsbegehren der M e i n u n g war, der Verkäufer h a b e gehörig erfüllt, u n d sich dabei nicht ü b e r eine Mängelrüge des Käufers oder eine sonstige Beanstandung der gelieferten Sache hinweggesetzt h a t . Denn in diesem Falle, aber auch n u r in ihm, liegt ein I r r t u m des Konkursverwalters ü b e r den Inhalt seiner im Zahlungsverlangen gelegenen Erklärung vor ( J a e g e r / L e n t , K O § 17 A n m . 2 3 unter c). Anm. 5 II. W a n d l u n g ist R ü c k g ä n g i g m a c h u n g des Kaufes. N a c h der Herstellungstheorie ( § 4 6 5 A n m . 3 ) u n d der Ansicht des Reichsgerichts (§ 4 6 5 A n m . 4 ) ist der Anspruch unmittelbar h i e r a u f g e r i c h t e t ; er geht nicht, wie die Vertragstheorie (§ 4 6 5 A n m . 2 ) meint,

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K a u f . Tausch

§462 Arnn. 6—9

auf Abschluß eines den Kaufvertrag aufhebenden Vertrages, § 465 zwingt nicht zu der umständlichen Konstruktion der Vertragstheorie. Näheres bei § 465. Die Wandlung ist wie die Anfechtung die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Während aber die Anfechtung das Rechtsgeschäft vernichtet, macht nicht schon die Wandlung den Kaufvertrag rückgängig. Sie löst vielmehr eine Leistungspflicht des Verkäufers aus, das Empfangene zurückzugewähren. Die gegenseitige Rückgewähr vollzieht sich bei der Anfechtung nach den Bestimmungen der §§ 8 1 2 , 985, bei der Wandlung nach §467. Die Wandlung hat an sich nicht die Wirkung, daß an Stelle des rückgängig gemachten Kaufvertrags ein anderer gegenseitiger Vertrag tritt ( R G 93, 49; vgl. auch § 465 Anm. 4). Es findet kein Austausch von Leistung und Gegenleistung statt, wie bei gegenseitigen Verträgen, sondern es wird der auf einen solchen Austausch gerichtete Kaufvertrag beseitigt. Die Folgen nach den §§ 467, 346, 345, 320, 322 können j e nach dem Stand der Leistungen auch ausbleiben. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann ein Anspruch auf beiderseitige Rückgewähr auch im Wege der Vereinbarung begründet werden ( J W 1918, 6 1 0 1 ; vgl. auch R G 66, 69). Die Rückgängigmachung ist insbesondere kein Rückkauf. Die Rückgewähr ist nur die gesetzliche Folge der berechtigten Wandlung, die Einverständniserklärung des Verkäufers begründet nicht die Rückgabepflicht, sondern macht die Wandlung nur unabänderlich. Deshalb bedarf die Vollziehung der Wandlung, auch wenn sie ein bereits übereignetes Grundstück betrifft, nicht der Form des § 3 1 3 , RG 1 3 7 , 295. Wann der Anspruch auf Wandlung vollzogen ist, bestimmt § 465, während die Durchführung der Rückgängigmachung in den §§ 467 ff geordnet ist. Hat der Verkäufer einen erheblichen Fehler arglistig verschwiegen, so kann der K ä u f e r von ihm die Befreiung von der Verbindlichkeit aus Wechseln, die er zur Finanzierung des K a u f s gegeben hat, nicht auf Grund der Wandlung, sondern allenfalls aus § 276 oder §§ 823 Abs. 2, 826 fordern, R G 20. 3. 40 II 158/39.

Anm. 6 III. Die Minderung

läßt im Gegensatz zur Wandlung den Kaufvertrag bestehen und gibt nur einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Herabsetzung des Kaufpreises. Für diesen Anspruch gilt dasselbe wie für den Wandlungsanspruch. Wie die Minderung durchzuführen ist, wird in § 472 bestimmt.

Anm. 7 IV. Dem Bürgen

des Käufers steht, wenn er auf Bezahlung des Kaufpreises belangt wird, der Wandlungsanspruch nicht zu, wohl aber der Minderungsanspruch § 768 ( R G 66, 332). E r hat aber ein Leistungsverweigerungsrecht, solange der K ä u f e r wandeln kann, R G 66, 334.

Anm. 8 V. Beim Sukzessivlieferungsvertrag

und bei teilbaren und in Teilen erfolgenden Lieferungen beschränkt sich die Wandlung grundsätzlich auf die einzelne mangelhafte R a t e ( R G 57, 1 1 5 ; 65, 54; 104, 382). Auch wenn die mangelhafte R a t e für die Zukunft mangelhafte Leistungen befürchten läßt, so findet keine Erstreckung der Wandlung auf die zukünftigen Leistungen statt, wohl aber kommen dann die Grundsätze über positive Vertragsverletzung zum Zuge. Vgl. im übrigen aber § 469.

Anm. 9 VI. V o n

einer Mängelrüge ist die Geltendmachung des Wandlungs- und Minderungsanspruchs im bürgerlichen Recht n i c h t a b h ä n g i g . Vgl. jedoch die P r ä s u m t i o n d e s V e r z i c h t s nach § 464 und bei H a n d e l s g e s c h ä f t e n § 377 H G B . § 377 H G B ist zwar auf andere als zweiseitige Handelskäufe weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar; aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 377 H G B erfordert der G r u n d s a t z v o n T r e u u n d G l a u b e n i m V e r k e h r , d a ß der Käufer, der die ihm abgelieferte Ware als mangelhaft beanstanden will, dies nicht ungebührlich verzögert; sonst muß er sich so behandeln lassen, als ob er die Ware gebilligt habe und behalten wolle ( R G 104, 96). Auf die Verspätung der Mängelrüge nach § 377 H G B kommt es nicht an,

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§ 462 A n m . 10—12

§463

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

wenn sich der Verkäufer sachlich auf sie einläßt (RG 106, 297). Im übrigen wohnt der fristgerechten Rüge keine rechtsbegründende, sondern nur eine rechtserhaltende Kraft inne (RG 106, 361). A n m . 10 VII. Vertraglich kann die Wandlung ausgeschlossen und Nachbesserung oder Ersatz zugelassen werden (vgl. § 459 Anm. 8, 11 und 29). A n m . 11 VIII. Der Käufer, der Gewährleistungsansprüche erhebt, hat die Beweislast dafür, daß die gelieferte Sache mangelhaft sei oder daß ihr eine zugesicherte Eigenschaft fehle (BGH L M Nr. 1 zu § 377 HGB, 16. 5. 55 II Z R 61/54). Denn diese Umstände bilden den Rechtsgrund für die Ansprüche. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Spezies- oder Gattungskauf handelt (RG 95, 119); gleichgültig ist auch, ob der Käufer die Annahme abgelehnt oder die Ware angenommen hat. Bei der Kaufpreisklage dagegen ist der Verkäufer dafür beweispflichtig, daß er gehörig, also auch, daß er mangelfrei geliefert habe (RG 57, 399; 66, 282 ; 109, 296; BGH 6, 225; vgl. auch § 459 Anm. 30). A n m . 12 IX. Zweckmäßig ist es, den Beweis für hervorgetretene Mängel alsbald sicherstellen zu lassen. Die Möglichkeit hierzu bieten die §§ 485fr. ZPO (Beweissicherung). Gewiß kann damit nur „der gegenwärtige Zustand" (§ 485 ZPO) der Kaufsache festgehalten werden; je eher das geschieht, um so eher ist der Schluß möglich, daß der Zustand der Kaufsache bei Gefahrübergang nicht besser war. Das Recht auf Beweissicherung steht sowohl dem Käufer wie dem Verkäufer zu. Der Antrag auf Sicherung des Beweises unterbricht die Verjährung, § 477 Abs. 2.

§463 Fehlt der verkauften Sache zur Zeit des Kaufes eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz w e g e n Nichterfüllung verlangen. Das gleiche gilt, wenn der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat. E I 38; n 400; M 1 228, 229; P 1 686. Ubersicht I. Die rechtliche Einordnung 1. Vertragsklage aus dem Recht der Gewährleistung 2. Nicht Haftung aus Verschulden beim Vertragsschluß II. Die Voraussetzungen 1. zugesicherte Eigenschaften 2. arglistiges Verschweigen 3. arglistiges Vorspiegeln 4- §§459. 460 5. Einzelheiten 6. Handeln des Vertreters III. Wahlrecht zwischen den einzelnen Gewährleistungsansprüchen IV. Schadensersatz wegen Nichterfüllung 1.—3. Die drei Berechnungsmöglichkeiten 4. Einzelheiten V. § 463 beim Viehkauf VI. Haftung von Mittätern und Gehilfen V I I . Verjährung, internationales Privatrecht

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. . . .

Anm. 1, 2 1 2 3—8 4 5 6 7 8 9 10 11—14 11—13 14 15 16 17

Kauf. Tausch

§ 463 A n m . 1—4

I. Die rechtliche Einordnung Anm. 1 1. Die Klage aus §463 Satz 1 ist eine Vertragsklage aus d e m Rechte der Gewährleistung (RG 66, 86; 67, 146; 78, 58; 83, 244; RG J W 1938, 2613 1 ). Die Fassung der Vorschrift ist verfehlt. O b der verkauften Sache zur Zeit des Kaufes die zugesicherte Eigenschaft fehlt, ist für die Wandlung oder Minderung gleichgültig; hierfür kommt es lediglich auf die Zeit des Gefahrübergangs an, die den kritischen Zeitpunkt für den Gewährleistungsfall bildet. Wenn daher § 463 Satz 1 anordnet, daß statt dieser Ansprüche auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden kann, so wird stillschweigend vorausgesetzt, daß der Gewährleistungsfall vorliegt, daß also die zugesicherten Eigenschaften auch noch zur Zeit des Gefahrübergangs fehlen. Das ergibt auch die Natur des Schadensersatzanspruchs als eines solchen wegen Nichterfüllung. Hiermit ist der Schadensersatzanspruch des § 463 Satz 1 gleich dem Wandlungs- und Minderungsanspruch als reiner Gewährleistungsanspruch ausgestattet (RG 67, 146; 78, 58; Gruchot 59, 359); zu den Voraussetzungen von Wandlung und Minderung muß jedoch noch als weiteres Erfordernis hinzukommen, daß der Mangel der verkauften Sache bereits zur Zeit des Kaufes vorhanden gewesen ist. Anm. 2 2. Die 9. Auflage suchte den § 463 Satz 1 als einen Fall der Haftung des Verschuldens beim Vertragsschluß zu rechtfertigen. Dem kann nicht gefolgt werden. § 463 Satz 1 setzt kein Verschulden voraus; auch wenn der Verkäufer bei Anwendung äußerster Sorgfalt das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft nicht kannte, steht dem Käufer der Schadensersatzanspruch zu. Es handelt sich um eine Garantie-, nicht um eine Verschuldenshaftung. Uberhaupt bedarf die Gewährung eines auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Anspruchs als Folge einer Garantiehaftung keiner besonderen Rechtfertigung ( F l u m e , Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 53 Anm. 17 m. Nachw.). II. Die Voraussetzungen Anm. 3 § 463 setzt voraus, daß der Kaufsache bei Vertragsschluß und bei Ubergabe eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder daß der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat. Außerdem müssen die Erfordernisse der §§ 459, 460 erfüllt sein. Anm. 4 1. Unter den z u g e s i c h e r t e n E i g e n s c h a f t e n ist in §463 dasselbe zu verstehen wie in § 459 Abs. 2. Vgl. darum § 459 Anm. 23—28. Die Zusicherung des Verkäufers, bis zur Vertragserfüllung eine besondere Eigenschaft der Sache herzustellen, verpflichtet beim Fehlen der Eigenschaft ebenfalls zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 463 (RG 29.2.24 I I 290/23). Der Käufer hat den Beweis dafür, daß die Kaufsache die zugesicherte Eigenschaft nicht hat, also für die Grundlage seines Schadensersatzanspruchs, zu führen (RG 66, 285). Da § 287 Z P O nicht für Ansprüche auf Vertragserfüllung oder wegen Nichterfüllung gilt, ist bei einem Anspruch aus § 463 eine Schätzung des Schadens unzulässig; auf der Grundlage eingehender Würdigung des Beweisergebnisses und aller bei der Prüfung des Falles hervorgetretenen Umstände kann aber ein verbliebener Rest von Unklarheit gemäß § 286 Z P O durch Schätzung überwunden werden, RG D R 1939, 79929. Werden dem Käufer besondere Vorzüge der Kaufsache vorgespiegelt, die nicht als Zusicherung von Eigenschaften der Sache aufgefaßt werden können, oder wird ein Irrtum des Käufers durch betrügerische Manipulationen an der Sache arglistig ausgenutzt, so kommen nur § 823 Abs. 2 und § 826 in Frage. Aber sie dürfen nicht zu dem Zweck angewendet werden, um zwingend gedachte Einschränkungen des Gewährleistungsrechts (§464) illusorisch zu machen (JW 1913, 88). Stützt der getäuschte Käufer seinen Ersatzanspruch nur auf die §§ 823, 826, so hat das Gericht von Amts wegen auch § 463 zu beachten (Recht 1914 Nr. 605). War die Sache bei Vertragsschluß noch gar nicht vorhanden, so kommt § 463 Satz 1 nicht in Frage, da diese Bestimmung voraussetzt, daß die Kaufsache zur Zeit des Kaufs

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§ 463 A n m . 5, 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

bereits existierte, R G D R 1941, 26s 5 . Denkbar ist aber, daß die in der Zusicherung liegende Garantieübernahme nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern a u f d e n Z e i t p u n k t d e r V e r t r a g s e r f ü l l u n g b e z o g e n wird (so z. B. die „Maschine soll am Lieferungstage vollständig betriebsfähig sein"). Dann hat der Verkäufer nur dafür schlechthin einzustehen, daß die zugesicherte Eigenschaft zur Zeit der Vertragserfüllung vorhanden ist. Es steht nichts entgegen, für diesen Fall § 463 entsprechend anzuwenden ( P l a n c k Anm. 2; O e r t m a n n Anm. 2 a ; RG Gruchot 67, 313). Anm. 5 2. Das a r g l i s t i g e V e r s c h w e i g e n von Fehlern bedeutet hier dasselbe wie in § 460 Satz 2. Es kann daher auf Anm. 6, 7 zu § 460 verwiesen werden. Macht sich der Verkäufer nicht zur Zeit des Kaufabschlusses, sondern erst n a c h t r ä g l i c h eines arglistigen Verhaltens schuldig, so ist § 463 unanwendbar, R G Recht i g i 5 Nr. 2474. Daher ist kein Anspruch gegeben, wenn nur geltend gemacht wird, daß der Verkäufer bei der Auflassung einen Fehler des Grundstücks verschwiegen hat (RG 3. 12. 21 V 218/21). Bevor eine Sache existiert, kann sie auch nicht mangelhaft sein; in der Regel ist es darum auch ausgeschlossen, in bezug auf eine noch gar nicht vorhandene Sache einen Mangel arglistig zu verschweigen. Weiß aber derjenige, der eine erst herzustellende Ware verkauft hat, daß sie nicht fehlerfrei hergestellt werden kann, so ist § 463 Satz 2 entsprechend anzuwenden, RG D R 1941, 265. Auch im Falle des § 463 Satz 2 handelt es sich um einen vertraglich übernommenen G e w ä h r l e i s t u n g s a n s p r u c h , nicht um Ersatz eines durch eine unerlaubte Handlung zugefügten Schadens im Sinne von §§ 823, 831 (RG 83, 244). Der Anspruch ist also ein v e r t r a g l i c h e r (RG 67, 146; 78, 58; 83, 242; 103, 160; 132, 80; J W 1931, 3270 10 ; WarnRspr. 1913 Nrn. 198, 282; 1914 Nr. 180; 1915 Nr. 109; J W 1913, 197 8 ; a M R G Recht 1914 Nr. 2990). Die Ansprüche aus Satz 1 und aus Satz 2 beruhen zwar auf verschiedenen Tatbeständen (WarnRspr. 1914 Nr. 285). Aber im Falle des Satzes 2 gilt das gleiche wie im Falle des Satzes 1, und auch im Falle des arglistigen Verschweigens eines Fehlers hat der Käufer die Wahl zwischen Wandlung, Minderung und Schadensersatzanspruch (RG J W 1913, 1978). Auch Satz 2 ist kein Fall des Verschuldens beim Vertragsschluß. Sonst wäre er im Hinblick darauf, daß er nicht zum Ersatz bloß des Vertrauensschadens wie bei der culpa in contrahendo (RG 120,130; 120,251; 132,79),sondern zum Ersatz des Erfüllungsinteresses verpflichtet (RG H R R 1932, 441), eine Anomalie. Satz 2 läßt sich zwanglos, wie folgt, erklären: die Verkäuferpflicht ist auf Leistung einer bestimmten mangelfreien Sache gerichtet; das Erfüllungsinteresse des Käufers geht auf Lieferung einer mangelfreien Sache; wenn der Käufer trotzdem grundsätzlich nicht verlangen darf, so gestellt zu werden, wie er gestanden haben würde, wenn er die Kaufsache in fehlerfreiem Zustand erhalten hätte, so ordnet dies das Gesetz in Rücksicht auf den Verkäufer an, der von dem Fehler der Kaufsache nichts weiß; die gleiche Rücksicht wäre im Falle arglistigen Verschweigens eines Fehlers (oder im Falle der Zusicherung, Satz 1) fehl am Platze, so daß dem Käufer in diesen Fällen der Anspruch auf das Erfüllungsinteresse gegeben oder, wie § 463 sagt, „Schadensesatz wegen Nichterfüllung" gewährt werden konnte. Der Haftungsgrund ist also nicht so sehr die Arglist des Verkäufers als das Abweichen der Kaufsache von der vereinbarten Beschaffenheit ( F l u m e , Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 52—55). Der Käufer hat die Beweislast dafür, daß die Kaufsache mangelhaft ist und der Verkäufer den Fehler arglistig verschwiegen hat. Dazu gehört auch die Widerlegung der Behauptung des Verkäufers, auf den Fehler aufmerksam gemacht zu haben. Anm. 6 3. Auch d a s a r g l i s t i g e V o r s p i e g e l n v o n E i g e n s c h a f t e n fällt unter § 463. Das Reichsgericht hat von der Auffassung aus, daß § 463 Satz 2 die Sonderregelung eines Falles des Verschuldens beim Vertragsschluß darstelle, angenommen, daß dem Fall des arglistigen Verschweigens eines Fehlers das arglistige Vorspiegeln von Eigenschaften gleichstehe und hierauf der § 463 Satz 2 entsprechend angewendet werden müsse (RG 63, 1 1 2 ; 66, 335; 83, 242; 92, 295; 96, 156; 99, 1 2 1 ; 103, 154; 132, 78; R G J W 1938, 192

Kauf. Tausch

§463 A n m . 7—9

2613 1 ). In Wirklichkeit ist das Fehlen der vorgespiegelten Eigenschaft ein Fehlen der vertragsmäßigen Beschaffenheit, also ein Fehler der Kaufsache (vgl. § 459 Anm. 15), so daß das arglistige Vorspiegeln einer Eigenschaft nichts anderes als das arglistige Verschweigen eines Fehlers und damit §463 Satz 2 unmittelbar anwendbar ist ( F l u m e a a O S. 131). I m Ergebnis hat die 9. Aufl. Recht, wenn sie unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts sagte: „Der Verkäufer muß sich so behandeln lassen, wie wenn er zugesichert hätte, was er vorgespiegelt hat." Der Gegenstand der Vorspiegelung muß immer eine Eigenschaft der Kaufsache i. S. von § 459 Abs. 2 sein, R G H R R 1933, 11; KG J W 1937, 125319. Der Ersatzanspruch geht auf das E r f ü l l u n g s i n t e r e s s e , RG 103, 160; 132, 78 ohne Rücksicht darauf, ob die Vorspiegelung für den Käufer ursächlich gewesen ist, R G 102, 395; H R R 1932, 441; 1933 Nr. 11. Anm. 7 4. Die beiden Schadensersatzansprüche des § 463 sind außerdem von den Voraussetzungen der §§ 45g, 460 abhängig. Nur greift hier der Ausschluß der Gewährhaftung für unerhebliche Wertminderung nach § 459 Abs. 1 Satz 2 nicht Platz, RG 134, 88. Anm. 8 5. E i n z e l h e i t e n . § 463 b e t r i f f t n u r d e n K a u f e i n e r b e s t i m m t e n e i n z e l n e n S a c h e (species, RG Recht 1918 Nr. 38; D R 1941, 265®), Satz 2 kann allerdings zur Anwendung kommen, wenn die ganze Gattung einen Mangel hat, den der Verkäufer arglistig verschwiegen hat, RG D R 1941, 265®. Die Vorschrift ist auch n u r b e i m K a u f (oder bei kaufähnlichen Geschäften) v o n S a c h e n u n d den ihnen g l e i c h g e s t e l l t e n u n k ö r p e r l i c h e n G ü t e r n (z. B. Handelsgeschäft, Kundschaft) a n w e n d b a r , RG 63, 59; 98, 292; WarnRspr. 1915 Nr. 14; 1915 Nr. 272; 1917 Nr. 100; LZ 1919, 691; D R 1942, 465, und nicht beim Kauf von Rechten ; insbesondere nicht beim Verkauf von Hypotheken, RG 65, 90; 83, 245; J W 1910 9 34 ; 1912, 13710; 1912, 742 4 ; WarnRspr. 1915 Nr. 275; LZ 1916 Sp. 305. § 463 gilt nur für das Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer, nicht bei einem Vertrag, durch den sich jemand gegenüber einem Hypothekengläubiger verpflichtet hat, ein Grundstück in der Zwangsversteigerung zu erwerben (RG 16. 10. 1 5 V 191/15; vgl. auch Recht 1915 Nr. 1763). Der Auktionator kann unter Umständen für den Anspruch aus § 463 dem Käufer gegenüber als Selbstverkäufer behandelt werden, wenn er ohne Nennung seines Auftragsgebers verkauft und der Käufer vor oder bei dem Kaufabschluß auch nicht auf andere Weise erfahren hat, wer als Auftraggeber hinter jenem steht (RG 4. 7. 05 II 629/04). Anm. 9 6. H a n d e l n d e s V e r t r e t e r s . Verschweigt der gesetzliche Vertreter arglistig einen Fehler der Kaufsache oder spiegelt er eine nicht vorhandene Eigenschaft arglistig vor, so haftet der Mündel nicht, wenn der gesetzliche Vertreter den Mündel nur unter Hinzutritt vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung vertreten kann, R G 132, 78. Anders, wenn der gesetzliche Vertreter allein zur Vertretung des Mündels befugt ist; der Vertretene haftet auch, wenn ein rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter innerhalb der ihm zustehenden Vollmacht einen Kaufvertrag abschließt und hierbei eine Eigenschaft arglistig vorspiegelt oder einen Fehler arglistig verschweigt (RG 83, 244; 103, 160; 120, 252; 132, 80 allerdings davon ausgehend, daß § 463 einen Fall des Verschuldens beim Vertragsschluß darstelle). Der Vertreter haftet selbst nur nach § 249, nicht nach §§ 463, 472. Er haftet aber nicht nur subsidiär nach dem Vertretenen. Sind die unrichtigen Angaben weder vom Verkäufer noch seinem Vertreter, sondern von einem Dritten gemacht worden, so haftet der Verkäufer an sich nicht (Recht 1916 Nr. 35). Betont muß übrigens werden, daß es sich hier, wie in allen Fällen der §§ 459 ff, um das Fehlen einer Eigenschaft der Kaufsache handeln muß (RG 103, 160). Geht es hierum nicht oder handelt es sich um einen außervertraglichen Schadensersatzanspruch wie in dem Falle, in dem die falschen Vor13

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 463 A n m . 10, 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Spiegelungen nicht vom Verkäufer, sondern von einem Dritten ausgehen, so findet § 463 Abs. 2 keine Anwendung ( R G J W 1 9 1 1 , 486 5 ; RG 7. 10. 11 V 113/11; 4. n . 11 V 168/11; 24. 4. 12 V 62/12). Haftung des Vertretenen dann nur nach § 831 möglich (RG 61, 2 1 2 ; 73, 437). A n m . 10 III. Wie zwischen dem Wandlungs- und Minderungsanspruch einerseits, so hat der Käufer auch anderseits zwischen diesen Ansprüchen und dem Schadensersatzanspruch die Wahl (RG 56, 81). Er kann aber nicht neben der Wandlung die Minderung und nicht neben einem von diesen beiden Ansprüchen den Schadensersatzanspruch des § 463 erheben, sondern nur entweder den einen oder den anderen Anspruch (RG 93, 163; J W 1931, 3270 10 ). Nur im Eventualverhältnis können Wandlung oder Minderung mit Schadensersatz geltend gemacht werden, RG 87, 238; 93, 163; 1 3 1 , 346; J W 1931, 3270. Solange der eine oder der andere Anspruch noch nicht verwirklicht, die Wandlung, Minderung nicht vollzogen, der Schadensersatzanspruch nicht anerkannt ist, kann der Käufer von der einmal getroffenen Wahl wieder abgehen (RG 1. 1 1 . n II 157/10; 16. 1 1 . 11 II 624/10). Andere Schadensersatzansprüche als Gewährleistungsansprüche können auch nach vollzogener Wahl erhoben werden (Recht 1915 Nr. 2254). Ein auf § 826 gestützter Schadensersatzanspruch ist aber neben den Ansprüchen aus §§ 459, 462 zulässig. Gibt der gewährleistungsberechtigte Käufer die Ware gegen Rückzahlung des Kaufpreises unter Vorbehalt von Schadensersatzansprüchen zurück, so ist die Rückgabe nicht als Wandlung anzusehen (Gruchot62, 789). Ebenso wenn der Käufer auf Rückzahlung des Preises unter Vorbehalt der Schadensersatzansprüche klagt. Der Vollzug der Minderung schließt die spätere Wandlung oder weitere Minderung wegen eines anderen Mangels nicht aus. Die B e z e i c h n u n g als Schadensersatz schließt nicht notwendig aus, daß der Käufer in Wahrheit eine Minderung meint. Es ist auch hier der wahre Wille zu erforschen. Wird der Hauptanspruch als Schadensersatzanspruch erhoben, so ist der Nebenanspruch auf Erstattung von Auslagen gleichfalls Schadensersatzanspruch; ist aber der Hauptanspruch als Minderungsanspruch erhoben, so kann der zugleich erhobene Anspruch auf Erstattung von Auslagen nicht ohne weiteres als Schadensersatzanspruch zugebilligt werden. IV. Schadensersatz w e g e n Nichterfüllung A n m . 11 1 . Der Käufer kann zunächst, wie die allgemeine Fassung des Ausdrucks Schadensersatz wegen Nichterfüllung ergibt, ohne Nachweis eines fehlenden Interesses den Vertrag als gänzlich unerfüllt behandeln und die Annahme der Kaufsache ablehnen sowie den ihm durch die Nichterfüllung des Vertrags e r w a c h s e n e n (positiven) S c h a d e n berechnen (RG 52, 355; 53, 89; 86, 90, 92/93; 90, 332, 334; 103, 154, 160; 134, 83, 90; J W 1931, 3270; WarnRspr. 1937 Nr. 85; vgl. auch B G H Betrieb 1958, 708 m. w. Nachw.; aA S t a u d i n g e r / O s t l e r §463 Anm. 19 m. w. Nachw.). Ist das Gelieferte gänzlich unbrauchbar, so steht ein zugleich geltend gemachter Anspruch auf Wandlung zu dem Schadensersatzanspruch im Wahlverhältnis (RG 53, 89; 56, 8 1 ; J W 1931, 3270). Die Ansprüche aus § 463 haben ihre Grundlage in der vertraglichen Verpflichtung des Verkäufers, aus der Zusicherung einer Eigenschaft, aus dem arglistigen Verschweigen eines Fehlers oder aus der betrüglichen Vorspiegelung des Vorhandenseins einer Eigenschaft einzustehen. Diese Haftung trifft den Verkäufer, weil er seine Vertragspflicht verletzt hat und ohne Rücksicht darauf, ob zwischen dem Verhalten des Verkäufers und dem Entschluß des Käufers ein ursächlicher Zusammenhang besteht, RG 83, 242; 92, 295599, 1 2 1 ; 102, 395; H R R 1932, 441. Dem Verkäufer steht aber der Beweis offen, daß der Käufer das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft bei Abschluß des Kaufes kannte, § 460 Satz 1 und, wie dem Rechtsgedanken des § 460 zu entnehmen ist, der Beweis, die betrügliche Vorspiegelung sei für den Vertragsschluß ohne Bedeutung gewesen, R G J W 1938, 2613 1 . Der Käufer eines Grundstücks, der betrogen wurde, kann das Erfüllungsinteresse als Schadensersatz auch dann verlangen, wenn er vor der Auflassung den wahren Sachverhalt erfahren hat (RG 63, 1 1 3 entgegen RG 56, 51),

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Kauf. Tausch

§463 A n m . 12—15

auch die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises fordern (RG 50, 190; 134, 90). Der Käufer, der seinen Schaden abstrakt berechnet, muß dies innerhalb der zulässigen Grenzen (ohne übermäßigen Gewinn) tun (RG 90, 305). A n m . 12 2. Der Käufer kann auch die Kaufsache behalten und den ihm aus der nicht gehörigen Erfüllung erwachsenen Schaden ersetzt verlangen (RG 52, 356; 53, 92; 59, 157; 63, 338). Der Schaden kann sich auf die objektive Wertdifferenz zwischen der mangelfreien und mangelhaften Sache beschränken und n e b e n dem Leistungsanspruch bestehen. Er deckt sich nicht mit dem Verzugsschaden (RG 20. 1. 11 II 157/10). Auszugleichen ist der Minderwert der Sache bei der Erfüllung, RG 52, 356; 53, 92; 5g, 157; 103, 160; J W 1931, 327010. Ausgeschlossen ist eine Berechnung des Schadensersatzanspruches gemäß § 472.. der nur zu einer Vermengung des Minderungsrechts mit dem davon wesensverschiedenen Schadensersatz führt. A n m . 13 3. Der Käufer kann schließlich in der Weise Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, daß er die Kaufsache behält und Preisherabsetzung fordert; dann muß er aber dartun, daß der Verkäufer den Gegenstand auch zu dem geringeren Preise hergegeben haben würde (RG83, 246; J W 1910, 934; 1911, 213; 1912, 863; 1931, 327010). Dagegen kann neben Minderung nicht auch noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden, RG 87, 238; 93, 163; 131, 346; J W 1931, 327010. A n m . 14 4. E i n z e l h e i t e n . Der Käufer braucht sich nicht auf die spätere Werterhöhung durch Beseitigung des Mangels verweisen zu lassen ( R G J W 1911, 647 14 ). Zu ersetzen sind auch die Kosten eines Rechtsstreits, den der Käufer infolge des Mangels im Interesse des Verkäufers gegen seinen Abnehmer hat führen müssen (OLG 22, 230). Auch die Aufwendungen, die der Käufer in Erwartung der Erfüllung gemacht hat und die infolge der Nichterfüllung vergeblich geworden sind, sind zu ersetzen (RG 12. 4. 12 II 481/11). Die ihm zukommende Geldentschädigung kann der Käufer, wenn der Verkäufer die Sache sofort zu leisten hatte, ebenfalls ungekürzt sofort verlangen (RG 66, 340). Nach § 377 HGB nicht rechtzeitig gerügte, aber gleichfalls mangelhafte Sendungen können, auch obwohl sie für den Schadensersatzanspruch nicht einmal eine mittelbare Stütze abgeben, doch zur Rechtfertigung des Gesamturteils, namentlich zur Begründung der Annahme, es werde künftig nicht vertragsmäßig geliefert werden, mit herangezogen werden (RG 65, 54). Was der Käufer durch den Weiterverkauf der eingedeckten Ware erhält, braucht er bei der Schadensaufmachung dem Verkäufer nicht gutzuschreiben (RG 52, 154; J W 1917, 7095). Das gilt auch beim Weiterverkauf der behaltenen mangelhaften Sache. Gegenüber arglistig vorgespiegelten Eigenschaften kann sich der Verkäufer nicht auf die Angemessenheit des Preises zufolge anderweiter Vorzüge der Kaufsache berufen (Recht 1914 Nr. 2421). Verschuldet der Verkäufer, der dem Käufer das Vorhandensein einer Eigenschaft vorgespiegelt hat, die Unmöglichkeit mangelfreier Lieferung, so daß es nicht zur Ubergabe kommt oder der Käufer berechtigterweise die Annahme der Leistung ablehnt, so muß der Verkäufer den Käufer so stellen, wie dieser bei Ubergabe gestanden haben würde, RG DR 1942, 465. A n m . 15 V. § 463 beim Viehkauf. Entgegen RG 102, 308 ist die Gewährleistungspflicht nach § 463 Satz 2 nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verkäufer von Vieh nur für Hauptmängel haftet, OLG Königsberg H R R 1941, 1000 (vgl. auch §482 Anm. 4). Vielmehr greift § 463 auch dann ein, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschweigt, der nicht Hauptmangel ist. Auch durch Zusicherung der Freiheit des Tieres von einem Nebenmangel wird die Haftung aus § 463 Satz 1 und bei arglistigem Verschweigen aus Satz 2 begründet (RG 60, 236). 195

§ 4 6 3 A n m . 16, 17 § 464 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 16 VI. Wenn an der arglistigen Täuschung des Verkäufers D r i t t e als Mittäter oder Gehilfen teilgenommen haben, müssen sie sich die Handlungen des Verkäufers zurechnen lassen; sie haften, wie dieser, auf das volle positive Erfüllungsinteresse (RG 103, 161). A n m . 17 VII. Wegen Verjährung §§ 476, 477, 479, wegen internationalen Privatrechts R G L Z 08 Sp. 308.

§464 N i m m t der Käufer eine mangelhafte Sache an, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in den § § 462, 463 bestimmten Ansprüche nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Annahme vorbehält. E I 386 n 401; M a 229, 230; F 1 6900*.

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV. V. VI. VII.

Die Bedeutung der Vorschrift Annahme der Kaufsache Vorbehalt Verzicht durch Gebrauch Kenntnis Entdeckung nach Annahme Beweislast

,

1 2 3 4 5 6 7

Anm. 1 I. Die Bedeutung der Vorschrift § 464 regelt die Wirkung vorbehaltloser Annahme einer mangelhaften Sache. Sie gilt nur für Sachmängel. Eine entsprechende Vorschrift für Rechtsmängel gibt es nicht (RG 25. 11. 16 V 226/16). Während § 460 bestimmt, daß die Kenntnis des Käufers beim Abschluß des Kaufvertrags von Rechts wegen als Verzicht der Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche, weil als Kauf einer mangelhaften Sache, anzusehen ist, verordnet § 464 die gesetzliche P r ä s u m t i o n des Verzichts bei A n n a h m e der mangelhaften Sache t r o t z K e n n t n i s der Mängel, sofern die Gewähransprüche nicht vorbehalten worden sind (RG 101, 73; Mot. I. Entw. § 386 Bd. 2, 220). Beim Sukzessivlieferungsgeschäft kann die Nichtbemängelung der ersten mangelhaften Lieferung bedeuten, daß der Käufer ebensolche Ware auch künftig nicht als vertragswidrig behandeln will, und gegen Treu und Glauben verstößt, wenn er, obwohl er die nicht vertragsmäßige Lieferung unbeanstandet hingenommen und erkannt hat, daß der Verkäufer so weiter zu liefern gedenkt, nach Erhalt der zweiten ebenso beschaffenen Lieferung vom Vertrage zurücktritt, R G HRR 1936, 255. Die gesetzliche Präsumtion bezieht sich nur auf die in §§ 462, 463 bestimmten Ansprüche. Auch die auf Arglist des Verkäufers beruhenden Gewähransprüche gehen verloren, wenn der Käufer die mangelhafte Kaufsache trotz Kenntnis des Mangels annimmt, R G 59, 104; 101, 73; WarnRspr. 1909 Nr. 136; 1915 Nr. 108. Soweit dagegen neben § 463 noch Schadensersatzansprüche aus den §§ 823, 826 in Betracht kommen, gilt § 464 nicht, RG 63, 113, JW 1911, 756 unter Aufgabe des gegenteiligen Standpunkts von R G 59, 104. Die K e n n t n i s eines V e r t r e t e r s des Käufers ist nach § 166 dem Vertretenen zuzurechnen. Liegt jedoch ein Mißbrauch der übertragenen Vertretungsmacht beim Vertreter vor und kennt der Vertragsgegener diesen Mißbrauch, so kann er bei einem durch den Vertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäft aus jenem Mißbrauch keine Rechte gegen den Vertretenen herleiten (RG 52, 99; 71, 219; 75, 301; 101, 73; 159, 321). Entsprechendes wird schon dann gelten müssen, wenn sich ein Angestellter, der für den Käufer

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Kauf. Tausch

§464 A n m . 2—4

handeln oder auch nur auf den Abschluß von Kaufverträgen bestimmend einwirken darf, hinter dem Rücken seines Geschäftsherrn vom Verkäufer Vorteile für dessen bevorzugte Behandlung versprechen oder gewähren läßt (vgl. R G 161, 229 zu § 138). Schließt sich an den Kaufabschluß die Annahme der gekauften Sache unmittelbar an, so deckt sich die Vorschrift des § 464 mit der des § 460 ( R G 12. 10. 01 V 225/01). Sind m e h r e r e Sachen als zusammengehörend verkauft (§469 Satz 2), so läßt sich das Vorliegen der Voraussetzung des §464 nur mit Bezug auf die e i n z e l n e n Sachen feststellen; doch schließt dies nicht aus, daß in der vorbehaltlosen Annahme einer einzelnen von dem Mangel betroffenen Sache nach erlangter Kenntnis von diesem Mangel ein stillschweigender Verzicht auf das Wandlungsrecht ü b e r h a u p t gefunden wird ( R G 27. 10. 09 V 356/09). In der nach § 377 H G B dem Käufer obliegenden M ä n g e l a n z e i g e ist nicht ohne weiteres ein Vorbehalt, welcher einen Verzicht auszuschließen vermöchte, zu erblicken ( R G 64, 237; R G J W 1911, 486"; Recht 1918 Nr. 1089).

Anm. 2 I I . A n n a h m e ist gleichbedeutend mit Abnahme nach § 640 Abs. 2. Für die Annahme ist nicht erforderlich, daß der Empfänger die Erfüllung als eine tadellose angenommen hat; vielmehr genügt es, wenn er die als Leistung aus dem Vertrage angebotene Leistung körperlich hinnimmt und dabei zu erkennen gibt, daß er die Leistung als eine in der Hauptsache dem Vertrag entsprechende Erfüllung anerkenne ( R G 64, 240; R G J W 1911, 486°; O L G 24, 329). Ein Aufladen und Mitnehmen (z. B. von Weihnachtsbäumen) braucht aber noch nicht notwendig eine solche Abnahme zu sein, wohl aber wenn die Sache nach dem Ausladen behalten wird. Bei G r u n d s t ü c k e n steht die Auflassung der Ubergabe gleich ( R G 58, 263; J W 04, 406 10 ; 08, 137 7 ; WarnRspr. 09 Nr. 136; LZ 1919, 691).

Anm. 3 I I I . D e r V o r b e h a l t ist zu erklären, sobald entweder die Ubergabe oder die Auflassung erfolgt ist; entscheidend ist der zeitlich frühere Akt ( R G 18. 12. 18 V 231/18; a M R G 63, 110; J W 1911, 756 12 ). Dagegen ist die Notwendigkeit des Vorbehalts nicht auf die nachfolgende Eintragung abzustellen. Diese rein behördliche Maßnahme bedeutet keine Annahme durch den Käufer, die bereits durch die Auflassungserklärung vollzogen ist, R G 134, 89. Der Vorbehalt muß unter Bezeichnung des bekannten Mangels gemacht werden. Ein allgemeiner Vorbehalt genügt nicht ( R G 13. 5. 10 I I I 303/09). Die Erklärung gegenüber einem gewöhnlichen Boten genügt nicht, sofern dieser nicht wirklich zum Ubermittler des Vorbehalts wird ( O L G 24, 329). Auch vor der Annahme kann der Vorbehalt erklärt werden, wenn nur das spätere Verhalten des Käufers damit im Einklang steht ( R G 58, 263).

Anm. 4 IV. Verzicht durch Gebrauch Der Käufer geht, wenn er den Mangel kennt, des Anspruchs auf Wandelung auch durch einen solchen Gebrauch der Sache verlustig, welcher auf den Willen, sich dieselbe ohne Rücksicht auf etwaige Fehler zuzueignen, schließen läßt (vgl. § 467 Anm. 10 unter Ziff. 4). Diese Folge hat dagegen ein wirtschaftlich verständiger Gebrauch des Kaufgegenstandes nicht, R G 145, 83. Der Käufer muß aber, sobald er Wandlung begehrt, die Benutzung der Kaufsache einstellen, wenn er nicht seinen Wandlungsanspruch verlieren will, R G 145, 83; B G H M D R 1955, 464. Die kurzfristige Weiterbenutzung der Kaufsache nach Entdeckung des Mangels und ein hoher Kostenaufwand zu ihrer Instandsetzung rechtfertigen nicht ohne weiteres den Schluß, daß der Mangel für den Kaufentschluß unmaßgeblich gewesen sei ( B G H W M 1956, 1499, 1500). In der schon vor Ausübung des Wandlungsrechts vorgenommenen Veräußerung der Ware liegt im allgemeinen ein Verzicht ( R G 54, 80; 98, 231; 101, 18), jedoch können die Umstände auch etwas anderes ergeben, R G 98, 232. Ein Verzicht ist nicht ohne weiteres in der Hingabe der fehlerhaften Sache zur Reparatur, insbesondere nicht in einem solchen Gebrauch zu finden, der wesentlich im Interesse des Verkäufers geschieht ( R G J W 04, 2901) oder durch

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§ 464 Anm. 5—7 § 465 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

besondere Umstände entschuldigt wird ( R G J W 09, 685®). Mit Rechtsnotwendigkeit liegt ein solcher Wille auch weder in der Billigung beim Kauf auf Besicht ( R G WarnRspr. i g i a Nr. 381), noch in der Bestätigung des anfechtbaren Kaufes nach § 144 ( R G J W 1 9 1 1 , 398*); selbst in einem Vertrag, durch den der Käufer gegen die Übernahme der Pflicht zur Beseitigung des Mangels auf das Wandlungsrecht verzichtet, muß sie nicht liegen ( R G 22. 1. 13 V 304/12). Kennt dagegen der Käufer beim Weiterverkauf die Anfechtbarkeit des Kaufs, so verzichtet er damit auf die Anfechtung ( R G 68, 399). Anm. 5 V . Wirkliche Kenntnis vom Mangel ist erforderlich. Die Kenntnis eines Teils des Mangels steht der Kenntnis des ganzen Mangels nicht gleich ( R G 3. 7. 15 V 103/15). Grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht (WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 185), ebensowenig bloße Vermutung des Mangels ( R G 18. 1. 08 V 210/07). Dem Käufer liegt, abgesehen von dem Fall eines beiderseitigen Handelsgeschäfts nach § 377 H G B ( R G J W 06 S. 9 1 " , 119 2 5 ), eine Pflicht zur alsbaldigen Untersuchung und Mängelanzeige nur dann ob, wenn Treu und Glauben dies erfordert. Anm. 6 VI. Der Fall, daß e i n Mangel erst nach der Annahme entdeckt w i r d , fällt nicht unter § 464. Setzt aber der Käufer daraufhin den Gebrauch der Sache fort oder verfügt er über sie, ohne sich seine Rechte vorzubehalten, so kann hierin ein Verzicht auf die Wandlung, dagegen nicht ohne weiteres auf die Minderung gefunden werden ( R G 39, 172). So insbesondere, wenn der Käufer sich erfolgreiche Ausbesserung gefallen läßt ( R G 12. 2. 13 V 456/12). Anm. 7 VII. Der Beweis für die Annahme der Sache und die Kenntnis des Käufers vom Mangel trifft den Verkäufer, während der Käufer für die Abgabe des Vorbehalts beweispflichtig ist ( R G 29, 1 1 6 ) .

§465 Die Wandelung oder die Minderung ist vollzogen, wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt. B I 384 II 402; M 2 228; P 1 68;. Ubersicht I. II. III. IV.

Die Bedeutung des § 465 Verlangen und Einverständniserklärung Verhältnis zu § 463 Erfüllungsort

.

Anm. 1—6

• 7—i5 16 17

Anm. 1 I. Die Bedeutung des § 465 ist in Rechtslehre und Rechtsprechung überaus bestritten. Ubereinstimmung besteht nur darüber, daß die Wandlung oder die Minderung vollzogen ist, wenn sich Verkäufer und Käufer über die Wandlung oder die Minderung einig sind. Die Einigung hat die Rückgängigmachung des Kaufes (Wandlung) oder die Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) zum Inhalt. Zweifelhaft ist schon, ob es diese Einigung ist, woraus sich für den Verkäufer der Anspruch auf Rückgabe der Kaufsache und für den Käufer der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises oder des über den geminderten Preis hinaus gezahlten Betrages ergibt. Damit hängt die Frage zusammen, ob diese Einigung, wenn sie ein Grundstück betrifft, der Form des § 3 1 3 bedarf. Sicher ist dagegen, daß der Käufer nach einer wirksam zustande gekommenen Einigung nicht mehr von dem einen Rechtsbehelf (Wandlung oder Minderung) zu dem anderen über-

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Kauf. Tausch

§465 A n m . 2, 3

gehen darf, daß sein Anspruch von da an von der Voraussetzung des Sachmangels unabhängig ist und daß die Neubegründung des einmal beseitigten Ubereignungsanspruchs bei einem Grundstück der Form des § 3 1 3 bedarf.

Anm. 2 Die V e r t r a g s t h e o r i e ( O e r t m a n n § 462 Nr. 3 ; § 465 Nr. 3 ; D e r n b u r g I I § 186 Anm. 1 1 ; E n d e m a n n § 1 6 1 Anm. 36; G o l d m a n n / L i l i e n t h a l I, 499; F . L e o n h a r d , Schuldrecht I I , 67fr.; H e l l w i g , Anspruch und Klagerecht 383; K r ü c k m a n n SeuffBl. 70, 585; A c P 98, 420 u. a.) meint, der K ä u f e r habe Anspruch auf Abschluß eines Wandlungs- oder Minderungsvertrages und erst auf Grund dieses Vertrages, der den Kaufvertrag aufhebe oder abändere, oder, anders ausgedrückt, die Wandlung oder Minderung vollziehe, könnten dem Käufer und dem Verkäufer Rückgewähransprüche erwachsen. Sie stützt sich einmal auf die Verhandlungen der I I . Kommission (Prot. S. 680, 709, 710), die „der Rechtsanwendung einen deutlichen Fingerzeig für die dem Gesetz zugrundeliegende Konstruktion (Anspruch auf Einwilligung in die Wandlung) geben wollte" und dem Käufer keinen Anspruch „ a u s " der Wandlung, sondern bloß einen Anspruch „ a u f " Wandlung einräumte, und zum anderen darauf, daß § 465 in Ubereinstimmung hiermit die Wandlung und die Minderung als „vollzogen" kennzeichnet, „wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt". Der Käufer müßte also, falls der Verkäufer mit der vom Käufer verlangten Wandlung oder Minderung nicht einverstanden ist, zunächst gestützt auf die Mangelhaftigkeit der gelieferten Kaufsache, auf Abgabe einer Willenserklärung, nämlich auf die Einverständniserklärung des Verkäufers klagen; durch die Rechtskraft eines obsiegenden Urteils würde er einen Vertrag über die Wandlung oder Minderung erzielen, aus dem er dann in einem zweiten Prozeß, falls der Verkäufer nun noch die Rückgewähr des Kaufpreises oder des Zuvielgezahlten verweigert, unabhängig vom Sachmangel auf Rückzahlung klagen müßte. Dieser Weg ist zu umständlich und unpraktisch. V o n Vertretern der Vertragstheorie ist darum befürwortet worden, die Klage auf Einverständnis zugleich auf Rückgewähr zu richten ( F l e c h t h e i m G r u c h o t 44, 7 3 f f ) oder vom Einwilligungsantrag ganz abzusehen, weil er in dem Antrag auf Rückzahlung enthalten sei ( G o l d m a n n / L i l i e n t h a l I § 1 3 5 4b) und das Urteil die Wandlung durch Richterspruch unmittelbar vollziehe ( E n d e m a n n § 161 Anm. 36, 37 S. 995). Damit wird aber entweder die Vertragskonstruktion aufgegeben oder die Klage auf Erfüllung des Rückgewähranspruchs schon vor dessen Erstehung zugebilligt, während die Zivilprozeßordnung die Klage nur für bereits entstandene Ansprüche zur Verfügung stellt und allenfalls (vgl. §§ 257—259 Z P O ) von der Fälligkeit absieht.

Anm. 3 Die H e r s t e l l u n g s t h e o r i e ( E c c i u s Gruchot 43, 3 1 6 f f . ; L o b e SächsArch. 9, 104fr.; N e u m a n n , B G B §462 I I ; P l a n c k §462 Anm. 3 ; §465 Anm. 1 ; H a y m a n n Gruchot 46, 509; M ü l l e r SeuffBl. 69, 45fr.; T h i e l e AcP 93, 397fr.; L a n g h e i n e k e n , Anspruch und Einrede S. 2 1 5 ; S t a u d i n g e r / O s t l e r § 462 Anm. 1 3 m . w. Nachw.; H e i n i c h e n in H G B R G R K § 377 Anm. 6off.; E n n e c c e r u s / L e h m a n n § 1 1 0 I 2 m. w. Nachw.) vertritt den Standpunkt, § 462 gebe einen Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Kaufs, im Falle der Wandlung also einen unmittelbaren Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises oder auf Befreiung von der Kaufpreisschuld, beide Male gegen Rückgabe der Kaufsache, und im Falle der Minderung einen unmittelbaren Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises oder teilweisen Erlaß der Kaufpreisschuld. Nach dieser Theorie besteht die Bedeutung des § 465 darin, daß die Einverständniserklärung des Verkäufers mit der Wandlung oder mit der Minderung dem Käufer das jus variandi, also das Recht nimmt, von dem einen Rechtsbehelf zum anderen überzugehen. I m Prozeßfalle soll das Wahlrecht des Käufers mit der Rechtskraft des auf die Wandlungs- oder Minderungsklage ergehenden Urteils untergehen; das Urteil sei nicht Voraussetzung der beiderseitigen Rückgewähransprüche, sondern lege nur den Zeitpunkt fest, in dem der Käufer das Recht, entweder Wandlung oder Minderung zu verlangen oder bei dem Vertrag stehen zu bleiben, verliere. Die Herstellungstheorie hat die praktische Handbarkeit für sich, aber die eindeutigen Materialien gegen sich. A . B l o -

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§ 465 A n m . 4, 5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

m e y e r (AcP 1 5 1 , 97 ff, 100) hat recht, daß hieran auch alle sonstigen Erklärungsversuche (von ihm im einzelnen dargestellt) nicht vorbeikommen. B ö t t i c h e r (Die Wandlung als Gestaltungsakt, 1938 [Heidelberger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Nr. 24], S. 5, 8, 12) hält der Herstellungstheorie entgegen, der Kaufvertrag müsse durch einen contrarius actus, den Wandlungsvertrag aufgehoben werden, um den ihm entgegengesetzten Rückgewähransprüchen Platz zu machen. Es ist aber gerade die Frage, ob der Kaufvertrag aufgehoben werden muß, damit beiderseits Rückgewähransprüche gegeben werden können, oder ob nur die Folgen des Kaufvertrags zu beseitigen sind. Anm. 4 Das R e i c h s g e r i c h t (Bd. 93, 49) hat ausgeführt: „Das Wesentliche und die Natur des Rechtsverhältnisses Bestimmende ist bei der Wandlung nicht, wie beim gegenseitigen Vertrag, ein Austausch von Leistung und Gegenleistung, sondern die Beseitigung des auf einen solchen Austausch gerichteten Vertrages. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß nach §§ 467, 346 die beiderseitigen Leistungen zurückzugewähren sind, und daß diese Rückgewähr Zug-um-Zug nach § 348 unter entsprechender Anwendung der für den gegenseitigen Vertrag geltenden Vorschriften der §§ 320, 322 stattzufinden hat. Denn hier handelt es sich nur um eine nebensächliche Folge der Rückgängigmachung des Kaufvertrages, die j a nach dem zufälligen Stande der beiderseitigen Leistungen auch ganz ausbleiben oder nur für einen der beiden Teile wirksam werden kann". B ö t t i c h e r (aaO S. 6/7) wertet diese Äußerung für den Vertragscharakter der Wandlung; das ist unberechtigt, da diese Stellungnahme auf den Satz folgt: „Die Wandlung eines Kaufes hat an sich nicht die Wirkung, daß an Stelle des rückgängig gemachten Kaufvertrages ein anderer gegenseitiger Vertrag tritt", woraus ganz deutlich wird, daß es sich nur um eine Äußerung zu der Frage handelt, ob durch die Wandlung ein gegenseitiger Vertrag entsteht. Auch in seinen anderen Entscheidungen hat sich das Reichsgericht nicht auf den Streit zwischen Vertrags- und Herstellungstheorie eingelassen. Sein Standpunkt ist der: Nicht wie die Anfechtung, der Vorkauf, der Wiederkauf vollzieht sich die Wandlung oder Minderung durch die einseitige Erklärung des Käufers. Auf rechtsgeschäftlichem Wege gelangt vielmehr die Wandlung und Minderung nur dadurch zur Verwirklichung und Vollziehung, daß sich auf das Verlangen des Käufers der Verkäufer damit einverstanden erklärt ( R G 59, 97; 108, 26; J W 1913, 736). Darin liegt aber noch nicht mit Notwendigkeit auch der Satz, daß der Käufer seine Gewährleistungsansprüche n u r in der Weise gerichtlich geltend machen könnte, daß er den Verkäufer auf Einwilligung in die Wandlung oder Minderung verklagt. Er kann seinen Klagantrag auch unmittelbar auf Rückgängigmachung des Kaufvertrags oder auf Minderung durch das Urteil und auf die Leistungen richten, die sich aus dieser Rückgängigmachung oder Minderung ergeben ( R G 58, 423; 66, 75; 69, 385, 389; 70, 198/99; 94, 3 3 1 ; 101, 7 i ; J W 1913, 73Ö6). Will aber der Käufer auf halbem Wege stehenbleiben und nicht Ausführung der Rückgängigmachung oder Minderung, sondern nur Verurteilung des Verkäufers zur Einwilligung in die Wandlung oder Minderung begehren, so bleibt ihm auch dies unverwehrt ( R G WarnRspr. 1913 Nr. 314). Klagt er auf Minderung, so kann er den Betrag angeben oder in das richterliche Ermessen stellen ( R G 13. 4. 13 V 520/12). Anm. 5 Während die Herstellungstheorie im allgemeinen den Anspruch auf Wandlung oder Minderung unmittelbar an den Sachmangel knüpft, lassen H e n l e (Recht der Schuldverhältnisse, S. 613) und R a a p e (Festschrift für Heinrich Lehmann [1937], S. 159fr, 1 6 3 f f ) den Wandlungsanspruch erst mit der Wandlungserklärung entstehen ( G e s t a l t u n g s t h e o r i e ) . Der Käufer habe ein Gestaltungsrecht, erst durch die Ausübung dieses Rechts werde der Wandlungsanspruch ins Leben gerufen; wie §354 Satz 2 zeige, brauche die Gestaltung nicht endgültig zu sein; der Käufer verliere das Wahlrecht nicht schon mit der Wandlungserklärung, sondern erst entweder mit der Einverständniserklärung des Verkäufers, durch die ein Vertrag lediglich anerkennenden, feststellenden Inhalts zustandekomme, oder mit der Rechtskraft der Verurteilung zur Rückgewähr. Bei der Minderung sei für eine Gestaltung kein R a u m ; die Auffassung, daß der Kauf200

K a u f . Tausch

§ 465 Anm. 6

vertrag abgeändert werden müsse, zu der die Fassung des § 462 („Herabsetzung des Kaufpreises") verleite, sei verfehlt; der K ä u f e r brauche nur deshalb einen Teil des vereinbarten Preises zu zahlen, weil er nicht erhalten habe, was ihm zugestanden habe; es liege nicht anders als bei der Minderung wegen teilweiser Unmöglichkeit (§ 232 Abs. 2, 3 ) ; nicht weil der Preis geändert worden sei, sondern weil dem K ä u f e r nicht sein volles Recht geworden sei, erhalte der Verkäufer weniger. Gewiß ist die durch Ausübung eines Gestaltungsrechts herbeigeführte Rechtslage nicht unumstößlich. Aber die dem K ä u f e r gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der freien Abänderung der einmal getroffenen Wahl verträgt sich nicht mit der Annahme eines einseitigen Gestaltungsrechts ( B o t t i c h e r , a a O S. 1 8 — 2 0 ) ; dabei kann nicht außer Betracht bleiben, daß der Verkäufer mit einer, wenn auch einseitig vom K ä u f e r herbeigeführten Aufhebung des Kaufvertrages das Recht auf Rückgewähr der Kaufsache erlangt, ein Interesse an der Aufrechterhaltung dieses Anspruchs haben kann und sich in der Zeit zwischen dem Wirksamwerden der Wandlungserklärung und dem Wirksamwerden seines sofort erklärten Einverständnisses nicht vor der Entziehung seines Ruckgewähranspruches schützen kann. Ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung frei widerruflich ist und entweder erst bei Einverständnis des anderen Teils oder im Streitfalle erst mit Hilfe eines rechtskräftigen Urteils eine endgültige Rechtslage schafft, kennt das Gesetz nicht. I m übrigen hat das Bürgerliche Gesetzbuch das Wandlungsrecht gerade deshalb als Anspruch ausgestattet, weil es den K ä u f e r nicht wie beim Rücktritt an die einmal ausgesprochene Erklärung binden wollte (Prot. S. 1424). Anm. 6 B ö t t i c h e r (aaO und S J Z 1948, 738ff.) hält das Ziel der Vertragstheorie f ü r richtig und verlangt mit ihr die Aufhebung (Beseitigung) des Kaufvertrages — so bei der Wandlung — oder dessen Abänderung — so im Falle der Minderung. K o m m e es zum Wandlungs- oder Minderungsvertrage, so sei die Wandlung oder Minderung vollzogen. I m Streitfalle vollziehe sich die Wandlung durch Richterspruch. § 462 gebe dem K ä u f e r keinen Anspruch, sondern das Recht, Wandlung oder Minderung zu verlangen. E r müsse beantragen, den Verkäufer unter Wandlung des Kaufvertrages zur Rückzahlung des Kaufpreises zu verurteilen. Der K ä u f e r habe nicht die Einwilligung des Verkäufers in die Wandlung und damit ein Leistungsurteil, sondern den Erlaß eines Gestaltungsurteils zu begehren. § 462 entspreche etwa dem § 1 3 3 H G B . Auch § 477 handle nicht von einem Anspruch auf Wandlung, sondern betreffe den künftigen Anspruch aus der Wandlung. Mache der K ä u f e r die Wandlung oder Minderung klage- oder einredeweise innerhalb der Frist des § 477 geltend, so begehre er richterlichen Wandlungsvollzug; erziele er ein obsiegendes Urteil, so unterliege der Rückgewährsanspruch wie beim Wandlungsvertrag der 30jährigen Verjährung; dieser Anspruch s,ei vom Sachmangel unabhängig, seine Geltendmachung vertrage darum eine Hinausschiebung. Erreiche der K ä u f e r dagegen auf Grund des § 478 die Abweisung der Kaufpreisklage, so könne er auch auf dem U m w e g über § 8 1 3 nicht die Rückzahlung einer Anzahlung erreichen (ebenso R G 128, 2 1 5 ) , da es dann nicht zur Vollziehung der Wandlung gekommen sei (S. 5 1 ) . Habe der K ä u f e r in einem ersten Prozeß nur einen Teil des Kaufpreises zurückverlangt und obsiegendes Urteil erstritten und verlange er nunmehr den Rest, so sei die neue K l a g e eine solche aus richterlich vollzogener Wandlung und damit von dem (erneuten) Nachweis des Sachmangels und der Einhaltung der Frist des § 477 unabhängig. K l a g e der rechtskräftig zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilte Verkäufer in einem zweiten Prozeß auf Rückgabe der Ware, so könne sich der K ä u f e r im Hinblick auf die durch Richterspruch bereits vollzogene Wandlung nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er die Ware nun behalten wolle. Erreiche der K ä u f e r mit einer innerhalb der Frist des § 477 erhobenen Wandlungseinrede die rechtskräftige Abweisung der Kaufpreisklage, so sei auch damit die Wandlung richterlich vollzogen und der Anspruch auf Rückzahlung seiner Anzahlung entgegen R G 69, 385 vom abermaligen Nachweis des Sachmangels und der Einhaltung der Frist des § 477 unabhängig. So beachtenswert diese Überlegungen auch sein mögen, so scheitern sie doch gleichviel, ob § 465 eine Aufhebung oder Abänderung des Kaufpreises voraussetzt, daran, daß sich durch die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, die sich in der Praxis allgemein durchgesetzt hat, ein 201

§ 465 Anm. 7—9

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Richterrecht gebildet hat, das nunmehr maßgebend ist (A. Blomeyer AcP 151, 97tf, 99). Der Gedanke, selbst dem auf Wandlungseinrede ergehenden, die Kaufpreisklage abweisenden Urteil den Charakter des Wandlungsvollzuges beizulegen, läuft darauf hinaus, einem Entscheidungsgrund mit Hilfe des materiellen Rechts Rechtskraftwirkung beizulegen. Soll diesem Urteil, obwohl es eine Leistungsklage abweist, Gestaltungswirkung zukommen, so könnte es nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Das gilt auch von einem Urteil auf Rückzahlung des Kaufpreises. Damit wird der praktische Wert der Konstruktion Böttichers geschmälert. Der Standpunkt aber, der sich bei einverständiger Wandlung ergebende Rückgewähranspruch verjähre erst in 30 Jahren, hat mit dem Streit von Vertrags- und Herstellungstheorie nichts zu tun (A. B l o m e y e r AcP 151, 104) und kann gebilligt werden (RG 69, 387; H e i n i c h e n in HGB R G R K §377 Anm. 135; S t a u d i n g e r / O s t l e r § 477 Anm 14). Anm. 7 II. Verlangen und Einverständniserklärung Der Käufer muß Wandlung oder Minderung verlangen, was gerichtlich und außergerichtlich geschehen kann. Es handelt sich um einen sog. „verhaltenen Anspruch", L a n g h e i n e k e n in Festgabe für W. v. Brünneck (1912) S. 27. Eine alternative Geltendmachung widerspricht der Natur des Anspruchs, dagegen kann sie subsidiär erfolgen, RG 131, 346; J W 1931, 3270. Das Verlangen braucht nicht auf Einverständniserklärung des Verkäufers zu gehen, sondern kann unmittelbar Wandlung und Minderung enthalten. Das außergerichtliche Verlangen bedarf auch keiner Form, wenn es sich um Wandlung eines Grundstückskaufs handelt (RG 137, 296). Im Rechtsstreit kann das Verlangen auch einredeweise geltend gemacht werden. Anm. 8 Bis zur Einverständniserklärung des Verkäufers, die auch bei Grundstücken formlos erfolgen kann (RG 137, 296) oder bis zu dessen rechtskräftiger Verurteilung ist der Käufer an die von ihm ausgeübte Wahl nicht gebunden; er kann vielmehr von dem einen Rechtsbehelf zum anderen übergehen (Prot. S. 7 1 1 ; RG J W 05, 49219). Er kann auch den einmal erhobenen Anspruch auf Wandlung oder Minderung fallen lassen; R a a p e (Festschrift für Heinrich Lehmann, 1937, S. 162) bezeichnet das als ein Reurecht. Der Käufer kann sogar noch nach rechtskräftiger Abweisung der Wandlungsklage auf Minderung klagen (RG J W 07, 708; 1911, 592; SeuffArch. 67, 91). Solange er die Wahl noch ändern kann, braucht er selbst bei Geltendmachung der Wandlung die Sache noch nicht zurückzugeben. Erst mit dem Vollzug der Wandlung entsteht für den Verkäufer der Anspruch auf Rückgewähr (RG 94, 331); vorher hat nur der Käufer ein Recht; auch er kann zwar nur Leistung gegen Gegenleistung (Rückzahlung gegen Rückübereignung) verlangen; das gleiche Recht steht dem Verkäufer aber erst mit seinem Einverständnis in die Wandlung zu, R a a p e aaO S. 159. Wird die Wahl nach der Klageerhebung geändert, so ist dies an sich Klageänderung (RG 64, 374; J W 07, 46), die aber in der Regel nach § 264 ZPO zuzulassen ist, da die Verteidigung des beklagten Verkäufers dadurch nicht wesentlich erschwert wird. Anm. 9 Wird die Wandlung oder Minderung erfolgreich einredeweise vorgeschützt, so darf sich der Käufer später nicht in Widerspruch zu der Haltung, die er in dem Rechtsstreit eingenommen und die ihm dort zum Erfolg verholfen, setzen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen (vgl. RG 147, 390, 394; A. Blomeyer AcP 151, 114). Unter diesem Gesichtspunkt mit der rechtskräftigen Abweisung der Kaufpreisklage tritt eine Bindung des Käufers an die einmal vorgenommene Wahl ein. Will der Käufer danach die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung zurückfordern, so muß er auf die Mangelhaftigkeit der Sache zurückkommen und die im Vorprozeß nur als Entscheidungsgrund berücksichtigte Berechtigung seines Wandlungsverlangens dartun; dabei ist er der Verjährungseinrede des Verkäufers aus § 477 ausgesetzt (RG 69, 388; a. A. Bötticher aaO, vgl. oben Anm. 6). 202

Kauf. Tausch

§465

A n m . 10—16

A n m . 10 Die Ein Verständniserklärung kann auch s t i l l s c h w e i g e n d erfolgen. Solange sie an einen V o r b e h a l t oder eine B e d i n g u n g geknüpft ist, ist sie zur Vollziehung der Wandlung ungeeignet, R G Recht 1921 Nr. 1858. A n m . 11 Auch die Erklärung der Rücknahme bei weiterbestehendem Streit über die übrigen Rechtsansprüche bedeutet nicht notwendig ein Einverständnis mit der Wandlung, R G Gruchot 5 1 , 170; die Vereinbarung, die gelieferte mangelhafte Sache ist in eine mangelfreie u m z u t a u s c h e n , kann dem Verkäufer das Recht geben, die Wandlung durch Lieferung einer fehlerfreien Sache abzuwenden; in der Regel liegt darin aber die Rückgängigmachung des Kaufvertrages und der Abschluß eines neuen Kaufvertrages über einen Ersatz ( S t ö l z l e J W 1 9 3 1 , 3471/72 Anm.). Erkennt der Verkäufer eine Beanstandung der Ware nicht an und nimmt er die Ware bloß aus Entgegenkommen zurück, so liegt darin keine Rückgängigmachung des Kaufs, sondern nur ein Rückgängigmachen des Erfüllungsgeschäfts, wodurch der Verkäufer die Möglichkeit erhält, eine andere Ware aus der Gattung als Ersatz zu liefern, R G 91, 110; 93, 98, 100; 94, 329. E i n e b e i K a u f a b s c h l u ß g e t r o f f e n e U m t a u s c h v e r e i n b a r u n g schließt die gesetzliche Gewährleistung aus. R G 91, 1 1 0 ; 94, 329. A n m . 12 Die Erklärungen des Käufers und Verkäufers über die Wandlung sind rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, daher von beiden Seiten aus wegen Irrtums anfechtbar (OLG 22, 47). Kommt es zu einem Wandlungsvertrag, so gewinnt damit nur der Verkäufer einen Anspruch, den auf Rückgabe der Kaufsache; der Käufer dagegen behält den erhobenen Anspruch, der nun allerdings gegen Bestreiten des Mangels geschützt ist und der 30 jährigen Verjährung, nicht der nach § 477, unterliegt. Erklärt sich der Verkäufer mit dem verlangten Minderungsbetrag einverstanden, so wird damit der erhobene Anspruch nur bestätigt und vor einseitiger Änderung geschützt, aber kein neuer Anspruch erzeugt. A n m . 13 Nicht zu verwechseln ist das Einverständnis über die Wandlung mit dem E i n v e r s t ä n d n i s ü b e r d i e N i c h t i g k e i t des K a u f e s , die ganz andere Folgen hat (RG WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 68). A n m . 14 Mit der Wandlungserklärung des Käufers gerät der Verkäufer, wenn das Wandlungsbegehren begründet ist, in A n n a h m e v e r z u g , falls er die Ware nicht rechtzeitig zurücknimmt. Der Käufer hat von da an gemäß § 300 nur mehr Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (RG WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 376). A n m . 15 Das Einverständnis mit der Wandlung bedeutet noch nicht die s e l b s t ä n d i g e v e r t r a g s m ä ß i g e Verpflichtung zur Rückgabe der Sache. Durch die vollzogene Wandlung wird auch kein gegenseitiges Vertragsverhältnis begründet, daher § 326 nicht anwendbar (RG 93, 49). A n m . 16 III. Auf den S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h aus § 463, der nur von dem Verlangen des Käufers, nicht von der Einwilligungserklärung des Verkäufers abhängt, bezieht sich § 465 nicht. Dieser Anspruch wird vielmehr mit der Erfüllung oder mit der Verurteilung unwiderruflich. Ist der Anspruch auf Wandlung oder Minderung unwiderruflich geworden, so kann (vgl. § 463: „statt der Wandlung oder Minderung") von Schadensersatz nicht weiter die Rede sein.

203

§ 465 A n m . 17

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§§ 466, 467 Anm. 1

A n m . 17 IV. Erfüllungsort. Wird bei der Wandlung Zug-um-Zug-Leistung angeboten, so ist beiderseitiger gesetzlicher Erfüllungsort der Ort, an dem sich die Ware dem Vertrage gemäß befindet. § 4 6 6 Behauptet der Käufer dem Verkäufer gegenüber einen Mangel der Sache, so kann der Verkäufer ihn unter d e m Erbieten zur Wandelung und unter B e stimmung einer angemessenen F r i s t zur Erklärung darüber auffordern, ob e r Wandelung verlange. Die Wandelung kann in diesem Falle nur bis z u m Ablaufe der F r i s t verlangt werden. E n 402 A b s . 2 m 460; P I 800ff.

Anm. 1 Die Vorschrift bietet ein M i t t e l , um den S c h w e b e z u s t a n d z u b e s e i t i g e n , ähnlich § 634. Ist die gesetzte Frist unangemessen kurz, ist die Fristsetzung zwar als solche wirksam, an die Stelle der gesetzten Frist tritt aber die angemessene (RG 56, 234). Anm. 2 Verlangt der Käufer die Wandlung, geht er also auf das Erbieten zur Wandlung ein, so ist diese mit seiner Erklärung vollzogen; andernfalls ist sie mit Ablauf der Frist ausgeschlossen, dagegen die Geltendmachung der sonstigen Rechte (Minderung, Schadensersatz) gestattet. Wegen des Gattungskaufs § 480. § 4 6 7 Auf die Wandelung finden die für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der § § 346 bis 348, 350 bis 354, 356 entsprechende Anwendung ; i m Falle d e s § 352 ist jedoch die Wandelung nicht ausgeschlossen, wenn der Mangel sich erst bei der Umgestaltung der Sache gezeigt hat. Der Verkäufer hat dem Käufer auch die Vertragskosten zu ersetzen. E I 387 II 403; M 1 2}oS.; P I 692ff., 8 o l f f . ; 6 158, 172.

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

Die Durchführung der Wandlung Die Wirkung der Wandlung Ausschluß der Wandlung Widerruflichkeit der Wandlung Erfüllungsort Maßgebendes Recht Beweislast Anwendbarkeit auf Werklieferungsvertrag

i 2—9 10 11 12 13 14 15

Anm. 1 I. Die Durchführung der Wandlung ist in den §§467—471 geregelt. Die sich danach ergebenden Rechtsfolgen treten kraft Gesetzes ein. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit sind aber auch Vereinbarungen zulässig. Einen solchen Vertrag, stellen das Wandlungsverlangen des Käufers und die Einverständniserklärung des Verkäufers (§ 465) nicht dar. Ein selbständige Rechte und Pflichten begründender U m t a u s c h v e r t r a g ist nicht zu vermuten. Die einzelnen Rechtsfolgen können ebenso wie das Recht auf Wandlung oder Minderung Gegenstand einer Feststellungsklage sein, R G 74, 294; 92, 7; 123, 233. 204

Kauf. Tausch

§467

A n m . 2—6 Anm. 2 II. Die Wirkung der Wandlung Während die Anfechtung den Vertrag in den Grenzen des § 14a mit dinglicher Wirkung gegen jedermann vernichtet, setzt der Anspruch auf Wandlung den Käufer nur in den Stand, die schuldrechtliche Aufhebung des Vertrags herbeizuführen (RG 96, 157). Eine dingliche Wirkung hat die Wandlung nicht; durch das beiderseitige Einverständnis wird nicht etwa das Eigentum ohne weiteres auf den Verkäufer zurückübertragen (RG J W 1924, 677 10 ). Es liegt nur ein schuldrechtliches Abkommen vor (RG 108, 27). Das ursprüngliche Schuldverhältnis wird beseitigt und an seine Stelle tritt das Schuldverhältnis aus § 346, nämlich die Verpflichtung der Parteien, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (RG 71, 277). An Stelle des rückgängig gemachten Kaufes tritt aber nicht ein anderer gegenseitiger Vertrag auf Austausch von Leistung und Gegenleistung, sondern die Wandlung geht lediglich auf Beseitigung des ursprünglichen Kaufvertrags. Es ist nur eine Folge der Rückgängigmachung, daß nach § 346 die beiderseitigen Leistungen zurückzugewähren sind. Anm. 3 Das Empfangene ist n a c h seinem w i r t s c h a f t l i c h e n W e r t e zurückzugeben (§ 242), auch die Nutzungen, die der Käufer inzwischen gezogen hat oder ziehen konnte (RG 108, 281/282). Die Rechte des § 326 aber sind auf diese Rückgängigmachung nicht anwendbar (RG 93, 47). Abweichend RG 66, 6l für Schadensersatzansprüche aus § 283 Abs. 1. Auf den Zeitpunkt, in dem der Käufer vom Wandlungsrecht Kenntnis erlangt hat, kommt es nicht an. Für Ansprüche auf Herausgabe der Nutzungen und Ersatz von Verwendungen sind §§ 467 und 347 anzuwenden. Uber § 347 Satz 2 ist auch § 994 Abs. 2 anwendbar, so daß der Käufer seine notwendigen Aufwendungen auf die Kaufsache ersetzt verlangen kann, RG 147, 393. Nach § 987 Abs. 1 sind sämtliche von der Rechtshängigkeit des Eigentumsanspruchs gezogenen Nutzungen herauszugeben. Der Wandelnde ist nach positiver Bestimmung des Gesetzes von vornherein wie ein bösgläubiger Besitzer zu behandeln, RG H R R 1930, 771; RG 145, 81/82; anders beim Rechtsmangel, vgl. § 440 Anm. 12. Anm. 4 Demgemäß kommen, wenn der Vertrag noch von keiner Seite erfüllt ist, die beiderseitigen Verpflichtungen zum Erlöschen. Anm. 5 Ist der Kaufvertrag d a g e g e n e r f ü l l t , so hat a) der Verkäufer den Kaufpreis mit Zinsen zu 4 v. H., bei zweiseitigen Handelsgeschäften 5 v. H., vom Empfang ab zurückzahlen (§§ 346 Satz 1, 347 Satz 3, 246) und den Wert der etwa neben dem Kaufpreis vom Käufer erhaltenen Dienste zu vergüten (§ 346 Satz 2). Hat der Verkäufer Wertpapiere als Kaufpreis erhalten, so hat er im Falle der Wandlung nur den Kurswert, nicht den Nennwert zu ersetzen (RG J W 05, 137 1 4 ). Die auf die Sache vom Käufer gemachten notwendigen Verwendungen hat der Verkäufer nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten (§ 347 Satz 2, § 994 Abs. 2; RG 147, 393). Der Verkäufer hat auch die Vertragskosten, nämlich die auf den gewandelten Kauf erwachsenen Vertragskosten (RG J W 1913, 27 13 ), zu ersetzen (§ 467 Satz 2). Der Käufer kann ferner die Kosten eines Privatgutachtens zur Feststellung der Mängel erstattet verlangen (OLG Braunschweig Recht 1914 Nr. 758). Eine Pflicht, die Sache zurückzunehmen, wird der Verkäufer nur dann haben, wenn daran der Käufer ein besonderes Interesse hat (RG 3. 5. 10 I I I 224/10). Anm. 6 b) Der Käufer hat dem Verkäufer die empfangene Sache — frei von etwa inzwischen aufgelegten Lasten — zurückzugewähren (§346 Satz 1), und zwar bei Grundstücken in der erforderlichen Form (§ 925). Hat der Käufer vor der Vollziehung der Wandlung eine unwesentliche Verschlechterung oder nach der Vollziehung eine Verschlechterung oder den Untergang der Sache oder die anderweitige Unmöglichkeit der

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§ 467 A n m . 7—10

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Rückgewähr verschuldet, so ist er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 347 Satz i, § 989). Der Käufer hat endlich dem Verkäufer die gezogenen Nutzungen vom Empfang der Leistung an herauszugeben und für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen Ersatz zu leisten (§ 347 Satz 2, § 987; WarnRspr. 1914 Nr. 70; R G 145, 79; DJ 1934, 218). Solange aber der Käufer, sich noch nicht vom Empfang der Leistung an zur Wandlung entschlossen hat, ist ihm nicht zu verwehren, die Sache zu benutzen, auch wenn dadurch eine Verschlechterung eintritt. Das ist kein Verschulden, § 351. Nur darf es nicht unbillig geschehen (vgl. § 464 Anm. 4). Anm. 7 c) Die beiderseitigen, vorstehend angegebenen Verpflichtungen sind Z u g um Z u g zu erfüllen (§ 348). Eine Verurteilung auf Zug-um-Zug-Leistung kann jedoch nur erfolgen, wenn der Zurückbehaltungsein wand wirklich erhoben wird (RG 4. 5. 12 V 454/11). Die Verpflichtung zur Rückgabe Zug um Zug setzt aber eine vollzogene Wandlung voraus. Der Käufer braucht jedoch eine mangelhafte Ware so lange nicht zurückzugewähren, als er seine Wahl noch ändern kann. Er kann daher nach § 480 mangelfreie Ware ohne Rückgabe der mangelhaften Zug um Zug verlangen (RG 94, 331). Der Wandlungsanspruch verwandelt sich im Falle der Konkurseröffnung über das Vermögen des Verkäufers gemäß § 69 K O in eine Geldforderung und ist als solche im Konkurse geltend zu machen. Die vor der Konkurseröffnung rechtskräftig gewordene Entscheidung über den Grund des Anspruchs, d. h. über die Berechtigung der Wandlung, bildet auch für die an Stelle dieses Anspruchs tretende Geldforderung die unverrückbare Grundlage (RG 65, 132). Die Gewährleistungsansprüche sind aber Masseschulden nach § 59 Nr. 2 K O , wenn der Konkursverwalter des Verkäufers Zahlung des Kaufpreises verlangt (vgl. §462 Anm. 4). Anm. 8 d) Sind auf der Verkäufer- oder Käuferseite m e h r e r e beteiligt, so kann die Wandlung nur von a l l e n oder gegen alle ausgeübt werden. Erlischt der Wandlungsanspruch für einen der Berechtigten, so erlischt er auch für die übrigen (§ 356). Anders bei der Minderung (§474). Anm. 9 e) Kommt der Käufer n a c h V o l l z i e h u n g der W a n d l u n g mit der Rückgewähr der Sache oder eines erheblichen Teiles derselben in V e r z u g , so kann ihm der andere Teil eine angemessene Frist bestimmen mit der Erklärung, daß er die Annahme nach dem Ablauf der Frist ablehne. Mit dem erfolglosen Ablauf der Frist wird die erklärte Wandlung unwirksam und der Käufer kann nicht von neuem Wandlung verlangen (§ 354); auch der Anspruch auf M i n d e r u n g ist in diesem Falle ausgeschlossen, da der Käufer durch den Vollzug der Wandlung sein Wahlrecht eingebüßt hat. A n m . 10 III. Die Wandlung ist ausgeschlossen: 1. wenn der Käufer eine wesentliche V e r s c h l e c h t e r u n g , den Untergang der Kaufsache oder eines erheblichen Teiles derselben oder die anderweitige U n m ö g l i c h keit der H e r a u s g a b e entweder selbst oder durch einen (mit der wirtschaftlichen Behandlung der Sache betrauten) Dritten, für den er nach § 278 einzustehen hat, v e r s c h u l d e t hat (§ 351), R G HRR 1931, 208. Die wesentliche Verschlechterung usw. muß jedoch vor Vollziehung der Wandlung schuldhaft herbeigeführt worden sein (RG 59, 97; SeuffArch. 62 Nr. 206; RG SeuffArch. 67 Nr. 312; 71 Nr. 60). Ist sie erst nachher erfolgt, so wird die Wandlung nicht ausgeschlossen, sondern der Käufer ist schadensersatzpflichtig. Der Ausschluß der Wandlung erfordert nicht, wie der Ausschluß des Rücktrittsrechts (RG 71, 277) eine schuldhafte Verschlechterung der Sache vor Erklärung der Wandlung. Denn die Wandlung vollzieht sich nicht durch einseitige Willenserklärung wie der Rücktritt; erst vom Vollzug ab kann daher von Ausschluß der Wandlung keine Rede mehr sein, während kein Grund vorliegt, Umständen, die vorher, wenn auch nach der einseitigen Erklärung, wandeln zu wollen, eingetreten sind, die Bedeutung 206

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§467

A n m , 10

abzusprechen (RG 59, 87; WarnRspr. 1915 Nr. 204; vgl. auch Recht 1914 Nr. 1256; 1915 Nr. 2257; LZ 1915 Sp. 1377 4 ). Die Verschlechterung muß die Sache selbst treffen und ihre Brauchbarkeit für den anderen beeinträchtigen, es genügt nicht eine durch ein äußeres Ereignis herbeigeführte ungünstige Auffassung beteiligter Kreise über den Wert und die Brauchbarkeit (RG 64, 375). Die Frage, ob Verschlechterung überhaupt oder gar wesentliche Verschlechterung vorliegt, ist zumeist Tatfrage ( O L G 24, 329). Steht die Verschlechterung oder der Untergang fest, so hat der Käufer, der wandeln will, um dem Ausschluß der Wandlung zu begegnen, darzulegen, daß er daran nicht schuld sei (RG J W 08, 478®; R G 10. 1. 11 I I 129/10). Der Käufer ist an dem durch Brand eingetretenen Untergang nicht schuld, wenn er es bloß unterläßt, die Sache zu versichern (RG J W 1911, 321 12 ). Wird die Herausgabe zu einer Zeit unmöglich, zu welcher der Verkäufer sich dem Rücknahmeverlangen des Käufers gegenüber im R ü c k n a h m e v e r z u g befand, so hört damit die Vertretungspflicht des Käufers für schuldhaftes Verhalten nicht auf, sondern beschränkt sich nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (RG 56, 267; R G WarnRspr. 1912 Nr. 376). Hat der Käufer die Verschlechterung oder den Untergang verschuldet, so hat er sein Wandlungsrecht verwirkt, selbst wenn es auf A r g l i s t des V e r k ä u f e r s gegründet war (RG 8. 10. 10 V 198/10). Die Wandlung wird dagegen nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Kaufsache beim Käufer durch Z u f a l l untergegangen ist (350). In diesem Sinne hat daher die Ubergabe einer mangelhaften Sache nicht den Gefahrübergang (§§ 446, 447) zur Folge. 2 . wenn der Käufer die Kaufsache durch Bearbeitung oder Umbildung in eine Sache anderer Art u m g e s t a l t e t hat, es sei denn, daß sich der die Wandlung begründende Mangel erst bei dieser Umgestaltung gezeigt hat (§§ 352, 467 Satz 2); Aussaat von Samen ist Umgestaltung der Sache. 3. wenn der Berechtigte den empfangenen Gegenstand oder einen erheblichen Teil desselben v e r ä u ß e r t oder mit dem Recht eines Dritten belastet und in der Folge sein Abnehmer darauf eine wesentliche Verschlechterung oder den Untergang des Gegenstandes oder eines erheblichen Teiles desselben oder die anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe des Gegenstandes verschuldet hat. Einer Verfügung des Käufers steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt (§ 353). Dem steht jede unzulässige Verfügung über die Ware, z. B. ein unzulässiger Notverkauf, gleich (RG 101, 19). Das bloße Auseinandernehmen einer Maschine läßt das Wandlungsrecht dagegen noch nicht verloren gehen (RG 2 1 . 4 . 21 V I 527/20). Auch das v e r s c h u l d e t e U n v e r m ö g e n des Käufers zur Herausgabe schließt die Wandlung aus, z. B. wenn der Käufer die von ihm weiterveräußerte Sache nicht wiederzuerlangen und daher nicht zurückzuerstatten vermag (RG 102, 315). Die Wandlung ist dagegen nicht ausgeschlossen, wenn der Berechtigte den veräußerten Gegenstand von dem dritten Erwerber zurückerworben hat oder zurückerwerben kann und dem Verkäufer zurückgeben kann und will. Ebenso schließt der Umstand, daß ein zu wandelndes Grundstück zur Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g gekommen ist, die Wandlung an sich nicht aus, sondern nur dann, wenn der Wandlungsberechtigte die Zwangsversteigerung v e r s c h u l d e t hat und infolgedessen nicht mehr in der Lage ist, das Grundstück dem Verkäufer zurückzugeben (RG 50, 190; 54, 219; 56, 261, 267; 59, 92; SeuffArch. 62 Nr. 206; R G WarnRspr. 1913 Nr. 190). Kündigung einer Hypothek und infolgedessen Versteigerung des Grundstücks begründet Unmöglichkeit der Rückgabe (Recht 1914 Nr. 1821). Hat der Käufer auf Wandlung geklagt, so kann darin, daß er demnächst in einer zweiten Klage die Beseitigung der Mängel fordert, nicht ohne weiteres ein Verzicht auf die Wandlung gefunden werden (Recht 1913 Nr. 2401). 4. Den im Gesetz ausdrücklich angeführten Fällen einer Verwirkung des Wandlungsrechts ist noch der weitere, auf allgemeinen Gründen beruhende beizufügen, wenn der Berechtigtein K e n n t n i s des M a n g e l s n a c h E r k l ä r u n g d e r W a n d l u n g mit der Sache in einer Weise verfährt, die nach Treu und Glauben auf seinen Willen, sie zu behalten, schließen läßt, R G H R R 1931, 208; R G 145, 83; B G H M D R 1955, 464, insbesondere, wenn er durch V e r ä u ß e r u n g oder V e r b r a u c h seinen Willen, auf das 207

§ 467 A n m . 11—15 §468

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Wandlungsrecht zu v e r z i c h t e n , kundgibt (RG54,8o; 98,231; 1 0 1 , 1 8 ; vgl. auch §464 Anm. 4). Verzicht ist namentlich anzunehmen, wenn der Käufer trotz Kenntnis des Mangels die Ware bezahlt ( R G SeuffArch. 74, 43); Abschlagszahlung enthält nicht immer einen Verzicht (RG Recht 1915 Nr. 1063). Der Wandlungsberechtigte, dem gegenüber § 354 entsprechende Anwendung findet, kann nicht von neuem wandeln, wenn er mit Rückgabe der Kaufsache in Verzug kommt und die ihm nach § 354 gesetzte Frist ergebnislos verstreichen läßt, R G 123, 393. A n m . 11 I V . Für die Wandlung selbst ergibt sich aus § 467 nur so viel, daß das Verlangen des Käufers bis zum Einverständnis des Verkäufers (§ 465) oder bis zur Rechtskraft eines Urteils, das dem klage- oder einredeweise erhobenen Wandlungsbegehren stattgibt (vgl. zu § 465), w i d e r r u f l i c h ist. Denn § 349 ist nicht mitzitiert. Die Wandlung erfolgt eben nicht wie die Anfechtung und der Rücktritt vom Vertrage schon durch die einseitige Erklärung des Käufers. A n m . 12 V . E r f ü l l u n g s o r t . Der Erfüllungsort für die Durchführung der Wandlung fällt weder mit dem Erfüllungsort für die ursprünglichen Verpflichtungen des Verkäufers aus dem Kaufvertrage noch mit dem Erfüllungsort bei vereinbartem Rücktritt zusammen. Gleichviel ob die Durchführung einer bereits vollzogenen Wandlung (§ 465) begehrt wird, oder der Käufer unmittelbar die Rückgängigmachung des Kaufes verlangt, ist der Ort, an dem sich die Kaufsache dem Vertrage gemäß befindet, einheitlich für alle Rückgewährsansprüche der Erfüllungsort (§§ 269 BGB, 29 ZPO), R G 55, 105; 57, 12; Recht 1918 Nr. 980; L Z 1908, 471. Das folgt aus der Natur des Rückgewährschuldverhältnisses und gilt selbst dann, wenn auf Grund des Kaufvertrages lediglich der Verkäufer geleistet hatte und der Käufer bloß auf Befreiung von der Kaufpreisschuld klagt, R G 57, 12. Der Käufer ist nicht verpflichtet, die Sache an den Ort der Ubergabe auf seine Kosten zurückzubringen ( R G 55, 1 1 2 / 1 1 3 ; 57, 15). A n m . 13 VI. D a s R e c h t des Ortes, an dem sich die Kaufsache dem Vertrage gemäß befindet, ist auch für die Geltendmachung des von einem inländischen Käufer gegen einen ausländischen Verkäufer nach dem BGB erhobenen Wandlungsanspruchs nebst den damit zusammenhängenden Nebenansprüchen auf Zurücknahme der Ware und auf Ersatz der Fracht, der Versicherungs- und Lagerkosten maßgebend, einerlei, ob der Kaufpreis bezahlt ist oder nicht ( R G 55, 107). A n m . 14 VII. B e w e i s l a s t . Der Verkäufer hat die die Wandlung ausschließende Verschlechterung oder die Unmöglichkeit der Herausgabe der Kaufsache, der Käufer das Nichtvorhandensein eigenen Verschuldens oder das Vorhandensein überwiegenden Verschuldens beim Verkäufer zu beweisen (RG 56, 270; J W 04, 140 6 ; R G WarnRspr. 08 Nr. 621; 1910 Nr. 148). A n m . 15 VIII. § 467 ist auf den Werklieferungsvertrag einer nicht vertretbaren Sache (§651) anwendbar; R G 87, 305; 93, 159).

§468 S i c h e r t der V e r k ä u f e r eines G r u n d s t ü c k s d e m K ä u f e r eine b e s t i m m t e G r ö ß e d e s G r u n d s t ü c k s zu, s o h a f t e t er f ü r d i e G r ö ß e wie f ü r eine z u g e s i c h e r t e E i g e n s c h a f t . Der K ä u f e r k a n n jedoch wegen M a n g e l s der zugesicherten Größe Wandelung n u r verlangen, wenn der M a n g e l so erheblich i s t , d a ß die E r f ü l l u n g des V e r t r a g e s f ü r den K ä u f e r kein I n t e r e s s e h a t . E I 388 II 804; M j ' i j i f f . ; P 1 693.

208

Kauf. Tausch

§468 Anm. 1—4

Anm. 1 Beim Verkauf von G r u n d s t ü c k e n gilt die Z u s i c h e r u n g einer b e s t i m m t e n G r ö ß e — zu unterscheiden von der an sich unverbindlichen bloßen Flächenabgabe zum Zwecke der Beschreibung (OLG 22, 238; 24, 332; nach R G L Z 1916, 1173 „kann die Größenangabe u. U. lediglich zur näheren Bezeichnung des Grundstücks in den Vertrag aufgenommen sein.") — als Z u s i c h e r u n g einer E i g e n s c h a f t im Sinne von § 459 Abs. 2. Die Vorschrift stellt aber keine Vermutung dahin auf, daß die Größenangabe eine solche Zusicherung enthalte (RG J W 1905, 530; L Z 1916, 1 1 7 3 ; O L G 40, 300; ZB1FG 5, 182. Zu einer verbindlichen Zusicherung ist eine Erklärung erforderlich, welche ergibt, daß der Verkäufer für die von ihm angegebene Größe einstehen will und welche auch vom Käufer in diesem Sinne aufgefaßt wird (RG J W 05, 530 9 ). Es bleibt dabei der Auslegung des Vertragswillens überlassen, festzustellen, welche Bedeutung im einzelnen Falle die Angabe einer bestimmten Größe hat (RG 29. 11. 03 V 233/03). Die arglistige Versicherung der Größe eines Grundstücks steht der Zusicherung gleich (RG WarnRspr. 1914 Nr. 285). Ist die Größenangabe Inhalt der Kaufvereinbarung geworden, so kann der Vertrag nicht wegen Irrtums über die Größe angefochten, sondern nur Gewährleistung geltend gemacht werden. § 468 läßt sich nicht auf zugesicherte Rechte übertragen, dabei ist nur §437 anwendbar (RG 93, 73). Dies ist auch für die Verjährungsfrist von Bedeutung. Ebensowenig auf Quantitätsverhältnisse beweglicher Sachen (JW 08, 47 7 6 ). Hier kommen dann die Vorschriften über teilweise Nichterfüllung zur Anwendung (§326). Wegen der Rügepflicht nach §378 HGB. Der Quantitätsmangel kann aber ein Qualitätsmangel und Fehler im Sinne des Sprachgebrauchs sein, vgl. § 45g Anm 12. Das gilt insbesondere, wenn ein verkaufter Geschäftsbetrieb weniger Ware oder Inventar enthält, als beim Verkauf angegeben wurde, R G 98, 292; dasselbe gilt beim Verkauf anderer Sachgesamtheiten, wenn sie nicht den vereinbarten Bestand aufweisen. Ein Fehler im Sinne des § 459 ist auch dann anzunehmen, wenn bei einer individuell bestimmten Sachmenge (z. B. einem Haufen) die wirklich vorhandene Menge hinter der verkauften zurückbleibt oder ein bestimmter Gegenstand nicht von der vereinbarten Größe ist. Denn in beiden Fällen ist die Kaufsache nicht von der vereinbarten Beschaffenheit. F l u m e , Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 121 ff.

Anm. 2 Für den Gewährleistungsanspruch nach §§ 459, 462 kommt es lediglich auf die G r ö ß e an, welche die Sache z u r Z e i t des G e f a h r ü b e r g a n g s auf den Käufer hat (Recht 07 Nr. 3477). Beim Schadensersatzanspruch wegen arglistiger Täuschung nach § 463, der sinngemäß anzuwenden ist, WarnRspr. 1914 Nr. 1 1 5 , dagegen können auch unrichtige Angaben über die Größenverhältnisse, die schon beim Ankauf des Grundstücks durch den jetzigen Verkäufer unterlaufen sind, von Bedeutung sein, wenn sie auf den Kauf oder die Preisbewilligung des jetzigen Käufers von Einfluß geworden sind (RG 18. 9. 07 V 531/06).

Anm. 3 Die hier für die Wandlung (nicht Minderung oder Schadensersatz) vorausgesetzte E r h e b l i c h k e i t d e s M a n g e l s (RG 53, 74) enthält eine Einschränkung der in §§ 459, 462 gegebenen Vorschriften. Die Erheblichkeit (sowie die Zusicherung einer bestimmten Größe) hat der Käufer zu erweisen. Vermag er das fehlende Interesse nicht darzutun, so kann er nur Minderung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen, R G 63, 1 1 3 . Es kommt aber nur auf die Erheblichkeit des Mangels, nicht auf die erhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit an.

Anm. 4 Die Vorschrift in §468 Satz 2 findet auch Anwendung bei dem V e r k a u f eines I n b e g r i f f s von e i n z e l n e n G r u n d s t ü c k e n , wobei jedoch die als Ganzes zusammengefaßten Grundstücke für die Anwendung des Gesetzes in der Regel als ein Grundstück anzusehen sind, so daß bei Beurteilung der Frage nach dem Vorhandensein der zugesicherten Größe ihr gesamter Flächengehalt in Betracht kommt (Mot 2, 234). §§ 460, 464, 477 finden Anwendung. 14

Komm. 2. BGB, 11. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 469 A n m . 1 , 2 §470

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 4 6 9 Sind von mehreren verkauften Sachen nur einzelne mangelhaft, so kann nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt werden, auch wenn ein Gesamtpreis für alle Sachen festgesetzt ist. Sind jedoch die Sachen als zusammengehörend verkauft, so kann jeder Teil verlangen, daß die Wandelung auf alle Sachen erstreckt wird, wenn die mangelhaften Sachen nicht ohne Nachteil für ihn von den übrigen getrennt werden können. E I 389 II 405; M 2 285; P 1 693.

Anm. 1 Sind mehrere Sachen, die nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensachen stehen (§ 470) Gegenstand eines Kaufvertrages, so ist die Wandlung grundsätzlich nur wegen der einzelnen mangelhaften Sachen zulässig. Die Vorschrift findet keine Anwendung auf den Fall, daß nur eine einzelne Sache verkauft ist, aber deren Bestandteile mangelhaft sind (JW 07, 3002). Sie erstreckt sich auf solche Sachen, die nach der Absicht und dem rechtlichen Interesse beider Vertragschließenden als zusammengehörend verkauft worden sind, wobei auf die Art der Preisbestimmung kein wesentliches Gewicht zu legen ist und bei denen wegen des durch die Zusammengehörigkeit bedingten höheren wirtschaftlichen Werts einem der beiden Vertragsteile ein wirtschaftlicher Nachteil entstehen würde (§461 Satz 2), wenn die mangelhaften Sachen von den übrigen getrennt werden würden (RG 66, 156; 73, 379; 87, 338; 138, 337; Recht 1914 Nr. 469; 1918 Nr. 507; 1919 Nr. 736; SeuffArch. 59, 268; 62, 32; WarnRspr. 1916 Nr. 306). Satz 2 ist nicht schon deshalb unanwendbar, weil die ganze Lieferung in Abteilungen auf den Weg gebracht wird, RG 138, 337. Bei Sachen, die ein zusammengehörendes Ganzes bilden und die nicht ohne Nachteil für einen der beiden Vertragsteile von einander getrennt werden können, kann jeder die Erstreckung der Wandlung auf alle Sachen verlangen. In § 469 Satz 2 findet der allgemeine Rechtsgedanke Ausdruck, daß beide Parteien, auch wenn nur ein Teil der mehreren Sachen mangelhaft ist, gleichwohl die Wandlung des Ganzen hinnehmen müssen oder verlangen können, wenn die Beschränkung der Wandlung auf die mangelhaften Sachen einer Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Deshalb kann sich der Verkäufer einer Partie gleichartiger Sachen auf die Vorschrift des § 469 Satz 1 dann nicht berufen, wenn die Trennung der mangelfreien von den mangelhaften Sachen nur durch mühevolles und zeitraubendes, dem Käufer nach Treu und Glauben nicht zuzumutendes Aussortieren möglich ist, BGH L M Nr. 1 zu § 469 BGB; BGH 23. 6. 55 II ZR 184/54. Die Vorschrift des § 469 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Teil der Waren nach § 377 HGB wegen Unterbleibens der gehörigen Mängelrüge als genehmigt gilt, RG 138, 338. In §469 bleibt das Erstreckungsrecht im Rahmen des geschuldeten Leistungsgegenstandes und macht aus der Teilwandlung nur eine Vollwandlung, während in § 508 das Recht auf vertragsfremde Gegenstände erstreckt wird. Wenn auch § 469 nur im Abs. 1 des § 480 genannt ist, gilt er doch auch im Falle des Abs. 2 des § 480; der Käufer kann daher, wenn nur einzelnen Sachen einer Partie Gattungssachen die zugesicherte Eigenschaft fehlt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der gesamten Lieferung verlangen, RG 73, 379. Anm. 2 Bei S u k z e s s i v l i e f e r u n g s g e s c h ä f t e n steht dem Käufer bei andauernd mangelhafter Lieferung (außer Wandlung und Minderung wegen der gemachten Lieferungen) der Rücktritt vom Vertrage nach § 326 auch für die Zukunft zu, RG 57, 1 1 5 ; RG H R R 1936, 255. Dagegen behält der Käufer, der mangelhafte Teillieferungen entgegen § 377 HGB nicht gerügt hat, bezüglich der künftigen Teillieferungen das Recht, mangelfreie Ware zu verlangen, BGH BB 1955, 490, RG 57, 1 1 5 ; 104, 41. § 4 7 0 Die Wandelung wegen eines Mangels der Hauptsache erstreckt sich auch auf die Nebensache. Ist die Nebensache mangelhaft, so kann nur in Ansehung dieser Wandelung verlangt werden. E I 390 II 406; M 2 236; P z 694.

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Kauf. Tausch

§ 470 A n m . 1 § § 471, 472 A n m . 1

Anm. 1 Für den Begriff der Nebensache ist regelmäßig der Parteiwille und der Vertragszweck maßgebend; von diesem Gesichtspunkte aus fällt in der Regel auch das Z u b e h ö r (§§ 97) 98) mit darunter. In der Regel ist entscheidend, ob die (Neben-) Sache ohne eine andere nicht gekauft worden wäre. Beispiel in Recht 1914 Nr. 334.

§471 Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für einen Gesamtpreis die Wandelung nur in Ansehung einzelner Sachen statt, so ist der Gesamtpreis in dem Verhältnisse herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Gesamtwert der Sachen in mangelfreiem Zustande zu dem Werte der von der Wandelung nicht betroffenen Sachen gestanden haben würde. E 1391 n 407; M 2 236; P 1694.

Anm. 1 Die hier vorgeschriebene Verhältnisrechnung findet sowohl im Falle des § 469 Satz 1 als im Falle des § 470 Satz 2 Anwendung, wenn für einen Gesamtpreis verkauft ist. Die Herabsetzung muß möglich sein. Zur Ergänzung dient § 473. Zu rechnen ist, wenn man z. B. a) den Gesamtwert der Sachen in mangelfreiem Zustande zur Zeit des Verkaufs mit 800, b) den Wert der von der Wandlung nicht betroffenen Sachen mit 400 • 600 400, c) den Gesamtpreis mit 600 annimmt: 800 : 400 = 600 : x oder x = — j — = 300, so daß der Verkäufer, wenn er den Kaufpreis bereits erhalten hat, den Betrag von 600 — 300 = 300 an den Verkäufer herauszuzahlen hat. Bei Geschäftsverkäufen unter Zugrundelegung des Geschäftsinventars R G 24. 3. 08 I I 593/07.

§472 Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnisse herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Wert der Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werte gestanden haben würde. Findet im Falle des Verkaufs mehrerer Sachen für einen Gesamtpreis die Minderung nur wegen einzelner Sachen statt, so ist bei der Herabsetzung des Preises der Gesamtwert aller Sachen zugrunde zu legen. E I 39z II 408; M 2 236; F I 694.

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV. V. VI.

Durchführung der Minderung Berechnungsgrundsatz Bei Gesamtpreis Täuschung durch Dritten Erfüllungsort Beweislast

1 2 3 4 5 6

Anm. 1 I- §§ 472—475 enthalten die Vorschriften über die Durchführung der Minderung. Gemindert wird der Kaufpreis, d. h. derjenige Geldbetrag, den der Käufer als Gegenleistung für die Verschaffung des Eigentums der Kaufsache nach § 433 zu entrichten hat. Wenn darüber hinaus noch andere Leistungen mit der Zahlung abgegolten werden sollen, so unterliegt der Teil des Entgeltes für sie nicht der Minderung, R G J W 1931, 327010. Auf den Minderungsanspruch hat es keinen Einfluß, wenn der Käufer inzwischen die Sache mit Gewinn weiterveräußert oder sie durch Gebrauch entwertet hat (RG 66, 14»

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§ 472 A n m . 2, 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

1 1 5 ; LZ 1917 Sp. 1113 4 ; 1918, 869). Er kann ihn auch geltend machen, obwohl er die Ware vorher dem Verkäufer zur Verfügung gestellt hat (RG 43, 67). § 472 findet gemäß §323 auch aufteilweise Unmöglichkeit der Leistung entsprechende Anwendung (RG 92, 17). Das gilt auch für die abzuziehende F r a c h t , die erspart wird, wenn beim cif-Geschäft die vereinbarte Ubersendung unterbleibt. Vgl. auch § 537. Für Schadensberechnungen außerhalb eines Vertragsverhältnisses gilt § 472 nicht, wenn auch das Ergebnis der Berechnung dasselbe sein kann (RG 62, 384). Anm. 2 II. Berechnungsgrundsatz: Herabsetzung des Kaufpreises nach dem Verhältnis, in welchem zur Zeit des Verkaufs der (objektive) Wert der Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen (objektiven) Wert der mangelhaften Sache gestanden haben würde. (Relative Methode, also keine Schadensersatzberechnung. RG WarnRspr. 09 Nr. 81; 1915 Nr. 1 1 1 , und keine Schätzung nach dem Ertrag der Kaufsache, RG 22. 1. 09 II 322/08; auch keine freie Schätzung durch das Gericht, § 287 ZPO ist nicht anwendbar (Recht 1915 Nr. 1057). Der Minderungsanspruch kann aber auf Zurückerstattung des ganzen Kaufpreises gehen, wenn die Mängel die Kaufsache völlig wertlos machen. Ist die Kaufsache infolge des Fehlers völlig wertlos, so kann der volle Preis mit der Klage auf Preisminderung auch ohne Wandlung zurückgefordert werden; die Wertlosigkeit ist als klagbegründende Tatsache vom Käufer zu beweisen, RG 30. 1. 03 II 326/02. Unter Wert der Sache ist der allgemeine Verkaufswert zu verstehen, wie er ohne die Vorhandenen Mängel wäre, und es ist zu untersuchen, wie er sich mit den Mängeln stellt (WarnRspr. 1912 Nr. 69; RG J W 1931, 327010). War zu angemessenem Preise verkauft, ist zunächst dieser zu bestimmen. Bei R a t e n z a h l u n g e n ist die Minderung auf die einzelnen Raten gleichmäßig zu verteilen. Der Berechnung des Minderwerts ist der Fehler so, wie er sich nach voller Aufklärung als zur Zeit des Kaufes wirklich vorhanden herausgestellt, zugrunde zu legen (RG 25. 9. 12 V 87/12). Wenn hiernach der Wert bei mangelfreiem Zustande 1000, der wirkliche Wert 500 und der Kaufpreis 800 beträgt, der zu suchende abgeminderte Kaufpreis aber durch x bezeichnet wird, so ergibt sich nach der Verhältnisrechnung 1000 : 500 500 • 800 = 800 : x für x = der Betrag von 400: es hat mithin der Verkäufer von den ihm 0 1000 ^ bereits bezahlten 800 den Betrag von 400 zurückzuerstatten. Die Anwendung dieser „relativen Berechnungsart" wird auch durch Übereinstimmung des vereinbarten Preises mit dem objektiven Wert der Sache zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht ausgeschlossen (RG J W 97, 197 38 ; R G 12. 2. 09 III 213/08). Sind beim Verkauf eines Miethauses bestimmte Mieterträge zugesichert, so ist die Preisänderung wegen Nichteinhaltung dieser Erträge zu berechnen nach dem Verhältnis der vereinbarten Kaufsumme, die für die zugesicherte Mieteinnahme bewilligt worden ist, zu demjenigen Kaufpreise, der bei gleicher Berechnungsweise für die wirkliche, geringere Mieteinnahme bewilligt worden wäre (RG 22. 10. 04 V 89/04). In gleichartiger Weise ist in den anderen Fällen zu verfahren, in denen der Mangel einer zugesicherten Eigenschaft den Preisminderungsanspruch begründet (RG J W 03 Beil. 113 249 ; R G J W 09, 1 9 1 " ; R G WarnRspr. 1912 Nr. 69). Anm. 3 III. Bei dem Verkauf mehrerer Sachen zu einem Gesamtpreis ist die Verhältnisrechnung die gleiche wie im Falle des Abs. 1 und darein nur der Gesamtwert sowie der Gesamtpreis der einzelnen Sachen einzustellen, ein Grundsatz, der auch auf den Fall auszudehnen ist, daß die mehreren Sachen als zusammengehörend verkauft worden sind. Ist der K a u f p r e i s teils bezahlt, teils gestundet, so tritt die Kaufpreisminderung an jedem dieser Teilbeträge verhältnismäßig ein. Entfällt dabei eine Minderung auf eine Hypothek, so geht der Anspruch nicht auf Herauszahlung, sondern nur auf Befreiung von der Belastung nach dem ermittelten Verhältnis (SeufFArch. 67 Nr. 247; R G 21. 6. 12 II 152/12). Bei verschiedenartig gestundeten Kaufpreisbeträgen tritt 212

Kauf. Tausch

§ 472 A n m . 4 — 6

§ 473 Anm. 1, 2 auf Verlangen des Minderungspflichtigen eine gleichartige Minderung ein; ohne ein solches Verlangen ist der Minderwert ausschließlich an dem baren Forderungsbetrage abzurechnen (RG 22. 6. 05 V 595/04). Anm. 4 I V . Hat ein D r i t t e r (nicht der Verkäufer) den Käufer über Eigenschaften der Kaufsache arglistig g e t ä u s c h t , so ist bei dem Schadensanspruch des Käufers, der die gekaufte Sache behält, dem Dritten gegenüber nicht §472 Abs. 1, sondern §249 zugrunde zu legen (RG 61, 250). Vgl. jedoch R G 62, 384. Anm. 5 V . Erfüllungsort für den Minderungsanspruch ist der Wohn- oder Niederlassungsort des Verkäufers zur Zeit des Vertragsschlusses, R G Gruchot 47 Nr. 1150. Hierfür ist unerheblich, ob der Käufer den Kaufpreis bereits voll bezahlt hat oder nicht. Denn in jedem Falle geht es darum, daß der Verkäufer, der eine mangelhafte Sache geliefert hat, noch nicht voll erfüllt hat und daher zur Nachlieferung angehalten werden soll, H e i n i c h e n in H G B R G R K § 377 Anm. 84. Anm. 6 V I . Den Beweis für die Höhe der Minderung hat der Käufer zu führen.

§473 Sind neben dem in Geld festgesetzten Kaufpreise Leistungen bedungen, die nicht vertretbare Sachen zum Gegenstande haben, so sind diese Leistungen in denFällender §§ 471, 472 nach dem Werte zur Zeit des Verkaufs in Geld zu veranschlagen. Die Herabsetzung der Gegenleistung des Käufers erfolgt an dem in Geld festgesetzten Preise; ist dieser geringer als der abzusetzende Betrag, so hat der Verkäufer den überschießenden Betrag dem Käufer zu vergüten. E

11409 in 467; p 1 ¿96.

Anm. 1 Die Preisminderung erfolgt in den Fällen, in welchen der Kaufpreis nicht bloß in Geld, sondern daneben auch in nicht vertretbaren Sachen (Diensten und sonstigen Leistungen) besteht, in der Weise, daß a) der Wert dieser Nebenleistungen und damit die Gesamtleistung des Käufers zur Zeit des Kaufabschlusses in Geld festgesetzt, b) der nach der in §§471, 472 angegebenen Verhältnisrechnung an der Gegenleistung des Käufers abzusetzende Betrag ermittelt, c) letzterer zunächst von dem in Geld festgesetzten Preise abgezogen und, insoweit er diesen übersteigt, dem Käufer vom Verkäufer vergütet wird. Besteht die Nebenleistung des Käufers in vertretbaren Sachen, so hat der Käufer die Wahl, ob er die Preisherabsetzung durch Kürzung am Geldpreis oder an der Nebenleistung durchführen will (aM P l a n c k §473 Anm. 3, der dem Käufer gleichmäßige Kürzung an beiden auferlegt). Wird dem Grundstückskäufer ein nicht in Geld bestehender Teil der ihm obliegenden Leistung (z. B. Verschaffung eines Wohnungsrechts für den Verkäufer) unmöglich, so kann er die Gegenleistung, nämlich die Auflassung, nicht schlechthin, sondern nur gegen eine dem verhältnismäßigen Werte des unmöglich gewordenen Teils der Leistung zu dem der möglich gebliebenen Leistung entsprechende Zusatzvergütung in Geld verlangen (RG 21.6. 22 V 64/22). Anm. 2 Die Vorschrift des § 473 gilt auch für den Tausch und vollzieht sich hier in der Weise, daß der, welcher eine fehlerhafte Sache gegen eine fehlerfreie vertauscht hat, dem Minderungsberechtigten — insoweit sich dieser nicht durch Minderung einer ihm obliegenden Leistung an Geld oder vertretbaren Sachen schadlos halten kann — den Betrag zahlen muß, der sich ergibt, wenn man den Wert, den die fehlerfreie Sache zur Zeit des Tausches hat, im Verhältnis des Wertes der fehlerhaft gelieferten Sache ohne den Fehler zum Werte derselben mit dem Fehler herabsetzt. Also z. B. 800 Wert der fehler-

213

§ 474 A n m . 1, 2 § § 475, 476

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuld Verhältnisse

freien Sache; 900 Wert der fehlerhaft gelieferten Sache ohne den Fehler; 450 Wert derselben Sache mit dem Fehler; hiernach 400 verhältnismäßig herabgesetzter Wert der fehlerfreien Sache, so daß deren seitheriger Inhaber mit ihrem wirklichen Werte von 800 den Betrag von 400 zuviel leistet und denselben von dem andern Teil noch bar herauszubekommen hat. Die Tauschanschlagsummen, also die von den Vertragschließenden für die einzelnen Tauschobjekte vereinbarten Annahmepreise, dürfen nicht herangezogen werden, da sie dem Kaufpreis im Sinne der §§ 472, 473 nicht gleichstehen (RG 72, 3 0 1 ; 73, 152). § 4 7 4 Sind auf der einen oder der anderen Seite m e h r e r e beteiligt, s o kann v o n j e d e m und g e g e n jeden Minderung verlangt w e r d e n . Mit der Vollziehung der v o n e i n e m der Käufer verlangten Minderung i s t die Wandelung a u s g e s c h l o s s e n . E I 394 II 400; M 2 237; P x 700.

Anm. 1 Bei Beteiligung m e h r e r e r , sei es als ursprünglich Berechtigte, sei es als deren Rechtsnachfolger, kann, abweichend von der Wandlung (§§467, 356), von jedem und gegen jeden die Minderung verlangt werden. Der Käufer kann aber deshalb, weil ihn einer der mehreren Verkäufer beim Abschluß des Kaufvertrages betrogen hat, eine Herabminderung des Kaufpreises nicht verlangen, da diese zugleich die anderen, am Betrüge nicht beteiligten Vertragsteile treffen würde. Will er beim Vertrage stehenbleiben, so kann er von demjenigen der mehreren Verkäufer, dem die Täuschung zur Last fällt, nur Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 1, 826 fordern; der § 472 ist auf diesen Anspruch nicht anwendbar (RG 14. 12. 04 V 255/04). Anm. 2 Der A u s s c h l u ß der Wandlung ist eine Folge ihrer Unteilbarkeit. Nach § 474 Abs. 2 kann ein jeder von mehreren Käufern das Wandlungsrecht der übrigen ausschließen. § 4 7 5 Durch die w e g e n e i n e s M a n g e l s erfolgte Minderung wird d a s Recht des Käufers, w e g e n eines anderen M a n g e l s Wandelung oder von n e u e m Minderung zu verlangen, nicht a u s g e s c h l o s s e n . E I 393 II 411; M 2 236; P I 698ff.

Das R e c h t des K ä u f e r s , w e g e n eines andern M a n g e l s an d e r s e l b e n S a c h e W a n d l u n g oder M i n d e r u n g zu v e r l a n g e n , ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Minderung wegen des ersten Mangels bereits vollzogen (§ 465) und der andere Mangel zu dieser Zeit bereits entdeckt war. Nur wird in diesem Falle in Frage kommen, ob nicht der Käufer durch die Nichtgeltendmachung des andern Mangels auf dessen Verfolgung verzichtet hat (OLG 12,268). Wird nach einer vorausgegangenen Minderung die Wandlung oder Minderung wegen eines zweiten Mangels begehrt, so ist der Preis zugrunde zu legen, der sich infolge der ersten Minderung herausgestellt hat; a M P l a n c k , wonach der Wert ohne die Minderung zur Zeit des Kaufs zugrunde zu legen ist. § 4 7 6 Eine Vereinbarung, durch w e l c h e die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung w e g e n Mängel der Sache e r l a s s e n oder beschränkt wird, i s t nichtig, w e n n der Verkäufer den Mangel arglistig v e r s c h w e i g t . E I 396 II 412; M 2 396; P 1 701.

214

Kauf. Tausch

§ 476 A n m . 1—3

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV.

Allgemeines Nichtigkeit von Freizeichnungsklauseln Beweislast Verjährung

i, 2 3—5 6 7

Anm. 1 I. Allgemeines. Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache erlassen oder beschränkt wird, ist an sich zulässig, verstößt nicht gegen Treu und Glauben und kann ausdrücklich, durch allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. § 459 Anm. 8) und stillschweigend (z. B. bei gewagten Geschäften, bei Verkauf in Bausch und Bogen) getroffen werden (Mot. 2, 238; OLG28,128; R G JW 1906,549; vgl. auch §459 Anm. 11 und 29, §462 Anm. 10). Ein Ausschluß der Gewährleistung für Mängel eines verkauften Grundstücks bedarf nach § 313 der gerichtlichen oder notariellen Form ( R G J W 0 5 , 426), sofern er beim Vertragsschluß selbst vereinbart ist. Die Gewährleistung kann insbesondere durch einen auf Nachbesserung gerichteten Vertrag eingeschränkt werden (SeuffArch. 68 Nr. 55). Nachbesserungsabreden sind aber eng auszulegen (RG 87, 335; 96, 266). Enthält ein schriftlicher formularmäßiger Kaufvertrag neben dem Ausschluß jeglicher Garantie noch die Aufzählung bestimmter Mängel, für die nicht gehaftet wird, so kann dies dahin ausgelegt werden, daß die gesetzliche Mängelhaftung nicht ausgeschlossen ist (RG 22. 6. 14 V 47/14). Eine Vereinbarung, das Haus werde gekauft „wie es steht und liegt" schließt die allgemeine Mängelgewähr nach § 459 aus, auch insoweit heimliche Fehler in Betracht kommen. Dagegen bezieht sich bei einer Vereinbarung „wie besichtigt" der Ausschluß in der Regel nur auf sichtbare Mängel, R G JW 1933, 13882. Anm. 2 Die Vorschrift regelt nur den Fall, daß die Haftung für Sachmängel von vornherein beschränkt oder ausgeschlossen wird; sie trifft nicht auch den Fall, daß nach dem Kauf eine derartige Vereinbarung getroffen werden soll. Es besteht aber kein Bedenken gegen die Gültigkeit des nachträglichen Ausschlusses der Haftung für Mängel, auch wenn sie ursprünglich arglistig verschwiegen wurden. Dies insbesondere dann nicht, wenn bei der nachträglichen Vereinbarung der Käufer den Mangel kennt (RG Recht 1913 Nr. 3232). Steht freilich auch die nachträgliche Vereinbarung selbst wieder unter dem Zeichen der Arglist, so ist sie anfechtbar, wenn nicht gar wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Anm. 3 II. Nichtigkeit von Freizeichnungsklauseln Vereinbarungen, durch die dem Käufer statt der Gewährleistungsansprüche ein Nachbesserungsrecht eingeräumt wird (RG 142, 353; DR 1941, 1726), sind nur insoweit wirksam, als die Nachbesserung auch wirklich zur Beseitigung eines vorhandenen Mangels führt (BGH 22, 90, 96; BGH L M Nr. 4 zu §476 BGB). Freizeichnungsklauseln (vgl. Bern. 1 a vor §§ 433 ff, § 433 Anm. 40) sind aber wie im Falle des § 443 nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig (RG 55, 214), nicht bloß fahrlässig (RG JW 04, 35913) — auch grobe Fahrlässigkeit genügt nicht, BGH L M Nr. 1 zu § 463 BGB — verschweigt (vgl. § 460 Anm. 6,7), wovon natürlich keine Rede sein kann, wenn der Käufer den Mangel ohnehin kennt. Der Verkäufer handelt auch schon dann arglistig, wenn er einen beim Verkauf eines Hauses gehegten Schwammverdacht dem Käufer nicht mitteilt (JW 05, 79 16 ; R G WarnRspr. 1912 Nr. 300). Der Verkäufer kann sich gegenüber einem solchen Vorwurf der Arglist nicht darauf berufen, daß der im Gebäude vorhandene Schwamm nicht der echte Hausschwamm — merulius lacrymans — , sondern der holzzerstörende Pilz polyporus vaporarius sei (RG JW 08, 74211). Wer vor dem Abschluß falsche Angaben über eine Eigenschaft der Sache macht und seine Angaben beim Vertragsschluß nicht richtigstellt, verschweigt nicht einen Mangel, 215

§ 476 A n m . 4—7 §477

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

wie J W 1911, 808 1 ; WarnRspr. 1914 Nr. 16 annehmen, sondern macht falsche Vorspiegelungen (vgl. unten Anm. 5). Das arglistige Verschweigen setzt keine positive Kenntnis des Mangels voraus, es genügt, daß der Verkäufer begründete Zweifel unterdrückt, obwohl er sich bewußt ist, daß die Mitteilung für den Käufer von Bedeutung für seine Entschließung sein kann. RG J W 1938, 320 12 . Die N i c h t i g k e i t t r i f f t nur die V e r e i n b a r u n g über den E r l a ß , nicht die ganze Vereinbarung hinsichtlich sonstiger Fehler, und nur soweit sie vom arglistigen Verschweigen betroffen wird (RG 62, 125). § 139 findet auf die Sondervorschrift des § 476 keine Anwendung. Zur Herbeiführung der Nichtigkeit bedarf es keiner Anfechtung nach § 123, die Wirkung tritt ohne weiteres ein (WarnRspr. 1914 Nr. 115. Wo beim Abschluß eines Kaufvertrages eine Rechtspflicht des Verkäufers besteht, einen Mangel der Kaufsache, der ihm bekannt, dem Käufer aber unbekannt ist, zu offenbaren, stellt das Schweigen des Verkäufers eine Arglist im Sinne des §476 dar; im Falle der Anwendbarkeit dieser Bestimmung hat der Verkäufer nach § 463 Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten, RG DR 1944, 4091. Anm. 4 Sind mehrere M ä n g e l vorhanden und nur einige von ihnen arglistig verschwiegen, so wird dadurch der vertragsmäßige Ausschluß der Gewährleistung bezüglich der anderen Mängel, bei denen dem Verkäufer arglistiges Verhalten nicht nachzuweisen ist, nicht aufgehoben (RG 62, 125). Hat auch nur einer von mehreren V e r k ä u f e r n einen Mangel arglistig verschwiegen, so werden die anderen Verkäufer nicht frei, auch wenn im Kaufvertrag jede Gewährleistung abgelehnt ist (Recht 1915 Nr. 1058). Anm. 5 Die Vorschrift des § 476 findet auch in den Fällen Anwendung, in denen nicht Fehler verschwiegen, sondern Eigenschaften arglistig vorgespiegelt sind (RG 66, 338; 83, 242; J W 1911, 80813). Vgl. §463 Anm. 6. Anm. 6 III. Beweislast. Der Käufer, der sich auf § 476 beruft, hat nicht nur die Kenntnis des Verkäufers vom Mangel, sondern auch das Verschweigen nachzuweisen (RG 4. 5. 10 V 382/09). Anm. 7 IV. Die Verjährung ist die 30jährige nach § 195 (RG 83, 242; WarnRspr. 1914, 180; RG 15. 10. 19 V 165/19).

§477 Der Anspruch auf Wandelung oder auf Minderung sowie der Anspruch auf Schadensersatz wegen Mangels einer zugesicherten Eigenschaft verjährt, sofern nicht der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat, bei beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, bei Grundstücken in einem Jahre von der Übergabe an. Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werden. Beantragt der Käufer gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises, so wird die Verjährung unterbrochen. Die Unterbrechung dauert bis zur Beendigung des Verfahrens fort. Die Vorschriften d e s § 211 Abs. 2 und des § 2 1 2 finden entsprechende Anwendung. Die H e m m u n g oder Unterbrechung der Verjährung eines der in Abs. 1 bezeichneten Ansprüche bewirkt auch die H e m m u n g oder Unterbrechung der Verjährung der anderen Ansprüche. H I 397 II 413; M 2 238; P X 674; 2 312, 314.

216

Kauf. Tausch

§ 477 Anm. 1, 2

Ü b ersieht Anm.

I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

Allgemeines Die der kurzen Verjährung unterliegenden Ansprüche Andere Ansprüche Beginn und Dauer der Verjährungsfrist Verlängerung der Verjährungsfrist Absatz 3 Einzelheiten Wirkung der Verjährung

i 2 3 4—6 7, 8 9 io 11

Anm. 1 I. Allgemeines. § 477 enthält für das Kaufrecht eine besondere Regelung und unterwirft die Gewährleistungsansprüche der kurzen Verjährung im Interesse der Rechtssicherheit, um unter den Vertragschließenden bald klare Verhältnisse zu schaffen, RG 74, 292; 128, 2 1 1 ; 144, 95. § 478 und § 479 bringen hiervon eine Ausnahme, RG 128, 215. Dem Käufer, der noch nicht erfüllt hat, wird eine Einrede gegen den Kaufpreisanspruch gewährt, wenn er noch innerhalb der Verjährungsfrist dem Verkäufer den Mangel anzeigt oder wenigstens die Anzeige an ihn abgeschickt hat. Alsdann darf er sich der verjährten Gewährleistungsansprüche nur noch zur Abwehr der Kaufpreisforderung bedienen. Auch den Schadensersatzanspruch nach § 463 darf er nur noch einredeweise zur Aufrechnung bringen, den gezahlten Kaufpreis nebst Zinsen kann er nicht als ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern, RG 144, 95. Auf dem Umweg über § 242 kann nach Verjährung der Gewährleistungsansprüche nicht wieder eine Haftung des Verkäufers für Sachmängel gewährt werden, RG 135, 346. Die kurze Verjährung der Gewährleistungsansprüche wegen Sachmängel und zugesicherten Eigenschaften gilt auch für den Kauf von E r w e r b s g e s c h ä f t e n , RG 63, 57; 67, 86; 69, 429; 98, 289; 100, 206; 138, 356. Anm. 2 II. Der kurzen Verjährung unterliegen: 1 . die Ansprüche auf W a n d l u n g oder M i n d e r u n g (§§ 462, 467, 472), und zwar auch dann, wenn sie durch Vertrag abweichend geregelt sind (RG Recht 1920 Nr. 2354). Ist die Wandlung oder Minderung dagegen im Einverständnis des Verkäufers oder gerichtlich durch rechtskräftiges Urteil vollzogen (vgl. zu §465), so greift die 30jährige Verjährung Platz, denn der Anspruch ist nunmehr vom Sachmangel unabhängig, er hat eine neue, selbständige Grundlage und geht nicht „ a u f " Wandlung oder Minderung, sondern auf Durchführung einer bereits vollzogenen Wandlung oder Minderung (vgl. auch BGH NJW 1958, 418 2 ). Ebenso verhält es sich bei einem Vergleich über die Preisminderung; auch hier ist es nicht mehr der gesetzliche Minderungsanspruch des § 462, sondern ein Anspruch aus Vergleich, der unabhängig vom Sachmangel besteht und deshalb nicht der Verjährung des § 477 unterliegt (RG 90, 169; RG Recht 1917 Nr. 1023; J W 1917, 765®); 2. der A n s p r u c h auf S c h a d e n s e r s a t z wegen Mangels einer zugesicherten E i g e n s c h a f t (§463 Satz 1), dagegen nicht der Anspruch wegen arglistigen V e r schweigens eines Mangels oder wegen a r g l i s t i g e r Z u s i c h e r u n g einer nicht vorhandenen Eigenschaft (§ 463 Satz 2; RG 55, 215; 56, 169; 62, 300; 63, 1 1 2 ; 83, 242; 93 160; 101, 72; 117, 316; 129, 282; RG WarnRspr. 1913 Nr. 282; 1914 Nr. 180), auch nicht der Anspruch auf Schadensersatz wegen Lieferung einer anderen als der vereinbarten Kaufsache, also wegen nichterfüllten Vertrags (ROHG 24, 405; RG SeuffArch. 58 Nr. 72; 66 Nr. 45; RG WarnRspr. 1912 Nr. 372; 1919 Nr. 8;BGH WM 1956, 494); dagegen gilt die kurze Verjährung auch, wenn eine andere Art der bestellten Sache geliefert ist (BGH; WM 1956, 494; OLG Hamburg DR 1939, 1583 12 ) und für Ansprüche auf Schadensersatz, die damit begründet werden, die mangelhafte Kaufsache habe andere Gegenstände, für die nun Ersatz verlangt, angesteckt, vgl. unten unter 4;

217

§ 477 A n m . 3, 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

3. nach §480 der A n s p r u c h auf N a c h l i e f e r u n g einer mangelfreien an Stelle einer nur der Gattung nach bestimmten mangelhaften Sache (RG 53, 204; vgl. aber 96, 169); 4. S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e aus p o s i t i v e r V e r t r a g s v e r l e t z u n g , die gemäß § 276 auf schuldhaft mangelhafte Lieferung des Kaufgegenstandes gestützt werden, R G 5 3 , 203; 56, 169; 93, 161; 117, 316; 129, 282; 144, 162; Recht 1913,27; OLG Hamburg DR 1939, 1583 12 Anders liegt es jedoch dann, wenn die Schadensersatzansprüche nicht aus einer Mangelhaftigkeit der Kaufsache selbst, nicht aus einer Verletzung der Lieferpflicht, hergeleitet werden, sondern aus einer Verletzung von Ne.benpflichten, die mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen; dann kommt die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 zur Anwendung, so z. B., wenn beim Einbau ein es Motors Fehler begangen oder Nachbesserungsarbeiten mangelhaft ausgeführt werden, RG 144, 162. Die kurze Verjährung gilt auch nicht für Fälle, in denen überhaupt nur ein Teil der Waren geliefert wird; der dieserhalb beanspruchte Schadensersatz hat mit den Gewährleistungsvorschriften nichts zu tun (RG 12. 3. 27 I 307/26); 5. der A n s p r u c h a u f R ü c k e r s t a t t u n g des g e z a h l t e n K a u f p r e i s e s . Anm. 3 III. Andere Ansprüche. Trifft ein vertraglicher Anspruch wegen a r g l i s t i g e n V e r s c h w e i g e n s mit einem Anspruch aus unerlaubter Handlung (§§823, 826) zusammen, so unterliegt jeder dieser Ansprüche bezüglich der Verjährung seinen besonderen Bestimmungen. Der in § 463 geregelte vertragliche Anspruch wegen arglistigen Verschweigens unterliegt daher der dreißigjährigen Verjährung, nicht der kurzen Verjährung nach § 852, selbst wenn neben diesem vertraglichen Anspruch aus dem in dem arglistigen Verschweigen enthaltenen Verstoß nach § 826 zugleich ein selbständiger außervertraglicher Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung besteht, der an sich der kurzen Verjährung nach § 852 unterliegt (RG 66, 86). Ebenso unterliegen die R e c h t s b e h e l f e des U n m ö g l i c h k e i t s r e c h t s nach §§ 323, 325, soweit sie neben den Gewährschaftsansprüchen in Betracht kommen, der 30jährigen Verjährung. Ferner unterliegen nicht der kurzen Verjährung der A n s p r u c h aus d e r v o l l z o g e n e n W a n d l u n g , RG 69, 358 (vgl. oben Anm. 2 unter Ziff. 1) und der rechtskräftig festgestellte Anspruch, § 218, RG LZ 1914 Sp. 15284. Wenn es sich nur um den V e r z u g in der Erfüllung des durch die Rückgängigmachung des wiederhergestellten ursprünglichen Lieferungsanspruchs handelt, greift § 477 nicht Platz (RG 96, 171). Dagegen findet § 477 bei Haftung aus V e r s c h u l d e n b e i m V e r t r a g s s c h l u ß Anwendung, wenn sie ihre Grundlage in schuldhaft mangelhafter Lieferung der Kaufsache hat, RG 129, 282; OLG Hamburg DR 1939, 1583 12 . Uberhaupt unterliegen alle Ansprüche wegen Mängel der abgelieferten Kaufsache, mögen sie auf Gesetz oder besonderer Vereinbarung beruhen, der kurzen Verjährung. Nur ein arglistiges Verschweigen des Verkäufers schließt sie aus. Anm. 4 IV. Die Verjährungsfrist beträgt: 1. bei b e w e g l i c h e n Sachen sechs Monate von der A b l i e f e r u n g ab, bei mehreren fortlaufenden Lieferungen für jede Lieferung gesondert, also nicht erst mit der Entdeckung des Mangels oder der Vertragswidrigkeit, OLG Hamburg DR 1939, 1583 12 . Ablieferung ist gegeben, wenn sich der Verkäufer der Sache entäußert und dem Käufer die tatsächliche Möglichkeit verschafft hat, sie zu untersuchen und sich sofort den Gewahrsam zu verschaffen, BGH 14. 2. 58 V I I I ZR 10/57. Die Verjährung läuft von der Ablieferung an selbst dann, wenn die Untersuchung weder bei der Ablieferung noch längere Zeit nachher möglich ist (RG WarnRspr. 1911 Nr. 369). Ist aber die Untersuchung nach § 377 HGB, weil erst am Ablieferungsort vorzunehmen, hinausgeschoben, so beginnt die Verjährungsfrist entsprechend später, BGH BB 1953, 186. Die Ablieferung ist auch vollzogen, wenn es zu einer zur Besitzübertragung genügenden Einigung (§ 854 Abs. 2) kommt, nicht aber im Falle der Vereinbarung eines den mittelbaren Besitz herbeiführenden Rechtsverhältnisses (§ 868) sowie im Fall 218

Kauf. Tausch

§477 A n m . 5—8

einer Abtretung des Eigentunisanspruchs oder der Ubergabe von Traditionspapieren (Lager-, Ladescheine, Konnossemente, R G J W 05, 7917). Uber den Unterschied dieser „Ablieferung" von der „Übergabe" und von der „vertragsmäßigen Lieferung" der Kaufsache R G J W 05, 7917. U m einen s p ä t e r e n Z e i t p u n k t als den der Ablieferung zum Anfangspunkte der Verjährung zu machen, bedarf es besonderer Umstände (LZ 07 Sp. 289'). 2. Bei G r u n d s t ü c k e n ein J a h r von der U b e r g a b e ab. Wurde der Kaufvertrag über ein Grundstück formlos abgeschlossen, so beginnt die Verjährung erst mit der Auflassung zu laufen (RG 75, 114). Jedenfalls beginnt die Verjährung nicht v o r der Entstehung des Anspruchs aus dem Kaufvertrage, R G 129, 280; 134, 87. Bedarf der betreffende Kaufvertrag der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Wirksamwerden des Kaufvertrages (RGJW07, 248°; SeuffArch. 63 Nr. 112). Ist der Kauf aufschiebend bedingt, beginnt die Verjährungsfrist immer erst mit Eintritt der Bedingung. Anm. 5 In beiden Fällen ist es für den Fortgang der Verjährungsfrist ohne Einfluß, ob der Käufer den Mangel gekannt oder erst später entdeckt hat und ob der Mangel innerhalb der Frist überhaupt erkennbar gewesen ist (RG WarnRspr. 08 Nr. 139; 1911 Nr. 369). Aus dem Grundgedanken und Zweck der kurzen Verjährung folgt, d a ß die Geltendmachung eines dem Verkäufer innerhalb der Frist k l a g e w e i s e nicht bekanntgegebenen Mangels nach Ablauf der Frist ausgeschlossen sein soll. Der Käufer, der die Wandlungsklage wegen einzelner Mängel fristgerecht erhoben hat, kann nach Ablauf der Frist die in der Klage nicht gerügten Mängel nicht mehr zum Zweck der Wandlung geltend machen (RG 6. 2. 12 I I 413/11). Anm. 6 Bei a r g l i s t i g e m V e r s c h w e i g e n beginnt die Verjährung mit dem Vertragsschluß und nicht mit der Ubergabe, R G WarnRspr. 1919 Nr. 30. Anm. 7 V. Die hier, abweichend von § 225, zugelassene v e r t r a g s m ä ß i g e Verlängerung der kurzen Verjährungsfrist kann sich, wenn auch die allgemeine Fassung sowie die in der Beratung Prot. 1, 706 kundgegebene Auffassung der Kommission Zweifel ergibt, nicht über die Dauer der ordentlichen Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195) hinaus erstrecken, da diese nach § 225 durch Vertrag nicht verlängert werden kann (WarnRspr. 1914 Nr. 11). I m übrigen kann die Verlängerung auch durch die Vereinbarung bewirkt werden, d a ß die Frist erst vom Ablauf eines künftigen Ereignisses — z. B. von der Ankunft der Ware an ihrem überseeischen Bestimmungsort — ab laufen soll (RG 62, 431). Anm. 8 Ebenso kann eine solche Verlängerung durch Vereinbarung von Probevorführungen (SeuffArch. 67 Nr. 110) und von Garantiefristen herbeigeführt werden; ohne weiteres aber wird durch Vereinbarung einer Garantiefrist a m Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist nichts geändert, beide Fristen können nebeneinander herlaufen (RG 65, 121; 91, 306; 128, 213). Die Bedeutung der Garantiefrist kann darin liegen, daß der Verkäufer auch für Mängel, die während ihres Laufs auftreten, Gewähr leisten soll; die Vereinbarung einer Garantiefrist kann aber auch die Bedeutung haben, daß, wenn sich während ihrer Dauer ein Mangel zeigt, vermutet werden soll, d a ß der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, so daß den Verkäufer die Beweislast dafür trifft, daß er tatsächlich mangelfrei geliefert hat. Welche Bedeutung die Garantiefrist hat, ist Auslegungsfrage. Das Reichsgericht unterscheidet s e l b s t ä n d i g e und u n s e l b s t ä n d i g e Garantieversprechen. Bei dem selbständigen muß der garantierte Erfolg ein weiterer sein als die bloße Vertragsmäßigkeit der Leistung, die unselbständige ist nur das Versprechen, vertragsmäßige Ware zu liefern, RG J W 1926, 2526. Es ist Sache der Auslegung, ob ein unselbständiges oder selbständiges Garantieversprechen gewollt ist, R G

219

§ 477

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 9, 10 65, 1 2 1 . Das selbständige Garantieversprechen unterliegt der 30jährigen Verjährung. Wird die Verjährungsfrist des § 477 ohne Bestimmung einer anderen ausgeschlossen, so tritt die regelmäßige Frist des § 195 ein (RG 7. 2. 05 I I 225/04). Bei Garantiefristen ist dies aber nur anzunehmen, wenn diese länger als von sechsmonatiger Dauer sind, dagegen nicht, wenn die handelsgebräuchliche Garantiezeit nicht über die Verjährungsfrist hinausreicht. Das Bürgerliche Gesetzbuch bezweckt, eine klare Rechtslage zu schaffen. Der Handelsverkehr neigt wenig dazu, entgegenstehende Abmachungen zu treffen (RG 91, 306). Wenn die Vereinbarung einer Garantiezeit von mehr als sechsmonatiger Dauer regelmäßig zugleich die Hinausschiebung des Beginns der Verjährungsfrist bedeutet, so hat das seinen Grund darin, daß bei gleichzeitigem Beginn der sechsmonatigen Verjährung und einer oft mehrjährigen Garantiezeit der Käufer trotz der Garantie überhaupt nicht in der Lage sein würde, seine Ansprüche wegen eines erst nach sechs Monaten entdeckten Mangels geltend zu machen (RG 65, 1 2 1 ; L Z 1913 Sp. 935V. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist kann auch in der Weise erfolgen, daß eine Unterbrechung vereinbart wird (WarnRspr. 1914 Nr. 1 1 ) . Aus der Zurücknahme der Ware allein kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß die gesetzliche Verjährung des §477 nicht Platz greifen soll (RG 12. 12. 19 I I 308/19; vgl. auch R G 96, 169).

Anm. 9 VI. Absatz 3 Zu den in Absatz 3 erwähnten Ansprüchen auf Schadensersatz gehört auch der Anspruch aus arglistigem Verschweigen (RG 134, 2 7 2 ; R G g 3 , 158 steht nicht entgegen). Durch Erhebung der Wandlungsklage wegen eines bestimmten Mangels wird die Verjährung des Wandlungsanspruchs wegen anderer Mängel nicht wirksam u n t e r b r o c h e n , R G 78, 295, 297; B G H L M Nr. 1 zu § 477 BGB. Dagegen wird durch Erhebung eines Schadensersatzanspruchs wegen arglistigen Verschweigens eines Fehlers die Verjährung des auf denselben Fehler gestützten Minderungsanspruchs gehemmt, RG 134, 272. Eine H e m m u n g der Verjährung entsprechend der Vorschrift von § 639 Abs. 2 findet statt, wenn dem Verkäufer ein Nachbesserungsrecht eingeräumt wird (RG 96, 266; 128, 213). Hierbei ist nicht erheblich, an wieviel Tagen die Instandsetzung tatsächlich vorgenommen wurde, sondern innerhalb welcher Zeit die Frage in Schwebe war, ob der Mangel durch Instandsetzungsarbeiten beseitigt werden konnte (RG 128, 315). Hat der Verkäufer auf die Erklärung der Wandlung den Kaufgegenstand zwecks Ausbesserung zurückgenommen und damit die erste Ubergabe rückgängig gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist mit der zweiten Ablieferung von neuem, O L G Saarbrücken D R Z 1950, 496. Absatz 3 trifft nur für den Fall zu, daß die drei bezeichneten Ansprüche zueinander in einem sich gegenseitig ausschließenden Verhältnis stehen. Nur diesen Fall hat der Gesetzgeber im Auge gehabt (Prot. I I 2, 3 1 1 ) . Die Ausnahmebestimmung paßt aber nach Grund und Zweck nicht auf den Fall, wo der Berechtigte in der Lage war, mit einer tatsächlich erhobenen Wandlungsklage einen infolge Sachmangels erwachsenen Schadensersatzanspruch zu verbinden (RG 93, 160). Ein B e w e i s s i c h e r u n g s v e r f a h r e n auf sachverständige Begutachtung endet mit der Einreichung des schriftlichen Gutachtens; von da läuft neue Verjährungsfrist (Recht 1916 Nr. 2083). Durch den Einwand der A r g l i s t wird die Verjährung nicht gehemmt (RG 128, 315).

Anm. 10 VII. Einzelheiten. Die kurze Verjährung gilt namentlich auch für den Kunsth a n d e l , R G 135, 343, bei dem ein abänderndes Gewohnheitsrecht nicht anzunehmen ist, R G 103, 147; 1 1 2 , 321. Auch auf die einer Sache gleichgestellten unkörperlichen Sachen ist §477 anwendbar, z.B. auch bei einem G e s c h ä f t s k a u f (vgl. oben Anm. 1). Dagegen nicht z. B. auf Verkauf von Geschäftsgeheimnissen (RG 82, 36), auch nicht auf den Verkaufeines Rechts (§ 437). Die kurze Verjährung des § 477 bezieht sich nur auf Gewährleistungsansprüche wegen Mängel an körperlichen Sachen (RG 108, 318). 220

Kauf. Tausch

§ 477 A n m . 11 § 478 A n m . 1—3

A n m . 11 VIII. W i r k u n g d e r V e r j ä h r u n g . Aus dem Zweck der Verjährung folgt, daß Ansprüche, die sich gegen den Bestand des Geschäfts richten, als erloschen gelten sollen, wenn sie nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt werden. Das Kauf- und Erfüllungsgeschäft soll also nach unbenutztem Ablauf der Verjährungsfrist so angesehen werden, als haftete ihm kein Mangel an. Daher auch keine Zurückforderung des gezahlten Kaufpreises unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, R G 128, 211.

§478 H a t d e r K ä u f e r den M a n g e l d e m V e r k ä u f e r angezeigt o d e r die Anzeige a n ihn a b g e s e n d e t , b e v o r d e r A n s p r u c h a u f W a n d e l u n g o d e r a u f M i n d e r u n g v e r j ä h r t w a r , s o k a n n e r a u c h n a c h d e r Vollendung d e r V e r j ä h r u n g die Z a h l u n g des K a u f p r e i s e s insoweit v e r w e i g e r n , als e r a u f G r u n d d e r W a n d e l u n g o d e r d e r M i n d e r u n g dazu b e r e c h t i g t sein w ü r d e . D a s gleiche gilt, w e n n d e r K ä u f e r v o r d e r Vollendung d e r V e r j ä h r u n g g e r i c h t l i c h e B e w e i s a u f n a h m e z u r Sicher i m g des B e w e i s e s b e a n t r a g t o d e r in e i n e m z w i s c h e n i h m und e i n e m s p ä t e r e n E r w e r b e r d e r S a c h e w e g e n des M a n g e l s a n h ä n g i g e n R e c h t s s t r e i t e d e m V e r k ä u f e r den S t r e i t v e r k ü n d e t h a t . H a t d e r V e r k ä u f e r den M a n g e l a r g l i s t i g v e r s c h w i e g e n , s o b e d a r f es d e r Anzeige o d e r einer i h r n a c h A b s . 1 gleichstehenden Handlung n i c h t . E n 414 Abi. I Satz 1, Abs. 2 III 472; P I 674»., 678fr.

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV. V. VI.

Die Bedeutung der Vorschrift Die Anzeige Die Einrede Begriffliches beim Werklieferungsvertrag Ungerechtfertigte Bereicherung

i 2 3 5 6 7

Anm. 1 I . Die B e d e u t u n g d e r V o r s c h r i f t . § 478 bringt eine Ausnahme von § 477. Er gewährt dem Käufer, der noch nicht erfüllt hat, eine Einrede gegen den Kaufpreisanspruch des Verkäufers, wenn er dem Verkäufer den Mangel innerhalb der Verjährungsfrist angezeigt oder wenigstens die Anzeige an ihn abgesandt oder eine der in Satz 2 angeführten prozessualen Maßnahmen ergriffen hat. Der angezeigte Mangel muß derselbe sein, der später geltend gemacht wird (Recht 1915 Nr. 1059). Anm. 2 I I . Die Anzeige kann mündlich oder schriftlich, auch durch Erhebung der Wandlungsklage, bewirkt werden, in deren Rücknahme nicht ohne weiteres auch eine Rücknahme der Anzeige zu finden ist ( R G 59, 154). Es muß aus ihr hervorgehen, daß der Käufer Rechte aus dem Mangel herleiten will; allgemeine Redensarten genügen nicht ( R G 54, 67). Die Anzeige ist keine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann auch von einem beschränkt geschäftsfähigen Käufer vorgenommen werden (bestr.) und ist widerruf bar. Sie braucht nicht sofort nach der Entdeckung des Mangels zu erfolgen; aus einer erheblichen Verzögerung kann jedoch ein Verzicht auf die Geltendmachung des Mangels entnommen werden. Anm. 3 I I I . Die E i n r e d e kann durch Feststellungsklage geltend gemacht werden ( R G 74, 292; 92, 7). Als weitere Folge der Erhaltung der Mängeleinrede kann der Käufer, dessen an sich begründetes Recht zur Minderung nach § 477 verjährt ist und nur noch im 221

§ 478 A n m . 4—6 §§ 479, 480

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Sinne des §478 besteht, auf Grund des § 1169 klagend verlangen, daß der beklagte Verkäufer nach der Tragweite der Minderungseinrede die Löschung der Kaufpreishypothek bewillige (RG 71, 12). Die Einrede aus §478 ist dem wandlungsberechtigten Käufer auch gegenüber dem Anspruch auf Abnahme oder Entgegennahme der Auflassung entsprechend zuzulassen. Sie ist nur Entscheidungsgrund in einem Urteil, das die Klage auf Zahlung des Kaufpreises abweist. Damit ist dem Käufer kein selbständiger Anspruch auf Rückzahlung eines bereits gezahlten Kaufpreisteils zugesprochen. Zur Begründung eines solchen RückZahlungsanspruchs muß daher der Käufer von neuem die Mangelhaftigkeit und Berechtigung des Wandlungsverlangens dartun, er kann sich nicht auf die Rechtskraftwirkung jenes Urteils berufen (RG 58, 423; 69, 385). Anm. 4 IV. Begriffliches. Sicherung des Beweises §§485—494 ZPO. Streitverkündung §§ 72—75 ZPO. Zum Begriff des arglistigen Verschweigens § 460 Anm. 6—8. Anm. 5 V. Beim W e r k l i e f e r u n g s v e r t r a g über unvertretbare Sachen ist § 478 entsprechend anwendbar, RG 87, 305. Anm. 6 VI. U n g e r e c h t f e r t i g t e Bereicherung. Der Käufer, der einen Mangel der Ware zwar innerhalb der Verjährungsfrist gerügt, aber nicht rechtzeitig Wandlungsklage erhoben hat, kann den vorausgezahlten Kaufpreis nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern. § 478 gibt nur eine Einrede; greift nicht einmal mehr § 478 ein, so hat der Käufer keine Rechte mehr, RG 128, 2 1 1 . § 4 7 9 Der Anspruch auf Schadensersatz kann nach der Vollendung der Verjährung nur aufgerechnet werden, wenn der Käufer vorher eine der i m § 478 bezeichneten Handlungen vorgenommen hat. Diese Beschränkung tritt nicht ein, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. E II 414 Abs. I Satz 2 III 473; P I 7046". Anm. 1 § 479 bringt eine Zusatzbestimmung zu § 390 Satz 2. Die einredeweise Aufrechnung des Schadensersatzanspruchs nach Ablauf der Verjährung ist von der Vornahme einer der in § 478 bezeichneten Handlungen abhängig, der Fall des arglistigen Verschweigens ausgenommen (WarnRspr. 1914 Nr. 46). Die Aufrechnung kann jedoch nur gegenüber Ansprüchen aus demselben R e c h t s g e s c h ä f t , also nur noch gegenüber dem nicht gezahlten Kaufpreis erklärt werden (RG 56, 171; Recht 1914 Nr. 336; OLG Schleswig SchlHA 1957, 180). Eine entsprechende Anwendung auf den verjährten Anspruch des K ä u f e r s auf R ü c k z a h l u n g des K a u f p r e i s e s ist nicht angängig (bestr., aM Planck Anm. 2). §479 findet aber auf den Schadensersatzanspruch des Käufers wegen schuldhafter Lieferung einer mangelhaften Gattungssache Anwendung (RG 56, 106). Anm. 2 Der Käufer kann sich des § 479 lediglich zur Abwehr der Kaufpreisforderung bedienen; irgend ein anderer Anspruch steht ihm nicht mehr zu, RG 144, 95. § 4 8 0 Der Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache kann statt der Wandelung oder der Minderung verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Auf diesen Anspruch finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften der§§ 464 bis 466, des§ 467 Satz 1 und der§§ 469, 470, 474 bis 479 entsprechende Anwendung. 222

K a u f . Tausch

§480 Anm. 1, 2

Fehlt der Sache zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, eine zugesicherte Eigenschaft oder hat der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen, so kann der Käufer statt der Wandelung, der Minderung oder der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. E I 398 II 415; M 2 2 4 1 E ; P 1 711 ff.

Übersicht I. Die Bedeutung der Gewährrechte beim Gattungskauf I I . Folgen der Mangelhaftigkeit 1. Ablehnung der Ware, Einrede des nicht erfüllten Vertrages 2. Verzug 3. schuldhaft mangelhafte Lieferung 4. Nachlieferungsrecht des Verkäufers I I I . Beim beschränkten Gattungskauf I V . Bei Lieferung eines aliud V . Nachlieferungsanspruch V I . Die für den Nachlieferungsanspruch maßgebenden Vorschriften V I I . Schadensersatz wegen Nichterfüllung V I I I . Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen

Anm.

1 2—5 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Anm. 1 I. Die Bedeutung der Gewährrechte beim Gattungskauf Wird dem K ä u f e r einer nur der Gattung nach bestimmten Sache (§ 243) eine mangelhafte Sache geliefert, so kann er nach seiner Wahl Wandlung, Minderung oder Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. O e r t m a n n (§ 480 Anm. 2 und in Ehrenberg Hdb. I V 2 S. 398) meint, der K ä u f e r könne entweder die ihm gelieferte mangelhafte Sache zurückweisen und Lieferung mangelfreier Ware verlangen oder die erhaltene Ware als Vertragserfüllung behandeln, wie wenn sie ihm von vornherein geschuldet wäre, und wie beim K a u f einer Einzelsache Wandlung oder Minderung verlangen (ebenso E n n e c c e r u s / L e h m a n n § 1 1 3 I ; v o n B l u m e J h e r J b 55, 238; S ü ß , Wesen und Rechtsgrund der Gewährleistung für Sachmängel, 1 9 3 1 , S. 9i ff.). Nach O e r t m a n n müsse es so angesehen werden, als ob durch die, wenn schon mangelhafte Lieferung eine Konzentration des Gattungskaufs auf die gelieferten Stücke eingetreten sei und der K ä u f e r dieselben Rechte habe wie bei einem von vornherein als Spezieskauf abgeschlossenen Vertrag. Ganz entsprechend sagt L e h m a n n , die Gattungsschuld konzentriere sich auf den geleisteten Gegenstand, wenn der K ä u f e r die geleistete Sache als Schuldgegenstand gelten lasse. Damit werden Wandlung und Minderung mit einer aus dem Verhalten des Käufers abgeleiteten Konzentration der Gattungsschuld in eine Stückschuld gerechtfertigt. Diese Begründung trägt dem Rechnung, daß eine Gattungsschuld durch Lieferung einer mangelhaften Sache nicht konkretisiert wird ( R G 69, 409) und die Lieferung einer mangelhaften Sache keine Erfüllung ist. Aber sie unterstellt dem Käufer, daß er sich widerspruchsvoll verhielte, wenn er die Ware als Erfüllung oder wenigstens als Erfüllungsgegenstand gelten lasse, aber gleichwohl und gerade deshalb den K a u f rückgängig mache. Diese Inkonsequenz ergibt sich aber nur durch die juristische Konstruktion und ist vermeidbar. Beim Gattungskauf beruhen Wandlung, Minderung und der Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache darauf, daß der K ä u f e r durch Lieferung der mangelhaften Sache nicht das bekommen hat, was er nach dem Vertrage zu bekommen hatte ( B a l l e r s t e d t , Nipperdey-Festschrift [1955], S. 261 ff., S. 276/78; zustimmend A . B l o m e y e r A c P 154, 5 3 1 , 532/33).

Anm. 2 II. Folgen der Mangelhaftigkeit 1 . Der Gattungskäufer kann wie der Spezieskäufer (vgl. dazu §459 Anm. 3 1 , 33) das A n g e b o t e i n e r m a n g e l h a f t e n S a c h e a b l e h n e n , ohne in Annahmeverzug zu

223

§ 480 A n m . 3—7

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

geraten, und gegenüber dem Kaufpreisanspruch die E i n r e d e des n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g e s (§ 320) erheben. Anm. 3 2. Nach Übergabe einer mangelhaften Sache kann er den Verkäufer noch in V e r z u g setzen. Der vorher bereits eingetretene Verzug wird durch Lieferung einer mangelhaften Sache nicht behoben. In beiden Fällen kann der Käufer nach § 326 vorgehen, RG SeufTArch. 60, 348; RG 123, 215. Anm. 4 3. Bei s c h u l d h a f t m a n g e l h a f t e r L i e f e r u n g kann der Käufer nach § 276 Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (RG 53, 200; 56, 169), soweit nicht die Sonderregelung der Gewährleistungsansprüche eingreift (vgl. dazu §459 Anm. 39). Dieser Anspruch steht dem Käufer auch neben dem Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache zu. Anm. 5 4. Der V e r k ä u f e r h a t grundsätzlich n i c h t d a s R e c h t , d e n A n s p r u c h a u f W a n d l u n g oder Minderung durch Lieferung einer mangelfreien Sache a b z u w e n d e n (Mot. 2, 242; Prot. 1, 717). Das Reichsgericht (RG 91, 112) hat den Standpunkt vertreten, der Käufer dürfe eine ihm vom Verkäufer unverzüglich angebotene Ersatzware dann nicht ablehnen, wenn er keinerlei Interesse habe, gerade die ihm zuerst gelieferte Ware zu bekommen. Damit würde aber der Verkäufer dem Käufer den Anspruch auf Wandlung immer nehmen können, da der Käufer, der wegen der ihm zuerst gelieferten (mangelhaften) Sache Wandlung verlangt, damit zu erkennen gibt, daß er an der empfangenen Ware kein Interesse hat. Das klargestellt zu haben, ist das Verdienst von B a l l e r s t e d t (Nipperdey-Festschrift [1955], S. 276; zustimmend A. B l o m e y e r AcP 1954, 532/33). B a l l e r s t e d t meint: Der Verkäufer habe kein Nachlieferungsrecht beim Fixkauf, beim Fehlen zugesicherter Eigenschaften, bei arglistigem Verschweigen eines Fehlers und beim Verkauf aus eigenem Vorrat oder eigener Erzeugung. Wenn sich dagegen der Verkäufer zum Zwecke der Erfüllung selbst erst eindecken muß und eine längere, nicht bloß nach wenigen Tagen bemessene Lieferfrist vereinbart ist, könne der Verkäufer die Durchsetzung der Wandlung durch das unverzügliche Angebot einer Ersatzlieferung dann hindern, wenn „die Lossagung des Käufers dem Sinn des Vertrages als Leistungsaustausch und als Risikoverteilung zuwiderlaufen" würde (Nipperdey-Festschrift [1955], S. 278), was insbesondere bei einer in der Zeit zwischen dem Kaufabschluß und Liefertermin eingetretenen, dem Käufer ungünstigen Preisentwicklung der Fall sei, denn im allgemeinen habe der Käufer das Preisrisiko zu tragen. Dieser Gedanke wird bei sorgfältiger Abwägung der Umstände jedes einzelnen Falles eine sachgerechte Lösung ermöglichen. Anm. 6 III. § 480 ist auch b e i m beschränkten Gattungskauf anwendbar (RG Recht 1917 Nr. 373). Alsdann ist aber der Anspruch auf Ersatzlieferung ausgeschlossen, wenn die Lieferung aus der beschränkten Gattung unmöglich geworden ist, weil etwa die vom Verkäufer hergestellte Warenmenge, aus der geliefert werden sollte, oder der an einem bestimmten Ort lagernde Vorrat erschöpft ist, RG Recht 1917 Nr. 373. Anm. 7 IV. Auf die Lieferung eines aliud ist § 480 nicht anwendbar. Nur beim beiderseitigen Handelsgeschäft finden bei Lieferung von Ware anderer Art als der bedungenen, falls nicht die gelieferte Ware offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten muß, die Gewährleistungsvorschriften Anwendung, RG 86, 90. F l u m e (Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948, S. 114 fr.) nimmt an, daß auch bei Lieferung einer andersartigen Sache ein Fehler im Sinne des §459 vorliege (vgl. §459 Anm. 15, 18). v o n C a e m m e r e r (Festschrift für Martin Wolff, 1952, S. 1 ff.) folgt dem und rechtfertigt mit dieser An224

Kauf. Tausch

§480 Anm. 8, 9

sieht die von R G 86, 90 vorgenommene Gleichstellung der Lieferung eines aliud mit der fehlerhaften Lieferung für die Fälle der §§ 377, 378 HGB. Diese Ausdehnung des Fehlerbegriffs geht aber zu weit (vgl. § 459 Anm. 15, 18).

Anm. 8 V. Der Nachlieferungsanspruch

Der Nachlieferungs- oder Ersatzanspruch ist kein Gewährleistungsanspruch, sondern der Erfüllungsanspruch, B G H NJW 1958, 418. Daß er von Gesetzes wegen (Ausnahme unten unter Anm. 9) der kurzen Verjährungsfrist des § 477 unterworfen ist, bedeutet nicht, daß er ein Gewährleistungsanspruch ist, sondern erklärt sich ausreichend damit, daß der Verkäufer nicht ungebührlich lange im unklaren über die Entscheidung des Käufers bleiben soll und daß der Lieferungsanspruch den Anspruch auf Wandlung oder Minderung nicht gut überdauern kann, wenn er wahlweise neben den Gewährleistungsansprüchen steht ( O e r t m a n n §480 Anm. 2; S ü ß , Wesen und Rechtsgrund der Gewährleistung für Sachmängel, 1931, S. 91). Das Reichsgericht ( R G 52, 352; 53, 89; 53, 204; 90, 332) meint, durch die Zurückweisung der mangelhaften Sache werde das Erfüllungsgeschäft rückgängig gemacht und der ursprüngliche Lieferungsanspruch wiederhergestellt. Das ist ungenau: Durch Lieferung einer mangelhaften Sache wird der Kauf nicht erfüllt; es handelt sich daher weder um die Rückgängigmachung des Erfüllungsgeschäfts noch um die Wiederherstellung des Lieferungsanspruchs. Der Erfüllungsanspruch wird vielmehr von der Lieferung einer mangelhaften Sache nicht berührt. Deshalb gerät der Verkäufer, wenn der Käufer die mangelhafte Sache zurückweist und Nachlieferung einer mangelfreien verlangt, in Leistungsverzug, der ihn neben der Nachlieferung auch zu Schadensersatz verpflichten kann ( R G 123, 215). Der ursprüngliche Lieferungsanspruch kann dagegen im Vereinbarungswege wiederhergestellt werden. Eine solche Vereinbarung ( U m t a u s c h v e r t r a g ) kann ganz ohne Rücksicht darauf getroffen werden, ob die gelieferte Sache wirklich mangelhaft ist oder zu Unrecht beanstandet wird. Ein solcher vertraglicher Anspruch ist nicht der gesetzliche Nachlieferungsanspruch nach § 480, R G 91, 110; 93, 98, 100; 94, 329. Bei S u k z e s s i v l i e f e r u n g e n begründet der Verzug mit der Leistung mangelfreier Ware an Stelle der gelieferten mangelhaften nach § 480 Abs. 1 auch bezüglich der noch ausstehenden Lieferungen die Rechte aus § 326 Abs. 1 ( R G 8. 11. 04 I I 249/04). Verkauft der Käufer die ihm zuerst gelieferte Sache anderweit, so wird hierin in der Regel nach Treu und Glauben ein V e r z i c h t auf die Nachlieferung einer mangelfreien Sache zu finden sein (vgl. R G 54, 82). Ebenso kann in der Regel nicht Lieferung einer anderen Sache verlangt werden, wenn der Käufer die gelieferte Sache bereits verarbeitet hat und sie daher nicht zurückgeben kann. Doch kann unter Umständen auch dadurch das Recht der Nachlieferung nicht verloren werden, R G H R R 1931, 731. Vorbehaltlose Annahme der mangelhaften Sache in Kenntnis des Mangels schließt den Anspruch auf Nachlieferung aus.

Anm. 9 VI. Die für den Nachlieferungsanspruch maßgebenden Vorschriften

Für den Nachlieferungsanspruch kommen aus dem Wandlungsrecht die Vorschriften des §§ 464, 465, 466, 467 Satz 1, 469, 470, 474 Abs. 2, 475, 476, 577, 478 zur entsprechenden Anwendung. Unanwendbar sind dagegen § 467 Satz 2 (Ersatz der Vertragskosten), weil der Vertrag bestehenbleibt, §474 Abs. 1, weil sich diese Vorschrift auf die Minderung bezieht, und § 479, weil diese Bestimmung sich nicht auf die Wandlung (oder Nachlieferung) bezieht und nur irrtümlich in § 480 angezogen ist. Der Nachlieferungsanspruch unterliegt der kurzen Verjährung des § 477. Hat sich der Verkäufer dagegen mit Ersatzlieferung einverstanden erklärt und ist ihr Umfang geregelt, so greift nicht § 477, sondern die für den Lieferungsanspruch maßgebende Verjährungsvorschrift ein, B G H N J W 1958, 418; vgl. auch § 477 unter Anm. 2. Auch der Nachlieferungsanspruch wird erst mit der Erklärung des Einverständnisses des Verkäufers oder durch rechtskräftiges Urteil unwiderruflich; bis dahin kann der Käufer seine Wahl ändern ( R G J W 1905, 492). Er ist daher auch nicht verpflichtet, die als mangelhaft zurückgewiesene Ware zurückzugewähren, solange es ihm freisteht, sie in Abänderung seiner Wahl zu behalten. Der Anspruch des Verkäufers auf Rückgewähr IJ

Komm. 2. BGB, 1 1 . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

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§ 480 Anm. 10, 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

entsteht erst mit dem Vollzuge der Wahl nach § 465 (RG 94, 331). Ein Wahlschuldverhältnis im Sinne von § 263 liegt aber bei den mehreren Rechtsbehelfen nicht vor. Es werden nicht aus demselben Schuldverhältnis mehrere Leistungsgegenstände alternativ geschuldet, sondern der Käufer hat die Wahl zwischen mehreren Ansprüchen, die zudem von verschiedenen Voraussetzungen abhängig sind. Deshalb schließt das bloße Verlangen von Schadensersatz die spätere Geltendmachung der Wandlung nicht aus (RG 16.6. 11 II 624/10). Anm. 10 VII. Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Eratz des entgangenen Gewinns. Der Schaden kann einmal in der Weise berechnet werden, als ob überhaupt nicht geliefert worden wäre. Da auch die ungehörige Erfüllung Nichterfüllung ist und den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung begründet, ist der Käufer aber auch berechtigt, die nicht gehörige Erfüllung und die hierdurch entstandene Sachlage hinzunehmen und denjenigen Schaden zu fordern, der ihm hieraus entstanden ist, R G 53, 89. Deshalb kann der Käufer, der den ihm gelieferten wertlosen Samen mit eigener Ware vermischt hat, die hierdurch wertlos geworden ist, hierfür Entschädigung verlangen. Anders als in § 463 ist für den Mangel der zugesicherten Eigenschaft nicht der Zeitpunkt des Kaufabschlusses, sondern die Zeit des Gefahrübergangs maßgebend (§ 480 Abs. 2; Mot. 2, 243). Auch für das arglistige Verschweigen ist der Zeitpunkt der Lieferung und nicht der des Kaufabschlusses maßgebend, R G WarnRspr. igi2 Nr. 159. Fehlen der gelieferten Sache zugesicherte Eigenschaften, so kann der Käufer den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung noch geltend machen, nachdem er die Kaufsache zurückgegeben und den Kaufpreis zurückerhalten hat, R G 90, 332. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung unterliegt der kurzen Verjährung des § 477 (RG 53, 203), auch § 469 ist anwendbar (RG 73, 382). Der Käufer, der behauptet, die gelieferte Gattungsware sei wegen Fehlens zugesagter Eigenschaften vertragswidrig beschaffen, kann die Ware auch zurückweisen (RG 53, 73; Recht 1919 Nr. 41). Nimmt er die Sache an, so kann er dann nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn er den Mangel kennt und sich seine Rechte nicht bei der Annahme vorbehält (RG 55, 214). Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach Absatz 2 ist vom Verschulden des Verkäufers unabhängig. Der Käufer kann den Vertrag als gänzlich unerfüllt behandeln und die Zurücknahme der mangelhaften Sache verlangen. Läßt er sich den nutzlos aufgewandten Kaufpreis zurückzahlen, so ist das nur eine teilweise Verwirklichung seines Schadensersatzanspruchs (RG 52, 392; 90, 334; J W 1917, 9025). Setzt der Käufer gemäß § 326 Nachfrist zur Lieferung von Ersatzware, so leitet er das Verhältnis vom Gebiet der Gewährleistungsansprüche auf das Gebiet des Schuldnerverzugs über. Dann kann er nur noch vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern, der ein anderer ist, als der Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §480 Abs. 2, RG 123, 215. Dann ist für eine nachträgliche Annahme der Ware und ein Einverständnis nach §§480, 465 kein Raum mehr (RG Recht 1924 Nr. 812). Ist der Verkäufer eines beschränkten Gattungskaufs ohne sein Verschulden außerstande, eine Ersatzware zu liefern (z. B. nach A u s v e r k a u f der beschränkten Gattung), so kann er mangels Nachlieferungsmöglichkeit nicht in Verzug kommen und der Käufer durch Nachfristsetzung keinen Schadensersatzanspruch aus § 326 erlangen, RG Recht 1917 Nr. 373. Der Anspruch aus § 480 Abs. 2 findet nur bei S a c h m ä n g e l n , nicht auch bei Lieferung einer ganz anderen als der gekauften Ware Anwendung (RG J W 1923, 442). Anm. 11 VIII. Verhältnis des § 480 zu anderen Rechtsbehelfen Bei schuldhafter Verletzung des Kaufvertrages kann der Käufer neben dem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus § 480 Abs. 2 oder neben dem Anspruch auf Wandlung oder Minderung auch Schadensersatz aus positiver V e r t r a g s verletzung (§276) verlangen (vgl. §459 Anm. 39). 226

Kauf. Tausch

Vor § 481

§ 481 Anm. 1, 2 Ein Gattungskauf kann w e g e n a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g beim Abschluß des Kaufgeschäfts a n g e f o c h t e n werden; die bloße Absicht, einen Gattungskauf nicht oder nicht gehörig zu erfüllen, bietet in der Regel keine ausreichende Grundlage zur Annahme einer für den Vertragsschluß ursächlichen arglistigen Täuschung; besondere Umstände können jedoch eine gegenteilige Annahme rechtfertigen, RG 104, 2. Verschweigt der Verkäufer bei der in Erfüllung eines Gattungskaufs erfolgenden Lieferung einer mangelhaften Sache den Fehler arglistig, so hat der Käufer die Rechte aus § 480 Abs. 2, nicht auch die Anfechtung aus § 123, RG 70, 429. Der beim Zusammentreffen von arglistiger Täuschung und § 459 entscheidende Gesichtspunkt, daß der Betrüger nicht durch den Ausschluß des Anfechtungsrechts begünstigt werden darf, schlägt hier nicht, da die Anfechtung nur das Erfüllungsgeschäft vernichten und damit im Ergebnis auch keine andere Lage schaffen würde, als wenn der Käufer Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt. Der Viehkauf Vorbemerkung Grundsätzlich finden die allgemeinen Vorschriften über Kauf Anwendung. Nur ist die Sachmängelhaftung abweichend von §§ 459 fr geregelt. Die Regelung gilt für bestimmte Tierarten, bestimmte Mängel (Hauptmängel), setzt kurze Gewährfristen und kurze Verjährungsfristen fest, die auch bei vertraglichen besonderen Vereinbarungen eingeschränkt sind, und läßt keine Minderung des Kaufpreises zu. Nicht ausgeschlossen ist Schadensersatzanspruch nach §§ 463, 480 Abs. 2, RG 60, 234, auch bei anderen als Hauptmängeln. Beim Verkauf eines G r u n d s t ü c k s m i t I n v e n t a r sind nicht §§ 481 ff, sondern die allgemeinen Grundsätze über Gewährleistung anzuwenden, wenn wegen der Mängel des Viehbestands die Tauglichkeit des Grundstücks selbst gemindert ist, RG 102, 309; T h i e l e , ZNotVer. 1911 S. 632. Schrifttum über den Viehkauf namentlich: S t ö l z l e , Ger. Entsch. über Viehkauf 1910 u. 1928; S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf (1935); H a n k e , Sonderrecht des Viehkaufs; S a u e r , Viehkauf und Viehgewährschaft; M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 1927; L e r c h e , Viehgewährschaftsrecht, 1955. Zu beachten ist auch das Ges. ü b e r d e n V e r k e h r m i t V i e h u n d F l e i s c h v. 25. 4. 51, BGBl. 1951, 272.

§481 Für den Verkauf von Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren, von Rindvieh, Schafen und Schweinen gelten die Vorschriften der §§ 459 bis 467, 469 bis 480 nur insoweit, als sich nicht aus den §§ 482 bis 492 ein anderes ergibt. E I 399 II 416; M 2 24jff; P I 7i8ff. Anm. 1 § 481 findet nur Anwendung, soweit es allein auf das Vieh ankommt. Wird Vieh dagegen als Zubehör eines Grundstücks verkauft und beeinträchtigt das mangelhafte Vieh zugleich die Tauglichkeit des Grundstücks, so sind nicht die §§481 ff, sondern die §§ 459 fr anzuwenden, RG 102, 309. Anm. 2 § 481 kommt erst vom Zeitpunkt des G e f a h r ü b e r g a n g s in Betracht, da dann erst Gewährleistungsansprüche entstehen. Daher ist nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 433) 243) zu beurteilen, ob der Käufer die gekaufte Sache abzunehmen und den Kaufpreis zu zahlen hat. So kann der Käufer bloß der Gattung nach bestimmter Tiere die Annahme und Bezahlung ablehnen, wenn das ihm angebotene Vieh zwar nicht mit Hauptmängeln behaftet, aber auch nicht von mittlerer Art u n d Güte ist. § 481 spricht nur vom V e r k a u f , wird in § 493 jedoch ausgedehnt. Die A b t r e t u n g der Gewährleistungsansprüche ist zulässig, RG Gruchot 49, 906. 15

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§ 481 A n m . 3—8 §482

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 3 Die Sondervorschriften der §§ 482—492 glten nur f ü r die in § 481 angegebenen Tiergattungen; für a n d e r e T i e r e (insbesondere Hunde, Katzen, Ziegen, Kaninchen, Singund andere Vögel, auch wilde Tiere) sind d i e a l l g e m e i n e n G e w ä h r l e i s t u n g s v o r s c h r i f t e n m a ß g e b e n d . Innerhalb der hier hervorgehobenen Tiergattungen kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Artklasse oder Rasse als eine besondere Eigenschaft des betreffenden Tieres in Betracht kommen. Die Sondervorschriften beziehen sich nur auf Wandlung. Anm. 4 Die Sondervorschriften der §§ 482—493 gehen den allgemeinen Gewährleistungsvorschriften vor. Letztere kommen daher zum Teil (so §§ 460, 4 6 1 , 464, 466, 469—471, 476) nur aushilfsweise zur Anwendung, zum Teil (nämlich die von der Minderung handelnden §§ 472—475) sind sie überhaupt unanwendbar. § 459 Abs. 1 scheidet völlig aus, R G 123, 148. Anm. 5 Die Vorschriften des H G B über sofortige Untersuchung und Mängelrüge, §§ 377, 378, gelten für die Viehgewährschaft nicht, auch nicht bei Mängeln, die nicht Hauptmängel sind, S t ö l z l e , Viehkauf S. 1 1 4 . Wohl aber gelten sie für andere Tiere als die in § 481 genannten. In Anwendung bleiben ferner §§ 373, 376, 37g, 352 H G B . Anm. 6 Ein § 4 8 1 abänderndes G e w o h n h e i t s r e c h t hat sich nicht gebildet. Uber bestehende Handelsbräuche S t ö l z l e a a O S. 124. E i n e v e r t r a g s m ä ß i g e R e g e l u n g , insbesondere eine Verschärfung der Haftung beim Verkauf der in § 4 8 1 erwähnten Tiergattungen ist dagegen nicht ausgeschlossen. Bei einem Grundstückskauf „in Bausch und Bogen" kann die Haftung für Mängel bei einzelnen Tieren ausgeschlossen sein, S t ö l z l e , Entsch. seit 1 9 1 0 (1928) S. 60. Anm. 7 Auf den Verkauf g e s c h l a c h t e t e r T i e r e , Fleisch, findet nur §459, nicht §§481 ff Anwendung. Anm. 8 Z u den §§ 482—492 sind, da nach § 23 G V G Streitigkeiten wegen Viehmängel zur Z u s t ä n d i g k e i t d e r A m t s g e r i c h t e gehören, Entscheidungen des R G nur in geringer Zahl ergangen. Dagegen sind zahlreiche Entscheidungen der Amts-, Land- und Oberlandesgerichte enthalten in den „Gerichtlichen Entscheidungen des ersten Jahrzehnts des B G B über den Viehkauf, gesammelt und herausgegeben von Dr. Hans S t ö l z l e " 1 9 1 0 und der Fortsetzung der Sammlung der seit 1 9 1 0 ergangenen Entscheidungen (1928). Siehe auch dessen Werk über den Viehkauf (Viehgewährschaft) nach dem B G B , 6. Aufl., 1926, und der gegenwärtige Stand der Trächtigkeitsfrage in rechtlicher Beziehung (1929). Ferner M e i s n e r , Das Viehgewährschaftsrecht (1927); L u d w i g M a y e r , Eigentumsvorbehalt und Viehverkauf; L e r c h e , Viehgewährschaftsrecht ('955)-

§483 Der Verkäufer hat nur bestimmte Fehler (Hauptmängel) und diese nur dann zu vertreten, wenn sie sich innerhalb bestimmter Fristen (Gewährfristen) zeigen. Die Hauptmängel und die Gewährfristen werden durch eine mit Z u stimmung des Bundesrats zu erlassende Kaiserliche Verordnung bestimmt. Die Bestimmung kann auf demselben Wege ergänzt und abgeändert werden. E I 400 II 417; M 2 25zff.; P 1 727fr.

228

Kauf. Tausch

§ 482 A n m . 1—3

Ü b ersieht Anm.

I. Viehgewährschaft 1. Hauptmängel 2. Gewährfristen II. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen 1. positive Vertragsverletzung 2- § 463 3. unerlaubte Handlung 4. Täuschungsanfechtung 5. Irrtumsanfechtung III. Haftungsausschluß IV. Die Kaiserliche Verordnung 1. Allgemeines 2. Text der Verordnung 3. Einzelheiten

i, 2 i 2 3—7 3 4 5 6 7 8 9—11 9 10 11

I. Viehgewährschaft Anm. 1 1. Die Vorschrift schränkt die Haftung aus § 459 ein. Der Verkäufer haftet nur für Hauptmängel, und für sie auch nur dann, wenn sie sich innerhalb der Gewährfristen (Ausschlußfristen) zeigen. In diesem Falle sind sie als bereits zur Zeit des Gefahrübergangs vorhanden anzusehen; der Verkäufer haftet, ohne daß ein Nachweis ihrer Erheblichkeit oder der von ihnen herbeigeführten Wertminderung erforderlich wäre. Der Kreis der Hauptmängel ist gesetzlich fest begrenzt und läßt sich auch im Wege der ausdehnenden Auslegung nicht erweitern, O L G Schleswig SchlHA 1957, 72. Anm. 2 2. Gewährfristen sind Fristen von bestimmter Dauer, innerhalb derer sich ein Hauptmangel zeigen muß, soll ihn der Verkäufer zu vertreten haben. Ein Hauptmangel zeigt sich, wenn er von irgendeiner Person, die nicht der Käufer zu sein braucht, wahrgenommen worden ist. Der Nachweis, daß er innerhalb dieser Frist vorhanden gewesen ist, genügt nicht. Der Charakter der Krankkeit als Hauptmangel braucht aber nicht erkannt worden zu sein. Der Hauptmangel braucht sich nicht schon am lebenden Tier gezeigt haben. Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist, so wird nach § 484 vermutet, daß er schon bei Gefahrübergang vorhanden war. Der Käufer, der die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt, braucht nur zu beweisen, daß sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist gezeigt hat. Die Gewährfristen sind Ausschlußfristen; sie wirken von Rechts wegen und unbedingt, so daß der Verkäufer nicht Gewähr zu leisten hat, wenn ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist hätte erkannt werden können, aber nicht erkannt worden ist (vgl. RG 128, 46). Die Gewährfristen sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Gegen ihre Versäumung gibt es zwar keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; hat aber der Verkäufer wider Treu und Glauben verhindert, daß ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist wahrgenommen werden konnte, so steht der Berufung auf den Ablauf der Gewährfrist die Einrede der Arglist entgegen (vgl. R G 148, 46). Im Gegensatz zur Verjährung sind bei der Gewährfrist Hemmungen und Unterbrechungen des Fristlaufs ausgeschlossen (vgl. R G 128, 47; 158, 140). Anm. 3 II. Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen 1. Wegen der Beschränkung der Haftung des Verkäufers auf Hauptmängel, die sich innerhalb der Gewährfrist zeigen, kann der Käufer auch aus p o s i t i v e r V e r t r a g s v e r l e t z u n g nur dann Schadensersatz verlangen, wenn dieser Anspruch auf einen Hauptmangel, der sich nicht später als bis zum Ablauf der Gewährfrist gezeigt hat, zurückgeführt wird. 229

§ 482 Antn. 4—8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 4 2. Dagegen haftet der Verkäufer aus § 463, wenn er die Abwesenheit eines Mangels, auch wenn es sich dabei nicht um einen Hauptmangel handelt, zugesichert oder einen Mangel, der nicht Hauptmangel ist, arglistig verschwiegen hat. Das ergibt sich für den Schadensersatzanspruch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft (§ 463 Satz 1) aus § 492 (RG 60, 234). Für § 463 Satz 2 geht allerdings die überwiegende Meinung (RG 102, 308; O L G Schleswig SchlHA 1957, 72; S t a u d i n g e r / O s t l e r § 482 Anm. 12 m. w. Nachw.; O s t l e r J Z 1956, 473; L e r c h e , Viehgewährschaftsrecht 59, 137) dahin, daß der Verkäufer für einen a r g l i s t i g v e r s c h w i e g e n e n N i c h t h a u p t m a n g e l wegen der Sonderregelung der §§ 481 ff vertraglich nicht hafte. Das kann aber nicht richtig sein. Soll die gesetzliche Anordnung in § 482, daß der Verkäufer nur die sich innerhalb der Gewährfrist zeigenden Hauptmängel zu vertreten hat, die Ausschließung des § 463 Satz 2 bedeuten, so wäre auch der Anspruch aus unerlaubter Handlung ausgeschlossen, da eine Einschränkung der vertraglichen Haftung auch für die Haftung aus den §§ 823fr gilt (RG 66, 363; 88, 318; B G H L M Nr. 2 zu § 252 BGB). Dann würde ein Betrug beim Viehkauf, bloß weil er einen nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehler des Tieres zum Gegenstande hat, keine Haftung nach sich ziehen, eine Folge, die nirgends gezogen wird und auch nicht vertretbar ist. Der Grund dafür, daß §463 Satz 2 nicht durch die §§481 ff ausgeschlossen wird, liegt darin, daß §482 lediglich diejenige Gewährleistungspflicht bedacht hat, die dem Verkäufer ohne Rücksicht auf dessen etwaige Arglist auferlegt ist (OLG Königsberg H R R 1941, 1000). Anm. 5 3. Aus diesem Grunde bleiben auch die Schadensersatzansprüche aus §§ 823, 826 bei allen Mängeln bestehen und beschränken sich nicht nur auf die Hauptmängel. Anm. 6 4. Ebenso ist eine A n f e c h t u n g des Vertrags wegen a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g nach § 123 auch wegen a n d e r e r M ä n g e l als Hauptmängel zulässig. Anm. 7 5. Die Anfechtung eines Viehkaufs nach § 119 Abs. 2 ist ausgeschlossen. Im Hinblick auf § 482 kann nur ein Irrtum über einen Hauptmangel ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft sein. Darum scheidet eine A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s über einen Nichthauptmangel ohne weiteres aus. Da aber die §§481 ff eine erschöpfende Regelung für Hauptmängel enthalten und nicht umgangen werden dürfen, kommt auch eine Anfechtung wegen Irrtums über einen Hauptmangel nicht in Frage ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r S. 267fr; S t a u d i n g e r / O s t l e r §482 Anm. 11; L e r c h e §481 Anm. 13). Anm. 8 III. H a f t u n g s a u s s c h l u ß A u s g e s c h l o s s e n ist die Haftung des Verkäufers, wenn der Käufer beim Abschluß des Kaufs den Fehler k e n n t , §460 Satz 1. Hat der Käufer erklärt, sich von der Beschaffenheit des Tieres überzeugt zu haben, so kann er sich auf einen erkennbaren Mangel nicht berufen, RG J W 1902, 343, wenn ihm durch grobe Fahrlässigkeit der Fehler unbekannt geblieben ist, § 460 Satz 2. Hat der Verkäufer beruhigende Angaben gemacht, kann grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein, RG J W 1909, 1086. Ferner ist die Haftung ausgeschlossen: Wenn das Tier als Pfand öffentlich versteigert wird, § 461. Wenn das gepfändete Tier auf Grund der Pfändung veräußert wird, §§ 806, 814, 825 ZPO. Wenn das Tier auf Anordnung des Richters versteigert wird, § 489. Wenn der Käufer in Kenntnis des Mangels das Tier annimmt, § 464. Wenn die Gewährleistungspflicht erlassen oder beschränkt ist, § 476. Wenn das Tier in einer Erbmasse steckt und der Erbe die angefallene Erbmasse verkauft, § 2376. Wenn der Käufer auf sein Recht nachträglich verzichtet hat.

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Kauf. Tausch

§482 Arnn. 9, 10

Anm. 9 IV. Die Kaiserliche Verordnung 1. Die Hauptmängel und die Gewährfristen (über Reformwünsche vgl. O s t l e r J Z 1956, 471) sind, u m den einschlagenden Vorschriften die durch die wechselnden Verkehrsverhältnisse und durch den jeweiligen Stand der tierärztlichen Wissenschaft erforderliche Beweglichkeit zu geben, durch eine mit Zustimmung des Bundesrats erlassene K a i s e r l i c h e V e r o r d n u n g vom 27. 3. 99 (RGBl 219) festgestellt worden. Die Frage, von wem sie nunmehr ergänzt oder abgeändert werden kann, regelt sich nach Art. 129 GG. Es kommt sowohl die Bundesregierung als Kollegium wie der zuständige Fachminister in Betracht. Nach Art. 80 Abs. 2 G G ist die Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Die noch jetzt gültige Verordnung unterscheidet zwischen dem Verkauf von Nutzund Zuchttieren und dem Verkauf von Schlachttieren, die dazu bestimmt sind, als Nahrungsmittel für Menschen zu dienen. Der Verwendungszweck ist im Streitfalle vom Käufer zu erweisen. Maßgebend ist wesentlich der Kaufzweck. Schlachttiere sind solche, die alsbald geschlachtet werden sollen, ohne d a ß dazwischen ein Zeitraum für anderweitige Benutzung liegt. D a ß sie inzwischen noch aufgefüttert u n d gemästet werden sollen, hindert nicht den Begriff als Schlachttier (aM P l a n c k Anm. 3).

Anm. 10 2. Die Verordnung hat folgenden Wortlaut: § 1 Für den Verkauf von Nutz- und Zuchttieren gelten als Hauptmängel: I. bei Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren: 1. Rotz (Wurm) mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; 2. Dummkoller (Koller, Dummsein) mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; als Dummkoller ist anzusehen die allmählich oder infolge der akuten Gehirnwassersucht entstandene, unheilbare Krankheit des Gehirns, bei der das Bewußtsein des Pferdes herabgesetzt ist; 3. Dämpfigkeit (Dampf, Hartschlägigkeit, Bauchschlägigkeit) mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; als Dämpfigkeit ist anzusehen die Atembeschwerde, die durch einen chronischen, unheilbaren Krankheitszustand der Lungen oder des Herzens bewirkt wird; 4. Kehlkopfpfeifen (Pfeiferdampf, Hartschnaufigkeit, Rohren) mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; als Kehlkopfpfeifen ist anzusehen die durch einen chronischen und unheilbaren Krankheitszustand des Kehlkopfs oder der Luftröhre verursachte und durch ein hörbares Geräusch gekennzeichnete Atemstörung; 5. periodische Augenentzündung (innerliche Augenentzündung, Mondblindheit) mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; als periodische Augenentzündung ist anzusehen die auf inneren Einwirkungen beruhende, entzündliche Veränderung an den inneren Organen des Auges; 6. Koppen (Krippensetzen, Aufsetzen, Freikoppen, Luftschnappen, Windschnappen) mit einer Gewährfrist von 14 T a g e n ; I I . bei Rindvieh: 1. tuberkulöse Erkrankung, sofern infolge dieser Erkrankung eine allgemeine Beeinträchtigung des Nährzustandes des Tieres herbeigeführt ist, mit einer Gewähr frist von 14 T a g e n ; 2. Lungenseuche mit einer Gewährfrist von 28 T a g e n ; I I I . bei Schafen: Räude mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; IV. bei Schweinen: 1. Rotlauf mit einer Gewährfrist von 3 Tagen; 2. Schweineseuche (einschließlich Schweinepest) mit einer Gewährfrist von 10 Tagen.

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§ 482 A n m . 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 2 Für den Verkauf solcher Tiere, die alsbald geschlachtet werden sollen und bestimmt sind, als Nahrungsmittel für Menschen zu dienen (Schlachttiere), gelten als Hauptmängel: I. bei Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren: Rotz (Wurm) mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; II. bei Rindvieh: tuberkulöse Erkrankung, sofern infolge dieser Erkrankung mehr als die Hälfte des Schlachtgewichts nicht oder nur unter Beschränkungen als Nahrungsmittel für Menschen geeignet ist, mit einer Gewährsfrist von 14 Tagen; III. bei Schafen: allgemeine Wassersucht mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; als allgemeine Wassersucht ist anzusehen der durch eine innere Erkrankung oder durch ungenügende Ernährung herbeigeführte wassersüchtige Zustand des Fleisches; IV. bei Schweinen: 1. tuberkulöse Erkrankung unter der in der Nr. I I bezeichneten Voraussetzung mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; a. Trichinen mit einer Gewährfrist von 14 Tagen; 3. Finnen mit einer Gewährfrist von 14 Tagen. A n m . 11 3. Zur Kaiserl. Verordnung vom 27. 3. 99 ist noch zu bemerken: a ) Eine vertragsmäßige Verlängerung oder Abkürzung der Gewährfrist ist nach § 486 zulässig; ebenso ist nach § 49a eine vertragsmäßige Übernahme der Gewährpflicht auch wegen eines nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehlers, sowie die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft des Tieres gestattet. Ob ein Tier als Nutz- und Zuchttier oder als Schlachttier verkauft wird, entscheidet der Kaufabschluß. Eine nach ihm erfolgte Änderung der Zweckbestimmung ist einflußlos. Schlachtreifes Vieh, das zum Schlachten verkauft wird, ist auch dann noch „Schlachtvieh", wenn der Käufer es zur Verbesserung seines Schlachtwertes vor der Schlachtung noch einige Zeit zu füttern gedenkt. Anders freilich, wenn das Vieh erst durch ein langes, andauerndes Mästen schlachtreif gemacht werden soll, R G BayZ 1917, 158. b ) Der Verkäufer steht gesetzlich in einem Haftungsverhältnis nur zu demjenigen, dem er das Tier verkauft hat. Hat m e h r m a l i g e r V e r k a u f stattgefunden, so greift ein sog. S p r u n g r e g r e ß nicht Platz. c) Die gegen Vieh aus verseuchten Gegenden auf Grund des Viehseuchengesetzes durch polizeiliche Schutzmaßregeln eingeführte Seuchensperre und die dadurch bewirkte Nichtmarktfähigkeit begründet keinen Gewährsmangel ( R G WarnRspr. 08 Nr. 29). d ) Zu § 1 Nr. I 2 ist zu bemerken, daß es auf einem Redaktionsversehen beruht, wenn dort nur das Pferd genannt ist; zu Nr. II, die Verkalbungsseuche gehört nicht zu den Hauptmängeln, R G 102, 308; zu § 2 II der Verordnung ist unter Schlachtgewicht dasjenige Gewicht zu verstehen, welches das Tier sogleich nach erfolgter Schlachtung mit den beanstandeten Teilen gehabt hat. — Im Falle des § 3 II ist bei tuberkulösem Rindvieh in der Uberweisung des Fleisches an eine Freibank eine „Beschränkung als Nahrungsmittel für Menschen" zu erblicken, also ein Hauptmangel ( S t ö l z l e , Entsch. S. 61 ff.). S. auch die für den Beschluß d. Bundesr. bei Erl. der Verordn. vom 27. 3. 99 maßgebende Erwägung im RAnz. Nr. 130 vom 5. 6. 9g. Die gesetzliche Begriffsbestimmung der Hauptmängel in der V O ist für den Richter bindend. 232

Kauf. Tausch

§ § 483, 484 § 485 A n m . 1

§ 4 8 3 Die Gewährfrist beginnt mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Gefahr auf den Käufer übergeht. E I 401 II 418; M 2 254; P 1 735 ff. Für den G e f a h r ü b e r g a n g sind die §§446, 447, 300 Abs. 2 maßgebend. In der Regel erfolgt die Ubergabe an der Waage. Für den B e g i n n der Gewährfrist ist § 187 Abs. 1 in Verbindung mit §459 Abs. 1, für das E n d e § 188 maßgebend. Der Ablauf ist von Amts wegen zu berücksichtigen, auch wenn es sich um eine vereinbarte Gewährfrist für Mängel handelt, die nicht Hauptmängel sind, S t ö l z l e J W 1901, 739; O e r t m a n n §482 Anm. i b . § 193 ist nicht anwendbar, da innerhalb der Gewährfrist, anders als dies § 193 voraussetzt, keine Willenserklärung abzugeben und die Länge der Gewährfrist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bemessen ist und darum keine zufällige und unterschiedliche Verlängerung verträgt, falls ihr Ende gerade auf einen Sonn- oder Feiertag fällt ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 157; M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 91; S t a u d i n g e r / O s t l e r §483 Anm. 2). § 4 : 8 4 Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist, so wird vermutet, daß der Mangel schon zu der Zeit vorhanden gewesen sei, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergegangen ist. E I 402 Satz 1 II 419; M 2 252fr.; P 1 735ff. Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist oder schon vor ihrem Beginn, so braucht der K ä u f e r n i c h t z u b e w e i s e n , daß der Mangel schon bei Gefahrübergang vorhanden war. Dem Verkäufer steht der G e g e n b e w e i s offen, daß der Mangel erst n a c h dem maßgebenden Zeitpunkt entstanden sei. Dieser kann auch in einer Gegenvermutung liegen; E c k s t e i n , Gruchot 57, 642. An den Gegenbeweis sind aber strenge Anforderungen zu stellen ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 164fr). Entscheidend ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, R G SeuffArch. 66, 183. Zeigt sich ein Fehler vorher, zur entscheidenden Zeit aber nicht mehr, so haftet der Verkäufer nicht. Die Vermutung des § 484 findet bei nicht zu den Hauptmängeln gehörigen Fehlern dann entsprechende Anwendung, wenn eine Gewährfrist vereinbart ist (§ 492). § 4 8 5 Der Käufer verliert die ihm wegen des Mangels zustehenden Rechte, wenn er nicht spätestens zwei Tage nach dem Ablaufe der Gewährfrist oder, falls das Tier vor dem Ablaufe der Frist getötet worden oder sonst verendet ist, nach dem Tode des Tieres den Mangel dem Verkäufer anzeigt oder die Anzeige an ihn absendet oder wegen des Mangels Klage gegen den Verkäufer erhebt oder diesem den Streit verkündet oder gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt. Der Rechtsverlust tritt nicht ein, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Anm. 1 Beim Viehkauf ist der Käufer abweichend von dem für die allgemeine Gewährleistung bestehenden Grundsatz (vgl. § 464 Anm. 4) zur Anzeige des Mangels an den Verkäufer oder zu einer dem gleichstehenden Rechtshandlung innerhalb einer zweitägigen Ausschlußfrist verpflichtet, und zwar bei Verlust der dem Käufer wegen des Mangels zustehenden R e c h t e . Der Anspruch geht unter, kann also auch nicht mehr einredeweise vorgebracht werden. Der Begriff des M a n g e l s ist hier allein und umfaßt Hauptmängel, andere Mängel und das Fehlen zugesicherter Eigenschaften. Die G e w ä h r fr ist wird durch den Tod des Tieres nicht berührt. Bei Zusicherung einer Eigenschaft des verkauften Tieres findet § 485 nur dann entsprechende Anwendung, wenn eine G e w ä h r f r i s t vereinbart ist, R G 123, 214.

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§ 485 A n m . 2—4 § 486 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 Aus der Erwähnung der K l a g e e r h e b u n g ist nicht der Schluß zu ziehen, daß diese zu den in § 478 Abs. 1 vom Käufer vorzunehmenden Handlungen als selbständige Handlung hinzutreten müsse (RG 59, 150). Wenn der Käufer, um sich seine Rechte wegen des Viehmangels zu erhalten, zur Anzeige nach § 485 verpflichtet ist, so besteht neben dieser Anzeigepflicht nicht noch eine weitere nach § 377 HGB. Wenn aber § 485 nicht zur Anwendung kommt, so verbleibt es bei der Vorschrift des § 377 HGB, K G O L G 22, 235. Gegen diese Ansicht S t ö l z l e / G r a m i n g e r , ViehkaufS. 105. Der V e r k ä u f e r , dem durch die in § 485 vorgeschriebenen Maßnahmen die Führung des ihm nach § 484 obliegenden Gegenbeweises erleichtert werden soll, hat den Ablauf der Ausschlußfrist, der Käufer die fristgemäße Erstattung oder Absendung der Anzeige oder die rechtzeitige Vornahme der sonstigen Handlung zur Wahrung der Frist oder auch das arglistige Verschweigen des Mangels durch den Verkäufer n a c h zuweisen. Anm. 3 In der Anzeige ist die b e s t i m m t e A n g a b e des Mangels oder wenigstens der zur Zeit erkennbaren, auf einem Gewährschaftsmangel hindeutenden M e r k z e i c h e n der dem Tiere anhaftenden Krankheit erforderlich, während die allgemeine Angabe: das Tier sei krank oder es leide an einem Gewährsmangel, nicht ausreicht, RG 1, 99. „Die Kuh hustet" bedeutet verkehrsüblich die Anzeige der Tuberkulose, S t ö l z l e , Entsch. S. 84. Eine bestimmte F o r m ist nicht erforderlich. In der Zurücknahme der wegen des Mangels erhobenen Klage liegt nicht ohne weiteres die Zurücknahme der Anzeige (RG J W 05, 46 12 ). Der angezeigte Mangel muß derselbe sein, auf den der Klageanspruch gestützt wird. Anm. 4 Für Satz 2 (arglistiges Verschweigen des Mangels) kommt nur ein Hauptmangel und bei vereinbarter Garantiefrist ein ihm nach § 492 gleichgestellter Mangel in Betracht. Das ist kein Widerspruch zu dem in Anm. 4 zu § 482 eingenommenen Standpunkt. Denn bei einem Nichthauptmangel, für den der Verkäufer keine Gewährleistung übernommen hat, droht mangels Anzeigepflicht nicht die Rechtsfolge des § 485 Satz 1 und demzufolge kann sich die Anordnung des § 485 Satz 2: „Der Rechtsverlust tritt nicht ein, wenn . . nicht auf den Fall des arglistig verschwiegenen Nichthauptmangels erstrecken. Die G e w ä h r f r ist läuft auch bei arglistig verschwiegenem Hauptmangel; dasselbe gilt bei einem arglistig verschwiegenen Nichthauptmangel, falls dafür Gewährleistung übernommen und eine Gewährfrist vereinbart ist. Der Käufer verliert aber die ihm aus einem arglistig verschwiegenen Mangel zustehenden Rechte nicht, wenn er dem Verkäufer den Mangel nicht binnen zwei Tagen seit Ablauf der Gewährfrist anzeigt. Arglistiges Verschweigen ist bei s i c h t b a r e m Fehler nur unter ganz besonderen Umständen denkbar. Die B e w e i s l a s t für arglistiges Verschweigen trägt der Käufer. Wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat, kann der Käufer bis zum Ablauf der Verjährungsfrist des § 852 auch nach den §§ 823, 826 Schadensersatz verlangen. Das gilt, gleichviel ob der verschwiegene Mangel ein Hauptmangel oder ein anderer Mangel ist.

§486 Die Gewährfrist kann durch Vertrag verlängert oder abgekürzt werden. Die vereinbarte Frist tritt an die Stelle der gesetzlichen Frist. E I 410 II 421; M a 2öjff.; P i 748.

Anm. 1 D e r a u f Verlängerung oder Abkürzung der G e w ä h r f r i s t g e r i c h t e t e V e r t r a g bedarf keiner besonderen Form, kann sich aber wegen Verstoßes gegen die guten 234

K a u f . Tausch

§ 4 8 6 A n m . 2—4 §487 Anm. 1,2

Sitten, insbesondere bei unangemessener Abkürzung der Frist, als n i c h t i g (§ 138) herausstellen. Nur die vertragsmäßige Verlängerung oder Abkürzung der Gewährfrist ist zulässig, n i c h t aber die g ä n z l i c h e A u s s c h l i e ß u n g , da das Bestehen einer sochen Frist nach den §§ 482 Abs. 1, 486, 490 Abs. 1 Satz 1 Voraussetzung der gesetzlichen Haftpflicht für Hauptmängel ist ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 1 8 5 ; M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 92; a M O e r t m a n n §482 Anm. 1 ; E n n e c c e r u s / L e h m a n n § 1 1 4 I, 3). Der Abkürzung oder Verlängerung muß immer ein b e s t i m m t e r Zeitraum vorangehen. Die Verlängerung darf nicht soweit ausgedehnt werden, daß der Zweck des Gesetzes vereitelt wird. S t ö l z l e , Viehkauf (1926) S. 239. Bei arglistigem Verschweigen eines Fehlers ist die Abkürzung der Frist nichtig, § 476. Anm. 2 Durch H a n d e l s g e b r ä u c h e und M a r k t r e g e l n oder durch G e w o h n h e i t s r e c h t können die gesetzlichen Vorschriften über die Gewährfrist n i c h t g e ä n d e r t werden. Die Vertragschließenden können sich aber Marktordnungen ausdrücklich oder stillschweigend und damit auch einer in dieser Weise vorgenommenen Änderung der Gewährfrist unterwerfen ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r a a O 186; 91). Anm. 3 In der G e w ä h r l e i s t u n g f ü r T r ä c h t i g k e i t liegt noch keine stillschweigende Vereinbarung über ein entsprechendes Hinausschieben des Beginns der Verjährung um die Höchstträchtigkeitsdauer, a M M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 254. Dagegen mit Recht S t ö l z l e J W 1927, 2489. Anm. 4 S a t z 2 gilt insbesondere im Falle des § 485.

§487 Der Käufer kann nur Wandelung, nicht Minderung verlangen. Die Wandelung kann auch in den Fällen der §§ 351 bis 353, insbesondere wenn das Tier geschlachtet ist, verlangt werden; an Stelle der Rückgewähr hat der Käufer den Wert des Tieres zu vergüten. Das gleiche gilt in anderen Fällen, in denen der Käufer infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, insbesondere einer Verfügung über das Tier, außerstande ist, das Tier zurückzugewähren . Ist vor der Vollziehung der Wandlung eine unwesentliche Verschlechterung des Tieres infolge eines von dem Käufer zu vertretenden Umstandes eingetreten, so hat der Käufer die Wertminderung zu vergüten. Nutzungen hat der Käufer nur insoweit zu ersetzen, als er sie gezogen hat. E I 404 II 422; M 1 2j6ff; P 1 7398, 802ff.

Anm. 1 Der gesetzliche Anspruch auf Minderung i s t b e i m V i e h v e r k a u f a u s g e s c h l o s s e n , nicht aber der gesetzliche Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Hauptmanges gemäß § 463 (welcher Ersatz auch in dem durch das Fehlen der zugesicherten Eigenschaften herbeigeführten Minderwert des Tieres bestehen kann, § 472 greift dann nicht Platz, R G 60, 235). Absatz 1 enthält kein zwingendes Recht; zulässig bleibt ein etwaiger, auf besonderer v e r t r a g s m ä ß i g e r Abmachung beruhender M i n d e r u n g s a n s p r u c h (RG 60, 236; J W 05, 285'). Wegen Lieferung eines mangelfreien Tieres § 4 9 1 . O b der Käufer die nachträgliche Beseitigung des Mangels durch den Verkäufer annehmen muß, richtet sich nach Treu und Glauben, § 242, a M S t ö l z l e a a O S. 247. Anm. 2 Die Wandlung ist dadurch e r l e i c h t e r t , daß sie a) auch in den Fällen der §§ 3 5 1 bis 353, also namentlich bei wesentlicher Verschlechterung oder beim Untergang des

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§ 487 A n m . 3—7 §488

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Tieres, insbesondere wenn dasselbe geschlachtet ist, bei sonstiger verschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe, sowie bei den in § 353 angeführten Veräußerungen, b) in anderen Fällen, in denen der K ä u f e r infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes, insbesondere einer Verfügung über das Tier, außerstande ist, dasselbe zurückzugeben, verlangt werden kann, R G 123, 2 1 5 . V e r z i c h t auf den Wandlungsanspruch ist aber anzunehmen, wenn nach dessen Geltendmachung der K ä u f e r m i t K e n n t n i s d e s M a n g e l s das Tier zum Schlachten veräußert und dadurch die Unmöglichkeit der Rückgabe an den Verkäufer herbeiführt ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf 201/2). Sonst bringt der Weiterverkauf noch nicht ohne weiteres den Verlust des Wandlungsanspruchs, R G 1 2 3 , 2 1 5 . Ebensowenig die zufällige Unmöglichkeit der Rückgabe und die verschuldete Verschlechterung und der Untergang des Tieres, R G Recht 1 9 1 1 Nr. 3434; auch nicht die Weiterbenutzung des Tieres in Kenntnis des Mangels. Anm. 3 Sind von m e h r e r e n gleichzeitig verkauften Viehstücken e i n z e l n e m a n g e l h a f t (Kauf einer Herde), so greift § 469 ein. Dasselbe gilt, wenn eine K u h und ihr K a l b zusammen verkauft sind und eines der beiden Tiere mangelhaft ist. Anm. 4 Bei Durchführung der Wandlung ist in den in Anm. 2 genannten Fällen a und b dem K ä u f e r die Rückgewähr des Tieres nicht angesonnen, dafür vielmehr die Vergütung des objektiven Wertes des Tieres (anstatt des Schadensersatzes nach § 347) auferlegt. Es ist hierbei der (objektive) Wert zugrunde zu legen, den das Tier im Zeitpunkt des Vollzugs der Wandlung gehabt hat ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, a n ; M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 141). — Rückgewähr Zug um Zug. Anm. 5 Absatz 3: Der K ä u f e r kann, wenn vor der Wandlung eine unwesentliche Verschlechterung des Tieres infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes eingetreten ist, zwar auf der Wandlung bestehen, hat aber die W e r t m i n d e r u n g zu vergüten. Schadensersatz hat der Käufer dagegen zu leisten, wenn eine derartige Verschlechterung n a c h Vollziehung der Wandlung infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes erfolgte ( O L G 16, 404). Anm. 6 Auch bezüglich des Ersatzes der Nutzungen ist gegenüber der in § 467 angeführten Vorschrift des § 347 eine Erleichterung der Wandlung dadurch gegeben, daß Nutzungen vom K ä u f e r nur insoweit zu ersetzen sind, als er sie wirklich gezogen hat. E r ist nicht verpflichtet, Nutzungen aus dem fehlerhaften Tiere zu ziehen. Nur wenn das Nutzen zur ordnungsmäßigen Behandlung des Tieres gehört (Melken einer K u h ) , müssen die Nutzungen auch gezogen werden. Uber Begriff der Nutzung und Früchte §§ 100, 99. Die V e r s i c h e r u n g s s u m m e ist nicht anzurechnen. Anm. 7 Verlangt beim Tausch der Empfänger des mangelhaften Tieres Wandlung, so gelten die Abs. 2—4 auch für die Verpflichtungen des Empfangers des mangelfreien Tauschobjekts (bestr.; vgl. dazu S t a u d i n g e r / O s t l e r §487 Anm. 18).

§488 Der Verkäufer hat im Falle der Wandelung dem Käufer auch die Kosten der Fütterung und Pflege, die Kosten der tierärztlichen Untersuchung und Behandlung sowie die Kosten der notwendig gewordenen Tötung und W e g schaffung des Tieres zu ersetzen. E 1 4 0 ; n 413; M 1 2)9?; P 1 745ff.

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Kauf. Tausch

§ 488 Anm. 1,2 § 489 Anm. 1, 2

Anm. 1 Als Nebenforderungen zum Wandlungsanspruch sind hier dem Käufer außer den ihm nach §§ 467, 347, 683, 994 zu ersetzenden Aufwendungen noch eine Reihe von Ersatzkosten ausdrücklich zugesprochen. Zu ersetzen sind die wirklich aufgewendeten F ü t t e r u n g s k o s t e n , die der Art nach für die betr. Tiergattung üblich sind; P f l e g e k o s t e n sind die Kosten der gewöhnlichen Wartung und der besonderen Krankenpflege. Kosten des T i e r a r z t e s kommen bloß für den nächstgelegenen Kosten für mehrere Tierärzte nur in besonders notwendigen Fällen in Betracht. Notwendig ist die T ö t u n g bei den sog. Notschlachtungen, um den Mangel festzustellen; das ist auch bei der gewöhnlichen Schlachtung von als Schlachtvieh verkauften, aber mit einem Hauptmangel behafteten Tiere der Fall ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 287; S t a u d i n g e r / O s t l e r §488 Anm. 8). Gegenüber den Ansprüchen aus §488 kann der Verkäufer die von dem Käufer bis zur Wandlung aus dem Tier etwa gezogenen Nutzungen aufrechnen. I m Sinne des § 4 Abs. 1 Z P O sind die in § 488 genannten Kosten nicht mehr (wie nach R G 52, 164) Nebenansprüche, da in der Novelle vom 18. 8. 1923 das Wort , S c h ä d e n ' gestrichen worden ist. Anm. 2 Weitere Kosten, insbesondere diejenigen für notwendige Schutzmaßregeln gegen S e u c h e n g e f a h r , kann der Käufer nicht als gesetzliches Zubehör des Wandlungsanspruchs, sondern nur dann verlangen, wenn der Verkäufer, insbesondere wegen Verschuldens, zum Schadensersatz verpflichtet ist oder sich vertragsmäßig zum Ersatz derartiger Kosten verpflichtet hat, oder wenn die Voraussetzungen auftragsloser Geschäftsführung vorliegen. Die gleichen Grundsätze gelten auch bezüglich des Anspruchs des Käufers auf Ersatz von Aufwendungen für ein Junges (OLG 8, 74). § 488 ist Ausnahmevorschrift und darf nicht ausdehnend ausgelegt werden, aber sie gibt kein zwingendes Recht. Die K o s t e n des H i n - u n d R ü c k t r a n s p o r t s hat dagegen der Verkäufer dann zu tragen, wenn das Vieh nach dem Vertragsinhalt zu versenden war oder der Verkäufer wenigstens wußte, daß es der Käufer an einen anderen Ort bringen wolle, um es zu verwerten ( M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 134/35; S t ö l z l e / G r a m i n g e r aaO 280ff). Auch F ü t t e r u n g s k o s t e n hat der Verkäufer zu ersetzen. Die K o s t e n d e r M ä n g e l a n z e i g e kann der Käufer ohnehin verlangen.

§489 Ist über den Anspruch auf Wandelung ein Rechtsstreit anhängig, so ist auf Antrag der einen oder der anderen Partei die öffentliche Versteigerung des Tieres und die Hinterlegung des Erlöses durch einstweilige Verfügung anzuordnen, sobald die Besichtigung des Tieres nicht mehr erforderlich ist. E I 406 II 424; M 2 261; P I 744.

Anm. 1 Die Vorschrift gehört in die Prozeßordnung. Daher sind auch die prozessualen Rechtsmittel bei Ablehnung des Antrags gegeben. Sie ist eine Ausnahmevorschrift und bezieht sich nur auf die Wandlung, O L G 20, 183. Anm. 2 Voraussetzung f ü r d i e v o m P r o z e ß r i c h t e r z u e r l a s s e n d e A n o r d n u n g der öffentlichen Versteigerung und der Hinterlegung des Erlöses ist nur, daß a) ein Rechtsstreit über die Wandlung des Tieres (auch infolge einredeweiser Geltendmachung dieses Rechtes) anhängig ( L Z 1 9 1 5 Sp. 1539 1 0 ), b) in diesem die Besichtigung des Tieres nicht mehr notwendig und c) von der einen oder andern Partei ein Antrag aus § 489 gestellt

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§ 489 Anm. 3, 4 § 490 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ist. Die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung (§ 935 ZPO) kommen dagegen nicht in Betracht. Auf andere Fälle ist § 489 nicht anwendbar (OLG 20, 183). Anm. 3 Nach Hinterlegung des Erlöses tritt dieser an die Stelle des Tieres, so daß dem Verkäufer im Falle der Wandlung anstatt der Rückgabe des Tieres der hinterlegte Erlös anzurechnen oder auszuzahlen ist. Anm. 4 Auf eine nach § 489 gerichtlich angeordnete öffentliche Versteigerung ist § 4 6 1 ents p r e c h e n d a n w e n d b a r ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 124; M e i s n e r , Viehgewährschaftsrecht, 187/88; S t a u d i n g e r / O s t l e r §489 Anm. 4).

§490 Der Anspruch auf Wandelung sowie der Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Hauptmangels, dessen Nichtvorhandensein der Verkäufer zugesichert hat, verjährt in sechs Wochen von dem Ende der Gewährfrist an. I m übrigen bleiben die Vorschriften des § 477 unberührt. An die Stelle der in den§§ 210, 212, 215 bestimmten Fristen tritt eine Frist von sechs Wochen. Der Käufer kann auch nach der Verjährung des Anspruchs auf Wandelung die Zahlung des Kaufpreises verweigern. Die Aufrechnung des Anspruchs auf Schadensersatz unterliegt nicht der im § 479 bestimmten Beschränkung. E I 407 II 425; M 1 26iff; P 1 745ff.

Anm. 1 Abweichend von § 477 ist die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Wandlung und für den Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Hauptmangels, dessen Nichtvorhandensein der Verkäufer zugesichert hat, §§481, 463, auf sechs Wochen (anstatt sechs Monate) und der Beginn dieser Frist vom E n d e der Gewährfrist (anstatt von der Ablieferung) ab festgesetzt, während es für den Anspruch auf Schadensersatz wegen arglistiger Verschweigung eines Hauptmangels, den Anspruch aus vollzogener Wandlung und den Anspruch aus einem rechtskräftigen Urteil bei der dreißigjährigen Verjährung verbleibt. Die kurze Verjährungsfrist gilt auch für die Ansprüche aus § 488, da sie im Sinne des § 224 Nebenansprüche des Wandlungsanspruchs sind. Die kurze Verjährungsfrist bezieht sich auf alle Ansprüche wegen Mängel des Tieres, mögen diese auf Gesetz oder besonderer Vereinbarung oder auf Verschulden beruhen, RG J W 1904, 50. Auch der Umstand, daß durch die verlangte Zusicherung der Gesundheit von Tieren der Käufer vertraglich auch gegen die Gefahr gesichert sein sollte, Schaden von dem übrigen Viehbestand abzuwenden, schließt § 490 nicht aus. Denn die Bestimmung erfaßt auch den Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens, der nicht bloß an der Kaufsache, sondern durch deren Mangelhaftigkeit auch an anderen Gegenständen entsteht, R G Recht 1913, 27. Anm. 2 Die Regelung in § 490 Abs. 3 entspricht im Hinblick auf § 485 der Regelung der §§478, 479Die einredeweise Geltendmachung des W a n d l u n g s a n s p r u c h s gegenüber der Kaufpreisklage, sowie die Aufrechnung des Schadensersatzanspruchs wegen eines Hauptmangels gegen den Kaufpreisanspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist ist zwar nicht davon abhängig, daß der Käufer dem Verkäufer den Mangel angezeigt oder eine Maßnahme ergriffen hat, die dem nach den §§ 478, 479 gleichsteht, wohl aber davon, daß der Käufer rechtzeitig Anzeige nach § 485 gemacht hat. So kann der mit seiner Wandlungsklage wegen Verjährung rechtskräftig abgewiesene Käufer 238

Kauf. Tausch

§ 490 Anm. 3 §§ 4 9 1 , 492 Anm. 1, 2

eines Pferdes die Zahlung des Kaufpreises verweigern, wenn er rechtzeitig (§ 485) den Mangel der zugesicherten Eigenschaft angezeigt hat (RG 18. 12. 06 II 227/06). Hat der Verkäufer die Gewährleistung wegen eines nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehlers übernommen oder eine Eigenschaft des Tieres zugesichert, aber keine Gewährfrist vereinbart, so kann der Käufer den Wandlungsanspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch einredeweise geltend machen, wenn er vor Ab-, lauf der Verjährungsfrist eine der in den §§ 478, 479 bezeichneten Handlungen vorgenommen hat ( S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 328; vgl.auch § 492 Anm. 4). Anm. 3 Die Unterbrechung der Verjähruug ist von Amts wegen zu prüfen. Durch Erhebung der Wandlungsklage wegen eines bestimmten Mangels wird die Verjährung des Wandlungsanspruchs wegen anderer Mängel nicht unterbrochen (RG 78, 295); das gilt sowohl für Hauptmängel als auch bei vertraglicher Übernahme einer weitergehenden Gewährleistung oder Zusicherung, B G H L M Nr. 1 zu § 477 BGB. § 4 9 1 Der Käufer eines nur der Gattung nach bestimmten Tieres kan statt der Wandelung ¡¡verlangen, daß ihm an Stelle des mangelhaften Tieres ein mangelfreies geliefert wird. Auf diesen Anspruch finden die Vorschriften der§§ 488 bis 490 entsprechende Anwendung. E I 408 II 426; M 2 265; P 1 748.

Beim Verkaufe eines nur der Gattung nach bestimmten T i e r e s ist im Falle der Mangelhaftigkeit des gelieferten Tieres nicht nur der in § 480 Abs. 1 zugelassene Anspruch auf Nachlieferung einer mangelfreien Kaufsache, sondern auch der dort in Absatz 2 geregelte Anspruch wegen Nichterfüllung gegeben. Außerdem kommen in diesen Fällen die Vorschriften der §§ 488—490 (Ersatz der Kosten der Fütterung und Pflege des fehlerhaften Tieres, Versteigerung desselben und Verjährung des Anspruchs auf Wandlung und auf Schadensersatz) zur entsprechenden Anwendung. § 4 9 3 Übernimmt der Verkäufer die Gewährleistung wegen eines nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehlers oder sichert er eine Eigenschaft des Tieres zu, so finden die Vorschriften der §§ 487 bis 491 und, wenn eine Gewährfrist vereinbart wird, auch die Vorschriften der §§ 483 bis 485 entsprechende Anwendung. Die i m § 490 bestimmte Verjährung beginnt, wenn eine Gewährfrist nicht vereinbart wird, mit der Ablieferung des Tieres. E I 411 II 427; M 2 264ff; P 1 748.

Anm. 1 Für a n d e r e als die in §481 genannten Tiergattungen findet §492 keine Anwendung, für sie bleibt es bei den Vorschriften von §§ 459—480. Anm. 2 Beim Verkauf der in §481 a u f g e f ü h r t e n T i e r g a t t u n g e n kann zunächst die G e w ä h r l e i s t u n g wegen eines nicht zu den Hauptmängeln (§482) gehörenden Fehlers im Sinne von §459 Abs. 1 übernommen werden (RG SeuffArch 58 Nr. 4). In diesem Falle gelangen die für die Hauptmängel geltenden §§487—491 zur entsprechenden Anwendung. Wann eine Gewährleistungsübernahme anzunehmen sei, ist bestritten. Schneider, Rechtsregeln des Viehhandels S. 160 und Oertman Kom. zu § 492 Anm. 4 sehen schon in der Vereinbarung eines bestimmten Gebrauchszwecks eine Gewährleistungsübernahme. Das geht zu weit. § 492 verlangt eine unmittelbare Übernahme der Gewährleistung und dazu gehört die Bezeichnung der Eigenschaften, für 239

§ 492 A n m . 3, 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

die gehaftet werden soll; anderenfalls hätte es der Vorschrift überhaupt nicht bedurft, und mit derselben Begründung könnte eine Übernahme der Eigenschaften, die zu dem gewöhnlichen Gebrauch notwendig und vorausgesetzt sind, gefunden werden, womit § 4 8 2 hinfällig gemacht wäre. Wird G e w ä h r l e i s t u n g f ü r a l l e M ä n g e l übernommen, so ist, wie die Entstehungsgeschichte des § 4 9 2 ergibt, im Wege der Auslegung zu bestimmen, ob diese Gewährleistung nur die Hauptmängel im Sinne des § 4 8 2 oder auch die Mängel im Sinne des § 4 5 9 Abs. 1 oder auch minder erhebliche Mängel umfassen soll (SeuffArch 5 8 Nr. 4 ; RG WarnRspr 1 9 2 2 , 1 2 ) . Es gelten die Regeln über die gesetzliche Haftung oder die über die vertragsmäßige Haftung des § 492 (RG 6 0 , 5 5 ) . Danach ergibt sich für Viehkäufe folgendes Bild der Haftung: 1. von Gesetzes wegen a) für Hauptmängel, b) für Fehlen zugesicherter Eigenschaften; 2 . auf Grund vertraglicher Übernahme: für andere als Hauptmängel. Anm. 3 Bei Zusicherung einer (mit den Hauptmängeln nicht zusammenhängenden) Eigenschaft des Tieres im Sinne von § 4 5 9 Abs. 2 gelten ebenfalls die in Anm. 2 erwähnten Vorschriften. Doch muß diese Zusicherung, um wirksam zu sein, die bestimmte Bezeichnung der Eigenschaft (wozu auch Trächtigkeit einer K u h gehört), oder die bestimmte Angabe der als abwesend zugesicherten Mängel enthalten (RG Recht 0 7 Nr. 33). Eine allgemeine Anpreisung, wie z. B.: die verkaufte K u h sei fehlerfrei und reell oder: sie sei gesund, ist regelmäßig ohne Wirkung ( S t ö l z l e , Entsch. S. 1 4 3 f r . ) . Die Erklärung, das Pferd sei „völlig gesund" kann dagegen die Zusicherung der Abwesenheit von Krankheiten, die auf den Wert und die Brauchbarkeit des Tieres von Einfluß sind, also einer Eigenschaft enthalten (RG 1 2 3 , 1 4 8 ; RG 1 6 . 5 . 0 2 II 6 2 / 0 2 ) ; SeuffArch 5 8 , 8). Abnormitäten und Untugenden brauchen keine Erkrankungen zu sein, z. B. Stätigkeit eines Pferdes. Dagegen enthält das Versprechen, daß, wenn die verkaufte K u h nicht innerhalb bestimmter Frist kalbe, eine ziffermäßige Minderung am Kaufpreise oder eine näher angegebene Entschädigung des Käufers eintreten solle, nicht die Zusicherung einer Eigenschaft, sondern eine Nebenabrede, für welche auch die gewöhnliche Verjährung gilt ( S t ö l z l e a a O S. 1 5 1 f r , 1 5 8 f r ) . Es gilt eine G r e n z e z u z i e h e n z w i s c h e n den z u g e s i c h e r t e n Eigenschaften nach §§ 459 Abs. 2 und 4 9 2 einerseits und den Eigenschaften, die nach dem im Vertrag v o r a u s g e s e t z t e n Gebrauch vorliegen müssen und deren Fehlen einen Fehler nach § 4 5 9 Abs. 1 — möglicherweise nicht zu den Hauptmängeln gehörigen — darstellt. Die Grenze ist um so flüssiger, als die Zusicherung von Eigenschaften auch stillschweigend gegeben und aus den Umständen gefolgert werden kann (RG 8 . 1. 1 9 I 2 5 4 / 1 8 ; 8 . 1. 1 8 II 377/17); die Zweckbestimmung muß zum Vertragsinhalt geworden sein, wenn der besondere Gebrauch vom Vertrag umfaßt werden soll (RG 7 0 , 8 5 ) . Sind die Parteien einig, daß die Sache zu einem bestimmten Gebrauch geeignet sein muß, so liegt mittelbar darin die Vereinbarung, daß sie die hierzu nötigen Eigenschaften haben muß. Der Gesetzgeber unterscheidet aber, ob die Eigenschaften unmittelbar durch Benennung oder nur mittelbar durch Beziehung auf einen bestimmten Gebrauchszweck zum Vertragsinhalt erhoben worden sind. Ersteres liegt bei § 4 5 9 Abs. 1, letzteres bei § 4 5 9 Abs. 2 und damit auch § 4 9 2 vor. § 4 9 2 erfordert die Übernahme der Gewährleistung wegen eines n i c h t z u d e n H a u p t m ä n g e l n g e h ö r i g e n F e h l e r s durch den Verkäufer. Dazu genügt die Kenntnis des Verwendungszweckes für sich allein nicht, sondern es ist eine unmittelbare Übernahme der Gewährleistung erforderlich, andernfalls hätte es der Vorschrift des § 4 9 2 nicht bedurft, RG 1 2 3 , 1 4 8 . Das Versprechen, eine Eigenschaft des Tieres erst herstellen zu wollen, z. B. ein Pferd zuzureiten, ist keine Zusicherung nach § 4 5 9 Abs. 2 . Etwas abweichend RG J W 1912, 79710. Anm. 4 Bei Vereinbarung einer G e w ä h r f r i s t i n Verbindung m i t der Gewährleistung kommen außer den §§ 4 8 7 — 4 9 1 noch die §§ 4 8 3 — 4 8 5 zur entsprechenden Anwendung. Auch die Anzeige nach § 4 8 5 wird erfordert (RG 6 0 , 2 3 7 ; OLG 2 2 , 2 3 6 ) . Es liegt ein Redaktionsversehen vor, wenn § 4 9 2 Satz 2 die Vorschrift des § 4 9 0 Abs. 3 mitzitiert.

240

K a u f . Tausch

§492

Anm. 5, 6

Es ist ganz ausgeschlossen, d a ß der K ä u f e r in d e m von § 492 Satz 2 geregelten Fall, d a ß keine Gewährfrist vereinbart und d a r u m § 485 u n a n w e n d b a r ist, nach A b l a u f der Verjährungsfrist die Z a h l u n g des Kaufpreises soll verweigern oder die A u f r e c h n u n g soll erklären können, ohne den M a n g e l dem Verkäufer vor A b l a u f der Verjährungsfrist angezeigt zu haben. D e n n er kann insoweit nicht besser gestellt sein, als j e d e r andere K ä u f e r durch die §§ 478, 479 oder die §§ 485, 490 Abs. 3 gestellt ist. D a r u m gilt § 479 auch für die Geltendmachung der A u f r e c h n u n g eines Schadensersatzanspruchs nach der V e r j ä h r u n g der W a n d l u n g , R G J W 05, 285®; O L G K i e l S e u f f A r c h 65, 70; P l a n c k A n m . 2 a ; S t ö l z l e / G r a m i n g e r , Viehkauf, 328/29 m. w. N a c h w . ; S t a u d i n g e r / O s t l e r § 4 9 2 A n m . 11). In der Zusicherung, d a ß eine verkaufte K u h von einem bestimmten T a g e nach der Ü b e r g a b e an eine gewisse M e n g e M i l c h gebe, ist keine V e r einbarung einer Gewährfrist zu erblicken, R G 123, 212. Die Verjährungsfrist ist v o m A b l a u f der Gewährfrist ab zu berechnen, die aber a u c h bestimmt angegeben sein m u ß . U b e r T r ä c h t i g k e i t s g a r a n t i e eingehend S t ö l z l e , Der gegenwärtige Stand der Trächtigkeitsfrage in rechtlicher Beziehung (1929) u. V i e h k a u f a a O S. 472 ff. So läuft in dem Falle, w e n n die Trächtigkeit eines Viehstücks mit einem bestimmten Endtermin zugesichert ist, die V e r j ä h r u n g von diesem Endtermin (Gewährfrist) an. Ist dagegen nur im allgemeinen Trächtigkeit oder Trächtigkeit v o n einer bestimmten A n z a h l W o c h e n oder sog. „ K a l b g r i f f i g k e i t " , d. h. Trächtigkeit von einer seitherigen Dauer von 2 4 — 2 5 W o c h e n , zugesichert, so ist hierin die V e r e i n b a r u n g einer Gewährfrist nicht zu finden J W 06, 374), und es gilt die folgende A n m . 5. V g l . a u c h R G R e c h t 1917 Nr. 33. Innerhalb der ersten sechs W o c h e n nach der Begattung kann tierärztlich festgestellt werden, ob das T i e r trächtig ist oder nicht. In der Zusicherung, d a ß die K u h gerindert h a b e , liegt noch keine Zusicherung der Trächtigkeit. I m übrigen ist Trächtigkeit andererseits a u c h kein n a c h dem Gesetz zu vertretender M a n g e l . Z u r V e r e i n b a r u n g einer G e w ä h r frist gehört, d a ß die Parteien eine Frist vereinbaren, innerhalb deren die Fehler sich zeigen müssen, andernfalls eine Gewährleistung ihrethalben ausgeschlossen sein soll. Nur wenn eine Gewährfrist vereinbart ist, findet bei Zusicherung einer Eigenschaft des verkauften Tieres § 4 8 5 entsprechende A n w e n d u n g , R G 123, 214. Das Hinausschieben des Beginns der V e r j ä h r u n g durch Parteivereinbarung ist zulässig. R G S t ö l z l e , Entsch. S. 138.

Anm. 5 Ist eine besondere Gewährfrist nicht vereinbart, so beginnt ohne Rücksicht auf die Zeit der Entdeckung des Mangels die in § 490 angeführte V e r j ä h r u n g des A n spruchs auf W a n d l u n g und auf Schadensersatz mit der Ablieferung des Tieres ( § 4 7 7 ; P l a n c k A n m . 2 a ; R G J W 06, 86). Eine A n z e i g e ist solchenfalls nicht erforderlich. A b e r z u r E r h a l t u n g d e r e i n r e d e w e i s e n G e l t e n d m a c h u n g des Anspruchs auf W a n d lung, sowie zur Erhaltung der A u f r e c h n u n g des Anspruchs auf Schadensersatz für die Zeit nach A b l a u f der V e r j ä h r u n g ist die in §§ 478, 479 vorgeschriebene A n z e i g e und die ihr gleichgestellten M a ß n a h m e n n i c h t entbehrlich (vgl. R G J W 05, 285® und oben A n m . 4).

Anm. 6 Stillschweigende V e r l ä n g e r u n g der Verjährungsfrist. Ist beim V e r k a u f eines Pferdes die Vollbluteigenschaft zugesichert und vereinbart, daß, solange der K ä u f e r nicht durch die d e m Verkäufer obliegende Lieferung des Pedigrees — der die Vollbluteigenschaft beweisenden U r k u n d e —- in die L a g e versetzt sei, das Vorhandensein der zugesicherten Eigenschaft zu prüfen und einen M a n g e l dieser Eigenschaft geltend zu machen, ihm seine Gewährleistungsansprüche erhalten bleiben und bis zur Lieferung des S t a m m b a u m s bezüglich dieser Ansprüche keine G e währleistungsfrist laufen solle, so ist eine solche V e r e i n b a r u n g nach §§ 477, 490 A b s . 1 u. 492 B G B gültig. Sie ist z w a r nicht als eine solche über die Gewährfrist im Sinne der §§ 490, 492 anzusehen, wohl aber als eine Vereinbarung, d a ß die durch §§ 490, 492 bestimmte Verjährungsfrist v o m T a g e der Lieferung des Pedigrees an z u berechnen sei ( R G 18. 12. 06 I I 227/06). Stillschweigende V e r e i n b a r u n g der Hinausschiebung des Beginns der sechswöchigen Verjährungsfrist n a c h T r e u und G l a u b e n bei bestimmiS

Koram.z. BGB, 11. Aufl. II. Bd. (Kuhn)

241

§ 493 Anm. 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

tem Vertragsinhalt (Hengst soll decken — J W 1 9 1 4 , 589'; WarnRspr 1 9 1 4 Nr. 154). Vgl. hierzu S t ö l z l e J W 1925, 2 2 2 3 ; H i r s c h J W 1926, 9 7 3 ; L G Frankenthal J W 1926, 1058.

§493 Die Vorschriften über die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung wegen Mängel der Sache finden auf andere Verträge, die auf Veräußerung oder Belastung einer Sache gegen Entgelt gerichtet sind, entsprechende A n wendung. E II 429 III 488; P 1 748.

Anm. 1 I m Einklang mit § 445 finden auch die von §§ 459—492 gegebenen Vorschriften auf andere Verträge, welche auf Veräußerung oder Belastung einer Sache gegen Entgelt gerichtet sind entsprechende Anwendung. Hierher gehören: Trödelvertrag falls der Empfänger den Gegenstand behält. Buchhändl. Kommissionsgesch. (zwischen Verleger u. Sortimenter). Einbringen von Sachen in das Gesellschaftsvermögen oder Vermögen einer jur. Person, R G 86, 210. Filmverwertungsvertrag, B G H 2, 3 3 1 . Dienstverträge, Werkverträge, wenn Sachleistung des Arbeitgebers vereinbart wird. Auslobung; entgeltl. schuldrechtl. Verpfändungsvertrag; Vergleich R G 54, 1 6 5 ; Hingabe des Sachdarlehens, § 6 0 7 ; uneigentl. Verwahrung, § 7 0 0 ; Tausch, § 5 1 5 ; Annahme an Erfüllungs Statt, § 365; Zuteilung bei Aufhebung der Gemeinsch., § 757, es sei denn, daß alle Teile gleich mangelhaft sind (vgl. B G H W M 1955, 224; 27. 3. 58 I I Z R 327/56. Auseinandersetzung bei Gütergemeinsch., § 1 4 7 7 ; Erbteilung, § 2042 Abs. 2 ; Gattungsvermächtnis, § 2 1 8 3 ; Weiterveräußerung einer Erbschaft, § 2 3 8 5 Abs. 1. Hierhin gehört auch die Auseinandersetzung von Gesellschaftern; bei ihr ist allerdings für Gewährleistungsansprüche kein R a u m , wenn das Gesellschaftsvermögen oder einzelne Stücke davon den Gesellschaftern ihrer Beteiligung entsprechend zugeteilt wird und alle Teile gleich mangelhaft sind; demzufolge ist für einen Sach- oder Rechtsmangel nicht Gewähr zu leisten, wenn die Gesellschafter ihr Gesamthandseigentum in Miteigentum überführen ( B G H W M 1955, 224) oder es um einen Auseinandersetzungsvertrag zwischen zwei Gesellschaftern geht ( B G H 27. 3. 58 I I Z R 327/56). Hat sich in einem Vergleich der eine Teil verpflichtet, eine vom andern Teile käuflich gelieferte M a schine gegen einen Preisnachlaß fest zu übernehmen, der andere Teil dagegen die Lieferung gewisser Maschinenteile versprochen, so kann nur wegen der vergleichsweise gelieferten Ersatzteile gewandelt oder gemindert werden, Mängel dieser Teile begründen aber nicht das Recht auf Rücknahme der Maschine ( R G 54, 165). Eine S o n d e r r e g e l u n g ist bei Miete und Pacht (§§ 5 3 7 f r ) , beim Werkvertrag (§§ 6 3 3 f r ) und beim Werklieferungsvertrag ( § 6 5 1 ) getroffen. Anm. 2 § 493 erfordert einen Vertrag, durch den der eine Teil die Verpflichtung übernimmt, dem andern das Eigentum an einer Sache zu verschaffen. Hieran fehlt es beim Verkauf der Rechte aus dem Meistgebot, R G 150, 397, oder wenn dem anderen Teil nur die tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit verschafft werden soll, ein Grundstück eines Dritten in der Zwangsversteigerung zu erstehen, R G 150, 397; 157, 176; H R R 1930, 608; J W 1 9 1 1 , 5 3 3 3 ; WarnRspr 1 9 1 5 Nr. 14 oder wenn der Erwerb eines Grundstücks über eine Ausbietungsgarantie f ü r eine Grundschuld angestrebt wird, R G 157, 175. Die Anfechtung solcher Verträge wegen Irrtums ist daher zulässig (RG 1 1 . 1 1 . 10 I I 526/10; R G WarnRspr 1 9 1 5 , 16). Anm. 3 Wie sich die Vorschriften von § 459 nur auf Sachen, nicht aber auch auf Rechte beziehen und auf letztere nicht entsprechend anzuwenden sind, so gilt gleiches auch für § 4 9 3 ; R G H R R 1930, 608; vgl. auch § 4 3 7 Anm. 1.

242

Kauf. Tausch

§494 Anm. 1

III. Besondere Arten des Kaufes i, K a u f n a c h P r o b e . K a u f a u f P r o b e

§494 Bei einem Kaufe nach Probe oder nach Muster sind die Eigenschaften der Probe oder des Musters als zugesichert anzusehen. E I 470 n 430; M a 331, 333; P 2 77.

Übersicht Anm.

I. II. III. IV. V.

Allgemeines Nach Probe oder nach Muster Haftungsumfang Beweislast Erfüllungsort

1 2 3—7 8-—11 12

I. Allgemeines Anm. 1 Der K a u f nach Probe oder nach Muster ist ein unbedingter Kauf. Bei ihm handelt es sich um eine b e s o n d e r e A r t d e r Z u s i c h e r u n g v o n E i g e n s c h a f t e n des Kaufgegenstandes (§ 459 Abs. 2), um die Vereinbarung, daß die Eigenschaften der Probe oder des Musters zugesichert sein sollen, R G 94, 336. Die Vorschrift ist Art. 340 H G B nachgebildet. Deshalb ist die Rechtsprechung hierzu noch maßgebend. Der K a u f „unter Bedingung der Probemäßigkeit" ist kein K a u f im Sinne von §494 (ROHG 2, 418). Die Vereinbarung kann bewegliche Sachen aller Art betreffen: vertretbare und nichtvertretbare, bestimmte Einzelsachen oder nur der Gattung nach bestimmte Sachen; auch künstlerische Werke können nach Muster (Skizze, Modell) bestellt werden, B G H 19, 382, 384; selbst wissenschaftliche Bücher können nach einem bei ihrer Bestellung vorgelegten Muster verkauft werden, B G H J Z 1958, 309 m. Anm. A . Blomeyer. O b K a u f nach Probe vorliegt, ist nach den Umständen des Falles zu beurteilen. Die Hingabe einer Probe oder eines Musters nötigt nicht unter allen Umständen zur Annahme eines Kaufes nach Probe, R G J W 1917, 710'. Die Hingabe eines Abschnitts von dem Kleiderstoff, aus dem ein Kleidungsstück geliefert werden soll, kann auch den Sinn haben, daß dem Käufer die Anfertigung aus ebendemselben Tuch zugesichert werden soll, von dem das Muster abgeschnitten wurde, nicht aber zugesichert werden soll, daß der zu liefernde Stoff alle einzelnen Eigenschaften des Musters haben solle. Dann liegt kein K a u f nach Probe vor. Ebenso können Kostproben, Ausfallproben, Orientierungsmuster ohne die Absicht der Zusicherung ihrer Eigenschaften für die zu liefernde Ware gegeben werden (RG 47, 129; 94, 336; RG J W 02 Beil. 23098). Die Probe muß vertragsmäßig dazu bestimmt sein, die Eigenschaften der Kaufsache zu kennzeichnen (RG 94, 336). Unter Warenprobe ist eine kleine Menge oder Stückzahl einer Ware zu verstehen, die geeignet ist, eine Untersuchung der Ware auf ihre Eigenschaften zu ermöglichen. Eine handelsübliche Packung ist dann als Warenprobe anzusehen, wenn nach den Umständen eine kleinere Menge zu Proben nicht ausreichen würde, R G J W 38, 117». Vgl. auch H G B §418. Ist eine Ware unter einer handelsüblichen Bezeichnung, aber ausschließlich nach Muster verkauft, so genügt der Verkäufer der Vertragspflicht durch Lieferung einer dem Muster entsprechenden Ware auch dann, wenn mit der Musterware tatsächlich die Bezeichnung handelsüblich nicht verbunden ist (RG 8. 1. 18 II 299/17). § 494 ist kein zwingendes, sondern nachgiebiges Recht. Die Beteiligten können einzelne Eigenschaften der Probe von der Zusicherung ausnehmen (RG 27, 165; O L G 22, 238) oder die Maßgeblichkeit des Musters auf bestimmte einzelne Eigenschaften beschränken (RG 20. 3. 26 I 138/25). Andererseits können neben den Eigenschaften des 243

§ 494

Schuld Verhältnisse. Einzelne Schuld Verhältnisse

A n m . 2—5 Musters auch noch andere Eigenschaften zugesichert werden (RG 27, 19; ROHG 14, 290; R G II 15/31.2. 10. 31). Das ist nicht der Fall, wenn das Muster nur zur Erweckung der Kauflust oder deshalb vorgelegt wird, damit sich der Käufer ein ungefähres Bild von der Kaufsache machen kann, BGH NJW 1958, 138. II. Nach Probe oder nach Muster Anm. 2 Daß die Probe beim Kaufabschluß vorliegt oder dem Käufer behändigt wird, ist weder erforderlich noch ausreichend. Die Worte des Gesetzes haben nicht den Sinn: „nach der in den Händen des Käufers befindlichen Probe". Die Möglichkeit, daß nach einem nicht mehr vorhandenen Muster gekauft wird, ist nicht auszuschließen. So insbesondere dann, wenn zuerst ein Probestück gekauft und verbraucht und sodann nach dieser Probe („wie gehabt") eine größere Bestellung gemacht wird (RG 23. 2. 04 II 298/03). Die Nichtaushändigung eines Musters wird allerdings oft, wenn auch nicht immer, gegen die Annahme eines Kaufes nach Probe sprechen. III. Haftungsumfang Anm. 3 An sich betrifft § 494 die Eigenschaften, also alle Eigenschaften der Probe oder des Musters. Das ist indessen nicht buchstäblich zu nehmen. Fast jede Sache hat eine große Menge von Eigenschaften; eine „absolute", ausnahmlose Ubereinstimmung von Probe und Ware in allen Punkten liegt ebenso außerhalb des Bereichs der Möglichkeit wie außerhalb des Willens der Beteiligten. Sonst müßten auch verborgene üble Eigenschaften (Mängel) der Probe als mitzugesichert gelten, während doch in Wirklichkeit für deren Abwesenheit gewährleistet werden muß (RG 5. 2. 04 II 300/03). Welche Eigenschaften im einzelnen als die Eigenschaften der Probe zu gelten haben, kann nur unter Würdigung der gesamten Sachlage bestimmt werden. Gesteht der Verkäufer zu, daß nach Probe verkauft ist, behauptet er aber eine nur beschränkte Bedeutung des Musters, so ist er beweispflichtig (RG JW 1910, 93812). Unter Heranziehung aller Umstände ist auch die Frage zu entscheiden, ob bei Veränderlichkeit einer Probe ihre Eigenschaften im Augenblicke des Kaufabschlusses oder in einem früheren oder späteren Zeitpunkt als zugesichert gelten sollen. Anm. 4 Steht fest, w e l c h e Eigenschaften als zugesichert zu gelten haben, so kann noch zu prüfen sein, wie g e n a u diese Eigenschaften bei der Ware mit denen der Probe übereinstimmen müssen, ob insbesondere geringfügige Abweichungen in diesen Eigenschaften nach dem wirklichen Willen der Beteiligten, nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte (§§ 133, 157, 242) gestattet sind (RG 20, 32; 19. 12. 02 II 270/02; 31. 5. 18 II 34/18; R G WarnRspr 08 Nr. 140; R G 13. 12. 07 II 301/07; O L G 3, 206). So sind z.B. beim Kauf nach „ T y p " , wenn er Kauf nach Probe ist, zumeist ziemlich weitgehende Abweichungen gestattet. Wenn ein Muster als „ T y p " bezeichnet wird, so heißt das, daß es eben nur die typischen Eigenschaften der Ware wiedergibt und die Ware dem Muster nicht in jeder Beziehung zu gleichen braucht (LZ 1915 Sp. 3543; Recht 1916, 352 Nr. 588; O L G 28, 132). Wenn Kalbfelle und nicht Ziegenfelle verkauft sind, schadet es nicht, wenn die vorgelegten Muster Ziegenfelle waren und die Parteien es nicht wußten. Diesen Mustern kommt dann nur die Bedeutung zu, daß nach Art der Muster Kalbfelle gekauft wurden (JW 1917, 7106). Die Hingabe des Musters kann auch die G a t t u n g der gekauften Ware bezeichnen sollen. „Kauf nach T y p " gestattet Abweichungen, die den Typ an sich bewahren. In der Regel gelten jedoch die Eigenschaften des Musters als z u g e s i c h e r t . Weicht die gelieferte Ware vom Muster ab, so kommt es für den Wandlungsanspruch daher auf die Erheblichkeit des Mangels nicht an (RG 23. 6. 08 III 616/07). Anm. 5 Der Verkäufer haftet bei rügeloser Bestellung nach einer Probe, die der Käufer zur uneingeschränkten Prüfung der Brauchbarkeit überlassen erhalten hat und die einen

244

Kauf. Tausch

§494 A n m . 6—9

erkennbaren Mangel der W a r e ausweist, nicht; in diesem Falle gilt die der Probe entsprechende Hauptlieferung als genehmigt ( B G H L M N r . i zu § 460 BGB). Anm. 6 Der Verkäufer h a f t e t dagegen f ü r heimliche Mängel der Probe. Der K ä u f e r darf beim K a u f nach Probe Mängel der Ware, die er auch bei gehöriger U n t e r s u c h u n g der Probe nicht entdecken konnte, nachträglich rügen, ohne d a ß die W a r e n a c h § 377HGB oder sonstwie als genehmigt gilt (RG 20, 39; 95, 47), da § 494 unter der H e r r s c h a f t des in § 459 ausgesprochenen allgemeinen Grundsatzes der H a f t u n g f ü r Vertragsmäßigkeit steht. Es kann aber auch ausdrücklich vereinbart werden, d a ß das Einstehen f ü r heimliche Fehler ausgeschlossen u n d das Muster schlechthin maßgebend sein soll ( „ n u r nach Muster"). „ G e n a u wie beifolgende M u s t e r " (LZ 1 9 1 4 Sp. 277®; Recht 1916 N r . 1091). Die H a f t u n g f ü r verborgene Mängel ist jedoch d u r c h derartige V e r e i n b a r u n g nicht notwendig ausgeschlossen; R G 95, 45. Anm. 7 Bei einem offensichtlich gewagten Geschäft ist eine vorgelegte Probe nicht schlechthin m a ß g e b e n d ; sie soll oft n u r einen ungefähren Anhalt geben (RG 94, 336). D a ß die Eigenschaften des Musters als zugesichert anzusehen sind, schließt nicht aus, d a ß der Verkäufer auch noch f ü r andere U m s t ä n d e einzustehen hat, die sich aus der besonderen Sachlage ergeben, z. B. dafür, d a ß die W a r e abgesetzt werden kann, ohne d a ß der Grundstoff, aus d e m sie besteht u n d bei dessen N e n n u n g sie unabsetzbar ist, offengelegt zu werden braucht, R G D R 1942, 1160 3 9 . IV. Beweislast Anm. 8 1. Klagt der Verkäufer den Kaufpreis ein, so h a t er zu beweisen, d a ß nicht nach Probe v e r k a u f t ist, denn ihm obliegt der Nachweis gehöriger Erfüllung; verlangt der K ä u f e r Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Rückzahlung des Kaufpreises, so ist er beweispflichtig, d a d a n n die A r t des Kaufs z u m Klagegrunde gehört, R G 66, 289; 95> I I 9 > J W 1923, 457 4 . Steht fest, d a ß d e m Käufer eine Probe ausgehändigt worden ist, so trifft ihn auch gegenüber der Kaufpreisklage die Beweislast dafür, d a ß nicht nach Probe v e r k a u f t sei, R O H G 15, 171. Anm. 9 2. Eine andere Frage ist es, wer die Beweislast d a f ü r trägt, nach welcher Probe verk a u f t ist. Hierfür ist an sich derjenige beweispflichtig, der zu beweisen hat, d a ß n a c h Probe v e r k a u f t wurde. Als Beweismittel dafür, von welcher Beschaffenheit die Probe ist, kommt in erster Linie, oft sogar ausschließlich die Probe in Betracht; d a h e r ist f ü r die Beweislastverteilung insoweit noch zu berücksichtigen, ob u n d w a n n eine P r o b e ausgehändigt wurde u n d o b sie noch vorhanden ist. H ä n d i g t der Verkäufer eine Probe n a c h Vertragsschluß aus, so kann dies keinen anderen Sinn h a b e n als den, d a ß sie der U b e r p r ü f u n g der vertragsmäßigen Beschaffenheit der zu liefernden W a r e dienen u n d vom K ä u f e r zu diesem Zwecke a u f b e w a h r t werden soll; alsdann ist der K ä u f e r d a f ü r beweispflichtig, nach welcher Probe v e r k a u f t ist. Wird die Probe schon bei den K a u f verhandlungen ausgehändigt, so kann dies bedeuten, der K ä u f e r solle sich d u r c h Geb r a u c h der Probe davon überzeugen, von welcher Beschaffenheit die ihm angebotene W a r e ist; in diesem Falle dient die Probe nur zur näheren Bezeichnung der Bestellung u n d besagt nichts f ü r die Beweislast. Die Aushändigung einer Probe bei den Kaufverhandlungen kann aber auch (oder zugleich) den Sinn haben, d a ß die Probe Beweis liefern soll; verschafft z.B. bereits der teilweise V e r b r a u c h der Probe ein Bild von der angebotenen W a r e u n d läßt der d a n a c h verbleibende Rest die U b e r p r ü f u n g der zu liefernden W a r e zu, so k a n n die Aushändigung der Probe auch die Bedeutung eines Beweismittels f ü r die Beschaffenheit der zu liefernden W a r e h a b e n (RG 11,38/39; SeuffArch. 51 Nr. 123). L ä ß t solchenfalls der Käufer die Probe schuldhaft a b h a n d e n kommen, so lädt er sich den B e w e i s f ü r d i e B e s c h a f f e n h e i t d e r P r o b e auf ( B G H 6,224).

245

§ 494 Anm. 10—12 § 495 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 10 3. Eine dritte Frage ist es, wer die B e w e i s l a s t f ü r d i e P r o b e m ä ß i g k e i t der Ware hat: Der Käufer muß die Probewidrigkeit beweisen, wenn er aus ihr einen Gewährleistungsanspruch herleitet, RG J W 1923, 457; dagegen hat der Verkäufer die Probemäßigkeit seiner Lieferung zu beweisen, wenn er den Kaufpreis einklagt. Anm. 11 4. Der Handelsmäkler hat eine ihm übergebene Probe aufzubewahren, § 96 HGB. Bei Verletzung dieser Pflicht ist er ersatzpflichtig. V. Erfüllungsort Anm. 12 Ist der Käufer zur Rücksendung der Probe verpflichtet, so ist sein Wohnort hierfür der Erfüllungsort. (OLG Braunschweig LZ 1908, 470).

§495 Bei einem Kaufe auf Probe oder auf Besicht steht die Billigung des gekauften Gegenstandes im Belieben des Käufers. Der Kauf ist im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die Untersuchung des Gegenstandes zu gestatten. E l 4 7 1 , 472 I I 4 5 1 ; M 2 533, 335; P 2 77, 78.

Übersicht I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.

Allgemeines Belieben des Käufers Gestatten der Untersuchung Kauf auf Umtausch Auswahl- oder Mustersendung Kauf auf Abruf Gefahrtragung Folgen der Billigung Versagung der Billigung

Anm.

1—4 5—7 8—10 n 12 13 14 15, 16 17

Anm. 1 I. Allgemeines Der Kauf auf Probe oder auf Besicht ist ein fest abgeschlossener Kauf unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Käufer späterhin das Beharren beim Kauf nochmals erklärt. Er ist zu unterscheiden vom Kauf nach Probe oder Besicht. Denkbar ist aber auch eine Vereinbarung unter der auflösenden Bedingung der Mißbilligung. Probieren oder Besichtigen ist in der Regel Zweck der Bedingung, aber nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Erklärung des Käufers. Der Kauf auf Probe oder auf Besicht ist von dem bindenden Angebot zu unterscheiden (RG 104, 276). Ein neben dem Kaufvertrag hergehender Gebrauchsüberlassungsvertrag ist nicht anzunehmen. Wesentlich ist dem Kauf auf Probe, daß ein Kaufvertrag schon zustande gekommen ist (RG 94, 287). Er erfordert die Einigung der Parteien über alle wesentlichen Punkte eines Kaufes. Der Verkäufer ist während des Schwebens der Bedingung bereits einseitig gebunden, RG J W 1923, 60510. Der Käufer hat die Rechte und Pflichten aufschiebend bedingt übernommen. Würde ein Bevollmächtigter einen Kaufvertrag für seinen Vollmachtgeber unter der Bedingung abschließen, daß dieser die entnommene Probe und damit den Kauf selbst ausdrücklich billigt, so würde darin allein ein „Kauf 246

Kauf. Tausch

§495 A n m . 2—7

auf P r o b e " noch nicht liegen. Die Auffassung, d a ß der K a u f auf Probe lediglich die N a t u r eines Vorvertrags zu einem späteren K a u f v e r t r a g habe, widerspricht d e m Wortlaute des Gesetzes. Anm, 2 I m Zweifel ist anzunehmen, d a ß die Billigung aufschiebende Bedingung ist; sie kann aber auch als auflösende Bedingung gewollt sein, etwa wenn der Käufer schon den Kaufpreis bezahlt hat. Anm. 3 O b ein K a u f auf Probe von den Parteien gewollt u n d geschlossen ist, m u ß nach den U m s t ä n d e n des Falles entschieden werden, zumal der Gebrauch der W o r t e : zur Probe, auf Probe, als Probe im Verkehr schwankend ist (RG J W 1912, 28'). A n g e n o m m e n w u r d e K a u f auf Probe beim K a u f „ u n t e r Vorbehalt der Musterkonvenienz", R G 137, 297. U b e r „ K a u f zur P r o b e " vgl. § 433 Anm. 98. Ein K a u f auf Probe liegt nicht vor, wenn der K ä u f e r f ü r den Fall, d a ß die gelieferten Maschinen den bedungenen Anforderungen nicht entsprechen, berechtigt sein soll, die A n n a h m e abzulehnen (RG 9. 4. 01 V I I 48/01). Anm. 4 Beim K a u f auf Besicht ist der Verkäufer nicht ohne weiteres von jeder Gewährleistungspflicht f ü r etwaige Sachmängel befreit ( J W 06, 549°). M a ß g e b e n d ist aber nicht der Abschluß des Vertrags, sondern die Zeit der Billigung d u r c h den Käufer ( J W 1912, 858 1 3 ). Daher h a t der Verkäufer nur solche Sachmängel zu vertreten, die der K ä u f e r zur Zeit der Billigung weder kannte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (RG 94, 287). Anm. 5 II. B e l i e b e n d e s K ä u f e r s Die Billigung steht im freien Belieben des Käufers. Der K ä u f e r kann die Billigung auch d a n n versagen, wenn die angediente Sache mangelfrei ist oder den Vertragsbedingungen oder einem vorgelegten Muster entspricht (RG 137, 298; B G H 11. 10. 56 I I 58/55)- Der Verkäufer hat auf die Willensbildung des Käufers rechtlich keinen Einfluß. Legt er, u m von d e m Vertrage loszukommen, ein mangelhaftes Muster vor u n d erreicht er damit, d a ß der K ä u f e r die W a r e nicht billigt, so m u ß er sich n a c h § 162 so behandeln lassen, als hätte der K ä u f e r gebilligt, u n d entweder liefern oder n a c h den §§ 325> 326 Schadensersatz wegen Nichterfüllung leisten ( B G H 11. 10. 56 I I 58/55). Ist vereinbart, d a ß die Billigung n u r beim Vorliegen von M ä n g e l n versagt werden darf, so liegt kein K a u f auf Probe im Sinne der §§ 495, 496 vor (RG 9. 4. 01 V I I 48/01). Anm. 6 G r ü n d e f ü r die Versagung der Billigung b r a u c h t der Käufer nicht anzugeben. Fügt er G r ü n d e bei, so ist dies selbst d a n n bedeutungslos, wenn sie nicht stichhaltig sind oder sich nicht auf „ d e n gekauften Gegenstand" beziehen. So z. B. wenn der K ä u f e r die Billigung mit der Begründung versagen sollte, d a ß ihm augenblicklich die Mittel zur Bezahlung fehlen. Für die A n w e n d u n g des § 226 auf die Versagung der Billigung wird in der Regel, f ü r die A n w e n d u n g des § 226 auf die Erklärung der Billigung überh a u p t kein R a u m sein. Anm. 7 Die Grundsätze des unbedingten Handelskaufs über die Unverzüglichkeit der Mangelrüge finden keine Anwendung. Der Wille, den Kaufgegenstand zu billigen u n d damit den bedingten V e r t r a g z u m unbedingten zu machen, m u ß d e m Verkäufer gegenüber erkennbar gemacht werden. R G 72, 385; 94, 297; 104, 100; 137, 299. 247

§ 495 A n m . 8—15

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 8 III. Gestatten der Untersuchung Inwieweit hierzu Ubergabe zur Probe und Besichtigung nötig ist, richtet sich mangels Vereinbarung nach den Umständen des Falles. Der Anspruch auf Gestattung ist im Klagewege selbständig verfolgbar, seine Erfüllung im Zwangsvollstreckungsweg erzwingbar. Der Annahme, daß Zwang zur Gestattung nur auf dem Wege des § 888 Z P O möglich sei, kann nicht beigetreten werden. Soweit insbesondere der Verkäufer verpflichtet ist, Sachen zur Probe zu übergeben, besteht die Möglichkeit, ihm die Sache zur Übergabe an den Käufer behufs Untersuchung durch den Gerichtsvollzieher wegnehmen zu lassen. Frei steht dem Käufer daneben auch noch der Weg der §§ 283, 326 (OLG 20, 183). Anm. 9 Der Verkäufer einer G a t t u n g s w a r e , der die Mustersendung verweigert, kann nicht mit dem Einwand gehört werden, daß die Ware so schlecht gewesen sei, daß sie die Billigung des Käufers nicht gefunden haben würde. Der Verkäufer muß sich dann so behandeln lassen, als ob er Ware mittlerer Art und Güte geliefert und der Käufer die Ware gebilligt hätte (RG 93, 254; L Z 1919, Sp. 868 17 ). A n m . 10 Die K o s t e n der Probe und Besichtigung hat der Käufer zu tragen. A n m . 11 IV. Kauf auf U m t a u s c h Der dem Verkäufer vom Käufer eingeräumte Vorbehalt, den gekauften Gegenstand, wenn er nicht passen oder gefallen sollte, umzutauschen (vgl. auch § 497 Anm. 22) kann einen Kauf auf Probe in sich bergen. Die Vereinbarung kann den Sinn haben, daß die Ausübung der Befugnis, die Billigung nach §§ 495, 496 zu versagen, an die Bedingung geknüpft sein soll, daß der Käufer vom Verkäufer aus dessen Vorräten einen andern Gegenstand zu gleichem oder höherem Preise kauft. Beim Kauf auf Umtausch trägt der Käufer die Gefahr. A n m . 12 V. Auswahl- oder Mustersendung Ob bei einer auf Bestellung gemachten Auswahlsendung oder Mustersendung ein Kauf auf Probe zugrunde liegt, kann zweifelhaft, wird aber in der Regel zu verneinen sein. A n m . 13 VI. Kauf auf Abruf Dem Kauf „auf A b r u f " liegt stets ein festes Kaufgeschäft zugrunde. A n m . 14 VII. Gefahrtragung Beim Kauf auf Probe oder auf Besicht geht die Gefahr des zufälligen Untergangs wie beim aufschiebend bedingten Kauf nicht schon mit der Ü b e r g a b e auf den Käufer über, weil die Übergabe noch nicht die Bedeutung einer Erfüllungshandlung, sondern nur einer den künftigen Kauf vorbereitenden Handlung hat; der Käufer ist reiner Fremdbesitzer, die Gefahr bleibt bei dem Verkäufer als Eigentümer. A n m . 15 VIII. Folgen der Billigung Hat der Käufer gebilligt, so ist die Bedingung des Kaufvertrags eingetreten, der Kauf zu einem unbedingten geworden, auch wenn die Billigung vor Ablauf der vereinbarten Erklärungsfrist erfolgte (SeuffArch 48 Nr. 16). Dies und nicht mehr ist aus § 495 abzuleiten. 248

Kauf. Tausch

§ 495 A n m . 16,17

§496

Billigung und Mißbilligung sind rechtsgeschäftliche (gestaltende) Willenserklärungen, die dem Verkäufer gegenüber abzugeben sind, RG 104, 100; 137, 299, nicht bloße tatsächliche Willenskundgebungen. Die Billigung enthält das ins freie Belieben gesetzte Wollen, daß nunmehr der bisher bedingte Kauf zu einem unbedingten werde, also das Wollen eines Rechtsakts. Die Wirkung tritt ein, auch wenn keine Besichtigung erfolgte (RG 94, 287). A n m . 16 Ob in der Billigung eine „Billigung des Kaufgegenstandes" in dem Sinne liegt, daß der Käufer ihn so, wie er ist, als vertragsmäßig anerkennt und auf das Recht verzichtet, Mängel zu rügen und Gewährleistung zu verlangen, ist eine andere Frage, zu deren Lösung § 495 nichts beiträgt. Nach den Umständen des einzelnen Falles ist zu beurteilen, ob die Beteiligten über § 495 hinaus bestimmt haben, daß die Billigung auch die Nebenwirkung des Verlustes des Gewährleistungsanspruchs haben soll, und ob die Billigungserklärung auch eine Verzichtserklärung sochen Inhalts umfaßt. Dabei kann die Dauer der Probefrist, die Erkennbarkeit der Mängel von entscheidendem Einfluß sein. Ein Rechtssatz des Inhalts, daß durch die Billigung in jedem Falle auf spätere Geltendmachung der Mängel verzichtet werde, die im Augenblicke der Abgabe der Erklärung erkennbar waren, ist nirgends ersichtlich (RG JW 1912, 85813; RG 22. 6. 12 I 39/12; aM C r o m e 1, 485). Er kann auch nicht aus §460 abgeleitet werden; denn § 460 findet beim Kauf auf Probe unmittelbar Anwendung, beschränkt aber den Verlust der Gewährleistungsansprüche auf den Fall, daß der Mangel dem Käufer beim Kaufabschlüsse bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Zuzugeben ist als notwendige Folge des im § 460 liegenden Gesetzesgedankens nur so viel, daß der Probekäufer nicht nur dann der Rüge verlustig ist, wenn die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels im Augenblicke des Kaufabschlusses bestand, sondern auch dann, wenn sie im Augenblick der Billigungserklärung vorhanden war. Kein Bedenken ist andererseits gegen die Annahme zu erheben, daß in Gewährschaftsfällen die Gewährfrist nach der Ubergabe des auf Probe verkauften Tieres neben der Probefrist laufen kann, und daß die durch § 377 HGB bei beiderseitigen Handelsgeschäften dem Käufer auferlegte Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung nicht erst nach dem Ablaufe der Probefrist eintritt. Der Käufer kann also im letzteren Falle, wenn er die Probefrist nicht zur Untersuchung benutzt hat, nach der Billigungserklärung eine wirksame Mängelanzeige nicht mehr vornehmen und im ersteren Falle nach der Billigungserklärung den Hauptmangel nur dann rügen, wenn die Gewährfrist sich über die Probefrist hinaus erstreckt. A n m . 17 I X . Versagung der Billigung Bei Versagung der Billigung hat der Käufer den ihm zur Probe übergebenen Gegenstand zurückzugeben. Die Kosten der Rückgabe und Rücksendung wird der Käufer zu tragen haben, wenn nicht der Verkäufer es im Vertrag übernommen hat, den Gegenstand im Falle der Mißbilligung auf seine Kosten zurückzuholen.

§496 Die Billigung eines auf Probe oder auf Besicht gekauften G e g e n s t a n d e s kann n u r innerhalb der vereinbarten Frist u n d in E r m a n g e l u n g einer solchen nur bis z u m Ablauf einer d e m Käufer von d e m Verkäufer b e s t i m m t e n angem e s s e n e n Frist erklärt w e r d e n . War die Sache d e m Käufer z u m Zwecke der Probe oder der Besichtigung übergeben, s o gilt sein Schweigen als Billigung. E I 473 II 432; M 2 33;, 336; P 2 77, 78; 6 172.

I. II. III. IV. V.

Ubersicht Billigungsfrist Billigungserklärung Schweigen als Willenserklärung Kosten der Rückgabe Kauf zur Probe und nach Besicht

Anm

1, 2 3, 4 5 6 7

249

§ 496 Anm. 1—7

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 I. Billigungsfrist Bei Gebrauchsgegenständen kann die vereinbarte Frist auch als Gebrauchsfrist gemeint sein derart, daß dem Käufer zur Erprobung der Sache die gesetzte Frist voll bleiben und die Pflicht zur Erklärung erst nach Ablauf dieser Frist obliegen soll. Anderseits kann sich nach dem Willen der Beteiligten auch eine Verkürzung der Gebrauchsfrist z. B. daraus ergeben, daß der Käufer die Pflicht übernimmt, im Falle der Versagung der Billigung den gekauften Gegenstand noch innerhalb der Frist an den Verkäufer zurückgelangen zu lassen (RG 22. n . 07 II 297/07). Solange der Verkäufer die Untersuchung nicht gestattet, läuft die Frist zur Erklärung nicht. Anm. 2 Die Billigung muß dem Verkäufer innerhalb der Frist zugehen; es genügt nicht, daß die Erklärung bis zum Ablauf der Frist oder gar so zeitig abgesandt worden ist, daß sie bei ordnungsmäßiger Beförderung angenommen wäre. § 149 ist nicht entsprechend anzuwenden, dagegen liegt in der verspäteten Billigungserklärung ein Vertragsangebot; § 150 ist entsprechend anwendbar. Anm. 3 II. Billigungserklärung Die Billigungserklärung ist eine einseitig mitteilbare, mangels besonderer Vereinbarung einer Form nicht bedürftige Erklärung (vgl. §§ 130—13a). Bei einem Kauf auf Probe greift die Rechtsfolge des Satz 2 nur hinsichtlich der übergebenen Sache selbst Platz, sie gilt nicht für Sachen gleicher Art, die nicht übergeben sind (RG 18.5. 22 V I 701/21). Anm. 4 Die Bitte des Käufers um Verlängerung der Probefrist enthält noch keine Ablehnung des Kaufes (OLG Düsseldorf J W 1926, 2935). In der Regel wird das Schweigen des Verkäufers auf diese Bitte nicht seine Zustimmung bedeuten. Anm. 5 III. Schweigen als Willenserklärung § 496 ist eine Sonderregelung, die von dem Grundsatz der Notwendigkeit einer Erklärung abweicht, RG 137, 299, und gilt für aufschiebend und auflösend bedingte Käufe, Muskat Gruchot 48, 2 1 1 . Sie gilt nur für den Fall, daß die Ubergabe der Ware erfolgt ist. Hier verlangen Treu und Glauben und das Interesse des Verkäufers, daß der sich nicht oder nicht rechtzeitig erklärende Käufer an den Vertrag gebunden wird. Ein auf Probe übersandtes Muster ist aber der Ubergabe der Ware nicht gleichzustellen. Ist die Ubergabe der Ware nicht erfolgt, so gilt das Schweigen als Ablehnung. Auch im Z u r ü c k s e n d e n des zur Probe übergebenen Gegenstandes kann unter Umständen die Erklärung erblickt werden, daß der Gegenstand nicht gebilligt werde. Anm. 6 IV. Kosten der Rückgabe Wer die Kosten der Rückgabe zu tragen hat, ist aus dem Vertrag oder der Verkehrssitte zu entnehmen (ROHG 24, 48). Anm. 7 V. Kauf zur Probe und nach Besicht Er ist vom Kauf auf Probe zu unterscheiden. Nach § 242 hat der Verkäufer alle Maßnahmen zu treffen, die dem Käufer das Ausprobieren ermöglichen. Beim Kauf nach Besicht ist die Haftung für erkennbare Mängel der Regel nach ausgeschlossen. 250

Kauf. Tausch

§497 Anm. 1—3

2. W i e d e r k a u f

§497 Hat sich der Verkäufer in dem Kaufvertrage das Recht des Wiederkaufs vorbehalten, so kommt der Wiederkauf mit der Erklärung des Verkäufers gegenüber dem Käufer, daß er das Wiederkaufsrecht ausübe, zustande. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. Der Preis, zu welchem verkauft worden ist, gilt im Zweifel auch für den Wiederkauf. E I 476, 477 II 433; M 2 339—341; P 2 8i, 82.

Ubersicht I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI.

Allgemeines Veräußerlichkeit, Pfändbarkeit Entstehung des Wiederkaufsrechts Form Vertrag zugunsten eines Dritten Nach- und Ersatzbeschaffungen Wiederkaufsrecht Ausübung des Wiederverkaufsrechts Maßgebender Preis K a u f auf Umtausch Ankaufsrecht

Anm. 1

Anm.

1—8 9 10—14 15 16 17 18 19, 20 21 22 23

I. Allgemeines

Die Form des Wiederkaufs wird oft gewählt, um denselben wirtschaftlichen Zweck zu erreichen, wie mit einem Faustpfand und der Sicherheitsübereignung. Deshalb ist er aber noch keine unzulässige Verschleierung einer Pfandbestellung. Nach § 34 Abs. 2 G e w O gilt aber der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts als Pfandleihgewerbe und bedarf daher nach § 34 Abs. 1 G e w O der Erlaubnis, vgl. auch § 38 Abs. 2 G e w O . Damit ist ein Sonderrecht geschaffen, dem das B G B nachsteht. Auch Landesrecht kann nach E G B G B Art. 94 für das Pfandleihgewerbe abweichende Vorschriften erlassen. Hiernach bezieht sich § 497 nur auf den nichtgewerbsmäßigen Rückkauf.

Anm. 2 Es gibt v e r s c h i e d e n e T h e o r i e n über das Wiederkaufsrecht ( H o h m a n n , Wiederkaufsrecht, 1908). Nach der einen Meinung ist der Vertrag darüber ein Vorvertrag als pactum de vendendo. Dies steht aber in Widerspruch mit § 497, wonach der K a u f durch die einseitige Erklärung des Berechtigten zustande kommt. Nach anderen liegt ein suspensiv bedingter Rückkauf vor, R G 69, 2 8 1 ; 1 2 1 , 367. Wieder andere sehen im Wiederkauf überhaupt keinen Kaufvertrag, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft, durch das der Verkäufer ein Schuldverhältnis begründet, das ihn als K ä u f e r und den anderen Teil als Verkäufer berechtigt und verpflichtet (nach S c h o l l m e y e r , Schuld S. 40, ein „Einlösungsrecht"; vgl. auch G i e r k e , Deutsches Privatrecht 3, 499). Nach den Motiven bedeutet das Wiederkaufsrecht ein Reurecht, den Vorbehalt des Rücktritts.

Anm. 3 Auseinanderzuhalten sind zwei Rechtsvorgänge: die Vereinbarung, daß der Verkäufer berechtigt sein soll, den Kaufgegenstand wieder zu kaufen, der K ä u f e r aber verpflichtet sein soll, dem Verkäufer auf Verlangen die gekaufte Sache wieder zu ver-

251

§ 497 Anra. 4—9

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

kaufen (Wiederkaufsvorbehalt), und die Ausübung des Wiederkaufsrechts (Wiederkauf). Die in dem Wiederkaufsvorbehalt dem Käufer auferlegte Verpflichtung ist bedingt durch das Wollen des Verkäufers, also des Berechtigten. Die Verpflichtung zum Wiederverkauf würde strenggenommen, lediglich eine Verpflichtung enthalten, mit dem Verkäufer einen Vertrag über den Rückverkauf erst noch abzuschließen. Das Gesetz geht jedoch weiter. Es vermeidet den Umweg, daß durch die Erklärung des Berechtigten, er übe sein Wiederkaufsrecht aus, nur erst die Verpflichtung des Käufers zum Abschlüsse des Wiederverkaufs eintritt, und läßt unmittelbar den Rechtszustand eintreten, der aus der Erfüllung der Wiederverkaufsverpflichtung entspringt. Durch die Erklärung des Berechtigten wird so der Wiederkauf selbst unmittelbar verwirklicht. Da auf diese Weise der Abschluß des Wiederverkaufsvertrags erspart wird, so ergibt sich, daß schon der Vorbehaltsvertrag dem Käufer eine bedingte Verpflichtung auferlegt, das Eigentum an der Sache dem Verkäufer zurückzugewähren (RG 69, 281; 72, 385; 1 2 1 , 369; 126, 3 1 2 ; RG J W 1 9 1 1 , 320 7 ). Es steht also in der Macht des Wiederkaufsberechtigten, die Rückkaufsbedingungen im voraus festzulegen (RG 108, 218). Anm. 4 Der Verkäufer hat das Recht durch einseitige Willensäußerung, die „Einlösungserklärung", einem bereits im Verkauf abgeschlossenen Wiederkaufsvertrag rechtliche Wirksamkeit zu verleihen. D e r W i e d e r k a u f ist b e r e i t s I n h a l t des H a u p t v e r trags. Der Vorgang zerfällt in zwei Rechtsgeschäfte uno actu: den ursprünglichen Kauf und den angeschlossenen Wiederkauf, der unter der aufschiebenden Bedingung steht, daß der Wiederkäufer die Wiederkaufserklärung abgibt. Anm. 5 Zur W i r k s a m k e i t der W i e d e r k a u f s e r k l ä r u n g bedarf es nicht des gleichzeitigen (wörtlichen oder tatsächlichen) Angebots des Wiederkaufspreises, BGH NJW 1951, 5 1 7 ; BGH L M Nr. 2 zu § 497 BGB. Die Erklärung bedarf nicht der Annahme, durch sie kommt unmittelbar und automatisch der Wiederkauf zustande (RG 107,406; 126, 308. Sie kann auch eventuell erklärt werden, RG 97, 269). Sie ist auch nicht Annahme eines früheren Kaufangebots des Käufers. D e r u r s p r ü n g l i c h e K a u f v e r t r a g muß g ü l t i g sein, sonst ist kein Anschluß möglich (RG 74, 1). Anm. 6 Der innere Zusammenhang zwischen Kauf und Abrede des Wiederkaufs ist rechtlich ein anderer, als bei der Bedingung und Befristung. Das rechtfertigt, die Abrede des Wiederkaufs als eine wirkliche Nebenabrede zu betrachten, die von demjenigen zu beweisen ist, der aus ihr Rechte herleiten will (RG 107, 406). Anm. 7 Eine B e f r i s t u n g und Bedingung des W i e d e r k a u f s r e c h t s selbst ist ebenfalls möglich. Dann entsteht es erst mit der Bedingung. Anm. 8 Was sich nicht aus den Abreden des Wiederkaufsberechtigten und Wiederkaufsverpflichteten ergibt, gehört im Einzelfall nicht zum Inhalt des Wiederkaufsrechts. Dieser Grundsatz ist auch im SiedlGes. § 20 Abs. 2 Satz 1 anerkannt worden, wo bestimmt ist, daß die Dauer des Wiederkaufsrechts, der Preis und die näheren Bedingungen in dem Ansiedlungsvertrage festzusetzen sind. Anm. 9 II. Veräußerlichkeit, Pfändbarkeit Das Wiederkaufsrecht ist ein Vermögensrecht, es kann sich auf Kaufgegenstände jeder Art beziehen und ist seinem Inhalte nach im Gegensatz zum Vorkaufsrecht in der 252

Kauf. Tausch

§497

A n m . 10—12 Regel v e r e r b l i c h u n d v e r ä u ß e r l i c h , p f ä n d b a r u n d geeignet, z u r K o n k u r s m a s s e zu gehören. Der Konkursverwalter k a n n das R e c h t ausüben. Dies ergibt sich daraus, d a ß das Gesetz, das bei d e m gleichartigen Falle des Verkaufsrechts die Ü b e r tragbarkeit u n d Vererblichkeit i m Zweifel f ü r ausgeschlossen erklärt, beim Wiederkaufsrechte schweigt. Andererseits ist es n a c h der N a t u r des Wiederkaufsrechts möglich, d u r c h V e r e i n b a r u n g die U b e r t r a g b a r k e i t u n d Vererblichkeit auszuschließen; die U n p f ä n d b a r k e i t eines solchen Wiederkaufsrechts ergibt sich aus § 857 Z P O . D e n n der Ausschluß der U b e r t r a g b a r k e i t u n d Vererblichkeit m a c h t das Wiederkaufsrecht zu einem höchstpersönlichen R e c h t , dessen I n h a l t bei einer Auswechslung des Berechtigten v e r ä n d e r t w e r d e n w ü r d e . Das übersehen S t a c h e l s ( J R 1954, 130) u n d O L G K ö l n ( J R 1955, 225), w e n n sie ein Wiederkaufsrecht, das k r a f t V e r e i n b a r u n g u n ü b e r t r a g b a r u n d u n v e r e r b l i c h ist, f ü r p f ä n d b a r erklären.

A n m . 10

III. Entstehung des Wiederkaufsrechts

1. Das BGB k e n n t a n sich n u r das d u r c h V o r b e h a l t i m K a u f v e r t r a g b e g r ü n d e t e Wiederkaufsrecht u n d § 36 W E G sahen die V e r e i n b a r u n g eines H e i m f a l l r e c h t s vor; das ist ein subjektiv-dingliches R e c h t , eine Art dingliches Wiederkaufsrecht. § 5 1 des BaulandbeschaffungsG v. 3. 8. 1953 (BGBl I, 720) b e g r ü n d e t dagegen keinen privatrechtlichen R ü c k ü b e r e i g n u n g s a n s p r u c h , sondern stellt zur R ü c k e n t e i g n u n g ein öffentlich-rechtliches V e r f a h r e n z u r V e r f ü g u n g , B G H 14, 240, 242. Der W o r t l a u t zwingt j e d o c h nicht dazu, die E i n r ä u m u n g des Wiederkaufsrechts auf den Fall des Vorbehalts i m K a u f v e r t r a g e zu beschränken. Ein sachlicher G r u n d d a z u fehlt. Das Wiederkaufsrecht k a n n a u c h d u r c h einen von d e m K a u f v e r t r a g äußerlich g e t r e n n t e n V e r t r a g vereinbart werden, R G 126, 3 1 1 ; B G H N J W 1951, 5 1 7 ; Not. 2, 339. M a n wird noch weitergehen u n d a u c h die Rechtsnachfolger der Kaufvertragschließenden z u r Vereinb a r u n g des Wiederkaufsvorbehalts zulassen dürfen. I m m e r aber m u ß d a n n das Wiederkaufsrecht nachträglich z u m I n h a l t des ursprünglichen K a u f v e r t r a g s erhoben werden. W a s sich aus d e n A b r e d e n des Wiederkaufsberechtigten u n d des Wiederkaufsverpflichteten in d e m U r v e r t r a g e oder aus §§ 497—503 nicht ergibt, gehört im Einzelfalle a u c h nicht z u m I n h a l t des Wiederkaufsrechts. Eine Bestimmung des § 506 gibt es beim W i e d e r kauf nicht, d a es Sache des Wiederkaufsberechtigten ist, sich entsprechend vertraglich zu sichern ( R G in J W 1923, 1024 2 ). Sofern ein völlig selbständiger V e r t r a g vorliegt, finden die Regeln des § 497 u n m i t t e l b a r jedenfalls keine A n w e n d u n g . D a g e g e n ist auf alle Fälle ein V e r t r a g als E n t s t e h u n g s g r u n d f ü r das Wiederkaufsrecht nötig.

Anm. 11 2. G e s e t z l i c h e W i e d e r k a u f s r e c h t e k e n n t das BGB nicht. Aber das Reichssiedelungsges. v. 11. 8. 19 (RGBl 1429) bestimmt in § 20, d a ß ein gemeinnütziges Siedl u n g s u n t e r n e h m e n ein Wiederkaufsrecht h a t f ü r die von i h m b e g r ü n d e t e n Ansiedelungsstellen, ebenso n a c h § 21 der f r ü h e r e E i g e n t ü m e r gegen das Siedelungsunternehmen. Ebenso h a t der Ausgeber n a c h § 12 des Reichsheimstättenges. (in der Fassung v. 25. 11. 37, R G B l I, 1291; vgl. a u c h §§ 17 ff V O zur A u s f ü h r u n g des Reichsheimstättengesetzes v. 19. 7. 40, R G B l I, 1027) einen H e i m f a l l a n s p r u c h . § 2 der E r b b a u r e c h t s V O v. 15. 1. 19 (RGBl 72) bestimmt in § 2 als dingliche V e r p f l i c h t u n g die V e r e i n b a r u n g eines Heimfallrechts.

Anm. 12 3 . H i e r v o n abgesehen g i b t es n u r e i n p e r s ö n l i c h e s o b l i g a t o r i s c h e s W i e d e r k a u f s r e c h t , k e i n d i n g l i c h e s , R G H R R 1 9 3 1 , 402. Der bedingte A n s p r u c h auf W i e d e r e i n r ä u m u n g eines Grundstücks oder Grundstücksrechts k a n n aber schon vor A u s ü b u n g des Wiederkaufsrechts d u r c h eine V o r m e r k u n g gesichert w e r d e n ( R G 69, 2 8 1 ; 125, 247). Sonst wirkt es gegen einen D r i t t e n selbst d a n n nicht, w e n n er b e i m E r w e r b d e r Sache das Wiederkaufsrecht gekannt h a t . U n t e r U m s t ä n d e n k a n n j e d o c h ein Schadensersatz n a c h § 826 b e g r ü n d e t sein.

253

§ 497 Scbuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse A n m . 13—16 Anm. 13 4. Für das d i n g l i c h e W i e d e r k a u f s r e c h t erklärt Art. 29 § 5 Abs. 1 des preuß. AGBGB die Vorschriften der §§497 Abs. i, 498—502 für anwendbar (RG 110, 334). Dingliche Widerkaufsrechte können seit dem Inkrafttreten des BGB nicht mehr bestellt werden (Art. 189 EGBGB). Anm. 14 5. Ist die Vereinbarung, durch die dem Verkäufer eines Grundstücks das Wiederkaufsrecht eingeräumt wird, mangels Genehmigung der Verwaltungsbehörde s c h w e b e n d u n w i r k s a m , so wird sie rückwirkend wirksam, wenn die Ausübung des Wiederkaufsrechts genehmigt wird; der Eintritt dieser Wirkung wird nicht dadurch verzögert, daß ein Vertragsteil den Genehmigungsbescheid unzulässigerweise anficht, BGH NJW i95i> 5 ! 7Anm. 15 IV. Form Die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts bedarf der durch den Kaufgegenstand bedingten Form. So ist die Form des §313 einzuhalten, falls sich das Wiederkaufsrecht auf ein Grundstück bezieht, RG 126, 312; eine Vereinbarung, die diese Form nicht wahrt, wird durch die Auflassung des Grundstücks und die Eintragung des Käufers ins Grundbuch wirksam (RG 56, 386; RG 13. 7. 21 V 58/21). Zur Aufrechterhaltung eines Ankaufsrechts, das dem Pächter für die Dauer des Pachtvertrages hinsichtlich des Pachtgrundstücks in notarieller Form eingeräumt ist, bedarf es keines neuen, die Form des § 313 wahrenden Vertrages, falls der Pachtvertrag vom Pächter ohne Widerspruch des Verpächters nach Ablauf der Pachtzeit fortgesetzt wird (OGH J R 1951, 280). Wird der Wiederkaufsvorbehalt nicht in den ursprünglichen Kaufvertrag aufgenommen, sondern selbständig vereinbart, so muß auch für ihn die durch den Kaufgegenstand bedingte Form gewahrt werden; bezieht er sich auf ein Grundstück, so ist §313 zu beachten, da der Käufer durch die Einräumung eines Wiederkaufsrechts die nur durch das Verlangen des Verkäufers bedingte Verpflichtung übernimmt, das Grundstück zurück zu übereignen (RG21. 1. 11 V 252/10; RG J W 1911, 320). Eine ohne Beobachtung der Form des §313 geschlossene selbständige Wiederkaufsvereinbarung wird nach § 313 Satz 2 wirksam, wenn das Grundstück dem Wiederkäufer aufgelassen und er ins Grundbuch eingetragen wird (RG 10. 5, 22 V 455/22). Die Eintragung des Käufers und Wiederverkaufsverpflichteten hat dagegen nicht schon heilende Wirkung, falls die Wiederverkaufsvereinbarung erst nach diesem Ereignis getroffen wird, denn in diesem Falle gehen Auflassung und Eintragung des Käufers dem Abschluß des formlosen Vertrages voraus, während zur Anwendbarkeit des § 313 Satz 2 gehört, daß Auflassung und Eintragung dem Vertragsschluß nachfolgen (RG J W 1911, 320 7 ). Anders ist es zu beurteilen, wenn die formlose selbständige Wiederkaufsvereinbarung vor Auflassung des Grundstücks an den Käufer und vor dessen Eintragung ins Grundbuch liegt. Anm. 16 V. Vertrag zugunsten eines Dritten Ein Wiederkaufsvorbehalt im eigentlichen Sinne ist dann nicht gegeben, wenn die Vereinbarung dahin geht, daß der Käufer die Kaufsache auf Verlangen nicht an den Verkäufer oder seine Rechtsnachfolger, sondern an einen Dritten im Wiederverkaufswege zurückzugewähren verpflichtet sein soll. Nach dem allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit auf dem Gebiet des Rechtes der Schuldverhältnisse und nach der Bestimmung des § 328 ist es möglich, dem Dritten die gleichen Rechte einzuräumen, die sich der Verkäufer durch den Wiederkaufsvorbehalt sichern kann. Ergibt sich dies als der Wille der Vertragschießenden, so werden auf das Rechtsverhältnis außer den §§ 328 ff auch die §§ 497ff anzuwenden sein (RJA 9, 263). 254

Kauf. Tausch

§497

A n m . 17—21

A n m . 17 VI. N a c h - und Ersatzbeschaffungen Wiederkauf kommt nicht in Frage, wenn der Gegenstand, der dem Berechtigten zu gewähren ist, nicht der verkaufte Gegenstand ist. Ist ein Inbegriff von Gegenständen verkauft und dabei ein Wiederkaufsrecht derart bedungen, daß Einzelstücke, die inzwischen vom Käufer als Ersatz für abgegangene oder sonst zur Ergänzung nachbeschafft sind, im Falle der Geltendmachung des Wiederkaufsrechts dem Wiederkäufer zum Ankaufs- oder Schätzungspreis mit übergeben werden sollen, so kann von einem Wiederkauf dann nicht gesprochen werden, wenn der ganze Bestand sich derart geändert hat, daß von den ursprünglich verkauften Stücken keines mehr vorhanden ist. Einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze über den Wiederkauf steht jedoch, wenn sie sich als im Willen der Beteiligten gelegen erweist, kein Hindernis im Wege (RG 20. 4. 06 I V 380/05). A n m . 18 VII. Wiederverkaufsrecht Dem Käufer kann ein Wiederverkaufsrecht vorbehalten werden. Die für das Wiederkaufsrecht geltenden Vorschriften sind für das Wiederverkaufsrecht entsprechend anzuwenden, R G 126, 308; J W 1930, 823; B G H L M Nr. 1 zu § 610 BGB.

A n m . 19

VIII. Die Ausübung des Wiederkaufsrechts

1. Die E r k l ä r u n g ist eine einseitig mtiteilbare Erklärung und bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Annahme. Durch sie erhält der bisherige Wiederkaufsberechtigte die Stellung des Wiederkäufers, sein Partner die des Wiederverkäufers, der früher verkaufte Gegenstand ist zurückgekauft. Das Zustandekommen des Wiederkaufs hängt lediglich vom Willen des Käufers ab, während beim Vorkauf Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts der Abschluß eines Kaufvertrags mit einem Dritten ist (RG 110, 335). Die Erklärung braucht nicht tempore opportuno zu geschehen (RG 37, 281). Sie kann auch eventuell mit der Anfechtung des ursprünglichen Kaufes abgegeben werden (RG 97, 273). A n m . 20 2. Abs. 1 S. 2 tritt der Annahme entgegen, daß die A u s ü b u n g s e r k l ä r u n g den F o r m b e s t i m m u n g e n für den Kaufvertrag unterliege, weil sie den Wiederkauf verwirklicht. Der Hauptfall, den das Gesetz im Auge hat, ist der des § 313. Handelt es sich um ein Grundstück, so soll die Erklärung über die Ausübung des Wiederkaufsrechts der Form des § 3 1 3 nicht bedürfen, R G 126, 3 1 2 . Mitgetroffen sind aber auch die Fälle, in denen für den Kaufvertrag durch Parteivereinbarung eine besondere Form bestimmt ist. Haben die Beteiligten für die Erklärung der Ausübung des Wiederkaufsrechts selbst eine besondere Form bestimmt, so ist deren Beobachtung erforderlich. Die Ausübung des Wiederkaufsrechts setzt weder einen zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten geschlossenen Vertrag voraus, noch die Absicht des Verpflichteten, sich auf Grund eines Verkaufs der Sache wieder zu entäußern. A n m . 21 I X . Maßgebender P r e i s Nicht der vereinbarte, sondern der wirklich e m p f a n g e n e P r e i s ist maßgebend (RG 5, 199: für preußisches Landrecht). Auch der S c h ä t z u n g s w e r t zur Zeit des Wiederkaufs kann als Preis des Gegenstandes vereinbart werden ( § 5 0 1 ) ; ebenso ein Höchstpreis, R G 104, 123. Der Wuchereinwand gegen den Wiederkaufspreis ist nicht möglich, wenn die Vermutung des Abs. 2 zutrifft, wohl aber, wenn er abweichend von der Vermutung des Abs. 2 vereinbart worden ist.

255

§ 4 9 7 A n m . 22, 23 § 498 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuld Verhältnisse

Eine Verschlechterung oder Verbesserung des G e l d w e r t e s ist derart zu berücksichtigen, daß die verschiedenen Markbeträge die gleiche Kaufkraft haben (RG iog, 159; R G J W 1927, 979 12 ). Die K l a u s e l , d a ß B e l a s t u n g e n a n z u r e c h n e n s i n d , bedeutet, daß der Wiederkäufer verpflichtet ist, Grundpfandrechte in Anrechnung auf den Wiederkaufpreis zu übernehmen, O L G Celle N J W 1958, 385. A n m . 22 X . Kauf auf U m t a u s c h Der Kauf auf Umtausch (vgl. dazu § 495 Anm. 11) ist kein Kauf mit Wiederkaufsrecht, sondern ein Kauf mit Vorbehalt des Rücktritts unter der Bedingung einmal der unbeschädigten Rückgabe der Kaufsache und sodann des neuen Kaufs einer annähernd gleichwertigen Sache, L e n e l , J W 1926, 1 7 9 1 ; O L G Dresden SächsArch 10, 5 1 6 . „Umtausch jeder Zeit" = „binnen billiger Frist" ( O L G 8, 56). A n m . 23 X I . Ankaufsrecht Ein Ankaufsrecht (Vorhand, Option) ist rechtlich weder ein persönliches Wiederkaufsrecht noch ein Vorkaufsrecht, wirtschaftlich aber mit beiden verwandt; eine entsprechende Anwendung der §§ 497 fr ist daher nicht ausgeschlossen, R G 1 1 0 184; 1 2 1 , 369; 126, 3 1 2 ; 154, 355; R G SeufTArch 74 Nr. 159; 81 Nr. 217. Zur Ausübung eines vertraglich über ein Grundstück vereinbarten Ankaufsrechts (vgl. dazu R G 169 65) bedarf ein Pfleger der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts; bis zu ihrer Erteilung ist der Ankauf schwebend unwirksam, OGH J R 1951, 280. Uber die rechtliche Bedeutung von O p t i o n s v e r e i n b a r u n g e n vgl. L a r e n z Betrieb 1955, 209.

§498 Der Wiederverkäufer ist verpflichtet, d e m Wiederkäufer den gekauften Gegenstand nebst Zubehör herauszugeben. H a t der Wiederverkäufer v o r der Ausübung des W i e d e r k a u f s r e c h t s eine Verschlechterung, den U n t e r g a n g oder eine aus einem anderen Grunde eingetretene Unmöglichkeit der Herausgabe des gekauften Gegenstandes v e r schuldet oder den Gegenstand wesentlich v e r ä n d e r t , so ist er für den d a r a u s entstehenden Schaden verantwortlich. I s t der Gegenstand ohne Verschulden des Wiederverkäufers verschlechtert oder ist e r n u r unwesentlich v e r ä n d e r t , so kann der Wiederkäufer Minderung des Kaufpreises nicht verlangen. E I 478 II 434; M 1 342, 343; P 2 82—86.

Ubersicht I. II. III. IV.

Herausgabepflicht Zubehör ' Haftung für Sachmängel und Herausgabeunmöglichkeit Wiederverkauf

Anm.

1—5 6-9 10—12 '3

Anm. 1 I. Herausgabepflicht Die Verpflichtung des Wiederverkäufers ist bloß schuldrechtlicher Art. Sie hindert an sich die Veräußerung des von ihm betroffenen Gegenstandes nicht. Aber der Wiederverkaufsverpflichtete handelt auf seine Gefahr (RG 10. 5. 22 V 455/22). Dingliche Wiederkaufsrechte können im Anwendungsbereiche des B G B seit dessen Inkrafttreten nicht mehr bestellt werden ( E G Art. 189). Der bedingte Anspruch auf Wiedereinräumung eines Grundstücks oder Grundstücksrechts kann aber schon vor Ausübung des Wiederkaufsrechts durch eine Vormerkung p 247)-

256

Kauf. Tausch

§498 A n m . 2—10

Anm. 2 Die Aufzählung der Verpflichtungen des Wiederverkäufers im § 498 ist nicht erschöpfend. Hilfsweise sind die allgemeinen Vorschriften über die Verbindlichkeiten des Verkäufers beim Kauf heranzuziehen, soweit nicht die besonderen Verhältnisse des Wiederkaufs entgegenstehen. Anm. 3 Nach der Fassung des § 498 Abs. 1 sieht es so aus, als sei der Wiederverkäufer anders a b der Verkäufer nach § 433 bloß verpflichtet, die Sache zu übergeben, und nicht auch, das Eigentum daran zu verschaffen; gemeint ist aber dasselbe, wie sich aus § 499 ergibt. Herauszugeben ist die Sache i n d e m Z u s t a n d , in dem sie sich zur Zeit der Herausgabe befindet, R G 126, 314, vgl. aber § 500. Anm. 4 Ebenso versteht es sich von selbst, daß der Wiederkäufer den P r e i s zu zahlen hat. Anm. 5 Die beiderseitigen Leistungen sind Z u g u m Z u g zu erfüllen. Anm. 6 II. Zubehör Alles, was im Augenblick der Geltendmachung des Wiederkaufsrechts Zubehör ist (§§ 97) 9Ö)> ist herauszugeben. Damit ist der Wiederverkäufer indessen der Verantwortlichkeit für die im Augenblick seines Erwerbs der Sache vorhandenen Zubehörstücke nicht entbunden. H a t er solche ohne genügenden Ersatz beseitigt und dadurch den Gegenstand verschlechtert, so ist er nach Abs. 2 schadensersatzpflichtig. Anm. 7 Nicht mit herauszugeben sind E i n r i c h t u n g e n , mit denen der Wiederverkäufer die herauszugebende Sache versehen hat (§ 500 Satz 2). Anm. 8 N u t z u n g e n sind nicht herauszugeben; aus dem vergüteten Kaufpreis sind auch keine Z i n s e n zu entrichten. Anm. 9 Für V e r w e n d u n g e n , die den Wert des Kaufgegenstandes erhöhen, kann vom Wiederkäufer Ersatz verlangt werden, § 500. A n m . 10 III. H a f t u n g für S a c h m ä n g e l und Herausgabeunmöglichkeit Von dem Zeitpunkt ab, in dem auf Grund der Erklärung des Berechtigten der neue Kaufvertrag mit ihm endgültig abgeschlossen ist, stehen ihm als Käufer zunächst dieselben Rechte zu, wie sie jedem Käufer auf Grund eines rechtswirksam geschlossenen Kaufvertrags zukommen, RG J W 1925, 1993®. Bestritten ist, was für Ansprüche dem Käufer aus einer wesentlichen oder unwesentlichen Verschlechterung oder Veränderung der Kaufsache in der Zwischenzeit zwischen der Vereinbarung des Wiederkaufs und dem endgültigen Zustandekommen des Vertrags erwachsen. Die Vorschrift des Abs. 2 regelt die Gewährleistungsansprüche des Käufers abschließend und unter Ausschluß anderer Rechte aus dem Gesichtspunkt der Gewährleistung, RG 126, 313; J W 1930, 823. Sie zieht der Haftungsverbindlichkeit des Wiederverkäufers wesentlich engere Schranken als sie in den allgemeinen Vorschriften über die Gewährpflicht des Verkäufers gesetzt sind. Zutreffend über den rechtspolitischen Grund H a y m a n n in J W 1930, 826. Frei ist der Wiederverkäufer vor allem von der Haftung für alle Mängel, die der Gegenstand schon hatte, als er ihn vom Verkäufer bekam. Aber auch die von da ab bis zur Ausübung des Wiederkaufsrechts eingetretenen Verschlechterungen hat er nur dann zu vertreten, wenn sie nicht unwesenüich sind und er sie verschuldet hat. 17

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Kuhn)

257

§ 498 A n m . 1 1 — 1 3 § 499 A n m . 1 , 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Daraus, daß das Gesetz dem Wiederkäufer im Falle unverschuldeter Verschlechterung des Kaufgegenstandes das Recht auf Schadensersatz und auf Kaufpreisminderung versagt, wird nicht geschlossen werden dürfen, daß es ihm in diesem Falle doch die Wandlung gestatten will. M a n wird vielmehr anzunehmen haben, daß für diesen Fall die Vorschriften der §§ 459—493 über die Gewährleistung wegen Mängel der Sache überhaupt nicht anzuwenden sind und daß der Wiederkäufer gegebenenfalls auf die Anfechtung seiner Wiederkaufserklärung gemäß §§ 119 ff angewiesen ist, R G 126, 3 1 4 . A n m . 11 Ist die Unmöglichkeit der Herausgabe des gekauften Gegenstandes in der Zeit von der Ubergabe an den Käufer bis zur Ausübung des Wiederkaufsrechts ohne Verschulden de» Wiederverkäufers eingetreten, so sind die §§323, 281 anzuwenden. Für den Fall des Eintritts der Verschlechterung oder der Unmöglichkeit der Herausgabe in der Zeit n a c h d e r A u s ü b u n g d e s W i e d e r k a u f s r e c h t s gelten die allgemeinen Grundsätze uneingeschränkt, R G J W 1925, 1993 6 . A n m . 12 Beim Wiederkauf zum S c h ä t z u n g s w e r t trifft den Wiederverkäufer keine H a f t u n g für Unmöglichkeit der Herausgabe. A n m . 13 I V . Wiederverkauf § 498 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 sind auch auf den Fall des Wiederverkaufs entsprechend anzuwenden; R G 126, 3 1 5 ; J W 1930, 823; B G H L M Nr. 1 zu § 6 1 0 B G B . Nicht anwendbar ist § 499.

§499 Hat der Wiederverkäufer vor der Ausübung des Wiederkaufsrechts über den gekauften Gegenstand verfügt, so ist er verpflichtet, die dadurch begründeten Rechte Dritter zu beseitigen. Einer Verfügung des Wiederverkäufers steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt. E I 478 II 434; M a 343; P 2 85, 86.

Anm. 1 Rechte Dritter Der Wiederkaufsvorbehalt hindert den K ä u f e r weder rechtlich, über den gekauften Gegenstand zu verfügen, noch verpflichtet er ihn, Verfügungen zu unterlassen. Andererseits wird aber auch der K ä u f e r durch die Verfügung über den gekauften Gegenstand von seiner Verpflichtung, den Gegenstand im Falle der Geltendmachung des Wiederkaufsrechts dem Wiederkäufer herauszugeben, nicht befreit. E r verfügt auf seine eigene Gefahr. Seine Sache ist es, bei der Verfügung dafür zu sorgen, daß ihm die Erfüllung der Verbindlichkeit, im Falle der Geltendmachung des Wiederkaufsrechts die von ihm begründeten Rechte Dritter zu beseitigen, nicht unmöglich wird. E r hat darum die etwa durch die Verfügung entstandene Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten und den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 498), R G 10. 5. 22 V 455/22. Zur Sicherung der Rückgabe kann eine Vormerkung auf dem Grundstück eingetragen werden. Anm. 2 Zwangsvollstreckung Durch die Zwangsvollstreckung wird nicht wie beim Vorkaufsrecht nach § 5 1 2 der Wiederkauf ausgeschlossen, R G 154, 359. Nicht jede Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung fallt unter Satz 2. Wird dem K ä u f e r im Entwehrungsstreite die gekaufte Sache entzogen, so kann der Verkäufer sich nicht auf Satz 2 berufen. Das gleiche gilt

258

Kauf. Tausch

§ 500 A n m . 1—3

für den Fall der Zwangsenteignung und der zwangsweisen Belastung aus öffentlichrechtlichen Gründen. Ob es auch für den Fall gilt, daß bei Gemeinschaft nach Bruchteilen ein Anteil unter Wiederkaufsvorbehalt verkauft ist und daß hinterher auf den Antrag eines a n d e r e n der gemeinschaftliche Gegenstand zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft nach den Vorschriften des Pfand Verkaufs oder im Wege der Zwangsversteigerung veräußert wird, ist zweifelhaft, aber wohl entsprechend anzunehmen. Denn in allen diesen Fällen ist die Veräußerung (oder Belastung) nicht auf den Käufer zurückzuführen; er kann darum auch nicht gehalten sein, sie zu vertreten.

§ 500 Der Wiederverkäufer kann für Verwendungen, die er auf den gekauften Gegenstand vor d e m Wiederkaufe gemacht hat, insoweit Ersatz verlangen, als der Wert des Gegenstandes durch die Verwendungen erhöht ist. Eine Einrichtung, m i t der er die herauszugebende Sache versehen hat, kann er wegnehmen. E I 479 II 43); M 3 344; F 1 84, 87, 88; 6 173,174. Üb ersieht I. Verwendungen II. Wertmaßstab III. Wegnahme von Einrichtungen

Anm I 2—3 4

Anm. 1 I. Verwendungen Im Gegensatze zu E I 479 unterscheidet das Gesetz nicht zwischen notwendigen und nichtnotwendigen Verwendungen. Da der Wortlaut klar ist und auch der Zusammenhang mit den übrigen Gesetzesvorschriften keinen Zweifel bringt, ist für eine Auslegung dahin, daß werterhöhende Verwendungen keinen Ersatzanspruch begründen, wenn sie notwendig waren, kein Raum. Das ist um so mehr abzulehnen, als eine solche Auffassung zu unangemessenen Ergebnissen führen müßte. Wer das Dach des unter Wiederkaufsvorbehalt gekauften Hauses neu decken läßt und dadurch den Wert des Hauses um 1000 DM erhöht, kann nicht bloß dann einen Ersatzanspruch haben, wenn die Maßregel nicht notwendig war, sondern muß ihn auch dann haben, wenn sie notwendig war. Die gegenteilige Annahme kann auch nicht durch den Hinweis darauf gerechtfertigt werden, daß nach § 498 Abs. 2 der Wiederverkäufer verpflichtet sei, den gekauften Gegenstand vor Untergang und Verschlechterung zu schützen. § 500 bezieht sich nur auf Verwendungen vor der Ausübung des Wiederkaufs. Für spätere v gl- §45° (bestr.); a M P l a n c k Anm. 1. Anm. 2 I I . Wertmaßstab Die Frage der Werterhöhung ist nach sachlichem Maßstab zu prüfen. Dem Wiederverkäufer kann der Ersatz von Verwendungen nicht versagt werden, die den Wert der Sache für jedermann erhöhen, wenn auch der Wiederkäufer nach seinen besonderen Verhältnissen daran kein Interesse haben sollte. Andererseits kann dem Wiederkäufer der Ersatz von Verwendungen nicht zugemutet werden, die den Wert einzig nur in der Hand des Wiederkäufers erhöhen. Zu vergleichen ist der Wert, den der Gegenstand im Augenblicke der Hingabe an den Käufer hatte, mit dem Werte, den er infolge der Verwendungen im Augenblicke der Herausgabe an den Wiederkäufer hat. Ein in der Zwischenzeit vorhanden gewesener, bei der Herausgabe aber nicht mehr vorhandener Mehrwert kommt nicht in Betracht. Anm. 3 Nach Prot. 2, 88 soll für die „Frage der Bereicherung des Wiederkäufers" nicht der Zeitpunkt der Herausgabe der Sache, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses des Wieder17*

259

§ 500 A n m . 4 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 501 A n m . 1, 2 kaufs maßgebend sein. In den Gesetzesworten hat diese Absicht der Kommission II. Lesung keinen Ausdruck gefunden. Die Natur des in Frage kommenden Ersatzanspruchs aber deutet auf den Z e i t p u n k t der H e r a u s g a b e . Der Ersatzanspruch des § 500 ist seiner Natur nach Bereicherungsanspruch im Gegensatze zu dem des § 450, dem der Bereicherungsgedanke fern liegt. Die Bereicherung aber ist erst im Augenblicke der Leistung vorhanden, wenn der Wiederkäufer mehr erhält, als er hingegeben und als er zu beanspruchen hat. Den Zeitpunkt der Abgabe der Wiederkaufserklärung als maßgebend anzunehmen, ist auch kaum vereinbar mit Satz 2 des § 500; aM P l a n c k aaO. Anm. 4 III. Wegnahme von Einrichtungen Vgl. § 258. Zur Wegnahme von Einrichtungen ist der Wiederverkäufer nur berechtigt, nicht verpflichtet. Ist infolge der Einrichtung der Gegenstand verschlechtert oder wesentlich verändert, so kommt § 498 Abs. 2 zur Anwendung. Hat die Einrichtung eine Verbesserung und Werterhöhung zur Folge, so kann der Wiederverkäufer für seine Verwendungen darauf nach Abs. 1 Ersatz verlangen; der Wiederkäufer kann die Ersatzleistung nicht mit dem Hinweise auf das Recht zur Wegnahme verweigern.

§501 I s t a l s Wiederkaufpreis der Schätzungswert vereinbart, den der gekaufte Gegenstand zur Zeit d e s Wiederkaufs hat, so ist der Wiederverkäufer f ü r eine Verschlechterung, den Untergang oder die a u s einem anderen Grunde eingetretene Unmöglichkeit der H e r a u s g a b e des Gegenstandes nicht verantwortlich, der Wiederkäufer z u m E r s ä t z e von Verwendungen nicht verpflichtet. H I 480 II 436; M a 344; P a zz.

Ubersicht I. Wiederkauf zum Schätzungswert II. Haftung für Verschlechterung und Zerstörung? III. Unmöglichkeit der Herausgabe IV. Verwendungen V. Wegnahme von Einrichtungen

Anm.

i 2, 3 4 5 6

Anm. 1 I. Wiederkauf z u m Schätzungswert Während die §§ 497 Abs. 2, 500 davon ausgehen, daß die Vertragschließenden dadurch, daß sie den Verkaufspreis zum Wiederverkaufspreis bestimmen, ausdrücken wollen, der verkaufte Gegenstand solle im Falle des Wiederkaufs so herausgegeben werden, wie ihn der Käufer erhalten hat, unterstellt § 501 für den Fall des Wiederkaufs zum Schätzungswert, daß die Sache in dem Zustande wiedergekauft sein soll, in dem sie sich bei der Ausübung des Wiederkaufsrechts befindet. Den Beteiligten steht im einen wie im andern Falle frei, etwas anderes zu bestimmen. Anm. 2 II. Keine H a f t u n g f ü r Verschlechterung und Zerstörung Die gegenüber § 498 Abs. 2 andersartige Regelung des § 501 läßt keinen Zweifel, daß der Wiederverkäufer dem Wiederkäufer gegenüber auch dann nicht für den Schaden haften soll, wenn die Verschlechterung oder Zerstörung dung durch unvorsichtiges oder absichtliches Handeln des Wiederverkäufers herbeigeführt ist. Von einem Verschulden kann hier überall nicht die Rede sein, weil der Wiederverkäufer, anders als im Regelfalle des § 498, von vornherein nicht verpflichtet ist, den Kaufgegenstand unversehrt herauszugeben. Auch insoweit können die Parteien Abweichendes vereinbaren. 260

Kauf. Tausch

§ 501 A n m . 3 — 6 § 502 A n m . 1

Anm. 3 Eine Haftpflicht wird dagegen für den Fall angenommen werden müssen, daß der durch den Wiederkaufsvorbehalt Verpflichtete die Verschlechterung oder Zerstörung arglistig herbeiführt, um den Wiederkauf unmöglich zu machen. Denn, daß auch dies im Sinne beider Beteiligter gelegen sein sollte, kann unmöglich angenommen werden.

Anm. 4 III. Unmöglichkeit der Herausgabe Die Veräußerung des Kaufgegenstandes an einen Dritten macht an sich die Erfüllung der Wiederverkaufsverpflichtung nicht unmöglich. Das Gesetz hat in § 499 bestimmt, daß der Käufer, wenn er vor der Ausübung des Wiederkaufsrechts über den gekauften Gegenstand verfügt, im Falle des Wiederkaufs die dadurch begründeten Rechte Dritter zu beseitigen hat. Diese Bestimmung ist auch auf den Vorbehalt des Wiederkaufs zum Schätzungspreise anzuwenden. Denn weder der Wortlaut des § 499 und seine Stellung im Gesetz, noch sein Grundgedanke zwingen zur Beschränkung auf den Fall des Wiederkaufs zum Verkaufspreise.

Anm. 5 IV. Verwendungen Werterhöhende Verwendungen sind im Schätzungspreise schon mitvergütet, der Ersatz anderer Verwendungen aber ist beim Wiederkauf ohnehin grundsätzlich ausgeschlossen. Auch hier handelt es sich aber wieder nur um solche Verwendungen, die v o r der Ausübung des Wiederkaufsrechts gemacht sind. Der Ersatz der n a c h h e r vom Wiederkäufer gemachten Verwendung richtet sich nach § 450.

Anm. 6 V. Wegnahme von Einrichtungen Einrichtungen, mit denen der Wiederverkäufer die Sache versehen hat, kann er auch im Fall des Wiederkaufs zum Schätzungspreise wegnehmen (§ 500 Satz 2).

§ 502 Steht das Wiederkaufsrecht mehreren gemeinschaftlich zu, so kann es nur Im ganzen ausgeübt werden. Ist es für einen der Berechtigten erloschen oder übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so sind die übrigen berechtigt, das Wiederkaufsrecht im ganzen auszuüben. E II 437; M a 341; P 2 91; 6 174.

Ubersicht Anm.

I. II. III. IV. V.

Gemeinschaftliches Wiederkaufsrecht Erlöschen oder Nichtausüben Ausübung durch die übrigen Berechtigten Mehrheit von Wiederverkaufsverpflichteten Rechtsverhältnis nach Ausübung des Wiederkaufsrechts

1, 2 3 4, 5 6 7

Anm. 1 I. Gemeinschaftliches Wiederkaufsrecht Die Vorschrift ist eine Ausnahme von § 420, die nicht der Ausdehnung fähig ist, R G 4. 12. 08 I I I 96/08. Unerheblich ist, ob die Gemeinschaft von vornherein durch Einräumung des Wiederkaufsrechts an eine Mehrheit von Personen oder späterhin durch Abtretung oder Vererbung entstanden ist, ob es sich um eine Gemeinschaft zur gesamten Hand oder eine Bruchteilgemeinschaft handelt oder ob der herauszugebende Kaufgegenstand teilbar ist oder nicht. Der Grund der Regelung liegt darin, der Verkäufer soll nicht gezwungen sein, in die Gemeinschaft einzutreten.

261

§ 502 Anm. 2—6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 Von Gemeinschaftlichkeit des Wiederkaufsrechts kann keine Rede sein, wenn das Recht einer Mehrzahl von Personen, aber jedem für sich vorbehalten ist, z. B. wenn ein Vater beim Verkauf des Anwesens bestimmt, daß jedem einzelnen seiner Kinder nach einer bestimmten Reihenfolge das Recht des Wiederkaufs zustehen soll. Gemeinschaftlichkeit des Wiederkaufsrechts liegt auch dann nicht vor, wenn von mehreren in Bruchteilgemeinschaft befindlichen Verkäufern eines Gegenstandes beim Verkauf jeder sich für seinen Teil das Wiederkaufsrecht vorbehalten hat. Anm. 3 II. Erlöschen oder Nichtausübung Der Verkäufer kann nicht ohne weiteres das Wiederkaufsrecht als ausgeübt betrachten, wenn nur ein Teil der gemeinschaftlich Berechtigten die Ausübungserklärung abgibt. Denen, die die Erklärung abgeben, liegt vielmehr ob darzutun, daß die übrigen ihr Recht durch Erlöschen verloren haben oder nicht ausüben. Die „Nichtausübung" muß im Sinne der endgültigen Verweigerung der Ausübung erfolgen. Nicht jedes Zögern kann in diesem Sinne gedeutet werden. Schwierigkeiten können insbesondere dann entstehen, wenn die Teilhaber zwar übereinstimmend gewillt sind, das Wiederkaufsrecht auszuüben, aber über den Zeitpunkt der Ausübung verschiedener Meinung sind. Es muß verneint werden, daß alle diejenigen, die nicht dem frühesten Zeitpunkte zustimmen, als nichtausübend zu betrachten sind (vgl. übrigens die §§ 741fr). Anm. 4 III. Ausübung durch die übrigen Berechtigten Es handelt sich hier nicht um die formelle Berechtigung zur Abgabe der Erklärung, daß das Wiederkaufsrecht ausgeübt werde, sondern um die materielle Wiederkaufsberechtigung. Nur die Übriggebliebenen kommen als nunmehr allein auf das Ganze berechtigte Wiederkäufer in Betracht; nur zwischen ihnen und dem Wiederverkäufer entstehen die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Wiederkauf. Anm. 5 Die Frage, ob dann, wenn ein Wiederkaufsrecht von mehreren im ganzen ausgeübt ist, einer der Wiederkäufer die Wiederkaufserklärung, soweit sie ihn betrifft, nach §§ n g f f anfechten kann, wird zu bejahen sein. Denn die Ausübung im ganzen vereinigt die mehreren zu diesem Zweck abgegebenen Willenserklärungen nicht zu einer so untrennbaren Einheit, daß der Wille des einzelnen nicht mehr in Betracht käme (RG 65, 405). Dies selbst dann nicht, wenn etwa die Willenserklärungen der mehreren Wiederkäufer durch einen Bevollmächtigten äußerlich einheitlich abgegeben wären. Freilich wird man die Übrigbleibenden nach dem Ausscheiden des Anfechtenden an ihre Wiederkaufserklärung ebenfalls nicht für gebunden erachten können, da sie nur mit dem Ausgeschiedenen, nicht für sich allein, Wiederkäufer zu sein wollen erklärt haben. Man wird ihnen aber mit Rücksicht auf § 502 Satz 2 das Recht zugestehen müssen, ihre Wiederkaufserklärung auch für sich allein aufrechtzuerhalten. Gleiches wird anzunehmen sein, wenn sich die Erklärung eines der Wiederkäufer hinterher als nichtig erweisen sollte. Anm. 6 IV. Mehrheit von Wiederverkaufsverpflichteten Der Fall hat im Rahmen der Vorschriften über den Wiederkauf keine Regelung erfahren. Von entsprechender Anwendung des § 502 kann bei der Grundverschiedenheit der Lage keine Rede sein. Für die einzelnen in Betracht kommenden Fragen wird neben dem Inhalt des Wiederkaufsvorbehalts stets die besondere Art der Gemeinschaft unter den Verpflichteten zu berücksichtigen sein. Im Zweifel ist gemäß § 356 anzunehmen, daß das Wiederkaufsrecht gegenüber mehreren Verpflichteten nur gemeinsam ausgeübt werden kann. 262

Kauf. Tausch

§ 502 A n m . 7 § 503 A n m . 1—3

Anm. 7 V. Rechtsverhältnis nach der Ausübung des Wiederkaufsrechts Mit der Ausübung des Wiederkaufsrechts sind die Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Wiederkauf endgültig entstanden. Wie nunmehr zu erfüllen ist, wenn auf der einen oder andern Seite oder auf beiden Seiten eine Mehrheit von Berechtigten oder Verpflichteten vorhanden ist oder noch eintritt, ergibt sich aus den allgemeinen Gesetzesvorschriften, insbesondere aus den §§420 ff.

§ 503 Das Wiederkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis z u m Ablaufe von dreißig, bei anderen Gegenständen nur bis z u m Ablaufe von drei Jahren nach der Vereinbarung des Vorbehalts ausgeübt werden. Ist für die Ausübung eine Frist b e s t i m m t , so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist. E n 438; M a 341. 342; P 2 82, 88—90. Übersicht I. Befristungszwang II. Fristberechnung III. Verjährung

Anm. I 2, 3 4

Anm. 1 I. Befristungszwang Das Gesetz läßt den Wiederkaufsvorbehalt im Gegensatz zum Vorkaufsrecht nur auf Zeit zu. Bestimmen die Vertragschließenden eine Frist, so gilt diese. Bestimmen sie keine Frist, so gilt die gesetzliche Frist. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 503 ist zweifellos, daß die gesetzlichen Fristen für den Fall Zwangsfristen sind, daß die Parteien dem Verkäufer und seinen Rechtsnachfolgern das Wiederkaufsrecht zeitlos einräumen. Der Wille der Beteiligten ist insoweit eingeschränkt; es ist den Beteiligten unmöglich gemacht, unbefristete Wiederkaufsrechte einzuräumen. Sie können andererseits nicht nur kürzere, sondern auch längere Fristen bestimmen als die gesetzlichen. Wird die Frist jedoch so weit erstreckt, daß nach den Umständen eine Einräumung auf unbeschränkte Zeit vorliegt, so treten die gesetzlichen Fristen in Kraft. Anm. 2 II. Fristberechnung, §§ 187fr Die Frist ist eine A u s s c h l u ß f r i s t und beginnt mit dem Tage, der auf die Einräumung des Vorbehalts folgt, gleichviel ob das Wiederkaufsrecht im Kaufvertrage selbst oder späterhin durch eine neue Vereinbarung eingeräumt wird. Fraglich kann sein, wann sie beginnt, wenn der Kaufvertrag, dem der Vorbehalt beigefügt ist, selbst aufschiebend bedingt oder befristet ist. Der Wortlaut scheint auch für den Fall auf den Vereinbarungstag zu deuten. Der Zweck der Fristsetzung führt jedoch zu der Annahme, daß die Frist erst mit Ablauf des Tages zu laufen beginnt, an dem der Kauf infolge des Eintritts der Bedingung oder des Ablaufs der gesetzten Frist wirksam wird. Denn die gesteckte Frist ist die Zeit, innerhalb deren das Recht zum Wiederkauf zustehen soll. Solange aber der Kauf noch nicht in Wirksamkeit tritt, ist der Wiederkauf begrifflich ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für die vereinbarte wie für die gesetzliche Frist. Anm. 3 Ohne Belang für den Lauf der Frist ist dagegen die Übergabe der Kaufsache an den Käufer. Die Frist läuft selbst dann, wenn vereinbarungsgemäß die verkaufte Sache dem Käufer überhaupt nicht übergeben wird, wie in den Fällen, in denen an Stelle der Verpfändung der Verkauf mit Wiederkaufsvorbehalt gewählt wird. 263

§ 503 Anm. 4 § 504 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 4 I I I . Verjährung Die Fristen des § 503 sind keine Verjährungsfristen. Die Grundsätze über die Hemmung der Verjährung finden auf sie auch nicht entsprechende Anwendung. Das Wiederkaufsrecht selbst unterliegt, weil kein Anspruch, nicht der Verjährung, R G BayZ 23, 65. Die durch die Geltendmachung des Wiederkaufsrechts entstandenen gegenseitigen Ansprüche des Wiederverkäufers und Wiederkäufers aber verjähren nach den gewöhnlichen Vorschriften der §§ 1 9 4 f r . 3. V o r k a u f

§ 504 Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkaufe berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat. E I 481 II 439; M 2 34J, 346; P 2 93—97.

Ü b ersieht Anm.

I. Wesen des Vorkaufsrechts 1. Doppelt bedingter Kauf 2. Neuer selbständiger Vertrag 3. Erwerbsbedingungen 4. Bestellungsarten 5. Form 6. Vorkaufsfall und Ausübung des Vorkaufsrechts 7. Abdingbarkeit 8. Vergleichbare Fälle II. Schuldrechtliches und dingliches Vorkaufsrecht 1. Unterschied 2. Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht a) Entstehungsmöglichkeiten b) Landesrechtliche Vorkaufsrechte c) Reichsrechtliche Vorkaufsrechte d) Ausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte e) Eigentumserwerb 3. Das vorgemerkte Vorkaufsrecht III. Der Vorkaufsfall 1. Kauf mit einem Dritten a) Kaufvertrag b) Dritter 2. Wirksamkeit des Vertrages IV. Aufhebung des Kaufvertrages V. Änderungen des Kaufvertrages V I . Erlöschen des Vorkaufsrechts V I I . Ausschluß des Vorkaufsrechts V I I I . Maklerlohn I X . Das Vorkaufsrecht bei Miteigentum X . Vormiete, Vorpacht

1—8 1 2 3 4 5 6 7 8 g—15 g 10—14 10 11 12 13 14 15 16—27

16—24 16—23 24 25—27 28 29 30 3X 32 33 34

I. Wesen des Vorkaufsrechts Anm. 1 1. Doppelt bedingter Kauf. Das Vorkaufsrecht ist ein bestimmter Fall des allgemeinen Einlösungsrechts. Das Besondere bei ihm ist, daß es in seiner Ausübung durch den Abschluß eines Vertrags 264

Kauf. Tausch

§504 A n m . 2—4

des Verpflichteten mit einem Dritten auf Übereignung der nämlichen Sache bedingt ist und daß dieser Vertrag zugleich den Inhalt für das Vertragsverhältnis zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten abgibt, auf Grund dessen dann die Einlösung der Sache erfolgen kann. Der Vorkauf ist ein doppelt bedingter Kauf, einmal bedingt durch den Abschluß eines Kaufvertrages zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten und zum zweiten bedingt durch die Ausübung des Vorkaufsrechts. Wird der Gegenstand des Vorkaufs auf Grund eines anderen Vertrags als Kauf einem Dritten übereignet, so ist die Bedingung für die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgefallen. Von Gesetzes wegen kann nur ein Kauf des Verpflichteten mit einem Dritten die Bedingung für die Ausübung des Vorkaufsrechts erfüllen, R G 101, 101. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann aber auch ein anderer Vertrag als Bedingung für die Ausübung des Vorkaufsrechts vereinbart werden; Voraussetzung bleibt nur, daß dieser Veräußerungsvertrag auch für das zwischen dem Einlösungsberechtigten und Verpflichteten entstehende Vertragsverhältnis zum Inhalt erhoben werden kann, was namentlich bei Gegenleistungen der Fall ist, die in vertretbaren Sachen bestehen, R G IIO, 184. Auch ein V o r t a u s c h r e c h t ist sonach möglich (RG V 13. 10. 20). Vgl. hierzu L o b e in Recht u. Wirtsch. 1922, 418. Anm. 2 2. N e u e r s e l b s t ä n d i g e r V e r t r a g . Der Vorkaufsberechtigte tritt nicht in den zwischen dem Verkäufer und dem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag ein. Durch Ausübung des Vorkaufsrechts kommt vielmehr ein neuer, selbständiger Vertrag zum Abschluß, für den nur dieselben Bedingungen gelten, wie sie der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Der Vertrag mit dem Dritten wird durch die Ausübung des Vorkaufsrechts an sich nicht berührt und läßt dessen vertragliche Rechte dem Verpflichteten gegenüber bestehen, wie etwa Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung, Prot, der II. Komm, bei Mugdan, Materialien Bd. 2 , 7 9 3 ; R G 6 7 , 4 2 ; 7 2 , 3 8 5 ; 1 0 9 , 1 6 2 ; 1 1 8 , 7 ; 121, 1 3 8 ; 1 7 0 , 2 0 5 ; R G J W 1 9 1 1 , 4 4 8 " u. 1 4 1 5 « Anm. 3 3. E r w e r b s b e d i n g u n g e n . Der Vorkaufsberechtigte darf von jedem Dritten kaufen, muß sich aber den von diesem dem Verkäufer zugestandenen Bedingungen fügen (RG 108, 228; J W 1923, 1 0 2 4 ; vgl. auch § 5 0 5 Anm. 7 ) . Der Berechtigte kann also, im Gegensatz zum Wiederkaufsberechtigten, keinen E i n f l u ß auf die E r w e r b s b e d i n g u n g e n ausüben. Ihm steht es aber frei, einen Dritten zu gewinnen, der zum Abschluß eines rechtswirksamen Kaufvertrags mit dem Vorkaufsberechtigten bereit ist, selbst wenn der Dritte nur aus Gefälligkeit handelt; darin ist weder eine Gesetzesumgehung noch ein Rechts- oder Sittenverstoß gegenüber dem Vorkaufsverpflichteten zu erblicken, sofern nicht anderweitige Umstände eine solche Annahme rechtfertigen, R G 21. 8 . 3 6 III 3 3 9 / 3 5 . 2

Anm. 4 4. B e s t e l l u n g s a r t e n . Die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts zu einem b e s t i m m t e n Preise ist zulässig, weil auf dem Gebiete des Rechtes der Schuldverhältnisse grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht, die durch § 505 Abs. 2 keine Einschränkung erleidet (RG 104, 123). Gleich dem Wiederkaufsrechte kann das Vorkaufsrecht durch Vereinbarung beim Verkauf dem V e r k ä u f e r v o r b e h a l t e n werden und kommt alsdann dem Wiederkaufsrechte sehr nahe (SeuffArch. 39 Nr. 100). Es kann aber auch zugunsten eines jeden anderen s e l b s t ä n d i g bestellt werden. Die Bestellung kann durch V e r t r a g , insbesondere als Nebenabrede eines anderen Vertrags (Miete, Pacht, Schenkung), sie kann aber auch durch V e r m ä c h t n i s angeordnet werden (SeuffArch. 69 Nr. 127). 265

§ 504 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 5—9 Anm. 5 5. Form. Der Vertrag über die Bestellung eines persönlichen Vorkaufsrechts in Ansehung eines Grundstücks bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung nach §313, da sich durch ihn der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an dem Grundstücke dem anderen zu übertragen, wenn er darüber mit einem Dritten einen Kaufvertrag schließen und der andere das Vorkaufsrecht ausüben sollte (RG 72, 385). Anm. 6 6. V o r k a u f s f a l l und Ausübung des Vorkaufsrechts. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Eintritt des Vorkaufsfalls und dem Wirksamwerden des Vorkaufsrechts durch die rechtzeitige Erklärung des Berechtitgen, er mache von seinem Recht Gebrauch. Durch den Kaufvertrag mit dem Dritten wird dem Berechtigten zunächst nur die rechtliche Möglichkeit eröffnet, den Anspruch auf Erwerb zur Geltung zu bringen. Solange das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt ist, steht es dem Verkäufer und dem Dritten frei, Zusätze und Änderungen zum Kaufvertrag zu vereinbaren, §505 Abs. 2, soweit nicht §506 einschlägt, RG 118, 7. Anm. 7 7. A b d i n g b a r k e i t . Die Vorschriften der §§ 504—514 sind nicht zwingend, RG 104, 122. Anm. 8 8. V e r g l e i c h b a r e Fälle. a) Ankaufsrecht. Wenn das BGB nur den Vorkauf behandelt, so liegt das in der geschichtlichen Entwicklung und wirtschaftlichen Bedeutung. Die Einzelbestimmungen der §§ 504 fr sind daher der Ausdruck a l l g e m e i n e r R e c h t s g e d a n k e n für Fälle, in denen einem anderen regelmäßig auf Grund eines Vertrags das Recht zusteht, in einem mit einem Dritten geschlossenen Vertrag einzutreten, RG 123, 268; J W 1930, 3766". Das Vorkaufsrecht bedeutet mit dem Ankaufs recht verglichen ein Mehr. Daher erlischt erst recht das Ankaufsrecht mit der Zwangsvollstreckung; RG 154, 359. b) Vorhand. Um nicht beim Kaufbewerb durch andere verdrängt zu werden, kann der Kaufliebhaber mit dem künftigen Verkäufer eines Gegenstandes vereinbaren, daß er ihm die Gebote der anderen mitteilt und ihn im Falle gleich hohen Gebots vor den andern als Käufer annimmt. Wenn nur die Vorhand vor anderen Kauflustigen zugesichert wird derart, daß der Verkäufer die Ware dem Kauflustigen zu einem bestimmten Preise anbieten soll, oder „das letzte Wort geben", dann ist noch kein Vorkaufsrecht begründet (RG 31. 5. 07 III 505/06; WarnRspr. 1919 Nr. 157; HRR 1933, 193). Die Annahmefrist für ein derartiges Angebot bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften, nicht nach § 510 (WarnRspr. 1919 Nr. 157). Das Vorkaufsrecht geht erheblich weiter. Es gibt dem Berechtigten, falls es über den Gegenstand des Vorkaufs zu einem Kauf mit einem Dritten kommt, das Recht, von sich aus den Rechtszustand herbeizuführen, der einem mit ihm abgeschlossenen Kauf entspricht, und zwar, ohne daß der Verkäufer eine weitere rechtsgeschäftliche Tätigkeit zu entfalten hat, § 505 Abs. 2. Das Vorkaufsrecht ist insofern ebenfalls ein bedingtes Einlösungsrecht wie das Wiederkaufsrecht. II. Schuldrechtliches und dingliches Vorkaufsrecht Anm. 9 1. Unterschied. Das BGB unterscheidet scharf zwischen dem persönlichen schuldrechtlichen Vorkaufsrecht, das es in den §§ 504—514 regelt, und dem dinglichen Vorkaufsrecht, in den §§ 1094—1104 (RG JW 1922, 57Ö2). Ersteres ist bei allen möglichen Kaufgegenständen zulässig, letzteres nur bei Grundstücken. Uber letzteres RG 148, 107; 154, 376. 266

Kauf. Tausch

§504 Anm. 10—12

Auch für das dingliche Vorkaufsrecht wird aber in § 1098 auf die Vorschriften der §§ 504ff verwiesen, umgekehrt dagegen nicht. Das persönliche Vorkaufsrecht gilt nur für einen Verkaufsfall und verpflichtet ausschließlich den Besteller und seinen Erben; anders als das dingliche Vorkaufsrecht (§ 1097) kann es nicht für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden (RG 104, 124). Ein Vertrag über die Einräumung eines dinglichen Vorkaufsrechts bedarf gleichfalls der F o r m des § 3 1 3 (RG 110, 333; 125, 263). Dieser Vertrag ist zwar unmittelbar nur auf die Verpflichtung zur Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts gerichtet; das dingliche Vorkaufsrecht begründet nach § 1098 Abs. 1 zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten die rechtlichen Beziehungen aus dem persönlichen Vorkaufsrecht, dieses enthält aber bereits die bedingte Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Eigentums, R G 72, 392, und bedarf daher der Form des § 3 1 3 . Ein Mangel dieser Form kann aber durch Bestellung des Vorkaufsrechts, zu der gemäß §873 Einigung und Eintragung gehören, nach § 3 1 3 Satz 2 g e h e i l t werden, R G 125, 264. Wenn diese Vorschrift auch nicht wortlautgemäß auf die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts angewendet werden kann, so stellen doch Einigung und Eintragung auch hier die Erfüllung des Verpflichtungsvertrags in einem wesentlichen Punkte dar. Dagegen heilt die Eintragung einer Vormerkung beim persönlichen Vorkaufsrecht den Mangel der Form des Grundgeschäfts nicht, da Einigung und Eintragung hier nicht der Erfüllung des Verpflichtungsvertrages dienen und die Vormerkung selbst einen formgültigen Eintragungsanspruch voraussetzt, R G J W 1934, 2545-

Anm. 10

2. D a s s c h u l d r e c h t l i c h e V o r k a u f s r e c h t . a) E n t s t e h u n g s m ö g l i c h k e i t e n . Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht kann ein v e r t r a g l i c h e s , ein g e s e t z l i c h e s z. B. bei Miterben (§§ 2034fr; O L G 9, 387) und ein durch letztwillige Verfügung (durch Vermächtnis, § 1939) angeordnetes sein.

Anm. 11 b) L a n d e s r e c h t l i c h e V o r k a u f s r e c h t e . Ob die landesrechtlichen gesetzlichen Vorkaufsrechte mit dem Reichsrechte vereinbar sind, ist bestritten, sie können aber innerhalb der Vorbehalte des E G BGB begründet werden, P l a n c k - S t r e c k e r (1933) S. 902. Tatsächlich hat eine Reihe von Ländern öffentlichen oder gemeinnützigen Verbänden ein gesetzliches Vorkaufsrecht an Grundstücken eingeräumt. Die Gültigkeit wird bejaht für Sachsen vom O L G Dresden auf Grund von E G BGB Art. 1 1 9 Nr. 1 (SächsArch. 1923, 28) vgl. hierzu R G 107, 261. Verneint dagegen von S m o s c h e w e r Gruchot 67, 57 und Recht 1924 S. 234, 286, weil ein Zwangsvorkaufsrecht eine Enteignung sei. Dort werden auch die verschiedenen Landesgesetze aufgeführt. Uber das Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand nach dem Hessischen AufbauG vgl. V G H Kassel N J W 1156, 1653.

Anm. 12 c) R e i c h s r e c h t l i c h e V o r k a u f s r e c h t e . Ein reichsrechtliches Vorkaufsrecht bringt §4 Reichssiedlungsgesetz v. 1 1 . 8. 19 (RGBl 962, 1291, 1429); — vgl. dazu auch die V O über das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz v. 15. 4. 37, R G B l I, 546 — es ist ausgeschlossen bei Veräußerungen an den Ehegatten oder an Verwandte, § 6 Abs. 2, und wenn ein Heimatvertriebener unter den Voraussetzungen der §§ 4—6 des Flüchtlingssiedlungsgesetzes v. 1 0 . 8 . 49 (WiGBl 1949, 231) ein Grundstück der dort bezeichneten Art erwirbt, §8 FlüchtlSiedlG. Nach Art. 2 der V O v. 15. 4. 37 sind die landesrechtlichen Vorschriften über das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz aufgehoben. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach dem ReichssiedlG beträgt 6 Wochen (Art. 4). Dieses Vorkaufsrecht geht allen anderen Erwerbsrechten vor. Ein Verzicht des gemeinnützigen Siedlungsunternehmens auf die Ausübung des Vorkaufsrechts ist bereits vor Abschluß des förmlichen Verkaufs möglich; er folgt durch Vertrag mit dem Vorkaufsverpflichteten und hat zur Folge, daß die sonst beim wirksamen Kaufabschluß eintretende Be-

267

§ 504 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 13—16 fugnis zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entsteht; wird das Vorkaufsrecht dennoch ausgeübt, so bedarf ein die Verpflichtung zur Auflassung an das Siedlungsunternehmen bestätigendes Anerkenntnis des Vorkaufsverpflichteten der Form des §313, RG DR 1944, 31)3. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht findet sich noch in den §§ 11, 20 des Reichsheimstättengesetzes v. 10. 5. 20 idF v. 25. 11. 37 (RGBl I, 1291) für den Ausgeber der Heimstätte und in §2 Nr. 6 der VO über das Erbbaurecht 15. 1. 19 (RGBl S. 72). Anm. 13 d) Ausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte. Auch das gesetzliche Vorkaufsrecht kann nur ausgeübt werden, wenn zwischen dem Verkäufer als Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten ein rechtsgültiger Kaufvertrag geschlossen worden ist (RG 98, 47; RG 12. 10. 21 V 158/21). Anm. 14 e) Eigentumserwerb. Selbst beim dinglichen Vorkaufsrecht wird durch die Ausübung des Vorkaufs der Eigentumserwerb des Verpflichteten nicht hinfällig und der Berechtigte wird nicht ohne weiteres Eigentümer, vielmehr erhält er nur einen Anspruch auf Eigentumsübertragung (RG LZ 1912 Sp. 286). Er kann vom Vorkaufspflichtigen Auflassung verlangen, der Dritte ist gehalten, seine Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer zu geben. Wenn der Vorkaufsberechtigte infolge Fristsetzung nach Ausübung seines Vorkaufsrechts seinen Erfüllungsanspruch verloren hat, eine Übertragung des Grundstücks an ihn also nicht mehr in Frage kommt, bleibt das Eigentum beim Dritten, der es vom Vorkaufsverpflichteten erhalten hat. Anm. 15 3. Das vorgemerkte Vorkaufsrecht. Zur Sicherung des persönlichen Vorkaufsrechts kann eine Vormerkung eingetragen werden (RG 67, 48; 69, 282; 72, 392). Das vorgemerkte Vorkaufsrecht ist von dem dinglichen Vorkaufsrecht wesentlich verschieden. Es kann namentlich einen festen Preis haben (RG 104, 123). Dagegen kann ein dingliches Vorkaufsrecht mit festbestimmtem Preise weder begründet noch vorgemerkt werden (RG 104, 123; WarnRspr 1914 Nr. 50; LZ 1914, 475*). Es ist auch die Vormerkung eines persönlichen Vorkaufsrechts an einem Recht an einem Grundstück zulässig, das nicht selbst einem Grundstücke gleichsteht. Weiter kann das persönliche Vorkaufsrecht als Realrecht mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden werden. Gegenüber dem Erwerber eines Grundstücks wirkt ein vom Besitzer einem Dritten eingeräumtes Vorkaufsrecht nur dann, wenn es zur Zeit des Kaufvertrags bereits entstanden war, das dingliche Vorkaufsrecht also nur, wenn es im Grundbuch eingetragen war, §§ 873, 1094; RG 125, 262. Es ist demzufolge unerheblich, ob der Grundstückserwerber das in der Entstehung begriffene dingliche Vorkaufsrecht insbesondere den bereits gestellten Eingangsantrag gekannt hat oder nicht (RG J W 1927, 141510). III. Der Vorkaufsfall Anm. 16 1. Kauf mit einem Dritten. a) K a u f v e r t r a g . Unerläßliche Voraussetzung für den Vorkauf ist ein Kaufvertrag zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten (RG 98, 49). Der Verpflichtete kann den Vertrag mit dem Dritten nach Maßgabe seiner eigenen Interessen gestalten, er braucht keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob die bedungenen Leistungen vom Standpunkt des Vorkaufsberechtigten vertretbar sind, RG 125, 126. Die Ausübung des Vorkaufsrechts hängt nicht, wie beim Wiederkauf, vom bloßen Belieben des Berechtigten ab. 268

Kauf. Tausch

§504

Anm. 17—23 Anm. 17 Dem Verkauf aus freier Hand steht die Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g z u m Z w e c k e d e r A u f h e b u n g einer Gemeinschaft (§§ i8off Z V G ) gleich, B G H 13, 133, 136.

Anm. 18 T a u s c h v e r t r ä g e n gegenüber kann das Vorkaufsrecht auch dann nicht ausgeübt werden, wenn eine größere Barzulage ausbedungen ist ( R G 88, 3 6 1 ; 11. 3. 43 I I I 117/42). Tauschverträge zur Umgehung des Vorkaufsrechts sind sittenwidrig. Es ist aber häufig zu fragen, ob sich das Einlösungsrecht nicht auch auf Tauschverträge beziehen soll.

Anm. 19 Die Einräumung eines A n k a u f s r e c h t s ohne die Voraussetzung eines Kaufvertrags zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten erzeugt kein Vorkaufsrecht im Sinne des § 504 (RG 31. 5. 07 I I I 505/06), die Ausübung des Vorkaufsrechts findet ohne anderweitigen Kauf nicht statt.

Anm. 20 Durch Schenkung wird kein Vorkaufsrecht begründet, R G 101, 99, 101; 125, 123, 125; B G H BB 1957, 731. Auch ein Kauf, der mit Schenkung gemischt ist, erzeugt kein Vorkaufsrecht, R G 101, 9g, 101; 125, 123, 125; B G H BB 1957, 731.

Anm. 21 Die Übernahme der Verpflichtung, dem Berechtigten beim künftigen Abschluß von anderen Rechtsgeschäften als Vorkäufer die V o r h a n d zu lassen, kann nicht als Einräumung eines Vorkaufsrechts bezeichnet und behandelt werden. So nicht die Verpflichtung eines Komponisten, seinem jetzigen Verleger auch das Vorrecht auf seine künftigen Kompositionen zu lassen (RG 79, 156). Auch eine „entsprechende Anwendung" der Grundsätze über das Vorkaufsrecht auf solche Fälle ist nicht möglich.

Anm. 22 Wird der Gegenstand durch Tausch oder Schenkung, Einbringen in eine Gesellschaft, veräußert, so tritt das Vorkaufsrecht nicht in Wirksamkeit; ein etwa vertragsmäßig eingeräumtes Recht, in solchen Fällen als Käufer einzutreten, kann nicht als Vorkaufsrecht angesehen und den §§ 5 0 4 f r unterstellt werden (RG 101, 101). Uber ein Vorkaufsrecht des Verfassers gegenüber dem Verleger für den Fall der Übertragung des Verlagsrechts an einen Dritten, K u h n k e in G R U R 1935, 280.

Anm. 23 Es genügt nicht, daß das A n g e b o t des D r i t t e n vorliegt, und daß der Verkäufer seine Absicht, das Angebot anzunehmen, dem Vorkaufsberechtigten zur Erklärung mitteilt, ob er eintrete. Geschieht dies, und erklärt der Vorkaufsberechtigte, daß er das Vorkaufsrecht ausübe, so ist damit der Vorkauf im Sinne der §§ 504 ff nicht zustande gekommen. (Vgl. auch hierzu R G 79, 156.) Auf diese Weise kann aber ein Kaufzwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten an Stelle des Vorkaufs zustande kommen. Der Unterschied ist wichtig für die Frage der Form, wenn Grundstücke Kaufgegenstand sind. Denn dieser Kauf zwischen Vorkaufsberechtigten und Vorkaufsverpflichteten bedarf dann der Beurkundung durch Gericht oder Notar, während die Ausübung des Vorkaufsrechts dieser Form nicht bedarf. Die Mitteilung dieses Angebots kann aber auch nach anderer Richtung von Wichtigkeit sein. Erklärt darauf der Vorkaufsberechtigte, daß er von der Ausübung des Vorkaufsrechts k e i n e n Gebrauch machen wolle, so wird dieser Erklärung die rechtliche Wirkung eines Verzichts auf die Vorkaufsausübung nicht versagt werden können. Der Verzicht bedarf jedoch der Annahme (RG J W 1912, 858 14 ). Uber Anfechtung der Ausübung des Vorkaufsrechts SeufTArch 59 Nr. 200. Es kann endlich auch von den Parteien vereinbart werden, daß schon V o r v e r h a n d l u n g e n mit dem Dritten das Kaufrecht des Berechtigten auslösen (RG 26. 3. 15 I I I 507/14).

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§ 504 A n m . 24—29

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 24 b) D r i t t e r . Wenn der Gegenstand im Allein-Eigentum einer Person steht, ist jeder andere „Dritter". Bei gemeinschaftlicher Berechtigung (Miteigentum, ungeteilte Erbengemeinschaft) ist der einzelne Mitberechtigte auch im Verhältnis zur Gesamtheit kein Dritter, B G H 13, 1 3 3 ; B G H BB 1957, 7 3 1 . A n m . 25 2. W i r k s a m k e i t des V e r t r a g e s . Der Vorkaufsfall tritt nur durch einen formrichtig und rechtsgültig zustande gekommenen Kaufvertrag ein. Ein nichtiger Kaufvertrag bietet keine Unterlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts, R G 98, 4g; 106, 324; O G H 1, 330. Dagegen hindert die Anfechtbarkeit des vom Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrags die Ausübung des Vorkaufsrechts jedenfalls insoweit nicht, als die Anfechtung dem Dritten zusteht. Inwieweit ein Anfechtungsgrund, der dem Vorkaufsverpflichteten in der Richtung gegen den Dritten zusteht, auch das Rechtsverhältnis zum Verkaufsberechtigten beeinflußt, ist nach den besonderen Umständen des Falles zu beantworten. A n m . 26 Geschlossen ist der Kaufvertrag, auch wenn er an eine B e d i n g u n g geknüpft ist. Es besteht kein Grund, den Vorkaufsfall bei bedingtem Kaufabschluß nicht zuzulassen. Das leuchtet bei der auflösenden Bedingung ohne weiteres ein, muß aber auch für die aufschiebende gelten. Allerdings kann die Bedingung derart sein, daß nur der Käufer, nicht auch der Vorkaufsberechtigte sie erfüllen kann, und für den Fall, aber auch nur für diesen, wenn die Bedingung ernsthaft und nicht nur zur Umgehung des Rechtes gesetzt ist, mag man die Ausübung des Vorkaufsrechts wie im Fall des § 507 Satz 2 für ausgeschlossen erachten. A n m . 27 Ist zur Wirksamkeit des Kaufvertrags noch die G e n e h m i g u n g e i n e r B e h ö r d e erforderlich, liegt noch kein rechtswirksamer Vertrag vor (RG 98, 44; B G H 14, 1, 2 m. w. Nachw. = NJW 1954, 1442). Bis dahin kann der Vertrag rückgängig gemacht werden, ohne daß der Vorkaufsberechtigte daraus Rechte herleiten könnte (RG 106, 323). Bis zur Erteilung der Genehmigung besteht ein Schwebezustand. Die Bindung der Vertragsparteien wird durch Versagung der Genehmigung aufgehoben, Kaufrechte erzeugt der Vertrag erst von der Genehmigung ab (RG 98, 44, 47ff; 106, 320, 323/24;

1 1 4 , 1 1 5 , 158; 154, 370, 3 7 7 ; J W 1926, 2 6 2 8 1 1 ; 1927, 1 5 1 6 2 ; B G H 14, i [2]). Ein Vor-

kaufsrecht kann insbesondere solange nicht ausgeübt werden, als der Kauf nicht die nach den Vorschriften über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken erforderliche Genehmigung erhalten hat, B G H WM 1956, 1384. A n m . 28 IV. A u f h e b u n g des K a u f v e r t r a g e s Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Berechtigten wird nicht dadurch behindert, daß die Vertragschließenden nachträglich den Vertrag wieder aufheben, denn das ist in den Fällen des § 506 gleichzustellen. Das gilt ohne Rücksicht darauf, wann der Vorkaufsberechtigte vor dem Abschlüsse des Verkaufs Kenntnis erhalten hatte. Das gleiche gilt für den Fall der Auflösung des Kaufvertrags durch Rücktritt. Vgl. hierzu § 506. A n m . 29 V. Änderungen des K a u f v e r t r a g e s Dagegen ist der Vorkaufsberechtigte an Änderungen des Kaufvertrags, die vor Ausübung des Vorkaufsrechts vorgenommen werden, gebunden, wenn nicht wegen der Umstände der Anderungsvereinbarung §506 eingreift, R G 118, 7; vgl. aber O e r t m a n n J W 1927, 2413 Anm. 270

Kauf. Tausch

§ 504 A n m . 30—34 §505

Anm. 30 VI. Erlöschen des Vorkaufsrechts Das Vorkaufsrecht erlischt nicht durch einseitige Verzichterklärung des Vorkaufsberechtigten, vielmehr ist dazu eine vertragliche Vereinbarung, also ein Erlaßvertrag nach § 397 erforderlich ( R G J W 1912, 858; vgl. auch Anm. V I zu § 505). Eine Verzichterklärung gegenüber dem Dritten ist im Verhältnis zum Vorkaufsverpflichteten bedeutungslos; eine Zusage gegenüber dem Dritten kann den Vorkaufsberechtigten aber mit der Folge schadensersatzpflichtig machen, daß er sich dem Dritten gegenüber nicht auf seine Vorkaufsbefugnis berufen kann, R G L Z 1925, 546. Anm. 31 VII. Ausschluß des Vorkaufsrechts Das Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen im Falle a) von § 507 Satz 2, b) von § 5 1 1 , c) von § 512. Für das dingliche Vorkaufsrecht vgl. § 1058 Abs. 1. In diesen Fällen erlischt das Vorkaufsrecht, ohne daß dem Berechtigten ein Entschädigungsanspruch gegen den Verpflichteten zustünde. Kein Ausschlußgrund ist die Vereinbarung eines Höchstpreises, R G 104, 123. Anm. 32 VIII. Maklerlohn Die Ausübung des Vorkaufsrechts läßt den Anspruch des Maklers gegen den Verkäufer auf Zahlung des Maklerlohnes bestehen, R G V 512/20 21. 5. 21, nicht aber den Anspruch des Maklers gegen den Käufer, da die Vermittlung dieses Geschäfts durch Ausübung des Vorkaufsrechts ein wirtschaftlicher Mißerfolg geworden ist, R G 157, 243, vgl. auch §505 Anm. 1 1 . Anm. 33 IX. Das Vorkaufsrecht bei Miteigentum Betrifft das Vorkaufsrecht einen im Miteigentum mehrerer Personen stehenden Gegenstand, so ist die Ausübung sowohl des schuldrechtlichen wie des dinglichen Vorkaufsrechts nicht zulässig, wenn ein Miteigentümer den Gegenstand käuflich erwirbt; beim schuldrechtlichen Vorkaufsrecht ist aber eine abweichende Vereinbarung zulässig, B G H 13, 133 — N J W 1954, 1035. Veräußert eine Erbengemeinschaft ein mit dem dinglichen Vorkaufsrecht eines Dritten belastetes Nachlaßgrundstück an einen der Miterben, so kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden; das gleiche gilt im Falle der Veräußerung an eine Person, an die zuvor ein Miterbe seinen Erbanteil übertragen hatte, es sei denn, daß die Übertragung zum Zwecke der Vereitelung des Vorkaufsrechts geschehen ist, B G H BB 1957, 731. Anm. 34 X. Vormiete, Vorpacht Die Bestimmungen über den Vorkauf sind auf die Vormiete und die Vorpacht grundsätzlich entsprechend anwendbar, R G 123, 265; 126, 123; B G H L M Nr. 5 zu § 504 BGB.

§ 505 Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. E I 482 II 439; M 2 346, 347; P 2 97—100.

271

§ 505 A n m . 1—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Ubersicht

I. II. III. IV. V. VI.

Ausübung des Vorkaufsrechts Inhalt des Vorkaufs Unwirksamkeit der Ausübungserklärung Mäklerprovision Umfang gerichtlicher Nachprüfung Erlaßvertrag

Anm.

I 2—9 10 11 12 13

Anm. 1 I. Ausübung des Vorkaufsrechts Das Vorkaufsrecht wird durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten ausgeübt. Die Erklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Annahme. Durch sie kommt ein Kauf zwischen dem Verpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten zustande, dessen Inhalt, falls nichts anderes vereinbart ist, sich nach den Bedingungen des zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten geschlossenen Kaufvertrages richtet. Die Ausübungserklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form (§ 505 Abs. 1 Satz 2). Bezieht sie sich auf ein Grundstück, so ist für sie also keine gerichtliche oder notarielle Beurkundung erforderlich.

Anm. 2 II. Inhalt des Vorkaufs Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts kommt ein neuer, selbständiger Vertrag zustande, vgl. § 504 Anm. 2). Der Berechtigte tritt nicht etwa in den ursprünglichen Vertrag an Stelle des Dritten als Käufer ein und beseitigt auch nicht dessen Rechte gegenüber dem Verpflichteten, R G 67, 42; 72, 385; 109, 162; 118, 7; 121, 139; 170, 205, 213/14. Zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten entstehen nur die gleichen Rechte und Verbindlichkeiten, wie sie aus dem Kaufvertrage zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten entspringen. Der Berechtigte hat dem Verpflichteten daher auch die vom Dritten übernommenen Vertragskosten zu erstatten K G J W 1937, 1255 22 ; OLG Celle NJW 1957, 1802.

Anm. 3 Das Vorkaufsrecht erstreckt sich auf alle Bedingungen, Zeitbestimmungen und sonstigen Haupt- und Nebenverabredungen vorbehaltlich allein der Ausnahmen in den §§ 506» 507 (RG J W 1923, 10242). Das kann aber nicht dazu führen, daß der Vorkaufsberechtigte für die Rückerstattung des bereits bei Kaufabschluß gezahlten Kaufpreises Verzugszinsen zu zahlen hat, OLG Celle NJW 1957, 1802. Ist dem Dritten nur auf Probe verkauft, so ist auch der Vorkauf nur Kauf auf Probe; ist mit dem Dritten ein Rücktrittsrecht bedungen, so haftet es auch dem Vorkauf an. Die Vorschrift ist, soweit sie das persönliche V o r k a u f s r e c h t regelt, nicht zwingend (RG 170, 213/14); der Vorkaufspflichtige und der Vorkaufsberechtigte können daher unter sich auch andere Vereinbarungen treffen als die, welche der Vorkaufspflichtige mit dem Dritten getroffen hat (RG 170, 213/14). Sie können insbesondere einen festen V o r k a u f s p r e i s vereinbaren (RG J W 08, 682; R G 104, 123).

Anm. 4 Der Vorkaufspreis ist bei V e r ä n d e r u n g des Geldwertes dieser Veränderung entsprechend zu erhöhen oder zu ermäßigen, wenn die Parteien bei seiner Festsetzung von dem gleichbleibenden Wert des Geldes als Wertmesser ausgingen, wie anzunehmen ist.

Anm. 5 Auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und seinem Käufer hat die Ausübung des persönlichen Vorkaufsrechts keinen Einfluß (RG 121, 137; J W 1 9 1 1 , 448"; 1928, 1814). Es ist Sache des Vorkaufsverpflichteten, den Verkauf so einzurichten, daß ihm im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts keine Schwierigkeiten entstehen. 272

Kauf. Tausch

§505 Anm. 6—12

Anm. 6 Zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Käufer, der durch die Ausübung des persönlichen Vorkaufsrechts ausgeschlossen werden soll, bestehen auf Grund dieses Vorkaufsrechts überhaupt keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen ( R G 4. 3. 11 V 209/10). Vgl. hierzu § 506. Dem Dritten gegenüber gewährt das persönliche Vorkaufsrecht namentlich keinen Herausgabeanspruch, auch nicht, wenn er beim Erwerb des Gegenstandes das Bestehen eines Vorkaufsrechtes kannte. Nur wenn das Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen ist, gelten dem Dritten gegenüber die §§ 883 Abs. 2 und 888 Abs. 1. Auch beim d i n g l i c h e n V o r k a u f s r e c h t schließt das Recht des Vorkaufsberechtigten, seinen Erfüllungsanspruch gegen den Erwerber durchzusetzen, Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung aus § 326 gegenüber dem Verpflichteten nicht aus ( R G J W 1922, 1576 2 ).

Anm. 7 Der Vorkaufsberechtigte hat auf die Fassung der Erwerbsbedingungen keinen Einfluß, im Gegensatz zum Wiederkaufsberechtigten, der die Rückkaufsbedingungen im voraus festlegen kann ( R G J W 1923, 10242; io£!j 208; vgl. auch § 504 Anm. 3).

Anm. 8 Ist in einem G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g e i n e r G . m . b . H . die freie Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils nur insoweit beschränkt, als bei dessen Veräußerung den übrigen Gesellschaftern ein Vorkaufsrecht nach § 505 gegeben ist, so kann nicht darüber hinausgehend ein Gesellschaftsbeschluß die G.m.b.H. berechtigen, gerade den veräußerten Geschäftsanteil, dem gegenüber sie das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt hat, zum Nennwert einzuziehen. Die freie Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils ist ein Sonderrecht des neu eingetretenen Gesellschafters, das ihm nicht gegen seinen Willen genommen werden kann (ZBIFG 14, 480).

Anm. 9 Die Grundsätze über die Notwendigkeit der A u f w e r t u n g gelten auch für den Fall, daß der Kaufvertrag durch Ausübung des Vorkaufsrechts zustande kommt ( R G 106, 7; 107, 127; 107, 186; 109, 159).

Anm. 10 III. Unwirksamkeit der Ausübungserklärung Wenn der Berechtigte das Vorkaufsrecht ausübt, aber außerstande ist, den mit dem Dritten vereinbarten bar zu zahlenden Kaufpreis zu entrichten, ist die Ausübungserklärung unwirksam. Das für alle Verkaufsfälle bestellte dingliche Vorkaufsrecht bleibt dann aber für künftige Verkaufsfälle bestehen, R G 28. 1. 32 V I 434/31.

Anm. 11 IV. Mäklerprovision Verpflichtet sich der Käufer dem Verkäufer gegenüber, die ihm nach dem Mäklervertrag ohnedies obliegende M ä k l e r p r o v i s i o n zu zahlen, so kann hierdurch nicht erreicht werden, daß bei Ausübung des Vorkaufsrechts nun der Vorkaufsberechtigte die Mäklerprovision zu zahlen hat, R G D R 1939, 2107 3 , vgl. auch § 504 Anm. 32.

Anm. 12 V. Umfang gerichtlicher Nachprüfung Bei Ausübung des Vorkaufsrechts nach dem Reichssiedlungsgesetz unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung nur, ob die in § 4 RSiedlG aufgestellten Erfordernisse für die Ausübung des Vorkaufsrechts gegeben sind, nicht dagegen, ob das Siedlungsunternehmen wirklich die Absicht hat, das Grundstück zu Siedlungszwecken zu verwenden, RG 170, 209. 18

Komm. z. B G B , n . Au0. II. Bd. (Kuhn)

273

§ 505 Anm. 13 §§ 506,507

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 13 VI. Erlaßvertrag Nach Ausübung des Vorkaufsrechts kann der zum Käufer gewordene Vorkaufsberechtigte durch Vertrag mit dem Verkäufer seine Rechte aus dem Kauf wieder zum Erlöschen bringen (§ 397). Vor Eintritt des Vorkaufsfalles kann der Vorkaufsberechtigte den anderen Teil durch Erlaßvertrag von der Verpflichtung befreien, die durch die Ausübung des Vorkaufsrechts eintreten würde (RG D R 1944, 3 1 1 3 ; RG 1 1 4 , 155, 158; vgl. auch § 504 Anm. 30). Das gilt auch für den Berechtigten aus einem dinglichen Vorkaufsrecht; alsdann entsteht die sonst beim wirksamen Kaufabschluß eintretende Befugnis zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht, der vorherigen grundbuchmäßigen Aufhebung des Vorkaufsrechts (§ 875) bedarf es hierzu nicht (BGH W M 1957, 554).

§ 506 Eine Vereinbarung des Verpflichteten mit dem Dritten, durch welche der Kauf von der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abhängig gemacht oder dem Verpflichteten für den Fall der Ausübimg des Vorkaufsrechts der Rücktritt vorbehalten wird, ist dem Vorkaufsberechtigten gegenüber unwirksam. E I 481 II 440; M a 346; P a 97.

Anm. 1 Wirkung von Rücktrittsvorbehalten Die Gefahr, infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts von zwei Käufern auf dieselbe Sache in Anspruch genommen zu werden, legt dem Vorkaufsverpflichteten nahe, im Kaufvertrage mit dem Dritten für den Fall der Ausübung des Vorkaufs das Rückgängigwerden des Kaufs oder den Rücktritt vorzubehalten. Denn die Ausübung des Vorkaufsrechts beeinflußt den Rechtsstand des Kaufvertrags mit dem Erstkäufer nicht, R G 109, 162; i 3 i , 138; R G J W 1 9 1 1 , 448 14 . Das ist zum Schutze des Verkäufers zulässig, gegenüber dem Vorkaufsberechtigten aber selbst dann wirkungslos, wenn der Vorbehalt zu dem Zwecke gemacht sein sollte, die Ausübung des Vorkaufs auszuschließen. Die Vorschrift will verhindern, daß der hinsichtlich der Fassung der Kaufbedingungen machtlose Vorkaufsberechtigte durch diese Abreden um sein Vorkaufsrecht gebracht werde. Anm. 2 A n d e r e R ü c k t r i t t s v o r b e h a l t e g e h e n n a c h § 505 in d e n V o r k a u f ü b e r . Anm. 3 Einer Vereinbarung, die die Beseitigung des Vorkaufsrechts zum Gegenstand hat, ist der Fall gleichzustellen, daß die Vertragschließenden den Kaufvertrag nachträglich wieder aufheben^ R G 106, 323; 118, 8. Änderungen des Inhalts des Kaufvertrags aber, die dessen Rechtsbeständigkeit unberührt lassen, sind zulässig, soweit nicht nach Lage des Falles § 506 einschlägt, R G 118, 7; dem Vorkaufsberechtigten müssen sie aber mitgeteilt werden, § 5 1 0 Abs. 1. Erst von dieser Mitteilung ab läuft dann die Frist für die Ausübung, § 510 Abs. 2. Eine gleiche Bestimmung ist für den Wiederkauf nicht nötig ( R G J W 1923, 1024 2 ; R G 108, 228). § 506 stellt eine Ausnahme von § 505 dar, hängt mit dem Wesen des Vorkaufsrechts zusammen und findet keine entsprechende Anwendung auf das andersartige Wiederkaufsrecht.

§507 Hat sich der Dritte in dem Vertrage zu einer Nebenleistung verpflichtet, die der Vorkaufsberechtigte zu bewirken außerstande ist, so hat der Vorkaufsberechtigte statt der Nebenleistung ihren Wert zu entrichten. Läßt sich die Nebenleistung nicht in Geld schätzen, so ist die Ausübung des Vorkaufs274

Kauf. Tausch

§ 507 Anm. 1,2 § 508 Anm. 1—3

rechts ausgeschlossen; die Vereinbarung der Nebenleistung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Vertrag mit dem Dritten auch ohne sie geschlossen sein würde. E I 484 II 441; M a 348, 349; P a 100—104.

Anm. 1 Ausgleich von Nebenleistungen des Drittkäufers in Geld nach dem Schätzungswerte zur Zeit der Erfüllung. Abweichende Vereinbarung ist bei der Einräumung des Vorkaufsrechts zulässig. Die Vorschriften des § 507 sind nicht zwingend. Es kann insbesondere bestimmt werden, daß für den Vorkaufsberechtigten solche Nebenleistungen überhaupt nicht in Betracht kommen. Die Nebenleistungen müssen genügend bestimmt sein. Das ist der Fall bei Vereinbarung von Pflege und Wartung durch Verwandte. Diese ist auch nicht in Geld abschätzbar, wenn Pflege durch Fremde nicht zumutbar ist, RG 1 2 1 , 140. Anm. 2 Ausschluß der Übernahme von Nebenleistungen, insbesondere bei geringfügigen, rein persönlichen Nebenleistungen.

§ 508 Hat der Dritte den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesamtpreise gekauft, so hat der Vorkaufsberechtigte einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten. Der Verpflichtete kann verlangen, daß der Vorkauf auf alle Sachen erstreckt wird, die nicht ohne Nachteil für 139; 1912, 456; 1917, 654; Gruchot 50, 919; s. auch WarnRspr. 1920 Nr. 32, § 134 Anm.); die Nichtigkeit eines Schankpachtvertrags wegen der Kastellanabrede erstreckt sich aber nicht auf eine Hilfsvereinbarung, wodurch für den Fall einer Aufdeckung des Verstoßes der Schankbetrieb des Pächters auf erlaubtem Wege ermöglicht werden soll (RG 125, 209; s. auch § 134 Anm.). Ein Mietvertrag, bei dem die Kündigung des Vermieters dauernd ausgeschlossen sein soll, ist deshalb noch nicht sittenwidrig (RG Gruchot 59, 469; vgl. § 567). Die Vermietung eines Kellers zu Wohnzwecken ist noch nicht deswegen nichtig (§ 134), weil er nach den baupolizeilichen Vorschriften nicht dazu eingerichtet werden durfte (OLG 38, 85). Anm. 26 2. Pachtdauer. F ü r J a g d p a c h t v e r t r ä g e ist nach § 12 Abs. 3 BundesjagdG eine Pachtdauer von mindestens 9 Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Wegen der Befreiung l a n g f r i s t i g e r L a n d p a c h t v e r t r ä g e vom Pachtschutz s. Anm. 59. Anm. 27 3. Wegen der Beschränkungen hinsichtlich der Höhe der Miet- und P a c h t zinsen s. unten Anm. 32 fr. Anm. 28 4. Inhaltsänderung durch gerichtliche Entscheidung. Durch gerichtliche Gestaltungsentscheidung kann der Inhalt eines L a n d p a c h t v e r t r a g e s geändert werden, und zwar jetzt (LPG § 7) nur noch, wenn eine wesentliche Änderung der für die Festlegung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen Verhältnisse eingetreten ist und infolgedessen die gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsteile unter Berücksichtigung der ganzen Vertragsdauer in ein grobes Mißverhältnis geraten sind (vgl. Anm. 47). Anm. 29 5. Musterverträge. Für praktisch besonders wichtige typische Miet- und Pachtverhältnisse sind verschiedentlich Einheitsverträge ausgearbeitet worden. Wichtig sind hier a) für die Raummiete der von den Spitzenverbänden der Hausbesitzer und Mieter unter Leitung des Reichsjustizministeriums vereinbarte D e u t s c h e E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (abgedr. DJ 1934, 304; vgl. D ö l l e , Der deutsche Einheitsmietvertrag 1936; D a h m 1 9 3 7 ; G e h r k e 1935; B r a n d i s Grundeigentum 1934, 385 und DJ 1935, 404; E b e l RArbBl 1934 I I 143; R o q u e t t e J W 1935, 1670; G ü n t h e r Grundeigentum 1934, 185; D a h m a n n DWohnA 1934, 2 1 7 ; T r i b i u s D J 1934, 397; V o l l m e r D J 1934, 1385), der besonders den Gemeinschaftsgedanken betont, gewisse Bestimmungen, die früher in Vordrucken für Mietverträge üblich waren, als unerwünscht (,, gemißbilligte

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V o r § 535 A n m . 30, 31

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Klauseln") bezeichnet und dadurch besondere Bedeutung hat, daß die Spitzenverbände sich verpflichtet haben, ihre Organisationen zu seiner alleinigen Verwendung anzuhalten ; b) für die Miete von B a u g e r ä t e n der auf Grund des § 12 der V O über Höchstmieten für Baugeräte vom 16. 6. 1939 (RGBl I 1043) — j e d o c h nur für den räumlichen Geltungsbereich dieser V O (OGH M D R 1949, 417) — durch Anordnung des R M d. Justiz und des Reichskommissars für die Preisbildung vom 6. 6. 1940 (DRAnz. Nr. 132 vom 8. 6. 1940) rechtswirksam ( B G H 2, 176) für allgemein verbindlich erklärte Einheitsmietvertrag für Baugeräte (abgedr. bei R o q u e t t e , Mietgesetze S. 25), dessen § 1 1 Abs. 1 (Untergang des Baugeräts) besonders wichtig ist (vgl. § 536 Anm. 11); c ) für die landwirtschaftliche P a c h t die Einheitspachtverträge des früheren Reichsnährstandes (u. a. für die Verpachtung von Höfen, Einzelgrundstücken und Gartenbaubetrieben und für die Fischereiverpachtung, abgedr. bei S a u e r - W e i s s e r , R P O 2. Aufl., und P r i t s c h , Pachtnotrecht S. 471 ff), an deren Stelle heute vielfach von den Bauernverbänden oder Landwirtschaftskammern herausgegebene Musterverträge getreten sind, so z. B. die vom Bayerischen Bauernverband mit Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten herausgegebenen Einheitsverträge für die Verpachtung eines Hofes und von Pachtgrundstücken (abgedr. bei F r i e s e - K o b l e r , L P G S. i o i f f ) ; d) für die J a g d p a c h t der gemäß § 12 Abs. 6 des Reichsjagdgesetzes vom 3. 7. 1934 (RGBl I 549) idF vom 23. 4. 1938 (RGBl I 410) vom früheren Reichsjägermeister aufgestellte und zur Verwendung vorgeschriebene Musterjagdpachtvertrag (abgedr. bei P r i t s c h , Pachtnotrecht S. 493fF), der mangels Herausgabe eines neuen Vertragsmusters vielfach noch heute mit gewissen Änderungen beim Abschluß von Jagdpachtverträgen verwendet wird. A n m . 30 II. Vertragsauslegung 1. Gegenseitiger V e r t r a g . Miet- und Pachtverträge sind gegenseitige Verträge. Daher gelten, soweit sich nicht aus den besonderen Vorschriften dieses Titels (oder aus dem Vertrag selbst bei Auslegung nach Treu und Glauben, O L G 36, 65) etwas anderes ergibt, für sie auch die allgemeinen Bestimmungen über gegenseitige Verträge (§§ 320 ff), so § 323 neben §§ 536—538 (RG 89, 203; SeuffArch. 74 Nr. 168; 76, Nr. 157) und neben § 542 ( R G 62, 225), nicht neben § 552 (RG 79, 95); auch ist die Anwendung der §§ 325, 326 neben §§ 542, 553, 554 nicht ausgeschlossen ( R G 105, 167 und § 542 Anm. 3, § 553 Anm. 3). Schadensersatzpflicht des Vermieters, der eine unzulässige Kündigung aufrechterhält, aus positiver Vertragsverletzung gegenüber dem Mieter, der gezwungen ist, sich eine teurere Wohnung zu mieten ( H R R 1932 Nr. 1561). Diese Vorschriften setzen jedoch einen V e r t r a g der Beteiligten voraus und sind daher auf Miet- oder Pachtverhältnisse, die durch b e h ö r d l i c h e A n o r d n u n g begründet werden (s. Bern. 24), nicht schlechthin, sondern nur insoweit anzuwenden, als dies mit der Unfreiwilligkeit auf Seite des Vermieters zu vereinbaren ist. Vorschriften, die den Mieter für Handlungen eines Untermieters verantwortlich machen (§ 549 Abs. 2, § 553), setzen die freiwillige Überlassung des Mietgegenstandes an den Untermieter voraus und sind daher nicht anzuwenden, wenn die Untermiete zwangsweise begründet worden ist. A n m . 31 2. T r e u und Glauben. Als Schuldverhältnisse stehen Miete und Pacht unter den Auslegungsregeln der §§ 133, 157, vor allem unter dem Gebot der Beobachtung von Treu und Glauben (§ 242). In dieser Hinsicht können die Musterverträge Fingerzeige für die Auslegung geben. Hierbei fordert der Gedanke einer I n t e r e s s e n g e m e i n s c h a f t der Vertragsteile, die durch die gemeinsame Beteiligung am Miet- oder Pachtgegenstand begründet ist, Beachtung und ein besonderes Maß gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Rücksicht. Bei der Wohnungsmiete darf auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Mietwohnung regelmäßig die Heimstätte einer Familie ist und damit besondere soziale Bedeutung hat. Darüber hinaus sind u. U. die I n t e r e s s e n D r i t t e r zu berücksichtigen; so muß bei der Miete von Räumen in Miethäusern der Gedanke

338

Miete. Pacht

Vor § 535 Anm. 32

der Hausgemeinschaft (Einheitsmietvertrag § 7 Abs. 1), bei der landwirtschaftlichen Pacht im Hinblick auf die Wichtigkeit der landwirtschaftlichen Erzeugung für die Volkswirtschaft das Erfordernis einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung, bei der J a g d p a c h t die Notwendigkeit einer pfleglichen Jagdausübung (BundesJagdG § 1 Abs. 2 und 3, §§ 20—22, 23, 33) eine erhebliche Rolle spielen. Unter diesen Umständen sind Verwirkungsbestimmungen nicht immer zugunsten des Mieters auszulegen ( R G 82, 50). Dagegen verlangen Treu und Glauben, daß strenge Haftungsbestimmungen, die ohne j ede Rücksicht auf den Mieter formularmäßig von den Vermietern den Verträgen eingefügt werden, in einer die Interessen des Mieters möglichst schonenden Weise ausgelegt werden (RGJW 1 9 1 1 , 400 7 ; L Z 1916, 1 1 8 7 1 0 ) . Auslegung bei widerspruchsvoller Ausfüllung eines Mietvertragsformulars bez. der Mietdauer s. SeuffArch. 71 Nr. 1 3 7 . Gültigkeit des Mietvertrages bei Abweichung beider Vertragsexemplare R G WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 43. Mündliche Abreden als Auslegungsmittel R G WarnRspr. 1 9 1 9 Nr. 49. Auch die Ausübung des vertraglichen Kündigungsrechts, zumal bei langfristigen Verträgen, die ein besonderes Treueverhältnis begründen, steht unter dem Gebot von T r e u und Glauben und unter dem Gemeinschaftsgedanken. Wenn z. B. der Verpächter ein Pachtverhältnis vertragsmäßig kündigt, weil der nach dem Umsatz des Pächters bemessene Pachtzins unter der bestimmten Summe geblieben ist, diese Kündigung aber erst am letzten T a g e der Frist vornimmt, innerhalb deren der Pächter durch Nachzahlung des Unterschiedes die Kündigung ausschließen oder unwirksam machen könnte, so kann der Pächter noch durch alsbaldige Nachzahlung nach Ablauf der Frist die Kündigung hinfällig machen ( R G 150, 232).

Anm. 32 D. Vorschriften über Miet- und Pachtzinsen I. Grundstücksmiete und gewerbliche Pacht (vgl.

insbesondere R o q u e t t e , Mietrecht, 4. A u f l . 1954; K i e f e r s a u e r - G l a s e r - B r u m b y , Grundstücksmiete, 8. Aufl. 1958).

1. Entwicklung von 1922 bis 1948 a) Gesetzliche Miete. Bei der M i e t e

eines G e b ä u d e s oder G e b ä u d e t e i l e s (mit gewissen Ausnahmen, insbesondere für Bauten, die nach dem 1. 7. 1 9 1 8 bezugsfertig geworden oder durch U m b a u gewonnen sind, für Geschäftsräume und für Untermietverhältnisse) konnte nach dem Reichsmietengesetz vom 24. 3. 1922 ( R G B l I 273, Neufassung vom 2 0 . 4 . 1936, R G B l I 380; § 6 Abs. 4 erweitert durch Ges. vom 15. 1. 1 9 4 1 , R G B l I 3 7 ; A u s f V O vom 2 0 . 4 . 1936, R G B l I 383, geändert durch V O vom 8. 4. 1 9 4 1 , R G B l I 207) j e d e r V e r t r a g s t e i l dem anderen gegenüber — j e d o c h grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres seit Bestehen der Mietzeit — sich schriftlich auf die gesetzliche Miete mit der Wirkung berufen, daß von dem ersten Termin ab, zu dem nach § 565 B G B gekündigt werden konnte, die gesetzliche Miete an die Stelle des vereinbarten Mietzinses trat, auf Verlangen des anderen Vertragsteils der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen galt und die Verpflichtung zur Tragung der Betriebskosten und zur Instandhaltung sich nach B G B (§§ 526, 546, 548) richtete. Die gesetzliche Miete wurde von den obersten Landesbehörden in einem Hundertsatz der Friedensmiete festgesetzt, d. h. des für die mit dem 1. 7. 1914 beginnende Mietzeit vereinbarten oder damals ortsüblich gewesenen Mietzinses. Für bauliche Veränderungen, die den Gebrauchswert erhöhten, konnte der Vermieter eine Zusatzmiete beanspruchen. Streitigkeiten entschied das Mieteinigungsamt. Die obersten Landesbehörden konnten anordnen, daß bestimmte Gemeinden oder Arten von Mieträumen von den Vorschriften des R M G ausgenommen werden oder eine höhere als die gesetzliche Miete nicht neu vereinbart werden darf. Das R M G hat durch die Preisbildungsvorschriften (Anm. 33) seine schon früher stark verringerte Bedeutung fast völlig verloren und ist nebst den zu ihm ergangenen Vorschriften durch § 41 des 1. Bundesmietengesetzes vom 27. 7. 1955 (BGBl I 458) mit Wirkung vom 1. 8. 1955 ab auch formell aufgehoben worden; nur die zu § 6 R M G (notwendige Instandsetzungsarbeiten) erlassenen Ausführungsvorschriften der Länder sind vorläufig noch in K r a f t geblieben.

339

V o r § 535 A n m . 33—35

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 33 b) Preisrechtlich zulässige Miete. Nach der V O über das Verbot von Preiserhöhungen ( P r e i s s t o p V O ) vom 26. 1 1 . 1 9 3 6 (RGBl I 955) sind Preiserhöhungen für Güter und Leistungen jeder Art rückwirkend vom 18. 10. 1936 ab verboten; soweit aus volkswirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung besonderer Härten eine Ausnahme dringend erforderlich erscheint, können der Reichskommissar für die Preisbildung (jetzt Bundesminister für Wirtschaft) oder die von ihm beauftragten Stellen Ausnahmen zulassen oder anordnen. Unter die „Leistungen jeder Art" fallen auch die Miet- und Pachtzinsen. Vgl. hierzu für die M i e t z i n s b i l d u n g AO des R K f.d.Preisbildung Nr. 184/37 vom 12. 12. 1937 (MittBl.d.RK.f.d.Preisbildung vom 15. 12. 1937, Sondernummer) — teilweise aufgehoben durch § 20 Nr. 1 der V O P R 71/51 vom 2 9 . 1 1 . 1951 (BGBl I 920), vgl. Anm. 36 — und A V d. R J M vom 5. 4. 1938 (DJ 536). Die preisrechtlich zulässige Miete gilt zugunsten sowohl des Mieters wie des Vermieters. Beantragt der Mieter oder Pächter Festsetzung des Miet- oder Pachtzinses, so liegt darin keine Verletzung der Treuepflicht, auch keine positive Vertragsverletzung; ebensowenig kann daraus ein Wegfall der Geschäftsgrundlage hergeleitet werden (RG 161, 267). Gegen die Zulassung einer Mietzinserhöhung durch die Preisbehörde kann der Mieter Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben (Hamb. O V G BB 1950, 603). Ob eine Miet- oder Pachtzinsvereinbarung gegen die PreisstopVO verstößt, haben die ordentlichen Gerichte nachzuprüfen; sie dürfen aber nicht die Höhe der preisrechtlich zulässigen Vergütung selbst ermitteln, wenn Preisbehörden und Verwaltungsgerichte darüber nicht entschieden haben oder die Entscheidung sogar ablehnen (BGH L M Nr. 8 PreisstopVO). Keine Anwendung findet die PreisstopVO auf Vereinbarungen über die Höhe des Miet- oder Pachtzinses, wenn es sich um die erste Vermietung oder Verpachtung von Räumen, die durch Neubau oder Wiederaufbau zerstörter Gebäude gewonnen werden (BGH L M Nr. 5 PreisstopVO), oder um die erstmalige Verpachtung bisher landwirtschaftlich genutzter Grundstücke für industrielle Zwecke (BGH L M Nr. 8 PreisstopVO) handelt. A n m . 34 c) H ö c h s t m i e t e . Für die V e r m i e t u n g und Verpachtung von G r u n d s t ü c k e n u n d R ä u m e n jeder A r t (einschließlich der Preise für Ubernachtungen) sind nach § 1 Nr. 7 der AO des Verwaltungsrats des Wirtschaftsrats des Ver. Wirtschaftsgebiets über P r e i s b i l d u n g und P r e i s ü b e r w a c h u n g n a c h der W ä h r u n g s r e f o r m vom 25.6. 1948 (WiGBl 61) idF der AO vom 27. 12. 1948 (WiGBl 1949, 12) die geltenden Preisvorschriften als Höchstpreisvorschriften anzuwenden. Das bedeutet, daß sie jetzt nur noch den Mieter gegen Überhöhung des Mietzinses schützen. Sonderregelungen wurden für das Ver. Wirtschaftsgebiet durch Anordnungen der Verwaltung für Wirtschaft getroffen, und zwar über W o h n r a u m m i e t e n auf dem L a n d e (PR 29/47 vom 18. 1 1 . 1947 idF d. RdErl P R 8/49 vom 21.5.1949, VfWMBl II58), über Höchstpreise bei U n t e r v e r m i e t u n g e n von W o h n r a u m (PR 111/47 vom 18. 1 1 . 1947, VfWMBl 320), — diese AO idF der AO P R 60/49 vom 20. 7. 1949 (VfWMBl I I 90) ist auch für das übrige Bundesgebiet in Kraft gesetzt (PR 83/50 vom 22. 12. 1950, BAnz 1951 Nr. 22 vom 1. 2. 1951), aber teilweise aufgehoben und ersetzt worden durch V O P R 71/51 §§ 7—12 (vgl. Anm. 40) — und über die Vergütung für die B e n u t z u n g von R ä u m e n des B e h e r b e r g u n g s g e w e r b e s zu D a u e r w o h n z w e c k e n (PR 115/48 vom 8. 10. 1948, VfWMBl I I 173), seit 1. 7. 1953 ersetzt durch V O P R 15/53 vom 12. 6. 1953 (BAnz Nr. 116). A n m . 35 2. A u f l o c k e r u n g der Mietpreisbindung a) Befreiung von der P r e i s b i n d u n g aa) Erstes W o h n u n g s b a u g e s e t z vom 24. 4. 1950 (BGBl I 83), neugefaßt durch Bekanntmachung vom 25. 8. 1953 (BGBl I 1047) mit Änderungen (§§ 1 1 , 41) und Ergänzungen (§5oa) durch § 1 2 4 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27.6. 1956 (BGBl I 523). Es leitete die allmähliche Auflockerung der bisherigen starren Mietpreis-

340

Miete. Pacht

Vor § 535

Anm. 36—3»

bindung ein, indem es frei finanzierte (§ 42 Abs. 2, § 46), d. h. ohne Einsatz öffentlicher Mittel (§ 3 Abs. i, vgl. Anm. 43) und ohne Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen (§42 Abs. 1, vgl. Anm. 45) geschaffene W o h n u n g e n , die n a c h d e m 3 1 . 12. 1 9 4 9 b e z u g s f e r t i g geworden sind, mit W i r k u n g v o m 2 7 . 4. 1 9 5 0 a b von jeder Preisbindung befreite und damit die Festsetzung des Mietpreises insoweit der freien Parteivereinbarung überließ ( M a r k t m i e t e , vgl. auch § 87 2. WohnBauG).

Anm. 36 bb) YO P R Nr. 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreis-

r e c h t s vom 29. 11. 1951 (BGBl I 920). Diese hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit lebhaft umstritten gewesene, aber durch § 23 Nr. 1 G R M G nachträglich vom Gesetzgeber sanktionierte Verordnung stellte mit Wirkung v o m 1. 12. 1 9 5 1 a b von jeder Preisbindung frei a a a ) die V e r m i e t u n g von W o h n r a u m , der in der Zeit v o m 2 1 . 6. 1 9 4 8 b i s

31. 12. 1949 bezugsfertig geworden und ohne öffentliche Darlehen oder Zu-

s c h ü s s e geschaffen worden ist, sofern nicht auf Grund Landesgesetzes Ermäßigung oder Erlaß der Grundsteuer beansprucht (vgl. § 8 1. WohnBauG) oder für Arbeiterwohnstätten eine Grundsteuerbeihilfe gewährt wird (GrundsteuerG § 29), ferner, wenn und solange nicht die Miete zur Schaffung des Wohnraums ganz oder teilweise vorausbezahlt oder mit den Rückzahlungen eines zur Schaffung des Wohnraums geleisteten Mieterdarlehns zu verrechnen ist oder ein Mietverhältnis mit einem Mieter besteht, von dem oder für den zur Schaffung des Wohnraums ein Baukostenzuschuß von mehr als einer Jahresmiete geleistet oder erstattet worden ist, oder die Einhaltung einer bestimmten Miethöhe bei der Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen zur Schaffung des Wohnraums vereinbart worden ist ( § 6 V O P R 7 1 / 5 O ; bbb) die G e w ä h r u n g von Ü b e r n a c h t u n g e n , unbeschadet des § 6 der V O über Preisauszeichnungen i d F vom 6. 4. 1944, R G B l I 98 ( V O P R 7 1 / 5 1 § 1 7 ) .

Anm. 37

c c ) G e s c h ä f t s r a u m m i e t e n g e s e t z vom 25. 6. 1952 (BGBl I 338), geändert durch Ges. vom 26. 12. 1954 (BGBl I 503), § 36 i . B M G vom 27. 7. 1955 (BGBl I 458), Gesetze vom 25. 12. 1955 (BGBl I 866) und vom 2 8 . 3 . 1956 (BGBl I 159). Nach den §§ 1 — 4 dieses Gesetzes, die den Abschnitt V der V O P R 7 1 / 5 1 ersetzen (§ 23 Nr. 1 G R M G ) , unterliegen V e r m i e t u n g und V e r p a c h t u n g v o n G e s c h ä f t s r ä u m e n u n d

gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken mit Wirkung vom 1.12.1951

a b nicht mehr den Preisvorschriften. Wohnungen, bei denen mehr als die Hälfte der Wohnfläche anderen als Wohnzwecken dient, stehen Geschäftsräumen gleich, ebenso selbständig vermietete Teile von Wohnungen (§ 2 Abs. 2); wird nicht mehr als die Hälfte der Wohnfläche einer den Preisvorschriften unterliegenden Wohnung zu anderen als Wohnzwecken benutzt, so darf zu der für Wohnraum zulässigen Miete ein Zuschlag erhoben werden, der der wirtschaftlichen Mehrbelastung des Vermieters entspricht (§ 2 Abs. 3). Sind gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke wegen ihres wirtschaftlichen oder Geschäftsräume wegen ihres räumlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Wohnräumen, die bei selbständiger Vermietung den Preisvorschriften unterliegen würden, zugleich mit diesen vermietet oder verpachtet, so werden auch die Wohnräume von den Preisvorschriften ausgenommen. Das gilt nicht, wenn der Miet- oder Pachtwert der Geschäftsräume oder unbebauten Grundstücke geringer ist als der Mietwert der Wohnräume; in diesem Falle unterliegen auch die Geschäftsräume oder unbebauten Grundstücke den Preisvorschriften, doch hat dann die Preisbehörde eine Mieterhöhung bis zur Höhe der ortsüblichen Miete für Geschäftsräume oder gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke gleicher Art und L a g e zuzulassen; bei Mietverhältnissen, die vor dem 1. 12. 1951 begründet worden sind, bleibt eine nach diesem Zeitpunkt eingetretene oder eintretende Änderung des Mietwertes außer Betracht (§ 3 G R M G idF des § 36 1. B M G ) .

Anm. 38

b) Änderung der Mieten bei preisgebundenem Wohnraum

a a ) Nach der VO P R 7 1 / 5 1 (Anm. 36) richtet sich die Berechnung der Miete f ü r

preisgebundenen Wohnraum, der nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert 341

V o r § 535 A n m . 39—41

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

worden ist, danach, wann der Wohnraum b e z u g s f e r t i g geworden ist. Hier gilt grundsätzlich die folgende Regelung (§ i, wegen der Einzelheiten s. §§ 2 und 3 der VO, geändert durch V O PR 78/52, BAnz Nr. 250 vom 30. 12. 1952): aaa) Bei Wohnraum, der bis z u m 17. 10. 1936 b e z u g s f e r t i g geworden ist, darf die Miete nicht unter die an diesem Tage zu entrichten gewesene Miete (Sticht a g s m i e t e ) herabgesetzt werden; bei späterer Änderung der preisrechtlich zulässigen Höchstmiete tritt die geänderte Höchstmiete an die Stelle der Stichtagsmiete. bbb) Ist der Wohnraum n a c h d e m 17. 10. 1936 b e z u g s f e r t i g geworden, so entsprechen der Stichtagsmiete aaaa) bei Wohnraum, der in der Zeit v o m 18. 10. 1936 bis 8. 5. 1945 b e z u g s fertig geworden ist, ein Mietbetrag, der sich aus einer besonders geregelten Ertragsberechnung (Erlasse des RArbMin vom 15. 6. 1937, RArbBl I 162, und vom 25. 5. 1940, RArbBl I 291) ergibt (Ertragsmiete); bbbb) bei Wohnraum, der in der Zeit v o m 9. 5. 1945 bis 20. 6. 1948 b e z u g s fertig geworden ist, 1 1 0 % der Miete für vergleichbaren Wohnraum nach dem Stande vom 17. 10. 1936; cccc) bei Wohnraum, der in der Zeit v o m 21. 6. 1948 b i s 31. 12. 1949 b e z u g s f e r t i g geworden und nicht von den Preisvorschriften freigestellt worden ist (Anm. 36 zu aaa), ein Mietbetrag, der sich aus der Ertragsmiete unter Berücksichtigung der tatsächlichen, angemessenen Baukosten und angemessenen Bewirtschaftungskosten im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes ergibt, höchstens aber 1 5 0 % der Miete f ü r vergleichbare Neubauwohnungen nach dem Stande vom 17. 10. 1936. A n m . 39 bb) A u s g l e i c h von Mehrbelastungen aaa) Vermieter oder Verpächter bebauter Grundstücke dürfen Grundsteuere r h ö h u n g e n , die auf einer Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes nach dem 31. 3.1945 beruhen, auf die Mieter oder Pächter umlegen. Wegen der Einzelheiten s. A O P R 72/49 über den Ausgleich von Grundsteuer- und Gebührenmehrbelastungen des Hausbesitzes idF vom 29. 11. 1951 (Anlage zur V O PR 71/51, BGBl I 924). bbb) Vermieter von W o h n r a u m dürfen die Kosten des W a s s e r v e r b r a u c h s auf die Mieter umlegen (Einzelheiten s. V O P R 71/51 §5). A n m . 40 cc) U n t e r m i e t z u s c h l ä g e . In Abänderung der AO P R m / 4 7 über Höchstpreise bei Untervermietung von Wohnraum vom 18. 11. 1947 (VfWMBl 320) idF der A O P R 60/49 v o m 2 0 - 7- ! 949 (VfWMBl II 90) bestimmt die V O P R 71/51 in den §§7—12: Die Miethöhe bei Untervermietung von preisgebundenem Wohnraum (jedoch nicht von leeren Wohnungen als räumlich und wirtschaftlich selbständigen Einheiten) unterliegt der freien Vereinbarung, solange der Hauptmieter oder der Untermieter nicht der Preisbehörde gegenüber schriftlich erklärt, daß die Höhe der Untermiete nach den Vorschriften der AO PR 111 \ \ 1 berechnet werden solle. Bei frei vereinbarter Untermiete darf die Hauptmiete um einen Untermietzuschlag in Höhe von 2 0 % — bei selbständiger Haushaltsführung des Untermieters mit seiner Familie in den untervermieteten Räumen 5 % — der anteiligen Leerraummiete erhöht werden. A n m . 41 dd) A l t w o h n u n g s m i e t e n . Nach der VO P R 72/52 über einen a l l g e m e i n e n Mietzuschlag bei W o h n r a u m des A l t h a u s b e s i t z e s vom 27. 9. 1952 (BGBl I 648) darf die Miete für Wohnraum, der vor d e m 1. 4. 1924 b e z u g s f e r t i g geworden ist, v o m 1. 10. 1952 ab grundsätzlich unter Berücksichtigung gewisser Abzüge um einen Zuschlag von 10% zu der Miete erhöht werden, die für die letzte Mietzeit vor dem 1. 10. 1952 in preisrechtlich zulässiger Weise vereinbart war (vgl. hierzu RdErl vom 24. 2. 1953, BAnz Nr. 40 vom 27. 2. 1953). Die §§ 2, 3 G R M G (Bern. 37) sind entsprechend anwendbar.

342

Miete. Pacht

Vor § 535 A n m . 42

A n m . 42 3 . Neuregelung d u r c h d a s E r s t e B u n d e s m i e t e n g e s e t z vom 27. 7. 1955 (BGBl I 458). Nach diesem Gesetz gelten v o m 1. 8. 1 9 5 5 a b für die M i e t e von p r e i s g e b u n d e n e m W o h n r a u m in großen Zügen die folgenden Grundsätze: a ) Die Miete für preisgebundenen, b i s z u m 3 1 . 12. 1 9 4 9 b e z u g s f e r t i g gewordenen Wohnraum ist in der Höhe preisrechtlich zulässig, die sich aus der letzten vor dem 1. 1. 1955 zustande gekommenen Vereinbarung ergibt. Ist diese Miete vor dem 1. 8. 1955 durch die Preisbehörde herabgesetzt worden, so tritt an ihre Stelle die herabgesetzte Miete; ist eine höhere Miete preisrechtlich zulässig, so gilt diese. War die Mietvereinbarung vor dem 1. 8. 1955 preisrechtlich unzulässig, so ist sie vom 1. 8. 1955 ab wirksam, es sei denn, daß die Miete durch die Preisbehörde herabgesetzt worden ist. Die aus der letzten vor dem 1. 1. 1955 zustande gekommenen Vereinbarung sich ergebende Miete kann auf Antrag des Mieters von der Preisbehörde bis zu der nach den bisherigen Vorschriften preisrechtlich zulässigen Miete herabgesetzt werden, wenn sie diese um mehr als 1 0 % übersteigt; der Antrag konnte jedoch nur bis zum 31. 12. 1955 gestellt werden, es sei denn, daß die Miete die nach den bisherigen Vorschriften zulässige Miete um mehr als 3 3 1 I 3 % übersteigt ( § 2 ) . Wird nach dem 31. 7. 1955 oder wurde in der Zeit zwischen dem 1. 1. und dem 1 . 8 . 1955 eine höhere als die preisrechtlich zulässige Miete vereinbart, so gilt die vereinbarte Miete insoweit als preisrechtlich genehmigt, als sie die preisrechtlich zulässige Miete um nicht mehr als 33 1 /s% übersteigt ( § 3 ) . b ) Die Miete für preisgebundenen, b i s z u m 2 0 . 6. 1948 b e z u g s f e r t i g gewordenen Wohnraum darf um einen Zuschlag von 1 0 % erhöht werden (§ 5), ferner um weitere 5 %, wenn es sich um eine abgeschlossene Wohnung mit Anschlußmöglichkeiten für Gas- oder Elektroherd, neuzeitlichen und betriebsfähigen sanitären Anlagen innerhalb der Wohnung, einschließlich einer Badeeinrichtung mit zentralem oder besonderem Warmwasserbereiter, und mit Keller oder entsprechendem Ersatzraum handelt, oder um 10%, wenn die abgeschlossene Wohnung außerdem eine betriebsfähige Sammelheizung (Zentral- oder Etagenheizung) aufweist ( § 6 ) . Ergibt sich aus den zugelassenen Mieterhöhungen kein Mietertrag, der zur Deckung der Beträge für Betriebs-, Instandsetzungs- und Verwaltungskosten und das Mietausfallwagnis sowie der im Vergleichszeitpunkt (17. 10. 1936 oder späterer Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit) in der Miete enthaltenen Beträge für Kapitalkosten und Abschreibung erforderlich ist ( K o s t e n v e r g l e i c h s m i e t e , vgl. V O über die Errechnung der Kostenvergleichsmiete für preisgebundenen Wohnraum nach dem 1. B M G vom 21. 12. 1956, BGBl I 994), so ist eine anteilige Erhöhung der Mieten bis zu diesem Betrage zulässig, soweit ihr die Mieter zustimmen oder wenn die Preisbehörde die Kosten Vergleichsmiete genehmigt; übersteigt diese die sonst nach diesem Gesetz zulässige Miete um nicht mehr als 5 % , so ist die Genehmigung der Preisbehörde unzulässig ( § 8 ) . c ) Wohnraum, der in der Zeit z w i s c h e n d e m 2 1 . 6. 1 9 4 8 u n d d e m 3 1 . 12. 1 9 4 9 b e z u g s f e r t i g geworden ist, unterliegt nur dann den Preisvorschriften, wenn er mit öffentlichen Mitteln ( § 3 1 . WohnBauG idF vom 25. 8. 1953, s. Anm. 43, 44) geschaffen oder für ihn auf Grund eines gemäß § 8 1 . WohnBauG ergangenen Landesgesetzes oder entsprechender Vorschriften der Länder oder Gemeinden Ermäßigung oder Erlaß der Grundsteuer in Anspruch genommen oder, soweit es sich um Arbeiterwohnstätten handelt, eine Grundsteuerbeihilfe gewährt wird; in diesen Fällen darf die Miete bis zu dem Betrag erhöht werden, der für die Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist ( K o s t e n m i e t e ; für ihre Ermittlung ist die Mieten Verordnung vom 20. 11. 1950 sinngemäß anzuwenden, vgl. auch § 29 Abs. 2 der NeubaumietenVO vom 17. 10. 1957). Entsprechendes gilt für den mit öffentlichen Mitteln geförderten und n a c h d e m 3 1 . 1 2 . 1 9 4 9 b e z u g s f e r t i g gewordenen preisgebundenen Wohnraum, für den die öffentlichen Mittel vor dem 25. 8. 1953 bewilligt worden sind, wenn eine Miete festgesetzt oder als zulässig anerkannt worden ist, die hinter der nach dem 1. WohnBauG vom 24. 4. 1950 und der MietenVO zugelassenen Richtsatzmiete (s. Anm. 43 zu aaa) zurückbleibt (§ 10 idF des § 116 des 2. WohnBauG, § 11). 23

Komm. 2. BGB, Ii. Aufl. II. Bd. (Pritsch)

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V o r § 535 A n m . 42 a—42 c

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

d) In gewissen Fällen (unzulängliche Wohnungen, Überschreitung von 130% des Mietrichtsatzes nach § 29 Abs. 1 des 1. WohnBauG) sind Mieterhöhungen auf Grund des 1. BMG u n z u l ä s s i g (§§ 12, 13). e) Uber Mieterhöhungen bis zur Höhe der preisrechtlich zulässigen Miete s. §§ 18 ff. 1. B M G (dazu B G H L M Nr. 1 zu § 18 1. B M G ; B G H NJW 1958, 586). Uber die Zulässigkeit von Finanzierungsbeiträgen (Abstandsleistungen) s. § 29 1. BMG (dazu B G H 26, 78; B G H L M Nr. 1 zu § 29 1. B M G ; Nr. 20 zu § 134 BGB). f) Die in den bisherigen Mietpreisvorschriften enthaltenen S t r a f v o r s c h r i f t e n sind vom 1. 8. 1955 an nicht mehr anzuwenden; im übrigen sind die bisherigen Mietpreisvorschriften, insbesondere die Verordnungen P R 71/51 (Anm. 36, 38—40) und P R 72/52 (Anm. 41) bis zu ihrer Aufhebung weiterhin anzuwenden, soweit im i . B M G nichts anderes bestimmt ist (§42). Anm. 42a 3 a . N a c h t r a g : Altbaumietenverordnung Während der Drucklegung dieses Kommentars ist die VO über den M i e t p r e i s für den b i s z u m 31. D e z e m b e r 1949 bezugsfertig g e w o r d e n e n W o h n r a u m (AltbaumietenVO — AMVO) vom 23. 7. 1958 (BGBl I 549) verkündet worden, die mit Wirkung v o m 1. 8. 1958 ab für das Bundesgebiet ohne das Saarland (und ohne Geltung für Berlin) die Mietpreise für preisgebundenen W o h n r a u m , der b i s z u m 31. 12. 1949 b e z u g s f e r t i g geworden ist, neu regelt. Hiernach gilt jetzt vor allem folgendes: Anm. 42b a) Außerkrafttretende u n d weitergeltende Vorschriften (§ 45) aa) A u ß e r Kraft treten Vorschriften, die der A M V O entgegenstehen oder entsprechen; insbesondere werden u. a. aufgehoben aaa) die PreisstopVO vom 26. 1 1 . 1 9 3 6 (RGBl I 955, s. Anm. 33), soweit sie Wohnraum betrifft, der bis zum 3 1 . 12. 1949 bezugsfertig geworden ist; bbb) der Runderlaß des Reichskommissars für die Preisbildung Nr. 184/37 vom 12. 12. 1937 betr. Preisüberwachung und Preisbildung bei Mieten (MittBl d. R K f. d. Preisbildung vom 15. 12. 1937, Sondernummer; s. Anm. 33); ccc) die Anordnung PR 111/47 vom 18. 1 1 . 1947 über Höchstpreise bei der UnterVermietung von Wohnraum (VfWMBl 320; s. Anm. 40); ddd) die Anordnung PR 72/49 idF vom 29. 1 1 . 1951 (BGBl I 924; s. Anm. 39 zu aaa); eee) die V O P R 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29. 1 1 . 1951 (BGBl I 920; s. Anm. 36, 38); f f f ) die V O P R 72/52 über einen allgemeinen Mietzuschlag bei Wohnraum des Althausbesitzes vom 27. 9. 1952 (BGBl I 648; s. Anm. 41). bb) Weiterhin anzuwenden sind aaa) die V O P R 15/53 über die Vergütung für die Benutzung von Räumen des Beherbergungsgewerbes zu Dauerwohnzwecken vom 1 2 . 6 . 1953 (BAnz Nr. 1 1 6 vom 20. 6. 1953; s. Anm. 34); bbb) die V O vom 21. 12. 1956 über die Errechnung der Kosten Vergleichsmiete für preisgebundenen Wohnraum nach dem 1. B M G (BGBl I 994; s. Anm. 42 zu b); ccc) Anordnungen nach § 5 Abs. 6 der V O P R 71/51 (Anm. 39 zu bbb) und nach § 6 Abs. 1 und 2 der Anordnung P R 72/49 (Anm. 39 zu aaa); sie treten jedoch am 3 1 . 3. 1959 außer Kraft, soweit sie den Vorschriften der A M V O widersprechen. Anm. 42c b) P r e i s g e b u n d e n e r W o h n r a u m (§3). Hier ist zu unterscheiden zwischen aa) Wohnraum, der bis z u m 20. 6. 1948 b e z u g s f e r t i g geworden ist: er unterliegt schlechthin den Preisvorschriften; bb) Wohnraum, der in der Zeit v o m 21. 6. 1948 b i s 31. 12. 1949 b e z u g s fertig geworden ist: er unterliegt den Preisvorschriften nur unter den in Anm. 42 zu c) angeführten Voraussetzungen.

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Miete. Pacht

Vor § 535

Anm. 42 d—f

Im übrigen gelten die Ausnahmevorschriften des § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 und 2, § 4 G R M G (Anm. 37).

Anm. 42 d c) P r e i s r e c h t l i c h z u l ä s s i g e M i e t e ist die Miete, die sich aus der Stichtagsmiete und den in der A M V O genannten Mieterhöhungen und -herabsetzungen sowie unter Berücksichtigung der Vorschriften des 1. B M G ergibt; ihre Überschreitung ist unzulässig, soweit nicht nach § 3 des 1. B M G (Anm. 42 zu a) eine höhere Miete als genehmigt gilt (§ 2). aa) S t i c h t a g s m i e t e ist hier (anders als nach der V O P R 71/51, s. Anm. 38) die Miete, die sich aus der letzten vor dem 1. 1. 1955 zustande gekommenen Vereinbarung ergibt, auch wenn sie erst mit dem Inkrafttreten des 1. B M G preisrechtlich zulässig geworden ist (§ 5). War Wohnraum zwischen dem 17. 10. 1936 und dem 1. 1. 1955 nicht vermietet, so gilt als Stichtagsmiete die ortsübliche Grundmiete (d. h. die Grundmiete für vergleichbaren Wohnraum in der Gemeinde nach dem Stande vom 3 1 . 12. 1954) zuzüglich der zulässigen Umlagen und Zuschläge nach dem Stande vom 3 1 . 1 2 . 1 9 5 4 (§ 7). bb) G r u n d m i e t e ist die Stichtagsmiete abzüglich der Umlagen für Wasserverbrauch, der Betriebskosten zentraler Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen, der Umlagen für laufende Mehrbelastungen seit dem 1 . 4 . 1945, der Untermietzuschläge und der Zuschläge wegen Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken; gilt die Kostenvergleichs- oder die Kostenmiete (Anm. 42 zu b und c, Anm. 42 i und k), so tritt diese (nach Abzug etwaiger Beträge für die Betriebskosten zentraler Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen) an die Stelle der Grundmiete (§6).

Anm. 42e d) Mieterhöhungen i m einzelnen Fall aus besonderen Gründen

aa) Ist die Stichtagsmiete niedriger als die am 3 1 . 12. 1954 preisrechtlich zulässige Miete, so ist ihre Erhöhung um den Unterschiedsbetrag ohne Genehmigung der Preisbehörde zulässig (§ 10). b b ) Ist bei Wohnraum, der bis zum 20. 6. 1948 bezugsfertig geworden ist, mit Rücksicht auf die Person des Mieters die Stichtagsmiete niedriger als die ortsübliche Grundmiete zuzüglich der zulässigen Umlagen und Zuschläge nach dem Stande vom 3 1 . 12. 1954 (Anm. 42d zu aa), so hat die Preisbehörde auf Antrag des Vermieters, der grundsätzlich nur innerhalb von 6 Monaten nach Wegfall der Gründe für die Vereinbarung einer geringeren Miete gestellt werden kann, eine Mieterhöhung um den Unterschiedsbetrag zu genehmigen (§ 1 1 ) . cc) Eine jährliche Mieterhöhung hat die Preisbehörde auf Antrag unter gewissen Voraussetzungen zu genehmigen bei baulichen Verbesserungen, Einrichtungen, Aufwendungen des Vermieters nach dem 3 1 . 12. 1954 für den Ausbau einer Verkehrsfläche oder die Anlage der Kanalisation und bei Hausanschlüssen an Versorgungsleitungen, soweit die Kosten und Aufwendungen vom Vermieter getragen werden und durch sie der Gebrauchswert des Wohnraums oder seine Wohnlage auf die Dauer verbessert wird (§ 12). dd) Eine Mieterhöhung für den vorhandenen Wohnraum im Zusammenhang mit der Neuschaffung von öffentlich gefördertem oder steuerbegünstigtem Wohnraum durch Wiederherstellung, Erweiterung oder Ausbau des Dachgeschosses (§§ 7—9, 13 MietenVO vom 20. 1 1 . 1950, BGBl I 759; s. Anm. 42 zu c) bleibt zulässig, soweit sie vor dem 1. 1 1 . 1957 wirksam geworden ist oder nach § 29 Abs. 2 der NeubaumietenVO vom 17. 10. 1957 (BGBl I 1736; s. Anm. 42 zu c) weiterhin vorgenommen werden kann (§ 13). ee) Auf Antrag kann die Preisbehörde eine angemessene Mieterhöhung genehmigen, wenn diese im einzelnen Fall aus Gründen, die weder in der Person des Vermieters noch des Mieters liegen, zur Vermeidung besonderer Härten dringend erforderlich erscheint (§ 14).

Anm. 42 f e) Allgemeine Mietzuschläge

aa) Für Wohnraum, der v o m 1. 4. 1924 a n b e z u g s f e r t i g geworden ist, ist an Stelle des bisher nach der V O P R 72/52 (Anm. 41) zulässigen Zuschlages ein Zuschlag »3

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V o r § 535 A n m . 42g—1

Schuldverhältnisse. Enzeine Sichuldverhältnisse

von i o % der nach § 7 des 1. B M G (Anm. 42 zu b) maßgeblichen Miete zulässig; ist der nach der V O P R 72/52 bisher erhobene Zuschlag höher, so bleibt dieser zulässig (§ '6). bb) Für Wohnraum, der bis zum 20. 6. 1948 bezugsfertig geworden ist, sind Zuschläge von 10, 15 und 20% gemäß den §§ 5—7, 1 2 — 1 4 und 28 des 1. B M G (Anm. 42) zulässig (§ 17). A n m . 42g f) Besondere Mietzuschläge a a ) Der Zuschlag, der nach § 2 Abs. 3 G R M G (Anm. 37) für die Benutzung einer Wohnung oder eines selbständig vermieteten Wohnungsteils zu anderen als Wohnzwecken zulässig ist, darf je nach dem Grad der wirtschaftlichen Mehrbelastung des Vermieters bis zu 50% der anteiligen Grundmiete der zu anderen als Wohnzwecken benutzten Räume betragen; ein vor dem 1. 8. 1958 zugelassener höherer Zuschlag bleibt zulässig (§ 18). bb) Untermietzuschläge zur Hauptmiete. Sie betragen monatlich 3 D M , wenn der untervermietete Wohnungsteil von einer Person, 5 DM, wenn er von zwei oder mehreren Personen benutzt wird; ein vor dem 1 . 8 . 1958 zugelassener höherer Untermietzuschlag bleibt für die Dauer des Untermietverhältnisses zulässig. Unzulässig ist ein Untermietzuschlag, wenn Räume, die Gegenstand eines Hauptmietverhältnisses sind, in ihrer Gesamtheit vermietet werden und soweit für die untervermieteten Räume ein Zuschlag nach § 18 (s. zu aa) zulässig ist (§ 19). Anm. 42h g) Umlegung von Betriebskosten. Auf die Mieter umgelegt werden dürfen a a ) die Kosten des Wasserverbrauchs abzüglich 2% der Grundmiete; bb) Grundsteuermehrbelastungen bei bebauten Grundstücken, die auf einer Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes (oder dem Wegfall von Grundsteuerbefreiungen oder -beihilfen) nach dem 3 1 . 12. 1954 beruhen und vom Vermieter nicht zu vertreten s i n d ' ( § 2 1 , vgl. Anm. 39 zu aaa); cc) nach dem 3 1 . 12. 1954 eingeführte oder erhöhte öffentliche Abgaben bei bebauten Grundstücken (§ 22); dd) Betriebskosten einer zentralen Heizungs- oder Warmwasserversorgungsanlage (§§ 25—28); ee) u. U. Betriebskosten für Fahrstuhlanlagen (§ 29). Anm. 42i h) Kostenvergleichsmiete. Für Wohnraum, der bis zum 20. 6. 1948 bezugsfertig geworden ist, ist gemäß §§ 8, 9, 12, 13 des 1. B M G und der V O vom 21. 12. 1956 (Anm. 42 zu b) eine Erhöhung der Miete bis zur Kostenvergleichsmiete zulässig (§ 30). Bei Geltung der Kostenvergleichsmiete sind gewisse Mieterhöhungen (§§ 1 1 — 1 4 , 18, 19, 20—23 A M V O ) zulässig (§ 31). Anm. 42k i) Kostenmiete. Für Wohnraum, der in der Zeit vom 21. 6. 1948 bis 31. 12. 1949 bezugsfertig geworden ist, ist nach § 10 Abs. 1 und 3 vorbehaltlich der §§ 12, 13 des 1. B M G (Anm. 42 zu c) eine Erhöhung der Miete bis zu dem Betrage zulässig, der zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (Kostenmiete). Der Betrag der Kostenmiete ist auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung entsprechend der 1. BerechnungsVO (Anm. 45) für den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit zu ermitteln (§ 32). Bei Geltung der Kostenmiete sind ebenfalls gewisse Mieterhöhungen zulässig (§ 33). A n m . 42 1 k) Herabsetzung der Stichtagsmiete. Auf Antrag des Mieters (oder einer öffentlichen Stelle, die ganz oder teilweise für die Bezahlung der Miete aufkommt) kann die Stichtagsmiete von der Preisbehörde auf die ortsübliche Grundmiete zuzüglich der zulässigen Umlagen und Zuschläge nach dem Stande vom 3 1 . 12. 1954 (Anm. 42d zu aa)

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Miete. Pacht

Vor § 535

Anm. 42m—o

herabgesetzt werden, wenn sie diesen Betrag um mehr als 3 3 1 / 3 % übersteigt (§ 35). Eine vor dem 1. 8. 1958 von der Preisbehörde vorgenommene Herabsetzung der Stichtagsmiete bleibt wirksam (§ 36).

Anm. 4 2 m 1. Untermiete a a ) Bei Untervermietung von Wohnraum (außer einer unmöblierten Wohnung im ganzen) darf die Untermiete frei v e r e i n b a r t werden. J e d e r Vertragsteil kann sich jedoch dem anderen gegenüber schriftlich auf die preisgebundene Untermiete berufen; dann sind vom Ersten des auf die Erklärung folgenden Monats an (wenn jedoch die Erklärung erst nach dem 15. eines Monats abgegeben wird, vom Ersten des übernächsten Monats an) die Vorschriften über die preisgebundene Untermiete (s. zu bb) anzuwenden (§ 37). b b ) Die preisgebundene U n t e r m i e t e für die Überlassung einer Wohnung im ganzen darf die für das Hauptmietverhältnis preisrechtlich zulässige oder nach § 3 des 1. B M G als genehmigt geltende Miete nicht übersteigen. Bei Untervermietung eines Wohnungsteils darf die preisgebundene Untermiete für den Wohnraum einen entsprechenden Teil der zulässigen Hauptmiete, der sich nach der Wohnfläche bestimmt, nicht übersteigen. Hierbei bleiben Zuschläge für die Benutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken (Anm. 42 g zu aa) und Untermietzuschläge, die in der Hauptmiete enthalten sind (Anm. 4 2 g zu bb), außer Ansatz; die danach ermittelte Untermiete darf um diese Zuschläge erhöht werden, soweit sie den untervermieteten R a u m betreffen (§ 38).

cc) Einrichtungsgegenstände und Nebenleistungen (§ 39)

a a a ) Bei preisgebundener Untermiete ist für die mietweise Mitüberlassung von E i n r i c h t u n g s g e g e n s t ä n d e n eine angemessene Vergütung zulässig. Wird eine vollständige Ausstattung überlassen, so ist für die Angemessenheit der Vergütung j e nach Art der Ausstattung von 5 0 — 1 0 0 % der preisgebundenen Untermiete (bb) für die Uberlassung des Wohnraums auszugehen. b b b ) Für Nebenleistungen, die vom Hauptmieter erbracht werden, ist eine Vergütung in angemessener Höhe zulässig; zu den Nebenleistungen gehören insbesondere die Mitüberlassung der Kücheneinrichtung, der anteilige Strom- und Gasverbrauch, die Lieferung von Bettwäsche und Dienstleistungen.

dd) Der Untervermietung gleichstehende Mietverhältnisse. Der Unterver-

mietung eines Wohnungsteils steht es gleich, wenn der Eigentümer oder ein sonst zur Nutzung oder zum Gebrauch der Wohnung Berechtigter einen Teil der von ihm selbst benutzten Wohnung vermietet. Die preisgebundene Untermiete darf um einen Zuschlag erhöht werden, der sich bei sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Untermietzuschläge (Anm. 42 g zu bb) ergibt (§40).

Anm. 42n m) Miete für Wohnraum in Baracken, Bunkern, Behelfsheimen, Nissen-

h ü t t e n u . dgl. Auf solchen Wohnraum finden § 12 Abs. 1 Nr. 3, §§ 13, 17, 29—34 A M V O keine Anwendung; eine vor dem 1. 8. 1958 nach den im § 13 genannten Vorschriften (Anm. 42 e zu dd) erhöhte Miete bleibt jedoch zulässig ( § 4 1 ) .

Anm. 42o n ) Gewerbliche Z i m m e r v e r m i e t u n g . Die Vermietung von Wohnraum unterliegt nicht den Vorschriften der A M V O , soweit und solange er nach Art eines Betriebes des Beherbergungsgewerbes tageweise vermietet wird (gewerbliche Zimmervermietung) oder in K u r - und Badeorten oder Sommerfrischen ohne Konzession an Fremde vermietet wird (Privatbeherbergung). Wird solcher Wohnraum im Wege der Untermiete vermietet, so darf die Hauptmiete um den im § 18 genannten Zuschlag (Anm. 42 zu aa) erhöht werden (§44).

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V o r § 535 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse A n m . 43—45 A n m . 43 4. öffentlich geförderter und steuerbegünstigter Wohnraum a) öffentlich geförderter sozialer Wohnungsbau ist der durch Einsatz von Mitteln des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände geförderte Bau von Wohnungen unter besonderer Bevorzugung von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete (Belastung) für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind (§§ i, 3, 19—36 1. WohnBauG idF vom 25. 8. 1953, §§ 1, 25—68, 73, 74 2. WohnBauG). aa) Bei öffentlich geförderten Mietwohnungen, die in der Zeit vom 1. 12. 1950 bis 30. 6. 1956 bezugsfertig geworden und für welche die öffentlichen Mittel erstmalig vor dem 1. 1. 1957 bewilligt worden sind, ist zu unterscheiden (dazu §§ 7—12 NeubaumietenVO; wegen der Berechnung von Wirtschaftlichkeit und Wohnfläche s. 1. BerechnungsVO vom 20. 1 1 . 1950 — BGBl I 753 — idF des § 47 der 2. BerechnungsVO vom 17. 10. 1957 — BGBl I 1719): aaa) Richtsatzmiete (§29 1. WohnBauG): Die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständige oberste Landesbehörde bestimmt Mietrichtsätze, die nach Gemeindegrößenklassen oder sonstigen unterschiedliche Mietpreise rechtfertigenden Merkmalen bis zu einem Höchstbetrage von 1,10 DM je qm Wohnfläche im Monat zu staffeln sind. Die Bewilligungsstelle (d. h. die Stelle, welche die Darlehen oder Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln bewilligt) setzt entsprechend den Mietrichtsätzen einen nach Quadratmetern der Wohnfläche bemessenen durchschnittlichen Mietbetrag (Durchschnittsmiete) fest, auf dessen Grundlage der Vermieter die Miete unter Berücksichtigung von Größe, Lage und Ausstattung der einzelnen Wohnungen zu berechnen hat. Die oberste Landesbehörde kann u. U. Zuschläge bis zu 30% zu den Mietrichtsätzen oder eine Überschreitung der Mietrichtsätze zulassen. bbb) Selbstverantwortlich gebildete Miete (§30 1. WohnBauG): Bei Mietwohnungen, die durch Wiederaufbau oder Wiederherstellung geschaffen werden oder besondere Lagevorteile oder überdurchschnittliche Ausstattung haben, kann auf Antrag des Bauherrn die Erhebung einer selbstverantwortlich gebildeten Miete zugelassen werden, wenn dadurch ein um mindestens ein Drittel niedrigeres, der nachstelligen Finanzierung dienendes öffentliches Baudarlehen benötigt wird als bei Zugrundelegung einer Miete, die nach den Mietrichtsätzen ohne Berücksichtigung von Zuschlägen festgesetzt ist; sie darf den geltenden Mietrichtsatz höchstens um die Hälfte übersteigen und soll nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden. Anm. 44 bb) Für öffentlich geförderte Mietwohnungen, für welche die öffentlichen Mittel erstmalig nach dem 31. 12. 1956 bewilligt worden sind (§ 72 2. WohnBauG, dazu §§ 13—19 Neubaumieten VO; wegen der Berechnung von Wirtschaftlichkeit, Belastung oder Wohnfläche s. 2. BerechnungsVO vom 17. 10. 1957, BGBl I 1719) ist die Miete preisrechtlich zulässig, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist. Bei ihrer Ermittlung ist von der Miete auszugehen, die sich für die öffentlich geförderten Wohnungen des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit auf Grund der Wirtschaftlichkeitsberechnung für den qm der Wohnfläche durchschnittlich ergibt (Durchschnittsmiete) und die von der Bewilligungsstelle genehmigt worden ist. Auf Grund der Durchschnittsmiete hat der Vermieter die Miete für die einzelnen Wohnungen unter angemessener Berücksichtigung ihrer Größe, Lage und Ausstattung zu berechnen; der Durchschnitt der Einzelmieten muß der Durchschnittsmiete entsprechen. Die öffentlich geförderten Wohnungen sind preisgebundener Wohnraum i. S. des 1. BMG. Anm. 45 b) Steuerbegünstigte Wohnungen aa) Das sind nach § 42 Abs. 1 1. WohnBauG idF vom 25. 8. 1953 Wohnungen, die durch Neubau, durch Wiederaufbau zerstörter oder Wiederherstellung beschädigter Gebäude oder durch Ausbau oder Erweiterung bestehender Gebäude unter In348

Miete. Pacht

Vor § 535

Anm. 46—48 a n s p r u c h n a h m e von Steuervergünstigungen (Grundsteuervergünstigung nach §§ 7, i i i. WohnBauG, Einkommensteuervergünstigung nach § 7 c EStG), jedoch ohne Einsatz öffentlicher Mittel (Anm. 43) geschaffen und in der Zeit v o m 1 . 1 . 1950 bis 3 0 . 6. 1956 bezugsfertig geworden sind. Für solche Mietwohnungen kann eine vom Vermieter selbstverantwortlich gebildete Miete vereinbart werden. Ist diese höher als der für die Deckung der laufenden Aufwendungen erforderliche Betrag (Kostenm i e t e ) , so kann sie auf Antrag des Mieters, der nur innerhalb eines Jahres nach Begründung des Mietverhältnisses zulässig ist, auf den der Kostenmiete entsprechenden Betrag herabgesetzt werden, jedoch nicht unter den Betrag, der den Mietrichtsatz (Anm. 43 zu aaa) ohne Berücksichtigung von Zuschlägen für öffentlich geförderte Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung um die Hälfte übersteigt (§ 45 1. WohnBauG, dazu §§ 20—23 NeubaumietenVO und 1. BerechnungsVO idF des § 4 7 der 2. BerechnungsVO vom 17. 10. 1957).

Anm. 46 b b ) Für neugeschaffene Mietwohnungen, die als steuerbegünstigte anerkannt und n a c h d e m 30. 6. 1956 bezugsfertig geworden sind oder werden, kann gleichfalls eine selbstverantwortlich gebildete Miete vereinbart werden. Ubersteigt diese die Kostenmiete (Anm. 45) und beruft sich der Mieter durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Vermieter innerhalb eines Jahres nach der Vereinbarung auf die Kostenmiete, so ist von dem Ersten des auf die Erklärung folgenden Monats die Mietvereinbarung grundsätzlich insoweit und solange unwirksam, als die vereinbarte Miete die Kostenmiete übersteigt. Bei der Ermittlung der Kostenmiete ist von der Miete auszugehen, die sich für die steuerbegünstigten Wohnungen des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit auf Grund der Wirtschaftlichkeitsberechnung für den qm der Wohnfläche durchschnittlich ergibt ( D u r c h s c h n i t t s m i e t e ) . Auf der Grundlage der Durchschnittsmiete ist die Miete für die einzelnen Wohnungen unter angemessener Berücksichtigung ihrer Größe, Lage und Ausstattung zu berechnen. Steuerbegünstigte Wohnungen sind preisgebundener Wohnraum i. S. des 1. BMG, wenn und solange die Kostenmiete verbindlich ist (§ 85 2. WohnBauG; dazu §§ 24—26 NeubaumietenVO und 2. BerechnungsVO vom 17. 10. 1957).

Anm. 47 II. Landpachtverträge 1. Bei ihnen konnte nach R P O § 5 das Pachtamt einen volkswirtschaftlich ungerechtfertigten Pachtzins anderweitig festsetzen; nach L P G § 7 kann jetzt das Land•wirtschaftsgericht den Pachtzins ändern, wenn eine wesentliche Änderung der maßgebenden Verhältnisse eingetreten ist und infolgedessen die gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsteile in ein grobes Mißverhältnis geraten sind. Im übrigen kann schon die Landwirtschaftsbehörde einen anzeigepflichtigen Vertrag beanstanden, •wenn die vertraglichen Leistungen des Pächters nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrage stehen, der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist (LPG § 5 Abs. 1 Buchst, b). Anzeigepflicht und Beanstandungsmöglichkeit besteht auch bei Jagdpachtverträgen (BundesjagdG § 12). 2. Die Preisvorschriften finden auf Landpachtverträge seit dem 1. 7. 1952 keine Anwendung mehr (LPG § 6 Abs. 1).

Anm. 48 III. Kleingartenpacht. Hier setzt die untere Verwaltungsbehörde unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des Ertragswertes der Grundstücke nach Anhörung von Sachverständigen die Pachtzinsen fest (§ 1 Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 31. 7. 1919), so daß die Preisvorschriften hier praktisch keine Rolle spielen. Zuwiderhandlungen machen den Vertrag nicht nichtig, sondern führen nur zur Ermäßigung des Pachtzinses auf den Höchstpreis (RG 88, 250; 89, 196).

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V o r § 535 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 49—54 Änm. 49 IV. Währungsreform 1. Nach dem 20. 6. 1948 f ä l l i g gewordene oder werdende Miet- und Pachtzinsen sind im Verhältnis 1:1 auf DM umgestellt (UmstG § 18 Abs. 1 Nr. 1), vor d e m 21. 6. 1948 f ä l l i g gewordene im Verhältnis 10:1 (§ 16 Abs. 1). Hat der Mieter oder Pächter vor dem 21.6. 1948 gezahlt, so hat er seine fällige Verbindlichkeit getilgt, auch wenn sich der Zeitraum, auf den sich die Zahlung bezog, über den 20. 6. 1948 hinaus erstreckte (UmstG § 13 Abs. 3 Satz 2); waren die vorausgezahlten Miet- oder Pachtzinsen erst nach dem 20. 6. 1948 fällig, so ist die Zahlung nur dann in voller Höhe auf den geschuldeten DM-Betrag anzurechnen, wenn die Vorauszahlung vereinbart oder üblich war oder vom Gläubiger ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten anerkannt worden ist (Büro f. Währungsfragen Merkbl 3, ZJB1 1948, 232; OGH 3, 336), andernfalls nur im Verhältnis 10:1. Nach dem 20. 6. 1948 fällig gewordene Beträge sind auch insoweit im Verhältnis 1:1 zu entrichten, als sie für die Zeit vom 1. 6. 1948ab geschuldet werden; soweit sie für einen vor dem 1. 6. 1948 liegenden Zeitraum geschuldet werden, sind sie im Verhältnis 10:1 zu zahlen. Anm. 50 2. Bei landwirtschaftlichen Pachtverhältnissen ist ein nach dem 20.6.1948 fällig gewordener Pachtzins, der für einen teils vor dem 1. 6., teils nach dem 31. 5. 1948 liegenden Zeitraum geschuldet wird, hinsichtlich der Umstellung in dem Verhältnis a u f z u t e i l e n , in dem der Wert der vor dem 1. 6. 1948 gezogenen Nutzungen zu dem Werte der nach dem 31.5. 1948 gezogenen Nutzungen steht; der Teil des Pachtzinses, der anteilsmäßig dem Werte der vor dem 1. 6. gezogenen Nutzungen entspricht, ist im Verhältnis 10:1, der Teil des Pachtzinses, der anteilsmäßig dem Werte der nach dem 1. 6. 1948 gezogenen Nutzungen entspricht, ist im Verhältnis 1:1 auf DM umzustellen. Dabei ist der Wert der Nutzungen nicht im einzelnen zu errechnen, sondern nur roh zu schätzen; im allgemeinen kann davon ausgegangen werden, daß der weitaus überwiegende Teil der Nutzungen nach dem 31. 5. gezogen worden ist, so daß der Pachtzins seinem ganzen Betrage nach im Verhältnis 1:1 umzustellen ist. Soweit ein besonderer Teil des Pachtzinses auf mitgepachtete Baulichkeiten einschließlich Inventar entfällt, ist dieser Teil u. U. nach dem Verhältnis der vor dem 1. 6. und nach dem 31.5. liegenden Zeitabschnitte aufzuteilen (OGH 2, 340; BGH 1, 176). Anm. 51 3. Auch bei reiner Umsatzmiete oder Umsatzpacht handelt es sich um regelmäßig wiederkehrende Leistungen i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 UmstG (OGH 3, 336).. Anm. 52 4. § 21 Abs. 4 UmstG ist auch auf Mietverträge grundsätzlich anwendbar (OGH 1, 228), dagegen gilt das Rücktrittsrecht aus § 20 Abs. 1 UmstG nicht für Miet- oderPachtverträge (BGH LM Nr. 2 zu § 581 BGB). Anm. 53 5. Wegen der Umstellung bei A u f b a u v e r t r ä g e n s. §535 Anm. 22. Über §3: W ä h r G bei Miet- und Pachtverhältnissen vgl. § 535 Anm. 32. Anm. 54 £. Kündigungsschutz Aus sozialen Gründen wird bei gewissen wichtigen Miet- und Pachtverhältnissen: der Mieter oder Pächter (bei Landpachtverträgen u. U. auch der Verpächter, BGH LM Nr. 6 zu § 3 RPO) gegen unangebrachte Kündigungen geschützt. Dieser Kündigungsschutz ist bei den verschiedenen Vertragsverhältnissen verschieden gestaltet.

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Miete. Pacht

Vor § 535

Anm. 55, 56

Anm. 55 1. Mieterschutz 1. Gesetzliche Regelungen. Der Mieterschutz ist heutegeregelt (vgl. auch D a h m , NJW 1958, 574) a) bundesrechtlich durch aa) das Mieterschutzgesetz (hierzu der Großkommentar von B e t t e r m a n n 1950fr) idF vom 15. 12. 1942 (RGBl I 712);§ 5 Abs. 3,§§ 23, 23c geändert durch Art. III der VO zur Änderung des Mieterschutzrechts vom 7. 11. 1944 (RGBl I 319); § 31a (unter entsprechender Änderung des § 1 Abs. 1) hinzugefügt durch § 26 Abs. 2 und 3 des 1. WohnBauG vom 24. 4. 1950 und geändert durch Art. VI des Ges. zur Änderung und Ergänzung des 1. WohnBauG vom 25. 8. 1951 (BGBl I 1037) und § 115 des 2. WohnBauG vom 27. 6. 1956;§ 13 Abs. 4 geändert durch Art. 13 des Ges. über Maßnahmen auf dem Gebiete des Kostenrechts vom 7. 8. 1952 (BGBl I 401); § 23c geändert u n d § § 4a, 4b, 23 Abs. 2, 24a hinzugefügt durch § 28 WohnRBewG vom 31. 3. 1953 (BGBl I 97); § 3a aufgehoben durch § 40, § 31b hinzugefügt durch § 35 des 1. BMG vom 27. 7. 1955 (BGBl I 458) und geändert durch Änderungsgesetz vom 25. 12. 1955 (BGBl I 866); bb) § 26 Äbs. i und 4 des 1. WohnBauG vom 24. 4. 1950; cc) § 5 des Ges. zur Förderung des Bergarbeiter-Wohnungsbaues im Kohlenbergbau vom 23. 10. 1951 (BGBl I 865); dd) § 1 der VO über Ausnahmen vom Mieterschutz vom 27. 11. 1951 (BGBl I 926); §2 ist aufgehoben durch §23 Nr. 2 GRMG; ee) §§ 5—27 GRMG vom 25. 6. 1952 (Anm. 37); f f ) § 57 des Ges. über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BundesvertriebenenG, BVFG) vom 19. 5. 1953 (BGBl I 201) idF vom 14. 8. 1957 (BGBl I 1 2 1 5 ) ;

b) zonenrechtlich aa) für die Länder der früheren britischen Zone durch Verordnungen des ZJA zur Änderung des MSchG vom 27. 7. 1948 (VOBlBrZ 225) und über die Aufhebung des § 9 der VO über Änderungen des Mieterschutzrechts vom 27. 4. 1949 (VOBlBrZ 124) und durch Art. 34 BrREG; bb) für die Länder der früheren amerikanischen Zone durch Art. 42 AmREG; c) landesrechtlich aa) in Baden durch § 21 LandeswohnungsG vom 28. 4. 1949 (GVB1 247); bb) in Hessen durch VO über die einstweilige Regelung von Mietstreitigkeiten vom 23. 11. 1946 (GVB1 222), außer Kraft §3 seit 1. 8. 1955 nach §40 Abs. 1 des I. BMG, § 7 Abs. 2 seit 1. 7. 1953 nach § 29 Abs. 2 WohnRBewG; cc) in Rheinland-Pfalz durch § 22 Abs. 2 Buchst, b der LandesVO über die Wohnraumbewirtschaftung vom 15. 7. 1949 (GVB1 275); dd) im Saarland durch Gesetze über die vorläufige Regelung der Mieten und Pachten mit Ausnahme der Pachten für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke vom

I I . 7. 1951 (ABl 903), 3 1 . 12. 1951 (ABl 1952, 45), 7. 11. 1952 (ABl 1083), 7. 7. 1954 (ABl 890) u n d 19. 7. 1955 (ABl 1226);

ee) in Württemberg-Baden durch Gesetze Nr. 228 zur Änderung des Mieterschutzrechts vom 4. 3. 1948 (RegBl 48) und Nr. 386 zur Ordnung der Rechtsverhältnisse von beschlagnahmten Wohnungen vom 16. 10. 1950 (RegBl 117).

Anm. 56 2. Wesen des Mieterschutzes a) Der Mieterschutz besteht im wesentlichen darin, daß eine Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter ausgeschlossen ist. Gegen den Willen des Mieters kann ein Mietverhältnis auf Verlangen des Vermieters nur im Wege der Klage durch gerichtliches Gestaltungsurteil und nur aus bestimmten, in den §§ 2—4 b bezeichneten Gründen aufgehoben werden. Dies ist der Fall, aa) wenn der Mieter oder eine Person, die zu seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb gehört oder der er den Gebrauch des Mietraums überlassen hat, sich einer 351

V o r § 535 Anm. 56

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

erheblichen Belästigung des Vermieters oder eines Hausbewohners schuldig macht oder durch unangemessenen Gebrauch des Mietraums oder Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt den Mietraum oder das Gebäude erheblich gefährdet oder wenn der Mieter einem Dritten den Gebrauch des Mietraums beläßt, obwohl er zur Überlassung nicht befugt ist; die Aufhebung ist nur zulässig, wenn der Mieter ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters das Verhalten fortsetzt oder es unterläßt, eine ihm mögliche Abhilfe zu schaffen, oder wenn das Verhalten des Mieters oder einer der bezeichneten Personen ein solches war, daß dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 2); bb) wenn der Mieter mit einem bestimmten, nach den für die Zahlung geltenden Zeitabschnitten sich bemessenden Mietzinsbetrage im Verzuge ist (§3); cc) wenn für den Vermieter aus besonderen Gründen ein so dringendes Interesse an der Erlangung des Mietraums besteht, daß auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Mieters die Vorenthaltung eine schwere Unbilligkeit für den Vermieter darstellen würde (Eigenbedarfsklage; diese steht dem Vermieter auch zu, wenn bei Veräußerung oder Verpachtung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, Betriebsteils oder Grundstücks mit Gebäuden an einen Vertriebenen oder Sowjetzonenflüchtling in diesen Gebäuden Räume zu Wohnzwecken vermietet sind und diese Räume für Zwecke des Betriebs benötigt werden, §§ 42, 57 BVFG); der Vermieter kann aus Billigkeitsgründen verpflichtet werden, dem Mieter die Umzugskosten ganz oder teilweise zu ersetzen (§ 4); unterliegen die Mieträume der Wohnraumbewirtschaftung, so ist eine Bescheinigung der Wohnungsbehörde nötig, daß sie dem Vermieter die Räume im Falle ihres Freiwerdens zuweisen werde, sofern nicht der Vermieter für den Mieter als Ersatzraum eine steuerbegünstigte oder frei finanzierte Wohnung (Anm. 35, 45) schafft (§ 4a); dd) wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses den Wiederaufbau oder die Wiederherstellung eines durch Kriegseinwirkung zerstörten oder erheblich beschädigten Gebäudes oder die Ersetzung eines behelfsmäßig errichteten Gebäudes durch ein für die Dauer bestimmtes Gebäude wesentlich erschweren würde (§ 4b). b) Bei Aufhebung des Mietverhältnisses ist dem Mieter grundsätzlich eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren (§§5, 6). c) Für die Aufhebungsklage ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Mietgegenstand befindet; die Vereinbarung schiedsgerichtlicher Erledigung ist unwirksam (§ 7). d) Wegen des § 19 MSchG (Stellung der Familienangehörigen des Mieters nach dessen Tode) s. § 569 Anm. 2. e) Das dem Vermieter nach§ 19 KO zustehende Kündigungsrecht wird durch das MSchG nicht berührt (§26). f) Wohnungstausch (über die rechtliche Natur s. WarnRspr. 1926 Nr. 49, 50) aa) Will der Mieter einer Wohnung die Mieträume einem Dritten im Tauschwege überlassen, so kann das Mieteinigungsamt (d. h. das Amtsgericht, § 37 MSchG; dazu Anordnung für das Verfahren in Mieteinigungssachen vom 16. 12. 1942, RGBl I 723) auf Antrag des Mieters die zum Eintritt des Dritten in den Mietvertrag erforderliche Einwilligung des Vermieters ersetzen, wenn dieser nicht aus wichtigen Gründen widerspricht (§ 30 MSchG). In gleicher Weise kann, wenn das Mietverhältnis über eine Wohnung beendigt ist und der bisherige Mieter die Wohnung noch innehat oder wenn die Beendigung des Mietverhältnisses bevorsteht, das Mieteinigungsamt dem Mieter auf Antrag gestatten, die Mieträume mit einem Dritten zu tauschen, und die hierzu erforderliche Einwilligung des Vermieters ersetzen (§31). bb) Kommt ein Wohnungstausch deshalb nicht zustande, weil einer oder mehrere der beteiligten Mieter trotz Zustimmung der übrigen den Tausch ablehnen, obwohl sie auf Grund vollstreckbaren Urteils oder Vergleichs zur Räumung ihrer Wohnung verpflichtet sind, so kann das Mieteinigungsamt auf Antrag den Tausch anordnen, wenn die Tauschwohnungen in derselben Gemeinde liegen und der Tausch den zur Räumung verpflichteten Mietern nach der gesamten Sachlage billigerweise zuzumuten ist (§§ 1—5 der VO über Änderungen des Mieterschutzrechts vom 7. 1 1 . 1944, RGBl I 319). Vgl. auch § 25 Abs. 3 WohnRBewG, wonach im Falle des Wiederaufbaus eines zerstörten

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Vor § 535

Anm. 57, 58

oder der Wiederherstellung eines beschädigten Gebäudes oder der Freimachung eines behelfsmäßig errichteten Raumes zur Errichtung eines für die Dauer bestimmten Gebäudes die Wohnungsbehörde einen endgültigen Wohnungswechsel verfügen kann, wenn dies zum Wohle der Allgemeinheit, insbesondere aus städtebaulichen Gründen, erforderlich ist und die Betroffenen innerhalb der Gemeinde untergebracht werden. cc) Wegen der Genehmigung eines Wohnungstauschs s. § 12 Abs. 4 WohnRBewG (Anm. 64 a. E.). Anm. 57 3. Bereich des Mieterschutzes. Dem Mieterschutz unterliegen seit dem 27. 6. 1952 (Inkrafttreten des G R M G ) grundsätzlich nur noch Mietverhältnisse über Wohnräume, dagegen nicht mehr Miet- und Pachtverhältnisse über Geschäftsräume und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke. Sind gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke wegen ihres wirtschaftlichen oder Geschäftsräume wegen ihres räumlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Wohnräumen, die bei selbständiger Vermietung unter Mieterschutz stehen würden, zugleich mit diesen vermietet oder verpachtet, so wird das Mietverhältnis auch insoweit, als es sich auf Wohnräume bezieht, vom Mieterschutz ausgenommen. Dies gilt nicht, wenn der Miet- oder Pachtwert der Geschäftsräume oder unbebauten Grundstücke geringer ist als der Mietwert der Wohnräume; in diesem Falle unterliegt das Miet- oder Pachtverhältnis dem Mieterschutz auch insoweit, als es sich auf Geschäftsräume oder unbebaute Grundstücke bezieht; bei Mietverhältnissen, die vor dem 1. 12. 1951 begründet worden sind, bleibt eine nach diesem Zeitpunkt eingetretene oder eintretende Änderung des Mietwertes außer Betracht (§5 G R M G idF des §36 des 1. BMG). Ein hiernach vom Mieterschutz ausgenommenes Mietverhältnis kann, sofern der Mietzins nach Monaten oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden, und zwar spätestens am dritten Werktage des Vierteljahrs; auf die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist können sich die Parteien nicht berufen (§6). Wurde ein vor dem 1. 12. 1951 begründetes Miet- oder Pachtverhältnis über Geschäftsräume oder unbebaute Grundstücke für einen vor dem 1 . 4 . 1956 liegenden Zeitpunkt gekündigt, so konnte der Mieter grundsätzlich den Widerruf der Kündigung verlangen, wenn die Kündigung für ihn eine erhebliche Gefährdung seiner derzeitigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage oder, soweit die Räume öffentlichen Zwecken dienten, eine Gefährdung öffentlicher Belange mit sich brachte, es sei denn, daß dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden konnte (§§ 8, 22). Anm. 58 4. Ausnahmen vom Mieterschutz. Vom Mieterschutz ausgenommen sind: a) Mietverhältnisse über Werk- und Betriebswohnungen unter gewissen Voraussetzungen nach Auflösung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses (MSchG §§f 20—23 c idF des § 12 der V O vom 7. 1 1 . 1944 und des § 28 des WohnraumbewirtschatungsG); b) Mietverhältnisse über Gebäude oder Teile von Gebäuden, die i m Eigentum oder in der Verwaltung des Reichs (Bundes), eines Landes, einer Gemeinde oder einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts stehen und entweder öffentlichen Zwecken oder zur Unterbringung von Angehörigen der Verwaltung zu dienen bestimmt sind oder werden, oder über Räume in anderen Gebäuden, die f ü r Beamte, Angestellte oder Arbeiter i m öffentlichen Dienst zur Verfügung zu halten sind oder benötigt werden (MSchG § 32); c) öffentlich geförderte Kleinsiedlerstellen (Gebäude mit Nutzland), die der Siedler während einer Probezeit mietweise innehat (MSchG § 33); d) Nutzungsverträge über Räume, die eine Wohnungsgenossenschaft einem Genossen überlassen hat, bei dessen Ausscheiden aus der Genossenschaft (MSchG § 34); ebenso, wenn ein Wohnungsunternehmen dem künftigen Erwerber eines Grundstücks Räume, die zu dem Grundstück gehören, auf Grund eines K a u f a n w a r t s c h a f t s v e r t r a g e s mietweise überlassen hat und von diesem Vertrage aus berechtigtem Grunde zurücktritt (MSchG § 35);

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

e) Vermietung von R ä u m e n für besondere Zwecke zu vorübergehendem Gebrauch (MSchG § 25), z. B. von Hotelzimmern; f) grundsätzlich nach dem 26. 4. 1952 begründete Mietverhältnisse über frei finanzierte oder nur unter Inanspruchnahme des § 7 c EinkStG geschaffene und nach dem 31. 12. 1949 bezugsfertig gewordene Wohnungen und Wohnräume, sofern die Wohnräume nicht an Mieter einer unter Mieterschutz stehenden Wohnung im gleichen Wohngebäude vermietet werden (MSchG § 3 1 a ) ; g) grundsätzlich n a c h d e m 3 1 . 7. 1 9 5 5 b e g r ü n d e t e M i e t v e r h ä l t n i s s e über Wohnungen und Wohnräume, die in der Zeit zwischen dem 21. 6. 1948 und d e m 31. 12. 1949 bezugsfertig geworden und ohne öffentliche Mittel (Anm. 43) geschaffen sind, sofern nicht die Wohnräume an Mieter einer unter Mieterschutz stehenden Wohnung im gleichen Wohngebäude vermietet werden (MSchG § 3 1 b ) ; h) Untermietverhältnisse über Räume, sofern nicht der Untermieter die Räume ganz oder überwiegend mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet hat oder in ihnen mit seiner Familie eine selbständige Wirtschaft oder Haushaltung führt (MSchG § 24). Zum Begriff der Untermiete s. o. Bern. 19. In W ü r t t e m b e r g - B a d e n (Ges. vom 4. 3. 1948, RegBl 48, § 2) ist der 1. Abschnitt des MSchG auf Untermietverhältnisse anzuwenden, wenn der Untermieter die Räume mit einem Angehörigen ohne eigene Wohnung bewohnt oder darin eine selbständige Wirtschaft oder Haushaltung führt oder sie ganz oder überwiegend mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet hat. In H e s s e n (VO vom 23. 1 1 . 1946, GVB1 222, § 5) ist der 1. Abschnitt des MSchG auf jedes Wohnverhältnis anzuwenden, gleich auf welchem rechtlichen Grunde es beruht; ausgenommen bleiben Wohnräume, die nur zum vorübergehenden Gebrauch bestimmt sind; i) sind bei einem dem Mieterschutz unterliegenden Mietverhältnis über Wohnraum Möbel oder andere Einrichtungsgegenstände mitvermietet worden, so kann jeder Vertragsteil für den Schluß eines Kalendermonats spätestens am 3. Werktag des Monats den Mietvertrag hinsichtlich aller oder einzelner mitvermieteter Gegenstände kündigen, wenn die Kündigung bei Abwägung der Verhältnisse beider Teile dem anderen Teil zugemutet werden kann; die Miete ermäßigt sich dann in angemessenem Verhältnis (MSchG § 24 a); k) Mietverhältnisse, die ein Rückerstattungspflichtiger oder sein Rechtsvorgänger als Vermieter abgeschlossen hat, gegenüber dem Rückerstattungsberechtigten nach Maßgabe von Art. 34 B r R E G und Art. 42 A m R E G ; 1) nach MSchG §§ 52—53 können die für das Wohnungswesen zuständigen obersten Landesbehörden mit gewissen Einschränkungen bestimmte Gemeinden oder Gemeindeteile oder bestimmte Arten von Mieträumen von den Vorschriften des 1. Abschnitts des MSchG ausnehmen. A n m . 59 II. Pachtschutz a) Er erstreckt sich nach dem Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen ( L a n d p a c h t g e s e t z ) vom 25.6. 1952 (BGBl I 343, 398), das für das Gebiet der Bundesrepublik die Reichspachtschutzordnung (RPO) vom 30. 7. 1940 (RGBl I 1065) ersetzt hat, soweit diese noch galt, seit dem 1. 7. 1952 grundsätzlich nur noch auf eigentliche Pachtverträge über Grundstücke zu landwirtschaftlicher Nutzung (Landpachtverträge), auch soweit sich die Verträge zugleich auf Wohn- oder Wirtschaftsräume, die der Bewirtschaftung des verpachteten Grundstücks dienen, oder auf forstwirtschaftliche Grundstücke beziehen, ferner auf vertraglich begründete Weideberechtigungen und Pachtverträge über Weiderechte sowie (mit Einschränkungen) auf Heuerlingsverträge und ähnliche Verträge, die eine Landverpachtung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis betreffen. Hier kann das Gericht auf Antrag eines Vertragsteils (also auch des Verpächters, BGH L M Nr. 6 zu § 3 RPO) eine Kündigung für unwirksam erklären und, soweit erforderlich, die Dauer des Vertrages auf angemessene Zeit festsetzen, einen ohne Kündigung fristgemäß ablaufenden Vertrag auf angemessene Zeit verlängern und einen aus einem anderen Grunde abgelaufenen Vertrag wieder in Kraft setzen und seine Dauer auf angemessene Zeit festsetzen, wenn die Verlängerung dringend geboten erscheint und bei Abwägung der Interessen der 354

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Anni. 60—62

Vertragsteile die Gründe für eine Verlängerung überwiegen; das gilt nicht, wenn es sich um einen langfristigen Pachtvertrag (LPG § 2) oder bisher vom Verpächter persönlich bewirtschafteten Grundbesitz handelt, der vorübergehend verpachtet worden ist. Die Länder können entsprechende Bestimmungen für F i s c h e r e i p a c h t v e r t r ä g e und für Verträge über die P a c h t v o n F i s c h e r e i r e c h t e n treffen; dazu schleswigholstein. Gesetz über Land- und Fischereipachtverträge vom 25. 8. 1953 (GVB1 109).

Anm. 60 b) Durch die VO über außerordentliche Maßnahmen im Pacht-, Land-

bewirtschaftungs- und Entschuldungsrecht vom 11. 10. 1944 (RGBl I 245) waren

Land- und Fischereipachtverträge, die während des Krieges oder innerhalb eines Jahres nach K r i e g s e n d e (hierzu B G H N J W 1952, 67) abliefen, auf unbestimmte Zeit verlängert worden und haben mit halbjähriger Frist frühestens zum Schluß des nach Kriegsende beginnenden Pachtjahres gekündigt werden können; nach Aufhebung dieser V O durch K R G 44 zum 15. 3. 1947 wurden Land- und Fischereipachtverträge durch Zonen- und Länderverordnungen auf unbestimmte Zeit verlängert und konnten mit halbjähriger Frist frühestens gekündigt werden: in der b r i t i s c h e n Z o n e ( M R V O 84, VOB1 BZ 1947, 25, Art. V I I Nr. 21) zum Schluß des nach dem 1. 7. 1948, in B a y e r n (VO vom 12. 12. 1947, GVB1 247) des nach dem 3 1 . 12. 1948, in H e s s e n (Ges. vom 20. 8. 1947, GVOB1 68) des nach dem IO. 5. 1949 ablaufenden, in der f r a n z ö s i s c h e n Z o n e (für Rheinland-Pfalz V O vom 15. 5. 1947, VOB1 302; für Baden Landesgesetz vom 18. 9. 1947, GVOB1 2 1 3 ; für Württemberg-Hohenzollern R A O vom 16. 5. 1947, RegBl 44) des nach dem 30. 9. 1947 beginnenden Pachtjahres.

Anm. 61 III. K l e i n g a r t e n s c h u t z . Er gilt für Kleingärten (Schrebergärten, auch mit Wohnlauben), die zu nicht gewerbsmäßiger gärtnerischer Nutzung verpachtet sind. Eine Kündigung durch den Verpächter ist hier nur aus bestimmten Gründen (dreimonatiger Verzug mit der Pachtzinszahlung, grobe Pflichtverletzung des Pächters, dringende Benötigung des Grundstücks aus Gründen des Gemeinwohls, Besitz eines übergroßen oder eines weiteren Kleingartens, Wohnsitzverlegung des Pächters in eine andere Gemeinde) mit Genehmigung der Verwaltungsbehörde und mit Dreimonatsfrist zum 3 1 . 10. zulässig; Streitigkeiten hierüber entscheiden die Verwaltungsbehörden unter Ausschluß des Rechtsweges. Hat aber die Verwaltungsbehörde, die nur unter sozialen Gesichtspunkten prüft, eine Kündigung für zulässig erklärt, so bleibt dem Gericht noch die Entscheidung, ob sie nach bürgerlichem Recht zulässig und wirksam ist ( H R R 1938 Nr. 1024). Gestattet die untere Verwaltungsbehörde dem Verpächter die Kündigung, so kann sie ihm dabei auch eine Entschädigungspflicht auferlegen (RG 132, 97). Gesetzliche Grundlagen sind die K l e i n g a r t e n - u n d K l e i n p a c h t l a n d o r d n u n g vom 3 1 . 7. 1919 (RGBl 1371), das G e s e t z z u r E r g ä n z u n g d e r K l e i n g a r t e n - u n d K l e i n p a c h t l a n d o r d n u n g idF vom 2. 8. 1940 (RGBl I 1074), die V O ü b e r K ü n d i g u n g s s c h u t z u n d a n d e r e k l e i n g a r t e n r e c h t l i c h e V o r s c h r i f t e n idF vom 15. 12. 1944 (RGBl I 347) und die A O des R e i c h s w o h n u n g s k o m m i s s a r s vom 23. 1. 1945 über eine e r w e i t e r t e K ü n d i g u n g s m ö g l i c h k e i t v o n k l e i n g ä r t n e r i s c h b e w i r t s c h a f t e t e m L a n d (RAnz 1945 Nr. 26). Die reichsrechtliche Regelung ist teilweise durch die Landesgesetzgebung geändert worden (s. hierzu E h r e n f o r t h R d L

195°, 132).

Anm. 62 I V . J a g d p a c h t v e r t r ä g e . Für sie besteht kein Kündigungsschutz. Nach Art. 1 der V O über die Fortdauer von Jagdpachtverträgen usw. vom 19. 2. 1940 idF der ÄnderungsVO vom 10. 2. 1941 (RGBl I 96) konnten jedoch Jagdpächter, deren Pachtverträge während des Krieges endigten, die Fortdauer der Verträge bis zum 3 1 . 3. desjenigen Jahres verlangen, das auf das J a h r der B e e n d i g u n g des K r i e g e s folgt. Die Zweifel darüber, was hier unter „Beendigung des Krieges" zu verstehen ist ( B l a t z h e i m D R Z 1947, 87; P a r t s c h ebda. 400; O L G Köln M D R 1948, 418 mit Anm, M e i ß ; Celle M D R 1950, 737; L G Göttingen NdsRpfl. 1950, 89) sind bundesrechtlich

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V o r § 535 A n m . 63, 64

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

beseitigt durch BundesjagdG §43; danach gilt als Jahr der Beendigung des Krieges das J a h r 1945, doch können Verpächter und Pächter, die auf Grund der V O vom 10. 2. 1941 einen Jagdpachtvertrag bis zu einem späteren Zeitpunkt als dem 3 1 . 3. 1946 als fortdauernd behandelt haben, sich für die Zeit bis zum Ende des Jagdjahres, in das dieser Zeitpunkt fällt, spätestens jedoch bis zum 31. 3. 1953, auf den Ablauf des Vertrages nicht berufen. A n m . 63 F . W o h n r a u m l e n k u n g und W o h n u n g s b a u f ö r d e r u n g . Für das Recht der Wohnraummiete sind von Bedeutung auch die Maßnahmen auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft, welche die — namentlich durch den zweiten Weltkrieg und seine Nachwirkungen hervorgerufene — außerordentliche Wohnungsnot beheben sollen. Sie zielen teils auf bessere Ausnutzung und Verteilung vorhandenen, teils auf Schaffung neuen, Wiederaufbau zerstörten oder Wiederherstellung beschädigten Wohnraums. A n m . 64 I. W o h n r a u m l e n k u n g 1. W o h n r a u m b e w i r t s c h a f t u n g s g e s e t z . Das W o h n u n g s g e s e t z ( K R G 18) vom 8. 3. 1946, das die frühere Gesetzgebung auf diesem Gebiete (insbesondere die V O zur Wohnraumlenkung vom 27. 2. 1942, RGBl I 127, und die V O zur Wohnraumversorgung der luftkriegsbetroffenen Bevölkerung vom 21. 6. 1943, RGBl I 355) beseitigt hatte, ist mit Wirkung vom 1. 7. 1953 ab durch das W o h n r a u m b e w i r t s c h a f t u n g s g e s e t z vom 31. 3. 1953 (BGBl I 97; § 14 Abs. 1 ergänzt durch Ges. vom 13. 8. 1953, BGBl I 915) ersetzt worden, das die bisherige Zwangsbewirtschaftung in verschiedener Hinsicht gelockert hat. Der öffentlichen Raumbewirtschaftung unterliegen danach grundsätzlich nur W o h n r ä u m e , d. h. zu Wohnzwecken g e e i g n e t e und b e s t i m m t e Räume (§ 2 Abs. 1). Von der Bewirtschaftung ausgenommen sind a ) frei finanzierte und steuerbegünstigte Wohnungen (Anm. 35,45,46), b) ohne öffentliche Darlehen oder Zuschüsse geschaffener Wohnraum, der in der Zeit vom 21. 6. 1948 bis 3 1 . 12. 1949 bezugsfertig geworden ist, c) Wohnraum, der wegen seines räumlichen Zusammenhangs mit Geschäftsraum zugleich mit diesem vermietet oder verpachtet ist oder in sonstiger Weise genutzt wird, sofern nach § 5 Abs. 3 G R M G Mieterschutz nicht besteht oder im Falle der Vermietung nicht bestehen würde (§ 3). Die Bundesregierung und die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung weitere Lockerungen einführen (§4). Wohnraum darf nur auf Grund einer Zuteilung oder mit Genehmigung der Wohnungsbehörden in Benutzung genommen oder zur Benutzung überlassen werden ( § 1 2 Abs. 1); einer besonderen Erfassung durch Verwaltungsakt bedarf es nicht. Der Zuteilung unterliegen freier Wohnraum und die zu einer Wohnung gehörenden Nebenräume, Flächen, Einrichtungen und Anlagen (§9). Als frei gelten Wohnraum, wenn er nicht benutzt wird (es sei denn, daß der Inhaber ein dringendes berechtigtes Interesse hat, ihn zu behalten) oder der Inhaber nach privatem oder öffentlichem Recht nicht zum Besitz berechtigt ist (§ 10 Abs. 1), überschüssige Räume unterbelegter Wohnungen und (grundsätzlich) Doppelwohnungen (§10 Abs. 2 u. 3, § 11). Der Wohnungsbehörde ist binnen einer Woche anzuzeigen, wenn Wohnraum frei oder bezugsfertig geworden ist (§ 7 Abs. 3). Die Zuteilung geschieht durch Benutzungsgenehmigung oder Zuweisung (§ 12 Abs. 3). Die Benutzungsgenehmigung ist entsprechend dem Antrage des Verfügungsberechtigten zu erteilen, wenn Wohnraum nicht aus gewichtigen Gründen der Wohnraumbewirtschaftung einem anderen als dem vorgeschlagenen Wohnungsuchenden zuzuteilen ist, bei freigewordenen Teilen einer Wohnung zugunsten des Verfügungsberechtigten, soweit die Räume für ihn nicht überschüssig sind (§ 14). Geht binnen zwei Wochen nach der Anzeige (§ 7 Abs. 3) kein Antrag auf Benutzungsgenehmigung ein oder wird einem solchen Antrage nicht entsprochen, so kann die Wohnungsbehörde binnen 3 Wochen dem Verfügungsberechtigten mehrere Wohnungsuchende zur Auswahl benennen und verlangen, daß er binnen angemessener Frist mit einem von diesen ein Benutzungsverhältnis vereinbart (Zuweisung); das Auswahlrecht darf nur versagt werden, wenn besonders dringliche Gründe der Wohnraumbewirtschaftung die Zuteilung an einen bestimmten Wohnungsuchenden erfordern (§ 15). Kommt ein der

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Anm. 65, 66

Zuweisung entsprechender Vertrag nicht fristgemäß zustande, so kann die Wohnungsbehörde auf Antrag eines Beteiligten eine Verfügung erlassen, welche die Wirkung eines Mietvertrags hat (Mietverfügung, § 16), und den Zugewiesenen in den Besitz des zugeteilten Wohnraums einweisen (§ 20). Bei der Zuteilung hat der Grundstückseigentümer oder ein ihm gleichstehender dinglich Berechtigter den Vorrang; im übrigen sind die Wohnungsuchenden nach der Dringlichkeit ihrer Bewerbung zu berücksichtigen (§ 17). Zweckbestimmter Wohnraum (z. B. Dienst-, Werks- und Betriebswohnungen) ist seiner Zweckbestimmung entsprechend zuzuteilen (§18). Zweckentfremdung von Wohnraum ist nur mit Genehmigung der Wohnungsbehörde zulässig (§21). Der Genehmigung der Wohnungsbehörde bedarf auch ein Vertrag, der Untermietern oder anderen Wohnungsbenutzern die Rechtsstellung von Hauptmietern einräumt (§ 13), sowie ein freiwilliger Wohnungstausch, dem jedoch die Genehmigung nur aus besonders dringlichen Gründen der Wohnraumbewirtschaftung versagt werden darf ( § 1 2 Abs. 4). Zur Anordnung eines Zwangstauschs wie überhaupt zur Aufhebung eines Mietverhältnisses ist die Wohnungsbehörde grundsätzlich nicht befugt; nur unter gewissen eng begrenzten Voraussetzungen kann sie eine vorübergehende Räumung oder einen endgültigen Wohnungswechsel verfügen (§§22, 23, 25). Wegen der durch das WohnRBewG eingeführten Änderungen des MSchG s. oben Anm. 55 zu a) aa). Anm. 65 2. Bevorzugte Unterbringung. Von Bedeutung sind hier auch die Vorschriften, die eine bevorzugte Unterbringung besonders wohnraumbedürftiger Bevölkerungskreise bezwecken, insbesondere: a ) §§4—6 des Heimkehrergesetzes vom 19.6. 1950 (BGBl 221, ergänzt und geändert durch Gesetze vom 30. 10. 1951, BGBl I 875; 17. 8. 1953, BGBl I 931; Art. X § 5 d. Ges. vom 23. 12. 1956, BGBl I 1018); b) § 14 des Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen idF vom 23. 9. 1952 (BGBl I 637); c) §§ 298—300 des Lastenausgleichsgesetzes vom 14. 8. 1952 (BGBl I 446); d) die §§ 80, 81 B V F G idF vom 14. 8. 1957 (BGBl I 1215); der Unterbringung von Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen aus der Landwirtschaft (namentlich auch als landwirtschaftliche Pächter) dienen an Stelle des für das Ver. Wirtschaftsgebiet erlassenen, durch V O vom 21. 2. 1950 (BGBl 37) auf das restliche Bundesgebiet ausgedehnten F l ü c h t l i n g s s i e d l u n g s g e s e t z e s vom 10. 8. 1949 (WiGBl 231) heute die §§ 35—68 BVFG. Anm. 66 3. Leistungsgesetze. Die Wohnungsämter stützten früher die Inanspruchnahme von Wohnraum zu Zwecken der Wohnraumlenkung in bedenklicher, aber allgemeiner Übung vielfach auf § 5 des Reichsleistungsgesetzes (RGBl I 1645); danach waren auf Anforderung der Bedarfsstelle Räume und Plätze zur Unterbringung (Unterkunft für Personen, Stallungen und gedeckte Räume für Tiere und Beförderungsmittel, notwendige Werkstätten, Diensträume, Plätze und Lagerräume) insoweit zur Verfügung zu stellen, als der Unterkunftgeber in der Benutzung der für seine Wohn-, Wirtschafts-, Berufs- und Gewerbebetriebs-Bedürfnisse unentbehrlichen Räume und Plätze nicht gehindert wird. Durch die Inanspruchnahme und Einweisung wurde zwischen dem Eigentümer oder Besitzer der Räume und dem Eingewiesenen kein Privatrechtsverhältnis, sondern nur ein öffentlich-rechtliches Verhältnis begründet ( K l e i n r a h m S J Z 1946, 228; M e i ß S J Z 1947, 88; B e t t e r m a n n J B 1 Hamm 1946, 1551 und MSchG § 1 Anm. 2, 2 a ; B e t t e r m a n n - H a a r m a n n S. 73ff). Gleiches muß nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des an die Stelle des Reichsleistungsgesetzes getretenen Bundesleistungsgesetzes vom 19. io. 1956 (BGBl I 815) für die Überlassung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, unbebauten Grundstücken oder freien Flächen von bebauten Grundstücken zum Gebrauch, zum Mitgebrauch oder zu anderer Nutzung für die vorübergehende Unterbringung von Personen oder Lagerung von Gegenständen gelten, die den im § 1 genannten Zwecken unmittelbar zu dienen bestimmt oder hierzu geeignet sind. Die Anforderung bewirkt nicht, daß Rechtsverhältnisse erlöschen, die den Leistungspflichtigen

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V o r § 535 Anm. 67—71

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

gegenüber Dritten zur Nutzung der Sache berechtigen; der Leistungspflichtige ist jedoch von der Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen aus einem Miet- oder Pachtverhältnis befreit, solange ihm durch die Anforderung die Nutzung der Sache in vollem Umfang entzogen wird (§ 14). Entschädigung nach § 22 steht an Stelle des Eigentümers dem Mieter oder Pächter zu, wenn er nicht nach § 14 von der Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen befreit ist (§ 25 Abs. 1 Nr. 1). Das Bundesleistungsgesetz kann daher nicht Maßnahmen der Wohnraumlenkung rechtfertigen, sondern nur zur Schaffung vorläufiger Unterbringungsmöglichkeiten zwecks Beseitigung eines öffentlichen Notstandes bei plötzlich eintretender Obdachlosigkeit weiterer Bevölkerungskreise (z. B. infolge von Naturkatastrophen) dienen(OVGJenaNJW 1947/48, 663; G ö n nen wein D R Z 1947,104; M ö s g e r J B L Oldenburg 1946, 25; vgl. auch WohnRBew G§ 2 Abs. 4). Anm. 67 II. Wohnungsbauförderung. Ihr dienen, soweit sie Schaffung auch vermietbaren Wohnraums bezweckt, vor allem die den sozialen Wohnungsbau betreffenden beiden Wohnungsbaugesetze vom 24. 4. 1950 (BGBl 83) idF vom 25. 8. 1953 (BGBl I 1047) und vom 27. 6. 1956 (BGBl I 523) nebst NeubaumietenVO (BGBl I 1736) und 2. BerechnungsVO (BGBl I 1719) vom 17. 10. 1957, sowie BürgschaftsVO vom 30. 7. 1951 (BGBl I 483), ferner das Gesetz zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau idF vom 30. 1 1 . 1954 (BGBl I 359). Vgl. auch VO über Steuervergünstigungen zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen idF vom 27. 1. 1953 (BGBl I 15) mit Änderungen vom 27. 7. 1954 (BGBl I 233) und 8. 8. 1955 (BGBl I 508). Dagegen zielen das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht vom 15. 3. 1951 (BGBl I 175) und die Vorschriften über die Wohnraumhilfe (§§ 298 bis 300) im Lastenausgleichsgesetz vom 14. 8. 1952 (BGBl I 446) in erster Linie auf die Begründung von Eigentum oder anderen dinglichen Rechten an Wohnraum. Anm. 68 G. Weitere Vorschriften, die das Miet- und. Pachtrecht berühren: I. Uber die Behandlung von Miet- und Pachtzinsforderungen in der Zwangsvollstreckung s. Z V G §21 Abs. 2, §§57—57d, 148, 169; § 8 s i b ZPO; Gesetz über die P f ä n d u n g von Miet- und P a c h t z i n s f o r d e r u n g e n wegen A n s p r ü c h e aus ö f f e n t l i c h e n G r u n d s t ü c k s l a s t e n vom 9. 3. 1934 (RGBl I 181); vgl. dazu Lastenausgleichsgesetz § 115. Anm. 69 II. Uber die Behandlung der Ehewohnung nach der Scheidung s. VO über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats nach der Scheidung (6. DVO zum Ehegesetz) vom 21.10.1944 (RGBl I 156; § 18a eingefügt durch Art. 5 des GleichberechtigungsG v. 18. 6. 1957), für die britische Zone teilweise geändert durch § 30 der VO des ZJA vom 12. 7. 1948 (VOBlBrZ 210). Anm. 70 III. Kriegssachschäden: Gesetz über die Einwirkung von Kriegsschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse vom 4. 9. 1950 (BGBl 447), das die VO über die Einwirkung von Kriegsschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse vom 28. 9. 1943 (RGBl I 546) ersetzt. S. hierzu § 564 Anm. 18. Anm. 71 IV. Wirtschaftliche Hilfe für landwirtschaftliche Pächter: a) Die PächterentschuldungsVO vom 1 2 . 3 . 1935 (RGBl I 360) behandelt das landwirtschaftliche Schuldenregelungsverfahren bei der Entschuldung land- oder forstwirtschaftlicher Pachtbetriebe. Vgl. jetzt Gesetz zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung vom 25. 3. 1952 (BGBl I 203), ergänzt durch Art. 10 d. Ges. vom 20. 8. 1953 (BGBl I 952) und geändert (§ 10 Abs. 1) durch § 5 d. Ges. vom 26. 7. 1956 (BGBl I 669). 358

Miete. Pacht

V o r § 535 A n m . 72, 73

b) Das Pachtkreditgesetz idF vom 5. 8. 1951 (BGBl I 494, Neufassung des Gesetzes, betr. die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter vom 9. 7. 1926, RGBl I 399, 412) ermöglicht dem Pächter Kreditbeschaffung auf der Grundlage einer Verpfändung pächtereigenen Inventars ohne Besitzübertragung durch Niederlegung des Verpfandungsvertrages beim Amtsgericht. Wegen des Verhältnisses dieses Pfandrechts zum Verpächterpfandrecht s. § 4 Abs. 2 und § 1 1 des Gesetzes. Vgl. auch § 585 Anm. 3. A n m . 72 V. Besondere Zuständigkeiten und Verfahrensarten 1 . Für Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter von R ä u m e n wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung sowie wegen Z u r ü c k h a l t u n g der von dem Mieter oder Untermieter in die Mieträume e i n g e b r a c h t e n Sachen ist ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes das Amtsgericht zuständig (GVG § 23 Nr. 2 Buchst, a). 2. Für Aufhebungsklagen nach dem MSchG ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Mietgegenstand befindet (MSchG § 7). 3. Das Mieteinigungsamt kann die Zustimmung des Vermieters zur Untervermietung (MSchG § 29; s. auch § 549 Anm. 7) und zum Wohnungstausch (MSchG § 30) ersetzen und einen Wohnungstausch anordnen (VO über Änderungen des Mieterschutzrechts vom 7. 1 1 . 1944 §§ 1—4). Mieteinigungsamt ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Mietsache gelegen ist. Sein Verfahren bestimmt sich grundsätzlich nach der ZPO, weist jedoch Besonderheiten auf (MSchG §§ 37—48; AO für das Verfahren in Mieteinigungssachen vom 16. 12. 1942, RGBl I 723). 4. Bei Landpachtverträgen entscheiden im A n z e i g e - und Beanstandungsv e r f a h r e n die Landwirtschaftsbehörden (LPG §§ 3, 5), in Pachtschutzsachen die Amtsgerichte als Landwirtschafts- oder Bauerngerichte (LPG § 17) grundsätzlich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 5. In Streitigkeiten aus dem Kleingartenrecht entscheidet unter Ausschluß des Rechtsweges die untere Verwaltungsbehörde, gegen deren Entscheidung binnen 2 Wochen Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde zulässig ist (Kleingartenund KleinpachtlandVO § 4). A n m . 73 VI. Räumungsfristen und Vollstreckungsschutz 1. Bei Verurteilung zur Räumung einer Wohnung kann das P r o z e ß g e r i c h t auf Antrag dem Schuldner eine angemessene Frist zur Räumung gewähren (ZPO § 721). Das gleiche gilt bei der Verurteilung zur Herausgabe von M i e t r a u m , der unter M i e t e r s c h u t z steht, auch wenn es sich nicht um Wohnraum handelt und nicht zugleich Aufhebung des Mietverhältnisses verlangt wird (MSchG § 27). 2. Bei der Aufhebung eines Mietverhältnisses ist dem Mieter grundsätzlich •eine angemessene Räumungfrist zu gewähren (MSchG §§5, 5 a, 6). 3. In einem Urteil, das auf Räumung oder Zurückgabe von Geschäftsräumen oder gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken erkennt, kann dem Mieter oder Pächter auf Antrag eine angemessene Räumungsfrist gewährt werden (GRMG § 7). 4. Nach § 765a ZPO idF d. Ges. vom 20.8. 1953 (BGBl I 952) kann das Vollstreckungsgericht Vollstreckungsmaßnahmen ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Weitere Vorschriften über Vollstreckungsschutz enthalten die §§ 30, 31 WohnRBewG. .24 Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Pritsch)

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§ 535 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse I. Miete

§ 535 Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren. Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten. Ubersicht I. Verpflichtung des Vermieters zur Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs während der Mietzeit 1. Die Vermieterpflicht im allgemeinen a) Grundsätzliches b) Vorleistungspflicht des Vermieters c) Doppelvermietung 2. Gebrauchsgewährung a) Gewährung b) Arbeiten am Mietgrundstück c) Wettbewerbsschutz 3. Vereinbarter Gebrauch 4. Fürsorgepflicht des Vermieters 5. Besitzschutz des Mieters 6. Personenmehrheiten II. Mietsache 1. Allgemeines 2. Besondere Vereinbarungen III. Verpflichtung des Mieters zur Entrichtung des vereinbarten Mietzinses 1. Vereinbarung über den Mietzins 2. Besondere Fälle 3. Bemessung des Mietzinses IV. Sonstige Pflichten des Mieters 1. Abnahme und Gebrauch der Mietsache 2. Obhutspflicht 3. Rückgabepflicht

Anm.

i—io i-—3 1 2 3 4—6 4 5 6 7 8 9 10 11—19 12—18 19 20—33 20—27 28, 29 30—33 34—36 34 35 36

I. Verpflichtung des Vermieters zur Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs während der Mietzeit Anm. 1 1. Die Vermieterpflicht im allgemeinen a) Grundsätzliches. Über die R e c h t s n a t u r der M i e t e s. Vorbem. 1 ff. Das Mietverhältnis kann durch Vertrag oder behördliche Anordnung (Zwangsmietvertrag, Zwangswohnungstausch, s. Vorbem. 24) begründet werden. Darüber, daß es als Schuldverhältnis im Sinne des BGB unter dem Gebote von T r e u und G l a u b e n (§ 242) steht, s. Vorbem. 31. Danach sind auch die aus diesem Schuldverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Beteiligten zu beurteilen. Anm. 2 b) Vorleistungspflicht des Vermieters. Die in §535 hervorgehobene Hauptverpflichtung des Vermieters ist, wenn nichts anderes im Vertrage bestimmt ist, V o r leistung (RG J W 1903, 3549), vor deren Beginn der Vermieter auch dann keinen Mietzins beanspruchen kann, wenn V o r a u s z a h l u n g bedungen ist (RG 8. 1 1 . 1904 I I I 260/04; vgl. auch RG 52, 286). Jedenfalls kann in letzterem Falle der Mieter Erfüllung Z u g um Z u g verlangen (RG J W 1906, 333®; vgl. jedoch § 321). Greifen zwei an sich selbständige Mietverträge gegenständlich ineinander, indem sie sich z. B. nur durch

360

Miete

§535 A n m . 3—5

den Umfang der Mietsache und die Höhe des Mietzinses sowie die Mietzeit unterscheiden, so werden die Verträge zwar regelmäßig keine rechtliche Einheit bilden, so d a ß § 320 nicht angewendet werden kann; wohl aber wird meistens der für die Anwendung des § 273 Abs. I erforderliche natürliche und wirtschaftliche Zusammenhang (§ 273 Anm.) gegeben sein (vgl. R G WarnRspr. 1913 Nr. 5). Willigt der Vermieter in einen vorzeitigen Einzug des Mieters, so tritt seine Verpflichtung, die Wohnung in einem gebrauchsfähigen, insbesondere Leben und Gesundheit des Mieters nicht gefährdenden Zustande zu gewähren, mit dem Einzug auch dann ein, wenn er sich eine besondere Gegenleistung nicht bedungen hat (RG 20. 2. 1923 III 785/22; K G D R 1940, 395 5 ). Mangels ausdrücklicher Vereinbarung oder besonderer Umstände hat der Vermieter, der dem Mieter den vorzeitigen Einzug gestattet, keinen Anspruch auf Mietzins für die vorzeitige Benutzung der Mieträume (RG J W 1937, 3029 19 ). Änderung des Mietgegenstandes verschiebt die Grundlage des Mietverhältnisses in der Regel so sehr, daß sie nur in der Form eines neuen Mietvertrags herbeigeführt werden kann (RG H R R 1929

Nr. 1817). Anm. 3

c) D o p p e l v e r m i e t u n g . Ist dieselbe Sache a n z w e i v e r s c h i e d e n e P e r s o n e n vermietet, so sind dem Vermieter gegenüber beide Verträge gültig: im Verhältnis der Mieter untereinander hat derjenige den Vorrang, der zuerst in den B e s i t z der vermieteten Sachen gelangt, während dem anderen in der Regel nur ein Schadensersatzanspruch an den Vermieter bleibt. Handelt der zeitlich zweite Mieter im planmäßigen Einvernehmen mit dem Vermieter, u m den ersten Mieter u m seine Rechte auf den Mietgegenstand zu bringen, so kann ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 auch gegen den zweiten Mieter begründet sein. Vgl. L e w a l d M D R 1947, 13; B r u m b y H u W 1947, 88 und 151; W e i s J R 1951, 140.

2. Gebrauchsgewährung Anm. 4 a) G e w ä h r u n g . Die Hauptverpflichtung des Vermieters besteht in der G e w ä h r u n g des Gebrauchs der Mietsache. Bloße Ü b e r l a s s u n g des Gebrauchs genügt nicht; daher liegt kein Mietvertrag vor, wenn eine Stadt einem Gewerbetreibenden auf öffentlicher Straße einen festen Verkaufsstand gegen Entgelt (Standgeld) überläßt (BGH ig., 85 [93]). Der Mietvertrag v e r p f l i c h t e t d e n V e r m i e t e r n a m e n t l i c h , seinerseits den Mieter n i c h t i m G e b r a u c h e z u s t ö r e n (verbotene Eigenmacht durch Aussperrung des Mieters s. LZ 1924, 1691), eine vermietete Wohnung nicht ohne rechtfertigenden Grund und nicht zu unangemessener Zeit (§§ 157, 242) zu betreten, den Mieter auch gegen unberechtigte Störungen und Angriffe von Seiten anderer Mieter (RG 5. 10. igo6 I I I 6/!o6; über Störungen der Lichtreklame eines Mieters durch die Lichtreklame eines anderen Mieters s. Anm. 18) oder Dritter z u s c h ü t z e n , während der Mieter zu eigenem Vorgehen gegen derartige Angriffe nicht verpflichtet ist. Uber das B e t r e t e n d e r M i e t r ä u m e durch den Vermieter s. auch § 11 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . Uber die Verpflichtung des Mieters einer Wohnung, nach Kündigung des Mietverhältnisses eine B e s i c h t i g u n g durch Mietlustige zu gestatten, s. § 564 Anm. 11. I n gleicher Weise m u ß er auch eine Besichtigung durch Kaufliebhaber gestatten, wenn sie sich nach Zeit und U m f a n g in angemessenen Grenzen hält

(RG 106, 270). Anm. 5

b) A r b e i t e n a m M i e t g r u n d s t ü c k . Die Frage, ob und inwieweit der Vermieter f ü r die Vornahme von Arbeiten a m Mietgrundstück der Einwilligung des Mieters bedarf, ist unter Abwägung aller Umstände des einzelnen Falles zu beantworten (RG Gruchot 68, 652). Uber Vornahme baulicher Änderungen durch den Vermieter s. O L G 33> 2 99- Uber notwendige oder doch zweckmäßige Ausbesserungen u n d bauliche Veränderungen s. auch § 8 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . Uber die H a f t u n g des Vermieters für Schäden durch bauliche Arbeiten a m Grundstück s. § 536 Anm. 15. U b e r den Anspruch des Mieters auf Wiederherstellung des früheren Zustandes, wenn gegen seinen Willen der Vermieter U m b a u t e n vorgenommen hat, s. R G LZ 1924, 459®.

361

§ 535 A n m . 6—8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 6 c) Wettbewerbsschutz. Wer Räume seines Hauses zum Betriebe eines Ges c h ä f t s , z.B. einer Schankwirtschaft, vermietet hat, darf nicht andere Räume des nämlichen Hauses an ein W e t t b e w e r b s u n t e r n e h m e n vermieten, insofern dies gegen den vorausgesetzten Zweck des ersten Mietvertrages verstößt (RG 19. 1. 1906 I I I 372/05; OLG 28, 142; vgl. auch H R R 1932 Nr. 1199). Unter Umständen verletzt der Vermieter seine Pflicht zur Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs auch durch Eröffnung eines Wettbewerbs außerhalb des Hauses, in dem der Mieter sein Geschäft betreibt, so gegenüber dem Mieter eines Ladens, wenn er einen anderen, in nächster Nähe gelegenen Laden einem Konkurrenten des Mieters überläßt (RG 119, 353; H R R 1930 Nr. 1984). Die Verpflichtung zum Wettbewerbsschutz setzt voraus, daß es sich um gleichartige, d. h. im Verkehr als gleichwertig bewertete Betriebe handelt, die sich in ihren Hauptartikeln fühlbaren Wettbewerb machen; es genügt nicht, daß sie gleichartige Waren als Nebenartikel vertreiben (RG DR 1941, 783 13 ; BGH L M Nr. 2 und 3 zu §536; K G J W 1938, 9401). Doch bedarf es immer einer Prüfung nach Lage des Falles, um feststellen zu können, daß in der Förderung des Wettbewerbs gegenüber dem Mieter eine Verletzung der Vermieterpflichten liegt (RG 131, 274; 135, 242). Erstrekkung der von einer offenen Handelsgesellschaft als Vermietrein übernommenen Verpflichtung, dem Mieter auf dem Mietgrundstück Wettbewerb fernzuhalten, auf die Gesellschafter persönlich s. RG 136, 266. Ein grundsätzliches Recht, daß ihm jeder Wettbewerb ferngehalten werde, hat der Mieter nicht (RG L Z 1914, 10283). Hat der Vermieter im Interesse eines Mieters vertraglich einem anderen Mieter ein Wettbewerbsverbot auferlegt, so kann er gegen diesen Mieter den Schaden, den der erstere durch eine Verletzung des Verbots erleidet, geltend machen (RG L Z 1922, 5252)- Inwieweit der Verpächter verpflichtet ist, dem Pächter den Wettbewerb Dritter fernzuhalten, hängt vom Inhalt des Pachtvertrags und den Erfordernissen der Rücksicht auf Treu und Glauben ab (RG J W 1937, 2106 1 1 : Fährrecht). Anm. 7 3. Vereinbarter Gebrauch. Eine bestimmte Gebrauchsmöglichkeit kann zur ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung des Mietvertrags gemacht werden. Auch kann ausgemacht werden, der Vermieter habe zu gewährleisten, daß der Mieter die Mietsache, insbesondere die Mieträume, für einen bestimmten Zweck gebrauchen könne, z.B. ohne daran durch gesetzliche oder behördliche Vorschriften gehindert zu werden. Eine solche Gewährleistungspflicht oder eine stillschweigende Bedingung kann aber noch nicht allein daraus entnommen werden, daß der Mieter es auf einen bestimmten Gebrauch abgesehen hatte und diese Absicht dem Vermieter bekannt war (RG 79, 94). Anm. 8 4. Für Sorgepflicht des Vermieters. Eine Verpflichtung des Vermieters zur Fürsorge für die vom Mieter eingebrachten Sachen ist aus dem bloßen Vermieten von Räumen nicht abzuleiten (vgl. RG 103, 9); für Gastwirte s. § 701. Ob der Vermieter dem Mieter gegenüber zu einer Überwachung des Verkehrs im Hause und zum Einschreiten gegen Unbefugte verpflichtet ist und welchen Inhalt eine solche Verpflichtung hat, ist im einzelnen Falle nach der örtlichen Verkehrsauffassung zu entscheiden. Hierher gehört die Frage, ob der Vermieter von Wohnungen eines herrschaftlichen Hauses nicht nur einen Hauswart zu bestellen, sondern gemäß § 278 auch dafür einzustehen hat, daß der Hauswart den Verkehr überwacht und gegen verdächtige Personen einschreitet (RG 103, 140: Groß-Berlin). Jedenfalls ist der Vermieter, der auf einem Grundstücke selbst Räume benutzt und andere vermietet hat, den Mietern gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen,; daß das den gemeinsamen Zugang bildende Hoftor verschließbar ist und abends verschlossen wird; dabei haftet er dem einzelnen Mieter gegenüber nach § 278 für die Nachlässigkeit der von ihm mit der Sorge für den Abschluß betrauten Personen, dagegen nicht für die der übrigen Mieter (RG 103, 372; 159, 3 1 ; K G DR 1941, 204 17 ; vgl. auch BGH L M Nr. 2 zu § 535 BGB [Kühlhaus]). Auch die allgemeine Verkehrssicherungspflicht trifft den Vermieter, wenn er Eigentümer der Mietsache ist; 362

§535

Miete

A n m . 9—12 daneben kann eine Haftung des Mieters in Frage kommen (RG 92, 359; 95, 61). Wegen der Haftung für Verschulden von Personen, die Arbeiten im Hause ausführen, s. R G 102, 2 1 1 ; 106, 133. Anm. 9 5. B e s i t z s c h u t z des Mieters. Der Mieter wird von der Übergabe ab (unmittelbarer) Besitzer der gemieteten Sache und erlangt Besitzschutz gegen den Vermieter (den mittelbaren Besitzer, §§ 868, 896) und gegen Dritte (§§ 865, 868), darf sich verbotener Eigenmacht (§ 858) mit Gewalt erwehren, ist zur Besitzklage berechtigt (§ 862, RG 80, 281) und kann in seiner Eigenschaft als Besitzer eines ihm vermieteten Grundstücks auch die diesem zustehenden Grunddienstbarkeiten geltend machen (§ 1029). Vgl. Vorbem. 16. Die Klage des Eigentümers auf Unterlassung von schädlichen Eingriffen (§§906 ff, 1004) steht ihm nicht zu, wohl aber der Schadensersatzanspruch aus § 904 (RG 156, 187), ferner ein solcher aus §§ 823, 826 wegen Beeinträchtigung seines Besitzes (RG 57, 239; 59, 326), jedoch nicht wegen einer v o r Eingehung des Mietvertrags erfolgten Beschädigung der vermieteten Sache (RG 59, 328). A n m . 10 6. P e r s o n e n m e h r h e i t e n a) Mehrere V e r m i e t e r (insbesondere Miteigentümer eines Grundstücks) haften für die Erfüllung der Vermieterpflichten als Gesamtschuldner (§421). Dies gilt auch für Eheleute, die in Gütergemeinschaft leben, wenn die Mietsache zum Gesamtgut gehört (§ 1416 nF) und der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte (§ 1422 nF) den Mietvertrag abgeschlossen oder ihm zugestimmt hat oder der Vertrag nach §§ 1429—1434 nF ohne seine Zustimmung für das Gesamtgut wirksam ist (§ 1438 Abs. 1 nF). b) Mehrere Mieter sind für den Anspruch auf Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs der Mietsache Gesamthandgläubiger im Sinne des § 432. Aus der Unteilbarkeit des Mietverhältnisses folgt, daß, wenn die Mieter gemeinschaftlich klagen, über die Dauer des Mietverhältnisses nur einheitlich entschieden werden kann, nicht aber, daß sie nur gemeinschaftlich klagen können (RG Gruchot 59, 469). Das gilt auch für Eheleute, die den Mietvertrag gemeinschaftlich abgeschlossen haben, wie im § 14 des Deutschen Einheitsmietvertrages als Regel vorausgesetzt wird. Ist nur ein Ehegatte Mieter, dann können dem anderen vertragliche Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des Vertrages zugunsten Dritter (§ 328) zustehen (vgl. § 538 Anm. 8). Die Vertretung des abwesenden Mannes durch die Frau im Mietprozeß fällt nicht unter die Schlüsselgewalt (§ 1257; L a u e DRiZ 1948, 50; P e t e r s M D R 1948, 543, der aber die Frau als Erfüllungsgehilfin ansehen will; a M H o l t h ö f e r M D R 1947, 8; DRiZ 1948, 384; S t a u d i n g e r § 535 Anm. 6; vgl. auch O G H NJW 1950, 307; B G H L M Nr. 1 zu § 1357 BGB; Nr. 2 zu § 164 BGB). A n m . 11 II. Mietsache. Die vermietete Sache ist nach §90 ein k ö r p e r l i c h e r s t a n d (also kein Recht, wie bei der Pacht möglich).

Gegen-

A n m . 12 1. A l l g e m e i n e s a) Die Mietsache kann sowohl eine bewegliche wie eine unbewegliche Sache sein. Miete von unbeweglichen Sachen ist z.B. die entgeltliche Benutzung eines Privathafens durch ein Schiff ( O G H 2, 170), die Benutzung einer Rutschbahn bei einem Fastnachtsfest (RG D R 1940, 1425 10 ), die Miete eines Theaterplatzes, eines Tribünenplatzes bei einem Rennen (doch liegt in diesen beiden Fällen auch Werkvertrag vor, R G 127, 303), ferner die Miete von R ä u m e n (§ 580). So auch ein S c h r a n k f a c h in d e r S t a h l k a m m e r e i n e s B a n k h a u s e s als unbewegliche Sache (RG 141, 99; R G J W 95, 39963)Gegen die Annahme eines Verwahrungsvertrags kommt hier in Betracht, daß der Inhaber der Wertsachen diese nicht gemäß § 688 dem Bankhause übergibt, dieses sie auch nicht zur Aufbewahrung übernimmt, sondern nur die Bewachung der Stahlkammer zusagt, und das Verhältnis auch besteht, wenn während seiner ganzen Dauer sich keine

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§ 535 Anm. 13—16

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Wertsachen im Fach befinden. In jedem Falle ist die Bank verpflichtet, dem Kunden die Benutzung des Schrankfaches zur Aufbewahrung von Gegenständen zu gestatten und darüber zu wachen, daß Unbefugte keinen Zugang erlangen, und sie ist bei Verletzung dieser Pflichten für den Schaden haftbar (RG g4, 74). Miete eines Schrankfaches auf den Namen eines Dritten s. RG WarnRspr. 1919 Nr. 7. Überlassung eines Postschließfachs (§ 44 Abs. 4 Postordnung vom 30. 1. 1929, RGBl I 33) s. RG 63, 337, eines Schließfachs für Frachtbriefe bei Güterabfertigungsstellen der Eisenbahn s. RG 103, 146. Anm. 13 b) Auch verbrauchbare Sachen können (z. B. zur vorübergehenden Ausstellung) mietweise überlassen werden; geschieht die Überlassung zum Verbrauch (Wasser, Gas), so liegt K a u f vor. Anm. 14 c) Daß die Sache im Eigentum des Vermieters steht, ist zur Gültigkeit des Vertrags nicht erforderlich; auch f r e m d e S a c h e n können vermietet, fremde Rechte verpachtet werden (RG H R R 1931 Nr. 1641), so insbesondere von einem dinglich Gebrauchsberechtigten (Nießbraucher § 1056, Erbbauberechtigter, Wohnungserbbauberechtigter, Dauerwohn- und Dauernutzungsberechtigter, §§ 30, 31 WEG) oder — unter bestimmten Voraussetzungen, s. § 549 — vom Mieter selbst (s. Vorbem. 19). In diesen Fällen steht auch der Umstand, daß der Mieter seine e i g e n e S a c h e von dem Gebrauchsberechtigten gewährt erhält, der Wirksamkeit des Vertrags nicht entgegen (RG J W 1906, 436 25 ; R G WarnRspr. 1913 Nr. 315), ausgenommen den Fall des Irrtums nach §§119, 121, 142, 143 Abs. 1 u. 2. Erwirbt der Mieter nachträglich das Eigentum, so erlischt das Mietverhältnis (RG 49, 285). Käufliche Übernahme der gemieteten Sache und Fortsetzung des Mietverhältnisses schließen sich daher aus (RG 4. 1 1 . 1919 I I I 140/19). Wirksamkeit eines Mietvertrages überfremde Sachen bei mittelbarer Stellvertretung s. R G 80, 399. Bei Schutenmiete im Hamburger Hafen ist Vermieter der Schuteneigentümer, auch wenn der abschließende Makler ihn dem Mieter nicht nennt (RG SeuffArch. 83 Nr. 201). Anm. 15 d) Vermietbar sind auch Sachen, die dem öffentlichen Gebrauch gewidmet sind, z.B. Benutzung einer städtischen Badeanstalt (RG 97, 18), öffentlicher Straßen durch Straßenbahnen (RG 108, 204) oder zur Aufstellung von Anschlagsäulen durch ein Reklameunternehmen, doch wird hier in der Regel die Einräumung des monopolartigen Rechts auf Anschlagreklame (RG D J 1934, 837) weitaus überwiegen (RG 168, 44) und daher Rechtspacht vorliegen (BGH L M Nr. 1 zu § 36 MSchG; vgl. auch R F H 46, 281; 47, 266; 49, 173). In der Regel ist jedoch die Abgabe für die Benutzung öffentlicher Anlagen nicht Mietzins, sondern off. Gebühr (z. B. Markthallenstandgeld, R G GrundE 32, 561). Anm. 16 e) Neben der Sache selbst gelten auch deren wesentliche Bestandteile (§§ 93, 94; RG 50, 241) und im Zweifel auch die Zubehörungen (§§ 97, 98, RG 47, 197) als mitvermietet (RG 3g, 293; RG 5. 4. igo2 V 413/01). Besondere Vorschriften über die Pacht eines Grundstücks mit Inventar s. §§ 586 ff. Nicht minder umfaßt der vertragsmäßige Gebrauch die M i t b e n u t z u n g anderweiter, nicht ausdrücklich mitvermieteter Teile der Sache, namentlich bei vermieteten Gebäuden der Hofräume (RG 6. 6. 1905 I I I 149/05) und Durchfahrten (RG L Z 1922, 2306), der Zugänge, Flure, Treppen, Fahrstühle (OLG 33, 306) und anderer Hausteile, die dem Mieter zur Ausübung seines Mietrechtes zur Verfügung stehen und von ihm betreten werden müssen (RG Gruchot 48, 901; 15. 1 1 . 1904 I I I 177/01; GrundE 33, 938; K G DWohnA 36, 270) — auch auf sie erstreckt sich daher die vertragliche Pflicht des Vermieters zur Erhaltung in einem eine Gefährdung des Mieters ausschließenden Zustande (RG 6. 2. 1917 I I I 22/17) —; ferner der Hauswände, dieser insbesondere zur Anbringung von F i r m e n s c h i l d e r n , nicht aber von Geschäftsanpreisungen beliebigen Inhalts, insbesondere

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Miete

§535

Anm. 17—19 nicht für hausfremde Geschäftsbetriebe (JW 05, 367®), unter Umständen auch zur Anbringung von F e r n s p r e c h l e i t u n g e n (RG 37, 2 1 a ; 49, 306, aber auch L Z 1920, 868 1 ). Bei großstädtischen Geschäftshäusern darf man annehmen, daß die Miete von Geschäftsräumen, mögen sie nun im Erdgeschoß oder in den oberen Stockwerken liegen, beim Mangel besonderer Vertragsbestimmungen regelmäßig die A u ß e n w a n d des H a u s e s mitumfaßt, und zwar, soweit die Wand den gemieteten Räumen entspricht und sich zu dem Geschäfte entsprechenden Anpreisungszwecken eignet, in den oberen Stockwerken in einer Erstreckung von der Unterkante der Fenster bis zur Unterkante der darüber befindlichen Fenster. So weit erstreckt sich dann auch regelmäßig der Mietbesitz (RG 80, 281). Dieser Grundsatz kann aber durch einen abweichenden örtlichen Verkehrsgebrauch durchbrochen sein ( B G H L M Nr. 10 zu § 535 BGB). Uber das Recht des Ladenmieters zur Aufstellung eines Warenautomaten K r e t z s c h m a r BB 1950, 665; B e t t e r m a n n NJW 1950, 814; D i c k e r t m a n n NJW 1951, 16. Die Regelung der den sämtlichen Hausbewohnern zustehenden Benutzungsrechte findet zweckmäßigerweise ihren Platz in der einen Bestandteil des Mietvertrages bildenden Hausordnung. Vgl. auch § i Abs. 2 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . Anm. 17 f) Der Rundfunk (einschließlich Fernsehfunk) ist heute dem Fernsprecher wesentlich gleichzustellen. Die Anbringung einer Zimmerantenne ist dem Mieter jedenfalls zu gestatten. Aber auch die Frage, ob dem Mieter ein Anspruch auf eine Hochantenne auf dem Dache des Miethauses zusteht, eine Frage, die RG 116, 93 (dazu RG J W 1928, 2517 4 , aber auch H R R 1928 Nr. 1194) noch allgemein von der Erlaubnis des Grundstückseigentümers abhängig machte, ist bei der Entwicklung, die der Rundfunk inzwischen genommen hat, g r u n d s ä t z l i c h zugunsten des Mieters zu beantworten (vgl. § 905 Anm. 7 a. E.). Für die Durchführung des Anspruchs müssen gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242) ebenso, wie auch in der Frage des Lautsprecherlärms, die gegenseitige Treuepflicht der Parteien des Mietvertrags und die Rücksicht auf die Hausgemeinschaft maßgebend sein. Uber eine Unterlassungsklage der Mitmieter wegen übermäßigen Lärmes durch Lautsprecher s. J W 1937, 2918 28 . A n m . 18 g) Der Vermieter muß dulden, daß der Mieter sich auf eigene Kosten elektrischen Strom zur Erleuchtung der Mieträume zuführen läßt, auch in dem Anschluß an eine Leitung wechselt, wenn dies ohne Schaden und Belästigung für den Vermieter geschehen kann (OLG 33, 296 = L Z 1916, 255®). Uber die Verpflichtung des Vermieters zum Schutze der Lichtreklame eines Mieters gegen Beeinträchtigung durch die Lichtreklame eines andern Mieters s. O L G Hamburg J W 1938, 317s 2 5 mit Anm. B a n d m a n n . Uber Lichtreklame von Gewerberaummietern s. L G Berlin J W 1938, 3175 2 6 . Über Anbringung von Werbungsmitteln an einem Miethaus s. auch O L G 45, 183. Anm. 19 2. Besondere Vereinbarungen a) Enthält der Vertrag Bestimmungen über die Gewährung einer bestimmten Eigenschaft neben der Gewährung des Raumgebrauchs, so ist der Vertrag trotzdem als einheitlicher Mietvertrag (Pfandrecht § 559 Anm. 8) zu beurteilen. So ist bei der Vermietung einer Wohnung mit Sammelheizung, Warmwasserversorgung oder elektrischem Licht oder Wasserleitung (SeuffArch. 62 Nr. 36), eines möblierten Zimmers (SeufFArch. 64 Nr. 1), eines Fabrikraumes mit Dampfkraft, eines Raumes mit künstlicher Kühlung die Gewährung der bezeichneten Eigenschaft als eine nach dem Vertragswillen mit der Gewährung des Raumes untrennbar verbundene Nebenleistung aufzufassen und deren Vereinbarung als ein Bestandteil des einheitlichen Mietvertrags anzusehen (vgl. R G 33, 47; 75, 354; J W 1922, 815 4 ; 1933, 2762'; RGSt 20, 4 1 7 ; O L G 30, 125; 39, 1 5 1 ; K G DWohnA 1933, 9 1 ; Vollstreckung gegen den Vermieter bei Sammelheizung, O L G 3 1 , 130; 39, 86, 87). Wer Räume eines nur für Sammelheizung eingerichteten Hauses vermietet, hat mangels entgegenstehender Abrede die Sammelheizung in Gang zu setzen und zu erhalten (RG 5. 1. 1926 III325/25). Uber die Verpflichtungen

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§ 535

Anm. 20, 21

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

des Mieters und des Vermieters in bezug auf Sammelheizung s. auch J W 1921, 76g 3 ; 1922 S. 231 7 , 822 2 ; O L G 43, 247; 44, 277. Vergütung für Sammelheizung und Wasserversorgung als Mietzins s. R G J W 1924, 801 8 . b) Dagegen enthält eine Vereinbarung, durch die ein Wohnzimmer vermietet und gleichzeitig die B e k ö s t i g u n g versprochen wird, zwei gesonderte Verträge. Eine solche Vereinbarung unterscheidet sich von den vorerwähnten Verträgen dadurch, daß die Lieferung der Beköstigung nicht von der Raumgewährung abhängig ist, vielmehr auch gesondert von ihr und auch ohne sie vereinbart werden kann (RG J W 1913, 6402). Vgl. Vorbem. 12. c) Dem Mieter eines Wohnhauses kommt auch das s e r v i t u t i s c h e R e c h t des Eigentümers an der das Haus berührenden städtischen Straße zustatten (RG 36, 273; vgl. oben Anm. 9).

III. Verpflichtung des Mieters zur Entrichtung des vereinbarten Mietzinses Anm. 20 1. V e r e i n b a r u n g ü b e r d e n M i e t z i n s . Sie gehört zu den wesentlichen Bestandteilen des Mietvertrags. a) Ist der Mietzins für die erste Zeit des Vertrags bestimmt, im übrigen aber einer b e s o n d e r e n V e r e i n b a r u n g vorbehalten, so ist zwar nicht der ganze Vertrag ungültig, ein Mietverhältnis für die spätere Zeit aber nicht begründet und die Entschädigung des Vermieters nach § 557 zu bemessen (RG SeuffArch. 69 Nr. 30). Uber den wirksamen Abschluß eines Mietvertrages bei Vorbehalt späterer Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses s. R G L Z 1914, 1027 2 ; DWohnA 41, 389. Für die B e s t i m m b a r k e i t des Miet- oder Pachtzinses genügt es, wenn die Durchschnittshöhe der bei anderen Raummieten des Anwesens eintretenden Zinssteigerung den Vertragsmaßstab bildet (RG 3 . 6 . 1931 V I I I , 125/31). Abhängigmachung der Höhe des Mietzinses von der Höhe der Grundsteuer s. R G J W 1931, 306 7 ; K G J W 1935, 582. Übernahme der auf dem Grundstück ruhenden Steuern und öffentlichen Lasten an Stelle eines Mietzinses s. B G H L M Nr. 3 zu § 133 (B) BGB; Nr. n zu § 535 BGB. Ob der Mietzins ein „wertentsprechendes" Entgelt für die Raumüberlassung bildet, ist für das Vorliegen eines Mietvertrages nicht entscheidend, wenn nur der (billigere) Mietzins ernstlich als Entgelt vereinbart ist (RG 20. 1 1 . 1928 I I I 116/28).

Anm. 21 b) Der Mietzins kann n i c h t n u r in G e l d (Mietzins in Hundertteilen der Geschäftseinnahmen des Mieters, R G J W 1914, 403 4 ; Miete mit Anteil am Reingewinn der Untermiete, R G DWohnA 38, 388) und anderen vertretbaren Sachen, sondern in Leistungen jeder Art, insbesondere auch in Diensten oder in der Hervorbringung eines bestimmten Erfolgs bestehen (M 2, 372), in welchen Fällen die Grundsätze des Dienstvertrags (oder Werkvertrags) neben denjenigen des Mietvertrags zur teilweisen oder, wie z.B. bei der Anstellung eines Hausmeisters gegen freie Wohnung oder eines sog. Zapfwirts mit Wohnung durch eine Brauerei, zur überwiegenden oder alleinigen Anwendung gelangen (BayObLG 4, 316, R G H R R 26 Nr. 1922). Der Annahme eines Mietvertrags steht es nicht entgegen, wenn der Mietzins für die ganze Mietzeit vorausbezahlt wird oder, falls er in Diensten besteht, diese fortlaufend geleistet werden (RG SeuffArch. 80 Nr. 29; R G J W 1929, 2861 2 ). Der Mietzins kann statt in regelmäßig wiederkehrenden Leistungen auch in einer einmaligen Leistung bestehen; so auch in der Überlassung eines Hauses (RG H R R 26 Nr. 456) oder in der niedrigeren Bemessung des Kaufpreises für ein Hausgrundstück, in dem der Verkäufer wohnen bleiben soll (RG WarnRspr. 1927, Nr. 52; R G 30. 10. 1925 I I I 231/25). U m Mietzins handelt es sich auch, wenn der Vermieter, der in den Mieträumen ein Geschäft betrieben hat, «ich für die Aufgabe des Geschäfts von dem Mieter neben dem vereinbarten Mietzins noch eine während der Dauer des Mietverhältnisses zu zahlende Jahresvergütung versprechen läßt (RG 19. 6. 1933 V I I I 63/33). Einen besonderen Fall des Mietentgelts bei gegenseitiger Vermietung behandelt R G SeuffArch. 80, 181.

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Miete

§535 Anm. 22—24

Anm. 22 c) Hierher gehören auch die sog. Aufbau- oder Baukostenzuschußverträge

(vgl. B e r t e r m a n n J R 1951, 19; M e r k e r t N J W 697; P e r g a n d e ebda. 737; B e t t e r m a n n Z M R 1952, 29; H i m m e l m a n n M D R 1952, 196; O e c h ß l e r N J W 1952, 5 7 1 ; S c h o p p Z M R 1952, 73), durch die jemand sich verpflichtet, ein durch Kriegseinwirkungen ganz oder teilweise zerstörtes Haus selbst aufzubauen oder dem Eigentümer die hierfür notwendigen Geldmittel zur Verfügung zu stellen, und sich dafür die Einräumung eines langfristigen Mietverhältnisses mit der Befugnis ausbedingt, den Mietzins ganz oder teilweise so lange einzubehalten, bis seine Aufwendungen gedeckt seien. Hier sind drei Vertragsarten möglich: a a ) Der Mieter erhält das Recht, während bestimmter Zeit ganz oder teilweise frei zu wohnen; der Baukostenzuschuß ist als M i e t z i n s v o r a u s z a h l u n g gewollt, durch die für eine bestimmte Zeit der Mietzins ganz oder teilweise im voraus getilgt wird, b b ) Der Mietzinsforderung des Vermieters tritt eine selbständige E r s a t z f o r d e r u n g des M i e t e r s gegenüber; durch Verrechnung oder Aufrechnung mit dieser sollen die später fällig werdenden Mietzinsforderungen schon mit der Z a h l u n g des B a u k o s t e n z u s c h u s s e s getilgt werden, cc) Die Aufrechnung mit der Ersatzforderung soll erst bei F ä l l i g k e i t der einzelnen Mietzinsforderungen jeweils erklärt werden oder sich kraft Vertrages ohne weiteres vollziehen. Welche rechtliche Gestaltung anzunehmen ist, muß den Parteivereinbarungen durch Auslegung entnommen werden ( B G H 6, 202; 14. 12. 1951 V Z R 16/50; 2. 5. 1952 V Z R 52/51; B G H L M Nr. 1 zu § 57b Z V G ; O e c h ß l e r aaO), doch wird vielfach die Auslegung im Sinne der ersten Möglichkeit (aa) naheliegen (Merkbl. 22 des B ü r o s f ü r W ä h r u n g s f r a g e n , abgedr. bei H a r m e n i n g - D u d e n , Währungsgesetze S. 373; B G H L M Nr. 1 zu § 57b Z V G ) . Auch wenn die Leistung eines Baukostenzuschusses vertraglich als „Darlehen" bezeichnet worden ist, kann sich aus dem Zusammenhang ergeben, daß die Leistung als Mietvorauszahlung anzusehen ist ( B G H L M Nr. 1 zu § 57b Z V G ) . Die Unterscheidung der drei Auslegungstypen ist wichtig für die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Verhältnis die Ersatzforderung des Mieters umzustellen und in welchem Umfange sie auf die nach dem Währungsstichtage fälligen Mietzinsforderungen zu verrechnen ist, wenn der Auf bau vertrag vor der W ä h r u n g s r e f o r m geschlossen wurde: In den Fällen zu aa) und bb) kommt eine Umstellung nicht in Betracht, weil am Währungsstichtage eine umstellbare Forderung des Mieters nicht mehr vorhanden war; die Mietzinsforderungen des Vermieters sind, auch soweit sie nach dem Währungsstichtage fällig wurden oder werden, je nach der Parteivereinbarung ganz oder teilweise getilgt. Dasselbe wird im Falle cc) gelten müssen, wenn die Aufrechnung sich bei Fälligkeit der Mietzinsforderungen automatisch vollziehen soll, während dann, wenn die Aufrechnung jeweils erklärt werden muß, Umstellung der Ersatzforderung im Verhältnis 1 0 : 1 anzunehmen ist ( O e c h ß l e r aaO S. 572). Die Zahlung eines im Mietvertrage vereinbarten Baukostenzuschusses ist auch nach K o n k u r s e r ö f f n u n g über das Vermögen des Vermieters dem Konkursverwalter gegenüber unbeschränkt wirksam ( B G H 6, 202; vgl. auch § 573 Anm. 1), ebenso auch gegenüber dem Zwangsverwalter ( B G H L M Nr. 1 zu § 57 b Z V G ) und dem Ersteher des Grundstücks in der Zwangsversteigerung ( B G H 15, 296). Über die Behandlung v e r l o r e n e r Baukostenzuschüsse bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses vgl. M ö l d e r s N J W 1955, 777; M ü l l e r N J W 1958, 571.

Anm. 23 d) E i n r e d e d e r R e c h t s k r a f t seitens des Mieters, wenn in einem Vorprozeß der Parteien die Beendigung der Miete für einen bestimmten Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt worden ist und dann der Mietzins für eine s p ä t e r e Zeit in einem neuen Prozeß verlangt wird (RG SeuffArch. 60 Nr. 130).

Anm. 24 e) Uber die E r f ü l l u n g s z e i t für die Zahlung des Mietzinses s. § 551. Der Räumungsanspruch aus einer Verfallklausel setzt Verzug, also Verschulden des Mieters (Pächters) voraus, was unter Umständen zu verneinen sein kann, wenn er glaubt, zur Verweigerung der Zahlung, z. B. wegen Raumwuchers, berechtigt zu sein (RG 10. 1 1 . 1932 V I I I 254/32).

367

§ 535

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 25—29 Anm. 25 f ) Der E r f ü l l u n g s o r t bestimmt sich gemäß § 26g zunächst nach dem erklärten oder unter Berücksichtigung der Umstände anzunehmenden Willen der Parteien, insbesondere bei Grundstücken regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, nach dem Orte, wo dem Mieter der Gebrauch gewährt wird ( R G 140, 67; R G 23. 12. 1904 III 196/04; R G J W 1919, 9396), mangels solcher Festsetzung aber nach dem Orte, an dem der Mieter zur Zeit der Entstehung des Mietverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hatte. Daneben besteht die Uberbringungs- oder Ubersendungspflicht des Mieters für Geldzahlungen nach § 270.

Anm. 26 g ) Die Mietzinsschuld kann, wie andere Verbindlichkeiten, auch im Wege der A u f r e c h n u n g getilgt werden (vgl. § 554 Abs. 2). Das V e r b o t d e r A u f r e c h n u n g mit Schadensersatzansprüchen, unter Umständen sogar mit einem solchen nach § 538 Abs. 1 oder mit einer Ersatzforderung aus § 538 Abs. 2 gehört zu den bei Aufstellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s (Vorbem. 29 zu aa) ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln". Uber die H i n t e r l e g u n g geschuldeten Mietzinses s. §372. Verjährung s. § 196 Nr. 6, § 197. V e r w i r k u n g des Anspruchs auf Zahlung von Mietzins s. H R R 1938 Nr. 504. Ein mit Rücksicht auf die Hausgemeinschaft ausgesprochener V e r z i c h t des Vermieters auf Mietzins ist auch seinem Gläubiger gegenüber wirksam ( H R R 1938 Nr. 507). Wegen der Beschlagnahme von Mietzinsen vgl. §§ 1123, 1124.

Anm. 27 h ) Das Vermieten von Wohnungen durch den Hauseigentümer ist in der Regel

kein G e w e r b e b e t r i e b im Sinne von § 196 Nr. 1 (RG JW 1919, 1056).

Anm. 28 2. Besondere Fälle a) Uber die ausnahmsweise Wirksamkeit des von einem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossenen Mietvertrags s. § 1 1 0 . Uber die Haftpflicht Dritter für den rückständigen Mietzins aus dem von einem Minderjährigen (Handlungsgehilfen, Studenten usw.) selbständig abgeschlossenen Mietvertrag nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag s. § 683 und der Unterhaltspflicht s. §§ 1601, 1602, 1610.

Anm. 29 b) Personenmehrheiten a a ) M e h r e r e n V e r m i e t e r n , insbesondere den vermietenden Miteigentümern eines Grundstücks, stehen die Mietzinsen als Gesamthandgläubigern (§ 432) gemeinsam zu. Die Mietzinsen können daher von ihnen nur gemeinsam eingezogen und nicht (auch nicht anteilig) von einem Miteigentümer abgetreten, auch nicht vom Gläubiger nur eines Miteigentümers gepfändet werden ( R G 89, 176; O L G 17, 1; 20, 107; 3 1 , 9 8 ; SeufTArch. 68 Nr. 8; B G H J Z 1958, 505; a M O L G 5, 26; 12, 66 [§ 420]). b b ) M e h r e r e M i e t e r , die gemeinschaftlich ein Grundstück gemietet haben, a u c h E h e g a t t e n , sind in ihren Pflichten Gesamtschuldner nach §427. Gesamtschuldnerische Haftung mietender Eheleute sieht auch der D e u t s c h e E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (§ 14) vor. Auch die Rückgabepflicht mehrerer Mieter ist eine Gesamtschuld (§431), die gegen jeden Schuldner besonders geltend gemacht werden kann ( R G 89, 203 [207]; O L G 30, 4. Konkurs eines Mieters berechtigt den Vermieter nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses nach § 19 K O ( B G H M D R 1958, 236 6 '). Anwendung des § 139 bei Geschäftsunfähigkeit eines Mitpächters R G 99, 52. Uber das Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Mieter, an dessen Stelle unter Fortdauer seiner Haftung ein neuer Mieter in den Mietvertrag eingetreten ist, s. R G 102, 398; R G SeuffArch. 89 Nr. 108. Eintritt eines Dritten an Stelle eines Vertragspartners durch Vereinbarung des Dritten mit dem anderen Verrtragspartner s. B G H L M Nr. 16 zu § 581 BGB. Uber Aufhebung eines Mietvertrags nach Abtretung der Vermieteransprüche auf den Mietzins an Dritte s. H R R 1932 Nr. 106.

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Miete

§535 Anm. 30—33

cc) Der Ehegatte des Mieters, der den Mietvertrag mit unterschrieben hat, haftet als Gesamtschuldner, kann aber, je nach den Umständen (OLG 33, 316), auch Mieter mit allen Rechten und Pflichten eines solchen sein, was wegen des Pfandrechts an den von ihm eingebrachten Sachen (§ 559) von besonderer Bedeutung ist. Uber die Rechtslage bezüglich des Mietverhältnisses, wenn beide Ehegatten Mieter waren, im Falle der Ehescheidung s. 6. V O zum Ehegesetz v. 21. 10. 1944 (RGBl I 256) §§ 4—6. Anm. 30 3. Bemessung des Mietzinses. Für sie ist nach § 535 ebenso wie für den Pachtzins nach §581 Abs. 2 g r u n d s ä t z l i c h die V e r e i n b a r u n g der V e r t r a g s t e i l e m a ß g e b e n d ; von ihr hängt auch eine Änderung, insbesondere Erhöhung ab. a) Dieser Grundsatz hat jedoch durch die nach dem ersten Weltkriege einsetzende Gesetzgebung, namentlich seit 1936 durch die Preisbildungsvorschriften starke Einschränkungen erlitten, deren Abbau erst in neuester Zeit begonnen worden ist; hierüber s. Vorbem. 35fr. U n z u l ä s s i g e M i e t z i n s e r h ö h u n g e n sind unwirksam (§ 134), ebenso Kündigungen, die nur eine solche Erhöhung bezwecken (RG J W 1937, 1545 3 ; 1737 34 ). Das gilt auch für die sog. P r e i s g l e i t k l a u s e l n (Bindung des Mietoder Pachtzinses z. B. an einen Preisindex), nicht aber für Umsatzmiete und Umsatzpacht. Wegen S t a f f e l m i e t e und S t a f f e l p a c h t s. R d L 1951, 258 (BM f. Wirtschaft). Verstoß gegen den Preisstop im Mietvertrag macht nur die Mietzinsabrede, soweit der zulässige Mietzins überschritten wird, nicht den ganzen Vertrag nichtig (RG D R 1939, 1633; 1941, 1903; 1942, 1403). Das muß jedenfalls für die Raummiete gelten, weil hier — ebenso wie im Warenverkehr — die Vernichtung des Vertrages nicht dem Sinn und Zweck der Preisbildungsvorschriften entsprechen würde (s. auch § 134 Anm.). Anders (volle Nichtigkeit des Vertrages) z. B. bei langfristiger Verpachtung eines großen Eigenjagdbezirks, eines Geflügelhofes oder eines Unternehmens; vgl. hierzu B e t t e r m a n n MSchG § 1 Anm. 53, § 3 Anm. 72; Grundfragen des Preisrechts § 9 IV. Anm. 31 b) Wegen des Einflusses der Währungsreform auf Miet- und Pachtzinsen s. Vorbem. 49, bei Aufbauverträgen oben Anm. 22. Anm. 32 c) Nur mit Genehmigung der Devisenstelle zulässig, andernfalls unwirksam sind Wertsicherungsklauseln und Vereinbarungen über Z a h l u n g in fremder Währung (§3 WährG); damit ist auch die sog. Naturalwertpacht grundsätzlich gesetzlich verboten ( F i s c h e r - W ö h r m a n n L P G 2. Aufl. § 6 Bern. 10, L ä n g e - W u l f f L P G § 6 Bern. 61; BGH L M Nr. 2 zu § 3 WährG; Nr. 4 zu § 139 BGB; a M Bank D e u t s c h e r L ä n d e r , R d L 1951, 152; F r i e s e - K o b l e r , L P G §6 Bern. 2b; S t a u d i n g e r §581 Anm. 66; offen gelassen BGH R d L 1952, 291 [292]), bei der als Pachtzins der DMGegenwert einer bestimmten Menge landwirtschaftlicher Erzeugnisse vereinbart wird (auch wenn dieser Gegenwert der Mindestpachtzins sein soll). Doch berühren unzulässige Abreden dieser Art in der Regel nicht die Gültigkeit des Vertrages im übrigen (RG 146, 366). Wenn aber die unwirksame Abrede mit den anderen Vereinbarungen in einem derart engen Zusammenhange steht, daß der Vertrag ohne sie nicht abgeschlossen worden wäre —• wenn z. B. bereits bei Vertragsschluß die Rechtsunwirksamkeit der Abrede feststand oder vorauszusehen war —, so ist der ganze Vertrag nichtig (BGH L M Nr. 4 zu § 139 BGB; Nr. 2 zu § 3 WährG). Anm. 33 d) Zulässig ist dagegen die Naturalpacht, wenn die als Pachtzins zu liefernde Menge landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus dem verpachteten Grundstück gewonnen werden kann (LPG § 6 Abs. 3); ist das nicht der Fall, so wird die Vereinbarung nicht als unwirksam anzusehen sein, sie kann aber von der Landwirtschaftsbehörde beanstandet werden ( F i s c h e r - W ö h r m a n n L P G §6 Bern. 28, S. 71; a M L ä n g e - W u l f f L P G § 6 Bern. 60 Abs. 4); ebenso, wenn die Naturalpacht in keinem angemessenen Verhältnis zum Ertrage des Pachtgrundstücks steht oder der Verpächter durch die ver-

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§ 535 Aiim. 34, 35

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

einbarten Naturalleistungen zu sehr in seiner Bewirtschaftungsfreiheit eingeschränkt wird, wie das z. B. der Fall ist, wenn Lieferung nur einer Hauptfrucht in einer Menge vereinbart ist, wie sie im Durchschnitt der Jahre aus dem Pachtgrundstück nicht gewonnen werden kann (BGH R d L 195a, 291). Zulässig ist auch eine Vereinbarung, daß der Pächter befugt sein soll, sich von seiner Verpflichtung zur Naturallieferung durch Zahlung des jeweiligen Preises der zu liefernden Erzeugnisse zu befreien (BGH R d L 1953, 242), oder daß nach Wahl des Verpächters oder Pächters der Pachtzins in Geld oder in einer bestimmten Menge landwirtschaftlicher Erzeugnisse entrichtet werden soll (OLG Celle R d L 1952, 12; O L G Schleswig DNotZ 1951, 416); das Wahlrecht kann, wenn der Vertrag nichts anderes bestimmt, nur zum Beginn eines Pachtjahres ausgeübt werden (BGH R d L 1953, 242). Vgl. zu diesen Fragen auch die ministeriellen Stellungnahmen R d L 1951, 258fr. IV. Sonstige Pflichten des Mieters Anm. 34 1. Abnahme und Gebrauch der Mietsache. Nimmt der Mieter die Mietsache in Gebrauch, dann muß er sich dabei in den vertraglichen Grenzen halten. Er ist ohne (ausdrückliche oder stillschweigende) Vereinbarung regelmäßig nicht zur Abnahme und zum Gebrauch der Mietsache verpflichtet (RG 108, 369; 1 1 5 , 17; 138 S. 192 [197], 202; R G J W 1936, 182g 6 ; H R R 1929 Nr. 1208). Ablehnung der Annahme begründet daher in der Regel nur Annahmeverzug (§§ 293 fr). a) Besondere Umstände können aber den Nichtgebrauch durch den Mieter als gegen Treu und Glauben und gegen die guten Sitten verstoßend erscheinen lassen. So verletzt der Mieter von Geschäftsräumen seine Mieterpflichten und haftet hierfür wie auch aus unerlaubter Handlung (§ 826), wenn er während der Mietdauer das Geschäft in den Mieträumen schließt, um es in der Nachbarschaft fortzusetzen und dadurch einen Geschäftsbetrieb gleicher Art in den Mieträumen nach Vertragsende zu verhindern oder zu erschweren ( H R R 1936 Nr. 1489). Dasselbe gilt, wenn der Mieter während der Mietzeit hinter dem Rücken des Vermieters auf die Schankerlaubnis für die von ihm auf dem gemieteten Grundstück betriebene Wirtschaft verzichtet, um eine solche in einem benachbarten Grunsdtück betreiben zu können (RG J W 1936, 1829 6 ). b) Bei der Umsatzpacht ist der Pächter zur vertragsmäßigen Nutzung verpflichtet (RG 149, 88; 160, 36 1 ; OGH H E Z 2, 246). c) Für die Pacht landwirtschaftlicher Grundstücke ergibt sich die Pflicht des Pächters zu ordnungsmäßiger Bewirtschaftung aus § 591 (s. dort und § 582 Anm. 2). Diese Pflicht ist auch öffentlich-rechtlicher Art; bei Nichterfüllung behördliches Einschreiten gegen den Pächter nach K R G 45 Art. V I I (früher V O zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 23. 3. 1937, RGBl I 422, nebst D V O vom 22. 4. 1937, R G B l I 535; Neufassung durch V O vom 20. 1. 1943, RGBl I 29) und Durchführungsbestimmungen (f. d. frühere brit. Zone MilRegVO 84 Art. V u. Landbewirtschaftungsordnung vom 24. 4. 1947, MilRegABl 18, 5 1 1 ; für die Länder der früheren amerikanischen und französischen Zone s. die in Vorbem. 24 vor § 535 zu cc) angeführten Vorschriften) ; vgl. auch § 62 BVFG, wonach schlecht bewirtschaftetes Land für die Unterbringung von Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen aus der Landwirtschaft in Anspruch genommen werden soll. Anm. 35 2. Obhutspflicht. Eine Gebrauchsverpflichtung in anderem Sinne kann sich aus der O b h u t s p f l i c h t des Mieters (Pächters) ergeben (RG 138, 197). Er ist zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vermieters (Verpächters) und damit auch zu einer schonenden und pfleglichen Behandlung der Mietsache verpflichtet (RG 84, 222; 87, 276; 93, 40). Ist eine Wohnung gemietet, so erstreckt sich die Obhut des Mieters nicht nur auf die Wohnung selbst, sondern auch auf ihre Zugänge, überhaupt auf alle Räume, an denen ihm vertraglich die Benutzung oder auch nur Mitbenutzung zusteht, einschließlich der Treppe und des Treppenflurs. Schonende und pflegliche Behandlung der Wohnung und der gemeinschaftlichen Einrichtungen verlangt von dem Mieter auch der D e u t s c h e E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (§ 7 Abs. 2). Der Mieter ist daher z. B. 370

Miete

§ 535 A n m . 3 6 § 536 A n m . 1 , 2

für eine Beschädigung dieser letzteren Räume beim Fortschaffen von durch ihn verkauften Sachen im Verhältnis zum Vermieter verantwortlich, mag auch das Fortschaffen nicht durch den Mieter, sondern durch den Käufer und dessen Beauftragte geschehen sein (RG 106, 133). Verletzt der Mieter die aus der Obhut sich ergebenden Pflichten, so ist der Vermieter zum Anspruch auf Unterlassung (§ 550), zur Kündigung (§ 553) u n d bei Verschulden (§§ 276, 278) zum Anspruch auf Schadensersatz (§ 548 Anm. 1) berechtigt. Der Mieter haftet dabei nach § 278 für das Verschulden seiner Angehörigen, Hausgehilfen, Angestellten, Arbeiter, wenn sie in Ausübung des ihnen anvertrauten (unselbständigen) Mitgebrauches, nicht nur bei Gelegenheit dieser Ausübung, Schaden verursachen, für ein pflichtwidriges Verhalten der von ihm Beschäftigten daher nur, wenn es in einem ursächlichen Zusammenhang mit den ihnen übertragenen Arbeitsleistungen steht (RG 84, 222; 87, 276 [auch 63, 341]; OLG 16, 423; 20, 1 1 0 ; 27, 146; 33, 309). Dasselbe muß für ein Verschulden der Gäste des Mieters und aller Personen gelten, durch die er eine Verrichtung in den Mieträumen vornehmen läßt. Seine Haftung für Personen, denen er den s e l b s t ä n d i g e n Gebrauch der Mietsache oder eines Teiles überläßt, ergibt sich aus § 549 Abs. 2. Eine Folge der Obhutspflicht s. § 545. Zur Obhutspflicht des Pächters s. auch § 581 Anm. 22. A n m . 36 3. Rückgabepflicht. Über die Verpflichtung des Mieters zur Rückgabe der Mietsache s. §§ 556, 557.

§ 536 Der Vermieter hat die vermietete Sache dem Mieter in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustande zu erhalten. E 1 5 0 4 n 481; M 2 372,373; p 2 130.

Ü b ersieht I. Vertragsmäßiger Gebrauch 1. Klagerecht 2. Schankwirtschaft 3. Beurteilung im Einzelfalle 4. Mängelrüge 5. Instandsetzungspflicht II. Überlassungspflicht I I I . Erhaltungspflicht 1. Allgemeines 2. Unterlassung schädigender Arbeiten am vermieteten Hause 3. Beleuchtung des vermieteten Hauses 4. Dauer der Erhaltungspflicht

Anm.

1—6 2 3 4 5 6 7 8—17 8—14 15 16 17

Anm. 1 I. Vertragsmäßiger Gebrauch. Das ist der nach dem Vertrage vorausgesetzte, nicht der gewöhnliche oder übliche Gebrauch (RG 135, 342). Anm. 2 1. Klagerecht. Auf Überlassung und fortdauernde Gewährung der Mietsache in einem zu diesem Gebrauche geeigneten Zustande hat der Mieter nach § 536, der auch für Zwangsmiet- und -Pachtverhältnisse gilt (RG J W 1927, 596 und 1652), ein K l a g e r e c h t (RG J W 06, 333 8 ), neben dem beim Vorhandensein der weiteren Voraussetzungen auch die in §§ 537, 538, 547 festgestellten Ansprüche in Betracht kommen können. Der Mieter kann die Unterhaltung der Mietsache auch im Wege einstweiliger Verfügung erzwingen. Er ist befugt, bei mangelhafter Unterhaltung einen entsprechenden Teil des Mietzinses zurückzubehalten (RG 23. 3. 1906 I I I 524/05).

371

§ 536 A n m . 3—8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 3 2. S c h a n k w i r t s c h a f t . Wer Räume zum Betrieb einer Schankwirtschaft vermietet (verpachtet), muß sie in einem Zustand überlassen und erhalten, daß sie für diesen Betrieb geeignet sind, insbesondere auch den polizeilichen Anforderungen genügen. Er muß daher unter Umständen auch bauliche Änderungen vornehmen, von denen die Polizeibehörde die Erteilung der Schankerlaubnis an den Mieter abhängig macht (RG 94, 138). Durch die Vereinbarung, er vermiete die Räume so, wie er sie bisher benutzt habe, wird nur die gesetzliche Haftung für solche Mängel erlassen, die beim Vertragsschluß für den Mieter ersichtlich waren (RG 94, 138). Anm. 4 3. Beurteilung i m Einzelfalle. Der für den vertragsmäßigen Gebrauch geeignete Zustand ist im einzelnen Falle nach der Ortssitte, dem Zweck und dem Preise der Mieträume zu beurteilen (vgl. H R R 1937 Nr. 1579: Hineinragen eines Balkens in den Kamin eines alten Hauses). Ortsgebräuche, wonach sicherheitsgefährliche Treppen, schadhafte Bodendielen usw. als erlaubt gelten, sind unbeachtlich (RG 90, 65). J e d e r Mieter, auch der einer kleinen Dorfwohnung, kann verlangen, daß er durch die vertragsmäßige Benutzung der Räume, die er zur Ausübung seines Mietrechts betreten muß, n i c h t an K ö r p e r und G e s u n d h e i t g e f ä h r d e t wird. Der Anspruch auf eine gefahrfreie Beschaffenheit der Mieträume steht unter dem Gesichtspunkt des Vertrags zugunsten Dritter (§ 328) auch den F a m i l i e n m i t g l i e d e r n und sonstigen A n g e h ö r i g e n des H a u s s t a n d s des M i e t e r s zu (RG 9 1 , 2 4 ; 1 0 2 , 2 3 1 ; R G J W 1910, 1003 1 3 ; 1934, 3126 4 ; RG WarnRspr. 1921 Nr. 96; RG H R R 1926 Nr. 1494), bei Mietverträgen über gewerbliche Räume auch den G e w e r b e g e h i l f e n des Mieters (RG J W 1935, 1768 3 mit Anm. R o q u e t t e ; anders noch für die Regel RG SeuffArch. 88 Nr. 54). Anm. 5 4. Mängelrüge. Hat der Mieter den gefährlichen Zustand gerügt, so bedeutet die Unterlassung eines Widerspruchs gegen die Hinausschiebung der Beseitigung des Mangels keinen Verzicht (auch nicht einen einstwilligen) auf die aus der Ordnungswidrigkeit sich ergebenden Rechte des Mieters (RG 89, 384; 90, 65). Anm. 6 5. Instandsetzungspflicht. Die Instandsetzungspflicht des Vermieters wird durch §28 MSchG nicht berührt (RG 1 1 5 , 277). Anm. 7 II. Ü b e r l a s s u n g s p f l i c h t . Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter zu über1 assen, d. h. ihm zum Besitz und zur Benutzung zu übergeben, während eine entsprechende besondere Abnahmepflicht des Mieters in der Regel nicht besteht (§ 535 Anm. 34). Die Überlassung kann auch stillschweigend geschehen (RG Gruchot 61, 928). Vielfach kommem abweichende Vertragsberedungen sowie Ortsgebräuche in Betracht. Uber den Fall, wenn der Vermieter schon vor Beginn der Mietzeit die Instandsetzung der Mieträume verweigert, s. unten § 542 Anm. 6. Der Vermieter ist gemäß § 536 auch verpflichtet, sich vor der Überlassung an den Mieter Gewißheit von dem gefahrlosen Zustande der Sache zu verschaffen, und zwar in erhöhtem Maße, wenn die Sache dem öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht werden soll (RG 22. 2. 1923 V I 770/22). E r braucht sich aber nicht um die Herstellung der Mieträume zu bemühen, wenn der Mieter vertragswidrige Anforderungen an die Einrichtung stellt und die Übernahme eines vertragsmäßig eingerichteten Raumes im voraus ablehnt (RG 17. 1. 1918 I I I 387/18). III. Erhaltungspflicht Anm. 8 1. A l l g e m e i n e s a) Zur Erhaltung gehört i n s b e s o n d e r e die V o r n a h m e der e r f o r d e r l i c h e n A u s b e s s e r u n g e n , auch bei den durch zufällige Ereignisse (z. B. Hagelschlag oder 372

Miete

§536 Anm. 9

Einwirkung Dritter, für die der Mieter nicht verantwortlich ist) verursachten Schäden; desgleichen bei der Wohnungsmiete in der Regel die Reinigung und — bei Glatteis — das Bestreuen des zum Gebrauche des Mieters dienenden Hofes, der vor dem Hause gelegenen Straßenteile (RG Gruchot 47, 643; L Z 1917, 1340 8 ; O L G 12, 358; 14, 24; vgl. auch R G 133, 226), eines den Zugang zur Mietwohnung bildenden Ganges zwischen zwei Häusern (OLG 36, 50); die Entleerung der Abort- und Müllgrube, das Kehren der Essen, während die infolge des G e b r a u c h s nötig werdende Reinigung der Mieträume und der dazugehörigen Hausteile dem Mieter oder auch den Mietern gemeinschaftlich obliegt. Bei außergewöhnlich strenger Kälte muß der Vermieter auch dafür sorgen, daß auf Treppen und Vorplätzen des Miethauses nicht durch nasses Aufwischen gefährliche Eisbildungen entstehen; er muß nötigenfalls den Hausangestellten besondere Anweisungen erteilen (RG L Z 1914, 1029 4 ). Beleuchtung behufs Sicherung des Zuganges zu einem Hinterhause s. R G L Z 1914, 1900 4 . Haftung des Vermieters für den gefahrlosen Zugang zu einem von mehreren Mietern des Hauses zu benutzenden Abort s. R G L Z 1915, 832 15 . Ob der Vermieter verpflichtet ist, sich in bestimmten Zeitabständen wiederkehrend vom ordnungsmäßigen Zustande der Mietsache zu überzeugen, hängt von den Umständen des Falles ab ( H R R 1935 Nr. 1379). Für Räume, die den Mietern zugänglich, aber nicht vermietet, auch nicht zur gemeinschaftlichen Benutzung aller Mieter bestimmt sind, haftet der Vermieter nur wegen unerlaubter Handlung (RG WarnRspr. 1914 Nr. 1 3 ; für den nicht mitvermieteten, nicht abgesperrten Teil eines teilweise vermieteten Speichers: B G H L M Nr. 1 zu § 536 BGB). Auf Grund des Vertrages haftet der Vermieter für ein Verschulden seines Erfüllungsvertreters, z. B. des Hausverwalters (OLG 36, 50), dem Mieter, unter dem Gesichtspunkt des § 328 aber in der Regel auch den Familienangehörigen und sonstigen Wohngenossen, bei gewerblichen Räumen auch den Gewerbegehilfen des Mieters (s. oben Anm. 4 und § 538 Anm. 8). Dem M i e t e r haftet der Vermieter auch für den Schaden, den die zur Ausführung von Ausbesserungsarbeiten in den Mieträumen von ihm angenommenen Arbeiter jenem verursachen (RG 30. 4. 1909 I I I 438/08, s. auch unten Anm. 15); Haftung des Vermieters einer Dampfdreschmaschine f ü r V e r s c h u l d e n des M a s c h i n i s t e n R G Gruchot 61, 633; R G L Z 1916, 235, anders bei Miete mit Dienstverschaffung. D r i t t e n gegenüber, die infolge mangelhafter Beschaffenheit des Hauses einen Unfall erleiden, ist hierfür regelmäßig nur der Vermieter (als Eigenbesitzer) verantwortlich (vgl. § 908, R G 59, 9), ausgenommen, wenn er das Haus im ganzen oder einen abgeschlossenen Teil davon vermietet und von seinem Mieter keine Nachricht vom Vorhandensein des Mangels erhalten hat (RG 68, 161).

Anm. 9 b) Zur W i e d e r h e r s t e l l u n g der durch Zufall, d. h. durch eine nicht von ihm zu vertretende Ursache, v ö l l i g z e r s t ö r t e n Mieträume, insbesondere beim Abbrennen des vermieteten Hauses, ist der Vermieter nicht verpflichtet; vielmehr erreicht dadurch die Miete wegen Unmöglichkeit der Erfüllung ihr Ende (RG J W 05, 718®; O L G 45, 147). Ebenso wird der Vermieter von seiner Verpflichtung zur weiteren Gebrauchsgewährung befreit, wenn ihm die Räumung und Niederlegung des vermieteten Hauses wegen Einsturzgefahr polizeilich aufgegeben ist (§ 323; R G 19. 4. 1904 I I I 38/04). Bei nur t e i l w e i s e r Z e r s t ö r u n g der Mietsache ist der Vermieter zur Wiederherstellung verpflichtet, wenn sie während der Mietzeit möglich und der zerstörte Teil den unverletzten Teilen gegenüber wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung ist (Prot. 2, 1860), auch die Wiederherstellung keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert ( R G WarnRspr. 1910 Nr. 146). Das gilt grundsätzlich auch für die durch Kriegseinwirkung ganz oder teilweise zerstörten Gebäude ( G r u n d M D R 1949, 70; s. auch § 564 Anm. 18); insbesondere war der Vermieter (Verpächter) nicht verpflichtet, innerhalb eines Jahres nach Eintritt des Kriegsschadens (VO v. 28. 9. 1943 § 1 Buchst, b, aufgehoben durch § 1 d. Ges. v. 4. 9. 1950, BGBl I 447) die hierdurch nicht nur vorübergehend unbenutzbar gewordenen Räume instandzusetzen oder dem Mieter (Pächter) bei der Instandsetzung zu helfen; er durfte jedoch den Mieter (Pächter) nicht an der Instandsetzung hindern (OGH M D R 1949, 676). Der Vermieter von Wohnungen eines teilweise kriegszerstörten Hauses muß auch dann, wenn er zum Ersatz notdürftiger Instandsetzungen

373

§ 536 Anm. 10—13

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

durch dauerhafte Maßnahmen nicht verpflichtet ist, den Zustand des Hauses prüfen und überwachen lassen und die Mieter davon unterrichten, daß er eine dauerhafte Instandsetzung nicht ausführen lassen will, wenn der Zustand die Sicherheit und das Leben der Bewohner gefährdet (BGH L M Nr. 4 zu § 536 BGB). Anm. 10 c) Der Verpächter muß ein auf dem Pachtgrundstück stehendes abgebranntes Gebäude wiederherstellen und das dabei untergegangene Inventar durch neues ersetzen, wenn das Pachtgrundstück mit den wiederhergestellten Gebäuden und dem neuen Inventar wirtschaftlich als die nämliche Sache erscheint wie vor dem Brande und die Wiederherstellung nicht Kosten verursacht, deren Aufwendung dem Verpächter nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Dabei kann auch auf eine dem Pächter zustehende Brandentschädigung und auf die von ihm in das Grundstück gemachten Verwendungen Rücksicht genommen werden (RG SeuffArch. 74 Nr. 29). Ändert sich in Pachtverhältnissen die G e s c h ä f t s g r u n d l a g e infolge außergewöhnlicher, nicht vorhersehbarer Ereignisse, dann kann ein die Vertragspflichten regelndes Eingreifen des Richters geboten sein. Im allgemeinen sind aber Verträge grundsätzlich aufrecht zu erhalten. Mangels besonderer Vereinbarungen kann insbesondere dem Verpächter nicht zugemutet werden, an sich noch brauchbare, aber mit der Zeit veraltende Einrichtungen mit allen Neuerungen zu versehen; noch weniger hat er dafür einzustehen, daß sich der Betrieb lohnend gestaltet (RG H R R 1932 Nr. 1433). Für die landwirtschaftliche Pacht s. im übrigen § 582. Anm. 11 d) In Abweichung von den allgemeinen Vorschriften trägt nach § 11 des Einheitsmietvertrags für Baugeräte (Vorbem. 29 zu bb) der Mieter die Gefahr des zufälligen Untergangs der Mietsache; er hat dem Vermieter einen gleichartigen Ersatz zu verschaffen oder bei Nichtzumutbarkeit Barentschädigung zu leisten. „Untergegangen" ist das Baugerät auch dann, wenn es im Zusammenhang mit Kriegsereignissen vom Feind unbeschädigt erbeutet und dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Beteiligten endgültig verlorengegangen ist (OGH 1, 110; 2, 202; BGH 2,176). Der Wegfall des Kriegssachschadenanspruchs gegen das Reich führt weder unter dem Gesichtspunkt einer einschränkenden Auslegung des § 11 noch unter dem Gesichtspunkt des Fortfalls der Geschäftsgrundlage zu einer Freistellung des Mieters (BGH 2, 176), doch entfällt dessen Haftung, wenn ihm durch Beschlagnahme von hoher Hand das Baugerät entzogen und jede Einwirkung auf Einsatzort und -zeit des Geräts genommen worden ist (BGH 2, 192). Der Anspruch auf Barentschädigung ist kein Schadensersatzanspruch i.S. des §249 Satz 2, daher im Verhältnis 1 0 : 1 umgestellt (BGH 2, 192). Anm. 12 e) Würdigung nach §§ 275, 323 muß eintreten, wenn behördliches Verbot die vertragsmäßige Nutzung einer verpachteten Wirtschaft verhindert. Will der Pächter das Pachtverhältnis fortsetzen, der Verpächter es auflösen, dann muß nach Treu und Glauben unter billiger Erwägung der beiderseitigen Interessen festgestellt werden, wessen Interessen den Vorzug verdienen (RG 89, 203). Anm. 13 f) Haftung des Vermieters für den Zustand einer den alleinigen Zugang eines Hauses bildenden Brücke bei Eigentum des Vermieters (RG 18. 12. 1912 III 216/12), auch trotz Eigentums der Gemeinde (RG WarnRspr. 1910, 549; RG 18. 5. 1920 I I I 83/20). Haftung des Vermieters für einen den Zugang vermittelnden, in den Bürgersteig eingelassenen Eisenrost nebst Einfassung bei Unterhaltungspflicht der Gemeinde bezüglich des ganzen Bürgersteigs (RG 19. 4. 1918 III 478/17). Haftung des Vermieters für den verkehrssicheren Zustand des Hausflurs, woraus sich die Verpflichtung ergeben kann, bei Winterglätte abstumpfenden Stoff zu streuen, mag auch die Gefahr des Ausgleitens im Hause im Einzelfalle geringer sein als außerhalb des Hauses (RG 374

Miete

§536

Anm. 14—16 2 7 . i . 1920 I I I 259/19). Die Aufsichtspflicht des Hausbesitzers gegenüber seinen Hausangestellten, deren er sich zur Erfüllung der Streupflicht bedient, besteht allgemein, nicht erst, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Angestellten entstehen ( R G 2 1 . 9 . 1 9 3 1 V I I I 2 3 0 / 3 1 : Streuen im Hofe). Haftung des vermietenden Hauseigentümers (neben dem Mieter) gegenüber den Kunden des Mieters für die Verkehrssicherheit zu den Geschäftsräumen des letzteren ( R G 92, 359; 95, 6 1 ) . Haftung des Mieters gegenüber Dritten f ü r bauliche Mängel, nicht nur f ü r Fehler der Instandhaltung, s. R G 83, 1 3 7 . Haftung des Mieters eines Hauses, der dem Vermieter gegenüber die Sorge f ü r den Fahrstuhlbetrieb einschließlich der Bedienung übernommen hat, für die Folgen von Unfällen, die Dritten in diesem Betriebe zustoßen, s. R G Gruchot 63, 750.

Anm. 14 g ) Uber die vertragliche Übernahme der Verpflichtung zu „ S c h ö n h e i t s i n s t a n d s e t z u n g e n " durch den M i e t e r und dementsprechende Ansprüche des Vermieters s. K G H R R 1925 Nr. 356 und J W 1934, 1 4 2 8 1 ; 1937, 2104 9 ; L G Berlin J W 1938, 3 1 7 3 2 4 ; auch O L G Breslau H R R 1933 Nr. 1488 und B a n d m a n n J W 1938, 3 1 4 5 .

Anm. 15 2. Unterlassung schädigender Arbeiten a m vermieteten Hause. Zur Erh a l t u n g d e r v e r m i e t e t e n S a c h e in einem zum vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande g e h ö r t es a u c h , d a ß d e r V e r m i e t e r n i c h t d e n M i e t e r d u r c h A r b e i t e n a m v e r m i e t e t e n G r u n d s t ü c k s c h ä d i g t , vielmehr schädigende A r beiten unterläßt und bei allen Arbeiten, mögen sie auch in andern als den dem Mieter zum Alleingebrauch oder zur Mitbenutzung überlassenen R ä u m e n vorgenommen werden, darauf bedacht ist, unzulässige Beeinträchtigungen des Mieters zu vermeiden. Haftung des Vermieters für länger dauernde Störungen und für Beschädigungen der Sachen des Mieters bei Umbauten und bei Ausbesserungen der Fassade s. H R R 1 9 3 5 Nr. 1380. Dabei haftet der Vermieter nach § 278 f ü r Versehen bei der Vornahme baulicher Arbeiten nicht nur dann, wenn der von ihm beauftragte Bauhandwerker persönlich tätig wird, sondern auch dann, wenn dieser im Einverständnis mit dem Vermieter die Arbeiten durch seine Angestellten ausführen läßt und von diesen einer schuldhaft handelt ( R G 102, 2 3 1 ) . Entsprechend ist die H a f t u n g d e s M i e t e r s für seine Angestellten bezüglich der Verpflichtung zur schonenden und pfleglichen Behandlung der Mietsache ( § 5 3 5 A n m . 35).

Anm. 16 3. Beleuchtung des vermieteten Hauses. Zur Beleuchtung der zu einem ver-

mieteten Hausteil gehörigen Flure und Treppenaufgänge ist der Vermieter nach dem V e r t r a g e , sofern nicht ausdrücklich oder stillschweigend oder durch Ortsgebrauch etwas anderes bestimmt ist, n i c h t verpflichtet ( R G H R R 1932 Nr. 1 1 2 6 ) . Eine a l l g e m e i n e R e c h t s p f l i c h t der Beleuchtung kann f ü r den Vermieter begründet sein, wenn durch Polizeiverordnung die Beleuchtung für bestimmte Hausteile und Zeiten vorgeschrieben ist, und auch abgesehen hiervon, wenn der Vermieter derartige Hausteile dem Verkehr geöffnet hat ( R G 33, 2 2 7 ; R G S t 14, 362; R G 2 1 . 2. 1907 I I I 38/06; s. auch R G 54, 56). So insbesondere für den vermietenden Eigentümer eines städtischen Hauses die Verpflichtung, für die Beleuchtung der Zugänge und Treppen zu sorgen, solange sie während der Dunkelheit einem regelmäßigen Verkehre dienen. Bei solcher Bestimmung der R ä u m e für den Verkehr wird der Vermieter nicht nur seinen Mietern, sondern nach § 823 auch Dritten gegenüber im Falle mangelhafter Beleuchtung zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Verpflichtung des Vermieters, elektrische Treppenbeleuchtung auch zur Nachtzeit zu gewähren, kann daraus abzuleiten sein, daß der Vermieter durch Errichtung und Unterhaltung der Anlage den Mietern seine Bereitwilligkeit zur Gewährung von Nachtbeleuchtung zu erkennen gegeben und der einzelne Mieter die Einrichtung schon beim Einzug vorgefunden hat ( R G 10. 2. 1928 I I I 197/27). Der Verpflichtung, für die ordnungsmäßige Beleuchtung der Treppen zu sorgen, genügf der Vermieter nicht schon dadurch, daß er diese Sorge durch die Hausordnung den Mietern auferlegt; er muß auch die Befolgung der Hausordnung in geeigneter Weise 15

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Pritsch)

375

§ 536 A n m . 17 § 537 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

überwachen ( R G Gruchot 6o, 1012). Uber die Verpflichtung des Schankwirts, die dem Verkehr geöffneten Räume für seine Gäste länger als für gewöhnliche Passanten zu beleuchten, s. R G 26. 2. 1907 I I I 338/06. A n m . 17 4. Dauer der ErhaltungspfUcht. Die vertragsmäßige Verpflichtung des Vermieters zur Erhaltung der Mietsache, insbesondere der Mieträume, in einem zum Gebrauche geeigneten Zustande besteht so lange, als die Verpflichtung des Vermieters dauert, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren. Diese Zeit deckt sich nicht immer genau mit der ausgemachten Mietzeit. So ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter n a c h A b l a u f d e r M i e t z e i t zum Zwecke des Auszugs die Benutzung der zu den Mieträumen führenden Treppen zu gestatten. Er ist daher auch verpflichtet, diese Treppen für die Zeit des Auszugs in gefahrlosem Zustande zu erhalten ( R G WarnRspr. 1913 Nr. 316). Uberläßt anderseits der Vermieter gemietete Räume dem Mieter ohne besonderes Entgelt (s. § 535 Anm. 2) schon v o r d e m v e r e i n b a r t e n B e g i n n d e r M i e t z e i t , dann muß er kraft des Vertrages auch in dieser früheren Zeit für einen ordnungsmäßigen Zustand der Räume sorgen.

§537 Ist die vermietete Sache zur Zeit der Überlassung an den Mieter mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert, oder entsteht i m Laufe der Miete ein solcher Fehler, so ist der Mieter für die Zeit, während deren die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung des Mietzinses befreit, für die Zeit, während deren die Tauglichkeit gemindert ist, nur zur Entrichtung eines nach den §§ 472, 473 zu bemessenden Teiles des Mietzinses verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später w e g fällt. Bei der Vermietung eines Grundstücks steht die Zusicherung einer bestimmten Größe der Zusicherung einer Eigenschaft gleich. E I 505, 507 II 482; M 2 373—376; P 2 131fr

Ü b ersieht I. Rechtliche Folgen von Mängeln der Mietsache 1. Verhältnis zu den §§ 323 ff" 2. Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung II. Fehler der Mietsache 1. Aufhebung oder Minderung des vertragsmäßigen Gebrauchs . . . . 2. Wertbildende Faktoren III. Einwirkung behördlicher Maßnahmen 1. Pacht 2. Miete I V . Minderung der Tauglichkeit V . Befreiung vom Mietzins oder Minderung V I . Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft V I I . Verhältnis zu anderen Vorschriften

Anm.

1, 2 1 2 3, 4 3 4 5—7 6 7 8 9—12 13 14

Anm. 1 I. Rechtliche Folgen von Mängeln der Mietsache 1. Verhältnis zu d e n § § 323ff. Die rechtlichen Folgen von Mängeln der Mietsache sind im § 537 und in den folgenden Bestimmungen teilweise abweichend von den allgemeinen Vorschriften der §§ 223 fr geregelt, an deren Stelle insoweit die §§ 537 ff treten (Vorbem. 30 vor § 535). Die Anwendung der §§ 323fr in Verbindung mit § 536 ist damit nicht ausgeschlossen ( R G 146, 60; 157, 367). Sie greifen Platz, wenn dem Ver-

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§537 A n m . 2, 3

mieter infolge von ä u ß e r e n U m s t ä n d e n die Gewährung des Gebrauchs ganz oder teilweise unmöglich wird, er z. B. infolge einer schweren Krankheit in der Familie des seitherigen Mieters dem neuen Mieter die Mieträume nicht rechtzeitig gewähren kann. Die dauernde oder doch einer dauernden gleichzustellende Unmöglichkeit der Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs bringt das Vertragsverhältnis nach §§ 275, 323 Abs. 1 zum Erlöschen (RG 146, 60; O G H H E Z 2, 245). Anm. 2 2. A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s oder T ä u s c h u n g . Nicht ausgeschlossen wird ferner durch die Sondervorschriften der §§ 537fr eine A n f e c h t u n g des Mietvertrags wegen arglistiger Täuschung über Mängel der Mietsache nach § 123 ( R G J W 1914, 591, vgl. für den Kauf R G 96, 156). Das gleiche muß (trotz § 539) für die Anfechtung wegen Irrtums nach § 1 1 9 gelten ( R G 157, 173; vgl. jedoch für den Kauf die abweichende Rechtsprechung in § 119 Anm., § 459 Anm. 31, 36). Der über den Ertrag eines Wirtschaftsanwesens getäuschte Pächter kann Änderung der Vertragsbedingungen, insbesondere Ermäßigung des Pachtzinses verlangen (Differenzklage, R G 86, 334). Anm. 3 II. Fehler der Mietsache 1. A u f h e b u n g oder Minderung d e s v e r t r a g s m ä ß i g e n Gebrauchs. Nur hierauf kommt es an, nicht auf die Erheblichkeit des Mangels (M 2, 374, anders § 542 Abs. 2) oder auf ein Verschulden des Vermieters oder auf dessen Kenntnis vom Fehler. a) U n w e s e n t l i c h e Fehler. Doch wird die Tauglichkeit eines Patentrechts nur durch völlige Unbrauchbarkeit, technische Unausführbarkeit, nicht aber durch geringe praktische Verwertbarkeit aufgehoben (RG 9. 11. 1908 V I 199/07; R G 78, 367). Minderung des Pachtzinses nicht schon deshalb, weil die bei der Pachtung eines Betriebes vorhandenen und als zweckentsprechend anerkannten Maschinen nicht mehr der fortschreitenden Technik entsprechen und gegenüber den mit modernen Maschinen ausgestatteten gleichartigen Betrieben ein gewinnbringendes Arbeiten nicht mehr ermöglichen (RG H R R 1932 Nr. 1433). Regelmäßig keine Herabsetzung des Mietpreises einer Großwohnung aus dem Grunde, weil aus den übrigen Großwohnungen Kleinwohnungen gemacht sind ( H R R 1935 Nr. 1446). Wegen eines ganz geringfügigen Fehlers an einem Teile der Mietsache ist die Zurückbehaltung des ganzen Mietzinses nicht berechtigt (RG 12. 10. 1906 I I I 64/06). b) Als ein w e s e n t l i c h e r Fehler gilt z. B. das Fehlen von Öfen in einem mit Öfen vermieteten Hause (RG 21. 3. 1906 I I I 324/05), sowie auch der einer Schankwirtschaft anhaftende Ruf, ein Schlupfwinkel gewerbsmäßiger Unzucht zu sein (RG 20. 1. 1906 I I I 474/05), die polizeiliche Beanstandbarkeit der gemieteten Geschäftsräume (RG WarnRspr. 1928 Nr. 58: s. aber auch H R R 1936 Nr. 1490), ebenso die nachträgliche Errichtung eines Wettbewerbsgeschäfts neben einem vorher gerade zum ausschließlichen Gewerbebetrieb im gleichen Hause vermieteten Geschäftsraum (RG 19. 1. 1906 I I I 372/06), unter Umständen auch die Eröffnung einer Konkurrenz in der Nähe des Hauses, in dem sich die Geschäftsräume des Mieters befinden (RG 119, 353; vgl. auch 131, 274; 136, 266). Es ist aber in der Regel weder ein Sach- noch ein Rechtsmangel eines vermieteten Ladenraums, wenn der Vermieter dem Mieter eines anderen Ladens gegenüber vertraglich verpflichtet ist, den Ladenraum nicht an ein Konkurrenzunternehmen zu vermieten (BGH L M Nr. 3 zu § 5 3 7 BGB). Minderung des Mietzinses, wenn die Sammelheizung nur mit Hilfe der Mieter betrieben wird, s. O L G 40, 310. c) Als Fehler einer Sache, insbesondere eines Hauses, welche die Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauche aufheben oder mindern, sind aber auch diejenigen zu betrachten, welche nicht geradezu den Gebrauch an sich verhindern, wohl aber ihn zu einem d i e Gesundheit benachteiligenden oder g e f ä h r d e n d e n machen, z.B. Feuchtigkeit, ungenügende Verwahrung gegen atmosphärische Einflüsse, Behaftetsein mit Krankh eitskeimen oder Ansteckungsstoffen, oder bewirken, daß die Mietsache nur in der B e f ü r c h t u n g e i n e r v e r m ö g e i h r e s Z u s t a n d e s d r o h e n d e n Gefahr benutzt werden kann, vgl. R G 81, 202 (sachwidrige Befestigung der Klappe eines Rolladenkastens), RG WarnRspr. 1916 Nr. 223 (Fäulnis einer Diele), RG 11. 5. 1920 III 27/20 *5*

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

(ungenügende Sicherung einer zur Besteigung einer Speicherbühne dienenden Leiter). Vgl. auch RG LZ 1916, 14257. Unrichtige Angabe des Flächeninhalts eines Jagdbezirks als Mangel der Pachtsache, der zur Pachtminderung berechtigt; Feststellung des Minderwertes nicht nur nach der planmäßigen Größe, sondern auch nach dem jagdwirtschaftlichen Wert der fehlenden Fläche s. OLG Hamm DJ 1938, 1504, ferner OLG Köln DJ 1936, 1663; aber auch KG HRR 1935 Nr. 1447. Störung des Jagdpächters durch Anlegung eines Schießplatzes s. LZ 1918, 4608. S. auch § 538 Anm. 7, 13. Festzuhalten ist, daß § 537 einen Fehler der Mietsache oder das Fehlen zugesicherter Eigenschaften der Sache voraussetzt, also im unmittelbaren Gegensatze zu den in der Person des Mieters liegenden Gründen (§ 552, s. Anm. 1 dort) steht. Anm. 4 2. Wertbildende Faktoren. In ständiger Rechtsprechung hat das Reichsgericht nach dem geltenden wie nach früherem Rechte angenommen, daß unter den Begriff der für die Gewährleistungsansprüche wegen Sachmängel in Betracht kommenden Eigenschaften nicht nur die natürlichen, der Sache an sich zukommenden Eigenschaften, sondern a u c h s o l c h e t a t s ä c h l i c h e oder r e c h t l i c h e V e r h ä l t n i s s e f a l l e n , d i e i n f o l g e i h r e r B e s c h a f f e n h e i t u n d v o r a u s g e s e t z t e n D a u e r n a c h der V e r k e h r s a n s c h a u u n g w e r t b i l d e n d oder w e r t e r h ö h e n d zu w i r k e n p f l e g e n (vgl. für den Kauf RG 21, 308; 52, 1; 59, 240, auch 61, 86 und für die Miete 95, 175; RG J W 1927, 19933). Nach diesem Grundsatze muß die Unbrauchbarkeit der Sache zu dem vertragsmäßigen Gebrauche auch dann als ein Sachmangel angesehen werden, wenn sie auf Bestimmungen des öffentlichen Rechtes beruht. Der Fall eines gesetzlichen oder behördlichen Gebrauchsverbots kann hier allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn es sich dabei um irgendwelche Beziehungen (z. B. die örtliche Lage) der Sache handelt (RG 79, 95; 91, 54; 94, 267; 144, 176; 147, 157; RG J W 1937, 4603). Eine die Benutzbarkeit eines Grundstücks (z. B. zu Fabrikzwecken) hindernde oder einschränkende Bestimmung des öffentlichen Rechts hängt regelmäßig mit der örtlichen Lage des Grundstücks zusammen (RG J W 1913, 59610). Wird ein als Bauland verpachtetes Grundstück von einem Bauverbot betroffen, so ist das ein Fehler i.S. von § 53 7> der eine Minderung des Pachtzinses auch dann rechtfertigen kann, wenn der Pächter nicht mehr gewillt oder in der Lage ist, sein Bauvorhaben durchzuführen (BGH RdL 1958, 150). Feindliche Besetzung einer Stadt sowie die ernstliche dringende Gefahr einer solchen oder einer Beschießung als Fehler der Mietwohnung (§ 537) und zugleich als Grund der Unmöglichkeit für den Vermieter, den vertragsmäßigen Gebrauch zu gewähren (§ 323), s. OLG 31, 368.

Anm. 5 III. Einwirkung behördlicher Maßnahmen. Sie fällt keineswegs immer nur dann unter § 537, wenn diese durch die Beschaffenheit der gemieteten (gepachteten) Sache oder durch ihre örtliche Lage veranlaßt worden sind. Dabei ist zwischen Miete und Pacht zu unterscheiden. Anm. 6 1. Bei der Pacht (§581), die auch den Fruchtgenuß gewährt, kommt es darauf an, ob ein Verbot nur den tatsächlichen Umfang des Fruchtbezugs beeinträchtigt oder die Möglichkeit des vertragsmäßigen Fruchtgenusses überhaupt nimmt und so den Pachtgegenstand selbst in seiner besonderen Eigenschaft als einer zu diesem Fruchtgenuß bestimmten und geeigneten Sache trifft. Eine b l o ß e M i n d e r u n g des U m f a n g e s des F r u c h t b e z u g s m u ß der P ä c h t e r t r a g e n . F ü r d i e M ö g l i c h k e i t der v e r t r a g s m ä ß i g e n N u t z u n g d a g e g e n h a f t e t der V e r p ä c h t e r . Wird diese entzogen, so hat der Pächter — unbeschadet einer Anwendung des § 323 (SeuffArch. 74 Nr. 168; OLG 39, 178), insbesondere einer Auflösung des Pachtverhältnisses nach §§ 275, 323, s. RG 89, 203; RG SeuffArch. 76 Nr. 157 (Versagung der Spielerlaubnis bei Theaterpacht); vgl. auch RG J W 1927, 136314 (Unmöglichkeit der Gewährung des Pachtgegenstandes infolge Beschlagnahme der zum Betriebe eines Friseurgeschäfts eingerichteten Räume während des Ruhreinbruchs) — die Rechte aus §§ 537ff (auch 378

Miete

§537

Anm. 7

§542), so für polizeiliche Tanzverbote bei Tanzwirtschaften ( R G 87, 277; 8g, 203; R G WarnRspr. 1918 Nr. 110; R G SeufTArch. 73 Nr. 223; O L G 36, 51), für Beschränkungen der Polizeistunde bei Nachtwirtschaften ( R G 88, 96; R G J W 1918, 815 3 , auch O L G 38, 123). Vorausgesetzt wird nur, daß auch wirklich die Sache in ihrer besonderen Eigenschaft (als Tanzwirtschaft, Nachtwirtschaft) betroffen und nicht nur der Umfang des Fruchtbezugs beeinträchtigt wird. K e i n e n Anspruch auf Pachtzinsminderung hat daher der Pächter einer Bierwirtschaft, wenn die Biererzeugung eingeschränkt wird ( R G 90, 374), es müßte denn sein, daß sie vollständig oder doch in einem Umfange untersagt wird, der in seinen Wirkungen für den Wirtschaftsbetrieb einem vollständigen Verbote gleichkommt; ferner der Pächter eines für den Tag- und Nachtverkehr bestimmten Kaffeehauses, der infolge der Herabsetzung der Polizeistunde und polizeilicher Beschränkung der Musikerlaubnis einen Einnahmeausfall erleidet ( R G 93, 144; R G WarnRspr. 1919 Nr. 32). Einen die Minderung des Pachtzinses rechtfertigenden Fehler einer verpachteten Mühle kann auch die auf Grund des Gesetzes über den Zusammenschluß von Mühlen vom 15. 9. 1933 (RGBl I 627) angeordnete Einschränkung der Vermahlung darstellen ( R G 147, 157; anders K G H R R 1935 Nr. 659). Kein Fehler der Pachtsache liegt vor, wenn behördliche Anordnung nur den augenblicklichen Pächter an der Nutzung hindert, während ein anderer Pächter durch die Anordnung nicht gehindert wäre; hier schlägt der Rechtsgedanke des § 5 5 2 ein ( R G J W 1937, 2104' 0 : Milchhandelsregelung). Allgemeines Verbot der Jagdausübung als Grund für die Befreiung von der Entrichtung der Jagdpacht ( O L G 33, 320). Anm. 7 2. Bei der M i e t e , die nur den Gebrauch der Mietsache gewährt, hat der Vermieter regelmäßig nur dafür einzustehen, daß die Mieträume zum vertragsmäßigen Gebrauch tauglich sind, daher keine Haftung wegen polizeilicher Tanzverbote und wegen Beschränkung der Polizeistunde bei Miete von — erst durch den Mieter einzurichtenden — Wirtschaftsräumen ( R G J W 1918, 88 8 ; auch SeufTArch. 71 Nr. 6 ) ; ebenso keine Haftung wegen Unmöglichkeit des Bierausschanks und wegen Verbots bezüglich des Branntweinausschanks bei Miete von nicht eingerichteten Wirtschaftsräumen, die der Mieter erst auf seine Kosten umbauen muß ( R G WarnRspr. ig 18 Nr. 8 ; vgl. auch SeufTArch. 73 Nr. 224: behördliche Schließung von Lichtspielunternehmungen). Ist aber die Mietsache, sei es wegen ihrer örtlichen Lage, sei es wegen ihrer besonderen Einrichtung, vertragsmäßig nur in einer bestimmten Art zu benutzen und wird diese Benutzung durch behördliche Verbote unmöglich gemacht, dann ist der Mieter — unbeschadet einer Anwendung des § 323 ( R G 94, 367; O L G 39, 178), insbesondere einer Auflösung des Mietverhältnisses nach §§ 275, 323 ( R G 89, 203; R G SeuffArch 76 Nr. 157) — nach § 537 v o n der Entrichtung des Mietzinses befreit, so für die Einstellung des gesamten Kur- und Badebetriebs bei Miete eines Ladens zum Betriebe von Geschäften mit den Badegästen ( R G 91, 54), bei Miete von Räumen zum Kuraufenthalt an einem Badeorte (LZ 1915, 1041 1 3 ; anders für bloße Regelung der Benutzung einer Mietwohnung an einem Badeorte, militärisches Beleuchtungsverbot, O L G 31, 366), für Beschlagnahme und Veräußerungsverbot für Benzin bei Miete einer Benzintankanlage ( R G 94, 367); für ein behördliches Verbot bei Vermietung einer Dachfläche zur Lichtreklame ( H R R ig3i Nr. 1129). Zu den die Anwendung des § 537 begründenden Mängeln der Mietsache gehört auch die Beschränkung der Errichtung von Verkaufsstellen und was dem gleichgestellt ist, durch das Gesetz zum Schutze des Einzelhandels vom 12. 5. 1933, vorausgesetzt, daß die dadurch ausgeschlossene Verwendung der Mietsache im Einzelfalle den vertragsmäßigen Gebrauch bildet ( R G 146, 60). War der Betrieb eines Warenhauses vom Mieter beabsichtigt, aber nicht als vertraglicher Gebrauch bestimmt, so kann eine Berufung auf § 537 nicht daraufgestützt werden, daß diese Art der Benutzung durch das Gesetz zum Schutze des Einzelhandels unmöglich geworden ist; die Anwendung des § 537 (ebenso des § 323) entfällt, hiervon abgesehen, nach dem in § 552 niedergelegten Rechtsgedanken auch dann, wenn der Mieter selbst durch Nichtbetrieb eines Warenhauses das Eingreifen des erwähnten Gesetzes ermöglicht hat ( R G 147, 304). Über das Verbot der Errichtung von Einheitspreisgeschäften s. H R R ig34 Nr. 853. Die zum Betrieb einer Schankwirtschaft vermieteten oder verpachteten Räume sind mit

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§ 537 A n m , 8—11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

einem Fehler im Sinne des § 537 Abs. 1 (§581 Abs. 2) behaftet, wenn die Schankerlaubnis versagt wird, weil nach Zahl, Art, Lage und Entfernung der schon vorhandenen Betriebe kein Bedürfnis für die Erteilung vorliege (RG 144, 176; 157, 363; anders für die Zeit vor dem Gaststättengesetz vom 28. 3. 1930, RGBl I, 146, RG J W 1930, 2214 6 ); § 537 Abs. 1 ist in solchem Falle auch dann anzuwenden, wenn die Schankerlaubnis erst im Laufe des Miet- oder Pachtverhältnisses versagt wird (RG WarnRspr. 1937 Nr. 19). Vgl. aber auch H R R 1934 Nr. 1194. Bei entgeltlicher Überlassung eines Gasthauses, dessen Einrichtung der Mieter vom Vermieter käuflich übernommen hat, sind, wenn nicht überhaupt Pacht anzunehmen ist (Vorbem. 3 zu dd) vor § 535), jedenfalls die für die Pacht entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden (RG 91, 310). Anm. 8 IV. Minderung der Tauglichkeit. In diesem Falle ist der Mietzins verhältnismäßig herabzusetzen, und zwar, wenn neben dem Geldbetrag noch andere Leistungen bedungen sind, zunächst an dem in G e l d festgesetzten Teile der Leistung des Mieters (vgl. §473). Nach der in §472 vorgeschriebenen „relativen Berechnung" ist also der vereinbarte Mietpreis nach dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem z u r Z e i t des A b s c h l u s s e s des M i e t v e r t r a g s die Mietnutzung der Sache in mangelfreiem Zustand zur Mietnutzung der mangelhaften Sache gestanden haben würde (RG WarnRspr. 1909 Nr. 292), mithin bei 800 DM vereinbartem Mietpreis, goo DM angemessenem Mietzins von der Sache in mangelfreiem Zustand, 450 DM angemessenem Mietzins von der Sache in mangelhaftem Zustand, Herabsetzung des vereinbarten Mietzinses um 50% bis auf 400 DM. Die Minderung des Miet-(Pacht-)Zinses für die Zeit, in der die Tauglichkeit der Sache zum vertragsmäßigen Gebrauch (z. B. einer Tanzwirtschaft durch behördliches Tanzverbot) gemindert war, wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Mieter (Pächter) z u a n d e r e r ( a u c h s p ä t e r e r ) Z e i t einen besonders großen Nutzen aus der Sache gezogen hat (RG 15. 2. 1921 I I I 326/20). Werden aber die Nachteile aus einer gesetzlichen oder behördlichen Einschränkung durch mit ihr verbundene g l e i c h z e i t i g e Vorteile ausgeglichen, so liegt eine Minderung der Tauglichkeit nicht vor (RG 147,157; R G J W 1937, 460'). Anm. 9 V. Befreiung v o m Mietzins oder Minderung. Sie tritt (anders als beim Kauf) ohne weiteres (von Rechts wegen) ein, wobei d e r Beweis des behaupteten Mangels dem Mieter obliegt. A n m . 10 1. Eine Vertragsbestimmung, wonach der Mieter Minderung nur im Wege b e s o n d e r e r K l a g e geltend machen kann, ist ungültig (JW 1918, 5207). Da mit der Minderung keine Gegenforderung gegen den Mietzinsanspruch geltend gemacht wird, schließt ein vertragsmäßiges Aufrechnungsverbot sie nicht aus (RG LZ 1918, 62116). Nicht ausgeschlossen wird sie ferner durch eine Vertragsbestimmung, wonach Beanstandungen irgendwelcher Art den Mieter nicht zur Zurückhaltung fälliger Forderungen berechtigen oder Einwände und Gegenansprüche gegenüber dem fälligen Mietzinsanspruch nicht erhoben, sondern besonders verfolgt werden sollen (RG H R R 1932 Nr. 938; RG 23. 9. 1921 III 71/21). Zum vertraglichen Ausschluß eines Minderungs- oder Zurückbehaltungsrechts s. noch die Sonderbestimmung des MSchG § 28 (vgl. § 538). Die sonstigen Rechte des Mieters auf Gewährung einer ordnungsmäßigen Mietsache (§ 536) sowie auf Kündigung des Vertrags (§ 542) bleiben daneben bestehen, während der Schadensersatzanspruch des § 538 nur s t a t t der im § 537 bestimmten Rechte geltend gemacht werden kann. Über die Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums und arglistiger Täuschung s. Anm. 2. A n m . 11 2. Durch Stellung von Ersatzräumen kann sich der Vermieter in der Regel ohne Zustimmung des Mieters von seiner Verpflichtung nicht befreien; anders jedoch, wenn 380

Miete

§537 Anm. 12—14

nach den Umständen des Falles in der Ablehnung der Ersatzräume seitens des Mieters eine Schikane zu erblicken ist. Anm. 12 3. Keine Minderung bei vorbehaltloser Zahlung des Mietzinses mit Kenntnis des vorhandenen Fehlers (RG 24.3. 1908 I I I 250/07; 1 5 . 6 . 1936 I V 132/36: stillschweigender Verzicht). Der Mieter oder Pächter kann sich ferner nach Treu und Glauben und, soweit der Gebrauch der Miet- oder Pachtsache durch den Mangel unmöglich geworden ist, nach § 324 Abs. 1 wegen dieses Mangels nicht von seinen Vertragspflichten lossagen, wenn er selbst oder sein Erfüllungsgehilfe ihn verschuldet hat (RG 98, 287; 157, 363; R G J W 1 9 1 1 , 359 6 ; RG L Z 1917, 189*). Anm. 13 VI. Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft (vgl. § 459 Anm. 23fr). Bei m e h r e ren Vermietern ist die Zusicherung nur dann verbindlich, wenn sie von a l l e n erteilt ist. Beispiele: H a f t u n g f ü r die Z u s i c h e r u n g , daß kein Wettbewerbsunternehmen für den vermieteten Fleischerladen bestehe (OLG 8, 139); ferner für die Zusicherung der Ertragsfähigkeit der Mietsache (RG 19.9. 1902 I I I 138/02). Friedensmiete als Eigenschaft eines Grundstücks s. R G J W 1937, 4602 zu §§459, 463. Eine Zusicherung, für die Benutzbarkeit einer Wohnung schlechthin — auch in Rücksicht auf alle Polizeiverbote — einzustehen, kann zwar unter Umständen in dem beiden Vertragsteilen bekannten Verwendungszwecke der Sache dann gefunden werden, wenn dieser Zweck in den Vertragsinhalt aufgenommen ist (vgl. für den Kauf RG J W 1910, 7486). Gerade bei der Miete aber wird die Bezeichnung des Verwendungszweckes der Mieträume in dem Vertrage, da sie regelmäßig stattfindet, im allgemeinen nicht genügen, um eine besondere, über das Maß des § 537 Abs. 1 hinausgehende Zusicherung zu begründen (RG J W 1913, 597 10 ). Ob im einzelnen Fall darin eine Zusicherung zu finden ist, bestimmt sich nach den Umständen (RG WarnRspr. 1918 Nr. 138). Wer erklärt, daß ihm von dem Vorhandensein von Hausschwamm nichts bekannt sei, sichert damit nicht das Fehlen von Hausschwamm zu (BGH L M Nr. 1 zu § 463 BGB). In der Vereinbarung, der Saal einer vermieteten Wirtschaft stehe den Mietern für Vereine und Festlichkeiten zur Verfügung, liegt im Zweifel nur eine Erlaubnis, nicht eine Zusicherung des Vermieters (RG J W 1918, 888). Angaben über den Umsatz einer Wirtschaft enthalten eine Zusicherung des Verpächters, wenn sie als solche, d. h. als Bestandteil des Verträges gewollt sind oder doch vom Pächter nach Treu und Glauben in diesem Sinne verstanden werden müssen ( R G J W 1 9 3 7 , 67s 2 ; RG 13. 11. 1917 I I I 276/17). Haftung des Verpächters für unrichtige Angaben eines Mäklers s. RG WarnRspr. 1927 Nr. 139. Zusicherung der Brauereifreiheit einer Schankwirtschaft s. R G 95, 175. Bei der Verpachtung eines Hotels kann die Möglichkeit der Benutzung des angrenzenden städtischen Bürgersteigs zu einem Terrassenaufbau für die Zwecke des Wirtschaftsbetriebs als verkehrswesentliche Eigenschaft vertragsmäßig zugesichert werden (RG H R R 1931 Nr. 1641). A n m . 14 VII. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Nach L P G § 7 kann bei einem Landpachtvertrage jeder Vertragsteil die geiichtliche Ä n d e r u n g des V e r t r a g s i n h a l t s (mit Ausnahme der Vertragsdauer) beantragen, wenn während des Pachtverhältnisses eine wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eingetreten ist, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend waren, und infolgedessen die gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsteile unter Berücksichtigung der ganzen Vertragsdauer in ein grobes Mißverhältnis geraten sind. Diese Vorschrift ist insofern enger als § 537 BGB, als sie nur eine im Laufe des Pachtverhältnisses eingetretene Änderung der Verhältnisse berücksichtigt. Im übrigen handelt es sich bei beiden Vorschriften um grundsätzlich verschiedene Dinge. § 7 L P G will eine endgültige vertragliche Dauerregelung ermöglichen, § 537 BGB dagegen eine Regelung außerhalb des Vertrages für die Zeit, während deren das Mißverhältnis zwischen der tatsächlichen und der vertragsmäßigen Leistung des Verpächters besteht. 381

§ 538 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Mit der Minderung macht der Pächter von einer privatrechtlichen Befugnis Gebrauch, nach § 7 LPG wird eine Gestaltungsentscheidung getroffen, die auch im öffentlichen Interesse liegt. Beide Fälle können sich überschneiden; dann hat der Pächter die Wahl, welchen Weg er einschlagen will. § 537 BGB kommt nur dem Pächter, § 7 LPG kommt auch dem Verpächter zugute. 2. Minderung und Vertragshilfe schließen einander aus; desgleichen sind die Preisbehörden für die Herabsetzung des Mietzinses nicht zuständig ( S t a u d i n g e r Anm. 10 zu § 537).

§ 538 Ist ein Mangel der i m § 537 bezeichneten Art bei dem Abschlüsse des Vertrags vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später infolge eines U m standes, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter, statt die im § 537 bestimmten Rechte geltend zu machen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Im Falle des Verzugs des Vermieters kann der Mieter den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. E I 506, 514 Abs. 3 II 483; M 2 376, 377; P 2 131.

Übersicht Anm.

I. Schadensersatz wegen Nichterfüllung (Abs. 1) 1—5 1. Erster Fall (Vorhandensein des Fehlers bei Vertragsschluß) . . . . 2, 3 2. Zweiter Fall (Entstehung des Mangels infolge von Nichteinhaltung einer Zusicherung oder Verschulden des Vermieters) 4 3. Dritter Fall (Verzug des Vermieters mit der Beseitigung des Mangels) 5. II. Ersatz der Aufwendungen im Falle des Abs. 2 6 III. Einzelne Beispiele 7—ioIV. Verbot der Aufrechnung mit Ersatzforderungen 12 V. Gastaufnahmevertrag 13—17 1. Beherbergungsvertrag 13, 15, 2. Schank- und Speisewirt 14, 15 3. Stallwirte 16 4. Öffentliche Vergnügungsanlage 17 Anm. 1 I. Schadensersatz wegen Nichterfüllung (Abs. 1). Anstatt der in § 537 bestimmten Rechte kann der Mieter in drei Fällen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die Vorschrift des § 538 gibt aber dem Mieter kein Wahlrecht im Sinne des § 262. Nicht schon durch die Wahl, sondern erst durch die Erfüllung des einen Anspruchs geht der andere verloren. Die Wahl bedeutet auch nicht einen Verzicht auf den nicht gewählten Anspruch (RG J W 1908, 550; RG L Z 1918, 621 15 , OLG 39, 151). Hat aber der Mieter den Schadensersatzanspruch gewählt und ist er wegen dieses Anspruchs voll befriedigt, so kann er auf das Minderungsrecht aus § 537 nicht mehr zurückgreifen (RG WarnRspr. 1911 Nr. 427). Der Schadensersatzanspruch ist nach § 545 Abs. 2 ausgeschlossen, wenn der Mieter der Anzeigepflicht nicht genügt hat. Einfluß der Kenntnis des Mangels beim Abschlüsse des Mietsvertrags s. § 539. Erfüllt der Mieter seinerseits, obwohl er nachträglich Kenntnis erhielt, so lange, daß darin sein Wille, auf die Rechte aus dem Mangel zu verzichten, entnommen werden muß, dann hat er damit die Rechte aus §§ 537, 538 für Vergangenheit und Zukunft verloren (RG 24. 3. 1908 I I I 250/07; 15. 6. 1936 IV 132/36). Wegen der Aufrechnung bei. Instandsetzung kriegsbeschädigter Häuser vgl. Glaser NJW 1952, 1205. 382

Miete

§538 Anm. 2—4

Anm. 2

1. E r s t e r F a l l : Der Schadensersatzanspruch steht dem Mieter zunächst dann zu, wenn ein Mangel der in § 537 bezeichneten Art (Sachmangel oder Fehlen einer zuge-

sicherten Eigenschaft) bereits beim Abschlüsse des Vertrags vorhanden ist. a) Verschulden des Vermieters ist in diesem Falle nicht erforderlich, da

auf Grund des Vertragsabschlusses eine stillschweigende Garantie des Vermieters für die ordnungsmäßige Beschaffenheit der Mietsache anzunehmen ist ( M 2, 376; R G 52, 1 7 2 ; R G J W 1935, 3459 2 ; R G H R R 1 9 3 1 Nr. 496; auch H R R 1930 Nr. 1 7 2 4 ; D R 1940, 1925 1 0 ). Die Ersatzpflicht tritt auch ein, wenn der Mangel nicht erkennbar war und nicht beseitigt werden konnte. Was den Z e i t p u n k t angeht, in dem der bezeichnete Mangel als vorhanden angesehen werden muß, so ist die Tauglichkeit zum vertragsmäßigen Gebrauche der Mietsache schon dann aufgehoben oder gemindert, wenn die Sache nur in der Befürchtung einer vermöge ihres Zustandes drohenden Gefahr benutzt werden kann (§ 537 Anm. 3 zu c). Darauf, ob der Mieter im einzelnen Falle den ordnungswidrigen Zustand kennt oder nicht kennt, kommt es nicht an, sofern nur objektiv die Gebrauchsuntauglichkeit besteht. Entscheidend f ü r die Feststellung jenes Zeitpunkts ist das Dasein des Mangels, nicht sein Hervortreten, und die dadurch bewirkte Schädigung ( R G 81, 200). Dabei genügt es unter Umständen schon, wenn auch nur die Gefahrenquelle beim Abschlüsse des Vertrags vorhanden war. So haftet der Verpächter für Ertragsminderung infolge starker Versumpfung des Pachtgrundstücks schon dann, wenn ihre Ursache, die Einstellung des Betriebs und damit der Wasserhebung in dem unter und neben dem Grundstück befindlichen Bergwerk, zur Zeit des Vertragsschlusses vorhanden war ( R G J W 1 9 2 1 , 334 3 ). Uber den Schadensersatzanspruch des Mieters oder Pächters gegen den Bergwerksbesitzer s. R G J W 1 9 2 1 , 1083 8 . Der Vermieter von Schankwirtschaftsräumen ist schadensersatzpflichtig, wenn er sich weigert, bauliche Änderungen vorzunehmen, von denen die Polizeibehörde die Erteilung der Schankerlaubnis an den Mieter abhängig macht ( R G 94, 138). Bei der Miete einer nur der Gattung nach bestimmten Sache tritt an die Stelle der Zeit des Vertragsabschlusses die Zeit der Überlassung zum Gebrauche (vgl. §480 Abs. 2). Wird eine erst herzustellende Sache vermietet oder verpachtet, so kann der Mieter (Pächter) ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Vermieters (Verpächters) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn Mängel der im § 537 bezeichneten Art im Zeitpunkt der Fertigstellung oder Ubergabe der Sache vorhanden waren (sinngemäße Anwendung des § 538, BGH 9, 320).

Anm. 3 b ) Der dem Mieter gewährte Schadensersatzanspruch (§§ 249fr) beschränkt sich nicht auf den Schaden, der daraus entsteht, daß der Mieter die Mietsache nicht nach ihrem vollen Vermögenswerte genießen kann. Der Anspruch umfaßt vielmehr auch den Schaden, der dem Mieter durch eine auf den Mangel der Mietsache zurückzuführende k ö r p e r l i c h e B e s c h ä d i g u n g entsteht (bestr.). O b eine Körperverletzung die Folge der Mangelhaftigkeit der Mietsache ist, muß nach den Grundsätzen über den ursächlichen Zusammenhang entschieden werden ( R G 8 1 , 200). Der Mieter kann aber nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung, d. h. den Ersatz des besonderen Erfüllungsinteresses wegen des Mangels, nicht das sog. negative Vertragsinteresse verlangen, nicht z. B. den Ersatz von Aufwendungen, die ihm auch bei Fehlerfreiheit der Mietsache entstanden wären ( R G WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 138). Neben die vertragliche Schadensersatzpflicht tritt bei körperlichen Beschädigungen die Haftung aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung der allgemeinen, durch den Mietvertrag nur verstärkten Rechtspflicht, niemand körperlich zu verletzen ( R G 88, 4 3 3 ; 89, 384; 90, 68). Diese Haftung aus Vertrag und unerlaubter Handlung trifft den Vermieter auch dann, wenn es sich um Mängel von an die Mieträume angrenzenden Teilen des Hauses handelt, die zwar nicht ausdrücklich mitvermietet sind, deren Benutzung durch den Mieter aber der Vermieter geduldet hat ( H R R 1936 Nr. 1 2 7 1 ) .

Anm. 4

2. Z w e i t e r F a l l : S p ä t e r e Entstehung eines Mangels infolge von Nichteinhaltung einer Z u s i c h e r u n g oder von V e r s c h u l d e n d e s V e r m i e t e r s . Es kommen also hier

383

§ 538 A n m . 5—7

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§§ 276, 278, 254 zur Anwendung Beweislast: R G J W 1938, 2976a6. Die Instandsetzungspflicht des Vermieters ist nicht auf die Instandsetzungsbeträge beschränkt; § 28 MSchG und § 6 R M G (jetzt § 31 1. BMG) enthalten eine solche Beschränkung nicht (RG 115, 277). Zu Wohn- und Gewerbezwecken vermietete Räume hat der Vermieter im Zustande normaler Benutzbarkeit zu erhalten. Wenn er sie in einen Zustand geraten läßt, der ein polizeiliches Einschreiten veranlaßt, so kann sein Verhalten als schuldhaft von ihm (auch ohne Inverzugsetzung) zu vertreten sein (RG H R R 1931 Nr. 930). Keine Vertretungspflicht des Vermieters, wenn ein Mitbewohner seines Hauses vertragswidrig handelt (RG 159, 27; 16. 1. 1908 VI 273/07). Bei mangelndem Verschulden des Vermieters kann wegen eines solchen Mangels nach § 537 wenigstens die Verpflichtung zum M i e t z i n s n a c h l a ß begründet sein. Anm. 5 3. Dritter F a l l : Verzug des V e r m i e t e r s (§§ 284, 285) mit der Beseitigung des Mangels, wenn der Mieter nicht gemäß Abs. 2 Selbsthilfe angewendet hat. H a t der Vermieter sich zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr verpflichtet, so kann seine Haftung für den durch schuldhafte Verzögerung entstandenen Schaden auch ohne besondere Mahnung begründet sein (RG 100, 42). Jedoch keine Schadensersatzpflicht des Vermieters, wenn die Beseitigung des ohne sein Verschulden eingetretenen Mangels nur unter so unverhältnismäßigen Schwierigkeiten und Aufwendungen möglich wäre, daß ihm die Leistung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht zugemutet werden kann (SeuffArch. 71 Nr. 138). Anm. 6 II. Ersatz der A u f w e n d u n g e n i m Falle des A b s . 2 (s. §§ 256, 257; Verjährung § 558). 1. Ersatz der Aufwendungen kann der Mieter z. B. auch verlangen, wenn der Vermieter, der zu baulichen Zwecken ein Gerüst am Hause anbringen läßt, trotz Aufforderung keine Maßnahmen gegen die dadurch erhöhte Diebstahlsgefahr trifft (OLG 46, 128). Beim Mangel eines Verzugs bleiben dem Mieter die Rechte aus § 537. Ersatz von Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels kann er in diesem Falle aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§677) und wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff) verlangen. 2. Daß Abs. 2 den Mieter zur Beseitigung des Mangels nur berechtigt, nicht verpflichtet, schließt nicht aus, daß in der Nichtausübung dieses Rechts ein die Ersatzpflicht des Vermieters einschränkendes M i t v e r s c h u l d e n d e s M i e t e r s nach § 254 gefunden wird. Ein solches Mitverschulden kann namentlich auch dann begründet sein, wenn der Vermieter die alsbaldige Beseitigung des Mangels zusagt, diese Zusage aber nicht erfüllt hatte, und die Beseitigung zur Abwendung einer unmittelbar drohenden erheblichen Gefahr notwendig war, so bei Nichtanbringung eines genügenden Verschlusses der Kelleröffnung (RG 100, 42). Anm. 7 III. Einzelne B e i s p i e l e : 1. Haftpflicht des V e r m i e t e r s für die auf die Fahrlässigkeit seiner Vertreterin zurückzuführende mangelhafte Beschaffenheit einer Treppe (RG 6. 3. 1906 I I I 495/05) oder für den schwankenden Zustand einer Treppenleiter (RG 20. 4. 1909 I I I 478/08); Haftpflicht einer Stadtgemeinde für den Schaden,, der einem Besucher ihrer Badeanstalt durch von ihr verschuldete mangelhafte Beschaffenheit des sogenannten Laufbretts entstanden ist (RG 1. 5. 1906 I I I 406/05); Haftpflicht des Vermieters für Herabfallen von Deckenstuck (RG WarnRspr. 1916 Nr. 134), für schadhafte Dielen (RG WarnRspr. 1916 Nr. 223), für eine nicht diebessichere Wand ( H R R 1936 Nr. 854), für den Bruch eines Wasserleitungsrohres (RG LZ 1917, 9209) — im Regelfalle aber keine Verpflichtung des Vermieters, eine in der Erde liegende Wasserleitung auszugraben, um sich über den Erhaltungszustand der Rofire Gewißheit zu verschaffen (BGH LM Nr. 3 zu § 538 BGB) —, wegen ungenügender Erwärmung der mit Sammelheizung vermieteten Wohnräume (OLG 39, 1 5 1 ; s. jedoch § 535 Anm. 19 zu a), wegen Mängel

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Miete

§ 538 Anm. 8

der Waschküche (HRR 1937 Nr. 794), wegen Schutzlosigkeit des vermieteten Grundstücks gegen Hochfluten (OLG 38, 90). Haftung des Vermieters für Vorkehrungen zum Schutze der Mieter gegen die Gefahren eines Sturzes in den beim Ablesen der Wasseruhr geöffneten Schacht s. H R R 1936 Nr. 797. Streupflicht des vermietenden Hauseigentümers s. RG WarnRspr. 1931 Nr. 196. Streupflicht bei Winterglätte und Regen s. RG J W 1934, 3126 4 . Schadensersatzpflicht des Vermieters, wenn das Geschäft des Mieters infolge eines Mangels der Mieträume unverkäuflich geworden ist, s. H R R 1935 Nr. 1448. Dagegen keine H a f t p f l i c h t des Vermieters (Gastwirts) aus dem M i e t v e r t r a g e für die Kosten der Beerdigung seines Mieters (Gastes), der durch einen Mangel der Wohnung (undichten Gasofen), jedoch ohne Verschulden des Vermieters ums Leben gekommen ist (SeuffArch. 64 Nr. 127). Ebenso kann der Schadensersatzanspruch der Erben des auf einer mangelhaft unterhaltenen Treppe verunglückten Mieters wegen Verlustes des ihnen von dem Verstorbenen gewährten Lebensunterhalts nicht auf das Vertragsverhältnis, sondern nur auf § 823 gestützt werden (RG J W 08, 9"). Für diese Schadensersatzansprüche gilt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 (M 2, 377). Anm. 8 2. Der Mieter kann den verkehrssicheren Zustand der Mieträume auch für seine Angehörigen beanspruchen, daher, wenn seine Ehefrau infolge einer durch die mangelhafte Mietsache verursachten Körperverletzung in seinem Erwerbsgeschäfte keine Dienste mehr leisten kann, den ihm durch den Ausfall dieser Dienste erwachsenen Schaden gegen den Vermieter auf Grund des Mietvertrags (nicht nur nach § 845) geltend machen. Denn ihm selbst ist durch Verletzung der ihm gegenüber bestehenden Vermieterpflichten ein Schaden erwachsen, nämlich der Verlust der ihm von seiner Ehefrau geleisteten Dienste (RG 77, 99; 81, 200; 90, 65; RG WarnRspr. 1914 Nr. 13). Dasselbe gilt für andere dem mietenden Ehemann entstandene Schäden (RG 90, 65). Dem Mieter kann in diesen Fällen ein mitwirkendes Verschulden seiner Ehefrau vom Vermieter entgegengehalten werden (RG 81, 214). Aber auch der E h e f r a u und a n d e r n F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n sowie den in die H a u s g e m e i n s c h a f t a u f g e nommenen Angestellten (nicht z. B. einer Reinmachefrau K G J W 1937, 2592'®) steht, wenn sie durch mangelhafte Beschaffenheit der vom Ehemann gemieteten Wohnräume eine Schädigung an Körper und Gesundheit erleiden, wegen des ihnen entstandenen Schadens neben Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (§§823 ff) in der Regel ein V e r t r a g s a n s p r u c h gegen den Vermieter unter dem Gesichtspunkt des § 328 zu, da dem Mieter einer Familienwohnung im Zweifel die auch für den Vermieter erkennbare Absicht zu unterstellen ist, den mit ihm lebenden Angehörigen bezüglich der gefahrfreien Beschaffenheit der Wohnräume die gleichen Rechte gegen den Vermieter zu verschaffen, die ihm selbst zustehen; ein Auslegungsergebnis, das sich übrigens ganz abgesehen von dem Vorhandensein einer solchen Absicht, auch schon aus dem Gedanken der Hausgemeinschaft rechtfertigt. Schadensersatzanspruch eines Sohnes des Mieters, der, von seinem Vater als G e w e r b e g e h i l f e beschäftigt, infolge vertragswidriger Beschaffenheit der gemieteten gewerblichen Räume zu Schaden kommt (RG J W 1935, 17683 mit Anm. Roquette). Der Vermieter haftet daher auch diesen Personen für ein Verschulden seiner Leute (§ 278) und für einen beim Abschlüsse des Vertrags vorhandenen Mangel auch ohne Verschulden (RG 91 S. 21, 24; 102, 231; RG J W 1910, 1003 13 ; 1934, 3126 4 ; RG WarnRspr. 1921 Nr. 96; RG H R R 1926 Nr. 1494). Die Rechte, die den Angehörigen zufolge des Vertragsschlusses des Familienhauptes entstehen, gehen aber nicht weiter als die Sicherung des eigenen Körpers, der eigenen Gesundheit erfordert; sie weiter auszudehnen, etwa den Kindern vertragliche Ersatzansprüche aus einer Verletzung oder Tötung der Eltern zu geben, besteht kein praktisches Bedürfnis; die Rechtsstellung der Angehörigen ist notwendig rechtlich schwächer als die des Mieters selbst (RG SeuffArch. 80 Nr. 164). Keine v e r t r a g l i c h e H a f t u n g des Krankenhauses für einen Unfall, den der Ehemann der von ihm im Krankenhaus untergebrachten Frau bei einem Besuch infolge mangelhafter Verkehrssicherung am Krankenhausportal erlitten hat (BGH 2, 94).

385

§ 538 Anm. 9—13

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 9 3. Die Beweislast für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs trifft den Mieter. Uber m i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n des M i e t e r s (§254) durch Nichtausübung des Rechtes zur fristlosen Kündigung und durch Unterlassung eigener Mängelbeseitigung (Abs. 2) s. Anm. 8 und § 544 Anm. 6. Ein Verschulden des Mieters ist nicht darin zu finden, daß er, nachdem der Vermieter Abhilfe zugesagt, aber einen Aufschub der erforderlichen Änderungen für notwendig erklärt hat, sich vertrösten läßt und nicht mit allem Nachdruck gegen den Vermieter vorgeht (RG 89, 384). Kein Schadensersatzanspruch des Mieters, der eine ihm vom Vermieter geleistete Teilrückzahlung des Mietzinses vorbehaltlos angenommen hat (RG J W 1908, 54910). Anm. 10 4. Ersatz immateriellen Schadens (Schmerzensgeld usw.) kann nicht schon wegen Nichterfüllung des Mietvertrags, sondern nur wegen einer unerlaubten Handlung des Vermieters im Sinne der §§ 823fr verlangt werden (RG 14.4. 1907 III 246/07; 20. 4. 1909 III 300/09). Zur Begründung der Haftung wegen unerlaubter Handlung bedarf es aber nicht, wie früher gewöhnlich angenommen wurde, der Eröffnung eines mehr oder weniger allgemeinen Verkehrs an der Unfallstelle. Der Vermieter, der die Einwirkung seiner Sache auf den Körper eines andern gestattet, hat die Pflicht, die von ihr drohenden Gefahren, soweit er sie kennt oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt kennen muß, mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln abzuwenden, und haftet für die Verletzung dieser allgemeinen Rechtspflicht nach § 823 (RG 88, 433, auch 319; 89, 384; 90, 68). Anm. 11 5. Ersatzpflicht des Vermieters bei Kündigung des Mieters s. § 542 Anm. 8. Anm. 12 IV. Verbot der Aufrechnung mit Ersatzforderungen. Nach MSchG § 28 kann sich der Vermieter auf eine Verpflichtung des Mieters, eine Ersatzforderung nach § 538 Abs. 2 nicht gegen eine Mietzinsforderung aufzurechnen, nicht berufen; der Mieter muß aber die Absicht der Anfechtung mindestens einen Monat vor der Fälligkeit des Mietzinses dem Vermieter schriftlich anzeigen. Entsprechendes gilt für den vertraglichen Ausschluß eines Minderungs- oder Zurückbehaltungsrechts oder eines Rechts auf Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch nach § 538 Abs. 1. Vgl. dazu auch § 6 Abs. i des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . Zu den bei Aufstellung des Deutschen Einheitsmietvertrags ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln" gehört auch das Verbot der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, insbesondere aus § 538 Abs. 1, sowie mit Ersatzforderungen nach Abs. 2. Nicht mißbilligt wurde das Erfordernis vorheriger Ankündigung der Aufrechnung. Uber vertraglichen Ausschluß von Ansprüchen des Mieters auf Schadensersatz oder Minderung wegen baulicher Arbeiten s. HRR 1936 Nr. 1272. Anm. 13 V. Gastaufnahme vertrag 1. Der Beherbergungsvertrag, d. h. der Vertrag zwischen dem Gastwirt, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt, und dem von ihm im Betriebe dieses Gewerbes aufgenommenen Gaste ist als besondere Art des Gastaufnahmevertrags zwar meist k e i n r e i n e r Mietvertrag, aber doch i m w e s e n t l i c h e n W o h n u n g s m i e t v e r t r a g (RG 65, 11; 169, 84; J W 1907, 7058; über den Begriffs, auch RG WarnRspr. 1920 Nr. 198). Auch in diesem V e r t r a g s v e r h ä l t n i s findet nach §§ 276, 278 ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h des Gastes gegen den Gastwirt statt, wenn der Gast durch die mangelhafte Beschaffenheit eines ihm vom Wirte überlassenen Raumes oder Einrichtungsgegenstandes zu Schaden gekommen und dieser Mangel auf ein V e r s c h u l d e n des Wirtes oder seiner Leute zurückzuführen ist. Unter dieser Voraussetzung hat der Gastwirt insbesondere für einen aus der nicht ordnungsmäßigen Beschaffenheit der Aborte und deren Zugänge erwachsenen Schaden einzustehen (RG 386

Miete

§538 A n m . 14

16. 10. 1906 I I I 74/06; ¡21. 1. 1 9 1 0 I I I 86/09). Körperbeschädigung infolge Mangelhaftigkeit des Duschenhebels der Badeeinrichtung s. R G 169, 84. Haftung bei Glätte eines nicht mit einem Läufer belegten Flurteils s. R G L Z 1 9 1 7 , 1065 7 , bei Glätte des Marmorfußbodens einer Wandelhalle s. R G L Z 1 9 1 4 , 943 9 . Verpflichtung der Gäste zu eigener Sorgfalt beim Betreten von Marmorstufen s. R G L Z 1 9 1 5 , 829 1 1 . Ausgleiten auf dem Linoleumboden des Speisesaals s. H R R 1931 Nr. 733. B e w e i s p f l i c h t des Gastwirts (Schankwirts) für die sorgfältige Erfüllung seiner Vertragspflichten, wenn die Sachlage, insbesondere die Verletzung des Gastes durch die vom Gastwirt zur Verfügung zu stellenden R ä u m e und Gegenstände zunächst den Schluß rechtfertigt, der Gastwirt habe seine vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt s. R G J W 1935, 1 2 2 1 4 ; 1938, 2976 36 ; R G 160, 1 5 3 ; bei Mitverschulden des Beschädigten R G 169, 84. Uber die weitergehende Haftpflicht des Gastwirts für Verlust oder Beschädigung der vom Gaste eingebrachten Sachen s. § 701 und Anmerkungen dazu.

A n m . 14 2. Ähnlich ist die Haftpflicht des S c h a n k - u n d S p e i s e w i r t s (Restaurateurs) geregelt, der dem Gaste keine Beherbergung, sondern nur Speise und Trank gewährt. Hier liegt ein V e r t r a g s v e r h ä l t n i s b e s o n d e r e n I n h a l t s vor. Es beruht auf einer Vereinbarung über die Benutzung der für die Gäste bestimmten Räume, die nicht erst mit der Bestellung von Speise und Trank, sondern (stillschweigend) schon mit dem Eintritt des Gastes zum Zwecke des Aufenthalts zustande kommt ( R G J W 1 9 1 1 , 360 6 ). Auf Grund dieser Vereinbarung haftet der Schank- und Speisewirt, z. B., wenn der Z u g a n g nach dem Abort oder wenn dessen Umgebung nicht ordnungsgemäß eingerichtet oder beleuchtet ist ( R G J W 1 9 3 1 , 1 9 6 1 7 ; R G WarnRspr. 1928 Nr. 1 7 4 ; 1 9 3 1 Nr. 80; 1935 Nr. 80; s. auch L Z 1 9 1 7 , 288 4 ), auch nach Eintritt der Polizeistunde, solange der Wirt den Betrieb aufrecht hält und Gäste bei sich duldet ( R G 103, 263); oder wenn ein zu den Gasträumen gehöriger Hof oder Garten bei Glatteis nicht gehörig bestreut ist ( R G 2 1 . 2. 1907 I I I 358/06; vgl. auch R G J W 1910, 2 8 1 1 ) , wenn der Fußboden übermäßig glatt ( R G L Z 1 9 1 7 , 1065 7 ; O L G 38, 129) oder mangelhaft gereinigt ( R G WarnRspr. 1934 Nr. 1 5 1 ) oder eine glatte Marmortreppe bei regem Verkehr nicht mit Läufern oder Linoleum belegt ist ( R G Gruchot 60, 856; R G L Z 1 9 1 4 , 143), oder wenn in den Gasträumen ein schußfertiges Gewehr unbeaufsichtigt dasteht ( R G 1 1 . 6. 1909 I I I 12/09). Schadensersatzpflicht des Schankwirtes gegenüber einem Gaste, der eine in Speisen befindliche Sicherheitsnadel verschluckt ( R G WarnRspr. 1929 Nr. 159). Haftung für Mängel einer Kegelbahn s. R G 88, 433 und R G L Z 1 9 1 4 , 679®. Doch kann dem Wirt mangels besonderer Umstände nicht zugemutet werden, daß er mit dem Auslöschen von Gasflammen durch unbefugte Dritte rechne und Maßnahmen zur Verhinderung solcher Störungen treffe ( R G J W 1919, 241 7 ). Ferner besteht eine Haftpflicht des Wirtes für mangelhafte Beschaffenheit der zum Aufhängen der Hüte und Mäntel bestimmten L e i s t e n oder der zur Verabreichung der Getränke dienenden G e f ä ß e ( R G 65, 12). Bei der Prüfung der S t ü h l e , die der Wirt den Gästen zur Verfügung stellt, ist äußerste Sorgfalt Verkehrserfordernis ( R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 245, auch R G L Z 1916, 1186 9 ). Die vertragliche Haftung bezieht sich nicht nur auf die den Gästen offenstehenden Räume, sondern auch auf den Zugang zu ihnen ( a M für den Zugang zum Hause R G 74, 126) und auf den Ausgang ( R G 10. 2. 1 9 1 4 I I I 2 8 7 / 1 3 ; R G Gruchot 60, 856). Uber die Haftung des Inhabers einer mit einer Eisbahn verbundenen Schankwirtschaft für die Verkehrssicherheit der Zugänge zur Wirtschaft s. R G SeuffArch. 82 Nr. 156. Anderseits beschränkt sich die Haftung gegebenenfalls auf die Räume, die zur Benutzung gerade des Gastes, der Vertragsgegner ist, bestimmt sind ( R G 87, 128). Vertragshaftung des Gastwirts, der dem Gaste fahrlässig gesundheitsschädliche Stoffe an Stelle von Genußmitteln vorsetzt ( R G 97, 1 1 6 ) . Mitwirkendes Verschulden des Gastes ist nach § 254 zu beurteilen ( R G 3. 3. 1905 I I I 536/04). Uber die Haftung des Schank- und Speisewirts für die K l e i d u n g s s t ü c k e seiner Verkehrsgäste s. R G 104, 45; 105, 202; 109, 2 6 1 ; R G J W 1924, 1870 1 5 ; R G L Z 1922, 680 3 , auch J W 1 9 2 1 , 1 3 7 2 4 ; SeuffArch. 76 Nr. 1 4 1 ; L Z 1920, 930 1 ; 1 9 2 1 , 23Ö2; vgl. ferner R G 103, 265 (Gesellschaftsräume eines Vereins) und J W 1924, 95 2 . Haftung des Schankwirtes für die Verletzung eines Gastes durch Knallerbsen während eines karnevalistischen

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§ 538 Anm. 15—17

§ 539 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Vergnügens s. RG J W 1928, 3185 1 7 . Haftung des Wirts für schuldhafte Verletzung eines Gastes durch den Kellner (§ 278) s. SeuffArch. 78 Nr. 127; O L G 45, 174; Haftung des Wirtes für Geschäftsführer und Reinigungsfrauen s. RG WarnRspr. 1934 Nr. 151 (§ 278). Haftung des Wirtes gegenüber einem Gaste, der in seinem Auftrag einem anderen, angetrunkenen Gaste den Wiedereintritt verwehrt und dabei von diesem verletzt wird, s. RG SeuffArch. 91 Nr. 61 und § 670 Anm. B e w e i s p f l i c h t des Wirtes, wenn der erste Anschein für eine Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflicht durch ihn spricht, s. RG J W 1935, 1 2 2 " . Anm. 15 Zu 1 und 2: N e b e n d i e v e r t r a g l i c h e H a f t p f l i c h t tritt unter den Voraussetzungen des § 823 eine Haftung der Gast-, Schank- und Speisewirte für die Verkehrssicherheit der Wirtschaftsräume und ihrer Zu- und Ausgänge aus u n e r l a u b t e r H a n d l u n g (RG 89, 384; 103, 263 und §823 Anm.). Diese Haftung besteht kraft allgemeiner Rechtspflicht nicht nur den Gästen, sondern allen Personen gegenüber, die berechtigterweise die Wirtschaftsräume aufsuchen, z. B. um den Gästen etwas mitzuteilen, sie zu holen oder ihnen etwas zu bringen (RG 85, 185; RG WarnRspr. 1916 Nr. 106; RG L Z 1 9 1 1 , 218 2 3 ). Auch die Haftung des Wirtes wegen unerlaubter Handlung setzt die Eröffnung eines mehr oder weniger allgemeinen Verkehrs an der Unfallstelle nicht unbedingt voraus (RG 88, 433: Kegelbahn). Vgl. oben Anm. 10. Gegenüber einem Anspruch aus unerlaubter Handlung steht dem Wirt bei Verschulden seiner Leute ein Entlastungsbeweis nach § 831 zu, während anderseits auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen ihn erhoben werden kann. Anm. 16 3. In ähnlicher Weise wie die Schank- und Speisewirte haften die Stallwirte für die ordnungsmäßige Beschaffenheit, Einrichtung und Überwachung des Stalles; sie sind im Falle ihres oder ihrer Leute Verschuldens für Verletzung der bei ihnen eingestellten Tiere, insbesondere auch für die durch Tiere anderer Gäste herbeigeführten Schäden ersatzpflichtig (OLG 34, 68). Haftung des Wirtes bei Einstellung von Pferden und Fuhrwerk durch vorübergehende Verkehrsgäste s. RG WarnRspr. 1910 Nr. 265; RG J W 1910, 750 6 ; O L G 28 S. 2 1 1 , 2 1 3 ; 36, 97. Anm. 17 4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem U n t e r n e h m e r e i n e r öffentlichen Vergnügungsanlage und den einmaligen oder regelmäßigen Besuchern dieser Anlage ist nicht Mietvertrag im Sinne von § 535 und rechtfertigt es nicht, den Unternehmer über die Grenzen des § 836 hinaus auch o h n e sein V e r s c h u l d e n für die Folgen fehlerhafter Einrichtung des Konzertgebäudes (Verletzung eines Besuchers durch einen sich von der Saaldecke lösenden Stuckreifen) auf Schadensersatz haften zu lassen (RG WarnRspr. 1910 Nr. 202).

§ 539 Kennt der Mieter bei dem Abschlüsse des Vertrags den Mangel der gemieteten Sache, so stehen ihm die in den§§ 537, 538 bestimmten Rechte nicht zu. Ist dem Mieter ein Mangel der im § 537 Abs. 1 bezeichneten Art infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben oder nimmt er eine mangelhafte Sache an, obschon er den Mangel kennt, so kann er diese Rechte nur unter den Voraussetzungen geltend machen, unter welchen dem Käufer einer mangelhaften Sache nach den§§ 460, 464 Gewähr zu leisten ist. E I $07 H 484; M a 377; P a 132, 233.

Anm. 1 1. Die Kenntnis des Mangels schadet dem Mieter, wenn sie beim Abschluß des Vertrags vorhanden war (RG 19. 6. 1906 I I I 542/05), aber auch in diesem Falle nicht, wenn vom Vermieter die Beseitigung des Mangels ausdrücklich zugesicher

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Miete

§ 539 A n m . 2, 3 §540 war (RG J W 09, 657'; RG 8. 4. 1921 III 450/20). Weitere Ausnahme nach § 544. Daraus, daß die vertragliche Haftung nach § 539 ausgeschlossen ist, folgt nicht der Ausschluß eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung (§§ 823 fr), mögen auch dieser Anspruch und der Vertragsanspruch auf dasselbe gerichtet sein (RG 90, 65; 165, 159). Dies gilt namentlich von der Verletzung einer sog. Verkehrspflicht (RG J W 1911, 54013). Anwendung der im § 539 enthaltenen Grundsätze auf den Fall der Zwangsmiete s. RG HRR 1928 Nr. 1705. Anm. 2 2. Die Rechte bleiben also dem Mieter gewahrt: a) bei grob fahrlässiger Unkenntnis (dazu RG WarnRspr. 1918 Nr. 138), wenn der Vermieter die Abwesenheit des Fehlers z u g e s i c h e r t oder ihn a r g l i s t i g v e r s c h w i e g e n hat (s. RG 29. 9. 1908 III 568/07), b) bei wissentlicher Annahme der mangelhaften Sache, wenn der Mieter sich seine Rechte bei der Annahme v o r b e h a l t e n hat, also nicht bei vorbehaltloser Annahme einer mangelhaften Mietsache (RG 1. 2. 1907 III 257/06). Demgemäß liegt dem V e r m i e t e r der Beweis der erwähnten Ausschlußgründe (Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Mieters von den Mängeln beim Abschluß des Vertrags oder Kenntnis bei Annahme der Sache), dem M i e t e r der Beweis der sie ausnahmsweise beseitigenden Umstände (unter a und b) ob. Vgl. oben § 460 Anm. 10. Einstellung wertvoller Möbel in einem Raum mit hindurchführender Wasserleitung kommt als grobe Fahrlässigkeit des Mieters nach § 539 nicht in Betracht, wenn Rohrbruch durch einen für den Mieter nicht erkennbaren Fehler an der Leitung eingetreten ist (RG 4. 12. 1930 VII 466/30). Anm. 3 3. Hat der Mieter nach Abschluß des Vertrages Mängel der Mietsache erfahren, gleichwohl aber das Mietverhältnis ohne Widerspruch fortgesetzt und den Mietzins voll bezahlt, so ist in entsprechender Anwendung des § 539 anzunehmen, daß er wegen des Mangels keine Ansprüche an den Vermieter erheben, vielmehr sich mit dessen Leistung begnügen wolle (RG J W 1936, 27064). Dagegen kann der Vermieter den Ausschluß oder eine Einschränkung seiner Haftung für Mängel, z. B. für den abgenutzten Zustand einer Treppe, nicht daraus ableiten, daß der Mieter einer vom Vermieter für erforderlich erklärten Aufschiebung der notwendigen Änderungen nicht widersprochen hat. In einem solchen Verhalten liegt weder ein Verzicht des Mieters auf die Geltendmachung des Mangels überhaupt, noch auch nur eine vertragliche Zustimmung des Inhalts, daß der vertragswidrige Zustand einstweilen als vertragsmäßig gelten solle. Der Vermieter haftet daher für den Schaden, der dem Mieter inzwischen aus der Benutzung der mangelhaften Sache entsteht (RG 89, 384; 90, 65).

§ 540 Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Vermieters zur Vertretung von Mängeln der vermieteten Sache erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschweigt. E I 407 I I 485; P 1 132.

Anm. Vereinbarungen über den Ausschluß oder eine Einschränkung der Haftung des Vermieters. Vgl. § 476 Anm. 3—5 (RG 62, 125). a) Arglistiges Verschweigen (RG J W 1914, 591) liegt vor, wenn der Vermieter den Mangel kennt und dem Mieter in der Absicht, ihn zu täuschen, nicht mitteilt, dagegen in der Regel nicht, wenn er annehmen durfte, daß der Mangel (z. B. ein polizeiliches Benutzungsverbot) auch dem Mieter bekannt sei (OLG 33, 301). Einfluß der Nichtigkeit auf den Bestand des ganzen Mietvertrags § 139. Bestätigung der nichtigen Vereinbarung § 141.

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§ 541 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

b) Abgesehen von § 540 unterliegt die Haftung des Vermieters für Mängel der Mietsache grundsätzlich freier Vereinbarung. Der völlige Ausschluß von Gewährleistungsansprüchen des Mieters von Räumen, sowie des Rechts zur außerordentlichen Kündigung bei wesentlichen Mängeln der Räume gehört aber zu den bei Feststellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s „gemißbilligten Klauseln" und wird regelmäßig im Sinne des § 138 für sittenwidrig und nichtig zu erachten sein. Vgl. Vorbem. 25, 29 vor § 535. Ausschluß der Haftung für Unfälle aus baulichen Schäden eines Pachtgutes SeufFArch. 70 Nr. 174. Unwirksamkeit eines Verzichts des Mieters im Falle des § 544 s. dort.

§541 Wird durch das Recht eines Dritten dem Mieter der vertragsmäßige Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder zum Teil entzogen, so finden die Vorschriften der §§ 537, 538, des § 539 Satz 1 und des § 540 entsprechende Anwendung. E I 508 II 486; P z 133.

Anm. 1 1. Entwehrung des Gebrauchs durch Rechte Dritter a) Der vertragsmäßige Gebrauch der Mietsache muß dem Mieter ganz oder teilweise entzogen sein. Das Bestehen eines Rechtes, das von Dritten gegen den Mieter geltend gemacht werden könnte (vgl. § 434), z. B. des Eigentums eines Dritten (vgl. RG J W 1925, 47215), genügt nicht. F ä l l e der G e b r a u c h s e n t z i e h u n g sind nicht nur dann gegeben, wenn der Vermieter von vornherein kein Recht an der Sache hat, also schlechthin eine fremde Sache vermietet, sondern auch dann, wenn er nur ein zeitlich beschränktes Recht an der von ihm ohne Rücksicht darauf vermieteten Sache hat, dieses während der Mietzeit erlischt, und der nunmehr Berechtigte auf Grund des ihm alsdann zustehenden Kündigungsrechts dem Mieter den Gebrauch entzieht, so im Falle des Nießbrauchs des Vermieters (§ 1056) und der Vorerbschaft (§ 2135). Entziehung des Gebrauchs durch ein Patentrecht OLG 34, 32. Das Recht des Dritten kann, wie aus der allgemeinen Fassung des § 541 und aus der Verweisung auf § 537 hervorgeht, auch erst n a c h Überlassung der Mietsache an den Mieter entstanden sein (aM RG 65, 29). b) Soweit der Vermieter nach § 541 dafür zu haften hat, daß dem Mieter der Gebrauch der Mietsache nicht durch ein schon beim Vertragsschlusse bestehendes Recht eines Dritten entzogen wird, beruht seine Haftung, ebenso wie in dem entsprechenden Falle des § 538, auf dem Gedanken einer stillschweigenden Zusicherung, auf Grund deren er auch für die Unmöglichkeit, dem Mieter den Besitz der Mieträume zu erhalten, einzustehen hat (RG 20.4. 1936 IV 267/35). c) Was im § 541 für die Entziehung des Gebrauchs bestimmt ist, muß nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch dann gelten, wenn der vertragsmäßige Gebrauch dem Mieter wegen des entgegenstehenden Rechtes eines Dritten ü b e r h a u p t n i c h t gew ä h r t wird (RG 8.4. 1921 III 450/20: Anwendung des §539 Satz 1). d) Wegen der Rechtsmängelhaftung beim F i l m v e r w e r t u n g s v e r t r a g (BGH 2, 33 1 ) s- § 581 Anm. 5. Anm. 2 2. Entsprechende Anwendung der bezeichneten Vorschriften a) Nach § 537 gänzliche oder teilweise B e f r e i u n g des Mieters vom Mietzins wegen Gebrauchsentziehung oder Störung auf Grund eines bei Abschluß des Mietvertrags oder später im Laufe der Miete hervortretenden Rechtes eines Dritten. b) Nach § 538 Recht auf S c h a d e n s e r s a t z wegen Gebrauchsentziehung auf Grund des beim Vertragsabschlüsse vorhandenen oder erst im Laufe der Miete unter Vertretungspflicht des Vermieters zur Geltung kommenden Rechtes eines Dritten oder wegen Gebrauchsentziehung durch das Recht des Dritten, wenn der Vermieter mit dessen Beseitigung in Verzug kommt. Im Verzugsfalle kann der Mieter das Hindernis 390

Miete

§ 541 A n m . 3 §542

selbst beseitigen, insbesondere den Dritten wegen seiner Ansprüche abfinden und den Ersatz der dazu erforderlichen, nicht unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verlangen. c) Nach § 5 3 9 S a t z 1 A u s s c h l u ß der in § § 5 3 7 , 5 3 8 aufgeführten Rechte des Mieters, wenn er bei Abschluß des Mietvertrags das ihm nachteilige Recht des Dritten k e n n t . Dagegen k e i n Ausschluß bei grobfahrlässiger Unkenntnis ( R G 20. 6. 1 9 1 6 I I I 84/16) sowie dann, wenn der Vermieter oder Verpächter sich zur Beseitigung des M a n gels v e r p f l i c h t e t hatte ( R G J W 1909, 6 5 7 ' ; R G 8 . 4 . 1921 I I I 450/20). O b in der vorbehaltlosen Annahme der Mietsache in Kenntnis des Rechtsmangels ein Verzicht des Mieters auf seine Vertragsrechte liegt, ist nach den Umständen des Falles zu beurteilen. Keine Kenntnis des Rechts des Dritten, wenn der Mieter zwar die Tatsachen kennt, aus denen der Rechtsmangel folgt, aber falsche rechtliche Schlußfolgerungen zieht und deshalb über das Recht des Dritten im Irrtum ist, oder wenn er zwar weiß, daß ein Dritter Ansprüche auf die Mietsache erhebt, diese Ansprüche aber für unbegründet hält ( B G H L M Nr. 1 zu § 539 BGB). d) Nach § 5 4 0 N i c h t i g k e i t der dort erwähnten Vereinbarung bei arglistigem Verschweigen des Rechtes des Dritten durch den Vermieter. Anm. 3 3. S o n s t i g e R e c h t s b e h e l f e . Anstatt der in Anm. 2 unter a und b angeführten Ansprüche kann der Mieter nach §§ 535, 536 vom Vermieter V e r t r a g s e r f ü l l u n g , d. h. Beseitigung der dem Mieter nachteiligen Rechte Dritter begehren. Auch steht ihm das a u ß e r o r d e n t l i c h e K ü n d i g u n g s r e c h t nach § 542 zu ( R G 20. 6. 1 9 1 6 I I I 84/16). Wegen des E i n f l u s s e s d e s K o n k u r s e s des Vermieters auf das Gebrauchsrecht des Mieters und wegen des Vergleichsverfahrens s. §§ 1 9 — 2 1 K O , § § 5 0 — 5 3 V g l O , § 26 M S c h G (dazu R G 115, 2 7 1 ) . Wegen der Rechtsverhältnisse bei V e r ä u ß e r u n g o d e r B e l a s t u n g eines vermieteten G r u n d s t ü c k s s. § § 5 7 1 ff.

§543 Wird d e m Mieter der vertragsmäßige Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder z u m Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen, so kann der Mieter ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen. Die Kündigung ist erst zulässig, w e n n der Vermieter eine i h m von d e m Mieter bestimmte angemessene Frist hat verstreichen lassen, ohne Abhilfe zu schaffen. Der B e s t i m m u n g einer Frist bedarf es nicht, w e n n die Erfüllung d e s Vertrags infolge des die Kündigung rechtfertigenden U m s t a n d e s für den Mieter kein Interesse hat. Wegen einer unerheblichen Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs ist die Kündigung nur zulässig, w e n n sie durch ein b e s o n d e r e s Interesse des Mieters gerechtfertigt wird. Bestreitet der Vermieter die Zulässigkeit der erfolgten Kündigung, weil er den Gebrauch der Sache rechtzeitig g e w ä h r t oder vor d e m Ablaufe der Frist die Abhilfe bewirkt habe, so trifft ihn die Beweislast. E I 529 II 487 Abs. 1, 2; M 2 418—420; P a 129, y 13ff.

Ubersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Vorzeitige Kündigung des Mieters Rechtliche Natur der Kündigung Voraussetzung der Kündigung Kein Interesse an der Vertragserfüllung Unerhebliche Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs Beweislast

26 Komm. 2. BGB, u . Aufl. II. Bd. (Pritsch)

Anm

10 Ii

—15

16 17 1 t

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§ 542 A n m . 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 1. Vorzeitige Kündigung des Mieters a ) In Erweiterung der allgemeinen Vorschriften der §§ 323 fr läßt § 542 (Anwendung auf Pachtverhältnisse nach § 581 Abs. 2) die vorzeitige Kündigung des Mieters schon bei Nichtgewährung oder Aufhebung des v e r t r a g s m ä ß i g e n G e b r a u c h s überhaupt zu, mag solche auf einem Verschulden des Vermieters — das jedoch nicht in dem Verschluß der Mieträume bei einer vom Mieter in Angriff genommenen Wegschaffung seiner eingebrachten Sachen zu erblicken ist (RG 6. 4. 1909 I I I 285/08) —, auf dem Mangel gesetzlich zu gewährender oder besonders zugesicherter Eigenschaften, auf Rechten oder Störungen Dritter oder auf andern z u f ä l l i g e n Umständen, z.B. Abbrennen eines vermieteten Hauses (RG 62, 226, für den Fall einer teilweisen Zerstörung jedoch R G WarnRspr. 1914 Nr. 216), Unbrauchbarkeit der Mieträume infolge notwendiger Ausbesserungen ( O L G 9, 2), baupolizeilicher Verfügung ( R G 30. 6. 1905 I I I 48/05) beruhen. Kündigung bei trotz Abmahnung ungenügender Heizung, wenn die Wohnung mit Sammelheizung gemietet ist, s. H R R 1936 Nr. 393. Der Mieter kann nach § 542 unter Umständen auch dann kündigen, wenn die Fortsetzung des Gebrauchs für ihn mit erheblichen Gefahren verbunden ist (RG 2. 1. 1 9 1 2 I I I 89/11), ferner, wenn der Vermieter oder seine Angehörigen oder Angestellten ihm den Gebrauch durch Beleidigungen, Tätlichkeiten verleiden ( O L G 16, 4 2 1 ; 33, 303). Auf die Übernahme von Ersatzräumen braucht sich der Mieter nur einzulassen, wenn es sich um eine vorübergehende Benutzung während einer Ausbesserung oder Wiederherstellung handelt (RG 30. 6. 1905 I I I 48/05; R G J W 1905, 718 9 ; R G WarnRspr. 1914 Nr. 216). Anm. 2 b) Zur Kündigungsbefugnis aus § 542 tritt das Recht fristloser Kündigung in dem besonderen Falle des § 5 4 4 . Anm. 3 c ) Die Möglichkeit einer darüber hinausreichenden allgemeinen fristlosen Kündigung des Mieters (Pächters) aus w i c h t i g e m Grunde (vgl. §§ 626, 723) ist für Mietund Pachtverhältnisse im Gesetze nicht vorgesehen, sie ist aber bei dem gegenseitigen Vertrauen und der gegenseitigen Treue, die hier in besonderem Maße vorauszusetzen sind (vgl. Vorbem. 3 1 vor § 535), für eine gedeihliche Entwicklung solcher Rechtsverhältnisse unabweisbares Bedürfnis. Eine Lösung von Miet- und Pachtverhältnissen durch R ü c k t r i t t des M i e t e r s o d e r P ä c h t e r s nach §§ 325, 326 ist damit nicht schlechtweg ausgeschlossen (vgl. Vorbem. 30 vor § 535), wird aber ebenso wie bei der Gesellschaft (§ 705 Anm. ) überall da abzulehnen sein, wo die nur für die Zukunft wirkende, den Wert des bisher Gewordenen erhaltende Kündigung möglich ist (str.). Uber das entsprechende Kündigungsrecht des Vermieters oder Verpächters s. § 553 Anm. 2. Anm. 4 d) Der Ausbruch eines K r i e g e s berechtigt den Mieter nicht ohne weiteres zum Rücktritt vom Mietvertrage (RG 86, 397: Zirkusgebäude). Bei Nichtgewährung oder Aufhebung des vertragsmäßigen Gebrauchs (bei Pachtverhältnissen auch des vertragsmäßigen Fruchtgenusses) infolge von behördlichen M a ß n a h m e n , insbesondere kriegsrechtlichen Verboten, sind die in § 537 Anm. 6 entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden (vgl. namentlich R G 88, 96). Kündigung eines Pachtvertrages über eine Gastwirtschaft, wenn es an dem den Gegenstand des Vertrags bildenden Realrecht fehlt (RG H R R 1937 Nr. 629). Sind Räume zum Betriebe einer Molkerei vermietet und fordert die Behörde, daß Umbauten vorgenommen werden, so kann der Mieter fristlos kündigen, wenn der Vermieter die Ausführung des Umbaues ablehnt (RG H R R 1937 Nr. 502). Einfluß der Versagung einer Wirtschaftskonzession, falls die Wirtschaft vom Pächter von vornherein zu dem Zweck übernommen worden ist, sie nicht selbst, sondern durch Unterpächter zu betreiben s. H R R 1937 Nr. 1433. Allgemeines Verbot der Jagdausübung im Bezirk des Jagdpächters als Kündigungsgrund s. R G 98, 1 0 1 ; LZ 1916, 897 10 . Vgl. § 552 Anm. 1 zu a).

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Miete

§542 Anm. 5—9

Anm. 5 e) Der Mieter braucht die Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung auszusprechen; er kann a u c h f ü r e i n e n a n g e m e s s e n e n s p ä t e r e n T e r m i n kündigen ( R G 75, 3 5 4 ; 82, 373). Die Kündigung kann auch auf einen T e i l d e r M i e t r ä u m e beschränkt oder es kann für einen Teil ein anderer Kündigungstermin bestimmt werden, immer unter der Voraussetzung, daß Treu und Glauben dies nicht ausschließen ( R G H R R 1934 Nr. 3 1 7 und § 543 Anm. 2).

Anm. 6 f ) Die Vorschrift des § 542 bezieht sich unmittelbar nur auf den Fall, daß das Mietverhältnis begonnen hat, ist aber e n t s p r e c h e n d a n z u w e n d e n , w e n n s c h o n v o r her feststeht, daß seine V o r a u s s e t z u n g e n zu B e g i n n des M i e t v e r h ä l t n i s s e s v o r h a n d e n s e i n w e r d e n , so wenn die Beseitigung eines Mangels unmöglich ist ( O L G 22, 289) oder der Vermieter die Instandsetzung der Mietsache ernstlich und endgültig verweigert. Es bedarf dann nicht eines Rücktritts nach § 325 oder ( O L G 1 3 , 360) nach § 326-

Anm. 7 g ) Z u den bei Feststellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s „ g e m i ß b i l l i g t e n K l a u s e l n " gehört der Ausschluß des Rechts des Mieters zur außerordentlichen Kündigung für den Fall, daß die gemietete Wohnung nicht zum vereinbarten Zeitpunkt bezogen werden kann (vgl. Vorbem. 29 zu aa) vor § 535), ebenso eine schon vor dem Einzug in die Mieträume vom Mieter abgegebene Erklärung, die R ä u m e bei Beginn der Mietzeit als dem vereinbarten Zustand entsprechend befunden zu haben.

Anm. 8 h ) N e b e n d e r K ü n d i g u n g hat der Mieter bei Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs auch das Recht auf B e f r e i u n g v o m M i e t z i n s e von der Zeit der Nichtgewährung bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses ( R G J W 1905, 718 9 ; H R R 1934 Nr. 1 0 1 3 ) , oder auf Rückzahlung des im voraus bezahlten Mietzinses ( R G J W 1909, 6 5 7 ' ; 1 9 1 2 , 859 1 6 ). Ferner kann der Mieter (Pächter), der nach § 542 gekündigt hat, bei Verzug des Vermieters (Verpächters) in der Beseitigung des Mangels S c h a d e n s e r s a t z nach § 5 3 8 verlangen ( R G 2 1 . 5. 1909 I I I 28g/o8, Verhältnis zur Zinsminderung R G 82 S. 363, 3 7 5 ; H R R 1934 Nr. 1 0 1 3 ) . Der Mieter kann beim Vorliegen der dafür bestehenden Voraussetzungen (insbesondere Verschulden des Vermieters oder seiner Leute oder Verzug) auf Ersatz d e s j e n i g e n S c h a d e n s Anspruch erheben, d e r d u r c h d e n d i e K ü n d i g u n g v e r a n l a s s e n d e n U m s t a n d b e w i r k t w u r d e , mag auch der Betrag und U m f a n g dieses Schadens erst nach Beendigung des Mietverhältnisses hervorgetreten sein ( R G 64, 3 8 1 ; 76, 367; R G 9. 1. 1906 I I I 195/05; 2 1 . 5. 1908 I I I 289/08; R G WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 138). Vgl. § 5 5 4 Anm. 5. Der Mieter, dem der vertragsmäßige Gebrauch ganz oder zum Teil entzogen worden ist, braucht, wenn er nach fruchtlosem Fristablauf kündigt, nicht seinerseits Vorkehrungen zur Minderung des Schadens zu treffen, dessen Ersatz er nach § 538 verlangen kann. Verzögert er aber die Kündigung über eine angemessene kurze Zeit nach Fristablauf, so kann er Schadensersatz nur insoweit verlangen, als ihm ein Schaden auch bei rechtzeitiger Kündigung entstanden wäre ( R G 82 S. 363, 372, 373).

Anm. 9 i) Eine Schadensersatzpflicht nach allgemeinen Grundsätzen (§ 276) kann begründet werden durch ein Verbot des Verpächters an den Pächter, den Pachtgegenstand in einer bestimmten Weise zu benutzen ( R G 18. 1. 1 9 1 8 I I I 4 1 7 / 1 7 ) . Hat der Vermieter dem Mieter die Bezugsfähigkeit einer Wohnung zu einem bestimmten Zeitpunkte in Form eines Garantieversprechens zugesagt, so ist er bei Nichterfüllung der Zusage schadensersatzpflichtig, ohne daß es a u f s e i n Verschulden ankommt ( R G 15. 5. 1907 I I I 438/06). 26»

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§ 542 Anm. 10—14

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 10 2. Rechtliche Natur der Kündigung. Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 130. Einer Form bedarf sie nur, wenn dies vereinbart ist. Die Kündigung wirkt nur für die Zukunft (ex nunc), von dem Zeitpunkt ihrer Erklärung ab (M 2, 201) und unterscheidet sich dadurch begrifflich vom Rücktritt (§§ 346fr), der den Vertrag rückwirkend (ex tunc) aufhebt (RG 64, 381; RG WarnRspr. 1914 Nr. 10). Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht § 180, bei einer Mehrheit von Gläubigern oder Schuldnern §§ 425, 429, sowie bei Miterben §§ 2038, 2039, durch den Vormund § 1812, durch den Ehemann bei einer von ihm und seiner Ehefrau gemeinsam gemieteten Wohnung OLG 9, 302. Vgl. noch § 553 Anm. 11 ff und wegen der Zulässigkeit einer bedingten Kündigung § 565 Anm. 12, 13. Anm. 11 3. Voraussetzung der Kündigung ist die fruchtlose Setzung einer angemessenen Frist zur Abhilfe, nicht die Androhung der Kündigung. a) Kann nach Lage der Sache unverzügliche Abhilfe verlangt werden, so genügt die Erklärung des Mieters, er werde die gesetzlichen Mittel gegen den Vermieter ergreifen, wenn der Mangel nicht u n v e r z ü g l i c h abgestellt werde. Damit ist die Frist gestellt, ohne schuldhaftes Zögern (§121 BGB) für Abhilfe Sorge zu tragen. Eine genauere Bestimmung der Frist nach Tagen oder Stunden ist in einem solchen Falle nicht notwendig (RG 75, 354). In einer Klage auf Beseitigung eines den Gebrauch beeinträchtigenden Mangels kann das Verlangen der Abhilfe, nicht aber die zur Kündigung erforderliche Bestimmung einer angemessenen Frist gefunden werden (RG WarnRspr. 1918 Nr. 74). Fristbestimmung im Urteil ZPO § 255. Vgl. auch RG WarnRspr. 1915 Nr. 15. Anm. 12 b) Liegen Erklärungen des Vermieters vor, die eine ernstliche und endgültige Verweigerung der Abhilfe darstellen (RG 51, 348; 64, 296; 67, 317), so bedarf es einer Fristsetzung nicht; dafür genügt aber nicht, daß der Vermieter in einem Schriftwechsel mit dem Mieter die Setzung einer Nachfrist nicht verlangt hat (RG WarnRspr. 1910 Nr. 275). Vielmehr muß das Verhalten des Vermieters unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß eine andere Entschließung von ihm auch bei förmlicher Fristsetzung nicht zu erwarten sei, so daß die Zwecklosigkeit einer Abhilfefrist außer Zweifel steht (RG 8. 3. 1918 I I I 433/17; auch SeufTArch. 71 Nr. 160). Der Bestimmung einer Frist bedarf es auch dann nicht, wenn eine Abhilfe von vornherein unmöglich oder mit S c h w i e r i g k e i t e n und Belästigungen f ü r den M i e t e r v e r b u n d e n ist, deren Duldung ihm nicht zugemutet werden kann. Anm. 13 c) Hat der Vermieter nach Fristbestimmung die verlangte Abhilfe abgelehnt, so kann der Mieter schon vor Ablauf der Frist kündigen (RG 1 1 . 12. 1917 III 180/17). Bei Setzung einer zu kurzen Frist bleibt die allgemeine Wirkung der Fristsetzung bestehen; die Dauer der Frist aber verwandelt sich in einen angemessenen vom Richter zu bemessenden Zeitraum (RG H R R 1934 Nr. 1444; vgl. § 250 Anm., § 466 Anm. 1). Anm. 14 d) Das Kündigungsrecht des Mieters besteht ohne Rücksicht auf Verzug oder Verschulden des Vermieters (Anm. 1 und RG 98 S. 101, 286; RG WarnRspr. 1915 Nr. 15; RG 11. 12. 1917 III 180/17) u n d wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Vermieter wegen Mietzinsrückstandes vom Mieter Räumung verlangen kann (RG 1 1 . 12. 1917 III 180/17), wohl aber dadurch, daß die Unmöglichkeit auf einem vom M i e t e r zu v e r t r e t e n d e n U m s t ä n d e , insbesondere einem Verschulden oder auch nur Mitverschulden des Mieters beruht (RG 98, 286; RG L Z 1917, 189 4 ; vgl. auch § 552), so wenn er schuldhaft verhindert, daß die Abhilfemaßnahmen des Vermieters Erfolg haben (RG J W 1911, 3596). Einem Verschulden des Mieters steht es nicht gleich, wenn er ein polizeiliches Gebrauchsverbot durch seinen eigenen Antrag veranlaßt hat (RG 23.9. 1913 III 184/13; aM OLG 28, 140).

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Miete

§ 542 Anm. 15—18 § 543 Anm. 1

Anm. 15 e) Der Mieter kann nicht mehr kündigen, wenn der Vermieter nach Fristablauf, aber vor erklärter Kündigung (vgl. §554 Abs. 1 Satz 2) abhilft (aM J W 1918, 1075). Ein V e r z i c h t auf die durch die Kündigung begründeten Rechte ist nicht darin zu finden, daß der Mieter trotz der Kündigung vorläufig wohnen bleibt, weil er über ihre vom Vermieter bestrittene Wirksamkeit erst eine gerichtliche Entscheidung haben will (RG 17. 3. 1916 III 386/15). Anm. 16 4. Kein Interesse an der Vertragserfüllung hat der Mieter namentlich bei einem Fixgeschäft (vgl. §361), wie z.B. bei nicht rechtzeitiger Gewährung eines zum Weihnachtsverkauf gemieteten Geschäftslokals. Anm. 17 5. Unerhebliche Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs. Die Anwendung des § 542 Abs. 2 ist namentlich da gegeben, wo sich der Mieter beim Vertragsabschluß eine besondere Eigenschaft der gemieteten Sache, z. B. größte Ruhe für ein als Sanatorium gemietetes Gebäude, ausbedungen hat, und durch unruhige Nachbarn diese Ruhe, wenn auch nicht in übermäßiger Weise, gestört wird (RG 4. 5. 1909 I I I 368/02). Kündigungsrecht und Schadensersatzanspruch sind anerkannt worden, wo der Vermieter dem Mieter eines Teiles eines Platzes zum Betriebe eines Kinematographen den Platz als ruhig bezeichnet hatte, dann aber den gegenüberliegenden Teil einem andern zum Betriebe eines Hunde- und Affentheaters einräumte (RG 2 1 . 1 . 1 9 1 0 III 85/09). Das Kündigungsrecht ist von der Rechtsprechung weiter in einem Falle anerkannt worden, wo die (Sammel-) Heizung einer gemieteten Wohnung bei einer Außentemperatur unter io0 R bis Mitte Mai vereinbart war und die vertragswidrige Unterlassung der Heizung vom 1. bis 7. Mai unter Gefährdung der Gesundheit des Mieters andauerte (RG 75, 354). Anm. 18 6. Beweislast. Beweispflichtig ist im Streitfalle a) der Mieter für die Kündigung und die Fristsetzung, im Falle des Abs. 2 auch für die sein besonderes Interesse ergebenden Tatsachen, b) der V e r m i e t e r für die rechtzeitige Gebrauchsgewährung oder Wiedergewährung, sowie im Falle des Abs. 2 für die Unerheblichkeit der Hinderung oder Vorenthaltung.

§ 543 Auf das dem Mieter nach § 542 zustehende Kündigungsrecht finden die Vorschriften d e r § § 539 bis 541 sowie die für die Wandelung bei dem Kaufe geltenden Vorschriften der §§ 469 bis 471 entsprechende Anwendung. Ist der Mietzins für eine spätere Zeit im voraus entrichtet, so hat ihn der Vermieter nach Maßgabe des § 347 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstandes erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten. E I 530 II 487 Abs. 3; M 2 421; Pa 229, 230, 413.

Anm. 1 1. Ausschluß des Kündigungsrechts; a) wenn der Mieter beim Abschlüsse des Vertrags die den Gebrauch der Mietsache ausschließenden oder störenden Mängel kennt oder, abgesehen von Zusicherung und Arglist des Vermieters, infolge von grober Fahrlässigkeit nicht kennt (RG 30. 3. 1920 I I I 402/19); b) wenn er die mangelhafte Mietsache mit Kenntnis ihres Mangels vorbehaltlos annimmt oder vorbehaltlos den Mietpreis dafür zahlt (RG 19. 6. 1906 I I I 542/05). Beruht die Kündigungsbefugnis auf einem Mangel im Recht, so wird sie nicht durch 395

§ 543 A n m . 2—4 1, 2

§ 544 A n m .

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

grobfahrlässige Unkenntnis des Mieters ausgeschlossen (§ 541 Anm. 2 zu c). Außerdem geht der Mieter wenigstens des ihm nach § 542 Abs. 1 Satz 3 bei vorliegendem besondern Interesse zustehenden Rechtes, ohne Bestimmung einer Frist zu kündigen, bei Nichterfüllung der ihm in § 545 auferlegten Anzeigepflicht verlustig (§ 545 Abs. 2). Uber den vertraglichen Ausschluß des Kündigungsrechts s. Anm. zu dem entsprechend anwendbaren § 540. Anm. 2 2 . Danach ist bei der M i e t e m e h r e r e r S a c h e n , von denen nur einzelne mangelhaft sind, die Kündigung, abgesehen von der aus § 469 Satz 2 sich ergebenden Ausnahme, n u r a u f d i e m a n g e l h a f t e n zu erstrecken und dann ein für alle Sachen festgesetzter Gesamtmietzins in dem in § 4 7 1 angegebenen Verhältnisse herabzusetzen. Nach dem aus § 543 Abs. 1 in Verbindung mit § 469 zu entnehmenden allgemeinen Rechtsgedanken ist bei einem einheitlichen, verschiedenartige R ä u m e (z. B. Geschäftsund Wohnräume) umfassenden Miet- oder Pachtverhältnis die Zulässigkeit einer T e i l k ü n d i g u n g , auch abgesehen von dem Falle eines Mangels, zu beurteilen; jede Partei kann aber verlangen, daß die Kündigung auf alle R ä u m e erstreckt wird, wenn die von ihr betroffenen R ä u m e nicht ohne Nachteil für sie von den übrigen getrennt werden können ( R G 1 1 4 , 243; s. auch 150, 3 2 1 ) . Vgl. auch M S c h G § 4 Abs. 2. Anm. 3 3 . Für die R ü c k e r s t a t t u n g d e s i m v o r a u s e n t r i c h t e t e n M i e t z i n s e s gelten die Grundsätze, die nach § 347 i m F a l l e d e s R ü c k t r i t t s v o n e i n e m V e r t r a g e für die Haftpflicht des Empfängers einer bereits erfolgten Vertragsleistung gelten und sich nach den Verpflichtungen bestimmen, die nach § 987 dem mit der Eigentumsklage in Anspruch genommenen Besitzer einer Sache obliegen; insbesondere also Herausgabe der nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit gezogenen und zu ziehen gewesenen Nutzungen. Wegen der Aufbauverträge s. § 535 Anm. 22. Anm. 4 4. Wenn der Mieter wegen eines v o m V e r m i e t e r n i c h t z u v e r t r e t e n d e n U m standes kündigt, hat der Vermieter nur denjenigen Betrag des Mietzinses herauszugeben, um welchen er z u r Z e i t d e r R e c h t s h ä n g i g k e i t (oder der Kündigung) n o c h b e r e i c h e r t ist (§§818, 819).

§ 544 Ist eine W o h n u n g oder ein a n d e r e r z u m A u f e n t h a l t e v o n M e n s c h e n bes t i m m t e r R a u m so b e s c h a f f e n , d a ß die B e n u t z u n g m i t e i n e r erheblichen G e fährdung der Gesundheit verbunden ist, so kann d e r Mieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer K ü n d i g u n g s f r i s t kündigen, auch w e n n er die g e f a h r b r i n g e n d e Beschaffenheit bei d e m A b s c h l ü s s e des V e r t r a g s gekannt o d e r auf die G e l t e n d m a c h u n g d e r i h m w e g e n d i e s e r B e s c h a f f e n h e i t zustehenden Rechte verzichtet hat. E II 488 III 537; P 2 23off.

Anm. 1 1 . A l l g e m e i n e s . Auf Grund obiger Vorschrift, die i m ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e g e g e b e n und d a h e r im Wege der P r i v a t v e r e i n b a r u n g nicht a b ä n d e r b a r ist, steht dem Mieter bei gesundheitsgefährlicher Beschaffenheit einer Wohnung oder eines andern, zum Aufenthalt von Memschen bestimmten Raumes ein e r w e i t e r t e s K ü n d i g u n g s r e c h t zu. Die Vorschrift, die kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 ist ( R G 5. i. 1933 V I I I 368/32), gilt auch für die Pacht (§ 581 Abs. 2). Anm. 2 2 . Als a n d e r e r R a u m kann ein Kontor, Büro, ein Laden, eine Werkstätte oder ein sonstiger R a u m in Betracht kommen, auch wenn er, wie z. B. ein Bier- und Wein-

396

Miete

§544 Anm. 3—5

keller oder ein Kellerraum für Sammelheizung, zu einem zwar wiederkehrenden, aber nur a u f S t u n d e n beschränkten Aufenthalte bestimmt ist ( R G 2 1 . 2. 1905 I I I 503/04).

Anm. 3 3. Die Gefährdung der Gesundheit

muß eine n a h e l i e g e n d e , n a c h h a l t i g e und n i c h t b l o ß v o r ü b e r g e h e n d e sein ( R G 5 1 , 2 1 0 ; WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 3 2 3 ; J W 1 9 1 2 , 288 9 ). a) „Erheblich" bezieht sich einmal auf den Grad der Gefährdung und ist im Sinne von „nicht unbedeutend", „nicht gering" zu verstehen. Eine erhebliche G e f a h r in diesem Sinne ist nur dann anzunehmen, wenn sie nahe liegt, d. h. wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Gesundheitsbeschädigung eine große, nicht nur eine geringe ist; denn der Grad der Gefahr wird danach bemessen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des befürchteten Ereignisses ist. Mit der herrschenden Meinung ist aber weiter anzunehmen, daß nicht nur die naheliegende Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung vorliegen, sondern auch die drohende S c h ä d i g u n g der Gesundheit selbst eine erhebliche sein muß ( R G 1. 6. 1933 V I I I 54/33). Die Gefahr einer nur unbedeutenden Gesundheitsschädigung genügt ebensowenig wie ein geringer Gefährdungsgrad. Das Urteil darüber, ob eine Einrichtung gesundheitsschädlich ist, muß sich nach den gegenwärtig auf dem Gebiete der Gesundheitslehre herrschenden Anschauungen richten. Eine gesundheitsschädliche Einrichtung verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, daß sie nicht schon in früherer Zeit (man denke an langfristige Mietverträge) erkannt worden ist ( R G WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 323). Mangels Wahrscheinlichkeit einer n a c h h a l t i g e n Beeinträchtigung ist eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit nicht anzunehmen, wenn ihre Beschädigung nur bei längerem Bestehen des Übelstandes zu befürchten, der Mangel jedoch leicht und in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beseitigen ist; ob dies aber zutrifft, ist nicht vom Standpunkt des späteren Beurteilers, der die wirkliche Sachlage kennt, sondern danach zu beurteilen, was zur Zeit der Ausübung des Kündigungsrechts bekannt war. Kennt der Mieter die Ursache eines M a n gels (z. B. des Modergeruchs) nicht, so ist seine L a g e ebenso zu beurteilen, wie wenn Ursache und Abhilfemittel feststehen, die Beseitigung selbst aber sehr schwierig oder mit beträchtlichem Zeitaufwand verbunden oder unmöglich ist ( R G 88, 168). Unter Umständen wird man aber von dem Mieter, der nach § 544 kündigen will, ein Forschen nach der Ursache des Mangels verlangen müssen.

Anm. 4 b ) E i n z e l f ä l l e : Das dauernde Eindringen unerträglicher übler Gerüche in die Mieträume kann den Tatbestand des § 544 verwirklichen ( R G J W 1 9 1 2 , 288®), ebenso eine das Leben und die Gesundheit der Bewohner gefährdende Beschaffenheit des Fußbodens und der Kellertreppe ( R G Gruchot 60, 664). Die Gefährdung der Gesundheit kann auch darauf beruhen, daß der Mieter durch den von dem Mieter eines andern Hausteils (z. B. von einem Fleischer mit dem lärmenden Betriebe seiner Maschine) gemachten Gebrauch in seiner Gesundheit benachteiligt wird ( R G J W 1906, 7 1 3 ° ) ; maßgebend sind dabei nicht die besonderen Gesundheitsverhältnisse des einzelnen Mieters (subjektiver Standpunkt), sondern die allgemeinen, f ü r die gesundheitsgemäße Beschaffenheit von Wohnungen überhaupt geltenden Grundsätze (objektiver Standpunkt, O L G 7, 17)-

Anm. 5 4. Kündigungsrecht des Mieters a) Es hat grundsätzlich das ganze Mietverhältnis

zum Gegenstande (RG WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 323) und setzt demgemäß regelmäßig voraus, daß der Mietgegenstand (z. B. eine Wohnung) im ganzen von dem Mangel berührt wird. Die Gesundheitsgefährlichkeit eines einzelnen Raumes rechtfertigt die Kündigung nach § 544 nicht, wenn der Mangel die Tauglichkeit der gemieteten Wohnung nicht erheblich mindert, ihre Benutzbarkeit im Rahmen des Mietzwecks vielmehr durch die übrigen R ä u m e ohne wesentliche Beeinträchtigung der persönlichen Bedürfnisse des Mieters gewährleistet wird ( R G 2 1 . 2 . 1905 I I I 503/04). Dem Mieter bleiben aber die Rechte aus §§ 537 ff,

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§ 544 A n r a . 6 §545

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

542. K a n n das Mietverhältnis ausnahmsweise im einzelnen Falle als teilbar erachtet werden, so wird das Kündigungsrecht auf e i n z e l n e R ä u m e zu beschränken sein, wenn nur diese von gesundheitsgefährlicher Beschaffenheit sind und der getrennte Gebrauch der übrigen R ä u m e ohne Beeinträchtigung des Mieters möglich ist (vgl. auch § 543 Anm. 2). b ) Das Kündigungsrecht des Mieters setzt kein Verschulden des Vermieters voraus, fällt aber weg, wenn der gesundheitsgefährliche Zustand durch ein Verschulden des Mieters selbst (unpflegliche Behandlung usw.) hervorgerufen ist (RG 5 1 , 2 1 0 ; R G SeuffArch. 58 Nr. 7 3 ; J W 1 9 1 6 , 1293 6 ). Dagegen kann dem Mieter nicht entgegengehalten werden, er habe durch Anzeige bei der Polizei veranlaßt, daß die bis dahin unbeanstandete Benutzung eines Raumes untersagt worden sei (RG WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 323). Der Vermieter kann auch keine Schadensersatzansprüche daraus herleiten, daß der Mieter die polizeiliche Schließung der (baufälligen) Wohnung veranlaßt hat (RG L Z 1 9 1 6 , 5 9 4 " ) . c) Für die Beendigung des Mietverhältnisses im Falle des § 544 bedarf es weder der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe wie nach § 542 noch einer Anzeige nach § 545 ( R G Gruchot 60, 664; a M O L G 33, 305), wohl aber einer Kündigung des Mieters, d. h. einer Erklärung des Inhalts, daß er das Mietverhältnis auflösen wolle. Die Erklärung kann ohne Rücksicht auf eine etwa vereinbarte Kündigungsform, auch stillschweigend z . B . durch den Auszug des Mieters ( R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 46) geschehen, muß aber unzweideutig erkennen lassen, daß der Mieter ein Kündigungsrecht ausüben wolle ( R G Gruchot 60, 664). Anm. 6 5. Neben der fristlosen Kündigung bleibt die Geltendmachung der Rechte aus§§ 537, 538 insoweit bestehen, als der Mieter dieser Rechte nicht nach § 539 verlustig geworden ist oder auf ihre Geltendmachung verzichtet hat. Gegenüber einem Schadenersatzansprüche des Mieters wird der Vermieter nicht selten versuchen, e i g e n e s V e r s c h u l d e n d e s M i e t e r s nach § 254 geltend zu machen. Die fristlose Kündigung nach § 544 ist (ebenso wie die nach § 542) zwar nur ein Recht, keine Pflicht des Mieters. Aber auch die Nichtausübung eines Rechtes kann unter Umständen ein Verschulden darstellen, nämlich dann, wenn sie gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstößt. Es kommt dabei namentlich in Frage, ob die Voraussetzungen des § 544 so zweifelsfrei vorliegen, daß dem Mieter die Übernahme der Gefahr von Umzugs- und Prozeßkosten zugemutet werden kann (vgl. R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 133). Ebenso ist die eigene Mängelbeseitigung nach § 538 Abs. 2 nur ein Recht des Mieters. Aber die Unterlassung der Rechtsausübung ist auch hier schuldhaft, wenn sie der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zuwiderläuft (RG 100, 42, auch 103, 372). Der Vermieter, der sich auf mitwirkendes Verschulden des Mieters beruft, hat namentlich auch darzutun, daß diesem die Aufwendung der Kosten angesonnen werden konnte (RG WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 423).

§ 545 Zeigt sich im Laufe der Miete ein Mangel der gemieteten Sache oder wird eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Mieter dem Vermieter unverzüglich Anzeige zu machen. Das gleiche gilt, wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt. Unterläßt der Mieter die Anzeige, so ist er zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet; er ist, soweit der Vermieter infolge der Unterlassung der Anzeige Abhilfe zu schaffen außerstande war, nicht berechtigt, die i m § 537 bestimmten Rechte geltend zu machen oder nach§ 542 Abs. 1 Satz 3 ohne Bestimmung einer Frist zu kündigen oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. E I 519 II 589; M 2 400, 401; P 2 187; 6 184, 186.

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Miete

§ 545 A n m . 1—4 §346

Anm. 1 1. Ohhutspflicht des Mieters im Interesse des \ermieters Diese Pflicht ( v gl- § 535 Anm. 35) besteht namentlich dann, wenn der Mieter ein ganzes Haus oder einen abgeschlossenen Teil davon gemietet hat (RG 68, 161), erstreckt sich aber auch auf die von dem Mieter mit andern Mietern gemeinsam zu benutzenden Räume, wie Treppen, Flure (RG 59, 161; 75, 118; 106, 133), und kann insbesondere durch deren Nichtbeaufsichtigung, durch Nichtabgabe des Schlüssels zu einer Wohnung während einer Reise des Mieters verletzt werden. Kraft dieser Obhutspflicht ist der Mieter zur (unverzüglichen, § 121) Anzeige eines Mangels (nicht nur eines solchen im Sinne von § 537), sofern er den mangelhaften Zustand und die drohenden Gefahren erkannt hat (BGH NJW 1951, 229), auch dann verbunden, wenn der Mangel sein Gebrauchsrecht nicht unmittelbar benachteiligt, sondern nur den Vermieter gefährdet. Eine V e r p f l i c h t u n g zur Vornahme notwendiger Ausbesserungen oder zur Abwehr störender Eingriffe Dritter liegt ihm nicht ob. Es bedarf keiner Anzeige, wenn eine Abhilfe durch den Vermieter von vornherein unmöglich ist. Da die Anzeigepflicht auf der Obhutspflicht beruht, fällt sie insoweit weg, als, wie z. B. bei Überlassung einer Dampfdreschmaschine mit Bedienung an einen technisch unerfahrenen Mieter, die (technische) Obhut nicht diesem, sondern dem als Erfüllungsgehilfen des Vermieters zu betrachtenden Maschinisten anvertraut ist (RG Gruchot 61, 633). Die Anzeigepflicht erstreckt sich auch nicht auf Sachen, die zwar tatsächlich unter einer gewissen Obhut des Mieters (Pächters) stehen, aber nicht Gegenstand der Miete (Pacht) sind (RG 22. 2. 1917 IV 436/16). Vgl. auch § 9 Abs. 1 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . Anm. 2 2. Schadensersatzpflicht des Mieters. Sie setzt Verschulden des Mieters voraus und wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Räume, wie z. B. Treppen, Flure und andere Zugänge zu den eigentlichen Mieträumen, auch der Prüfung des Vermieters offen liegen (RG 59, 162; RG WarnRspr. 1916 Nr. 223), wohl aber dadurch, daß dieser auf irgendeine Weise von dem Mangel wirklich Kenntnis erhält (M 2, 401 und RG 103 S. 372, 374). Haftung des Mieters wegen eines Schadens, den ein Dritter infolge baulicher Mängel der Mieträume erleidet, s. RG 83, 137. Anm. 3 3. Beweislast a) für den V e r m i e t e r dahin, daß und zu welcher Zeit der Mieter den Mangel gekannt habe oder habe kennen müssen, b) für den M i e t e r dahin, daß er unverzüglich nach erlangter Kenntnis die Anzeige erstattet habe; c) kann infolge Unterlassung der Anzeige nicht geklärt werden, ob der Mieter den Mangel zu vertreten hat, so muß der Mieter beweisen, daß er den Mangel nicht zu vertreten hat (RG DR 1941, 13666).

Anm. 4 4. Rechte des Mieters a) Nicht ausgeschlossen ist das i m § 544 vorgesehene Kündigungsrecht. b) Bei Ansprüchen des Mieters aus§ 823 ist § 545 nicht anwendbar, doch kann Unterlassung der Anzeige als Mitverschulden gewertet werden (RG 165, 155). So auch, wenn die Frau eines Mieters, die nicht Mitmieterin ist, infolge schadhaften Zustandes der Treppe zu Fall kommt und den schon lange bestehenden Mangel dem Vermieter nicht angezeigt hat (RG 11. 1. 1907 III 231/07).

§ 546 Die auf der vermieteten Sache ruhenden Lasten hat der Vermieter zu tragen. E 515 II I 490; M 2 39s; P 2 178.

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§ 546 A n m . 1 , 2 §547

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 1 . V e r p f l i c h t u n g des V e r m i e t e r s oder V e r p ä c h t e r s (§ 581 Abs. 2) zur T r a g u n g der öffentlichen w i e der privatrechtlichen Lasten, die auf der Mietsache oder dem Pachtgegenstand ruhen (wie z. B. Grund- und Gebäudesteuern [RG WarnRspr. 1927 Nr. 53], Wasserzins, Reallasten, auch Hypothekenzinsen) oder dem Inhaber eines Grundstücks als s o l c h e m obliegen wie z. B. Anliegerbeiträge, Müllabfuhrgebühren, Kanalisationsabgaben (RG J W 1910, 105 2 ), nicht Feuerversicherungsprämien (LZ 1919, 821 7 ), auch nicht die Vermögenssteuer (RG 122, 335; RG J W 1927, 1753 2 ). Kehrgebühr als öffentliche Last des Grundstücks s. V O über das Schornsteinfegerwesen v. 15. 4. 1935 (RGBl I, 515) § 9. Vgl. noch RG 116, i n und RG H R R 1929 Nr. 2009 (Hauszinssteuer), ferner zum Begriff der öffentlichen Lasten R G 127, 130 und allgemein §436 Anm. 2, 3. Die Abgabepflicht beim L a s t e n a u s g l e i c h trifft ebenso wie die Soforthilfeabgabe den Sachwertbesitzer — bei der Vermögensabgabe den Eigentümer (LAG § 16), bei der Kreditgewinnabgabe den Betriebsinhaber (LAG § 174), bei der Hypothekengewinnabgabe ruhen die Abgabeschulden als öffentliche Last auf dem Grundstück (LAG § i n ) — doch hindert der Umstand, daß die Abwälzbarkeit der Soforthilfeabgabe auf den Pächter nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, nicht, bei einem Landpachtvertrage den Pächter im Rahmen des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Pachtpreises an der Abgabe zu beteiligen (BGH 6, 240; vgl. auch B G H L M Nr. 3 zu § 133 (B) BGB; Nr. 5 zu § 23 SHG; L A G § 73). Anm. 2 2. A b ä n d e r u n g durch Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter ist zul ä s s i g , jedoch auf das Verhältnis des Vermieters als Hauseigentümers der Staats- oder Gemeindebehörde gegenüber ohne Einfluß. Bestimmungen in Pachtverträgen, die dem Pächter die auf dem Pachtgrundstücke ruhenden und ihm künftig aufzuerlegenden öffentlichen Lasten aufbürden, sind auf alle Lasten zu beziehen, die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft aus dem Ertrag des Grundstücks und nicht aus der Vermögenssubstanz bestritten werden (vgl.RG 115, 209: Rentenbankzinsen und R G J W 1929,1396 30 : Industriebelastung). DieVereinbarung, daß der Verpächter sämtliche auf dem Pachthofe ruhenden öffentlichen Abgaben und Lasten zu tragen habe, kann u. U. dahin ausgelegt werden, daß der auf das pächtereigene Inventar entfallende Teil der Grundsteuer vom Pächter zu zahlen ist (BGH 23. 9. 1952 V BLw 90/51, vgl. auch O L G Königsberg H R R 1942, 430; a M O L G Celle R d L 1951, 278 Nr. 61). Zur Frage, wer den auf ein landwirtschaftliches Gut entfallenden Teil der Vermögensteuer (jetzige Fassung des Vermögensteuergesetzes vom 10. 6. 1954, BGBl I 137) zu tragen hat, wenn nach dem Pachtvertrag dem Pächter alle das Gut betreffenden öffentlichen Lasten und Abgaben, dem Verpächter nur die auf sein Einkommen aus dem Pachtgut zur Erhebung gelangenden „direkten Staatseinkommensteuern" zur Last fallen, s. RG 122, 335. Tragung der Vermögensteuer durch den Verpächter, der nach dem Vertrag nur die aufsein Einkommen aus dem Pachtgut zu erhebenden direkten Staatseinkommensteuern zu bezahlen übernommen hat, s. RG J W 1930, 320 3 . Vereinbarung über Lastentragung zwischen der preußischen Domänenverwaltung und dem Domänenpächter s. R G H R R 1931 Nr. 1303. S. auch SeuffArch. 77 Nr. 127. Auf Grund einer Vertragsbestimmung, wonach Lasten, Steuern und sonstige Abgaben von einem gemieteten Grundstück der Mieter trägt, kann die vermietende Gemeinde Steuern von ihrem eigenen Grundbesitz zu Lasten des Mieters verlangen (RG 119, 304). Übernahme der Unterhaltung eines Flußufers durch den Pächter von Ackerland s. R G J W 1931, 2640 12 .

§547 D e r V e r m i e t e r i s t verpflichtet, d e m Mieter die auf die Sache g e m a c h t e n n o t w e n d i g e n V e r w e n d u n g e n zu ersetzen. Der Mieter eines T i e r e s h a t j e d o c h die F ü t t e r u n g s k o s t e n z u t r a g e n . Die Verpflichtung des V e r m i e t e r s z u m Ersätze s o n s t i g e r V e r w e n d u n g e n b e s t i m m t sich n a c h den Vorschriften ü b e r die G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f -

400

Miete

§547 Anm. 1—3

trag. Der Mieter ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache versehen hat, wegzunehmen. E I 513, 514 Abs. I u. 2 II 491; M 2 393—39;; P 2 174®, 273.

Anm. 1 1. Notwendige V e r w e n d u n g e n . Die notwendigen Verwendungen, d. h. die vom Mieter zur Erhaltung der Sache gemachten Ausgaben treffen den Vermieter. Der Mieter einer Wohnung, der vor der Währungsreform Kriegsschäden beseitigte, kann Erstattung nur nach Normal-, nicht nach Schwarzmarktpreisen verlangen ( B G H 5, 197 [201]). Unter diese notwendigen Verwendungen fallen nicht schon solche, die der Mieter nur macht, um die Mietsache in einen zum vertragsmäßigen Gebrauch (§ 536) geeigneten Zustand zu versetzen; hier greift § 538 Abs. 2 ein ( R G H R R 1929 Nr. 1309). Der Mieter dagegen hat außer den bei der Miete eines Tieres entstehenden Fütterungskosten (Abs. 1 Satz 2) allgemein den durch den G e b r a u c h der Mietsache verursachten A u f w a n d zu tragen. Über den Ersatz der Aufwendungen s. §§ 256, 257. Zurückbehaltungsrecht §§ 273, 556 Abs. 2. Verjährung des Ersatzanspruchs § 558. Umstellung 1 0 : 1 ( L G Hamburg M D R 1950, 426; O G H 1, S. 198 u. 2 1 7 ; 3, 2 7 5 ; B G H 5, 1 9 7 ; 6, 227; 7, 252).

Anm. 2 2. S o n s t i g e V e r w e n d u n g e n . Für den Ersatz sonstiger Verwendungen kommt es nach §§ 683—685 namentlich darauf an, ob die Verwendung dem Interesse und dem Willen des Vermieters entsprach oder von ihm genehmigt worden ist (vgl. O L G 4 1 , 1 1 3 : bauliche Änderungen). Im übrigen haftet der Vermieter f ü r ungerechtfertigte Bereicherung ( R G J W 1932, 2 9 7 7 ' ; R G 158, 394). Die Verpflichtung zur Ersatzleistung fällt weg, wenn der Mieter zu der Verwendung vertragsmäßig verpflichtet ist (Prot. 5, 236). Eine auf ein Grundstück gemachte Verwendung ist es in der Regel nicht, wenn der Mieter des Grundstücks auf diesem ein Gebäude errichtet, das nach §§ 93, 946 B G B Eigentum des Grundstückseigentümers wird ( B G H 10, 1 7 1 ) . Besondere Bestimmungen bei der Pacht nach §§ 582, 586—589.

Anm. 3 3. W e g n a h m e r e c h t des M i e t e r s . E s ist n a c h § 2 5 8 u n t e r H e r s t e l l u n g d e s f r ü h e r e n Z u s t a n d e s d e r M i e t s a c h e a u s z u ü b e n (s. auch § 9 5 und R G 106, 49: Wannen, Öfen, Kessel; O L G 4 1 , 1 1 3 : Kochmaschine). a ) Unter dieser Voraussetzung ist der Mieter zur Wegnahme auch dann befugt, wenn der Vermieter die Einrichtung unter Ersatz ihres Wertes behalten will. Denn der Vermieter hat nach dem maßgebenden Schuldverhältnis nur Anspruch darauf, daß er die Mietsache in dem Zustande zurückerhält, in welchem sie sich bei der Überlassung an den Mieter befunden hat ( M 2, 385; Prot. 2, 177). Auch § 997 Abs. 2 steht nicht entgegen, da dort dem mit der E i g e n t u m s k l a g e in Anspruch genommenen B e s i t z e r ein weiteres obligatorisches Recht nicht zur Seite steht, ein Wegnahmerecht vielmehr im Falle des Wertersatzes ausdrücklich ausgeschlossen ist. Doch kann die Ausübung des Wegnahmerechts aus § 547 g e g e n T r e u u n d G l a u b e n (§ 242) verstoßen, wenn die Einrichtung nach der Wegnahme für den Mieter von geringem Werte ist, das Wegnahmen selbst aber einen erheblich größeren Nachteil für den Vermieter bedeutet. Der D e u t s c h e E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (§ 12 Abs. 2) spricht die Einrichtung dem Vermieter zu, falls er soviel zahlt, wie zur Herstellung einer neuen Einrichtung erforderlich wäre, abzüglich eines angemessenen Betrages f ü r inzwischen erfolgte Abnutzung; das Recht steht aber dem Vermieter nicht zu, wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einrichtung mitzunehmen. Das Recht des Vermieters zur völlig entschädigungslosen Übernahme von Einrichtungen, mit denen der Mieter die Mietsache versehen hat, gehört zu den bei Aufstellung des Deutschen Einheitsmietvertrags ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln" (vgl. Vorbem. 29 zu aa) vor § 535). Eine s c h i k a n ö s e Ausübung des Wegnahmerechts aus § 547 würde schon nach § 226 unzulässig sein. b ) Hervorzuheben ist, daß § 547 Abs. 2 Satz 2 dem Mieter nur das Recht der Wegnahme verleiht; er kann daher auch nur Duldung der Wegnahme, n i c h t H e r a u s g a b e

401

§ 548 Anm. 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

verlangen, wenn der Vermieter den Besitz der Mieträume mit der Einrichtung erlangt hat (RG 109, 128; RG WarnRspr. 1934 Nr. 51). c) Vertraglicher Ausschluß des Wegnahmerechts: Bereicherungsansprüche des Mieters in solchem Falle bei vorzeitiger Lösung des Mietverhältnisses s. RG SeuffArch. 87 Nr. 88; 88 Nr. 49.

§548 Veränderungen oder Verschlechterungen der gemieteten Sache, die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten. E I 520 II 492; M 2 401; P 2 183.

Anm. 1 1. Vertragswidriger Gebrauch a) Bei v e r t r a g s w i d r i g e m G e b r a u c h h a f t e t der M i e t e r , dem die Obhut und damit die schonende und pflegliche Behandlung der Mietsache obliegt (§ 535 Anm. 35), nach §§ 276, 278, so auch für Familienangehörige und Hausangestellte (Besitzdiener), insoweit er diesen Personen die Obhut und Behandlung der Mieträume anvertraut oder überlassen hat (s. § 553), und zwar haftet er nicht nur für den Schaden an der Mietsache, z. B. an den gemieteten Räumen, sondern nach allgemeinen Grundsätzen für allen Schaden, den er durch Verletzung seiner Vertragspflichten dem Vermieter schuldhaft verursacht, so für die Beschädigung von nicht mitvermieteten Räumen und von Sachen des Vermieters, die sich nicht in den Mieträumen befinden (RG 84, 222; OLG 33, 309), auch für den entgangenen Gewinn (RG 14. 6. 1915 IV 633/14). Die Haftpflicht des Mieters besteht insbesondere auch dann, wenn die Leute des Fuhrunternehmers beim Einzüge des Mieters (oder beim Zufahren von Waren, J W 1922, 2306) am Grundstück des Vermieters Schaden anrichten, oder wenn Treppe und Treppenflur beim Abholen von Sachen beschädigt werden, die der Mieter verkauft hat, mag auch das Fortschaffen durch vom Käufer beauftragte Personen geschehen (RG 106, 133). Die nicht zweifellose Frage, ob der Mieter auch für den schuldhaft vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache seitens eines Gastes haftet, dem er den Gebrauch überlassen hat, wird nach § 278 zu bejahen sein (vgl. § 535 Anm. 35). Ein vertragswidriger Gebrauch darf nicht angenommen werden, wenn ein Gast im Wirtshaus plötzlich erkrankt oder stirbt, so daß dem Gastwirt durch die notwendige Wiederherstellung des Gastzimmers Kosten erwachsen (s. jedoch L Z 1916, 15047). Umgekehrt ist der Fall zu beurteilen, wenn der Gast seinen Krankheitszustand gekannt und statt des gebotenen Aufenthalts in einem Krankenhause den Gasthof aufgesucht hat. Überanstrengung eines gemieteten Pferdes (OLG 39, 149). Der Mieter eines Fuhrwerks wird dadurch, daß der Vermieter den Kutscher stellt, nicht von der Verpflichtung frei, das Fuhrwerk nur so zu gebrauchen, daß eine Gefährdung des Gespanns, z. B. eine Uberanstrengung der Pferde, vermieden wird (RG 31. 5. 1921 I I I 506/20). Wegen des vertragswidrigen Gebrauchs s. ferner unten § 550 Anm. 1—3 und § 553 Anm. 1. Auch der N i c h t g e b r a u c h der M i e t s a c h e (vgl. § 535 Anm. 34) kann unter Umständen, nämlich dann, wenn dadurch die Mietsache (z. B. ein Reitpferd) beschädigt oder gefährdet wird, vertragswidrig sein und den Mieter haftbar machen. Anm. 2 b) Der Schadensersatzanspruch wegen vertragswidrigen Gebrauchs durch den Mieter kann vom Vermieter auch schon vor Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht werden (RG 105, 397). Der Vermieter kann insbesondere die alsbaldige Beseitigung von Schäden dann verlangen, wenn ein Aufschub die Beseitigung unmöglich machen oder größeren Schaden zur Folge haben würde. So auch für diesen Fall (anders für die Regel) SeuffArch. 74 Nr. 103 und OLG 39, 239. Verjährung § 558. Anm. 3 c) Vertraglich kann die Haftung des Mieters abweichend vom Gesetze geregelt werden. Eine völlige Abwälzung der Erhaltung der Mietsache vom Vermieter auf den 402

Miete

§ 548 Anm. 4—6 §549

Mieter wird aber, namentlich bei formularmäßigen Verträgen, nur dann als vereinbart anzusehen sein, wenn festgestellt werden kann, daß der Mieter eine so weitgehende Last zugunsten des Vermieters bewußt übernehmen wollte (vgl. J W 1922, 822 3 ). Die vereinbarte Verpflichtung des Mieters zur Beseitigung baulicher Veränderungen ist in der Regel nicht auf solche Veränderungen zu beziehen, die notwendig waren, um die Mieträume erst in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen ( H R R 1936 Nr. 1273). Ist nach Ein- oder Umbauten, die der Mieter vorgenommen hat, ein neuer Mietvertrag geschlossen worden, so ist mangels eines Vorbehalts der Vermieter nicht mehr berechtigt, die Beseitigung der Bauten zu verlangen ( H R R 1934 Nr. 474). Auslegung eines Vertrags, der die Haftung des Mieters aus Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache ausschließt, s. L Z 1 9 1 9 , 9 2 1 7 ; Bedeutung vertraglicher Übernahme der Ausbesserungspflicht durch den Mieters. J W 1920, 1 0 4 5 1 ; Vertragshaftung für Glasschäden an Schaufenstern usw. s. J W 1922 S. 8 1 4 1 , 2 , 822°; O L G 4 1 , 1 1 5 . Vgl. auch § 9 Abs. 2 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s , wonach der Mieter für das Verschulden der Familienmitglieder, Hausgehilfen, Untermieter, sowie der von ihm beauftragten Handwerker, Lieferanten und dergleichen haftet. Die Vereinbarung einer Haftung des Mieters für jeden durch höhere Gewalt entstehenden Schaden gehört zu den bei Feststellung des Deutschen Einheitsmietvertrags „gemißbilligten Klauseln" (vgl. Vorbem. 29 zu aa) vor § 535).

Anm. 4 d ) Die Haftung des Mieters gegenüber andern Mietern (z. B. für Wasserschäden, O L G 4 1 , 1 1 5 ) bemißt sich nach §§ 823 fr.

Anm. 5 2. V e r t r a g s m ä ß i g e r G e b r a u c h . D e r G r u n d s a t z , d a ß d e r M i e t e r d i e d u r c h den v e r t r a g s m ä ß i g e n G e b r a u c h h e r b e i g e f ü h r t e n V e r ä n d e r u n g e n oder V e r s c h l e c h t e r u n g e n n i c h t z u v e r t r e t e n h a b e , ist nach T r e u und Glauben (§§ 157, 242) namentlich bei Auslegung der vielfach vorkommenden Vertragsbestimmung, daß die Mieträume in dem n ä m l i c h e n Zustande zurückzugeben seien, in dem der Mieter sie übernommen habe, im Sinne des § 548 anzuwenden, sofern nicht der Vertrag ausdrücklich eine dem Vermieter günstigere Vorschrift enthält.

Anm. 6 3. B e w e i s l a s t . Die Beweislast dafür, daß Veränderungen oder Verschlechterungen auf einen von ihm nicht zu vertretenden Umstand zurückzuführen seien, trifft den M i e t e r . Dies gilt auch gegenüber Schadensersatzansprüchen, die der Vermieter gegen den Mieter w ä h r e n d d e r D a u e r d e s M i e t v e r h ä l t n i s s e s (z. B. wegen eines Brandes) erhebt ( R G BayZ 1922, 173). Ist vereinbart, daß der Mieter, der die Zahlung der vom Vermieter zu entrichtenden Feuerversicherungsprämien übernommen hat, im Falle eines Brandschadens nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu haften brauche, so muß der Mieter nachweisen, daß ihm bei der Entstehung des Brandes weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt ( R G 122, 292). Vgl. im übrigen § 556 Abs. 1 und Anm. 2 dazu.

§ 549 Der Mieter ist ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der gemieteten Sache einem Dritten zu überlassen, insbesondere die Sache weiter zu vermieten. Verweigert der Vermieter die Erlaubnis, so kann der Mieter das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, sofern nicht in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. Überläßt der Mieter den Gebrauch einem Dritten, so hat er ein dem Dritten bei dem Gebrauche zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, auch wenn der Vermieter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat. E I 516 II 493; M 2 395—397; P a 178E

403

§ 549 A n m . 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 1. Verbot der e i g e n m ä c h t i g e n G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g an eine Dritten. Wegen Untermiete (Unterpacht) im allgemeinen s. Vorbem. 19 vor § 535. Anwendung auf Pacht s. § 581 Abs. 2, § 596 Abs. 1. a) Die Ü b e r t r a g i m g der Mieterrechte ohne Zustimmung des Vermieters ist ausgeschlossen (RG J W 1931, 2946 2 ; RG 3. 7. 1923 I I I 127/23; 8 . 2 . 1924 I I I 214/23). Hat der Mieter unter Fortdauer seiner eigenen Verpflichtung aus dem Mietverhältnis die Mietrechte einem anderen überlassen, so wird er von seiner Haftung nicht dadurch befreit, daß der Vermieter mit dem neuen Mieter eine Erhöhung des Mietzinses vereinbart (RG 4. 4. 1935 IV 303/34). Die Überlassung des Gebrauchs im Sinne des § 549 erfordert nicht die Übertragung eines Rechtes, sondern nur die tatsächliche E i n r ä u m u n g des vollen Gebrauchs der ganzen Mietsache oder eines bestimmten Teiles, umfaßt aber nicht den unselbständigen Mitgebrauch der Mietsache durch Familienmitglieder, Hausangestellte, Gäste usw., der vielmehr zum vertragsmäßigen Gebrauch des Mieters selbst gehört. Eine Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 549 liegt auch nicht vor, wenn der Pächter bei vorübergehendem Eintritt in das Heer das Pachtgrundstück durch seine zur Hausgemeinschaft gehörenden Eltern bewirtschaften läßt ( K G H R R 1936 Nr. 10). Keine vertragswidrige Gebrauchsüberlassung ist es, wenn Räume, die zu gewerblichen Zwecken an eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft oder oGH vermietet worden sind, von dieser einer ausschließlich von den Gesellschaftern zur Fortführung des Gewerbes gegründeten und unter ihrer alleinigen Geschäftsführung stehenden GmbH überlassen werden (BGH L M Nr. 2 zu § 553 BGB). Anm. 2 b) Die Erlaubnis des Vermieters kann formlos, also mündlich oder durch schlüssige Handlungen, erteilt werden, mag sie auch im voraus beim Abschlüsse des Mietvertrags gegeben werden und dieser selbst nach § 566 der schriftlichen Form bedürfen (RG SeuffArch. 77 Nr. 125). Sie ist keine Zustimmung im Sinne der §§ 182ff; die Erlaubnis bewirkt nur, daß die Gebrauchsüberlassung an den Dritten nicht als eine Verletzung der dem Mieter gegenüber dem Vermieter obliegenden Verpflichtungen (§ 553) erscheint. Das BGB geht von der Erlaubnis für den einzelnen Fall aus; eine allgemeine Erteilung ist damit aber nicht ausgeschlossen. Nach dem D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (§ 7 Abs. 4 Satz 2) erfolgt die Zustimmung ein für allemal. Anm. 3 c) Durch den Mangel der Erlaubnis des Vermieters wird die R e c h t s w i r k s a m k e i t d e s U n t e r m i e t v e r t r a g s nicht berührt, da man eine fremde Sache vermieten kann; § 549 will n u r das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter regeln. Ist die Erlaubnis des Vermieters zur Zeit des Vertragsabschlusses zwischen Mieter und Untermieter nicht erteilt, so kann sich der vermietende Mieter auf sein Unvermögen zur Leistung gegenüber dem Untermieter nicht berufen (RG 69, 357), er hat vielmehr für seine Leistungsfähigkeit einzustehen (OLG 28, 14g) und haftet dem Untermieter auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Will er dies nicht, so mag er die Wirksamkeit des Vertrags von der Erteilung der Erlaubnis als einer B e d i n g u n g abhängig machen. Diese Bedingung kann selbstverständlich auch stillschweigend gesetzt werden. Eine stillschweigende Bedingung kann aber nicht allein aus dem Umstände entnommen werden, daß der Untermieter weiß, sein Vermieter sei nur Mieter und die zur Untervermietung erforderliche Erlaubnis des Hauptmieters sei noch nicht erteilt; auch die Voraussetzung, die Erlaubnis werde erteilt werden, ist noch keine Bedingung (bestr.). Wer sich unbedingt verpflichtet, muß sich darüber vergewissern, ob ihm die Leistung möglich ist. Die Erlaubnis beizubringen, ist allein Sache des vermietenden Mieters (RG 81, 59; O L G 28, 149; vgl. RG Gruchot 33, 994; 35, 1027; RG 41, 147 beruht auf abweichenden Bestimmungen des gemeinen Rechtes). Anm. 4 d) Auch der Mieter kann als U n t e r v e r m i e t e r den § 549 dem Untermieter gegenüber für sich geltend machen, wenn letzterer ohne des ersteren Erlaubnis den Gebrauch der Sache einem Dritten überläßt (RG 19. 2. 190g I I I 217/08).

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Miete

§549

A n m . 5—10 Anm. 5 e) Soweit die Untermiete nicht statthaft ist, ist auch die Abtretung und Pfändung des mit der Persönlichkeit des Mieters enge zusammenhängenden Mietrechts ausgeschlossen (M 2, 396; SeuffArch. 69 Nr. 80). Dagegen ist die Pfändung ausnahmsweise zulässig, wenn die Gebrauchsüberlassung dem Mieter vom Vermieter gestattet ist (vgl. ZPO §§851, 857; RG 37, 421). In der Vereinbarung freier Ubertragbarkeit des Mietvertrags liegt nur die Vorauserteilung der nach § 549 erforderlichen Erlaubnis, eine Entlastung des ursprünglichen Mieters aus dem Mietverhältnis läßt sich daraus nicht ableiten (SeuiTArch. 71 Nr. 8). Anm. 6 f) Ob der V e r m i e t e r ( V e r p ä c h t e r ) die Erlaubnis erteilen will, steht in s e i n e m Ermessen. In der planmäßigen, ständigen Versagung mit dem Ziel, den Mieter (Pächter) zur Aufgabe der Miete (Pacht zu zwingen, kann aber eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragswidrigkeit liegen (RG 138, 359). War der Vermieter, was nach dem das Mietverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben unter Umständen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung angenommen werden kann, zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet, dann berechtigt die Verweigerung den Mieter nicht nur gemäß Abs. 1 Satz 2 zur Kündigung, sondern auch zum Anspruch auf Schadensersatz (RG 1934, 3193 1 ). Uber die Zulässigkeit der Unterverpachtung an eine zum Erbenkreis des Pächters gehörige Person, wenn im Vertrage die Unterverpachtung verboten, aber vereinbart ist, daß im Todesfalle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auf die Erben des Pächters übergehen sollen, s. OLG Breslau m I937> 1087. Uber die rechtliche Natur eines sog. Wohnungstausches s. RG WarnRspr. 1926 Nr. 49, 50. Anm. 7 g) Nach § 29 MSchG, der nach § 52 e Abs. 1 Nr. 3 MSchG auch für nach § 52 Satz 1 mieterschutzfreien und nach § 31 a für neu geschaffenen Wohnraum gilt, darf der Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung nur aus einem wichtigen Grunde verweigern. Auf Antrag des Mieters kann das Mieteinigungsamt die Erlaubnis ersetzen. Wenn es diese Erlaubnis allgemein ersetzt, bleibt das Recht des Vermieters, im Einzelfall der Untervermietung aus wichtigem Grunde zu widersprechen, unberührt. Anm. 8 h) Wegen der Preisbildung bei der Untervermietung von Wohnraum s. Vorbem. 40, 42 g, 42 m vor § 535, wegen des Kündigungsschutzes für den Untermieter § 24 MSchG und Vorbem. 58 zu h vor § 535. Anm. 9 2. Unentgeltliche Gebrauchsüberlassung. Auch die unentgeltliche Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten ist ohne Erlaubnis des Vermieters nicht gestattet. Dazu gehört indessen nicht die Überlassung an Familienangehörige, Hausangestellte und Gäste des Mieters, der hierbei im Besitze der Mieträume verbleibt (Anm. 1). Haftung des Mieters für diese Personen nach § 278, vgl. § 535 Anm. 35, § 548 Anm. 1. Anm. 10 3. Kündigung des Mieters (nach § 565, dazu Auflockerungsgesetz hinter § 565). a) Sie gilt im Zweifel auch dann nicht als ausgeschlossen, wenn die Weitervermietung im M i e t v e r t r a g ausdrücklich von der Erlaubnis des Vermieters abhängig gemacht, über ein bei ihrer Verweigerung eintretendes Kündigungsrecht aber nichts bestimmt ist (RG 64, 296; 74, 176). Eine Abtretung seiner Rechte durch den Mieter (vgl. § 399) kommt der Gebrauchsüberlassung gleich; verweigert der Vermieter die Erlaubnis ; so steht dem Mieter ein Kündigungsrecht nach Maßgabe des § 549 zu (RG J W 1911, 487'). Das Kündigungsrecht des Mieters kann durch Vertrag ausgeschlossen werden. Die Ausschließung des Kündigungsrechts gehört aber zu den bei Feststellung de s 405

§ 549 Anm. 11—13

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Deutschen E i n h e i t s m i e t v e r t r a g e s „gemißbilligten Klauseln" (vgl. Vorbem. 29 zu aa) vor § 535). Über die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen s. Anm. 6. b) Der Pächter hat das im Abs. 1 bestimmte Kündigungsrecht nicht (§ 596 Abs. 1). Anm. 11 4. Ausschließung des Kündigungsrechts. Das durch die Verweigerung der Erlaubnis begründete Kündigungsrecht ist nur dann ausgeschlossen, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt. a) Es kommen namentlich in Betracht persönliche Eigenschaften (Beruf, Lebensweise), welche die Besorgnis begründen, daß die Mitbewohner erheblich belästigt oder in ihren berechtigten Interessen beeinträchtigt werden oder daß sonst (z. B. durch geschäftlichen Wettbewerb des Dritten mit dem Vermieter, RG 23. 1 1 . 1917 I I I 239/17) von der Mietwohnung ein den Vermieter schädigender Gebrauch gemacht werde. Unter Umständen ist ein wichtiger Grund schon dann gegeben, wenn an die Stelle eines Mieters eine große Zahl von Untermietern treten soll. Dagegen ist die Annahme, daß der Vermieter einen Untermieter nur für die ganze vermietete Sache, nicht für einen Teil, zuzulassen brauche, nicht gerechtfertigt. Der Vermieter hat regelmäßig kein berechtigtes Interesse daran, ob alle Räume oder nur einige davon weitervermieter werden (RG 74, 176). b) Daß ein wichtiger Grund vorliegt, muß der Vermieter beweisen. Anm. 12 5. Gründe der Erlaubnisverweigerung. Daß der Vermieter die Gründe der Erlaubnisverweigerung angeben müsse, sagt das Gesetz nicht, eine solche Angabe ist deshalb kein notwendiges formelles Erfordernis der wirksamen Verweigerung. Anderseits ist aber unverkennbar, daß der Inhalt des § 549 Abs. 1 Satz 2 auf billiger Interessenabwägung beruht. Treu und Glauben wie auch die Pflicht zur gegenseitigen Treue erfordern, daß der Vermieter die Gründe seiner Erlaubnisverweigerung dem Mieter nicht vorenthält, sie j e d e n f a l l s auf B e f r a g e n angibt. Verweigert der Vermieter ohne Angabe eines Grundes allgemein die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung, so kann der Mieter kündigen (vgl. RG 35, 317; 41, 247). Gibt der Vermieter bei der Verweigerung Gründe dafür an, so darf der Mieter sie für seine Entschließung als maßgebend ansehen und Tatsachen, die nicht als Grund angegeben sind, außer Betracht lassen. Einen bei der Erlaubnisverweigerung nicht angegebenen Grund nach der Kündigung des Mieters geltend zu machen, ist der Vermieter nur dann befugt, wenn er bei der Verweigerung den Grund nicht gekannt hat und die Unkenntnis entschuldbar ist. Sind die vom Vermieter angegebenen Gründe, z. B. die Ablehnung verschärfter Mietbedingungen durch den Mieter, nicht geeignet, die Erlaubnisverweigerung zu rechtfertigen, so ist die Kündigung des Mieters berechtigt, und ihre Wirkung kann nicht dadurch wieder rückgängig gemacht werden, daß der Vermieter nachträglich andere Gründe geltend macht (RG 74, 176). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Vermieter Gründe für die Verweigerung u n a u f g e f o r d e r t angibt (RG 92, 118). Anm. 13 6. Rechtsverhältnisse bei Gebrauchsüberlassung an einen Dritten a) Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter haftet der Mieter, wenn der Vermieter die Erlaubnis erteilt hat, für jedes dem Dritten beim Gebrauche zur Last fallende Verschulden (§ 549 Abs. 2), bei Gebrauchsüberlsasung ohne Erlaubnis auch für den Zufall, insofern der Schaden nicht auch ohne die Gebrauchsüberlassung eingetreten sein würde. Der Vermieter kann diesen Schadensersatzanspruch schon während der Dauer des Mietverhältnisses geltend machen. Hierher gehört auch der Fall, daß der Verkäufer dem Käufer Verpackungsmittel (z. B. Säcke) mietweise überläßt und auf Verlangen des Käufers Ware mit Verpackung unmittelbar an dessen Abnehmer schickt; bei Verlust des Mietgegenstandes haftet der Käufer hier für Verschulden seines Abnehmers (RG 8.4. 1921 I I I 449/20). Der Mieter hat nicht für Schäden aufzukommen, die der von ihm eingesetzte Untermieter außerhalb der ihm zugewiesenen Räume auf dem Anwesen des Vermieters anrichtet, es müßte denn sein, daß es sich

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Miete

§ 549 Anm. 14—15 § 550 Anm. 1

dabei um Gegenstände handelt, deren Benutzung durch den Untermieter nach verständiger Würdigung der Umstände zum Gebrauch der Mieträume mitzurechnen ist ( R G J W 1934, 2 1 2 9 1 ) . Für den Fall der Zwangsuntermiete s. Vorbem. 30 vor § 5 3 5 . Im Falle der unbefugten Gebrauchsüberlassung Klagerecht des Vermieters auf Unterlassung nach § 550 sowie Kündigungsrecht nach § 553. Z u m Kündigungsrecht s. auch § 7 Abs. 5 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s .

Anm. 14 b) Verhältnis zwischen dem Vermieter und dem Dritten (Untermieter).

Der Vermieter hat gegen den Dritten keinen Anspruch auf Mietzins, auch kein Pfandrecht an den von ihm eingebrachten Sachen, wohl aber — außer der etwaigen Eigentumsklage — nach § 556 Abs. 3 den Anspruch auf Herausgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses; er kann auch ein gegen den Mieter ergangenes Räumungsurteil gegen den Dritten vollstrecken lassen, wenn dieser nach R e c h t s h ä n g i g k e i t d e r K l a g e gegen den Mieter den Besitz der Mietsache erlangt hat und damit „Rechtsnachfolger" des Mieters geworden ist (§§ 265, 325, 727 Z P O ; a M P l a n c k § 5 5 6 Anm. 3 d ) . Widerruft der Vermieter grundlos die Erlaubnis zur Untervermietung, so kann der Untermieter der Eigentumsklage des Vermieters die Einrede der Arglist entgegensetzen ( R G SeuffArch. 77 Nr. 125). Über Ansprüche eines Unterpächters wegen Verwendungen auf das Pachtgrundstück gegen den Hauptpächter s. R G 158, 394-

Anm. 15 c) Das Verhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten wird an sich durch

die Erlaubnisverweigerung oder durch das klageweise Vorgehen des Vermieters gegen den Dritten nicht berührt, dies berechtigt vielmehr den Dritten nur im Falle seiner Austreibung zu Schadensersatzansprüchen gegen den Mieter als seinen Vermieter. Diese sind jedoch wegen mangelnden Verschuldens des M i e t e r s dann ausgeschlossen, wenn das vermietete Grundstück infolge n a c h t r ä g l i c h e n Vermögensverfalls des Eigentümers und H a u p t v e r m i e t e r s zur Zwangsversteigerung gelangt und der Ersteher ( Z V G § 57) den Dritten austreibt ( R G 65, 29).

§ 550 Macht der Mieter von der gemieteten Sache einen vertragswidrigen Gebrauch und setzt er den Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann der Vermieter auf Unterlassung klagen. e n 494 in 543; p 1 lSyff.

Anm. 1 1. Vertragswidriger Gebrauch a ) Unter dem vertragswidrigen Gebrauch ist ein solcher zu verstehen, der o b j e k t i v v e r t r a g s w i d r i g ist, während er nicht notwendig zugleich subjektiv vertragswidrig, also schuldhaft zu sein braucht ( R G WarnRspr. 1920 Nr. 75; a M Prot 2, 306; J W 1 9 1 5 , 1272). Entschuldbarer Irrtum des Mieters über seine gesetzlichen oder vertraglichen Befugnisse wendet also den Unterlassungsanspruch des Vermieters (ebenso die K ü n d i gung nach § 553) nicht ab. Ein vertragswidriger Gebrauch kann (muß aber nicht) in der Benutzung gemieteter Wohnräume zu gewerblichen Zwecken (z. B. als Geschäftszimmer) liegen (SeuffArch 69 Nr. 140). Z u r Erteilung von Gesangsunterricht ist der Mieter in einem herrschaftlichen Hause ohne vorherige Vereinbarung nicht befugt ( O L G 33, 295). Ein Gastwirt ist nicht ohne weiteres berechtigt, den Verwendungszweck der von ihm gemieteten Gastwirtschaft ganz oder wesentlich zu verändern ( B G H L M Nr. 1 zu § 550 BGB). O b eine von dem Mieter von Geschäftsräumen beabsichtigte Geschäftserweiterung dem Zweck des Mietvertrages widerspricht, muß unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entschieden werden ( B G H L M Nr. 2 zu § 550 BGB). 27

Komm. z. BGB, I i . Aufl. II. Bd. (Pritsch)

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§ 550 A n m . 2—5 § 551 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 b ) A u c h das Z u w i d e r h a n d e l n gegen eine bestehende H a u s o r d n u n g gehört hierher, w e n n diese v o m Mieter a n e r k a n n t u n d v o m Vermieter nicht etwa schikanös, wider die guten Sitten oder gegen T r e u u n d Glauben gefaßt ist. Dagegen liegt ein vertragswidriger G e b r a u c h in der Regel nicht vor, wenn der Mieter, n a c h d e m eine ansteckende K r a n k h e i t in seiner Familie ausgebrochen ist, w o h n e n bleibt u n d das erkrankte F a milienglied nicht in das K r a n k e n h a u s ü b e r f ü h r t . Verweigerung des Einzugs wegen ansteckender K r a n k h e i t des Mieters s. O L G 33, 302. Anm. 3 c ) D e r vertragswidrige G e b r a u c h kann auch d u r c h eine H a n d l u n g des Mieters gegeben sein, die g e g e n d a s N a c h b a r r e c h t verstößt, insofern f ü r dessen Verletzung der Vermieter, als der „ S t ö r e r " , d e m N a c h b a r verantwortlich ist (RG 47, 164; ferner R G J W 1904, 1 4 2 1 1 ; R G Gruchot 48, 952). Dasselbe gilt f ü r ein Verhalten des Mieters bei der Benutzung der Mietsache, w o d u r c h ihren Eigenschaften u n d ihrer Eigenart entsprechend Leib u n d Leben Dritter, z. B. der Besucher gemieteter Wirtschaftsräume, gefährdet u n d eine H a f t u n g des vermietenden Eigentümers gegenüber d e m Dritten begründet wird ( R G 92, 359). Ein vertragswidriger G e b r a u c h liegt auch in der unbefugten Überlassung des Gebrauchs a n einen Dritten (§ 549 A n m . 13 u n d § 553). Verletzung der Pflicht zu ordnungsmäßiger Betriebsführung bei U m s a t z p a c h t s. R G 149, 88 (Tankstelle) u n d D R 1939, 1681 1 . Z u r Frage der positiven Vertragsverletzung d u r c h Geschäftsverlegung bei der P a c h t von L a d e n r ä u m e n R G 158, 180; 165, 35. H a l t e n eines zu geringen Viehbestandes d u r c h den Pächter s. R G W a r n R s p r . 1913 Nr. 139. Anm. 4 2. Die vorgängige A b m a h n u n g , die hier wie in anderen Fällen (§§ 542, 553) n a c h T r e u u n d G l a u b e n erfordert wird, b e g r ü n d e t in der Regel zugleich ein Verschulden des Mieters. Die A b m a h n u n g m u ß den vertragswidrigen G e b r a u c h bestimmt angeben (vgl. § 553 A n m . 8). Anm. 5 3. Die U n t e r l a s s u n g s k l a g e k a n n auch w ä h r e n d der D a u e r des Vertragsverhältnisses erhoben werden (Prot 2, 177). D a n e b e n steht d e m Vermieter das Kündigungsrecht n a c h § 553 u n d bei Verschulden des Mieters aus V e r t r a g u n d unerlaubter H a n d lung ein Anspruch n a c h §§ 276, 823 auf Ersatz des etwa entstandenen Schadens zu (§ 548 A n m . 1, s. auch § 1004). H a f t u n g des Mieters f ü r das Verschulden Dritter s. oben § 548 A n m . 1 u n d § 549 Abs. 2. Die A b m a h n u n g m u ß aber in j e d e m Falle a n den Mieter gerichtet werden.

§ 551 Der Mietzins ist a m Ende der Mietzeit zu entrichten. Ist der Mietzins nach Zeitabschnitten b e m e s s e n , s o ist er nach d e m Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. Der Mietzins für ein Grundstück ist, s o f e r n er nicht n a c h kürzeren Zeitabschnitten b e m e s s e n ist, nach d e m Ablaufe je eines Kalendervierteljahrs a m ersten Werktage des folgenden Monats zu entrichten. E I 517 II 495; M 2 398; P 2 185C

Anm. 1 1. G r u n d s a t z : V o r l e i s t u n g d e s V e r m i e t e r s , nachträgliche Z a h l u n g von Seiten des Mieters, sofern nicht, was hier gerade sehr häufig, V e r t r a g oder Ortsgebrauch ein anderes bestimmt. Bei vorzeitiger Endigung der Mietzeit (§§ 542, 544, 553, 554) wird der n a c h Verhältnis der Gebrauchszeit zu berechnende Mietzins sofort fällig. Der Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse entspricht heute, insbesondere in den Großstädten, aber auch d a r ü b e r hinaus in immer weiterem U m f a n g e die V o r a u s z a h l u n g

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Miete

§ 551 A n n . 2—4 § 552 A n m . 1

des Mietzinses, die demgemäß für die Raummiete auch der D e u t s c h e E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (§ 4) zugrunde legt. Uber die Bedeutung der Vereinbarung der Vorauszahlung des Mietzinses für die Verpflichtung des Vermieters zur Gewährung des Gebrauchs der vermieteten Sache s. § 5 3 5 Anm. 2. — Zurückbehaltungsrecht jeden Teiles nach §§ 320, 3 2 1 . Über den Zahlungsort s. § 5 3 5 Anm. 25. — Über die gesamtschuldnerische Verpflichtung mehrerer Mieter s. § 427 und § 5 3 5 Anm. 29 zu bb). Mehreren Vermietern, insbesondere den vermietenden Miteigentümern eines Grundstücks, steht der Anspruch auf den Mietzins gemeinsam zu (§ 5 3 5 Anm. 29 zu aa). Anm. 2 2. Grundstück: oder Wohnräume und andere Räume in Gebäuden (§ 580). S. aber auch Anm. 1. Besonderheit bei der Pacht eines landwirtschaftlichen Grundstücks in § 584. Bei Mietzinszahlung f ü r bewegliche Sachen gilt Abs. 1. Anm. 3 3. Bei k ü r z e r e n als v i e r t e l j ä h r l i c h e n Z i n s t e r m i n e n gilt Abs. 1 Satz 2. Anm. 4 4. D i e S c h l u ß v o r s c h r i f t ist namentlich auch dann anwendbar, wenn der Mietzins für ein Grundstück auf einen längeren, ein Vierteljahr übersteigenden Zeitraum bemessen ist, Zahlungstermine aber sonst nicht bestimmt sind.

§ 552 Der Mieter w i r d von der Entrichtung des Mietzinses nicht dadurch befreit, daß er durch einen in seiner Person liegenden G r u n d an der A u s ü b u n g des ihm zustehenden Gebrauchsrechts verhindert w i r d . Der Vermieter m u ß sich jedoch den W e r t der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, welche er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt. Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung des Mietzinses nicht verpflichtet. E I 518 II 496; M 2 399, 400; P 2 i86ff.

Anm. 1 1. Persönliche Verhinderungen des Mieters, wie Krankheit, Versetzung (vgl. § 570), Reisen, veränderte Lebensweise, befreien ihn nicht von der Zahlung des Mietzinses. a) Diese Vorschrift will im Hinblick darauf, daß an sich der Zufall den Vermieter trifft, Zweifel darüber ausschließen, daß der Vermieter den Mietzins dann beanspruchen kann, wenn der Mieter nur aus einem in seiner Person liegenden Grunde an der Ausübung des Gebrauchs verhindert ist. Der Vermieter hat dem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch zu gewähren (§ 535), und nur für diese Leistung des Vermieters, nicht dafür, daß er für seine Person in der Lage ist, diesen Gebrauch zu machen, schuldet der Mieter den Mietzins. Zu den Fällen der persönlichen Verhinderung des Mieters im Sinne von § 5 5 2 gehören: das Verbot eines Zweigbetriebes bei Miete von Geschäftsräumen zur Stellenvermittlung ( R G 79, 92), das kriegsrechtliche Verbot der Jagdausübung durch Ausländer für den ausländischen Jagdpächter ( R G WarnRspr. 1 9 1 7 Nr. 196) — nicht das allgemeine Verbot der Jagdausübung im Bezirk mit Rücksicht auf den Kriegszustand ( R G 98, 1 0 1 ; O L G 33, 320, auch L Z 1916, 897 1 0 ) —, die behördliche Beschränkung der Zeit eines Erholungsaufenthaltes ( O L G 39, 150) und der Fall, daß infolge einer durch die Kriegsverhältnisse veranlaßten behördlichen Anordnung Ortsfremden der Wegzug aus einem Ort auferlegt oder der Zuzug an den Ort, in dem sich die gemietete Wohnung befindet, verboten wird ( J W 1 9 1 5 , 368; O L G 33, 302), grundsätzlich auch die Demontage des Betriebes des Mieters und die Umstellung eines Fabrikationsprozesses ( K G N J W 1947/48, 655 mit Anm. C o i n g ) . 27*

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§ 552 A n m . 2—4

§ 553 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

b) Den Gegensatz zu den in der Person des Mieters liegenden Gründen bilden diejenigen, welche in der Person des Vermieters, und die, welche in objektiven, d. h. weder die Person des Vermieters noch die des Mieters betreffenden Umständen (vgl. §§ 537—539) liegen (RG 79, 92). c) Der Ausbruch eines Krieges gibt dem Mieter eines zu gewerblichen Zwecken vermieteten Gebäudes nicht ohne weiteres das Recht zum Rücktritt vom Mietvertrage (RG 86, 397: Zirkusgebäude). d) Anwendung des i m § 5 5 2 niedergelegten Rechtsgedankens auf den Fall, daß der Mieter durch längeren Nichtbetrieb eines Warenhauses das Eingreifen des Gesetzes zum Schutze des Einzelhandels vom 12.5. 1933 (RGBl I, 262) ermöglicht hat, s. RG 147, 304; RG SeuifArch. 89 Nr. 125. Für die Anwendung des Rechtsgedankens des § 552 auf Pachtverhältnisse s. RG J W 1937, 210410. Anm. 2 2. Keine Verpflichtung des Vermieters z u r a n d e r w e i t e n V e r w e r t u n g im Interesse des Mieters; auch nicht zur unbedingten Annahme eines vom Mieter gestellten E r s a t z m i e t e r s , vorausgesetzt, daß dem Vermieter hierbei nicht schikanöses, wider die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten zur Last fällt. Schikane liegt vor, wenn der Vermieter den Ersatzmieter ohne einen anderen Grund als den, dem Mieter zu schaden, zurückweist (§ 226, RG 3. 10. 1922 I I I 685/21). Anm. 3 3. Der Gebrauchsüberlassung an einen Dritten gleichzustellen ist der Fall, daß der V e r m i e t e r infolge von e i g e n e r B e n u t z u n g außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren. Ist er aber bei einer zeitweisen eigenen Benutzung oder Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten zur Gewährung des Gebrauchs an den Mieter n i c h t a u ß e r s t a n d e , so ist letzterer von seiner Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses nicht befreit, sondern nur zum Verlangen der Anrechnung berechtigt (RG 52, 286; J W 1 9 1 2 , 859 1 6 ).

Anm. 4 4. Die Beweislast bezüglich der ihn von der Entrichtung des Mietzinese befreienden Umstände trifft den Mieter (RG 3. 10. 1922 I I I 685/21; aM K r ö n i g MDR 1950, 209).

Kündigungsrecht und Schadensersatzansprüche des Mieters § 542 und Anm. 1, 8 dort, dazu § 286.

§ 553 Der Vermieter kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen, wenn der Mieter oder derjenige, w e l c h e m der Mieter den Gebrauch der gemieteten Sache überlassen hat, ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters einen vertragswidrigen Gebrauch der Sache fortsetzt, der die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt, insbesondere einem Dritten den i h m unbefugt überlassenen Gebrauch beläßt, oder die Sache durch Vernachlässigung der dem Mieter obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet. E 1

J28

Nr. 1 II

497

Abs. i Nr. i; M 2

417;

P

2 306, 5 1 3 .

Anm. 1 1. Außerordentliches Kündigungsrecht des Vermieters ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist in d e n F ä l l e n d e r §§ 553, 554. Anwendung auf P a c h t v e r h ä l t n i s s e nach § 581 Abs. 2. Abtretung des Kündigungsrechts des Verpächters bei Weiterverpachtung der Pachtsache s. SeuffArch. 80 Nr. 116. a) Die Bestimmung des § 553 schützt das Interesse des Vermieters an der Erhaltung der vermieteten Sache gegen ihren vertragswidrigen Gebrauch durch den Mieter, die des § 554 wahrt die Rechte des Vermieters auf die Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs. Den p e r s ö n l i c h e n B e z i e h u n g e n zwischen dem Vermieter

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§553 Anni. 2—5

Miete

(Verpächter) und dem Mieter (Pächter) und den daraus entstehenden Störungen ist darin nicht Rechnung getragen.

Anra. 2 b) Die Möglichkeit einer über die §§ 553, 554 hinausreichenden allgemeinen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde (vgl. §§ 626, 723) ist für Miet- und

Pachtverhältnisse auch sonst im Gesetze nicht vorgesehen. Sie ist aber bei dem gegenseitigen Vertrauen und der gegenseitigen Treue, die hier in besonderem Maße vorauszusetzen sind (vgl. Vorbem. 31 vor § 535), für eine gedeihliche Entwicklung solcher Rechtsverhältnisse nicht zu entbehren und demgemäß, wenn auch nur vereinzelt, in der Rechtsprechung anerkannt worden. Bedingen im einzelnen Falle besondere vertragliche Beziehungen ein engeres verständiges, friedliches Zusammenwirken und entwickelt sich unter den Vertragsteilen eine F e i n d s c h a f t von derartiger Schärfe, daß ein solches Zusammenwirken unmöglich wird, dann ist ein Recht zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist auch für Miete und Pacht nach dem allgemeinen Grundsatze (vgl. Vorbem. vor § 705) anzuerkennen, daß Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die ein persönliches Zusammenarbeiten der Beteiligten und daher ein gutes Einvernehmen erfordern, beim Vorliegen eines w i c h t i g e n G r u n d e s jederzeit gekündigt werden können ( R G 94, 234: Kündigung eines Pachtverhältnisses durch die verpachtende Kirchengemeinde wegen des feindseligen Verhältnisses zwischen dem Pächter von Pfarrländereien und dem an diesen nutzungsberechtigten Pfarrer; R G H R R 1933 Nr. 344; O G H R d L 1949, 58; für den Fall einer Teilkündigung s. aber R G 150, 3 2 1 ; vgl. auch 124, 195). Kündigung eines Apothekenpachtvertrags durch den Verpächter wegen Auflösung der unter den Pächtern bestehenden offenen Handelsgesellschaft s. R G 1 2 3 , 1 5 1 . M a n wird aber dem Vermieter (Verpächter) das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde überhaupt für den Fall zusprechen müssen, daß die Durchführung des Vertrages durch irgendeinen Umstand, vor allem auch durch die Person des Mieters (Pächters) derart gefährdet wird, daß sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist ( R G 94, 234; 150, 1 9 3 ; 160, 3 6 1 ; H R R 1933 Nr. 344; R G J W 1937, 1 1 4 6 4 ; vgl. auch H ü b s c h m a n n D J Z 1936, 1078). Über ein entsprechendes Kündigungsrecht des Mieters oder Pächters s. § 542 Anm. 3. Im Geltungsbereich des Mieterschutzrechts ist die Kündigung nach §§ 553, 554 durch § 1 M S c h G ausgeschlossen; sie wird durch die Aufhebungsklage ( M S c h G §§ 2, 3) ersetzt

Anm. 3 c) Eine Lösung von Miet- und Pachtverhältnissen durch Rücktritt des Vermieters oder Verpächters n a c h §§ 325, 326 ist damit nicht schlechtweg ausgeschlossen

(vgl. Vorbem. 30 vor § 535 und R G J W 1938, 943®), wird aber, ebenso wie bei der Gesellschaft (§ 705 Anm.), überall da abzulehnen sein, wo die für die Zukunft wirkende, den Wert des bisher Gewordenen der Gemeinschaft erhaltende Kündigung möglich ist (vgl. R G 149, 88). Das Rücktrittsrecht ist an sich auch durch das Mieterschutzrecht nicht ausgeschlossen, wird aber nur in Frage kommen, soweit es nicht auf Tatbestände gestützt wird, die im M S c h G als Mietaufhebungsgründe vorgesehen sind, und als U m gehung des wirtschaftlichen Zwangsrechtes da zu versagen sein, wo die im Wege der Kündigung versagte Lösung des Vertragsverhältnisses nur auf dem andern Wege des Rücktritts wegen positiver Vertragsverletzung herbeizuführen versucht werden soll ( R G 15. 4. 1929 V I I I 333/28; str.).

Anm. 4 d) Z u m Wegfall der Geschäftsgrundlage H E Z 2, 245.

Anm. 5 e) Pachtschutz ist

bei der Pacht

RG

160, 3 6 1 ; O G H

auch gegenüber einer Kündigung aus §§ 553, 554 zulässig ( L P G

§§ 8, 9).

411

§ 553 A n m . 6—9

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 6 2. Neben dem Kündigungsrecht des § 553 und aus dem gleichen Grunde kann der Vermieter, wie nach § 554 (und wie im Falle des § 54a der Mieter, § 542 Anm. 8), einen Schadensersatzanspruch geltend machen, und zwar auch für einen nach der Kündigung eintretenden, durch sie veranlaßten Schaden (bestr.). Vgl. RG 76, 367 und § 554 Anm. 5. Den entgangenen Mietzins kann er als Schadensersatz nur bis zu dem Tage fordern, zu dem nach dem Vertrage erstmals eine Kündigung möglich ist (BGH L M Nr. 6 zu § 249 [Ha] BGB). Anm. 7 3. Voraussetzungen der Kündigung nach § 553 a) Diese Voraussetzungen sind also: aa) Fortsetzung eines vertragswidrigen Gebrauchs (Verschulden nicht erforderlich, RG 94, 234; J W 1920, 377 6 ; RG H R R 1928 Nr. 417 und § 550 A 1) seitens des Mieters oder desjenigen, dem der Mieter den Gebrauch der gemieteten Sache überlassen hat (für den Fall der Zwangsmiete s. jedoch Vorbem. 30 vor § 535), bb) Abmahnung seitens des Vermieters von dem vertragswidrigen Gebrauch, cc) erhebliche Verletzung (RG SeuffArch. 79 Nr. 68: Fischereipacht) der Rechte des Vermieters durch den vertragswidrigen Gebrauch. Liegt dem Mieter (Pächter), was sich nicht von selbst versteht, aber vereinbart sein oder sonst im Sinne des Vertrags liegen kann (§ 535 Anm. 34), eine Pflicht zum Gebrauch ob, dann ist der vertragswidrige Nichtgebrauch dem vertragswidrigen Gebrauch nach § 553 gleichzustellen (RG 16. 10. 1925 III 548/24). Anm. 8 b) Die Abmahnung ist in allen Fällen des § 553, auch in den am Schlüsse der Vorschrift hervorgehobenen beiden Fällen und selbst bei erheblicher Gefährdung der Mietsache, notwendige Voraussetzung des Kündigungsrechts (RG 104, 26). Sie soll dem Mieter kundgeben, worin der Vermieter den Mißbrauch der Mietsache erblickt, damit der Mieter von dem Mißbrauch ablassen und so die fristlose Kündigung (und die Klage auf Unterlassung § 550) abwenden kann. Diesen Zweck erfüllt nur eine Abmahnung, welche die Beschwerden des Vermieters bestimmt bezeichnet, und nur die Fortsetzung eines diesen bestimmten Beschwerden zuwiderlaufenden Verhaltens kann das Recht zur fristlosen Kündigung begründen. Eine allgemeine Erinnerung an den ordnungsmäßigen Gebrauch der Mietsache (z. B. der nicht näher dargelegte Vorwurf unsauberer Wirtschaftsführung in dem vermieteten Gasthause, verbunden mit der unbestimmten Aufforderung, ordnungsmäßig zu wirtschaften) ist noch keine Abmahnung im Sinne des Gesetzes (RG 77, 117). Soll die Kündigung auf vertragswidrige Überlassung des Miet- oder Pachtgegenstandes an einen Dritten gestützt werden, so muß die Abmahnung an den Mieter (Pächter), nicht an den Dritten gerichtet sein (RG H R R 1933 Nr. 282). Dem Mieter (Pächter), der einem Dritten unbefugt den Gebrauch überlassen hat, muß eine den Umständen nach angemessene Frist zur Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes eingeräumt werden; die Kündigungsfrist, die der Mieter (Pächter) mit dem Dritten vereinbart hat, ist dabei aber nicht maßgebend (RG 16. 11. 1923 I I I 847/22). Anm. 9 c) Die Erheblichkeit der Verletzung oder Gefährdung ist namentlich von Bedeutung, wenn es sich um Zuwiderhandlungen gegen die H a u s o r d n u n g handelt, deren Nichtbeachtung vielfach (nach Treu und Glauben) als eine e r h e b l i c h e Verletzung der Rechte des Vermieters oder als eine erhebliche Gefährdung der Mietsache nicht angesehen werden kann. Die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechtes des Vermieters bei geringfügiger Vertragsverletzung des Mieters (Verstoß gegen die Hausordnung) befindet sich unter den bei Aufstellung des Deutschen E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s (Vorbem. 29 zu aa) vor §535) ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln". Unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Verletzung oder Gefährdung ist z. B. auch zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen staatliche Fischereiordnungen eine die Anwendung 412

Miete

§ 553 A n m . 10—13 §554

der §§ 553, 581 rechtfertigende Verletzung der Rechte des Fischereipächters enthält (RG J W 1925, 1 1 2 1 1 9 ) . Kündigung eines J a g d p a c h t v e r t r a g e s wegen nicht weidmännischer und nicht pfleglicher Jagdausübung (RG H R R 1928 Nr. 417). Hat der Mieter gemietete Räume unbefugt weitervermietet (§ 549, vgl. jedoch § 29 M S c h G ) und verlangt der Vermieter die Entfernung des Untermieters, so muß nach Treu und Glauben geprüft werden, welche Maßregeln zur Entfernung des Untermieters im einzelnen Falle dem Mieter billigerweise zugemutet werden können, und nur bei Nichterfüllung der danach bemessenen Anforderungen kann man sagen, daß der Mieter dem Untermieter den Gebrauch „belassen" habe, eine fristlose Kündigung also gerechtfertigt sei (RG J W 1920, 140 5 ). Anm. 10 d) Die Kündigung ist nicht mehr zulässig, wenn die Vertragswidrigkeit des Mieters (Pächters), sei es auch erst nach Ablauf einer dafür bestimmten Frist, noch vor dem Zeitpunkt beseitigt wird, in dem die Kündigung stattfindet (RG H R R 1933 Nr. 282; R G ig. g. 1924 I I I 165/24). Verwirkung des Kündigungsrechts durch Nichtausübung innerhalb eines längeren Zeitraumes s. O L G Breslau D J 1937, 1087. Anm. 11 4. Wirkungen der Kündigung nach § 553 a) Die Kündigung ruft eine Rechtswirkung nur hervor, wenn sie sich auf eine im Gesetze begründete Befugnis stützt; die u n b e r e c h t i g t e Kündigung ist für sich völlig wirkungslos und erzeugt nicht nur für, sondern auch gegen den Kündigenden keinerlei Rechte. Es kann also der Mieter nicht, wenn der Vermieter fristlos gekündigt hat, diesen später an der unberechtigten Kündigung festhalten (RG J W 1 9 1 3 , 487®). Wird aber die unberechtigte Kündigung vom Gekündigten a n g e n o m m e n (vgl. §§ 146fr), so liegt Willensübereinstimmung vor und die Kündigung gilt. Die Kündigung ist freilich zunächst eine einseitige Willenserklärung (§ 542 Anm. 10). Sie hat aber einen solchen Inhalt, daß der Gekündigte den Kündigenden am Wort nehmen und durch seine Zustimmung festhalten kann. Daß dies zulässig ist, erfordert auch die Verkehrssicherheit. Anm. 12 b ) Die ordnungsmäßig erklärte Kündigung hat endgültige Rechtswirkung und führt auch wider den Kündigenden selbst die Beendigung des Mietverhältnisses herbei; diese Rechtslage kann gegenüber dem Gekündigten nicht etwa durch einseitigen Widerruf des Kündigenden verändert werden (angef. RG). Als Kündigung ist auch die Klage oder Widerklage des Vermieters (Verpächters) auf Rückgabe der Mietsache (des Pachtgegenstandes), insbesondere auf Räumung, zu erachten (RG 10. 10. 1 9 1 9 I I I 7 3 / 1 9 ; 4. 10. 1921 I I I 102/21). Zur Rechtfertigung der Kündigung genügt es in solchem Falle, wenn die Voraussetzungen der Kündigungsbefugnis zur Zeit des Urteils vorliegen (RG 20. 1 1 . 1 9 1 7 I I I 162/17). Anm. 13 c) Nimmt der Kündigende die Kündigung mit Zustimmung des anderen Teils zurück, so liegt darin der Abschluß eines neuen Vertrags in der Regel nicht und namentlich dann nicht, wenn die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Kündigung bestritten war (RG 28. 1 1 . i g i g I I I 1 8 1 / 1 9 ) .

§ 554 Der Vermieter kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung des Mietzinses oder eines Teiles des Mietzinses im Verzug ist. Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn der Mieter den Vermieter befriedigt, bevor sie erfolgt.

413

§ 554

Schuld Verhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 1—4 Die Kündigung ist u n w i r k s a m , wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung e r k l ä r t . E I 528 Nr. 2 II 497 Abs. 1 Nr. 2; M 2 417, 418; P 2 228ff, ¡14S;

6 185.

Anm. 1 1 . A u ß e r o r d e n t l i c h e s K ü n d i g u n g s r e c h t d e s V e r m i e t e r s ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bei V e r z u g d e s M i e t e r s . Verhältnis zu § 326 s. Vorbem. 30 vor § 535, auch § 553 Anm. 2. Wegen der Ausschaltung des Kündigungsrechts des Vermieters durch die V o r s c h r i f t e n ü b e r d e n M i e t e r s c h u t z s. § 553 Anm. 3, wegen des Pachtschutzes § 553 Anm. 5.

Anm. 2 a ) K e i n V e r z u g (§§2841!) des Mieters, wenn die Zahlung infolge eines Umstandes unterbleibt oder nicht rechtzeitig stattfindet, den der Mieter nicht zu vertreten hat (§285), z.B. wegen Abwesenheit des Vermieters am Zahlungstage ( R G 22. 1 1 . 1907 I I I 326/07), oder wenn dem Mieter eine Einrede, z.B. der Zurückbehaltung, zusteht, die ihn zur Verweigerung der an sich geschuldeten Leistung berechtigt ( R G 85, 296). Ebenso liegt kein Verzug vor, wenn der Mieter sich bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt z u r V e r w e i g e r u n g d e s M i e t z i n s e s f ü r b e r e c h t i g t h a l t e n d a r f , mag diese Annahme auch unrichtig sein, so bei irrtümlicher Annahme einer Aufrechnungsmöglichkeit, R G J W 1 9 1 6 , 1584 3 (vgl. § 285 Anm.). Doch muß der Mieter als Schuldner auch damit rechnen, daß nicht seine Rechtsauffassung, sondern die des Gegners richtig ist, und er handelt deshalb regelmäßig auf seine Gefahr, wenn er gleichwohl auf einer Zahlungsverweigerung beharrt; so auch ein Pächter, der die noch nicht rechtskräftige Herabsetzung des Pachtzinses durch das Pachteinigungsamt (heute Landwirtschaftsgericht) für verbindlich hielt, R G J W 1 9 3 1 , 3425 4 . Ist der Mietzins von vornherein nicht zu den vereinbarten Terminen, sondern erst nach Empfang einer Rechnung oder eines Kontoauszugs des Vermieters entrichtet worden, ohne daß der Vermieter dies gerügt hat, so kann er auf Versäumung der Zahlungstermine eine Kündigung nach § 554 erst stützen, nachdem er auf Einhaltung dieser Termine zu bestehen dem Mieter erklärt hat und dieser nachher für zwei aufeinanderfolgende Termine in Verzug geraten ist ( R G 1 1 . 1 1 . 1921 I I I 1 4 3 / 2 1 ) . Anwendung des § 554, wenn der Mieter von der Veräußerung des Mietgrundstücks (§ 5 7 1 ) nichts weiß, s. R G 98, 88. Die Kündigungsbefugnis steht auch nach Abtretung der Mietzinsforderungen dem Vermieter zu ( R G Gruchot 43, 997; O L G 16, 425).

Anm. 3 b ) Die Vorschriften des § 554 sind im Zweifel auch dann anzuwenden, wenn v e r t r a g s m ä ß i g dem Vermieter schon bei R ü c k s t a n d e i n e s T e r m i n s ein Kündigungsrecht eingeräumt ist ( R G 82, 50; 85, 4 1 5 ; R G J W 1 9 1 6 , 1584 3 ; O L G 2, 2 1 7 ; SeufTArch. 74 Nr. 206). Daraus, daß im Vertrage von dem Rückstände einer „ M i e t r a t e " die Rede ist, kann nicht gefolgert werden, daß die Vertragsparteien darunter nur die Nichtzahlung der vollen R a t e verstehen ( R G 82, 50; O L G 33, 3 1 1 ) . Auch der Räumungsanspruch aus einer Verfallklausel setzt Verzug, also Verschulden des Mieters (Pächters) voraus; daran fehlt es unter Umständen, wenn der Schuldner glaubt, zur Verweigerung der Zahlung berechtigt zu sein ( R G H R R 1933 Nr. 344). Duldet der Vermieter oder Verpächter längere Zeit hindurch eine unpünktliche Zahlungsweise, dann muß er bei neuer Unpünktlichkeit den Mieter oder Pächter nach Treu und Glauben vorher darauf aufmerksam machen, daß diesmal unpünktliche Zahlung die Kündigung zur Folge haben werde ( R G J W 1932, 1 0 4 1 3 ) .

Anm. 4 c) Das Gesetz verlangt nur, daß der Mieter mit der Entrichtung des Mietzinses (oder eines Teiles) f ü r z w e i a u f e i n a n d e r f o l g e n d e T e r m i n e im Verzug ist, nicht, daß er wiederholt in Verzug geraten ist. Der Vermieter kann daher auch dann kündigen, wenn (z. B. durch Wegfall eines Zurückbehaltungsrechtes) die Fälligkeit der Miet-

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Miete

§554

Anm, 5, 6

zinsen für beide Termine auf einmal eintritt ( R G 85, 296). Der Vermieter kann nicht kündigen, wenn es sich nur um g e r i n g f ü g i g e T e i l e des Mietzinses handelt. Dabei ist die Geringfügigkeit eines Teilrückstandes nach dem Verhältnis des für den einzelnen Termin rückständigen Teilbetrags zu dem an diesem Termin fällig gewordenen Mietzins, nicht nach dem Gesamtbetrag der für beide Termine rückständigen Beträge zum Gesamtbetrag der auf beide Termine treffenden Mietzinsen zu beurteilen ( R G 86, 334, auch 82, 54). Die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts des Vermieters bei geringfügigem Mietzinsrückstand oder geringfügigem Zahlungsverzug befindet sich unter den bei Aufstellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s (Vorbein. 29 zu aa) vor § 535) ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln".

Anm. 5 2 . S c h a d e n s e r s a t z . Da die Kündigung die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses bewirkt (§ 553 Anm. 12), können Verletzungen des Mietvertrags für die Zukunft nicht mehr vorkommen. Schadensersatzansprüche aus früheren Vertragsverletzungen dagegen werden durch die Beendigung des Vertrags nicht berührt. Dies gilt nicht nur für den bis zur Vertragsbeendigung bereits erwachsenen, sondern a u c h f ü r d e n s p ä t e r eintretenden und insbesondere f ü r den d u r c h die K ü n d i g u n g selbst, also m i t t e l b a r , v e r a n l a ß t e n S c h a d e n (bestr.). Voraussetzung ist nur, daß die die Ersatzpflicht begründenden Ereignisse in die Zeit des bestehenden Vertrags fallen und daß der Schaden auf diese Ereignisse zurückzuführen ist. Vgl. R G 76, 367; L Z 1 9 1 5 , i 3 9 8 1 0 ; § 542 Anm. 8, § 628 Anm.; s. auch die Regelung in § 13 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . Der Vermieter kann zwar nicht den Mietzins als solchen verlangen (vgl. § 555), wohl aber den Ersatz des Schadens, der ihm durch die auf die Schuld des Mieters zurückzuführende Beendigung des Mietverhältnisses entstanden ist, also auch den Ausfall an Mietzins für die vereinbarte Dauer des Vertrags, bei Verträgen von unbestimmter Dauer jedoch nur den Ausfall bis zu dem Tage, zu dem nach dem Vertrage erstmals gekündigt werden kann ( B G H L M Nr. 6 zu § 249 [Ha] BGB). Nur eine vertragsmäßige Festlegung dieser Ersatzpflicht bedeutet es in der Rege), wenn für diesen Fall im Vertrage der Mieter als für die Miete oder für den Ausfall bis zum Ende der Vertragszeit haftbar erklärt wird. Den Beweis des Ausfalls muß auch in diesem Falle der Vermieter führen. Er muß ferner bei Meidung der Folgen des § 254 darauf bedacht sein, die Mieträume anderweit zu vermieten, und kann, wenn ihm eingebrachte Sachen eines späteren Mieters als Pfand haften, den früheren nur dann in Anspruch nehmen, wenn er die Pfandgegenstände verwertet hat oder beweist, daß eine Verwertung nicht möglich oder (nach den Umständen) ihm nicht zuzumuten sei ( R G SeuffArch. 71 Nr. 230). Der Vermieter kann sich auch für den Fall, daß der Mieter in Konkurs gerät und er, der Vermieter, deshalb kündigt, ausbedingen, daß ihm der Mietzins für die restliche Mietzeit als Schadensersatz zu zahlen sei ( R G 115, 271). Die Pflicht des Mieters, bei vorzeitiger Lösung des Mietverhältnisses für die Dauer der vereinbarten Mietzeit den Mietausfall auch dann zu tragen, wenn der Vermieter die Räume anderweit vermietet oder sie sogar bis zum Ablauf der Vertragszeit einem Dritten unentgeltlich überläßt, gehört zu den bei Aufstellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln".

Anm. 6 3. Befriedigung des Vermieters. Es ist hier vollständige Befriedigung des Ver-

mieters für beide Zinstermine ( R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 224) vorausgesetzt. a ) Der Barzahlung steht dabei die Einzahlung des Mietzinsrückstands gleich, die der Mieter bei einem Postamt des Erfüllungsorts auf das Postscheckkonto des Vermieters in dessen Einverständnis vornimmt; eine spätere Kündigung ist in solchem Falle ausgeschlossen, mag auch im Zeitpunkte der Kündigungserklärung der eingezahlte Betrag auf dem Konto des Vermieters noch nicht gutgeschrieben sein ( R G 99, 257). Außerdem kann auch s t i l l s c h w e i g e n d e r V e r z i c h t a u f d i e K ü n d i g u n g vorliegen, wenn der Vermieter nicht bald nach Eintritt des Verzugs die Kündigung erklärt oder wenn er eine verspätete Mietzinszahlung oder eine Teilzahlung vorbehaltlos annimmt ( R G 82, 50; R G 30. 10. 1901 V I 237/01; ferner 6. 12. 1901 I I I 302/01; 22. 3.

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§ 554 A n m . 7—10

§555

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

1907 I I I 462/06; R G Gruchot 47, 399; 48, 103). Es kommt dabei wesentlich darauf an, ob (gemäß dem Grundsatze von Treu und Glauben) nach den gesamten Umständen des Falles der Wille des Vermieters, auf sein Kündigungsrecht zu verzichten und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses einverstanden zu erklären, angenommen werden kann ( R G 82, 50).

Anm. 7 b ) Der Befriedigung ist für die Anwendung des § 554 ein A n g e b o t gleichzustellen, das den Vermieter als Gläubiger in Annahmeverzug (§293) setzt ( R G 85, 4 1 5 ) . Der Vermieter, der wegen Nichtentrichtung des Mietzinses ein Räumungsurteil gegen den Mieter erwirkt hat, braucht das Angebot eines Dritten, gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des Mietzinses für die Vertragszeit den Mieter in den gemieteten R ä u m e n zu belassen, nicht anzunehmen, und verliert seinen Schadensersatzanspruch gegen den Mieter nicht wegen der Ablehnung, es müßte denn sein, daß er nur ablehnt, um dem Mieter Schaden zuzufügen ( R G 5. 1. 1 9 1 7 I I I 303/16).

Anm. 8 c) Die Abbedingung des § 554 Abs. 1 Satz 2 gehört zu den bei Aufstellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln".

Anm. 9 4. U n w i r k s a m k e i t der Kündigung infolge Aufrechnung a ) Hierzu ist — abweichend von dem allgemeinen Grundsatz der §§ 388, 389 — erforderlich, daß die an sich statthafte Aufrechnung u n v e r z ü g l i c h nach der Kündigung erklärt wird ( R G 14. 5. 1907 I I I 438/06). Dies gilt, entsprechend der Absicht des Gesetzgebers, alsbald über die Wirksamkeit der Kündigung Klarheit zu schaffen, ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der aufzurechnenden Forderung und auch dann, wenn sie auf eine vom Vermieter (Verpächter) gegen den Mieter (Pächter) begangene arglistige Täuschung gestützt wird ( R G 119, 360). In der Erklärung müssen die Gegenforderungen des Mieters so angegeben werden, daß der Vermieter sie auf ihren Bestand prüfen kann. Die allgemeine Erklärung, daß der Mieter sich auf § 554 Abs. 2 berufe, genügt nicht ( R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 224). V o n Aufrechnung kann dann keine Rede sein, wenn solche, was an sich zulässig und in den früheren einseitig das Interesse der Vermieter wahrenden Mietvertragsformularen auch die Regel gebildet hat, im Vertrage ausdrücklich ausgeschlossen ist.

A n m . 10 b ) Der D e u t s c h e E i n h e i t s m i e t v e r t r a g (§ 6) schließt die Aufrechnung des Mieters nicht aus, trägt aber dem Interesse des Vermieters dadurch Rechnung, daß sie, ebenso wie die Ausübung eines Minderungs- oder Zurückhaltungsrechts, nur zulässig sein soll, wenn der Mieter sie mindestens einen Monat vor der Fälligkeit des Mietzinses dem Vermieter angekündigt hat. Die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Mieters ist ebenda auf den Fall beschränkt, daß der Mieter trotz Zahlungsaufforderung mit mehr als der Hälfte des fälligen Betrages länger als zehn T a g e im Rückstände ist. Für eine dem § 554 Abs. 2 entsprechende Erklärung wird schriftliche Form verlangt. V g l . auch § 28 M S c h G (hierzu § 538 Anm. 12).

§555 Macht der V e r m i e t e r von d e m i h m nach den §§ 553, 554 zustehenden Kündigungsrechte Gebrauch, so hat er den f ü r eine spätere Zeit i m v o r a u s entrichteten Mietzins nach Maßgabe des § 347 zurückzuerstatten. E I 530 II 497 Abs. 3; M 2 421; P 2 229fr.

Anm. Vgl. § 543 Anm. 3. Z u r ü c k e r s t a t t u n g s p f l i c h t wie im Falle des Rücktritts. Änderung durch Parteivereinbarung (zuungunsten des Mieters) ist zulässig. Anderseits ist zum Schutze des Mieters nicht nur § 138, sondern auch, sofern es sich bei der

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Miete

§556

Anm. 1—3 Zurückbehaltung des im voraus bezahlten ganzen Mietzinses durch den Vermieter um eine den Mieter treffende V e r t r a g s s t r a f e handelt, § 343 anwendbar.

§ 556 Der Mieter ist verpflichtet, die gemietete Sache nach der Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Dem Mieter eines Grundstücks steht wegen seiner Ansprüche gegen den Vermieter ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu. Hat der Mieter den Gebrauch der Sache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach der Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern. E I J20 I I 4 9 8 ; M

2 401. 40z; P 2 l88ff.

Anm. 1 1. Die Rückgabe, die bei einer W o h n u n g auch durch Aushändigung der Schlüssel an den Hausmeister geschehen kann (vgl. O L G 5, 371), bei b e w e g l i c h e n Sachen aber in der Regel durch deren Aushändigung an den Vermieter vom Mieter zu bewirken ist (Bringschuld), findet regelmäßig in dem Zustande statt, in dem sich die Mietsache nach ordnungsmäßigem Gebrauch bei Beendigung des Mietverhältnisses befindet. Bei Rückgabe eines gemieteten Hafens ist der Zustand herzustellen, der ohne den Gebrauch des Hafens vorhanden wäre, also ein gesunkenes Schiff zu beseitigen ( O G H 2, 170 [175])Anm. 2 a) Die Abnutzung und Wertminderung, die durch den zweckentsprechenden, ordnungsmäßigen Gebrauch während der Mietzeit eintritt, muß der Vermieter tragen (RG J W 1912, 85815). Wegen der Haftung des Mieters für die während der Mietzeit eingetretenen Veränderungen und Verschlechterungen s. § 548 Anm. 1—5. Gibt der Mieter die Mietsache im beschädigten Zustande zurück, so muß er darlegen und b e w e i s e n , daß der Schaden auf einen von ihm nicht zu vertretenden Umstand zurückzuführen sei (SeuffArch. 71 Nr. 256; O L G 28, 151; 33, 309). Bezüglich des Ortes der Rückgabe ist zu unterscheiden. Bewegliche Sachen sind in der Regel dort zurückzugeben, wo sie vom Vermieter übergeben worden sind (vgl. O L G 16, 428). Die Rückgabe von Mieträumen muß dort geschehen, wo sie sich befinden. Dort ist daher auch der Gerichtsstand des § 29 Z P O für Schadensersatzansprüche wegen nicht gehöriger Erfüllung der Rückgabepflicht begründet ( O L G 36, 5). Rückgabe und Wiederherstellung einer gemieteten Wohnung als Masseschuld ( K O § 59 Nr. 2) im Konkurse des Mieters ( O L G 35, 253). Rückgabepflicht mehrerer Mieter s. § 535 Anm. 29 zu bb). Über die Zulässigkeit des Vertragsklage des Vermieters auf Rückgabe einer vermieteten, vom Mieter nach Abschluß des Mietvertrags in ein Grundstück eingebauten Lokomobile s. R G SeuffArch. 64 Nr. 28. Anm. 3 b) Uber die Verpflichtung des Mieters, den Vermieter von der Rückgabe zu benachrichtigen, s. SeuffArch. 78 Nr. 18 (Miete einer Schute). Ist der Mieter in der ersten Instanz zur Räumung verurteilt, so ist er sowohl im Interesse des Vermieters als in dem der Gesamtheit an der Vermietung von Räumen verpflichtet, dem Vermieter, falls dieser ein begründetes Interesse (z. B. wegen Weitervermietung) daran hat, auch schon vor Ablauf der Berufungsfrist auf Anfrage zu erklären, ob er dem Urteil Folge leisten werde; schuldhafte Verweigerung oder Verzögerung der Auskunft macht den Mieter schadensersatzpflichtig (JW 1938, 189535). Uber die Verpflichtung des Vermieters, bei einer Räumung für die Unterbringung der Sachen des Mieters zu sorgen, s. R G H R R 1931 Nr. 1215.

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§ 556

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 4—8 Anm. 4 c) Über den auf sein E i g e n t u m gestützten Rückgabeanspruch des Vermieters s. §§ 9 8 5 f r ; R G 15. 12. 1906 V 352/06; über die ihm dabei obliegende Beweislast s. O L G 7, 17. Uber die K l a g e auf künftige R ä u m u n g eines Grundstücks, einer Wohnung oder eines anderen Raumes s. § 257 Z P O ( R G J W 1903, 238*; Gruchot 48, 8 1 7 ) .

Anm. 5 d ) Uber R ä u m u n g s f r i s t e n und Schutz gegen mißbräuchliche Ausnutzung von Vollstreckungsmöglichkeiten s. Vorbem. 73 vor § 535. Bei unverschuldeter Verzögerung des Auszugs von Seiten des Mieters einer Wohnung (z. B. infolge von Krankheit oder Todesfall in der Familie) ist der Vermieter nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die gegenseitige Treupflicht zur Gewährung von Nachsicht verpflichtet. L a n d e s g e s e t z l i c h e R ä u m u n g s f r i s t e n s. E G Art. 93. e) Für die P a c h t s. § 581 Abs. 2 und §§ 591—594.

Anm. 6 2. Ausschließung des Zurückbehaltungsrechtes a ) Die Vorschrift des Abs. 2 ist o h n e j e d e E i n s c h r ä n k u n g gegeben und gilt deshalb wie für Verwendungsansprüche so auch für Schadensersatzansprüche, die im Zusammenhang mit dem Miet- oder Pachtverhältnis entstanden sind; es geht auch nicht an, das vom Gesetz ausgeschlossene Zurückbehaltungsrecht unter dem Gesichtspunkt der Arglist oder der Schikane doch wieder zu gewähren ( R G WarnRspr. 1936 Nr. 3 5 ) ; s. jedoch R G 160, 88 (unzulässige Rechtsausübung, wenn der Vermieter oder Verpächter sich gegenüber seiner Haftung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung auf § 556 Abs. 2 beruft). Anderseits bildet aber die Vorschrift des Abs. 2 eine aus Zweckmäßigkeitsgründen f ü r die Miete eines G r u n d s t ü c k s bestimmte (allerdings abweichender Vereinbarung zugängliche) Ausnahme von der allgemeinen Regel des § 2 7 3 ; sie ist grundsätzlich auf den im Gesetz geregelten Fall zu beschränken, daß der Vermieter die Rückgabe des Grundstücks a u f G r u n d d e s M i e t v e r t r a g s verlangt und sein Verlangen unter diesem Gesichtspunkt auch begründet ist. Es genügt also nicht, daß der Mieter zufolge des Mietvertrags in den Besitz des Grundstücks gelangt ist, dessen Rückgabe begehrt wird ( R G J W 1907, 100 2 ), und der Mieter kann ein Z u rückbehaltungsrecht haben, wenn er den Mietvertrag wirksam angefochten hat und nur aus anderen Gründen, z. B. wegen des Eigentums des Vermieters, zur Rückgabe verpflichtet ist ( R G 85, 133). Auch dem Mieter einer W o h n u n g (§580) steht (zur Vermeidung schikanöser Weiterungen) das Zurückbehaltungsrecht nicht zu, wohl aber hat er dieses Recht wegen seiner Verwendungen gegenüber der auf das E i g e n t u m s r e c h t des Vermieters gestützten Räumungsklage ( R G J W 1907, 100 2 ). Ausgeschlossen ist das Zurückbehaltungsrecht des Mieters (Pächters) auch in dem Falle, daß ihm wegen vorzeitiger Kündigung vertraglich ein Anspruch auf eine Entschädigung zusteht, die spätestens beim Auszuge zu zahlen ist ( R G 108, 132). Ihrer Ausnahmenatur entsprechend ist die Vorschrift des Abs. 2 auf Miet- oder Pachtverhältnisse zu beschränken; bei der Überlassung einer Wohnung gegen Dienste (Werkwohnung) bleibt es bei der Regel des § 2 7 3 ( R G 18. 1. 1924 I I I 708/23). Die vertragliche Einräumung eines Zurückbehaltungsrechts wird durch § 556 Abs. 2 nicht ausgeschlossen ( R G 139, 17). Dem Mieter einer b e w e g l i c h e n S a c h e steht das Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 274 in jedem Falle, insbesondere wegen Verwendungen zu.

Anm. 7 b ) Auf Grund seines E i g e n t u m s r e c h t s kann der Mieter die Rückgabe bei beweglichen und unbeweglichen Sachen verweigern, soweit nicht seiner Geltendmachung ein persönliches oder dingliches Recht des Vermieters entgegensteht (vgl. R G 49, 286; J W 1901, 731 2 9 ).

Anm. 8 c) Die Vereinbarung, daß der Mieter E i n r i c h t u n g e n u n d V e r b e s s e r u n g e n beim Auszuge dem Vermieter kostenlos zu überlasse habe, ist nicht ohne weiteres und

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Miete

§ 556 Anm. 9,10 §557

jedenfalls dann nicht sittenwidrig und nichtig (§ 138), wenn der Vermieter die Lage des Mieters beim Vertragsschluß nicht ausgenutzt und der Mieter die Verpflichtung ohne jeden Zwang aus völlig freiem Entschluß übernommen hat ( J W 1938, 663'). Bei der Feststellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g e s (Vorbem. 29 zu aa) vor § 535) wurde das Recht des Vermieters zur entschädigungslosen Übernahme von Einrichtungen des Mieters zu den „gemißbilligten Klauseln" gerechnet. Bereicherungsanspruch des Mieters, der bei Beendigung des Mietverhältnisses die von ihm ausgeführten Einbauten ohne Entgelt zurückzulassen verpflichtet ist, gegen den vorzeitig (nach § 553) kündigenden Vermieter s. R G SeuffArch. 87 Nr. 88. Wegen des Rechts von Ärzten, Rechtsanwälten usw., ein Schild mit Hinweis auf die neue Wohnung zurückzulassen, s. R G 1 6 1 , 338. Anm. 9 3. Gesetzliche Erweiterung des an sich nur gegen den Mieter gegebenen vertragsmäßigen Anspruchs auf Rückgabe der beweglichen oder unbeweglichen Sache gegenüber einem Dritten (Untermieter) als mitverpflichtetem Gesamtschuldner. a) Soll, von der Folge des § 556 Abs. 3 abgesehen, eine vertragliche Beziehung zwischen Hauptvermieter und Untermieter hergestellt werden, so bedarf es hierzu einer besonderen Abmachung zwischen ihnen (RG 1 1 . 1 1 . 1927 I I I 442/27). Die Rückgabepflicht des Untermieters (Unterpächters) entsteht erst mit der Aufforderung, die Sache zurückzugeben, durch den Vermieter (Verpächter), vorher kann ersterer auch nicht in Verzug geraten; die Aufforderung kann aber ebenso wie die nach § 284 erforderliche Mahnung unter besonderen Umständen schon in der gegen den Hauptmieter oder -pächter gerichteten, dem Untermieter oder Unterpächter bekannten Räumungsklage liegen (RG 156, 150). Da der Rückforderungsanspruch des Abs. 3 auf dem zwischen Hauptvermieter und Hauptmieter geschlossenen Mietvertrag beruht, so entfällt er, wenn dieser mit Erfolg angefochten ist (vgl. R G 85, 133) oder die eine Partei, z. B. der Hauptmieter, vom Mietvertrage zurücktritt, dieser also nicht nur für die Zukunft beendigt wird, sondern auch für die Vergangenheit fortfällt (RG 136, 33). Das Ergebnis, zu dem für den Fall des Rücktritts R G 136, 33 führt, Beschränkung des Hauptvermieters auf den Eigentumsanspruch, ist allerdings wenig befriedigend und auch insofern nicht zwingend, als die Bedeutung des § 556 Abs. 3 gerade darin besteht, daß eine Wirkung des zwischen den Parteien des Hauptmietvertrags entstandenen Schuldverhältnisses, wozu im Falle des Rücktritts auch die nach § 346 eintretende Rückgabepflicht gehört, über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus auf den Dritten ausgedehnt wird, dem die Sache übergeben worden ist. Muß der Untermieter die Mieträume vorzeitig herausgeben, weil der Hauptmietvertrag beendet ist, so haftet ihm der Untervermieter für den Schaden ( J W 1938, 1451 2 ). Anm. 10 b ) Wenn der Mieter oder Pächter, der das gemietete oder gepachtete Grundstück in Untermiete oder Unterpacht gegeben hat, in Konkurs verfällt und der Konkursverwalter durch Vertrag mit dem Hauptvermieter oder Hauptverpächter den Hauptvertrag aufhebt, so kann der Untermieter oder Unterpächter, der infolgedessen das Grundstück räumen muß, seinen Entschädigungsanspruch nicht als Masseschuld nach K O § 59 Nr. 1 oder 2, sondern nur als Konkursforderung nach K O § 26 geltend machen (RG 67, 372). Uber die Vollstreckbarkeit eines gegen den Mieter ergangenen R ä u mungsurteils gegenüber dem Untermieter s. § 54g Anm. 14.

§ 557 Gibt der Mieter die gemietete Sache nach der Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Mietzins verlangen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. E I j j j II 499; M a 415; P 2 218.

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§ 557 A n m . 1-—2

§558

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 1. Vorenthaltung der Mietsache g e g e n den Willen des V e r m i e t e r s ; zu u n t e r s c h e i d e n von der s t i l l s c h w e i g e n d e n V e r l ä n g e r u n g des Mietverhältnisses nach § 568. Der Anspruch nach § 557 tritt ohne Rücksicht darauf ein, aus welchem Grunde die Rückgabe unterbleibt, also auch, wenn den Mieter kein Verschulden trifft (RG J W 1929, 3287 1 ; R G 7. 2. 1922 III 323/21; 29. 6. 1928 III 509/27; O L G 36, 56), ist aber nur dann begründet, wenn der Mieter dem Vermieter den Besitz der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit vorenthält. Endigt das Mietverhältnis z. B. infolge der als Kündigung zu erachtenden Klage auf Rückgabe der Mietsache, so muß diese noch nach Zustellung der Klage vorenthalten worden sein (RG SeuffArch. 77 Nr. 64). V o r e n t h a l t u n g (dazu S c h e u e r m a n n J W 1934, 3259) erfordert nicht Fortsetzung des Gebrauches durch den Mieter, setzt aber voraus, daß er im Besitze der Sache (RG J W 1913, 1103 3 ) oder doch in der Lage ist, ihre Rückgabe an den Vermieter herbeizuführen; dies ist z. B. nicht der Fall, wenn der Mieter kriegsbeschädigter, für ihn unbrauchbar gewordener Räume deren Einrichtung wegen fehlender Genehmigung der Militärregierung nicht entfernen darf ( K G HuW 48, 315). Vorenthaltung liegt nicht mehr vor, wenn die gemietete Sache verlorengegangen ist. Vom Eintritte des Verlustes (nicht erst von der Anzeige an den Vermieter) an kann Entschädigung nicht mehr nach Satz 1, sondern nur nach allgemeinen Grundsätzen (Anm. 2) verlangt werden (RG 99, 230; RG BayZ 1922, 70; RG 8. 4. 1921 III 449/20; RG 9. 2. 1923 III 314/22). Für die Berechnung des zu ersetzenden Wertes ist dabei der Zeitpunkt des Urteils, nicht der des Verlusteintritts oder der Klageerhebung maßgebend (RG SeuffArch. 77 Nr. 64; RG 9. 2. 1923 III 314/22). Verursacht der Mieter in anderer Weise als durch Vorenthaltung, so insbesondere auch durch Veränderung oder Beschädigung der Mieträume, daß der Vermieter diese nach Ablauf der Mietzeit nicht anderweit benutzen kann, so steht dem Vermieter nur der Anspruch auf Ersatz des ihm tatsächlich erwachsenen Schadens zu; dieser Anspruch verjährt (anders als der Anspruch aus § 557. s. § 558 Anm. 6) gemäß § 558 in sechs Monaten (RG J W 1910, 939 15 ). Verweigert der Vermieter die Rücknahme oder gibt er dem Mieter zu erkennen, daß er die Rückgabe nicht wünsche, wie z.B. wenn er die Kündigung des Mieters als unzulässig zurückweist, so hat der Mieter die gemietete Sache nicht im Sinne des § 557 vorenthalten und haftet dem Vermieter höchstens wegen ungerechtfertigter Bereicherung (RG 103, 289; O L G 36, 56; ebenso für die Pacht RG SeuffArch. 88 Nr. 136; RG J W 1937, 809 1 ); es müßte denn sein, daß der kündigende Mieter (Pächter) selbst zur Rückgabe der gemieteten (gepachteten) Sache nicht gewillt oder nicht in der Lage ist (RG WarnRspr. 1934 Nr. 176). Anwendung des § 557 auf die mietweise Überlassung eines mit Mannschaft ausgerüsteten Schiffes (RG 11. 11. 1916 I 85/16). Anm. 2 2. Der vereinbarte Mietzins stellt also den Mindest betrag der dem V e r m i e t e r z u k o m m e m n d e n E n t s c h ä d i g u n g dar. Darauf, daß der Schaden des Vermieters (Verpächters) aus irgend welchen Gründen geringer sei, kann sich der Mieter (Pächter) nicht berufen (RG WarnRspr. 1934 Nr. 176). Der Anspruch aus § 557 setzt überhaupt weder einen Schaden des Vermieters noch eine Bereicherung des Mieters voraus ( H R R 1934 Nr. 855). Der Anspruch auf Ersatz eines w e i t e r e n Schadens bedarf der Begründung nach allgemeinen Grundsätzen und verlangt namentlich (anders als die Entschädigung nach Satz 1) ein Verschulden des Mieters oder einen sonstigen von ihm zu vertretenden Umstand und den Nachweis des Schadens (RG 99, 230; O L G 45, 149). Ein für den Mietzins vereinbartes Minderungs- und Aufrechnungsverbot wirkt auch für den Entschädigungsanspruch des § 557 ( H R R 1932 Nr. 107).

§558 Die Ersatzansprüche des V e r m i e t e r s w e g e n Veränderungen oder Verschlechterungen der v e r m i e t e t e n Sache s o w i e die A n s p r ü c h e d e s Mieters auf Ersatz von V e r w e n d u n g e n oder auf Gestattung der W e g n a h m e einer Einrichtung verjähren in s e c h s Monaten.

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Miete

§558 Anm. 1—4

Die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters beginnt m i t dem Zeitpunkt, in welchem er die Sache zurückerhält, die Verjährung der Ansprüche des Mieters beginnt m i t der Beendigung des Mietverhältnisses. Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Sache verjähren auch die Ersatzansprüche des Vermieters. E II joo III j51; P 2 177, 194, 27iff; 6 185.

Anm. 1 1. V e r j ä h r u n g . S. hierzu die allgemeinen Vorschriften der §§ i 8 6 f f . Die U b e r g a n g s b e s t i m m u n g i m A r t . 1 6 9 E G ist überholt.

Anm. 2 2 . S e c h s m o n a t s f r i s t behufs möglichst baldiger Auseinandersetzung zwischen Vermieter und Mieter (Prot. S. 177, 194, 273). a ) Die kurze Verjährungsfrist gilt für die hier bezeichneten Ansprüche o h n e U n t e r -

schied, ob sie sich unmittelbar aus dem Gesetz oder aus besonderen Vertrags-

b e s t i m m u n g e n e r g e b e n ( R G 62, 329; 8 7 , 2 8 1 ; 9 5 , 3 0 2 ; 1 4 2 , 2 5 8 ; O L G 43, 55), für Ersatzansprüche aus Verschlechterung der Mietsache ohne Unterschied, ob der Vermieter Z a h l u n g oder Wiederherstellung verlangt ( H R R 1933 Nr. 916), a u c h für Ansprüche anläßlich der R ü c k g a b e von dem V e r p ä c h t e r gehörigem Pachtinventar (s. aber a u c h H R R 1936 Nr. 869), wie z. B. a u c h des Pächters auf Ersatz des von i h m angeschafften Uberinventars und auf Ersatz des durch eigene V e r w e n d u n g e n oder a u c h nur durch Preissteigerung hervorgerufenen Mehrwerts des übernommenen Inventars ( R G 95, 302); für Schadensersatzansprüche, gleichviel welche A r t des Ersatzes gewählt wird ( R G 26. 10. 1920 I I I 189/20: Naturalersatz durch Zurückversetzung überm ä ß i g entnommener E r d e ) ; für Entschädigungsansprüche des Mieters (Pächters), w e n n dieser n a c h d e m V e r t r a g zur Herstellung von A n l a g e n und G e b ä u d e n verpflichtet ist, der V e r m i e t e r (Verpächter) ihn aber hierfür bei vorzeitiger K ü n d i g u n g entschädigen m u ß ( J W 1937, 2 9 7 1 1 3 ) ; für Entschädigungsansprüche wegen Eingriffs des Vermieters in das W e g n a h m e r e c h t des Mieters ( H R R 1938 N r . 582); nicht j e d o c h für den A n s p r u c h des Verpächters auf Z u r ü c k z a h l u n g einer unter V o r b e h a l t zurückgegebenen Pachtsicherheit ( R G 142, 258); auch nicht für den A n s p r u c h des Pächters auf Wertersatz für Sachen, die, w i e das v o n ihm v o m V e r p ä c h t e r übereignete oder sonst von ihm erworbene Inventar, in seinem Eigentum stehen, also nicht Pachtgegenstand sind, von ihm aber vertragsgemäß n a c h Beendigung der Pacht d e m V e r p ä c h t e r überlassen werden müssen ( R G 152, 100).

Anm. 3 b) Die Verjährungsfrist des § 558 gilt ferner nicht nur für Ansprüche, die sich a u f d a s M i e t v e r h ä l t n i s g r ü n d e n , sondern a u c h für solche, die allein oder zugleich auf einen andern Rechtsgrund, wie A u f t r a g , Geschäftsführung und selbst E i g e n t u m und unerlaubte H a n d l u n g (§823), gestützt werden ( R G 66, 363; 75, 1 1 6 ; 142, 258, 262; R G J W 1906, 135 7 ; B G H L M N r . 1 zu § 558 B G B ) . Immer aber ist a u c h in diesen Fällen für die A n w e n d u n g des § 558 vorausgesetzt, d a ß die A n s p r ü c h e für den V e r mieter (Verpächter) oder für den Mieter (Pächter), also i n d e r V e r t r a g s z e i t entstanden sind. So unterliegen Ansprüche des Mieters (Pächters) auf Ersatz späterer V e r w e n d u n g e n nicht der V e r j ä h r u n g des § 558 ( R G J W 1936, 2305 2 ).

Anm. 4 c ) I m ü b r i g e n gilt für die beiderseitigen Ansprüche, also insbesondere des Mieters wegen M ä n g e l der Mietsache, wegen nicht rechtzeitiger Überlassung oder wegen Entziehung des Gebrauchs, sowie des Vermieters wegen R ü c k g a b e der Mietsache, insbesondere der gemieteten R ä u m e , die regelmäßige Verjährungsfrist v o n 30 J a h r e n (§§ '95! 198); so auch für Ansprüche des Vermieters wegen Fehlens mitvermieteter beweglicher Sachen — es m ü ß t e denn sein, d a ß sie Zubehörstücke des vermieteten Hauses waren, daher eine V e r ä n d e r u n g oder Verschlechterung der Mietsache vorliegt ( R G 10. 2. 1920 I I I 274/19) — und für Ansprüche des Verpächters auf V o r n a h m e

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§ 558

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 5—7 von baulichen Instandhaltungsarbeiten, die der Pächter vertraglich als Entgelt für die pachtweise Überlassung eines Grundstücks übernommen hat ( H R R 1937 Nr. 6). F ü r den Anspruch des Vermieters auf rückständigen Mietzins, d e m insoweit der E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h a u s § 5 5 7 gleichzustellen ist ( H R R 1936 N r . 869, vgl. auch 1934 Nr. 792), gilt die vierjährige Frist nach §§ 197, 198, bei g e w e r b s m ä ß i g e m V e r mieten von beweglichen Sachen die zweijährige Frist nach § 196 N r . 6.

Anm. 5 d) Anderseits darf § 558 n i c h t i n e i n e m zu e n g e n S i n n e aufgefaßt werden. Schon der Wortlaut ( „ v e r m i e t e t e S a c h e " ) schließt nicht die A n w e n d u n g der Vorschrift auf die Beschädigung solcher R ä u m e und A n l a g e n aus, die z w a r nicht dem Mieter übergeben, sondern i m unmittelbaren Besitze des Vermieters verblieben sind, an denen den Mietern aber ein Mitbenutzungsrecht zusteht, wie z. B. der T r e p p e n und Flure (§ 535 A n m . 16). A u c h solche g e m e i n s a m e n R ä u m e u n d A n l a g e n sind vermietete Sachen i m Sinne des § 558. Zweifel können entstehen, w e n n es sich nicht ausschließlich u m Schäden an derartigen gemeinsamen Anlagen, sondern zugleich an solchen Sachen handelt, an denen d e m Mieter keinerlei Benutzungsrecht zusteht. M a n denke an den Fall, d a ß der Mieter den A u s b r u c h oder das Umsichgreifen eines in den M i e t r ä u m e n ausgebrochenen Brandes verschuldet hat, durch den dann nicht nur die M i e t r ä u m e , sondern auch andere Teile des Miethauses beschädigt worden sind. M i t R e c h t hat j e d o c h R G 75, 116 sich dahin ausgesprochen, d a ß für den Fall eines solchen durch die V e r l e t z u n g der Mieterpflichten erwachsenen einheitlichen Schadens die V e r j ä h r u n g des Ersatzanspruchs des Vermieters nur eine einheitliche sein und nicht in betreff der Beschädigung der vermieteten R ä u m e in sechs M o n a t e n , im übrigen in 30 J a h r e n eintreten könne. Sinn und Z w e c k der Vorschriften des § 558 erfordern ihre A n w e n d u n g auf die Ersatzansprüche des Vermieters wegen des ganzen Schadens.

Anm. 6 e ) Die V e r j ä h r u n g des Anspruchs des Mieters auf W e g n a h m e einer Einrichtung wird nicht d a d u r c h gehemmt, d a ß der Vermieter sein Pfandrecht geltend m a c h t ( H R R 1932 Nr. 108). L ä ß t der Mieter den Anspruch auf W e g n a h m e von Einrichtungen verjähren, dann kann er nicht ungerechtfertigte Bereicherung des Vermieters geltend machen ( H R R 1931 Nr. 209).

Anm. 7 3. Beginn der Verjährung a) Sie beginnt f ü r d e n V e r m i e t e r ( V e r p ä c h t e r ) mit dem „ Z u r ü c k e r h a l t e n " der Mietsache (des Pachtgegenstandes), d. h. dem tatsächlichen V o r g a n g , durch den er in die L a g e versetzt wird, die unmittelbare Herrschaft über die Sache (den Gegenstand) auszuüben, also m i t d e m Z e i t p u n k t e , z u d e m d e r V e r m i e t e r ( V e r p ä c h t e r ) s i c h e r e K e n n t n i s von etwaigen V e r ä n d e r u n g e n oder Verschlechterungen erhält oder erhalten kann, von d e m ab er also in der L a g e ist, seine R e c h t e nach dieser R i c h t u n g w a h r z u n e h m e n (vgl. R G 128, 1 9 1 ; 142, 258; R G S e u f f A r c h . 89 Nr. 80). Solange der Vermieter oder sein Bevollmächtigter aus nicht in seiner Person liegenden G r ü n d e n dazu außerstande sind, ist die Voraussetzung für den Beginn der V e r j ä h r u n g nicht gegeben ( R G H R R 1928 Nr. 1586). a a ) Die R ü c k g a b e eines Pachtgrundstücks, mit der die V e r j ä h r u n g der Ersatzansprüche des Verpächters beginnt, kann a u c h s t i l l s c h w e i g e n d durch ein V e r halten des Pächters geschehen, wodurch er dem V e r p ä c h t e r gegenüber z u m Ausdruck bringt, d a ß er den G e b r a u c h des Grundstücks aufgebe und d e m V e r p ä c h t e r überlasse, ist aber z. B. in der Einstellung des Betriebs in einer gepachteten S a n d g r u b e unter E r ö f f n u n g des Betriebs in einer andern G r u b e a u c h d a n n noch nicht z u finden, w e n n der V e r p ä c h t e r d a v o n w e i ß ( R G 5. 7. 1918 I I I 137/17). Ist ein vermietetes Schiff untergegangen, v o m Mieter aufgegeben und v o n einem Dritten gehoben, so genügt nicht, d a ß der Eigentümer hiervon Kenntnis h a t ; d a ß er es im Sinne des Abs. 2 zurückerhalten habe, kann erst dann angenommen werden, w e n n der Dritte sich dem Eigentümer gegenüber zur Herausgabe gegen Erstattung der Bergungskosten bereit erklärt und der Eigentümer d e m zustimmt ( R G Gruchot 69, 373).

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Miete

§ 558 A n m . 8, 9 § 559 A n m . 1

b b ) W i r d die S a c h e vorzeitig z u r ü c k g e g e b e n , so b e g i n n t die V e r j ä h r u n g ebenfalls mit der R ü c k g a b e , nicht erst mit der B e e n d i g u n g des Mietverhältnisses ( O L G 4 1 , 1 1 7 ) . E r h ä l t der V e r m i e t e r die S a c h e in T e i l e n z u r ü c k , so k a n n die V e r j ä h r u n g der einzelnen E r s a t z a n s p r ü c h e z u verschiedenen Z e i t e n b e g i n n e n ( O L G 39, 154). cc) E n t k r ä f t u n g der V e r j ä h r u n g s e i n r e d e d u r c h die G e g e n e i n r e d e d e r A r g l i s t s. R G 87, 281. Fordert der V e r m i e t e r w e g e n V e r w a h r l o s u n g der R ä u m e v o n d e m ausg e z o g e n e n M i e t e r Ersatz d e r Ausbesserungskosten u n d des Mietausfalls, so liegt ein einheitlicher S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h vor, der a u c h nur einheitlich v e r j ä h r t ; s o l a n g e b e z ü g l i c h des Ersatzes der Ausbesserungskosten d e m E i n w a n d d e r V e r j ä h r u n g die Einrede der a l l g e m e i n e n Arglist entgegensteht, k a n n a u c h der A n s p r u c h w e g e n des Mietausfalles nicht v e r j ä h r e n ( R G 26. 4. 1934 19/34). d d ) A u s d e m nur d e n Beginn d e r V e r j ä h r u n g b e s t i m m e n d e n A b s . 2 ist eine E i n s c h r ä n k u n g des A b s . 1 nicht herzuleiten ( R G 75, 1 1 6 ) . N u r w e n n die M i e t s a c h e völlig u n t e r g e g a n g e n ist, der V e r m i e t e r also nichts z u r ü c k e r h ä l t , steht der A n w e n d u n g des § 558 das Bedenken entgegen, d a ß es an e i n e m A n f a n g s p u n k t der V e r j ä h r u n g fehlt. D a g e g e n ist seine A n w e n d u n g u n b e d e n k l i c h , w e n n ein vermietetes Z i r k u s g e b ä u d e a b brennt, das m i t v e r m i e t e t e G r u n d s t ü c k a b e r an d e n V e r m i e t e r z u r ü c k g e g e b e n w e r d e n k a n n ( R G 96, 300; vgl. a u c h O L G 5, 373). ee) F ü r die U n t e r b r e c h u n g d e r V e r j ä h r u n g w e g e n des g a n z e n S c h a d e n s g e n ü g t es, w e n n d u r c h K l a g e oder w a s ihr gleich steht, w e g e n bestimmter M ä n g e l Ersatz, u n d z w a r voller Schadensersatz v e r l a n g t , w i r d , m a g a u c h d e r z u n ä c h s t v e r l a n g t e G e s a m t s c h a d e n s b e t r a g sich n a c h t r ä g l i c h als u n z u r e i c h e n d erweisen u n d eine E r h ö h u n g n ö t i g m a c h e n ( R G 16. 1. 1923 I I I 239/22). f f ) D e r V e r m i e t e r ist bei V e r j ä h r u n g seiner A n s p r ü c h e n i c h t g e h i n d e r t , seine Bef r i e d i g u n g aus d e m i h m gesetzlich zustehenden P f a n d r e c h t e (§ 559) z u s u c h e n (§ 223). Anm. 8 b ) F ü r den M i e t e r ( P ä c h t e r ) b e g i n n t die V e r j ä h r u n g mit der r e c h t l i c h e n e n d i g u n g des M i e t - ( P a c h t - ) Verhältnisses ( R G 128, 1 9 1 ) .

Be-

Anm. 9 4. V e r j ä h r u n g des R ü c k g a b e a n s p r u c h s des V e r m i e t e r s (§ 195) b r i n g t a u c h seine E r s a t z a n s p r ü c h e z u r V e r j ä h r u n g . V g l . § 224. D u r c h V e r t r a g k ö n n e n k u r z e A u s s c h l u ß f r i s t e n f ü r die G e l t e n d m a c h u n g v o n E r s a t z a n s p r ü c h e n b e s t i m m t w e r d e n . Sehr k u r z e Ausschlußfristen sind a b e r n a c h T r e u u n d G l a u b e n d a h i n z u verstehen, d a ß in d e n F ä l l e n , in d e n e n ihre E i n h a l t u n g n i c h t a n g ä n g i g ist, eine v o m R i c h t e r z u b e s t i m m e n d e angemessene Frist a n ihre Stelle tritt. S o f ü r einen P a c h t v e r t r a g R G J W 1 9 1 7 , 284 3 .

§ 559 D e r V e r m i e t e r eines G r u n d s t ü c k s h a t f ü r seine F o r d e r u n g e n a u s d e m M i e t v e r h ä l t n i s ein P f a n d r e c h t a n den e i n g e b r a c h t e n S a c h e n d e s M i e t e r s . F ü r k ü n f t i g e E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g e n u n d f ü r den M i e t z i n s f ü r eine s p ä t e r e Z e i t als d a s l a u f e n d e u n d d a s f o l g e n d e M i e t j a h r k a n n d a s P f a n d r e c h t nicht geltend g e m a c h t w e r d e n . E s e r s t r e c k t sich nicht a u f die d e r P f ä n d u n g nicht unterworfenen Sachen. E I J2J Abs. I II 501; M 2 402 407; P 3 1 9 4 f f , 2 I 2 f f .

Anm. 1 1. Rechtliche N a t u r a ) D a s P f a n d r e c h t steht d e m V e r m i e t e r (oder U n t e r v e r m i e t e r ) eines G r u n d stücks oder eines W o h n r a u m e s oder a n d e r n R a u m e s in e i n e m G e b ä u d e (§ 580) — n i c h t a b e r einer b e w e g l i c h e n S a c h e , insbesondere n i c h t eines S c h i f f s r a u m e s ( S e u f f A r c h . 61 N r . 136) — z u u n d ist ein ( a b d i n g b a r e s , R G 141, 102) gesetzliches P f a n d r e c h t (also o h n e u n m i t t e l b a r e n Besitz des V e r m i e t e r s , d e n dieser erst mit der E r g r e i f u n g der tat28

Komm. z. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Pritsch)

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§ 559 A n m . 2—6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

sächlichen Herrschaft nach § 561 erwirbt, RG WarnRspr. 1934 Nr. 51), auf das jedoch, seine wirksame Entstehung nach § 559 (kein Pfanderwerb kraft guten Glaubens nach § 1207, OLG 2, 80; 4, 329) vorausgesetzt, nach § 1257 die Vorschriften über das durch Rechtsgeschäft bestellte Pfandrecht entsprechende Anwendung finden, soweit sie nicht Besitz auf Seiten des Pfandgläubigers voraussetzen; es sind mithin hier insbesondere §§ 1222, 1227—1231, 1232 Satz 2, §§ 1233—1249, 1250, 1252, 1255, 1256 anzuwenden. Anm. 2 b) Ü b e r d a s Verkaufsrecht des Vermieters bezüglich der eingebrachten Sachen und seine Ausübung s. §§ 1228fr. Es ist Besitzerlangung, geeignetenfalls gemäß § 561, erforderlich. Über die Verpflichtung des Vermieters, der auf Grund seines Pfandrechts Möbel des Mieters in Besitz nimmt und sie ohne Ermächtigung an Dritte vermietet, dem Mieter den Reinertrag der Nutzungen herauszugeben, s. RG 105, 408. Die ihm zur Sicherung übereigneten Sachen des Mieters darf der Vermieter nur unter Wahrung der Interessen des Mieters veräußern (HRR 1936 Nr. 1485). Anm. 3 c) Das Pfandrecht entsteht m i t der Einbringung der Sachen in die gemieteten Räume, nicht schon auf das Grundstück des Vermieters überhaupt (RG Gruchot 26, 997), wenn jedoch der Mieter mit dem Rechtsnachfolger seines ursprünglichen Vermieters unter Aufhebung des mit diesem abgeschlossenen Mietvertrags einen neuen schließt, erst mit diesem neuen Vertragsabschlüsse (RG 6. 6. 1905 III 541/04). Daher geht auch, wenn der Mieter im nämlichen Grundstück neue Räume mietweise bezieht, ein vorher begründetes Pfändungspfandrecht eines Dritten dem Vermieterpfandrecht vor (HRR 1932 Nr. 109). Gestattet der Vermieter dem Mieter ohne besonderes Entgelt, die Mieträume schon vor der im Vertrag vereinbarten Zeit zu beziehen, so beginnt das Mietverhältnis mit der tatsächlichen Benutzung, und die eingebrachten Sachen des Mieters unterliegen sofort dem gesetzlichen Pfandrecht (OLG 33, 321). Neben diesem gesetzlichen Pfandrechte kann übrigens ein r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e s Pfandrecht mit den ihm zukommenden Voraussetzungen und Wirkungen bestellt werden (RG 14. 3. I 9°5 VII 376/04). Der Vermieter kann wegen fälliger Forderungen die eingebrachten Sachen des Mieters auch im Wege der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g pfänden; einheitliche Entscheidung des Prozeßgerichts über das Bestehen des Vermieterpfandrechts und über die Wirksamkeit der Pfändung (statt ZPO § 766) in solchem Falle s. RG WarnRspr. 1921 Nr. 28. Anm. 4 d) Tritt der Vermieter einzelne Forderungen aus d e m Mietverhältnis an einen Dritten ab, so erwirbt dieser auch das Pfandrecht an den Sachen, die ihm zur Zeit der Abtretung unterliegen (§§401, 1250). Für den Fall der Veräußerung des Grundstücks s. § 571 Anm. 6. Anm. 5 e) Für die Pacht s. § 581 Abs. 2 und § 585. Anm. 6 2. Gegenstand: die eingebrachten Sachen. a) Das sind die auf Grund des Mietverhältnisses in das Grundstück gebrachten (OLG 39, 174), nicht nur vorübergehend eingestellten Sachen, wozu auch Geld (SeuffArch. 68 Nr. 244), Inhaberpapiere und mit Blankoindossament versehene Orderpapiere (§§ 1295, 1295) gehören, nicht aber die auf den Namen lautenden Hypothekenbriefe, Lebensversicherungspolicen und Sparkassenbücher (Legitimationspapiere), die nicht Träger der Forderung sind (RG 10, 40; 20, 135); vgl. auch RG WarnRspr. ig20 Nr. 184 (Pfandrecht des Verpächters an einem während der Pachtzeit auf dem Pachtgrundstück errichteten Gewächshause, das für den Fall seiner Fertigstellung an einen Dritten veräußert worden ist). Auch zur Veräußerung bestimmte Sachen (Waren) unterliegen dem Pfandrechte des Vermieters oder Verpächters (vgl. § 560 Satz 2). Es 424

Miete

§559 Anm. 7

kann sich auch auf Sachen erstrecken, die auf dem vermieteten oder verpachteten Grundstück erzeugt sind, z. B. die Ziegel einer gepachteten Ziegelei; der für das „ E i n bringen" entscheidende Vorgang ist, daß die zum Vermögen des Mieters (Pächters) gehörende Sache in den durch das Miet(Pacht)verhältnis vermittelten Machtbereich des Vermieters (Verpächters) tritt ( R G 132, 1 1 6 ) .

Anm. 7 b) Unter das gesetzliche Pfandrecht fallen aber n u r die eingebrachten Sachen des Mieters, und zwar auch dann, wenn ihm das Eigentum nur unter einer auflösenden

Bedingung (§ 158 Abs. 2) übertragen ist, nach deren Eintritt das Pfandrecht bestehen bleibt, da es nicht auf einer V e r f ü g u n g des Mieters beruht, auch die von einem Vorerben eingebrachten Erbschaftssachen, da der Vorerbe wirklicher Eigentümer ist (SeuffArch. 71 Nr. 206); steht das Eigentum dem Mieter nur zu einem Bruchteil zu, so ergreift das Vermieterpfandrecht diesen ( R G 146, 334). aa) Hierher gehören also nicht Sachen seiner Ehefrau und seiner Kinder, ausgenommen, wenn sie mit ihm zusammen den Mietvertrag abgeschlossen haben, so auch, wenn die Frau den Mietvertrag als Mieterin neben dem Ehemann unterzeichnet hat oder ihre eingebrachten Sachen bei allgemeiner Gütergemeinschaft (Errungenschaftsgemeinschaft oder Fahrnisgemeinschaft) in das Gesamtgut fallen (§§ 1438, 1459, 1 5 1 9 , 1530, 1549 aF, 1 4 1 6 , 1437 nF), wozu weiter auch die Vermutung aus § 1362 ( R G 80, 62) in Betracht kommt. bb) Ebensowenig werden von dem Vermieterpfandrecht Sachen des Untermieters betroffen, die vielmehr nur dem Pfandrechte des Untervermieters unterliegen. Über eine Verpflichtung des mit dem Mieter einziehenden Untermieters, dem Vermieter bei Meidung einer Haftung aus § 826 anzuzeigen, daß wertvolle Einrichtungsgegenstände nicht dem in schlechter Vermögenslage befindlichen Mieter, sondern dem Untermieter gehören, s. H R R 1934 Nr. 483. cc) Desgleichen fallen n i c h t unter das Pfandrecht des Vermieters Sachen, die d e r Mieter dem Vermieter übereignet hat (RG WarnRspr. 1927 Nr. 1 0 2 ) ; dd) auch n i c h t Sachen eines Dritten, insbesondere nicht die dem Mieter unter einer aufschiebenden Bedingung zum Eigentum übertragenen Sachen während noch schwebender Bedingung ( O L G 3, 28; 16, 42g), ferner nicht die in den Mieträumen zurückgebliebenen Sachen eines früheren Mieters, der aus dem Vertragsverhältnis ausgeschieden ist ( O L G 7, 462), und nicht die Sachen desjenigen, der sich das Eigentum an den im Besitze des Mieters befindlichen Sachen vorbehalten hat. Wird der Mietvertrag durch einen neuen ersetzt, der nicht nur eine Fortsetzung des alten bedeutet, und ist bis zum Beginn des neuen Mietverhältnisses das Eigentum an eingebrachten Sachen auf einen Dritten übergegangen, so hat der Vermieter kein Pfandrecht an ihnen für Forderungen aus dem neuen Mietverhältnis ( O L G 39, 174). A n fremden Sachen hat der Vermieter das gesetzliche Pfandrecht auch dann nicht, wenn er zur Zeit ihrer Einbringung das Eigentumsrecht des Dritten nicht kannte, die eingebrachten Sachen vielmehr für Sachen des Mieters hielt; denn der Grundsatz: „ H a n d wahre H a n d " findet hier keine Anwendung ( M 2, 405; Prot 2, 2000). Dies gilt selbst dann, wenn der Dritte in seine Mithaftung eingewilligt oder im Einverständnis mit dem Mieter dem Vermieter vorgespiegelt hat, daß der Mieter Eigentümer sei, und auch ein Vertragspfandrecht entsteht in diesen Fällen mangels der dazu erforderlichen Übergabe nicht ( R G Gruchot 49, 480; a M O L G 36, 58). Wohl aber kann der Mieter, der sich dem Vermieter gegenüber als Eigentümer der fremden Sachen ausgibt, wegen unerlaubter Handlung, insbesondere nach § 826, haftbar werden, und der Dritte, der einen vermögenslosen Mieter vorschiebt, aus dem gleichen Grund unter Umständen die Herausgabe seiner Sachen nicht vor Tilgung des Mietzinses verlangen. ee) Nach § 10 des Deutschen Einheitsmietvertrags hat sich der Mieter ausdrücklich darüber zu erklären, ob die beim Einzug in die Mieträume eingebrachten Sachen sein freies Eigentum und nicht gepfändet oder verpfändet sind. Die Verpflichtung des Mieters zur Anzeige, wenn er später Gegenstände einbringt, die ihm nicht gehören, befindet sich dagegen unter den bei Aufstellung des Einheitsmietvertrags ausdrücklich gemißbilligten Klauseln (vgl. Vorbem. 29 zu aa) vor § 535). 28'

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§ 559 A n m . 8, 9

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

II) Erwirbt der Mieter das E i g e n t u m an eingebrachten Sachen nach der Einbringung, z.B. durch Wegfall eines Eigentumsvorbehalts, so entsteht das Pfandrecht des Vermieters mit dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs (RG 6o, 73). Vermieterpfandrecht an Kraftwagen bei Wechsel der Inhaberschaft im Garagenbetrieb s. H R R 1932 Nr. 1567. g g ) Das Eigentum oder Miteigentum des Mieters muß nötigenfalls der Vermieter n a c h w e i s e n ; auf die Vermutung des § 1006 kann er sich nicht berufen (RG 146, 334). Doch wird meistens der erste Anschein für das Eigentum des Mieters sprechen und dann der Anspruchsgegner des Vermieters diesen Anschein zu entkräften haben (vgl. H R R 1935 Nr. 1449). hh) War der Mieter (Pächter) zur Zeit der Einbringung Eigentümer der eingebrachten Sachen (des eingebrachten Inventars), dann läßt eine spätere Ä n d e r u n g der E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e das Pfandrecht unberührt, es müßte denn ein Fall des § 936 vorliegen oder eine Entfernung der Sache (des Inventars) vom Grundstück (§ 560) hinzukommen (RG J W 1937, 613 3 ). Das gilt im Falle der Beerbung des Mieters oder Pächters auch dann, wenn das Miet- oder Pachtverhältnis nur von einem Teil der Erben fortgesetzt wird (RG ebenda). Mietet jemand Räume des eigenen Grundstücks von einem ihm gegenüber zum Besitz des Grundstücks berechtigten Vermieter, so geht dessen gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Sachen, die zugleich Zubehör des Grundstücks sind, einer Hypothek im Range vor, wenn die Sachen vor Eintragung der Hypothek (oder einer entsprechenden Vormerkung) eingebracht sind (BGH L M Nr. 1 zu § 559 BGB). Anm. 8 3. Forderungen a) Als Forderungen, wegen deren das Pfandrecht geltend gemacht werden kann, kommen in Betracht alle Forderungen, die aus dem Mietverhältnisse herrühren oder damit zusammenhängen, auch anders geartete Forderungen eines Vermieters eingerichteter Zimmer für persönliche Dienste und für andere Leistungen, wenn sie nur n e b e n s ä c h l i c h e r Natur sind (vgl. § 535 Anm. 19), also für Frühstück, Aufwartung, Feuerung (OLG 26, 292), dagegen nicht selbständige, neben der Mietforderung hergehende Ansprüche, wie z. B. aus dem Bierlieferungsvertrag einer Brauerei mit ihrem Mieter oder Pächter, einem Gastwirte (RG 37, 89; RG Gruchot 26, 996). Auch für die ersterwähnten Mietforderungen besteht das Pfandrecht nur mit der Beschränkung, aa) daß es wegen des k ü n f t i g e n Mietzinses nicht für eine spätere Zeit als für das zur Zeit der Geltendmachung (RG 54, 301) laufende und das folgende Miet- (nicht Kalender-) Jahr, bei einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrage also nur wegen des Mietzinses für ein Jahr über das laufende Mietjahr hinaus (OLG 3, 236; 20, 110), bb) daß es nur für bereits f ä l l i g e , d. h. zur Zeit der ersten Geltendmachung des Pfandrechts in allen ihren Voraussetzungen feststehende und sofort beizutreibende, nicht für betagte und für erst künftig entstehende E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g e n ausgeübt werden kann (Prot 2, 194 ff; RG 54, 301). Das Pfandrecht des Vermieters (Verpächters) wird damit nicht auf Forderungen bestimmter Art beschränkt; Satz 2 schränkt vielmehr nur die Ausübung des Pfandrechts im einzelnen Falle ein (RG J W 1937, 613 3 ). Als künftige Entschädigungsforderung, nicht als Pachtzinsforderung, erscheint insbesondere ein bei fristloser Aufkündigung eines Pachtverhältnisses vom Verpächter gegen den Pächter erhobener Anspruch dahin, daß er den bei einer anderweiten Verpachtung entstehenden Pachtausfall bis zum Ablauf seiner vertragsmäßigen Pachtzeit an den jedesmaligen Zinsterminen berichtige (RG 21. 5. 1909 I I I 470/08); für Miete s. auch SeufFArch. 71 Nr. 401; a M O L G 21, 202; 36, 63. Kein Pfandrecht für Schadensersatzansprüche nach VerglO § 52 Abs. 1 (VerglO § 52 Abs. 2). Auch auf den Entschädigungsanspruch des § 557 erstreckt sich das Pfandrecht des Vermieters nur soweit, als er zur Zeit der Geltendmachung des Pfandrechts bereits erwachsen ist (HRR 1937 Nr. 795). Anm. 9 b) Das Pfandrecht beschränkt sich auf Forderungen aus d e m j e n i g e n Mietverh ä l t n i s s e , auf Grund d e s s e n die Sachen eingebracht worden sind. Hat ein Mieter

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Miete

§ 559 Anm. 10—12 § 560 Anm. 1

von dem nämlichen Vermieter verschiedene Räume eines Grundstücks, z. B. als Wirtschaft und als Wohnung, auf Grund s e l b s t ä n d i g e r Verträge gemietet, so ergreift das Vermieterpfandrecht wegen des Mietzinses für den einen R a u m nicht die in den anderen eingebrachten Sachen ( O L G 38, 92). Anm. 10 c) Wegen der nach Vorstehendem berechtigten Ansprüche kann das Pfandrecht nicht bloß vom Vermieter, sondern auch von seinem Sondernachfolger, selbst wenn dieser im übrigen nicht in das Mietverhältnis eingetreten ist, geltend gemacht werden, sofern nur die eingebrachten Sachen sich noch in den Mieträumen befinden, also das Pfandrecht des Vermieters daran noch besteht (vgl. § 1250; M 3, 836). Ebenso bleibt das Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters dann, wenn die eingebrachten Sachen (Inventarstücke) vom Mieter oder Pächter veräußert, aber auf dem Miet- oder Pachtgrundstück belassen worden sind, bestehen und verwandelt sich, wenn sie später im Konkurse des Mieters oder Pächters versteigert und die Versteigerungsgelder dem derzeitigen Eigentümer ausgehändigt werden, in einen Bereicherungsanspruch gegen diesen in Höhe der bis dahin aufgelaufenen Forderungen des Vermieters oder Verpächters (RG J W 1909, 424 30 ). Über die Beschränkungen des Pfandrechts gegenüber dem Pfändungspfandgläubiger und gegenüber der Konkursmasse des Mieters s. bei § 563. Anm. 11 4. Unpfändbare Sachen. Auch von den S a c h e n des M i e t e r s sind diejenigen dem Pfandrecht entzogen, die — vor allem im Interesse des Schuldners und seiner Angehörigen nach § 8 1 1 Z P O (§ 812, der nur eine Ordnungsvorschrift enthält, findet hier keine Anwendung, Str., unentschieden R G 80, 35) — der Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung nicht unterworfen sind (vgl. z.B. R G WarnRspr. 1921 Nr. 2 8 ; J a n b e r g N J W 1951, 5 1 1 ; V o g e l ebda 752). Dagegen sind Gegenstände, die der Mieter eingebracht hat, nicht deshalb dem Pfandrechte des Vermieters entzogen, weil sie als Zubehör eines anderen dem Mieter gehörigen Grundstückes nach der im Interesse der Hypothekgläubiger getroffenen Bestimmung des § 865 Z P O nicht gepfändet werden können ( O L G 27, 153). Die Vorschrift in Satz 3 enthält z w i n g e n d e s Recht (RG 72, 181). Abweichende Vorschrift für die Pacht in § 585 Satz 2. Anm. 12 5. Kein vertragsmäßiges Zurückbehaltungsrecht des Vermieters. Ebenso ist ein vertragsmäßiges Zurückbehaltungsrecht des Vermieters für die von der Pfändung ausgenommenen Sachen nicht anzuerkennen, da ein solches Recht inhaltlich mit dem auf § 559 beruhenden Sperr-Rechte des § 561 übereinstimmen, also gegen § 559 Satz 3 sowie auch gegen die guten Sitten verstoßen, auch keinesfalls ein eigenmächtiges Vorgehen des Vermieters nach §561 Abs. 1 rechtfertigen würde ( a M R G S t 3 5 , 150; 37, 118). S. dagegen über das Selbsthilferecht des Vermieters § 561 Abs. 1.

§ 560 Das Pfandrecht des Vermieters erlischt mit der Entfernung der Sachen von dem Grundstück, es sei denn, daß die Entfernung ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters erfolgt. Der Vermieter kann der Entfernung nicht widersprechen, wenn sie im regelmäßigen Betriebe des Geschäfts des Mieters oder den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entsprechend erfolgt oder wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermieters offenbar ausreichen. E I J 2 I Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 I I J 0 2 ; M 2 407—409; P 2 407.

Anm. 1 1. Besonderer Erlöschungsgrund für das Pfandrecht des Vermieters. Anwendung auf den Verpächter s. § 581 Abs. 2. Andere Erlöschungsgründe s. Anm. 5, 6. 427

§ 560

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 2—5 A u f die P f a n d r e c h t e aus den n a c h a l t e m R e c h t e zu b e u r t e i l e n d e n M i e t u n d P a c h t v e r h ä l t n i s s e n ist § 560 (wie auch § 561) nicht anzuwenden ( R G 49, 56).

Anm. 2 2 . Z u m E r l ö s c h e n des Pfandrechts ist nach dem klaren Wortlaute des § 560 die E n t f e r n u n g d e r S a c h e n v o m G r u n d s t ü c k e (soweit es dem Vermieter unterstellt ist) erforderlich, dagegen genügt nicht schon die E n t f e r n u n g a u s d e m g e m i e t e t e n T e i l e d e s G r u n d s t ü c k s (Prot 2, 207; R G S t 10, 3 2 1 ; auch SeufFArch. 73 Nr. 157). Ebensowenig erlischt das Pfandrecht durch die ohne Einwilligung des Vermieters erfolgte Fortschaffung in eine andere Mietwohnung des nämlichen Hauses. Die Vorschrift unterscheidet nicht, ob die Entfernung durch den Mieter oder durch einen Dritten geschieht ( R G 7 1 , 418). Über das Erlöschen des Pfandrechts im Falle der Pfändung auf Betreiben eines Dritten s. Anm. 4.

Anm. 3 3 . Nach der Zwangsvorschrift des Satz 2 findet k e i n W i d e r s p r u c h s r e c h t d e s V e r m i e t e r s gegen die Entfernung statt, auch wenn ihm bereits fällige Forderungen zustehen. a ) M a ß g e b e n d sind dabei der regelmäßige Geschäftsbetrieb und die gewöhnlichen Lebensverhältnisse des Mieters. Was hiervon abweicht, wird auf eine Benachteiligung des Vermieters hinauslaufen, die dieser nicht zu dulden braucht, auch wenn sie vom Mieter nicht beabsichtigt war. Beispiele zulässiger Entfernung: Mitnahme auf eine Reise, Weggabe zur Ausbesserung, Verkauf der Getreideernte durch den Pächter zur regelmäßigen Zeit, nicht aber vollständiger Ausverkauf eines Warenlagers. Widerspricht der Vermieter, wo er nach Satz 2 kein Recht zum Widerspruche hat, so ist der Widerspruch wirkungslos; durch die Entfernung der Sachen erlischt dann das Pfandrecht geradeso, wie wenn sie ohne Widerspruch geschehen wäre ( R G 74, 247).

Anm. 4 b ) Nach e n t s p r e c h e n d e r A n w e n d u n g dieser Vorschrift erlischt das Pfandrecht des Vermieters und damit auch der Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung gegenüber dem Pfändungspfandgläubiger auch bezüglich der für einen Dritten g e p f ä n d e t e n Sachen des Mieters dann, wenn die gepfändeten Sachen im Wege der Zwangsvollstrekkung vom Grundstück entfernt werden und der Vermieter durch die zurückbleibenden, dem Mieter gehörigen Sachen ausreichend gesichert ist ( R G 7 1 , 4 1 8 ; R G J W 1909, 657"; O L G 19, 2; 20, i n ; 27, 175). Die zurückbleibenden Sachen müssen aber hier, wie überhaupt im dritten Falle des zweiten Satzes, zur Sicherung des Vermieters o f f e n b a r ausreichen, d. h. einen solchen Wert darstellen, daß sie ohne weitere Prüfung und ohne zeitraubende Untersuchung den Eindruck hervorrufen, der Vermieter werde durch sie für seine Forderungen hinlänglich gedeckt sein ( R G SeufFArch. 69 Nr. 5 ; R G H R R 1928 Nr. 827; s. auch H R R 1930 Nr. 284). Erwirbt ein Gläubiger des Mieters, dem dieser mit dem Vermieterpfandrecht belastete Gegenstände zur Sicherheit übereignet hat, durch Abtretung die Mietzinsforderung und das Vermieterpfandrecht, so geht dieses Recht durch Vereinigung mit dem Eigentum unter. Der Pfändungsgläubiger, der den Erwerber des Vermieterpfandrechts gemäß § 560 Satz 2 auf das Sicherungsgut verweisen will, kann sich nicht auf § 1256 Abs. 2 berufen ( B G H N J W 1958, 1282).

Anm. 5 4. Andere Erlöschungsgründe a ) W i e d a s r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e P f a n d r e c h t an beweglichen Sachen erlischt gemäß § 1257 auch das Vermieter- oder Verpächterpfandrecht in den Fällen der §§ 1242 Abs. 2, 1252, 1255, 1256, sowie auch in dem Falle des § 936 (Veräußerung und Übergabe an einen g u t g l ä u b i g e n Dritten). Verzicht auf das Pfandrecht des Vermieters s. § 1 2 5 5 und R G SeufFArch. 89 Nr. 80.

428

Miete

§ 560 Anm. 6 § 561 A n m . 1, 2

Anm. 6 b ) Durch die bloße V e r ä u ß e r u n g (Übereignung eines Eigentumsanteils, R G 146, 334) mit Belassung der Sachen in den Mieträumen und im Besitze des Mieters geht das Vermieterpfandrecht nicht unter ( R G J W 1909, 424 3 0 ; O L G 16, 4 3 1 ) . Auch wird in derartigen Fällen der erforderliche gute Glaube des Erwerbers meistenteils fehlen, da er bei Übernahme der einem Mieter zugehörigen Sachen regelmäßig mit dem Pfandrecht des Vermieters rechnen muß ( R G J W 1907, 67a 5 ). Das Pfandrecht erlischt auch nicht durch den Übergang auf die Erben des Pächters, mag das Pachtverhältnis auch nur von einem Teil der Erben fortgesetzt werden ( R G J W 1937, 6 1 3 3 ) . Dagegen unterliegt in solchem Falle das von der Erbengemeinschaft angeschaffte Inventar nicht dem ursprünglichen Verpächterpfandrecht; die für die Bruchteilsgemeinschaft in R G 146, 334 entwickelten Grundsätze sind hier nicht anwendbar ( R G J W 1937, 6 1 3 3 ) . Das Pfandrecht des § 559 findet, da es nicht auf einer V e r f ü g u n g des Mieters beruht, auch nicht dadurch sein Ende, daß das Eigentum des Mieters an den eingebrachten Sachen infolge des Eintritts einer von ihm mit einem Dritten bei der Übertragung vereinbarten a u f l ö s e n d e n B e d i n g u n g an den Übertragenden zurückfällt (vgl. § 161 Abs. 2 ; M 1, 2 1 3 ; s. o. § 559 Anm. 7).

§561 D e r V e r m i e t e r d a r f die E n t f e r n u n g d e r s e i n e m P f a n d r e c h t unterliegenden S a c h e n , soweit e r i h r zu w i d e r s p r e c h e n b e r e c h t i g t i s t , a u c h ohne A n r u f e n d e s G e r i c h t s v e r h i n d e r n und, wenn d e r M i e t e r a u s z i e h t , die S a c h e n in seinen B e sitz n e h m e n . Sind die S a c h e n ohne W i s s e n o d e r u n t e r W i d e r s p r u c h des V e r m i e t e r s e n t f e r n t w o r d e n , so k a n n e r die H e r a u s g a b e z u m Z w e c k d e r Z u r ü c k s c h a f f u n g in d a s G r u n d s t ü c k und, w e n n d e r M i e t e r a u s g e z o g e n i s t , die Ü b e r l a s s u n g des B e s i t z e s v e r l a n g e n . Das P f a n d r e c h t e r l i s c h t m i t d e m A b l a u f eines M o n a t s , n a c h d e m d e r V e r m i e t e r von d e r E n t f e r n u n g d e r S a c h e n Kenntnis e r l a n g t h a t , wenn n i c h t d e r V e r m i e t e r diesen A n s p r u c h v o r h e r g e r i c h t l i c h geltend gemacht hat. E I 521 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 II 503; M 2 409, 410; P 2 2o8ff.

Anm. 1 1. S e l b s t h i l f e r e c h t . Auf Grund seines Pfandrechts hat der Vermieter zur Hinderung der Wegschaffung der dem Pfandrecht unterliegenden Sachen dem Mieter oder auch einem Dritten (außer dem Pfändungsgläubiger) gegenüber zunächst ein über die Befugnisse aus §§ 2 2 9 f r erheblich hinausgehendes S e l b s t h i l f e r e c h t (Sperr-Recht), auf Grund dessen er der Fortschaffung selbsttätig entgegentreten oder, wenn der Mieter auszieht, die Sachen in seinen Besitz nehmen kann. A n Stelle der Selbsthilfe kann der Vermieter beim Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen auch eine einstweilige Verfügung (nicht aber eine polizeiliche Regelung) beantragen. Übrigens kann auch dieses Sperr-Recht nur an den der P f ä n d u n g unterworfenen Sachen des Mieters (§ 559 Anm. 7, 8) ausgeübt und nicht durch Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter auf die von der Pfändung ausgeschlossenen Sachen ausgedehnt werden ( a M R G S t 35, 1 5 0 ; 37 S. 1 1 8 , 125). Schuldhafte Überschreitung der Grenzen seiner Befugnisse macht den Vermieter nach §§ 823 ff ersatzpflichtig. Sorgfaltspflicht des Vermieters in bezug auf die Lagerung rechtmäßig ausgeräumter Sachen des Mieters s. R G J W 1932, 42 4 . Anm. 2 2. K l a g e r e c h t a ) Nach geschehener Fortschaffung hat der Vermieter ein Selbsthilferecht nur nach §§ 229fr, wohl aber hat er ein K l a g e r e c h t auf H e r a u s g a b e gegen den Mieter oder gegen den dritten Besitzer, sofern dieser sich nicht als gutgläubiger Erwerber auf § 936 (vgl. §§ 1032 Satz 2, 1208) berufen kann; im Notfalle kann der Vermieter auch Arrest oder einstweilige Verfügung erwirken. Hat der Vermieter im Wege der Selbsthilfe oder 429

§ 561 A n m . 3—5

§ 562 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

sonst den Besitz der eingebrachten Sachen des Mieters erlangt, so steht er dem auf Rechtsgeschäft sich stützenden Faustpfandgläubiger (§§ 1215 fr) gleich. Wer eingebrachte Sachen eines Mieters erwirbt, kann unter Umständen zur Nachforschung nach Ansprüchen des Vermieters verpflichtet sein, vgl. § 936 Abs. 2 in Verbindung mit § 932 Abs. 2 (SeuffArch. 69 Nr. 5). Der Spediteur (Möbelfuhrmann), der im Auftrage des Mieters eingebrachte Sachen aus der Mietwohnung abholt und bei sich lagert, braucht sich aber in der Regel nicht nach dem Pfandrecht des Vermieters zu erkundigen ; Unterlassung der Erkundigung schließt daher den Erwerb eines Pfandrechtes im Vorrang vor dem des Vermieters nicht aus (OLG 33, 3 1 1 ) . Anm. 3 b) S t r a f b e s t i m m u n g gegen den Mieter, der zur Vereitelung des Pfandrechts die eingebrachten Sachen heimlich fortschafft, s. StGB § 289. Anm. 4 3. Die M o n a t s f r i s t des A b s . 2 Satz 2 a) Sie ist eine Ausschlußfrist — Berechnung §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 — und wird durch jede Art der gerichtlichen Geltendmachung gewahrt, auch durch ein Gesuch um Erlassung einer einstweiligen Verfügung (OLG 20, 189) und durch Widerspruch gegen eine die Entfernung der Pfandgegenstände bezweckende einstweilige Verfügung (OLG 27, 156). Sie gilt n i c h t im Falle der P f ä n d u n g durch einen andern Gläubiger des Mieters (s. § 563). Anm. 5 b) Unterläßt der Vermieter die gerichtliche Geltendmachung seines Pfandrechts, so verliert er damit nicht den E r s a t z a n s p r u c h a u s unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 ) gegen den Mieter und andere Personen, die für die Entfernung der Sachen verantwortlich sind, und es könnte sich nur fragen, ob in seiner Säumnis nicht ein nach §254 zu berücksichtigendes Mitverschulden liege (RG 98, 345; 119, 265). Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, z. B. gegen einen Gläubiger des Mieters, der die Pfandstücke weggeschafft und veräußert hat, kann gegeben sein (RG 119, 265).

§ 562 Der Mieter k a n n die G e l t e n d m a c h u n g d e s P f a n d r e c h t s des V e r m i e t e r s d u r c h Sicherheitsleistung a b w e n d e n ; er kann jede einzelne Sache dadurch v o n d e m Pfandrechte befreien, d a ß er in Höhe ihres Wertes Sicherheit leistet. E I 521 Abs. 4 II J04; M 2 407; P 2 2 0 9 C

Anm. i Zwingende Vorschrift. Für die Sicherheitsleistung sind §§ 232fr maßgebend; bei Wertpapieren nur Hinterlegung bei der zuständigen öffentlichen Hinterlegungsstelle (OLG 36, 61). Die Sicherheitsleistung entzieht dem Vermieter im Falle des ersten Halbsatzes nur die Geltendmachung des Pfandrechtes, im Falle des zweiten Halbsatzes auch das Pfandrecht an den einzelnen Sachen. Ist die Sicherheit in ausreichender Weise geleistet, so stellt sich eine trotzdem stattfindende Geltendmachung des dem Vermieter an sich nach § 561 Abs. 1 zustehenden Sperr-Rechts als unerlaubte Selbsthilfe dar. Anm. 2 Die Höhe der Sicherheit bestimmt sich in der Regel nach dem Betrage der Forderung des Vermieters, wenn aber der Wert der dem Pfandrecht unterliegenden Sachen geringer ist, nach diesem Werte.

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Miete

§ 563

A n m . 1—5

§ 563 Wird eine d e m Pfandrechte d e s V e r m i e t e r s unterliegende Sache für einen anderen Gläubiger gepfändet, so kann d i e s e m g e g e n ü b e r das P f a n d r e c h t nicht w e g e n des Mietzinses für eine frühere Zeit als das letzte J a h r vor der P f ä n d u n g geltend g e m a c h t w e r d e n . E I J 2 i A b s . j I I JOJ; M 2 4 0 7 ; P 2 2ooff.

Anm. 1 1. Verhältnis des Vermieterpfandrechts z u m P f ä n d u n g s p f a n d r e c h t e . Der Vermieter kann, auch wenn sein Pfandrecht dem später entstandenen eines Pfändungspfandgläubigers vorgeht, der Pfändung nicht widersprechen, da er nicht Besitzer der in den Mieträumen befindlichen Sachen des Mieters ist (ZPO § 805); es kann auch weder vom Vermieter noch von dem Pfändungspfandgläubiger der Anspruch erhoben werden, daß der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung ohne Einwilligung des Schuldners im Hinblick auf die Forderung des Vermieters weiter ausdehne, als zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers erforderlich ist (vgl. RG 51, 186). Der Vermieter kann vielmehr auf Grund seines fortbestehenden Pfandrechts nur den Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlöse der Pfandstücke geltend machen, jedoch wegen des Mietzinses nicht für eine f r ü h e r e Zeit als das letzte Jahr vor der Pfändung, während es im übrigen rücksichtlich des Mietzinses für das laufende und folgende J a h r (von der Geltendmachung des Vorzugsrechts ab) und rücksichtlich der Entschädigungsansprüche bei der Vorschrift des § 559 Satz 2 verbleibt. Wie § 559 Satz 2, so enthält auch § 563 keine Beschränkung des Pfandrechts auf Forderungen bestimmter Art, sondern schränkt nur seine Ausübung im einzelnen Falle ein (RG J W 1937, 613®). Anm. 2 2. Rechtsbehelfe des V e r m i e t e r s . Der Vermieter hat eintretendenfalls mit dem Antrage auf Hinterlegung des Erlöses und mit der Klage gegen den Pfändungsgläubiger zwar nicht innerhalb der — hier nicht anwendbaren (OLG 9, 2g8; I i , 3 1 1 ) — einmonatigen Frist des § 561, aber jedenfalls vor B e e n d i g u n g der Z w a n g s v o l l s t r e k k u n g , d. h. vor Auszahlung des Erlöses an den Pfändungsgläubiger, vorzugehen, da ihm sonst die Klage bei dem Vollstreckungsgericht oder dem vorgesetzten Landgerichte verlorengeht (RG 12, 370). Doch verbleibt in solchem Falle dem Vermieter immer noch die Bereicherungsklage (RG 119, 265; J W 1909, 42430), bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung seines Pfandrechtes auch ein Anspruch auf Schadensersatz (vgl. §823). Befindet sich dagegen der Vermieter im Besitze der eingebrachten Sachen des Mieters, so ist er zum Widerspruch gegen die Pfändung befugt (ZPO §§ 805, 809), auch nicht verpflichtet, die Sachen dem ihm nachstehenden Pfändungsgläubiger herauszugeben (§ 1232). Anm. 3 3. Erlöschen d e s P f a n d r e c h t s des Vermieters und damit auch seines Anspruchs auf vorzugsweise Befriedigung gegenüber dem Pfandgläubiger, wenn die gepfändeten Sachen vom Grundstück entfernt werden, s. § 560 Anm. 4. Anm. 4 4. Uber das Verhältnis z w i s c h e n Vermieterpfandrecht und P f ä n d u n g s pfandrecht, wenn der beiderseitige Schuldner die dem Vermieter haftenden und für den Gläubiger gepfändeten Sachen zunächst unter einer aufschiebenden Bedingung erworben hatte und diese Bedingung erst nach der Pfändung eingetreten ist: nachträgliches gleichzeitiges Inkrafttreten beider Pfandrechte und verhältnismäßige Verteilung des Pfanderlöses unter beide Gläubiger, s. RG 60, 70; vgl. auch R G 140, 225 und § 455 Anm. 27. Anm. 5 5. Konkurs des Mieters. Im Falle der Eröffnung des K o n k u r s e s über das Vermögen des M i e t e r s werden die Pfandgegenstände durch Besitzergreifung des Konkurs-

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§ 564 A n m . 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Verwalters der Einwirkung des Vermieters entzogen (KO § 127). Sein Pfandrecht verwandelt sich in ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus jenen Gegenständen (KO §§ 48, 49 Abs. 1 Nr. 2). Dieses Absonderungsrecht bedarf keiner besonderen Wahrung nach § 561 Abs. 2 (RG L Z 1914, 1045 22 ). Das Pfandrecht kann aber in Ansehung des Miet- oder Pachtzinses nicht geltend gemacht werden für eine frühere Zeit als das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens (vgl. RG 34, 100) und nicht in Ansehung des dem Vermieter oder Verpächter infolge der Kündigung des Verwalters entstehenden Entschädigungsanspruchs (KO § 19); dieser Beschränkung unterliegt jedoch nicht das Pfandrecht des Verpächters eines l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n G r u n d s t ü c k s in A n sehung des P a c h t z i n s e s (§585). Kündigt der im Vergleichsverfahren stehende Schuldner als Mieter oder Pächter nach § 51 Abs. 2 VerglO, so kann der Vermieter oder Verpächter wegen seines Schadensersatzanspruchs das ihn nach §§ 559, 581, 585 zustehende Pfandrecht nicht geltend machen (VerglO § 52 Abs. 2).

§ 564 Das Mietverhältnis endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen ist. Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jeder Teil das Mietverhältnis nach den Vorschriften des § 565 kündigen. E I 522 Abs. i, 2 II 506 Abs. 1, 2; M a 410, 413; P 2 214E

Anm. 1 1. Endigung des Mietverhältnisses durch Zeitablauf a) In Mietverträgen, die auf eine bestimmte Zeitdauer lauten, findet sich vielfach die Vereinbarung, daß, wenn nicht ein Teil eine bestimmte Zeit v o r d e m zun ä c h s t v e r e i n b a r t e n Ende der Mietzeit kündige, das Mietverhältnis sich um eine bestimmte Zeitdauer verlängere (vgl. § 2 Abs. 1 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s ) . Dabei handelt es sich aber nicht um eine Kündigung im gewöhnlichen Sinne, die ein Vertragsverhältnis lösen soll, vielmehr bedeutet die Vereinbarung nur, daß beim Unterbleiben der sog. Kündigung dem alten Mietverhältnisse ein neues unter den Bedingungen des alten folgen solle; die Kündigung ist hier nichts anderes als die Erklärung, daß die im Vertrag in Aussicht genommene Verlängerung des Mietverhältnisses abgelehnt werde (RG 86, 60; 97, 79; 107, 300; RG J W 1927, 577 3 ; RG 12. 12. 1923 V 905/22; L Z 1922, 5 6 1 1 ; HRR 1937 Nr. 999; O L G 42, 155; a M O L G 38, 92). Da aber die Vertragsteile sich schon im ursprünglichen Mietvertrage dahin gebunden haben, daß ihr Schweigen über einen bestimmten Zeitpunkt vor Ablauf des Mietverhältnisses hinaus als Einverständnis mit der Erneuerung des Mietverhältnisses gelten solle, so tritt diese Erneuerung beim Vorhandensein mehrerer Vermieter oder mehrerer Mieter nur dann nicht ein, wenn alle Vermieter oder alle Mieter die sog. Kündigung erklären (RG 97, 79; vgl. SeuffArch. 74 Nr. 132 und J W 1920, 10429). Anm. 2 b) Nach§ 2 des Ges. über die Auflockerung der Kündigungstermine (s. Abdruck hinter § 565 und § 565 Anm. 6) gilt ein für bestimmte Zeit eingegangenes Mietverhältnis über Wohnräume oder Geschäftsräume, die Bestandteile einer Wohnung sind, als auf unbekannte Zeit verlängert, wenn vereinbart ist, daß es sich mangels Kündigung jedesmal um einen kürzeren als einjährigen Zeitabschnitt verlängern soll, und nicht für das Ende der ursprünglichen Mietzeit gekündigt worden ist. Anm. 3 c) Uber das Verhältnis zwischen einer befristeten Kündigung und der Berechtigung des Mieters zu mehrjähriger Vertragsverlängerung, sog. Option, s. RG 92, 4 1 7 ; vgl. auch RG 161, 267. Ist nach dem Mietvertrage der Mieter berechtigt, „nach Ablauf des Vertrags" ihn um bestimmte Zeit zu verlängern, so muß, wenn nicht ein anderer Vertragswille klar erkennbar ist, die Optionserklärung v o r dem Ablaufe der u r s p r ü n g l i c h 432

Miete

§564

A n m . 4—7

f e s t g e s e t z t e n Vertragsdauer abgegeben werden; eine spätere Erklärung bleibt auch dann unzulässig, wenn das Mietverhältnis inzwischen durch Unterbleiben einer sog. Kündigung (s. oben) stillschweigend verlängert worden ist (RG 99, 154). Anm. 4 d) Uber die F o r t s e t z u n g eines für eine b e s t i m m t e Zeit eingegangenen Mietverhältnisses n a c h Ablauf der Mietzeit, wenn nicht der Mieter spätestens zu dem Zeitpunkte, zu dem nach § 565 eine für den Ablauf der Mietzeit zulässige Kündigung zu erfolgen haben würde, sich durch Erhebung der Aufhebungsklage auf die Beendigung des Mietverhältnisses beruft, s. MSchG § 1 Abs. 2. Ausgeschlossen ist nach dieser Vorschrift auch, daß der Vermieter ein ihm vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht gegen den Willen des Mieters ausübt. Das Mietverhältnis ist für den Zeitpunkt aufzuheben, an dem die vereinbarte Mietzeit ablaufen würde (MSchG § 5 Abs. 1). Ein Miet- oder Pachtverhältnis über Geschäftsräume oder gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke, das nach dem 26. 6. 1952 ablief, gilt als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht ein Vertragsteil es unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (für Miete G R M G § 6, für Pacht § 595, s. § 565 Anm. 2) auf den Zeitpunkt des Ablaufs kündigte ( G R M G §§ 20, 21 Abs. 1 Satz 1). Anm. 5 e) In gewissen gesetzlich vorgesehenen Fällen kann ein für bestimmte Zeitdauer eingegangenes Mietverhältnis durch K ü n d i g u n g m i t g e s e t z l i c h e r F r i s t v o r z e i t i g beendigt werden ( § 5 6 5 Abs. 4). Wegen der f r i s t l o s e n K ü n d i g u n g eines solchen Mietverhältnisses s. §§ 542, 544, 553, 554. Anm. 6 2 . B e s t i m m t e Zeit. Miete für eine genau begrenzte Kalenderzeit, aber nicht nur für eine solche, sondern z. B. auch für eine Messe, einen Jahrmarkt, eine Festlichkeit, oder: bis Ostern, Johannis, Michaelis, Weihnachten, Miete für ein Semester. Auslegung bei widerspruchsvoller Ausfüllung eines Mietvertragsformulars bezüglich der Vertragsdauer SeuffArch. 71 Nr. 137. Das Miet- oder Pachtverhältnis kann auch durch Angabe des Z w e c k e s für eine bestimmte Zeit eingegangen werden, z. B. bei Uberlassung eines Grundstücks zur Gewinnung von Quarzitsteinen, „solange brauchbare Steine darin vorhanden sind" ( R G J W 1909, 451 2 ), bei Überlassung eines Grundstücks zur Errichtung eines Anschlußgleises, solange als der Überlassende sein eigenes Anschlußgleis für den eigenen Betrieb benutzt (RG 23. 5. 1 9 1 9 I I I 5 1 0 / 1 8 ) . Dauer der Miete von Waggondecken s. O L G 38, 91. Für die Beurteilung der Frage, ob der Mietvertrag auf bestimmte Zeit geschlossen ist, kommt es auf den wirklichen Willen, nicht auf den Buchstaben an (§ 133). Ein Mietvertrag folgenden Inhalts z. B. über eine Familienwohnung: „1. Wohnung vermietet vom 1. Oktober 1907 bis 1. Oktober 1908; 2. Wohnung beiderseits für ein J a h r unkündbar, alsdann kann nur auf Zugtermine 1. April, 1. Juli, 1. Oktober gekündigt werden" — mußte als auf unbestimmte Zeit geschlossen angesehen werden; Nr. 1 enthält nichts als das Mindestmaß der Vertragsdauer, keineswegs die Vereinbarung eines Mietvertrags auf bestimmte Zeit, und von einer Beschränkung der Mietdauer durch den Vertragszweck kann hier überhaupt keine Rede sein (SeuffArch. 64 Nr. 164). Über vorzeitige Kündigung eines Vertrags auf Benutzung eines Anschlußgleises s. H R R 1935 Nr. 660. Vgl. auch § 723 Anm. Anm. 7 3 . Endigung des Mietverhältnisses d u r c h Kündigung. Dazu im allgemeinen M o l i t o r , Die Kündigung 1935; auch N e h m , Die kündbaren Rechtsverhältnisse im Schuldrecht 1934. a ) Über die rechtliche N a t u r der Kündigung s. § 542 Anm. 10, über ihre Wirkung § 553 Anm. 11, 12, über bedingte und verspätete Kündigung § 565 Anm. 11 ff. Auch eine an sich rechtzeitige Kündigung kann übrigens unter Umständen nach Treu und Glauben noch nachträglich hinfällig werden (RG 150, 232; s. unten). Unterschied zwischen der v o r z e i t i g e n Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist (§ 565 Abs. 4

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§ 564 A n m . 8—11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

und Anm. 9) und der a u ß e r o r d e n t l i c h e n Kündigung mit sofortiger Wirksamkeit (§§ 542, 544, 553, 554). Über die Zulässigkeit der Beschränkung der Kündigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses auf einen T e i l des Miet- oder Pachtgegenstandes s. § 543 Anm. 2. Anm. 8 b ) Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit regelmäßig nicht der A n g a b e eines G r u n d e s (vgl. M o l i t o r aaO S. 80), und es ist deshalb in der Regel auch die Angabe eines unrichtigen (oder nicht beweisbaren) Grundes unschädlich ( R G H R R 1934 Nr. 318). Die A n g a b e d e s K ü n d i g u n g s g r u n d e s kann aber nach Treu und Glauben (§ 242) unter Umständen, zumal bei der Wohnungsmiete aus dem Gedanken der Hausgemeinschaft (Vorbem. 31 vor § 535), geboten sein und wird insbesondere auf ausdrückliches Verlangen des gekündigten Mieters von dem kündigenden Vermieter nicht verweigert werden dürfen (vgl. auch § 626 Anm. und R G 142, 268 [274]). Das Recht der Kündigung ist, wie jedes Recht und jede Freiheit, pflichtgebunden (vgl. Vorbem. vor § 2 4 1 ; auch Vorbem. vor § 104). Die Kündigung einer Wohnung insbesondere durch den Vermieter, soweit sie trotz Mieterschutzes in Frage kommt (Vorbem. 55 vor § 535), darf, wenn sie dem Gedanken der Hausgemeinschaft wie dem Heimstättegedanken gerecht werden soll, auch nicht o h n e t r i f t i g e n G r u n d (nicht zu verwechseln mit dem wichtigen Grund der §§ 626, 723) geschehen, und Entsprechendes wird auch für die Miete von Geschäftsräumen als der Stätte und Grundlage wirtschaftlicher Betätigung zu verlangen sein (vgl. Vorbem. 31 vor § 535). Anders für ein Pachtverhältnis, bei dem allerdings, wie bei der Miete gewerblicher Räume, der Gedanke der Hausgemeinschaft nicht einschlägt, K G J W 1937, 2108 13 mit Anm. R o q u e t t e . Sofern nicht besondere Umstände die Anwendung des § 138 rechtfertigen, bleibt dem gekündigten Mieter der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (vgl. § 242 Anm. und K G aaO für ein Pachtverhältnis). Uber das Verhalten eines Vertragsteils im Rechtsstreit als Ausdruck des Kündigungswillens s. B G H L M Nr. 2 zu § 595 BGB. Anm. 9 c) Die nur eine unbillige M i e t z i n s e r h ö h u n g bezweckende Kündigung eines Vermieters ist wegen Sittenwidrigkeit (§ 138; DJ 1937, 1993; J W 1937, 124 46 ), die gegen das Verbot von Preiserhöhungen verstoßende ist nach § 134 nichtig (JW 1937, I 545 3 > 1 7 3 7 34 ; vgl. § 134 Anm). Ist in einem langjährigen Pachtvertrag der Pachtzins nach dem Umsatz des Pächters bemessen und dem Verpächter ein Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt, daß ein Jahreszins unter 3000 D M bleibt, zugleich aber bestimmt, daß der Pächter die Kündigung, auch eine schon erklärte, durch Zahlung des an 3000 D M fehlenden Betrages bis zu einem bestimmten Termin abwenden kann, so verstößt der Verpächter gegen Treu und Glauben, wenn er die Kündigung erst am letzten Tage erklärt; er muß dann eine spätere unverzügliche Nachzahlung als rechtzeitig gelten lassen ( R G 150, 232). A n m . 10 d) Die Kündigung kann auch a l s b a l d bei B e g i n n d e s M i e t v e r h ä l t n i s s e s erklärt werden. Wird ein Zeitpunkt, bis zu dem das Mietverhältnis endigen soll, bei der Kündigung nicht angegeben, so wirkt sie zum nächsten nach Gesetz oder Vertrag zulässigen Termin. A n m . 11 e) Die V e r p f l i c h t u n g d e s M i e t e r s e i n e r W o h n u n g , n a c h der K ü n d i g u n g d i e B e s i c h t i g u n g zu g e s t a t t e n , ist nach Treu und Glauben zu beurteilen (§§ 157, 242); der Vermieter darf sein Recht insbesondere nicht in schikanöser Weise, namentlich nicht zu unpassender Zeit, geltend machen. Verpflichtung des Mieters gegenüber dem Vermieter, der das Mietgrundstück zu veräußern beabsichtigt, die Mieträume durch Kauflustige besichtigen zu lassen, s. R G 106, 270. Dazu für den Fall der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung J W 1938, 1596 21 ; ferner § 11 des D e u t s c h e n Einheitsmietvertrags. 434

Miete

§564

Anm. 12—18

Anm. 12 f) Sind m e h r e r e V e r m i e t e r o d e r M i e t e r vorhanden, so muß die K ü n d i g u n g , sofern nicht der Mietvertrag selbst etwas anderes ergibt, von allen und an alle erklärt werden ( R G 97, 8 1 ; 1 3 8 , 183). F ü r Ehegatten s. auch § 14 Abs. 2 des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s . K ü n d i g u n g eines Pachtverhältnisses durch den K o n k u r s verwalter im Konkurse über das Vermögen eines Mitpächters s. R G H R R 1 9 3 3 N r . 1775-

Anm. 13 g ) Wegen des K ü n d i g u n g s s c h u t z e s bei der R a u m m i e t e , der L a n d p a c h t und der Kleingartenpacht s. V o r b e m . 5 5 f r vor § 535.

Anm. 14 4. Sonstige Beendigungsgründe a ) V e r e i n b a r u n g der Vertragsteile über die A u f h e b u n g des Miet- oder Pachtverhältnisses. U b e r die Stellung des Untermieters bei vereinbarter A u f h e b u n g des Hauptmietverhältnisses R o q u e t t e N J W 1 9 5 2 , 1 3 9 5 ; G r u n d ebenda 1 9 5 3 , 4 9 1 .

Anm. 15 b ) Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der M i e t e r E i g e n t u m o d e r N i e ß b r a u c h an der Mietsache erlangt ( R G 49, 2 8 5 ) ; Wegfall des Anspruchs des V e r pächters auf Pachtzinszahlung, wenn der Pächter das Eigentum a m Pachtgrundstück (durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren) erwirbt ( R G 10. 3. 1905 I I I 367/04)-

Anm. 16 c ) Bei Vermietung oder Verpachtung von G e b ä u d e n oder Grundstücksteilen, die dem D a u e r w o h n - o d e r D a u e r n u t z u n g s r e c h t unterliegen, durch den Berechtigten erlischt das Miet- oder Pachtverhältnis, wenn das Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht erlischt ( W E G § 37 Abs. 1, § 3 1 Abs. 3 ) ; anders bei V e r ä u ß e r u n g oder Heimfall des Rechts (§ 37 Abs. 2 und 3).

Anm. 17 d ) Dauernde (oder einer dauernden gleichzustellende) U n m ö g l i c h k e i t d e r G e w ä h r u n g d e s v e r t r a g s m ä ß i g e n G e b r a u c h s bringt das Vertragsverhältnis nach §§ 275, 3 2 3 Abs. 1 zum Erlöschen ( R G 146, 60; O G H H E Z 2, 245).

Anm. 18 e ) Erlöschen von Miet- und Pachtverhältnissen über R ä u m e i n k r i e g s b e s c h ä d i g t e n G e b ä u d e n : N a c h § 1 der V O v o m 28. 9. 1943 ( R G B l I 546) erlosch ein Mietoder Pachtverhältnis (aber nicht ein Untermiet- oder Unterpachtverhältnis) über R ä u m e in Gebäuden, die von einem Kriegssachschaden betroffen worden sind, wenn entweder das G e b ä u d e infolge des Kriegssachschadens zerstört w a r oder die M i e t r ä u m e infolge des Schadens nicht nur vorübergehend unbenutzbar geworden w a r e n und ihre Instandsetzung nicht innerhalb eines J a h r e s nach Eintritt des Schadens in A n g r i f f genommen worden war. Die hiernach bestehengebliebenen Miet- und Pachtverhältnisse über R ä u m e in kriegsbeschädigten G e b ä u d e n sind nach § 2 des Gesetzes über die Einwirkung von Kriegssachschäden a n G e b ä u d e n auf Miet- und Pachtverhältnisse v o m 4. 9. 1950 ( B G B l 447) mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (9. 9. 1950) erloschen, sofern nicht die R ä u m e bis zum 27. 4. 1 9 5 0 durch den Benutzungsberechtigten bezogen worden sind oder die Vertragsparteien zwischen d e m 20. 6. 1948 und dem g. 9. 1 9 5 0 einen auf den W i e d e r a u f b a u oder die Wiederherstellung bezüglichen V e r t r a g geschlossen haben, der die Festsetzung des Vertragsverhältnisses zur Voraussetzung hat, oder der Benutzungsberechtigte den W i e d e r a u f b a u oder die vollständige Wiederherstellung der R ä u m e erheblich gefördert h a t ; das Vertragsverhältnis ist in den beiden letzten Fällen gleichwohl mit dem 30. 6. 1 9 5 1 erloschen, soweit die R ä u m e nicht bis zu diesem Zeit-

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§ 5 6 4 A n m . 19, 20 1—3

§ 565 A n m .

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

punkte bezugsfertig geworden sind. In Streitfällen entscheiden die ordentlichen Gerichte. Wegen etwaiger Entschädigung des Benutzungsberechtigten und seines Freiwerdens von eingegangenen Verpflichtungen s. §§ 3 und 4 d. Ges. v. 9. 9. 1950. A n m . 19 f ) E i n t r i t t d e s G r u n d s t ü c k s e r w e r b e r s in die Rechte und Pflichten des Vermieters oder Verpächters eines Grundstückes s. § 5 7 1 . A n m . 20 g) Ein J a g d p a c h t v e r t r a g erlischt, wenn dem Pächter der Jagdschein entzogen oder nicht wieder erteilt wird (BundesjagdG § 13).

§ 565 Bei G r u n d s t ü c k e n ist die K ü n d i g u n g n u r f ü r den S c h l u ß eines K a l e n d e r v i e r t e l j a h r s z u l ä s s i g ; sie h a t s p ä t e s t e n s a m d r i t t e n W e r k t a g e des V i e r t e l j a h r s zu erfolgen. Ist d e r Mietzins n a c h M o n a t e n b e m e s s e n , so ist die K ü n d i g u n g n u r f ü r den Schluß eines K a l e n d e r m o n a t s zulässig; sie hat spätestens a m f ü n f z e h n t e n des M o n a t s zu e r f o l g e n . Ist der Mietzins n a c h W o c h e n b e m e s s e n , so ist die Kündigung n u r f ü r den S c h l u ß einer K a l e n d e r w o c h e zulässig; sie h a t spätestens a m ersten W e r k t a g e der Woche zu erfolgen. Bei beweglichen Sachen h a t die K ü n d i g u n g spätestens a m dritten Tage v o r d e m Tage zu erfolgen, an w e l c h e m das Mietverhältnis endigen soll. Ist der Mietzins f ü r ein G r u n d s t ü c k oder f ü r eine bewegliche Sache nach T a g e n b e m e s s e n , so ist die K ü n d i g u n g an j e d e m T a g e f ü r den folgenden Tag zulässig. D i e V o r s c h r i f t e n d e s A b s . 1 S a t z 1, A b s . 2 g e l t e n a u c h f ü r d i e F ä l l e , i n d e n e n das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werden kann. E I 522 Abs. 3—7 II 506 Abs. 3—6; M 2 411—413; P 2 214!?.

Anm. 1 1 . K ü n d i g u n g s f r i s t e n u n d - t e r m i n e . § 565 regelt für M i e t v e r h ä l t n i s s e die K ü n d i g u n g s f r i s t e n , d. h. die Fristen, die zwischen der Erklärung der Kündigung und der damit beabsichtigten Beendigung des Mietverhältnisses eingehalten werden müssen, und die K ü n d i g u n g s t e r m i n e , d. h. die Zeitpunkte, für die eine fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen werden darf. a ) Die g e s e t z l i c h e n K ü n d i g u n g s f r i s t e n u n d - t e r m i n e gelten für die (normale) Kündigung von Mietverhältnissen von unbestimmter Dauer (§ 564 Abs. 2), wenn die Vertragsteile hierüber nichts vereinbart haben, und für die Fälle, in denen ein Mietverhältnis (von bestimmter oder unbestimmter Dauer) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werden kann (§ 565 Abs. 4, s. Anm. 10). Anm. 2 b ) Für die M i e t e v o n W o h n r ä u m e n sind die g e s e t z l i c h e n K ü n d i g u n g s t e r m i n e (nicht die gesetzlichen Kündigungsfristen!) des § 565 geändert durch das Gesetz über die Auflockerung der Kündigungstermine bei Mietverhältnissen über Wohnräume vom 24. 3. 1938, R G B l I 306, abgedr. am Schlüsse dieses Paragraphen; s. hierzu auch Anm. 6. Anm. 3 c) I m Geltungsbereich des M i e t e r s c h u t z e s (Vorbem. 57 vor § 535) ist das Mietverhältnis grundsätzlich für den Zeitpunkt aufzuheben, für den eine zur Zeit der Klageerhebung erfolgende Kündigung nach dem Vertrag oder (beim Mangel einer Vertragsbestimmung) nach § 565 B G B oder dem Gesetz über die Auflockerung der Kündigungstermine zulässig sein würde ( M S c h G § 5 Abs. 1). 436

Miete

§565 A i u t i . 4—8

Anm. 4

d) Pachtverhältnisse über Grundstücke oder Rechte können nur für den Schluß eines Pachtjahres spätestens am ersten Werktage des halben Jahres, mit dessen Ablauf die Pacht endigen soll, gekündigt werden (§ 595 Abs. 1). Anm. 5 2. Grundstücke, Wohnräume und andere Räume in Gebäuden (§ 580). a) Bei ihnen ist die (normale) Kündigung von Mietverhältnissen von unbestimmter Dauer zulässig: aa) im Falle der Bemessung des Mietzinses nach Tagen a n j e d e m T a g e , also

auch (abweichend von § 193) an einem Sonntag oder allgemeinen Feiertag, und zwar für den folgenden T a g , d. h. für den S c h l u ß des folgenden Tages (§ 188 Abs. 1 ; vgl. auch oben: „ f ü r den Schluß eines Kalendermonats, einer Kalenderwoche". A . M . P l a n c k § 5 6 5 Anm. i a a ) ; b b ) im Falle der Bemessung des Mietzinses nach W o c h e n spätestens am 1. Werktage (Montag, unter Umständen Dienstag), und zwar für den Schluß einer Kalenderwoche, also Sonnabend, ferner im Falle der Bemessung des Mietzinses nach Monaten spätestens am fünfzehnten des Monats (mit Beachtung von § 193); und zwar für den Schluß eines Kalendermonats. Beide Bestimmungen gelten jedoch nicht, wenn der Mietzins nicht nach Wochen oder Monaten, sondern in anderer Weise (z. B. 1000 Deutsche Mark jährlich) b e m e s s e n und nur in Wochen- oder Monatszahlungen zu e n t r i c h t e n ist; vielmehr ist alsdann § 565 Abs. 1 Satz 1 anzuwenden ( R G 64, 270); c c ) in allen Fällen spätestens am dritten Werktage eines Kalendervieteljahrs, und zwar für den Schluß dieses Vierteljahrs.

Anm. 6 b) Nach

dem Auf lockerungsgesetz (§§ 1, 3) kann jedoch ein Mietverhältnis über W o h n r ä u m e (einschließlich von Geschäftsräumen, die Bestandteile einer Wohnung sind, aber nicht über Wohnräume, die sich an Geschäftsräume anschließen oder wegen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Geschäftsräumen zugleich mit solchen vermietet sind) f ü r d e n S c h l u ß j e d e s K a l e n d e r m o n a t s gekündigt werden, und zwar auch dann, wenn nach Vertrag oder Gesetz nur für den Schluß eines längeren kalendermäßigen Zeitabschnitts gekündigt werden könnte ( R e x r o t h , D J 1938, 495; P r i t s c h R e x r o t h , Mietrecht der Gegenwart, 2. Aufl. S. 6 f f ) .

Anm. 7 c) Dagegen dürfen Mietverhältnisse über Geschäftsräume (§ 2 Abs. 1, 2 G R M G ) oder unbebaute Grundstücke, die nach § 5 G R M G m i e t e r s c h u t z f r e i geworden

sind, sofern der Mietzins nach Monaten oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, nur f ü r d e n S c h l u ß e i n e s K a l e n d e r v i e r t e l j a h r s spätestens am 3. Werktage des Vierteljahrs gekündigt werden, auch wenn eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart worden ist ( G R M G §6). Wegen des Kündigungswiderrufs bei Geschäftsräumen s. Vorbem. 57 vor § 535.

Anm. 8 3. Bewegliche Sachen. Bei ihnen ist die a) im Falle der Bemessung des Mietzinses

Kündigung zulässig: nach Tagen (wie bei Grundstücken) an

jedem T a g e für den folgenden T a g ; b) in allen anderen Fällen (auch bei Bemessung des Mietzinses nach Monaten) spätestens am dritten T a g vor dem Tage, an welchem das Mietverhältnis endigen soll, z. B. am Montag für Donnerstag. Ist die Kündigungsfrist vertragsmäßig festgesetzt, so kann Anfang und Ende der Frist beliebig bestimmt, auch für den Vermieter und den Mieter verschieden festgesetzt sein (vgl. R G J W 1907, 705 6 ). In jedem Falle liegt dem, der die Vereinbarung einer anderen als der gesetzlichen Kündigungsfrist behauptet, die B e w e i s l a s t hierfür ob (RG 57, 50).

437

§ 565 A n m . 9—12

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 9 4. "Vorzeitige Kündigung m i t gesetzlicher Frist (Abs. 4). a) In diesen Fällen können gekündigt w e r d e n : aa) Mietverhältnisse über G r u n d s t ü c k e und R ä u m e in Gebäuden spätestens am 3. Werktage eines Kalendervierteljahrs für dessen Schluß, Mietverhältnisse über Wohnräume jedoch nach dem Auflockerungsgesetz (§ 1 Abs. 2) mit gleich langer Frist für den Schluß eines Kalendermonats, bb) Mietverhältnisse über b e w e g l i c h e S a c h e n spätestens am 3. Tage vor dem Tage, an dem das Mietverhältnis enden soll, cc) Pachtverhältnisse über Grundstücke oder Rechte für den Schluß eines Pachtjahres spätestens am ersten Werktage des halben Jahres, mit dessen Ablauf die Pacht endigen soll (§595 Abs. 2). A n m . 10 b) Solche Fälle vorzeitiger Kündigung sind: aa) die Kündigungen des Mieters nach § 549 Abs. 1 Satz 2 und § 570, des Vermieters und des Erben des Mieters oder Pächters nach § 569 (mit Einschränkungen durch MSchG § 19) und § 596 Abs. 2, des Eigentümers nach § 1056 Abs. 2, des Nacherben nach § 2135, bb) des Grundstückseigentümers nach E r b b a u V O § 30 Abs. 2 und 3, cc) des Erstehers in der Zwangsversteigerung (ZVG § 57 a mit § 183), des Erwerbers im Konkursverfahren ( K O § 21 Abs. 4) und des Erwerbers eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts bei dessen Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung (WEG § 37 Abs. 3 Satz 2, § 31 Abs. 3), dd) des Konkursverwalters und des Vermieters oder Verpächters nach K O § 19 (mit Einschränkung durch MSchG § 26), ee) des Schuldners im Vergleichsverfahren nach VerglO § 51 Abs. 2, ff) des Rückerstattungsberechtigten nach brit. M R G 59 Art. 34, amerik. M R G 59 Art. 42 (vgl. auch Vorbem. 58 zu k) vor § 535). Vgl. auch das Kündigungsrecht des Siedlungsunternehmens nach § 7 des Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes vom 4. 1. 1935 (RGBl I 1, Kündigungsfrist von einem Jahre!) — dazu O L G H a m m R d L 1954, 300 —, die ähnlichen Rechte des Siedlungsunternehmens oder der Siedlungsbehörde nach den Bodenreformvorschriften der einzelnen Länder und das Recht des Vermieters oder der Siedlungsbehörde, nach §§ 57> 58, 63 Abs. 4 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. 5. 1953 (BGBl I 201) idF vom 3. 8. 1954 (BGBl I 231) (s. Vorbem. 65 vor § 535) die vorzeitige Auflösung eines Miet- oder Nutzungsverhältnisses zu verlangen. A n m . 11 5. B e s o n d e r e Arten der Kündigung a) Eine verspätete Kündigung ist an sich unwirksam, kann aber für den nächsten zulässigen Termin — z. B. bei vierteljährlicher Kündigungsfrist die am 15. April für den i. Juli erklärte wenigstens für den 1. Oktober, nach dem Auflockerungsgesetz (Anm. 6) für den 1. August — wirksam werden, wenn eine hierauf gerichtete Absicht des Erklärenden aus dem Inhalte seiner Erklärung oder aus den Umständen entnommen werden kann (M 2, 413; RG 9. 5. 1908 I 329/07), insbesondere dahin, daß der Kündigende das Vertragsverhältnis auf alle Fälle lösen wolle (OLG 36, 64). Vgl. auch RG J W 1908, 270 4 ; § 723 Anm. A n m . 12 b) Eine bedingte Kündigung ist regelmäßig im vollen Umfang unwirksam, da gerade nach der Natur dieser Willenserklärung der Eintritt ihrer Wirksamkeit von vornherein feststehen muß und nicht von einem „zukünftigen ungewissen Ereignis" abhängig gemacht werden kann (RG WarnRspr. 1915 Nr. 103). Die Kündigungserklärung muß klar und bestimmt erkennen lassen, daß und zu welchem Zeitpunkt das Mietverhältnis aufgelöst sein soll (RG 22. 3. 1921 I I I 500/20; 1 5 . 4 . 1929 V I I I

438

Miete

§ 565 Anm. 13 KündAuflG

333/28). Dagegen kann das Recht zur Kündigung und damit ihre rechtliche Wirksamkeit von dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht werden, dessen Tatbestand noch nicht bei der (bestimmten, unbedingten) Erklärung der Kündigung, sondern erst zum Kündigungstermin vorzuliegen braucht. So R G 9 1 , 307 bei vierteljährlicher Kündigung für den Fall der Geschäftsaufgabe durch den Mieter; s. auch O G H 3, 250 (Vergangenheitsbedingung). Vgl. ferner über die Zulässigkeit einer bedingten Kündigung, wenn die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung v o m b l o ß e n W i l l e n des K ü n d i g u n g s e m p f ä n g e r s abhängig i s t , R A G 4, 14 ( 1 7 ) ; 14, 3 3 ( 4 1 ) ; SeufTArch. 57 Nr. 60; 62 Nr. 248; vgl. auch 74 Nr. 4 (Kündigung für den Fall, daß Vermieter nicht einen von der Polizeibehörde verlangten Nachweis erbringe). Wirksam ist eine Kündigung auch dann, wenn der Kündigende das Bestehen eines Mietverhältnisses bestreitet und für den Fall, daß ein solches angenommen werden sollte, kündigt ( R G 23. 1. 1923 I I I 274/22).

Anm. 13 c) Die Annahme einer bedingten Kündigung führt zu einem bedingten Vertrage über die Beendigung des Mietverhältnisses. Die Annahme einer verspäteten Kündigung macht diese wirksam. Vgl. § 5 5 3 Anm. 1 1 .

Gesetz über die Auflockerung der Kündigungstermine bei Mietverhältnissen über Wohnräume vom 24. 3. 1938 (RGBl I 306) §1 (1) Ein Mietverhältnis über Wohnräume, bei dem die Mietzeit nicht bestimmt ist oder das sonst auf unbestimmte Zeit läuft, kann auch dann für den Schluß jedes Kalendermonats gekündigt werden, wenn nach den vertraglichen oder den bisher maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen die Kündigung nur für den Schluß eines längeren kalendermäßigen Zeitabschnittes zulässig sein würde. § 566 Satz 2 Halbsatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt. (2) Die vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen über die Dauer der Kündigungsfrist bleiben unberührt. Müßte nach diesen Bestimmungen für den Schluß eines längeren als einmonatigen kalendermäßigen Zeitabschnittes spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres oder in einem vertraglich anders bestimmten Zeitpunkt gekündigt werden, so ist bei der Kündigung für den Schluß eines Kalendermonats eine gleich lange Frist einzuhalten. (3) Darf ein für bestimmte Zeit eingegangenes Mietverhältnis über Wohnräume unter Einhaltung einer Frist vorzeitig gekündigt werden, so sind Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 entsprechend anzuwenden. §2 Ist ein Mietverhältnis über Wohnräume für bestimmte Zeit eingegangen und ist vereinbart, daß es sich nach Ablauf der Mietzeit mangels Kündigung jedesmal um einen kürzeren als einjährigen Zeitabschnitt verlängern soll, so gilt es, wenn es nicht für das Ende der ursprünglichen Mietzeit gekündigt worden ist, von diesem Zeitpunkt ab als auf unbestimmte Zeit verlängert. §3 Die Vorschriften der §§ 1 und 2 gelten auch für Geschäftsräume, die Bestandteile einer Wohnung sind. Sie gelten nicht für Wohnräume, die sich an Geschäftsräume anschließen oder wegen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Geschäftsräumen zugleich mit solchen vermietet sind. §4 In den Fällen der §§ 1 und 22a Nr. 1 Abs. 2 des Reichsmietengesetzes und1) der §§ I n 2 ) und 5 des Mieterschutzgesetzes bestimmt sich der Zeitpunkt, für den oder in dem die Kündigung zulässig sein würde, auch nach diesem Gesetz, wenn das Mietverhältnis ihm unterliegt. §5 (1) Ist ein Mietverhältnis bereits beim Inkrafttreten dieses Gesetzes nach den bisher geltenden Vorschriften für den Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt, so behält es dabei sein Bewenden. r ) Gegenstandslos durch Aufhebung des Reichsmietengesetzes (§ 41 des 1. Bundesmietengesetzes vom 27. 7. 1955; BGBl I 458). 2 ) Jetzt § 1 Abs. 2 MSchG.

29

Komm. 2. BGB, i l . Aufl. II. Bd. (Pritsch)

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KündAuflG Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 566 Anm. 1, 2 (2) Stehen Räume, die durch dieses Gesetz betroffen werden, unter Mieterschutz und ist beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits die Aufhefcungsklage erhoben oder das gerichtliche Kündigungsschreiben zugestellt, so bestimmt sich der Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nach den bisher geltenden Vorschriften. §6

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1938 in Kraft. (2) (gegenstandslos).

§ 566 Ein Mietvertrag über ein Grundstück, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, bedarf der schriftlichen Form. Wird die Form nicht beobachtet, so gilt der Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen; die Kündigung ist jedoch nicht für eine frühere Zeit als für den Schluß des ersten Jahres zulässig. E II

J07

III

559;

P

2 147, 15g,

178.

Anm. 1 1. Schriftliche Form des Mietvertrags a) Die Vorschrift betrifft Mietverträge, gemäß § 581 Abs. 2 auch Pachtverträge, über Grundstücke, Wohnräume und andere Räume in Gebäuden (§ 580), nicht aber Pachtverträge über R e c h t e , die Gebrauch und Fruchtgenuß gestatten, doch können solche Pachtverträge auf Grund anderer Vorschriften der Schriftform bedürfen (Vorbem. 22 vor § 535, § 581 Anm. 7). Sie ist, weil mit Rücksicht auf einen etwaigen späteren Erwerber des Grundstücks aufgenommen, z w i n g e n d e n R e c h t e s (Prot 2, 150) und enthält eine Ausnahme von der Regel, wonach mündliche Form beim Mietvertrage genügt, läßt jedoch als W i r k u n g des F o r m m a n g e l s nicht Nichtigkeit, sondern n u r b e s c h r ä n k t e D a u e r des M i e t v e r t r a g s eintreten (s. jedoch Anm. 10). Ein Mietvertrag auf ein J a h r mit automatischer Verlängerung im Falle der Nichtkündigung unterliegt auch der Form des § 566 (RG H R R 1933 Nr. 873). Die Vorschrift bezieht sich nicht nur auf den ursprünglichen Abschluß, sondern auch auf die spätere Abänderung und Verlängerung von Mietverträgen (RG 5 1 , 1 8 1 ; 105, 60; R G J W 1929, 322Ö 3 ). Dagegen braucht die A u f h e b u n g eines solchen Vertrags, auch wenn er schriftlich abgeschlossen worden ist, n i c h t in schriftlicher Form stattzufinden, da diese Form nur für den A b s c h l u ß des Vertrags vorgeschrieben ist. Anm. 2 b ) Jeder wesentliche Punkt des Mietvertrags muß schriftlich vereinbart werden ( R G 105, 289; 1 1 8 , 1 0 5 ; 123, 1 7 1 ; R G H R R 1931 Nr. 403; B G H N J W 1954, 425). Angaben über die Höhe des Umsatzes, insbesondere bei Verpachtung einer Gastwirtschaft, als Zusicherung einer Eigenschaft s. R G J W 1937, Ö752. Mündliche Nebenabreden sind damit nicht ausgeschlossen ( R G 1 9 1 1 , 94 1 6 ; R G L Z 1916, 1293 9 ; O L G 20 S. 1 1 3 , 1 1 5 ; B G H N J W 1954, 425), unter Umständen sogar dann nicht, wenn nach dem schriftlichen Vertrag Änderungen und Zusätze nur bei schriftlicher Abfassung gelten sollen ( R G 95, 1 7 5 ; s. auch R G SeufFArch. 77 Nr. 1 1 3 ) . Werden aber (im Sinne der Vertragsteile) w e s e n t l i c h e Punkte (z. B. die Mietzeit) nur mündlich vereinbart oder wird mündlich etwas anderes vereinbart, als schriftlich niedergelegt, dann muß der g a n z e Mietvertrag als der gesetzlichen Form entbehrend angesehen werden ( R G 1 1 8 , 105; 123, 1 7 1 ; R G J W . 1906, 34s 5 ; 1 9 1 1 , 94 1 5 ; R G 2 5 . 9 . 1923 I I I 822/22; B G H N J W 1954, 425). Haben die Parteien in einem schriftlichen Pachtvertrage eine prozentuale Gewinnbeteiligung des Verpächters, mindestens jedoch einen festbestimmten Jahresbetrag als Pachtzins vereinbart und m ü n d l i c h verabredet, daß bei Nichtgenehmigung der Gewinnbeteiligung durch die Preisbehörde der feste Betrag als Pachtzins zu zahlen sei, so entbehrt der Vertrag der Schriftform, wenn die Preisbehörde den höchstzulässigen Pachtzins auf den festen Betrag festsetzt, die Gewinnbeteiligung aber nicht genehmigt ( B G H L M Nr. 2 zu § 566). 440

Miete

§566 A n m . 3—5

Anm. 3 c) Dasselbe gilt f ü r nachträgliche Ä n d e r u n g e n durch m ü n d l i c h e Vereinbarung (RG 118, 105; 123, 171; RG H R R 1931 Nr. 403; SeuffArch. 65 Nr. 183); so z. B. auch für die nachträgliche Festsetzung der Vertragsdauer nach einem Ereignis, von dem unsicher ist, ob es bis zum Ablauf eines Jahres eintreten wird (vgl. O L G 40, 313). Keine Änderung des Vertrags, sondern nur die Bestimmung seines richtigen Inhalts bedeutete die infolge der Geldentwertung notwendig gewordene Umrechnung des Entgelts; daher bedurfte auch eine in den Jahren 1921 und 1923 erfolgte Ersetzung des Geldpachtzinses durch einen Roggen- oder Roggenwertzins nicht der Schriftform (RG WarnRspr. 1936 Nr. 155). Rechtsgültig ist eine mündliche Abrede neben dem schriftlichen Vertrage, wenn es sich dabei nur um die Erläuterung und Auslegung einer Bestimmung des schriftlichen Vertrags handelt (RG n . 12. 1908 I I I 89/08). M a n g e l s B e o b a c h t u n g d e r S c h r i f t f o r m für die Änderung wird nunmehr der u r s p r ü n g l i c h e , langfristige Vertrag zu e i n e m f ü r u n b e s t i m m t e Z e i t g e s c h l o s s e n e n (RG 118, 105). Nur der ganze (geänderte) Mietvertrag, nicht etwa die formlose Änderung für sich allein, unterliegt dann auch der Kündigung für den Schluß des ersten Jahres (RG J W 1929, 3224 2 ; R G H R R 1937 Nr. 796). Immer aber muß es sich um Abreden handeln, die einen B e s t a n d t e i l des Mietvertrags bilden sollen; die Vereinbarung einer einmaligen Leistung, die ausschließlich die Bereitwilligkeit zum Abschluß oder zur Verlängerung eines Mietvertrags abgelten soll, unterliegt nicht dem Formzwang des § 566 (RG 123, 171). Die Formgültigkeit des schriftlichen Mietvertrags wird auch nicht berührt durch formlose Vereinbarungen über Rücknahme einer Kündigung oder über vergleichsweise Regelung von Mietzinsrückständen ( H R R 1934 Nr. 1014). Uber vertragliche Änderungen des Mietvertrags s. auch R o q u e t t e J W 1938, 152. Anm. 4 d) Wesentlich ist auch die Bezeichnung derer, die m a t e r i e l l das G e s c h ä f t schließen. I m Fall einer Vollmacht muß also der Vertretene bezeichnet werden. Entscheidend ist dabei aber, ob für die Vertragsparteien, nicht, ob auch für Dritte das Geschriebene den gewollten Sinn ausreichend deutlich ergibt. Denn es handelt sich u m eine Willenserklärung der Vertragschließenden, bei deren Auslegung gemäß § 133 ihr wirklicher Wille zu erforschen ist. Die Schriftform hat hier nicht den Zweck, alle Beweisschwierigkeiten zu beseitigen und die Urkunde als ein für sich stehendes Gebilde von dem Willen der Parteien, aus dem sie heraus entstanden ist, loszulösen, sondern die Schriftform hilft nur der Führung des Beweises für den wirklichen Willen der Parteien zur Zeit des Vertragsabschlusses (RG 80, 400). Sind mehrere gesamtberechtigte Vertreter vorhanden, so genügt die Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch einen dieser Vertreter, während alles übrige Sache der formfreien Zustimmung ist (RG 81, 337). Der Schriftform ist ferner genügt, wenn in einem schriftlich abgeschlossenen Mietvertrage der Vermieter gestattet, daß für den Mieter ein Dritter in den Vertrag eintrete, und daraufhin ein schriftlicher Vertrag des letzteren Inhalts nur zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossen wird (RG Gruchot 57, 424; RG J W 1924, 798®; s. auch H R R 1930 Nr. 1315). Anm. 5 e) Ein Vorvertrag über die Verpflichtung zum Abschlüsse eines Mietvertrags für längere Zeit als ein J a h r bedarf nicht der Schriftform (RG 86, 30; RG J W 1922, 285 2 ; •959) 3226'; B G H L M Nr. 1 zu §566 BGB) und kann deshalb auch jederzeit durch mündliche Vereinbarungen geändert und ergänzt werden (RG 13. 2. 1917 I I I 386/16). Im übrigen bestimmt sich seine Wirksamkeit nach den allgemeinen Vorschriften. Der Vorvertrag auf Abschluß eines der Preisstopverordnung widersprechenden Mietvertrages ist aber nicht nichtig, sondern zu dem erlaubten Mietzins wirksam (KG J W 1938, 13918; vgl. § 134 Anm.). Nicht formbedürftig ist eine Vereinbarung, wonach sich der Mieter zur Erneuerung eines Mietvertrags verpflichtet (RG WarnRspr. 1919 Nr. 163) oder der Erwerber des Mietgrundstücks auf das nach § 571 vom Vermieter auf ihn übergehende Recht der Kündigung für länger als ein J a h r verzichtet (RG 103, 381). »9*

441

§ 566

Schuld Verhältnisse. Einzelne Scbuldverhältnisse

A n m . 6—10 Anm. 6 f ) Der mündlich abgeschlossene Miet- oder Pachtvertrag für längere Zeit als ein J a h r gibt für sich allein k e i n e n A n s p r u c h a u f E r f ü l l u n g d e r nach §§ 566, 581 Abs. 2 notwendigen S c h r i f t f o r m ( R G 97, 219). § 566 steht aber auch nicht der Wirksamkeit einer neben einem mündlichen Mietvertrage, sei es gleichzeitig mit ihm oder später, getroffenen Abrede schriftlicher Beurkundung entgegen ( R G 104, 1 3 1 ; 1 4 1 , 3 7 3 ; R G J W 1938, 1247 1 4 ). Nichtanwendung des § 566 auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung s. § 549 Anm. 2.

Anm. 7 g ) Ist die Vereinbarung einer Miete auf mehr als ein J a h r w e s e n t l i c h e r B e s t a n d t e i l e i n e s G r u n d s t ü c k s v e r ä u ß e r u n g s v e r t r a g s , so teilt sie das rechtliche Schicksal dieses Hauptvertrags; sie bedarf daher nicht der Form des § 566, wohl aber der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung nach § 3 1 3 , deren Mangel durch nachfolgende Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch geheilt wird ( R G 103, 3 8 1 ; vgl. 97, 2 1 9 und O L G 45, 183).

Anm. 8 2 . W e s e n d e r S c h r i f t f o r m . S. hierüber § 126 und R G 59, 245; 80, 400; J W 1924, 796 1 ; Gruchot 69, 76; auch H R R 1935 Nr. 1 4 5 1 . Niederschrift des vor einem Schiedsgericht geschlossenen Vergleichs ersetzt die Form des § 566 ( R G J W 1937, 1 7 0 1 2 ) . Briefwechsel (§ 127) genügt nicht ( R G 95, 83; WarnRspr. 1 9 1 9 Nr. 1 6 3 ; 1 9 3 1 Nr. 1 9 3 ; s. auch SeuffArch. 60 Nr. 109); auch nicht die schriftliche Einverständniserklärung des einen Vertragsteils auf dem schriftlichen Vertragsantrag des andern Teiles ( R G 105, 60). Formlose Bestätigung kann den Formmangel nicht heilen, auch wenn es sich u m Erklärungen der Beteiligten im Prozeß handelt ( R G WarnRspr. 1 9 3 1 Nr. 193). Mitteilung des Inhalts eines als Ergebnis eines Briefwechsels zustandegekommenen Vergleichs an das Prozeßgericht als Erfüllung der Form des § 566 s. R G 137, 218.

Anm. 9 3. Gültigkeit des V e r t r a g s f ü r unbestimmte Zeit. S. hierüber § 564 Abs. 2.

Für die alsdann eintretende Kündigung kommt die Kündigungsfrist des für länger als ein J a h r abgeschlossenen mündlichen Vertrags jedenfalls dann nicht zur Anwendung, wenn sie länger als die gesetzliche ist ( R G 59, 245). § 566 enthält eine Ausnahme gegenüber §§ 125, 139. Satz 2 des § 566 — nicht § 139 mit der Folge der Nichtigkeit des ganzen Vertrags, auch nicht § 1 5 5 — ist daher auch dann anzuwenden, wenn die U m stände erkennen lassen, daß die Parteien einen Mietvertrag auf ein J a h r oder auf unbestimmte Zeit nicht geschlossen haben würden ( R G 86, 30; R G J W 1929, 3 1 8 1 , 3226®; R G WarnRspr. 1909 Nr. 82, ferner O L G 33, 3 1 4 ; SeuffArch. 61 Nr. 199 I I ; 65 Nr. 1 8 3 ; a M SeuffArch. 61 Nr. 199 I und O L G 9, 302 für Fälle steigenden Mietzinses; vgl. auch R G J W 1907, 166 3 und O L G 40, 3 1 3 ) . Die gesetzliche Folge der Nichtbeobachtung der Form — Geltung des Vertrags für unbestimmte Zeit — kann ferner n i c h t d u r c h V e r e i n b a r u n g a u s g e s c h l o s s e n o d e r i n h a l t l i c h a b g e ä n d e r t werden (s. auch oben Anm. 1), und es ist auch in der Berufung auf die Formvorschrift in der Regel ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht zu finden ( R G WarnRspr. 1 9 1 7 Nr. 174), es müßte denn sein, daß derjenige, der sich auf den Mangel der Schriftform beruft, diesen Mangel selbst veranlaßt, z. B. in der Absicht, sich später auf den Formmangel zu berufen, die Abfassung eines formgerechten Vertrags verhindert oder auch nur ohne solche Absicht beim Vertragsschluß die Form für unnötig erklärt hat ( R G 96, 3 1 3 ; 1 5 3 , 59; 157, 207; 169, 65; 170, 203; s. auch R G Gruchot 52, 1045 und R G SeuffArch. 77 Nr. 1 1 4 ; O G H 1, 2 1 7 ) .

A n m . 10 4. Z u l ä s s i g k e i t d e r K ü n d i g u n g n i c h t f ü r e i n e f r ü h e r e Z e i t a l s d e n S c h l u ß d e s e r s t e n J a h r e s , d. h. des ersten nach dem Vertrage laufenden Mietjahrs. Der Vertrag ist also nicht, wie in § 269 A L R I 21 vorgeschrieben war, von Anfang an nur auf ein J a h r gültig, sondern erlangt diese beschränkte Dauer nur, wenn rechtzeitig für den

442

Miete

§ 566 A n m . 1 1 § 567 A n m . 1, 2

Schluß des ersten Mietjahrs gekündigt wird. Ergeht solche Kündigung nicht, so bleibt der Vertrag weiter als ein auf unbestimmte Zeit geschlossener, nach § 565 zu kündigender bestehen. I m übrigen kann die Kündigung auch schon unter Beobachtung der Vorschrift in § 565 Abs. 1 Satz 1 vor Ablauf des ersten Jahres für dessen Schluß erklärt werden ( R G 28. 5. 1907 I I I 452/06). Das G e s e t z ü b e r d i e A u f l o c k e r u n g d e r K ü n d i g u n g s t e r m i n e b e i M i e t v e r h ä l t n i s s e n ü b e r W o h n r ä u m e (s. hinter § 565) läßt die Vorschrift in § 566 Satz 2 Halbsatz 2 u n b e r ü h r t (§ 1 Abs. 1 Satz 2).

Anm. 11 5. W a r d i e S c h r i f t f o r m v e r a b r e d e t , so ist § 566 nicht anzuwenden, vielmehr gelten bei deren Unterlassung § 125 Satz 2, § 154 Abs. 2; es ist also im Zweifel Nichtigkeit oder Nichtvollendung des Vertragsabschlusses anzunehmen ( R G J W 1908 S. 105 9 , 446"; 1 9 1 2 , 389"; R G WarnRspr. 1909 Nr. 82; R G L Z 1 9 1 6 , 1293 9 ; O L G 33, 3 1 2 , 3 1 3 ; 39, 176). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn nach der Vereinbarung eine Partei den schriftlichen Mietvertrag binnen bestimmter Frist unterschreiben sollte, aber erst nach Ablauf dieser Frist unterschrieben hat ( R G Gruchot 52, 927).

§567 Wird ein Mietvertrag für eine längere Zeit als dreißig Jahre geschlossen, so kann nach dreißig Jahren jeder Teil das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung ist unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters geschlossen ist. E I 523 II 508; M a 413; P 2 217.

Anm. 1 1. Für längere Zeit als dreißig Jahre a ) Diese Voraussetzung trifft auch dann zu, wenn bei einem auf unbestimmte Zeit oder für länger als 30 J a h r e abgeschlossenen Mietvertrage für beide Teile oder für einen Teil die Kündigung ausgeschlossen ist. Eine solche Bestimmung ist unwirksam; der Vertrag selbst bleibt aber bestehen und ist nach § 567 kündbar ( B G H L M Nr. 2 zu § 581 B G B ) . Auch ein „ a u f immer" geschlossener Mietvertrag gehört hierher ( R G H R R 1931 Nr. 584). § 567 greift aber nicht Platz, wenn nach dem Vertrage beiden Parteien unbenommen bleibt, mit gesetzlicher Frist zu kündigen, und nur die kündigende Partei der andern zu einer Entschädigung verpflichtet ist, die an sich nicht unmöglich ist, auch keine übermäßige wirtschaftliche Erschwerung für den Kündigenden enthält, also nicht auf eine U m g e h u n g des § 567 hinausläuft ( R G 73, 3 4 1 ) . Gleichgültig ist, ob die Bindung über dreißig J a h r e hinaus von vornherein abschließend bestimmt oder in die Hand der einen Partei gegeben ist. Die Vorschrift des § 567 trifft daher auch einen Mietvertrag, der zwar nur auf dreißig J a h r e geschlossen ist, aber kraft eines dem Mieter zugestandenen Optionsrechts von diesem um weitere dreißig J a h r e verlängert werden kann ( R G 130, 143). Keine Zusammenrechnung der Fristen mehrerer Verträge, wenn kein Z w a n g zum Abschluß der späteren Verträge bestand ( R G 165, 22).

Anm. 2 b ) Mietverträge, die für mehr als dreißig J a h r e oder für unbestimmte Zeit abgeschlossen sind, sind an sich gültig und erhalten nur kraft Gesetzes einen geänderten Inhalt ( R G 130, 1 4 3 ; R G WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 1 6 7 ) ; dies gilt auch für Vorverträge ( R G 27. 6. 1927 V 16/27). Unwirksam ist eine Bestimmung in einem für längere Zeit als 30 J a h r e geschlossenen Pachtvertrage, der das Recht ausschließt, ihn nach 30 J a h r e n zu kündigen ( B G H L M Nr. 2 zu § 5 8 1 ) . Mietverträge dieser Art können aber auch (was nach dem Vertragsinhalt und den Umständen des Falles zu prüfen ist) den guten Sitten zuwiderlaufen und deshalb nichtig sein (§ 138). Der Umstand allein, daß die Kündigung des Vermieters dauernd ausgeschlossen sein soll, macht aber den Mietvertrag noch nicht sittenwidrig ( R G Gruchot 59, 469). Entsprechende Anwendung des

443

§ 567 A n m . 3, 4 § 568 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 567 bei einer der Zeitdauer nach nicht bestimmten unentgeltlichen Überlassung des Besitzes und Genusses eines Grundstücks, z. B. zum Zwecke der Ausstattung eines Kindes ( R G

13. 12. 1916 V

262/16).

Anm. 3 2. Die Zulässigkeit der Kündigung nach dreißig Jahren soll im wesentlichen die Erbmiete und ähnliche Verhältnisse ausschließen, enthält mithin zwingendes Recht (RG 66, 216). Die Vorschrift ist nach § 581 Abs. 2 auf Pachtverträge (dazu R G WarnRspr. 1915 Nr. 167) und nach ihrem Sinn und Zweck auch auf miet- oder pachtähnliche Vertragsverhältnisse anzuwenden ( R G 121, 11). Auf die vor dem 1. 1. 1900 begründeten Miet- und Pachtverhältnisse ist sie nicht (auch nicht entsprechend) anwendbar ( R G 66, 216; 95, 108; R G J W 1932, 29831»).

K ü n d i g u n g s f r i s t und K ü n d i g u n g s t e r m i n s. § 565 Anm. 9. Anm. 4 3. Die Vorschrift des Satz 2 gilt nicht für juristische Personen.

§ 568 W i r d nach dem Ablaufe der Mietzeit der Gebrauch der Sache von dem Mieter fortgesetzt, so gilt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der Vermieter oder der Mieter seinen entgegenstehenden Willen binnen einer Frist von zwei Wochen dem anderen Teile gegenüber erklärt. Die Frist beginnt für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in welchem er von der Fortsetzung Kenntnis erlangt. E n

509; M 2 413fr,; M 2 4 i j f f ; P 2 2 1 7 f r .

Anm. 1 1. Die stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses, genauer die Fiktion einer solchen Verlängerung ( R G WarnRspr. 1925 Nr. 23), kann sowohl bei Ablauf der im voraus bestimmten Vertragsdauer als auch bei der durch K ü n d i g u n g herbeigeführten Beendigung des Mietverhältnisses eintreten ( M 2, 413; O L G 7, 18). Sie geschieht bei unterbleibendem Widerspruch auf unbestimmte Zeit, setzt aber Geschäftsfähigkeit der Mietparteien voraus. Für die Kündigung des verlängerten Mietverhältnisses gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 564 Abs. 2, § 565, dazu das Auflockerungsgesetz (s. hinter § 565), nicht eine vertragliche Kündigungsfrist, es müßte denn sein, daß gerade für eine solche Verlängerung besondere Vereinbarungen getroffen sind oder werden ( R A G 15, 281 [284]). Das ursprüngliche Vertragsverhältnis, insbesondere das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters ( O L G 4, 42), bleibt also — abgesehen von der Zeitdauer — fortbestehen. Die Vorschrift des § 568 findet keine Anwendung, wenn von vornherein feststeht, daß beide Parteien eine Änderung des alten Vertrages wollen ( R A G H R R 1931 Nr. 311; s. auch R G WarnRspr. 1936 Nr. 140), ferner nicht, wenn ein Urteil auf Aufhebung des Mietverhältnisses ergangen ist ( L G Oldenburg JBL Oldenburg 1947, 18). Für den Geltungsbereich des Mieterschutzes gilt § 1 Abs. 2 MSchG (Fortsetzung eines für bestimmte Zeit eingegangenen Mietverhältnisses nach Ablauf der Mietzeit, wenn nicht ein Vertragsteil sich auf die Beendigung beruft). Anm. 2 2. Als eine der Verlängerung des bisherigen Mietverhältnisses entgegenstehende Willenserklärung ist auch die Forderung eines höheren Mietzinses durch den Vermieter anzusehen (RG WarnRspr. 1936 Nr. 140; O L G 36, 65 = SeufFArch. 73 Nr. 9). Für die Entschädigung des Vermieters bei Nichtrückgabe der gemieteten Sache ohne stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses gilt § 557.

444

Miete

§ 568 A n m . 3 § 569 A n m . 1 — 4

Anm. 3 3. Hiernach trifft die sich auf die Verlängerung berufende Partei die Beweislast dafür, daß nach dem Ablaufe der Mietzeit der Gebrauch vom Mieter fortgesetzt worden sei. G e g e n b e w e i s des widersprechenden Mieters dahin, daß er vor Ablauf von zwei Wochen, von der Fortsetzung ab, widersprochen habe, Gegenbeweis des widersprechenden Vermieters dahin, daß er binnen zwei Wochen nach erlangter Kenntnis, deren Zeitpunkt er ebenfalls darzutun hat, widersprochen habe.

§ 569 Stirbt der Mieter, so ist sowohl der Erbe als der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist. E I J26 II 510; M 2 416; P 2 218ff, 251.

Anm. 1 1. Die §§ 569, 570 behandeln neben den §§ 549, 567 zwei weitere Fälle der vorzeitigen Kündigung mit gesetzlicher Frist. a) Die Vorschriften des § 569 sind nicht zwingend, können vielmehr durch Vereinbarung der den Mietvertrag abschließenden Parteien ausgeschlossen oder inhaltlich geändert werden (RG 74, 35). Die Einschränkung oder Ausschließung des Kündigungsrechts aus § 569 gehört aber zu den bei Aufstellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s (Vorbem. 29 zu aa) vor § 535) ausdrücklich „gemißbilligten Klauseln". § 569 gilt auch für P a c h t v e r h ä l t n i s s e ; jedoch kann der Verpächternicht kündigen (§ 596 Abs. a). Anm. 2 b ) N a c h MSchG § 19 bleibt das im §569 vorgesehene Kündigungsrecht unberührt; es wird sogar entgegenstehenden Bestimmungen des Mietvertrags die Wirksamkeit entzogen, die sie nach den Grundsätzen des B G B (s. oben) haben würden. Jedoch kann der Vermieter nicht kündigen, wenn der Erbe ein Familienangehöriger des Mieters ist und beim Tode des Mieters zu dessen Hausstand gehört hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist den Familienangehörigen gegenüber die Kündigung nicht zulässig, wenn sie beim Tode des Mieters zu seinem Hausstande gehört haben; sie treten dann an Stelle des Erben in die Rechte und Pflichten des Mieters ein (vgl. hierzu L G Bonn M D R 1949, 684 mit Anm. B e t t e r m a n n ) . Dies gilt nicht für Mietverhältnisse, die sich auf Geschäftsräume oder gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke beziehen, doch kann hier der Vermieter nicht kündigen, wenn der Erbe das Geschäft fortführt. Haben Ehegatten gemeinschaftlich gemietet und stirbt einer von ihnen, so kann der andere das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, auch wenn etwas anderes vereinbart ist. Anm. 3 c) Die i n § 27 H G B enthaltene Regelung der Erbenhaftung läßt das Kündigungsrecht des Mieterben nach § 569 unberührt (RG 130, 52). Anm. 4 2. Kündigungsrecht beim Tode des Mieters (auch durch Selbstmord und bei Todeserklärung). a) Es kommt sowohl bei beweglichen als bei unbeweglichen Sachen zur Anwendung ( O L G 7, 464) und ist namentlich dann von Bedeutung, wenn die auf einen bestimmten Zeitraum vereinbarte Dauer des Mietverhältnisses oder die vereinbarte Kündigungsfrist l ä n g e r als die gesetzliche Kündigungsfrist ist, die im Falle des § 569 an die Stelle der vereinbarten tritt. Sind m e h r e r e M i t e r b e n vorhanden, so muß die Kündigung von allen oder an alle erklärt werden. Gegebenenfalls ist der Testamentsvollstrecker (Nachlaßverwalter, Nachlaßkonkursverwalter), nicht der Erbe zur Kündigung berechtigt ( § 2 2 1 1 ; R G 74, 35).

445

§ 569 A n m . 5—7 § 570 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 5 b ) H a b e n m e h r e r e z u s a m m e n g e m i e t e t , z.B. die Ehefrau mit dem Ehemann oder mehrere an einem Erwerbsgeschäft beteiligte Personen, so ist aus der Einheit und Unteilbarkeit des Mietverhältnisses nicht zu folgern, daß beim Tode des einen Mieters eine Kündigung nach § 569 ausgeschlossen sei. Vielmehr ist nach den Umständen des Falles unter Beachtung des dem § 569 zugrunde liegenden Rechtsgedankens und der besonderen Natur des unter den Vertragsteilen und vor allem auch des unter den Mietern bestehenden Rechtsverhältnisses zu entscheiden, ob das nur einheitlich zu lösende Mietverhältnis vom Erben des verstorbenen Mieters, vom überlebenden Mieter und vom Vermieter mit Wirkung für alle Beteiligten gekündigt werden kann ( R G 90, 328, anders herrschende Meinung). Für Ehegatten als Mieter im Bereich des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s s. dort § 14 Abs. 3, dazu D ö l l e Bern. 4d. Vgl. auch O L G Hamburg J W 1938, 3038 18 mit Anm. D a h m a n n ; H R R 1933 Nr. 998, O L G 33, 317. Eines urkundlichen Nachweises der Erbeigenschaft bedarf es zur wirksamen Ausübung des Kündigungsrechts nicht (JW 1918, 5 1 7 3 ; a M O L G 28, 154). Uber die Rechtmäßigkeit der Kündigung entscheidet im Streitfalle das Gericht. Anm. 6 3. K ü n d i g u n g s t e r m i n . § 565 Abs. 4 mit Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, bei Grundstücken also, unbeschadet kürzerer Bindung aus Vereinbarung oder § 565 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 3, nur für den Schluß des Kalendervierteljahrs (für die Miete von W o h n r ä u m e n s. jedoch am Schlüsse). Der erste zulässige Termin ist aber nicht auf Grund einer abstrakten Berechnung, vielmehr nach der tatsächlichen Möglichkeit der Kündigung zu bestimmen. Stirbt z. B. der Mieter am 1. Oktober und wird sein Testament, in dem ein Testamentsvollstrecker ernannt ist, erst einige Zeit später eröffnet, so ist als der erste Kündigungstermin nicht der 3 1 . Dezember des laufenden Jahres anzusehen, sondern es kann noch auf den 3 1 . März des nächsten Jahres (§ 565 Abs. 1 Satz 1) gekündigt werden ( R G 74, 35, auch 103, 274 und O L G 20, 117). Unter Umständen dürfen die (minderjährigen oder abwesenden und nicht vertretenen) Erben des Mieters bei t a t s ä c h l i c h e r U n m ö g l i c h k e i t einer rechtzeitigen Kündigung das Kündigungsrecht noch zum folgenden Termin ausüben; SeuffArch. 64 Nr. 188 (str.). Für die M i e t e v o n W o h n r ä u m e n s. das Auflockerungsgesetz v. 24. 3. 1938 (hinter § 565), wonach zum Ende jedes Monats gekündigt werden kann. Anm. 7 4. D e r T o d d e s V e r m i e t e r s ist auf den Fortbestand des Mietverhältnisses ohne Einfluß.

§570 M i l i t ä r p e r s o n e n , B e a m t e , G e i s t l i c h e u n d L e h r e r a n öffentlichen U n t e r richtsanstalten können i m Falle der Versetzung nach einem anderen Orte d a s M i e t v e r h ä l t n i s in A n s e h u n g d e r R ä u m e , welche s i e f ü r s i c h o d e r i h r e F a m i l i e a n d e m b i s h e r i g e n G a r n i s o n - o d e r Wohnorte g e m i e t e t h a b e n , u n t e r Einh a l t u n g d e r g e s e t z l i c h e n F r i s t k ü n d i g e n . Die K ü n d i g u n g k a n n n u r f ü r den e r s t e n T e r m i n e r f o l g e n , f ü r den s i e z u l ä s s i g i s t . E i 527 n 5 1 1 ; M 2 416, 417; P 2 227.

Anm. 1 1. K ü n d i g u n g s r e c h t d e r M i l i t ä r p e r s o n e n , B e a m t e n , G e i s t l i c h e n u n d L e h r e r a n öffentlichen U n t e r r i c h t s a n s t a l t e n (vgl. § 4 1 1 ; auch der akademischen Lehrer). a ) D i e V o r s c h r i f t des § 570 b e r u h t nicht auf der Berücksichtigung der mutmaßlichen Willensmeinung der Parteien beim Vertragsabschlüsse, auch nicht auf dem alleinigen Interesse der begünstigten Mieter, sondern auf dem öffentlichen I n t e r e s s e , welches darauf abzielt, für den Beamten sowohl als für die beteiligte öffentliche Behörde den mit der Versetzung verbundenen Aufwand möglichst zu mindern und die 446

Miete

§570

A n m . 2—7 Versetzung überhaupt zu erleichtern. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn die — für das Kündigungsrecht maßgebende — Stellung nicht schon zur Zeit des V e r t r a g s a b s c h l u s s e s , sondern erst zur Zeit der K ü n d i g u n g bestanden hat; eine Auffassung, mit welcher der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 570 im Einklänge stehen (so auch K G J W 1906, 6 1 5 ; P l a n c k § 5 7 0 Anm. 3 c ; S t a u d i n g e r - K i e f e r s a u e r Anm. 4; a M R G J W 1903 Beil 148 3 2 1 ). Die Kündigungsbefugnis wird auch dann zuzugestehen sein, wenn die Versetzung aus dem Dienste eines deutschen Landes in denjenigen eines andern deutschen Landes oder in den Bundesdienst erfolgt, nicht aber dann, wenn ein deutscher Beamter in den Dienst eines a u s w ä r t i g e n S t a a t e s übertritt, also z. B. ein deutscher Professor an eine Schweizer Universität berufen wird; denn nur den öffentlichen Dienstverhältnissen des I n l a n d e s soll durch obige Vorschrift eine Erleichterung zuteil werden.

Anm. 2 b) Das Gesetz spricht nur vom Falle der Versetzung. Eine entsprechende Anwendung a u f d e n F a l l d e r N e u a n s t e l l u n g ist damit nicht ausgeschlossen. Dagegen greift § 570 nicht Platz bei einer l e d i g l i c h auf dem freien Willen der Begünstigten beruhenden Stellungs- und Wohnortsänderung, auch nicht beim Verluste der Stellung, wie bei Versetzung in den Ruhestand, wohl aber bei Versetzung auf Antrag oder mit Zustimmung des Berechtigten (vgl. R G 2 1 , 283; O L G 1 1 , 3 1 6 ; 36, 1 1 4 Note 1).

Anm. 3 c) Die

Kündigungsbefugnis tritt nur ein bei Berufung nach einem anderen Orte, für Militärpersonen nur bei Veränderung des Garnisonortes ( J W 1 9 1 6 , 977®), besteht aber auch bei Rückversetzungen solcher Art, daß der Beamte schließlich am bisherigen Orte wohnen bleibt, ohne seine Wohnung verlegt zu haben ( R G J W 1916, 261 7 ). Die Kündigungsbefugnis setzt ferner voraus, daß die Berufung nicht nur in Aussicht genommen ( O L G 36, 1 1 4 Note 1), sondern schon als amtliche Maßregel beschlossen und dem Beamten m i t g e t e i l t worden ist. J e d o c h kann die förmliche Ausfertigung der amtlichen Verfügung und ihre Behändigung an den Beamten nachfolgen ( O L G 28, 1 5 5 ; SeuffArch. 6g Nr. 97).

Anm. 4 d) Sind Eheleute

Mieter, dann wirkt die auf Grund des § 570 ausgesprochene K ü n digung des beamteten Ehegatten auch für den anderen.

Anm. 5 e) Da das Kündigungsrecht des § 5 7 0 i m ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e gegeben ist (s. oben), erscheint es nicht angängig, daß die begünstigten Personen durch Vereinbarung mit dem Vermieter auf das Kündigungsrecht verzichten, und es muß deshalb der Vorschrift des § 570 die Bedeutung zwingenden Rechtes beigelegt werden (so auch L G Berlin J W 1935, 265g 6 2 mit Anm. R o q u e t t e ; dagegen L G Aurich J W 1937, 3 2 2 7 " ; s. auch R ö ß l e r D G W R ig38, 300; wie hier S t a u d i n g e r - K i e f e r s a u e r A n m . 15). Bei Aufstellung des D e u t s c h e n E i n h e i t s m i e t v e r t r a g s (Vorbem. 2g zu aa) vor § 535) wurde die Einschränkung oder Ausschließung des Kündigungsrechts aus § 570 ausdrücklich unter den sog. „gemißbilligten Klauseln" aufgeführt.

Anm. 6 f ) Das Kündigungsrecht gilt nicht nur für die Wohnung, sondern f ü r a l l e R ä u m e , die der Versetzte für seinen oder seiner Familie Bedarf gemietet hat, z.B. auch für eine gemietete Stallung.

Anm. 7 g) Vertragsmäßige

Kündigung bei „Versetzung" eines

stellten s. R G WarnRspr. i g i 5 Nr. 282.

kaufmännischen Ange447

§ 5 7 0 A n m . 8, 9 § 5 7 1 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 8 h) Für P a c h t v e r h ä l t n i s s e gilt § 570 nicht (§ 596 Abs. 3). Anm. 9 2. Gesetzliche Kündigungsfrist n a c h § 5 6 5 . Dazu § 565 Anm. 9.

§571 W i r d das v e r m i e t e t e G r u n d s t ü c k n a c h der Ü b e r l a s s u n g an den Mieter von d e m V e r m i e t e r an einen Dritten v e r ä u ß e r t , so t r i t t d e r E r w e r b e r an Stelle des V e r m i e t e r s in die sich w ä h r e n d d e r Dauer seines E i g e n t u m s a u s d e m Mietverhältnis ergebenden R e c h t e und Verpflichtungen ein. Erfüllt der E r w e r b e r die Verpflichtungen nicht, so haftet d e r V e r m i e t e r für den von d e m E r w e r b e r zu ersetzenden Schaden wie ein B ü r g e , d e r auf die E i n r e d e d e r Vorausklage verzichtet h a t . E r l a n g t d e r Mieter von d e m Ü b e r g a n g e des E i g e n t u m s d u r c h Mitteilung des V e r m i e t e r s Kenntnis, so w i r d der V e r m i e t e r von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis für den e r s t e n T e r m i n kündigt, für den die Kündigung zulässig ist. E I 509 II 512; M 2 380—390; P 2 134, 137, 169.

Übersicht 1. Allgemeines 2. Voraussetzungen 3. Eintritt des Erwerbers in das Mietverhältnis a) Rechte b) Verpflichtungen c) § 265 ZPO 4. Haftung des früheren Vermieters 5. Befreiung des Vermieters von der Mithaftung 6. Zwangsversteigerung 7. Enteignung

Anm.

1—3 4, 5 6—8 6 7 8 9 10 11,12 13

Anm. 1 1. Allgemeines. a ) Die nachstehenden (nicht zwingenden, R G 9. 2. 1926 III 84/25; O L G 45, 149) Vorschriften der §§571—579, welche die Regel „ K a u f b r i c h t nicht M i e t e " ausgestalten, gelten auch für die P a c h t , nicht aber für andere schuldrechtliche Verhältnisse, wie z.B. die Leihe (RG LZ 1921, 413 4 ). Anm. 2 b) Dagegen finden sie entsprechende A n w e n d u n g : a a ) unbeschränkte, wenn ein E r b b a u b e r e c h t i g t e r (auch ein Wohnungs- oder Teilerbbauberechtigter, W E G § 30) vermietet oder verpachtet hat und darauf sein Recht veräußert oder das Recht erlischt (§ 1017 ErbbauVO, §§ 11, 30, 38); bb) m i t A u s n a h m e von § 5 7 3 S a t z 2 und § 5 7 8 , wenn der N i e ß b r a u c h e r (§ 1056) ein seinem Nießbrauch unterworfenes Grundstück, der V o r e r b e ein zur Erbschaft gehöriges und darauf an einen Nacherben fallendes Grundstück (§ 2135) über die Dauer seines Rechtes hinaus vermietet oder verpachtet, mit der Abweichung, daß in allen diesen unter bb) aufgeführten Fällen der an die Stelle des Vermieters oder Verpächters tretende anderweit Berechtigte das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen (nicht der im Mietvertrag bestimmten) Kündigungsfrist kündigen kann (vgl. § 565 Anm. 9; für den Fall des Nießbrauchs auch R G 22. 12. 1922 III 520/22 und H R R 1936 Nr. 726). Uber die entsprechende Anwendung der §§ 571 ff auf J a g d p a c h t v e r t r ä g e s. unten Anm. 5.

448

Miete

§571 Anm. 3—5

Anm. 3 c) Hat ein D a u e r w o h n - o d e r D a u e r n u t z u n g s b e r e c h t i g t e r die seinem Recht unterliegenden Gebäude- oder Grundstücksteile vermietet oder verpachtet, so tritt bei Veräußerung des Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts der Erwerber, bei Heimfall des Rechts derjenige, auf den das Recht zu übertragen ist, in das Miet- oder Pachtverhältnis ein. Die §§ 571—576 BGB gelten entsprechend (WEG § 37 Abs. 2 u. 3 Satz 1, §§36, 31 Abs. 3).

Anm. 4 2. Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes „ K a u f bricht nicht Miete"

a ) Erforderlich ist V e r ä u ß e r u n g (Kauf, Tausch, Schenkung, Vermächtnis) eines G r u n d s t ü c k s oder eines im Schiffsregister e i n g e t r a g e n e n S c h i f f s (§ 580 a), auf Grund deren das E i g e n t u m vom Vermieter an einen Dritten übergegangen ist ( R G 59, 188; 68, 12; 78, 36; 84, 4 1 1 ) . Eintritt des Grundstückskäufers, der noch nicht Eigentümer ist, in die Verpflichtungen des Vermieters durch Schuldübernahme gegenüber dem Mieter s. R G H R R 1931 Nr. 495. Erforderlich ist, daß der Mietvertrag vom bisherigen Eigentümer abgeschlossen worden oder doch für ihn verbindlich ist. Hat also z. B. der Käufer eines Grundstücks, dem dieses übergeben, aber nicht aufgelassen worden ist, das Grundstück verpachtet, so kann nach Rückgängigmachung des Kaufes der Pächter nicht vom Eigentümer Erfüllung des Pachtvertrages verlangen (SeuffArch. 77 Nr. 126). Über Eintritt eines Geschäftsübernehmers in den Mietvertrag über die Geschäftsräume s. O G H 3, 298. Die §§ 571 ff sind e n t s p r e c h e n d anzuwenden bei Aufgabe und Aneignung des Eigentums an einem Grundstück nach § 928 ( R G 103, 166; SeuffArch. 76 Nr. 79; O L G 27, 160). In einen von dem Rückerstattungspflichtigen als Vermieter abgeschlossenen Mietvertrag über das der Rückerstattung unterliegende Grundstück tritt der Rückerstattungsberechtigte mit Rechtskraft der Rückerstattungsanordnung ein ( B G H 1 1 , 27 [35 f]). Auf Wohnräume und andere Räume in Gebäuden finden sie Anwendung, wenn der Vermieter das Grundstück veräußert (§ 580). Der Mieter einer b e w e g l i c h e n S a c h e , deren Erwerber nicht in das Mietverhältnis eintritt, ist schon dadurch geschützt, daß er als deren Besitzer die zum Eigentumsübergang erforderliche Ubergabe hindern und auch einem auf § 931 gestützten Herausgabeanspruche des neuen Erwerbers die ihm gegen den ursprünglichen Vermieter zustehende Einrede entgegensetzen kann (§986 Abs. 2).

Anm. 5 b ) Weitere Voraussetzung ist (anders für den Geltungsbereich des Mieterschutzes, MSchG § 1 Abs. 4), daß d e m M i e t e r das vermietete Grundstück oder Schiff zur Zeit der Veräußerung b e r e i t s ü b e r l a s s e n , d. h. zum Besitz und Gebrauch ( R G Gruchot 67, 303) übergeben war (sonst nur §578; vgl. auch BayObLG 10 S. 280, 288); diese Überlassung wirkt auch bei einer zwischen Vermieter und Mieter vor der Veräußerung vereinbarten V e r l ä n g e r u n g ihres Vertragsverhältnisses fort ( R G ig. 5. 1903 I I I 28/03; auch O L G 7, 2 1 ; 1 1 , 144). Unerheblich ist, ob der Vermieter schon vor der Uberlassung des Grundstücks an den Mieter zur Ubereignung an den Erwerber verpflichtet war, auch eine Auflassungsvormerkung hindert nicht den Eintritt des Erwerbers in einen inzwischen vom Vermieter geschlossenen Mietvertrag ( B G H 13, 1). Handlungen des Pächters, die nicht als Ausfluß seines Besitzes (oder Mitbesitzes) an dem gepachteten Grundstück erscheinen, wie z. B. bei Verpachtung zur Ausbeutung eines Braunkohlenlagers n u r v o r l ä u f i g e Bohrungen, durch die erst bestimmt werden soll, welche Teile des Grundstücks zum Zwecke der Ausbeutung in Besitz genommen werden sollen, rechtfertigen nicht die Annahme einer Überlassung des Grundstücks im Sinne des § 5 7 1 ( R G J W 1919, 3 796). Der Umstand, daß der Mieter zur Zeit der Veräußerung nicht mehr im Besitze des Grundstücks ist, steht ihm regelmäßig nur dann entgegen, wenn er den Besitz dem V e r m i e t e r überlassen hat. Dagegen wäre, wenn man von den Vorschriften des BGB ausgeht, der Erwerber eines Grundstücks, auf dem vom Vorbesitzer J a g d oder Fischerei verpachtet war, an diesen Vertrag, der sich nicht auf das Grundstück, sondern auf das Jagd- oder Fischereirecht bezieht, nicht gebunden und könnte

449

§ 571 Anm. 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

dem Pächter, der sich nicht im Besitze des Grundstücks befindet, die Ausübung des Rechtes verbieten (vgl. RG 70, 70; 98, iox; anders für die Fischerei in geschlossenen Privatgewässern O L G 38, 93 [Grundstückspacht]). Für Jagdpachtverträge ist aber die Regelung in § 14 des Bundesjagdgesetzes vom 29. 11. 1952 (BGBl I 780) maßgebend (ebenso schon § 16 des Reichsjagdgesetzes vom 3. 7. 1934; dazu K G J W 1938, 941 5 ). Danach finden, wenn ein Eigenjagdbezirk ganz oder teilweise veräußert wird, die Vorschriften der §§571—579 BGB entsprechende Anwendung. Dasselbe gilt im Falle der Zwangsversteigerung von der Vorschrift des § 57 ZVG (s. unten Anm. 11); das Kündigungsrecht des Erstehers ist jedoch ausgeschlossen, wenn nur ein Teil des Jagdbezirks veräußert ist und dieser Teil nicht allein schon die Erfordernisse eines Eigenjagdbezirks erfüllt. Wird ein zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehöriges Grundstück veräußert, so hat dies auf den Pachtvertrag keinen Einfluß, und dasselbe gilt für den Fall der Zwangsversteigerung. Nach § 29 des preuß. Fischereigesetzes v. 11. 5. 1916 (GS 55) gelten bei V e r ä u ß e r u n g d e s F i s c h e r e i r e c h t s die §§ 571—579 BGB sinngemäß; der Überlassung an den Mieter (§571 Abs. 1) steht der Beginn der Pachtzeit gleich. Nur der im Besitze des Grundstücks befindliche Mieter oder Pächter hat bei der Enteignung einen Entschädigungsanspruch gegen den Unternehmer nach § 11 des preuß. Enteignungsgesetzes v. 11. 6. 1874 (RG 74, 36 J ) . Uber die Enteignungsentschädigung des Mieters s. auch RG 101, 148. Anm. 6 3. Eintritt des E r w e r b e r s in das Mietverhältnis a ) Eintritt in die von der Zeit seines Erwerbs ab sich ergebenden, mit dem Grundstückseigentum verbundenen Rechte, und zwar k r a f t s e l b s t ä n d i g e n R e c h t e s , als Zubehör seines Eigentums (Zustandsobligation), nicht als Rechtsnachfolger des Vermieters (RG 59, 188; 68, 12; anders im Sinne des § 265 ZPO, RG 102, 177), so daß ihm die gegen den Vermieter in der Zeit nach dem Eigentumsübergang begründeten Einreden nicht entgegengesetzt werden können. Er erlangt also, abgesehen von den in §§ 573> 574 aufgeführten Ausnahmen, den Anspruch auf den von der Zeit seines Eigentumserwerbs ab f ä l l i g werdenden M i e t z i n s , auf den von der Zeit seines Vorbesitzers her r ü c k s t ä n d i g e n aber nur, wenn er ihm a b g e t r e t e n ist (vgl. RG 55, 293). Immerhin kann er den auf die Besitzdauer des Rechtsvorgängers entfallenden, aber erst nach der Veräußerung f ä l l i g gewordenen Mietzins vom Mieter mit einfordern und zum entsprechenden Teile an den früheren Vermieter aushändigen. Der Anspruch auf den Miet- oder Pachtzins steht dem Erwerber aber nur nach Maßgabe des Miet- oder Pachtvertrags zu. Ist nach diesem der Zins in e i n e m Betrage v o r a u s zu bezahlen und auch voraus bezahlt worden, so hat der Erwerber keinen Anspruch an den Mieter oder Pächter, ist vielmehr auf den Rückgriff gegen seinen Rechtsvorgänger nach Maßgabe des Veräußerungsvertrags beschränkt (RG 94, 279; 127, 1 1 6 ; R G SeuffArch. 79 Nr. 23; v gl- §573 Anm. 1). Die Rechte gehen auf den Erwerber auch dann über, wenn der Mieter von der Veräußerung nichts weiß. Der Vermieter kann daher den Mieter nicht mehr durch Mahnung in Verzug setzen. Der Mieter kann aber wirksam den Mietzins an ihn bezahlen (§ 574). Er muß es sogar tun, wenn die Zahlungszeit nach dem Kalender bestimmt ist, der Verzug also ohne Mahnung eintritt (§ 284 Abs. 2 Satz 1); sonst kann der Erwerber die Verzugsfolgen gegen ihn geltend machen (RG g8, 88). Die Ausübung eines K ü n d i g u n g s r e c h t s steht dem Käufer des Mietgrundstücks erst zu, wenn er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist; eine frühere Kündigung wird durch nachträgliche Eintragung nicht wirksam (OLG 40, 311). Dagegen wird der noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragene Erwerber, der bereits Besitz und Nutzungen des Grundstücks erhalten hat, die Aufhebungsklage nach § 1 Abs. 4 MSchG erheben können (RG 91, 390ff), auch die Eigenbedarfsklage aus § 4 MSchG (str.). Der Erwerber erlangt von dem gedachten Zeitpunkt ab auch das g e s e t z l i c h e P f a n d r e c h t (§§ 559fr) an den eingebrachten Sachen des Mieters. Doch bleibt daneben das Pfandrecht des Vorbesitzers (Vermieters) wegen des aus dessen Zeit rückständigen Mietzinses, und zwar, da jedes Pfandrecht von der Zeit der Einbringung der Sachen ab datiert, z u g l e i c h e m R e c h t e bestehen (Prot 2, 211). Recht an einer Sicherheit s. § 572. Der Erwerber erlangt auch das Recht auf Anfechtung eines über die Art der Rück-

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Miete

§571

Anm. 7—9 gewähr des Pachtgrundstücks mit dem Pächter abgeschlossenen Vertrages ( R G 29. 4. 1 9 1 8 I V 79/18). Dagegen geht das Recht aus einem von dem ursprünglichen Vermieter dem Mieter auferlegten, aus dem Mietvertrage selbst aber sich nicht unmittelbar ergebenden Wettbewerbsverbot (z. B. bei Vertragsstrafe nach Beendigung des Mietverhältnisses kein anderes Weingeschäft zu betreiben) auf den K ä u f e r nicht über ( R G J W 1906, 58 1 0 ). Der Erwerber kann aber Entschädigung wegen einer früheren Verschlechterung der Mietsache verlangen, wenn dieser Anspruch aus der Pflicht zur ordnungsmäßigen Rückgabe der Sache folgt ( K G D R 1942, 1554). Wird das Grundstück an mehrere Personen veräußert, so stehen diese in ihrer Gesamtheit an Stelle des Vermieters dem Mieter gegenüber, namentlich in betreff der Kündigung und der Empfangnahme des Mietzinses (vgl. § 535 Anm. 29). Eine gleiche Personengesamtheit auf der Vermieterseite entsteht, wenn von einem einheitlich vermieteten (oder verpachteten) Grundstück ein realer Teil veräußert oder in der Zwangsversteigerung zugeschlagen wird ( R G 124, 195). Anders, wenn zwei Mietgrundstücke, die in einem trennbaren Vertrage vermietet sind, an verschiedene Erwerber übergehen ( H R R 1932 Nr. 1 1 0 ) .

Anm. 7 b ) Eintritt des Erwerbers in die von der Zeit seines Eigentumserwerbs ab aus dem Mietverhältnisse entstehenden Verpflichtungen, die gleich einer Reallast als auf dem Grundstücke haftend angesehen werden und ebenso wie die Mietrechte mit dem Grundstück auf ihn übergehen. Der Erwerber tritt, unbeschadet seines Rückgriffs gegen seinen Rechtsvorgänger nach Maßgabe des Veräußerungsvertrages ( R G L Z 1 9 1 5 , 1 1 4 8 1 3 ; SeuffArch. 73 Nr. 1 1 7 ) , in diese Verpflichtungen, auch in die auf nachträglicher Änderung des Mietvertrags aus der Zeit des Vorbesitzers beruhenden ( O L G 7, 20), ohne Rücksicht darauf ein, ob er beim Vertragsabschlüsse Kenntnis davon hatte, so insbesondere in die Verpflichtung zur Gewährung des Gebrauchs ( R G 1 1 g , 353) und zur Haftung f ü r Fehler und Mängel ( R G ebenda), auch für besondere Zusagen des früheren Vermieters. E r haftet dafür nicht nur mit dem Grundstücke, sondern mit seinem g a n z e n Vermögen. Dagegen hat er nicht für Verpflichtungen des Vermieters, die nur in wirtschaftlichem Zusammenhange mit dem Mietvertrage stehen ( R G J W 1939, 286 1 4 ), und für die zur Zeit seines Vorbesitzers b e r e i t s b e g r ü n d e t e n besonderen Verpflichtungen des Vermieters einzustehen, insbesondere nicht f ü r diejenigen zur Leistung von Schadensersatz, mag auch der zu ersetzende Schaden erst später eingetreten sein ( R G J W 1905, 487 6 ). Ist daher dem Mieter im Mietvertrage oder in einer andern vor dem Übergang des Grundstücks auf den Erwerber getroffenen Vereinbarung das Recht eingeräumt worden, durch einseitige Erklärung das Mietverhältnis über seine ursprüngliche Dauer hinaus zu verlängern (Optionsrecht), so tritt der Erwerber nach § 571 in die hieraus für den Vermieter sich ergebenden Verpflichtungen ein ( R G 103, 349). Der Erwerber muß daher eine Verlängerungserklärung des Mieters auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sie erst nach dem Erwerb des Grundstücks stattgefunden hat ( R G Gruchot 58, 945). Erklärt der Vermieter beim Abschlüsse eines notariellen Mietvertrags, daß er von einem darin vereinbarten Kündigungsrechte keinen Gebrauch machen werde, so kann diese Erklärung, wenn nicht bloß als unverbindliches Inaussichtstellen, so doch nur als den Vermieter für seine Person bindend erachtet werden; die Verpflichtung geht daher nicht auf den Erwerber über ( R G 3. 6. 1921 I I I 2 3 / 3 1 ) .

Anm. 8 c) Im Sinne des § 265 ZPO

ist der rechtsgeschäftliche Erwerber des vermieteten Grundstücks als Rechtsnachfolger des Veräußerers auch in seiner Eigenschaft als Vermieter und das während der Rechtshängigkeit einer K l a g e des Mieters aus § 536 B G B veräußerte Mietgrundstück als im Streit befangen anzusehen ( R G 102, 177).

Anm. 9 4. Haftung des früheren Vermieters.

Er steht nach dem Eigentumsübergange dem Mieter nicht mehr als Vertragspartei gegenüber. Erfüllt aber der Erwerber die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht, so haftet f ü r den deshalb dem Mieter zu ersetzenden Schaden n e b e n dem Erwerber auch der Vermieter w i e e i n B ü r g e , der auf

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§ 571

Anm. 10, 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

die Einrede der Vorausklage verzichtet hat (§§ 767fr, 773 Nr. 1). Da aber nach Abs. 1 der Erwerber nur in die w ä h r e n d der D a u e r seines E i g e n t u m s aus dem Mietverhältnisse sich ergebenden Rechte und Pflichten eintritt, so scheidet auch der Vermieter nur für diese Dauer aus der unmittelbaren Haftung gegenüber dem Mieter aus. Die Verpflichtung, den Mietvertrag darüber hinaus während der ganzen vereinbarten Vertragsdauer auszuhalten, geht nicht auf den Erwerber über. U n m i t t e l b a r e Haftung des Vermieters gegenüber dem Mieter (aber nicht des Untervermieters gegenüber dem Untermieter, R G 65, 29; s. § 549 Anm. 15) tritt daher ein, wenn der infolge einer späteren Zwangsversteigerung des Grundstücks an seine Stelle tretende Ersteher, der an die Einhaltung der vertragsmäßigen Kündigungsfrist nicht gebunden ist, in Ausübung seines gesetzlichen Kündigungsrechts (ZVG §§ 57, 57 a) den Mieter vor Ablauf der bedungenen Vertragsdauer zum Auszuge zwingt (RG 63, 66; RG Gruchot 60, 853; K G H R R 1936 Nr. 9). Dasselbe gilt für eine von dem Konkursverwalter vorgenommene freiwillige Veräußerung des von dem Gemeinschuldner vermieteten oder verpachteten Grundstücks (KO § 21 Abs. 3).

Anm. 10 5. Befreiung des V e r m i e t e r s von der Mithaftung dadurch, daß der Vermieter (nicht der Erwerber) dem Mieter von dem Eigentumsübergange Mitteilung macht. Kündigt dann der Mieter das Mietverhältnis nicht für den ersten Termin, für den die Kündigung zulässig ist, so hört von diesem T e r m i n e ab die Haftung des Vermieters auf, so daß er nur für die bis dahin begründeten Schadensersatzansprüche des Mieters einzustehen hat. Der Vermieter wird aber schon vor diesem Termine frei, wenn der Erwerber vorher mit dem Mieter ein neues Vertragsverhältnis eingegangen ist.

Anm. 11 6. Zwangsversteigerung. Für die rechtliche S t e l l u n g des Mieters im F a l l e der Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung) in das Mietgrundstück kommen die nachstehenden Vorschriften des Z V G : § 9 Nr. 2, § 21 Abs. 2, §§ 24, 57, 57a, 57b, 152 (dazu R G 136, 407; R G WarnRspr. 1920 Nr. 58; R G 26. 2. 1924 III 299/23), 183, sowie auch §21 K O in Betracht. a) Aus diesen sind namentlich die Vorschriften der §§ 57, 5 7 a ZVG hervorzuheben, wonach auf den Ersteher in einer Zwangsversteigerung dann, wenn das Grund-

stück vorher einem Mieter oder Pächter überlassen worden ist, die Vorschriften

i n §§57') 572, 573 Satz 1 sowie in §§ 574, 575 BGB entsprechende Anwendung finden, der Ersteher aber berechtigt ist, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist für den ersten Termin, für den dies zulässig ist, zu kündigen, wodurch der Vermieter dem Mieter schadensersatzpflichtig wird (Anm. 9; vgl. auch OLG 33, 297: Anfechtung eines Mietvertrags wegen Verschweigens des bevorstehenden Zwangsverkaufs) . Als der erste Termin, für den die Kündigung zulässig ist, kann im Sinne des Z V G § 57 nur derjenige erste zulässige Termin angesehen werden, für den der Ersteher die Kündigung nicht ohne Verschulden unterlassen darf. Ob dies zutrifft, ist nicht nach allgemeinen Grundsätzen, sondern nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen (RG 26. 3. ig20 III 388/19, vgl. § 569 Anm. 6). Gegen die guten Sitten (§ 138) verstößt ein auf Veräußerung von Grundstücken gerichteter Vertrag, wonach die Beteiligten, um sich langfristiger Mietverträge gemäß §§ 57 ff Z V G zu entledigen, vereinbaren, daß die Veräußerung nicht durch Verkauf, sondern so geschehen sollte, daß sich der Eigentümer einer vom anderen mit Hilfe erworbener Vollstreckungstitel betriebenen Zwangsversteigerung nicht widersetze (RG 19. 1. 1927 V 132/26). Gemäß § 571 erlangt der an die Stelle des ursprünglichen Vermieters tretende Ersteher dem Mieter gegenüber nicht nur den Anspruch des Vermieters auf den eigentlichen Mietzins, sondern auch auf die sonstigen Gegenleistungen, die vom Mieter für den Gebrauch der Mietsache dem Vermieter gegenüber übernommen worden sind, wie z. B. darauf, daß der Mieter eine ihm an dem Mietgrundstück zustehende Hypothek nicht kündige, solange er die Mieträume unter den im Vertrage festgesetzten Bedingungen in Benutzung habe (RG 71, 404). Kündigt der Ersteher nicht unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zum ersten zulässigen Termin, so muß er auch bei langfristigem 452

Miete

§ 571 Anm. 12, 13 § 572 Anm. 1

Miet- oder Pachtvertrag die dem Vertrage gemäß geleistete Vorauszahlung des Mietoder Pachtzinses für die ganze Vertragsdauer gegen sich gelten lassen ( R G H R R 1933 Nr. 1312). Uber den Einfluß des Zuschlags eines realen Teiles des einheitlich verpachteten Grundstückes in der Zwangsversteigerung auf das Pachtverhältnis über das ganze Grundstück s. R G 124, 195.

Anm. 12 b ) War dagegen das Grundstück dem Mieter b e i m Z u s c h l a g e n o c h n i c h t ü b e r l a s s e n , so ist er nicht als Beteiligter nach Z V G § 9 Nr. 2 anzusehen. Auch findet in diesem Falle keine entsprechende Anwendung der angeführten Vorschriften statt. Für Jagdpachtverträge s. oben Anm. 5. Uber die Pfändung von Mietzinsforderungen s. Z P O § 829, sowie über deren Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen Z V G § 21 Abs. 2, § 148 Abs. 1, § 152 und BGB §§ 1123, 1124, dazu R G 136, 407; 144, 194. Bei Veräußerung eines zur Konkursmasse gehörigen vermieteten oder verpachteten Grundstücks durch den Konkursverwalter findet § 21 Abs. 3, K O , nicht auch Abs. 2 daselbst Anwendung; der Erwerber muß Miet- oder Pachtzinsvorauszahlungen, die schon im Miet- oder Pachtvertrag vorgesehen, nicht etwa erst nachträglich herbeigeführt worden sind, nach § 5 7 Z V G , § 5 7 1 BGB gegen sich gelten lassen ( R G 127, 116). Uber den Einfluß einer Freigabe des Mietgrundstücks aus der Konkursmasse auf die seit dem Konkursbeschlag rückständigen, noch nicht eingezogenen Mieten s. R G 138, 69.

Anm. 13 7. E n t e i g n u n g . Im Falle der Enteignung bleiben für das zwischen dem Enteigneten und seinem Mieter zur Zeit der Enteignung bestehende Verhältnis nach Art. 109 E G die in Frage kommenden Landesgesetze maßgebend. Wenn die als ein Fall höherer Gewalt zu betrachtende Enteignung sich auf das ganze vermietete Grundstück erstreckt, so geht von deren Durchführung ab mit dem Eigentum des Vermieters auch das Gebrauchsrecht des Mieters oder Pächters zu Ende; dafür erwächst ihnen ein Entschädigungsanspruch, der, j e nach dem Inhalte der Landesgesetze, entweder unmittelbar gegen den Unternehmer im Enteignungsverfahren oder gegen den Vermieter, dem für den Wegfall dieser Rechte zunächst vom Unternehmer Ersatz zu leisten ist, verfolgt werden kann (vgl. R G 29, 273; Gruchot 50, 1217).

§573 Hat der Mieter des veräußerten Grundstücks dem Vermieter für die E r füllung seiner Verpflichtungen Sicherheit geleistet, so tritt der Erwerber in die dadurch begründeten Rechte ein. Zur Rückgewähr der Sicherheit ist er nur verpflichtet, wenn sie ihm ausgehändigt wird oder wenn er dem Vermieter gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernimmt. E N 513 m 565; p 1260fr.

Anm. 1 1. D a s R e c h t a n d e r S i c h e r h e i t (§§ 232 ff", 562), das namentlich bei der Pacht Bedeutung gewinnt, gehört mit zu den Rechten, aus dem Vertragsverhältnis, in die der Erwerber eintritt. Der letztere kann daher von dem Vermieter die Aushändigung der Sicherheit verlangen, soweit sie diesem nicht für ihm etwa verbliebene Mietzinsforderungen noch haftet. Der Erwerber ist zu diesem Verlangen, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, insbesondere auch dann berechtigt, wenn die Sicherstellung durch Hingabe einer Geldsumme gegen Verzinsung zur freien Verfügung des Verpächters geschehen war ( R G Gruchot 4g, 908). Uber die zu bejahende Frage, ob und inwieweit der M i e t e r (Pächter) vom Vermieter (Verpächter) die Aushändigung der Sicherheit an den derzeitigen Eigentümer des Miet- oder Pachtgrundstücks verlangen kann, s. R G 53, 251. Als Sicherheitsleistung kommt namentlich auch die Bürgschaftsstellung in Betracht. Dagegen spricht nicht Satz 2 Halbsatz 1; denn hier wird nichts weiter gesagt,

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§ 572 A n m . 2

§ 573 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

als daß, w e n n die Sicherheit in zur Aushändigung sich eignenden Werten geleistet wurde, der Erwerber zur Rückgewähr nur verpflichtet ist, falls ihm die Sicherheit ausgehändigt worden ist ( R G WarnRspr. 1919 Nr. 286). I m übrigen vgl. zu §571, insbesondere f ü r den Fall der Zwangsversteigerung Anm. 11 dort. Anm. 2 2. Zur Bestellung einer neuen Sicherheit ist der Mieter dem Erwerber auch dann nicht verpflichtet, wenn diesem die ursprünglich bestellte Sicherheit vom Vermieter nicht ausgehändigt wurde.

§573 H a t der V e r m i e t e r vor d e m Ü b e r g a n g d e s E i g e n t u m s ü b e r d e n M i e t z i n s , d e r auf die Zeit d e r B e r e c h t i g u n g d e s E r w e r b e r s entfällt, v e r f ü g t , s o i s t die V e r f ü g u n g i n s o w e i t w i r k s a m , a l s sie s i c h auf d e n M i e t z i n s für d e n z u r Zeit des Übergangs des Eigentums laufenden Kalendermonat bezieht; geht das E i g e n t u m n a c h d e m f ü n f z e h n t e n T a g e d e s M o n a t s ü b e r , s o i s t die V e r f ü g u n g a u c h i n s o w e i t w i r k s a m , a l s s i e s i c h auf d e n M i e t z i n s f ü r d e n K a l e n d e r m o n a t bezieht. Eine V e r f ü g u n g ü b e r d e n M i e t z i n s f ü r eine s p ä t e r e Zeit m u ß der E r w e r b e r g e g e n s i c h g e l t e n l a s s e n , w e n n er s i e zur Zeit d e s Ü b e r g a n e s d e s Eigentums kennt. E n 514 m 566; P 2 144C — Ges. v. 8. 6. IJ (RGBl 327). Entw. m. Begründung (RTV Bd. 315 Anlage Nr. 71).

Anm. 1 1. A l l g e m e i n e s a) Die auch auf Pachtverhältnisse (§ 581 Abs. 2) anwendbaren V o r s c h r i f t e n der § § 573—575 e n t h a l t e n teils im Interesse des Vermieters, teils zum Schutze des Mieters A u s n a h m e n v o n d e m i n § 5 7 1 a u f g e s t e l l t e n G r u n d s a t z e , d a ß der Erwerber vom Eigentumsübergange ab ein selbständiges Recht auf den Mietzins erhält, und von der damit gegebenen Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Verfügungsfreiheit der Vertragsteile. Ihr Anwendungsgebiet m u ß daher in der nämlichen Weise begrenzt werden wie das der Regelvorschrift u n d erstreckt sich n i c h t auf s o l c h e Vorauserhebungen und Vorauszahlungen von Mietzins, die i n U b e r e i n s t i m m u n g m i t d e m M i e t v e r t r a g e geschehen. Unter dieser letzteren Voraussetzung m u ß der Erwerber auch die einmalige Vorauszahlung des Miet- oder Pachtzinses für das ganze Miet- oder Pachtverhältnis gegen sich gelten lassen (RG 94, 279; 136, 407; 144, 194 [ 196f]; vgl. R G WarnRspr. 1933 Nr. 100; ferner H R R 1935 Nr. 1132; 1936 Nr. 529, aber auch Nr. 799; für den Fall eines Baukostenzuschusses B G H 6, 202). Vereinbarungen zur Umgehung der §§ 573, 1124 sind unwirksam (KG J W 1936, 3264 35 ). Anm. 2 b) Die F a s s u n g d e r § § 573, 574 beruht auf dem G e s e t z zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5. 3. 1953 (BGBl I 33) 1. Teil, Art. 2 Nr. 2 und 3. § 573 Satz 1 lautete ursprünglich: „Eine Verfügung, die der Vermieter vor dem Ubergange des Eigentums über den auf die Zeit der Berechtigung des Erwerbers entfallenden Mietzins getroffen hat, ist insoweit wirksam, als sie sich auf den Mietzins für das zur Zeit des Uberganges des Eigentums laufende u n d d a s f o l g e n d e Kalendervierteljahr bezieht." §574 Satz 1 lautete: „Ein Rechtsgeschäft, das zwischen dem Mieter und dem Vermieter in Ansehung der Mietzinsforderung vorgenommen wird, insbesondere die Entrichtung des Mietzinses, ist dem Erwerber gegenüber wirksam, soweit es sich nicht auf den Mietzins für eine spätere Zeit als das K a lendervierteljahr, in welchem der Mieter von dem Ubergange des Eigentums Kenntnis erlangt, u n d d a s f o l g e n d e Vierteljahr bezieht." Das Gesetz vom 8. 6. 1915 (RGBl I 327), das im Interesse des Grundkredits die Verfügungen über Miet- und Pachtzinsforderungen gegenüber dem bisherigen Recht durch Änderung von Z V G § 57 (jetzt §§ 57) 57a, 57b), BGB §§ 573, 574, 1123, 1124, K O §21 e i n s c h r ä n k t e (Art. 1—3), begrenzte die Wirksamkeit der fraglichen Verfügungen und Rechtsgeschäfte in der

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Miete

§573 Anm. 3—5

Regel auf den Mietzins für das im maßgebenden Zeitpunkt laufende Kalendervierteljahr und erstreckte sie nur ausnahmsweise auf die Mietzinsen des folgenden Vierteljahrs. Nach der N o t v e r o r d n u n g v o m 8. 12. 1931 Teil 3 § 12 (RGBl I 711) sind aber die Vorschriften der §§ 573, 574, 1123, 1124 und K O § 21, soweit sie die Wirksamkeit von Verfügungen und Rechtsgeschäften in Ansehung von Miet- und Pachtzinsforderungen gegenüber dem Erwerber des Grundstücks, den Hypothekengläubigern und der Konkursmasse betreffen, mit der Änderung anzuwenden, daß die in ihnen erwähnten Verfügungen und Rechtsgeschäfte n u r f ü r d e n l a u f e n d e n K a l e n d e r m o n a t und, wenn „die Verfügung oder das Rechtsgeschäft nach dem fünfzehnten Tage des Monats vorgenommen wird", f ü r d e n f o l g e n d e n K a l e n d e r m o n a t wirksam sind. Durch die N o t V O vom 14. 6. 1932 Teil 2 Art. I Nr. II 7 (RGBl I 285, 293) wurde die Fassung des § 12 von Teil 3 der N o t V O vom 8. 12. 1931 nur insofern geändert, als es an Stelle der oben in Anführungszeichen gesetzten Worte nun heißt: „das nach den genannten Vorschriften maßgebende Ereignis (der Übergang des Eigentums, die Kenntnis von dem Eigentumsübergang, die Beschlagnahme oder die Konkurseröffnung) nach dem fünfzehnten Tage des Monats eingetreten ist". Bei dieser Fassung blieb es auch nach dem Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 26. 5. 1933 (RGBl I 298) und der auf Grund des Art. 8 dieses Gesetzes erfolgten Veröffentlichung der maßgebenden Vorschriften unter der Uberschrift „Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 26. 5. 1933" (RGBl I 302) (s. dort § 12). Eine f ö r m l i c h e Änderung der Fassung der §§ 573, 574 wurde nicht vorgenommen. Sie ist jetzt durch das Gesetz vom 5. 3. 1953 nachgeholt worden, das keine sachliche Änderung der bisherigen Rechtslage hinsichtlich der §§ 573, 574 bringt.

Anm. 3 c ) Uber eine den §§ 573, 574 entsprechende Beschränkung rechtsgeschäftlicher Verfügungen zugunsten der P f ä n d u n g v o n M i e t - und P a c h t z i n s f o r d e r u n g e n w e g e n A n s p r ü c h e a u s öffentlichen G r u n d s t ü c k s l a s t e n s. Gesetz vom 9. 3. 1934 (RGBl I, 181), dazu amtliche Erläuterungen DJ 1934, 338.

Anm. 4 2. Verfügungen des Vermieters über den Mietzins (wie Abtretung, Verpfändung, aber auch ein Geschäft mit dem Mieter, das eine Verfügung über den Mietzins enthält, wie eine Zahlung, Stundung, ein Erlaßvertrag). a ) Sie sind, wenn v o r d e m Ü b e r g a n g e d e s E i g e n t u m s , sei es auch nach dem Abschluß des Veräußerungsvertrags, getroffen, wirksam, a a ) soweit sie sich auf den Mietzins für den zur Zeit des Eigentumsübergangs laufenden K a l e n d e r m o n a t beziehen, und falls der Übergang des Eigentums nach dem fünfzehnten Tage des Monats stattfindet, auch bezüglich des Mietzinses für den folgenden Kalendermonat, b b ) bezüglich des Mietzinses für eine s p ä t e r e Z e i t dann, wenn der Erwerber die Verfügung zur Zeit des Eigentumsübergangs k e n n t . Der Mieter kann sich also vor doppelter Zahlung der über den laufenden und gegebenenfalls über den folgenden Kalendermonat hinausgehenden Mietzinsraten dadurch schützen, daß er den Erwerber vor dem Erwerbe von der darüber erfolgten Vorausverfügung des Vermieters in Kenntnis setzt.

Anm. 5 b ) Die Vorschrift unter aa) gilt nicht nur für die vom Vermieter getroffene r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e , sondern auch für die von seinem Gläubiger i m W e g e d e r Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g erwirkte Verfügung, also für die P f ä n d u n g der Mietzinsbeträge (vgl. § H 2 4 A b s . 2 ; R G 58, 181559, 177; 64, 418; 76, 118). Das Pfandrecht an einer laufenden Mietzinsforderung wird aber gegenstandslos, wenn das vermietete Grundstück nicht an einen Dritten (§ 571), sondern an den Mieter aufgelassen wird und damit (§ 564 Anm. 15) das Mietverhältnis endigt ( O L G 13, 378; 17, 20; 33, 318). Für den Fall der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g gilt die Vorschrift unter aa) mit dem Unterschiede, daß an Stelle des Eigentumsüberganges die B e s c h l a g n a h m e des Grundstücks maßgebend 30 Komm. z. BGB, 11. Aufl. II. Bd. (Plitsch)

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§ 5 7 3 A n m . 6—8 § 574 A n m . 1 , 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ist und der Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsversteigerung die Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsverwaltung gleichsteht, wenn sie bis zum Zuschlag fortgedauert hat (ZVG §§ 57, 57 b Abs. 1, 2). Für die Wirksamkeit von Verfügungen des Zwangsverwalters ist aber nicht der Zeitpunkt der Beschlagnahme, sondern der des Eigentumsübergangs, d. h. des Zuschlags, maßgebend (ZVG § 57 b Abs. 3). Vgl. auch Belehrung für den Mieter oder Pächter PrJMBl 1915, 1 1 6 ; BayJMBl 1915, 55. Anm. 6 c) Hat der Erwerber von den Vorausverfügungen des Vermieters zur Zeit des Eigentumsübergangs keine Kenntnis, so kann er in der Regel wegen dieser Verfügungen Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter erheben. Ob derjenige, dem der Vermieter Mietzinsforderungen wirksam abgetreten hat, Zahlungen an den Erwerber (Ersteher in der Zwangsversteigerung) gegen sich gelten lassen muß, bemißt sich nach §407 (OLG 34, 99). Anm. 7 d) Die Vorschriften der §§573 ff treffen nur den Miet- oder Pachtzins, nicht Nebenrechte, die neben der Zinspflicht bestehen; das Aufgeben einer Bürgschaft durch den Vermieter (Verpächter) unterliegt nicht den Beschränkungen des Gesetzes (RG 157, 379). Mit dem Mietzins zugleich zahlbare Zins- und Tilgungsbeträge für Baukosten des Vermieters können einen Teil des Mietzinses bilden und wie dieser dem Verbot der Vorausverfügung nach §573 unterliegen (JW 1938, 4624). Wegen der sog. Aufbauverträge s. 535 Anm. 22. Anm. 8 3. Auf Verfügungen, die der Vermieter nach d e m Ü b e r g a n g e des E i g e n t u m s getroffen hat, bezieht sich der § 573 n i c h t ; sie haben regelmäßig keine Wirksamkeit dem Erwerber gegenüber.

§574 Ein Rechtsgeschäft, das z w i s c h e n d e m Mieter und d e m Vermieter i n Ans e h u n g der Mietzinsforderung v o r g e n o m m e n w i r d , insbesondere die Entrichtung des Mietzinses, i s t d e m Erwerber gegenüber w i r k s a m , s o w e i t es s i c h nicht auf den Mietzins für eine spätere Zeit a l s den Kalendermonat bezieht, in w e l c h e m der Mieter von d e m Ü b e r g a n g des E i g e n t u m s Kenntnis e r l a n g t ; erlangt der Mieter die Kenntnis n a c h d e m fünfzehnten T a g e des M o n a t s , s o i s t d a s R e c h t s g e s c h ä f t auch i n s o w e i t w i r k s a m , als es s i c h auf den M i e t z i n s für den folgenden Kalendermonat bezieht. Ein R e c h t s g e s c h ä f t , das n a c h d e m Ü b e r g a n g e des E i g e n t u m s v o r g e n o m m e n w i r d , i s t jedoch u n w i r k s a m , w e n n der Mieter bei der V o r n a h m e des R e c h t s g e s c h ä f t s v o n d e m Ü b e r g a n g e des E i g e n t u m s Kenntnis hat. E l l 515 m 567; P a 144, 253. — Ges. v. 8. 6. 15 (RGBl 327). Entw. m. Begründung (RTV Bd.

Anlage Nr. 71).

Anm. 1 1. §574 enthält eine weitere A u s n a h m e von dem in §571 aufgestellten Grundsatze. Seine jetzige Fassung beruht auf dem Gesetz zur Wiederherstellung des Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des Bürgerlichen Rechts vom 5. 3. 1953 (BGBl I 33) 1. Teil Art. 2 Nr. 3. Das Nähere s. in § 573 Anm. 2. Vgl. auch dort Anm. 3. Anm. 2 2. R e c h t s g e s c h ä f t e z w i s c h e n Mieter und V e r m i e t e r bezüglich des Mietzinses. a) Rechtsgeschäfte dieser Art sind Vorauszahlung des Mietzinses, Annahme an Zahlungs Statt, Erlaß, Schuldumwandlung, Aufrechnung u. a., aber nicht Kündigung (Str.).

456

Miete

§ 574 Anm. 3—6

§575

aa) Ohne Rücksicht darauf, ob sie vor oder nach dem Eigentumsübergange vorgenommen sind, werden die in Frage kommenden Monate nicht von dem Eigentumsübergange, sondern erst von der Zeit ab berechnet, wo der Mieter von dem Eigentumsübergange Kenntnis erhält, wobei die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts sich in der Regel auf den im maßgebenden Zeitpunkt laufenden Kalendermonat beschränkt und nur ausnahmsweise, wenn der Mieter die entscheidende Kenntnis nach dem fünfzehnten Tage des Monats erlangt, auch auf den Mietzins des folgenden Kalendermonats sich erstreckt. Anm. 3 bb) Rechtsgeschäfte, die nach dem Eigentumsübergange vorgenommen werden, sind unwirksam, wenn der Mieter bei ihrer Vornahme von dem Eigentumsübergange Kenntnis hat, während im übrigen (bei Unkenntnis des Mieters zu dieser Zeit) auch für solche Rechtsgeschäfte die Vorschrift unter aa) gilt. Dagegen ist für die Bestimmung unter aa) dann kein Raum mehr, wenn schon nach dem Mietvertrage der Mietzins für eine längere Zeit, z. B. für ein Jahr, vorauszubezahlen und die erste Rate schon vor dem Eigentumsübergange fällig war (vgl. §§ 1123, 1124). Anm. 4 b) Für den Fall der Zwangsversteigerung (vgl. § 573 Anm. 5) gilt die Vorschrift unter aa) mit dem Unterschiede, daß an Stelle der Kenntnis vom Eigentumsübergange die Kenntnis von der B e s c h l a g n a h m e des Grundstücks maßgebend ist. Mit der Zustellung des die Zwangsversteigerung anordnenden Beschlusses an den Mieter (Pächter) gilt die Beschlagnahme als diesem bekannt. Der Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsversteigerung steht die Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsverwaltung gleich, wenn sie bis zum Zuschlag fortgedauert hat. In diesem Falle gilt mit der Zustellung des Beschlusses, durch den dem Mieter (Pächter) verboten wird, an den Schuldner zu bezahlen, die Beschlagnahme als dem Mieter (Pächter) bekannt (ZVG §§ 57> 57 b Abs. 1, 2). Auf die Rechtsgeschäfte des Zwangsverwalters finden aber diese besonderen Vorschriften keine Anwendung (ZVG §57b Abs. 3). Für den Fall der Zwangsverwaltung s. RG J W 1933, 165812. Vgl. auch Belehrung für den Mieter oder Pächter PrJMBl 1915, 116; BayJMBl 1915, 55. Kündigt der Ersteher eines einem Mieter oder Pächter überlassenen Grundstücks nicht unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zum ersten zulässigen Termin, so muß er auch bei langfristigem Miet- oder Pachtvertrage die vertragliche Vorauszahlung des Miet- oder Pachtzinses für die ganze Vertragsdauer gegen sich gelten lassen (RG HRR 1933 Nr. 1312). Anm. 5 c) Wegen der Mietvorauszahlung bei den sog. Aufbauverträgen s. § 535 Anm. 22. Anm. 6 3. Beweislast. Die Kenntnis des Mieters von dem Eigentumsübergange ist im Streitfalle von dem E r w e r b e r als Grundlage seines noch fortbestehenden Mietzinsanspruchs gegen den Mieter zu erweisen.

§575 Soweit die Entrichtung des Mietzinses an den Vermieter nach § 574 dem Erwerber gegenüber wirksam ist, kann der Mieter gegen die Mietzinsforderung des Erwerbers eine ihm gegen den Vermieter zustehende Forderung aufrechnen. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn der Mieter die Gegenforderung erworben hat, nachdem er von dem Ubergange des Eigentums Kenntnis erlangt hat, oder wenn die Gegenforderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als der Mietzins fällig geworden ist. E N 516 in 368; p a 147. 5°'

457

§ 575 A n m . 1—3 § § 576, 577

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 1. Die Entrichtung des Mietzinses ist d e m Erwerber gegenüber w i r k s a m , wenn dieser gegen den Mieter Mietzinsforderungen geltend macht, die auf die Zeit von seinem Erwerb ab bis zu erlangter Kenntnis des Mieters vom Eigentumsübergange sowie auf den alsdann laufenden Monat, und, wenn der Mieter die entscheidende Kenntnis nach dem fünfzehnten Tage des Monats erlangt, auch auf den folgenden zu entrichten sind. Vgl. § 574 Anm. 2, 3. Anm. 2 2. Ausschluß der Aufrechnung. Vgl. die entsprechende Vorschrift in § 406. Die aufzurechnende Forderung braucht nicht aus dem Mietverhältnis herzurühren, wie sich aus dem allgemeinen Wortlaute des Gesetzes und aus dem Mangel entgegenstehender innerer Gründe ergibt. Anm. 3 3. Im Falle der Zwangsversteigerung ist auch hier an Stelle der Kenntnis vom Eigentumsübergange die Kenntnis von der B e s c h l a g n a h m e maßgebend. Vgl. ZVG §§ 57, 5 7 b u n d o b e n § 574 Anm. 4.

§576 Zeigt der Vermieter d e m Mieter an, daß er das Eigentum an d e m vermieteten Grundstück auf einen Dritten übertragen habe, so m u ß er in Ansehung der Mietzinsforderung die angezeigte Übertragung d e m Mieter gegenüber gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht w i r k s a m ist. Die Anzeige kann nur m i t Z u s t i m m u n g desjenigen zurückgenommen werden, welcher als der neue Eigentümer bezeichnet worden ist. e n 517 in 569; p 2 134. Anm. 1 1. Vgl. die entsprechende Vorschrift in § 409. Nach dieser Anzeige, für welche eine besondere Form nicht erforderlich ist, kann also der Mieter den Mietzins mit Sicherheit (gegenüber dem Vermieter) an den ihm angegebenen Erwerber zahlen, und dies selbst dann, wenn in Wirklichkeit die Abtretung nicht oder nicht in wirksamer Weise erfolgt und dies dem Mieter b e k a n n t geworden sein sollte (M 2, 135). Anm. 2 2. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs (§ 893) schützt den Mieter nicht. Er kann sich daher dem Vermieter gegenüber nicht darauf berufen, daß derjenige, an den er den Mietzins zahlte, als Erwerber des Grundstücks im Grundbuch eingetragen sei (bestr.).

§ 577 Wird das vermietete Grundstück nach der Überlassung an den Mieter von d e m Vermieter m i t d e m Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften d e r § § 571 bis 576 entsprechende Anwendung, wenn durch die Ausübung des Rechtes d e m Mieter der vertragsmäßige Gebrauch entzogen wird. Hat die Ausübung des Rechtes nur eine Beschränkung des Mieters in d e m vertragsmäßigen Gebrauche zur Folge, so ist der Dritte d e m Mieter gegenüber verpflichtet, die Ausübung zu unterlassen, soweit sie den vertragsmäßigen Gebrauch beeinträchtigen würde. E I JIO II JI8 III J70; M 3 386—390; P 2 159. 458

Miete

§ 577 A n m . I—3 §578

Anm. 1 1. Belastung des Grundstücks mit dem Rechte eines Dritten, das dem Mieter den Gebrauch völlig entzieht.

a) So bei Einräumung eines Erbbau-, Nießbrauchs- oder Wohnungsrechts

an dem vermieteten Grundstücke (§ 1012 ErbbauVO § 1 ; ferner §§ 1030, 1093). Hier tritt der Erwerber in das Mietverhältnis ein, hat dem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch zu gewähren, erlangt aber dagegen (und zwar auch als Inhaber eines Wohnungsrechts) von der Zeit seines Rechtserwerbs ab den Anspruch auf den Mietzins, und es gelten in betreff der Gültigkeit von Vorausverfügungen des Vermieters, sowie von Rechtsgeschäften zwischen Vermieter und Mieter die nämlichen Vorschriften wie bei einer Veräußerung des vermieteten Grundstücks. S. insbesondere über die Bestellung eines N i e ß b r a u c h s am Mietgrundstück R G 68, 1 2 f f ; 81, 149; 94, 279; WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 19; 1922 Nr. 67; J W 1912, 870 29 , auch O L G 8, 399; 20, 99; 33 S. 304, 320. Eine Ermäßigung des Mietzinses durch den Nießbraucher wirkt nicht über die Dauer des Nießbrauchs (OLG 33, 320). Vgl. auch B G H L M Nr. 15 zu § 535 BGB (Verwaltungs- und Nutzungsrecht). b) Entsprechende Anwendung der §§ 577, 573, wonach der Nießbraucher Vorausverfügungen des vermietenden Eigentümers gegen sich gelten lassen muß, auf V o r a u s v e r f ü g u n g e n des N i e ß b r a u c h e r s im Falle der Beendigung des Nießbrauchs, s. O L G 39» 240.

Anm. 2 2. Beschränkung des Mieters im vertragsmäßigen Gebrauche. So bei Ein-

räumung e i n e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t o d e r e i n e r b e s c h r ä n k t e n p e r s ö n l i c h e n D i e n s t b a r k e i t (§§ 1018,1090,für das Wohnungsrecht jedoch Anm. 1 zu a). Hier ist der Dritte dem Mieter gegenüber nur verpflichtet, d i e A u s ü b u n g s e i n e s R e c h t e s z u u n t e r l a s s e n , insoweit sieden vertragsmäßigen Gebrauch beeinträchtigen würde;er tritt aber im übrigen in das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter nicht ein und erlangt insbesondere gegenüber dem Mieter keinen Anspruch auf den Mietzins. Für seine Ansprüche gegenüber dem Vermieter ist das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis maßgebend.

Anm. 3 3. War dem Mieter das Grundstück zur Zeit der rechtsgeschäftlichen Belastung durch den Mieter n o c h n i c h t ü b e r l a s s e n , so kommt § 578 zur Anwendung.

§578 Hat vor der Überlassung des vermieteten Grundstücks an den Mieter der Vermieter das Grundstück an einen Dritten veräußert oder mit einem Rechte belastet, durch dessen Ausübung der vertragsmäßige Gebrauch dem Mieter entzogen oder beschränkt wird, so gilt das gleiche wie in den Fällen des § 571 Abs. 1 und des § 577, wenn der Erwerber dem Vermieter gegenüber die Erfüllung der sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Verpflichtungen übernommen hat. EI J12 II 519; M 2 391—39?; P 2 162.

Anm. Im Falle der Veräußerung oder Belastung eines Mietgrundstücks nach Abschluß

des Mietvertrags, aber vor Überlassung des Grundstücks an den Mieter fehlt es

an einer wesentlichen Voraussetzung der §§571, 577. Hier ist der Erwerber an den Mietvertrag, in den er nicht eintritt, nicht gebunden, sondern kann ohne Rücksicht auf diesen Vertrag sein Eigentum oder sonstiges Recht dem Mieter gegenüber ausüben, dem alsdann ein Entschädigungsanspruch nach §§ 325, 538 an seinen Vermieter zusteht. Der Erwerber hat aber in diesem Falle auch keinen Anspruch gegen den Mieter auf Vertragserfüllung, muß also mit diesem zu solchem Zwecke n o c h einen Vertrag ein-

459

§ 579 Anm. 1, 2 § 580 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

gehen. Alles dies gilt auch im Falle einer Zwangsversteigerung. Eine Ausnahme greift jedoch dann Platz, wenn der Erwerber dem V e r m i e t e r gegenüber die Erfüllung der sich aus dem Mietsvertrag ergebenden Verpflichtungen übernommen hat, und zwar vor dem Ubergange des Eigentums oder vor der Belastung (bestr.). Alsdann treten, auch ohne daß die außerdem anwendbaren Bestimmungen über Erfüllungs- und Schuldübernahme beobachtet sind oder der Mieter seine Zustimmung erteilt (OLG 8, 144), die gleichen Rechtsfolgen ein wie in den in § 571 Abs. 1 und in § 577 behandelten Fällen. Es gelten also die §§ 571—576', auch § 571 Abs. 2, der die bürgschaftliche Mithaftung des Vermieters bestimmt.

§579 Wird das vermietete Grundstück von dem Erwerber weiter veräußert oder belastet, so finden die Vorschriften des§ 571 Abs. 1 und der §§ 572 bis 578 entsprechende Anwendung. Erfüllt der neue Erwerber die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Verpflichtungen nicht, so haftet der Vermieter dem Mieter nach§ 571 Abs. 2. E II 520 III 572; P 1 174.

Anm. 1 1. Bei Weiterveräußerung oder Weiterbelastung des Mietgrundstücks tritt der neue Erwerber an Stelle des ersten Erwerbers in das Mietverhältnis ein, und die von dem ersten Erwerber vorgenommenen Vorausverfügungen über den Mietzins sowie die zwischen ihm und dem Mieter abgeschlossenen Rechtsgeschäfte sind dem neuen Erwerber gegenüber nach Maßgabe der §§ 573 ff wirksam. Anm. 2 2. Bei Nichterfüllung der dem neuen Erwerber obliegenden Verpflichtungen haftet dem Mieter nicht der erste Erwerber (sofern er nicht etwa einen neuen Vertrag mit dem Mieter abgeschlossen hat und damit ihm gegenüber selbst Vermieter im Sinne des § 571 geworden ist), sondern der u r s p r ü n g l i c h e V e r m i e t e r gemäß § 571 Abs. 2. Auch dessen Haftung hört auf durch Mitteilung des Eigentumsübergangs an den Mieter und Nichtkündigung seitens des Mieters, es fällt also dann für diesen jeder Rückanspruch weg.

§ 580 Die Vorschriften über die Miete von Grundstücken gelten auch für die Miete von Wohnräumen und anderen Räumen. E II 480 III 573; P 1 134.

Anm. 1 1. Wohn- und andere Räume. Das BGB stellt für die Anwendung seiner Vorschriften über Miete die Wohnräume mit anderen Räumen den Grundstücken gleich. a) Als solche anderen Räume (vgl. auch § 865) kommen beispielsweise in Betracht: Mühlen, Fabriken, Werkstätten, Magazine, Verkaufsläden, Viehställe, Keller, Lagerund Trockenräume. Gemeint sind, wie sich aus der Zusammenstellung mit den Wohnräumen ergibt, nur I n n e n r ä u m e , nicht z. B. die Außenwände oder die Dachfläche eines Gebäudes, die vielfach zur Anbringung von Geschäftsanzeigen vermietet werden (str.). b) In Betracht kommen namentlich die Vorschriften: §537 Abs. 2 Satz 2 (Zusicherung einer bestimmten Größe bei Vermietung eines Grundstücks), § 544 (gesundheitsgefährliche Beschaffenheit der Wohnräume), §551 Abs. 2 (vierteljährliche Entrichtung des nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessenen Mietzinses), § 556 Abs. 2 (Befugnis des Vermieters zur Rückforderung der Sache von einem Dritten —• Untermieter), § 559—563 (Vermieterpfandrecht und dessen Geltendmachung), § 565 Abs. 1, 3 , 4 (gesetzliche Kündigungsfristen), § 566 (schriftliche Form des Mietvertrags bei längerer als einjähriger Dauer), §§571 ff (Rechtsverhältnisse bei Veräußerung eines 460

Miete

§ 580 A n m . 2 § 5 8 0 a A n m . 1—3

vermieteten Grundstücks). Vgl. auch §570 (Kündigungsrecht der Militärpersonen, Beamten usw.). c) Zur Verbindung von Raumpacht und Betriebspacht s. R G 168, 44. Anm. 2 2. Auf R ä u m e in beweglichen Sachen, insbesondere auf Kajüten und Schankwirtschaftsräume in einem S c h i f f e , ist § 580 nicht zu beziehen (SeuffArch. 61 Nr. 78). Über die Miete eines S c h r a n k f a c h e s in der Stahlkammer eines Bankhauses s. § 535 Anm. 12.

§ 580a Die Vorschriften d e r § § 571, 572, 576—579 gelten i m Falle der Veräußerung oder B e l a s t u n g eines i m Schiffsregister eingetragenen Schiffs s i n n g e m ä ß . Eine Verfügung, die der Vermieter vor d e m Ü b e r g a n g des E i g e n t u m s über d e n auf die Zeit der Berechtigung des E r w e r b e r s entfallenden Mietzins g e troffen hat, i s t d e m Erwerber gegenüber w i r k s a m . D a s Gleiche gilt v o n e i n e m R e c h t s g e s c h ä f t , das z w i s c h e n d e m Mieter und d e m V e r m i e t e r über die Mietz i n s f o r d e r u n g v o r g e n o m m e n w i r d , insbesondere v o n der Entrichtung des M i e t z i n s e s ; ein R e c h t s g e s c h ä f t , das nach d e m Ü b e r g a n g des E i g e n t u m s vorg e n o m m e n w i r d , i s t jedoch u n w i r k s a m , w e n n der Mieter bei der V o r n a h m e des R e c h t s g e s c h ä f t s v o n d e m Ü b e r g a n g d e s E i g e n t u m s Kenntnis hat. § 575 gilt sinngemäß. Anm. 1 § 580 a ist durch die V O zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 21. 12. 1940 (RGBl I 1609) eingefügt worden. Er stellt, was den Einfluß eines Eigentumswechsels an der Mietsache oder von deren Belastung auf das Mietverhältnis betrifft, die im Schiffsregister eingetragenen Schiffe, wenn sie vermietet sind, grundsätzlich vermieteten Grundstücken gleich, behandelt sie also insoweit w i e unbewegliche Sachen. Doch sind die §§ 573 und 574 nicht und § 575 nicht unmittelbar anwendbar; sie werden durch § 580a Abs. 2 ersetzt. Danach bestehen hier folgende Abweichungen: Anm. 2 a) Die in den §§ 573, 574 angeordneten Beschränkungen, denen bei der Veräußerung oder Belastung vermieteter Grundstücke die W i r k s a m k e i t v o n Vorausverfüg u n g e n des Vermieters über den Mietzins und von Rechtsgeschäften zwischen Vermieter und Mieter über die Mietzinsforderung unterliegt, gelten nicht bei der Veräußerung (Belastung) von vermieteten eingetragenen Schiffen. Solche V e r f ü g u n g e n u n d R e c h t s g e s c h ä f t e sind hier u n b e s c h r ä n k t z u l ä s s i g und wirksam, sofern sie v o r dem Eigentumsübergang (der Belastung) vorgenommen worden sind. Das Gleiche gilt g r u n d s ä t z l i c h , wenn sie n a c h der Eigentumsübertragung (Belastung) vorgenommen worden sind, doch sind hier Rechtsgeschäfte über den auf die Zeit der Berechtigung des Erwerbers entfallenden Mietzins unwirksam, wenn der Mieter bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts von dem Eigentumsübergang (der Belastung) Kenntnis hat. Anm. 3 b) Soweit hiernach die Entrichtung des Mietzinses an den Vermieter dem Erwerber gegenüber wirksam ist, d. h. für die Zeit bis zur Kenntnis des Mieters von dem Eigentumsübergang oder der Belastung, kann der Mieter, auch wenn er inzwischen von dem Eigentumsübergang oder der Belastung Kenntnis erhalten hat, gegen die Mietzinsforderung des Erwerbers eine ihm gegen den Vermieter zustehende Forderung aufrechnen; die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn der Mieter die Gegenforderung erst nach Kenntnis des Eigentumsübergangs (der Belastung) erworben hat oder die Gegenforderung erst nach dieser Kenntnis und später als der Mietzins fällig geworden ist (§ 575 Satz 2 i.V. mit § 580a Abs. 2 Satz 3).

461

§581

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

II. Pacht

§581 Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Genuß der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter ist verpflichtet, dem Verpächter den vereinbarten Pachtzins zu entrichten. Auf die Pacht finden, soweit sich nicht aus den§§ 582 bis 597 ein anderes ergibt, die Vorschriften über die Miete entsprechende Anwendung. E I 531» 53* H 521; M a 421—423; P 2 232.

Ü b ersieht Aom.

I. Allgemeines 1. Die Pacht nach BGB a) Unterschied zwischen Miete und Pacht b) Verpachtung landwirtschaftlich genutzter Grundflächen c) Verpachtungsfähige Rechte d) Persönliches Vertrauensverhältnis e) Schriftform f) Behördliche Genehmigung g) Zwangsverpachtung h) Kastellanvertrag i) Anfechtung wegen Irrtums über die Vertrauenswürdigkeit des Pächters k) Fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde 2. Kleingartenpacht 3. Beschaffung von Pachtland für landwirtschaftliche Arbeiter . . . . 4. Landwirtschaftliches Pachtwesen 5. Apothekenpacht 6. Preisbildungsvorschriften II. Verpflichtungen des Verpächters 1. Gewährungspflichten 2. Mängelbeseitigung 3. Unterlassungspflicht

1—17 1—12 1 2 3—5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18—20 18 19 20

I I I . Verpflichtungen des Pächters 1. Zahlung des Pachtzinses 2. Obhutspflicht a) Ausbesserungspflicht b) Jagdpacht c) Gebrauchsverpflichtung d) Treupflicht

21—25 21 22—25 22 23 24 25

I V . Fruchterwerb des Pächters 1. Zwangsvollstreckung gegen den Verpächter

26—28 27

2. Verteilung V. Abänderung und Ergänzung der Mietvorschriften 462

28 29

Pacht

§581

A n m . 1—4 Anm. 1 I. Allgemeines 1. D i e P a c h t n a c h B G B a ) Uber den U n t e r s c h i e d z w i s c h e n M i e t e u n d P a c h t und dessen praktische Bedeutung s. Vorbem. 2 vor § 535, über das Verhältnis zu anderen Schuldverhältnissen ebenda Anm. 9 ff, über Unterpacht 19, über Vorpacht 20. Anm. 2 b ) Die Verpachtung l a n d w i r t s c h a f t l i c h g e n u t z t e r G r u n d f l ä c h e n setzt Einräumung des unmittelbaren Besitzes voraus; ein Vertrag, der dem vermeintlichen Pächter keine Einwirkung auf das fruchttragende Grundstück selbst ermöglicht, ist kein Pachtvertrag ( R G 26. 2. 1924 I I I 299/23). Dagegen wird die Annahme eines Pachtverhältnisses nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Verpächter, der als Vergütung einen Bruchteil der Früchte zu beanspruchen hat, dem sonst selbständig wirtschaftenden Pächter Betriebseinschränkungen oder sonstige Verpflichtungen zur Erhaltung der Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit des Betriebes auferlegt ( R G H R R 1934 Nr. 1196). Anm. 3 c) V e r p a c h t u n g s f ä h i g e R e c h t e : a a ) Recht zum B e t r i e b e i n e s H a n d e l s g e s c h ä f t s (HGB § 22 Abs. 2) oder eines G e w e r b e s (GewO §48, vgl. § 1822 Nr. 4) — Apothekengeschäft ( R G 123, 151; O L G 25, 37, auch R G J W 1903, 5 1 1 ; s. hierzu Anm. 16); Fleischerei und Wurstfabrik ( R G 133, 318); Malzfabrik ( R G 138, 199; Pacht eines wirtschaftlichen Unternehmens liegt auch dann vor, wenn der Pächter aus Wettbewerbsgründen das Unternehmen zeitweilig stillzulegen beabsichtigt ( R G 8. 5. 1933 V I I I 4/3) — , auch eines Teiles von einem Gewerbe, insbes. des Betriebes des Anzeigenteils einer Zeitung ( R G 70, 20; J W 1933 2762®; die Übernahme eines Anzeigengeschäfts für Fachzeitungen wird in ihrer Eigenschaft als Pacht nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Verpächter zur Drucklegung und Veröffentlichung der Anzeigen verpflichtet ist; darin liegt nur eine besondere Ausgestaltung seiner Hauptverpflichtung zur Gewährung von Gebrauch und Fruchtgenuß, R G 26. 9. 1933 V I I 117/33), das öffentliche Anschlagswesen einer Großstadt ( R G 82, 340; B G H L M Nr. 1 zu § 36 MSchG) oder auch anderer Gemeinden ( R G DJ 1934, 837), Garderobenpacht ( R G 97, 166: Verpachtung der Garderobenräume oder des Gewerbebetriebs? Vgl. auch R G 140, 206), auch Verpachtung einer zahnärztlichen Praxis ( R G SeuffArch. 79, Nr. 97). Ein Vertrag, der neben der Verpachtung von Geschäftsräumen und der Vermietung von Wohnräumen auch die Verpachtung eines Unternehmens zum Gegenstand hat, kann bei der Beurteilung seiner Auflösbarkeit nur einheitlich behandelt werden, und zwar gibt der überwiegende Teil der Verpächterleistungen den Ausschlag ( B G H L M Nr. 3 zu § 36 MSchG, abw. von R G 168, 44; B G H L M Nr. 1 zu § 36 M S c h G ; Nr. 11 zu § 581 BGB). Ein Vertrag, durch den die Bundesbahn einem Buchhändler gegen Entgelt erlaubt, sein Gewerbe auf einem Bahnhof allein auszuüben, steht rechtlich dem Pachtvertrag über ein Recht gleich ( B G H L M Nr. 11 zu § 581 BGB). Anm. 4 b b ) B e r g w e r k s e i g e n t u m ( R G 135, 94), Kohlenabbaurecht ( R G J W 1901, 26638; 1903, i3i 2 4 ), der gesetzliche Anteil eines Kaliwerks am Kaliabsatz ( R G 130, 275), J a g d r e c h t ( R G 51, 279; 52, 128; WarnRspr. 1910 Nr. 381; vgl. BundesjagdG §§ 11 bis 14, 43 und Vorbem. 22 zu b, 26, 29 zu d, 62 vor § 535), F i s c h e r e i r e c h t (SeuffArch. 60 Nr. 229; 83 Nr. 200, 212), nicht aber die Rohrnutzung aus einem See, da der Vertrag hier das Grundstück selbst betrifft ( R G 56, 83); auch die Fischereipacht bei geschlossenen Privatgewässern ist Grundstückspacht ( O L G 38, 93); Verpachtung eines öffentlichen F ä h r r e c h t s R G J W 1937, 2106 11 ; unwiderrufliche Gestattung der Quellwasserentnahme mittels einer Leitung gegen einmalige Vergütung als pachtähnliches Verhältnis s. R G H R R 1934 Nr. 1197.

463

§ 581

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 5—8 Anm. 5 c c ) Nach der insbes. vom I. Zivilsenat des R G vertretenen, heute herrschenden Auffassung begründet der Vertrag über die entgeltliche Ausnutzung eines Patents ( L i z e n z v e r t r a g ) kein Pachtverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art, das nach seinem besonderen wirtschaftlichen Inhalt sehr mannigfaltig sein, auch rechtlich eine gemischte Natur aufweisen kann ( R G 75, 400; 82, 1 5 5 ; 142, 2 i 2 ; B G H 2, 3 3 1 ) , während der V I I . Zivilsenat entgeltliche Verträge, die Lizenzrechte nur schuldrechtlicher Art (also nicht mit dem Charakter der Ausschließlichkeit) begründen, als Pachtverträge (Rechtspacht) im Sinne des preußischen Stempelsteuerrechts angesehen hatte ( R G 76, 2 3 5 ; 90, 1 6 2 ; 1 1 5 , 1 7 ; 1 1 6 , 82; 137, 358). Jedenfalls kann der Lizenzvertrag nicht so weitgehend und fest in den Pachtvertrag eingeordnet werden, daß dessen Regeln unter allen Umständen (insbes. auch auf ausschließliche Lizenzen) Anwendung finden müßten ( R G 134, 9 1 , V I I I Z S ) . Die zeitlich beschränkte entgeltliche Überlassung einer n i c h t p a t e n t i e r t e n Erfindung zur Benutzung und Ausbeutung wurde als Pachtvertrag angesehen ( R G 122, 70, I I I Z S ) . Als Pachtvertrag im Sinne des Stempelrechts galt auch die entgeltliche Überlassung der Ausnutzung von u r h e b e r r e c h t l i c h e n B e f u g n i s s e n ( R G 1 1 5 , 17, V I Z S ; WarnRspr. 1929 Nr. 1 1 0 , V I I ZS). Der sog. F i l m v e r w e r t u n g s v e r t r a g zwischen Filmhersteller und Filmverleiher ist ein dem Lizenzvertrage verwandter urheberrechtlicher Vertrag eigener Art ( R G 106, 362; 1 1 8 , 288; 158, 3 2 1 ; B G H 2, 3 3 1 ) ; für Beschaffenheitsmängel des Films ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Rechtspacht möglich, soweit sie sich im Einzelfall bei Berücksichtigung der urheberrechtlichen Bestandteile des Filmverwertungsvertrages eignen (BGH 2, 3 3 0 -

Anm. 6 d ) Das p e r s ö n l i c h e V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s zwischen Verpächter und Pächter (Vorbem. 3 1 vor § 535) bezieht sich nicht nur auf die Erfüllung der besonderen gesetzlichen und vertraglichen Pflichten, wie es etwa für den Pächter die Pflicht zur Zahlung des Pachtzinses zur sorgfältigen Behandlung der Pachtsache, zur Benachrichtigung des Verpächters von der Ausbesserungs- und Schutzbedürftigkeit des Pachtgegenstandes ist. Aus der g e g e n s e i t i g e n T r e u p f l i c h t kann sich als Inhalt des Vertragsverhältnisses für den Pächter z.B. auch die Pflicht ergeben, bei Handlungen Dritter, durch die dem Verpächter das Verfügungsrecht über den Pachtgegenstand entzogen wird, nicht mitzuwirken, sie keinesfalls zu fördern ( R G J W 1938, 665 1 1 ). S. auch Anm. 25. Der Verpächter aber hat seinerseits Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Pächters zu nehmen. Versucht ein Jagdpächter, der wegen seiner Ausländereigenschaft die Nichtwiedererteilung des Jagdscheins befürchtet, die Weiterverpachtung an einen Inländer, so darf der Verpächter die dazu erforderliche Zustimmung nicht grundlos verweigern ( O L G Köln D J 1938, 1398).

Anm. 7 e) Die S c h r i f t f o r m des § 566 ist auch bei der Pacht nur erforderlich, wenn sich der Vertrag auf ein G r u n d s t ü c k bezieht, während der Pachtvertrag über ein R e c h t , welches Gebrauch und Fruchtgenuß gestattet, über ein Fischereirecht (s. jedoch Vorbem. 22 vor § 5 3 5 ) , einen gewerblichen Betrieb ( § 1 8 2 2 Nr. 4), ein Handelsgeschäft ( H G B § 22 Abs. 2) usw. formfrei ist, da § 566 ausdrücklich nur für den Mietvertrag über ein Grundstück gilt, wie die Vorschriften über Miete überhaupt nur Sachen, nicht auch Rechte als Gegenstand des Vertragsverhältnisses kennen ( R G 5 1 , 2 7 9 f f ) . Anders bei der das Grundstück selbst betreffenden Verpachtung einer Rohrnutzung ( R G 56, 83). Vgl. auch B G H L M Nr. 2 zu § 566 B G B (§ 566 Anm. 2 a . E . ) . Über die Schriftform bei J a g d p a c h t v e r t r ä g e n s. § 11 Abs. 3 BundesjagdG v. 29. 11. 1952 (BGBl I 780; früher ReichsjagdG v. 3. 7. 1934, R G B l I 549), Vorbem. 22 vor § 535.

Anm. 8 f ) Wegen der v o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t l i c h e n G e n e h m i g u n g und wegen behördlicher Genehmigung bei der Verpachtung von Grundstücken, die der Landwirtschaft, einschließlich der Forstwirtschaft, dienen, s. Vorbem. 23 vor § 535.

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Pacht

§581 Anm. 9—14

Anm. 9 g) Uber Z w a n g s v e r p a c h t u n g s. Vorbem. 24 vor § 535.

Anm. 10

h) Uber die N i c h t i g k e i t des P a c h t v e r t r a g s über eine Gastwirtschaft, der dahin geht, daß der Pächter die Wirtschaft für eigene Rechnung, aber ohne im Besitze der nach § 33 GewO (jetzt GaststättenG v. 28.4. 1930, R G B l I 146) erforderlichen S c h a n k e r l a u b n i s zu sein, betreiben solle, sog. K a s t e l l a n v e r t r a g , s. Vorbem. 25 vor § 535. Nichtigkeit eines Pachtvertrags wegen übermäßiger Belastung des Pächters s. R G 103, 35. Nichtigkeit einer im Vertrage enthaltenen eidesstattlichen Versicherung der Pächter, daß die eingebrachten Sachen ihr Eigentum und nicht mit Rechten Dritter belastet seien, wegen Mißbrauchs des Eides zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen s. R G Gruchot 66, 95 (96).

Anm. 11 i) A n f e c h t u n g eines Pachtvertrags wegen Irrtums über die Vertrauenswürdigkeit des Pächters s. R G 102, 225; wegen Unkenntnis einer Vorbestrafung des Pächters wegen Untreue (RG 3. 6. 1921 I I I 299/20) oder seiner Entmündigung wegen Verschwendung (SeufTArch. 77 Nr. 18).

Anm. 12 k) Über die f r i s t l o s e K ü n d i g u n g eines Pachtverhältnisses wegen Störung der persönlichen Beziehungen zwischen Pächter und Verpächter und überhaupt aus wichtigem Grunde s. § 553 Anm. 2.

Anm. 13 2 . K l e i n g a r t e n p a c h t . Für die Pacht von Kleingärten, wie Arbeiter- und Schrebergärten, Laubenkolonien, und für die Pacht von k l e i n e r e n l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n G r u n d s t ü c k e n sind die besonderen Vorschriften des Kleingartenrechts zu beachten. S. hierzu Vorbem. 48, 61 vor § 535. Nach § 5 der Kleingarten- u. KleinpachtlandO dürfen Grundstücke zum Zwecke der W e i t e r v e r p a c h t u n g an Kleingärtner nur durch Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts oder als gemeinnützig anerkannte Unternehmen zur Förderung des Kleingartenwesens gepachtet und nur an solche verpachtet werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Dabei ist nicht zu prüfen, ob der Pächter eine gewerbsmäßige oder eine gemeinnützige Tätigkeit entfaltet, sondern nur, ob er ein als gemeinnützig anerkanntes Unternehmen zur Förderung des Kleingartenwesens ist, sofern er nicht zu den Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts gehört (RG 135, 287). Der einzelne Unterpächter erwirbt keine Rechte gegenüber dem Verpächter (RG J W 1929, 1982 34 ). Vgl. auch H R R 1933 Nr. 1094. Bei Zuwiderhandlungen kann die untere Verwaltungsbehörde ein Pachtverhältnis z w a n g s w e i s e festsetzen (dazu R G SeufTArch. 80 Nr. 44; R G WarnRspr. 1935 Nr. 3g). Nach dem E r g ä n z u n g s g e s e t z vom 26. 6. 1935 finden die Vorschriften der Kleingarten- und der Kleinpachtlandordnung auch auf Kleingärten mit W o h n l a u b e n (s. H R R 1933 Nr. 999, 1093) Anwendung. Zur Zahlung des dort vorgesehenen Wohnlaubenentgelts an den Eigentümer des Pachtlandes ist, falls zwischen diesem und dem Pächter als Zwischenpächter eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder ein als gemeinnützig anerkanntes Unternehmen zur Förderung des Kleingartenwesens steht, der Zwischenpächter verpflichtet (RG 153, 3 6 1 ; R G J W 1938, 124 18 ). ÄnderungsVO über den Kündigungsschutz bei der Kleingartenpacht v. 15. 12. 1944 (RGBl I 347). Für Schleswig-Holstein s. KleingartenG v. 5. 5. 1948 (GVB1 148).

Anm. 14 3. Beschaffung von Pachtland für landwirtschaftliche Arbeiter. S. Reichssiedlungsgesetz v. 1 1 . 8. 1919 (RGBl 1429) §§ 22 ff, geändert und ergänzt durch Gesetze v. 7. 6. 1923 (RGBl I 364), v. 18. 8. 1923 (RGBl I 805), v. 8. 7. 1926 (RGBl I 398), v. 4. 1. 1935 (RGBl I 1), V O v. 15. 4. 1937 (RGBl I 546); dazu R G 104, 42; 105, 359; 106, 320; 108 S. 66, 91, 1 1 3 , 226; 110, 409; i i 2 , 50; 120, 144; 136, 52; RG J W 1924, 1985 1 7 ; 1925, 2245 1 6 ; 1926, 2628 1 1 ; 1927, 1516 2 ; R G WarnRspr. 1927 Nr. 1 2 ; R G SeuffArch. 80 Nr. 136; R G L Z 1927, 247«.

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§ 581 Anm. 15—21

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 15 4. Landpacht. Für die Pacht von Grundstücken, die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e r Nutzung dienen, s. Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen (Landpachtgesetz) vom 25. 6. 1952 (BGBl I 343), das am 1 . 7 . 1952 an die Stelle der Reichspachtschutzordnung vom 30. 7. 1940 (RGBl I 1065) getreten ist. Vgl. Vorbem. 28, 47, 59. Anm. 16 5. Apothekenpacht. Vgl. hierzu Ges. über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken v. 13. 12. 1935 (RGBl I 1445) mit DVO vom 26. 3. 1936 (RGBl I 317) und H R R 1938 Nr. 536, allgemein zum Apothekenrecht W a l t h e r , MDR 1949, 79. Gibt der Pächter einer Apotheke diese vertragswidrig auf und errichtet er eine mit ihr nicht identische Apotheke in anderen, selbst beschafften Räumen unter neuer Firma, so kann der Verpächter nicht verlangen, daß der Pächter die neue Apotheke als Pachtapotheke unter der früheren Firma führt (BGH L M Nr. 8 zu §581 BGB). Die stark umstrittene Frage, ob die Apothekenpacht dem Mieterschutz unterlag, ist seit dem Inkrafttreten des Geschäftsraummietengesetzes gegenstandslos. Anm. 17 6. Preisbildung. Wegen der Bedeutung der Preisbildungsvorschriften für die Pacht s. Vorbem. 37 vor § 535. Anm. 18 II. Verpflichtungen des Verpächters 1. Gewährungspflichten. Der Verpächter ist verpflichtet a) zur Gewährung des Gebrauchs, wie bei der Miete, an dem verpachteten Gegenstande (Sache oder Recht), b) zur Gewährung des Genusses der Früchte (§ 99), soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, mithin nicht der Vorteile, die zugleich die Substanz vermindern, wie bei einem Walde das infolge Windbruchs im Ubermaß geschlagene Holz. Fruchterwerb s. Anm. 26. Anm. 19 2. Mängelbeseitigung. Der Verpächter muß Mängel, die er kennt und von denen er weiß, daß der Pächter ihre Beseitigung verlangt, beheben, auch ohne daß der Pächter ihm Anzeige macht und die Beseitigung ausdrücklich verlangt (§ 536). Anderenfalls kann der Pächter sich auf § 320 berufen (RG WarnRspr. 1913 Nr. 193). Anspruch des Pächters eines Steinbruchs gegen den Verpächter auf Gewährung eines Abfuhrweges s. RG WarnRspr. 1920 Nr. 106. Verpflichtung des Verpächters einer Sandgrube, die über sein Grundeigentum führenden Zugänge so zu unterhalten, daß dem Pächter die Ausbeutung der Grube möglich ist, s. RG SeuffArch. 83 Nr. 185. Nach Beendigung der Pacht kann der Pächter die durch Zahlung geleistete Sicherheit zurückfordern, sobald feststeht, daß dem Verpächter nur Ansprüche zustehen können, die durch Aufrechnung gegen sonstige Ansprüche des Pächters zu tilgen sind (RG 22. 8. 1935 IV 68/35). Anm. 20 3. Unterlassungspflicht. Neben diesen positiven Verpflichtungen liegt aber dem Verpächter auch die negative Pflicht ob, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Pächter in der vertragsmäßigen Nutzung des Pachtgegenstandes zu stören, insbesondere keine Änderungen an diesem vorzunehmen, wodurch die Nutzung des Pächters ausgeschlossen oder geschmälert werden könnte (RG 10. 4. 1908 III 382/07). Anm. 21 III. Verpflichtungen des Pächters 1. Zahlung des Pachtzinses. Der Zins kann auch in einem B r u c h t e i l der F r ü c h t e bestehen (RG 140, 208; RG H R R 1934 Nr. 1196); vgl. Vorbem. 11 vor § 535 und § 535 Anm. 33. Eine besondere Vorschrift über die Zahlung des Pachtzinses für landwirtschaftliche Grundstücke enthält § 584. Gänzliche oder teilweise B e f r e i u n g

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Pacht

§581 Anm. 22—24

vom Pachtzinse kann der Pächter verlangen, wenn ihm durch F e h l e r , z.B. mangelhafte Beschaffenheit der Entwässerungsgräben oder der Zugangswege des P a c h t g r u n d stücks (§ 537) oder durch einen es treffenden und die Nutzungsgewährung des Verpächters unmöglich machenden zufälligen Umstand (wie z.B. eine Überschwemmung des Grundstücks vor Trennung der Früchte), nicht aber durch einen nur die F r ü c h t e treffenden Umstand (wie z. B. Hagelschlag) der Fruchtbezug ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird (§ 323 Abs. 1, § 325 Abs. 3; Prot 2, 241). Uber die Bedeutung b e h ö r d l i c h e r M a ß n a h m e n , insbesondere k r i e g s r e c h t l i c h e r V e r b o t e , die die Möglichkeit des vertragsmäßigen Fruchtgenusses, nicht nur den tatsächlichen Umfang des Fruchtbezugs beeinträchtigen, für den Bestand des Pachtverhältnisses, für die Verpflichtung des Pächters zur Entrichtung des Pachtzinses und für seine Befugnis zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist s. § 537 Anm. 6, § 542 Anm. 4. Uber die Möglichkeit einer Erhöhung des Pachtzinses wegen V e r ä n d e r u n g d e r w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e s. § 7 L P G und Vorbem. 47 vor §535. Uber die Bedeutung einer Vereinbarung, wonach der Pachtzins nach den allgemeinen Verhältnissen zu bemessen ist, s. RG WarnRspr. 1929 Nr. 1 3 1 . Uber den Einfluß der Währungsreform s. Vorbem. 49 vor § 535 und § 547 Anm. 1, über die Preisbildungsvorschriften Vorbem. 33 ff vor § 535. Hat der Pächter vertraglich Hand- und Spanndienstleistungsbeiträge übernommen, zu denen der Verpächter auf Grund eines Ortsstatuts herangezogen wird, so entfällt die Verpflichtung des Pächters nicht ohne weiteres bei Ungültigkeit des Ortsstatuts (BGH L M Nr. 7 zu § 581 BGB). Anm. 22 2. Obhutspflicht. Der Pächter ist zur ordnungsmäßigen Behandlung des Pachtgegenstandes und zur Obhut darüber verpflichtet (SeuffArch. 56 Nr. 174, vgl. auch § 535 Anm. 35.) a) Ausbesserungspflicht. Anerkannt ist auch in der Rechtsprechung die Verpflichtung des Pächters zur Ausbesserung einer mangelhaften Einrichtung (Dampfkessel), die er mit Kenntnis des Mangels übernommen hatte (RG 9. 3. 1906 I I I 265/05). In anderen Fällen hat er den Verpächter auf die Ausbesserungs- und Schutzbedürftigkeit des Pachtgegenstandes aufmerksam zu machen. Besteht der Pachtzins in einem Anteil an dem Umsatz des vom Pächter auf dem Pachtgrundstück einzurichtenden Betriebes (Teilpacht), so kann, wenn der Pächter es an der vertragsmäßigen Einrichtung oder ordnungsmäßigen Führung des Betriebes fehlen läßt, der Verpächter nach Maßgabe der §§ 553, 581 fristlos kündigen; § 326 ist hier nicht anwendbar (RG 149, 88). Der Pächter braucht aber nicht den Pachtgegenstand soweit wie möglich zu verbessern, um unter Hintansetzung eigener Vorteile dem Verpächter den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen (RG 160, 361). Wenn der Nießbraucher eines Grundstücks dieses verpachtet, ist der Pächter bei der Ausübung seines Nutzungsrechts denselben Beschränkungen wie der Nießbraucher unterworfen (§ 1036 Anm.). Anm. 23 b) Pflichten des Jagdpächters. Für die J a g d p a c h t gelten jetzt die Vorschriften des Bundesjagdgesetzes vom 20. 1 1 . 1952 (BGBl I 780). Nach § 1 Abs. 3 des Ges. sind bei der Ausübung der J a g d die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten; der Jäger hat das Recht und die Pflicht, das Wild zu hegen (§ 1 Abs. 2), und muß örtliche Verbote (§ 20), die Abschußregelung (§ 21) und die Schonzeiten (§ 22) einhalten und auf die berechtigten Interessen der Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten Rücksicht nehmen (§33). Gegebenenfalls kann er bestraft (§ 38) oder bei Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße belegt (§ 39), es kann ihm auch der Jagdschein für bestimmte Zeit oder dauernd entzogen werden (§ 41), wodurch der Jagdpachtvertrag erlischt (§ 13). Anm. 24 c) Gebrauchsverpflichtung. Eine V e r p f l i c h t u n g des Pächters z u m G e b r a u c h d e r v e r p a c h t e t e n S a c h e o d e r des v e r p a c h t e t e n R e c h t e s liegt nicht 467

§ 581 A n m . 25—27

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

im Wesen des Pachtvertrags, kann aber, ohne die rechtliche Natur des Vertrages zu verändern, im Wege der Nebenabrede vereinbart werden, auch aus den besonderen Umständen des Falles sich ergeben (RG 115, 20; 138 S. 197, 202; RG 8. 12. 1911 I I I 69/11; 16. 10. 1925 I I I 548/24; 29. 10. 1926 I I I 524/25); s. auch § 535 Anm. 34 und für l a n d w i r t s c h a f t l i c h e G r u n d s t ü c k e § 591 und § 582 Anm. 2. Der Gebrauch der verpachteten Sache kann auch im öffentlichen Interesse (Sicherung der Volksernährung) geboten sein, der Nichtgebrauch oder nicht ordnungsmäßige Gebrauch kann ein behördliches Einschreiten zur Folge haben ( K R G 45 Art. V I I ; s. § 535 Anm. 34 zu c). Verspricht in einem Kaliabbauvertrage (Vorbem. 10 vor § 535 zu cc) ein Unternehmer nehmer dem Grundeigentümer einen von der Höhe der Förderung abhängigen Förderzins, so folgt daraus noch nicht notwendig eine Förderpflicht des Unternehmers (BGH L M Nr. 4 zu § 133 [A] BGB). Anm. 25 d) Treupflicht. Neben den besonderen gesetzlichen und vertraglichen Pflichten kann sich aus der gegenseitigen Treupflicht für den Pächter auch die Pflicht ergeben, bei Handlungen Dritter, durch die dem Verpächter das Verfügungsrecht über den Pachtgegenstand entzogen wird, nicht mitzuwirken, sie keinesfalls zu fördern (RG J W 1938, 665 11 ). Eine den Pächter zum Schadenersatz kraft Vertrages verpflichtende Verletzung der Treupflicht gegenüber dem Verpächter kann, j e nach den Umständen des Falles, auch gegeben sein, wenn der Pächter die erforderliche behördliche Genehmigung dazu nachsucht, nach Ablauf der Pachtzeit das bisher in den Pachträumen betriebene Geschäft im eigenen Hause fortzuführen, obwohl die Erteilung der Genehmigung dazu führen muß, daß ein solcher Geschäftsbetrieb in den Räumen des Verpächters nicht fortgeführt werden darf (RG 158, 180; 165, 35). Haftung des Pächters für Verschulden des Unterpächters nach § 278 s. R G 157, 363. A n m . 26 IV. Fruchterwerb des P ä c h t e r s . Er erwirbt nach § 956 (vgl. § 957) das Eigentum an den Früchten regelmäßig mit deren Trennung (dazu R G 138, 237: Verzicht des Pächters auf sein Fruchtziehungsrecht für einen bestimmten Teil des Pachtlandes). A n m . 27 1. Zwangsvollstreckung gegen den Verpächter. Hiernach und nach seiner sonstigen rechtlichen Stellung bestimmen sich auch seine Rechte gegenüber den Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g s m a ß r e g e l n seitens der G l ä u b i g e r des V e r p ä c h t e r s dahin, daß a) bei der Zwangsvollstreckung in das verpachtete Grundstück die bereits durch die Trennung in das Eigentum des Pächters übergegangenen Früchte der Beschlagnahme so wenig wie dem Rechte des Hypothekengläubigers unterliegen (§ 1120, ZVG § 20), daß das Fruchtbezugsrecht des Pächters, dem das verpachtete Grundstück bereits überlassen ist, auch bezüglich der ungetrennten Früchte durch die Beschlagnahme nicht berührt wird (ZVG § 21 Abs. 3), daß es ebenso im Falle der Zwangsverwaltung dem Verwalter gegenüber wirksam ist (ZVG § 152 Abs. 2), und daß der im Besitze des Pachtgrundstücks befindliche Pächter sich dem Ersteher gegenüber auf §§ 57 1 ) 572, 573 Satz 1, §§574, 575 berufen kann (ZVG §§57, 57a, 57b; vgl. auch Anm. I i zu § 571); b) im Falle der gegen den Verpächter ergehenden Mobiliar-Zwangsvollstreckung (ZPO §§810, 813, 824) der im Besitze des Grundstücks befindliche Pächter nicht bloß nach der Trennung der von ihm gezogenen und damit in sein Eigentum übergegangenen Früchte, sondern auch schon vor der Trennung die Pfändung der Früchte, die sich zu dieser Zeit in seinem Gewahrsam befinden, verbieten und, wenn sie gleichwohl betrieben wird, hiergegen einen Einwand aus § 766 ZPO, sowie unter Umständen gegen den pfändenden Gläubiger auf Grund des ihm an den Früchten zustehenden Besitz- und Bezugsrechts die Widerspruchsklage nach § 771 ZPO erheben kann (RG 34, 422; J W 1893, 350 3 2 ; Gruchot 38, 179; OLG 4, 340; vgl. a u c h R G 18, 368). Anderseits kann der V e r p ä c h t e r eine seitens der Gläubiger des Pächters in Angriff genommene Pfändung 468

Pacht

§ 581 A n m . 28, 29 § § 582, 583

der Früchte weder vor der Trennung (§ 581; R G 18, 368), noch nach ihr hindern; er hat aber Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlöse (§805 ZPO; vgl. § 5 6 3 Anm. 1, § 585 Anm. 2). A n m . 28 2. Verteilung. Für die Verteilung der Früchte und auch der Lasten des Pachtgrundstücks zwischen dem Verpächter und dem an- oder abtretenden Pächter gelten §§ 101, 103. A n m . 29 V. A b ä n d e r u n g u n d E r g ä n z u n g der M i e t v o r s c h r i f t e n . A b g e ä n d e r t oder e r g ä n z t sind: § 536 durch §§ 582, 586; § 549 Abs. 1 durch § 596 Abs. 1; § 5 5 1 Abs. 2 durch § 584; § 5 5 6 Abs. 1 durch §§ 591—594; § 557 durch § 597; §§ 559, 563 durch § 585; § 565 durch § 595; §§ 5 6 9 , 570 durch § 596 Abs. 2, 3. Die übrigen yorschriften (auch § 580) sind mit den durch das Wesen des Pachtvertrags gebotenen Änderungen (vgl. z. B. § 537 Anm. 6) anwendbar.

§ 583 Der P ä c h t e r eines l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n G r u n d s t ü c k s h a t die gewöhnlichen A u s b e s s e r u n g e n , i n s b e s o n d e r e die der Wohn- und W i r t s c h a f t s g e b ä u d e , d e r Wege, G r ä b e n und E i n f r i e d i g u n g e n , auf seine K o s t e n z u bewirken. E I 540 II 522; M 2 429, 430; P 2 252?.

Anm. 1 Die §§582—585 b e z i e h e n s i c h n u r a u f l a n d w i r t s c h a f t l i c h e G r u n d s t ü c k e , d. i. Wiesen, Felder, Nutzgärten usw., die in der Hauptsache einem landwirtschaftlichen Betriebe — Ackerbau, Viehzucht, Baumzucht, Waldwirtschaft (insofern a M Staudinger § 582 Anm. 1) — dienen. Beim Vorliegen dieser Voraussetzung ist es für die Begriffsbestimmung ohne weiteren Einfluß, daß auf dem Grundstück auch G e b ä u d e stehen oder sog. landwirtschaftliche N e b e n g e w e r b e — Brauerei, Branntweinbrennerei, Ziegelbrennerei — betrieben werden. Anm. 2 Die A u s b e s s e r u n g s p f l i c h t ist infolge des Zusammenhangs mit dem Fruchtbezugsrecht — abweichend von § 536, der im übrigen (ebenso wie § 547 für den Ersatz von Verwendungen) in betreff der a u ß e r g e w ö h n l i c h e n Ausbesserungen auch für die landwirtschaftlichen Grundstücke gilt — dem Pächter auferlegt; das dazu erforderliche Material darf er in der Regel nicht dem Grundstück entnehmen. Neben der Ausbesserungspflicht wird sich aus der Natur des Pachtverhältnisses regelmäßig auch die Verpflichtung zur ununterbrochenen B e w i r t s c h a f t u n g , insbesondere zur Bestellung der Äcker, ergeben, insofern ohne diese Bewirtschaftung das Grundstück nicht gemäß § 591 zurückgegeben werden kann.

§ 583 Der P ä c h t e r eines l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n G r u n d s t ü c k s d a r f nicht ohne die E r l a u b n i s d e s V e r p ä c h t e r s Ä n d e r u n g e n in der wirtschaftlichen B e s t i m m u n g d e s G r u n d s t ü c k s v o r n e h m e n , die auf die A r t der B e w i r t s c h a f t u n g ü b e r die Pachtzeit h i n a u s von Einfluß s i n d . E

1541 n 523;

M

2 430; p 2 253.

Anm. Keine B e f u g n i s d e s P ä c h t e r s zur eigenmächtigen Vornahme von nachhaltigen Ä n d e r u n g e n in der wirtschaftlichen Bestimmung des Pachtgrundstücks, z. B. zur m

§ 584 § 585 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Abholzung eines Waldes, um die Fläche in Ackerland zu verwandeln; in der Regel auch keine Befugnis zur dauernden Unterlassung der Bewirtschaftung des Grundstücks (§582 Anm. 2). Vgl. § 1036 Anm. Die Umwandlung von Ackerland in Wiese wird regelmäßig gestattet sein, sofern sich der frühere Zustand bis zum Ende der Pachtzeit wieder herstellen läßt. Im Falle der Zuwiderhandlung ist Klage auf Unterlassung nach § 550 und Kündigungsbefugnis des Verpächters nach § 553, nach den Umständen auch ein Schadensersatzanspruch gegeben (§ 550 Anm. 5, § 553 Anm. 6). Begriff des landwirtschaftlichen Grundstücks s. § 582 Anm. 1.

§584 Ist bei der Pacht eines landwirtschaftlichen Grundstücks der Pachtzins nach Jahren bemessen, so ist er nach dem Ablaufe je eines Pachtjahrs a m ersten Werktage des folgenden Jahres zu entrichten. E I J39 II 524; M 2 429; P 2 2 j i f f .

Anm. Auch hier bildet (wie nach § 551) Nachzahlung des Pächters, und zwar am Ende des Pachtjahrs, d. h. des mit dem Beginn der Pacht anfangenden beweglichen Jahres (RG L Z 1914, 1615 4 ), nicht des Kalenderjahrs, auch nicht des Wirtschaftsjahrs, nach dem Gesetze die Regel. Begriff des landwirtschaftlichen Grundstücks s. § 582 Anm. 1. Für die Pacht von nicht landwirtschaftlichen Grundstücken verbleibt es durchweg bei § 551.

§ 585 Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks kann für den gesamten Pachtzins geltend gemacht werden und unterliegt nicht der i m § 563 bestimmten Beschränkung. Es erstreckt sich auf die Früchte des Grundstücks sowie auf die n a c h § 811 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung der Pfändung nicht unterworfenen Sachen. E I 543 II 525; M 2 432, 433; P 2 238C

Anm. 1 1. Abweichungen in bezug auf die Geltendmachung des gesetzlichen Pfandrechts des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks von den — im übrigen (§ 581 Abs. 2) auch für die Pacht anwendbaren — Vorschriften der §§ 559—563. a) Geltendmachung. Sie ist möglich: aa) unbeschränkt nicht nur für den rückständigen, sondern auch für den künftigen Pachtzins (jedoch nicht auch für künftige Entschädigungsforderungen, §559 Anm. 8 zu bb, RG 142, 201) sowie einem dritten Pfändungsgläubiger gegenüber wegen des gesamten rückständigen Pachtzinses; bb) auch an den Früchten des Grundstücks (§ 99) — auch am Pachtzinsanspruch des Pächters gegen einen Unterpächter § 99 Abs. 3, nicht an den dem Unterpächter zufallenden natürlichen Früchten (vgl. § 559 Anm. 7 zu bb) — sowie an den nach§ 811 Nr. 4 ZPO der Pfändung entzogenen Sachen: dem zum Wirtschaftsbetrieb erforderlichen Gerät und Vieh nebst dem nötigen Dünger sowie an den voraussichtlich zur Fortführung der Wirtschaft bis zur nächsten Ernte erforderlichen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Gutserzeugnisse, welche nicht unmittelbar in dem Wirtschaftsbetriebe Verwendung finden sollen, gehören überhaupt nicht zu den unpfändbaren Gegenständen, auch wenn ihr Erlös zur Fortführung der Wirtschaft nötig ist (RG Gruchot 44, 188). Anm. 2 b) Pfandrecht an den Früchten. Es besteht, wie der allgemeine Wortlaut („es erstreckt sich auf die Früchte des Grundstücks") ergibt, seinem Grunde nach schon 470

Pacht

§585 Anm. 3—7

vor ihrer Trennung vom Grundstück, sobald im natürlichen Wortsinne von Früchten gesprochen werden kann (RG WarnRspr. 1933 Nr. 88), jedenfalls früher als einen Monat vor der Reife, und geht deshalb dem später von einem anderen Gläubiger des Pächters durch P f ä n d u n g nach § 810 Z P O an den,ungetrennten Früchten erlangten Pfandrechte vor (RG 132, 1 1 6 [121]). Denn wenn auch das Pfandrecht an den Früchten nach dem Grundsatze des § 93 erst mit ihrer Trennung vom Grundstück vollwirksam entsteht, so muß doch nach dem Zwecke der Sondervorschrift, die den Verpächter vor anderen Gläubigern des Pächters sicherstellen soll, angenommen werden, daß schon vorher eine rechtliche Gebundenheit zugunsten des Verpächters gegeben ist, die als zur Zeit der Pfändung bereits vorhanden, der Pfandungsgläubiger ebenso g e g e n sich gelten lassen muß, wie er selbst anderen Gläubigern gegenüber trotz des § 93 das nach § 810 Z P O vor der Trennung begründete Pfandrecht für sich in Anspruch nehmen kann. Dies entspricht auch dem Sinne der Pfändung, die die Früchte als Pfandgegenstand nur so ergreifen kann, wie sie in das Vermögen des Pfändungsschuldners, des Pächters, übergehen, also mit der zugunsten des Verpächters bestehenden Belastung. Für den Vorrang des Verpächters (mit verschiedener Begründung) O L G 19, 6 und die hM, a M O L G 13, 202, S t e i n - j o n a s - S c h ö n k e - P o h l e § 810 II.

Anm. 3 c) I n v e n t a r p f a n d r e c h t . Uber die Bestellung eines P f a n d r e c h t s o h n e B e s i t z ü b e r t r a g u n g bezüglich des dem Pächter gehörenden Inventars eines verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücks s. Pachtkreditgesetz vom 5 . 8 . 1951 (BGBl I 494); vgl. Vorbem. 71 vor § 535. Uber das Verhältnis dieses nur zugunsten eines nach diesem Gesetze zugelassenen Kreditinstituts möglichen Pfandrechts zum gesetzlichen Pfandrecht des Verpächters s. § 4 Abs. 2 und § 11 des Gesetzes; ferner R G 142, 201. Über die Unzulässigkeit mehrfacher Verpfändung desselben Inventars bei verschiedenen Kreditinstituten s. R G 143, 7.

Anm. 4 2. Verbringung der Früchte zu einem anderen Verpächter. Hat ein Pächter

Grundstücke v o n v e r s c h i e d e n e n P e r s o n e n g e p a c h t e t und schafft er die Früchte von einem Pachtgrundstück auf das Grundstück eines anderen Verpächters, so erlischt das gesetzliche Pfandrecht gemäß § 560, z. B. wenn der Pächter den Rübsamen vom Grundstücke des Verpächters A mit dessen Wissen in den Speicher des Verpächters B bringt, weil dort die Reinigung des Samens stattzufinden hat. Der Verpächter, der nur Acker ohne Wirtschaftsgebäude verpachtet, wird danach tatsächlich weniger günstig gestellt sein als der Verpächter eines Landguts. Vgl. R G 74, 247, § 560 Anm. 3.

Anm. 5 3 . K o n k u r s des P ä c h t e r s . Uber die Wirksamkeit des Verpächterpfandrechts gegenüber der K o n k u r s m a s s e des Pächters und gegenüber einem im V e r g l e i c h s v e r f a h r e n stehenden Pächter s. § 563 Anm. 5. Das dem Verpächter eines Landguts im Konkurse des Pächters zustehende Absonderungsrecht an den Früchten und eingebrachten Sachen kann auch wegen des vom Pächter für die Überlassung des Inventars zum Eigentume zu zahlenden Ubernahmepreises geltend gemacht werden, da auch die Vereinbarung hierüber einen Bestandteil des Pachtvertrags bildet (RG 38, 66), nicht aber wegen eines dem Pächter vom Verpächter gewährten Darlehns (RG 37, 88).

Anm. 6 4. Landwirtschaftliches Grundstück. Begriff des landwirtschaftlichen G r u n d s t ü c k s §582 Anm. 1. Auf die Pacht anderer Grundstücke, z.B. eines Gastoder Schankwirtschaftsanwesens, sind die §§ 559 fr unverändert anzuwenden.

Anm. 7 5. D ü n g e m i t t e l u n d S a a t g u t . Uber ein allen andern dinglichen Rechten — mithin auch dem Verpächterpfandrecht (RG J W 1935, 1 1 3 1 ) — vorgehendes P f a n d r e c h t an den p f ä n d b a r e n G r u n d s t ü c k s f r ü c h t e n w e g e n d e r A n s p r ü c h e für L i e f e r u n g von D ü n g e m i t t e l n u n d S a a t g u t s. das für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet 31

Komm. z. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Fritsch/Kuhr.)

471

§ 585 Anm. 8 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 586 Anm. 1—3 erlassene Gesetz des Wirtschaftsrats zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung vom 19. i. 1949 (WiGBl 8), auf das restliche Bundesgebiet ausgedehnt und in seiner Geltungsdauer auf imbestimmte Zeit verlängert durch V O vom 2 1 . 2 . 1950 (BGBl 37) und Gesetz vom 3 0 . 7 . 1951 (BGBl I 476); das hierin geregelte Früchtepfandrecht war durch die NotVO vom 23. 1. 1932 (RGBl I 32) eingeführt und durch spätere Verordnungen — insbesondere vom 9. 1 1 . 1939 (RGBl I 2261) und 8. 7. 1943 — bestätigt und erweitert worden. Hierzu E h r e n f o r t h D R Z 1949, 83. Anm. 8 6. Neufassung des § 585. Die des Gesetzes zur Wiederherstellung lichen Rechts vom 5. 3. 1953 (BGBl des früheren Textes auf § 715 Nr. 5 ersetzt hat.

jetzige Fassung des § 585 beruht auf Art. 2 Nr. 4 der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerI 33), der die nicht mehr zutreffende Verweisung Z P O durch die Verweisung auf § 8 1 1 Nr. 4 Z P O

§ 586 Wird ein Grundstück samt Inventar verpachtet, so liegt dem Pächter die Erhaltung der einzelnen Inventarstücke ob. Der Verpächter ist verpflichtet, Inventarstücke, die infolge eines von dem Pächter nicht zu vertretenden Umstandes in Abgang kommen, zu ergänzen. Der Pächter hat jedoch den gewöhnlichen Abgang der zu dem Inventar gehörenden Tiere aus den Jungen insoweit zu ersetzen, als dies einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspricht. E I

J3J

n

526;

M a

42J, 426;

P a

243.

Anm. 1 Grundstücke mit Inventar. Die §§ 586—590 beziehen sich auf die Pacht von landwirtschaftlichen u n d von nicht landwirtschaftlichen Grundstücken (Theater, Mühle, Gasthof, Fabrik) mit Inventar. Vgl. Vorbem. 3 vor § 535. Anm. 2 Begriff des Inventars: Inbegriff aller beweglichen Sachen, die dem wirtschaftlichen Zwecke des Grundstücks zu dienen bestimmt sind (vgl. § 98). Dazu gehören bei einem Landgut neben Gerät und Vieh auch die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu der gleiche oder ähnliche Erzeugnisse gewonnen werden (RG 1 4 2 , 2 0 1 ; RG H R R 1931 Nr. 597). Das Inventar eines Grundstücks kann dem Pächter überlassen werden a) durch Eigentumsübertragung vom Verpächter oder vom dritten Eigentümer oder b) durch Mitverpachtung nach § 586 oder c) durch pachtweise Übernahme zum Schätzungswerte nach § 587. Werden die Sachen dem Pächter bei Eingehung des Pachtvertrags vollständig zu Eigentum übertragen, so gelten die Vorschriften über den K a u f , unter Umständen auch diejenigen über den Wiederkauf, nicht aber die des § 586 (vgl. RG J W 1927, 1516 2 ); daher sind Aufwendungen des Pächters auf das ihm gehörige Inventar keine Verwendungen im Sinne des § 558 (RG 152, 100; § 558 Anm. 2). Hat der Verpächter wegen Unwirksamkeit des Pachtvertrages den für das Inventar empfangenen Kaufpreis zurückzuzahlen, so vermindert sich seine Bereicherung um die Vermögensverringerung, die ihm dadurch erwachsen ist, daß der Pächter die Nutzungen des Pachtlandes gezogen und nach §993 nicht herauszugeben hat (RG 141, 310). Ubernimmt der Pächter das Inventar zum Schätzungswerte, so gelten die besonderen Vorschriften der §§ 587fr. Bedeutung des Inventarverzeichnisses: nicht Anerkennungsvertrag, sondern nur Beweisurkunde (RG WarnRspr. 1910 Nr. 147). Anspruch des Verpächters auf Besichtigung des Inventars s. RG WarnRspr. 1927 Nr. 142. Anm. 3 Erhaltungspflicht. Die abweichend vom § 536 dem Pächter auferlegte Erhaltungspflicht geht über die Ausbesserungspflicht des § 582 hinaus, da sie auch Neuanschaffun-

472

Pacht

§ 586 A n m . 4 § § 5 8 7 , 588 A n m . 1 — 3

gen nötig macht, wenn der Abgang vom Pächter zu vertreten ist. Zur Versicherung des Inventars ist der Pächter gesetzlich nicht verpflichtet (§ 586 Abs. 2 Satz 1, anders § 1045). Anm. 4 Tierjunge. Die Jungen werden als Nutzungen nach §956 z u n ä c h s t Eigentum des Pächters, der daraus den gewöhnlichen Abgang zu ersetzen hat. Der Verpächter wird Eigentümer, sobald der Pächter ein Junges zum Ersatz für ein aus dem Viehbestand abgegangenes Tier bestimmt (§930). Vgl. auch § 1048. Im übrigen hat der Pächter auch sonstige Inventarstücke zu ersetzen, wenn ihr Abgang auf ein von ihm zu vertretendes Verschulden (§§ 276, 278) zurückzuführen ist.

§587 Übernimmt der Pächter eines Grundstücks das Inventar zum Schätzungswerte mit der Verpflichtung, es bei der Beendigung der Pacht zum Schätzungswerte zurückzugewähren, so gelten die Vorschriften der §§ 588, 589. E I 544 Abs. 1 II 527; M

2 433—439;

P 2 2J9,

JI6.

Anm. Die §§ 587—589 setzen voraus, daß das Inventar eines Grundstücks (nicht nur eines landwirtschaftlichen, vgl. § 586 Anm. 1) pachtweise (§ 586 Anm. 2) zum Schätzungswerte nicht nur übernommen, sondern auch z u r ü c k g e g e b e n werden soll. Soll das Inventar in das Eigentum des Pächters übergehen, so liegt Kauf vor (§ 586 Anm. 2). Die Bestimmung eines Pachtvertrages, daß der Pächter den Schätzungswert des Inventars zu verzinsen habe, rechtfertigt aber noch nicht die Annahme käuflicher Überlassung (RG 2. 1. 1923 I I I 819/22). Der gemeinrechtliche E i s e r n v i e h - V e r t r a g ist im BGB nicht besonders geregelt. Die §§ 588, 589 können jedoch bei der selbständigen Verpachtung einer V i e h h e r d e („Viehverstellung") entsprechende Anwendung finden (M 2, 439,443)Entsprechende Anwendung der §§ 588, 589 beim Nießbrauch s. § 1048.

§ 588 Der Pächter trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung des Inventars. Er kann über die einzelnen Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft verfügen. Der Pächter hat das Inventar nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft in dem Zustande zu erhalten, in welchem es ihm übergeben wird. Die von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung in das Inventar Eigentum des Verpächters. E I 544 A b s . 2 — 5

II 528; M

2 434—436; P

2

2J9.

Anm. 1 Gefahrübergang auf den Pächter. D u r c h z u f ä l l i g e n U n t e r g a n g d e r I n v e n t a r s t ü c k e wird hiernach (entgegen § 323) der Pächter von der Verpflichtung zur Entrichtung des Pachtzinses n i c h t b e f r e i t . Anm. 2 Verfügungsrecht des Pächters, obwohl er nicht Eigentümer der Inventarstücke ist. Vgl. § 1048 Abs. 1 Satz 1. Anm. 3 Ordnungsmäßige Wirtschaft. Hieraus ergibt sich seine Verpflichtung, an Stelle unbrauchbar gewordener Stücke andere anzuschaffen; bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung setzt er sich dem Schadensersatzanspruche sowie dem Vorgehen des Ver3»'

473

§ 588 Anm. 4 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 589 Anm. 1—3 Pächters nach §§ 550, 553 aus. Ebenso liegt dem Pächter die Sorge für die Ausbesserung schadhaft gewordener Stücke ob. Anm. 4 Mit der Einverleibung. Nach dieser zur Sicherung des Verpächters und der Hypothekengläubiger dienenden Bestimmung ist e i n e b e s o n d e r e Ü b e r g a b e an den V e r p ä c h t e r (§ 929) n i c h t e r f o r d e r l i c h , dessen Eigentumserwerb sich vielmehr schon kraft Gesetzes vollzieht (vgl. § 589 Abs. 2; M 2, 436; R G S t 7, 44).

§ 589 Der Pächter hat das bei der Beendigung der Pacht vorhandene Inventar dem Verpächter zurückzugewähren. Der Verpächter kann die Übernahme derjenigen von dem Pächter angeschafften Inventarstücke ablehnen, welche nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft für das Grundstück überflüssig oder zu wertvoll sind; mit der Ablehnung geht das Eigentum an den abgelehnten Stücken auf den Pächter über. Ist der Gesamtschätzungswert der übernommenen Stücke höher oder niedriger als der Gesamtschätzungswert der zurückzugewährenden Stücke, so hat im ersteren Falle der Pächter dem Verpächter, im letzteren Falle der Verpächter dem Pächter den Mehrbetrag zu ersetzen. E I 544 Abs. 6—8 II 529; M 2 436—438; P 2 259.

Anm. 1 Rückgewähr des Inventars. Nach Abs. 1 hat der Pächter das bei Beendigung des Pachtverhältnisses vorhandene Inventar zurückzugeben, und nach Abs. 3 findet die Ausgleichung bezüglich des Inventars dadurch statt, daß der Gesamtschätzungswert der übernommenen und der der zurückzugewährenden, d. h. vorhandenen Stücke verglichen wird. Der Verpächter bleibt bei dieser Art der Inventarbehandlung Eigentümer. Das Ergebnis aber ist das gleiche, wie wenn der Verpächter bei Beginn der Pachtzeit das damals vorhandene Inventar dem Pächter zum Schätzungswerte verkauft hätte und bei Beendigung der Pacht das jetzt vorhandene Inventar dem Pächter zum jetzigen Schätzungswerte wieder abkaufen würde. Veränderungen in der Zwischenzeit gehen daher, unbeschadet besonderer Schadensersatzansprüche wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens, ebenso zugunsten wie zum Nachteil des Pächters. Die Rückgewähr erstreckt sich auch auf die vom Pächter während der Pachtzeit angeschafften Stücke — selbst wenn ihre Anschaffung nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft (§ 588 Abs. 2 Satz 1) nicht erforderlich war •— und erfordert zunächst eine A b s c h ä t z u n g der sämtlichen zurückzugebenden Stücke, s. Abs. 3. — E r f ü l l u n g s o r t für die Verpflichtung aus Abs. 1 ist der Ort, wo das Pachtgut liegt und wo infolgedessen im Zweifel auch die beiderseitigen Hauptverpflichtungen zu erfüllen sind (RG Recht 1905, 107 410 ). Anm. 2 Eigentumsübergang auf den Pächter kraft Gesetzes auch bei Ablehnung der Übernahme durch den Verpächter wie Eigentumserwerb durch diesen im Falle des § 588 Abs. 2 Satz 2 (vgl. § 588 Anm. 4). Die Voraussetzungen seines Ablehnungsrechts hat der Verpächter nachzuweisen. Anm. 3 Ausgleich des Wertunterschieds zwischen dem bei der Übernahme festgestellten und dem bei der Rücknahme festzustellenden Schätzungswerte. a) Es ist dabei sowohl die Zahl wie der Wert der zurückzugewährenden Stücke in Betracht zu ziehen, wobei ein inzwischen eingetretener Preisrückgang dem Verpächter, eine Werterhöhung dem Pächter zustatten kommt (M 2, 437). Für die Schätzung des Wertes der zurückzugewährenden Stücke sind die Preise zur Zeit der Beendigung des 474

Pacht

§ 590Anm. 1,2 §591

Pachtverhältnisses maßgebend, es müßte denn sein, daß es sich um vorübergehende übermäßige Preissteigerungen oder Preisstürze handelt (RG Gruchot 62, 108; RG WarnRspr. 1920 Nr. 191). b) Zum Ausgleich der Geldentwertung nach dem ersten Weltkriege hat RG 104, 394 (vgl- WarnRspr. 1923 Nr. 71) folgende Grundsätze aufgestellt: Ubernimmt der Verpächter Inventarstücke, zu deren Ablehnung er nach Gesetz (§ 589 Abs. 2) oder Vertrag befugt ist, so muß er deren Wert, wie er bei der Rückgewährschätzung festgestellt wird, nicht etwa nur den Preis, den der Pächter dafür bezahlt hat, diesem erstatten. Im übrigen ist das Ergebnis der Rückgewährschätzung mit dem der Anfangsschätzung in der Weise zu vergleichen, daß der S a c h w e r t des Inventars zugrunde gelegt, d. h. d e r in G o l d m a r k f e s t g e s t e l l t e S c h ä t z u n g s w e r t in P a p i e r m a r k — u n d z w a r n a c h d e r K a u f k r a f t des G e l d e s i m l n l a n d e , n i c h t n a c h d e m K u r s d e r G o l d m ü n z e n u n d G o l d b a r r e n — u m g e r e c h n e t w i r d . Den danach sich ergebenden Mehrbetrag der Rückgewährschätzung hat der Verpächter dem Pächter, einen Minderbetrag der Pächter dem Verpächter voll auszuzahlen. Vgl. auch RG 120, 6. Durch die Währungsumstellung 1948 sind die Schätzungswerte nicht berührt worden (1 R M entspricht hier 1 DM). c) Verjährung des Ersatzanspruchs s. § 558 Anm. 2. Anfechtung einer Schätzung als unbillig s. RG WarnRspr. 1922 Nr. 37. Uber eine vertragsmäßige Verpflichtung des Pächters zum Ersatz fehlender Inventarstücke (Vieh) n e b e n der Rückgewähr des Inventars zum Schätzungswerte s. RG Recht 1920 Nr. 3093. Anwendung der Abs. 2, 3 auf die Pacht eines Landguts und auf Vorräte eines solchen s. § 594.

§ 590 D e m Pächter eines Grundstücks steht für die Forderungen gegen den Verpächter, die sich auf das mitgepachtete Inventar beziehen, ein Pfandrecht an den in seinen Besitz gelangten Inventarstücken zu. Auf das Pfandrecht findet die Vorschrift des § 562 Anwendung. E I 536 II 530; M 2 426; P 2 244, 24&; 4 4^7. 49°* Anm. 1 Auf das mitgepachtete Inventar bezügliche Forderungen des Pächters gegen den Verpächter können s o w o h l n a c h § 586 (Aufwendungen für Ergänzung von Inventarstücken) als n a c h § 589 Abs. 3 (Ersatzansprüche für den vom Pächter zurückgegebenen Mehrwert von Inventar) erhoben werden. Die Vorschrift gilt nicht nur für landwirtschaftliche Grundstücke (vgl. § 586 Anm. 1). Anm. 2 Auf Grund dieses gesetzlichen Pfandrechts, auf das nach § 1257 die Vorschriften über das durch Rechtsgeschäfte bestellte Pfandrecht Anwendung finden (vgl. § 559 Anm. 1), steht dem Pächter bei Beendigung der Pacht auch ein Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t zu, jedoch ebenfalls nur an den Inventarstücken (§ 586 Anm. 2), nicht am Grundstück (§ 556 Abs. 2, § 581 Abs. 2) (vgl. auch K O § 49 Abs. 1 Nr. 2). Eigentum des Verpächters an den Inventarstücken wird hier (anders für den umgekehrten Fall des Verpächterpfandrechts nach § 559, s. dort Anm. 7) nicht vorausgesetzt. Der Pächter ist vielmehr auf diese Weise sowohl gegen die Eigentumsansprüche Dritter wie gegen die von einem Gläubiger des Verpächters beabsichtigte Pfändung geschützt.

§591 Der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks ist verpflichtet, das Grundstück nach der Beendigung der Pacht in dem Zustande zurückzugewähren, der sich bei einer während der Pachtzeit bis zur Rückgewähr fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung ergibt. Dies gilt insbesondere für die Bestellung. E I 545 n 53"; M * 439. 44°; P » *S3-

475

§ 592

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§593 Anm. Die Verpflichtung des Pächters zur Rückgewähr geht weiter als die dem Mieter nach § 548 obliegende, ist aber in der Natur der Pachtsache begründet. a) Ordnungsmäßige Bewirtschaftung bildet den objektiven Maßstab für den Zustand, in dem das Grundstück zurückzugeben ist, daher kein Anspruch des Pächters wegen Verbesserungen, welche lediglich durch diese ordnungsmäßige Bewirtschaftung erzielt sind, während er bezüglich anderer Verbesserungen, wie z. B. für Auslagen, die er zur Beseitigung des durch eine Überschwemmung am Grundstücke verursachten Schadens gehabt hat, nach §§ 547, 581 Abs. 2 Ersatz verlangen kann (vgl. auch § 592). Aus dieser Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Rückgewähr wird sich auch in der Regel die zur ununterbrochenen Bewirtschaftung ergeben (s. § 582 Anm. 2), nicht minder diejenige zur unveränderten Zurücklassung von Anpflanzungen, die zur ordnungsmäßigen Bewirtschaftung gehören; der Pächter hat dafür gesetzlich keinen besonderen Ersatzanspruch. b) Bei Nichterfüllung d e r P f l i c h t z u r o r d n u n g s m ä ß i g e n B e w i r t s c h a f t u n g entsteht Schadensersatzpflicht des Pächters oder seiner Konkursmasse; s. auch § 535 Anm. 35. Absonderungsrecht des Verpächters nach K O § 49 Nr. 2 (SeufFArch. 64 Nr. 189). Dem Verpächter stehen bei ordnungswidriger Bewirtschaftung auch die Rechte aus §§ 550, 553 zu. Er hat aber anderseits bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung keinen Ersatzanspruch wegen gleichwohl eingetretener Verschlechterungen. c) Haftung des Treuhänders im Sicherungsverfahren über ein verpachtetes Landgut für dessen ordnungsmäßige Rückgabe s. H R R 1936 Nr. 1274. d) Entsprechende Anwendung der §§591—593 beim Nießbrauch s. § 1055 Abs. 2.

§ 593 Endigt die Pacht eines landwirtschaftlichen Grundstücks im Laufe eines Pachtjahrs, so hat der Verpächter die Kosten, die der Pächter auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft vor dem Ende des Pachtjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert dieser Früchte nicht übersteigen. E II 532 III 585; P 2 264.

Anm. Ersatz von Kosten der Fruchtgewinnung an den Pächter. Die Vorschrift des § 592 wird namentlich in den Fällen Anwendung finden, wo die Pacht entweder nach besonderer Bestimmung des Pachtvertrags vor Ablauf eines Pachtjahrs (§ 584 Anm.) endigt oder nach §§ 542, 581 Abs. 2 vom Pächter ohne Beobachtung der gesetzlichen Frist im Laufe des Pachtjahrs gekündigt wird. A u f die Früchte, die in diesen Fällen bei der Beendigung der Pacht bereits hervorgebracht, aber noch nicht getrennt sind, hat der Pächter nach § 1 0 1 keinen Anspruch; er muß sie vielmehr, insoweit sie den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen, nach § 591 mit dem Pachtgrundstück herausgeben. Zu seiner Schadloshaltung für die auf die Hervorbringung der Früchte verwendeten Kosten ist ihm daher, insoweit diese Früchte n o c h v o r d e m E n d e d e s P a c h t j a h r s zu trennen sind — aber nur unter dieser Voraussetzung (RG L Z 1914, 1615 4 ) — , ein n a c h E i n e r n t u n g d e r F r ü c h t e g e l t e n d z u m a c h e n d e r Ersatzanspruch gegeben. Entsprechende Anwendung des § 592 in den Fällen der §§ 1055 Abs. 2, 1421, 1663 Abs. 2, 2130 Abs. 1 Satz 2; ferner, wenn ein landwirtschaftliches Grundstück nicht im Wege der Verpachtung, sondern nur vergünstigungsweise auf willkürlichen Widerruf überlassen ist ( O L G 40, 316). Vgl. §998.

§ 593 Der Pächter eines Landguts hat von den bei der Beendigung der Pacht vorhandenen landwirtschaftlichen Erzeugnissen ohne Rücksicht darauf, ob er bei dem Antritte der Pacht solche Erzeugnisse übernommen hat, so viel

476

Pacht

§ 593 A n m . 1—3 § 594 A n m . 1

zurückzulassen, a l s zur F o r t f ü h r u n g der Wirtschaft b i s zu der Zeit erforderlich ist, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden. Soweit der Pächter landwirtschaftliche E r z e u g n i s s e in größerer Menge oder b e s s e r e r Beschaffenheit zurückzulassen verpflichtet ist, als er bei d e m Antritte der Pacht ü b e r n o m m e n hat, kann er von d e m Verpächter E r s a t z des Wertes verlangen. Den vorhandenen auf d e m Gute gewonnenen Dünger hat der Pächter zurückzulassen, ohne daß er E r s a t z des Wertes verlangen kann. E I J47 II 53$; M 2 441; P 2 265.

Anm. 1 Rückgewähr eines L a n d g u t s , d. i. eines zum selbständigen Betriebe der Landwirtschaft bestimmten Grundstücks oder einer Grundstücksgesamtheit (M 2, 44.1; vgl. auch SeufFArch. 60 Nr. 50). Für diese Rückgewähr gilt in betreff der bei Beendigung der Pacht vorhandenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse (§ 98 Nr. 2) die Besonderheit, daß der Pächter von diesen ohne Rücksicht darauf, ob und wieviel er bei Antritt der Pacht übernommen hatte, so viel zurückzulassen hat, als voraussichtlich zur Fortführung der Wirtschaft bis zur nächsten Ernte erforderlich ist. Inwieweit der Pächter für das Vorhandensein solcher Erzeugnisse zu sorgen hat, ist nach § 591 zu beurteilen. Im übrigen ist für die Frage, was der Pächter eines Landguts, der bei Beginn der Pacht Vorräte übernommen hat, an solchen bei Beendigung der Pacht zurückzulassen hat, der Vertrag entscheidend. Entsprechende Anwendung des § 593 in den Fällen der §§ 1055 Abs. 2, 1421, 1663 Abs. 2, 2130 Abs. 1 Satz 2. Anm. 2 Den Beweis dafür, daß die nach Abs. 1 zurückzulassenden Erzeugnisse zur vorläufigen Fortführung der Wirtschaft erforderlich seien, hat der Verpächter, den Beweis dafür, daß der Pächter mehr Erzeugnisse zurückgelassen habe, als er bei Antritt der Pacht übernommen, hat der Pächter zu führen. Anm. 3 Durch besondere Bestimmungen des Pachtvertrags wird dem Pächter vielfach auch die Entfernung von D ü n g e r , Stroh und F u t t e r während der Pachtdauer schlechthin untersagt.

§ 594 Ü b e r n i m m t der Pächter eines L a n d g u t s d a s Gut auf Grund einer Schätzung des wirtschaftlichen Zustandes m i t der B e s t i m m u n g , daß nach der Beendigung der Pacht die Rückgewähr gleichfalls auf G r u n d einer solchen Schätzung zu erfolgen hat, so finden auf die Rückgewähr des Gutes die Vorschriften des § 589 A b s . 2, 3 entsprechende Anwendung. D a s gleiche gilt, wenn der Pächter Vorräte auf Grund einer Schätzung m i t einer solchen B e s t i m m u n g ü b e r n i m m t , für die Rückgewähr der Vorräte, die er zurückzulassen verpflichtet ist. E I 548 II 534; M I 441; P 2 269.

Anm. 1 Rückgewähr eines L a n d g u t s auf Grund einer Schätzung. Hiernach ist im Falle des Abs. 1 nicht nur der Wert des Inventars, sondern auch derjenige des Landguts abzuschätzen und mit dem Übernahmewert zu vergleichen. Der Verpächter kann dann die Übernahme derjenigen Inventarstücke, die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft für das Landgut überflüssig oder zu wertvoll sind, ablehnen. Begriff des Landguts § 593 Anm. 1. 477

594 A n m . 2 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § § 595, 596 A n m . 1, 2 Anm. 2 Die Bestimmung des §589, welche nur für das I n v e n t a r gegeben ist, wird hier auf den gesamten wirtschaftlichen Zustand sowie auf die sonstigen Vorräte e i n e s Landguts ausgedehnt. Demgemäß geht das Eigentum an denjenigen Vorräten, deren Übernahme der Verpächter gemäß § 589 Abs. 2 ablehnt, schon kraft Gesetzes auf den Pächter über.

§ 595 I s t bei der P a c h t eines G r u n d s t ü c k s oder eines Rechtes die Pachtzeit n i c h t b e s t i m m t , so i s t die Kündigung n u r für den S c h l u ß eines Pachtjahrs z u l ä s s i g ; sie hat s p ä t e s t e n s a m ersten Werktage des halben J a h r e s zu erfolgen, m i t d e s s e n Ablaufe die P a c h t endigen soll. D i e s e Vorschriften gelten bei der P a c h t eines G r u n d s t ü c k s oder e i n e s Rechtes auch für die Fälle, i n denen das Pachtverhältnis unter Einhaltung d e r gesetzlichen Erist vorzeitig gekündigt w e r d e n kann. E I 537 II j 3 j ; M a 426—428; P a 246, 515.

Anm. 1 A b w e i c h u n g von § 565 bei der Pacht eines Grundstücks — auch von Räumen eines Grundstücks (BGH L M Nr. 2 zu § 595 BGB) — oder eines Rechtes, während es für die Pacht b e w e g l i c h e r Sachen und ebenso für die Pacht eines R e c h t e s an beweglichen Sachen (M 2, 428) bei jener Vorschrift verbleibt. Von der gesetzlichen Vorschrift abweichende Vereinbarungen muß der beweisen, der sich darauf beruft (SeuffArch. 61 Nr. 242 und § 565 Anm. 8). Wegen des Kündigungsschutzes bei der Landpacht und der Kleingartenpacht s. Vorbem. 59, 61 vor § 535. Anm. 2 Maßgebend ist der Schluß des Pachtjahrs, nicht des Kalender- oder Wirtschaftsjahrs (M 2, 428). Vgl. § 584 Anm. Berechnung der Frist §§ 188, 189. Anm. 3 Zu Abs. 2 vgl. §565 Abs. 4. Fälle der v o r z e i t i g e n Kündigung mit gesetzlicher Frist s. § 565 Anm. 10. Die Fälle der f r i s t l o s e n Kündigung (§§ 542, 552, 554) werden durch obige Vorschrift n i c h t getroffen. Ein wichtiger Grund (vgl. §§ 626, 723 Abs. 1; § 553 Anm. 2) für eine fristlose Kündigung ist nur gegeben, wenn dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Pachtverhältnisses nicht zugemutet werden kann (BGH L M Nr. 1 zu § 595 BGB).

§596 zu.

D e m Pächter steht das i m § 549 A b s . 1 b e s t i m m t e Kündigungsrecht n i c h t

Der Verpächter i s t nicht berechtigt, das Pachtverhältnis n a c h § 569 z u kündigen. Eine Kündigung d e s P a c h t v e r h ä l t n i s s e s n a c h § 570 findet nicht statt. E I 533. 538 II 536; M 2 423, 428. 429; P 3 233. 249.

Anm. 1 Durch v e r t r a g s m ä ß i g e U b e r e i n k u n f t können sämtliche Bestimmungen dieses Paragraphen abgeändert werden. Anm. 2 Durch Abs. 1 ist gesetzlich die U n z u l ä s s i g k e i t der Unterverpachtung bestimmt. Sie kann aber im Pachtvertrage gestattet sein, und es ist dann auch eine P f ä n d u n g d e s P a c h t r e c h t s durch einen Gläubiger des Pächters möglich. Vgl. § 549 Anm. 5.

478

Leihe

§§ 596, 597 Vor § 598 A n m . 1

Anm. 3 Keine K ü n d i g u n g s b e f u g n i s des Verpächters beim Tode des Pächters, während den Erben des Pächters die Kündigungsbefugnis zusteht (§§ 569, 581 Abs. 2). Kündigungstermin, Kündigungsfrist s. §§ 565, 595. Anm. 4 Kein Kündigungsrecht v o n Militärpersonen, B e a m t e n usw. im Falle der Versetzung.

§597 Gibt der Pächter den gepachteten Gegenstand nach der B e e n d i g u n g der P a c h t nicht zurück, s o kann der Verpächter für die Dauer der Vorenthaltung a l s Entschädigung den vereinbarten P a c h t z i n s n a c h d e m Verhältnisse verlangen, i n w e l c h e m die N u t z u n g e n , die der P ä c h t e r w ä h r e n d dieser Zeit g e zogen hat oder hätte ziehen können, z u den N u t z u n g e n des ganzen Pachtjahrs stehen. Die G e l t e n d m a c h u n g eines w e i t e r e n S c h a d e n s i s t nicht a u s g e s c h l o s s e n . E I 542 II 537; M 2 431, 432; P 2 256ff.

Anm. 1 Schadensersatz bei verzögerter Rückgabe des P a c h t g e g e n s t a n d e s , sei es Grundstück oder bewegliche Sache oder Recht. § 597 soll bei der Pacht den § 557 (s. dort) ersetzen, bezieht sich aber nicht auf § 568 (RG H R R 1932 Nr. 1648). Die Rechtsfolge des § 597 tritt ein, auch wenn ein Verschulden des Pächters nicht vorliegt; im Falle der Weiterverpachtung ist § 549 Abs. 2 entsprechend anwendbar (RG H R R 1932 Nr. m ) . Gegenüber einer Kündigung des Verpächters kann der Pächter, der den Pachtgegenstand nicht zurückgibt, die Zahlung des Pachtzinses nicht deshalb verweigern, weil die Kündigung unberechtigt sei; er schuldet den vereinbarten Pachtzins in jedem Falle, sei es als solchen oder als Entschädigung nach § 597 (RG J W 1931, 3425 1 ). Dagegen findet § 597 keine Anwendung, wenn der Verpächter eine Kündigung des Pächters nicht gelten lassen, also das Vertragsverhältnis fortsetzen will (RG J W 1937, 809 1 ); es müßte denn sein, daß der kündigende Pächter selbst zur Rückgabe des Pachtgegenstandes nicht gewillt oder nicht in der Lage ist (RG WarnRspr. 1934 Nr. 176). Anm. 2 A b w e i c h u n g v o n § 557 dahin, daß die Entschädigung nicht nur nach der D a u e r der V o r e n t h a l t u n g , sondern auch nach dem Betrage der in die Vorenthaltungszeit fallenden, vom Pächter bezogenen oder bei ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung zu ziehen gewesenen N u t z u n g e n zu bestimmen ist, da diese Nutzungen vom Pächter (anders als beim Mieter) nicht während der ganzen Pachtzeit g l e i c h m ä ß i g bezogen werden. Dagegen ist die Frage, ob Miete oder Pacht vorliegt, für die Höhe des Entgelts bei verspäteter Rückgabe unerheblich, wenn, wie z. B. bei Lagerplätzen, der Nutzen der überlassenen Sache im ganzen Jahre annähernd gleichbleibend ist ( K G J W 1938, 2140 1 2 ). Bei stillschweigender V e r l ä n g e r u n g des Pachtvertrags gilt § 568. Vierter Titel Leihe Anm. 1 Vorbemerkung I. Rechtliche N a t u r . Die Leihe besteht in der Überlassung des Gebrauchs einer (körperlichen) Sache, und zwar unentgeltlich—hierin liegt der hauptsächliche Unterschied von der Miete, wenn auch bei dieser tatsächlich vielfach der Ausdruck „Leihe" gebraucht wird — und nicht zum Verbrauch — hierin der wesentliche Unterschied vom Darlehn. Die jederzeit widerrufliche Gebrauchsgestattung (das precarium des römischen Rechts)

479

V o r § 598 Anm. 2—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ist daneben nicht besonders ausgebildet worden; sie wird sich meist als (frei widerrufliche) Leihe darstellen (Prot. 2, 276), kann aber auch, sofern nur aus Gefälligkeit der vorübergehende Gebrauch gestattet ist, außerhalb eines den Gestattenden verpflichtenden Vertragsverhältnisses liegen und wird hier in der Regel nur dann zu rechtlichen Folgen führen, wenn der Gebrauch ein widerrechtlicher ist. Uber die Einräumung des Rechts auf Benutzung der öffentlichen Straßen zum Zwecke der Fernleitung von Elektrizität als Leihvertrag vgl. RG WarnRspr. 1934 Nr. 152. Vereinbarung einer „Leihe" kann unter Umständen Abschluß eines Verwahrungsvertrags oder eines ähnlichen Rechtsverhältnisses sein (RG J W 1910, 706'). Unentgeltliche Überlassung des Gebrauchs ist auch als Schenkung möglich (RG 19. 2. 00 V I 934/99). Nicht hierher gehört aber z. B. die Überlassung eines Schließfachs für Frachtbriefe vei Güterabfertigungsstellen der Eisenbahn; s. RG 103, 146. Nachttresors. Prausnitz J W 1933, 1002. Flaschenpfand s. OLG 45, 150; OGH J R 1950, 341. Werden beim Bierverkauf Einheitsflaschen dem Käufer überlassen mit der Verpflichtung, Flaschen gleicher Art, Güte und Menge zurückzugeben, so kann dies ein Flaschendarlehen sein, BGH MDR 1956, 154. Uber die Haftung des Bierverlegers, der von der Brauerei für den Betrieb seines Flaschenbiergeschäfts leihweise Bierflaschen erhalten hat: RG 159, 65. Überlassung von Wertpapieren an einen Unterhaltsberechtigten als leiheähnliches Verhältnis mit entsprechender Anwendung der Bestimmungen über die Leihe s. RG WarnRspr. 1936 Nr. 190. Anm. 2 Die Leihe gehört nicht wie die Miete (§ 535 Satz 2) zu den gegenseitigen, sondern zu den unvollkommen zweiseitigen V e r t r ä g e n . Die allgemeinen Bestimmungen der §§ 320 ff über gegenseitige Verträge finden daher keine Anwendung. Zunächst liegt nach § 598 nur eine einseitige Verpflichtung des Verleihers und eine entsprechende Berechtigung des Entleihers vor. Auf Grund der Überlassung der Sache entstehen dann auch für den Entleiher die in §§601, 603, 604 aufgeführten Verpflichtungen, die aber nicht (wie der Mietzins für die Gebrauchsgewährung) als Gegenleistung für die Gebrauchsgestattung erscheinen. Anm. 3 Auch das Leihverhältnis steht als Schuldverhältnis unter dem Gebot von T r e u und G l a u b e n (§ 242). Anm. 4 II. Für das Zustandekommen des Vertragsverhältnisses gelten, wie eine Vergleichung von § 535 und § 598 ergibt, bis auf das bereits hervorgehobene Unterscheidungsmerkmal der Unentgeltlichkeit, dieselben Grundsätze wie bei der Miete; der Vertragsabschluß vollzieht sich mit der Abrede der Parteien über die unentgeltliche Gebrauchsgestattung. Die Gebrauchsgestattung besteht außer in der Gestattung des Sachgebrauchs während der Leihzeit noch in der Überlassung der Sache zum Gebrauch (wie bei der Miete). Daß dies der Standpunkt des § 598 in seiner jetzigen Fassung ist, geht auch aus den Beratungen der zweiten Kommission Prot. 2, 269 hervor, wonach zwischen demjenigen, der die Verleihung einer Sache zugesagt hat, und dem Verleiher nicht unterschieden, vielmehr der Leihvertrag einheitlich behandelt werden soll. Die dem Verleiher obliegende Überlassung des Besitzes der verliehenen Sache an den Entleiher stellt sich daher, entsprechend der Rechtslage bei der Miete, nicht als eine für die Entstehung des Vertrags erforderliche Voraussetzung, sondern als Erfüllung der auf die Gebrauchsgestattung gerichteten Abrede dar, ohne die selbstverständlich von einer Verpflichtung des Entleihers zur Rückgabe der entliehenen Sache (§ 604 Abs. 1) nicht die Rede sein kann. Vgl. auch die vom § 598 wesentlich verschiedene Fassung der §§ 607, 610, sowie des § 688, wo ausdrücklich eine als Darlehn hingegebene Geldsumme oder ein von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache vorausgesetzt wird. Anm. 5 Zur Annahme eines besonderen Realvertrages, wie sie von der herrschenden Meinung, insbesondere von E n n e c c e r u s / L e h m a n n §140, 1; Oertmann Bern. 2 vor § 598, im Anschluß an die frühere Rechtslage aufrechterhalten wird, und eines davon

480

Leihe

V o r § 598 Anm. 6, 7 § 598 Anm. 1

getrennten Vorvertrags besteht kein Anlaß (wie hier S t a u d i n g e r / R i e d e l Bern. 2 a vor § 598 m. w. Nachw.). Allerdings darf nicht übersehen werden, daß die Leihe in sehr vielen Fällen die kleinen Gefälligkeiten des täglichen Lebens zum Gegenstande hat und hierbei der schlüssige Wille, sich rechtlich zu binden, oft nicht eher feststellbar ist, als die Sache zum Gebrauch wirklich hingegeben wird. Es kommt aber auch eine frühere Bindung vor. Für den Charakter des Leihvertrags kann aus dem einen oder anderen nichts hergeleitet werden Anm. 6 III. Für die Leihe von Kleingärten und von kleineren landwirtschaftlichen Grundstücken sind die besonderen Vorschriften der Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung, Ges. v. 3 1 . 7. 19, RGBl. 1371 und die V O über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften in der Fassung v. 15. 12. 44, R G B l . I 347 zu beachten. Danach können Leihverhältnisse über Grundstücke, die zum Zwecke nichtgewerbsmäßiger gärtnerischer Nutzung überlassen worden sind, von den in § 1 Abs. 2 der V O v. 15. 12. 44 genannten Ausnahmen abgesehen, vom Verleiher nicht gekündigt werden (§§ 1, 4 V O v. 15. 12. 44). Für einen Streit über die Kündigungsvorschriften des § 1 Abs. 2 a bis e der V O v. 15. 12. 44 ist der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen, B G H M D R 1958, 675. Der Kleingartenschutz gilt nicht für die Leihe von Grabeland (§4 VO). Anm. 7 Für Grundstücke, die zu landwirtschaftlicher, obstbaulicher oder gewerbsmäßiger gärtnerischer Nutzung, zum Wein- oder Korbweidenbau verliehen sind, kommt die L a n d p a c h t s c h u t z o r d n u n g v. 25. 6. 52, BGBl. I 343 in Betracht.

§ 598 Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten. E I 549 II 538; M 2 443—446; P 2 269.

Ubersicht I. II. III. IV.

Gegenstand der Leihe Zweck der Leihe Das Gestatten Filmverwertungsvertrag

Anm.

1—4 5 6 7

Anm. 1 I . G e g e n s t a n d des L e i h v e r t r a g s ist eine bewegliche oder unbewegliche Sache. Leihvertrag ist z. B. das Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmer einer elektrischen Anlage und den Grundbesitzern, welche die Anbringung der Leitung auf ihren Dächern gestatten ( O L G 9, 304). U m einen Leihvertrag, der nach §§ 930, 868 den Eigentumsübergang vermittelt, handelt es sich ferner, wenn der Eigentümer eines mit einem Elektrizitätswerk versehenen Grundstücks Zubehörstücke dieses Werkes veräußert und mit dem Erwerber vereinbart, die Stücke bis zur vereinbarungsgemäßen Übernahme des Werks durch den Erwerber unentgeltlich benutzen zu dürfen (RG 13. 3. 18 V 147/17). Leihe eines Hypothekenbriefs RG 91, 155. Die Gestattung unentgeltlicher Hafenbenutzung ist Leihe, OGH 2, 174. Auch eine verbrauchbare Sache (RG H R R 1932, 1551) kann z. B. zum Zweck der Schaustellung, Gegenstand des Leihvertrags sein; ebenso eine dem Entleiher gehörige, in welchem Falle die gleichen Grundsätze wie bei der Miete einer im Eigentum des Mieters stehenden Sache gelten. Uberträgt der Verleiher dem Entleiher das Eigentum an der verliehenen Sache, so liegt darin in der Regel die vertragliche Aufhebung des Leihverhältnisses und ein Verzicht auf den Rück-

481

§ 598 Anm. 2—7

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

gabeanspruch, OGH NJW 1949, 105. Ein leiheähnliches Verhältnis liegt vor, wenn demjenigen, der eine Lieferung zu vergeben hat, mit einem Angebot wirtschaftlich wertvolle Muster vorgelegt werden; unbefugte Veröffentlichung der Muster macht den Vergeber der Lieferung haftbar (RG 83, 37). Anm. 2 Gestattet ein Grundstückseigentümer einem Dritten, auf seinem Grundstück ohne Entgelt und ohne Begrenzung auf bestimmte Zeit die Errichtung und Unterhaltung einer elektrischen Hochspannungsleitung, so kann das Rechtsverhältnis als Leihe betrachtet werden. Dem Zwecke der Leihe entsprechend kann die Rückgabe der Leihsache an sich nicht gefordert werden, solange die Leitung besteht. Der Verleiher hat aber das Kündigungsrecht nach § 605 Nr. 1 und der Entleiher muß dann die Kosten der Beseitigung der Leitung als Kosten der Rückgabe der Leihsache tragen (RG H R R 1933, 1000). Anm. 3 Bei V e r ä u ß e r u n g eines v e r l i e h e n e n Grundstücks tritt der Erwerber nicht ohne weiteres an Stelle des Verleihers in die aus der Leihe sich ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein; § 571 ist weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (RG L Z 1921, 413 4 ). Anm. 4 Auf den unentgeltlichen Gebrauch eines R e c h t e s finden die Bestimmungen über den Leihvertrag nicht unmittelbare, sondern nur entsprechende Anwendung (RG J W 04, 228). Anm. 5 II. Zweck der L e i h e ist der Gebrauch der Sache, nicht Verbrauch und von besonderer Vereinbarung abgesehen, nicht Fruchtziehung. Die Gestattung des Verbrauchs oder der Veräußerung im Geschäftsbetriebe schließt die Annahme eines Leihverhältnisses regelmäßig aus (SeuffArch. 70 Nr. 58). Ist dem Entleiher die Verpfändung gestattet, so wird dadurch die Annahme eines Leihvertrags noch nicht ohne weiteres ausgeschlossen (RG 13, 128; 36, 164; SeuffArch. 37, 100). Gestattet der Verkäufer dem Käufer, die von ihm gekaufte und ihm schon übereignete Ware bis zur Abholung in einem Räume des Verkäufers liegen zu lassen, so handelt es sich um eine (in der Regel) unentgeltliche Nebenleistung des Verkäufers; seine Haftung für Mängel des Aufbewahrungsorts bemißt sich nach den Grundsätzen der Leihe (§§ 599, 600), nicht der Verwahrung (§ 690; RG Gruchot 58, 1067). Anm. 6 III. Das Gestatten umfaßt die Verpflichtung, bei Beginn des Vertragsverhältnisses dem Entleiher die Sache zum Besitze zu überlassen und während der Dauer des Vertragsverhältnisses dem Gebrauch des Entleihers kein Hindernis in den Weg zu legen. Bedarf es zur Gebrauchsüberlassung einer Übersendung von Ort zu Ort, so hat in der Regel der Entleiher, in dessen Interesse die Übersendung geschieht, die Kosten zu tragen und dem Verleiher zu ersetzen (vgl. §§ 670, 683). Das gleiche gilt für die Kosten der Rücksendung (§ 604 Anm. 1). Eine Pflicht zur fortdauernden „Gewährung" in dem Sinne, daß sie auch die Instandhaltung der Sache während der Vertragszeit einschlösse, wie bei dem Vermieter (§§ 535, 536), liegt dagegen dem Verleiher nicht ob. Er trägt freilich die Gefahr. Der Entleiher wird (unmittelbarer) Besitzer der Sache wie ein Mieter. Daß der Entleiher es unterläßt, seine Befugnis zum unentgeltlichen Gebrauch der geliehenen Sache auszuüben, berührt den Bestand des Leihvertrags nicht (RG H R R 1932, 1551). Anm. 7 I V . Der Filmverwertungsvertrag ist kein Leihvertrag, sondern ein Vertrag eigener Art,BGH 2, 3315 9, 264;BFHNJW 1957, 767; vgl. auchRG 158, 321; 161, 321.

482

Leihe

§ § 599, 600

§601

§ 599 Der Verleiher hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. E I 5jo II 539; M 2 446; P 2 269.

Anm. 1 Haftpflicht des Verleihers. Ausnahme von der Regel des § 276. Mit derselben Beschränkung haftet der Verleiher nach § 278 für Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen. Der E n t l e i h e r haftet dagegen nach § 276 (§ 278) für jedes Verschulden ( R G L Z 1 9 1 8 , 496®), nicht für Zufall; die Gefahr der nicht vom Entleiher verschuldeten Entwendung, Vernichtung oder Beschädigung der geliehenen Sache trägt der Verleiher. Anm. 2 Gefälligkeiten können sich außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs halten, aber auch rechtsgeschäftlichen Charakter haben, B G H 21,102,106 ff. I m ersteren Falle kann eine Haftung nur auf § 823, im zweiten auch auf Vertrag gegründet werden. Gefälligkeiten des täglichen Lebens und Gefälligkeiten, die im rein gesellschaftlichen Verkehr wurzeln, werden in der Regel zur ersteren Gruppe gehören, R G 128, 39, 42; B G H a i , 102, 107. Die Unentgeltlichkeit einer Leistung und die Uneigennützigkeit des Handelnden lassen für sich allein nicht auf das Fehlen rechtsgeschäftlicher Bindung schließen. Eine erwiesene Gefälligkeit hat nur dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, daß seinem Handeln rechtliche Geltung zukommen soll, er also Rechtsbindung herbeiführen will und der Empfänger die Leistung in diesem Sinn entgegengenommen hat, B G H 2 1 , 1 0 2 , 106. Die sich danach ergebende Haftung kann in den Grenzen der §§ 138, 276 Abs. 2, 278 wegbedungen werden (Haftungsverzicht, R G 128, 229; 145, 390; 167, 207, 2 1 3 ; B G H 2, 1 5 9 ; 22, 1 2 2 ; B G H N J W 1952, 1 4 1 0 ) oder unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr durch einseitige Willenserklärung (RG J W 1934, 2033, 2035) ermäßigt sein, R G 1 4 1 , 262; B G H N J W 1 9 5 1 , 9 1 6 ; B G H L M Nr. 3 zu § 823 (Ha) B G B ( B o e h m e r M D R 1958, 77 hält die Annahme einer Willenserklärung f ü r eine künstliche Konstruktion und meint mit O L G Oldenburg, D A R 1956, 296, es widerspreche T r e u und Glauben, wenn der im Bewußtsein einer besonderen Gefahr Mitfahrende von dem Kraftfahrer Ersatz für die erlittenen Unfallverletzungen begehrt). Es besteht jedoch kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß im Falle einer Gefälligkeitsfahrt nur für grobes Verschulden des Wagenführers gehaftet werde (RG 1 4 5 , 3 9 0 ; 167, 207, 2 1 3 ; O G H 2 2 . 9 . 1950 I I Z S 124/49)-

§600 Verschweigt der Verleiher arglistig einen Mangel im Rechte oder einen Fehler der verliehenen Sache, so ist er verpflichtet, dem Entleiher den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. E I 551 II 540; M 2 447; P 2 270.

Anm. Die Regelung der S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t des Verleihers im Falle arglistigen Verschweigens eines Mangels im Recht oder eines Fehlers der verliehenen Sache entspricht den §§ 523, 524. Wegen dieses Anspruchs steht dem Entleiher auch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 zu (RG 65, 277). Neben der vertragsmäßigen kann auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 ff. begründet sein.

§601 Der Entleiher hat die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der geliehenen Sache, bei der Leihe eines Tieres insbesondere die Fütterungskosten, zu tragen.

483

§ 6 0 1 A n m . 1—3

§§ 602, 603

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Die V e r p f l i c h t u n g des V e r l e i h e r s z u m E r s a t z a n d e r e r V e r w e n d u n g e n b e s t i m m t sich n a c h d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r die G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g . D e r E n t l e i h e r i s t b e r e c h t i g t , eine E i n r i c h t u n g , m i t d e r e r die S a c h e v e r s e h e n hat, wegzunehmen. E I 553 H 54"; M 2 447; P 2 273.

Anm. 1 Aus der Verpflichtung des Entleihers zur Tragung der gewöhnlichen K o s t e n d e r E r h a l t u n g ergibt sich auch die Erhaltungspflicht selbst und bei deren Vernachlässigung die Pflicht zum Schadensersatz. Anm. 2 Zur Vornahme solcher anderen V e r w e n d u n g e n , auch der notwendigen, ist der Entleiher an sich nicht verpflichtet (RG 65, 277); doch obliegt ihm nach Treu und Glauben die Pflicht, den Verleiher darauf aufmerksam zu machen, daß zur Erhaltung der Sache Aufwendungen notwendig sind. Andererseits auch keine Verpflichtung des Verleihers zur Instandhaltung. Die Ansprüche des Entleihers auf Ersatz von Verwendungen und auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren nach § 606. Anm. 3 Für das W e g n a h m e r e c h t gilt das gleiche wie zu § 547. § 6 0 3 V e r ä n d e r u n g e n o d e r V e r s c h l e c h t e r u n g e n d e r geliehenen S a c h e , die d u r c h den v e r t r a g s m ä ß i g e n Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Entleiher nicht zu vertreten. E I 554 II 542; M 2 448ff; P 2 275.

Anm. 1 K e i n e H a f t p f l i c h t des E n t l e i h e r s für die durch den vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführten Veränderungen oder Verschlechterungen. Vgl. § 548. Wird die geliehene Sache beim vertragsmäßigen Gebrauch zerstört, so ist § 602 nicht gegeben, da die Zerstörung oder Vernichtung nicht als Veränderung oder Verschlechterung angesehen werden kann; § 602 setzt voraus, daß die geliehene Sache trotz des natürlichen Verschleißes noch vorhanden ist und zurückgegeben werden kann, R G 159, 65. Bei vertragswidrigem Gebrauch, z. B. Überanstrengung eines geliehenen Pferdes (OLG 39, 149), kommt § 276 zur Anwendung. Eine verschärfte Haftung ist dem Entleiher im Gesetze nicht auferlegt (LZ 1919, 496®). Er hat aber wie der Mieter auch die Pflicht der Obhut und muß die geliehene Sache vor Nachteilen schützen (RG J W 1910, 7067). Eine Verletzung der Pflichten des Entleihers begründet die in § 603 Anm. 1 angegebenen Folgen. Als eine Vertragswidrigkeit kann unter Umständen, infolge stillschweigender Abrede der Parteien, auch die Unterlassung jeden Gebrauchs, wie z. B. die Nichtbenutzung eines geliehenen Reitpferdes, angesehen werden. Verjährung s. § 606. Anm. 2 B e w e i s l a s t a) des Verleihers: dafür, daß während der Gebrauchszeit die geliehene Sache in bestimmter Weise beschädigt worden sei; b) des Entleihers dafür, daß dieser Schaden nicht durch einen von ihm zu vertretenden Umstand herbeigeführt worden sei. § 6 0 3 D e r E n t l e i h e r d a r f v o n d e r geliehenen S a c h e keinen a n d e r e n a l s d e n v e r t r a g s m ä ß i g e n G e b r a u c h m a c h e n . E r i s t ohne die E r l a u b n i s des V e r l e i h e r s n i c h t berechtigt, den Gebrauch der Sache einem Dritten zu überlassen. e 1549 n 343; m 2 444,447; p 2 270.

484

Leihe

§ 603 A n m . 1 , 2 § 604 Anm. 1

Anm. 1 F o l g e n d e s v e r t r a g s w i d r i g e n G e b r a u c h s : a) Klage des Verleihers auf Unterlassung nach vorgängiger, erfolgloser Abmahnung, wie dies für die Miete in § 550 ausdrücklich bestimmt ist. Dieses Klagerecht ist aus dem Wesen der Sache zu entnehmen, obschon es wegen der Kündigungsbefugnis des Verleihers ohne erhebliche praktische Bedeutung ist; b) Kündigungsrecht nach §605; c) Schadensersatzanspruch des Verleihers bei Verschulden des Entleihers. Anm. 2 G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g a n D r i t t e . Geschieht sie ohne Erlaubnis des Verleihers, so haftet der Entleiher f ü r jedes dem Dritten beim Gebrauche zur Last fallende Verschulden sowie für Zufall, sofern der Schaden ohne die Gebrauchsüberlassung nicht eingetreten sein würde. Leiheähnliches Verhältnis mit Schadensersatzpflicht, wenn jemand sich von einer Fabrik Musterstühle senden läßt, sie anderen Bewerbern zugänglich macht u n d d a n n diese mit der Anfertigung beauftragt (RG H R R 1933, 1572). Obwohl eine dem § 549 Abs. 2 entsprechende Vorschrift bei der Leihe nicht besteht, haftet der Entleiher, der die Leihsache mit Zustimmung des Verleihers einem Dritten überläßt, doch in der Regel für das diesem Dritten beim Gebrauch zur Last fallende Verschulden nach § 278, O L G Stuttgart N J W 1953, 1512.

§ 604 D e r Entleiher i s t verpflichtet, die geliehene S a c h e n a c h d e m A b l a u f e der f ü r die Leihe b e s t i m m t e n Zeit z u r ü c k z u g e b e n . I s t eine Zeit n i c h t b e s t i m m t , s o i s t die S a c h e z u r ü c k z u g e b e n , n a c h d e m der Entleiher d e n s i c h a u s d e m Z w e c k e d e r Leihe e r g e b e n d e n G e b r a u c h g e m a c h t h a t . D e r Verleiher k a n n die S a c h e s c h o n v o r h e r z u r ü c k f o r d e r n , w e n n s o viel Zeit v e r s t r i c h e n i s t , d a ß d e r Entleiher d e n G e b r a u c h hätte m a c h e n k ö n n e n . I s t die D a u e r d e r Leihe w e d e r b e s t i m m t n o c h a u s d e m Z w e c k e z u entn e h m e n , s o k a n n d e r V e r l e i h e r die S a c h e j e d e r z e i t z u r ü c k f o r d e r n . Ü b e r l ä ß t d e r Entleiher d e n G e b r a u c h der S a c h e e i n e m Dritten, s o k a n n d e r Verleiher s i e n a c h d e r B e e n d i g u n g der Leihe a u c h v o n d e m D r i t t e n z u r ü c k fordern. E I 549 n 544; M

l

454; P 2 275.

Ü b ersieht Anm.

I. II. III. IV.

Rückgabepflicht Rückgabe nach gemachtem Gebrauch Zulässigkeit jederzeitiger Rückforderung Absatz 4

i 2 3 4

Anm. 1 I. R ü c k g a b e p f l i c h t . Der Entleiher hat die g e l i e h e n e S a c h e (dazu R G WarnRspr. 1934 Nr. 152) in demjenigen Zustand, welcher sich bei vertragsmäßigem Gebrauch (§ 602) ergibt, zurückzugeben, also, wenn nichts anderes vereinbart ist, mit Zuwachs, Zubehör und den während der Zeit des Gebrauchs gezogenen Früchten (vgl. § 598 Anm. 5). Die Rückgabepflicht mehrerer Entleiher ist Gesamtschuld (§431). Daraus, daß ein Dritter das Eigentum an der geliehenen Sache erlangt hat, kann der Entleiher einen Einwand gegen die Rückgabe nicht herleiten ( R G J W 1925, 472 16 ). Der Verlust geliehener Bierflaschen geht mangels besonderer Vereinbarung nur d a n n zu Lasten des Entleihers (Bierverlegers), wenn er die Unmöglichkeit der Rückgabe zu vertreten hat, § 275; danach kann eine Haftung des Bierverlegers für Flaschenbruch entfallen; ist aber die Zahlung eines festen Satzes für unvermeidbaren Flaschenbruch üblich, so ist er in Ansatz zu bringen, ohne d a ß der Bierverleger weiteren Beweis für den unverschuldeten Bruch zu führen braucht, R G 159, 67. 485

§ 604 Anm. 2—4

§605

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Der Entleiher, der in der Regel allein einen Vorteil aus dem Vertragsverhältnis zieht, kann die Sache, wenn ihn deren Erhaltung beschwert, auch vor Ablauf der Zeit zurückgeben, sofern nicht der Verleiher dadurch erheblich beeinträchtigt wird (vgl. § 271 Abs. 2). Die Rückgabe stellt sich als eine Bringschuld dar und ist am Wohnsitz des Gläubigers oder an dem früheren Standort der verliehenen Sache zu erfüllen (SeuffArch. 63 Nr. 222). Die Kosten der Rückgabe, insbesondere einer Versendung von Ort zu Ort, hat daher der Entleiher zu tragen. Dem Entleiher steht, auch wenn der Gegenstand der Leihe ein Grundstück ist, ein Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t wegen Verwendungen nach § 273 zu (RG 65, 276). Anders für die Miete § 556 Abs. 2. Anm. 2 II. R ü c k g a b e nach gemachtem Gebrauch. Wird ein Hypothekenbrief verliehen, damit der Entleiher einem Dritten Sicherheit leisten könne, so kann der Verleiher den Hypothekenbrief nicht schon deshalb zurückfordern, weil sein Interesse (z. B. Aussicht auf Anstellung im Geschäft des Entleihers) weggefallen ist, sondern, abgesehen von den Fällen des § 605, erst dann, wenn der Entleiher den vertragsmäßigen Gebrauch gemacht hat (RG 91, 155). Bei einer leihweisen Überlassung von Wohnräumen an ein Ehepaar durch den Vater der Frau entfällt der Zweck nicht erst mit der Auflösung der Ehe, sondern schon mit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (SeuffArch. 85 Nr. 27). S. auch den in RG H R R 1933, 1000 behandelten Fall. Anm. 3 III. Zulässigkeit jederzeitiger Rückforderung, auch zu einer dem Entleiher ungelegenen Zeit. Doch gebietet die sich aus dem Schuldverhältnis ergebende Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme, daß der Verleiher die Sache nicht ohne beachtliches eigenes Interesse zurückverlangt. Ist ein fernerer Gebrauch der geliehenen Sache, aber auch deren Rückgabe infolge eines vom Entleiher zu vertretenden Umstandes ausgeschlossen (z. B. Verkauf der entliehenen Wertpapiere), so geht der Anspruch des Verleihers auf Erstattung des Wertes der geliehenen Sache (RG 1. 11. 04 I I I 153/04). Der Entleiher haftet aber auf Erstattung des Wertes nur, wenn er die Unmöglichkeit der Rückgabe (z. B. auch bei Untergang oder Abhandenkommen der geliehenen Sache) zu vertreten hat. Daher kann mit der Klage auf Rückage nicht ohne weiteres der Antrag verbunden werden, den Beklagten zum Wertersatz zu verurteilen, falls er zur Rückgabe nicht imstande sei (OLG 36, 74). Daraus, daß es sich bei der Leihe in der Regel um ein reines Gefälligkeitsgeschäft handelt, kann aber unter Umständen gemäß §§ 157, 242 geschlossen werden, daß der Entleiher auf Schadensersatz auch zu haften hat, wenn die entliehene Sache ohne sein Verschulden untergegangen oder verschlechtert ist (vgl. DJ 1937) 5i4)Anm. 4 IV. Der A b s a t z 4 entspricht dem § 556 Abs. 3. Zur Geltendmachung dieser Rückgabepflicht hat der Verleiher auch dem Dritten gegenüber sowohl die auf besonderer gesetzlicher Anordnung beruhende Vertragsklage als auch unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Eigentumsklage.

§605 Der Verleiher kann die Leihe kündigen: 1. wenn er infolge eines nicht vorhergesehenen Umstandes der verliehenen Sache bedarf; 2. wenn der Entleiher einen vertragswidrigen Gebrauch von der Sache macht, insbesondere unbefugt den Gebrauch einem Dritten überläßt, oder die Sache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet; 3. wenn der Entleiher stirbt. E I 557 H J45; M 2 452; P 2 275.

486

Leihe

§ 605 Anm. 1—4 § 606 Anm. 1

Anm. 1 Die vorzeitige Kündigung des Verleihers ist an irgendwelche Fristen nicht gebunden. Für den Entleiher ist eine Kündigung überhaupt nicht erforderlich (vgl. § 604 Anm. 1). Bei Kleingärten und kleineren landwirtschaftlichen Grundstücken (bis zu einem halben Hektar) gelten für die Kündigung durch den Verleiher die besonderen Vorschriften der Kleingarten- und Kleinpachtlandpordnung, Ges. v. 3 1 . 7. 19 (RGBl. 1371) nach Maßgabe der V O über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften idF v. 15. 12. 44, RGBl. I 347. Für die Kündigung bei Grundstücken, die zu landwirtschaftlicher oder gewerbsmäßiger gärtnerischer Nutzung verliehen sind, kommt die Landpachtordnung v. 25. 6. 52, BGBl. I 343 in Betracht. Anm. 2 Z i f f e r 1. Dieser Kündigungsgrund ist auch dann gegeben, wenn der Verleiher den Umstand, daß er der verliehenen Sache bedarf, infoge Verschuldens nicht vorhergesehen hat. Ein Schadensersatzanspruch steht dem Entleiher im Falle der Nr. 1 nicht zu. Damit die Kündigung gerechtfertigt ist, muß aber ein wirkliches Bedürfnis im Sinne der Nr. 1 (nicht eine bloße Laune des Verleihers) vorliegen, und es muß dem Entleiher auch erkennbar sein, daß es sich um eine Kündigung auf Grund eines solchen Bedürfnisses handelt. Die Kündigung und das Vorliegen ihrer Voraussetzungen müssen im allgemeinen zeitlich zusammenfallen. Es genügt nicht, daß ein Bedürfnisfall zu irgendeiner früheren Zeit einmal vorhanden gewesen oder zu irgendeiner späteren Zeit eingetreten ist (RG WarnRspr. 1920 Nr. 40). S. dazu den in RG H R R 1933, 1000 behandelten Fall. Anm. 3 Die Z i f f e r 2 ist eine Folge der Verletzung des § 603. Einer vorgängigen Abmahnung, wie bei der Miete nach § 553, bedarf es nicht (M 2, 452). Anm. 4 Z i f f e r 3. Wird vom Verleiher beim Tode des Entleihers nicht gekündigt, so können dessen Erben das Vertragsverhältnis fortsetzen. Der Tod des Verleihers ist kein Kündigungsgrund, soweit nicht etwa für seine Erben Nr. 1 Platz greift.

§606 Die E r s a t z a n s p r ü c h e d e s V e r l e i h e r s wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der verliehenen Sache sowie die Ansprüche des Entleihers auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung v e r j ä h r e n in sechs Monaten. Die Vorschriften d e s § 558 Abs. 2, 3 finden entsprechende Anwendimg. E II j46 m 599; M 2 448; P 2 272.

Anm. 1 Die V e r j ä h r u n g ist dem § 558 ganz entsprechend geregelt. § 606 gilt für alle Ersatzansprüche des Verleihers wegen der durch vertragswidriges Verhalten des Entleihers entstandenen Veränderungen und Verschlechterungen, also auch für die auf Eigentum oder unerlaubte Handlung gegründeten Ansprüche dieser Art (RG 66, 363; O L G 22, 3 1 1 ) . Die im § 606 nicht erwähnten Ansprüche (z. B. des Verleihers auf Rückgabe § 604, des Entleihers nach §§ 599, 600) aus dem Leihvertrag unterliegen der gewöhnlichen Verjährung. 3 2 Komm. z. BGB, 11. Aufl. II. Bd. (Kuhn/Wilde)

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V o r § 607 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Fünfter Titel Darlehn Vorbemerkungen Ü b ersieht

I. Wesen des Darlehns 1. Begriff des Dahrlehns 2. Der wirtschaftliche Zweck des Darlehns II. Rechtsnatur des Darlehns 1. Realvertrag 2. Einseitig verpflichtender Vertrag III. Verhältnis des Darlehns zu anderen Rechtsverhältnissen 1. Leihe 2. Miete, Pacht 3. Uneigentliche Verwahrung 4. Schenkung 5- K a u f 6. Geschäftsbesorgungsverträge 7. Gesellschaft 8. Versicherung 9. Vorschüsse I V . Aufwertung und Währungsreform 1. Aufwertung 2. Währungsreform a) Eigentliches Darlehn (§607 Abs. 1) b) Vereinbarungsdarlehn (§ 607 Abs. 2) c) Darlehnsversprechen (§610) V . Vertragshilfe V I . Interzonales Recht

Anm.. i—2 1 2 3—4 3 4. 5—-13 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14—17 14 15 15 16 17 18 19

Anm. 1 I. Wesen des Darlehns 1. Begriff des Darlehns. Das Darlehn ist die Hingabe von Sachen zum wirtschaftlichen Verbrauch durch die Übertragung des Eigentums gegen das Versprechen der Rückerstattung anderer Sachen der gleichen Gattung in gleicher Zahl und Menge. Der Sinn des Darlehns ist nicht die dauernde Vermehrung des Vermögens des Empfängers um die hingegebenen Sachen. Dem Empfänger soll vielmehr nur die zeitweilige Nutzung zugewendet werden. Das Darlehn setzt deshalb begrifflich das Recht des Gläubigers, das Darlehn zurückzufordern, und die Pflicht des Schuldners, es zurückzuerstatten, voraus (BGH 25, 177). Für die Überlassung der Nutzung werden dem Darlehnsgeber im allgemeinen Zinsen oder sonstige Vorteile gewährt. Die spätere Rückzahlung eines gleichen Geldbetrages ist keine Gegenleistung für den Empfang des Darlehnsbetrages, vielmehr nur die notwendige Folge gerade davon, daß dem Darlehnsnehmer das Kapital von vornherein nicht endgültig zufließen, sondern ihm nur vorübergehend überlassen werden sollte. Die zeitweilig überlassene K a p i t a l n u t z u n g auf der einen und die Nutzungsvergütung, meist in Zinsgestalt, auf der anderen Seite sind daher die Leistungen, die gegeneinander ausgetauscht werden, nicht aber das Darlehnskapital auf der einen und der um die Nutzungsvergütung vermehrte Kapitalbetrag auf der anderen Seite (RG G S Z 161, 52, 59, 60; wegen der Folgerungen daraus für den Rückforderungsanspruch aus §817 Satz 2 in einzelnen Fällen des § 138 vgl. § 607 Anm. 24, 25). Die Zinspflicht ist indes kein notwendiges Begriffsmerkmal desDarlehns. Sie besteht nur, wenn sie vereinbart ist (vgl. § 608 Anm. 2).

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Darlehn

Vor § 607

Anm. 2—4

Anm. 2 2 . D e r w i r t s c h a f t l i c h e Zweck d e s D a r l e h n s kann ein ganz verschiedener sein. Das Darlehn kann eine gewinnbringende oder sichere Anlage vorhandener Vermögenswerte bezwecken. Es kann auch aus Gefälligkeit gegeben werden, u m einem anderen Hilfe zu leisten. Es kann ferner einem kurz- oder langfristigen wirtschaftlichen Bedürfnis dienen. Für die rechtliche Beurteilung ist der mit dem Darlehn verfolgte wirtschaftliche Zweck im allgemeinen belanglos. E r spielte früher bei der Aufwertung eine Rolle (vgl. dazu die näheren Ausführungen mit Rechtsprechungshinweisen in Anm. 5 zu § 607 der 9. Aufl.). Der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg (§ 812 Abs. 1 Satz 2) ist die Entstehung des Forderungsrechts des Darlehnsgebers auf Rückerstattung; ist dieser Erfolg eingetreten, so hat die Nichterreichung des weiteren Zweckes, dem das Darlehn dienen soll, nicht die Folge, daß der Darlehnsgeber auf einen bloßen Bereicherungsanspruch beschränkt wäre (RG 6. 12. 1924 V 361/24). Ein zu u n s i t t l i c h e n Z w e c k e n gegebenes Darlehn ist nach § 138 Abs. 1 nichtig und erzeugt nach § 817 Satz 2 auch keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, sofern der Darlehnsgeber an der Unsittlichkeit Teil hat (vgl. Näheres dazu § 607 Anm. 24 und 25).

Anm. 3 II. Rechtsnatur des Darlehns 1. R e a l v e r t r a g . Das e i g e n t l i c h e D a r l e h n (§ 607 Abs. 1) ist Realvertrag (herrschende Meinung gegen S t a u d i n g e r - R i e d e l 1 1 . Aufl. und die dort Angeführten). Die Hingabe der Sachen ist Voraussetzung für das Zustandekommen des Darlehnsvertrages. Erst durch die Hingabe der Sachen wird die einseitige Verpflichtung zur Rückgewähr begründet („wer . . . als Darlehn empfangen h a t " ; R G 86, 309 und 323; 1 0 8 , 1 5 0 ; R G WarnRspr. 1909 Nr. 481; 1910 Nr. 191; 1912 Nr. 49; anders nach Schweiz. Z G Art. 312, R G J W 1932, 243). Hingabe und Empfang des Darlehns sind nicht rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern tatsächliche Grundlage der Rückerstattungspflicht ( R G 74, 15). Willensübereinstimmung muß aber darüber bestehen, daß die vom Darlehnsgeber hingegebenen Sachen vom Darlehnsnehmer „als Darlehn", also mit entsprechender Rückerstattungspflicht in Empfang genommen werden. Dem eigentlichen Darlehn tritt gemäß § 6 0 7 Abs. 2 das V e r e i n b a r u n g s d a r l e h n an die Seite, bei dem die Verpflichtung zur Rückgewähr auf dieser Vereinbarung beruht (vgl. dazu § 6 0 7 Anm. 34fr.). Das D a r l e h n s v e r s p r e c h e n nach § 6 1 0 ist dagegen ein Vorvertrag. Er begründet die Verpflichtung zur Hingabe des Darlehns, während die Rückerstattungspflicht erst durch die Hingabe selbst entsteht (vgl. § 610 Anm. 1).

Anm. 4 2. Einseitig v e r p f l i c h t e n d e r V e r t r a g . Der Darlehnsvertrag nach § 607 wie das Darlehnsversprechen nach § 6 1 0 begründen regelmäßig nur e i n s e i t i g e Verpflichtungen (herrschende Meinung gegen S t a u d i n g e r - R i e d e l 1 1 . Aufl. Vorbem. 3 vor § 607 und die dort Angeführten). Die Hingabe des Darlehns (§ 607 Abs. 1) verpflichtet nur den Empfänger zur Rückzahlung des Darlehns. Ist das Darlehn verzinslich, so handelt es sich um einen entgeltlichen, aber nicht um einen gegenseitigen Vertrag (a.A. S t a u d i n g er a a O mit Hinweisen; E s s e r , Lehrb. des Schuldrechts S. 342; L a r e n z , Lehrb. des Schuldrechts I I S. 151 f.). Durch das Darlehnsversprechen wird nur eine Verpflichtung des Darlehnsgebers zur Hingabe des Darlehns begründet (vgl. Vorbem. 3, § 6 1 0 Anm. 1). Das Darlehnsversprechen kann indessen auch in einem gegenseitigen Vertrage gegeben werden. Das ist der Fall, wenn dem Darlehnsversprechen eine damit im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Verpflichtung des anderen Teils gegenübersteht. Die vertragliche Verpflichtung zur Hingabe eines Darlehns (Darlehnsversprechen, § 610) wird aber nicht schon dadurch zu einem gegenseitigen Vertrage, daß der Darlehnsnehmer dem Darlehnsgeber eine Hypothek oder sonstige Sicherheit bestellt oder zu bestellen sich verpflichtet; denn diese Leistungen sind in der Regel nicht Gegenleistungen für die Darlehnshingabe, sondern sie erfüllen die Bedingungen, unter denen das Darlehn gewährt oder versprochen wird ( R G J W 1912, 4 6 2 ; WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 7). Ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320fr. liegt

489

V o r § 607

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 5—8 dagegen vor, wenn die vereinbarte Darlehnshingabe als Kapitalsanlage erscheint, wie regelmäßig die Beleihung von Grundstücken durch Geldinstitute ( R G J W 1909, 309; 1912, 462; 1937, 2765). Uber die Frage, an welcher Stelle beim Darlehnsversprechen gegen Bestellung einer Hypothek diese zu gewähren ist, vgl. § 610 Anm. 2. K a n n in einem solchen Falle die versprochene hypothekarische Sicherheit nicht mit dem ausbedungenen Range beschafft, z. B. die Löschung der Zwischenposten erst im Wege des Aufgebotsverfahrens herbeigeführt werden, so kann der Gläubiger nach §§ 445, 433, 440 Abs. 1 und dem unmittelbar oder entsprechend anwendbaren § 325 vom Vertrage zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen ( R G SeuffArch. 78 Nr. 68; R G 9. 12. 1922 V 236/22). Das Darlehnsversprechen kann auch sonst Bestandteil eines gegenseitigen Vertrages sein, so bei dem mit einem Bier- (vgl. § 607 Anm. 13) oder sonstigen Lieferungsvertrage verbundenen Darlehnsversprechen ( R G 67, 101; R G J W 1906, 735; Gruchot 53, 945) oder bei dem Bausparvertrage (vgl. § 607 Anm. 11).

Anm. 5 III. Verhältnis des Darlehns zu anderen Rechtsverhältnissen 1. L e i h e . Gewisse Ähnlichkeit mit dem Darlehn, und zwar mit dem zinslosen Darlehn, hat die Leihe. Während jedoch bei der Leihe die geliehene Sache, die dem Entleiher n i c h t übereignet wird, selbst zurückzugeben ist, brauchen beim Darlehn die hingegebenen und übereigneten Sachen nur in solchen gleicher Art, Menge und Güte erstattet werden. Bei der unentgeltlichen Überlassung von gekennzeichnetem Verpackungsmaterial, insbesondere von F l a s c h e n , handelt es sich um einen selbständigen Leihvertrag oder um eine entsprechende Nebenverpflichtung des Käufers ( R G 159, 66). Zur Sicherung des Anspruches auf Rückgabe der Flaschen wird meist ein sog. Flaschenpfand als unechtes Pfand bestellt (vgl. D ü r k e s BB 1956, 27). In der Hingabe von sog. Einheitsflaschen kann aber auch ein F'aschendarlehn liegen ( B G H NJW 1956, 298; dazu D ü r k e s BB 1956 ,25). Auch bei der sog. „Faßleihe" oder „Sackleihe" ist häufig ein Darlehn anzunehmen (vgl. D ü r k e s BB 1948, 70 und 197).

Anm. 6 2. M i e t e , P a c h t . Durch den Miet- oder Pachtvertrag wird ebenso wie durch den Leihvertrag nur der Gebrauch der Sache überlassen, durch den Darlehnsvertrag dagegen das Eigentum übertragen. Demgemäß bedeutet der Darlehnszins eine Entschädigung an den Darlehnsgeber für die ihm entgehende Nutzung bzw. die Vergütung für die zeitweilige Nutzung des in dem Geld oder in der vertretbaren Sache steckenden Wertes durch den'Empfänger ( R G 161, 56), während der Miet- oder Pachtzins das Entgelt für den gestatteten Gebrauch darstellt. B a u k o s t e n z u s c h ü s s e können Darlehn sein ( R G 141, 145), sie können aber auch verlorene Zuschüsse oder Mietvorauszahlungen sein. Auch wenn sie als „ D a r l e h n " bezeichnet sind, kann sich aus dem Zusammenhang der Vereinbarung ergeben, daß die Leistung als Mietvorauszahlung anzusehen ist ( B G H M D R 1953, 473), die der Konkursverwalter ggf. gegen sich gelten lassen muß ( B G H 6, 202; B G H M D R 1953, 473). Vgl. dazu auch Vorbem. Anm. 13 und § 607 Anm. 12.

Anm. 7 3. U n e i g e n t l i c h e V e r w a h r u n g . Äußere Berührungspunkte zeigt das Darlehn mit der uneigentlichen Verwahrung (offenes Depot, § 700), von der es sich bei äußerlich gleichem Tatbestande durch den wesentlich verschiedenen Zweck unterscheidet. Die Darlehnshingabe geschieht im Interesse des Empfängers zu dessen Verfügung über die Sachen, die Hingabe bei der uneigentlichen Verwahrung erfolgt dagegen zur Obsorge des Empfängers wesentlich im Interesse des Gebers ( R G I, 204; 11, 319). woran die Gewährung eines geringen Bankzinses nichts ändert. Uneigentliche Verwahrung ist der Depositenvertrag mit einer Bank, während die Spareinlage bei einer Sparkasse im allgemeinen ein Darlehn darstellt ( R G 73, 221).

Anm. 8 4. S c h e n k u n g . In der Gewährung eines zinslosen Darlehns kann eine Schenkung liegen (§§ 516, 518), sofern einserseits der Darlehnsgeber durch die unentgeltliche Ge-

490

Darlehn

Vor § 607 A n m . 9—11

brauchsüberlassung einen Ertrag aufopfert, den er sonst gewonnen hätte, und andererseits dem Empfanger Ausgaben für die Beschaffung eines entsprechenden Kapitals erspart werden ( R G Gruchot 71, 531). — Ein wegen Formmangels ungültiges Schenkungsversprechen kann nicht nach § 607 Abs. 2 in ein Darlehn umgewandelt werden ( R G Recht 1914 Nr. 338, 33g; R G S t . 60, 74; WarnRspr. 1931 Nr. 24). Anm. 9 5. Kauf. (Vgl. auch § 433 Anm. 80.) Überträgt ein Miterbe seinen Erbanteil an einen Dritten zur Sicherung für ein von diesem gegebenes „Darlehn", dessen Höhe etwa dem Werte des Erbteils entspricht, so ist das der Übertragung zugrunde liegende Verhältnis in Wirklichkeit ein Kauf (Erbschaftskauf), wenn die Rückzahlung des Darlehns einerseits und die Rückübertragung andererseits durch besondere Abmachungen praktisch für immer ausgeschlossen sind (BGH 25, 174). Will der eine Teil sein Geldbedürfnis durch A u s g a b e von I n h a b e r s c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n befriedigen und erklärt der andere Teil sich bereit, diese gegen Barzahlung zu übernehmen, so handelt es sich nicht um ein Darlehn und dessen Sicherung, sondern um einen Kauf oder ein kaufähnliches Geschäft (RG J W 1927, 1375). Das Grundgeschäft einer W e c h s e l d i s k o n t i e r u n g ist regelmäßig Kauf (RG 93, 26; 142, 26; RG WarnRspr. 1927 Nr. 137). Es kann aber auch ein Darlehn sein. Die Wechselübertragung durch den Darlehnsschuldner dienst dann dem Darlehnsgeber als Sicherheit, sie kann auch den Sinn haben, daß der Darlehnsschuldner die Rückzahlung durch einen Dritten bewirken will, der durch den Wechsel mitverpflichtet ist (RG Gruchot 71, 390). Bei der Hingabe einer nicht vertretbaren Sache zum Zwecke des D a r l e h n s n a c h S c h ä t z u n g handelt es sich um einen Kaufvertrag, bei dem die Kaufschuld durch eine Darlehnsschuld ersetzt wird; es liegt mithin ein Fall des § 607 Abs. 2 vor, mit der Kaufschuld entsteht die Darlehnsschuld (vgl. § 607 Anm. 2). A n m . 10 6. G e s c h ä f t s b e s o r g u n g s v e r t r ä g e . Die Abgrenzung zwischen Darlehn und Geschäftsbesorgungsverträgen spielt vor allem im Bankverkehr eine Rolle. Ob ein Vertrag über die Gewährung eines A k z e p t k r e d i t s eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat oder eine Darlehnsabrede enthält, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab (BGH 19, 282). Akzeptiert die Bank den Wechsel für Rechnung des Kunden und gibt dieser den Wechsel zum Diskont, so liegt regelmäßig ein Geschäftsbesorgungsvertrag vor; die Bank kann dann die Erstattung der Wechselsumme nur verlangen, wenn sie den Wechsel eingelöst hat (BGH 19, 282). Vgl. zur Rechtsnatur des Akzeptkredits auch W ü r d i n g e r BB 1954, 325 und L e h m a n n BB 1955, 937 sowie von C a e m m e r e r NJW 1955, 41. A n m . 11 7. Gesellschaft. Für den Gesellschaftsvertrag ist das Zusammenwirken zu einem g e m e i n s a m e n Z w e c k begriffsnotwendig (§ 705). In der Regel ist der Gesellschafter als Geldgeber an Gewinn und V e r l u s t aus dem Unternehmen beteiligt, hat Einfluß auf den Geschäftsbetrieb und Recht auf Einsicht in die Bücher. Die Hingabe des Geldes, z. B. eines Baukostenzuschusses, an den Empfänger mit der ausgesprochenen Absicht, damit einen gemeinschaftlichen Zweck zu fördern, schließt die rechtliche Beurteilung als Darlehn nicht aus (RG 141, 145). Bloße Gewinnbeteiligung nötigt noch nicht zur Annahme eines Gesellschaftsvertrages, sondern macht das Geschäft möglicherweise nur zu einem sog. partiarischen Darlehn (RG 20, 165; 31, 33; 57, 175; 7 4 . 1 3 ; 77. 223; 122,390; RG J W 1912, 462; 1918 304; WarnRspr. 1913 Nr. 2 1 1 ; 1916 Nr. 98; 1935 Nr. 65; L Z 1917, 174 und 802). Bei diesem ist die Gewinnbeteiligung des Geldgebers nicht g e m e i n s c h a f t l i c h e r Zweck der Geldhingaben (RG 168, 285; B G H 3, 8 1 ; B G H L M Nr. 1 zu § 335 HGB; WM 1957, 1335; 1958, 293). Der Gebrauch des Wortes „Darlehn" ist nicht entscheidend (RG 92, 292; RG WarnRspr. 1925 Nr. 167), ebensowenig die rechtliche Auffassung der Parteien. Maßgebend sind die objektiven Tatbestandsmerkmale (RG 141, 145; RG WarnRspr. 1932 Nr. 22). Wegen des Darlehns von Gesellschaftern an die offene Handelsgesellschaft und der Abgrenzung von Darlehn und Beteiligung (Darlehns- und Beteiligungskonten) B G H L M Nr. 14 zu § 16 UmstG.

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V o r § 607 Arnn. 12—15

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 12 8. V e r s i c h e r u n g . Eine „Vorauszahlung" auf die Versicherungssumme bei einer Lebensversicherung stellt einen entgeltlich gewährten Vorschuß dar, der die Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme bei deren Fälligkeit verringert; der Vorschuß kann jedoch zurückgezahlt werden, so daß die Vorauszahlung ein darlehnsähnliches Verhältnis begründet (RG 89, 305; vgl. dazu auch D ö r s t l i n g LZ 1917, 897). A n m . 13 9. V o r s c h ü s s e auf k ü n f t i g e oder k ü n f t i g f ä l l i g w e r d e n d e F o r d e r u n g e n des Empfängers können Darlehnscharakter haben, wenn sie in der Absicht der Kreditgewährung (credendi causa) gegen die Verpflichtung der Rückerstattung gegeben sind, die auch durch Aufrechnung mit jenen Forderungen geschehen kann. Sind sie aber als Vorausleistung in Erwartung einer vertraglichen Gegenleistung, in Erfüllungs-, nicht in Verpflichtungsabsicht gegeben, so sind sie keine Darlehn und können, wenn die Gegenleistung nicht erfolgt ist, nur auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangt werden (RG 3, 87; R G J W 1907, 363; 1912, 684; LZ 1922, 69). Wegen der Mietvorauszahlungen vgl. Anm. 6 und wegen der Vorauszahlungen auf die Lebensversicherungssumme vgl. Anm. 12. A n m . 14 IV. Aufwertung und Währungsreform 1. A u f w e r t u n g . Die Fragen der Aufwertung haben ihre praktische Bedeutung im wesentlichen verloren. Es wird deshalb wegen der Gesetzgebung u n d Rechtsprechung zur Aufwertung auf die eingehenden Darlegungen in Anm. 5 zu § 242 der 9. Aufl. hingewiesen. A n m . 15. 2. W ä h r u n g s r e f o r m . Wegen der Folgen der Währungsreform im allgemeinen vgl. Anm. zu § 244. a) E i g e n t l i c h e s D a r l e h n . Der Anspruch auf Rückerstattung dargeliehener Reichsmark ist als Geldsummenanspruch auf Leistung einer bestimmten Zahl von Geldeinheiten gerichtet und ist deshalb im Verhältnis 10:1 auf Deutsche Mark umgestellt (§§ *3> ' 6 Abs. 1 U m s t G ; vgl. auch § 2 WährG). Diese gesetzliche Regelung ist zwingendes Recht. Vor der Währungsreform getroffene Vereinbarungen über ein abweichendes Umstellungsverhältnis sind unwirksam (BGH 5, 173; B G H N J W 1951, 708; W M 1958, 293). Auch wenn der Darlehnsschuldner sich verpflichtet hat, im Falle einer Währungsreform einen dem Wert sicherungsweise übereigneter Gegenstände nach der Währungsreform entsprechenden Betrag zurückzuerstatten, so verbleibt es bei einer im Verhältnis 10:1 umzustellenden Reichsmarkforderung (BGH N J W 1 9 5 1 ; 708; W M 1958, 293). Anders liegt es, wenn vereinbart war, es solle bei der Höhe aller künftig von dem Schuldner zu zahlenden Geldbeträge in einer näher bestimmten Weise der Wert von Weizen zugrunde gelegt werden; in diesem Falle unterliegt die Verbindlichkeit nicht der Umstellung nach § 16 UmstG (BGH 9, 56). Wird für einen hingegebenen Reichsmarkbetrag ein Anspruch auf den Erlös einer bestimmten Anzahl von Sachen, z. B. Maschinen, aus Verkäufen nach der Währungsreform eingeräumt, so liegt keine dem § 607 Abs. 1 gemäße Verpflichtung vor, „das Empfangene in Sachen von gleicher Art, Menge und Güte zurückzuerstatten"; ein solcher Anspruch unterliegt daher nicht den Vorschriften des UmstG (BGH 7, 143; B G H N J W 1951, 841). Auch ein p a r t i a r i s c h e s Darlehn unterliegt der Umstellung 10:1 nach § 16 UmstG (BGH N J W 1951, 710), ebenso das Darlehn eines Gesellschafters an die offene Handelsgesellschaft (BGH L M Nr. 14 zu § 16 UmstG) oder an die G m b H (BGH W M 1958, 19). Wurde ein Reichsmarkdarlehn a m 19. oder 20.6. 1948 hingegeben, so ist es im Verhältnis 1:1 zurückzuerstatten. Nach dem L o n d o n e r S c h u l d e n a b k o m m e n werden u. a. Darlehn aus Kapitalverkehr unter bestimmten Voraussetzungen im Verhältnis 1:1 umgestellt; das trifft nicht zu, wenn es sich u m eine Restkaufgeldhypothek handelt, welche der Gläubiger beim Verkauf seines in Deutschland belegenen Grundstücks bestellt hatte

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Darlehn

Vor § 607

Anm. 16—18

( O L G Celle N J W 1956, 425). Die Forderung eines Schweizer Staatsangehörigen und •das zu ihrer Sicherung bestellte Grundpfandrecht bleiben, wenn sie im Verhältnis 1 0 : 1 umgestellt sind, auch nach dem Londoner Schuldenabkommen in diesem Verhältnis umgestellt; das gilt auch, wenn sie in Goldmark oder in Reichsmark mit Goldklausel oder Goldoption ausgedrückt sind und spezifisch ausländischen Charakter haben; in disem Falle hat der Schuldner lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Besserstellung, der jedoch nicht bei einer Entscheidung des Amtsgerichts über die Umstellung des Grundpfandrechts gemäß § 6 der 40. D V O zum U m s t G zu berücksichtigen, sondern in einem besonderen Verfahren vor den Landgerichten (§§ 2 ff., 1 1 A G LondSchAbk) gegen den Schuldner geltend zu machen ist ( B G H 14. 7. 1955 — I V Z B 51/55). Eine Forderung hat „spezifisch ausländischen Charakter" im Sinne der Nr. I 2 a Anl. V I I LondSchAbk, wenn in der ursprünglichen schriftlichen Vereinbarung ein im Ausland liegender Wohnort des Schuldners aufgeführt und als Zahlungsort der (jeweilige) Wohnort des Gläubigers angegeben ist ( B G H 25, 1 1 ) .

Anm. 16 b ) V e r e i n b a r u n g s d a r l e h n ( § 6 0 7 A b s . 2 ) . Ein Vereinbarungsdarlehn wird grundsätzlich im Verhältnis 1 0 : 1 umgestellt, wenn die frühere anders geartete Schuld eine gewöhnliche Reichsmarkverbindlichkeit gewesen ist ( § 1 6 UmstG). In gleicher Weise ist umgestellt, wenn die ursprüngliche Rechtsnatur der Forderung, die an sich gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UmstG bevorzugt im Verhältnis x : i umzustellen gewesen wäre, z. B. eine Auseinandersetzungsforderung, unter Loslösung von ihrem Entstehungsgrunde sich in eine reine Darlehnsforderung, z. B. durch Abtretung an ein Bankinstitut als zinsbringende Kapitalsanlage (echte Schuldumschaffung) umgewandelt hat ( B G H 3, 3 5 2 ; B G H N J W 1952, 99). Durch A b t r e t u n g einer gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 3 bevorrechtigten Forderung allein an einen nicht zum bevorrechtigten Personenkreis gehörenden Zessionar — ohne eine gleichzeitige echte Umwandlung des Schuldverhältnisses —• geht das Recht auf bevorzugte Umstellung nicht verloren ( B G H 3, 1 3 5 ; B G H N J W 1 9 5 1 , 842, 920). Eine E r b a u s e i n a n d e r s e t z u n g s f o r d e r u n g ist im Verhältnis 1 : 1 auch dann umzustellen, wenn sie auf bestimmte Zeit „als Darlehn gestundet" ist ( B G H N J W 1952, 8 7 1 ) . Die Abrede, daß die E i n l a g e e i n e s ausscheidenden K o m m a n d i t i s t e n in ihrer jeweiligen Höhe für das laufende Geschäftsjahr „als Darlehn betrachtet und verzinst werden soll", bedeutet keine Umwandlung in dem Sinne, daß eine völlig neue, von dem alten Rechtsgrund losgelöste Darlehnsforderung geschaffen werden sollte; daher Umstellung im Verhältnis 1 : 1 ( B G H L M Nr. 2 zu § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UmstG).

Anm. 17 c ) D a r l e h n s v e r s p r e c h e n . Das Darlehnsversprechen begründet eine Verbindlichkeit des Versprechenden zur Zahlung einer Geldsumme, mithin auf der anderen Seite eine „ a u f die Zahlung einer Geldsumme gerichtete Forderung" im Sinne des § 1 3 Abs. 1 UmstG. Sie ist demgemäß nach § 16 U m s t G im Verhältnis 1 0 : 1 umzustellen ( H a r m e n i n g - D u d e n § 13 Anm. 3).

Anm. 18 V. V e r t r a g s h i l f e . Die richterliche Vertragshilfe ist nur zulässig f ü r Verbindlichkeiten, die vor dem 2 1 . 6. 1948 begründet worden sind (§ 1 V H G v. 26. 3. 1952, BGBl. I 198). Ein Gläubiger- oder Schuldnerwechsel schließt eine Regelung nicht aus ( B G H N J W 1956, 509; B G H 16, 378); Berechtigter ist der derzeitige Schuldner ( B G H 16, 378). Es ist unerheblich, ob die Verbindlichkeit in in- oder ausländischer Währung zu erfüllen ist ( B G H W M 1956, 1188). Ansprüche aus Guthaben bei Geldinstituten, Ansprüche aus Pfandbriefen, aus Bausparverträgen, Steuerschulden und andere in § 6 V H G genannte Forderungen sind der Vertragshilfe entzogen. Keine Steuerschuld (§ 6 Nr. 3 V H G ) und daher vertragshilfefähig sind Verbindlichkeiten zur Tilgung eines Abgeltungsdarlehns gegenüber einem Dritten, der die Gebäudeentschuldungssteuer abgelöst hat ( B G H 15, 43). Durch Hypotheken oder Grundschulden gesicherte Verbindlichkeiten, also insbesondere Darlehn, dürfen nach den §§ 1 Abs. 4, 2 V H G nur unter be-

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V o r § 607 A n m . 19

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§607 sonderen Voraussetzungen herabgesetzt werden; eine Herabsetzung ist insbesondere insoweit nicht zulässig, als die Sicherung die Verbindlichkeit deckt. Maßgebend sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung ( B G H W M 1955, 72; 1956, 869). Dabei ist die Hypothekengewinnabgabe zu berücksichtigen ( B G H W M 1956, 491, 492). Eine freiwillige Aufgabe der Sicherheit ist zu Lasten des Gläubigers zu werten ( B G H 14, 398). Für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1 V H G kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung an ( B G H 14, 398; B G H W M 1956, 1187; 1956, 1545). Nachteilige Folgen eines Rechtsgeschäfts, die von der Kriegs- und Nachkriegszeit unabhängig sind, rechtfertigen eine Vertragshilfe nicht ( B G H 19, 196). Die Vertragshilfe erfolgt im Wege der Stundung oder Herabsetzung, die auch zugunsten des Bürgen wirkt ( B G H 6, 385). Es können u. U . auch noch nicht fällige Verbindlichkeiten, etwa künftige Tilgungsbeträge einer Amortisationshypothek herabgesetzt werden ( B G H 24, 136). Eine völlige Freistellung des Schuldners ist nicht zulässig ( B G H W M 1955, 103). Soweit die Voraussetzungen für eine Vertragshilfe gegeben sind, kann der Schuldner sich wegen dieses Tatbestandes nicht im Prozeß auf die allgemeinen Grundsätze v o n T r e u u n d G l a u b e n berufen; denn das V H G stellt eine besondere Regelung dar, die es verbietet, §242 in anderer Weise zur Geltung zu bringen ( B G H 2, 153; 7, 364; 8, 344; 15, 38). Im einzelnen vgl. dazu die Rechtsprechungsübersichten von P i k a r t W M 1955, 243 und 1957, 566; wegen der Zinsforderungen vgl. § 608 Anm. 5. A n m . 19 V I . Interzonales Recht. Für Darlehnsschulden, die vor der Währungsreform begründet sind, ist für die Frage des anzuwendenden Rechts der Wohnsitz des Schuldners ohne Rücksicht auf den abweichend vereinbarten Leistungsort maßgebend ( B G H W M i955> 768).

§607 W e r Geld oder andere vertretbare Sachen als Darlehen empfangen hat, ist verpflichtet, dem Darleiher das Empfangene in Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. W e r Geld oder andere vertretbare Sachen aus einem anderen Grunde schuldet, kann mit dem Gläubiger vereinbaren, daß das Geld oder die Sachen als Darlehen geschuldet werden sollen. EI 453. 454 11 547! Ml 305—31»; Pa 42—43. Übersicht Aom.

A . Das eigentliche Darlehn (Abs. i) I. Gegenstand des Darlehns 1. Sachen 2. Vertretbare Sachen II. Hingabe des Darlehns 1. Hingabe 2. Hingabe an einen Dritten 3. Hingabe durch einen Dritten III. Einigung der Parteien über die Rückerstattung

i—33 1, 2 1 2 3—5 3 4 5 6

I V . Besondere Erscheinungsformen des Darlehns 1. Abzahlungsdarlehn 2. Aufbaudarlehn an Vertriebene 3. öffentliche Wohnungsbaudarlehn 4. Baugelddarlehn 5. Bausparvertrag 6. Mieterdarlehn 7. Brauereidarlehn 8. Flaschendarlehn 9. Spareinlage bei einer Sparkasse

7—19 7 8 9 10 11 12 13 14 15

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Darlehn

§ 607 Anm. 1 Anm.

10. Darlehn der öffentlichen Pfandleiher 11. Partiarisches Darlehn 12. Pfandbriefdarlehn 13. Wertpapierdarlehn V . Die Vertragsparteien 1. Der Darlehnsgeber 2. Der Darlehnsnehmer V I . Wirksamkeit des Darlehnsvertrages 1. Gültigkeit des Vertrages a) Gesetzesverstoß b) Sittenverstoß c) Wucher 2. Anfechtbarkeit des Vertrages 3. Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrages 4. Verbindlichkeit des Vertrages V I I . Ansprüche aus dem Darlehn 1. Ansprüche des Darlehnsgebers a) Anspruch auf Rückerstattung aa) Inhalt des Anspruchs bb) Wegfall des Anspruchs b) Anspruch auf Sicherung c) Anspruch auf Zinsen d) Anspruch auf Provision 2. Rechte und Einwendungen des Darlehnsnehmers

16 17 18 19 20,21 20 21 22—28 22 23 24 25 26 27 28 29—33 29—32 29, 30 29 30 31 32 32 33

B. Vereinbarungsdarlehn (Abs. 2) 1. Vorhandensein einer Forderung II. Vereinbarung der Parteien III. Wirkung der Vereinbarung auf das frühere Schuldverhältnis 1. Schuldumwandlung 2. Kausale Schuldumschaffung 3. Abstrakte Schuldumschaffung

34—40 35 36 37 38 39 4.0

C. Beweislast I. Allgemein 1. Eigentliches Darlehn 2. Vereinbarungsdarlehn II. Darlehnsschuldschein D. Prozessuales

. . . .

41—43 41 41 42 43 44

Anm. 1 A . Das eigentliche Darlehn (Abs. 1) I. Gegenstand des Darlehns 1. Sachen. Gegenstand des Darlehns, sowohl desjenigen nach Abs. 1 wie des uneigentlichen Darlehns nach Abs. 2, können nur Sachen, also körperliche Gegenstände (§90) sein. Eine F o r d e r u n g kann nicht als Darlehn gegeben werden. Der Darlehnsnehmer kann aber eine ihm vom Darlehnsgeber verschaffte Forderung, insbesondere gegen eine Bank, annehmen und sich zur Rückzahlung ebenso verpflichten, als wenn er bares Geld erhalten hätte. Gewährt eine Bank selbst als Darlehnsgeberin ein Darlehn, so wird sie in der Regel dem Kunden einen Kredit eröffnen mit der Folge, daß der RückZahlungsanspruch für sie erst entsteht, wenn und soweit der Kunde den Kredit durch Abhebung oder Überweisung in Anspruch nimmt; es ist aber auch möglich, daß eine Forderung des Darlehnsnehmers gegen die Bank durch Gutschrift begründet wird und die Parteien darüber einig sind, die Gutschrift solle ebenso behandelt werden, als

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§ 607 A n m . 2—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

sei der Forderungsbetrag dem Darlehnsnehmer ausbezahlt worden (BGH W M 1957, 635; vgl. auch Anm. 3). Eine G r u n d s c h u l d kann einem anderen, damit dieser sie als Kreditunterlage für sich verwende, mit der Vereinbarung überlassen werden, daß bis zur Rückgewähr der Grundschuld ein festgesetzter Ubernahmepreis als Darlehn geschuldet werden solle (RG 152, 159). Anm. 2 2. Vertretbare Sachen. Bei dem Gegenstand des Darlehns muß es sich um v e r t r e t b a r e Sachen handeln, also um bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Maß, Zahl oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen (§ 91). Ob die Sachen verbrauchbar (§ 92) oder nicht verbrauchbar sind, ist gleichgültig. Der bei weitem vorwiegende Darlehnsgegenstand ist das Geld (vgl. zu §§ 244, 245). Als vertretbare Sachen können auch I n h a b e r p a p i e r e als Darlehn gegeben werden; in der Hingabe solcher Papiere kann aber auch ein Darlehn auf den Geldbetrag in Höhe des Verkaufspreises oder Kurswertes liegen (RG H R R 1931 Nr. 1304; vgl. auch Anm. 6 und 19). Andere als vertretbare Sachen können — ebenso wie unkörperliche Gegenstände — nur darlehnsh a l b e r überlassen werden; sie stellen nicht das Darlehn selbst dar, erst ihr Erlös ist Gegenstand des Darlehns. Während hier also die Hingabe des Darlehns durch Empfang des Erlöses erfolgt, ist die Hingabe einer nicht vertretbaren Sache zum Darlehnszwecke n a c h S c h ä t z u n g ein Kaufgeschäft, bei dem die Kaufschuld durch eine Darlehnsschuld ersetzt wird; es liegt mithin ein Fall des § 607 Abs. 2 vor, mit der Kaufschuld entsteht die Darlehnsschuld (vgl. auch RG 152, 159). Anm. 3 II. H i n g a b e des Darlehns 1. Hingabe. Das Darlehn setzt begriffsnotwendig voraus, daß der Empfänger das Eigentum erwirbt (Anm. 1). Die Hingabe ist also die Übertragung des Eigentums, und zwar, um dem Empfänger den Gebrauch und Verbrauch der Sachen zu verschaffen und ihn zugleich zur Rückerstattung zu verpflichten (RG J W 1919, 242). Erwirbt der Empfänger kein Eigentum, so entsteht auch kein Darlehn (RG 103, 286). Der Ubertragung des Eigentums an den Empfänger stehen die Fälle gleich, in denen abredegemäß durch die Hingabe der Valuta an einen Dritten der gleiche wirtschaftliche Erfolg erzielt werden soll (Anm. 4). Es tut der Darlehnsnatur des Geschäfts auch keinen Abbruch, daß der vereinbarte Verwendungszweck einem Dritten zugute kommen soll (RG Recht 1930 Nr. 2217; vgl. auch VerglO § 106 — früher §86 — und dazu R G Gruchot 72, 73; WarnRspr. 1932 Nr. 22). Die Hingabe kann durch Zuzählen oder Zusenden, aber auch durch jede andere Art der Übertragung erfolgen. Die Darlehnsverpflichtung entsteht jedoch erst mit der vollendeten Zuführung., nicht schon mit der Absendung; zum Übergang der Gefahr vgl. § 279. Sobald eine Bank einen von ihr versprochenen Darlehnsbetrag ihrem Kunden auf dessen G i r o k o n t o gutschreibt, hat der Kunde das Darlehn im Sinne von § 607 Abs. 1 „empfangen", da Buchgeld wegen der abstrakten Natur des Schuldversprechens, als das sich die Gutschrift darstellt, dem Bargeld gleichzuachten ist (vgl. B G H 6, 124; B G H NJW 1953, 897); die Gutschrift stellt nicht lediglich ein Darlehns versprechen dar (BGH L M Nr. x zu § 610). Es stehen sich dann die RückZahlungsforderung und die Depositalforderung gegenüber, so daß die Rechtslage die gleiche ist, als wenn der Darlehnsnehmer, etwa weil er entgegen seiner ursprünglichen Annahme für das ausbezahlte Darlehn nicht sofort, aber binnen kurzem Verwendung hat, den ausbezahlten Betrag bei der darlehnsgebenden Bank vorübergehend anlegt, also ohne Darlehnsrückzahlungsabsicht wieder einzahlt (BGH W M 1957, 635). Soweit der Darlehnsgeber selbst bereits Gläubiger des Darlehnsempfängers ist und als solcher abredegemäß die Darlehnssumme einbehält, kommt § 607 Abs. 2 in Frage (RG 8. 1. 1906 V I 139/05; 10. 6. 1907 V I 388/05). Über Hingabe an m e h r e r e D a r l e h n s e m p f ä n g e r vgl. Anm. 21. Anm. 4 2. H i n g a b e an einen Dritten. Die Hingabe kann abredegemäß an einen Dritten geschehen, etwa durch Gutschrift bei dem Bankhause des Empfängers oder durch Hin-

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Darlehn

§607

Anm. 5—7 gäbe an einen Gläubiger des Darlehnsnehmers ( R G J W 1 9 1 3 , 264; 1 9 1 4 , 76). Sind die Parteien darüber einig, daß die Auszahlung der Darlehnssumme bei einer Hypothekenbestellung an den beurkundenden Notar erfolgen solle, so stellt der Geldempfang durch den Notar den Empfang der Darlehnssumme durch den Darlehnsnehmer dar. Die Unterschlagung der Darlehnsvaluta durch den von beiden beauftragten Notar ist ohne Einfluß auf den bereits zustande gekommenen Darlehnsvertrag ( R G WarnRspr. 1940 Nr. 65). Die unmittelbare Auszahlung an den Dritten auf Weisung des Darlehnsnehmers macht den Dritten nicht zum Darlehnsempfänger ( R G WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 429; vgl. auch Anm. 2 1 ) .

Anm. 5 3. Hingabe durch einen Dritten.

Die Hingabe kann vereinbarungsgemäß auch durch einen Dritten geschehen, etwa durch Zahlungsanweisung an das Bankhaus des Gebers ( R G J W 1 9 1 3 , 264; 1 9 1 4 , 76). Der Dritte wird durch die Hingabe f ü r den Darlehnsnehmer nicht Gläubiger der Darlehnsforderung (vgl. Anm. 20).

Anm. 6 III. Einigung der Parteien über die Rückerstattung.

Die vom Darlehnsgeber hingegebenen Sachen müssen vom Darlehnsnehmer „als Darlehn" in Empfang genommen werden. Die Parteien müssen deshalb darüber einig sein, daß es sich bei dem Geleisteten um ein Darlehn handelt und der Empfänger das Erhaltene in Sachen gleicher Art, Menge und Güte zurückzuerstatten hat ( R G J W 1 9 1 9 , 242). Daran fehlte es z . B . bei der Auszahlung von Sparguthaben an Ostflüchtlinge durch Sparkassen der Westzonen; es entstand deshalb kein Rückforderungsanspruch auf Grund des § 607 ( O L G Neustadt H E Z 1, 8 1 ) . Die Vereinbarung, daß die Rückerstattung in Sachen g l e i c h e r A r t , M e n g e u n d G ü t e zu erfolgen habe, ist nur die Regel. Zulässig ist auch die Abrede, daß in größerer oder geringerer Summe oder Menge zurückzuleisten sei. Die Vereinbarung, daß die Rückerstattung in vertretbaren Sachen anderer Art erfolgen solle, läßt die letzteren als Darlehnsgegenstand erscheinen (vgl. Anm. 1, 2). Bei der Hingabe von I n h a b e r p a p i e r e n kann j e nach den Umständen des einzelnen Falles ein Darlehn über die Papiere selbst als vertretbare Sachen oder ein Darlehn auf den Geldbetrag in Höhe des Verkaufspreises oder Kurswertes liegen ( R G H R R 1 9 3 1 Nr. 1304; vgl. auch Anm. 2).

Anm. 7 IV. Besondere Erscheinungsformen des Darlehns 1 . A b z a h l u n g s d a r l e h n . Ist bei einem Abzahlungsgeschäft der Kaufpreis in Raten an den Verkäufer zu entrichten, so liegt lediglich eine Stundung des Kaufpreises oder eine Fälligkeitsabrede für die Kaufpreisschuld vor. Häufig schließt aber der K ä u f e r neben dem Teilzahlungsvertrag zum Zwecke der Finanzierung noch einen Darlehnsvertrag mit einem Dritten, meist einem Finanzierungsinstitut ab, mit dem der Verkäufer in Geschäftsverbindung steht. Das Finanzierungsinstitut zahlt den Restkaufpreis an den Verkäufer und zieht ihn in der verabredeten Form ratenweise von dem K ä u f e r ein. Es hängt in solchen Fällen von den Umständen ab, ob die Vereinbarungen mit dem Verkäufer und dem Finanzierungsinstitut als r e c h t l i c h einheitlicher Vertrag oder als zwei rechtlich selbständige, wenn auch wirtschaftlich eng zusammenhängende Geschäfte — Kaufvertrag und Darlehnsvertrag — zu werten sind und dem K ä u f e r deshalb die Einwendungen aus dem Kaufvertrage auch gegen das Finanzierungsinstitut zustehen ( B G H I V . Zivilsenat M D R 1956, 597 unter Betonung der rechtlichen Selbständigkeit der beiden Geschäfte). Andererseits hat der I I . Zivilsenat sich auf den Standpunkt gestellt, daß durch die in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgenommene Aufspaltung des einheitlichen Lebensvorganges (Abzahlungsgeschäft) in zwei selbständige Verträge dem K ä u f e r das Recht, sich gegenüber dem Zahlungsbegehren des Kreditinstituts auf kaufrechtliche Sachmängeleinwendungen zu berufen, nicht vollständig entzogen werden kann ( B G H 22, 90). Der Auffassung des I I . Zivilsenats ist beizupflichten. § 6 A b z G ist stets mit der Folge anzuwenden, daß der Darlehnsgeber, der die Kaufsache auf Grund des ihm übertragenen Sicherungseigentums

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§ 607 Anm. 8—11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

herausverlangt, nicht die Zahlung der restlichen Darlehnsschuld verlangen kann (BGH 3, 257; BGH L M Nr. 2 zu AbzG § 6). Auch beim Vorliegen zweier selbständiger Geschäfte braucht der Verkäufer nicht Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 zu sein, wenn es ihm der Darlehnsgeber im Rahmen einer ständigen Geschäftsverbindung überlassen hat, den Kreditantrag für den Darlehnsnehmer ( = Käufer) auszufüllen und an den Darlehnsgeber einzureichen (BGH 20, 36). Kritisch zu der Rechtsprechung W e n d t M D R 1957, 391. Vgl. außerdem zur Problematik der sog. Kundenfinanzierung Vorbem. zu § 433 Anm. 3. Anm. 8 2. Aufbaudarlehn an Vertriebene (§§ 254fr. LAG) werden nach ihrer Bewilligung in einem besonders geregelten Verwaltungsverfahren im allgemeinen unter Einschaltung eines Kreditinstituts ausgegeben, mit dem der Darlehnsnehmer einen Darlehnsvertrag nach einem vom Bundesausgleichsamt vorgeschriebenen Muster abschließt. Die Einzelheiten sind in einer Reihe von Bestimmungen und Weisungen des Bundesausgleichsamts geregelt. Gegen die von dem Geldinstitut aus dem Darlehnsvertrage geltend gemachten Ansprüche kann der Darlehnsnehmer, auch wenn das nicht ausdrücklich im Vertrage hervorgehoben ist, nicht mit Forderungen gegen das Geldinstitut aufrechnen, die mit dem Aufbaudarlehn nicht zusammenhängen (BGH 25, 211 für Aufbaudarlehn aus Mitteln des Soforthilfefonds). Schließt ein Dritter mit dem Empfänger eines Aufbaudarlehns einen Vertrag, der mit den vom Ausgleichsanit bei der Darlehnsgewährung angeordneten, dem Dritten bekannten Bedingungen und Auflagen nicht im Einklang steht, so ist weder der Vertrag nach § 134 nichtig, noch verletzt der Dritte ein Gesetz zum Schutze des Darlehnsempfängers (BGH L M Nr. 1 zu § 253 LAG). Anm. 9 3. öffentliche Wohnungsbaudarlehn. Darlehn aus öffentlichen Mitteln zur Förderung des Wohnungsbaus (§§ 26 ff., 34, 36 des 1. Wohnungsbaugesetzes; §§42 ff. des 2. Wohnungsbaugesetzes) werden in einem öffentlichrechtlichen Bewilligungsverfabren eingeräumt. Der Bewilligungsbescheid ist Verwaltungsakt; der daraufhin abgeschlossene Darlehnsvertrag ist dagegen privatrechtlicher Vertrag (BVerwG NJW 1955, 437). Mittel, die der Bauherr nach Gewährung des öffentlichen Darlehns durch Aufnahme von Mieterdarlehn erhält, muß er dazu verwenden, das öffentliche Darlehn abzulösen; die Verpflichtung dazu ergibt sich aus dem Darlehnsvertrage (BGH BBauBl. 1954, 116). Anm. 10 4. Baugelddarlehn. Eine besondere Erscheinungsform des Darlehns stellt das Baugelddarlehn (Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen vom 1. 6. 1909, RGBl. 449) dar, das in Teilbeträgen entsprechend dem Fortschreiten des Baues zu dem bestimmtem Zwecke der Förderung des Bauvorhabens und mit der Verpflichtung zur Verwendung des Geldes in diesem gegeben wird. Ein Baugeldvertrag liegt nur vor, wenn die Hingabe von Geld als Darlehn für einen Bau v e r s p r o c h e n wird. Der Baugeldvertrag ist somit eine Unterart des Darlehnsvorvertrages nach § 610 (vgl. dort Anm.i); ein Darlehn nach § 607 Abs. 2 kann deshalb kein Baugelddarlehn sein. Der Bau darf zur Zeit des Abschlusses des Darlehnsvertrages noch nicht vollendet sein; ein erst nachher zur Befriedigung der Baugläubiger aufgenommenes Darlehn ist kein Baugelddarlehn (RG 37, 336; 38, 808; 84, 188; 91, 72; RG WarnRspr. 1908 Nr. 580; 1911 Nr. 15 und 320). Wegen der Abtretbarkeit von Ansprüchen aus dem Baugelddarlehnsvertrag vgl. § 610 Anm. 3. Anm. 11 5. Bausparvertrag. Der Bausparvertrag ist Darlehnsvorvertrag in Gestalt eines gegenseitigen Vertrages (RG H R R 1933 Nr. 1 9 1 3 ; M e n t z e l D R i Z 1932, 268). Er verpflichtet einerseits den Bausparer, bestimmte Leistungen in das zweckgebundene Vermögen der Bausparkasse, den Zuteilungsstock, zu leisten, und andererseits die Bau498

Darlehn

§607 Anm. 12—15

Sparkasse, nach der Zuteilung und deren Annahme das Sparguthaben und — nach Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen — das Bauspardarlehn (Differenz zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme) auszuzahlen ( M e n t z e l aaO S. 267). Das Bausparwesen ist geregelt in den §§ 1 1 2 — 1 2 1 VersAufsG vom 6. 6. 1931, RGBl. I S. 315, und mehreren ergänzenden Verordnungen. Der Bausparvertrag, der eine auf längere Zeit berechnete beiderseitige Bindung zur Folge hat, erfordert ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis und steht im besonderen Maße unter dem Schutze von Treu und Glauben (RG H R R 1933 Nr. 1913). Anm. 12 6. Mieter darlehn. Mieterdarlehn kommen vor allem in der Form des Baukostenzuschusses vor. Solche Zuschüsse können sowohl Mietvorauszahlungen wie Darlehn darstellen (RG 141, 145; BGH M D R 1953, 473; vgl. auch Vorbem. Anm. 6). Ob es sich um das eine oder das andere handelt, ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln (BGH M D R 1953, 473). Die Unterscheidung hat vor allem in der Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung und im Konkurs Bedeutung (vgl. BGH 6, 202; BGH M D R 1953, 473). Wird ein als Darlehn bezeichneter Zuschuß nicht vom Mieter, sondern von einem außerhalb des Mietverhältnisses stehenden Dritten auf Grund eines zwischen ihm und dem Vermieter abgeschlossenen Vertrages gezahlt, so liegt im allgemeinen keine Mietvorauszahlung, sondern ein echtes Darlehn vor (OLG Stuttgart NJW 1955, 23). Anm. 13 7. Brauereidarlehn. Verbreitet ist das mit dem Bierlieferungsvertrag verbundene Darlehn der Brauereien an Gastwirte, bei dem die Rückzahlung durch Aufschlag auf den Bierpreis erfolgt oder sonst einerseits der Gastwirtschaftsbetrieb dazu ausgenutzt wird, um seinem Inhaber durch die Verpflichtung zur Bierentnahme von einer bestimmten Brauerei einen Kredit zu verschaffen, andererseits die Brauerei ihre Geldmittel dazu verwendet, sieb den Absatz ihres Bieres in einer Gastwirtschaft zu sichern (RG 63, 390; 67, 1 0 1 ; 152, 253; R G J W 1906, 419; 1935, 3 2 1 7 ; Recht 1930 Nr. 557; WarnRspr. 1936 Nr. 89; wegen der Bedeutung der Zusicherung des Wirtes, die Wirtschaft sei brauereifrei, vgl. § 138 Abs. 1 Anm. 1 Af.). Der Vertrag verstößt nicht gegen die Dekartellisierungsbestimmungen des M R G Nr. 56 BritMilRegVO Nr. 78 (BGH NJW 1952, 344). Jetzt ist hierfür § 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen maßgebend (sog. Mißbrauchslösung). Nach Einstellung des Bierbezuges ist das Darlehn zurückzuzahlen (RG 67, 1 0 1 ; RG Gruchot 53, 945). Wegen der Frage der Sittenwidrigkeit, wenn die Bierabnahmeverpflichtung ein erträgliches Maß überschreitet vgl. RG 152, 251. Wegen der mit einem solchen Vertrage verbundenen Verfallklauseln vgl. § 609 Anm. 8. Uber die Umstellung von Brauereidarlehn in der Währungsreform vgl. K e i n a t h BB 1950, 54. Anm. 14 8. Flaschendarlehn. Werden beim Bierverkauf Einheitsflaschen dem Käufer überlassen mit der Verpflichtung, Flaschen gleicher Art, Güte und Menge zurückzugeben, so kann dies ein Flaschendarlehn sein (BGH N J W 1956, 298). Bei der Uberlassung von näher gekennzeichneten sog. Eigentumsflaschen gegen ein sog. Flaschenpfand handelt es sich dagegen um Leihe, bei der der Rückgabeanspruch durch die Barkaution gesichert ist (RG 159, 66; D ü r k e s : Die Überlassung von Verpackungsmitteln als Darlehn BB 1956, 25). Auch bei der sog. „Sackleihe" oder „Faßleihe" ist häufig ein Darlehn anzunehmen (Dürkes BB 1948, 70 und 198). Anm. 15 9. Spareinlage bei einer Sparkasse. Sie stellt im allgemeinen ein Darlehn dar (RG 73, 221). Die Frage, wer bei der Einzahlung von Geldbeträgen auf ein Sparkassenbuch als der Darlehnsgeber der Kasse gegenüber zu betrachten ist, entscheidet sich nicht ohne weiteres danach, auf wessen Namen der Einzahler das Buch hat ausstellen lassen, sondern danach, wer nach dem erkennbaren Willen des Einzahlenden Darlehnsgeber sein und Gläubiger werden soll (RG 73, 220; R G WarnRspr. 1910 Nr. 99; 1912 499

§ 607 Anm. 16—19

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Nr. 197; 1916 Nr. 75; vgl. auch zu § 328), ohne daß es nötig wäre, die Sparkasse über den Sachverhalt näher zu verständigen. Bei einem Streit zwischen dem Einzahler (Besitzer) und dem Namensträger eines Sparkassenbuches über die Gläubigerschaft kann der Sparkasse die Einlassung auf eine Leistungs- oder Feststellungsklage des einen von beiden billigerweise nicht zugemutet werden; sie kann vielmehr verlangen, daß der Streit zwischen jenen beiden ausgetragen werde (RG J W 1934, 2718). Anm. 16 10. Darlehn der öffentlichen Pfandleiher. Hierfür enthalten die §§ 34, 38 RGewO besondere Bestimmungen. Anm. 17 11. Partiarisches Darlehn. Es liegt dann vor, wenn als Entgelt für die Nutzung der Darlehnsvaluta neben oder an Stelle eines festen Zinssatzes eine Gewinnbeteiligung des Darlehnsgebers vereinbart ist. Wegen der Abgrenzung des partiarischen Darlehns von der Gesellschaft vgl. Vorbem. Anm. 1 1 . Anm. 18 12. Pfandbriefdarlehn. Nach § 14 Abs. 2 des Hypothekenbankgesetzes vom 13. 7. 1899 (RGBl. 379 mit Änderungen) dürfen Hypothekenbanken Darlehn in Hypothekenpfandbriefen gewähren, wenn die Satzung der Bank es gestattet und der Schuldner ausdrücklich zustimmt. Dem Schuldner ist das Recht einzuräumen, die Rückzahlung des Darlehns nach seiner Wahl in Geld oder in Hypothekenpfandbriefen der Bank von der gleichen Gattung vorzunehmen. Es handelt sich dabei — auch wenn die Pfandbriefe von einer L a n d s c h a f t an eines ihrer Mitglieder gegeben wurden — um ein echtes Darlehn (RG 127, 89; über die Rechtsnatur des landschaftlichen Pfandbriefdarlehns vgl. auch H e i n r i c i in Gruchot 70, 353, bes. 367). Wählt der Schuldner die Rückzahlung in Pfandbriefen, so müssen ihm diese zum Nennwert angerechnet werden ( B a r l e t / K a r d i n g Anm. 3 zu § 14 HypBankG). In den Satzungen einer Landschaft fand sich die Bestimmung, daß die völlige Abtragung eines Pfandbriefdarlehns nur erfolgen durfte, sofern auch der zum Ausgleich des Unterschiedes zwischen dem Nennwert der Pfandbriefe und deren geringerem Kurswert gewährte Kursdifferenzzuschuß nebst Zinsen bis zum Zahlungstage bar bezahlt wurde. Eine solche Bestimmung legte dem Schuldner des Pfandbriefdarlehns, der dieses Darlehn abtragen wollte, eine Mehrleistungspflicht insofern auf, als seine Befreiung von der Haftung für das Pfandbriefdarlehn durch dessen Abtragung davon abhängig gemacht wurde, daß er a u c h den Betrag des Zuschußkapitals nebst Zinsen, also ein zweites selbständiges, von dem Pfandbriefdarlehn unabhängiges Darlehn, des Landschaft zurückzahlte (RG 79, 124). Uber die Art der Rückerstattung (Tilgung) landschaftlicher Pfandbriefdarlehn unter Berücksichtigung der Währungsumstellung vgl. O L G Hamm M D R 1951, 170 mit Anmerkungen. Der Empfänger eines Pfandbriefdarlehns der Ostpreußischen Landschaft hat keinen Anspruch auf Zahlungen, die von der Lebensversicherungsanstalt der Ostpreußischen Landschaft auf Grund einer sog. Tilgungsversicherung in der Bundesrepublik an den Treuhänder der Landschaft geleistet worden sind (BGH W M 1958, 323)-

Anm. 19 13. Wertpapierdarlehn. Inhaberpapiere können als vertretbare Sachen selbst Gegenstand des Darlehns sein. Der Darlehnsnehmer ist dann, wenn die Papiere eingezogen oder aus dem Verkehr geschwunden sind und demgemäß eine gleichartige Rückleistung unmöglich geworden ist, von der Dahrlehnsschuld befreit (§§ 275, 279) und dem Darlehnsgeber nur gemäß §§ 812 ff. aus der Bereicherung haftbar, sofern deren Voraussetzungen vorliegen. Eine solche Rechtslage konnte z. B. infolge der Währungsreform mit Rücksicht darauf eintreten, daß gemäß § 14 UmstG Schuldverschreibungen des Reiches und der anderen dort genannten Rechtsträger nicht umgestellt sind. Vgl. dazu jetzt die §§3off. des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5. 1 1 . 1957 (BGBl. I

500

Darlehn

§607 Anm, 20—23

S. 1747). In der Hingabe von Inhaberpapieren kann aber je nach den Umständen des Falles auch ein Darlehn auf den Geldbetrag in Höhe des Verkaufspreises oder Kurswertes liegen (RG H R R 1931 Nr. 1304). Wegen des Pfandbriefdarlehns vgl. Anm. 18.

Anm. 20 V. Die Vertragsparteien 1 . D e r D a r l e h n s g e b e r . Da das Darlehn auch von einem Dritten für den Darlehnsgeber geleistet werden kann (Anm. 5), ist der aus der Darlehnshingabe Berechtigte derjenige, des nach dem erkennbaren Willen des die Darlehnsvaluta Leistenden Darlehnsgeber sein und Gläubiger werden soll. Das gilt insbesondere für die Hingabe eines Darlehns mit fremdem Gelde (RG Gruchot 51, 959; 62, 242). Wegen der Frage, wer bei einer Spareinlage Gläubiger der Sparkasse ist, vgl. Anm. 15.

Anm. 21 2. D e r D a r l e h n s n e h m e r . Darlehnsschuldner ist nach Abs. 1 derjenige, der das Darlehn „empfangen" hat. Diese Rechtstatsache kann durch einen auf einen anderen Namen ausgestellten Schuldschein nicht geändert werden (RG WarnRspr. 1909 Nr. 481). Die unmittelbare Auszahlung der Darlehnsvaluta an einen Dritten auf Weisung des Darlehnsnehmers (Anm. 4) macht aber den Dritten nicht zum Darlehnsgläubiger (RG WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 429). Eine Gesamtschuld auf Rückerstattung des Darlehns kann nur entstehen, wenn es mehreren Personen gemeinschaftlich gegeben worden ist (RG 71, 1 1 7 ) . Diese Hingabe wird sich in der Regel so abspielen, daß sie im Einverständnis aller Beteiligten an einen der Empfänger erfolgt (RG WarnRspr. 1935 Nr. 159).

Anm. 22 VI. Wirksamkeit des Darlehnsvertrages 1. G ü l t i g k e i t d e s V e r t r a g e s . Der Darlehnsvertrag unterliegt hinsichtlich der Frage der Gültigkeit den allgemeinen für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften. Es kommt dabei nur auf die Gültigkeit der Hingabe (Anm. 3) und die Gültigkeit der Vereinbarung über die Rückgewähr (Anm. 6) an. Durch die Nichtigkeit einer etwa daneben vorgenommenen Pfand- oder Hypothekenbestellung wird die Gültigkeit des Darlehnsvertrages nicht in Frage gestellt ( R G 86, 323; 108, 146). Darlehnsgeschäft und Sicherheitsbestellung entbehren der zur Anwendung des § 139 erforderlichen Einheitlichkeit (RG 86, 323; B G H W M 1957, 1334). Zur Frage, ob die Sittenwidrigkeit des Grundgeschäfts auch das abstrakte dingliche Geschäft erfaßt, vgl. § 433 Anm. 46.

Anm. 23 a) G e s e t z e s v e r s t o ß . Bei Verstoß gegen die D e v i s e n b e s t i m m u n g e n der M R G Nr. 53 ist nicht nur der Darlehnsvertrag, sondern auch das dingliche Rechtsgeschäft nichtig; § 8 1 7 Satz 2 steht der Rückforderung des Geleisteten nicht entgegen (OLG Karlsruhe N J W 1957, 1154). — W e r t s i c h e r u n g s k l a u s e l n bedürfen nach § 3 WährG der Genehmigung der für die Erteilung von Devisengenehmigungen zuständigen Stelle. Besteht nach dem Inhalt der Klausel keine Aussicht auf ihre Genehmigung, so ist der Teil, dem eine Änderung der Klausel dahin, daß sie genehmigungsfähig oder genehmigungsfrei wird, nur Vorteile bringt, nach § 242 verpflichtet, einer solchen Änderung zuzustimmen (BGH W M 1957, 401). Wird die Genehmigung versagt, so ist die Klausel nichtig. Ob die Nichtigkeit der Klausel die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge hat, bestimmt sich nach § 139 (BGH W M 1957, 4 0 1 ; vgl. auch für Art. I BritMilR e g V O Nr. 92 B G H L M Nr. 2 zu § 3 WährG; L M Nr. 4 zu § 139; vgl. ferner R o d r i a n W M 1957, 1356; M e e s N J W 1957, 1261). — L e i s t u n g s w u c h e r (Sozialwucher) im Sinne des § 4 P r e i s t r V O vom 13. 7. 1923 (RGBl. I 701) war auch beim Darlehn möglich, und zwar nicht nur, wenn der Kredit zu geschäftlichen Zwecken gewährt wurde (RGSt. 58, 3 2 1 ; R G J W 1925, 265 und 2250; 1926, 1159, 2624 und 2683; L Z 1926, 1135), sondern unter Umständen auch, wenn dies zur Befriedigung hauswirtschaftlicher oder sonstiger Bedürfnisse geschah (BayZ 1925, 95; R G S t . 60, 216). Solcher Sozialwucher führte nur zur Herabsetzung der übermäßigen Vergütung auf das erlaubte Maß ( R G D R Z 1925 Nr. 424; J W 1926, 2624; vgl. auch R G 159, 103; 166, 93).

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§ 607 A n m . 24, 25

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

An diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist auch für die gegenwärtig geltende Regelung des Wirtschaftsstrafrechts — § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 vom 9. 7. 1954 (BGBl. I 175) mit Änderungen — festzuhalten. — Wegen des I n d i v i d u a l w u c h e r s (im Sinne von § 138 Abs. 2) vgl. Anm. 25. A n m . 24 b) Sittenverstoß. Ein zu unsittlichem Zweck gegebenes Darlehn ist nach § 138 Abs. 1 nichtig und erzeugt nach § 817 Satz 2 auch keine Verpflichtung aus ungerechtfertigter Bereicherung, sofern der Darlehnsgeber an der Unsittlichkeit Teil hat. Ein Darlehn, mit dessen Geld der Empfanger ein Bordell ankaufen (RG J W 1906, 331) oder ein verbotenes und gemeinschädliches Einfuhrgeschäft bewirken will (RG J W 1921, 1229) ist zwar nicht schon deshalb nichtig, weil der Darlehnsgeber diese Absicht gekannt hat, wohl aber, wenn er selbst Vorteile aus dem Verwendungszweck gesucht hat (vgl. auch R G 71, 194). Das gleiche gilt für Darlehn zur Finanzierung von verbotenen Schwarzmarktgeschäften (vgl. von C a e m m e r e r MDR 1951, 162 mit zusammenfassender Erörterung von Rechtsprechung und Schrifttum über die streitige Frage der Anwendbarkeit des §817 Satz 2). Sittenwidriges Zusammenwirken des Bevollmächtigten (passive Bestechung) mit dem Vertragsgegner des Vollmachtgebers kann wohl das von dem Bevollmächtigten gegebene Darlehnsversprechen für den Vollmachtgeber unverbindlich, aber nicht die Darlehnshingabe selbst nichtig machen (RG H R R 1935 Nr. 838 mit der Folgerung der Rechtswirksamkeit einer für das Darlehn übernommenen Bürgschaft). Über das Darlehn zu Spielzwecken vgl. zu § 138 Anm. 1 und Bb.; §762 Anm. 5. Zur Sittenwidrigkeit eines B r a u e r e i d a r l e h n s in Verbindung mit Bierabnahmevertrag vgl. R G 152, 251. Ein gegen übermäßiges Entgelt gewährtes Darlehn ist nach § 138 Abs. 1 nichtig, wenn sich der Darlehnsgeber böswillig der Erkenntnis der mißlichen Lage des Darlehnsschuldners verschlossen hat; §817 Satz 2 steht nur der Forderung des übermäßigen Nutzungsentgelts, aber nicht der Rückforderung des Darlehnskapitals entgegen, das dem Schuldner freilich für die vorgesehene Zeit zu belassen ist (RG GSZ 161, 53; vgl. dazu auch Vorbem. Anm. 1 und zu § 817). A n m . 25 c) Wucher. Bei der Beurteilung der Frage eines Mißverhältnisses zwischen den beiderseitigen Leistungen aus einem Darlehnsgeschäft sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH WM 1956, 1353): a) Es kommt entscheidend nur darauf an, ob ein w i r t s c h a f t l i c h e s Mißverhältnis vorliegt; b) von maßgeblicher Bedeutung ist, wie sich bei Abschluß des Vertrages die Lage auf dem örtlichen Kapitalmarkt darstellt; c) die beim Darlehnsgeschäft übliche Übernahme der Vermittlerprovision durch den Darlehnsnehmer kann das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht verschieben; d) unerheblich ist, ob die Darlehnsvaluta in einem angemessenen Verhältnis zu dem steht, was der Darlehnsgeber aus der Verwertung einer ihm zur Sicherung abgetretenen Forderung erhält; entscheidend ist vielmehr, in welchem Verhältnis die Darlehnsvaluta zu dem steht, was sich der Darlehnsgeber als Entgelt für die Darlehnsgewährung ausbedungen hat; e) für die Bewertung einer Sicherheit kommt es wesentlich auch auf die Möglichkeit und Leichtigkeit an, mit der sie in Geld umgesetzt werden kann. Die Vereinbarung von Darlehnszinsen von 2% je Monat ist nicht unter allen Umständen sittenwidrig, z.B. wenn das Darlehn zu dem Zweck hingegeben worden ist, um kurzfristige Bargeschäfte mit einem schnellen Umsatz und gutem Gewinn in Wahrnehmung konjunkturbedingter günstiger Ein- und Verkaufsmöglichkeiten zu finanzieren (OLG Oldenburg MDR 1952, 38). Auch im Falle des (Individual-) Wuchers steht §817 Satz 2 nur dem Verlangen auf die unangemessene Vergütung, aber nicht der Rückforderung des Darlehnskapitals entgegen (RG 161, 53); es können sich gegebenenfalls aber Schonungsmaßnahmen für den Schuldner ergeben, wie etwa Rückgabe des Darlehnswertes in Teilen oder erst nach Ablauf der Zeit, für die ihm das Kapital bei Gültigkeit des Geschäfts zu belassen war (RG 161, 58; R G WarnRspr 1939 Nr. 146). 502

Darlehn

§607

Anm. 26—30

A n m . 26 2. Anfechtbarkeit des Vertrages. Nach RG H R R 1930 Nr. 2 1 1 soll der Vertragsanspruch aus dem Darlehn und der Anspruch aus etwa bestellten Sicherheiten unabhängig von der Wirkung einer Anfechtung (§§ 1 igff,, 142) sein, wenn sich die Anfechtung auf den Vertrag über die Hingabe des Darlehns beschränkt. Dem kann nur mit der Einschränkung zugestimmt werden, daß die Anfechtung eines V o r v e r t r a g e s über die Hingabe eines Darlehns die Gültigkeit des Darlehnsvertrages nicht zu berühren braucht (vgl. § 610 Anm. 2). Ist aber der Darlehns vertrag selbst (Anm. 6) anfechtbar, so ist für einen vertraglichen Anspruch kein Raum. A n m . 27 3. Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrages. Nach § 1822 Nr. 8 ist nicht nur für die Hingabe eines Darlehns, sondern auch schon für den Abschluß eines Vorvertrages die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich ( R A G 21, 129). Anm. 28 4. Verbindlichkeit des Vertrages. Das Darlehn eines Gast- oder Schankwirts an einen Gast zur Ermöglichung des Branntweingenusses ist unter den gleichen Voraussetzungen unklagbar wie eine gestundete Forderung des Wirts aus dem A u s s c h a n k von B r a n n t w e i n (§31 GaststättenG vom 28. 4. 1930, RGBl. I 146). Anderessoll für den Fall gelten, daß eine Novation vorliegt (so M i c h e l , Gaststättengesetz, 4. Aufl. 1952 S. 338). Anm. 29 VII. Ansprüche aus dem Darlehn 1. Ansprüche des Darlehnsgebers a) Anspruch auf Rückerstattung. Der Anspruch des Darlehnsgebers auf Rückerstattung ist der eigentliche Gegenstand des Schuldverhältnisses (vgl. Vorbem. Anm. 4). aa) Inhalt des Anspruchs. Der Anspruch geht grundsätzlich auf Rückerstattung in Sachen gleicher Art, Menge und Güte. Ist nach der Vereinbarung der Parteien (Anm. 6) eine geringere oder größere Summe oder Menge, oder sind an Stelle der hingegebenen andere Sachen zurückzugewähren, so ist der Anspruch des Gläubigers hierauf gerichtet. Ein in deutschem Geld gegebenes Darlehn ist auch in solchem zurückzuzahlen, wenn nichts anderes vereinbart ist (RG Recht 1924 Nr. 1 1 1 7 , wonach eine abweichende Vereinbarung nicht darin gefunden zu werden brauchte, daß im Jahre 1917 in Brüssel einem dort lebenden Deutschen über ein in Mark gegebenes Darlehn ein Schuldschein in Franken ausgestellt wurde). Alternative W ä h r u n g s k l a u s e l , wenn die Rückzahlung nach Wahl des Gläubigers entweder in deutscher oder in ausländischer Währung erfolgen soll (RG 126, 196; 136, 127; R G J W 1920, 373; 1926, 2675 gegen 1320; WarnRspr. 1928 Nr. 67). Darüber, wie eine Darlehnsschuld in ausländischer Währung im Inland zurückzuzahlen ist, vgl. § 244 Anm. 2, 2 a und 3; über Goldklauseln §245 Anm. 1. Wegen der F ä l l i g k e i t des Anspruchs vgl. §609. Anm. 30 bb) Wegfall des Anspruchs. Der Rückerstattungsanspruch erlischt beim Eintritt der allgemeinen Erlöschensgründe für Schuldverhältnisse, insbesondere also durch Erfüllung oder Aufrechnung. Wegen der Anrechnung der zur Rückerstattung geleisteten Zahlungen auf Kapital, Zinsen und Kosten vgl. § 367. Nimmt der Darlehnsnehmer im Falle der vertraglich vereinbarten Darlehnshingabe durch Gutschrift der Bank (Anm. 3) den Betrag nicht in Anspruch, so wird die RückZahlungsforderung im allgemeinen durch Aufrechnung — ggf. nach Kontokorrentabschluß — getilgt (BGH W M 1957, 635). Die Pflicht zur Rückerstattung eines von einem Geldinstitut zur Abgeltung der Gebäudeentschuldungssteuer gewährten Darlehns entfällt nicht, wenn sich die Ertragslage des Grundstücks durch den Krieg erheblich vermindert hat (BGH 7, 346). Auch durch den Wegfall einer Sicherheit infolge Enteignung oder Untergang des zur Sicherheit übereigneten Gegenstandes durch Kriegseinwirkung wird die Darlehns33

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Wilde/Denecke)

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§ 607 Anm. 31—33

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

forderung nicht in ihrem Bestände berührt. Der Darlehnsnehmer wird durch den unverschuldeten Untergang der Sache nur von seiner Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit (Anm. 31) befreit (KG J R 1950, 150; L G Bielefeld NJW 1949, 27; dagegen T i e t z NJW 1947/48, i68f.). Der Darlehnsschuldner hat aber ggf. die Möglichkeit, Herabsetzung der Verbindlichkeit im Wege der richterlichen Vertragshilfe zu beantragen (vgl. Vorbem. Anm. 18). — Gegenüber der Klage auf Rückzahlung eines gewährten Bankkredits kann der Schuldner nicht einwenden, daß sich die Kreditbank durch Rediskontierung der von ihm für die Kredite akzeptierten, von der Kreditbank ausgestellten Wechsel bereits bezahlt gemacht habe (BGH WM 1956, 188). Dem Darlehnsgläubiger, der in der Zwangsversteigerung des dafür verpfändeten Grundstücks ausgefallen war und nun den ausgefallenen Betrag gegen den Darlehnsschuldner einklagte, konnte früher nicht entgegengehalten werden, daß er das Grundstück selbst erstanden habe und durch dessen Mehrwert wegen seiner Forderung gedeckt sei; die Darlehnsschuld war nicht getilgt (RG 80, 153, 155; RG J W 1919, 571). Die Härte, die darin lag, war durch die 4. NotVO vom 8.12. 1931 (RGBl. I, 699) Teil 3 (RG H R R 1934 Nr. 1105) und durch §3 VollstreckungsschutzVO vom 26. 5. 1933, RGBl. I S. 302 (RG 146, 113) erheblich gemildert worden. Jetzt ist diese Vorschrift ohne sachliche Änderung in das Zwangsversteigerungsgesetz als § 114 a übernommen worden (Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 20. 8. 1953 — BGBl. I S. 952). Vgl. im einzelnen dazu J o n a s / P o h l e , Zwangsvollstreckungs-Notrecht 16. Aufl. 1954 S. 285 fr. Anm. 31 b) Anspruch auf Sicherung. Der Anspruch auf Sicherung des Darlehns spielt bei dem eigentlichen Darlehn keine große Rolle, weil in diesem Falle das Darlehn im allgemeinen erst nach der Bestellung einer dinglichen Sicherheit oder nach der Stellung eines Bürgen hingegeben wird. Soll die Sicherung erst nachträglich beschafft werden, so hängt es von dem Inhalt der Vereinbarung ab, in welcher Weise sie zu gewähren ist (vgl. dazu §610 Anm.). Der Inhalt der Vereinbarung entscheidet auch darüber, ob an Stelle einer untergegangenen oder wertlos gewordenen Sicherheit eine andere gestellt werden muß. Anm. 32 c) Anspruch auf Zinsen. Wegen dieses Anspruchs, der nur dann gegeben ist, wenn Zinsen vereinbart sind, vgl. § 608. d) Anspruch auf Provision. Der Gläubiger kann berechtigt sein, für die Hingabe des Darlehns eine Provision zu verlangen und das Darlehn entsprechend zu kürzen. Der Provisionsabzug stellt sich dann als Aufrechnung der vereinbarten Provisionsforderung gegen den Anspruch auf Hingabe des Darlehns dar (RG Recht 1904 Nr. 2709). Anm. 33 2. Rechte und Einwendungen des Darlehnsnehmers. Wegen der Ansprüche des Darlehnsschuldners auf Quittung und Rückgabe des Schuldscheins vgl. die §§ 368 bis 371. — Die als Folge der politischen und wirtschaftlichen Zerreißung Deutschlands eingetretene Spaltung von Geldinstituten wirft besondere Probleme auf. Sie bringt insbesondere die Gefahr mit sich, daß der Darlehnsschuldner eines Geldinstituts, der seine vor der Spaltung in einer Ostfiliale (Sowjetzone) begründete Schuld an das jetzt in der Bundesrepublik oder West-Berlin domizilierende Geldinstitut zahlt, in der Sowjetzone von den dortigen Dienststellen oder sonstigen Nachfolgeinstituten erneut in Anspruch genommen wird. In solchen Fällen billigt die Rechtsprechung dem Darlehnsschuldner unter Umständen ein L e i s t u n g s v e r w e i g e r u n g s r e c h t dem westlichen Geldinstitut gegenüber zu, falls dieses ihn nicht vor einer doppelten Inanspruchnahme sicherstellt (BGH NJW 1953, 861). Doch müssen immerhin greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Fall der erneuten Inanspruchnahme in der Sowjetzone wirklich eintreten kann (BGH MDR 1955, 404). Gegenüber dem Anspruch auf Rückzahlung eines Baukredits hat der Schuldner bis zur Rückgabe der von ihm für die Kredite hingegebenen Wechselakzepte bzw. bis

504

Darlehn

§607 Anm. 34—36

zur Vorlage von Ausschlußurteilen ein Leisterungsverweigerungsrecht ( B G H W M 1956, 188). A u c h im Falle der Verjährung der Wechsel oder der Nichtentstehung von Wechselansprüchen mangels gültiger Ausfüllung der Wechsel hat grundsätzlich der Akzeptant aus dem zugrunde liegenden Kreditverhältnis einen Anspruch auf Rückgabe seiner Akzepte, soweit sie der Kreditgeber noch in Besitz hat; ist dies nicht der Fall, so kann der Schuldner die Rückzahlung des Kredits dann nicht verweigern, wenn die Wahrscheinlichkeit, daß er nach V e r j ä h r u n g d e r W e c h s e l noch unberechtigt von einem Wechselinhaber in Anspruch genommen werden könnte, so gering ist und andererseits die Schwierigkeiten für den Kreditgeber, trotz Verlustes seiner Unterlagen Ausschlußurteile für die fehlenden Akzepte zu erwirken, so groß sind, daß ein Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts nicht anerkannt werden kann ( B G H W M 1956, 188).

Anm. 34 B . V e r e i n b a r u n g s d a r l e h n . Ein Darlehnsverhältnis kann nach Abs. 2 der Vorschrift auch dadurch begründet werden, daß die Parteien vereinbaren, die aus einem anderen Grunde geschuldeten vertretbaren Sachen sollten als Darlehn geschuldet werden. Die Hingabe der Sachen wird hier durch das Vorhandensein einer auf Geld oder vertretbare Sachen gerichteten Forderung ersetzt. Das Darlehnsverhältnis kommt hier im Gegensatz zu dem in Abs. 1 geregelten Fall durch b l o ß e W i l l e n s ü b e r e i n s t i m m u n g zustande (vgl. Vorbem. Anm. 3). Da nach § 700 die Vorschriften über das Darlehn auch auf den sog. uneigentlichen Verwahrungsvertrag (Vorbem. Anm. 7) Anwendung finden, so kann eine bestehende Schuld auch in ein solches Verhältnis umgewandelt werden ( R G 67, 26a; 119, 23).

Anm. 35 I. Vorhandensein einer Forderung. Die Forderung, die in diesem Falle die

Grundlage für das Zustandekommen des Darlehnsverhältnisses bildet, kann bereits bestehen, sie kann auch gleichzeitig begründet werden; ein Darlehnsverhältnis nach Abs. 2 der Vorschrift kann aber auch für k ü n f t i g e r s t z u b e g r ü n d e n d e F o r d e r u n g e n geschaffen werden ( R G 152,165; R G J W 1906, 550; 1911, 151; WarnRspr. 1909 Nr. 358; 1918 Nr. 7; H R R 1931 Nr. 585). Es kann insbesondere eine Darlehnshypothek nach § 607 Abs. 2 auch für künftige Baulohnforderungen bestellt werden ( R G vom 26. 9. 1907 V 114/07). Erforderlich ist, daß die Forderung tatsächlich besteht oder zur Entstehung gelangt. War ein Schuld Verhältnis durch Erlaßvertrag oder sonst erloschen, so kann es nur durch Neubegründung wieder ins Leben treten, nicht aber nach Abs. 2 in ein Darlehn umgewandelt werden. Auch ein wegen mangelnder Form ungültiges Schenkungsversprechen kann nicht nach § 607 Abs. 2 die Grundlage für eine Darlehnsvereinbarung bilden (RGSt. 60, 74; R G Recht 1914 Nr. 338, 339; WarnRsr. 1931 Nr. 24), ebensowenig eine nach dem Gesetz unwirksame Spielschuld ( R G WarnRspr. 1915 Nr. 177). In dem unten zu III 3 (Anm. 40) behandelten Falle wird durch die Vereinbarung zugleich eine n e u e Schuld begründet. Darauf, ob das a l t e Schuldverhältnis wirksam bestand, kommt es deshalb in diesem Falle nicht an.

Anm. 36 II. V e r e i n b a r u n g d e r P a r t e i e n . Die Vereinbarung der Parteien, durch die das Darlehnsverhältnis zur Entstehung gelangt, bedarf grundsätzlich keiner Form. Das vertragsmäßige Anerkenntnis einer v e r j ä h r t e n F o r d e r u n g (§222) bedarf der Schriftform nach § 781; deshalb ist auch die Umwandlung der verjährten Forderung in ein Darlehn nichtig (Anm. 35), wenn sie der Schriftform ermangelt ( R G 78, 130 und 163). Die Schriftform ist ferner gemäß §§780, 781 erforderlich, wenn losgelöst von einem bereits bestehenden Schuldverhältnis eine neue Forderung begründet werden soll (vgl. unten Anm. 39). Die Vereinbarung gemäß § 607 Abs. 2 kann grundsätzlich für jede Forderung getroffen werden, wenn diese nur auf Geld oder andere vertretbare Sachen gerichtet ist. Darüber, inwiefern eine B ü r g s c h a f t s s c h u l d in ein Darlehn nach § 607 Abs. 2 umgewandelt werden kann, vgl. R G WarnRspr. 1908 Nr. 506; 1917 Nr. 241; 1918 Nr. 7. Wegen Baulohnforderungen vgl. R G WarnRspr. 1919 Nr. 59, a*

505

§ 607 Anm. 37—41

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

wegen der Makler Vergütung RG WarnRspr. 119 Nr. 115, wegen der Umwandlung einer bei einer Bank bestellten Kaution oder einer bei ihr stehengelassenen Dienstvergütung in eine reine Bankeinlage vgl. RG L Z 1927, 1396; H R R 1928 Nr. 1233. Anm. 37 III. Wirkung der Vereinbarung auf das frühere Schuldverhältnis. Die Vereinbarung nach Abs. 2 der Vorschrift kann verschiedene Bedeutung haben. Es kann entweder eine bereits bestehende Schuld lediglich g e ä n d e r t werden; es kann aber auch das frühere Schuld Verhältnis durch ein anderes ersetzt werden. Im Zweifel ist anzunehmen, daß nur eine Umwandlung der Forderung gewollt ist (BGH NJW 1952, 871). Im einzelnen ist zu unterscheiden: Anm. 38 1. Schuldumwandlung. In diesem Falle soll eine frühere anders geartete Schuld fortbestehen und nur hinsichtlich der Verzinsung, Kündigung usw. wie ein Darlehn behandelt werden (RG 120, 342; RG J W 1928, 55; SeufFArch. 85 Nr. 43; 88 Nr. 80; vgl. auch RG SeuffArch. 81 Nr. 200 betr. „eiserne Inventargelder"). Hier bleiben die Einwendungen aus dem früheren Schuldverhältnis unberührt. Pfänder und Bürgschaften bleiben bestehen. Anm. 39 2. Kausale Schuldumschaffung. Häufig ist eine echte Umschaffung der alten Schuld in eine Darlehnsschuld beabsichtigt derart, daß zwischen der so vereinbarten Schuld und der Schuld aus einem bar hingegebenen Darlehn kein rechtlicher Unterschied besteht (RG WarnRspr. 1937 Nr. 7 mit der Folgerung, daß die schriftliche Verbürgung für ein „bares Darlehn" nicht deshalb wegen Formverstoßes gegen § 766 ungültig ist, weil es sich bei der Hauptschuld in Wahrheit um ein Vereinbarungsdarlehn handelt). Der beiderseitige Wille auf Ersetzung des alten S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s durch ein neues bedarf jedoch der Feststellung, bei der mit großer Vorsicht verfahren werden muß (BGH L M Nr. 2 zu § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UmstG; RG 113, 205; 119, 24; RG WarnRspr. 1914 Nr. 79; J W 1927, 2502; 1928, 1815, 1817; 1929, 2939; 1938, 1391; H R R 1928 Nr. 1970; 1930 Nr. 1 1 0 1 ; 1934 Nr. 1105). § 364 Abs. 2 gilt in diesem Falle mit Rücksicht auf den Umschaffungscharakter nicht (RG 52, 61; 67, 262; 119, 24). Mit der Umschaffung erlischt der frühere Schuldgrund. Damit erlöschen auch die sich aus ihm ergebenden Aufwertungsansprüche (RG 134, 155; RG J W 1927, 1360) sowie Pfänder und Bürgschaften. Die E i n w e n d u n g e n aus dem früheren Schuldverhältnis sind ausgeschlossen, nicht aber die, daß eine Schuld ganz oder teilweise überhaupt nicht bestand; denn ohne eine solche ist auch keine Umschaffung in ein Darlehn zustande gekommen (RG 62, 52; 95, 9; RG WarnRspr. 1911 Nr. 232; 1919 Nr. 1 1 5 ; H R R 1934 Nr. 1105). Eine Vereinbarung, wodurch die Verbindlichkeit aus Börsent e r m i n g e s c h ä f t e n in eine Darlehnsschuld umgeschaffen wird, teilt die Ungültigkeit der Verbindlichkeit aus den Termingeschäften (RG 10. 10. 1904 I 167/04; 4. 5. 1902 I 29/02). Ebenso für den Fall des §817 Satz 2: BGH v. 25. 9. 1958 V I I Z R 85/57 (z. Abdruck in amtlicher Sammlung bestimmt). Anm. 40 3. Abstrakte Schuldumschaffung. Mit der Vereinbarung nach § 607 Abs. 2 kann die Schaffung einer selbständigen Schuldverbindlichkeit nach § 781 oder ohne Rücksicht auf eine bestehende Schuld nach § 780 beabsichtigt sein (RG J W 1910, 704; Gruchot 49, 916). In diesem Falle ist die Abgabe eines schriftlichen Schuldbekenntnisses erforderlich (vgl. Anm. 36, 44). Einwendungen aus dem alten Schuldverhältnis sind auch hier ausgeschlossen. Anm. 41 C. Beweislast I. Allgemeines 1. Eigentliches Darlehn. Der Darlehnsgläubiger muß beweisen, daß der Darlehnsnehmer die Darlehnsvaluta erhalten hat. Ist streitig, ob eine Uberweisung, die eine Bank im Wege der Kreditgewährung an einen Gläubiger ihres Kunden vorgenommen 506

Darlehn

§607 Anm. 42—44

hat, auch zur Durchführung gekommen ist, so genügt für die Klage auf Rückzahlung des Kredits nicht schon der Nachweis des Uberweisungsauftrags an die Girobank; die Kreditbank muß vielmehr nachweisen, daß sie auch von der Girobank mit dem überwiesenen Betrag belastet worden ist ( B G H W M 1956, 188). Wenn der Empfänger bestreitet, einen ihm übergebenen Betrag als Darlehn erhalten zu haben, und etwa Schenkung oder Ausstattung behauptet, so ist der Geber für die Hingabe als Darlehn beweispflichtig; durch den Rechtssatz, daß Schenkungen nicht vermutet werden, wird der Beweis des Darlehns nicht erbracht ( R G J W 1906, 462; WarnRspr. 1917 Nr. 58). Es ist Tatfrage, ob mit Rücksicht auf ein verwandtschaftliches Verhältnis der Beweis nach der einen oder anderen Seite als geführt zu erachten ist ( R G WarnRspr. 1912 Nr. 336; J W 1919, 242).

Anm. 42 2. V e r e i n b a r u n g s d a r l e h n . Beim Vereinbarungsdarlehn hat der Darlehnsgläubiger das Vorhandensein einer Schuld und das Zustandekommen einer Vereinbarung, daß die aus anderem Grunde geschuldeten Sachen als Darlehn geschuldet sein sollen, zu beweisen. Wird jedoch für künftige Baulohnforderungen, die als Darlehn geschuldet sein sollen (Anm. 35) eine Darlehnshypothek bestellt, so hat der Schuldner den Beweis für die NichtValutierung zu führen, wenn er die Löschung verlangt ( R G 29. 6. 1907 V 114/07).

Anm. 43 II. Darlehnsschuldschein Der im Verkehr übliche D a r l e h n s s c h u l d s c h e i n ist im Titel Darlehen nicht erwähnt. In den §§371, 952 Abs. 1 wird der Begriff des Schuldscheins vorausgesetzt als eine die Schuldverpflichtung begründende oder bestätigende, vom Schuldner zum Zwecke der Beweissicherung für das Bestehen der Schuld ausgestellte Urkunde ( R G 116, 173; 120, 89). Das Erfordernis der sog. Einheit des Schuldscheins, daß nämlich der Schuldschein geeignet sein müsse, für sich allein den wesentlichen Inhalt der Schuldverpflichtung zu beweisen, läßt sich aus dem BGB nicht herleiten. ( R G 131, 1; H R R 1928 Nr. 1030 gegen R G 127, 171 u. a.). Daß der Schuldschein vielfach schon in Erwartung des Darlehnsempfanges ausgestellt und hingegeben wird, steht seiner (den Gegenbeweis zulassenden) Eigenschaft als Beweisurkunde nicht entgegen ( R G 123, 400; 127, 172; 135, 335; H R R 1929 Nr. 490). Im Hinblick auf das Vereinbarungsdarlehn des Abs. 2 ist er mehr als eine bloße Beweisurkunde für die Darlehnshingabe. Er überhebt den Gläubiger jedes weiteren Beweises, auch wenn feststeht, daß ein bares Darlehn nicht gegben war, während der Schuldschein auf ein solches lautet. Der Schuldner, der ein Schuldbekenntnis ausgestellt hat, ist in vollem Umfange beweispflichtig, daß weder ein Darlehn nach § 607 Abs. 1 noch ein solches nach Abs. 2 vorliegt; er m u ß also das Nichtbestehen einer Schuld überhaupt beweisen, auf die der Schuldschein sich beziehen könnte. Dies auch dann, wenn eine selbständige (abstrakte) Verbindlichkeit nach §§ 780, 781 nicht anzunehmen ist ( R G 56, 235; 57, 320; J W 1905, 138 15 ; 1910, 576®; 1922, 4 8 9 " ; WarnRspr. 1909 Nr. 358; 1910 Nr. 428: 1912 Nr. 161; 1913 Nr. 90; 1914 Nr. 155; Gruchot 51, 939). Der Aussteller des Schuldbekenntnisses muß demnach die Umstände darlegen, die zur Ausstellung der Schuldurkunde geführt haben, und dartun, daß daraus eine Verpflichtung für ihn sich nicht ergibt ( H R R 1931 Nr. 585). Behauptet der Gegner selbst einen bestimmten Schuldgrund, so bedarf es selbstverständlich auch für den Schuldner nur des Eingehens auf diesen ( R G WarnRspr. 1908 Nr. 506; 1912 Nr. 49). Das gilt auch, wenn der Gläubiger selbst ausdrücklich bares Darlehn behauptet. Uber die Klage auf Herausgabe eines Schuldscheins, wenn das Darlehn nicht gegeben wurde, vgl. R G J W 1909, 415 10 .

Anm. 44 D . P r o z e s s u a l e s . Wegen der Möglichkeit eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs nach § 304 für das Darlehn nach § 607 Abs. 1 vgl. R G 86, 308.

607

§ 608 A n m . 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§608 Sind für ein Darlehen Zinsen bedungen, s o sind sie, s o f e r n nicht ein anderes b e s t i m m t ist, n a c h d e m Ablaufe je eines J a h r e s und, w e n n das Darlehen v o r d e m Ablauf eines J a h r e s zurückzuerstatten i s t , bei der Rückerstattung zu entrichten. E I 456 II 548; M 2 312—313; P 2 43; 6 187.

Ubersicht Anco.

1. 2. 3. 4.

Zinsen (Begriff) Zinsanspruch Fälligkeit des Zinsanspruches Vorschriften zum Schutze des Schuldners a) Kündigungsrecht nach § 247 b) Vertragshilfegesetz 5. Währungsreform

1 2 3 4 4 5 6

Anm. 1 1. Zinsen (Begriff). Das Gesetz hat den Begriff der Zinsen nicht bestimmt. Zinsen sind die vom Schuldner fortlaufend zu entrichtende Entschädigung an den Darlehnsgeber für die ihm entgehende Nutzung oder die Vergütung für die zeitweilige Nutzung des in dem Geld oder den anderen vertretbaren Sachen steckenden Wertes durch den Darlehnsnehmer, regelmäßig ausgedrückt in einem im voraus bestimmten Hundertsatz der geschuldeten Menge (RG 160, 78; 80; 168, 285). Eine Vergütung für das Darlehn kann auch in einer festen Summe (RG JW 1936, 911) oder in Form einer Gewinnbeteiligung (partiarisches Darlehn; RG WarnRspr. 1910 Nr. 417) bedungen werden. Der Zinsbegriff geht weiter als der der Gewinnbeteiligung; über die Abgrenzung zwischen beiden vgl. RG 168, 285 und § 607 Anm. 17. Anm. 2 2. Zinsanspruch. Das Gesetz behandelt als die juristische Grundform des Geschäfts das zinslose Darlehn. Zinsen sind — anders als nach HGB 353, 354 Abs. 2 — nur zu zahlen, wenn sie bedungen sind. Praktisch kommen zinslose Darlehn jedoch nur als Gefälligkeitsdarlehn vor. Die Zinspflicht (§§ 246—248 mit Anmerkungen dazu, HGB § 352) ist eine Nebenverpflichtung des Darlehnsnehmers und abhängig vom Bestand und der Höhe der Hauptschuld (RG 53, 294; RG WarnRspr. 1910 Nr. 417). Bei Vorliegen von L e i s t u n g s w u c h e r nach § 138 Abs. 2 besteht für die Zeit, während der der Wucherer dem Bewucherten die Kapitalnutzung belassen muß (vgl. § 607 Anm. 25), kein Anspruch des Wucherers auf Zinsen oder sonstige Vergütungen für die Kapitalnutzung. Denn die v e r e i n b a r t e n Nutzungsvergütungen entfallen wegen Vertragsnichtigkeit und die Vorschriften über g e s e t z l i c h e Zinsen (etwa § 353 HGB) und über die Herausgabe von Nutzungen (§818 Abs. 1) greifen nicht durch, solange dem Darlehnsnehmer die Kapitalnutzung auf Grund von § 817 Satz 2 nicht entzogen werden darf (RG 161, 57f.). Über die Herabsetzung einer bedungenen übermäßigen Vergütung im Falle von S o z i a l w u c h e r vgl. § 607 Anm. 23. Verzugszinsen: § 288; Prozeßzinsen: § 291. Anm. 3 3. Fälligkeit des Zinsanspruchs. Die Zinsen laufen von der Hingabe oder vertragsmäßigen Bereitstellung des Darlehns an, mit der auch das Zinsjahr des § 608 beginnt, bis zur Rückzahlung. Sie sind mangels abweichender Bestimmung, die meist getroffen ist, nach dem Ablauf je eines Jahres oder — bei früherer Rückerstattung des Darlehns — bei dessen Erstattung zu entrichten. Wegen der V e r j ä h r u n g siehe § 197. Wegen der Anwendung der Vorschrift auf das Rechtsverhältnis der uneigentlichen Verwahrung nach § 700 vgl. RG 67, 264.

508

Darlehn

§ 608

Anm. 4—6

Anm. 4 4. V o r s c h r i f t e n z u m S c h u t z e des S c h u l d n e r s . In der Zeit der Wirtschaftsdepression nach dem ersten Weltkrieg sind eine ganze Reihe von Vorschriften ergangen, die zugunsten der Schuldner insbesondere Kündigungsbeschränkungen und Zinssenkungen oder die Möglichkeit einer richterlichen Regelung der Zinsbestimmungen brachten. Diese Vorschriften sind entweder praktisch bedeutungslos geworden oder durch § 21 V H G mit der Maßgabe aufgehoben, daß eine vom Richter getroffene Bestimmung des angemessenen Zinses gemäß § 2 Abs. 2 des Gesetzes über Hypothekenzinsen v. 2. 6. 1936 ( R G B l . I 453) und rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, durch die Vertragshilfe gewährt worden ist, — letztere vorbehaltlich des § 1 7 V H G — maßgebend bleiben. Wegen der früheren Rechtslage kann deshalb auf die Vorauflagen verwiesen werden. Ein Schutz des Schuldners gegen ü b e r h ö h t e n Z i n s besteht jetzt — abgesehen von den allgemeinen Vorschriften der §§ 138, 242 — in folgender Richtung: a ) K ü n d i g u n g s r e c h t n a c h § 2 4 7 gibt für den Fall, daß ein höherer Zinssatz als 6 % pro J a h r vereinbart worden ist, dem Schuldner das unabdingbare Recht, das K a pital nach 6 Monaten mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zu kündigen. Eine Ausnahme enthält neben §247 Abs. 2 insbesondere § 4 des Gesetzes v. 3 0 . 4 . 1954 (BGBl. I 1 1 5 ) für Darlehn der Hypothekenbanken, wenn dabei bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu § 247.

Anm. 5 b) V e r t r a g s h i l f e g e s e t z . Vertragshilfefähig sind nach § 1 V H G vor dem 2 1 . 6 . 1948 (Berlin 2 5 . 6 . 1948: § 2 4 V H G ) begründete Verbindlichkeiten. Dazu gehören jedoch auch Einzelleistungen, wie Darlehnszinsen, die aus solchen alten Verbindlichkeiten erst nach dem Währungsstichtag fällig werden ( B G H M D R 1 9 5 1 , 478; J Z 1 9 5 1 , 78). I m Wege der Vertragshilfe ist nach § 1 V H G an sich nur eine Stundung oder Herabsetzung der Verbindlichkeit zulässig; bleibt aber die Hauptforderung ganz oder teilweise bestehen, so können die Zinsen auch ganz erlassen werden ( B G H BB 1954, 727). Das Verbot der mehrmaligen Herabsetzung (§ 1 5 Abs. 2 Satz 1 V H G ) steht bei wiederkehrenden Leistungen nach Herabsetzung einzelner Raten einer Herabsetzung anderer, bisher nicht herabgesetzter Raten nicht entgegen ( B G H 25, 136). Zinsen aus Verbindlichkeiten, die durch Hypothek oder Grundschuld gesichert sind, können nach § 3 Abs. 2 V H G grundsätzlich nur herabgesetzt werden, wenn der Ertrag des belasteten Grundstücks infolge von Kriegs- oder Kriegsfolgeschäden um mehr als 2 5 % gemindert ist. Sie sind unter dieser Voraussetzung insoweit herabzusetzen, als sie den Ertrag des Grundstücks übersteigen. Maßgebend ist dabei der Rohertrag des Grundstücks ( B G H 19, 363; B G H W M 1956, 869; 1956, 1387). Bei völliger Ertragslosigkeit können die Zinsen ganz gestrichen werden ( B G H W M 1955, 1030). Die Herabsetzung ist auch bei Hauszinssteuerabgeltungshypotheken zulässig ( B G H 15, 43). Die Bestimmungen in § 3 Abs. 1 und 2 gelten nach § 3 Abs. 3 insoweit nicht, als ihre Anwendung zu einer nicht zumutbaren Härte für den Gläubiger oder Schuldner führen würde. Es kommt hierbei auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen an ( B G H W M 1955, 254; '957) 1 1 0 3 ; 1958, 2 1 ) . Vgl. im übrigen die Übersichten von P i k a r t W M 1955, 243; 1957, 566 sowie § 246 Anm. 2 und Vorbem. vor § 607 Anm. 18.

Anm. 6 5. W ä h r u n g s r e f o r m . D a im Unterschied zu Miet- und Pachtzinsen die Darlehnskapitalzinsen unselbständige, vom Bestände und der jeweiligen Höhe der Hauptschuld abhängige Nebenleistungen sind, werden sie wie die Hauptforderung umgestellt (vgl. Vorbem. vor § 607 Anm. 1 5 — 1 7 ) . Sie errechnen sich daher unter Zugrundelegung des vereinbarten Zinssatzes von dem jeweiligen Bestände der Hauptforderung. § 18 Abs. 1 Ziff. i U m s t G ist auf Darlehnszinsen nicht anwendbar, da sie keine regelmäßig wiederkehrenden Leistungen im Sinne dieser Bestimmung sind ( H a r m e n i n g - D u d e n § 18 U m s t G Anm. 8). Eine am 20. 6. 1948 r ü c k s t ä n d i g e Zinsforderung ist auch dann im Verhältnis 1 0 : 1 umzustellen, wenn die Hauptforderung nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 U m s t G im Verhältnis 1:1 umgestellt ist ( B G H 23, 324).

509

§ 609 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§609 I s t für die Rückerstattung eines Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, s o hängt die Fälligkeit davon ab, daß der Gläubiger oder der Schuldner kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt bei Darlehen von m e h r als dreihundert Deutsche Mark drei Monate, bei Darlehen von geringerem Betrag einen Monat. Sind Zinsen nicht bedungen, so ist der Schuldner auch ohne Kündigung zur Rückerstattung berechtigt. E I 457 n 549; M i

3 1 5 , 3 1 4 ; P a 43—46.

Ubersicht Anm.

I. Fälligkeit des Darlehns 1. Vereinbarte Rückerstattungszeit 2. Fehlen einer Vereinbarung über die Zeit der Rückerstattung a) Kündigungsrecht b) Kündigungsbeschränkungen zugunsten des Schuldners c) Kündigung d) Kündigungsfrist 3. Verfallklausel a) Verwirkungsfall b) Rechtsfolgen der Verwirkung II. Rückerstattung ohne Kündigung I I I . Währungsreform

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Anm. 1 I. Fälligkeit des Darlehns. Die Vorschrift regelt die Fälligkeit des Darlehns. Sie enthält kein zwingendes Recht und gilt nur als Ergänzung des Parteiwillens (RG 104, 186; R G H R R 1930 Nr. 699; WarnRspr. 1932 Nr. 22). Im K l e i n v e r k e h r — Entleihung zu Wirtschaftsbedürfnissen — wird die Anwendung des § 609 als durch stillschweigende Vereinbarung ausgeschlossen und jederzeitige Rückforderbarkeit als Vertragswille zu gelten haben. Ist der Darlehnsvertrag mit einem Lieferungsvertrag (Bierlieferung) verbunden, so ist das Darlehn zurückzuerstatten, wenn der Warenbezug eingestellt wird (RG 67, 101; RG Gruchot 53, 945). Anm. 2 1. Vereinbarte Rückerstattungszeit. Ist eine Zeit für die Rückerstattung des Darlehns bestimmt, so kann nach deren Ablauf das Darlehn unmittelbar zurückgefordert werden. Nach Ablauf der Zeit (oder der Kündigungsfrist) entsteht keine stillschweigende Verlängerung des Schuldverhältnisses; diese muß besonders vereinbart werden. Ist eine bei ursprünglicher Vereinbarung einer Rückzahlungszeit ohne weitere Zeitbestimmung vereinbart, daß das Darlehn gegen höhere Zinsen über die Rückzahlungszeit hinaus behalten werden kann, so ist nunmehr eine Kündigung nach § 609 erforderlich (RG 28. 5. 1907 V I I 331/06). Eine Zeit zur Rückzahlung ist bestimmt bei einem mit einem Abzahlungsplan zustandegekommenen T i l g u n g s d a r l e h n . Das Darlehn kann daher — vorbehaltlich des § 247 — nicht wirksam gekündigt werden, wenn der Darlehnsvertrag keine Bestimmung über eine Kündigung enthält. Dies gilt insbesondere für Darlehn von Lebensversicherungsgesellschaften. In solchen Fällen ist eine aus der Abwägung der Interessenlage sich ergebende, der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 widersprechende Vereinbarung anzunehmen (LG Hamburg VersWL 1948, 342; O L G Hamburg VersWi. 1949, 40). Die Abmachung, der Empfänger solle zurückzahlen, wenn er dazu ohne Gefährdung seines wirtschaftlichen Bestehens imstande sei, macht das Darlehn fällig, sobald der Schuldner in eine bessere Vermögenslage gelangt ist, eine Wiederverschlechterung ist bedeutungslos (RG 17. 11. 1902 V I 232/02). War ein Darlehn zur geschäftlichen Selbständigmachung des Darlehnsnehmersgegeben, so ist als Vertragsabsicht anzusehen, daß nicht sofort gekündigt werden kann;

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Darlehn

§60» A n m . 3—5

die Erreichung des Zweckes muß durch Gewährung angemessener Zeit ermöglicht werden (RG Gruchot 52, 429). Uber die Behauptungs- und B e w e i s l a s t vgl. R G 28, 176; R G SeuffArch. 33 Nr. 90).

Anm. 3 2. Fehlen einer Vereinbarung über die Zeit der Rückerstattung. In diesem

Falle tritt die Fälligkeit grundsätzlich erst nach Kündigung mit dem Ablauf der Kündigungsfiist ein. a ) K ü n d i g u n g s r e c h t . Die Vertragsparteien sind grundsätzlich jederzeit zur Kündigung berechtigt. Das Kündigungsrecht kann aber auf Zeit ausgeschlossen werden. Mit dem Wesen des Darlehns (vgl. Vorbem. vor § 607 Anm. 1) ist auch die vertragsmäßige Ausschließung der Kündigung für einen oder für beide Teile auf die Lebenszeit des Darlehnsgebers (RG Recht 1 9 1 3 Nr. 666) oder des Darlehnsnehmers vereinbar; ebenso die vertragsmäßige Beschränkung des Schulders, daß er erst auf Verlangen des Gläubigers zahlen dürfe (RG H R R 1930 Nr. 699). Doch wird in letzterem Falle entsprechend den §§ 567, 1202 die Unkündbarkeit von Seiten des Schuldners nur bis zur Dauer von 30 Jahren zuzulassen sein; vgl. auch E G Art. 1 1 7 Abs. 2; P r A G BGB Art. 32. Eine im E n t s c h u l d u n g s v e r f a h r e n herabgesetzte Darlehnsforderung kann mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden (OLG Kiel H E Z 1, 12). Soweit Zinsen über 6 % bedungen sind, ist die Kündigung auch bei abweichender Vereinbarung grundsätzlich nach § 247 zulässig (vgl. § 608 Anm. 4).

Anm. 4 b) Kündigungsbeschränkungen zugunsten des Schuldners. Wegen der jetzt

bedeutungslos gewordenen Kündigungsbeschränkungen für langfristige Forderungen auf Grund der NotVO v. 8. 12. 1931 Teil 1 Kap. I I I § 4 und der Zinserleichterungen für den landwirtschaftlichen Realkredit (NotVO v. 27. 9. 1932 § 1 1 ) sowie wegen des Gesetzes v. 3 1 . 7 . 1935 (RGBl. I 1057) § 2 kann auf die Vorauflage verwiesen werden. Eine abschließende Regelung der Fälligkeit alter Hypotheken enthielt die V O v. 22. 12. 1938 (RGBl. I 1905). Sie ist durch § 2 1 V H G nicht förmlich aufgehoben, kam aber durch die gleichen Möglichkeiten des a l l g e m e i n e n V e r t r a g s h i l f e r e c h t s außer Übung. Sie ist für die in ihr geregelten Fälle zwar auch jetzt noch anwendbar. Da jedoch die Regelung der Fälligkeit gekündigter Hypotheken größtenteils durch Vertragshilfe nach dem V H G getroffen werden kann, kommt der V O praktisch nur noch ein begrenzter Anwendungsbereich zu. Sie könnte nur noch bedeutsam werden, soweit angenommen wird, daß die darin vorgesehenen Maßnahmen über die nach dem V H G zulässigen hinausgehen, z. B. Umwandlung in Abzahlungshypotheken oder unkündbare Tilgungshypotheken, Unwirksamerklärung einer Kündigung, Regelung der Verzugsfolgen (§§ 12—14 der VO). Gleiche Handhaben bietet aber doch wohl auch das V H G : Umwandlung der Hypothek als Anwendungsfall der Stundung (§ 1 V H G ) , Beseitigung von Kündigungsfolgen (§ 5 V H G ; vgl. S a a g e § 21 V H G Anm. I 2, § 1 Anm. I I I 1 a , § 5 Anm. I I I ; D u d e n - R o w e d d e r zu Anm. 4).

Anm. 5 c) K ü n d i g u n g . Sie ist die formlose, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, daß das zwischen dem Kündigenden und dem Empfänger der Kündigungserklärung bestehende Rechtsverhältnis beendet werden solle (RG J W 1919, 242). Die Bezeichnung des Zeitpunkts der Beendigung gehört nicht zum notwendigen Inhalt der Erklärung, da dieser Zeitpunkt sich aus dem Gesetz oder dem Vertrag ergibt (RG WarnRspr. 1908, Nr. 366; anders früher R G 26, 191). Die für einen bestimmten Endtermin erfolgte, für diesen aber verspätete Kündigung gilt deshalb für den nächsten zulässigen Endtermin (RG ebenda). Die Kündigung, die auch g e g e n den Kündigenden wirkt und deshalb unwiderruflich ist (RG J W 1 9 1 1 , 39), kann auch durch Klageerhebung erfolgen; die Prozeßvollmacht des Rechtsanwalts ermächtigt hierzu (RG 52, 2 1 2 ; R G 13. 5. 1903 V 474/02). An die Stelle der einseitigen Kündigung kann selbstverständlich auch eine gegenseitige Fälligkeitsabrede treten (RG J W 1 9 1 1 , 364).

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§ 609 Anm. 6—9

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 6 d) Kündigungsfrist. Sie beträgt, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, bei Darlehn von mehr als 300 DM drei Monate, bei Darlehn von geringerem Betrag einen Monat. Die Vereinbarung „ jederzeitiger" Rückforderung schließt nicht die Beibehaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist aus (RG WarnRspr. 1917 Nr. 70). Ein Darlehn ist immer ein Schuldverhältnis als von gewisser Dauer gedacht; eine sofortige Rückerstattung nach Hingabe steht mit dem Wesen des Darlehnsgeschäfts in Widerspruch (RG Gruchot 72, 74; RG WarnRspr. 1932 Nr. 22). Doch kann die Vereinbarung einer Rückzahlung „in kürzester Frist" oder „in den nächsten Tagen" (oder Wochen) je nach den Umständen als Befreiung von der Kündigungsfrist erscheinen (RG 104, 186; RG J R 1927 Nr. 1516). Wer sich auf die gesetzliche Kündigungsfrist stützt, braucht nicht zu beweisen, daß keine andere vereinbart worden sei; Sache des Gegners ist es, eine solche Vereinbarung darzutun (RG 57, 46; 68, 305; RG WarnRspr. 1910 Nr. 54 und 191; a. M. Stölzel in BuschZ 35, 4ff.). Denn, wo das Gesetz selbst einen regelmäßigen Vertragsinhalt angenommen wissen will, ist eine abweichende Vereinbarung etwas, wogegen die gesetzliche Vermutung spricht (RG 68, 308). Anm. 7 3. Verfallklausel. Häufig werden Vereinbarungen getroffen, daß bei unpünktlicher Zinszahlung die sofortige Fälligkeit des Kapitals oder ein fristloses Kündigungsrecht des Gläubigers eintreten solle. Bei einem auf bestimmte Zeit gewährten verzinslichen Darlehn kann unter besonderen Umständen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung als Wille der Vertragsteile gelten, daß der Gläubiger im Falle des Verzugs des Schuldners mit der Zinszahlung sofortige Rückzahlung des Darlehns verlangen darf; ein solcher Wille der Vertragsteile liegt besonders dann nahe, wenn sich der Darlehnsgeber mit Kenntnis des Darlehnsnehmers die Mittel zur Gewährung des Darlehns bei einem Dritten verschafft und sich diesem gegenüber für den Fall unpünktlicher Zinszahlung zur sofortigen Rückerstattung des Darlehns verpflichtet hat (RG J W 1937, 2765; WarnRspr. 1938 Nr. 72 gegen OLG Düsseldorf D R Z 1935 Nr. 131). Anm. 8 a) Verwirkungsfall. Die sofortige Fälligkeit auf Grund der Verwirkungsklausel tritt nach RG J W 1919, 570 im Zweifel nicht ein, wenn den Schuldner an der Nichterfüllung kein V e r s c h u l d e n trifft (vgl. dazu auch die Erl. zu § 360). Jedenfalls gilt dies, wenn der Gläubiger die Nichteinhaltung der Bedingung selbst verschuldet hat. Auch unter sonstigen Umständen kann ein Gläubiger, der sich wegen nicht pünktlicher Zahlung eines geringfügigen Zinsbetrages auf die Verfallklausel beruft, dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 ausgesetzt sein (vgl. etwa den Fall OLG Königsberg DWohnwirtsch. 1938, 48). Der VI. ZS des RG hat angenommen, ein B i e r l i e f e r u n g s v e r t r a g könne als sittenwidrig nichtig sein, die Brauerei sich darin die Befugnis ausbedungen habe, selbst bei geringen Vertragsverletzungen das von ihr gewährte Darlehn einzuziehen und trotzdem den Wirt an der Bierbezugspflicht festzuhalten (JW 1935, 3217). Der VII. ZS des RG hat dagegen die Nichtigkeit des Vertrags in solchen Fällen abgelehnt, den Schuldner aber gegen Versuche des Gläubigers, von der Verfallklausel auch bei anderen als groben Verstößen Gebrauch zu machen, durch die Anwendung des § 242 geschützt (RG 152, 251; RG WarnRspr. 1938 Nr. 56). Anm. 9 b) Rechtsfolgen der Verwirkung. Mit dem Eintritt des Verwirkungsfalles treten die vereinbarten Rechtsfolgen ohne weiteres ein (vgl. zu § 360). J e nach dem Inhalt der Klausel wird also das Darlehn sofort fällig, oder es kann fristlos gekündigt werden. Der Darlehnsgeber muß den Verzugs- und Kündigungsfall abwarten; er kann nicht etwa vorher bedingt kündigen (RG 142, 275; RG SeuffArch. 59 Nr. 55). Die Verfallklausel ist nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 im allgemeinen dahin zu verstehen, daß der Gläubiger von seinem Recht auf Zahlung oder Kündigung innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Eintritt des Zinsverzuges Gebrauch machen muß, widrigenfalls das Recht für diesen Verzugsfall erlischt und sich der Vertrag in der alten 512

Darlehn

§ 609 A n m . 1 0 , 1 1 §610

Weise fortsetzt ( R G 142, 275; R G J W 1908, 550; 1 9 1 2 , 385). Doch ändert die Annahme der nachträglichen Zinszahlung allein an der Fälligkeit oder Kündigungsbefugnis nichts ( R G J W 1903 Beil. Nr. 47; R G WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 1 1 ; SeufTArch. 63 Nr. 245). Läßt sich ein Gläubiger unpünktliche Zinszahlungen längere Zeit gefallen, so kann er, wenn das gesetzliche Kündigungsrecht vertraglich b d pünktlicher Zinszahlung auf eine Reihe von J a h r e n ausgeschlossen ist, von diesem erst dann Gebrauch machen, wenn er dem Schuldner zu erkennen gegeben hat, daß er künftig nicht mehr Nachsicht üben werde, und dieser trotzdem nicht pünktlich zahlt ( R G 22. 1. 1 9 1 2 V 344/11). Die in der Rechtsprechung zu § 626 entwickelten Grundsätze über die Zulässigkeit der N a c h s c h i e b u n g e i n e s w i c h t i g e n G r u n d e s für die Kündigung eines Dienstvertrages können nicht in einem Falle angewendet werden, in dem die vorzeitige Fälligkeit eines Darlehns wegen eines im Vertrage vorgesehenen Umstandes geltend gemacht wird; denn die Verwertung eines nachträglich eingetretenen Grundes für die Kündigung eines Dienstvertrages hängt nicht sowohl mit der Eigenart des Rechtsgeschäfts der Kündigung zusammen, als vielmehr mit der Bedeutung des wichtigen Grundes und der sich daraus ergebenden Zumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Vertragsgegner ( R G 142, 268). Wegen der Beseitigung von Rechtsnachteilen infolge unpünktlicher Zinszahlung bei vertragshilfefähigen Verbindlichkeiten vgl. § 5 VHG.

A n m . 10 II. R ü c k e r s t a t t u n g o h n e K ü n d i g u n g . Das v e r z i n s l i c h e Darlehn kann der Schuldner nicht ohne Kündigung zurückzahlen, im Falle fest bestimmter Fälligkeit vor Ablauf dieser Zeit auch nicht nach Kündigung ( O G H 2, 416). Ob das u n v e r z i n s l i c h e Darlehn auch vor der festbestimmten Zeit zurückgezahlt werden kann (§ 271 Abs. 2) ist streitig, aber anzunehmen (vgl. aber auch Anm. 1 1 ) . Für den Gläubiger gilt Abs. 3 nicht. Wegen des Kleinverkehrs vgl. Anm. 1.

Anm. 11 III. W ä h r u n g s r e f o r m : a) Z a h l u n g v o r F ä l l i g k e i t : Der Gläubiger durfte Zahlungen vor Fälligkeit, seitdem mit einer Währungsänderung zu rechnen war, entgegen § 271 Abs. 2 im allgemeinen ablehnen, weil ihm nicht gegen seinen Willen ein Währungsrisiko aufgebürdet werden durfte, das er nicht zu tragen hatte, wenn die Forderung bis zu ihrer Fälligkeit bestehenblieb ( O G H 4, 163, 1 9 3 ; 3, 336, 339). Ein stillschweigendes Einverständnis des Gläubigers mit vorzeitiger Zahlung mußte in konkludenten Handlungen schlüssig zum Ausdruck gebracht worden sein ( B G H N J W 1 9 5 1 , 23). Vgl. auch zu § 2 7 1 . b) S c h u l d n e r v e r z u g : vgl. § 286 Anm. Abs. 3. c) G l ä u b i g e r v e r z u g : vgl. §293 Anm. am Ende. Keine Herabsetzung der Forderung, da das B G B keine Schadensersatzpflicht des in Annahmeverzug befindlichen Gläubigers kennt, die Wirkungen des Gläubigerverzugs bei Geldschulden vielmehr auf eine verminderte Haftung des Schuldners und Wegfall der Verzinsung (§§ 300—302) beschränkt sind ( O G H 3, 88; 3, 308).

§610 W e r die Hingabe eines Darlehens v e r s p r i c h t , k a n n i m Zweifel das V e r sprechen w i d e r r u f e n , w e n n in den V e r m ö g e n s v e r h ä l t n i s s e n des a n d e r e n Teiles eine wesentliche Verschlechterung eintritt, d u r c h die der A n s p r u c h auf die Rückerstattung gefährdet w i r d . E I 458 n 550; Ml 314—316; P 2 47—JO. Übersicht I. Darlehnsversprechen 1. Wesen des Darlehnsversprechens 2. Inhalt der Verpflichtung . . . 3. Abtretung des Anspruches . . .

Anm. 1 1 2

3

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§610 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

II. Widerruf 1. Voraussetzungen a) Verschlechterung der Vermögensverhältnisse b) Gefährdung des Rückerstattungsanspruches 2. Geltendmachung 3. Vereinbartes Widerrufsrecht

Ajun. 4 5 5 6 7 8

Anm. 1 I. Darlehnsversprechen 1. Wesen. Das Darlehnsversprechen ist vertragliche Verpflichtung zum Zwecke der Begründung eines Darlehnsschuldverhältnisses (RG 52, 306; 66, 359; früheres Recht R G 32, 364). Das Darlehn entsteht erst mit der Hingabe der Valuta, erst deren Hingabe macht den Empfänger zum Darlehnsschuldner. Das Darlehnsversprechen begründet mithin noch keine Darlehnsschuld, sondern nur eine Verpflichtung zum Abschluß eines diese begründenden Vertrages durch Hingabe der Darlehnssumme. A. M. ist insbesondere K o h l e r (Lehrbuch des Bürg. Rechts 2, 237fr. und ArchBürgR 33, 1 ff.), der in dem Vertrage eine gegenseitige Vereinbarung auf Gewährung und Rückgewähr als Vor- und Nachleistung erblickt (so auch S t a u d i n g e r - R i e d e l Vorbem. 2 vor § 607 und Esser, Lehrb. des Schuldrechts S. 342, 344). Das Versprechen kann bedingt abgegeben werden (RG WarnRspr. 1910 Nr. 191). Von der Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehns, die einen klagbaren Anspruch auf Erfüllung und auf Schadensersatz im Falle des Verzuges erzeugt, ist zu unterscheiden das bloße I n a u s s i c h t steilen eines Darlehns, um das es sich vielfach handelt, selbst wenn der Darlehnsgeber den Darlehnsschuldschein bereits entgegengenommen oder Teilzahlungen auf das Darlehn geleistet hat. Das Darlehnsversprechen begründet im allgemeinen nur einseitige Verpflichtung des Versprechenden auf Hingabe des Darlehns (Vorbem. vor § 607 Anm. 4). Der Darlehnsvorvertrag ist aber auch in der Weise möglich, daß er auf die Verpflichtung zur A n n a h m e eines Darlehns gerichtet ist. Ebenso können die Verpflichtungen zur Hingabe und Annahme verbunden sein. Die letztere Verpflichtung stellt jedoch im Zweifel nach der Absicht der Parteien keine Gegenseitigkeitsverpflichtung im Sinne der §§ 320ff. dar, und ihre Verletzung begründet deshalb nur einen Schadensersatzanspruch nach § 286 Abs. 2. Häufige A n w e n d u n g s f o r m e n des Vorvertrages auf Darlehnshingabe sind der nicht auf ein einzelnes Darlehn, sondern auf einen laufenden Kredit in bestimmter Zeit und bestimmter Höhe gerichtete K r e d i t v e r t r a g (vgl. R G 52, 302, 306; R G J R 1927 Nr. 1387, wonach gegenüber der Berufung auf den Ablauf der vertragsmäßigen Frist für eine Kreditgewährung der Einwand der Arglist gegeben sein kann, wenn der Fristablauf durch das Verhalten des Verpflichteten herbeigeführt worden ist und vom Gegner nicht behindert werden konnte) und der B a u g e l d v e r t r a g (vgl. § 607 Anm. 10), ein auf wechselseitigem Vertrauen beruhender und regelmäßig gegenseitige Verpflichtungen erzeugender Vertrag, auf den daher die sonst für den Darlehnsvertrag und regelmäßig auch den Darlehnsvorvertrag nicht anwendbaren §§ 320—327 Anwendung finden. Uber die mögliche Ausgestaltung des Darlehnsvorvertrages zu einem Bestandteil oder zum Inhalt eines gegenseitigen Vertrages vgl. Vorbem. vor §607 Anm. 4. Die G u t s c h r i f t auf das Bankgirokonto eines Kunden stellt auch dann kein Darlehnsversprechen der Bank dar, wenn es auf einem dem Kunden von der Bank eingeräumten Kredit beruht; mit der Gutschrift hat der Kunde vielmehr das Darlehn bereits im Sinne des § 607 „empfangen", da die Gutschrift wegen des darin liegenden abstrakten Schuldversprechens dem Bargeld gleichzuachten ist (BGH L M Nr. 1 zu §610; vgl. auch B G H 6, 124; B G H NJW 1953, 897 und § 607 Anm. 3). Anm. 2 2. Inhalt der Verpflichtung. Die Verpflichtung des Versprechenden geht auf Hingabe der Darlehnsvaluta als Darlehn. Wird ein zinsloses Darlehn versprochen, so kann darin unter Umständen ein nach § 518 formbedürftiges Schenkungsversprechen liegen (vgl. Vorbem. vor § 607 Anm. 8). Die zu gewährende Geldsumme braucht nicht 514

Darlehn

§610 Anm. 3

der Höhe nach bestimmt zu sein, es genügt, wenn sie bestimmbar ist (RG WarnRspr. 1909 Nr. 446). Auf die Hingabe des versprochenen Darlehns findet § 270 keine Anwendung; der Darlehnsnehmer hat sich das Geld zu holen (§ 157) und die Zusendung geschieht auf seine Kosten und Gefahr. Ist eine dingliche Sicherung in Form einer Hypothek zu gewähren, so ist die Frage, an welcher Stelle die Hypothek einzutragen ist, auf Grund tatsächlicher Würdigung im Einzelfall nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu entscheiden (vgl. R G 55, 128; dazu K u h l e n b e c k J W 1904, 377fr.). Ist ein Darlehn gegen Hypothekenbestellung und Bürgschaftsübernahme versprochen, so können die Bürgen mit dem Gläubiger vereinbaren, daß das Darlehn erst nach der Hypothekenbestellung ausbezahlt werden darf; aus § 776 ist aber kein allgemeiner Rechtsgrundsatz zu entnehmen, der eine solche Vereinbarung ersetzt (RG J R 1926 Nr. 459). Die Verpflichtung des Versprechenden wird durch die Hingabe des Darlehns e r f ü l l t . Aus dem Zweck des Geschäfts ergibt sich, daß gegen die Forderung auf Hingabe der Darlehnssumme nicht mit Gegenforderungen a u f g e r e c h n e t werden kann (RG 56, 235). Dagegen kann der Darlehnsnehmer gegen eine Forderung des Darlehnsgebers aufrechnen, womit er erklärt, durch Gegenrechnung das Darlehn empfangen zu haben. In dem Vertrag über die künftige Gewährung eines Darlehns liegt auch nicht ohne weiteres die stillschweigende Zusage des Empfängers, das erhaltene Geld unter allen Umständen bar zurückzuzahlen und von einer sich etwa ergebenden Möglichkeit zur Aufrechnung keinen Gebrauch zu machen (RG L Z 1929, 1402). Bei Verzug in der Erfüllung des Darlehnsversprechens hat der Versprechende die geschuldete Summe nach §§ 288 Satz 1, 291 zu verzinsen, ohne dem Darlehnsempfänger den Betrag der durch die Vorenthaltung der Darlehnssumme ersparten vertragsmäßigen Darlehnszinsen in Abzug bringen zu dürfen (RG 92, 283). Das in Vollzug des Versprechens hingegebene Darlehn stellt gegenüber dem Vorvertrage ein s e l b s t ä n d i g e s G e s c h ä f t dar. Das gegebene Darlehn ist deshalb nicht nichtig, weil der Vorvertrag nichtig ist (RG 88, 323; a. M. E s s e r aaO S. 342 Ziff. 5). Der innere Zusammenhang, in dem der Vorvertrag und die Darlehnshingabe miteinander stehen, muß aber dahin führen, daß die beiden getroffenen Abreden im Zweifel einheitlich und ergänzend auszulegen sind (RG WarnRspr. 1910 Nr. 191).

Anm. 3 3. A b t r e t u n g des A n s p r u c h s . Der Anspruch auf die Darlehnshingabe ist regelmäßig nicht abtretbar (§399) und daher auch nicht pfändbar (§851 ZPO), weil es nicht in der Macht des Versprechensempfängers liegen kann, dem Gläubiger ohne dessen Wissen einen anderen Schuldner unterzuschieben; doch kann auch das Gegenteil ausgemacht sein oder aus dem Vorvertrage als gewollt sich ergeben (RG 66, 359). Die Unübertragbarkeit des Anspruchs aus dem Darlehnsvorvertrag entfällt — beim Fehlen einer sie festsetzenden Vereinbarung — dann, wenn die Zahlung an den Zessionar nicht diesen, sondern den Zedenten und Versprechensempfänger zum Schuldner des Darlehns machen soll (RG 68, 355; 77, 407; R G J W 1908, 676; 1909, 309; WarnRspr. 1910 Nr. 307; HansRGZ 1931 B 750). Hier liegt im Grunde genommen nur eine Anweisung an den Darlehnsgeber vor, für Rechnung des Darlehnsnehmers dem Dritten eine gleiche Summe auszuzahlen (§ 787 Abs. 1); deshalb ist beim B a u g e l d d a r l e h n die Ubertragbarkeit der einzelnen Baugelderraten in diesem Sinne an sich anzunehmen (RG 66, 359; 38, 308). Voraussetzung ist hier jedoch, daß durch die Abtretung die Baugelder dem Zweck des Baugelddarlehns entsprechend der Förderung des Baues zugewendet werden; außerhalb dieses Zweckes ist jede Abtretung und Anweisung auch hinsichtlich der einzelnen Darlehnsraten unzulässig (RG J W 1909, 309; WarnRspr. 1909 Nr. 402; i g n Nr. 15 und 320; vgl. auch § 1 Abs. 1 des Ges. über die Sicherung von Bauforderungen v. 1 . 6 . 1909). Da der Abtretende derjenige bleibt, dem das Recht auf Gewährung des Darlehns zusteht, ist er auch zu dem Anspruch berechtigt, daß i h m durch Zahlung an den Abtretungsempfänger das Darlehn gewährt wird (RG 77, 407). — Die Ausstellung eines „Gefälligkeitssparbuches" (Gutschrift ohne Einlage) zugunsten eines Kreditsuchers B kann so aufgefaßt werden, daß die Sparkasse dem B ein Darlehnsversprechen, und zwar dahin gibt, sie werde dem berechtigten dritten Vorleger des

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§610 Anm. 4—7

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Sparbuches C nach Erhalt des Buches Zahlung leisten und damit dem B ein Darlehn gewähren, das dieser zurückzuzahlen habe (RG 124, 220). Der Fall kann aber auch so liegen, daß das, was der dritte Erwerber des Gefälligkeitssparbuches C an den Kreditsucher B zahlt, die dem Sparbuch entsprechende Valuta sein soll; dann begründet diese Zahlung eine Rückzahlungspflicht der Sparkasse gegenüber C nach Maßgabe des Sparbuches, ohne daß der Sparkasse Einreden aus dem Schuldverhältnis zwischen ihr und B zustehen (RG 60, 2 1 ; 131, 239). Anm. 4 II. Widerruf. Da §321 auf den Darlehnsvorvertrag wegen dessen einseitig verpflichtender Natur nicht anwendbar ist, gibt § 610 eine entsprechende Vorschrift, die indessen („im Zweifel") nur als Auslegungsregel zu gelten hat. Auf das Versprechen, ein bereits gewährtes Darlehn zu verlängern, ist die Bestimmung über den Widerruf des Darlehnsversprechens unmittelbar nicht auszudehnen (str.; ob hier ein Rücktritt wegen veränderter Umstände etwa gegeben sein soll, ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln (RG J W 1905, 168); der Grundsatz der clausula rebus sie stantibus wird aber auch in diesen Fällen zu beachten sein. Eine verallgemeinernde Anwendung auf a n d e r e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e duldet §610 nicht ohne weiteres (RG 50, 255). Entsteht durch eine Kreditzusage, die z. B. ein Aktionär gegenüber der Aktiengesellschaft zur Durchführung eines bestimmten, auf Erhöhung der Produktion gerichteten Programms abgibt, zwischen den beiden Beteiligten ein gesellschaftsähnliches Verhältnis, so ist die Kündigung nach § 723 aus einem wichtigen Grunde möglich (RG L Z 1927, i33 6 )Anm. 5 1. Voraussetzungen a) Verschlechterung der Vermögensverhältnisse. Das Widerrufsrecht setzt eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Versprechensempfängers seit der Abgabe des Darlehnsversprechens voraus; es ist wie §321 eine Einzelanwendung der clausula rebus sie stantibus (RG 60, 59). Bei der Vergleichung sind nicht nur die Vermögensstücke und Schulden, sondern auch die Kreditverhältnisse in Rechnung zu ziehen (RG 12. 7. 1906 V I 589/05; vgl. auch § 775 Anm. 3). Der Ausfall einer dem Darlehnssucher gehörenden Hypothek bedeutet nicht ohne weiteres eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse (RG Recht 1915 Nr. 835). Auf eine a l l g e m e i n e V e r s c h l e c h t e r u n g der wirtschaftlichen Lage, wie durch Kriegsausbruch, kann der Versprechende einen Widerruf nicht gründen, wenn nicht gerade die Verhältnisse des Darlehnssuchers davon besonders betroffen sind und gefährdet erscheinen (RG WarnRspr. 1916 Nr. 5 und 217). Ist das Recht auf die Darlehnshingabe einem Dritten abgetreten, der die Rolle des Empfängers übernommen hat und durch den die Rückzahlung erfolgen soll (Anm. 3), so ist der Widerruf nur bei Verschlechterung in dessen Vermögensverhältnissen seit seinem Eintritt in den Vertrag zulässig (RG WarnRspr. 1909 Nr. 402). Anm. 6 b) Gefährdung des Rückerstattungsanspruches. Durch die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse muß weiter eine Gefährdung des Anspruchs des Versprechenden eingetreten sein. Die Rückerstattung ist nicht gefährdet, wenn der Darlehnsgläubiger durch Pfänder oder Bürgschaft hinlänglich gesichert ist; die Gefährdung wird durch Anbietung solcher Sicherung beseitigt, die nach Treu und Glauben nicht abgelehnt werden darf (vgl. zu § 321). Anm. 7 2. Geltendmachung. Der Widerruf ist kein Rücktritt im Sinne des § 346 (RG 52, 5). Er ist wie die Kündigung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nach §§ 130fr. und kann auch im Prozeß erklärt werden. Wenn sich mehrere Personen gemeinschaftlich zur Darlehnshingabe verpflichtet haben, steht auch der Widerruf nur allen, nicht den einzelnen zu (RG Recht 1917 Nr. 1984). Das Widerrufsrecht wird

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Dienstvertrag

§ 610 Anm. 8 Vor § 6 1 1

durch den Verzug des Darlehnsversprechens nicht aufgehoben; ist die Verschlechterung aber gerade erst durch die Vorenthaltung des Darlehns eingetreten, so kann sich der Versprechende nicht auf § 6io berufen (Gegeneinrede der Arglist; R G Recht 1907 Nr. 3296; WarnRspr. igog Nr. 402).

Anm. 8 3. Vereinbartes Widerrufsrecht.

Hat sich der Versprechende den Widerruf für bestimmte Fälle vorbehalten, so ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht gegeben ist. Soll der Widerruf der Zusage eines Bankkredits zulässig sein, wenn Umstände eintreten, durch die nach Ansicht der Bank der Kredit gefährdet wird, so kann die Auslegung ergeben, daß der Widerruf nicht ausgeschlossen ist, wenn die kreditgefährdenden Umstände schon bei der Kreditzusage vorgelegen haben und erkennbar waren, der Bank aber erst nachträglich bekannt geworden sind ( B G H W M 1957, 949).

Sechster

Titel

Dienstvertrag Vorbemerkungen Übersicht Aon).

I. Rechtliche Natur des Dienstverhältnisses II. Dienstverhältnis der selbständig Tätigen 1. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit 2. Die Arten der selbständigen Tätigkeit 3. Die rechtliche Behandlung 4. Die Vorstandsmitglieder juristischer Personen III. Dienstverhältnis der Unselbständigen — Arbeitsverhältnis 1. Wesen des Arbeitsverhältnisses — Begriff des Arbeitnehmers (AN) 2. Treupflicht a) Die Treupflicht des Arbeitnehmers b) Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers c) Der Grundsatz der Gleichbehandlung 3. Anwendung schuldrechtlicher Begriffe 4. Das Betriebsrisiko 5. Innerbetrieblicher Schadensausgleich a) Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers b) Haftung für Zufallschäden 6. Zusätzliche Sozialleistungen a) Gratifikationen b) Ruhegehalt c) Urlaub 7. Die Kündigung 8. Kollektive Regelung a) Tarifvertrag b) Betriebsvereinbarung c) Betriebliche Übung d) Direktionsrecht 9. Mitwirkung der Arbeitnehmer 10. Ausbildungsverhältnisse a) Lehrverhältnis b) Anlern- und Umlernverhältnis c) Volontär- und Praktikantenverhältnis 11. Erfindungen der Arbeitnehmer

1 2 3 4 5 6—9 10 11 12—14 15 16 17—19 20 21 22 23 24—26 27 28 29 30 31 32,33 34 35 36 37

517

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Vor §611

Anm. 1 Anm.

I V . ö f f e n t l i c h e r Dienst 1. Angestellte und Arbeiter in öffentlichen Betrieben 2. Beamte V . V e r f o l g u n g der Ansprüche aus Dienst- und Arbeitsverhältnis V I . Arbeitsverhältnis in der Sowjetzone

38, 39 40 41—43 44—47 48

V I I . Einzelne besondere Dienstverhältnisse A . Schiedsrichter — Schiedsgutachter B. Architekten und Ingenieure C. Ärzte 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

49 51 5a—60

öffentlich-rechtliche Stellung und Pflichten R e c h t e und Pflichten gegenüber Patienten Haftung f ü r Verschulden. Kunstfehler H a f t u n g für Gehilfen (Krankenschwestern) A u f n a h m e in K r a n k e n h a u s Kassenarztrecht Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker

D . Rechtsanwälte

52 53, 54 55, 56 57 58 59 60 61—68

1. Berufsstellung 2. Haftpflicht a) Allgemeines b) Ursächlichkeit c) U m f a n g der Prüfungspflicht d) Gehilfen e) Mitwirkendes Verschulden f ) Beweislast 3. V e r g ü t u n g E. Notare

61 62 63 64 65 66 67 68 69—79

1. öffentlich-rechtliche Stellung und Pflichten 2. Amtspflichten u n d H a f t u n g a) Allgemeines b) Amtspflichten bei Beurkundung bei Beglaubigung Sonstiges 3. Pflicht zur Belehrung Einsicht der G r u n d b ü c h e r 4. H a f t u n g für Gehilfen 5. Mitwirkendes Verschulden

69, 70 71 72 73 74 75, 76 77 78 79, 80

I. Rechtliche Natur des Dienstvertrages Anm. 1 D a s B G B hat den Dienstvertrag ebenso wie den W e r k v e r t r a g , den K a u f v e r t r a g u. a. als ein Schuldverhältnis betrachtet, das auf den Austausch von Leistung u n d G e g e n leistung (Arbeit gegen Lohn) gerichtet ist, und ihn daher den Bestimmungen des gegenseitigen Vertrages (§§ 32off.) unterworfen, ohne hinreichend zu beachten, d a ß wesensmäßig ein Unterschied besteht, o b die Dienste von j e m a n d e m geleistet werden, der d e m Dienstberechtigten gegenüber, abgesehen v o n einzelnen Anweisungen über die A r t der Dienste, u n a b h ä n g i g ist, die z u erbringenden Arbeiten i m wesentlichen n a c h eigenem Ermessen ausführen kann, oder von j e m a n d e m , der die Arbeiten innerhalb des Betriebes eines anderen zusammen mit anderen Dienstverpflichteten n a c h den W e i sungen u n d A n o r d n u n g e n und unter ständiger Aufsicht des Dienstberechtigten und seiner Vertreter auszuführen hat, also n a c h Zeit, D a u e r , O r t u n d A u s f ü h r u n g d e m Weisungsrecht (Direktionsrecht) des Unternehmers unterliegt,, a u ß e r d e m seine ganze

518

Dienstvertrag

Vor §611

Anm. 2

Arbeitskraft zur Verfügung stellen muß und daher auch hinsichtlich seiner sonstigen Lebensgestaltung und Lebenshaltung weitgehend von den anderen abhängig ist. Zwar wurde in zwei Fällen ein Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes ohne Leistung von Arbeit gewährt (§§615, 616) und dem Dienstberechtigten im begrenzten Umfange Fürsorgepflichten auferlegt (§§ 617, 618). Die ersteren wurden aber als eine Ausnahme von dem strengen Gegenseitigkeitsprinzip und die aus letzteren entspringenden Leistungen als ein zusätzliches Entgelt betrachtet, im Grunde also für beide Arten an dem individualistischen Grundsatze des gegenseitigen Vertrages festgehalten. Völlig unberücksichtigt blieb deshalb, daß die Arbeiten im Betriebe meistens nur im Zusammenhange mit anderen Dienstverpflichteten geleistet werden können, also zahlreiche Dienstverhältnisse nebeneinander bestehen, die mehr oder weniger voneinander abhängig sind, und daß die Arbeiter wegen ihrer wirtschaftlichen Unterlegenheit auch sonst dem Dienstberechtigten kollektiv gegenübertreten. Hierin trat nach dem ersten Weltkrieg eine grundsätzliche Wandlung ein. Es bildeten sich für abhängige Arbeit Grundsätze heraus, die sich immer mehr von dem schuldrechtlichen Charakter des Dienstvertrages entfernten, ihre Grundlage in der aus der betrieblichen Zusammenarbeit sich ergebenden Verbundenheit und in der kollektiven Gestaltung des Arbeitsverhältnisses fanden. Diese Entwicklung wurde während der Geltung des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. 1. 1934 nicht unterbrochen, da dieses in Hinsicht auf das Wesen des abhängigen Dienstverhältnisses nur die bisher schon entwickelten Grundsätze sich zu eigen machte und der von ihm eingeführte Führergrundsatz daran nichts Wesentliches änderte. Die neue Auffassung über das Arbeitsverhältnis als ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis setzte sich endgültig durch und ist auch heute herrschend ( H u e c k - N i p p e r d e y , Lehrbuch I 1 1 6 ; N i k i s c h , Arbeitsrecht I 149; st. Rspr. vgl. BAG 2, 224: 3, 158 u. a., BGH 10, 196). Es bestehen somit heute zwei A r t e n von D i e n s t v e r h ä l t n i s s e n , die sowohl i h r e r G r u n d l a g e wie i h r e m Wesen n a c h v e r s c h i e d e n sind, nämlich das Dienstverhältnis der selbständig Tätigen, das nach wie vor grundsätzlich ein auf Leistung und Gegenleistung beruhendes Schuldverhältnis ist, und das Dienstverhältnis der abhängigen Arbeiter, das sog. Arbeitsverhältnis, das zwar einzelne schuldrechtliche Elemente hat, aber im wesentlichen ein auf Treue und Fürsorge beruhendes, personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis ist, auf das die Vorschriften des BGB, namentlich die des gegenseitigen Vertrages, nur noch anwendbar sind, soweit sie sich mit dem Wesen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren lassen. II. Dienstverhältnis der selbständig Tätigen Anm. 2 1. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit: E n t s c h e i d e n d ist nicht die wirtschaftliche Abhängigkeit (h. M. R A G ArbRSaml. 8, 4 5 1 ; D e r s c h zu AP 51 Nr. 154), sondern das Maß der p e r s ö n l i c h e n F r e i h e i t , d. h. die Freiheit, Art und Weise der zur Erbringung der Leistung erforderlichen Arbeiten zu bestimmen und die Arbeitszeit selbst einzuteilen. Das schließt nicht aus, daß der Dienstberechtigte gewisse Anweisungen über Umfang und Art der Arbeit, auch über den Ort und die Zeit, in der sie geleistet werden soll, geben kann, falls dies nicht schon bei Vertragsschluß festgelegt ist. Bedeutsam ist auch der Umfang der Berichterstattung und Rechnungslegung, sie darf nicht bis ins einzelne gehen, einer ständigen Beaufsichtigung gleichkommen. Ein Handelsvertreter, der nur für eine Firma tätig sein darf, die Kunden nach ganz bestimmten Anweisungen und Plänen besuchen muß, über seine Tätigkeit täglich Bericht zu erstatten hat und während der nicht zum Kundenbesuch benutzten Zeit anderweit für den Dienstberechtigten tätig sein muß, ist kein selbständiger Gewerbetreibender, sondern Arbeitnehmer, auch wenn er nur auf Provision angestellt ist, also ein gewisses Geschäftsrisiko zu tragen hat (vgl. § 84 Abs. 2 HGB, für solche Handelsvertreter können aber jetzt Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung festgesetzt werden, § 92 a HGB). Ebenso kann ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn im Hoch- und Tiefbaugewerbe ein Schachtmeister, Polier oder Führer einer Putzerkolonne für sich oder eine Arbeitergruppe einen Teil des einem Bauunternehmer übertragenen Auftrages für eigene Rechnung oder wie z. B. 54

Komm. z. BGB, 1 1 . Aufl. II. Bd. (Denecke)

519

Vor §611 A n m . 3—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ein Ziegelmeister bestimmte Arbeiten zu einem festen Preise übernommen hat, selbst wenn die weiteren Zahlungsbedingungen dem Entgelt den Charakter eines Werklohnes geben, falls die Ausführung der Arbeit sowohl in ihrer Art wie in zeitlicher Hinsicht in großem Umfange an die Weisungen des Unternehmers gebunden ist, so daß dem Zwischenmeister oder der Arbeitergruppe wenig Freiheit bleibt, ihre Stellung sich nicht wesentlich von der eines Betriebsarbeiters unterscheidet ( R A G ArbRSaml. 25, 2 5 1 ; 3 i , 3 8 1 ; 37» 392). Anm. 3 2. Die Arten der selbständigen Tätigkeit: In Frage kommen in erster Linie die sog. freien Berufe m i t Dienstleistungen höherer A r t , wie Arzt, Architekt, Anwalt, Rechtsberater, Steuerberater, Buch- und Wirtschaftsprüfer, Stundenbuchhalter, Inhaber von Ingenieurbüros, Laboratorien, statistischen Büros, Auskunfteien, selbständige Privatlehrer, weiter die selbständigen Handlungsvertreter, Kommissionäre, Spediteure, die für einen größeren Kreis von Kunden tätig sind. Aber auch die einfachsten sog. Gelegenheitsarbeiten gehören hierher, wie Fensterputzen, Teppichklopfen, Holz zerkleinern, Kohlen tragen, Garten- und Hausarbeiten sowie die Tätigkeit einer Stenotypistin eines Privatgelehrten oder Schriftstellers, wenn sie nur gelegentlich oder in größeren Zeitabständen zu leisten sind und der diese Arbeiten Verrichtende weder in den Betrieb noch in den Haushalt fest eingeordnet ist. Bei beiden Tätigkeiten kann allerdings auch ein W e r k v e r t r a g vorliegen, wenn nämlich die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges Vertragsinhalt, nicht nur Vertragszweck ist, die Erreichung des bestimmten Erfolges in der Macht des Dienstverpflichteten liegt und dieser für die Erreichung des Erfolges vorzugsweise verantwortlich sein soll. Darauf kann insbesondere hindeuten, daß für die zu leistende Arbeit ein fester Betrag oder ein Leistungslohn (Provision) gezahlt wird, entscheidend ist das aber allein nicht, da auch bei einem Dienstvertrag Leistungslöhne anstatt von Zeitlöhnen üblich sind. Anm. 4 3. Die rechtliche Behandlung : Auf den Dienstvertrag der Selbständigen finden die R e g e l n des B G B im v o l l e n U m f a n g e A n w e n d u n g , insbesondere auch die Grundsätze über die Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung und die Regeln des Auftragsrechts gemäß § 675 (vgl. Anm. 1 dort) und der Risikotragung (vgl. dagegen Anm. 20). Soweit nicht nur einmalige, vorübergehende Dienstleistungen in Frage kommen, sondern das Dienstverhältnis längere Zeit mit regelmäßig wiederkehrenden Leistungen dauert, greifen aber auch die für das Vertragsrecht auf Grund des § 242 B G B entwickelten Grundsätze über Verschulden beim Vertragsschluß und über positive Vertragsverletzungen ein. Die Vertragspartner haben einander nicht nur bei den Vorverhandlungen über alle Umstände zu unterrichten, die zu einer Vereitelung des Vertragszweckes führen könnten oder für die Ausführung bedeutsam sind, sondern auch nach Vertragsschluß darüber aufzuklären, weiter gewisse Obhuts-, Erhaltungs- und Aufbewahrungspflichten und nach Beendigung gewisse Auskunftspflichten, Schweigepflichten und Pflichten zur Unterlassung von Wettbewerb. Die beiderseitigen Pflichten beschränken sich also bei solchem Dienstverhältnis nicht nur auf die Leistung der Dienste und Zahlung des Lohnes, das Dienstverhältnis nähert sich, je länger es besteht und bestehen soll, dem Arbeitsverhältnis, wenn auch eine echte Treu- und Fürsorgepflicht wie bei dem personenrechtlichen Arbeitsverhältnis und anderen Gemeinschaftsverhältnissen nicht bestehen kann. Anm. 5 4. Die Vorstandsmitglieder juristischer Personen : Dies gilt insbesondere f ü r das Dienstverhältnis der Vorstandsmitglieder von Handelsgesellschaften und anderen juristischen Personen. Soweit sie nämlich hauptberuflich tätig sind, leisten sie Dienste für die Gesellschaft, da ihre Tätigkeit sich nicht nur in der Wahrnehmung der Funktionen eines gesetzlichen Vertreters erschöpft, sondern die allgemeine kaufmännische und technische Leitung des Unternehmens umfaßt. Wenn dieses Dienstverhältnis auch kein Arbeitsverhältnis ist, weil die Vorstandsmitglieder die Arbeitgeberbefugnisse wahrzu-

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Dienstvertrag

Vor §611 Anm. 6

nehmen haben, selbst nicht abhängig sind (§ 70 I HGB), so ist es doch in aller Regel ein Dauer Verhältnis und kommt, zumal zwischen ihnen und der Gesellschaft weitgehend Treuepflichten bestehen (BGH 10, 187), einem Arbeitsverhältnis sehr nahe (h. M. RG 120, 300, R A G A R S 7, 157), so daß unter Umständen einzelne für dieses geltende Grundsätze entsprechend anwendbar sind. So kann es z. B. bei besonderen Verhältnissen gerechtfertigt sein, dem Vorstandsmitglied bei unverschuldeter Verhinderung der Dienstleistung das Gehalt eine gewisse Zeit fortzuzahlen (BGH 8, 359, 10, 137). Auch die Gewährung eines R u h e g e h a l t e s kann nach längerer Dienstzeit angebracht erscheinen. Jedoch bedarf es hierzu ebenso wie bei den übrigen Arbeitnehmern eines besonderen Rechtsgrundes, einer wirksamen Zusage oder zum mindesten eines nur für die Vorstandsmitglieder und leitenden Angestellten bestehenden Brauches, dagegen genügt nicht eine für die sonstigen Angestellten und Arbeiter bestehende Ruhegeldordnung oder eine ständige Übung (BGH 12, 137; 18, 334). Auch bei ihnen ist aber eine Kürzung oder Fortfall der Ruhegelder zulässig, wenn die finanzielle Lage des Unternehmers sich wesentlich geändert hat, z.B. die Dividenden jahrelang ausfallen oder das Kapital zusammengelegt werden mußte, namentlich, wenn dies während der Zeit der Geschäftsführung des Ruhegehaltberechtigten geschah oder darauf beruht. Auf ein Verschulden kommt es nicht an, es genügt, daß er die Verantwortung für die Geschäftsführung hatte, da der Vorstand insoweit ein gleiches Risiko wie der selbständige Unternehmer trägt (vgl. auch § 78 II AG). Auch ein treuwidriges Verhalten, z. B. unzulässiger Wettbewerb nach dem Ausscheiden kann zu einer Änderung des Ruhegehaltsanspruches führen (BGH 7, 136, R D A 52, 43, vgl. auch Anm. 22). Ferner gelten, da die Vorstandsmitglieder in den Betrieb, wenn auch als deren Leiter, eingegliedert sind, für sie die Tarifbestimmungen über betriebliche Fragen (§ 3 II T V G ) , zum mindesten wird eine Reihe solcher betrieblicher Ordnungsbestimmungen und materieller Grundsätze für sie entsprechend anwendbar sein (RAG ArbRSaml. 45, 310). Dagegen sind auf ihr Dienstverhältnis die A r b e i t s s c h u t z b e s t i m m u n g e n n i c h t a n w e n d b a r . Dies ist für die Arbeitszeitnormen im § 1 II Ziff. 1 A Z O ausdrücklich ausgesprochen, ebenso im § 5 I I b SchwerbG und § 12 des Kündigungsschutzgesetzes und muß, entgegen R A G ArbRSaml. 7,156 auch für das Kündigungsschutzgesetz für Angestellte vom 9.7.1926 gelten (BGH 12, 1). Auch genießen sie nicht das Vorrecht des § 61 K O (h. M. RG 120, 300; 150, 99). Im allgemeinen wird in der A b b e r u f u n g oder in dem Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied zugleich auch eine Kündigung des Dienstverhältnisses, sei es mit der vertraglichen Kündigungsfrist oder unter Umständen fristlos, liegen (BGH 12, 107, 18, 334), wenn auch rechtlich die Wahrnehmung der Funktionen des gesetzlichen Vertreters der Gesellschaft und der kaufmännischen und technischen Leitung des Unternehmens voneinander unabhängig sind und insbesondere das Fehlen des Dienstvertrages die Wahrnehmung der Organbefugnisse nicht ausschließt, die Beendigung desselben die Organbefugnisse wenigstens nach außen nicht nimmt, es hierzu vielmehr einer besonderen Verlautbarung, insbesondere der Eintragung im Handelsregister bedarf ( § 1 5 HGB). III. Arbeitsverhältnis Anm. 6 1. Wesen des Arbeitsverhältnisses: Es ist das Dienstverhältnis derjenigen Werktätigen, die ihre Arbeitskraft einem anderen, dem Unternehmer allgemein und nicht nur zu im voraus bestimmten Einzelleistungen zur Verfügung stellen, unter Führung und Aufsicht des Unternehmers in dessen Betrieb tätig werden und deshalb dessen Ordnung unterworfen sind, also alle im Gewerbe (auchTheater- und Schaustellergewerbe), Handel und Verkehr, Landwirtschaft, der privaten und öffentlichen Verwaltung, aber auch im Haushalt tätigen Arbeiter und Angestellten, ohne Rücksicht auf die Höhe des Verdienstes und den volkswirtschaftlichen Wert ihrer Leistungen. Zu Arbeitnehmern in diesem Sinne gehören auch die in einem m i t t e l b a r e n A r b e i t s v e r h ä l t n i s stehenden (RAG ArbRSlg. 39, 69), d. h. die von einem Arbeitnehmer (Hausmeister, Hofgänger und dgl.) herangezogenen Hilfspersonen. Ferner in der Regel auch die Mitglieder von Musikkapellen, Theater- und Varietegruppen, die regelmäßig in Wirtschaften, Kuroder Badeorten, Rundfunk (BAG 4,93) tätig sind, gleichgültig, ob der Vertrag mit dem 34*

521

V o r § 611 Anm. 7, 8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Unternehmer oder der Kurverwaltung von dem Kapellmeister oder Gruppenleiter für eigene Rechnung, für Rechnung der Kapelle oder der Gruppe oder von den einzelnen Mitgliedern geschlossen, mitunterschrieben wird. Nur wenn die Kapelle oder Gruppe durch die besondere künstlerische Leistung, insbesondere des Leiters ihr Gepräge erhält, wird anzunehmen sein, daß die Gruppe einen Werkvertrag oder der Leiter für sich einen Werk- oder Dienstvertrag und einen Dienstverschaffungsvertrag hinsichtlich der übrigen Mitglieder schließen will, diese nur zu ihm, nicht zu dem Unternehmer in Vertragsbeziehungen treten sollen (RAG ArbRSlg. 13, 327; 38, 139; 40, 351 L A G Frankfurt AP, 52 Nr. 68). Danach richtet sich auch die Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage gegen den Unternehmer (BAG 4, 93). Dagegen besteht kein Arbeitsverhältnis, wenn ein K i n d gemäß § 1617 im Geschäft des Vaters tätig ist, es sei denn, daß die Tätigkeit über den Rahmen der üblichen Tätigkeit eines Kindes hinausgeht, sie in vollem Umfange die Tätigkeit eines Angestellten oder eines Arbeiters ausüben und eine feste Entschädigung erhalten (RAG ArbRSlg. 38, 349; 39, 97; AP 50 Nr. 108; 209. B G H BB 53, 97 BSozG AP § 611 BGB Arbeitsverh. zw. Eltern u. Kindern Nr. 2; es kann aber auch ein Gesellschaftsverhältnis vorliegen: B G H 8, 249). Bei V e r w a n d t e n weiteren G r a d e s , einem Stiefsohn oder einem V e r l o b t e n liegt dagegen ein Arbeitsverhältnis vor, falls es sich nicht nur um reine Gefälligkeitstätigkeiten handelt (vgl. R A G ArbRSlg. 31, 3; 37, 263; AP 50, 220). Die Tätigkeit eines E h e g a t t e n im Geschäft des andern ist familienrechtlicher Art, wenn er das Geschäft für den anderen oder gemeinschaftlich mit diesem zwecks gemeinsamer Gewinnung des Lebensunterhaltes führt oder wenn er neben seinem Beruf in dem Geschäft unterstützend, z. B. bei der Buchführung oder beim Schriftverkehr tätig ist. Bleibt aber die Frau nach der Eheschließung die alleinige Leiterin, trifft sie allein die erforderlichen Entscheidungen und ist der Mann unter ihr tätig, so liegt ein Arbeitsverhältnis vor, auch wenn der Mann kein festes Gehalt erhält. Von dieser besonderen Gestaltung wird es abhängen, welche Ansprüche der Mann oder die Frau bei späterer Auflösung der Ehe für die frühere Tätigkeit stellen kann (vgl. jetzt auch §§ 1366, 1372 BGB) und ob währenddessen eine Pfändung nach § 850 ZPO möglich ist ( R A G ArbRSlg. 47, 33). Anm. 7 Keine Arbeitnehmer sind auch die Heimarbeiter, da sie nicht im Betriebe einer anderen, sondern in der eigenen Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht des Unternehmers tätig sind, Umfang und Zeit ihrer Arbeit selbst bestimmen. Wenn sie meistens auch von dem Unternehmer wirtschaftlich abhängig sind, sind sie doch persönlich unabhängig, allerdings nicht wie der Hausgewerbetreibende selbständige Gewerbetreibende. Denn sie schließen mit dem Unternehmer meistens keine Lieferverträge oder Werkverträge, sondern Verträge über bestimmte Arbeitsleistungen ab, leisten also Dienste; stehen freilich in vieler Hinsicht wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit den Arbeitnehmern gleich. Sie sind daher arbeitnehmerähnliche Personen i. S. des § 5 ArbGG, unterliegen gewissen Sozialversicherungsbestimmungen (§§ 162, 165, 1226 RVO, § 7 5 c A V A V G ) . Auch sind hinsichtlich der Arbeitszeit, der Betriebsstätten und des Entgelts besondere Schutzbestimmungen ergangen, indem Anordnungen über die Begrenzung der ihnen zuzuteilenden Arbeitsmengen erlassen werden können, ihre Betriebsstätten einer besonderen Aufsicht unterstellt werden und die Entgelte grundsätzlich durch Gesamtvereinbarungen festzulegen sind. Wegen der Einzelheiten vgl. das Heimarbeitergesetz v. 14. 3. 1951 (BGBl. I 191). Anm. 8 Zu den Arbeitnehmern gehören auch nicht S t r a f g e f a n g e n e , die in einer Heilund P f l e g e a n s t a l t betreuten Personen, selbst wenn sie zur Arbeit herangezogen werden ( R A G ArbRS 29, 121) oder die auf Grund eines religiösen Gelöbnisses Tätigen; ferner nicht Arbeitslose, denen nach § 91 A V A V G Pflichtarbeiten zugewiesen werden, und F ü r s o r g e a r b e i t e r , deren Unterstützung nach § 19 FürsorgepflichtVO von Pflichtarbeiten abhängig gemacht ist, falls es sich dabei um gemeinnützige Arbeiten handelt ( R A G ArbRS 34, 316). Dagegen sind die bei Notstandsarbeiten B e s c h ä f t i g t e n Arbeitnehmer, da mit ihnen auf Grund der Zuweisung ein Arbeitsvertrag abzuschließen 622

Dienstvertrag

Vor §611

Anm. 9—11

ist, dessen Inhalt allerdings weitgehend von der Verwaltung bestimmt werden kann (vgl. § 139 I V A V A V G ; R A G A r b R S 18, 107, 195).

Anm. 9 Für die den größeren Teil der Bevölkerung bildenden, unselbständigen Werktätigen hat sich nun, ausgehend von BGB, HGB, GewO, Pr. ABG, aber wesentlich beeinflußt von Sondergesetzen (TarifvertragsVO, Betriebsrätegesetz, Arbeitsschutzgesetze) und vor allem durch das kollektive Recht ein Sonderrecht herausgebildet, das in wesentlichen Beziehungen von dem Dienstrecht des bürgerlichen Rechtes abweicht, da die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen weitgehend durch die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer beeinflußt wird und das sozialrechtliche Schutzprinzip des Art. 20 G G dem Arbeitgeber unabhängig von vertraglichen Abmachungen und dem erklärten Vertragswillen Pflichten auferlegt; denn das Arbeitsrecht ist im wesentlichen ein Arbeitnehmerschutzrecht (vgl. H u e c k - N i p p e r d e y Lehrbuch I 25f., D e r s c h in Festgabe fürHerschel S. 74). Von ihm können hier und im folgenden nur die allgemeinen Grundsätze aufgezeigt werden, während wegen der Einzelheiten auf das Schrifttum zum Arbeitsrecht, insbesondere die Gesamtdarstellungen von H u e c k - N i p p e r d e y , Lehrbuch, 6. Aufl., Bd. I, N i k i s c h , Arbeitsrecht, 2. Aufl., auf die Kommentare zum Kündigungsschutzgesetz, Tarifvertragsgesetz, Arbeitszeitordnung, und auf die Entscheidungssammlungen (Arbeitsrechtssammlung und Arbeitsrechtliche Praxis) verwiesen werden muß. 2. D i e T r e u p f l i c h t : Die Pflichten beider Vertragspartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, erschöpfen sich nicht mit der Leistung der vereinbarten Dienste und des Lohnes, beide haben vielmehr eine allgemeine Treupflicht, der Arbeitgeber insbesondere eine Fürsorgepflicht.

Anm. 10 a) Die T r e u p f l i c h t d e s A r b e i t n e h m e r s : Kraft seiner Treupflicht ist der Arbeitnehmer gehalten, wenn es besondere Umstände des Betriebes erfordern, auch andere als die vereinbarte Arbeit, insbesondere Mehrarbeit innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu leisten. Dagegen folgt eine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht schon aus den gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften (h. M.). Weiter hat der Arbeitnehmer sich nach besten Kräften für das Wohl des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was den berechtigten Interessen des Unternehmers und des Betriebes zuwiderläuft (RAG ArbRSlg. 37, 269; B G H AP §611 Nr. 1 Treupflicht). Er darf insbesondere G e s c h ä f t s - u n d B e t r i e b s g e h e i m n i s s e (auch Erfindungen) nicht anderen preisgeben und ohne Zustimmung des A G auch nicht für sich verwerten und muß während der Dauer des Arbeitsverhältnisses jeden W e t t b e w e r b , sei es auch nur durch Beteiligung irgendwelcher Art bei einem anderen Unternehmen, unterlassen, jedoch kann der Angestellte schon vor Ende des Arbeitsverhältnisses Vorbereitungen für ein Wettbewerbsunternehmen treffen, das er nach Beendigung betreiben will (RAG A R S 35, 168; B A G A P Nr. 3 zu § 6 1 1 Treupflicht) . Ob ein Wettbewerbsverbot auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses außerhalb der Vorschriften der §§ 74 fr. H G B 133 fr. GewO auf Grund der allgemeinen Treupflicht besteht, wird sich nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände sagen lassen (vgl. R G 65, 333; H H R 1937 Nr. 1 1 8 2 ; B G H A P Nr. 1 zu 60 HGB. D i e t z Festschr. f. Hedemann 1938, 330), so insbesondere auch, wenn der A N nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb noch Leistungen von dem A G erhält, z.B. Ruhegehalt (RAG ArbSaml. 37, 145; 336; OGH Köln, R d A 5 1 , 72), aber nicht Vergütungen für Erfindungen (ArbRS 32, 304).

Anm. 11 b) Die F ü r s o r g e p f l i c h t d e s A r b e i t g e b e r s : Diese geht über den in den §§618 BGB, 62 HGB, 120 ff. GewO festgelegten Umfang hinaus. Der Arbeitgeber hat allgemein, auch bei Inanspruchnahme des A N zu den vertraglichen Leistungen auf das Wohl und die Gesundheit des A N Rücksicht zu nehmen, alle erforderlichen S c h u t z m a ß n a h m e n , insbesondere bei Gefahr der Ansteckung (RAG A R S 26, 13, 123; 29, 355) zu treffen und ihre Anwendung zu beachten, darf vor allem Arbeitsschutzbestimmungen nicht

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

mißachten, aber auch von den ihm nach der A Z O gegebenen Möglichkeiten zur Verlängerung der Arbeit nicht im Übermaß Gebrauch machen, anderenfalls er für die eingetretene Gesundheitsschädigung einzustehen hat (RAG A R S 4, 257; 15, 144; 24, 15). Er hat ferner dem AN eine sichere U n t e r b r i n g u n g seiner K l e i d u n g und W e r k z e u g e während und nach der Arbeit zu ermöglichen; sie u. U. zu versichern (vgl. B u l l a RdA, 50, 88; D e n e c k e BB 50, 27; G u m p e r t BB 57, 1 1 4 ; AP §618 Nr. 2, 3), unter Umständen auch Zufallschäden zu ersetzen (vgl. Anm. 20). Uber die Haftung von Musikinstrumenten und Noten vgl. L A G Stuttgart AP 52 Nr. 108; Düsseldorf AP 53 Nr. 98. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er auf Verlangen wahrheitsgemäß Auskunft über die Leistungen und Verhalten der AN zu geben, ihm insbesondere ein Zeugnis zu erteilen (vgl. § 630 Anm. 37), im übrigen endet die Fürsorgepflicht grundsätzlich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, nur unter ganz besonderen Umständen können noch Ansprüche daraus hergeleitet werden (BAG 3, 119, 139, 332). Uber Fürsorgepflicht bei Vertragsschluß vgl. B A G 2, 267; 5, 184. A n m . 12 c) Der Grundsatz der Gleichbehandlung: Aus der Fürsorgepflicht hat das RAG in ständiger Rechtsprechung (ARS 33, 172, 216; 46, 109, 2 5 1 ; 47, 109, 1 1 2 u. a.) den Grundsatz hergeleitet, daß bei Gewährung zusätzlicher Leistungen (z. B. Weihnachtsgratifikation, Ruhegeld) einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen nicht willkürlich oder ohne triftigen Grund schlechter gestellt werden dürfen. Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung, der nicht mit dem Grundsatz der Gleichheit aus Art. 3 G G zu verwechseln ist (BAG 3, 31, 183), hat in der Rechtslehre wie auch in der Nachkriegsrechtsprechung, insbesondere auch des BAG allgemeine Anerkennung gefunden und ist heute einer der wichtigsten Grundsätze des Arbeitsrechts geworden, darf aber auch nicht überspannt werden, insbesondere darf die dem Arbeitgeber zustehende Vertragsfreiheit in der Gestaltung des einzelnen Arbeitsvertrages nicht gänzlich ausgeschaltet werden. Es kann also nicht schon daraus, daß einem oder wenigen Arbeitnehmern besondere Leistungszulagen (Provisionen, Prämien, Mehrarbeitsvergütungen, Aufwandsentschädigungen u. a.), übertarifliches Gehalt oder höhere Einstufungen (BAG A P Nr. 4, 58 zu § 242 Gleichbehandlung; AP Nr. 6 zu § 6 TOA) zugesagt oder gewährt werden, ein gleicher Anspruch hergeleitet werden, selbst wenn dieselbe Arbeit geleistet wird oder die Verhältnisse bei den anderen ähnlich liegen. Auch daß in anderen Betrieben, sei es auch desselben Unternehmens, ähnliche Leistungen gewährt werden, genügt nicht, da die Treu- und Fürsorgepflicht immer nur innerhalb einer Gemeinschaft besteht und eine solche nur innerhalb desselben Betriebes gegeben ist (BAG AP Nr. 1 zu Art. 9 GG). Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt vielmehr voraus, daß für alle oder bestimmte Gruppen der Betriebsmitglieder eine allgemeine Regelung über die Gewährung solcher Leistungen besteht, sei es auf Grund gleichlautender Einzelvereinbarungen mit der Mehrzahl der in Frage kommenden Betriebsangehörigen, sei es durch Bekanntgabe bestimmter Grundsätze für die Gewährung, bei Behörden insbesondere durch Verwaltungsanordnungen oder Dienstanweisungen (BAG 3, 254), sei es auf Grund einer tatsächlichen Übung während längerer Zeit (bei Weihnachtsgratifikation mindestens 3 Jahre s. u. Anm. 21). Auch stehen Abreden darüber, daß ein Anspruch auf die anderen zustehenden Sonderleistungen nicht gegeben sein solle, mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht in Widerspruch. Die Unwirksamkeit solcher Abreden kann vielmehr nur mit den allgemeinen Rechtsbehelfen (Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB oder Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB) geltend gemacht werden. — Vor allem kann aus dem Gleichheitsgrundsatz nicht entgegen § 4 Abs. 1 T V G der T a r i f l o h n von den nichttarifgebundenen Arbeitnehmern verlangt werden (h. M.) Wohl aber kann ein solcher Anspruch gegeben sein, wenn bei der Einstellung irgendwelche Lohnabreden nicht getroffen sind, da dann die Zahlung des Tariflohnes als selbstverständlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages anzusehen ist, zumal in großen Betrieben oder Verwaltungen, in denen eine unterschiedliche Regelung der Löhne und Gehälter der Organisierten und Nichtorganisierten praktisch nur schwer durchführbar ist und nicht durchgeführt wird.

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Anm. 13—16

Anm. 13 N i c h t a n w e n d b a r ist der Grundsatz der Gleichbehandlung bei K ü n d i g u n g und zwar sowohl bei den befristeten wie unbefristeten, da in jedem Falle nicht bloß das Verhalten des Arbeitnehmers, sondern auch die betrieblichen und persönlichen Verhältnisse zu würdigen sind, also auch bei gleichen Verfehlungen die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung verschieden zu beurteilen ist (h. M . B A G A P Nr. 3 zu § 13 K S c h Ges.). Wohl aber kann der Grundsatz der Gleichbehandlung in Frage kommen bei Ausübung des D i r e k t i o n s r e c h t s , namentlich bei der Einteilung zu besonders lästigen Arbeiten (Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit, Notstandsarbeiten); Verteilung bei Kurzarbeit (AP 5 1 Nr. 1 7 1 , 172 mit Anm.).

Anm. 14 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Gleichheitsgrundsatz, abgesehen vielleicht von nachträglich bewilligten Teuerungszulagen (AP Nr. 1 zu § 242 Gleichbehandlung) nicht mehr geltend gemacht werden B A G i , 291 [ 3 1 5 ] ; 2, 6, insbesondere keine Ansprüche auf Wiedereinstellung bei Wiederaufnahme der Arbeit nach Betriebsstillegung oder größeren Betriebsumschreibungen, falls nicht in dieser Hinsicht besondere Zusagen gemacht sind ( L A G H a m m u. Hannover A P 54 Nr. 7, 149), vor allem auch nicht nach Beendigung eines Streikes B A G 1, 291.

Anm. 15 3. Anwendung schuldrechtlicher Begriffe:

Schuldrechtliche Begriffe und

Grundsätze sind nur anwendbar, soweit sie mit dem Wesen des Arbeitsverhältnisses vereinbar sind. Dies trifft nicht zu bei den V o r s c h r i f t e n d e r §§ 323—326, da sie auf Leistungsstörungen bei Austausch im voraus bestimmter Leistungen abgestellt sind, aber auf das Arbeitsverhältnis nicht passen, weil die Arbeit hier nicht immer die gleiche bleibt, sondern von den veränderlichen betrieblichen Verhältnissen abhängt, meistens nur im Zusammenhange mit anderen Arbeitspersonen auszuführen ist, so daß Leistungsstörungen vielfach aus dem Verhalten solcher Dritter entstehen können (z.T. bei Teilstreik, R G 106, 257, B A G 3, 346). Auch kennt das B G B nur den Fortfall oder das Bestehenbleiben der Gegenleistung, während im Arbeitsverhältnis Billigkeit und soziales Empfinden u. U . ein zeitweiliges oder teilweises Fortbestehen der Lohnzahlungspflicht erfordern, weil der Lohn die alleinige Lebensgrundlage für den A N und seine Familie bildet ( R A G A r b R S l g . 37, 2 3 1 ; 40, 3 5 1 ; 43, 168; B A G 3, 188). Die Treu- und Fürsorgepflicht des A G kann es sonach erfordern, daß der L o h n eine gewisse Zeit o h n e A r b e i t s l e i s t u n g fortzuzahlen ist, so bei Erkrankungen oder sonstigen Behinderungen des A N in seiner Person (vgl. D e n e c k e , BB 5 1 , 58, 279, vgl. 6 1 6 Anm. 1), oder daß ihm, wenn er infolge seiner beruflichen Tätigkeit seine bisherige Arbeit nicht mehr leisten kann, möglichst eine a n d e r e , gleichbezahlte A r b e i t z u g e w i e s e n wird ( R A G A r b R S l g . 42, 132). Auch kommt eine Anwendung des § 675 für das Arbeitsverhältnis nicht in Frage (vgl. § 6 7 5 Anm. 1).

Anm. 16 4 . D a s B e t r i e b s r i s i k o : Besondere Grundsätze haben sich für das sog. Betriebsrisiko herausgebildet, d. h. wenn infolge äußerer, auf den Betrieb einwirkender Umstände die Arbeitnehmer kürzere oder längere Zeit nicht beschäftigt werden können. Während nach der früheren Rechtsprechung Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeder das in seinen Verantwortungskreis fallende Risiko zu tragen hatte, der Arbeitgeber den aus betriebstechnischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen entstehenden Arbeitsausfall, der Arbeitnehmer den durch sein oder seiner Kameraden Verhalten bedingten Ausfall und bei allgemeinen Behinderungen, wie Krieg, Unwetterkatastrophen und dgl., das Risiko gemeinschaftlich zu tragen war, hat das R A G nach dem Inkrafttreten des A O G aus der führenden Stellung des Unternehmers in betrieblichen Angelegenheiten und der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gefolgert, daß er das gesamte Risiko grundsätzlich allein zu tragen habe und nur eine Gefährdung des Fortbestandes des Betriebes im Zusammenhange mit der dem Arbeitnehmer obliegenden Treupflicht eine zeitweilige Beschränkung oder ausnahmsweise auch ein Erlöschen der Lohnansprüche rechtfertigen könnte ( R A G

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 17 ArbRSlg. 43, 21). Dieser Grundsatz wird auch nach Aufhebung des A O G weiter anerkannt, wenn er nunmehr auch aus der Stellung des Arbeitgebers als Unternehmer hergeleitet wird, der die Leitung und Verantwortung für die Führung des Unternehmens habe, auch die Vorteile aus der Arbeit ziehe und daher auch die Nachteile zu tragen habe. Nur wenn die Weiterführung des Betriebes durch das Verhalten eines Teiles der Arbeiterschaft, (Teilstreik, auch wilder Streik, passive Resistenz) oder der Arbeiterschaft aus anderen Betrieben, von denen der eigene Betrieb abhängig ist, unmöglich wird, entfallt der Anspruch auf Lohn (h. M. B A G 3, 346; B A G AP Nr. 3, 4 § 615 Betriebsrisiko).

Anm. 17 5 . I n n e r b e t r i e b l i c h e r S c h a d e n s a u s g l e i c h : Auch für das sog. innere Betriebsrisiko hat der Arbeitgeber in erster Linie einzustehen. a ) B e s c h r ä n k u n g d e r H a f t u n g des A r b e i t n e h m e r s : Es handelt sich hierbei zunächst um Schäden, die daraus entstehen, daß der Arbeitnehmer nicht während seiner ganzen Arbeitszeit die gleichhohe Anspannung und Aufmerksamkeit bei der Verrichtung seiner Arbeit einhalten kann, vielmehr durch Ermüdung oder Einflüsse der Umwelt zeitweise abgelenkt wird, also um S c h ä d e n , die w e g e n d e r m e n s c h l i c h e n U n z u l ä n g l i c h k e i t mehr oder weniger u n v e r m e i d b a r sind. Nach dem Verschuldensprinzip müßte der Arbeitnehmer für alle diese Schäden einstehen. Tatsächlich wird aber für solche geringeren Schäden, wie Glasbruch, Beschädigung von Handwerkszeug und Maschinen, des Materials, geringen Ausschuß, kleine Fehlbeträge beim Kassieren, im allgemeinen kein Ersatz mehr verlangt. Sie werden vielmehr als in das Betriebsrisiko fallend betrachtet und in die allgemeinen Unkosten einkalkuliert. Bei größeren Schäden, die darauf zurückzuführen sind, daß aus den den Maschinen innewohnenden Kräften und dem hohen Wert der Anlagen oder aus dem Zusammentreffen mehrerer solcher Gefahren wie im Kraftverkehr aus kleinsten Ursachen außergewöhnlich hohe Schäden entstehen können (sog. g e f a h r t r a g e n d e A r b e i t e n ) hat bereits das R A G in seinen Entscheidungen A r b R S 4 1 , 55, 259; 43, 108; (ebenso jetzt auch B G H 16, m ; A P Nr. 1 § 6 1 1 ; B A G 5, 1 [GrS]) nur eine dem Verschulden des Arbeitnehmers und den sonstigen Verhältnissen entsprechende Beteiligung des Arbeitnehmers an dem Schadensausgleich für angemessen erklärt, da es der Treupflicht aus dem Arbeitsverhältnis zuwiderlaufe, wenn der Arbeitgeber das Risiko für die seinem Betrieb eigentümlichen Gefahren dem Arbeitnehmer allein aufbürden wolle. Nach R A G A r b R S 46, 137 hat der Halter eines Kraftfahrzeuges, wenn er keine Kaskoversicherung eingegangen ist, kleinere Beschädigungen am Fahrzeug selbst zu tragen, während der Kraftwagenführer Dritten gegenüber von der Haftung durch die auf Kosten des Halters gehende Pflichtversicherung befreit ist. Ebenso ist bei Unfällen im Betriebe nach § 899 R V O für Betriebsaufseher und nach der Entscheidung des großen Senats des B A G 5, 1 für die übrigen Arbeitnehmer die Haftung gegenüber den Geschädigten weitgehend beschränkt. Die Schäden werden vielmehr von der Unfallversicherung ausgeglichen, deren Unkosten die Unternehmer aufzubringen haben. I m ö f f e n t l i c h e n D i e n s t hat die Verlagerung der Haftung von dem den Schaden unmittelbar verursachenden Beamten und Arbeitnehmer auf den Dienstherrn Ausdruck gefunden in den Bestimmungen über die Staatshaftung (zunächst in Gesetzen des Reichs und der Länder, später in Art. 131 WeimVerf., jetzt Art. 34 GG) sowie in der Beschränkung der Rückgriffshaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§§ 12, 23 I I DBG, § 78 BBG; §46 BRahmG; §6 A T O , Art.34 S 2 GG). Auch bei Betätigung im privaten Geschäftsbereich (vgl. § 89 Anm. 5) haftet der Beamte bei Fahrlässigkeit im allgemeinen selbst nicht, da gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 die Haftung des Staates aus §§ 89, 278, 831 vorgeht (RG 155, 269). Im fiskalischen Bereich, d.h. bei Schäden, die der öffentlichen Körperschaft durch die Tätigkeit ihrer Beamten und Arbeitnehmer entstehen, ist zwar in den Beamtengesetzrn (§§ 23 DBG, § 78 BBG, § 46 BRahmG, § 6 A T O ) , deren Haftung für alle von ihnen verursachten Schäden festgelegt, dieser Grundsatz aber durch die Ausführungsvorschriften (§ 6 ErstattG, § 54 RHaushO, § 67 RWirtschaftsbest.) wesentlich eingeschränkt. Die Geltendmachung der Schäden ist weitgehend in das Ermessen der vorgesetzten Dienstbehörde gelegt, bei leichter Fahrlässigkeit ist grundsätzlich davon abzusehen. Mögen diese Vorschriften auch ursprünglich nur Verwaltungs-

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Vor §611 A n m . 17—20

maßnahmen gewesen sein, die die Verantwortungsfreudigkeit fördern und nutzlose Arbeiten ersparen sollten (so noch RAG A R S 45, 6a), so haben sie doch infolge der gewandelten Anschauungen über die Fürsorgepflicht und die Gleichbehandlung jetzt materielle Bedeutung. Denn kraft seiner Fürsorgepflicht ist jeder Vorgesetzte gehalten, bei den in seinem Ermessen gestellten Entscheidungen sich allein von sachlichen Erwägungen, von Gerechtigkeit und Wohlwollen leiten zu lassen (BGH 15, 187), seine Untergebenen nach Recht und Billigkeit zu behandeln (§56 PersVerlG, § 5 1 BetrVG). Es sind dies Pflichten, die dem Dienstherren gegenüber seinen Untergebenen obliegen (BBG § 67), deren Beachtung erst den konkreten Haftungsanspruch begründet. Tatsächlich werden denn auch im öffentlichen Bereich wie in der privaten Wirtschaft kleinere Schadensansprüche bei leichter Fahrlässigkeit nicht mehr erhoben, die Gerichte haben sich jedenfalls mit solchen Streitigkeiten kaum zu befassen. Es dürfte in dieser praktischen Übung wie in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen eine Abkehr von dem starren Verschuldensprinzip zu erblicken sein, weil dieses abstrakte Prinzip ebenso wie die Grundsätze über die Unmöglichkeit der Leistung nur auf die Rechtsbeziehungen von selbständigen, unabhängigen, gleichberechtigten Personen abgestellt ist, für die Regelung der in sozialer Verbundenheit, in einem persönlichen Gemeinschaftsverhältnis stehenden Arbeitnehmer nicht geeignet ist. Die heutigen sozialen Anschauungen erfordern vielmehr, daß derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben, also zu seinem Nutzen der Kräfte und Fähigkeiten dritter Personen bedient, auch deren menschliche Unzulänglichkeiten in Kauf nehmen muß, nicht nur die Vorteile ziehen, sondern auch die damit verbundenen Nachteile und Lasten den seinen Weisungen und seiner Aufsicht unterliegenden, also von ihm abhängigen Hilfspersonen nicht aufbürden darf (vgl. des Näheren D e n e c k e RdA 1952, 209 und die neue Rspr. zu § 904: RG 91, 303; J W 38, 1206; B G H 6, 106; B A G 5, 1). Eine solche Einschränkung der Haftung der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit überschreitet jedenfalls nicht die den Gerichten bei der Auslegung und Fortbildung gesetzlicher Vorschriften gesetzten Grenzen (vgl. B A G 1, 279; 5, 10; Bd. I Einleitung Anm. 19). A n m . 18 Demnach wird der Arbeitgeber die mit der Heranziehung von Arbeitnehmer verbundenen, mehr oder weniger unvermeidbaren Schäden selbst tragen müssen und nur, wenn das Maß solcher Nachlässigkeit über den Durschschnitt hinausgeht, sich solche Nachlässigkeiten häufen oder außergewöhnliche Schäden zur Folge haben, eine Heranziehung der Arbeitnehmer zum Schadensausgleich gerechtfertigt sein. Es werden also nicht besondere Umstände eine gänzliche Freistellung rechtfertigen müssen, wie von der Rechtslehre z.T. gefordert wird (Dersch RdA 1951, 76, AP 51, 389), sondern es müssen im Gegenteil besondere Umstände vorliegen, um bei leichter Fahrlässigkeit eine Schadensersatzforderung des Arbeitgebers begründen zu können. Bei den sog. gefahrtragenden Arbeiten wird dies gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer, der die Gefahren kennt, nicht alles in seinen Kräften stehende getan hat, um der Gefahr vorzubeugen ( R A G ArbRS 37, 209), z. B. wenn ein Kraftfahrer auf einer verkehrsreichen, unübersichtlichen Straße sich durch eine Unterhaltung mit den übrigen Fahrinsassen oder sonstwie hat ablenken lassen. Hier wird es vor allem von dem Maß seines Verschuldens, von dem Unterlassen der höchsten Sorgfalt abhängig sein, in welchem Umfang er zu dem Schadensausgleich beitragen muß, da der größere Teil zu Lasten des das Betriebsrisiko tragenden Arbeitgebers gehen muß. A n m . 19 Wird der Arbeitnehmer von einem Dritten auf Ersatz des von ihm durch solche leichte Fahrlässigkeit verursachten Schadens in Anspruch genommen, so hat der Arbeitgeber ihn von diesem Anspruch zu befreien, ihm Prozeßschutz zu gewähren oder mindestens die Prozeßkosten zu übernehmen (RAG ArbRS 43, 108). A n m . 20 b) H a f t u n g für Zufallschäden: Hierher gehört ferner die Frage, inwieweit der Arbeitgeber für Schäden aufzukommen hat, die dem Arbeitnehmer bei B e t r i e b s u n 527

V o r § 611 Anm. 21, 22

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

fällen, wie Brand, Explosion, Einbruchsdiebstahl u. dgl. entstehen. Soweit es sich um Körperschäden handelt, fallen sie unter die Unfallversicherung, so daß in der Regel eine Haftung des Arbeitgebers gemäß § 898 R V O ausscheidet. Anders ist es hinsichtlich des von dem Arbeitnehmer zu stellenden Handwerkzeuges, seiner bei dem Unfall getragenen Kleidung, seiner abgelegten Uberkleider, abgestellten Fahrräder und seiner sonstigen aus Anlaß seines Dienstes in den Betrieb gebrachten Sachen, auch Reisegepäck bei Dienstfahrten in betriebseigenem Kraftwagen (LAG Bremen Betrieb 1955, 171). Hier jeden Ersatzanspruch um deswillen auszuschließen, weil den Arbeitgeber kein Verschulden trifft, entspricht nicht den heutigen Anschauungen über das Wesen des Arbeitsverhältnisses. Wirtschaftlich gesehen bilden sie einen — nur kleinen — Teil des Gesamtschadens, der in das Risiko des Unternehmers fällt. Soweit die Kleidung bei Bekämpfung des Schadens beschädigt wird, gehören diese Schäden, mag nun der Arbeitnehmer zur Hilfeleistung herangezogen oder freiwillig herbeigeeilt sein, versicherungsrechtlich zu den von der Versicherung zu ersetzenden Schäden, da sie zu den Aufwendungen i. S. der § 63 V V G , § 15 der AllgVersB und der Löschhilfeklauseln gehören (vgl. R a i s e r , Allg. Feuerversicherungsbedingungen [a] S. 959, 361). Soweit es sich um sonstige Sachen der Arbeitnehmer, namentlich die Habe derjenigen handelt, die auf dem Werk wohnen müssen, um jederzeit zur Hilfeleistung bereit zu sein, wird man eine Haftung des Arbeitgebers aus der gegenseitigen Treupflicht mindestens dann bejahen müssen, wenn der Arbeitnehmer seine Sachen nicht selbst sichern konnte, weil er bei Bekämpfung des Brandes usw., zur Bergung wichtiger Betriebsmittel oder wie das Krankenpflegepersonal bei der Bergung der Kranken tätig sein muß. Aber auch hinsichtlich der anderen Sachen, die der Arbeitnehmer aus Anlaß seiner Tätigkeit in den Betrieb bringt und üblicherweise zwischen den Schichten dort beläßt, hat der Arbeitgeber auf Grund seiner Treu- und Fürsorgepflicht eine gewisse Obhutspflicht. Er muß bei Bränden u. dgl. für ihre Sicherstellung sorgen und falls dies aus betrieblichen Rücksichten nicht möglich ist, den Schaden tragen. Will er diesen nicht aus eigenen Mitteln decken, so muß er für seinen Arbeitnehmer eine Gruppenversicherung eingehen oder sie in seine eigene Versicherung einbeziehen, zumal die entstehenden Kosten oder Mehrkosten nur gering und auch bei zahlreichen Arbeitnehmern zumutbar sind. Dagegen sind unverheiratete Arbeitnehmer meistens nicht in der Lage, sich gegen solche Schäden durch Abschluß einer Versicherung zu decken, da erfahrungsgemäß (vgl. RAG ArbRS 43,260) die Versicherungsgesellschaften solche Bagatellversicherungen nicht abschließen. Anders ist es nur, falls dem Arbeitnehmer eine Werkwohnung für sich und seine Familie zur Verfügung gestellt wird, da eine Hausratsversicherung abgeschlossen werden kann und dies zum mindesten bei Angestellten üblich ist. Auch bei Verlust von Urlaubskarten, die der Arbeitgeber in Verwahrung hat z. B. durch einen Einbruchsdiebstahl, hat er das Urlaubsgeld selbst zu zahlen, falls die Urlaubskasse Zahlung wegen Fehlens der Unterlagen verweigert (vgl. D e n e c k e BB 45, 28 a. M. S t e i n m a n n daselbst 1194). Anm. 21 5. Zusätzliche Sozialleistungen: Leistungen wie Weihnachtsgratifikationen, Ruhegehalt und Urlaub sind nicht, wie man früher annahm (RAG ArbRSlg. 31, 273), nachträgliches Entgelt für bereits geleistete Dienste, sondern fließen aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, bedürfen allerdings hinsichtlich Voraussetzungen, Höhe, Zeit und Dauer einer bestimmten Konkretisierung, die in Einzelvereinbarungen, Gesamtvereinbarungen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung), einer langjährigen Übung (RAG ArbRSlg. 29, 209; 33, 216; 40, 369) oder in einer betrieblichen Ordnung (RAG ArbRSlg. 40, 363) erfolgen kann. Auch kann, falls für einen einzelnen AN eine besondere Regelung fehlt, der Umfang des Anspruches sich nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung aus den Leistungen an andere AN ergeben. Anm. 22 a) Gratifikationen: Die vorstehenden Grundsätze gelten insbesondere bei Weihnachtsgratifikationen, bei denen schon durch eine mehrjährige (in der Regel dreimalige BAG AP Nr. 3 zu § 611 Gratifikation) allgemeine Gewährung ein Anspruch — auch für neu eingetretene AN — begründet werden kann, falls nicht bei der Leistung

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Dienst vertrag

Vor §611 A n m . 23

jedesmal auf die Freiwilligkeit oder Widerruflichkeit hingewiesen wird. Auch kann der Arbeitgeber bei der Zusage oder der Gewährung den Kreis der Empfänger sowie die Voraussetzungen näher bestimmen, z. B. daß der Arbeitnehmer bei der Fälligkeit sich in ungekündigter Stellung befindet oder nicht alsbald aus den Diensten ausscheidet (BAG i, 36 A P 4 zu § 611 Gratifikation; RAG A R S 45, 288; 46, 251). Auch hinsichtlich der Höhe bedarf es einer eindeutigen Erklärung des A G , daß er sich die Bemessung vorbehält, anderenfalls der früher gezahlte Betrag dauernd fortgezahlt werden muß. Nur wenn die Zahlung ohne Gefährdung des Fortbestandes des Betriebs nicht mehr tragbar erscheint, kann sie vorübergehend gekürzt oder gänzlich eingestellt werden, bei Konkurs immerhin aber in voller Höhe geltend gemacht werden (§ 61 Nr. 1, nicht 63 Nr. 4 K O ) . Dies gilt auch für öffentlichrechtliche Betriebe (stand. Rspr. ArbRSlg. 40, 215; 369 BAG A P Nr. 3 zu §611). Uber Abschlußgratifikationen vgl. RAG ArbRS 33, 216 und Weihnachtsspenden, die zugleich Uberstunden vor dem Fest abgelten sollen, ArbRS 39, 457; 40, 356. Einer Mitwirkung des Betriebsrates gemäß §56 BetrVerfG kommt bei der Aufstellung der Grundsätze nicht in Frage (BAG A P Nr. 4 zu § 611); keinen teilweisen Anspruch bei vorzeitigem Ausscheiden (RAG A R S 33, 216; 36, 54); Verlust bei gröblichen Pflichtverletzungen (RAG A R S 41, 32; vgl. im übrigen H u e c k Lehrb. I 280, N i k i s c h 349). Anm. 23 b) Ruhegehalt : Ein Anspruch auf Ruhegehalt kann nicht schon daraus hergeleitet werden, daß einzelnen wenigen AN, die ungefähr die gleiche Zeit im Betrieb tätig waren, ein Ruhegeld gewährt wird. Dazu bedarf es vielmehr, schon im Hinblick auf die Belastungen des AG, eines besonderen Rechtsgrundes, also entweder einer ausdrücklichen •— nicht formbedürftigen (Anm. 4 vor § 516) —• Vereinbarung oder besonderer Umstände, aus denen ein dahingehender Wille des A G entnommen werden kann, oder einer ständigen Übung oder einer bestimmten Ordnung (Ruhegehaltsordnung, Satzung einer betrieblichen Pensionskasse), aus denen zu entnehmen ist, daß jedem A N bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen ein Ruhegehalt zustehen soll (RAG ArbRS 37, 229; 47, 120 B G H 8, 368, 12, 345; 16, 58; 22, 380; B A G 4, 360). In den beiden letzteren Fällen darf allerdings nach dem Grundsatze der Gleichbehandlung ein einzelner Arbeitnehmer nicht ohne triftigen Grund ausgenommen werden (RAG ArbRS 40, 209). Bestand einmal eine Verpflichtung zur Leistung des Ruhegehaltes, so kann der AG, falls es nicht ausdrücklich vorbehalten ist, die Zusage n i c h t w i d e r r u f e n oder die Ruhegehaltsvereinbarung k ü n d i g e n (RAG ArbRS 45, 5, vgl. auch B A G 3, 327). Hat er sich den Widerruf vorbehalten, so darf er doch, gemäß seiner Treu- und Fürsorgepflicht, nicht willkürlich, sondern nur aus gutem Grund davon Gebrauch machen, da der A N seine künftige Lebenshaltung darauf eingestellt hat (RAG ArbRS 32, 28; B A G AP Nr. 13,18, zu § 242). Bei bereits in Ruhestand stehenden Arbeitnehmer sind an die Zulässigkeit des Widerrufs besonders strenge Anforderungen zu stellen (BAG a . a . O . Nr. 18). Die Zusage eines Ruhegehaltes schließt eine K ü n d i g u n g des A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e s vor Eintritt der Voraussetzungen nicht aus, es sei denn, daß sie nur erfolgt, um sich der Ruhegeldverpflichtung zu entziehen (BGH 8,365). Eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist auch nach Eintritt der Voraussetzungen zulässig, doch wird der Verlust des Ruhegehaltsanspruches bei Prüfung des wichtigen Grundes zu berücksichtigen sein (RAG ArbRS 33, 172; 39, 344). Auch können grobe Verstöße gegen die dem A N nach seiner Zuruhesetzung noch obliegende Treupflicht den A G von der Fortzahlung des Ruhegehaltes zeitweilig oder ganz entbinden (RAG ArbRS 45, 5 B A G AP Nr. 8 zu § 242). Ebenso können wesentliche Verschlechterungen der wirtschaftlichen Verhältnisse, falls durch Fortzahlung der Ruhegehälter der Fortbestand des Betriebes gefährdet wird, eine zeitweilige Herabsetzung des Ruhegehaltes oder eine zeitweilige Einstellung der Zahlung rechtfertigen (RAG ArbRS 36,188547,1 I2;BAG2,I8, 23,312). Änderungen der Ruhegeldordnung durch Betriebsvereinbarung haben für die ausgeschiedenen, bereits im Ruhestand lebenden Betriebsangehörigen keine Wirkung (BAG GS 3, 1). Zusagen von Witwengeld gelten auch für zweite Ehefrau (BAG 2, 101 A P Nr. 17 zu § 242). Ruhegehalts- und Witwengeldansprüche verj ähren nach § 196 Z 8 B G B innerhalb 2 Jahren (BAG 2, 23; A P Nr. 11 zu § 242). Besteht eine selbständige, rechtsfähige Versorgungs-

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Vor §611 Anm. 24—27

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

einrichtung, so kann der Arbeitgeber nur ausnahmsweise in Anspruch genommen werden (BAG 3, 327). Mangels abweichender Vereinbarung ist anderweiter Verdienst des Ruheständlers nicht anrechenbar (RAG A R S 45, 5; BGH AP Nr. a zu § 242). Aber Anrechnung von Sozialrenten vgl. BAG 2, 23. Anm. 24 c) Urlaub : Ein Anspruch auf bezahlten Urlaub, d.h. Freistellung von der Arbeit unter Fortgewährung des Lohnes während dieser Zeit — bei vorübergehender Kurzarbeit des Durchschnittslohnes •— wird heute für alle AN gewohnheitsrechtlich anzuerkennen sein (BAG 3, 23; anders noch RAG ArbRS 45,98), soweit er nicht, wie im § 21 JugSchG und in den Länderregelungen der Nachkriegszeit (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) gesetzlich geregelt ist. Auch enthalten die meisten TV und die noch geltenden TO-Bestimmungen über den Urlaub, die, soweit sie nicht unmittelbar wirken, für die anderen AN desselben Gewerbezweiges, aber auch desselben Bezirkes herangezogen werden können. Der Urlaub ist meistens erst nach einer gewissen Beschäftigungszeit (Wartezeiten von drei bis zu sechs Monaten) zu gewähren; die Mindestdauer ist überwiegend zwölf Tage, bei Jugendlichen und Schwerbeschädigten 18 Tage, er ist grundsätzlich ungeteilt in Natur zu gewähren, bei Kündigung während des Urlaubsjahres teils der ganze Urlaub, teils ein der Beschäftigungszeit im Jahre entsprechender Teil (vgl. LAG Berlin AP 52 Nr. 15). Vgl. im übrigen Dersch Urlaubsgesetze und die Entscheidungen in AP § 6 1 1 Urlaubsrecht. Anm. 25 Ist der AN am Stichtag dauernd arbeitsunfähig, kann eine Freistellung von der Arbeit nicht mehr gewährt werden, so entfällt auch der Anspruch auf das Urlaubsgeld oder Urlaubsabgeltung (BAG 3, 60). Länger währende Krankheit im Urlaubsjahr mindert aber nach Wiederaufnahme der Arbeit den Anspruch auf den vollen Urlaub für das Urlaubsjahr grundsätzlich nicht (BAG AP § 6 1 1 Urlaub Nr. 13), jedoch können nicht mehr Urlaubstage verlangt werden, als gearbeitet wurde (AP Nr. 9). Bei Berechnung des Urlaubsgelds nach der durchschnittlichen Arbeitszeit eines bestimmten Zeitraumes, sind Krankheits-, Aussetz- oder Streiktage nicht heranzuziehen, sondern nur die Tage, an denen tatsächlich gearbeitet ist (AP Nr. 12). Scheidet der AN, nach dem er den vollen Urlaub erhalten hatte, aus, so braucht er das zuviel gezahlte Urlaubsgeld nicht zurückzuzahlen. Dahingehende Klauseln sind ungültig (AP Nr. 8). Der Urlaubsanspruch, und zwar sowohl der Anspruch auf Freistellung wie auf Zahlung der Urlaubsgelder ist höchst persönlich, nicht vererblich (AP Nr. 7) und nicht pfändbar (h. M. vgl. AP Nr. 17 u. Anm.). Eine Abgeltung ist nur zulässig, wenn ausnahmsweise die Gewährung vor der Entlassung nicht möglich war. Bei unzulässiger Abgeltung ist eine Rückforderung gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen BAG AP 101 zu § 817. Die Urlaubsabgeltung ist jetzt nach § 96 I Nr. 2 AV A V G grundsätzlich auf das Arbeitslosengeld anzurechnen, es sei denn, daß es für einen Zeitraum gewährt wird, der länger als 15 Monate vor der Arbeitslosmeldung liegt; von ihm sind Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen (BSG BB 1957, 1075). Anm. 26 Soweit bei diesen Ansprüchen der Beginn und die Höhe des Anspruches von einer längeren Betriebszugehörigkeit abhängt, wird diese durch einen Wechsel des Unternehmers nicht unterbrochen, falls der Betrieb oder die Betriebsabteilung mit ihren persönlichen, sächlichen und immateriellen Mitteln und dem technischen Zweck im wesentlichen aufrechterhalten bleibt (sog. R e c h t s n a c h f o l g e in den Betrieb, vgl.Denecke, BB 1950, 875). Anm. 27 7. Die Kündigung: Für das Recht der Kündigung gelten besondere Grundsätze. Im Bundesgebiet ist das freie Kündigungsrecht hinsichtlich des größten Teils der Arbeitnehmer beseitigt. Kündigungen sind nur zulässig, wenn sie sozial gerechtfertigt sind. Er-

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Dienstvertrag

V o r § 611 A n m . 28—30

kennt der AN diese durch Unterlassen einer Klage binnen 3 Wochen an oder wird die Berechtigung der Kündigung durch das Arbeitsgericht festgestellt, so erlischt das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Anderenfalls besteht es weiter fort, wenn es nicht durch Urteil auf Antrag des AN oder des A G aufgelöst wird, alsdann ist dem AN eine besondere Entschädigung zuzusprechen. Weiter sind für ältere Angestellte die Kündigungsfristen verlängert, für Schwerbeschädigte von einer Genehmigung einer Behörde abhängig gemacht, für werdende und stillende Mütter gewisse Zeit vor u n d nach der Niederkunft überhaupt ausgeschlossen, ebenso für Heimkehrer nach der Rückkunft. Auch ist die Betriebsvertretung vorher zu hören, d. h. es ist ihr die beabsichtigte K ü n digung und die Gründe dafür bekanntzugeben, damit sie dazu Stellung nehmen u n d er den Sachverhalt aufklären kann. I m einzelnen vgl. § 620. 8. Kollektive R e g e l u n g . Die Arbeitsbedingungen werden jetzt nur noch zum kleinsten Teile (für leitende Angestellte, besondere Fachkräfte u n d als zusätzliche Bedingungen), durch Einzelvereinbarung festgelegt, zum überwiegenden Teile wird der Inhalt des Arbeitsvertrages durch kollektive Regelung gestaltet.

Anm. 28 a) T a r i f v e r t r a g : Den Vorrang hat der Tarifvertrag, der auf überbetrieblicher Basis für bestimmte Gewerbezweige oder Berufsgruppen Regeln gibt. Die in ihm enthaltenen normativen Bestimmungen (die eigentlichen Arbeitsbedingungen) gelten nach § 4 T V G unmittelbar und zwingend (unabdingbar), wenn sowohl der A N wie der AG Mitglied einer der Tarifparteien oder der letztere selbst Partei des T V ist. Sie können nur zugunsten der AN abgeändert werden. Auf Außenseiter kann der T V durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung ausgedehnt werden. Nach Ablauf des T V gelten die Tarifnormen weiter fort, jedoch sind sie nunmehr abdingbar, und zwar selbst dann, wenn sie für allgemein verbindlich erklärt waren (§§ 4 V, 5 V, 2 T V G ) . Die Tarif bestimmungen können aber auch von A N u n d AG für ihr Arbeitsverhältnis durch Einzelvereinbarung — sei es ausdrücklich oder stillschweigend vgl. Anm. 12 aE — als maßgebend erklärt werden, jedoch gelten sie dann nicht alsNormen, sondern kraft der Vereinbarung, können also jederzeit abgeändert werden. Bestimmungen über Urlaubskassen, Pensionskassen u. dgl. wirken nach § 3 I I T V G für alle A N des Betriebes,, dessen Inhaber Mitglied des betr. Arbeitgeberverbandes ist. Ein Verzicht auf tarifliche Ansprüche ist nur noch mit Zustimmung der Tarifparteien wirksam. Das schließt aber einen Vergleich nicht aus, wenn der Anspruch nur in tatsächlicher Hinsicht, z. B.die Anzahl der geleisteten Uberstunden, streitig ist (h. M.). Die V e r w i r k u n g ist gänzlich ausgeschlossen, nicht aber der Einwand der Arglist, der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. H u e c k - N i p p e r d e y , T V G , § 4 Anm. 50—63).

Anm. 29 b) B e t r i e b s v e r e i n b a r u n g : Soweit eine tarifliche Regelung nicht üblich ist oder es ausdrücklich zugelassen wird (§59 BVG; § 64 PVertG), kann auch eine betriebliche Regelung geschehen. Soll sie alle AN eines Betriebes oder einer Abteilung erfassen, so kann sie durch Vereinbarung zwischen AG und der Betriebsvertretung erfolgen. Die Bestimmungen solcher Betriebsvereinbarungen, die der Schriftform bedürfen (§ 52 I I BVG), haben ebenfalls normative Kraft, sind also für alle Mitglieder des Betriebes unabdingbar. Sie sind von beiden Teilen jederzeit, auch fristlos kündbar B A G 4, 232; AP Nr. 3 zu § 56 BVerfG).

Anm. 30 c) B e t r i e b l i c h e Ü b u n g : Neben den Betriebsvereinbarungen gibt es aber auch allgemeine Regelungen, die nur für bestimmte Fälle oder nur für einen Teil der Belegschaft, f ü r einzelne Gruppen Bedeutung haben, meistens besondere Vergütungen für bestimmte Arbeiten gewähren (Erschwerniszulagen, Leistungszuschläge, Pauschalbeträge f ü r Überstunden u. dgl.). Sie werden vielfach zunächst mit dem in Frage kommenden AN verabredet später, bei allen gleichen Arbeiten angewendet, ohne d a ß jedesmal dahingehende Abreden getroffen oder auf die früheren Abreden verwiesen wird. Es entsteht durch diese widerspruchslose Anwendung eine feste Übung. Eine solche ständige Ü b u n g kann aber auch dadurch entstehen, d a ß der AG ohne Einzelvereinbarung mit den in

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V o r § 611 A n m . 31—32

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Frage kommenden AN aus freiem Entschluß längere Zeit besondere Leistungen sei es etwa in Zusammenhang mit Anordnungen auf Grund seines Direktionsrechtes sei es aus besonderem regelmäßig wiederkehrendem Anlaß (Weihnachten, Urlaubsreisen, Ausscheiden nach längerer Dienstzeit oder wegen Invalidität oder Alters) allgemein oder für bestimmte Gruppen gewährt. Diese betriebliche Übung ist kein auf Vertragsgrundlage beruhendes Individualrecht (so H u e c k in der Festgabe für Lehmann I 633), sondern kollektives Recht (vgl. S i e b e r t u. D i e t z in der Festgabe für Nipperdey S. 126 u. 148). Sie hat ebenso wie der Tarifvertrag und die Betriebsvereinbarung vor allem Ordnungsfunktion, soll für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen des Betriebes hinsichtlich gewisser, noch nicht allgemein geregelter Fragen eine gleiche Ordnung schaffen, nicht nur gleiche Rechte, sondern auch gleiche Pflichten begründen. Zwar kann sie, soweit sie auf materiellem Gebiete liegt, nicht mehr wie früher nach dem A O G von dem Unternehmer allein als objektives Recht geschaffen werden, sie kommt vielmehr durch bestimmtes Handeln des A G ( B A G AP Nr. 1 zu § 242 betriebliche Übung) und Einverständnis und Duldens dieses Handelns durch die Belegschaft bzw. der in Frage kommenden Gruppen zustande. Da sie kollektives, nicht individuelles Recht ist, kommt es nicht darauf an, ob der einzelne AN, sondern ob die Gesamtheit der Belegschaft oder die Gruppe damit einverstanden ist. Für die neu eintretenden A N gilt sie, gleichgültig, ob sie ihnen günstig ist oder nicht, ob sie bei ihrem Eintritt davon Kenntnis haben oder nicht, weil sie sich durch den Eintritt der in dem Betrieb bestehenden Ordnung unterwerfen, sofern sie sich nicht bestimmte Rechte vorbehalten oder ihnen vom A G zugesagt werden ( B A G 1, 241). Der Zweck der Übung, eine bestimmte Ordnung zu schaffen, begründet auch den Grundsatz der Gleichbehandlung, der jedoch nicht nur hinsichtlich der gleichen Rechte, sondern auch hinsichtlich der gleichen Pflichten gelten muß. Deshalb ist der A G an sie gebunden, kann nur aus besonderen Gründen davon Ausnahmen machen. Denn die betriebliche Übung verliert ihre Geltung, wenn sie nicht mehr die Regel, die Ordnung hinsichtlich bestimmter Verhältnisse ist, oder sein kann. Auch kann sowohl der A G wie die in Frage kommenden A N in ihrer Gesamtheit sich jederzeit von der Regelung lossagen (vgl.BAG A P Nr. 3 zu § 56 BVerfG) und zwar ohne Kündigung der einzelnen Arbeitsverträge (vgl. Anm. zu A P § 242 BGB Betriebliche Übungen Nr. 2), um sie durch eine neue Ordnung, sei es durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Abreden, oder eine neue ständige Übung zu ersetzen. Einer Kündigung der einzelnen Arbeitsverträge bedarf es dazu nicht (vgl. Anm. zu B A G A P Nr. 2 zu § 242 = Betriebliche Übung). A n m . 31 d ) D i r e k t i o n s r e c h t : Dagegen können die materiellen Arbeitsbedingungen nicht vom A G auf Grund seines Direktionsrechtes gestaltet werden. Denn dieses beschränkt sich auf den zweckmäßigen Einsatz der zu Verfügung gestellten Arbeitskraft ( R A G ArbRSlg. 14,236), muß sich innerhalb der durch Gesamtvereinbarung oder Einzelvereinbarung gezogenen Grenzen halten ( B A G 2,221), darf insbesondere nicht zu einer Kürzung des Lohnes führen. Eine Zuweisung geringer bezahlter Arbeit, insbesondere von Stundenlohnarbeit bei regelmäßiger Akkordarbeit, oder eines anderen ungünstigeren oder geringer zu bewertenden Arbeitsplatzes, ist ohne zuvorige Kündigung nur zulässig, wenn dies im T V , in der Betriebsvereinbarung oder im Einzelvertrag zugelassen ist (st. Rspr. R A G ArbRS 44, 414 mit Nachweisungen; vgl. auch § 6 1 1 Anm. 2). A n m . 32 9. M i t w i r k u n g d e r A r b e i t n e h m e r : Bei der Führung des Betriebes ist der Arbeitgeber nach der neuesten Entwicklung in mehrfacher Hinsicht durch das Mitwirkungsrecht der Arbeitnehmer, das durch die Betriebsvertretung ausgeübt wird, beschränkt, und zwar nicht nur in wirtschaftlichen Angelegenheiten, sondern auch in der Ordnung des Betriebes (Arbeitszeiteinteilung, Urlaubsverteilung, Akkordregelung) und besonders in personeller Hinsicht, bei dem Einsatz der Arbeitskräfte. Nach §§ 60 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes hat der A G in Betrieben mit mehr als 20 A N bei E i n s t e l l u n g e n dem Betriebsrat Mitteilung zu machen, an welchem Platz, in welcher Eigenschaft der A N beschäftigt werden soll und über seine Person Auskunft zu geben. Der Betriebs532

Dienstvertrag

Vor §611 Anm. 33, 34

rat kann innerhalb einer Woche Einspruch erheben, wenn die Einstellung gegen Gesetz, Tarifvertrag oder eine gerichtliche Entscheidung verstößt oder ein durch Tatsachen begründeter Verdacht besteht, daß ein ungeeigneter Bewerber nur auf Grund persönlicher Beziehungen eingestellt oder ein A N in seinen Grundrechten beeinträchtigt werden soll; ferner bei begründeter Besorgnis, daß der Einzustellende nach seinem bisherigen Verhalten den Betriebsfrieden durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten stören würde. Wird die Meinungsverschiedenheit zwischen A G und Betriebsrat durch Verhandlungen nicht beseitigt, so ist der A G zur vorläufigen Einstellung berechtigt. Erhebt aber der Betriebsrat binnen 2 Monaten Klage beim Arbeitsgericht und erachtet dieses die Bedenken für begründet, so endet das vorläufige Arbeitsverhältnis spätestens 14 Tage nach Rechtskraft des Beschlusses. V o n diesem Tage ab darf der A G den betreffenden A N nicht mehr beschäftigen. Das gleiche gilt bei U m g r u p p i e r u n g e n , d. h. wenn ein A N in eine andere Lohngruppe eingestuft oder einen wesentlich anderen als den vereinbarten Lohn erhalten oder auf einen anderen Arbeitsplatz mit geringerem Lohn v e r s e t z t werden soll. Mit Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses hat der A G die vorläufig getroffenen Maßnahmen rückgängig zu machen. Bei leitenden Angestellten i. S. des § 4c besteht ein Einspruchsrecht des Betriebsrates nicht, doch ist ihm vor der Einstellung oder Änderung der Stellung Mitteilung zu machen. V o r jeder K ü n d i g u n g ist der Betriebsrat zu hören. Die Zulässigkeit der Kündigung richtet sich jedoch nach dem Kündigungsschutzgesetz (dazu §620 Anm. 11 ff.). Bei Masseneinstellungen und M a s s e n e n t l a s s u n g e n hat der A G den Betriebsrat möglichst früh zu unterrichten und mit ihm über die Art und den Umfang der Einstellungen und Entlassungen sowie über die Vermeidung von Härten zu beraten. Schließlich ist dem Betriebsrat eingeräumt, von dem A G die Entlassung oder Versetzung eines A N zu fordern, der wiederholt durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten den Betriebsfrieden gestört hat. Entspricht der A G diesem Verlangen nicht, so kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrates dem A G aufgeben, die beantragte Maßnahme unter Einhaltung der K ü n digungsfristen unverzüglich vorzunehmen und die Weiterbeschäftigung untersagen.

Anm. 33 Auch bei den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben ist in dem Personal-

vertretungsgesetz v. 5. 8. 1955 (BGBl. I 477) eine Mitwirkung der Personen Vertretungen in ähnlicher Weise vorgesehen, nur daß die Einwendungen gegen Maßnahmen der Dienststellen z. T . auf bestimmte Fälle beschränkt und über sie in einem besonderen Verfahren vor den Stufenvertretungen zu verhandeln ist und bei mangelnder Einigung in Fällen der Mitbestimmung nicht das Arbeitsgericht, sondern eine besondere Einigungsstelle zu entscheiden hat.

10. Ausbildungsverhältnisse Anm. 34 a ) D a s L e h r v e r h ä l t n i s : Es ist weder ein reines Arbeitsverhältnis noch ein reines Erziehungsverhältnis. Denn der Lehrling soll zu einem Facharbeiter ausgebildet werden, der im Zusammenhange mit anderen Arbeitern seine Aufgabe erfüllen kann, und wird deshalb, abgesehen von der ersten Zeit oder der Zeit, in der er in einer Lehrlingswerkstatt tätig ist, zu praktischen Arbeiten herangezogen und in den Produktionsprozeß eingegliedert, seine Arbeitsleistungen werden, je mehr seine Ausbildung sich dem Ende nähert, um so mehr zu vollwertigen Arbeitsleistungen. Das Lehrlingsverhältnis ist daher als ein A r b e i t s v e r h ä l t n i s b e s o n d e r e r A r t anzusehen, bei dem die Ausbildung zunächst überwiegt, später aber gegenüber der Arbeitsleistung mehr und mehr zurücktritt (vgl. S i e b e r t , BB 1951, 496, N i k i s c h S.247 L A G Frankfurt A P 52 Nr. 208). Uber Lernschwestern vgl. B A G A P Nr. 10 § 611 Lehrverhältnis. Es können und müssen daher die für das Arbeitsverhältnis geltenden Rechtsgrundsätze insoweit Anwendung finden, als sie mit dem Ausbildungszweck vereinbar sind. Das gilt auch für die L e h r l i n g s v e r g ü t u n g , die zwar kein Entgelt für geleistete Arbeit, sondern eine Erziehungsbeihilfe ist, die aber in mancher Hinsicht, so hinsichtlich der Risikotragung, der Fortzahlung bei Erkrankungen ( R A G A r b R S 42, 256) und des Lohnschutzes den für die Arbeitslöhne geltenden Grundsätzen unterliegt. Die Erziehungsbeihilfe wurde erstmalig einheitlich

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V o r § 611

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 35 geregelt in der Anordnung v. 25. 2. 1943 (RGBl. I, 164), die gemäß Art. 125 G G als Bundesrecht weiter fortgilt, soweit sie nicht vorher durch landesgesetzliche Regelungen geändert war, die nunmehr ebenfalls als Bundesrecht fortgelten und daher durch die Länder nicht geändert werden können. Dagegen können die behördlichen Regelungen gemäß § 9 T V G durch Tarifverträge ersetzt werden. Eine solche tarifliche Regelung der Lehrlingsvergütung wird zwar von Handwerkerseite abgelehnt, von der herrschenden Meinung der Rechtslehre und der Rechtsprechung a"ber zugelassen (vgl. S c h w e i n s t h a l , R d A 1951, 321). Außerdem gelten für das Lehrverhältnis noch die Vorschriften der §§ 76—82 HGB, 126fr. GewO; §§ 21—40 HandwO. Der Lehrvertrag muß, um voll wirksam zu sein, schriftlich abgeschlossen werden (§§ 79 H G B ; i 2 7 d GewO, 21 HandO), jedoch ist der Schadensersatzanspruch aus § 27 davon nicht mehr abhängig ( L A G Düsseldorf AP Nr. 1 zu § 21 HandwO). Bei Handlungslehrlingen können die Parteien die D a u e r des L e h r v e r h ä l t n i s s e s frei bestimmen ( B A G A P Nr. 1 § 29 HandwO), bei Handwerkerlehrlingen wird die Dauer der Lehrzeit für die einzelnen Handwerksberufe durch den Bundesarbeitsminister bestimmt. Jedoch können die Parteien mit Zustimmung der Handwerkskammer abweichende Vereinbarungen treffen, die auch von der Handwerkskammer durch Herausgabe von Muster-Lehrverträgen allgemein erteilt werden kann. Auch kann die Handwerkskammer im einzelnen Falle den Lehrling von der Innehaltung der Lehrzeit entbinden (§§30, 31 HandwO, § 127b GewO). Das Lehrverhältnis kann sowohl bei Handwerkslehrlingen wie bei Handlungslehrlingen während der Probezeit (1—3 Monate) ohne Frist gelöst werden, danach nur aus einem wichtigen Grunde, binnen 2 Wochen nach Bekanntwerden des wichtigen Grundes (§ 25 HandwO, § 127 6 GewO). Sonst endet das Lehrverhältnis mit Ablauf der Lehrzeit (§ 28 HandwO), bei Handwerkslehrlingen auch bei vorzeitig abgelegter Prüfung, jedoch ist ihnen nach § 6 der Anordnung über Erziehungsbeihilfen v. 25. 2. 1943 von dem nächsten Monat ab der volle Gesellenlohn zu zahlen ( B A G A P Nr. 1 zu § 28 HandwO). Damit endet auch die Beschäftigungspflicht des AG, das Lehrverhältnis geht nicht etwa automatisch in ein Arbeitsverhältnis über. Wird jedoch der Lehrling weiterbeschäftigt und damit stillschweigend ein Arbeitsverhältnis geschlossen, so ist ihm alsdann der volle Arbeitslohn zu zahlen (vgl. L A G Freiburg A P 52, Nr. 173 u. Anm). Uber Schadensersatzansprüche des Lehrlings, wenn der Lehrherr keine Befugnis zur Ausbildung hatte und die Lehrzeit deshalb nicht angerechnet wird vgl. L A G Dortmund, A r b R S 29, 21, und wenn der Lehrherr die verspätete Ablegung der Prüfung verschuldet hat L A G Hannover, A P 50, Nr. 3 1 4 ; Düsseldorf BB 54, 346; Bremen A P 1 Nr. 1 § 764 HGB. § 1 1 3 BGB ist abweichend von R A G A R S 5, 330; 13, 137 nach der überwiegenden Meinung des neueren Schrifttums und der neueren Rechtsprechung auf Lehrverhältnisse nicht anwendbar. (Vgl. Anm. 9 zu § 1 1 3 , SAP Nr. 1 zu § 21 HandwO u. Anm.).

Anm. 35 b) A n l e r n - u n d U m l e r n v e r h ä l t n i s : Ein Anlernverhältnis liegt nach der Begriffsbestimmung der oben genannten Anordnung über Erziehungsbeihilfen vor, wenn ein jugendlicher oder erwachsener Arbeiter auf Grund eines Anlernvertrages in einem anerkannten Anlernberuf ausgebildet werden soll, d. h. ihm durch eine Sonderausbildung für eine bestimmte Tätigkeit gewisse Fähigkeiten und Kenntnisse, aber nicht eine umfassende Ausbildung wie beim Handwerker gegeben werden soll. Das Anlernverhältnis nähert sich noch mehr dem Arbeitsverhältnis, da die Ausbildung hier zumeist in praktischer Arbeitsleistung unter stärkerer Beaufsichtigung und Anweisung besteht, so daß auch hier die allgemeinen Grundsätze für das Arbeitsverhältnis anwendbar sind. Indessen erhalten auch die Anlernlinge keinen Lohn, sondern ebenfalls nur eine Erziehungsbeihilfe, die nach der genannten Anordnung die gleiche Höhe wie bei Lehrlingen hat. Bei dem sog. U m l e r n v e r h ä l t n i s , d . h . wenn Arbeiter, die früher eine bestimmte berufliche Tätigkeit ausübten, nunmehr zu einer anderen in einer meistens nur kurzen Zeit ausgebildet werden sollen, wird ein volles Arbeitsverhältnis vorliegen, währenddessen, falls nicht eine tarifliche Regelung entgegensteht, entsprechend der geringeren Leistung ein geringerer Lohn als sonst üblich gezahlt werden kann. 534

Dienstvertrag

Vor §611

Anm. 36, 37

Anm. 36 c) Volontär- und Praktikantenverhältnis:

Das Volontärverhältnis unter-

scheidet sich von dem Lehrverhältnis dadurch, daß nicht eine geregelte Fachausbildung für den Beruf eines Angestellten oder eines gewerblichen Arbeiters bezweckt wird, sondern eine bereits bestehende Fachausbildung nur durch Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse in einer bestimmten Richtung vervollkommnet werden soll, vom Arbeitsverhältnis dadurch, daß nicht eine Berufsausübung gegen Entgelt bezweckt ist ( R A G A r b R S 25, 125; B A G 1, 221), nicht die volle Tätigkeit eines gleichbeschäftigten A N ausgeübt wird ( L A G Hamburg A P 51 Nr. 202; Frankfurt A P 52 Nr. 208). Eine Vergütung ist also nicht grundsätzlich ausgeschlossen •—• anders nach § 83 H G B hinsichtlich der Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen —, sie darf aber nur ein Beitrag zur Lebenshaltung während der Ausbildungszeit sein. Ob der Ausbildungszweck oder die entgeltliche Berufsausübung überwiegen, ist Tatfrage; es muß aber ein strenger Maßstab angelegt werden, um die Umgehung von Tariflöhnen zu verhindern. Im übrigen gelten im wesentlichen die gleichen Regeln wie beim Lehrverhältnis. Kein Arbeitsverhältnis liegt indessen vor bei einem sog. Gastvolontär, der sich nur in dem Betriebe umsehen und nach eigenem Belieben betätigen, z. B. an gewissen Operationen teilnehmen kann (vgl. B A G 1, 217). Das sog. P r a k t i k a n t e n v e r h ä l t n i s wird dagegen in der Regel ein reines Arbeitsverhältnis sein, da hierbei keine Ausbildung zu einem Facharbeiter oder einem gelernten Arbeiter erfolgen soll, sondern nur ein Kennenlernen für die spätere Berufsarbeit als Ingenieur oder Architekt bezweckt ist. Ob der volle Lohn zu zahlen ist, ist von der Art der Beschäftigung abhängig, läßt sich also nur von Fall zu Fall, unter Berücksichtigung der tariflichen Bestimmungen, sagen.

Anm. 37 1 1 . E r f i n d u n g e n d e r A r b e i t n e h m e r : Durch das Gesetz v. 25. 7. 1957 (BGBl I 756) ist das Recht der Arbeitnehmererfindungen neu geregelt. Es unterscheidet einmal zwischen schutzfähigen Erfindungen (Patent und Gebrauchsmuster) und den sonstigen technischen Neuerungen, bei Erfindungen wiederum zwischen Diensterfindungen und freien Erfindungen. D i e n s t e r f i n d u n g e n sind die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemachten Erfindungen, die entweder aus der dem A N in dem Betrieb obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder maßgeblich auf Erfahrungen und Arbeiten des Betriebes beruhen. Die sonstigen, f r e i e n E r f i n d u n g e n muß der AN, es sei denn, daß sie etwa im Bereich des Betriebes offensichtlich nicht verwendbar sind, dem A G bekanntgeben, damit dieser prüfen und entscheiden kann, ob es sich um eine Diensterfindung handelt oder ob er sie als in dem Arbeitsbereich seines Betriebes fallend in Anspruch nehmen will. Auch die Diensterfindung hat der A N unverzüglich schriftlich zu melden unter Bezeichnung der technischen Aufgaben und ihrer Lösung und des Zustandekommens (§5). Der A G hat innerhalb einer Ausschlußfrist von 2 Monaten etwaige Ergänzungen der Meldung zu fordern und spätestens innerhalb 4 Monaten nach Eingang der Meldung oder der Ergänzungen zu erklären ob er die Erfindung unbeschränkt oder beschränkt in Anspruch nehmen will. Nimmt er sie unbeschränkt in Anspruch, so gehen sämtliche Rechte der Diensterfindung auf ihn über, bei beschränkter Inanspruchnahme erhält er nur ein Mitbenutzungsrecht an der Erfindung, während im übrigen der A N frei über sie verfügen kann. Wird durch das Benutzungsrecht der A N unbillig erschwert, so kann der A N verlangen, daß der A G binnen 2 Monaten die Erfindung entweder unbeschränkt in Anspruch nimmt oder sie völlig freigibt (§§ 6, 7). Im Falle der unbeschränkten Inanspruchnahme, hat der A G unverzüglich die Erfindung zur Erteilung des Schutzrechtes anzumelden, es sei denn, daß der A N die Nichtanmeldung zustimmt oder es sich um ein Betriebsgeheimnis (§ 17) handelt. Der A G hat den A N über den Gang des Anmeldungsverfahrens auf den laufenden zu halten und ihn rechtzeitig vorher mitzuteilen, wenn er die Anmeldung aufgeben will. Mit der Inanspruchnahme entsteht der Anspruch der A N auf Zahlung einer angemessenen Vergütung (§9). Die Vergütung bemißt sich, sofern nicht vom Bundesarbeitsminister Richtlinien aufgestellt sind ( § 1 1 ) nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, der Aufgabe und Stellung des A N im Betriebe sowie dem Anteil des Betriebes an dem Zustandekommen der Erfindung. Die Höhe der Vergütung soll in erster Linie durch Vereinbarung festgelegt werden, kommt 35

Komm. 2. BGB, u . Aufl. II. Bd. (Denecke)

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Anm. 38

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

es dazu nicht, kann der A G sie einseitig festsetzen, der A N muß innerhalb 2 Monaten widersprechen, anderenfalls diese Festsetzung auch für ihn verbindlich wird. Bei Streit über die Angemessenheit der Vergütung ist sie auf K l a g e von dem Arbeitsgericht festzusetzen (§ 39 I I ) , während alle sonstigen Streitigkeiten vor dem für Patentstreitigkeiten zuständigen Zivilgerichten auszutragen sind. Die Gerichte können jedoch erst angerufen werden, nachdem ein Schiedsverfahren von der Schiedsstelle des Patentamtes vorhergegangen ist (§§ 29fr.). Für t e c h n i s c h e V e r b e s s e r u n g s v o r s c h l ä g e , die nicht schutzfähig sind, dem A G aber eine wirtschaftliche Vorzugstellung geben, weil er bei Geheimhaltung sie allein verwerten kann, hat der A N ebenfalls einen Vergütungsanspruch, der aber entfällt, wenn der Vorschlag allgemein bekannt und verwertet wird. Für andere Verbesserungsvorschläge sind die Vergütungen durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zu regeln. Für Erfindungen und technische Verbesserungen von A n g e h ö r i g e n d e s ö f f e n t l i c h e n Dienstes gelten im allgemeinen die Bestimmungen für private Arbeitnehmer mit der Maßgabe, daß der Dienstherr an Stelle der Inanspruchnahme der Diensterfindung eine angemessene Beteiligung an den Erträgen der Erfindung verlangen kann, auch im öffentlichen Interesse durch allgemeine Anordnung den A N Beschränkungen hinsichtlich der Verwertung von Diensterfindungen auferlegt werden können. Erfindungen von H o c h s c h u l l e h r e r und H o c h s c h u l a s s i s t e n t e n , die sie in ihrer Eigenschaft als Angehörige der Hochschule gemacht haben, sind freie Erfindungen. Der Dienstherr kann aber eine Beteiligung an deren Erträgen verlangen, wenn er für die konkrete Forschungsaufgabe besondere Mittel aufgewendet hat.

Anm. 38

IV. Öffentlicher Dienst

Z u den A n g e h ö r i g e n des ö f f e n t l i c h e n D i e n s t e s gehören nicht nur die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehenden Beamten, sondern alle bei der Erfüllung der staatlichen Aufgaben tätigen Personen. Denn der Staat (Bund und Länder) läßt die ihm obliegenden Aufgaben obrigkeitlicher, beschützender und fürsorgerischer Art nicht nur durch eigene Behörden und Selbstverwaltungsbehörden (Gemeinden, Gemeindeverbände; kommunale Versorgungsbetriebe, B A G 3 , 1 2 5 ) ausführen, sondern betraut damit auch besondere öffentliche Körperschaften (wie Sozialversicherungsbehörden), private Vereine (Dampfkesselüberwachungsvereine, Wohltätigkeitsvereine) und auch einzelne Personen (Notare, Fleischbeschauer, Feldhüter u. a.). Auch erfolgt die Durchführung dieser Aufgaben nicht nur durch Ausübung hoheitlicher Befugnisse, sondern auch auf privatrechtlichem Wege, durch Betätigung im privatrechtlichen Rechts- und Geschäftsverkehr (vgl. § 89 Anm. 5). O b die mit diesen öffentlichen Diensten betrauten Personen zu dem Staat oder zu den mit der Ausführung dieser Aufgaben betrauten Stellen in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen, hängt von der jeweils getroffenen Regelung ab. Denn wesensmäßig ist es nach heutigen Anschauungen nicht ausgeschlossen, daß auch hoheitliche Befugnisse von einer auf Privatdienstvertrag angestellten Personen ausgeübt werden. Die vom R G früher vertretene Meinung ( R G 125, 421 mit Nachweisungen), daß die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auch auf das Innenverhältnis sich auswirke, ein Angestellter, der ständig mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betraut wird, dadurch wesensmäßig zum Beamten werde, sein privatrechtlicher Dienstvertrag sich ohne weiteres in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis verwandle, ist seit dem deutschen Beamtengesetz von 1937 überholt, da nach dessen § 27 — ebenso § 6 B B G und die neuen Ländergesetze — ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nur durch ausdrückliche Berufung in ein Beamtenverhältnis und Aushändigung einer dahingehenden Ernennungsurkunde begründet wird. A n dieser Regelung ist durch das Bonner Grundgesetz nichts geändert worden. Denn die Bestimmungen des Art. 3 3 I V , V G G , daß die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und Treueverhältnis stehen, zu übertragen, und das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln sei, ist nur eine Anweisung an

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Vor §611 A n m . 39, 40

den Bund und die Länder hinsichtlich der künftigen Gesetzgebung und der Organisation ihrer Verwaltung, besagt aber nicht, daß nun alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen müßten und ständen (vgl. F i s c h b a c h , DVB11951,307,525). Denn es wird in dieser Bestimmung gerade anerkannt, daß hoheitliche Befugnisse auch von Angestellten ausgeübt werden können. Überdies ist es fraglich, ob der größte Teil solcher Angestelltentätigkeit, wie die Protokollierung bei Sitzungen und Beweisaufnahmen und die mit der mechanischen Herstellung verbundene Ausfertigung amtlicher Entscheidungen und Bescheide, also die äußerliche Herstellung einer öffentlichen Urkunde, wie auch die Ausstellung einfacher Ausweise, Bescheinigungen, Bezugsanweisungen durch Ausfüllung von Formularen überhaupt noch als eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse zu betrachten ist. A n m . 39 Es sind also bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes drei Gruppen zu unterscheiden, 1. die auf privaten Dienstvertrag angestellten Arbeiter und Angestellten, 2. die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beamten, 3. die mit der Ausübung staatlicher Aufgaben unmittelbar betrauten Einzelpersonen, die Inhaber eines Amtes, bei denen es wiederum von der jeweils getroffenen Regelung abhängt, ob sie zu der Stelle, die ihnen die Befugnis überträgt, in einem öffentlich-rechtlichen oder einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen (vgl. hinsichtlich der Fleischbeschauer RAG ArbRS 42, 379; B G H 22, 246 sehr bedenklich [s. Anm. 40]; pr. Feldhüter RG 142, 190; B G H 2, 3 5 1 ; NJW 57, 261 und hinsichtlich der Notare Anm.69ff.), oder ob ihnen staatliche Aufgaben nur neben ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit übertragen sind, ohne daß sie in ein besonderes Rechtsverhältnis zum Staate treten, wie z.B. Ärzte und Anwälte. A n m . 40 1. Arbeiter und Angestellte in öffentlichen Betrieben Sie stehen zu der Stelle, für die sie tätig sind, der staatlichen Behörde, Gemeindebehörde oder der öffentlichen Körperschaft in einem echten Arbeitsverhältnis. Denn mögen sie auch in vieler Hinsicht den Beamten gleichgestellt sein z. B. hinsichtlich der Wählbarkeit und der Stellung nach der Wahl (Art. 137 GG, § 5 Wahlgesetz; Ges. v. 4. 8. 1955 — BGBl I 777), hinsichtlich der Haftung (Art. 34 GG, § 1 Erstattungsges.), der Geheimhaltungspflicht (VO gegen Bestechung und Geheimnisverrat v. 22. 5. 1943, RGBl. I 350) und mag auch dem Gesetzgeber durch Art. 33 V G G die Aufgabe gestellt sein, ihr Dienstverhältnis nach dem Vorbilde des Beamtenrechts zu regeln, so bilden sie nach der derzeitigen Rechtslage doch nicht neben den Beamten und Arbeitern eine selbständige Gruppe, ihr Dienstverhältnis ist nicht öffentlich-rechtlicher Natur, sondern beruht nach wie vor auf bürgerlichrechtlicher Grundlage (h. M. RAG ARS 43, 307; BAG 1, 205; 2, 221; B S o z G AP Nr. 15 zu § 2 ArbGG, Bd. 2, 53; B V e r w G ZBB 1956, 1352; H u e c k , Lehrb. I 70, W a c k e , Grundlagen des öffentlichen Dienstrechts 1957, 26, 37, 45 u. a.). Demgemäß haben die gesamten materiellrechtlichen Grundsätze und auch die Arbeitsschutznormen (Kündigungsschutz) Anwendung zu finden. Hieran wird auch dadurch nichts geändert, daß auf Grund von Einzelvereinbarung, Gesamtvereinbarung oder einer auf Grund besonderer Ermächtigung erlassenen Dienstordnung (§§ 353> 69 o R V O ) dem Angestellten eine mehr beamtenähnliche Stellung gegeben ist, z. B. die Kündigung nach einer gewissen Beschäftigungszeit beschränkt oder ganz ausgeschlossen ist, der Lohn sich nach der Beamtenbesoldung richten soll oder die beamtenrechtlichen Urlaubs-, Ruhegehalts- oder Arbeitszeitbestimmungen Anwendung finden sollen. Die Verweisung auf einzelne beamtenrechtliche Grundsätze hat nicht zur Folge, daß auch die anderen Grundsätze ohne weiteres anwendbar und die Regeln des Arbeitsverhältnisses ausgeschaltet sind (RAG ArbRS 16, 357; 43, 3 1 7 ; B G H 21, 122). Soweit durch Einzelvereinbarung eine Verweisung auf beamtenrechtliche Bestimmungen erfolgt, bleiben diese Vertragsrecht, und sie können jederzeit, auch stillschweigend, von den Parteien abgeändert werden. Andererseits ändern sich aber diese vertraglichen Regeln mangels gegenteiliger Abrede ohne weiteres mit der Veränderung der beamtenrechtlichen Bestimmungen (RAG ArbRS 6, 286; 10, 3 1 3 ; B G H L M Nr. 16 zu § 242

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V o r § 611 A n m . 41

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

BGB). Wird das Angestelltenverhältnis allgemein dem Beamtenrecht unterstellt, so hat dies zur Folge, daß das für Beamte allgemein bestehende größere Weisungsrecht der vorgesetzten Behörde auch für die Angestellten gilt, sie alsdann in gleicher Weise wie die Beamten der vorgesetzten Behörde untergeordnet sind. Dagegen finden die öffentlichrechtlichen Vorschriften über Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche der Beamten (vgl. jetzt § 126 BeamtRRahmG) keine Anwendung, es bleibt vielmehr für sie der Rechtsweg und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bestehen (a. M. B G H 22, 246 vgl. jedoch die Anm. AP Nr. 6 1 1 ; Fleischbeschauer Nr. 1 u. BAG AP Nr. 20 zu § 3 TOA). Aber auch ohne solche Abreden müssen die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes auf die beiderseitigen Pflichten sich mehr oder weniger auswirken. Das wird zwar in den Betrieben, die eine rein gewerbliche, wirtschaftliche Betätigung des Staates, der Gemeinden oder einer öffentlichen Korporation enthalten, gar nicht oder nur beschränkt der Fall sein. Aber schon in den sog. Versorgungsbetrieben der Gemeinden kann der Zweck, die Bevölkerung fortlaufend mit Wasser, Gas und Elektrizität zu versorgen, erhöhte Arbeitspflichten, namentlich bei Störungen, erfordern. Bei der eigentlichen Verwaltungstätigkeit erhöht sich allgemein die Treupflicht der Angestellten. Denn jeder öffentliche Dienst bedarf des besonderen Vertrauens der Allgemeinheit und Rücksichtnahme auf die Allgemeinheit und ihre Glieder. Ein Angestellter darf deshalb nicht etwa aus einer anderen politischen Gesinnung heraus den von den verantwortlichen Vertretern des Volkes gesetzten Zielen entgegenwirken, muß sich vielmehr einer Betätigung der ihm durch Artikel 3 und 5 G G gewährten Grundrechte bei seiner dienstlichen Beschäftigung enthalten (LAG München und Frankfurt, BB 1951, 701, 896; B A G 1, 185) und muß, ebenso wie der Beamte, die ihm gegebenen Weisungen ihrem Sinn und Zweck gemäß ausführen, hat also eine erhöhte Gehorsamspflicht (§ 3 ATO). Au» gleichem Grunde erhöht sich seine Schweigepflicht, und zwar nicht nur hinsichtlich der ihm über Einzelpersonen zur Kenntnis gekommenen Tatsachen, sondern auch hinsichtlich der die Allgemeinheit interessierenden Fragen. Der erhöhten Pflicht des Angestellten, entspricht eine gesteigerte Fürsorgepflicht der Verwaltung ihnen gegenüber (RAG ArbRS 34, 153). Freilich ist das Weisungsrecht der Verwaltung größer als sonst im Arbeitsrecht. Denn die Arbeitstätigkeit wird in dem Anstellungsvertrage meistens nur ganz allgemein bestimmt, die vorgesetzte Behörde kann den einzelnen Angestellten entsprechend den Bedürfnissen der Verwaltung einsetzen, ja u. U. auch zu einer anderen Dienststelle abordnen und im Einverständnis mit der Personalvertretung endgültig versetzen (§71 PersVertG). Aber gerade wegen der erhöhten Befugnisse muß der Vorgesetzte bei der Ausübung seines Weisungsrechtes auf das Wohl des Angestellten ständig bedacht sein, darf ihn nicht dauernd überanstrengen und muß vor allem dafür sorgen, daß der Angestellte das seiner Arbeitsleistung entsprechende Gehalt erhält. Entstehen durch V e r s c h u l d e n des B e h ö r d e n a n g e s t e l l t e n Dritten Schäden, so h a f t e t dafür nach Art. 34 G G in erster Linie der Staat oder die öffentliche Körperschaft, in deren Diensten er steht (vgl. B G H 2, 351). Denn im Sinne der Staatshaftung ist Beamter jeder, den der Staat oder eine öffentliche Körperschaft irgendwie mit der Ausübung obrigkeitlicher Aufgaben betraut (st. Rspr., RG 160, 201). Da nach Satz 2 des Art. 34 GG ein Rückgriff nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zulässig ist, bleibt aber der Behördenangestellte bei leichten Versehen in seiner dienstlichen Tätigkeit von jeder Haftung frei. Insoweit ist also der Behördenangestellte dem Beamten völlig gleichgestellt (s. Anm. 17—19). A n m . 41 2. B e a m t e Hierher gehören alle im Dienste des Bundes, der Länder (auch Hessens B G H G 22), der Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften stehenden Beamten, die Geistlichen und die Lehrer an öffentlichen Schulen soweit sie nicht auf Privatdienstvertrag angestellt sind (BAG 1, 209; 3 258) bez. Lehrbeauftragte an Universitäten B A G AP Nr. 3 zu § 6 1 1 Dozenten). Das Dienstverhältnis der Beamten mit den ihm eigenen Besonderheiten, dem Zwangs- und Überordnungsverhältnis der vorgesetzten Behörde (vgl. B G H 6, 12; 9, 328; 16, 200) und der Gehorsamspflicht und Dienstpflicht der Beamten sowie die Versorgungsverhältnisse der Hinterbliebenen sind öffentlich-

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Dienstvertrag

Vor § 611 A n m . 42—43

rechtlicher Natur und unterstehen daher, auch soweit es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, nicht den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, sondern des öffentlichen Bundes- und Länderrechtes. Nach § 126 des Beamtenrechtsrahmengesetzes v. 1. 7. 57 (BGBl. I 667), der für alle Beamtenverhältnisse bindende K r a f t hat, ist deshalb für jegliche vermögensrechtliche Ansprüche nur noch der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Anm. 42 Der Beamte hat dem Staat oder der Körperschaft, in dessen Dienst er steht, seine volle Arbeitskraft zu widmen und ist auch im Innenverhältnis zur Treue verpflichtet, während andererseits der Staat und damit jeder Vorgesetzte kraft der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten ist, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit und Wohlwollen zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihrer Dienste nach Möglichkeit zu erleichtern und alles zu vermeiden, was für ihr Fortkommen von Nachteil sein könnte ( R G 1 4 1 , 389; B G H 1 5 , 187), z. B. ihm über seine Diensteinkünfte eine richtige und vollständige Auskunft zu erteilen oder ihm über die Tragweite der ihm anheimgestellten Anträge und Entschließungen sachgemäß aufzuklären ( B G H 7,70). Der Vorgesetzte darf aus einem Sachverhalt, auch wenn er mit in die Personalakten aufgenommen ist, dem Beamten ungünstige Folge nur dann ziehen, wenn er ihm Gelegenheit gegeben hat, dazu Stellung zu nehmen ( B G H Z 22, 259). Ein Anspruch auf Gewährung einer bestimmten dienstlichen Stellung, insbesondere auf Beförderung besteht aber auch auf Grund der Fürsorgepflicht nicht ( R G 146, 349; 159, 247; B G H 1 5 , 1 8 5 ; 2 1 , 256); anders bei Zusage einer im Etatvorschlag vorgesehenen Stelle ( B G H 23, 36 [41]). Bei Beurteilung der Fürsorgepflicht können auch die für den bürgerlich-rechtlichen Dienstvertrag und das Arbeitsverhältnis geltenden Schutzvorschriften, wie § 618, herangezogen werden. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine entsprechende Anwendung dieser privatrechtlichen Bestimmungen, sondern nur um die Heranziehung der darin zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgrundsätze, und es müssen daher die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes berücksichtigt werden ( R G 1 4 1 , 389). Uber die Frage, ob ein Verstoß gegen die dem Beamten gegenüber obliegende Fürsorgepflicht zugleich eine Amtspflichtverletzung gemäß §839 B G B enthält, vgl. R G 1 3 7 , 8 1 ; 1 4 1 , 390; B G H 14, 1 3 7 ; 15, 1 8 7 ; dagegen I d e l N J W 1955, 1360 und § 89 Anm. 8 über die entsprechende Anwendung des § 278.

A n m . 42 a Das G e h a l t ist keine Gegenleistung für geleistete Dienste, sondern Gewährung des standesgemäßen Lebensunterhaltes, ebenso das Ruhegehalt. Diesen Lebensunterhalt muß der Dienstherr grundsätzlich selbst gewähren und kann deshalb nicht auf anderweites Einkommen, insbesondere nicht auf anderweites privates Arbeitseinkommen verweisen ( B G H 20, 15). Anrechenbar ist nach § 127 D B G , § 158 B B G nur das Einkommen eines Ruhestandsbeamten aus einem anderen öffentlichen Dienst.

Anm. 43 D e r B e a m t e h a n d e l t s t e t s n u r k r a f t s e i n e s A m t e s . Auch wenn er nur auf Antrag und für einen anderen tätig wird, dessen Rechte gegenüber Dritten wahrnimmt, steht er zu ihm nicht in einem Auftrags- oder Dienstverhältnis, nimmt keine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 vor. Entsteht anderen Personen aus der Tätigkeit des Beamten durch dessen Verschulden ein Schaden, so haftet gemäß Art. 34 G G der Staat oder die Körperschaft, in dessen Dienst er steht ( B G H 2, 3 5 1 , 6, 2 1 5 ) . Der Beamte selbst kann nur von seiner Dienstbehörde für den von ihm verschuldeten Schaden in Anspruch genommen werden, soweit er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, also nicht bei leichten Versehen (Art. 34 Satz 2 G G ) . Soweit ein Beamter in einem Organ eines wirtschaftlichen Unternehmens für seine Körperschaft tätig ist, hat diese bei leichter Fahrlässigkeit die Haftung zu übernehmen (vgl. § 12 D B G ; § 67 BBG). Auch bei sonstiger Betätigung im wirtschaftlichen Bereich wie bei unmittelbarer Schadenszufügung, insbesondere für Fehlbeträge bei der fiskalischen Vermögensverwaltung, entfällt im allgemeinen bei leichter Fahrlässigkeit eine Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn (s. Anm. 17, D e n e c k e R d A 1952 S. 209). Wird mit dem Staate oder der

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V o r § 611

Schuldverhäitnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 43 a—46 öffentlichen Behörde von einem Dritten ein Vertrag geschlossen, so kann der Beamte nur gemäß § 1 7 9 B G B in Anspruch genommen werden, wenn er seine Vollmacht überschritten hat oder sich einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht hat. Sonst können Ansprüche nur gegen die Körperschaft aus dem Vertrage erhoben werden.

Anm. 43a Alles dies gilt insbesondere auch für den G e r i c h t s v o l l z i e h e r . Während ursprünglich, als dieser kein Gehalt erhielt, sondern nur auf die Gebühren angewiesen war, angenommen wurde, daß durch die Beauftragung mit einer Zustellung oder der Durchführung einer Zwangsvollstreckung ein Auftrag oder Dienstverhältnis entstände, steht seit dem Beschluß der vereinigten Zivilsenate in R G 82, 85 fest, daß der Gerichtsvollzieher bei Vornahme aller seiner Handlungen (Zustellungen, Zwangsvollstreckungen, Pfandversteigerungen nach §§ 1 2 3 5 fr. B G B , freiwilligen Versteigerungen) selbst bei Wahrnehmung der Rechte Dritter nur als Beamter, nicht als Vertreter oder im Auftrage anderer handelt ( R G 9 1 , 1 7 9 ; 102, 79; 144, 202 u. a.). Uber einzelne Fälle von Amtspflichtverletzungen des Gerichtsvollziehers s. § 839.

V. Verfolgung der Ansprüche aus Dienst- und Arbeitsverträgen A n m . 44 Regelmäßig hat der Dienstberechtigte (Arbeitgeber) einen k l a g b a r e n A n s p r u c h nur (positiv) auf Leistung der versprochenen Dienste, ohne jedoch in dieser Richtung einen gerichtlichen Zwang geltend machen zu können (§ 888 Abs. 2 Z P O ) . Dagegen hat er nicht ohne weiteres einen (negativen) Anspruch dahin, daß der Verpflichtete während seiner Vertragszeit bei k e i n e m a n d e r e n Arbeitgeber Dienste nehme (§ 6 1 1 Anm. 1). Doch kann in dieser Beziehung i n f o l g e b e s o n d e r e r V e r e i n b a r u n g ( R G 72, 393; J W 1 9 1 0 , 5 8 5 " ) , auch ohne solche a u f G r u n d d e r g e g e n s e i t i g e n T r e u p f l i c h t , bei Vorliegen eines besonderen Interesses des Dienstherrn an dem Unterbleiben der Arbeitsleistung bei einem Dritten, ein Anspruch, seinem Bediensteten die Dienstleistung bei einem anderen Geschäftsherrn zu verbieten, sich ergeben, und in diesem Falle wird sich auch der gerichtliche Zwang rechtfertigen lassen ( L A G HamburgBremen, Württemberg u. a. A P Nr. 1 — 5 zu § 6 1 1 Anspruch auf Arbeitslenkung), so ist z. B. gegenüber einem Schauspieler, der sich verpflichtet hat, nur auf einer bestimmten Bühne aufzutreten, ein gerichtliches Strafverbot im Falle des Auftretens auf einer Wettbewerbsbühne für zulässig erachtet worden ( R G 29. 1. 1904 I I I 517/03).

A n m . 45 Die Vorschriften der §§ 850—856 Z P O über die P f ä n d u n g v o n D i e n s t - u n d A r b e i t s l o h n sichern den Arbeitnehmern und Beamten, wie deren Hinterbliebenen, das zu ihrem Unterhalt erforderliche Einkommen (z.Z. 169 D M zuzüglich 39 D M monatlich für jedes unterhaltsberechtigte Familienmitglied), bei Unterhaltsansprüchen den unbedingt notwendigen Betrag, tritt aber andererseits den Versuchen, sich durch Abmachungen mit dem Dienstberechtigten, z.B. über Zahlung eines Teiles seines Lohnes an Dritte zu entziehen, dadurch entgegen, daß die Pfändung ohne weiteres die Ansprüche Dritter erfaßt und läßt eine Pfändung eines angemessenen Betrages auch dann zu, wenn ein Arbeitnehmer seine Dienste einem anderen unentgeltlich oder zu einem unverhältnismäßig geringen Betrage zur Verfügung stellt, obwohl sie sonst üblicherweise vergütet werden (§ 850 h). Der Pfändungsbeschluß umfaßt in der Regel auch die künftigen, aus demselben Arbeitsverhältnis fließenden Lohnansprüche ( B A G 3, 200). Einwendungen gegen den Pfändungs- und Uberweisungsbeschluß, namentlich hinsichtlich der Pfändungsgrenzen kann auch der Arbeitgeber erheben, und zwar nicht nur durch Erinnerung gemäß § 766 Z P O , sondern auch im Rechtsstreit auf Zahlung der gepfändeten Beträge (str. vgl. L A G Hamm, A P 1953 Nr. 66 m. Nachw., dagegen P o h l e in der Anm.). Uber Aufrechnungen gegen Lohnforderungen vgl. Anm. 2 zu § 614.

A n m . 46 Ein K o n k u r s v o r r e c h t aus § 61 K O genießen von den selbständig Tätigen nur die Ärzte (Tierärzte), Apotheker, Hebammen und Krankenpfleger wegen ihrer K u r - und

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Dienstvertrag

Vor §611 A n m . 47

Pflegekosten aus dem letzten J a h r (Z. 4), ebenso die selbständigen Handelsvertreter, für die gemäß § 92 a H G B Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden können und deren Durchschnittsverdienst in den letzten 6 Monaten unter 500 D M betrug. Dagegen genießen alle Arbeitnehmer das Vorrecht wegen ihrer im letzten J a h r rückständigen Forderungen aus dem Arbeitsvertrage ohne Rücksicht darauf, ob sie Entgelt für die geleistete Arbeit oder Leistungen auf Grund der Treu- und Fürsorgepflicht sind, also auch Urlaubsvergütungen (RAG A r b R S 6, 368). Auch für Ruhegehaltsbezüge m u ß dies gelten. R A G A r b R S 13, 321 hat dies mit der Begründung abgelehnt, d a ß unter dem Schutz des § 61 Z 1 K O nach dem Sinn und Zweck nur solche Leistungen in Frage kämen, die im unmittelbaren Austausch f ü r geleistete Dienste gewährt wurden, bei einem Ruhegehaltsempfänger sei aber das Austauschverhältnis bereits beendet. Die Entscheidung beruht also auf der jetzt überholten Anschauung des Arbeitsverhältnisses als eines auf den Austausch von Leistung u n d Gegenleistung gerichteten Schuldverhältnisses und kann deshalb nicht mehr maßgebend sein. Der Sinn u n d Zweck des § 61 Z 1, den Arbeitnehmern für eine gewisse Zeit die für ihren Lebensunterhalt erforderlichen Beträge zu sichern, m u ß auch für das Ruhegehalt gelten (vgl. D e n e c k e D A r b R 1937, 74). Fraglich dagegen ist, ob die erst nach der Konkurseröffnung fällig werdenden Ruhegehaltsansprüche zu den Masseschulden i. S. des § 59 Z 1 K O gehören, und ob die veränderte Auffassung von dem Wesen des Arbeitsverhältnisses eine Gleichstellung mit dem Lohn zuläßt (ablehnend R A G A r b R S 11, 518; 15, 359; 17, 91, dafür V o l k m a r Anm. zu E 17, 91 u. D e n e c k e a. a. O . ; H e i s m a n n R D A 1955, 3 7 0 - Dagegen gehört nicht zu den bevorrechtigten Forderungen eine vertragliche A b g a n g s e n t s c h ä d i g u n g o d e r die Abfindung des § 7 des Kündigungsschutzgesetzes. Sie werden allerdings auch nicht von einem Vergleichsverfahren betroffen (§ 4 V g l O ; R A G ArbRS 22, 34; 23, 129; H u e c k KSchG § 8 Anm. 7), wie sie auch auf das Arbeitslosengeld anzurechnen sind (BSozG AP 3, 4 zu § 7 KSchG). A n m . 47 Für S t r e i t i g k e i t e n a u s d e n A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e n sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig, auch für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, soweit sie mit dem Arbeitsverhältnisse im Zusammenhange stehen, für Streitigkeiten aus Erfindungen nur wegen der Höhe der dem Arbeitnehmer zu zahlenden Vergütung, aber nicht für die Frage, ob die Erfindung von dem Arbeitnehmer gemacht ist. Weiter gehören zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch Streitigkeiten der Arbeitnehmer aus gemeinsamer Arbeit und den dabei begangenen unerlaubten Handlungen. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts erstreckt sich gemäß § 5 auch auf die sog. arbeitnehmerähnlichen Personen, d. h. die werktätigen Personen, die zwar in ihrer Arbeitsleistung persönlich unabhängig sind, aber infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit sich nicht wesentlich von Arbeitnehmern unterscheiden (RAG ArbRS 27, 326; 32, 2 2 1 ; LAG Mannheim AP 51 Nr. 275, 276). Das sind die kleinere Handelsvertreter, die nur für eine Firma tätig sind und einen Monatsverdienst unter 500 D M haben (Art. 3 Handelsvertreterges.), Zwischenmeister (RAG A r b R S 8, 21), Heimarbeiter, Hausgewerbetreibende, kleine Handwerker, die nur für eine Firma in deren Betrieb tätig sind. Der Begriff ist nicht eng auszulegen (RAG ArbRS 32, 221). Auch Streitigkeiten zwischen den Tarifparteien und diesen und Dritten aus dem Tarifvertrage, wie über das Bestehen und Nichtbestehen und die Auslegung sowie Streitigkeiten aus Arbeitskämpfen sind von den Arbeitsgerichten zu entscheiden (§2 Z 1). Gemäß § 8 T V G genießen die Entscheidungen in den Rechtsstreiten zwischen den Tarifparteien insofern erweiterte Rechtskraft, als sie auch in Rechtsstreiten zwischen tarifgebundenen Parteien u n d diesem und Dritte für Gerichte, Schiedsgerichte und Schiedsgutachterstellen bindend sind. Über Ausschließung und Beschränkung der Arbeitsgerichtsbarkeit durch Tarifvertrag vgl. R A G A r b R S 32, 347. Bei Streitigkeiten zwischen L e h r l i n g e n und Innungsmitgliedern m u ß dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht eine Entscheidung des Innungsausschusses vorausgehen, es sei denn, d a ß das Lehrverhältnis schon vor Klageerhebung gelöst war (vgl. ArbGG § i n R A G ArbRS 2, 175; 14, 207; 33, 10). D i e F r a g e , o b d a s A r b e i t s g e r i c h t oder das o r d e n t l i c h e G e r i c h t b e r u f e n ist, b e t r i f f t n i c h t die Zulässigkeit d e s R e c h t s w e g s , s o n d e r n d i e s a c h l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t (RG 25. 5. 1927 I I I

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V o r § 611 A n m . 48

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

485/25; vgl. RG 76, 176; 103, 103). Daran hat sich durch den Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen RG 156, 279 nichts geändert; die dort zur Frage des Rechtswegs aufgestellten Grundsätze beziehen sich nicht auf das Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten (vgl. § 528 ZPO, § 48 ArbGG und RG 158, 193)VI. Arbeitsverhältnis in der Sowjetzone A n m . 48 Nicht nur das Arbeitsschutzrecht ist völlig neu gestaltet (vgl. D e n e c k e A Z O 2. Aufl. Einl. IV), sondern auch das materielle Recht hat eine grundsätzliche Wandelung erfahren. Der private Arbeitgeber ist in Handel und Gewerbe, aber auch in der Landwirtschaft mit wenigen, immer geringer werdenden Ausnahmen (Klein- und Kleinstbetriebe) durch staatliche Behörden und öffentlich-rechtliche Körperschaften, Volkseigene Betriebe, Konsum- und Produktionsgenossenschaften ersetzt. Deren Tätigkeit wird ausschließlich durch die vom Staate aufgestellten Volkswirtschaftspläne bestimmt, die nicht nur Art und Umfang der Erzeugung, sondern auch die dazu erforderlichen Kosten, insbesondere die Lohnsummen im voraus festlegen. Die in den Plänen vorgesehene Steigerung der Arbeitsproduktivität und Senkung der Erzeugungskosten durchzuführen, ist Hauptaufgabe der Betriebsverwaltungen, deren Weisungsrecht deshalb erweitert ist, während anderseits die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch Einzel- und Gesamtvereinbarung nahezu ganz ausgeschaltet ist. Denn die wesentlichen Arbeitsbedingungen sind durch Gesetz oder Verordnung festgelegt, so allgemein durch das Gesetz der Arbeit v. 9. 7. 1950 (GBl. 349), das Kündigungsrecht durch V O v. 7. 6. 1951 (GBl. 550), Erholungsurlaub durch V O v. 7. 6. 1951 (GBl. 547) mit DV (GBl. 5 1 , 1180; 52, 840), Lohnzahlung an Feiertagen, bei Erkrankungen, Nachtarbeit, Uberarbeit und sonstige Zuschläge durch V O 20, 52 (GBl. 377) nebst DV (GBl. 52, 383, 839); Löhne und Gehälter sowie die Gruppeneinteilung durch V O v. 17. 8. 1950 nebst DV (GBl. 839, 748 u. V O v. 28. 6. 1952 (GBl. 501—514). Die ursprünglich in der V O v. 8. 6. 1950 (GBl. 493) noch vorgesehene Kollektivregelung durch Tarifverträge hat infolgedessen mehr und mehr an Bedeutung verloren. An ihre Stelle sind Betriebskollektivverträge getreten, die aber infolge der genannten Verordnungen sich weniger mit Arbeitsbedingungen als mit sozialen Aufgaben des Betriebes befassen. Überdies ist die freie betriebliche Gestaltung durch die von den Ministerien herausgegebenen Musterkollektiwerträge und hinsichtlich der Festsetzung der Arbeitsnormen und der Leistungslöhne durch amtliche Richtlinien für die Erarbeitung technisch begründeter Arbeitsnormen wesentlich eingeschränkt (vgl. V O v. 20. 5. 1952 GBl. 384, 401). Aufgabe und Ziel aller dieser neuen Bestimmungen ist, wie in ihnen immer wieder betont wird, die Erfüllung der Pläne und die Steigerung der Produktivität zu sichern. Dieses Ziel müsse, wie im Schrifttum und der Rechtsprechung immer wieder hervorgehoben wird, auch bei der Anwendung älterer Gesetzesbestimmungen ausschlaggebend sein. Das Einzelinteresse habe hinter dem Gesamtinteresse zurückzutreten, da die Produktionsmittel nicht mehr im Eigentum des Gegenspieler des Arbeitnehmers, sondern des gesamten Volkes ständen, die Senkung der Erzeugungskosten und die Steigerung der Produktion der Verbesserung der Lebenshaltung des schaffenden Volkes diene. Der Arbeitsvertrag hat also seine Bedeutung, die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sei es auf einzelvertraglicher oder kollektiver Grundlage, zu regeln, verloren. An Stelle der Regelung durch die Beteiligten ist die unmittelbare staatliche oder mindestens staatlich gelenkte Regelung getreten, die auch günstigere Vereinbarungen nicht zuläßt. Der Arbeitsvertrag ist nur noch ein Einstellungsvertrag, dient nur der Eingliederung in den Betrieb. Das Arbeitsrecht der DDR unterscheidet sich somit wesentlich von dem im Bundesgebiet geltenden Recht, es kann deshalb —- auch nicht im Wege der Rechtsvergleichung — bei der Anwendung der Bestimmungen des BGB und der für das Bundesgebiet geltenden Sonderbestimmungen nicht herangezogen werden. Entscheidungen dortiger Gerichte haben für das Bundesgebiet keine Bedeutung. Infolge der wirtschaftlichen Trennung, die eine Betätigung von im Bundesgebiet beheimateter Betriebe in der Sowjetzone nicht zuläßt, wird auch eine Anwendung der Bestimmungen und Grundsätze der Sowjet-

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Dienstvertrag

Vor §611 A n m . 49, 50

zone auf im Bundesgebiet begründete oder bestehende Arbeitsverhältnisse nicht in Frage kommen, interzonale Rechtsfragen können nicht entstehen. VII. Einzelne Dienstverhältnisse A. Schiedsrichter und Schiedsgutachter A n m . 49 Der Vertrag zwischen dem S c h i e d s r i c h t e r und den Parteien des schiedsgerichtlichen Verfahrens (ZPO §§ 1025 fr.) ist einem Dienstvertrag (oder Auftrag, nicht einem Werkvertrag) ähnlich, aber mit Rücksicht auf die Eigenart der schiedrichterlichen Tätigkeit als ein V e r t r a g b e s o n d e r e r A r t anzusehen (RG 59, 247; 65, 175; 74, 3 2 1 ; 94, 210). Er kann nicht wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften angefochten, der Schiedsrichter vielmehr nur gemäß §§ 1025, 1032 ZPO abgelehnt werden (BGHZ 17, 7). Der Schiedsrichter steht ebenso wie der staatliche Richter über den Parteien, muß ebenso unbefangen und unparteilich urteilen, seine Stellung ist aber freier als die des staatlichen Richters (RG 41, 255; 59, 249; 94, 212). Mit der Übernahme seines Amtes wird der Schiedsrichter b e i d e n P a r t e i e n g e g e n ü b e r in g l e i c h e r Weise b e r e c h t i g t und v e r p f l i c h t e t , mag er auch nur von einer Partei ernannt worden sein (RG 41, 2 5 1 ; 59, 247; 74, 321 u. a.; für Schiedsgutachter s. RG 87, 191). B e i d e können ihn daher zur Erfüllung seiner Aufgabe anhalten (RG 59, 252; Kündigung RG 101, 392; RG Gruchot 65, 497; RG SeuffArch 69 Nr. 162; s. auch SeuffArch 86 Nr. 105) und er haftet beiden für die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung seiner Vertragspflichten, jedoch in analoger Anwendung des § 839 Abs. 2 nicht wegen Versehen bei der Spruchtätigkeit (RG 65, 175; B G H 15, 13). Anderseits haften b e i d e Parteien nach § 427, als Gesamtschuldner für die ihm zustehende Vergütung (RG 94, 210; SeuffArch 74 Nr. 77). Ob dem Schiedsrichter eine V e r g ü t u n g zusteht, bestimmt sich mangels besonderer Vereinbarung entsprechend den Vorschriften der §§612, 632 danach, ob die schiedsrichterliche Tätigkeit nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (RG 94, 210). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich mangels einer Vereinbarung nach dem, was üblich oder angemessen ist; nur hierauf erstreckt sich auch die Prüfung des ordentlichen Gerichts; ob der Schiedsspruch sachlich richtig und ob er rechtsbeständig ist, hat dabei außer Betracht zu bleiben (RG J W 1927, I484 16 ). Auch von der Rechtsbeständigkeit eines im Schiedsverfahren geschlossenen Vergleichs ist der Vergütungsanspruch nicht abhängig (RG J W 1927, 245g4). Bestimmung des der Vergütung zugrunde zu legenden Streitwerts durch die Schiedsrichter (RG WarnRspr 1926 Nr. 142; 1927 Nr. 39). Ist im Schiedsrichtervertrag vereinbart, daß die Vergütung der Schiedsrichter sich nach den Bestimmungen der RAGebO bemessen soll, so ist der Streitwert eines im Schiedsverfahren geltend gemachten Feststellungsanspruchs nach § 3 ZPO frei zu schätzen (RG 3. 4. 1936 I I I 263/35). In dieser Entscheidung ist auch ausgesprochen, daß die Schiedsrichter nicht verpflichtet sind, bei der Einforderung eines Vorschusses für ihre Vergütung darauf zu achten, daß die obsiegende Partei nicht schließlich dadurch zu Schaden kommt, daß sie als Gesamtschuldner zur Zahlung des Gebührenrestes an Stelle des zahlungsunfähigen Gegners herangezogen wird. A n m . 50 Auch der S c h i e d s gut acht er vertrag ist ein Vertrag besonderer Art, für den die Bestimmung des Dienstvertrages und der Geschäftsbesorgung (§ 675) nur sinngemäß anwendbar sind. Mangels anderer Abrede ist die Entscheidung nach billigem Ermessen und mit Stimmenmehrheit zu fassen, bei Schätzungssachen ist dagegen gemäß § 3 1 7 II in der Regel die Durchschnittssumme festzusetzen. Die Schiedsgutachter haften dafür, daß alle für die Entscheidung maßgebenden Umstände beider Parteien berücksichtigt werden und ein beiden Auftraggebern gerecht werdendes Ergebnis gefunden wird. Erscheint einem Gutachter die getroffene Entscheidung offenbar unbillig, so hat er die Parteien auf seine Bedenken hinzuweisen. § 839 Abs. 2 ist nicht anwendbar (BGH 22, 344) vgl. auch § 662 Anm. 1 ; § 671 Anm. 1 und BAG 4, 39.

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Vor §611 Anm. 51, 52

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

B . Architekten—Ingenieure Anm. 51 Übernimmt ein Architekt nicht nur die Herstellung der Baupläne und Kostenanschläge, sondern auch die Ausführung des Baues, d. h. hat er die Verhandlungen über die Lieferung der Baumaterialien und der Ausführung der Bauarbeiten zu führen oder den Bauherrn dabei zu beraten und alsdann die Ausführung der Bauarbeiten zu leiten oder zu überwachen, so liegt ein Dienstvertrag vor (RG 63, 112; 86, 75). Der Vertrag wird auch nicht dadurch zu einem Werkvertrag, daß er die Ausführung des Baues für eine feste Gesamtsumme übernimmt, es liegt darin vielmehr nur ein zusätzliches Garantieversprechen. Er hat alsdann — in Erfüllung dieses Versprechens, nicht auf Grund Schadenshaftung — für die Überschreitung der Bausumme einzustehen, ohne Rücksicht auf etwaiges Verschulden oder Unmöglichkeit. Er muß also die über die vereinbarte Summe hinausgehenden Baukosten entweder selbst tragen oder sie dem Bauherrn erstatten (RG 137, 83). Für Mängel des Baues haftet er nur, soweit ihn bei der Planung, Leitung oder Aufsicht ein Verschulden trifft, sonst die Lieferanten und Bauhandwerker. Ist die Ausführung des Baues aus Umständen unmöglich geworden, die keine der beiden Parteien zu vertreten hat, so kann der Architekt nicht etwa einen Teil des vereinbarten Honorars für den Entwurf des Bauplanes verlangen. OGH NJ W 1949, 943, a. M. H i e r o n y m u s NJW 50,463. Das gleiche gilt für die Herstellung industrieller Anlagen (RG 81, 8; vgl. Vorbem. § 631 u. § 63a Anm. 2). C. Ärzte Anm. 52 1. Öffentlich-rechtliche Stellung und Pflichten Die Vorschriften des Dienstvertrags, unter Umständen die des Werkvertrags, finden Anwendung auf das Verhältnis des Arztes zum Kranken. Allerdings ist der Arzt a u c h d e m ö f f e n t l i c h e n R e c h t u n t e r w o r f e n . Nach der noch geltenden Reichsärzteordnung v. 13. 12. 1935 (RGBl. I, 1433), (für Bayern Ärztegesetz v. 25. 5. 1946 GVB1. 193) ist der Arzt z u m D i e n s t a n d e r G e s u n d h e i t d e s e i n z e l n e n M e n s c h e n u n d des g e s a m t e n V o l k e s berufen und erfüllt damit eine durch das Gesetz geregelte öffentliche Aufgabe (§ 1 Abs. 1). Der ärztliche Beruf ist (unbeschadet der steuerrechtlichen Behandlung § 90) k e i n G e w e r b e (§ 1 Abs. 2). Seine Ausübung setzt die behördliche Bestallung als Ärzt voraus (§§ 2ff.). Der Arzt ist zur gewissenhaften Berufsausübung, zu einem seines Berufs würdigen Verhalten (§ 12), bei Meidung krimineller Strafe (bisher StGB §300) auch zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet (§ 13). (Über Auskunftspflichten gegenüber Unfallversicherung R V O § 1543, im Sozialversicherungsverfahren SGerG § 106 J R 1956, 453; Einsicht und Herausgabe von Krankenblättern J R 54, 174; 56, 11, 453.) Er unterliegt bei Verletzung von Berufspflichten, insbesondere bei Verstößen gegen die Berufsordnung (§14) der berufsgerichtlichen Bestrafung (§§ 5 1 ff-)- Vgl. auch die Berufsordnung für die deutschen Ärzte v. 5. 11. 1937 (DÄrzteBl. 1031), für das Bundesgebiet die neue Berufsordnung von 1950. Unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Stellung und Aufgabe des Arztes sind auch V e r t r ä g e ü b e r d i e e n t g e l t l i c h e Ü b e r l a s s u n g e i n e r ä r z t l i c h e n P r a x i s durch den abgebenden Arzt oder die Witwe eines Arztes zu beurteilen. Sie sind, auch nach heutiger Anschauung (vgl. Reichsärzteordnung §49 Abs. 3), n i c h t s c h l e c h t w e g a l s s i t t e n w i d r i g und gemäß § 138 nichtig zu erachten; nur darf die vertragliche Regelung dem übernehmenden Arzte nicht die pflichtmäßige Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe im Dienst an der Gesundheit des einzelnen und des gesamten Volkes erschweren oder unmöglich machen (vgl. RG 144, 1; 153, 294; RG WarnRspr 1934 Nr. 68). Entgegen der früheren Rechtsprechung (RG 66, 143; 68, 188; 90, 35) sind auch Abreden praktischer Ärzte mit ihren Assistenten und Vertretern dahin, daß sie sich gewisse Zeit nach Beendigung ihrer Tätigkeit nicht im gleichen Praxisbereich niederlassen dürfen, nicht unzulässig, wenn dieses Wettbewerbsverbot sich auf 1 J a h r beschränkt, da in § 1 5 Abs. 7 der auf Grund der Reichsärzteordnung erlassenen Berufsordnung vom 5. 11. 1937 (ebenso in der neuen Berufsordnung von 1950) ausdrücklich während dieser Frist eine Niederlassung ohne Einwilligung des Arztes oder Genehmigung der Ärztekammer

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Dienstvertrag

Vor §611 Anm. 53

untersagt ist (vgl. L A G Frankfurt a. M. A P 51 Nr. 85). Auch ein Praxisaustausch mit einem Rückkehrverbot für begrenzte Zeit ist zulässig ( B G H 16, 71). Diese Grundsätze sind bei Übertragung einer zahnärztlichen und tierärztlichen Praxis entsprechend anwendbar ( R G WarnRspr. 1933 Nr. 92) Über die Besuchspflicht des Arztes, namentlich, wenn er den Bereitschaftsdienst übernommen hat B G H S t . J R 1955, 269.

Anm. 53 2. Rechte und Pflichten gegenüber Patienten Der öffentlich-rechtliche Charakter seiner Stellung schließt aber nicht aus, daß der Arzt regelmäßig tätig wird auf Grund eines dem bürgerlichen Rechte angehörigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrags mit dem Kranken oder seinen Angehörigen und gesetzlichen Vertretern. Er bedarf deshalb deren Einverständnisses zur Vornahme einer O p e r a t i o n , Injektion und Punktation, Bestrahlungen und ähnlichen Eingriffen, die nicht ungefährlich oder mit nicht voraussehbaren Folgen verbunden sind (st. Rspr. R G 68, 431; 163, 129; B G H 7, 198). Eine stillschweigende Einwilligung steht der ausdrücklichen gleich. Bei G e f a h r im V e r z u g bedarf es in der Regel einer Einwilligung nicht ( R G 68, 434). Doch kann es sich dabei nur um Fälle handeln, in denen aus besonderen Gründen die Einwilligung des Kranken nicht eingeholt werden kann, z. B. wenn er bewußtlos ist, oder wenn erst im Laufe eines mit seiner Zustimmung erfolgten Eingriffs die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs sich ergibt ( R G 163, 129; B G H 25, 86) und nach Lage der Sache angenommen werden darf, der Kranke würde, wenn er gefragt werden könnte, die Einwilligung nicht versagen. Indessen kann der Arzt bei einer gefahrvollen Behandlung sich nicht auf die Einwilligung berufen, wenn sie durch Willensmängel beeinflußt ist oder gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt (Schwangerschaftsunterbrechung). Im letzteren Falle ist auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht gerechtfertigt ( B G H 7, 198 [206]). Gegen d e n a u s d r ü c k l i c h e n W i l l e n des K r a n k e n darf der Arzt, auch bei Gefahr im Verzug, n i c h t handeln, es m ü ß t e d e n n s e i n , d a ß d a s G e s e t z i h n d a z u wie bei Behandlung von Geschlechtskrankheiten, e r m ä c h t i g t , o d e r d e r S c h r i t t u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t e i n e s ü b e r r a g e n d e n ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e s g e r e c h t f e r t i g e r s c h e i n t , wie etwa bei einem Widerstreit zwischen den Pflichten, die dem Arzt gegenüber dem Kranken obliegen, und jenen, die sich für ihn nach der Reichsärzteordnung aus seinem öffentlichen Aufgabengebiet ergeben ( R G 151, 349; 168, 210). Uber die Bedeutung der Verpflichtung des Kranken zur Mitwirkung bei der Herbeiführung des Heilerfolges gemäß § 182 R V O vgl. R G 168, a n . Der Arzt ist nicht verpflichtet, den Kranken auf alle möglichen Folgen einer Operation aufmerksam zu machen ( R G 78, 432; R G WarnRspr 1920 Nr. 109), insbesondere nicht bei an sich geringfügigen Eingriffen auf die Möglichkeit schädlicher Folgen unter nicht voraussehbaren ungünstigen Umständen ( R G J W 1937, 9276). Eine umfassende Belehrung ist unter Umständen sogar unrichtig, weil sie aufregen oder von der Einwilligung zu einem notwendigen Eingriff abschrecken kann. Der Arzt muß sich aber wenigstens im allgemeinen die Einwilligung des Kranken in die Vornahme der Operation sichern und darf ihn nicht über wesentliche Umstände im unklaren lassen (RG 168, 213), auch nicht bewußt wahrheitswidrig einen Eingriff als völlig ungefährlich bezeichnen ( R G H R R 1934 Nr. 1278). Uber die Verpflichtung des Arztes, dem Kranken mitzuteilen, daß die vorzunehmende Operation den gewünschten Erfolg nicht unbedingt verspreche und gewisse Nebenwirkungen nicht ausschließe, s. R G J W 1932, 33282. Macht der Arzt darauf aufmerksam, es sei Gefahr im Verzug, der Kranke müsse ihm alles einzelne überlassen, und unterzieht sich nun der Kranke einer Operation, so liegt darin zugleich die Erklärung des Einverständnisses mit einer Ausdehnung der Operation über den ursprünglich beabsichtigten Umfang hinaus, falls diese Ausdehnung nach ärztlichen Grundsätzen zur Heilung des Kranken erforderlich sein sollte. So für einen Fall, in dem der Arzt einen ungefährlichen Eingriff an der Gebärmutter vornehmen sollte, bei der Operation aber Krebs vorfand und deshalb die ganze Gebärmutter entfernte ( R G 21. 11. 1913 III 277/13). Dadurch, daß der Erkrankte sich mit einer bestimmten Art der Behandlung (z. B. nach einem Naturheilverfahren) einverstanden erklärt oder sich sogar nur zum Zwecke einer solchen an den Arzt wendet, wird dieser mangels einer abweichenden Vereinbarung nicht der Pflicht überhoben,

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V o r § 611 Anm. 54, 55

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

die Richtigkeit dieser Behandlung von vornherein und in ihrem Verlaufe zu prüfen und, wenn nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft ihre Erfolglosigkeit oder gar Schädlichkeit anzunehmen ist, sie aufzugeben oder wenigstens von ihr abzuraten (RG WarnRspr 1912 Nr. 373). Vgl. auch OLG 33, 329 (Gewährung einer vom Kranken gewünschten Behandlung im Bewußtsein ihrer Sachwidrigkeit und Gesundheitsschädlichkeit als Verstoß gegen die guten Sitten, § 826). Schadensersatzpflicht eines Arztes, der einem Patienten nach Entwöhnung vom Morphium noch unschädliche Medikamente als „Morphium" einspritzt, s. H R R 1935 Nr. 721. Anm. 54 Bei der B e h a n d l u n g von K i n d e r n tritt der Arzt in der Regel in vertragliche Beziehungen nicht nur zu den Eltern oder sonstigen für sie sorgenden Personen, sondern gemäß § 328 auch zu den Kindern selbst (RG 152, 175 unter Aufgabe des Standpunktes in RG 85, 183). Liegt ein Vertragsverhältnis nicht vor, so kann Anspruch und Haftung des Arztes aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g (§§677, 680) in Frage kommen. Haftung des Ehemannes einer Patientin s. auch H R R 1932 Nr. 112. — Neben die Haftung aus Vertrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag tritt die H a f t u n g aus une r l a u b t e r H a n d l u n g (§§ 823fr.), insofern der Arzt, der den Kranken gegen die anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft oder sonst vorsätzlich oder fahrlässig falsch behandelt, der allgemeinen Rechtspflicht, niemanden an seinem Körper oder an seiner Gesundheit zu verletzen, zuwiderhandelt (RG 88, 433; 118, 4 1 ; 125, 374). Anm. 55 3. Haftung für Verschulden, insbesondere für Kunstfehler Die Begriffe Kunstfehler und Verschulden decken sich nicht (RG H R R 1931 Nr. 1748; RG J W 1935, 115 3 ; BGH 8, 140). Ein wesentlicher Vorstoß gegen Regeln der ärztlichen Kunst stellt aber regelmäßig ein Verschulden des Handelnden dar, und es ist alsdann Sache des Arztes, darzutun, warum in dem Verstoß kein Verschulden liegen soll (RG H R R 1934 Nr. 786; 1938 Nr. 725). Zur Beurteilung „ärztliches Kunstfehler" s. auch Elster DGWR 1938, 280. G o l d h a n - H a r t m a n n , Chirurgie und Recht, 1937; W i e t h a u p t J R 53, 247. Vgl. RG J W 1912, 581 1 (fahrlässiges Durchstechen der Gebärmutter); RG 118, 41; 139, 255; RG J W 1927, 2699; 1935, 34604, 3540 11 ; RG WarnRspr. 1932 Nr. 71; 1936 Nr. 169; RG H R R 1935 Nr. 1009; 1937 Nr. 8 und BayObLG 19, 391 (Röntgenverbrennung) RG WarnRspr. 1929 Nr. 43 (Verbrennung beim Diathermieverfahren). U b e r die bei der A u s f ü h r u n g von O p e r a t i o n e n a n z u w e n d e n d e S o r g f a l t , insbesondere die Haftung des Arztes für das Z u r ü c k lassen von Gegenständen im Körper des Operierten s. RG 83, 71; 97, 4; RG J W 1931, 1466 9 ; 1934, 8g62; 1936, 644 3 ; RG WarnRspr. 1936 Nr.67; s. auch H R R 1937 Nr. I434;BGH 4, 139. Nach schwierigen, mit besonderer Eile ausgeführten Operationen muß der Arzt feststellen, ob die gebrauchten Gegenstände wieder zur Stelle und nicht etwa unbemerkt in die Bauchhöhle zurückgeblieben sind (RG 5. 2. 1937 III 164/36). Bei der Frage, welche Sorgfalt ein Arzt bei Operationen zu beobachten hat, sind auch die E r f a h r u n g e n der ärztlichen P r a x i s zu berücksichtigen (RG J W 1935, 2733). Bezüglich der Beweislast in Operationsfällen hat das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen, aus der bloßen Tatsache, daß der ärztliche Eingriff nicht den erwarteten Verlauf nahm, sondern zu einer Gesundheitsbeschädigung führte, dürfe nicht auf ein Verschulden des Arztes geschlossen werden, und es dürfe die Unmöglichkeit, die Ursache der Verletzung des Kranken festzustellen, nicht zu Lasten des behandelnden Arztes gehen (RG 165,336 m.Nachw.; 171,168; BGH 7,198). Es ist vielmehr zu prüfen, ob die Sachlage einen Anhalt für die Annahme bietet, daß ein schuldhaftes Verhalten des Arztes vorliege, das nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Verletzung hervorgerufen haben könne, und ob dieser Anhalt so stark ist, daß eine Unmöglichkeit der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs nicht mehr angenommen werden kann (RG WarnRspr 1926 Nr. 155; s. auch J W 1937, 259226). Ein außergewöhnlicher Verlauf einer Krankheit rechtfertigt aber nicht schon die Annahme eines Kunstfehlers oder eines Verschuldens, so daß der Arzt die Gründe und Ursachen für den regelwidrigen Verlauf der Krankheit angeben müßte (RG 165, 338). Auch begründet nicht jeder 546

Dienstvertrag

Vor § 611

Anm. 56, 57

Fehler in der Behandlung, nicht jeder Fehlgriff bei einer Operation ein zum Schadensersatze verpflichtendes Verschulden des Arztes ( R G 78, 4 3 2 ; SeuffArch 67 Nr. 57). Bei i n n e r e n Verletzungen und insbesondere Knochenbrüchen muß der Arzt unter Umständen die A u f n a h m e e i n e s R ö n t g e n b i l d e s veranlassen; sonst haftet er für falsche Diagnose und dementsprechend falsche Behandlung auch dann, wenn die Diagnose dem äußeren Befund entsprach ( R G J W 1923, 603 1 5 ). Über die Verpflichtung des Arztes zu einer Röntgenaufnahme, falls er ein in die Operationswunde eingelegtes Röhrchen beim Verbandswechsel und auch bei einer Untersuchung der Wunde mit Instrumenten nicht findet, s. R G J W 1 9 3 1 , 1466 9 . Sorgfaltspflicht des Arztes beim Niederschreiben eines Rezeptes s. R G 125, 374; auch J W 1938, 937 1 0 . Haftung des Arztes und des Apothekeninhabers, wenn das vom Arzt verordnete Mittel aus der Apotheke in einer Beschaffenheit an den Arzt gelangt, daß seine Anwendung den T o d eines Kranken herbeiführt, s. R G 90, 50. Wegen Fahrlässigkeit haftet der Arzt z. B. auch, wenn er bei naheliegendem Verdacht einer gonorrhoischen Bindehautentzündung einen Neugeborenen ohne sachgemäße Untersuchung behandelt ( R G 3. 7. 1934 I I I 11/34), ferner wenn er den Kranken der Gefahr einer Ansteckung aussetzt ( R G 165, 336, zugleich über die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheines bei ansteckenden Krankheiten (vgl. auch J W 28, 2 2 1 3 ) . Der Röntgenarzt ist verpflichtet, über die technischen Einzelheiten der von ihm vorgenommenen Bestrahlung des Kranken mit der erforderlichen Genauigkeit Buch zu führen ( R G H R R 1935 Nr. 1009); wird durch Nichterfüllung dieser Pflicht der Fall unaufklärbar, so geht das zu Lasten des Arztes ( R G WarnRspr 1936 Nr. 109). Z u r Beweislastverteilung und Beweiswürdigung in Arztprozessen s. auch R G 128, i 2 i , insbesondere bei Röntgenverbrennungen. H R R 32 Nr. 1643, J W 1933, 2 7 0 1 ; SeuffArch 90 Nr. 176. Der Arzt kann sich auch dadurch einer Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht schuldig machen, daß er eine Behandlung übernimmt, die seinen Fähigkeiten und Kenntnissen nicht entspricht; doch sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht zu überspannen, wenn die Meinungen der ärztlichen Wissenschaft und Praxis über die ordnungsmäßige Behandlungsweise auseinandergehen ( R G J W 1938, 2203 1 9 ). Über die Frage, wann der Tod infolge eines gelegentlich einer unfallbedingten Operation vorgenommenen weiteren Eingriffs die adäquate Folge des Unfalls ist, vgl. B G B 25, 86.

Anm. 56 Uber die V e r p f l i c h t u n g d e s v o m A r z t e V e r l e t z t e n , s i c h e i n e r O p e r a t i o n z u r H e i l u n g z u u n t e r w e r f e n , und die Ablehnung einer zumutbaren Operation als mitwirkendes Verschulden nach § 254 s. R G 83, 1 5 ; 60, 1 4 7 ; 129, 398; 139, 1 3 1 ; B G H 10, 19, vgl. auch § 254. B e g i b t s i c h d e r v o m A r z t V e r l e t z t e behufs Heilung der Verletzung i n d i e B e h a n d l u n g e i n e s a n d e r e n A r z t e s , u n d w i r d er v o n d i e s e m e b e n f a l l s s c h u l d h a f t f a l s c h b e h a n d e l t , so m u ß d e r e r s t e A r z t f ü r d i e s e m i t t e l b a r e F o l g e s e i n e s e i g e n e n F e h l e r s m i t h a f t e n , es müßte denn sein, daß der zweite Arzt gegen alle ärztliche Regel und Erfahrung schon die ersten Anforderungen an ein vernünftiges, gewissenhaftes ärztliches Verfahren in gröblichstem Maße außer acht gelassen hat ( R G 102, 230; R G J W 1 9 1 1 , 754 9 , auch 1937, 990 3 ). Berücksichtigung des Umstandes, daß die verletzende Handlung den Kranken von einem anderen Leiden befreite, s. R G J W 1 9 1 3 , 987 1 7 .

Anm. 57 4. Haftung für Gehilfen (Krankenschwestern) Vertragshaftung nach § 278, bei unerlaubter Handlung nach § 8 3 1 , nur wenn die Krankenschwester Angestellte des Arztes ist, dagegen nicht, wenn sie Angestellte der Krankenanstalt ist, auch wenn sie nach Weisungen des Arztes gehandelt und diese Weisungen nicht genau beachtet hat. Haftung auch nur dann, wenn die schadenstiftende Handlung oder Unterlassung im Rahmen der dem Kranken geschuldeten Leistungen liegt ( B G H 2 3 , 3 1 9 ) . Für die Folgen einer Verbrennung, die bei einer Durchleuchtung oder Bestrahlung infolge Mängel des Apparates oder Versehen der bedienenden Schwester entstanden sind, haftet der behandelnde Arzt, wenn er den Röntgenapparat oder die bedienende Schwester zur Verfügung stellt und durch sie die Durch-

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V o r § 611 A n m . 58

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

leuchtung oder Bestrahlung vornehmen läßt, sei es, daß es sich um seinen Apparat und seine Schwester handelt, sei es, daß ihm beide von dem Krankenhaus zur Verwendung überlassen werden; er haftet aber nicht, wenn er den Kranken an das Krankenhaus verwiesen hat und das Krankenhaus von dem Patienten oder der Krankenkasse die Gebühren einzieht, d. h. mit diesen einen Vertrag geschlossen hat, falls nicht die Verbrennung auf fehlerhafte Anweisungen des Arztes zurückzuführen sind. Die Schwester ist alsdann nicht Erfüllungsgehilfin des Arztes i. S. des § 278 noch Verrichtungsgehilfin i. S. des §831 (RG 118, 41; 139, 255; DJ 1937, 1883; H R R 1934 Nr. 377). A n m . 58 5. Bei der Aufnahme eines Kranken in ein Krankenhaus, z. B. nach einem Unglücksfall, ist regelmäßig davon auszugehen, daß er nicht nur Beherbergung, Verpflegung und Bereitstellung von Heilmitteln, sondern in erster Linie auch ärztliche Behandlung erwartet. Soll die Aufnahme nach dem Willen der Verwaltung diese Behandlung nicht umfassen, so muß dies, sobald die Umstände es erlauben, dem Kranken oder seinem Vertreter gesagt werden (RG J W 1936, 31826). Durch die A u f n a h m e eines P r i v a t p a t i e n t e n eines Krankenhausarztes entsteht auch mit dem Krankenhaus ein Vertrag auf Heilbehandlung mit den persönlichen und sächlichen Mitteln, die gewöhnlich nur in einem Krankenhaus gewährt werden können, wie z. B. bei einer Blutübertragung. Für Fehler des behandelnden Arztes oder der Krankenschwester haftet das Krankenhaus aus § 278 (BGH 5, 321). Ebenso wird durch Einweisung und Aufnahme eines K a s s e n p a t i e n t e n zu dessen Gunsten gemäß §328 mit dem Krankenhaus ein Vertrag auf sachgemäße Behandlung begründet und haftet dieses für das Versehen des behandelnden Arztes unmittelbar (RG 165, 105; BGH 1 333; 4, 138; 9,148). Das gleiche gilt, wenn ein d e r ö f f e n t l i c h e n F ü r s o r g e b e d ü r f t i g e r K r a n k e r von dem Träger der Fürsorgepflicht einer privaten Krankenanstalt oder der Anstalt einer anderen öffentlichen Körperschaft (Universitätsklinik, BGH g, 148) zugewiesen wird. Auch dann entsteht durch die Aufnahme ein privatrechtliches Vertragsverhältnis mit dieser (BGH 4> 138; 9, 45; 23, 227), liegt die ärztliche Behandlung außerhalb der öffentlichen Fürsorgetätigkeit, beschränkt diese sich vielmehr auf die Verschaffung der Krankenhilfe durch einen Dritten, ähnlich wie bei § 617. Hat aber die Krankenkasse oder die zur Fürsorge verpflichtete Körperschaft zur Durchführung ihrer öffentlichen Aufgaben eigene Einrichtungen geschaffen, wozu sie zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt ist (vgl. § 27a II R V O ; § 4 RJWG), z. B. Alters- und Siechenheime, Entbindungs- und Wöchnerinnenheime, Säuglings- und Kinderheime, auch Krankenanstalten, nimmt sie die Hilfsbedürftigen in diese auf und läßt sie die erforderlichen Fürsorgemaßnahmen (Unterkunft, Verpflegung, ärztliche Behandlung und Pflege) unmittelbar durch ihre Beamten und Angestellten wahrnehmen, so umfaßt die öffentliche Fürsorge auch diese Durchführungshandlungen, nicht bloß die Einweisung in die Anstalt. Die Pflegerinnen und Ärzte erfüllen die der öffentlichen Körperschaft obliegenden fürsorgerischen Aufgaben, sind i. S. des Art. 34 GG mit der Erfüllung dieser Aufgaben, d. h. mit einem öffentlichen Amte betraut. Für ihre schuldhaften Versehen haftet deshalb allein die öffentliche Körperschaft nach Art. 34 GG i. V. mit § 839 BGB; also auch für Schmerzensgeld; für eine Anwendung des privatrechtlichen Grundsatzes des § 278 BGB ist daneben kein Raum. Anders z. T. die bisherige Rechtsprechung des RG u. BGH (vgl. BGH 4, 139 mit Nachweisen) die die beiden Möglichkeiten der fürsorgerischen Betätigung nicht immer scharf auseinanderhält. Auch ist das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses nicht mehr Voraussetzung jeder Staatshaftung. Entgegen Art. 131 WeimVerf. und den früheren Staatshaftungsgesetzen fehlen in Art. 34 GG die Worte „in Ausübung öffentlicher Gewalt", offensichtlich, weil neben die auf einem Unterordnungsverhältnis beruhende staatliche Tätigkeit, die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in immer größerem Umfange die schützende und fürsorgende Tätigkeit des Staates getreten ist. Namentlich die letztere folgt aber nicht aus dem Unterordnungsverhältnis des einzelnen zum Staat, sondern aus der sozialen Pflicht der Gemeinschaft gegenüber den einzelnen Mitgliedern (vgl. Art. 6 IV GG Mütterschutz und ähnliche Bestimmungen in den Länderverfassungen hinsichtlich der Jugend z. B. Bayern Art. 126 III, Rheinland-Pfalz Art. 25 II). Da nur die Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes gefordert wird, werden

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Dienstvertrag

Vor §611

A n m . 59, 60 also alle drei Aufgabengebiete des Staates selbständig nebeneinander erfaßt und bedarf es nicht einer Einreihung der fürsorgerischen Tätigkeit unter den Begriff der öffentlichen Gewalt, wie es nach dem früheren Wortlaut der Haftungsbestimmungen notwendig war. Es genügt, daß eine mit der Erfüllung einer dieser Aufgaben amtlich betraute Person durch nicht volle Erfüllung der ihr obliegenden Pflicht einem Dritten schuldhaft Schaden zufügt, um die Haftung aus Art. 34 G G zu begründen (vgl. D e n e c k e J R 1953, 40). Soweit die Staatshaftung nicht gegeben ist, hat der Kranke, falls die Voraussetzungen des § 823 (s. Anm. 53) vorhanden sind, auch gegen den behandelnden Arzt einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch, insbesondere auf Schmerzensgeld, für letzteren haftet auch die Krankenanstalt gemäß §§31,89 BGB, also unbeschränkt, wenn der behandelnde Arzt ihr verfassungsmäßiger Vertreter ist oder von diesem die Aufsichtspflicht verletzt ist, für das übrige Krankenhauspersonal mit der Entlastungsmöglichkeit aus §831 (vgl. § 89 Anm. 8; BGH 5, 321). Im Innenverhältnis hat jedoch die Krankenanstalt in beiden Fällen den Schaden zu tragen, falls nicht dem Krankenhauspersonal eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, sie hat deshalb ihre Angestellten von solchen Ansprüchen zu befreien (vgl. Anm. 17ff.). Haftung des Krankenhauseigentümers für die Folgen des von einem Kranken infolge seines krankhaften Zustandes begangenen Selbstmordversuches s. R G J W 1938, 1276 1 2 . Sorgfaltspflicht der Krankenkassen in bezug auf ihre Einrichtungen für Heißluft- und Bestrahlungsbehandlung s. R G SeuffArch 90 Nr. 85. Durch die Aufnahme und Behandlung im Krankenhaus wird eine vertragliche Pflicht der Fürsorge für den Kranken nicht ohne weiteres auch gegenüber seinen Angehörigen begründet; es entsteht dadurch keine vertragliche Haftung für Unfälle von Angehörigen im Krankenhaus (BGH 2, 94), doch kann ein entsprechender Vertragsinhalt nach den Umständen im Wege der Auslegung festgestellt werden (RG J W 1937, 926 4 ). Uber Ansprüche eines Kindes, dessen Mutter vor seiner Erzeugung durch Übertragung mit Lues verseuchten Blutes angesteckt war BGH 8, 243. Über die Stellung von Chefärzten, denen Behandlung von Patienten in der Krankenanstalt gegen besondere Gebühren gestattet ist, gegenüber den Patienten wie der Krankenanstalt vgl. B G H 7, 12—16. Anm. 59 6. Das Kassenarztrecht ist durch Gesetz v. 17. 8. 1955 (BGBl. I 573) neu geregelt. Demnach steht der Kassenarzt weder zu einer Krankenkasse oder einem Krankenkassenverband noch zu der kassenärztlichen Vereinigung in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, er ist vielmehr nur Mitglied der kassenärztlichen Vereinigung. Seine Tätigkeit dient der kassenärztlichen Versorgung der Sozialversicherten, er übt sie als öffentlichrechtliche Aufgabe im Rahmen seines ärztlichen Berufes aus (BSG AP Nr. 4, 5 zu § 12 GG) und ist an keine Weisungen gebunden. Die Vergütung für seine Tätigkeit erhält er nicht von der Krankenkasse, sondern von der kassenärztlichen Vereinigung, aus der von der Krankenkasse an diese gezahlte Gesamtvergütung, die sich nach den zwischen den Verband der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigung geschlossenen Gesamtverträgen bemißt. Die Zulassung erfolt nach einem im Gesetz genau geregelten Zulassungsverfahren durch unparteiische Zulassungsausschüsse und Berufungsausschüsse, gegen deren Entscheidungen Klage vor den Sozialgerichten zulässig ist. Diese haben auch über Streitigkeiten wegen der Höhe der Vergütungen zu entscheiden. Für Schadensersatzansprüche der Patienten aus Fehlern in der Behandlung sind dagegen nach wie vor die ordentlichen Gerichte zuständig. Uber Ansprüche von zur Kassenpraxis nicht zugelassenen Ärzten und Krankenhäusern bei Notbehandlungen s. BGH 23, 227. Uber die Frage, ob und wann die jungen Ärzte während der Pflichtassistentenzeit in einem Volontärverhältnis stehen oder Assistenzärzte i. S. der tariflichen Bestimmungen sind vgl. B A G 1 , 2 1 7 5 4 , 1 2 1 ; A P § 6 1 1 Arzt Nr. 4—7. A n m . 60 7. Über Zahnärzte und Dentisten vgl. Gesetz über die Zahnheilkunde v. 3 1 . 3 . 1952 (BGBl. I 221), das nur eine Bestallung als Zahnarzt kennt, akademische Zahnärzte und Dentisten völlig gleich behandelt. Beide handeln fahrlässig, wenn sie bei der Ver-

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Vor §611 A n m . 6 1 , 62

Schuldverhältnisse. Einzelne SchuJdverhältnisse

Wendung von Kleinstinstrumenten die von der Wissenschaft für erforderlich gehaltenen und ausgebildeten Sicherheitsmaßnahmen unterlassen, selbst wenn diese wegen der für den Patienten damit verbundenen Unbequemlichkeit und des Zeitverlustes üblicherweise nicht angewendet werden (BGH 8, 138). — Für T i e r ä r z t e s. Reichstierärzteordnung v. 3. 4. 1936 (RGBl. I, 347) ; für A p o t h e k e r s. Reichsapothekerordnung v. 18.4. 1937 (RGBl. I 457; 128) und B G H 7, 12.

Anm. 61

D. Rechtsanwälte

1 . Die B e r u f s s t e l l u n g der Rechtsanwälte wird weitgehend v o m ö f f e n t l i c h e n R e c h t e b e e i n f l u ß t . Ihre Beziehungen zu den ihren Beistand in Anspruch nehmenden Personen werden zwar, soweit nicht die öffentlich-rechtlichen Grundsäze eingreifen, durch das Vertragsrecht des BGB bestimmt. Uberall ist aber auch in diesem Zusammenhange zu beachten, daß der Beruf des Rechtsanwalts als eines verantwortlichen Gliedes der staatlichen Rechtspflege kein Gewerbe ist. Wenn seine Tätigkeit auch dem Erwerbe dient, so tritt doch ähnlich wie beim Arzte „nicht sowohl die Ausübung des wirtschaftlichen Erwerbs als vielmehr die Betätigung geistiger Kräfte im Dienste des Gemeinwohls" in den Vordergrund (vgl. R G 66, 150 ; 75, 105) oder wie es im Vorspruch zur R e i c h s r e c h t s a n w a l t s o r d n u n g v o m 2 1 . F e b r u a r 1 9 3 6 (RGBl. I, 107) die in den Ländern hinsichtlich der Zulassung, Ehrengerichtsbarkeit, Anwaltskammer i. S. des Zustandes vor 1935—37 neu gefaßt sind (vgl. L a n z , Das Anwaltsrecht in den Ländern des Bundesgebietes u. A r n d t J R 1953, 46) heißt, der Beruf des Rechtsanwalts ist „ k e i n G e w e r b e , s o n d e r n D i e n s t a m R e c h t " . Von dieser Wertung des Anwaltsberufes aus kann auch eine Anwaltspraxis in der Regel nicht Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehrs sein. Die e n t g e l t l i c h e Ü b e r l a s s u n g e i n e r A n w a l t s p r a x i s ist vielmehr r e g e l m ä ß i g s i t t e n w i d r i g und gemäß § 138 nichtig. Immerhin sind Ausnahmefälle unter besonderen Umständen, z. B. beim Tode eines Rechtsanwalts eine Überlassung durch die Witwe (vgl. R G 153, 280; 161, 155) denkbar. Doch muß hier in jedem Falle der Aufgabe des Rechtsanwalts, Diener am Recht zu sein, Rechnung getragen, insbesondere vermieden werden, ihm schwere wirtschaftliche Lasten aufzuerlegen, die ihn nötigen, seinen Beruf als reine Gelderwerbsquelle auszunutzen. Die ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e Stellung der Rechtsanwälte tritt in den Vorschriften der Reichsrechtsanwaltsordnung (Zulassung §§ 15 fr., Rechte und Pflichten §§ 31 ff., ehrengerichtliches Verfahren §§ 64 fr., Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof §§ 106 ff.) und der Prozeßordnungen überall hervor. Uber die Schweigepflicht F l o r J R 1953, 308. Insoweit aber der Rechtsanwalt als Rechtsbeistand zugezogen wird, liegt ein V e r t r a g s V e r h ä l t n i s des b ü r g e r l i c h e n R e c h t e s vor, dem in der Regel ein D i e n s t v e r t r a g , der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat (RG 162, 171 ; §§ 6 1 1 , 675, s. auch §675 Anm. 1), und nur ausnahmsweise, wenn nicht die Arbeit des Anwalts, sondern ein durch sie herbeizuführender Erfolg (§ 631 Abs. 2), z. B. die Erstattung eines Gutachtens, den Gegenstand seiner Verpflichtung bildet, ein W e r k v e r t r a g zugrunde liegt (RG 75, 105; 88, 223; 110, 139). Auch die Anfertigung eines Vertrags durch einen Rechtsanwalt bildet nur unter besonderen Umständen (RG J W 1914, 642*) den Gegenstand eines Werkvertrags (RG 88, 223). Ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag kann auch stillschweigend zustande kommen (RG WarnRspr. 1930 Nr. 2 1 1 ) . Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Rechtsanwalt wegen Nichtzahlung eines Vorschusses s. R G WarnRspr 1926 Nr. 165. Uber das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Auftraggeber als T r e u e v e r h ä l t n i s mit weitgehender Selbständigkeit s . R G 113,264 (269) ; § 654 Anm. 1 : über Verjährung der Gebührenansprüche nach § 37 R A O R G 163, 9.

2. Haftpflicht Anm. 62 a) A l l g e m e i n e s . Eine Haftpflicht des Rechtsanwalts aus Verletzung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeiten ist von der Rechtsprechung in folgenden Fällen angenommen worden, bei nicht ausreichender Sorgfalt, die auf die Grundbucheinsicht zu verwenden war (RG WarnRspr 1912 Nr. 246), bei Nichtbelehrung über die

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Dienstvertrag

V o r § 611 A n m . 62

Gefahren, die mit der Unterlassung der Benachrichtigung des Grundstückseigentümers von der Abtretung einer Hypothekenforderung verbunden sind (RG J W 1921, 336®), bei mangelhafter Beratung über die Rechtsgültigkeit eines Grundstücksgeschäfts (RG J W 1931, 2014 1 ), bei unterlassener Fürsorge für die Aufnahme eines im Zwangsversteigerungstermin abgegebenen Gebots in das Protokoll (RG 1 1 . 12. 1908), bei Ubersehen des Sicherheitsverlangens eines Beteiligten (RG J W 1915, 654°) und bei unterlassener Berechnung der der Hypothek des Auftraggebers vorgehenden Ansprüche im Zwangsversteigerungstermin (RG WarnRspr 1916 Nr. 247), ferner bei Beschaffung und Benutzung eines ungültigen Wechselprotests (RG 20. 2. 1906 I I I 295/05), bei Verzögerung einer an sich begründeten Klagestellung bis nach Ablauf der dafür bestehenden Verjährungsfrist und bei schuldhafter Herbeiführung der Verjährung durch Nichtbetrieb eines anhängigen Rechtsstreits (RG WarnRspr 1912 Nr. 3 7 1 ; R G J W 1914, 771 1 6 ). Ferner wegen Vereitelung von Schadensersatzansprüchen durch Erhebung der Wandlungsklage (RG WarnRspr 1915 Nr. 139), wegen falscher Fassung des Klageantrags bei Auseinandersetzung von Gesellschaften einer offenen Handelsgesellschaft (JW 1917, 979 3 ), wegen mangelhafter Fassung einer Anmeldung zum Handelsregister (RG J W 1915, 509 8 ), wegen der Empfehlung eines unzulässigen Selbsthilfeverkaufs (RG J W 1921, 8g3 3 ), wegen Nichtbelehrung oder irriger Belehrung über die Ausschließung der Haftung für die Schulden eines mit der Firma übernommenen Handelsgeschäfts nach H G B § 25 Abs. 2 (RG J W 1916, 1275 5 ; R G L Z 1916, 1239 9 ), wegen unterlassener Belehrung über die außergewöhnliche Höhe der aus der Ausführung eines Auftrags zu erwartenden Kosten (RG 118, 365; R G J W 1919, 446'), wegen mangelhafter Begründung und verspäteter Einreichung eines Armenrechtsgesuchs (RG J W 1931, 178g 2 ); wegen Entwerfung eines sittenwidrigen Sicherungsübereignungsvertrags (RG WarnRspr 1931 Nr. 155), wegen mangelhaften Schutzes der Konkursmasse, deren Interesse er als Prozeßbevollmächtigter des Konkursverwalters zu vertreten hat, gegen die Vollstreckung eines eine Konkursforderung betreffenden Urteils ( R G WarnRspr 1933 Nr. 167), wegen mangelhaften Schutzes des Auftraggebers vor einer Gebührenpflicht gegenüber dem von einem anderen Beteiligten angegangenen Notar s. RG WarnRspr 1935 Nr. 140. Über die Verpflichtung des vom Gericht beigeordneten Armenanwalts, unter Umständen auch ohne Auftrag der Partei in deren Interesse tätig zu werden, s. R G 1 1 5 , 60; vgl. auch R G J W 1932, 2144'. Haftung des Armenanwalts erster Instanz, der mit seiner Partei über die Einlegung der Berufung verhandelt hat, für die Versäumung der Rechtsmittelfrist s. RG 118, 126. Der mit der Führung eines Rechtsstreits beauftragte Rechtsanwalt darf von der Geltendmachung eines seiner Partei zustehenden rechtlichen Einwandes, z. B. auch der Unklagbarkeit von Börsentermingeschäften, nicht absehen, ohne die Partei auf die Möglichkeit des Einwandes hingewiesen zu haben (RG 139, 358). Für eigenmächtiges Abweichen von Anweisungen des Auftraggebers gilt gemäß § 675 die Vorschrift des § 665 (RG H R R 1931 Nr. 405). Bei der Entgegennahme von Beweisangeboten kann sich der Rechtsanwalt mit der Benennung von Zeugen durch die Partei begnügen und braucht sich nicht etwa durch eine (an sich schon bedenkliche, R G 140, 397 f.) Befragung der Zeugen von deren Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Der B e r u f u n g s a n w a l t hat sich innerhalb angemessener Frist mit dem Prozeßstoff bekanntzumachen und ihn selbständig darauf hin zu prüfen, ob und welche prozessualen Maßnahmen zur Wahrnehmung der Interessen seiner Partei, z. B. auch zur Unterbrechung der Verjährung des noch nicht rechtshängigen Teiles einer Schadensersatzforderung erforderlich sind; Verschulden des erstinstanzlichen Anwalts entlastet ihn nicht, begründet vielmehr nur eine Gesamthaftung beider Anwälte (RG 1 1 5 , 185). Er kann dem geschädigten Auftraggeber auch ein Verschulden seines Verkehrsanwalts insoweit nicht entgegenhalten, als dieser nicht Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers in seinem Verhältnis zum Berufungsanwalt ist (RG 140, 1). Verpflichtung des Berufungsanwalts die Begründungsfrist auch während eines schwebenden Armenrechtsverfahrens zu überwachen B G H 7, 281. Zu den Pflichten des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, der in der Berufungsinstanz als Verkehrsanwalt tätig ist, s. RG 152, 330. Der R e v i s i o n s a n w a l t ist für den Gang des Revisionsverfahrens, soweit dieser von ihm abhängt, verantwortlich; für eine unrichtige sachlich-rechtliche Behandlung kann er nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden, weil zwischen sein Verhalten und einen 36 Komm. 2. BGB, u . Aufl. II. Bd. (Denecke)

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V o r §611 Anm. 63, 64

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

seiner Partei entstehenden Schaden, den Ursachenzusammenhang im Rechtssinne unterbrechend, die Entschließung des Revisionsgerichts tritt (RG 142, 394). Die Übernahme der Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren begründet nicht ohne weiteres die Pflicht, dafür zu sorgen, daß der Auftraggeber eine möglichst geringe Wertzuwachssteuer zu bezahlen hat (RG J W 1 9 1 7 , 967 1 ). Uber die Ausführung des Zwangsvollstreckungsauftrags, das Girokonto eines Schuldners des Auftraggebers „sperren zu lassen", s. R G L Z 1 9 1 5 , 5 2 1 9 . Haftung des Rechtsanwalts für die Entwendung von Akten, die einem Beteiligten zur Einsicht vorgelegt worden sind, s. R G L Z 1916, 1022 9 Vorteilsausgleichung, wenn der durch die Schuld des Rechtsanwalts ausgefallene Hypothekengläubiger das Grundstück mit Gewinn ersteht, s. R G 84, 386. Gibt der Auftraggeber nicht unzweideutig zu erkennen, daß er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedürfe, dann ist ihm eine a l l g e m e i n e , m ö g l i c h s t e r s c h ö p f e n d e Bel e h r u n g zu geben, die sich auch auf die Gefahren eines beabsichtigten Rechtsgeschäfts und dagegen mögliche Vorsichtsmaßregeln zu erstrecken hat (RG J W 1 9 2 1 , 3 3 6 ' ; 1928, 1 1 3 4 1 ; 1932, 2854 1 ; 1934, 1042 2 ; R G H R R 1935 Nr. 578). Auch Steuerund Wirtschaftsfragen sind bei der Beratung zu berücksichtigen (RG J W 1932, 2585"). Anm. 63 b ) Ursächlichkeit. Hat der Rechtsanwalt durch sein Verhalten in einem Rechtsstreite, z. B. durch Nichteinlegung eines Rechtsmittels oder durch einen Verzicht, die Interessen seines Auftraggebers verletzt, so ist für die Frage, o b d a d u r c h e i n S c h a d e n e n t s t a n d e n i s t , nicht maßgebend, wie das Gericht jenes Rechtsstreits ohne das Verhalten des Rechtsanwalts entschieden haben würde, sondern wie es b e i r i c h t i g e r B e u r t e i l u n g , also nach der Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts, hätte entscheiden müssen (RG 91, 164; 1 1 7 , 293; 139, 358; B G H N J W 1956, 140). Konnte ein erstinstanzliches Urteil sogleich vollstreckt werden, weil die Berufung nicht ordnungsmäßig eingelegt war, war die Berufung aber zugleich aussichtslos, so liegt kein Schaden im Rechtssinne vor (RG 162, 65). Über den ursächlichen Zusammenhang zwischen falscher Beratung im Zwangsversteigerungstermin und Ausfall der Forderung des beratenen Gläubigers s. R G H R R 1936 Nr. 252. Uber eine Unterbrechung des Ursachenzusammenhanges zwischen einem schuldhaften Verhalten des Revisionsanwalts und der Entscheidung des Revisionsgerichts durch dessen Entschließung s. die schon oben erwähnte Entscheidung R G 142, 394. Wer einen Rechtsanwalt wegen fehlerhafter Beratung haftbar machen will, muß den ganzen, diesem unterbreiteten Sachverhalt darlegen, auch Behauptungen des Gegners widerlegen (RG 20. 6. 1933 6/33). Uber die Beweislast bezüglich des ursächlichen Zusammenhangs s. R G WarnRspr 1 9 1 6 Nr. 135, 1 9 1 3 Nr. 4 1 3 ; R G L Z 1914, 1897. Hat der Rechtsanwalt durch Verletzung seiner Vertragspflicht eine Ursache der Schädigung seines Auftraggebers gesetzt, so wird die Ursächlichkeit seines Versehens nicht dadurch beseitigt, daß der Richter nachher gleichfalls ein Versehen begeht, ohne das der Rechtsanwalt sein eigenes Versehen entdeckt und den Schaden noch verhindert haben würde (RG 13. 1 1 . 1931 I I I 32/31). Anwalt als Erfüllungsgehilfe der Partei, wenn diese nach § 839 I I I , § 254 I I oder Vertrag zur Schadensabwendung verpflichtet ist R G 163, 124; 167, 76. Anm. 64 c) Umfang der Prüfungspflicht. D e r R e c h t s a n w a l t m u ß und kann bei Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers n a c h s o r g f ä l t i g e r P r ü f u n g s i c h s e l b s t eine R e c h t s a n s c h a u u n g bilden und b r a u c h t nicht j e d e r a b w e i c h e n d e n M e i n u n g R e c h n u n g zu t r a g e n ; wohl aber muß er allgemein anerkannte Ergebnisse der Rechtslehre sowie die oberstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigten (RG 87, 183, dazu 89, 426; auch R G H R R 1936 Nr. 330). Er darf nicht zu einem weniger günstigen Vergleich raten, wenn nach Schrifttum und Rechtsprechung begründete Aussicht auf Erzielung eines günstigen Ergebnisses besteht (RG J W 1932, 285Ö3). Kein Verschulden des Rechtsanwalts, wenn er einer vom Reichsgericht oder Bundesgerichtshof gebilligten, wenn auch von Schriftstellern bekämpften Ansicht folgt; er braucht auch nicht mit einer Änderung der Rechtsprechung zu rechnen (RG J W 1 9 1 5 , 1259 3 ; 1937, 1633 4 ). Kein Verschulden des Rechtsanwalts, wenn er nach pflichtgemäßer Überlegung

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Dienstvertrag

Vor § 6 1 1

A n m . 65, 66 der Ansicht eines anerkannten Erläuterungswerkes folgt ( R G J W 1934, 2763 3 ), oder sich auf ein Gutachten verläßt, das sich nachträglich als falsch herausstellt ( R G 15g, 109). Bei Ansprüchen aus § 839 muß der Rechtsanwalt insbesondere prüfen und auch während des Rechtsstreits im Auge behalten, ob nicht ein der Klage entgegenstehender Ersatzanspruch des Klägers gegen Dritte (§ 839 Abs. 1 Satz 2), gegebenenfalls auch gegen ihn selbst, besteht ( R G 158, 130). Der Rechtsanwalt muß aber Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlaß gibt, darlegen und darf nicht die Gefahr einer ungünstigen gerichtlichen Entscheidung dem Auftraggeber aufbürden ( R G L Z 1916, 1006 7 ). V o n m e h r e r e n m ö g l i c h e n M a ß n a h m e n m u ß er d i e j e n i g e w ä h l e n , d i e s i c h e r e r u n d z w e i f e l s f r e i ist ( R G 152, 330 [344]), auch wenn für andere, zweifelhaftere sich angesehene Rechtslehrer aussprechen ( R G J W 1921, 8g3 3 ), und er muß auch die Möglichkeit einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage durch die zur Entscheidung berufene Stelle berücksichtigen und seine Maßnahmen im Rahmen des Möglichen so treffen, daß sein Auftraggeber auch in solchem Falle keinen Schaden erleidet ( R G 151, 259; R G J W 1937, 1633 4 ). V o r einer Abweichung von bestimmten Anweisungen hat der Rechtsanwalt dem Auftraggeber Anzeige zu machen und seine Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§§ 675, 665 Satz 2; dazu R G WarnRspr 1930 Nr. 34). Unkenntnis der Sonderentwicklung eines einzelnen deutschen Landes ist nicht immer schuldhaft ( R G J W 1932. 2856 4 ). Uber Behandlung von Fristsachen s. auch R G 96, 3 2 2 ; 158, 195. Über die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts gegenüber Versehen, die nicht ihm, sondern dem Gericht zur Last fallen, Prüfungspflicht gegenüber gerichtlichen Verfügungen, Beachtung bekanntgewordener Unregelmäßigkeiten, s., insbesondere im Zwangsversteigerungsverfahren, R G J W 1936, 2708 7 , dazu H o l s t e i n J W 1938, 143 1 0 .

A n m . 65 d ) Der Rechtsanwalt haftet für seine G e h i l f e n und für seinen amtlich bestellten Gesamtvertreter ( R R A O § 29) nach § 278 ( R G 163, 377). Haftung für betrügerische Mitteilungen des Bürovorstehers R G 101, 248, für Unterschlagungen des Kanzleivorstandes J W 1920, 397 9 , für Rechtsauskünfte, die der Bürovorsteher mit Wissen und Willen des Rechtsanwalts erteilt, R G J W 1932, 641 1 . Über die Haftung m e h r e r e r A n w ä l t e , die nacheinander von der Partei um R a t und Betreuung ersucht worden sind, R G 167, 76. Rechtsanwälte, die sich zur g e m e i n s c h a f t l i c h e n A u s ü b u n g d e s A n w a l t s b e r u f s verbunden haben, haften als Gesamtschuldner für den Schaden, den einer von ihnen in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt ( R G H R R 1928 Nr. 950) dem Auftraggeber schuldhaft verursacht, wenn dieser, was im Zweifel anzunehmen ist, sie sämtlich mit der Wahrnehmung seiner Rechte betraut hat ( R G 85, 3 0 6 ; J W 1916, 5 1 9 7 ; 1 9 1 7 , 304 7 ; 1936, 803 1 4 ). Das gilt aber nur bei Handlungen, die sich innerhalb der Grenzen des Anwaltsberufs bewegen, nicht z. B. für eine Auskunft über wirtschaftliche Verhältnisse behufs Entschließung über die Gewährung eines Darlehns ( R G 88, 3 4 2 ; R G J W 1936, 803 1 4 ). Eine nur büromäßige Verbindung mehrerer Rechtsanwälte begründet, auch wenn sie nach außen als Anwaltssozietät erscheint, eine gesamtschuldnerische Schadenshaftung des einen für den anderen dann nicht, wenn der Auftrag nur einem von ihnen erteilt und, wie etwa bei der Bestellung als Treuhänder, ersichtlich an dessen Person geknüpft ist

(RG 20. 12. 1935 V 49/35).

A n m . 66 e) M i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n d e s A u f t r a g g e b e r s kann die Ersatzpflicht des Rechtsanwalts nach § 254 beschränken. Wenn aber der Anwalt infolge ungeschickten oder säumigen Verhaltens des Auftraggebers Veranlassung hat, sein bisheriges Vorgehen zu ändern und rasch einen andern, gesetzlich gewiesenen Weg zu beschreiten, und er unterläßt dies, so trifft grundsätzlich nur ihn die Schuld für diese Versäumung ( R G WarnRspr 1926 Nr. 212). Der Auftraggeber, der gegenüber einem Vertragsgegner s i t t e n w i d r i g u n d a r g l i s t i g gehandelt hat, kann den Schaden, der ihm durch das Fehlschlagen dieses Handelns entstanden ist, in der Regel nicht auf seinen nur f a h r l ä s s i g handelnden Anwalt abwälzen; der Anwalt ist ihm solchenfalls nicht oder doch nur unter besonderen Umständen schadensersatzpflichtig ( R G 130, 1 [6]; R G J W 1935,

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Vor §611 A n m . 67—69

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

24913; 1937, 35 17 ; R G H R R 1936 Nr. 330). Hat aber der Anwalt selbst den Auftraggeber zu seinem arglistigen und sittenwidrigen Vorgehen angestiftet, dann besteht kein Anlaß ihn von jeder Haftung freizugeben; es kann höchstens eine Abwägung wegen mitwirkenden Verschuldens des Auftraggebers nach § 254 in Frage kommen (RG SeufTArch. 89 Nr. 142). A n m . 67 f ) Zur Verteilung der Beweislast : Der Auftraggeber muß den Auftrag als solchen und seinen gesamten Inhalt beweisen; so auch vor allem dem Tatbestand, den er dem ihn beratenden Rechtsanwalt unterbreitet hatte (RG H R R 1933 Nr. 1746). — Uber die V e r j ä h r u n g von Schadensersatzansprüchen s. RAO §32a und R G 88, 223; 90, 82; 158, 130; R G J W 1933, 508 2 ; LZ 1916, 1188; WarnRspr 1918 Nr. 75. — Vertragsverhältnis des Rechtsanwalts zu a n d e r e n B e t e i l i g t e n , insbesondere auch zu dem Vertragsgegner der von ihm vertretenen Partei, s. R G 52, 365; 129, 109; R G J W 1927, 11457; 1928, 11341; R G WarnRspr 1933 Nr. 38; R G H R R 1933 Nr. 1744. Anwaltsdienstvertrag (nicht Bürgschaft), wenn jemand im eigenen Interesse für sich einen Rechtsanwalt zugunsten eines (unbemittelten) Dritten mit der Vertretung dieses Dritten beauftragt, s. R G J W 1938, 24 io 13 . Zur Frage, inwieweit ein Rechtsanwalt bei Wahrnehmung des Rechts seines Vollmachtgebers auf die Interessen des Gegners Rücksicht zu nehmen verpflichtet ist, s. R G 124, 104. A n m . 68 3. Ein Abkommen zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber über die Höhe der Vergütung verliert nicht ohne weiteres seine Wirksamkeit mit dem Inkrafttreten einer Gebührenordnung, die den Rechtsanwalt besser stellen würde ; die Bedeutung eines solchen Abkommens muß vielmehr nach den Umständen des Falles und dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen der Vertragsteile festgestellt werden (RG 114, 336; R G WarnRspr 1927 Nr. 27). Uber Honorarvereinbarungen, Herabsetzung übermäßig hoher Vergütungen und Verwirkung von Rückforderungsansprüchen wegen solchen Ubermaßes s. R G 145, 217; 158, 100; R G J W 1928, 27811; 1930, 62856; 1938, 2041", R G H R R 1935 Nr. 725. Über Nichtigkeit der Vereinbarung übermäßig hoher Vergütungen R G 83, 109; 98, 74; R G 142, 70; 158, 110; vgl. jetzt § 3 der RAGebO von 1957, wonach das Gericht unter Umständen ein angemessenes Honorar festsetzen kann. Uber vormundschaftliche Genehmigung s. R G 158, 210. Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts, der seinem Auftraggeber schuldhaft eine zu hohe Gebührenrechnung übersendet und auf Beanstandung erklärt, die Gebühren seien richtig berechnet, s. R G 130, 101. Verwirkung des Gebührenanspruchs durch mißbräuchliche Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an den Handakten s. R G 113, 264. Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts, der für seinen inländischen Auftraggeber Rechtsangelegenheiten im Ausland besorgt s. R G 1491, 121. Vergütungsansprüche eines ausländischen Rechtsanwalts R G 151, 193, B G H 22. 162. E. Notare A n m . 69 1. öffentlich-rechtliche Stellung und Pflichten Das Recht des Notars ist jetzt einheitlich und erschöpfend in der R e i c h s n o t a r o r d n u n g v. 13. F e b r u a r 1937 (RGBl. I 191) geregelt. Sie ist nur für Rheinland Pfalz durch eine Landesnotarordnung vom 3. 9. 1949 (GVOB1. 391) ersetzt worden, in anderen Ländern nur hinsichtlich der Zuständigkeit z. T. geändert worden. Das bei Inkrafttreten des Bonner Grundgesetz bestehende Recht gilt gemäß Art. 125 i. V. in Art. 74 Z 1 als Bundesrecht weiter fort. Der Notar, als Rechtswahrer auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege, insbesondere zur Beurkundung von Rechtsvorgängen bestellt und auf den Bezug von Gebühren für seine Tätigkeit (§ 18) angewiesen, ist danach (unbeschadet der abweichenden Regelung für einzelne Bezirke (vgl. §§ 84ff.; für Bayern VO des RJM v. 2. 7. 1937 DJ 1028) n i c h t B e a m t e r im Sinne des Deutschen Beamtengesetzes, a b e r T r ä g e r e i n e s ö f f e n t l i c h e n A m t s , er steht nicht in einem Dienstverhältnis, 554

Dienstvertrag

Vor §611

A n m . 70, 71

sondern nur in einem Treuverhältnis zum Staat (§§ i , 2, 14). Seine amtliche Zuständigkeit ist in den §§22 ff. näher bestimmt. Nach § 2 5 sind die Notare auch zuständig, Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten, die ihnen von den Beteiligten übergeben sind, zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen. Zum Amt des Notars gehört neben sonstiger Rechtsbetreuung insbesondere die Anfertigung von Urkundenentwürfen und die Beratung sowie, unbeschadet sonstiger Beschränkungen, auch die Vertretung der Beteiligten (§ 26 Abs. 1). Uber die Prüfungs- und Belehrungspflichten des Notars bei der Beurkundung s. Dienstordnung v. 5. 6. 1937 D J 1937, 874 §§3off. Nimmt der Notar, der zugleich Rechtsanwalt ist, Handlungen der in § 26 Abs. 1 bezeichneten Art vor, so ist anzunehmen, daß er als Notar tätig geworden ist, wenn es sich dabei um die Vorbereitung oder Ausführung der ihm in den §§ 22—25 zugewiesenen Amtsgeschäfte handelt; im übrigen ist im Zweifel anzunehmen, daß er als Rechtsanwalt tätig geworden ist (§ 26 Abs. 2). Uber die Rücknahme von Anträgen, die der Notar im Namen der Beteiligten beim Grundbuchamt oder bei den Registerbehörden zu stellen kraft Gesetzes ermächtigt ist, s. § 26 Abs. 3. Die A m t s h a f t u n g des Notars ist in § 21 Abs. 1 besonders geregelt. Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem andren gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er diesem den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Vorschriften über die Amtspflichtverletzungen von Beamten, die sie bei Ausübung der Rechtspflege begangen haben, gelten entsprechend. § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B bleibt jedoch bei Amtsgeschäften der in den §§ 25, 26 bezeichneten Art (s. oben) im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Auftraggeber außer Anwendung. Uber die Amtshaftung des Notariatsassessors und des Notarvertreters s. § 21 Abs. 2, § 3 5 ; der Notar haftet nach diesen Vorschriften dem Geschädigten neben dem Vertreter stets, neben dem Assessor dann, wenn er ihm das Geschäft zur selbständigen Erledigung überlassen hatte, als Gesamtschuldner; im Verhältnis zum Notar sind Assessor und Vertreter allein verpflichtet. Für die Amtspflichtverletzung eines Notarverwesers (§ 40) haftet neben diesem die Notarkammer dem Geschädigten als Gesamtschuldner; im Verhältnis zwischen der Notarkammer und dem Notarverweser ist dieser allein verpflichtet, und dasselbe gilt, soweit der Notarverweser nach § 35 oder § 21 Abs. 2 für Amtspflichtverletzungen eines Vertreters oder Assessors haftet ( A V O v. 26. 6. 1937, R G B l . I 663, § 7). E i n e S t a a t s h a f t u n g k o m m t n i c h t in F r a g e , da der Notar nur auf den Bezug von Gebühren angewiesen ist (§5 des Gesetzes v. 22. 5. 1910, R G B l . 798), und nicht in einem Dienstverhältnis i. S. des Art. 34 G G steht R G 102, 172; B G H 9, 289. A n m . 70 Nach § 28 sind dem Notar und seinen Angestellten Vermittlung von Darlehn und Grundstücken, wie die Übernahme von Bürgschaften und sonstige Gewährleistungen untersagt. Auch hat er die Mitwirkungen bei Beurkundungen von rechtlich unzulässigen, verbotenen oder strafbaren Geschäften abzulehnen (RG 85, 225; 87, 232; 1 0 1 , 155). 2. Amtspflichten und Haftung A n m . 71 a ) Allgemeines. Nach der in den §§ 22—26 der R N o t O gegebenen Umgrenzung der amtlichen Tätigkeit des Notars, namentlich der Einbeziehung der Rechtsbetreuung bleibt innerhalb dieser Tätigkeit für eine Vertragshaftung anstatt oder neben der Amtshaftung kein Raum. Sie kommt vielmehr nur in Frage, wenn der Notar außerhalb seiner notariellen Tätigkeit als Anwalt nach § 26 I I oder bei der Durchführung des beurkundenden Vertrages beratend, überwachend oder bloß mitwirkend tätig ist (RG D J 1933, 578; J W 35, 772; 37, 1707). Indessen darf wie sonst ein einheitlicher Lebensvorgang, eine einheitliche Tätigkeit nicht auseinandergerissen, d.h. eine Einzelhandlung als nicht amtlich betrachtet werden, so etwa eine Rechtsauskunft in Verbindung mit einer Beurkundung (RG 142, 184; 162, 29; J W 1930, 753). Bezüglich R a t und Auskunft über die Zuverlässigkeit und Zahlungsfähigkeit eines Kreditnehmers und Wert einer Sicherheit oder die Güte des Käufers als Gegenstand vertraglicher Bindung vgl. R G J W 1918, 90; WarnRspr 1920 Nr. 197; J W 1933, 5 1 0 ; H H R 1935 Nr. 1308.

555

Vor §611 A n m . 72—75

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 72 b ) A m t s p f l i c h t e n bei B e u r k u n d u n g . Bei B e u r k u n d u n g eines V e r t r a g e s hat der Notar den wirklichen Willen des Beteiligten in klarer, gültiger Fassung und Form urkundlich festzulegen, der Urkunde den Inhalt zu geben, der dem Willen des Beteiligten und dem Zwecke der Urkundenerrichtung entspricht ( R G 85, 4 1 3 ; 87, 232; 93, 68; WarnRspr 1937 Nr. 37). Dabei darf er sich aber nicht immer und ohne weiteres mit äußerlich einwandfreien Erklärungen der Beteiligten, selbst wenn diese geschäftsgewandt sind, begnügen, er muß vielmehr ihren wirklichen Willen erforschen und danach die Beurkundung vornehmen ( R G 95, 3 0 1 ; J W 1936, 2535). Bei Zweifeln über die rechtliche Zulässigkeit und Rechtswirksamkeit dessen, was er beurkunden soll, hat er seine Bedenken den Vertragschließenden bekannt zu geben und von mehreren in Betracht kommenden Maßnahmen diejenige zu empfehlen, die sicherer und gefahrloser ist ( R G 148, 321). Stehen z. B. der vom Verkäufer zu beurkundenden Löschung einer Hypothek Schwierigkeiten entgegen, dann muß er mit den Beteiligten die Möglichkeit einer Sicherung des Käufers erörtern, der bloße Hinweis, daß Schritte gegen den Hypothekar unternommen werden müßten, genügt nicht ( R G J W 1936, 600). A n m . 73 Bei B e g l a u b i g u n g e i n e r U n t e r s c h r i f t hat der Notar nach § 27 zu prüfen, ob Gründe bestehen seine Amtstätigkeit nach § 15 II, 17 zu versagen. Ist ohne weiteres, d. h. bei einer oberflächlichen Prüfung erkennbar, daß die Beglaubigung nicht genügt, sondern es einer notariellen Beurkundung zur Wirksamkeit des in der Urkunde enthaltenen Rechtsgeschäftes bedarf, so hat er gemäß seiner allgemeinen Betreuungspflicht darauf hinzuweisen ( R G 146, 185). Zu einer weitergehenden Prüfung ist er nur auf Grund eines besonderen Auftrages verpflichtet, aus der Unterlassung einer weitergehenden Prüfung kann er sonst nicht verantwortlich gemacht werden. A n m . 74 Uber die Amtspflichten bei Erhebung von Wechselprotesten R G 91, 127, über Sorgfaltspflicht bei Auswahl einer Bank zur Hinterlegung anvertrauter Gelder R G J W 1933, 2899: Über Verpflichtung, sich über die Persönlichkeit der zur Aufnahme oder Beglaubigung einer Urkunde vor ihm Erschienenen sich zu vergewissern R G 78, 2 4 1 ; 81, 125; 124, 62; 156, 348; 156, 82; B G H L M Nr. 7 zu § 21 NotO Ausweis mit Lichtbild. Prüfung der Vollmachten R G J W 1934, 2394, Sorgfalt bei der Feststellung, daß Testamentszeugen nicht wegen Verwandtschaft ausgeschlossen sind R G J W 1933, 1308 vgl. auch § 839. A n m . 75 3. Eine P f l i c h t z u r B e l e h r u n g der Beteiligten kann sich für den Notar aus seiner Urkundstätigkeit selbst ergeben, sie kann auch aus der ihm obliegenden allgemeinen Betreuung auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege (§ 26 I NotO) folgen, zwar nicht nur dann, wenn eine Frage —• dem Notar erkennbar — für die Beteiligten von großer Bedeutung ist, sondern wenn besondere Umstände vermuten lassen, daß einem der Beteiligten wegen mangelnder Rechtskenntnis ein drohender Schaden oder die Bedeutung und die Tragweite seiner, äußerlich vielleicht nicht zu beanstandenden Erklärung nicht voll bewußt geworden ist ( R G 110, 360; 130, 1; 148; 3 2 1 ; B G H L M Nr. 1 zu § 1 RNotO). Der U m f a n g d e r B e l e h r u n g s p f l i c h t des Notars läßt sich nicht allgemein bestimmen, sondern hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch davon ab, ob er geschäftskundige Personen vor sich hat oder nicht ( R G 142, 429; H H R 1930 Nr. 8, 588, J W 1933, 5 1 0 ; 1935, 1340; 1936, 648, 803). Uber Pflicht zur Aufnahme einer Vollstreckungsklausel ( R G H H R 1934 Nr. 323), Auflassungsvormerkung ( R G J W 1928, 1862; H H R 1932 Nr. 1446; B G H BB 54, 142) Als B e t e i l i g t e , denen eine Belehrung zu erteilen ist, kommen in Betracht die Personen, deren Erklärung beurkundet werden soll, aber auch diejenigen deren Interessen durch das Amtsgeschäft berührt werden, insbesondere auch diejenigen die aus dem beurkundeten Geschäfte Rechte erwerben sollen ( R G 153, 153; B G H 19, 9).

556

Dienstvertrag

Vor §611 A n m . 76, 77

A n m . 76 E i n z e l f ä l l e . Belehrung über die Gefahren der Auszahlung eines Darlehns vor Eintragung einer Hypothek s. R G 85, 337 (mitwirkendes Verschulden des Darlehnsgebers s. R G SeuffArch. 85 Nr. 73), der Auszahlung eines Kaufpreises vor Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung R G J W 1922, 805 7 , über § 1829 B G B B G H 19. 7; über Eintritt der Haftungsbeschränkung erst mit der Eintragung der G m b H B G H L M Nr. 2 zu § 21 R N o t O , oder vor Beibringung der Löschungsquittung für eine nach dem Kaufvertrag zu löschende Hypothek R G WarnRspr. 1934 Nr. 121, oder sonst ohne (oder ohne genügende) Sicherung R G H H R 1934 Nr. 864, 1925, bei Sicherungsübereignungen s. R G J W 1934, 2841 1 ; R G H R R 1935 Nr. 732. Belehrung über die wirtschaftlichen Gefahren eines Vertrags; R G 100, 284; 142, 424; 1921 S. 169 2 , 237 8 ; WarnRspr. 1937 Nr. 154, 155; R G H R R 1932 Nr. 1920. Steuer- und kostenrechtliche Auswirkungen des beurkundeten Rechtsgeschäfts, die kraft Gesetzes eintreten, m u ß der Notar nur dann erörtern, wenn eine Partei nach den Umständen erkennbar auf diese Auswirkungen besonderen Wert legt oder durch sie besondere Gefahr läuft ( R G 142, 424; R G J W 1935, 1483 2 ). Belehrung über zu entrichtende Grunderwerbs- und andere Steuern s. R G WarnRspr. 1929 Nr. 48 B G H 26. 353 D N Z 492, über die Gefahren einer Aushändigung des Hypothekenbriefs an den Gläubiger s. R G WarnRspr. 1931 Nr. 163. Uber die B e w e i s l a s t bei versäumter Belehrung s. R G J W 1933, 1056 2 ; R G H R R 1934 Nr. 804.

A n m . 77 d ) Zur E i n s i c h t d e s G r u n d b u c h s ist der Notar, vorbehaltlich besonderer U m stände ( R G H R R 1935 Nr. 1013), nur im Falle eines dahin gehenden Vertrags verpflichtet ( R G J W 1915, 1193 4 ; 1919, 241 8 ). Prüfung der Eintragungen durch den Notar, falls er Einsicht nimmt, s. R G H R R 1933 Nr. 1925, insbesondere bei neuen Grundbuchblättern, auf die ältere umgeschrieben sind, s. R G H R R 1935 Nr. 786. Prüfung der in einer Eintragung in bezug genommenen Eintragungsbewilligung s. R G H R R 1932 Nr. 1577; 1934 Nr. 805. Wenn der Notar das Grundbuch nicht einsieht, so m u ß er sich auf andere Weise Gewißheit über seinen Inhalt verschaffen, und wenn er hierüber nicht genügende Klarheit gewinnt, die Beteiligten mindestens darauf aufmerksam machen, daß die Beurkundung nur auf ihre Gefahr geschehen könne ( R G J W 1930, 3306'; I 93 1 > 2362 1 , 2465 1 ; R G WarnRspr. 1930 Nr. 213). Er hat auch die Amtspflicht, sich vor der Beurkundung eines Kaufvertrags über Grundstücke davon zu überzeugen, ob die Beteiligten, insbesondere der Käufer, zuverlässige Kenntnis vom Hypothekenstande haben ( R G 85, 339; 95, 299; 122, 80; R G J W 1931, 2362 1 ; 1936, 6481», 2396»; R G H R R 1931 Nr. 218). Z u m mindesten m u ß er die Beteiligten darauf aufmerksam machen, daß die Beurkundung nur auf ihre Gefahr geschehen könne. V o r der Beurkundung eines K a u f vertrags über ein Grundstück muß sich der Notar auch davon überzeugen, ob die Beteiligten von den bei den Grundakten eingegangenen, noch nicht erledigten Anträgen auf Eintragung von Hypotheken Kenntnis haben ( R G Gruchot 71, 622). Liegt ein Grundbuchauszug vor, so darf sich der Notar darauf verlassen, d a ß er richtig ist ( R G H R R 1932 Nr. 1445); er muß ihn aber selbständig nach allen Richtungen prüfen, die für das abzuschließende Geschäft von Bedeutung sein können ( R G WarnRspr. 1927 Nr. 172). Wird der Notar mit der Feststellung des Ranges einer Hypothek beauftragt, so hat er in aller Regel nicht nur die Eintragungen in A b t . I I I , sondern auch die Eintragungen in A b t . II wegen etwa der Hypothek vorgehender Rechte zu prüfen ( R G J W 1936, 2215 4 ). Aufklärungspflicht des nur um Bescheinigung des Grundbuchstandes ersuchten Notars s.. R G WarnRspr. 1934 Nr. 104. Keine Belehrungspflicht in bezug auf Rangverhältnisse bei Abtretung von Grundschulden, wenn Grundschuldbrief vorliegt s. R G H R R 1834 Nr. 1202. Macht der Notar von der E r m ä c h t i g u n g , U r kunden beim Handelsregisteramt oder beim G r u n d b u c h a m t einzureic h e n ( F G G § 129; G B O § 15), sei es auch nur auf Ersuchen der Beteiligten, Gebrauch, so liegt ihm die sorgfältige, insbesondere rechtzeitige Ausführung als Amtspflicht o b ( R G 93, 68; 114, 202; auch in J W 1928, I862 1 s ; 1931, 1078 7 ; 1933, 1055 1 ). Eine Verpflichtung zur Einreichung besteht aber nur, wenn der Notar sie ausdrücklich oder stillschweigend übernommen hat ( R G J W 1937, 2121 2 5 ).

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Vor §611 A n m . 78—80

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 78 4. Haftung der Gehilfen Eine Haftung für Gehilfen gemäß §§ 278, 831, BGB kommt nur in Frage bei Tätigkeiten des Notars außerhalb seiner Amtstätigkeit, d. h. bei Erfüllung vertraglicher Pflichten (RG 85, 225; 142, 184), dagegen nicht bei Amtshandlungen. Denn der Notar muß seine A m t s p f l i c h t e n grundsätzlich in e i g e n e r P e r s o n erfüllen, wenn er sich auch zur Vorbereitung von Amtshandlungen der Hilfe anderer bedienen darf (RG J W !936, 239611; RG WarnRspr. 1930 Nr. 157, 213; RG H R R 1935 Nr. 786. Es ist also zu prüfen, ob bei dem Versehen des Gehilfen den Notar selbst der Vorwurf einer Verletzung seiner Amtspflicht trifft RG 162, 28. So muß er s e l b s t ä n d i g prüfen, ob der Inhalt der von einem Gehilfen entworfenen Urkunden dem Willen der Beteiligten entspricht (RG J W 1914, 3546; RG H R R 1932 Nr. 1206), und ob Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften mit der Urschrift der Urkunde übereinstimmen (RG J W 1935, 23564; H R R 1935 Nr. 347). Die Gehilfen sind auch nicht berufen, Rechtsauskunft zu erteilen, die Beteiligten nicht berechtigt, sich auf eine solche Auskunft zu verlassen (RG 162, 29; RG H R R 1936 Nr. 874). Duldet der Notar, daß von seinen Angestellten Rechtsrat erteilt wird, so haftet er gemäß § 839 BGB (RG 162, 29). Hat der Notar von ihm beglaubigte Urkunden zur Erwirkung einer Eintragung im Grundbuch erhalten, so braucht er die Übersendung an das Grundbuchamt nicht im einzelnen Fall persönlich anzuordnen und zu überwachen; er muß aber allgemein Einrichtungen treffen und durch eine wirksame Überwachung dafür sorgen, daß die Aufgabe durch ein gut geschultes, erprobtes Personal wahrgenommen wird; Absendung durch einfachen, nicht eingeschriebenen Brief kann jedoch nicht in jedem Falle als unzureichend erachtet werden (RG H R R 1933 Nr. 1749). Es begründet auch nicht stets eine Amtspflichtverletzung, wenn der Notar seinen Bürovorsteher mit einer Grundbucheinsicht betraut und sich auf dessen Feststellungen über den Inhalt des Grundbuchs verläßt; es wird immer auf die Umstände des Falles ankommen (RG H R R 1933 Nr. 1750). Nach § 35 R N O haftet für eine Amtspflichtverletzung des Vertreters neben diesem der Notar dem Geschädigten als Gesamtschuldner; im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Vertreter ist der Vertreter allein verpflichtet. Für Notarverweser s. AVO v. 26. 6. 1937 (RGBl. I, 663) § 7A n m . 79 5. Mitwirkendes Verschulden des G e s c h ä d i g t e n kann im einzelnen Falle nach § 254 die Haftung des schuldigen Notars einschränken oder sogar ausschließen: so, wenn der Notar unter Verletzung seiner amtlichen Belehrungspflicht einen sittenwidrigen Knebelvertrag und einen wucherlichen Darlehnsvertrag beurkundet, der geschädigte Gläubiger aber die Sittenwidrigkeit der Verträge gekannt oder nur aus Fahrlässigkeit nicht gekannt hat (RG 130, 1 RG J W 1930, 2932'; RG H R R 1931 Nr. 1734). Trifft der letztere Vorwurf einen Vertreter des Gläubigers, so kann die Haftung des Notars nach §839 Abs. 1 Satz 2 ausgeschlossen sein (RG 162, 31; J W 1930, 2932'). Hat der Geschädigte b e w u ß t a r g l i s t i g gehandelt, so kann er den seine Amtspflicht f a h r l ä s s i g verletzenden Notar nicht für den Schaden verantwortlich machen, der ihm durch das Fehlschlagen seines Handelns entstanden ist (RG 130, 1 [6] ; RG J W 1935, 24913). Eigenes Verschulden des Geschädigten setzt im übrigen nicht voraus, daß er die drohende Gefahr erkannt hat; es kann auch in fahrlässiger Nichteinholung geschäfts- oder rechtskundigen Rates und insbesondere darin zu finden sein, daß er den Notar nicht über eine bedrohliche Weiterentwicklung der Sache unterrichtet hat (RG H R R 1934 Nr. 863). A n m . 80 6. Einfluß der Nichtigkeit eines Generalversammlungsbeschlusses auf den Gebührenanspruch des beurkundenden Notars, der die Nichtigkeit durch Außerachtlassung von Formvorschriften des Aktienrechts verschuldet hat, s. RG 114, 202. Über Notariatsgebühren s. auch RG 136, 307; 141, 283; 142, 42; RG J W 1927 S. 12529, 212524, 2126"; 1930, 33074. 558

Dienstvertrag

§611 Anm. 1, 2

§611 Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. E I J59 II JJI; Ml 45J—460; P 1 276®. Ubersicht I. V e r p f l i c h t u n g e n d e s D i e n s t p f l i c h t i g e n 1. Leistung der versprochenen Dienste a) Der Selbständigen b) Der Arbeitnehmer 2. Nebenleistungen II. V e r p f l i c h t u n g e n d e s D i e n s t b e r e c h t i g t e n 1. Zahlung der Vergütung 2. Nebenleistungen III. A n s p r u c h auf B e s c h ä f t i g u n g IV. Dienste jeder Art

Anm. i 2. 3 4-5 6— 8 9—11 12 13

Anm. 1 I. Verpflichtungen des Dienstpflichtigen 1. Leistungen der versprochenen Dienste a ) der S e l b s t ä n d i g e n . D a deren Dienstverhältnis als Schuldverhältnis unter dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242) steht, sind auch die einzelnen aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Beteiligten danach zu beurteilen. Bei der im § 6 1 1 Abs. 1 hervorgehobenen Hauptleistung des Dienstpflichtigen, der Leistung der versprochenen Dienste, hat dieser für die im Verkehr erforderliche Sorgfalt einzustehen (§ 276). E r hat zwar der Regel nach nur die gewöhnliche Sachkunde zu gewähren, übernimmt er aber Dienste, die eine besondere Sachkenntnis oder Fähigkeit erfordern, dann muß er auch dafür einstehen, daß er diese Eigenschaften hat und sie auch mit der gebotenen Sorgfalt verwendet ( R G J W 1937, 1 2 3 4 1 ; L Z 1 9 1 6 , 702 9 ). Wird durch Leistung der versprochenen Dienste der Dienstberechtigte geschädigt, z. B. an Körper und Gesundheit, so trifft den Dienstverpflichteten die Beweispflicht für das Gegenteil, wenn die Sachlage zunächst dafür spricht, daß er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt habe ( R G 148, 148). Auch sonst liegt der B e w e i s dafür, daß eine objektive Verletzung des Vertrages ohne sein Verschulden eingetreten sei und auch bei aller Vorsicht nicht habe abgewendet werden können, dem Dienstverpflichteten ob, wenn die Sachlage zunächst den Schluß rechtfertigt, daß er die vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt habe ( R G J W 1935, 1 1 5 5 ; R A G 20, 252). O b der mit der Dienstleistung verbundene Aufwand, die Beschaffung der erforderlichen Geräte. Fahrzeuge usw. vom Dienstpflichtigen oder vom Dienstberechtigten zu tragen ist, hängt von den U m ständen, insbesondere von der Natur der zugesagten Dienste ab (s. unten § 618 Anm. 2). Verrichten Bedienstete kleine Arbeiten, zu denen sie vertraglich nicht verpflichtet sind, die aber mit ihren Dienstleistungen zusammenhängen, so fallen auch diese Arbeiten unter den Dienstvertrag. Der Dienstpflichtige muß daher die erforderliche Sorgfalt anwenden, genießt aber auch den Schutz des § 6 1 8 ( R G L Z 1 9 1 5 , 1001 2 2 ). Sollen die den Vertragsinhalt bildenden Dienste einen bestimmten Erfolg herbeiführen, so entbindet die Zweifelhaftigkeit dieses Erfolges insbesondere denjenigen nicht von der Haftung für sachgemäße Ausführung, der Dienste höherer Art zu leisten hat ( R G J W 1937, 1234 4 ).

Anm. 2 b ) Bei A r b e i t n e h m e r n , also bei unselbständiger Arbeit beurteilt sich A r t u n d U m f a n g d e r z u l e i s t e n d e n A r b e i t insbesonders aus dem alle Arbeitsverhältnisse

559

§611 A n m . 3, 4

Schuld Verhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

beherrschenden Grundsatze gegenseitiger Treupflicht (vgl. Vorbem. io). Sie wird weitgehend dadurch beherrscht, daß der AN nicht für sich allein, sondern in einem Betriebe eingegliedert ist, nicht einzelne, sondern fortlaufend Dienste zu leisten hat, seine Dienste vielfach von den Leistungen der übrigen abhängig oder in Zusammenwirken mit diesen zu erbringen sind und er hinsichtlich der Art und Zeit der Ausführung dem Weisungsrecht (vgl. Vorbem. 31) unterliegt. Der A G kann dem AN sogar einen anderen Arbeitsplatz oder eine andere Arbeit zuweisen, falls dies nach der Art der Arbeit und den Betriebsverhältnissen notwendig erscheint und er nicht für eine bestimmte Stelle oder Tätigkeit eingestellt ist (BAG 1, 321), er kann ihn aber mangels einer vertraglichen oder tariflichen Bestimmung nicht in einen anderen Betrieb versetzen. In keinem Fall darf den AN dadurch höhere Unkosten (Wegekosten) oder eine Lohnminderung treffen (RAG ArbRS 39, 198; 40. 68). Ferner werden seine Dienstleistungen durch die Arbeitsschutznormen, insbesondere der Arbeitszeitordnung und der Vorschriften der §§ 105 a—i GewO, des Jugendschutzgesetzes, Mutterschutzgesetzes sowie den Bestimmungen der Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (Arbeitsordnung und sonstige betriebliche Ordnungen) beeinflußt (s. Vorbem. 8). Anm. 3 Vertragswidriges N i c h t a u f n e h m e n oder V e r l a s s e n der Arbeit verpflichtet zum S c h a d e n s e r s a t z (vgl. RAG AP Nr. 1 zu § 124b GewO). So auch vertragswidrige Niederlegung der Arbeit; bei gemeinsamem Vorgehen haftet der einzelne Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in der Regel nicht nur für den Schaden, den gerade er durch die Verweigerung seiner Arbeitsleistung unmittelbar hervorgerufen hat, sondern als Gesamtschuldner für den aus der Arbeitsniederlegung in ihrer Gesamtheit entstandenen Schaden (RAG ArbRS 14, 293; RAG Gruchot 72, 325). Über Teilnahme an Streik vgl. § 626 Anm. 12. Vgl. auch GewO §§ 124b, 134 und über Verleitung zum pflichtwidrigen Verlassen der Arbeit § 125 ebenda. Über das Recht zur fristlosen Entlassung vgl. § 626. Anm. 4 2. N e b e n l e i s t u n g e n des Dienstpflichtigen. Zu diesen Leistungen des Dienstverpflichteten, die gleich der Leistung der versprochenen Dienste nach Treu und Glauben (§ 242), bei den Verhältnissen des Arbeitsrechts vor allem auch aus dem Gedanken der B e t r i e b s g e m e i n s c h a f t , und der Pflicht zu gegenseitiger Treue heraus zu beurteilen sind, gehören beispielsweise: W a h r u n g der I n t e r e s s e n des D i e n s t b e r e c h t i g t e n , Schonung seines Eigentums, z. B. der Werkzeuge und Rohstoffe des Unternehmers; des vom Angestellten zu führenden Kraftwagens (ArbRS 29 ArbG Nr. 1 ; J W 1938, 2999); U n t e r l a s s u n g j e d e r der v e r s p r o c h e n e n L e i s t u n g oder sonst den I n t e r e s s e n des D i e n s t b e r e c h t i g t e n z u w i d e r l a u f e n d e n T ä t i g k e i t , auch eines Wettbewerbs (vgl. §§ 6of., 76 H G B , d a z u R G DJ 1937, 1290). Über Wettbewerbsverbote für die Zeit nach Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses, B e w a h r u n g von G e s c h ä f t s g e h e i m n i s s e n , für die Zeit nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses; A n z e i g e von B e t r i e b s m ä n g e l n und B e t r i e b s g e f a h r e n , vgl. Vorbem. 10; B e r i c h t e r s t a t t u n g über die übernommenen Geschäfte (vgl. §675 mit §§665, 668). B e a u f s i c h t i g u n g von K l e i d u n g s s t ü c k e n der Schüler als Nebenleistung bei einem auf Erteilung des Unterrichts gerichteten Dienstvertrage s. O L G 38, 99, aber auch SeufFArch. 58 Nr. 30; Haftung des Staates für die in Schulgebäuden abgelegten Kleidungsstücke der Schüler s. O L G 41, 1 1 8 ; H R R 1931 Nr. 1856. Über die Frage, ob der Arzt für die im Vorraum seiner Wohnung abgelegten Kleidungsstücke haftet, s. RG gg, 35. Über die Verpflichtung des Angestellten, Z u w e n d u n g e n , die ihm von D r i t t e n gemacht werden, an den Geschäftsherrn herauszugeben, s. RG 55, 9 1 ; g6, 53; RG 99, 31 (Herausgabe von Schmiergeldern); ferner SeuffArch. 69 Nr. 1 4 1 ; 75 Nr. 153; L Z ig20, 639 und §667 Anm. 3. Uber das sog. Schmiergelderverbot des § 12 UWG RG Gruchot 65, 210; s. auch ZAkDR 1937, 153 ; mit Rücksicht auf den Verfall des Empfangenen oder seines Wertes zugunsten des Staates entfällt hier (wie im Falle der Beamtenbestechung) der Anspruch des Dienstberechtigten auf Herausgabe (RG 146, 194 [207f.] ; s. R G J W 1937, 2 5 1 6 " ) . Eine Pflicht, sich Überwachungsmaßnahmen zu unterziehen, die eine Beschränkung seiner persönlichen Freiheit in sich

560

Dienstvertrag

§611

Anm. 5, 6

schließen (Torkontrolle), hat der Arbeitnehmer nur, wenn sie vertraglich (durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag) rechtmäßig eingeführt ist oder mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Betriebes (erhöhte Diebstahlsgefahr) erforderlich und üblich ist, unter Umständen kann auch Leibesuntersuchung gerechtfertigt sein ( R A G A r b R S 6, 2 1 5 ; L A G Stuttgart R d A 1950, 274; L A G Mannheim A P Nr. 1 zu § i n Torkontrolle, H u e c k , Lehrbuch I 219).

Anm. 5 Eine E r z w i n g u n g d e r D i e n s t e im Wege der Zwangsvollstreckung ist unzulässig ( Z P O § 888 Abs. 2). Verweigert der Dienstverpflichtete trotz Verurteilung die Arbeitsleistung, so bleiben dem Dienstberechtigten nur Schadensersatzansprüche und das Recht zu fristloser Kündigung. Auch hat der Dienstberechtigte einen klagbaren Anspruch in der Regel nur auf Leistung der versprochenen Dienste, nicht darauf, daß der Dienstpflichtige es während der Vertragsdauer unterlasse, einem anderen Dienste zu leisten (Vorbem. 44). Dem Dienstpflichtigen ist es daher, unbeschadet besonderer Abreden, auch nicht verwehrt, seine vom Dienst nicht beanspruchte Zeit für sich auszunutzen, soweit dies nicht, wie etwa ein Wettbewerb (s. oben) wider das Treuverhältnis zum Dienstberechtigten oder dessen Interessen verstößt ( R G J W 1 9 1 3 , 333 2 0 ) oder nach § 2 I I I 2 A Z O gesetzlich zulässig ist.

Anm. 6 II. Verpflichtungen des Dienstberechtigten 1. Zahlungen d e r v e r e i n b a r t e n V e r g ü t u n g , das Entgelt für die geleistete Arbeit. Sie kann in G e l d oder in der Zuwendung a n d e r e r V e r m ö g e n s v o r t e i l e (freier Wohnung, Beköstigung — Pflegevertrag s. O L G 43. 70 —•, auch Gegendienste) oder in einem A n t e i l a m G e w i n n bestehen — sog. partiarisches Geschäft, ohne daß deshalb ein Gesellschaftsvertrag vorzuliegen braucht (vgl. § 705 Anm. 4, auch R G WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 37). Der Lohn kann Z e i t l o h n (Stunden-, Tages-, Monatslohn) sein, aber auch L e i s t u n g s l o h n (Stücklohn, Akkord, Gedinge, Provision) oder eine Verbindung von beiden ; Zeitlohn mitProduktions-Umsatz-Ersparnisprämien (vgl. im e i n z e l n e n D e n e c k e D A r b R 1938, 190, 3 1 8 ; über Zeitakkord R A G A r b R S 1 1 , 348; 13, 74 B A G A P Nr. 1, § 6 1 1 Akkord; Nr. 4, 5, § 7 T V G ; H u e c k Lehrb. I 289; N i k i s c h 322). Über die viel umstrittene Frage, inwiefern eine Erhöhung der Tariflöhne eine Erhöhung der Akkordverdienste zur Folge habe und über die Bedeutung eine sog. Effektivklausel s. H u e c k Festschrift für Sitzler S. 2 1 3 ; N i p p e r d e y Lehrbuch I I § 30. Ein Mindestverdienst (der Stundenlohn) ist bei Akkord nur dann gewährleistet, wenn dies besonders vereinbart ist, und zwar auch bei Tariflöhnen (st. Rspr. R A G A r b R S 30, 94; 268, 35, 135)- Indessen muß der Arbeitgeber auf Grund seiner Fürsorgepflicht die Akkorde so setzen, daß bei normaler Arbeitsleistung mindestens der Stundenlohn oder der vereinbarte Akkordmindest- oder Durchschnittsverdienst (Stundenlohn mit 10 oder 1 5 % Zuschlag) erreicht werden kann, anderenfalls Schadensersatzanspruch auf Zahlung dieses Lohnes ( L A G Dortmund A r b R S L 13). Das gilt auch für Einstellung auf Trinkgelder, die im Gaststättengewerbe früher häufig, heute kaum noch üblich ist, zumal bei Pfändungen § 850 h Z P O durchgreift. Lohn ist auch das B e d i e n u n g s g e l d , d. h. der Zuschlag zu den Preisen der Zimmer, Speisen und Getränke, sei es daß er von dem Unternehmer eingezogen oder von dem Kellner einbehalten (Serviersystem) oder an eine Kasse zwecks Verteilung an alle Kellner abgeführt wird (sog. Troncsystem, vgl. R A G 27, 2 8 1 ; 2 8 , 9 3 ; 4 1 , 134). Wird der Lohn gepfändet, so ist der Gastwirt dafür verantwortlich, daß der Kellner das einbehaltene Bedienungsgeld in Höhe der gepfändeten Beträge an ihn zwecks Weiterleitung an den Pfändungsgläubiger abführt ( R A G A r b R S 34, 158). Bei Einziehung durch den Wirt Pflicht zur Rechnungslegung ( R A G A r b R S 27, 6g). Verbot des Trucksystems § § 1 1 5 , 1 1 7 G e w O ( R A G A r b R S 5, 369; 19, 108; 30, 1 3 1 ) . Uber Gratifikationen, Urlaub, Ruhegeld vgl. Vorbem 2 1 — 2 6 . Uber die Rechtswirksamkeit des Versprechens eines Gewinnanteils ohne Angabe der Höhe s. R G J W 1921 S. 106 2 , 339 1 0 . Berechnung des Gewinnanteils beim Ausscheiden eines Angestellten während des Geschäftsjahres s. R G WarnRspr. 1931 Nr. 13. Uber Gewinnbeteiligung der Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder bei einer Aktiengesellschaft s. Aktiengesetz v. 30. 1. 1937

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§ 611

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 7—9 (RGBl. I, 107) § 7 7 Abs. 3, §98 Abs. 4, D u r c h f V O v. 29.9. 1937 (RGBl. I, 1026), §§8ff. P r o v i s i o n s a n s p r ü c h e eines kaufmännischen Angestellten nach Beendigung des Dienstverhältnisses s. R A G A r b R S 26, 121 vgl. und jetzt §§87, 89 b, 92 H G B . Ist dem Dienstverpflichteten eine Prämie für Fertigstellung einer Arbeit innerhalb bestimmter Frist versprochen worden, so kann der Berechtigte sich zur Abwehr des Anspruchs auf die Prämie nicht auf die Nichteinhaltung der Frist berufen, wenn sie auf Umständen beruht, die der Berechtigte selbst zu vertreten hat; in solchem Falle wird vielmehr die Annahme einer Verlängerung der Frist im Sinne des Vertrags liegen ( R G 16. Ii. 1920 I I I 156/20). Vereinbarung einer für sich allein kündbaren Z u l a g e neben der allgemeinen Arbeitsvergütung s. DJ 1937, 822. Besteht ein Teil des Lohnes in der Gewährung von Kost und Wohnung, so kann mangels anderer Abreden der Arbeitnehmer diesen Teil nicht bar verlangen, wenn er die Kost und Wohnung nicht in Anspruch nimmt ( R A G A r b R S 22, 31).

Anm. 7 A n M i n d e r j ä h r i g e kann im allgemeinen der L o h n selbst a u s g e z a h l t werden. Soweit dieser das Arbeitsverhältnis auf Grund des § 113 BGB selbst eingegangen ist, ist er insoweit vollgeschäftsfähig. Soweit der Arbeitsvertrag von dem gesetzlichen Vertreter geschlossen ist, wird doch in der Regel eine Ermächtigung zur Empfangnahme des Lohnes durch den Minderjährigen als gewollt anzunehmen sein. Dies gilt auch für Lehrlinge, für die nach der herrschenden Meinung (vgl. Vorbem. Anm. 34) § 113 nicht gilt. Jedoch kann der gesetzliche Vertreter jederzeit Zahlung des Lohnes an sich verlangen, es sei denn daß hierin offenbar ein Mißbrauch seines Rechtes liegt (vgl. L A G Dortmund A r b R S 34, 63).

Anm. 8 Bei u n e n t g e l t l i c h ü b e r n o m m e n e n D i e n s t e n der selbständig Tätigen kommen nicht die Vorschriften des Dienstvertrags, sondern diejenigen des Auftrags oder des Schenkungsversprechens zur entsprechenden Anwendung. Ein reiner Dienstvertrag wird auch dann nicht anzunehmen sein, wenn b e i d e Vertragsparteien Dienste zu leisten haben; das Gesetz fordert eine Verschiedenheit der beiden Parteirollen. Dadurch jedoch, daß sich jemand überhaupt gegen ein Entgelt zur Leistung von Diensten verpflichtet, wird jedenfalls ein dem Dienstvertrag ähnliches Vertragsverhältnis geschaffen, auf das die Vorschriften der §§ 623, 624, 626 entsprechende Anwendung finden ( R G 78, 423). Sind die Dienste aus bloßer G e f ä l l i g k e i t zugesagt, so liegt in der Regel überhaupt kein Vertragsverhältnis vor, so daß eintretendenfalls höchstens nur eine Haftpflicht aus unerlaubter Handlung des die Dienste schuldhaft Verrichtenden gegeben ist ( R G 65, 17). Über unentgeltlichen Arbeitsvertrag vgl. L A G Frankfurt A P Nr. 174 m. Anm.

Anm. 9 2 . N e b e n l e i s t u n g e n d e s D i e n s t b e r e c h t i g t e n . Zu diesen Nebenleistungen des Dienstberechtigten, die ebenso wie diejenigen des Dienstverpflichteten (s. oben Anm. 4) nach Treu und Glauben und bei den Arbeitsverhältnissen der P f l i c h t z u g e g e n s e i t i g e r T r e u e zu beurteilen sind, gehören beispielsweise: F ü r s o r g e f ü r d i e P e r s o n d e s D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n , wie sie in §§617, 618 ausdrücklich angeordnet ist; E r s a t z v o n A u f w e n d u n g e n , insbesondere Fahrkosten für vom A G gewünschte Vorstellungen bei Bewerbungen ( R A G A r b R S 14, 341; 36, 44 vgl. §§ 669,670), wozu auch ungewollte, aber mit der Erledigung einer dienstlichen Aufgabe notwendig oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit verbundene Körper- und Sachschäden, gegebenenfalls sogar entstehende gesetzliche Schadensersatzverbindlichkeiten zu rechnen sind ( R G H R R 1930 Nr. 5; R A G A r b R S 30, 157; R A G WarnRspr. 1931 Nr. 161), s. Vorbem. 20. Vertragliche Aufwandsentschädigung s. R A G A r b R S 22, 123. Aufwandsentschädigung nach Verzicht auf Dienstleistung s. R A G A r b R S 23, 6. Anspruch auf Fortzahlung von Reisespesen bei Zurückziehung aus der Reisetätigkeit s. R A G A r b R S 31, 83. Anspruch auf Erstattung der durch vorzeitige Rückberufung aus einer in der Heimat verlebten Freizeit entstandenen Reisekosten s. R A G 17, 272. Schadensersatzpflicht des Dienstberechtigten wegen schuldhafter Verletzung der Offenbarungspflicht bei Abschluß des Dienstvertrags s. R A G A r b R S 33, 67.

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Dienstvertrag

§611

A n m . 10—12

A n m . 10 Eine Verpflichtung des A G , für eine richtige Anmeldung des A N bei der Sozialversicherung zu sorgen, die erforderlichen Auskünfte und Nachweisunger. zu geben, die Beiträge richtig zu berechnen und abzuführen hatten das R G und R A G früher stets abgelehnt, da die dahin gehenden Vorschriften nur öffentlich-rechtliche Pflichten des A G begründeten und auch keine Schutzgesetze i. S. des § 823 I I B G B seien (RAG A r b R S 29, 363; 3 1 , 49). Diese Entscheidungen stammen aber alle noch aus der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis als ein auf Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtetes Schuldverhältnis betrachtet wurde. Dagegen war die Frage dem R A G nicht mehr zur Entscheidung gestellt worden, seitdem die Anschauung des Arbeitsverhältnisses als eines auf Treue und Fürsorge gerichtetes personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zur herrschenden geworden ist. Ist aber die Fürsorgepflicht des A G das kennzeichnende Merkmal des Arbeitsverhältnisses, so muß diese sich auch auf die Sicherung der für den A N so wesentlichen Sozialversicherungsansprüche erstrecken. Sie wird denn auch im Schrifttum jetzt allgemein bejaht. Der A G haftet also, wenn durch seine Unterlassungen oder die seiner Angestellten die Versicherungsansprüche eines A N beeinträchtigt sind (h. M . j . A n m . 11 Dagegen besteht keine aus der allgemeinen Fürsorgepflicht herzuleitende besondere Pflicht, den L o h n zwecks Zahlung des dem A N zustehenden Betrages r i c h t i g b e r e c h n e n zu lassen, mit der Folge, daß die Rückzahlung der infolge der falschen Berechnung zuviel gezahlten Beträge nicht verlangt und eine Nachzahlung der zu wenig gezahlten Beträge nicht abgelehnt werden könnte, weil die Berufung auf den vertraglichen Ausschluß des § 8 1 8 I I I oder die Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung sei. Dieser Einwand kann vielmehr nur durchgreifen, wenn dem A N die Bestimmungen über die Lohnberechnung nicht zugänglich gemacht waren, ihm eine falsche Auskunft erteilt oder den von ihm erhobenen Beanstandungen und Zweifel nicht nachgegangen, eine Nachprüfung abgelehnt ist (RAG A r b R S 37, 38; 4 1 , 1 5 1 ) . Uber die Fürsorgepflicht bei Unternehmerarbeiter, d. h. dem in einem anderen Betrieb eingeordneten Arbeiter eines Unternehmers vgl. A r b R S 40, 10; R G 170, 2 1 7 ; 1 7 1 , 393; 172, 106. Uber Gratifikationen, Urlaub und Ruhegeld vgl. Vorbem. 20—26. A n m . 12 III. Ein A n s p r u c h auf Beschäftigung steht dem Dienstverpflichteten n a c h d e m R e c h t e des B G B in der Regel nicht zu. Das B G B kennt nur ein Recht des Dienstberechtigten auf die ihm geschuldeten Dienste und beschränkt den Anspruch des Dienstverpflichteten auf die vereinbarte Vergütung ( § § 6 n , 615). Doch kann ein Anspruch auf Beschäftigung besonders oder stillschweigend vereinbart sein, wenn der Dienstverpflichtete, dem Dienstberechtigten erkennbar, ein wesentliches Interesse an der Ausübung der von ihm übernommenen Tätigkeit hat (vgl. R G J W 1 9 1 1 , 3 9 2 2 ; B G H 8, 45). Anspruch eines auf Privatvertrag angestellten Hochsschullehrers auf Beschäftigung und Nennung im Vorlesungsverzeichnis s. J W 1938, 1 1 2 8 2 0 . Im A r b e i t s v e r h ä l t n i s wird dagegen nach der heute maßgebenden Rechtsanschauung, die die Arbeit auch sittlich höher wertet, die Fürsorgepflicht des Unternehmers gegenüber den von ihm Beschäftigten besonders betont und dem A N durch das KündigungsschutzG ein Recht auf Erhaltung seines Arbeitsplatzes gewährt, ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung grundsätzlich anzuerkennen sein, falls nicht dem Verlangen des Dienstverpflichteten nach Beschäftigung ein beachtliches höheres Gegeninteresse des Dienstberechtigten entgegensteht B A G 2. 221. Das gilt insbesonders auch für die Beschäftigung von durch die zuständige Verwaltungsbehörde zugewiesenen S c h w e r b e s c h ä d i g t e n , für die es sehr wesentlich ist, daß sie nicht nur Geld erhalten, sonder ihre Fähigkeiten und Kenntnisse verwerten und weiter entwickeln und dadurch sich als nützliche Glieder der Volksgemeinschaft fühlen und erweisen können (BAG 2, 1 2 1 ) . Für A r t u n d M a ß d e r B e s c h ä f t i g u n g werden hier, wie sonst, ausgehend von Treu und Glauben (§ 242) und der gegenseitigen Treupflicht der Beteiligten, allerdings immer die Umstände des Falles und mit ihnen auch Zweck und Möglichkeit der Beschäftigung bestimmend sein müssen.

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§ 611 A n m . 13 § 612 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 13 I V . Dienste jeder Art. Sowohl h ö h e r e Dienste (Arzt, Rechtsanwalt, Lehrer, Privatbeamter, Künstler, Schauspieler), als n i e d e r e (Feld- und Gartenarbeiter, Gehilfe im Hauswesen) ; sei es auf Anstellung, mit Überordnung des Dienstberechtigten über den Dienstverpflichteten sei es auf freier Vereinbarung gleichstehender Vertragsparteien beruhend. — I m B G B sind namentlich hervorgehoben: d a u e r n d e D i e n s t v e r h ä l t n i s s e § § 6 1 7 , 629, 630; Dienstverhältnisse mit Aufnahme des Verpflichteten in die häusliche Gemeinschaft des Berechtigten § § 6 1 7 , 6 1 8 Abs. 2 ; ferner Dienstverhältnisse der zur Leistung höherer Dienste Bestellten §§ 622, 627; und namentlich in § 675 die in G e s c h ä f t s b e s o r g u n g bestehenden Dienste (rechtsgeschäftlicher Natur oder mit vermögensrechtlichem Interesse für den Empfänger) mit entsprechender Anwendbarkeit der für den Auftrag gegebenen Vorschriften der §§ 663, 665—670, 672—674 und unter Umständen des § 671 Abs. 2 Vgl. ferner zu § 664 R G 78, 3 1 3 . Aus diesen Vorschriften ist diejenige des § 663 wegen der Verpflichtung gewisser Personen zur unverzüglichen Kundgebung einer Ablehnung von Dienstaufträgen hervorzuheben, womit die R A O § 35 übereinstimmt. Im übrigen besteht nach dem B G B k e i n e V e r p f l i c h t u n g z u r Ü b e r n a h m e dienstlicher Verrichtungen. Vgl. dagegen für öffentlich-rechtliche Dienstleistungen das PostG v. 28. 10. 1871 § 3 und die E V O v. 8. 9. 1938 § 3, das FernmeldeAnlG v. 14. 1. 1928 § 7. Kein eigentlicher Dienstvertrag (sondern in der Regel ein Werkvertrag) ist der auf Beschaffung von Diensten gerichtete (Impressario-) Vertrag ( O L G 3, 22; SeuffArch 56 Nr. 221 u. 222). — Eine besondere Art des Dienstvertrags ist der Bühnenanstellungsvertrag für den regelmäßigen Theaterbetrieb (RG 9 1 , 328; vgl. K a e s s l e r R d A 53, 309), während er sich bei Gastspielen als Werkvertrag gestaltet. Dienstvertrag ist auch der Vertrag zwischen einer Filmgesellschaft und einem Schauspieler auf Darstellung einer Rolle bei der Aufnahme eines Films ( R A G A r b R S 3, 164; 5, 1 1 6 ; 9, 559); ebenso der Vertrag über die Verpflichtung eines Artisten (Illusionisten) für eine Reihe von Vorstellungen (RG 8. 5. 1908 I I I 364/07). Dienstvertrag ist der Vertrag zwischen einem Schank- und Speisewirt und dem Leiter einer dort regelmäßig spielenden Musikkapelle ( R A G A r b R S 15, 499), der Vertrag zwischen dem Inhaber eines Kaffeehauses und dort auftretenden Vortragskünstlern. Ein Dienstvertrag liegt ferner vor, wenn sich die eine Partei verpflichtet, die T h e a t e r m u s i k für das Theater der anderen mit einer Kapelle auszuführen, während letztere den Kapellmeister stellt (RG J W 1 9 1 0 , 13 2 0 ). Zur Frage, ob Kaffeehausmusik höhere technische Dienstleistung im Sinne von § 1 3 3 a G e w O ist, s. R A G A r b R S 1 1 , 1 7 4 ; 1 7 , 448; 38, 139.

§613 Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Besteben einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. E T 5J9 Abs. z II 552; M a 459; P a 277.

Anm. 1 Daß eine Vergütung gewährt werden soll, kann ausdrücklich vereinbart oder auch ausgeschlossen werden z. B. aus charitativen oder familiären Gründen ( L A G Hannover A P 53 Nr. 1 7 4 ; Hannover A P 52 Nr. 5). Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, so ist nach Abs. 1 zu prüfen, ob eine Vergütung als stillschweigend vereinbart zu gelten hat. Ist die Gewährung einer Vergütung ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart aber ihre Höhe nicht bestimmt, dann — aber auch nur dann — ist Abs. 2 anzuwenden. Für das Gebiet der abhängigen Arbeit hat das Reichsarbeitsgericht (ArbR 26, 1 5 1 ; 22, I25;BAG 5, 59) allgemein ausgesprochen: Wer wirtschaftlich wertvolle Arbeit leistet, hat, a u c h w e n n d a s A r b e i t s v e r h ä l t n i s etwa wegen mangelnder gesetzlicher Form d e r r e c h t l i c h e n G r u n d l a g e e n t b e h r t und nur ein tatsächliches ist, Anspruch auf angemessene Vergütung, und zwar nicht nur aus ungerechtfertigter Bereicherung 5G4

Dienstvertrag

§611

Anm. 2, 3 (§§ 8 i a f f . ) , sondern schon aus dem Grundgedanken des § 6 n und im Einklang mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die Höhe der angemessenen Vergütung ergibt sich dabei, wenn gleiche Arbeit durch Tarifvertrag geregelt ist, aus der tariflichen Entlohnung. — Ist der Dienstverpflichtete vertraglich in bezug auf die Vergütung wie ein Beamter zu behandeln, so muß er sich die gleiche Behandlung z. B. auch bezüglich der Festsetzung des Vergütungsdienstalters gefallen lassen (RAG H R R 1932 Nr. 1327). Die Vergütung kann in L e i s t u n g s l o h n oder in Z e i t l o h n bestehen (vgl. § 6 1 1 Anm. 6) und wird regelmäßig in Geld gewährt. Die einschlägigen Fragen sind, soweit das Recht der abhängigen Arbeit in Betracht kommt, meist, wenigstens in den Grundsätzen, tariflich geregelt. Ist in der Tarifordnung nur ein Lohnrahmen bestimmt, so bleibt die Höhe innerhalb dieses Rahmens dem Einzelarbeitsvertrag überlassen und ist nötigenfalls nach § 6 1 2 Abs. 2 oder §§ 3 1 5 , 3 1 6 zu bestimmen (RAG H R R 1932 Nr. 1326). Wird jemand nach Ablauf des Dienstverhältnisses nur aus Entgegenkommen weiter beschäftigt mit der Erklärung, daß er jederzeit ohne Kündigung den Dienst verlassen könne, falls die Vergütung ihm nicht genüge, dann muß er sich auch mit einer geringeren als der gesetzlichen (üblichen oder angemessenen) Vergütung begnügen, soweit nicht ein tariflicher Lohn besteht (RG J W 1934, 630 3 ). — Für außergewöhnliche Leistungen, z.B. Verbesserungsvorschläge, kann unter Umständen eine Sondervergütung verlangt werden A P Nr. 1 § 6 1 2 B G B . Vgl. jetzt Ges. über Arbeitnehmererfindungen Vorbem. 7.

Anm. 2 Maßgebend ist namentlich, ob die Dienstleistung n a c h d e r V e r k e h r s s i t t e o d e r n a c h i h r e r G e w e r b s m ä ß i g k e i t regelmäßig nur gegen Entgelt geschieht, mag auch der Dienstberechtigte hiervon nichts gewußt haben (s. jedoch §§ 1 i g f f . ) . Es kommt überhaupt bei der Frage, ob die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, nicht auf die Meinung der Vertragsteile, insbesondere desjenigen, dem die Dienste geleistet werden, sondern auf die objektive Sachlage insbesonders auf den Umfang und die Dauer der Dienstleistung an. Deshalb wird eine Tätigkeit, die die Arbeitskraft des Beschäftigten völlig in Anspruch nimmt, in der Regel nicht ohne Vergütung ausgeübt werden, besonders wenn der Betreffende darauf angewiesen ist, durch diese Arbeit für sich den Lebensunterhalt zu verdienen ( R A G A r b R S 36, 163). Ebenfalls läßt der Umstand, daß eine Dienstleistung im Hinblick auf Verwandtschaft übernommen wird, — abgesehen von den Fällen der §§685 I I , 1 6 1 7 — noch keinen Schluß auf eine unentgeltliche Übernahme der Dienste zu. Vielmehr können trotz § 1 6 1 7 Kinder, die im Haushalt und Geschäfte ihres Vaters Dienste leisten, eine besondere Vergütung verlangen, wenn die Dienstleistung nach Art und Dauer und nach den heute herrschenden Anschauungen nur gegen eine über den Unterhalt hinausgehende Vergütung zu erwarten ist. Auch eine Frau, die mit einem Manne in Erwartung einer künftigen Ehe zusammengelebt und von ihm unterhalten ist, wird, wenn ihre Dienste sich nicht nur auf die Haushaltsführung beschränkt, sondern auch für das Geschäft ausgedehnt haben, entsprechend den jetzigen Grundsätzen über die Zugewinngemeinschaft (§13630".) eine angemessene Entschädigung neben den Unterhalt verlangen können, wenn es nicht zu der Ehe kommt (vgl. R A G A r b R S 36, 2 7 7 B G H 8, 249). Werden g e m e i n n ü t z i g e E i n r i c h t u n g e n grundsätzlich ehrenamtlich verwaltet, so kann ein Dienstlohn auch dann nicht als stillschweigend vereinbart gelten, wenn die Tätigkeit die volle Arbeitskraft beansprucht. Anders, wenn für die Organisation besondere Hausmittel vom Staat zur Verfügung gestellt werden ( R A G A r b R S 29, 1 1 0 ; 36, 165). Auch bei zunächst unentgeltlichen übernommenen Leistungen kann die nachträgliche Gewährung einer Vergütung regelmäßig nicht als Schenkung aufgefaßt werden; denn zur Schenkung gehört die Einigung beider Teile darüber, daß die Vergütung eine unentgeltliche Zuwendung darstellen solle ( R G 94, 1 5 7 ; R A G A r b R S 19, 13).

Anm. 3 T a x m ä ß e V e r g ü t u n g . Vgl. namentlich G e w O §§ 76—79. Die nach § 80 Abs. 2 G e w O von den Zentralbehörden für Ärzte festgesetzten Taxen galten beim Mangel einer Vereinbarung im Streitfalle auch für sog. Autoritäten, Professoren und Spezialärzte ( R G J W 1 9 1 9 , 1 9 5 ; 1932, 3333 6 ). Die von Berufsverbänden (Architekten, Ingenieure)

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§ 612 A n m . 4 § 613 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

aufgestellten Gebührenordnungen sind keine Taxen i. S. des Abs. 2, sondern enthalten nur übliche Vergütungen. Die reichs- und die landesgesetzlichen Gebührenordnungen für Rechtsanwälte sind keine Taxen im Sinne von § 612 Abs. 2, weil es sich hier um Bestimmungen des öffentlichen Rechtes handelt; Art. 55 EGBGB findet keine Anwendung (vgl. RG 68, igg; 75, 107). Ihre Vorschriften dürfen jedoch nicht maßgebend sein, ehe von einer Festsetzung der Gebühren nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die Rede sein kann; solange sie anzuwenden sind, ist auch für eine rechtsähnliche Anwendung des § 8g RAGebO kein Raum (RG J W ig38, g447). Regelung durch Tarifvertrag ist keine Taxe im Sinne des § 612 Abs. 2 (RG WarnRspr. ig32 Nr. 35). — Privatrechtliche Vorschriften der Landesgesetze über Taxen treten hinter die §§ 6 1 1 , 612 zurück (Art. 55 EG). Auf bestehende Taxen wird durch § 612 Abs. 2 nur in dem Sinne verwiesen, daß sie eine Ergänzung des unausgesprochenen Parteiwillens bilden, also nur insoweit in Betracht kommen, als eine bestimmte Höhe der Vergütung weder ausdrücklich noch durch schlüssige Handlungen vereinbart ist (RG 68, 202). Vgl. § 653 Anm. 2, § 632. Anm. 4 Übliche Vergütung. Besteht Streit über die Frage, welcher Lohn zu zahlen ist, kann die Entscheidung nicht darauf abgestellt werden, welche Vergütung für die Leistung billig erscheint, sondern es muß zunächst geprüft werden, was durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung vorgeschrieben ist. Erst bei Fehlen solcher Bestimmung kann nach der üblichen Vergütung gefragt werden (RAG ArbRS 45, 251). Bei Frauenlohn ist hierbei auch der Grundsatz des Art. 3 GG, über die Gleichberechtigung der Frau zu beachten. Der Dienstpflichtige, der sich auf Abs. 2 beruft, hat also zunächst nachzuweisen, daß keine gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Lohnvorschriften bestehen, und danach die Ublichkeit des geforderten Lohnes. Für nicht tarifgebundene AN ist der Tariflohn der übliche Lohn. Besteht keine Taxe und kann auch eine übliche Vergütung nicht festgestellt werden, so kommen §§315, 316 zur Anwendung (RG WarnRspr. ig32 Nr. 35; RG SeuffArch. 81 Nr. g2). Wird ein Gewinnanteil ohne Angabe der Höhe versprochen, so ist der ortsübliche oder ein angemessener Anteil zu gewähren (RG J W 1921 S. 1062, 339 10 ). Über die Bestimmung eines ärztlichen Honorars nach billigem Ermessen und über die Berücksichtigung anderweiter Ausfälle hierbei s. RG SeuffArch. 81 Nr. g2. Bemessung des Honorars eines hervorragenden Chirurgen für eine schwierige, mit Erfolg ausgeführte Operation beim Kinde eines Vaters mit sehr hohem Einkommen s. RG J W 1930, 1577 1 . § 6 1 8 Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste i m Zweifel in P e r s o n zu leisten. D e r A n s p r u c h auf die Dienste i s t i m Zweifel nicht übertragbar. E II 5J4 III 606; M l 456; P 2 278.

Anm. 1 In P e r s o n . Nach der Auslegungsregel in Satz 1 erlischt, wenn nichts anderes vereinbart ist, das Dienstverhältnis nach den Grundsätzen über die Unmöglichkeit der Erfüllung durch den T o d des D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n . Der Dienstverpflichtete ist zur Bestellung eines Vertreters weder berechtigt noch verpflichtet, während ihm die Annahme eines G e h i l f e n , § 278, regelmäßig gestattet ist, sofern solche mit der ihm obliegenden persönlichen Dienstleistung vereinbar erscheint (so für den Kommissionär RG 10. 5. 1930 I 19/30). Die Bestimmung, daß beim Tode eines der Vertragsteile der Vertrag auf Verlangen derErben aufgehoben sein soll und auch von der Gegenpartei sofort gekündigt werden kann, ist mit der Natur des Dienstvertrags durchaus vereinbar (RG g. 12. igo2 I I I 278/02). Der Anspruch auf eine bereits verdiente Vergütung geht auf die Erben über. Das gilt aber nicht für den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, selbst wenn er sich bereits zu seinen Lebzeiten in einen bloßen Anspruch auf Urlaubsvergütung verwandelt hatte (RAG ArbRS 44, 185; BAG AP Nr. 7 zu § 611 Urlaub). Uber Eintritt von Familienmitgliedern in den Heuerlingsvertrag vgl. LAG Oldenburg AP 53, Nr. 10g.

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Dienstvertrag

§ 613 Anm. 2 § 6 1 4 Anm. 1, 2

Anm. 2 U n ü b e r t r a g b a r k e i t des Anspruchs auf Leistung der Dienste. R e c h t s n a c h f o l g e in d e m B e t r i e b . Nicht ausgeschlossen wird durch Satz 2 der Übergang des Anspruchs auf Dienste bei G e s a m t r e c h t s n a c h f o l g e wie bei Erbgang, Verschmelzung und Verstaatlichung von Aktiengesellschaften (§§ 240,252 HGB), der Umwandlung von Aktiengesellschaften gemäß § 257 HGB, Gesetz v. 12. 1 1 . 1956, BGBl. I 844 und § 45 DMBilanzgesetz und bei Eingemeindungen (RG 27. 1. 1908 I I I 248/07). Dagegen bedeutet keine solche Gesamtrechtsnachfolge im Rechtssinne die Übernahme und F o r t f ü h r u n g des B e t r i e b e s mit den bisherigen Betriebszwecken, den sachlichen Mitteln und der bisherigen Belegschaft. Soweit die Voraussetzungen der § 25 H G B , § 419 BGB vorliegen, tritt nur eine Haftung des neuen Betriebsinhabers für die bis dahin begründeten Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis ein, er erwirbt aber nicht die entsprechenden Rechte (a. M . H u e c k Lehrbuch I 465, der die Auslegungsregel der S. 2 bei Übertragung des ganzen Betriebs für nicht anwendbar hält). Wird in dem Ubernahmevertrag die Übernahme der bisherigen Arbeitnehmer vorgesehen, so bedeutet das in der Regel nur gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber die Übernahme der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nur unter besonderen Umständen wird darin eine Bestimmung zugunsten jedes einzelnen Arbeitnehmers i. S. des § 328 zu erblicken sein ( B A G 2, 127). Ein Eintritt in die bisherigen Arbeitsverhältnisse erfolgt vielmehr erst dadurch, daß der neue Betriebsinhaber, sei es durch ausdrückliche Erklärung, sei es durch tatsächliche Weiterbeschäftigung seinen Willen zur Fortsetzung der einzelnen Arbeitsverträge kundgibt und die einzelnen Arbeitnehmer durch Fortsetzung ihrer Tätigkeit sich damit einverstanden erklären. Einer Abtretung der Rechte aus den einzelnen Arbeitsverträgen durch den bisherigen Betriebsinhaber bedarf es dazu nicht. (Vgl. L A G Heidelberg A P 50 Nr. 300, L A G Kiel AP 51 Nr. 35, a. M. N i k i s c h Lehrbuch I 543 u. D i e t z B V G § 1 Anm. 69, die für einen Übergang kraft Gesetzes eintreten. Über Bedenken dagegen vgl. D e n e c k e BB 50, 680; H u e c k Lehrbuch I 467.) Wegen der Anrechnung der früheren Beschäftigungszeiten bei Gratifikation, Urlaub, Ruhegeld und Kündigungsfristen vgl. Vorbem. 26.

§614 Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. E I 560 IT

J J J;

M l 461; P l 279.

Anm. 1 Also in der Regel, wenn nichts anderes vereinbart oder sonst etwa durch die Verkehrssitte, oder durch die Art der Vergütung, im Arbeitsrecht durch Tarifvertrag oder Betriebsordnung, festgesetzt ist, V o r l e i s t u n g des Dienstverpflichteten, wie bei der Miete einer Sache, § 5 5 1 ; dazu R G 142, 295. Besondere Vorschriften: H G B §§ 64, 88 Abs. 4; GewO §§ 1 1 5 fr.; vorl. LandarbO §6. Bei der vom Dienstpflichtigen übernommenen Verwaltung eines Landguts muß die (nach § 675) damit verbundene Rechnung v o r Beanspruchung der Vergütung für die Verwaltungstätigkeit gelegt werden (RG J W '907. 479 11 )-

Anm. 2 Die in § 366 aufgestellten V e r r e c h n u n g s v o r s c h r i f t e n greifen bei Lohnzahlungen im allgemeinen nicht ein. Lohnzahlungen sind vielmehr mangels abweichender Bestimmung auf die laufende Lohnforderung und nicht auf anderweitige, etwa noch rückständige Beträge zu verrechnen (RA G A r b R S 18, 136). V o r s c h ü s s e sind regelmäßig keine Darlehen, sondern Vorauszahlungen auf den Lohn und zwar auch dann, wenn sie nicht schon bei der nächstenLohnzahlung, sondern ratenweise in längerer Zeit getilgt werden sollen, wie z. B. bei der Anschaffung von Möbeln, Kleidung usw. Wird der Lohn gepfändet, so ist für die Berechnung der Pfändungsgrenze von dem am Tage 57

Komm. z. BGB, 11. Aufl. II. Bd. (Deneckc)

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§ 614 Anm. 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

der Fälligkeit vertraglich geschuldeten Lohnbetrag ohne Rücksicht auf die Vorauszahlung auszugehen, der Vorschuß, die Tilgungsrate ist grundsätzlich auf den pfandfreien Teil des Lohnes zu verrechnen, (st. Rspr. RAG ArbRS 26, 217, 34, 147; 38, 197.) Ist der pfändbare Teil des Einkommens von anderen Gläubigern nachträglich gepfändet, wird der AG auf Grund der Fürsorgepflicht gehalten sein, die Tilgungsraten des Vorschusses zu verringern, damit der AN wenigstens den unbedingt notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann (vgl. B i s c h o f f BB 1957, 434 L a r e n z Anm. zu AP Nr. 1 § 614). Unter Umständen wird auch auf Grund des § 850 f. Z P O ein Ausgleich mit den Pfändungsgläubigern zu erstreben sein. Den Vorschüssen stehen Forderung aus Darlehn nicht gleich, wenn aus den Bedingungen, z. B. hinsichtlich der Verzinsung und Tilgung oder dem Zweck der Verwendung der Gelder auf den Willen der Partei, zur Gewährung eines Darlehns, nicht eines Vorschusses geschlossen werden muß. Für solche Darlehnsforderung wie andere Forderungen (Mieten, Heizungskosten) gilt das A u f rechnungsverbot der § 394 BGB und zwar auch dann, wenn der Lohn in Gestalt einer Schadensersatzforderung eingeklagt wird (RAG ArbRS 17,452). Auch mit Forderungen auf Rückzahlung zuviel gezahlten Lohnes kann grundsätzlich nur außerhalb der Pfändungsgrenze aufgerechnet werden, es sei denn daß der AN bei Empfang des Lohnes bösgläubig war (vgl. H u e c k Lehrbuch I 340; N i k i s c h I 314 a. M. RAG ArbRS 6, 22; 14, 898; 17, 214.) Dagegen gilt das Aufrechnungsverbot nicht gegenüber den Schadensersatzansprüchen der AG aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen und vorsätzlichen Vertragsverletzungen des AN (so überwiegende Meinung des Schrifttums gegenüber R A G 32, 297, das eine besonders sittenwidrige Schädigung fordert). Diese Grundsätze gelten auch für die vor der Fälligkeit vereinbarte Vergütung. Keine Aufrechnung ist die in §§615—617 BGB, §§63,74,76 HGB, §§9,10 KSchG vorgesehene Anrechnung. Dagegen ist Aufrechnung auch die Zurückbehaltung des Lohnes wegen anderweiter Geldforderung (RG 85, 117 h. M.), sie ist also nur außerhalb der Pfändungsgrenze zulässig. Wohl aber kann der Dienstberechtigte die Zahlung der vereinbarten Vergütung wegen anderer nicht auf Geld gehenden Forderungen (Rückgabe von Werkzeug und dergleichen) zurückbehalten (RAG ArbRS 38, 356) und bei Erfüllungsverzug. Bei einer mehrfache Dienstleistungen umfassenden Tätigkeit kann aber dem Dienstverpflichteten die Vergütung für die vertragsmäßig geleisteten Dienste nicht aus dem Grunde verweigert werden, daß die anderen Dienste nicht vertragsmäßig waren, selbst wenn er für letztere keine Vergütung verlangen und bei Verschulden sogar schadensersatzpflichtig sein kann (RG 7. 12. 1920 I I I 439/19). Keine Zurückbehaltung ist der gesetzlich vorgeschriebene A b z u g der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Nachträglich können Sozialversicherungsbeiträge nur (anteilsmäßig) abgezogen werden, wenn den AG kein Verschulden trifft (§ 395 R V O ) und dieser Grundsatz wird auch hinsichtlich der Steuern gelten müssen, sonst nur Aufrechnung außerhalb der Pfändungsgrenze (RAG ArbRS 14, 345, LAG Berlin BB 53, 443; M a n h e i m AP 54 Nr. 164, H a m m AP Nr. 3 § 426). Die Abtretung kann zwar gemäß § 399 durch Einzelvertrag oder Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ausdrücklich ausgeschlossen werden (BAG AP Nr. 1 zu § 399) für einen stillschweigenden Ausschluß müssen aber besondere Umstände vorliegen, er ist auch für Großbetriebe nicht als üblich zu unterstellen BGH AP Nr. 1 zu § 398 BGB. Die vertragsmäßige Einbehaltung (Beiträge zu einer betrieblichen Sozialeinrichtung, Gewerkschaftsbeiträge) ist außerhalb der Pfändungsgrenze zulässig. Uber Lohneinbehaltungen für Vertragsbruch vgl. § 119a GewO § 10 LAO. Dagegen ist Aufrechnung der Abzug der Beträge für die gemäß § 115 II GewO gelieferten Lebensmittel u. sonstigen Gegenstände, Rundfunkgeräte, Elektro- und Gasapparate und sonstiger selbst hergestellter Gebrauchsgegenstände V O v. 16. 1. 1939 (RAB1. I 57) und Miete für gestellte Wohnung (RAG ArbRS 18, 148). Anm. 3 Eine A u s g l e i c h s q u i t t u n g muß eine eindeutige Erklärung dahin enthalten, daß dem Arbeitnehmer keinerlei Ansprüche mehr zustehen; dem AN muß erkennbar sein, daß es sich um eine endgültige Erledigung seiner Ansprüche handelt, sie ergreift dann auch solche Ansprüche, mit deren möglichem Bestehen der AN rechnete oder rechnen mußte (st. Rspr. RAG ArbRS 37, 197). Für tarifliche Ansprüche ist sie wirkungslos,

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Dienstvertrag

§615 Anm. 1

auch wenn sie nicht nur laufend bei jeder Zahlung, sondern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben ist, da nach § 4 I V T V G ein Verzicht auf Tarifansprüche nur noch mit Zustimmung der Tarifparteien zulässig ist. Ebenso ist auch die V e r w i r k u n g tariflicher Ansprüche ausgeschlossen, sie ist also möglich nur noch für die auf Gesetz, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag beruhenden Ansprüche und für die Ansprüche der selbständig Tätigen. Uber das Wesen der Verwirkung vgl. Vorbem. zu § 242.

Anm. 4 Zurückbehaltung der Dienstleistung ist berechtigt bei Vermögensverfall des

Berechtigten ( § 3 2 1 ) oder bei Rückstand von bereits fälligen Lohnzahlungen ( § 2 7 3 ) . Z . B. durch Sitzstreik, L A G München BB 1952, 465. Auch § 320 Abs. 2 (Gegenleistung bei verhätnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teiles der Dienstleistung) kann in Betracht kommen.

§615 Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muß sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt. E I 561 n J56; M 2 461—463; P 2 279.

Anm. 1 Der Anspruch aus § 6 1 5 , der eine Einschränkung des § 6 1 4 enthält und ebenso wie dieser abweichender Vereinbarung unterliegt (s. unten), ist nicht ein Entschädigungs-, sondern ein E r f ü l l u n g s a n s p r u c h , setzt weder ein Verschulden des Dienstberechtigten noch einen Anspruch des Dienstverpflichteten auf Annahme der Dienste voraus und führt an sich nicht zur Aufhebung des Vertragsverhältnisses, erfordert aber, daß sich der Dienstpflichtige, und zwar nicht bloß beim Antritte der Dienste, sondern auch nach einer vorübergehenden Unterbrechung der bereits begonnenen Dienste und auch gegenüber einer vom Dienstverpflichteten für unberechtigt erachteten K ü n digung, zur Dienstleistung dem Dienstberechtigten gegenüber mit Worten oder durch schlüssiges Verhalten z. B. Klageerhebung ( R A G A r b R S 17, 84) bereit erklärt, es sei denn, daß ihm wegen der Form der Kündigung ein nochmaliges Angebot nicht zuzumuten ist ( R A G A r b R S 19, 225). Gegenüber dem Erfüllungsanspruch, insbesondere auch im Falle einer unberechtigten Entlassung, ist ein Einwand aus § 254 nicht zulässig ( R A G SeuffArch. 84 Nr. 45). Eine Einschränkung des Grundsatzes, daß der Dienstverpflichtete seine Dienste zur Verfügung des Dienstberechtigten halten muß, ergibt sich aus Satz 2 insofern, als danach im Falle des Annahmeverzugs des letzteren der Dienstverpflichtete zum mindesten berechtigt, in gewissem Umfange sogar verpflichtet ist, anderweitigen Erwerb zu suchen ( R A G WarnRspr. 1929 Nr. 1 1 7 ) . — In der Vereinbarung, daß der Dienstberechtigte die Dienste des Pflichtigen in Zukunft nicht mehr in Anspruch nehmen, ihm aber das Gehalt weiter zahlen wolle, kann indessen auch die endgültige Aufhebung des Dienstverhältnisses mit Vereinbarung einer Entschädigung liegen. Dann ist weder Satz 1 noch Satz 2 des § 6 1 5 anwendbar und der Dienstpflichtige auch nicht verpflichtet, sich zur Verfügung des Dienstberechtigten zu halten ( R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 2 1 9 ; R G L Z 1 9 1 8 S. 384 1 6 , 622 1 6 ; vgl. auch Anm. 2). — § 6 1 5 enthält n a c h g i e b i g e s Recht, unterliegt daher abweichender Vereinbarung, (st. Rspr.) jedoch enthält die Klausel, daß nur die tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt werde, nicht in jedem Fall einen Ausschluß des Anspruchs aus § 6 1 5 , sondern beschränkt sich auf eine Regelung des Anspruchs aus § 6 1 6 , wenn die in dem Tarifvertrag angeführten Fälle nur Arbeitsversäumnis betreffen, die in der Person des A N ihren Grund haben; eine Regelung des Betriebsrisikos ist damit im allgemeinen nicht enthalten 37*

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§615

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 2—4 ( R A G A r b R S 10, 150; 38, 195). Ein Schadensersatzanspruch neben dem Erfüllungsanspruch des § 6 1 5 könnte in Frage kommen, wenn dem Dienstverpflichteten ein Recht auf Beschäftigung zusteht (vgl. § 6 1 1 Anm. 12).

Anm. 2 Bei A n n a h m e v e r z u g d e s D i e n s t b e r e c h t i g t e n (§§ 293fr.), der beispielsweise auch in der Nichtmitwirkung des Dienstberechtigten bei einer für die Bewirkung der Dienstleistung erforderlichen Handlung liegen kann (§ 295), bleibt der A n s p r u c h d e s V e r p f l i c h t e t e n auf die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste bestehen; statt dessen kann der Verpflichtete gegebenenfalls auch einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen (vgl. § 304 Anm. 1). Bei Dienstverträgen mit hohen Vergütungssätzen wird nicht selten durch Vereinbarung für den Fall vorzeitiger K ü n digung der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen und durch einen im Betrage begrenzten Entschädigungsanspruch ersetzt: § 6 1 5 Satz 2 kann dann keine Anwendung finden ( R G WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 137). Überhaupt treten bei der Verfolgung des Schadensersatzanspruchs an die Stelle von Satz 2 die Grundsätze über den Schaden. Da der Annahmeverzug ein Verschulden des Gläubigers nicht voraussetzt, steht ein bloßes subjektives Unvermögen des Dienstberechtigten zur Entgegennahme der Dienste z. B. infolge Einstellung des Geschäftsbetriebes, dem Annahmeverzug nicht entgegen. Er kommt aber nicht mit der Folge des § 6 1 5 in Annahmeverzug, wenn die Entgegennahme allgemein unmöglich, daher auch der Dienstverpflichtete außerstande ist, die Leistung zu bewirken (vgl. § 297). Dann verliert dieser, unbeschadet einer abweichenden Vereinbarung (s. oben), nach § 323 (s. unten) den Anspruch auf die Vergütung ( R G J W 1938, 1392a, B G H 24, 92). — Der Annahmeverzug des Dienstberechtigten endigt erst, wenn er sich bereit erklärt, die Dienste als Leistung a u f G r u n d des b e s t e h e n d e n V e r t r a g s anzunehmen. Bei ungerechtfertigter Entlassung genügt daher nicht die Bereitwilligkeit zu einer „Wiederanstellung" ( R G Gruchot 58, 929). — Wird die Leistung der Dienste dem Dienstpflichtigen u n m ö g l i c h , dann finden die §§ 323fr., nicht § 6 1 5 Anwendung. Vorübergehende Unmöglichkeit kann ,namentlich bei längerer Dauer, der dauernden Unmöglichkeit gleichzustellen sein, die gemäß §§ 275, 323 die Auflösung des Dienstverhältnisses zur Folge hat (vgl. z. B. J W 1922, 1059 1 ). Für das A r b e i t s v e r h ä l t n i s gelten aber für den Fall der Unmöglichkeit aufseiten des Arbeitgebers wie des Arbeitnehmers die besonderen Grundsätze über die Tragung des B e t r i e b s r i s i k o s , s. § 6 1 1 Vorbem. 12.

Anm. 3 Für die A n r e c h n u n g d e s E r w e r b s wird vorausgesetzt, daß dieser Erwerb (nicht nur Lohn) vom Dienstpflichtigen durch Verwendung desjenigen Teiles seiner Arbeitskraft gemacht worden ist, den er dem D i e n s t b e r e c h t i g t e n zur Verfügung zu stellen verpflichtet war ( R G 58, 404; J W 1903 Beil 1 1 , 99 und für den Erwerb aus eigenem, selbständigen Geschäftsbetrieb R A G A r b R S 40, 2 3 1 ) . Über die Anrechnung bei Dienstpflichtigen, die vertraglich berechtigt sind, sich in ihrer dienstfreien Zeit einen Nebenverdienst zu verschaffen, s. L Z 1922, 337 1 - Der in e i n e m T e i l e der Vertragsdauer gemachte, besonders hohe anderweite Verdienst ist auf die für die g a n z e Vertragszeit entfallende Vergütung anzurechnen ( R G 58,402 B A G 5 , 2 I 7 ) . Für die Anrechnung trifft den Dienstberechtigten die Beweislast ( R G SeuffArch. 61 Nr. 79; R A G A r b R S 40, 2 3 1 ) . Auf das öffentliche Beamtenrecht findet § 6 1 5 Satz 2 keine Anwendung ( R G 1 1 4 , 1 3 1 ; R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 31 R G H R R 1933 Nr. 1458; R G J W 1938, 599^) • Eine Anwendung des § 254 ist nicht zulässig (vgl. Anm. 1).

Anm. 4 B ö s w i l l i g k e i t liegt nicht nur dann vor, wenn der Dienstverpflichtete die Übernahme einer anderweiten Tätigkeit in der Absicht, den Dienstberechtigten zu schädigen, ablehnt (so noch R A G A r b R S . 30, 1 1 3 ) , er ist auch nicht verpflichtet sich besonders eifrig um die anderweite Verwendung seiner Arbeitskraft zu bemühen, insbesondere eine Arbeit zu übernehmen, die seiner bisherigen Tätigkeit und seinen persönlichen Verhältnissen (weite Anmarschwege, Trennung von der Familie) nicht entspricht

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Dienstvertrag

§616

(WarnRspr. 1931 Nr. 192, RAG ArbRS 40, 231); er darf jedoch nicht im Hinblick auf den ihm noch zustehenden Lohn völlig untätig bleiben, sondern muß die üblichen Gelegenheiten (Inserate, Anfrage beim Arbeitsamt) zur Erlangung einer anderweiten Stellung ausnutzen, zumal wenn er mit einer längeren Dauer der Beschäftigungslosigkeit rechnen muß (ebenso Hueck I S. 299, Nikisch I 249).

§616 Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. E r m u ß sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt. Der Anspruch eines Angestellten (§ 1 Abs. 1, 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes) auf Vergütung kann für den Krankheitsfall nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Hierbei gilt als verhältnismäßig nicht erheblich eine Zeit von sechs Wochen, wenn nicht durch Tarifvertrag eine andere Dauer b e s t i m m t ist. E I J62 II 557; M 2 463; P 2 280. — Notverordnung v o m i . 12. 30 Teil 1 Kap. II Art. 3 mit Berichtigung (RGBl. I ,J2I 608); Notverordnung vom 5.6. ; l erster Teil Kap. IV (RGBl. I, 281).

Übersicht Anm.

I. L o h n z a h l u n g e n im K r a n k h e i t s f a l l e 1. Die gesetzlichen Grundlagen 2. Voraussetzungen des Anspruches a) Arbeitsbehinderung infolge Krankheit b) Fehlendes Verschulden 3. Art und Umfang der Leistungen 4. Dauer der Leistungen 5. Anrechnung von anderen Leistungen 6. Abdingbarkeit 7. Anzeige — Ärztliches Zeugnis II. L o h n z a h l u n g bei s o n s t i g e n B e h i n d e r u n g e n III. S o n d e r v o r s c h r i f t e n

i—9 1 2 2 4 5 6 7 8 9 10 11

Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter i m Krankheitsfalle V o m 26. Juni 1957 (BGBl. 1957 I 8.64g)

Auszug E r s t e r A b s c h n i t t . Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Zuschusses zu den Leistungen aus der Sozialvesicherung im Krankheitsfalle des Arbeiters. § 1. Grundsatz (1) Ist ein Arbeiter infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit) ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu den Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung. Der Zuschuß ist zu gewähren in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Krankengeld einschließlich der Zuschläge aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder dem Rechnungsbetrag des Krankengeldes einschließlich der Zuschläge, der zu zahlen wäre, wenn keine Krankenhauspflege gewährt würde, oder den entsprechenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und neunzig vom Hundert des Nettoentgelts (§ 2). Durch Gesetz oder Satzung der Versicherungs-

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§616

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

träger vorgesehene K ü r z u n g e n (§ 189 Abs. 2 u n d § 192 der Reichsversicherungsordnung) werden bei der Berechnung des Zuschusses nicht berücksichtigt. Den Zuschuß h a t der Arbeitgeber bis zu einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen f ü r die T a g e zu zahlen, f ü r die der Arbeiter K r a n k e n - oder Hausgeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder die entsprechenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhält. (2) Der Zuschuß nach Absatz 1 wird erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber gewährt. § 2. Nettoarbeitsentgelt Nettoarbeitsentgelt im Sinne des § 1 ist das u m die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Arbeitsentgelt. Der Berechnung wird das durchschnittliche Arbeitsentgelt während der letzten vier d e n Lohnperioden des Betriebs entsprechenden Wochen, bei Lohnempfängern mit teilmonatlicher oder monatlicher Lohnabrechnung das durchschnittliche Arbeitsentgelt des letzten Kalendermonats oder des entsprechenden Lohnabrechnungszeitraumes zugrunde gelegt. § 3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses (1) Der Anspruch auf den Zuschuß gemäß § 1 wird nicht d a d u r c h berührt, d a ß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Das gleiche gilt, wenn der Arbeiter sein Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden G r u n d kündigt, der d e n Arbeiter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. (2) Endet das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf von sechs Wochen nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, ohne daß es des Ausspruchs einer K ü n d i g u n g bedarf, oder infolge einer K ü n digung aus anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Gründen, so erlischt der Anspruch des Arbeiters nach § 1 mit diesem Zeitpunkt. § 4. Nichtanrechnung von Versicherungsleistungen Der Arbeiter ist nicht verpflichtet, sich auf den i h m nach § 1 zustehenden Zuschuß solche Beträge anrechnen zu lassen, die ihm für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit aus einer privaten Krankenoder Unfallversicherung zukommen, es sei denn, die Beiträge zu dieser Versicherung trägt der Arbeitgeber. § 5. H e i m a r b e i t (1) Die in Heimarbeit Beschäftigten (§ 1 Abs. 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 — Bundesgesetzbl. I S . J91) haben gegen den Auftraggeber oder Zwischenmeister Anspruch auf einen Betrag von eins vom H u n d e r t des a n sie ausgezahlten reinen Arbeitsentgeltes. Den gleichen Anspruch haben die in § 1 Abs. 2 Buchstaben a bis c des Heimarbeitsgesetzes bezeichneten Personen, wenn sie hinsichtlich der Entgeltregelung gleichgestellt sind. (2) Der jeweilige Betrag ist mit dem Arbeitsentgelt auszuzahlen u n d gesondert in den Entgeltbeleg einzutragen. • (3) Unter reinem Arbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt vor Abzug der Steuern u n d Sozialversicherungsbeiträge, jedoch ausschließlich der Unkostenzuschläge zu verstehen. F ü r die Feststellung des reinen Arbeitsentgeltes sind im Zweifel die Eintragungen in dem Entgeltsbeleg m a ß gebend. (4) Z u r Sicherung der Ansprüche der von dem Zwischenmeister beschäftigten Heimarbeiter, Hausgewerbetreibenden u n d in Absatz 1 Satz 2 genannten Personen zahlt der Auftraggeber dem Zwischenmeister, wenn dieser den in Heimarbeit Beschäftigten gemäß § 1 Abs. 2 Buchstabe d des Heimarbeitsgesetzes hinsichtlich der Entgeltregelung gleichgestellt ist, den Betrag von eins vom H u n d e r t des a n ihn ausgezahlten reinen Arbeitsentgeltes ohne Zwischenmeisterzuschlag. (5) Auf den in diesem Paragraphen vorgesehenen Betrag finden die Vorschriften des H e i m arbeitsgesetzes über Mithaftung des Auftraggebers (§ 21 Abs. 2), über Entgeltschutz (§§ 23 bis 27) u n d über Auskunftspflicht über Entgelte (§ 28) entsprechende Anwendung. § 6. Abdingbarkeit Die Vorschriften dieses Abschnittes können nicht zuungunsten des Arbeiters oder der in § 5 genannten Personen abgedungen werden. § 7. Sonstige Vorschriften über die Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers a n der Arbeitsleistung § 4 der Anordnung zur Vereinheitlichung der Erziehungsbeihilfen u n d sonstigen Leistungen a n Lehrlinge u n d Anlernlinge in der privaten Wirtschaft vom 25. Februar 1943 (Reichsarbeitsblatt Teil I S. 164) bleibt u n b e r ü h r t .

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Dienstvertrag

§616 Anm. 1

I. Lohnzahlung i m Krankheitsfalle Anm. 1 1. Die gesetzlichen Grundlagen Der heutige Rechtszustand für die Fortzahlung des Lohnes im Krankheitsfalle beruht auf einer langen Entwicklung. Schon nach dem allgemeinen Handelsgesetzbuch von 1861 (jetzt § 63 H G B ) hatte der Handlungsgehilfe bei Verhinderung der Leistung infolge unverschuldeten Unglücks, also insbesondere bei Erkrankungen einen unabdingbaren A n spruch auf Fortzahlung des Lohnes für 6 Wochen (der regelmäßigen Kündigungsfrist). Später wurde eine gleiche Regelung in § 133 c Ges. für die Betriebsbeamten, Werkmeister und ähnlichen Angestellten getroffen. A u c h das B G B (§ 616) gab in A b w e i c h u n g von dem Grundsatz, daß L o h n nur für geleistete Arbeit zu zahlen sei, bei unverschuldeter Arbeitsbehinderung einen Anspruch auf Weiterzahlung des Lohnes, ließ indessen anderweite Regelungen zu, so daß praktisch infolge Einzelvereinbarung, betrieblicher oder tariflicher Regelung der alte Grundsatz, ohne Arbeit kein Lohn, im weiten M a ß e fortbestand oder zumindesten der Anspruch sowohl zeitlich wie der Höhe nach weitgehend beschränkt wurde, auch wurde die Bestimmung von der Rechtsprechung und der Rechtslehre dahin ausgelegt, d a ß bei längerer Erkrankung überhaupt kein Lohnanspruch, auch nicht für die nicht erhebliche Zeit bestehe (vgl. 10. Aufl. A n m . 1). Für Angestellte wurde die sich aus den genannten Gesetzbestimmungen ergebende unterschiedliche Behandlung im Jahre 1930 durch Einfügung des Abs. 2 in den § 616 beseitigt, so d a ß nunmehr alle Angestellten einen unabdingbaren Anspruch a u f Fortzahlung des Lohnes für in der Regel 6 Wochen hatten. Das Gesetz v o m 26. 5. 1957, das gemäß § 48 des Seemannsgesetzes auch für den Schiffsmann gilt, hat die erstrebte Gleichstellung für Arbeiter nicht gebracht, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen, vor allem mit Rücksicht auf die überwiegende A n z a h l kleinerer und kleinster Arbeitgeber nur eine Anpassung ihrer wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfalle an die der Angestellten gebracht und zwar auch nur, wenn ihr Arbeitsverhältnis länger als 4 Wochen bestanden hat. Ein Arbeiter, der in den ersten 4 Wochen erkrankt, erhält gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes von seinem Arbeitgeber für diese Zeit keine Beihilfe, sondern bleibt nach wie vor auf das Krankengeld angewiesen. § 616 kann für ihn auch nicht hilfsweise herangezogen werden. Denn das Gesetz soll in Krankheitsfällen die wirtschaftliche L a g e der Arbeiter gegenüber der bisherigen verbessern. Es gewährt aber für die beiden ersten T a g e weder Krankengeld noch Zuschuß von dem A G , ersichtlich u m den Arbeiter davon abzuhalten, bei jeder kleinen Erkältung oder Unwohlsein von der Arbeit fortzubleiben. Würde der § 616 Abs. 1 bei Arbeitsverhältnissen von kürzerer Dauer als 4 Wochen weitergelten und demgemäß der Arbeiter vom ersten T a g e seinen vollen Lohn erhalten, so würde er sich besser stehen als die ständigen Arbeiter und der Anreiz zu nicht notwendigem Krankfeiern erhöht, namentlich wenn von vornherein die Beschäftigung nur vorübergehender Art ist. Das kann nicht der Sinn und Zweck des Gesetzes sein. I m übrigen dürfte im allgemeinen bei einer Beschäftigung von weniger als 4 Wochen die nicht erhebliche Zeit kaum über 2 T a g e hinausgehen. Eine wesentliche Schlechterstellung der nur kurze Zeit Beschäftigten gegenüber dem ständigen Arbeiter, der auch für die beiden ersten T a g e keinen Lohnzuschuß oder Krankengeld erhält, besteht also nicht. Andererseits erhält auch der unständige Arbeiter gemäß § 182 R V O in Fassung des Gesetzes wie der ständige Arbeiter das erhöhte Krankengeld ( 6 5 — 7 5 % statt bisher 5 0 % ) . Das Gesetz hat also auch für ihn eine Verbesserung gemacht. Aus alledem m u ß die Regelung des Gesetzes, namentlich des Abs. 2 des § 1 als eine abschließende angesehen werden, die eine A n w e n d u n g des § 616 auch für Arbeiter ausschließt (str.). Dies gilt um so mehr, wenn man mit B A G 5, 300 annimmt, d a ß nach dem Gesetze für jeden Arbeiter mit Begründung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf die Zuschußleistung gegenüber dem A G entsteht, der nur aufschiebend bedingt davon ist, d a ß vor oder nach Eintritt des Krankheitsfalles das Arbeitsverhältnis 4 Wochen bestanden hat, und d a ß von der fünften W o c h e ab der Zuschuß bis z u m A b l a u f von 6 Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen ist.

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§ 616 A n m . 2—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 2. V o r a u s s e t z u n g e n d e s A n s p r u c h e s . Sie sind für alle Gruppen von Angestellten und Arbeiter die gleichen. a ) A r b e i t s b e h i n d e r u n g infolge Krankheit. Sie liegt nicht nur vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch irgendwelche Krankheitserscheinung hervorgerufen ist, sondern auch dann, wenn sie auf die natürlichen Begleiterscheinungen von Körperfunktionen wie Schwangerschafts- und Menstruationsbeschwerden beruht ( R A G ArbRS. 42, 239). Darauf, ob die Krankheit erst während der Dienstzeit entstanden oder schon vorher bestanden hat, kommt es nicht an, wenn der AN seine bisher geleisteten Dienste einstellen muß. Anders dagegen, wenn er sie nicht aufnehmen kann. Denn im letzteren Falle besteht bei Arbeitern nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 26. 5. 1957 mindestens für die ersten 4 Wochen kein Anspruch auf Leistungen des AG, und es muß dies auch für die spätere Zeit und entgegen R A G ArbRS 36, 1 7 1 ; 38, 145 und der bisher herrschenden Meinung auch für die Angestellten (Handlungsgehilfen, Gewerbegehilfen und sonstigen Angestellten) gelten. Denn die Verpflichtung zur Zahlung des Lohnes im Krankheitsfalle ist ein Ausfluß der das Arbeitsverhältnis beherrschenden Treu- und Fürsorgepflicht, die den A G zu Leistungen auch ohne Leistung von Arbeiten verpflichtet. Diese Fürsorgepflicht kann aber nicht schon mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses in vollem Umfange einsetzen, sondern erst wenn nähere persönliche Beziehung bestanden, der AN eine gewisse Zeit tätiges Mitglied der Betriebsgemeinschaft gewesen ist. Es würde eine Überspannung der Fürsorgepflicht sein, daß der A G einem Angestellten, der wohlmöglich nur auf eine schriftliche Bewerbung angestellt, in keiner Weise für ihn tätig gewesen ist, auf Grund der Vorschriften der §§ 63 H G B , 133 c G e w O , 616 Abs. 2 B G B , während 6 Wochen das volle Gehalt zahlen müßte, wenn dieser wegen plötzlich eingetretener Arbeitsunfähigkeit, sei es auf Grund einer schon länger bestehenden oder plötzlich aufgetretenen Erkrankung seine Dienste nicht aufnehmen und während der ganzen Zeit nicht leisten kann. Eine Beschränkung auf eine nicht erhebliche Zeit ist aber bei Angestellten gerade ausgeschlossen. Nur besondere Umstände, wie etwa, daß der AN durch den neuen A G zur Aufgabe seiner bisherigen Stellung veranlaßt ist, kann den Anspruch in diesem Falle rechtfertigen. Kannte der AN bei Abschluß des Vertrages seine Krankheit und mußte er damit rechnen, daß er nach der Arbeitsaufnahme alsbald arbeitsunfähig werden könnte, so hat er nach den Grundsätzen über Verschulden bei Vertragsschluß den Anspruch auf Zahlung des Lohnes während der Erkrankung verwirkt (vgl. R A G ArbRS 36, 177). Anm. 3 Bei w i e d e r h o l t e n E r k r a n k u n g e n entsteht der Anspruch von neuem, wenn die Arbeitsbehinderung auf einer neuen Erkrankung im medizinischen Sinne beruht oder, falls sie auf dasselbe Grundleiden zurückzuführen ist, wenn der Dienstverpflichtete zwischen zwei Erkrankungen längere Zeit seinen Dienst verrichtet hat und daraus oder sonstwie eine zwischenzeitliche Ausheilung, wenn auch nicht in medizinischem Sinne, anzunehmen ist ( R A G ArbRS 42, 3; 46. 122 B A G 3, 37, 4, m ) . Anm. 4 b) Weitere Voraussetzung ist bei allen 3 Gruppen, daß die Arbeitsunfähigkeit nicht v e r s c h u l d e t ist. Das bedeutet nicht, daß der AN gerade die ihm aus dem Vertrage obliegenden Pflichten verletzt hat, sondern daß er seine Unfähigkeit zur Dienstleistung nicht leichtfertig herbeigeführt, seine Gesundheit und seine Arbeitskraft nicht aufs Spiel gesetzt hat in der Erwartung, daß der Lohn ihm fortgezahlt werden müsse. Das wird bei sportlicher Betätigung nur vorliegen, wenn er übermäßig wagehalsig gewesen ist ( R A G RArbSt. S. 35, 262; 42, 389); oder bei sogen. Vertragsspielern BAG AP Nr. 5 § 63 HGB. Bei Verkehrsunfällen nur bei groben Verstößen gegen die Verkehrspflichten, insbesondere bei Trunkenheit am Steuer (LAG Dortmund Arb R S 42, 394). Auch Schwangerschaftsbeschwerden infolge außerehelichen Verkehrs sind 574

Dienstvertrag

§616 Anm. 5—7

nicht in jedem Fall als Verschulden anzusehen (RAG A r b R S 42, 394). Das gilt auch bei Arbeitsbehinderungen infolge Geschlechtskrankheiten, falls sie nicht aus einem liederlichen Lebenswandel herrühren (so noch R A G A r b R S 6, 206). Anm. 5 3. Art der Leistungen Den Handlungs- und Gewerbegehilfen und sonstigen A n g e s t e l l t e n ist der Lohn fortzuzahlen, der nach der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Erkrankung als regelmäßiger Lohn anzusehen ist. Also wenn vor oder nach dieser Zeit regelmäßig Mehrarbeit geleistet wird, der Mehrarbeitslohn, bei verkürzter Arbeit der gekürzte Lohn ( R A G A r b R S 45, 208; 46, 242), außerdem alle regelmäßigen Zuschläge, Prämien, Tantiemen, Provisionen in durchschnittlicher Höhe ( B A G A P Nr. 4 § 634 GS), dagegen nicht, wenn der Vertreter Ausnahmegeschäfte macht. Bei Erkrankungen während eines unbezahlten Urlaubs kann kein Krankenlohn verlangt werden ( R A G v. 2 1 . 1 1 . 1944 R A G 32/44). Bei A r b e i t e r n hat dagegen der A G nur einen Zuschlag zu gewähren in Höhe des Unterschiedes zwischen den Leistungen aus der Krankenkasse (dem täglichen Krankengeld •— 65-—75% des Grundlohnes) und 9 0 % des Nettoarbeitsentgeltes, d.h. des um die Lohnabzüge verminderten Arbeitsentgeltes während der letzten 4 Lohnperioden, berechnet nach Kalendertagen und nicht nach Arbeitstagen ( B A G 5, 291), oder bei monatlicher Berechnung während der letzten 4 Kalendermonate. Es wird also nicht wie bei Angestellten auf den mutmaßlichen Verdienst während der Krankenzeit abgestellt, sondern auf den Verdienst in den letzten 4 Wochen vorher, wobei ebenfalls alle die genannten Zuschläge anzurechnen sind. Heimarbeiter erhalten 1 % des reinen Arbeitsentgeltes (§5). Der Zuschuß ist arbeitsrechtlich als Lohn anzusehen, insbesondere hinsichtlich der Lohnpfändung, dagegen sind keine Versicherungsbeiträge und keine Lohnsteuer davon abzuführen ( R V O § 383, § 10 I I LohnsteuerRichtl.). Anm. 6 4. Dauer der Leistung Bei A n g e s t e l l t e n ist der Krankenlohn vom Tage der Erkrankung ab auf die Dauer von 6 Wochen zu gewähren, bei A r b e i t e r n jetzt auch auf die gleiche Dauer, aber erst von dem Tage ab, von dem ab das Krankengeld gewährt wird. Da nach § 182 R V O i. d. F . des Gesetzes v. 26. 5. 1957 das erst von dem 3. Tag ab geschieht, setzt die Zuschußleistung des Arbeitgebers auch erst von diesem Tage ab ein, so daß also der Arbeiter während der ersten beiden Tage der Arbeitsunfähigkeit weder Krankengeld noch den Zuschuß erhält, es sei denn, daß die Erkrankung länger als 2 Wochen dauert oder die Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit beruht. Die Verpflichtung des A G auf Fortzahlung des Lohnes oder Leistung des Zuschusses geht nicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, sei es, daß dies befristet ist oder aus anderen Gründen als der Erkrankung fristgemäß oder fristlos gekündigt wird (§§ 72 I I H G B , 1 3 3 c GewO, § 3 des Ges.). Wird wegen der Erkrankung das Arbeitsverhältnis auf Grund des § 626 B G B gelöst, so bleiben die Verpflichtungen bis zum Ablauf der 6 Wochenfrist vom Tage der Erkrankung ab bestehen ( R A G ArbRS 12.483). Anm. 7 5. Anrechnung anderer Leistungen Während § 63 H G B , der noch aus der Zeit stammt, als es nur Privatversicherung, keine gesetzliche Krankenversicherung gab, die Anrechnung von Leistungen aus Kranken- und Lebensversicherungen untersagte, gebot der § 6 1 6 diese Anrechnung, soweit sie auf gesetzlicher Versicherungen beruhte. Beide Bestimmungen haben aber ihre Bedeutung verloren, seit dem durch § 189 R V O das Ruhen des Krankengeldes bei Fortzahlung des Lohnes im Krankheitsfalle vorgesehen ist. Dagegen dürfen nach § 4 des Gesetzes v. 26. 5. 1957 bei Berechnung des Zuschusses Leistungen aus privater Krankenund Unfallversicherung nicht berücksichtigt werden, es sei denn, daß die Beiträge

575

§616 A n m . 8—10

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

hierzu vom AG allein geleistet wurden. Das muß aus allgemeinen Grundsätzen (vgl. BAG 2, 23) auch für die Angestellten hinsichtlich Leistungen aus der Invalidenversicherung gelten. Auch wird der AG von seiner Leistungspflicht durch das Vorhandensein von Ansprüchen der AN gegen einen Dritten nicht befreit, doch kann er verlangen, daß dieser ihm etwaige Schadensersatzansprüche gegen Dritte zwecks eigener Geltendmachung abtritt. Dieser kann nicht einwenden, daß jenem infolge der Pflicht zur Fortzahlung des Lohnes kein Schaden entstanden ist ( B G H 7, 30 [49]; 21, 3, vgl. auch AP Nr. 3 u. 4 zu § 616). Anm. 8 6. Abdingbarkeit Die Ansprüche auf Fortzahlung des Lohnes im Krankheitsfalle und Leistungen des Zuschusses können bei allen Gruppen der AN nicht abgedungen werden. Das schrieb schon § 63 HGB, § 133c GewO, § 616 Abs. 2 BGB vor, war aber für Arbeiter zulässig und fast die Regel. Diese Schlechterstellung der Arbeiter ist nunmehr durch das Gesetz v. 26. 5. 1957 beseitigt. Bestehen geblieben ist dagegen die Bestimmung des § 616II, daß bei den sonstigen Angestellten die 6 Wochenfrist durch Tarifvertrag gekürzt, insbesondere gestaffelt werden kann. Eine solche Verkürzung dürfte indessen gegenüber dem Grundsatz des § 63 I 2 HGB § 103c Abs. 2 GewO und § 6 des Gesetzes nicht mehr angebracht sein und es wird daher Aufgabe der Sozialpartner sein, von solchen Tarifabreden möglichst abzusehen und damit die Gleichheit für alle AN herbeizuführen. Günstigere Regelungen in zeitlicher wie geldlicher Hinsicht bleiben bestehen und sind auch künftig zulässig. Indessen dürfen die zeitlichen und geldlichen Bestimmungen nicht isoliert und für den einzelnen Fall der Erkrankung betrachtet werden, sondern es muß ähnlich wie bei § 4 I I I T V G danach gefragt werden, ob insgesamt die gesetzliche oder vertragliche Regelung namentlich bei längeren Erkrankungen die günstigere ist. Schlechterstellung in einer Hinsicht kann sehr wohl durch Besserstellung in anderer Hinsicht, insbesondere der Dauer aufgewogen werden. Maßgebend wird also im allgemeinen der Gesamtwert der für die einzelnen Arbeitnehmergruppen denkbaren Leistungen sein müssen. Anm. 9 7. Die Ansprüche auf Fortzahlung des Lohnes und des Zuschusses sind nicht davon abhängig, daß der AN seine E r k r a n k u n g unverzüglich a n z e i g t oder ein ärztliches Zeugnis vorlegt. Bei kurzen leichten Erkrankungen wird auf Grund der gegenseitigen Treupflicht ein solches nicht verlangt werden können, sonst genügt die Bescheinigung der Krankenkasse, die der Arbeiter zwecks Berechnung des Zuschusses ohnehin vorlegen muß, oder das ärztliche Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit. Ein eingehendes Zeugnis oder Zeugnis eines Amtsarztes oder eines vom AG bestimmten Vertrauensarztes — nicht des kassenärztlichen Vertrauensarztes, da eine solche Untersuchung nur von der Krankenkasse angeordnet werden kann — wird nur unter besonderen Umständen bei wiederholten Erkrankungen, bei ansteckenden Krankheiten (Tuberkulose) verlangt werden können. A n m . 10 II. Lohnzahlung bei s o n s t i g e n Behinderungen In Frage kommen Aufsuchen oder Vorladungen von Behörden, soweit der Lohnausfall nicht erstattet wird, schwere Erkrankungen von Familienangehörigen oder andere Familienereignisse (Tod, Geburt, Hochzeiten von Kindern und nächsten Verwandten) oder andere Ereignisse, die zwar die Arbeitsfähigkeit nicht unmittelbar beeinträchtigen, sondern nur an der Leistung der Dienste hindern (Feuerbrünste, Straßensperren) oder die Erfüllung der Dienstpflichten vorübergehend nicht zumutbar erscheinen lassen. Ein Teil dieser Fälle wird allerdings nicht als Unglück i. S. der §§ 63 HGB, 133c GewO) angesehen werden können, selbst wenn man mit RAG ArbRS 42, 389; B G H 7, 40) den Begriff sehr weit auslegt. Man wird indessen diese Bestimmungen ebenso wie des § 616 II und des Gesetzes v. 26. 5. 1957 nur als eine Sonderregelung für den Krankheitsfall ansehen müssen, während für alle sonstigen Behinderungen der 576

Dienstvertrag

§ 616 Anm. 11 § 617 Anm. 1

§ 616 Abs. i die Rechtsgrundlage bildet, so daß auch eine unterschiedliche Behandlung für Angestellte und Arbeiter vermieden wird. Diese Behinderungen werden, von seltenen Ausnahmen abgesehen, die im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die beiderseitigen Verhältnisse (vgl. RAG ArbRS 14, 556; 25, 197; 37, 1 7 1 ) unerhebliche Zeit nicht überschreiten, so daß die früher umstrittene Frage (vgl. Anm. 1 der 10. Aufl. und BAG 2, 338) ob bei längerer Verhinderung der Anspruch ganz entfalle oder wenigstens der Lohn für die nicht erhebliche Zeit zu zahlen sei, keine Rolle mehr spielt. Fortzuzahlen ist der Lohn für die ausgefallene Zeit, nicht der Durchschnittsverdienst des vorherliegenden Zeitraumes. In allen Fällen ist aber zu prüfen, namentlich wenn die Behinderung nicht plötzlich und unerwartet eintritt, ob nicht gemäß § 4 A Z O eine Verlegung der Arbeitszeit auf einen anderen Tag, d. h. die Vorleistung oder Nachholung der ausgefallenen Arbeitszeit möglich ist (vgl. D e n e c k e A Z O § 4 Anm. 5 u. 6). Auch wenn die Voraussetzungen des § 4 A Z O nicht gegeben sind, so wird doch auf Grund der gegenseitigen Treupflicht der A N verpflichtet sein, auf Wunsch des A G die ausgefallene Zeit nachzuholen, soweit dies mit den Arbeitsschutzvorschriften (§§ 1 1 , 12, 17—19 AZO) vereinbar ist. Anm. 11 III. Sondervorschriften Für werdende und stillende Mütter sind in dem Mutterschutzgesetz v. 24. 1. 1952 (BGB § 69) Sondervorschriften für die Lohnzahlungen in den Zeiten, in denen sie vor und nach der Niederkunft an der Arbeitsleistung behindert sind, getroffen worden (vgl. BAG 1, 140). Der an einen auf einen Wochentag fallenden g e s e t z l i c h e n F e i e r t a g ausfallende Lohn ist nach dem Gesetz v. 2. 8. 1951 (BGB 439) zu erstatten (vgl. D e n e c k e A Z O Anm. 7—16 zu § 105a GewO).

§617 Ist bei einem dauernden Dienstverhältnisse, welches die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Dienstberechtigte ihm im Falle der Erkrankung die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus, zu gewähren, sofern nicht die Erkrankung von dem Verpflichteten vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt worden ist. Die Verpflegung und ärztliche Behandlung kann durch Aufnahme des Verpflichteten in eine Krankenanstalt gewährt werden. Die Kosten können auf die für die Zeit der Erkrankung geschuldete Vergütung angerechnet werden. Wird das Dienstverhältnis wegen der Erkrankung von dem Dienstberechtigten nach § 626 gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte Beendigung des Dienstverhältnisses außer Betracht. Die Verpflichtung des Dienstberechtigten tritt nicht ein, wenn für die Verpflegung und ärztliche Behandlung durch eine Versicherung oder durch eine Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege Vorsorge getroffen ist. p 2 284—289. Anm. 1 Fürsorge im Krankheitsfalle. Z w a n g s v o r s c h r i f t (§ 619) mit Rücksicht auf die Lage des wirtschaftlich Schwächeren. Die Vorschrift kommt für Selbständige nicht in Betracht, da die Voraussetzungen bei ihnen nicht gegeben sind; denn die Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft bedeutet immer eine Einordnung und Unterordnung; solche Dienstverpflichteten sind aber Arbeitnehmer. Zu diesen gehören auch die Hausgehilfen; die besonderen Vorschriften der Gesindeordnungen sind aufgehoben. In gewissem Maße sind an ihre Stelle getreten die Richtlinien des BMA über die Regelungen der Arbeitsbedingungen (ohne Löhne) von Hausgehilfinnen v. 22. 5. 1952 BAB1. 289, soweit nicht tarifliche Regelungen Geltung haben. Ferner ist sie mangels 577

§ 617 A n m . 2—6 §618

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

besonderer Vorschriften des H G B und der GewO, für Handlungsgehilfen usw. sowie für gewerbliche Arbeiter anwendbar, aber kaum noch praktisch. Vgl. auch S e e m a n n G v. 26. 5. 1957 (GBl. I I 713 § 42fr. Der Dienstberechtigte haftet über den § 617 hinaus auf vollen Schadensersatz wegen eines v o n i h m z u v e r t r e t e n d e n Umstandes, insbesondere wegen Verletzung der ihm nach § 618 obliegenden Pflichten. Anm. 2 V o r a u s s e t z u n g e n dieser Verpflichtung des Dienstberechtigten sind also: dauerndes Dienstverhältnis mit vollständiger oder hauptsächlicher Inanspruchnahme des Verpflichteten und mit Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft (Wohnung und K o s t ; Zurverfügungstellung eines Zimmers oder Gewährung einer Mahlzeit genügt nicht) des Berechtigten, Ausbruch der Krankheit n a c h Aufnahme in diese Gemeinschaft, aber auch bei Verschlimmerung einer früheren Krankheit ( R A G A r b R S 36, 172). — Hierauf erstreckt sich auch die B e w e i s l a s t des Verpflichteten, während der Berechtigte die Ausschlußgründe: vorsätzliche oder fahrlässige Herbeiführung der Krankheit durch den Verpflichteten, Fürsorge durch Versicherung oder eine Einrichtung der öffentlichen Krankenpflege, nachzuweisen hat. Anm. 3 W a h l r e c h t des Dienstberechtigten, ob er die Fürsorge im Hause oder in einer K r a n k e n a n s t a l t gewähren will. Der Dienstverpflichtete hat bei Nichterfüllung der im § 617 bestimmten Pflicht außer dem Ansprüche auf Fürsorge oder auf Schadensersatz im Falle eigener Deckung der Kosten den Ersatzanspruch an den Berechtigten und kann nach § 626 (Schadensersatz § 628 Abs. 2) fristlos kündigen. Anm. 4 O b für diese Zeit eine Vergütung überhaupt zu entrichten ist, bestimmt sich nach § 616 und dem Gesetz v. 26. 5. 1957 vgl. Anm. zu § 6 1 6 . Anm. 5 Wird das Dienstverhältnis w e g e n d e r E r k r a n k u n g v o n d e m D i e n s t b e r e c h t i g t e n nach § 626 g e k ü n d i g t , so bleibt der in Satz 1 angeführte Anspruch des V e r pflichteten auf Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die v e r e i n b a r t e Dauer des Dienstverhältnisses hinaus, bestehen. Anm. 6 Vgl. die R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g , insbesondere §§ 1 6 5 f r . , 416fr. ( K r a n kenversicherung), §§ 537ff- (Gewerbe-Unfallversicherung), §§ 915ff., 161 (Land- und forstwirtschaftliche Unfallversicherung), §§ 1046fr. (See-Unfallversicherung). Die Vorschrift des Abs. 2 findet aber auch auf p r i v a t e Versicherungen (anders § 616) und ohne Unterschied, wer die Beiträge zur Versicherung zahlt, Anwendung, Beweislast s. Anm. 2.

§618 Der Dienstberechtigte hat R ä u m e , Vorrichtungen oder Gerätschaften, die e r z u r V e r r i c h t u n g d e r D i e n s t e z u b e s c h a l l e n h a t , s o e i n z u r i c h t e n u n d zu u n t e r h a l t e n u n d D i e n s t l e i s t u n g e n , die u n t e r s e i n e r A n o r d n u n g o d e r s e i n e r L e i tung v o r z u n e h m e n sind, so zu regeln, daß der Verpflichtete gegen Gefahr für L e b e n u n d G e s u n d h e i t s o w e i t g e s c h ü t z t i s t , a l s die N a t u r d e r D i e n s t l e i s t u n g e s gestattet. I s t d e r V e r p f l i c h t e t e in die h ä u s l i c h e G e m e i n s c h a f t a u f g e n o m m e n , s o h a t d e r D i e n s t b e r e c h t i g t e in A n s e h u n g d e s W o h n - u n d S c h l a f r a u m s , d e r V e r p f l e g u n g s o w i e d e r A r b e i t s - u n d E r h o l u n g s z e i t diejenigen E i n r i c h t u n g e n u n d A n o r d n u n g e n z u t r e f f e n , w e l c h e m i t R ü c k s i c h t a u f die G e s u n d h e i t , die S i t t l i c h k e i t u n d die R e l i g i o n d e s V e r p f l i c h t e t e n e r f o r d e r l i c h s i n d . 578

Dienstvertrag

§618 A n m . 1, 2

Erfüllt der Dienstberechtigte die i h m in A n s e h u n g des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung z u m Schadensersatze die für unerlaubte H a n d l u n g e n geltenden Vorschriften d e r § § 842 bis 846 entsprechende A n w e n d u n g . E II 558 Abs. 1 III 610 Abs. 1 ; M » 460; P

1

189B

Ubersicht 1. s. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Rechtliche Natur und Geltungsbereich Räume Vorrichtungen und Gerätschaften Beschaffungspflicht Regelung der Dienstleistungen Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft Ersatzpflicht Bedeutung der Vorschriften der R V O Außervertragliche Ansprüche

Anm.

1. 2 3 4 5 6 7 8—12 13—15 16

Anm. 1 Geltungsbereich und rechtliche Natur der nach § 619 z w i n g e n d e n Vorschrift. a) Die Bestimmungen des Abs. 1 und 3 gelten sowohl für das Dienstverhältnis der selbständig Tätigen, wie für das Arbeitsverhältnis, während der Abs. 2 nur für das letztere Bedeutung hat. Für das Dienstverhältnis der selbständig Tätigen bedeuten sie weitere, neben der Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung bestehende Leistungen, während sie für das Arbeitsverhältnis nur eine nähere Bestimmung der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht enthalten. Danach ist auch der Umfang der Pflicht aus § 618 zu beurteilen. Ein Anspruch auf Schutz gegen jede Gefahr besteht nicht. Für Gefahren, die auch bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfaltspflicht nicht auszuschließen sind, wie z. B. Glätte eines Linoleumbelags trotz sorgfältigster Behandlung hat der Dienstberechtigte nicht einzustehen; hier hat vielmehr der Dienstverpflichtete das Seinige zur Vermeidung von Unfällen zu tun (RAG ArbRS 9, 382; 14, 553; 28, 126; 36, 428). Die Fürsorgepflicht darf also nicht überspannt werden. Bei sog. U n t e r n e h m e r a r b e i t e r n , die für ihren Arbeitgeber in dem Betrieb eines anderen tätig und in diesen eingegliedert sind, hat n e b e n dem Arbeitgeber auch der andere Unternehmer die Pflichten (auf Grund eines stillschweigenden Vertrages) zu erfüllen, so daß also der geschädigte Arbeiter unmittelbar auch gegen ihn Schadensersatzanspruch erheben kann (RAG ArbRS 33, 61, 140; 10, 459; R G 170, 217; 171, 393; 172, 206; B G H 8, 333; 21, 114). Hinsichtlich der im öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer können sich aus den Besonderheiten ihres Arbeitsverhältnisses ebenso wie bei den Beamten erhöhte Fürsorgepflichten ergeben, wenn auch die allgemeinen Grundsätze in Hinsicht des § 618 BGB die gleichen sind (RAG ArbRS 28, 109). Die Vorschrift des § 618 ist auf einen Werkvertrag entsprechend anzuwenden, wenn der Unternehmer zur Erfüllung seiner Verpflichtung Räume des Bestellers betreten muß und infolge ihrer Beschaffenheit einen tödlichen Unfall erleidet, R G 159, 208; B G H 5, 63 und bei sonstigen dienstähnlichen Leistungen B G H 16, 265. Anm. 2 b) Auch den öffentlichen B e a m t e n gegenüber bestehen auf Grund der Fürsorgepflicht der vorgesetzten Behörde (§ 36 DBG § 7 B B G ) (vgl. Vorbem. 42) dem § 618 entsprechende Verpflichtungen des Staates, der Gemeinden und anderer öffentlicher Körperschaften zur Beschaffung geeigneter, das Leben und die Gesundheit der Beamten nicht gefährdender Arbeitsräume und Werkzeuge (RG 92 S. 178, 308; 95, 103; 145, 182), sowie zur Erteilung der erforderlichen Anweisungen (RG J W 1908, 448 11 ). Dabei handelt es sich aber (vgl. Vorbem. 42) nicht um eine entsprechende Anwendung des nur bürgerliche Dienstverhältnisse betreffenden § 618 auf das anders geartete öffentliche Beamtenrecht, sondern um die Schöpfung einer R e c h t s r e g e l des ö f f e n t l i c h e n

579

§ 618 Anm. 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

R e c h t e s aus einem auch dem § 618 zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken, den die Gerichte rechtsschöpferisch in das öffentliche Recht eingeführt und nach dessen inneren Besonderheiten und Erfordernissen, also unabhängig vom Inhalt des § 618 und über ihn hinaus, entwickelt, begrenzt und angewendet haben (st. Rspr. R G 141, 385). Haftungsgrundlage ist aber nur die Fürsorgepflicht, nicht § 839 BGB, vgl. § 89 Anm. 7 u. I d e l NJW 51,1360. Zur A b s t e l l u n g g e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h e r M ä n g e l in Diensträumen ist die Behörde auch ohne Beschwerde des Beamten oder Angestellten verpflichtet; bei der Würdigung eines mitwirkenden Verschuldens ist zu beachten, daß man von einem Beamten (zumal einem unteren) nicht die rücksichtslose Durchführung einer Beschwerde erwarten kann (RG H R R 1934 Nr. 1512). Pflicht einer Stadtgemeinde zur Herabminderung einer Ansteckungsgefahr, in der die Beamten bei ihrer dienstlichen Tätigkeit, z. B. Wohlfahrtsbeamte beim dienstlichen Verkehr mit Tuberkulosekranken, schweben, s. R G J W 1936, 2213 2 . Schutz der Beamten einer staatlichen Tuberkuloseheilanstalt s. R G WarnRspr. 1937 Nr. 63. Hierher gehört auch die Rücksichtnahme auf Beamte mit geschwächter Gesundheit und verminderter Widerstandsfähigkeit gegen schädigende Einwirkungen des Dienstes, soweit es die Art des Dienstes und das Interesse des Dienstbetriebs zuläßt ( R G 10. 3. 1922 I I I 403/21). Ebenso entspricht die Anwendung der hier aufgestellten Grundsätze auf D i e n s t w o h n u n g e n der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts ( R G 71, 243; WarnRspr. 1912 Nr. 250). Unmittelbare Haftung des Staates gegenüber den F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n des Inhabers einer Dienstwohnung, die infolge gesundheitsschädlicher Beschaffenheit der Räume erkranken, s. R G 91, 21. Eine allgemeine B e r a t u n g s - und B e l e h r u n g s p f l i c h t des Staates gegenüber seinen Beamten läßt sich nach dem gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung nicht begründen; eine erbetene Beratung oder Belehrung muß natürlich richtig und sorgfältig erteilt werden ( R G J W 1937, H 5 6 1 3 B G H 7, 70). Entsprechend dem in § 278 für das bürgerliche Recht aufgestellten Grundsatz haftet auch der Staat (die Gemeinde) regelmäßig für das Verschulden der Personen, deren er (sie) sich zur Erfüllung seiner (ihrer) Verpflichtungen bedient ( R G 137, 8 1 ; 141, 390; R G J W 1936, 2213 2 ) über eine Gefahrenhaftung des Staates bei Übertragung der Überwachung eines Gefangenen an eine Privatperson gegenüber dieser Person und ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen. Die soziale Fürsorge für das gesundheitliche Wohl eines Beamten darf nicht an der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der erforderlichen Maßnahmen scheitern (HRR 1934 Nr. 1198). Bei der A b w ä g u n g b e i d e r s e i t i g e n V e r s c h u l d e n s n a c h § 254 ist auch hier (s. unten Anm. 7) zu beachten, daß das grundlegende Verschulden regelmäßig den Dienstberechtigten trifft ( R G J W 1936, 2213 2 ). Wird ein Beamter durch Verschulden der Behörde dienstunfähig und in den Ruhestand versetzt, so erstreckt sich ein Schadensersatzanspruch auch darauf, daß nach seinem Tode seine H i n t e r b l i e b e n e n die gesetzlichen Hinterbliebenenbezüge erhalten, dies selbst dann, wenn er erst im Ruhestande geheiratet hat, vorausgesetzt nur, daß er in diesem Zeitpunkt noch im Dienste gewesen wäre, wenn er nicht infolge des Verschuldens der Behörde vorzeitig hätte ausscheiden müssen ( R G 14. 3. 1933 I I I 302 u. 378/32). Über die Verwirkung von Ansprüchen eines Beamten aus Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 618) seiner Vorgesetzten s. R G 158, 235. Anm. 3 2. R ä u m e . Die Vorschrift gilt auch außerhalb der eigentlichen Betriebsräume ( R G J W 1 9 1 1 , 757 13 ), für H ö f e , T r e p p e n , G ä n g e und für Zugänge zur Arbeitsstätte ( R G 80, 27; J W 1910, 148 1 0 ; 1922, 1005 2 ), sowie zu den Arbeitsräumen, des Wohnheimes ( B A G AP Nr. 1 zu § 618), ingleichen für Flure und für den Zugang zum A b o r t ( R G Gruchot 48, 346; J W 1907, 673'), zum K e l l e r ( R G J W 1910, 2806), nicht für ö f f e n t l i c h e Wege und sonstige Zugänge, auf denen der Dienstpflichtige außerhalb des seine Arbeitsstätte enthaltenen Grundstücks zu dieser gehen muß ( R G Gruchot 46, 931, anders nach § 543 R V O ) , wohl aber für Fabrikstraßen auf dem Gelände des dienstberechtigten Unternehmers ( R G SeuffArch. 81 Nr. 5: Schutz gegen ausströmende Giftgase). Bei mangelhafter Verwahrung der Schachtöffnung eines noch nicht fertiggestellten Aufzugs s. R G Gruchot 64, 476. Schutz gegen Gefahren, die aus Bränden in Geschäftsräumen entstehen, insbesondere Offenhaltung von Ausgängen, s. R G J W 1903

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Dienstvertrag

§618

A n m . 4, 5 Beil. 57138. Kein Anspruch des Dienstpflichtigen wegen Ausgleitens auf einer ordnungsmäßigen, aber am Morgen (zur Zeit des Unfalls) noch nicht gesäuberten Treppe (RG J W 1910, 282®; 1912, 529 6 ). An das Innere einer Privatwohnung sind nicht dieselben Anforderungen in bezug auf Verkehrssicherheit zu stellen, wie etwa an Flur und Treppen in öffentlichen Gebäuden, die dem allgemeinen Verkehr offen stehen (RG J W 1935, 2 73 2 )- — Auch eine a n sich ordnungsmäßige Anlage kann Schutzvorkehrungen erfordern, wenn großer Verkehr, stärkere Abnutzung oder wiederholte Unfälle eine Gefahr für die dort verkehrenden Personen erkennen lassen (RG 27. 2. 1917 III 341/16). — Nach § 618 haftet auch der T h e a t e r u n t e r n e h m e r den Schauspielern, Sängern und anderen Angestellten für die Verkehrssicherheit der Theaterräume und der Zugänge zu ihnen, so für die Sicherheit des Bühnenraums (RG WarnRspr. 1919 Nr. 164), des Zugangs zu den Ankleideräumen (RG WarnRspr. 1918 Nr. 52), des Weges zum Verlassen des Theaters (RG WarnRspr. 1917 Nr. 240). Dabei kann allerdings die Verhütung von Gefahren, die mit dem Betriebe und mit der Einrichtung des Theaters regelmäßig verbunden und deshalb den Angehörigen des Theaters bekannt sind, nicht verlangt werden, solange nur mit einem Verkehr solcher Personen zu rechnen ist. Wohl aber muß zu ihren Gunsten dafür gesorgt werden, daß nicht unerwartete Gefahren sich dem Verkehr entgegenstellen, z. B. Gegenstände derart hingelegt werden, daß sie leicht übersehen werden und Personen zu Fall bringen können (RG WarnRspr. 1917 Nr. 240, 1920 Nr. 81). — Die Schutzvorschrift des § 618 kommt auch Familienangehörigen zu gute, wenn diese nach den Abmachungen der Parteien berechtigt sind, sich während der zu leistenden Dienste in den Räumen aufzuhalten (RG 159, 283). Bei zugewiesener Dienstwohnung erstreckt sich die Fürsorgepflicht auch auf die ordnungsmäßige Einrichtung und Unterhaltung der Wohnräume und Sicherung des Zugangs dieser Wohnungen (Streuen bei Glatteis) (RAG ArbRS 39, 413, B A G AP Nr. 1 zu § 618). Die Haftung des Dienstberechtigten erstreckt sich aber nicht auf Räume, in denen der Dienstpflichtige nichts zu suchen hat oder deren Betreten ihm verboten ist (RG Gruchot 53, 968; WarnRspr. 1909 Nr. 205). — Vgl. auch die Pflichten des Unternehmers nach dem Gesetz über die U n t e r k u n f t b e i B a u t e n v. 13. 12. 1934 (RGBl. I, 1234) mit AusfVO v. 24. 10. 1938 (RGBl. I, 1516). Anm. 4 3. Vorrichtungen oder Gerätschaften. Vorrichtungen beim F e n s t e r p u t z e n : Tritt, Fensterstuhl (RG 21. 2. 1907 III 327/06). — Mangelhaftes G e l ä n d e r (RG 25. 1. 1907 III 327/06). — Mangelhafte L e i t e r (RG WarnRspr. 1917 Nr. 12). (Kein eigenes Verschulden des abgestürzten Hausgehilfen, der mit Kenntnis der Schadhaftigkeit der Leiter diese auf besonderes Geheiß des Dienstherrn besteigt.) Fehlen von Handgriffen an einer Pendeltür (RG WarnRspr. 1919 Nr. 33). Ferner: S c h u t z b r i l l e (RG 5, 101; 11, 23). Mangelnde Schutzvorrichtung beim L ä u t e n d e r K i r c h e n g l o c k e n (RG J W 04, 383). Untauglichkeit eines Bühnenwagens (RG WarnRspr. 1913 Nr. 287); Vornahme gefährlicher Arbeiten während einer Bühnenprobe (RG WarnRspr. 1920 Nr. 81). Nimmt der Dienstberechtigte den Dienstverpflichteten zu einer geschäftlichen Wagenfahrt mit, oder stellt er ihm einen Kraftwagen zur Verfügung, so hat er ihn gegen Gefahren soweit wie möglich zu schützen und haftet aus einem Kraftwagenunfall auch für Verschulden des Fahrers und sonstiger Erfüllungsgehilfen (RAG ArbRS 25, 115; 31, 31 BGH RDA 52, 272 [für Betriebsratmitglieder]). Anm. 5 4. Vorausgesetzt wird hier, daß der D i e n s t b e r e c h t i g t e zur Beschaffung der Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften verpflichtet ist. Das schließt aber keineswegs eine Haftung des Dienstberechtigten nach § 618 in den Fällen aus, in denen der Dienstpflichtige die Sachen, deren er zur Leistung der Dienste bedarf, sich selbst beschaffen muß. Denn die R e g e l u n g d e r D i e n s t l e i s t u n g e n , die unter seiner Anordnung oder seiner Leistung vorzunehmen sind (Anm. 6), liegt dem Dienstberechtigten auch in diesem Falle ob (vgl.RG J W 1917,969®. In bezug auf die von ihm zu beschaffenden Vorrichtungen und Gerätschaften muß ferner der Dienstberechtigte nicht nur für die Einrichtung und Unterhaltung sorgen, sondern er muß auch ihre B e n u t z u n g so

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§618 Anm, 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

regeln, daß der Dienstpflichtige gegen die mit ihr verbundenen Gefahren nach Möglichkeit geschützt ist (RG J W 1920, 377': Verschließung der Tür eines Fahrstuhlschachts). — Ob der D i e n s t b e r e c h t i g t e zur B e s c h a f f u n g , z. B. einer Einrichtung, verp f l i c h t e t ist, d a f ü r ist m a ß g e b e n d , ob nach den A n f o r d e r u n g e n eines o r d n u n g s m ä ß i g e n V e r k e h r s im einzelnen F a l l e ein solche E i n r i c h u n g e r f o r d e r l i c h ist, und diese Frage ist zunächst vom Dienstberechtigten zu prüfen (RG 12, 130; 19, 191; RG J W 01, 213 1 9 ; RG Gruchot 48, 909). Bei vorhandener Gefährlichkeit ist es Sache des Dienstberechtigten, sich nach A b h i l f e maßnahmen zu erkundigen. Die Unterlassung solcher Erkundigung kann jedoch nur dann fahrlässig sein, wenn der Dienstberechtigte die Gefährlichkeit erkennt oder bei Anwendung der verkehrsmäßigen Sorgfalt erkennen muß ((RG J W 1912, 529®). Bei Kenntnis der Gefährlichkeit hat der Dienstberechtigte auch die Verpflichtung, den Dienstverpflichteten, der die Gefahr nicht kennt, auf diese a u f m e r k s a m zu machen (RG J W 1917, 96g8) und über die Art und Weise, wie ihr begegnet werden kann, zu belehren (RG J W 1920, 377'; RG Gruchot 62, 616). — Der Dienstberechtigte muß mit dem L e i c h t s i n n der Leute rechnen und selbst die Vorkehrungen treffen, die nötig sind, um sie gegen Gefahren für Leib und Leben zu schützen (RG Gruchot 62, 1 1 1 ; RAG ArbRS 39, 403). Ein ernstliches Verbot der Benutzung gefahrbringender Gerätschaften genügt nicht immer, um den Dienstberechtigten zu entlasten (RG J W 1917, 969®). Läßt der Dienstberechtigte zur Beseitigung der Gefahr eine Arbeit durch andere Personen vornehmen, z. B. eine Treppe reinigen, so muß er sich auch davon überzeugen, daß die Arbeit ordnungsmäßig vorgenommen, die Gefahr beseitigt ist (RG WarnRspr. 1916 Nr. 103). Die Haftung selbst ist eine v e r t r a g s m ä ß i g e und daher auch der § 278 a n w e n d b a r (RG 77, 408; 127, 218). So haftet der Dienstherr nach §§ 278, 1357 für das Verschulden seiner Frau, die der Hausgehilfin Anweisungen erteilt (RG J W 1906, 46015) oder mangelhafte Gerätschaften, z. B. eine fehlerhafte Leiter zur Benutzung überläßt (RG WarnRspr. 1917 Nr. 12; s. auch RG 95, 103; RG L Z 1917, 1132 5 ). Dagegen ist, wenn der Dienstherr mit einer bestimmten Arbeit, z. B. Fensterreinigen, mehrere Personen beauftragt, nicht jede dieser Personen als Erfüllungsgehilfe des Dienstherrn in bezug auf seine Pflichten aus § 618 gegenüber den anderen anzusehen (RG 106, 293). Zur Frage der Haftung des Inhabers einer Privatwohnung für Schäden, die häusliche Arbeitnehmer durch die Schadhaftigkeit von Haushaltsgegenständen erleiden, s. RAG ArbRS 33, 191 (Umfallen eines Schrankes). — Anm. 6 5. Regelung der Dienstleistungen. Zwar ist nach § 56 BetrVG der AG bei Erlaß von Regelungen zur Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der AN im Betrieb an das Einverständnis der Betriebsvertretung gebunden, er trägt aber die Verantwortung dafür,, daß die erforderlichen, dem Schutze der AN dienenden Anweisungen getroffen werden und hat bei mangelnder Zustimmung die Einigungsstelle zwecks bindender Festsetzung solcher Ordnungen anzurufen, er wird von seiner Verantwortung nur frei, wenn die Einigungsstelle seinen Anträgen nicht stattgegeben hat. Bei Anweisungen im einzelnen Fall, bei nicht regelmäßig wiederkehrenden Arbeiten, bei denen eine Mitwirkung der Betriebsvertretung und das umständliche Einigungsverfahren nicht in Frage kommt oder bei Fehlen einer Betriebsvertretung (§ 8 BetrVG) trägt er aber die alleinige Verantwortung und kann sich nicht darauf berufen, daß der betreffende AN oder die übrigen Schutzvorkehrungen nicht für erforderlich gehalten oder nicht gewünscht haben; er muß gerade in solchen Fällen sich darum kümmern, ob die von ihm angeordneten Schutzmaßnahmen beachtet werden, er darfauch nicht neben einem Verfahren, das Sicherheit gegen die Gefahr bietet, ein anderes zulassen, bei dem dies nicht der Fall ist (RG J W 07, 249). Das Ausmaß seines Verschuldens ergibt sich in solchen Fällen aus § 254. E i n z e l f ä l l e . Haftung des Dienstherrn für den Unfall eines Hausgehilfen beim F e n s t e r p u t z e n , wenn dieses mit Wissen des Dienstherrn vom äußeren Fensterbrett ausgeführt worden ist (RG J W 1904, 290 12 ; 1907, 249 10 ; WarnRspr. 190g Nr. 447). Die Haftung des Lehrherrn bei Verletzung des Lehrlings (RG J W ig 13, 3724) unter der Obhut eines mit der erforderlichen Anweisung nicht versehenen Gesellen (RG 34, 1) 582

Dienstvertrag

§618 Anm. 7

oder wegen unvorsichtigen Handelns seines Vertreters bei Beaufsichtigung des Lehrlings ( R G J W 1909, 685'; R G 77, 408). Verpflichtung des Gewerbeunternehmers zur Beseitigung einer die Gesundheit der Arbeiter gefährdenden S t a u b e n t w i c k l u n g , R G L Z 1917, 1341 10 , R A G A r b R S 33, 61 (GewO § 120a). Verpflichtung des Unternehmers einer Steindruckerei, die Gefolgschaft, die mit Säuren umgehen muß, gegen die daraus für die Gesundheit erwachsenden Gefahren zu schützen s. R A G A r b R S 28, 126. Verpflichtung des Lichtspielunternehmers, den Darsteller über besondere, dem letzteren nicht erkennbare Gefahren einer Vorführung aufzuklären, s. R A G A r b R S 5, 116. Verpflichtung des Theaterunternehmers, nicht nur die von ihm selbst gelieferten, sondern auch die von einem Schauspieler aus eigenen Mitteln gestellten Kostüme auf ihre Ungefährlichkeit für die Mitschauspieler zu untersuchen, s. R G J W 1933, 13906. Pflicht des Betriebsführers, die Gefolgschaftsangehörigen vor A n s t e c k u n g durch lungenkranke Arbeitskameraden zu bewahren, s. R A G A r b R S 26, 13, 123; 27, 228; 29, 355. Ansteckung eines Dienstboten bei der Pflege des Dienstberechtigten s. R G Gruchot 62, i'i 6, Fürsorgepflicht der Ehefrau des erkrankten Dienstberechtigten in bezug auf die ihn pflegende Krankenschwester s. R G J W 1933, 20031. Haftung der Ehefrau für die Verletzung des von ihr zugezogenen Arztes durch den erkrankten geistesgestörten Ehemann s. R G WarnRspr. 1934 Nr. 53. Läßt der Dienstherr Arbeiten vornehmen, die seine in der Nähe beschäftigten Angestellten gefährden, so muß er für entsprechende Sicherungsmaßregeln sorgen ( R G 20. 1. i g i 6 V I 305/15). Haftung des Unternehmers für Verschulden von Bauhandwerkern, deren er sich zur Ausführung eines Umbaus bedient, s. A r b R S 32, 22 ( L A G ) . Ansprüche einer im Haushalt des Dienstberechtigten beschäftigten, durch eine in der Wäsche stecken gebliebene Nadel verletzte Wäscherin s. R G 103, 374. Der Dienstberechtigte haftet auch für ein g e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h e s Ü b e r m a ß d e r D i e n s t l e i s t u n g ; selbst wenn die gesetzlichen Grenzen der Arbeitszeit nach der A Z O nicht überschritten werden, kann doch im Hinblick auf den körperlichen Zustand des betreffenden A N die Beschäftigung während der zulässigen Arbeitszeit ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht und damit gegen § 6 1 8 sein ( R A G A r b R S 11, 88; 5, 44; 24, 15). Werden dem Dienstpflichtigen schwere Arbeiten (z. B. Putzen der Böden) aufgetragen, die zu seinen Dienstleistungen gehören, aber seine Kräfte übersteigen und seiner Gesundheit schaden, so muß der Dienstpflichtige unter Umständen den Dienstherrn auf die Gefahr aufmerksam machen. Ebenso muß der Dienstpflichtige von früheren Schwindelanfällen Mitteilung machen, die ihn zum Fensterputzen ungeeignet erscheinen lassen ( R G J W 1904, 290 12 ). Verpflichtung des Dienstverpflichteten, der mit Säuren umgehen muß, auf eine Veranlagung zu Hautausschlägen hinzuweisen und um eine andere Verwendung zu bitten, s. R A G A r b R S 28, 126. Fürsorgepflicht, Hausangestellte vor den Folgen einer im Dienst erlittenen Verletzung zu bewahren, s. R A G H R R 1931 Nr. 120. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht aus § 618 kann auch darin liegen, daß der Geschäftsherr einem Angestellten, der vertragsgemäß beim Besuche der Kunden einen schweren Koffer mit sich zu führen hat, nach dem Überstehen einer Krankheit nicht ausreichende Erleichterungen bewilligt ( R A G A r b R S 15, 144). — A u c h dem durch seine körperliche Beschaffenheit (z. B. Nervosität) einer Gefahr besonders ausgesetzten Dienstpflichtigen gegenüber findet die Schutzpflicht des Dienstberechtigten ihre Grenze nur an der Unverträglichkeit der Abwendung der Gefahr mit der Natur der Dienstleistung ( R G 22. 10. 1912 III 58/12). — Haftung des A G gegenüber einem von einer Arbeiterin zur Feldarbeit mitgebrachten Kinde nach §§618, 328 s. R G J W 1919, 8201.

Anm. 7 6. Haftung des Dienstberechtigten gegenüber den in häusliche Gemeinschaft

a u f g e n o m m e n e n D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n , auch für die ordnungsmäßige Beschaffenheit des Z u g a n g e s z u d e n S c h l a f r ä u m e n der Hausangestellten und für dessen ordnungsmäßige, nach den örtlichen Verhältnissen nötige Beleuchtung ( R G 24. 3. 1905 I I I 562/04). Über die Haftung für eine gesundheitlich einwandfreie V e r p f l e g u n g und über die Beweislast in solchen Fällen s. R A G A r b R S 30, 231. Der Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft steht eine Aufnahme in Junggesellenheimen oder Wohnheimen gleich B A G A P Nr. 1 zu § 618. 38 Komm. z. BGB, n . Aufl II. Bd. (Denecke)

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§618 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm. 8—10 Anm. 8 7. Rechtliche Natur und Umfang der Ersatzpflicht a) Bei den Sorgfaltspflichten des § 618 handelt es sich um vertragliche Nebenleistungen der Dienstberechtigten (AG) und zwar in der Regel um Vorleistungen. Der Dienstverpflichtete (AN) kann deshalb gemäß § 320 die Leistung seiner Dienste verweigern, bis die erforderlichen Vorkehrungen getroffen sind (vgl. § 320 Anm. 2) und kann unter Umständen wie bei anderen Leistungen der Dienstberechtigten auf Erfüllung klagen (str.) oder das Dienstverhältnis gemäß § 626 vorzeitig kündigen und Schadensersatz gemäß § 628 verlangen. Ist ein Schaden durch die mangelnde Sorgfaltspflicht entstanden, so sind dem Geschädigten hinsichtlich des Vermögensschadens gemäß Abs. III dieselben Ansprüche wie bei außervertraglichem Verschulden gegeben. Die scharfe Trennung zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung ist insoweit aufgegeben. Der Dienstberechtigte hat also dem Dienstverpflichteten nicht nur den unmittelbar enstandenen Schaden zu ersetzen (§ 249), seine Haftung erstreckt sich auf die Minderung des Erwerbs und Fortkommen durch Gewährung einer Geldrente oder Kapitalabfindung (§§ 842, 743), er hat auch den mittelbar Geschädigten, den unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen Ersatz für die verlorengegangenen Unterhaltsansprüche und Dienstleistungen zu gewähren (§§ 844, 845) und muß für seine Gehilfen gemäß §278 haften, kann sich diesen Dritten gegenüber nicht nach §831 entlasten (st. Rspr.). Andererseits kann ihnen gegenüber auch ein mitwirkendes Verschulden des Dienstverpflichteten berücksichtigt werden (§ 846). Schmerzensgeld gemäß § 847 kann allerdings nur verlangt werden, wenn einer der konkreten Schadensfälle des § 823 I vorliegt oder gegen eine besondere Schutzvorschrift verstoßen ist, da § 618 selbst keine Schutzvorschrift ist (RAG ArbRS 26, 13; 36, 34). Hier Entlastungsbeweis nach §831 zulässig. Anm. 9 b) Ein Verschulden des Dienstberechtigten (§ 276) oder derjenigen, deren Verschulden er zu vertreten hat (§ 278), ist in jedem Falle Voraussetzung der Haftung nach § 618. Ein Rechtssatz, insbesondere des Inhalts, daß der Unternehmer für einen Schaden, den der Dienstverpflichtete infolge erhöhter Betriebsgefahr erleidet, auch ohne Verschulden aufzukommen habe, besteht nicht (RAG ArbRS 30, 157 vgl. aber §611 Vorbem. 20). Wenn ein größeres Unternehmen oder eine öffentliche Behörde ihren Vertragspflichten aus §618 nicht nachgekommen ist, bedarf es zur Begründung der Haftung nicht notwendig einer Benennung der Personen, deren sie sich zur Wahrnehmung jener Pflichten als Erfüllungsgehilfen bediente (st. Rspr. RG 89, 137; 163, 29 u. a.). Anm. 10 c) Mitwirkendes Verschulden des Verletzten z. B. fehlender Hinweis auf besondere, nicht ohne weiteres erkennbare Gefahren (RG J W 12, 529), ist nach §254 zu würdigen, aber nicht ohne weiteres in der Übernahme einer gefährlichen Arbeit zu finden (RAG ArbRS 4, 227). Bei der Prüfung, ob und inwieweit den Arbeitnehmer wegen der Übernahme einer solchen Arbeit ein Verschulden trifft, müssen seine Gewöhnung an die seinem Beruf eigentümlichen gefährlichen Verrichtungen und die dadurch erzeugte Abstumpfung gegen die Gefahr, seine Gepflogenheit, den Arbeitgeber bei der Arbeit für sich denken zu lassen, und namentlich die Zwangslage in Betracht gezogen werden, die ihn, wenn er nicht seine Stelle verlieren will, häufig nötigt, trotz besserer Einsicht gefährliche Beschäftigungen zu übernehmen. Die Ausführung von Anweisungen des Dienstberechtigten ist daher dem Dienstpflichtigen in der Regel nicht als Verschulden anzurechnen (RG WarnRspr. 1914 Nr. 249). Bei der nach § 254 erforderlichen Abwägung ist insbesondere zu beachten, daß regelmäßig den Dienstberechtigten das g r u n d l e g e n d e Verschulden trifft, wenn er gefahrbringende Räume usw. dem Dienstpflichtigen zur Benutzung überläßt (RG H R R 1934 Nr. 250; RAG ArbRS 39, 403). Die Zuteilung eines gleichen oder größeren Haftungsanteils auf den Dienstverpflichteten ist nicht ausgeschlossen, aber im allgemeinen nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt (RG H R R 1934 Nr. 250). Nur § 254 kommt in Frage, wenn der in seiner Erwerbsfähigkeit Geschädigte eine von ihm von dem hierfür ersatzpflichtigen 584

Dienstvertrag

§618 Anm. 11—13

Dienstherrn zugewiesene andere Stelle aus eigener Schuld wieder verliert; der adäquate Ursachenzusammenhang mit der ursprünglich schädigenden Handlung wird dadurch nicht ausgeschlossen (RAG A r b R S 27, 232, R G 160, 119). Unter welchen Voraussetzungen sich eine Witwe Beträge anrechnen lassen muß, die sie nach dem Tode ihres Mannes erworben hat, darüber s. § 844 Anm. 6 c.

Anm. 11 d) B e w e i s l a s t . Der Beweis, daß der Dienstberechtigte seine Verpflichtungen nicht erfüllt und dadurch einen Schaden verursacht habe, liegt an sich dem D i e n s t p f l i c h t i g e n ob. Steht aber fest, daß vor dem Unfall des Dienstpflichtigen ein ordnungswidriger, gefahrdrohender und zur Herbeiführung des Unfalls geeigneter Zustand vorhanden war, dann ergibt sich der Schluß auf die Ursächlichkeit des Zustandes für den Unfall von selbst, und der D i e n s t b e r e c h t i g t e muß nicht nur nachweisen, daß er und seine Hilfspersonen alles getan haben, was bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§§ 276, 278) zur Beseitigung der Gefahr geschehen mußte, sondern (über die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins hinaus) regelmäßig auch, daß besondere Umstände eine andere Ursache des Unfalls erkennen lassen und damit die vom Dienstverpflichteten zunächst dargelegten Mängel als Ursache oder Mitursache ausschließen (RG 95, 104; 138, 37; R A G ArbRS 24, 169; 26, 133; 28, 109; 30, 2 3 1 ; 44, 272). Wird ein ordnungswidriger Zustand der bezeichneten Art durch einen besonderen, nicht ohne weiteres in der Natur der Dienstleistung begründeten Umstand geschaffen, so bleibt dem klagenden Dienstverpflichteten die volle Beweispflicht für den ursächlichen Verlauf und das Verschulden des Dienstberechtigten (RAG A r b R S 26, 124). Vgl. zur Frage der Beweislast auch R G Gruchot 62, 616 (Ansteckung eines Hausgehilfen durch die Dienstherrschaft). Hat eine Dienstwohnung Mängel, die nach dem natürlichen Lauf der Dinge geeignet sind, gewisse (tatsächlich eingetretene) Krankheiten hervorzurufen oder zu fördern, dann ist es Sache des Dienstberechtigten, besondere Umstände nachzuweisen, die nicht nur selbst Krankheitsursache sein können, sondern auch jene Mängel als Ursache oder Mitursache ausschließen (RG 95, 103). Das gleiche gilt bei Erkrankungen, die der Dienstpflichtige auf Mängel der Arbeitsstätte zurückführt (RG J W 1922, 485«).

Anm. 12 e) V e r j ä h r u n g der Schadensersatzansprüche aus § 6 1 8 nach 30 Jahren, nicht gemäß § 196, Z. 8 u. 9 BGB (RAG A r b R S 33, 61). Ansprüche auf Schmerzensgeld verjähren dagegen gemäß § 852 in 3 Jahren, da sie nur bei unerlaubter Handlung geltend gemacht werden können.

Anm. 13 8. Bedeutung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung. Die Bestimmungen des § 6 1 8 haben allerdings volle Bedeutung nur noch für selbständig Tätige (vgl. Vorbem. 2), für die Arbeitnehmer nur im Falle des § 898 R V O , d. h. wenn der Unternehmer den Unfall vorsätzlich herbeigeführt und dies strafrechtlich festgestellt ist, und ferner auch wenn die Beschädigung kein Unfall i. S. der §§ 537—544 R V O ist und durch die mangelhaften Einrichtungen allmählich eine Beschädigung der Gesundheit eingetreten ist, die keine Berufskrankheit i. S. des § 545 R V O ist. Sonst ist

die Ersatzpflicht nach RVO§§ 898—907, 1042, 161, 1219 zunächst insofern be-

s c h r ä n k t als die versicherten Personen und deren Hinterbliebene, auch wenn sie keinen Anspruch auf Rente haben (RAG D R 44, 783), einen Anspruch auf Ersatz des infolge eines Unfalls erlittenen Schadens gegen den Unternehmer, deren Bevollmächtigte (RG 136, 346) oder Repräsentanten, Betriebs- oder Arbeiteraufseher n u r z u d e m d i e E n t s c h ä d i g u n g aus d e r U n f a l l v e r s i c h e r u n g ü b e r s t e i g e n d e n B e t r a g e u n d n u r d a n n geltend machen können, w e n n d u r c h s t r a f g e r i c h t l i c h e s U r t e i l f e s t g e s t e l l t i s t , d a ß d e r in A n s p r u c h G e n o m m e n e den U n f a l l v o r s ä t z l i c h herbeigeführt hat oder wenn wegen des Todes, Abwesenheit oder wegen einer Amnestie (a. M. R A G ArbRS 29, 25) kein strafrechtliches Urteil ergeht. Dies gilt auch für den Unternehmer, in dessen Betrieb von einem anderen Unternehmer gestellte Arbeiter eingegliedert sind, 38'

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§ 618 Anm. 14, 15

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

nicht dagegen, wenn sie für ihren A G in dem fremden Betrieb Arbeiten ausführen (vgl. RG 170, 216; 172, 1 0 1 ; BGH 8, 330, 21, 114). Der Ausschluß der Unternehmerhaftung gilt nicht nur für Schadensersatzansprüche (Schmerzensgeld § 847, Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG, R G 167, 390) aus unerlaubter Handlung, sondern auch aus §618 und sonstigen Verstößen gegen die Fürsorgepflicht (RAG ArbRS 36, 423). Sie erstreckt sich auch auf Ersatzansprüche bezüglich des Schadens, den der Verletzte dadurch erleidet, daß er eine andere berufliche Beschäftigung als die im versicherten Betriebe nicht oder nur im beschränkten Umfang auszuüben vermag (ArbRS 33, 69 [LAG]). Zu § 898 s. R G WarnRspr 1934 Nr. 949; 1935 Nr. 1 5 1 5 ; ferner RG J W 1937, 2366 18 (Anwendung bei Berufskrankheiten); ArbRS 34, 229; 45,41 (Begriff des „Betriebsaufsehers"). Die Anwendung des §898 schließt die Ausgleichungspflicht eines Unternehmers gegenüber einem Besteller nicht aus bezüglich eines Schadens, an dessen Entstehung beide Schuld tragen; insbesondere kann trotz § 898 der Unternehmer für die Erfüllung der ihm nach § 618 seinen Arbeitern gegenüber obliegenden Pflichten dem Besteller verantwortlich sein (RG 157, 282). Zur Frage der Haftung des Unternehmers bei Betriebsunfällen s. auch Vorbem. 20. Die aus § 898 sich ergebende allgemeine Regel der Haftbefreiung des Betriebsunternehmers ist auch auf j u r i s t i s c h e P e r s o n e n anzuwenden (RG 167, 390); die vorsätzliche Verursachung eines Betriebsunfalles durch ihre gesetzlichen Vertreter ist aber gegen sie nicht dem Verschulden einer natürlichen Person gleichzustellen; die Haftung einer juristischen Person (offen gelassen in RG 71, 5) ist vielmehr auch bei strafgerichtlicher Verurteilung ihrer Vertreter zu verneinen (RAG ArbRS 25, 247; a. M. Schnorr von Carolsfeld DArbR 1936, 98; s. auch D J Z 1936, 585). Uber Ausschluß der Haftung eines den Unfall verursachenden Arbeitnehmers vgl. BAG 5, 1 (GrS.). Anm. 14 Ist der Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr, nicht aber im Werkverkehr, eingetreten, so können Ersatzansprüche gegen Arbeitgeber auch dann erhoben werden, wenn sie nach §§ 898, 899 R V O bisher ausgeschlossen waren, s. Ges. ü b e r die e r w e i t e r t e Z u l a s s u n g v o n S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e n bei Dienst- und Arbeitsunfällen v. 7. 12. 1943 (RGBl. 674). Das trifft auch bei Unfällen auf dem Wege von und zur Arbeitsstelle zu, vgl. BGH 8, 330; 19, 1 1 4 ; Betrieb 56, 1 1 1 2 . Anm. 15 Nach § 1542 RVO geht, was von Amts wegen zu berücksichtigen ist (RG SeuffArch. 88 Nr. 150), soweit die nach diesem Gesetze Versicherten oder ihre Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz eines Schadens beanspruchen können, der ihnen durch Krankheit, Unfall, Invalidität oder durch den Tod des Ernährers erwachsen ist, der Anspruch auf die T r ä g e r der Versicherung insoweit über, als sie den Entschädigungsberechtigten nach der R V O Leistungen zu gewähren haben. Jedoch gilt dies bei den gegen Unfall Versicherten und ihren Hinterbliebenen nur insoweit, als es sich nicht um einen Anspruch gegen den Unternehmer oder die ihm Gleichgestellten (Bevollmächtigte usw.) oder einen Arbeitskollegen (BAG GrS. 5, 1) handelt. Der Entschädigungsberechtigte kann danach nur den Mehrbetrag seines Schadens gegen den Dienstherrn geltend machen; so für den Fall einer Invalidenrente im Gegensatz zur Unfallrente R G 102, 1 3 1 . Der völlige oder auch nur teilweise Ubergang des Schaderisersatzanspruchs auf den Versicherungsträger muß im Verfahren über den Grund des Anspruchs erörtert und entschieden werden (RG J W 1937, 1155 1 2 ). Bemessung des Anspruchs des Versicherungsträgers und des dem Verletzten bleibenden Anspruchs, wenn dem letzteren wegen eigenen Verschuldens nur ein Anspruch auf Ersatz der Hälfte seines Schadens zusteht, sowie Einfluß der Verjährung des eigenen Anspruchs des Verletzten auf den Ersatzanspruch des Versicherungsträgers s. RG 148, 19; RG H R R 1933 Nr. 1508; R G J W 1934, 899®. Ausgleichspflicht gegenüber dem Anspruch aus § 1542 s. RG 148, 137. Zeitpunkt des Uberganges des Schadensersatzanspruches auf den Versicherungsträger s. RG 148,19; 152, 1 1 5 ; 156, 347. Der Rechtsübergang nach § 1542 R V O findet nur statt, wenn und soweit der Versicherungsträger für die fragliche Z e i t und auf die in Rede stehende S c h a d e n s a r t Leistungen 586

§ 6 1 8 A n m . 16 § § 6 1 9 , 620

Dienstvertrag

gemacht hat ( R G 148, 22f.; R G J W 1937, 2366; s. auch J W 1936, 2560; 1937, 2370; 1938, 1661; DJ 1938, 45). Zur Frage, ob der Berufsgenossenschaft entgegengehalten werden kann, daß der Verletzte die für ihn günstige Entscheidung im Verfahren nach der R V O erschlichen habe, s. R G 156, 347. Dem Rückgriffsanspruch einer Berufsgenossenschaft nach § 1542 kann im Hinblick auf § 898 R V O nicht der Einwand entgegengesetzt werden, daß der ihr angehörende Betriebsunternehmer den Unfall fahrlässig mitverursacht habe ( R G 153, 38 gegen R G 134, 293; 152, 46; H R R 1935 Nr. 202). Uber die B i n d u n g d e s o r d e n t l i c h e n R i c h t e r s an die Entscheidung der Versicherungsbehörden und über die A u s s e t z u n g des g e r i c h t l i c h e n V e r f a h r e n s bis zu solcher Entscheidung s. R V O §§901, 1543 sowie R G 136, 346; 145, 31 (34f.); R A G A r b R S 27, 1 1 7 ; 31, 31; 35, 325. — Entsprechende Vorschriften im Angestelltenversicherungsgesetz. A n m . 16 9. Neben den auf dem Vertrage beruhenden können auch weitergehende außervertragliche Ansprüche, insbesondere wegen unerlaubter Handlung im Sinne der §§ 823 ff., begründet sein, wie z. B. der Anspruch des Hausgehilfen gegen den Dienstherrn als Tierhalter nach §833 ( R G 50, 249; vgl. auch 58, 410), der Anspruch des Lehrers nach § 823 wegen ordnungswidrigen Zustandes der Dienstwohnung, in der die Gemeinde im Hinblicke auf die dienstlichen Beziehungen zwischen Lehrer, Schülern und deren Eltern einen Verkehr eröffnet hat ( R G WarnRspr. ig 12 Nr. 250). Wie in der neueren Rechtsprechung anerkannt ist, kann eine Schadensersatzpflicht nach § 823 aber auch dann gegeben sein, wenn es sich um Örtlichkeiten handelt, an denen ein mehr oder weniger allgemeiner Verkehr nicht eröffnet ist ( R G 88, 433; 89, 385).

§619 Die dem Dienstberechtigten nach den§§ 617, 618 obliegenden Verpflichtungen können nicht im voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. E I I 558 A b s . 2 III 610; P a 290. 293.

Durch diese z w i n g e n d e Vorschrift wird verhindert, daß der Dienstverpflichtete auf Geltendmachung des ihm nach §§§ 617, 618 eingeräumten Rechtes auf Schutz gegen Gefahren für Leben oder Gesundheit i m v o r a u s , d. h. vor Eintritt des Schadens, durch Vertrag ganz oder zum Teil rechtsgültig verzichtet; wenn Ersatzansprüche bereits entstanden sind, kann darauf (auch vor Beendigung des Dienstverhältnisses) nach allgemeinen Grundsätzen verzichtet werden (KomBm. 1976). Der § 6 1 9 gilt auch bei entsprechender Anwendung des § 6 1 8 bei Werkverträgen und Aufträgen mit dienst vertragsähnlichen Leistungen B G H 16, 265. §

6 3 0

Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen ist. Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen. E I 363 II 339; M l

464; P a

295.

Ubersicht I. E n d i g u n g des D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s d u r c h 1. Allgemeines 2. Lebens- und Dauerstellung 3 . K e t t e n Verträge

4. Probedienstverhältnis

Zeitablauf

Aäm.

I. 2

3 4 5

587

§ 620

Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm.

II. E n d i g u n g d u r c h K ü n d i g u n g 1. Form und Inhalt der Kündigung 2. Angabe der Kündigungsgründe 3. Nichtigkeit der Kündigung III. K ü n d i g u n g s s c h u t z im A r b e i t s v e r h ä l t n i s 1. Allgemeines 2. Bei Betriebsratsmitgliedern 3. Bei Massenentlassungen 4. Bei älteren Angestellten 5. Schwerbeschädigte 6. Mutterschutz 7. Wehrmachtsangehörige IV. Besondere Fälle

7 8 9. 10 11—13 14 15 16 17. 18 ig 20 21

I. Endigung des Dienstverhältnisses durch Zeitablauf Anm. 1 Die Zeitdauer eines Dienstverhältnisses kann nicht nur durch ausdrückliche Vereinbarung über Ende an einem kalendermäßigen Zeitpunkt, für eine genau festgelegte Zeit, mit Eintritt eines bestimmten Ereignisses, sondern auch durch den Zweck und die Beschaffenheit der zu leistenden Arbeit (Abs. 2) bestimmt sein, so daß, abgesehen von §§ 626, 627, z. B. vor Ablieferung einer gewissen nach Stücklohn zu berechnenden Arbeit, keine Endigung des Dienstverhältnisses eintreten kann. Soll die Dauer des Dienstverhältnisses im Sinne des Abs. 2 dem Zweck der D i e n s t e zu entnehmen sein, so muß die Erreichung des Vertragszweckes unzweifelhaft in die Erscheinung treten, so daß sie von beiden Vertragsteilen ohne umständliche Ermittlungen mit den Sinnen wahrgenommen und somit nach objektivem Maßstab bestimmt werden kann (RG 130, 284). Das trifft zu bei Annahme des Dienstverpflichteten für eine bestimmte Baustelle bis zur Fertigstellung des Baus (RAG ArbRS 2, 171), für die Einrichtung einer Kartei (RAG ArbRS 7, 418), bis zur Auflösung des vom Dienstverpflichteten zu verwaltenden Lagers einer Genossenschaft (RAG ArbRS 31, 207), für die Ausführung genau umgrenzter Lieferungsverträge (RAG ArbR 1 1 , 3 4 5 ; 13, 10; 14,415; L A G Hamm A P 53) 217); dagegen nicht bei Übertragung der Verwaltung eines illiquid gewordenen Unternehmens bis zur Wiederherstellung klarer und geordneter Verhältnisse (RG 130, 284) oder solange Arbeit vorhanden ist (AP 52 Nr. 60). Vgl. auch R A G ArbRS 13, 10 (Einstellung nach Maßgabe des dienstlichen Bedürfnisses) und L A G Düsseldorf AP 51 Nr. 76 für die Dauer eines Bewachungsauftrages. Ein Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit kann a u c h mit der M a ß g a b e eingegangen werden, daß der Z e i t p u n k t , in dem der V e r t r a g s z w e c k e r r e i c h t ist, v o m A r b e i t g e b e r b e s t i m m t w i r d , jedoch hat der A G kraft seiner Fürsorgepflicht den AN angemessene Zeit vorher davon zu benachrichtigen (RAG ArbRS 17, 113; 31, 210). Diese Benachrichtigung ist aber keine Kündigung (LAG Hamm AP 53 Nr. 7). Zur Frage der Umwandlung eines Dauerdienstverhältnisses in ein befristetes s. R A G ArbRS 13, 48; 15, 282. Ein in der Schwebe befindliches Dienstverhältnis derart, daß es jederzeit von jeder Partei durch ihre Erklärung beendet werden kann, kennt das Gesetz nicht; auch ein Aushilfedienstverhältnis wird entweder auf unbestimmte Dauer oder mit kalendermäßig oder nach Beschaffenheit oder Zweck bestimmtem Ende eingegangen (RAG ArbRS 1 4 , 5 1 5 ) . Uber die Auslegung eines Anstellungsvertrags, nach dem die Verlängerung des Dienstverhältnisses davon abhängen soll, daß das Geschäft mit einer aktiven Bilanz abschließt, s. R G J W 1920, 638®. Uber Bühnendienstverträge als befristete Verträge vgl. Hurst R D A 52, 455 AP 53 Nr. 268. — Ist ein Dienstverhältnis auf bestimmte Dauer mit der Abrede eingegangen, daß es nur bei ausdrücklicher Kündigung sein Ende erreichen, mangels einer Kündigung aber sich von selbst fortsetzen sollte, so hat die Festsetzung der bestimmten Dauer regelmäßig nur die Bedeutung, daß nicht zu einem früheren Termin soll gekündigt werden können (RAG ArbRS 7, 504). 588

Dienstvertrag

§620

Anm. 2—5 Anm. 2 Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn sie dem A N die tarifliche Unkündbarkeit oder den Kündigungsschutz des Mutterschutz- oder Schwerbeschädigtengesetzes nimmt, obwohl keine besonderen Gründe f ü r die Befristung gegeben sind. Das Arbeitsverhältnis gilt dann als auf unbestimmte Zeit geschlossen (BAG i, 136; 2. 6; Hueck Festschrift f ü r Apelt S. 697).

Anm. 3 2. Die Zusage einer Lebens- o d e r D a u e r s t e l l u n g hat keine bestimmte, für alle Fälle gleichbleibende Bedeutung. Der damit verbundene Sinn m u ß vielmehr aus den Vertragsabmachungen ermittelt werden. Es kann damit ein Ausschluß der Kündigung gewollt sein oder nur eine Beschränkung, sei es daß sie erst nach einer längeren Beschäftigungszeit, sei es bei Vorliegen besonders schwerwiegender Umstände oder nach längerer vorheriger Ankündigung erfolgen soll. Sie ist insbesonders bei der Prüfung gemäß § 1 I I KSchG von Bedeutung, kann unter Umständen einen Anspruch auf anderweite Unterbringung rechtfertigen (RG J W 1938, 1392; R A G A r b R S 5. 29;

28, 169, 332; 31, 78).

Anm. 4 3. Der Abschluß kurzfristiger Verträge und die wiederholte Erneuerung mit kurzer Frist, s o g . KettenVerträge, ist nicht grundsätzlich unzulässig. Die Befristung ist aber nicht nur dann unwirksam, wenn sie in der Absicht der Umgehung von Kündigungsschutzbestimmungen getroffen wird (so die frühere Rspr. des R A G ArbRS 32, 174 m. Nachw.), sondern schon dann, wenn sie mit dem im Kündigungsschutz gesetz den A N gewährten Bestandschutz nicht vereinbar ist, d. h. nicht ausreichende Gründe in den sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnissen gegeben sind, die einen verständigen AG dazu veranlassen, Arbeitsverträge auf bestimmte Zeit abzuschließen, z. B. begrenztes Bedürfnis für die Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskräfte, bei vorübergehender Steigerung der Nachfrage oder der einer Behörde übertragenen Arbeiten. Dagegen genügt die Frage einer nachlassenden Konjunktur oder haushaltsmäßige Beschränkungen nicht. Alsdann ist die Befristung unwirksam, das Dienstverhältnis endet nicht zu dem vorgesehenen Termin, sondern es bedarf einer Kündigung, so d a ß die Kündigungsschutzbestimmungen zur Wirkung kommen (BAG 1, 129. AP Nr. 7; 8, 14 zu § 1 KSchG Nr. 1 . 5 zu Befristete ArbVertr.).

Anm. 5 4. P r o b e d i e n s t v e r h ä l t n i s . Die Vereinbarung einer Probezeit erfolgt in der Regel, wenn der AG seine Entscheidung über die endgültige Einstellung in den Betrieb erst nach einer gewissen Bewährung treffen, sich also nicht endgültig binden will. Das kann nun in der Weise geschehen, d a ß das Probezeitverhältnis nur für eine bestimmte Zeit geschlossen wird, so d a ß es mit dem vorgesehenen Zeitpunkt ohne weiteres endet und es einer neuen Vereinbarung über die Fortsetzung bedarf. Alsdann wird, da dem AN Gelegenheit zur Bewährung gegeben werden soll, eine vorzeitige Lösung nur aus wichtigem Grunde zulässig sein, falls nicht eine Kündigung vor Ablauf der Probezeit vorgesehen ist. Meistens wird jedoch ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet und eine gewisse Zeit (Wochen oder Monate) als Probezeit bezeichnet. Es kann damit gemeint sein, d a ß das Dienstverhältnis abweichend von den regelmäßigen Kündigungsfristen jederzeit gekündigt werden kann, soweit nicht gesetzliche Mindestfristen (§ 67 H G B ) bestehen (RAG A r b R S 38, 305 B A G 1, 137, 248). Die Dauer der Probezeit unterliegt abgesehen bei Lehrlingen (§77 H G B , § 127b Gew., § 25 HandwV) der freien Vereinbarung, soweit nicht in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen gewisse Höchstdaner festgesetzt ist. Eine solche Beschränkung schließt aber eine darüber hinausgehende Begrenzung des Dienstverhältnisses nicht aus BAG 1, 136.

589

§ 620 A n m . 6, 7

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 6 Bei Endigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf findet das Kündigungsschutzgesetz ( B A G 2, 6) §§ 14fr. des Schwerbeschädigtengesetzes und § 9 des MutterschutzG ( L A G Hamm AP 53 Nr. 7) keine Anwendung, auch kommt eine Mitwirkung, sei es auch nur eine Anhörung des Betriebsrates gemäß BVG, nicht in Frage. II. Endigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung Anm. 7 1. F o r m u n d Inhalt. Die Kündigung ist die einseitige, empfangsbedürftige Willenskundgebung, die das Ende des Dienstverhältnisses herbeiführen soll. Hierbei muß nicht unbedingt das Wort Kündigung gebraucht werden ( B A G 3, 239; 4, 237), sondern es genügt, daß der Wille des Kündigenden, das Dienstverhältnis solle nicht mehr fortbestehen, bestimmt und unmißverständlich, sei es auch durch schlüssiges Verhalten z. B. Klageabweisungsantrag zum Ausdruck kommt, so daß bei dem Gekündigten keinerlei Ungewißheit über die Auflösung des Dienstverhältnisses und dessen Zeitpunkt aufkommen kann. U n k l a r h e i t e n gehen zu Lasten des Kündigenden, nehmen der Kündigungserklärung ihre Wirkung ( R A G ArbRS 18, 444; 35, 161 u. a.). Die Kündigung verträgt im allgemeinen keine B e d i n g u n g e n , es sei denn, daß es sich um gesetzliche Bedingungen handelt oder die Bedingung von dem Willen des Gekündigten abhängt, so die Erklärung, daß das Dienstverhältnis erlöschen soll, falls der Gekündigte sich nicht mit neuen oder anderen Arbeitsbedingungen einverstanden erklärt (sog. Ä n d e r u n g s k ü n d i g u n g ) . R A G ArbRS 6 , 1 7 1 ; 8,67; 16,288. Die Kündigung kann auch v o r s o r g l i c h erfolgen, wenn damit nur zum Ausdruck gebracht werden soll, daß der Kündigende sich vorbehält, nach Klärung gewisser Umstände die Kündigung zurückzunehmen oder über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu verhandeln ( R A G ArbRS 21, 166; 29, 248). Ob eine Kündigung schon v o r Beginn der vereinbarten Dienstleistungen erfolgen kann, ist strittig. R A G ArbRS 18, 257 hat dies verneint, während das Schrifttum überwiegend den gegenteiligen Standpunkt vertritt (vgl. Hueck, Lehrbuch I 501, Nikisch I 571). Das Dienstverhältnis kann nur einheitlich gekündigt werden, T e i l k ü n d i g u n g e n sind nicht zulässig. Sollen einzelne Vertragsbestimmungen geändert werden, so muß das Dienstverhältnis als ganzes gekündigt werden unter gleichzeitigem Angebot eines neuen Vertrages mit den geänderten Bestimmungen. Zulässig ist dagegen die K ü n d i g u n g einzelner innerhalb der Arbeitsverhältnisse getroffener s e l b s t ä n d i g e r A b r e d e n , z. B. über Akkorde, Tantiemen, Prämien, Sonderzulagen (Weihnachtsgratifikationen), Ruhegehaltsvereinbarungen u. dgl. ( R A G ArbRS 19, 77; 29, 352; B A G 5, 50). Die Kündigung bedarf im allgemeinen nicht der S c h r i f t f o r m . Ist durch Einzel- oder Gesamtvereinbarung eine schriftliche Kündigung vorgesehen, um übereilte, mündliche Kündigungen zu verhindern, so sind Kündigungen, die die Form nicht wahren, unwirksam ( R A G ArbRS 12, 147; 39, 52; B A G 5, 59). Soll die Schriftform nur Beweiszwecken dienen, namentlich hinsichtlich des Zeitpunktes, wie z.B. bei Klausel „mit eingeschriebenem Brief", so sind Kündigungen ohne diese Form nicht ohne Wirkung, wenn feststeht, daß der Empfänger sichere Kenntnis von der Kündigung erhalten hat ( R A G ArbRS 9, 45). In beiden Fällen sind mündliche Kündigungen wirksam, wenn der Empfänger mit dieser Form der Lösung des Dienstverhältnisses sich einverstanden erklärt. Kündigungen, auch die schriftlichen, wenn sie die gesamte Belegschaft oder einen Teil betreffen sollen, können durch A n s c h l a g oder Aushang erfolgen. Sie werden wirksam mit dem Tage des Aushangs und zwar für alle Arbeitnehmer, die an diesem Tage im Betrieb Dienst zu tun hatten, ohne Rücksicht darauf, ob sie von dem Anschlag Kenntnis genommen haben, bei erkrankten und beurlaubten AN an dem Tage, an dem sie von der allgemeinen Kündigung Kenntnis erhalten haben ( R A G ArbRS 2, 202). Bei Einzelkündigungen wird der Anschlag dagegen nur der Unterrichtung der übrigen Belegschaft dienen, daneben noch eine besondere Erklärung gegenüber den einzelnen AN zu fordern sein, falls sie nicht in der Arbeitsordnung (Betriebsvereinbarung) ausdrücklich zugelassen ist ( B A G Hamm A P 53, 2 1 3 ; vgl. auch B A G AP Nr. 6 zu § § 6 1 1 Lohnanspruch).

590

Dienstvertrag

§620

Anm. 8, 9

Anm. 8 2. A n g a b e des K ü n d i g u n g s g r u n d e s ist ebenso wie bei Miet- oder Gesellschaftsverhältnissen auch beim Dienstverhältnis der selbständig Tätigen und der A N grundsätzlich nicht erforderlich. Sie ist nicht etwa Wirksamkeitsvoraussetzung in dem Sinne, daß eine ohnedem ausgesprochene Kündigung keine rechtliche Bedeutung habe (h. M . B A G 2, 245 u. a.). Indessen kann die Angabe beim Dienstverhältnis das B G B nach T r e u und Glauben im Interesse des anderen Teiles geboten sein mit der Folge, daß eine Verweigerung der Angabe dem (zu Unrecht) Gekündigten Grund zur eigenen Kündigung und zu Schadensersatzansprüchen nach § 628 geben kann. Dasselbe gilt auch mit Rücksicht auf die gegenseitige Treupflicht für die dem Kündigungsschutz nicht unterworfenen A N insbesondere die leitenden Angestellten. Soweit für A N des K S c h G gilt, ergibt sich mittelbar eine Verpflichtung zur Angabe von Gründen für den A G daraus, daß eine Kündigung ohne Vorliegen von Gründen stets als sozial ungerechtfertigt i. S. des § 1 I. I I anzusehen ist. Auch eine solche Kündigung wird aber wirksam, wenn der A N nicht gemäß § § 3 , 1 1 rechtzeitig Klage erhebt. Der A N kann also nach Ablauf der Frist sich nicht etwa darauf berufen, daß eine rechtswirksame Kündigung wegen Fehlens der Angabe von Gründen nicht erfolgt sei. Ebenso muß der A G eine einmal ausgesprochene Kündigung, selbst wenn keine Gründe angegeben waren, gegen sich gelten lassen. Auch kann der A G , der die Voraussetzungen des § 1 I I beweisen muß, im L a u f e des Rechtsstreites bis zum Ende der mündlichen Verhandlung n e u e K ü n d i g u n g s g r ü n d e nachbringen, wenn sie schon vor Ausspruch der Kündigung vorhanden waren. Später eingetretene Kündigungsgründe können dagegen die frühere Kündigung nicht rechtfertigen, sondern nur eine neue Kündigung ( B A G 3, 1 3 ; A P Nr. 1 1 zu § 626; Nr. 1 § 67 H G B ) . Auch für diese genügt es, wenn der Wille zur Lösung des Arbeitsverhältnisses deutlich erkennbar zum Ausdruck gekommen ist, wenn der A G also im Prozeß seinen Abweisungsantrag insbesondere auf diese neuen Kündigungsgründe stützt. Das Gericht hat dann zunächst über die Berechtigung der ersten Kündigung und bei Verneinung über die Berechtigung der zweiten Kündigung zu entscheiden und in — entsprechender — Anwendung des § 7 Abs. 2 den Zeitpunkt der Beendigung der Arbeitsverhältnisse anzugeben, falls es die zweite Kündigung — vielleicht unter Heranziehung der früheren Gründe für gerechtfertigt ansieht. Auch, daß eine ohne Anhörung der Betriebsvertretung § 66 I B V e r f G ausgesprochene Kündigung rechtskräftig nicht gerechtfertigt erklärt worden ist, hindert den Arbeitgeber nicht, die Kündigung zu wiederholen und sie auf vor der ersten Kündigung liegende Gründe zu stützen ( B G H 2, 90).

Anm. 9 3. Kündigungen, die ein gesetzliches Verbot (Art. 3 II, 5. 9. GG, BAG AP

Nr. 26 K S c h G § 1) o d e r die g u t e n Sitten verletzen, sind nach §§ 134, 138 nichtig ( R A G A r b R S 26, 1 2 5 ; 36, 39). Insbesondere ist nach § 138 Abs. 1 nichtig eine Kündigung, die nach Beweggrund und Zweck gegen die guten Sitten verstößt. Dazu genügt aber nicht, daß sie dem allgemeinen Billigkeitsgefühl nicht entspricht, sondern es müssen besondere Umstände hinzukommen, die die Kündigung als anstößig und mit den guten Sitten unvereinbar erscheinen lassen ( R A G A r b R S 26, 184). Das ist nicht schon der Fall, wenn ein berechtigter Grund nicht erkennbar ist, die Kündigung deshalb als ein Mißbrauch der Machtstellung, als willkürlich erscheint ( R A G A r b R S 40, 78); oder wenn sie zur Herabsetzung des bisherigen Lohnes erfolgt, es sei denn, daß dies im Hinblick auf das Mißverhältnis mit den Durchschnittslöhnen und auf die besonderen Verhältnisse des Dienstverpflichteten als eine Ausbeutung der Notlage anzusehen ist ( R A G A r b R S 30, 283). Auch jahrzehntelange Tätigkeit schließt die Kündigung nicht aus ( R A G A r b R S 4 1 , 320); ebenso nicht, daß der Dienstverpflichtete nach langjähriger Dienstzeit seine Arbeit wegen seines Alters oder infolge Erkrankung nicht mehr voll leisten kann, es sei denn, daß er seine K r ä f t e vorzeitig in dem Dienst verbraucht hat oder die Minderung seiner Arbeitsfähigkeit auf eine im Dienst sich zugezogene K r a n k heit zurückzuführen ist und der Dienstberechtigte bei gutem Willen ihn mit leichteren Arbeiten beschäftigen kann ( R A G A r b R S 26, 1 6 1 ; 3 6 , 4 0 ) . Nichtig ist dagegen eine Kündigung zur Vereitelung eines Ruhegehaltsanspruches ( R A G A r b R S 33, 186);

591

§ 620 Anm. 10, 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ebenso wenn sie nur erfolgt, weil der Tariflohn oder sonstige gesetzliche Ansprüche geltend gemacht werden. Anm. 10 Aus dem G r u n d s a t z e des § 242 läßt sich die Unwirksamkeit einer Kündigung für das nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilende Dienstverhältnis der selbständig Tätigen (vgl. Vorbem. 2) nicht herleiten. Denn das BGB kennt ebenso wenig einen Zwang zur Fortsetzung eines Vertrages über die vorgesehene Zeit hinaus, wie einen Zwang zur Eingehung eines Vertrages. Die Kündigungsfreiheit muß auch für das Dienstverhältnis gewahrt bleiben, soweit nicht durch Gesetz ausnahmsweise etwas anderes vorgesehen ist. Das ist aber nur für das Dienstverhältnis der unselbständigen Arbeiter, das sog. Arbeitsverhältnis geschehen. Indessen finden die Grundsätze über die unzulässige Rechtsausübung auch hier Anwendung. Unter Umständen, z. B. mit Rücksicht auf den Zweck des Vertrages oder einzelner Bestimmungen, der Aufgabe einer früheren Tätigkeit kann die Kündigung zeitweise versagt sein. III. Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Anm. 11 1 . In der Bundesrepublik ist die freie K ü n d i g u n g hinsichtlich des größten Teils der AN durch das Kündigungsschutzgesetz v. 10.8. 1951 (BGBl. I 499) beseitigt. Diese Beschränkung des Kündigungsrechts gilt nicht für Betriebe mit 5 oder weniger Beschäftigten (außer Lehrlingen § 21 I 2), für Arbeitnehmer unter 20 Jahre (§ 1 I) und für gesetzliche Vertreter und sonstige leitende Angestellte (§ 12). Für alle übrigen AN, sofern sie länger als 6 Monate in dem Betrieb oder Unternehmen beschäftigt waren, ist eine Kündigung — auch Änderungskündigung — nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist, d. h. wenn sie durch Gründe in der Person oder in dem Verhalten des AN oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist. Bei Kündigung aus betrieblichen Gründen muß die getroffene Auswahl sozial gerechtfertigt sein (vgl. § 1 III). Vor der Kündigung hat der AG nach § 66 BVerfG die Betriebsvertretung zu hören. Diese Anhörung ist zwar nicht Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG 1, 69, 80, 2, 87; 4, 307), hat aber der AG die Anhörung des Betriebsrates rechtswidrig, vorsätzlich und schuldhaft unterlassen, so kann er sich nicht mehr darauf berufen, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt sei, der Kündigungsschutzklage ist vielmehr stattzugeben (BAG 1, 70, 2, 88). Der AG kann aber die Kündigung nach Anhörung der Betriebsvertretung wiederholen und alsdann ist die soziale Berechtigung i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG zu prüfen. Die Gründe für die Entlassung sind vom AG zu beweisen. Die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung tritt freilich nur ein, wenn das Arbeitsgericht auf Grund einer vom AN binnen 3 Wochen zu erhebenden Klage feststellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Die Klage ist nicht davon abhängig, daß zuvor Einspruch bei der Betriebsvertretung eingelegt ist. Der AN kann aber den Betriebsrat anrufen und soll seiner Klage alsdann die Stellungnahme des Betriebsrates beifügen. Wird der Klage stattgegeben, so besteht das Arbeitsverhältnis fort, dem AN ist für die Zwischenzeit, auch wenn er keine Arbeit geleistet hat, sein Lohn zu zahlen, er muß sich jedoch anderweiten Verdienst anrechnen lassen oder was er durch eine zumutbare Arbeit hätte verdienen können (vgl. dazu § 615 Anm. 3. 4, da trotz etwas anderem Wortlaut sachlich beide Bestimmungen im wesentlichen übereinstimmen), weiter auch die Beträge, die er aus Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung und öffentlicher Fürsorge erhält, da diese Beträge von dem AG den betreffenden Stellen zu erstatten sind (§ 9c S. 2). Auf Antrag des AN und des AG kann aber, selbst wenn die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist, das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufgelöst werden, falls dem AN die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist oder ein dem Betriebszweck dienliches, weiteres Zusammenarbeiten nicht zu erwarten ist. Alsdann ist dem AN eine Entschädigung bis zum Zwölffachen seines Monatsverdienstes zuzusprechen. Diese Entschädigung ist kein Lohn oder sonstiger Dienstbezug i. S. der Lohnschutzbestimmungen (§ 850 h ZPO, K O § 61, § 394 BGB R A G ArbSR 421; Hu eck KSchG § 8 Anm. 7), aber eine Abfindung i. S. des § 11 592

Dienstvertrag

§620

Anm. 12—14 3 I Nr. 2 A V A V G , die auf die Arbeitslosenunterstützung anzurechnen ist (BSozGAP Nr. 3 zu § 7 KSchG) dem Arbeitsamt vom A G zu erstatten ist, der wiederum damit aufrechnen kann. Der A N ist insoweit nicht mehr aktiv legitimiert, da sein Anspruch insoweit auf das Arbeitsamt kraft Gesetzes übergegangen ist (RAG ArbRS 5, 59). Hat der AN inzwischen anderweite Arbeit gefunden, so kann er binnen 1 Woche nach Rechtskraft des Urteils die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verweigern. Mit dem Zugang seiner Erklärung beim A G erlischt das Arbeitsverhältnis und ist ihm Lohn nur für die Zeit seit der Entlassung bis zur Aufnahme der Arbeit zu zahlen (§ 10). Das Recht zur f r i s t l o s e n E n t l a s s u n g aus wichtigem Grunde besteht weiter fort, auch hier muß aber der AN binnen 3 Wochen Klage erheben, anderenfalls die Entlassung von Anfang an rechtswirksam ist. Stellt das Gericht die Unbegründetheit der fristlosen Kündigung fest, so kann es auf Antrag das Arbeitsverhältnis unter gleichzeitiger Zubilligung einer Entschädigung auflösen. Die fristlose Entlassung gilt im Zweifel nicht als Kündigung für den nächstzulässigen Termin (BAG 1, gg), dagegen kann der A G die Auflösung durch Urteil gegen Zahlung einer Abfidung nicht verlangen (§ 11 I, II). Anm. 12 Die Bestimmung des Kündigungsschutzgesetzes findet keine Anwendung, wenn der Arbeitsvertrag gemäß §§ 11g, 123 BGB angefochten wird — denn wenn auch diese Anfechtung keine rückwirkende Kraft hat, so hat sie doch eine andere Funktion wie die Kündigung, sie kann deshalb nicht dieser gleichgestellt werden (BAG 5, 15g). Anm. 12a Neben der Sozialwidrigkeit kann der AN aber auch noch die N i c h t i g k e i t der K ü n d i g u n g aus den allgemeinen Gründen, Verstoß gegen Gesetz und Tarifvertrag, aus Form- und Willensmängeln (Irrtum, Täuschung, Drohung) mangelnde Geschäftsfähigkeit, geltend machen. Insbesondere wie früher neben der Einspruchs- und Widerrufsklage auch die Sittenwidrigkeit der Kündigung. Wie aus § 7 I 3 hervorgeht, ist allerdings eine offensichtlich willkürliche oder aus nichtigen Gründen unter Mißbrauch der Machtstellung erfolgte Kündigung nur als sozialwidrig anzusehen. Es müssen also andere besondere Umstände als die Willkür oder die Nichtangabe von Gründen die Kündigung als verwerflich erscheinen lassen (RAG ArbRS 26, 136; 40, 78); an die Sittenwidrigkeit sind aber strenge Anforderungen zu stellen (h. M.). Die Nichtigkeit braucht nicht innerhalb der Frist des § 3 und zusammen mit der Klage wegen Sozialwidrigkeit erhoben zu werden. Erhebt der AN aber innerhalb 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit, so stehen ihm dieselben Rechte wie bei einer Klage wegen Sozialwidrigkeit zu, er kann also insbesondere auch die Auflösung und Entschädigung verlangen; das aber nicht bei Nichtigkeit aus anderen Gründen (§ 11 III. IV). Anm. 13 Für die dem G e s e t z nicht u n t e r w o r f e n e n A r b e i t n e h m e r in kleinen Betrieben, unter 18 Jahren und innerhalb der ersten 6 Monate der Beschäftigung, für leitende Angestellte, sowie bei Arbeitskämpfen besteht das freie Kündigungsrecht weiter. Sie können, ohne an die Dreiwochenfrist der §§3. 11 KSchG gebunden zu sein (BAG i, 273, 279) die Nichtigkeit der Kündigung nach §§ 134, 138 BGB geltend machen, indessen kann bei ihnen unter besonderen Umständen eine willkürliche, aus nichtigen Gründen unter Mißbrauch der Machtstellung ausgesprochene Kündigung als sittenwidrig angesehen sein, da die Einschränkung in dieser Hinsicht aus § 7 I 3 nicht in Frage kommt. Dagegen kann ebenso wie bei den selbständig Tätigen eine Unzulässigkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit weder aus § 242 BGB noch aus der Treu- und Fürsorgepflicht hergeleitet werden, dagegen ist der Einwand des Rechtsmißbrauches (vgl. Anm. 12 a) ebenfalls gegeben (vgl.Hueck KSchGes. Einl. S. 27; N i k i s c h I 575; B ö t t c h e r R d A 4gsi, 433; a. M. H e r s c h e l - S c h e l p § 1 Anm. 5 KSchG). Anm. 14 2. Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes (nicht Wahlkandidat oder Ersatzmitglied, solange er das Amt nicht ausübt, st. Rsp. RAG ArbRS 17, 281) ist während 593

§ 620 Anm. 15, 16

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

der Dauer des Amtes nur zulässig, wenn nach dem Gesetz (nicht nach Vertrag) ein Grund zur fristlosen Lösung des Arbeitsverhältnisses gegeben ist (§ 13). Eine schon vor Antritt des Amtes ausgesprochene Kündigung behält ihre Gültigkeit, auch wenn die Kündigungsfrist erst danach abläuft (RAG ArbRS 8, 401), eine vor Ablauf des Amtes ausgesprochene Kündigung bleibt unwirksam, auch wenn die Kündigungsfrist erst nach dem Ende des Amtes abläuft (RAG ArbRS 14, 56); es bedarf einer neuen Kündigung oder einer dahin zu deutenden Erklärung nach Beendigung des Amtes, von der an auch dann erst die Kündigungsfrist läuft (RAG ArbRS 15,212). Für die fristlose K ü n d i g u n g sind neben § 626 BGB die Sonderbestimmungen der §§ 70 HGB, 123 ff., i33bff. GewO, §§ 88dff. PrA BG §§ 20, 25 BinnSchG 70, 76 SeemannsG (70,76) maßgebend. Für Betriebsratsmitglieder gilt § 124 a GewO (BAG 1, 185; 2, 139). Amtspflichtverletzungen können aber eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen (RAG ArbRS 33, 85; 34, 282; BAG 1, 185). Bei Betriebsstillegung darf das Betriebsratsmitglied mangels zwingender Gründe erst zum Zeitpunkt der Stillegung des Betriebes gekündigt werden, bei T e i l s t i l l e g u n g ist er möglichst in eine andere Abteilung zu übernehmen (§ 13). Auch das Betriebsratsmitglied muß bei fristloser Kündigung binnen 3 Wochen Klage erheben, anderenfalls sie gemäß § 11 I wirksam wird. Dagegen ist die fristgemäße Kündigung schlechthin unwirksam, einer gerichtlichen Feststellung bedarf es dazu nicht. Eine dahingehende Klage, auch auf Grund des § 13 II KSchG ist aber an die Dreiwochenfrist nicht gebunden BAG 3, 341. Wird die Unwirksamkeit einer Kündigung festgestellt, so kann auch das Betriebsratsmitglied die Weiterarbeit ablehnen, falls es in der Zwischenzeit eine andere Arbeit gefunden hat, und den entgangenen Verdienst von der Kündigung bis zu der anderweiten Aufnahme von Arbeit verlangen. Auch Änderungskündigungen sind grundsätzlich nicht zulässig (BAG AP Nr. 10 KSchG u. Anm.). Anm. 15 3. Kündigungsschutz bei Massenentlassungen. §§ 15 ff. dienen nicht dem Schutz der einzelnen AN; ist kein Schutzgesetz i. S. des § 823 II, sondern sollen zwecks Einschränkung von Arbeitslosigkeit übereilte Massenentlassungen verhindern, indem sie zunächst einmal hinausgeschoben werden. Der Unternehmer hat nämlich bei beabsichtigten Entlassungen eines bestimmten Teiles seiner Belegschaft (vgl. § 15 I) neben der Rücksprache mit der Betriebsvertretung gemäß § 66 BVG dem Arbeitsamt Anzeige zu erstatten. Innerhalb eines Monats, auf besondere Anordnung des Landesarbeitsamtes von 2 Monaten, sind Entlassungen nur mit Zustimmung des Landesarbeitsamtes zulässig, erfolgen sie nicht innerhalb eines Monatse nach Ablauf der Frist, so bedarf es einer neuen Anzeige (§ 16). Kann der AG seine AN nicht bis zum Ablauf der Sperrfrist voll beschäftigen, so kann er mit Zustimmung des Landesarbeitsamtes Kurzarbeit einführen und nach Ablauf der gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfrist den Lohn dementsprechend kürzen. Vor oder während der Sperrfrist ausgesprochene Kündigungen werden mit Ablauf der Sperrfrist wirksam, soweit nicht die Kündigungsfrist erst später abläuft (RAG ArbRS 12, 27). Nach Ablauf der Sperrfrist können Entlassungen unbeschränkt erfolgen, es greifen dann aber die allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen ein. Das Recht der fristlosen Entlassung bleibt unberührt. In Westberlin gilt das Kündigungsschutzgesetz v. 20. 5. 1950 (VOB1. 173), das in den Grundzügen mit dem Bundesgesetz übereinstimmt, nur in der Durchführung in einiger Hinsicht abweicht, s. auch § 66 BVG. Anm. 16 4. Einen Kündigungsschutz für ältere Angestellte brachte das K ü n d i g u n g s schutzgesetz v. 9. 7. 1926 (RGBl. I, 399). Entsprechend seinem sozialpolitischen Zweck, der Notlage der älteren Angestellten nach Möglichkeit zu steuern, erweiterte es den aus dem HGB und der GewO sich ergebenden Schutz, indem es seinen Schutz unabhängig von der Höhe des Jahresverdienstes eintreten ließ, an die Stelle der bisherigen gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfristen weitergehende Mindestfristen setzte und bestimmte, daß der AG nur noch für den Schluß eines Kalendervierteljahres kündigen darf. Das Gesetz, das auch im Falle des Konkurses Anwendung findet (RAG ArbRS 7, 156; 15, 507), gilt f ü r Angestellte, die nach § 1 594

Dienstvertrag

§620

A n m . 16

V e r s i c h G f . A n g e s t e l l t e v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g sind (dazu R A G ArbRS 7, 401; 13, 3 1 1 ; 23, 1 1 6 ; 36, 260) oder sein würden, wenn ihr J a h r e s a r b e i t s v e r d i e n s t die G e h a l t s g r e n z e n a c h § 3 des Ges. n i c h t ü b e r s t i e g e , und bestimmt, daß ein AG, der in der Regel mehr als zwei Angestellte ausschließlich der Lehrlinge beschäftigt (Bestimmung des Regelstandes der Beschäftigung s. R A G ArbRS 18, 364), einem A n g e s t e l l t e n , den er oder er und seine R e c h t s v o r g ä n g e r mindestens f ü n f J a h r e b e s c h ä f t i g t haben, nur mit mindestens drei M o n a t e n F r i s t für den S c h l u ß eines K a l e n d e r v i e r t e l j a h r e s kündigen kann. Bei l ä n g e r e r B e s c h ä f tigung treten weitere V e r l ä n g e r u n g e n der K ü n d i g u n g s f r i s t ein. Die verlängerte Kündigungsfrist gilt immer nur für K ü n d i g u n g e n durch den AG (Kündigung durch den Konkursverwalter s. R A G ArbRS 32, 289); der Angestellte kann in den nach Vertrag oder Gesetz ihm zustehenden kürzeren Fristen kündigen. Die Bestimmungen über fristlose K ü n d i g u n g e n , gleichviel von welcher Seite sie ausgehen, bleiben u n b e r ü h r t . Maßgebend für die Angestellteneigenschaft eines Arbeitnehmers ist nicht seine Behandlung, Entlohnung oder auch Bezeichnung, sondern die Art der Tätigkeit, zu der er angestellt ist (RAG ArbRS 7, 108). Die Angestellteneigenschaft geht auch nicht schon dadurch verloren, daß der Angestellte mangels einer ihm an sich zukommenden vollwertigen Angestelltentätigkeit tatsächlich längere Zeit Dienste eines Arbeiters verrichtet (RAG ArbRS 10,561). Zu den Angestellten gehören: Musiker eines Lichtspieltheaters (RAG ArbRS 11, 489); Schlafwagenschaffner (RAG ArbRS 11, 189); j e nach den Bedingungen ihres Dienstvertrags auch Knappschaftsärzte (RAG ArbRS 31, 205); nicht Werksfeuerwehrleute und Straßenbahnführer und -Schaffner (RAG ArbRS 34, 233). Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzes auf Nebenbeschäftigungen s. R A G WarnRspr. 1932 Nr. 90; H R R 1932 Nr. 532, 533. Der Begriff der Rechtsnachfolge auf Seite des Arbeitgebers ist nicht in dem strengen Sinne zu verstehen, daß er nur die Fälle eines abgeleiteten Erwerbes von Rechten umfaßt; vielmehr ist der Betrieb als solcher in seiner besonderen technisch-wirtschaftlichen Zielsetzung ins Auge zu fassen, und es ist zu fragen, ob der Betrieb ohne wesentliche Änderung seines Geschäftszweckes fortgeführt wird (RAG ArbRS 23, 127; 24, 9; 30, 285). M a ß g e b e n d für das E i n g r e i f e n des K ü n d i g u n g s s c h u t z e s ist der Zeitpunkt, in dem die K ü n d i g u n g e r k l ä r t wird, n i c h t der T e r m i n , zu dem sie erfolgt (RAG ArbRS 1, 103; 2, 247). Daß der im Staatsdienst Angestellte während der maßgebenden Zeit bei verschiedenen Dienststellen im Bereiche verschiedener Ministerien beschäftigt war, steht der Anwendung des Gesetzes nicht im Wege; es handelt sich um den gleichen AG (RAG ArbRS 14, 563). Der Kündigungsschutz gilt auch für solche Kündigungen, die nur zu dem Zwecke ausgesprochen werden, um eine Änderung der Vertragsbedingungen herbeizuführen (RAG ArbRS 3, 24). Die Beschäftigungsdauer, von der der Kündigungsschutz abhängt, braucht nicht in ununterbrochener Tätigkeit zurückgelegt zu sein; es muß aber zwischen den einzelnen Beschäftigungszeiten, die zusammengerechnet werden sollen, ein enger innerer Zusammenhang bestehen, der die Anrechnung aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und nach Treu und Glauben als geboten erscheinen läßt (RAG ArbRS 12, 99; 17, 270; 32, 289; LAG Bremen AP 50 Nr. 187 Hamburg AP 50, Nr. 283). Anrechnung einer Angestelltentätigkeit im Äusland bei einem Dienstverhältnis, das in Deutschland eingegangen ist und dort auch seinen Abschluß finden soll, s. R A G ArbRS 8, 294. Wiederholte Inanspruchnahme des Kündigungsschutzes bei fortgesetzter Tätigkeit bei dem nämlichen AG s.' R A G H R R 1931 Nr. 1673. Anzurechnen ist auch die Zeit, die der Angestellte in dem gleichen Betriebe als Arbeiter zugebracht hat (RAG ArbRS 10, 561). Zur Behandlung des Falles, wenn der anstellende AG den Angestellten in einem fremden Betriebe arbeiten läßt, s. R A G ArbRS 7, 323. Die Kündigungsfristen des Gesetzes sind ebenso wie die Kündigungstermine zwingender Natur zugunsten der Angestellten (RAG ArbRS 17, 396). Günstigere Bedingungen können durch Vereinbarung geschaffen werden; ob die gesetzlichen Bedingungen günstiger sind oder die vertraglichen, muß im Einzelfall, ausgehend vom Zeitpunkt, in dem die Kündigung ausgesprochen ist, geprüft werden (RAG ArbRS 31, 221). Sie finden auch Anwendung, wenn ein gekündigter Angestellter nur auf seine Bitten und in seinem Interesse für unbestimmte, wenn auch kurze Zeit weiterbeschäftigt wird (RAG ArbRS 13, 48),

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§ 620 Anm. 17

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

gelten aber nur f ü r w i r k l i c h e K ü n d i g u n g s f ä l l e und scheiden aus, wenn ein für bestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf dieser Zeit ohne Kündigung endet (RAG ArbRS 5, 238; 7, 504). Das kann zu einer U m g e h u n g des Gesetzes führen, wenn an die Stelle eines einheitlichen A r b e i t s v e r h ä l t nisses eine f o r t l a u f e n d e K e t t e ständig sich erneuernder k u r z f r i s t i g e r A r b e i t s v e r t r ä g e gesetzt wird (s. o. Anm. 4). Ob eine unzulässige, einer Anwendung der Kündigungsvorschriften nicht im Wege stehende Umgehung anzunehmen oder der Vertragsfreiheit Raum zu geben ist, hängt von den Umständen des Falles und namentlich auch davon ab, ob vom Standpunkt eines ruhigen, sachlichen Beurteilers die kurzfristige Beschäftigung begründet war oder doch dafür gehalten werden durfte, jedoch genügt die Sorge einer nachlassenden Konjunktur nicht, da dieses Risiko der AG zu tragen hat (RAG 10, 549; 13, 42; 28, 343; 32, 174). Einwand der allgemeinen Arglist gegenüber der Berufung auf die an sich zwingenden Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes s. RAG ArbRS 30, 289. Zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf ausländische Anstellungsverhältnisse s. RAG 17, 401; 19, 3. Anm. 17 5. Kündigungsschutz für Schwerbeschädigte. Nach § 14 des Gesetzes über die B e s c h ä f t i g u n g S c h w e r b e s c h ä d i g t e r v. 16. 6. 1953 (BGBl. I 389), kann ein Schwerbeschädigter in der Regel (Ausnahmen § 19) nur mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens 4 Wochen, wenn nicht die vertraglichen Fristen länger sind. Die Kündigungsfrist läuft erst vom Tage des Eingangs des schriftlichen Antrags bei der Hauptfürsorgestelle, § 15 SchwerbeschGes. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose K ü n d i g u n g werden an sich nicht b e r ü h r t (RAG ArbRS 8, 290), und das Gericht ist bei der Prüfung des wichtigen Grundes auch nicht gehindert, Umstände, die im Rahmen einer Entscheidung der Fürsorgebehörde nach dem § 18 hätten berücksichtigt werden können oder berücksichtigt worden sind, aber nicht zur Zustimmung der Hauptfürsorgestelle geführt haben, selbständig zu prüfen. Doch muß die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung auch hier eingeholt werden, wenn aus einem Grunde gekündigt wird, der in unmittelbarem Zusammenhange mit der gesundheitlichen Schädigung steht, wegen der der Schutz dieses Gesetzes gewährt wird (§ 19 III). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang ist auch gegeben, wenn die Kündigung wegen eines Verhaltens erfolgt, das durch die gesundheitliche Schädigung hervorgerufen ist (BAG 3,39). Die V o r a u s s e t z u n g e n d e r K ü n d i g u n g müssen nach dem Zeitpunkt beurteilt werden, i n d e m d i e K ü n d i g u n g a u s g e s p r o c h e n w i r d (RAG ArbRS 7,7 7). Den Schutz des Schwerbeschädigtengesetzes hatte das RAG jedem zugebilligt, der imAugenblicke der Kündigung Schwerbeschädigter im Sinne des Gesetzes (dazu RAG ArbRS 4, 330 B A G 5, 209) ist, gleichviel ob der AG ihn von der Hauptfürsorgestelle zugewiesen erhalten oder freiwillig eingestellt und letzteren Falles seine Eigenschaft als Schwerbeschädigter gekannt hat oder nicht (RAG 124, 17; RAG ArbRS 6, 618; 20, 72; BAG 3, 203, 4, 101) und auch dann, wenn der AG außer ihm schon so viele Schwerbeschädigte eingestellt hat, als gesetzlich von ihm zu verlangen ist (RAG ArbRS 5, 470) BAG 3, 203 oder wenn es sich um einen Kleinbetrieb handelt, für den ein Einstellungszwang überhaupt nicht besteht RAG ArbRS 6, 618; 8, 277). Dem hatte sich die Rechtsprechung zum überwiegenden Teil angeschlossen. Hueck und das L A G Mannheim AP 53 Nr. 23 verneinen den Schutz, da die nach der Rspr. des RAG zulässige Anfechtung den Schwerbeschädigten schlechter stellen. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, daß eine rückwirkende Vernichtung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist (s. a. Anm. 12) wird man an der Rspr. des RAG grundsätzlich festhalten müssen, dem AG aber die Kündigung mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zubilligen müssen (vgl. Wilrodt Götzen § 14a 26—27, S e l l m a n n - E v e r m a n n § 14 Anm. 31, 32). Der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bedarf es auch, wenn Arbeitsbedingungen ohne Einverständnis des Schwerbeschädigten geändert werden sollen, z. B. Kurzarbeit eingeführt wird, es sei denn, daß dies im Einklang mit einer Gesamtregelung geschieht (RAG ArbRS 10, 407; 12,53.308; 7 S. 99, 269; 8, 15). Über die Grenzen des Bestimmungsrechts des U n t e r n e h m e r s beim Schwerbeschädigten, insbesondere über Beschäftigungs596

Dienstvertrag

§620 Anm. 18, 19

Wechsel kraft dieses Bestimmungsrechts s. R A G A r b R S 7, 2 5 3 ; 9, 186; 12, 5 3 ; 37, 1 3 2 . Die Hauptfürsorgestelle hat die Zustimmung zu erteilen, wenn der Lohn noch 3 Monate fortgezahlt wird, ebenso bei Betriebseinschränkungen, falls die Pflichtquote nicht unterschritten ist. Sie soll erteilt werden, wenn dem Schwerbeschädigten ein anderer angemessener Arbeitsplatz zugesichert ist oder bei Einstellung eines anderen oder wenn der Schwerbeschädigte über 65 J a h r e alt ist (§ 18). Der Kündigungsschutz ist auch nicht wie früher von einem besonderen Anerkennungsbescheid abhängig. Dieser ist vielmehr nur Beweismittel B A G 5, 209. E r gilt auch nicht f ü r Beamte (vgl. § 35 u. R A G A r b R S 38, 3 1 1 ) .

Anm. 18 Die Z u s t i m m u n g d e r H a u p t f ü r s o r g e s t e l l e (derenEntscheidung nicht von den Arbeits- oder Sozialgerichten, sondern von den Verwaltungsgerichten auf ihre Gesetzesund Rechtsmäßigkeit nachzuprüfen ist, vgl. S e l l m a n n - E v e r m a n n § 26 A 29, G o l z e n Anm. zu A P Nr. 3 § 14 SchwerbeschG,) muß k l a r u n d b e s t i m m t sein und darf unter Bedingungen und Einschränkungen nur ausgesprochen werden, soweit diese mit den Grundsätzen des Schwerbeschädigtengesetzes und mit dem Wesen der Kündigung vereinbar sind; unzulässig, unwirksam und einer Versagung gleichzustellen ist daher z. B. eine Zustimmung unter der Bedingung, daß der Schwerbeschädigte später im Rahmen der Einstellungspflicht bevorzugt wieder eingestellt werde ( R A G A r b R S 4, 1 1 3 ; 1 0 , 3 2 2 ; 1 7 , 5 2 3 ) . Die Fürsorgebehörde muß auch selbst prüfen, ob die Voraussetzung des § 18 Abs. 2 a vorliegt und darf diese Feststellung nicht anderen Stellen überlassen ( R A G A r b R S 27, 3 1 7 ) . Einstweilige Versagung macht die Kündigung unwirksam, wird sie auf weitere Vorstellungen erteilt, so wirkt die Zustimmung nicht zurück, wird sie auf Beschwerde erteilt, so hat der Beschwerdeausschuß zu bestimmen, wann das Arbeitsverhältnis enden soll (§ 17 I I ) . Wird sie zunächst unter Vorbehalt abgelehnt, später erteilt, so wirkt die Zustimmung nicht zurück, die Kündigungserklärung aber bleibt mit Wirkung von der Erteilung der Zustimmung an bestehen ( R A G A r b R S 27, 103). Die N o t w e n d i g k e i t einer Z u s t i m m u n g e n t f ä l l t , wenn das A r b e i t s v e r h ä l t n i s d u r c h Z e i t a b l a u f e n d i g t , es also einer Kündigung überhaupt nicht bedarf ( R A G A r b R S 1 4 , 3 1 1 ; 1 6 , 6 6 ; 423) oder wenn der Arbeitsvertrag gemäß §§ 1 1 9 , 1 2 3 B G B wirksam angefochten wird, da die Anfechtung, wenn sie auch keine rückwirkende K r a f t hat, doch einer Kündigung nicht gleich steht ( B A G A P Nr. 2 zu § 1 2 3 ; vgl. N i k i s c h Lehrb. I 670 und G o l z e n Anm. zu A P Nr. 9 zu § 14 SchwbG). Ebenso w e n n d e r S c h w e r b e s c h ä d i g t e s e l b s t k ü n d i g t oder nach der Kündigung des Dienstberechtigten in die Vertragsauflösung einwilligt ( R A G A r b R S 27, 185). An ein Einverständnis oder Verzicht auf die Rechte aus dem Schwerbeschädigtengesetz sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Der Wille nicht wieder tätig zu werden, muß sich eindeutig aus seinen Erklärungen oder Handlungen ergeben. Das Arbeitsverhältnis erlischt auch nicht ohne weiteres, wenn der Schwerbeschädigte seine früheren Dienste nicht mehr leisten kann. Der Arbeitgeber muß vielmehr abwarten, zu welchen Arbeiten er noch fähig ist und ihn wenn irgend möglich mit anderen Arbeiten beschäftigen B A G 2, 1 2 1 . Nur wenn der Arbeitnehmer dauernd völlig arbeitsunfähig ist, bedarf es der Zustimmung nicht B A G 5, 209. Entsprechend der früheren Rspr. des R A G ( A r b R S 10, 97; 3 3 5 ; 349; 12. 6 1 ; 46. 366) ist dem Schwerbeschädigten, falls er infolge seiner im Rentenbescheid festgesetzten Beschädigung wieder arbeitsunfähig wird, der Lohn fortzuzahlen, bis sein Arbeitsverhältnis mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gelöst ist (str.). Keine Anwendung des Schwerbeschädigtenschutzes bei Arbeiten im Auslande ( R A G A r b R S 13, 3).

Anm. 19 6 . M u t t e r s c h u t z . Nach § 9 des Bundesgesetzes zum Schutze der werktätigen Mutter v. 24. 1. 1952 (BGBl. 6g) sind Kündigungen während der Schwangerschaft und bis 4 Monate nach der Niederkunft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder ihm innerhalb einer Woche mitgeteilt wird. Es genügt Vermutung der Schwangerschaft, wenn bis zum Ende der

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§ 620 Anm.20,21 §621

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Kündigungsfrist Nachweis durch ärztliches Zeugnis geführt wird. Die 2-Wochenfrist ist eine Ausschlußfrist. In besonderen Fällen kann die oberste Landesbehörde oder die von ihr betraute Stelle, evtl. unter Fortgewähr der Leistungen aus §13, eine Kündigung zulassen. Diese Zulassung muß aber vor der Kündigung erteilt sein, sie macht eine vorher ausgesprochene Kündigung nicht etwa rückwirkend wirksam (h. M. vgl. L A G Mannheim AP 53 Nr. 34). Hausgehilfinnen und Tagesmädchen können aber nach dem 5. Monat der Schwangerschaft gekündigt werden. Die Anfechtung des Arbeitsvertrages gemäß §§ 119, 123 B G B steht der Kündigung nicht gleich, sie kann auch während der Sperrfristen und ohne Zustimmung erfolgen B A G AP Nr. 2 zu § 123 BGB. Anm. 20 7. Kündigungsschutz für Wehrmachtsangehörige. Nach § 2 des Gesetzes über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) vom 20. 3. 1957 (BGB 293) ruht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis während des Wehrdienstes (Grundwehrdienst und Wehrübung) und darf auch nicht gekündigt werden. Auch Kündigungen vor und nach dem Wehrdienst wegen der Einberufung sind unzulässig, auch darf die Einberufung bei notwendigen Kündigungen nicht bei der Auswahl berücksichtigt werden. Die Einberufung kann wichtiger Grund zur Lösung des Arbeitsverhältnisses sein, bei unverheirateten AN in Betrieben mit 5 oder weniger AN, wenn dem AG die Weiterbeschäftigung infolge Einstellung eines Ersatzmannes nach der Entlassung nicht zugemutet werden kann. Die Kündigung muß aber mindestens 2 Monate vor der Entlassung aus dem Wehrdienst ausgesprochen werden. Anm. 21 IV. Besondere Fälle. Uber den Einfluß des Todes des Dienstberechtigten und des Dienstverpflichteten s. § 613. Uber die beim K o n k u r s des Dienstberechtigten sowie im Falle des V e r g l e i c h s v e r f a h r e n s zustehende Kündigung s. K O § 22 und Vergleichsordnung v. 26. 2. 1935 (RGBl. I, 321) §§ 50y. Auf Lehrverhältnisse findet § 22 K O mit der Maßgabe Anwendung daß sie durch die Kündigungs fristlos aufgehoben werden (RAG 9, 32; RAG WarnRspr. 1932 Nr. 88). — In Betracht kommen für die selbständig Tätigen auch die Bestimmungen über die U n m ö g l i c h k e i t der L e i s t u n g e n in §§ 323—325. Insbesondere besteht kein Anspruch des Dienstverpflichteten auf Vergütung, wenn ein zufälliges Ereignis ihm die Leistung vollständig, nicht bloß vorübergehend unmöglich macht und das Vertragsverhältnis aufhebt. Anders dagegen, wenn der Dienstpflichtige die Dienste leisten kann und will, der Dienstherr aber infolge eines zufälligen Ereignisses (z. B. Brand oder Explosion in seiner Fabrik) keinen Gebrauch davon machen kann: hier besteht nur ein Kündigungsrecht des Dienstherrn nach § 626 mit der Verpflichtung zur Leistung der dem Pflichtigen bis zur K ü n d i g u n g etwa erwachsenen Vergütung (§ 628). Auf dem Gebiete der abh ä n g i g e n A r b e i t schlagen hier die Grundsätze über die Tragung des Betriebsrisikos ein (vgl. Vorbem. III 2).

§631 Ist die Vergütung nach Tagen bemessen, so ist die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag zulässig. Ist die Vergütung nach Wochen bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig; sie hat spätestens a m ersten Werktage der Woche zu erfolgen. Ist die Vergütung nach Monaten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig; sie hat spätestens am fünfzehnten des Monats zu erfolgen. Ist die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Zeitabschnitten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zulässig. e 1563 n 560; m 1 464; p 2 296. 598

Dienstvertrag

§ 621 A n m . 1, 2

§622 Anm. 1 1. Die Kündigungsfristen können nach dem BGB für beide Teile in v e r s c h i e d e n e r Dauer vereinbart werden (JW 04, 223®), sofern eine solche Vereinbarung nicht gegen § 138 verstößt (RG J W 04, 233°). Für Handlungsgehilfen, gewerbliche Arbeiter und Angestellte müssen aber die Fristen für beide Teile gleich sein, (sie dürfen mindestens nicht für den Angestellten ungünstiger sein (vgl. N i k i s c h I 584; H u e c k Lehrb. I 515). Besondere (teilweise abweichende) Bestimmungen über die Kündigungsfristen für Handlungsgehilfen im HGB §§ 66—6g, für Handlungslehrlinge im HGB §§ 77> 78, für gewerbliche Gehilfen in der GewO § 122, für das gewerbliche Lehrlingsverhältnis in der GewO § 127b, für Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker in der GewO §§ 133 a ff. § 10 der Richtlinien für Hausgehilfen v. 22. 5. 1952 BAB1. S. 285. Für die Angestellten der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften s. RVO §§ 354 (dazu RAG ArbRS 27, 107; 28,24), 693 RG 121,221). Für die Berechnung der Fristen gelten die §§ i86ff., insbesondere § 193 (RAG ArbRS 6, 348; 8, 444; 26, 185), es sei denn, daß die Kündigung nicht an einen bestimmten Termin gebunden ist oder die Kündigungsfrist sehr kurz ist (vgl. RAG ArbRS 32, 186). Die Fristen sind Mindestfristen, sie können von dem Kündigenden überschritten werden, sei es aus seinem eigenen Interesse oder im Interesse der anderen Vertragspartei, die, wenn ihr das nicht genehm ist, von sich aus kündigen muß. Die Mindestfristen können auch vor oder bei der Kündigung durch V e r e i n b a r u n g verlängert werden und es kann dies auch aus den Verhandlungen bei den Verträgen, z. B. bei der Bezeichnung als Lebens- oder Dauerstellung oder der Aufgabe einer sicheren Stellung entnommen werden. Eine in einem Betrieb bestehende Übung über den Ausschluß von Kündigungsfristen oder Zulässigkeit der Kündigung zum Schlüsse des Arbeitstages ist aber für einen neu eintretenden nur bindend, wenn ihm diese Übung irgendwie bekannt ist (RAG ArbRS 34, 324). Anm. 2 2. Ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Besteht die für die Dienste zu gewährende Vergütung aus Bar- und Naturallohn und werden beide Lohnarten nach verschiedenen Zeitarten berechnet, so bestimmt der wesentlichere Teil der Vergütung die gesetzliche Kündigungsfrist (RAG 10, 40). Auf Musiker, die nur an bestimmten Tagen der Woche in einer Gastwirtschaft beschäftigt werden und deren Lohn nach Tagen bemessen ist, findet nicht § 621, sondern RGewO § 122 (mangels abweichender Vereinbarung Kündigung mit i4tägiger Frist) statt (RAG ArbRS 20, 308). Eine verspätete Kündigung wird zum nächstzulässigen Termin wirksam, wenn aus der Erklärung auf den Willen zur endgültigen Beendigung des Dienstverhältnisses zu schließen ist (RAG ArbRS 20,21,6).

§ 633 Das Dienstverhältnis der m i t festen Bezügen zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten, deren Erwerbstätigkeit durch das Dienstverhältnis vollständig oder hauptsächlich in Anspruch g e n o m m e n wird, insbesondere der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten, Gesellschafterinnen, kann nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden, auch wenn die Vergütung nach kürzeren Zeitabschnitten als Virteljahren b e m e s s e n ist. E I 563 II 561; M 2 464; P 2 296.

Anm. Diese besondere Kündigungsvorschrift für Dienste höherer Art (§ 627 Anm. 1), bei der also im Gegensatze zu § 621 die Bemessung der Vergütung nicht in Betracht kommt, entspricht den für Handlungsgehilfen und gewerbliche Betriebsbeamte geltenden Bestimmungen des HGB § 66 und der GewO § 133 a. Der Angestellte muß fähig sein, auf Grund seiner Ausbildung oder langjähriger Übung besonders 39

Komm. z. BGB, 1 1 . Aufl. II. Bd. (Denecke)

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§ 623 A n m . 1 , 2 § 624 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

schwierige Arbeiten zu leisten oder selbständige Entscheidungen entsprechend den wechselnden Verhältnissen zu treffen und durch seine Stellung, z. B. Anweisungsbefugnis an andere Angestellte oder durch überdurchschnittliches Gehalt herausgehoben sein. Eine Verkehrsanschauung, daß alle Büro- und Verwaltungsangestellten hinsichtlich der Kündigung gleich zu behandeln seien, besteht nicht BAG 2, 119. Liegt keine Anstellung mit festen Bezügen (RAG ArbRS 32, 174) vor, so bleibt es bei der Regel des § 621. § 6 3 3 Ist die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, so kann das Dienstverhältnis jederzeit gekündigt werden; bei einem die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmenden Dienstverhältnis ist jedoch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten. E I 563 n 362; M 2 464; F 2 296. Anm. 1 1. Auch diese ein Dienstverhältnis von unbestimmter Dauer voraussetzende Vorschrift — sonst ist § 620 Abs. 1 anzuwenden, s. Anm. 1 Abs. 1 dort — kann durch V e r e i n b a r u n g abgeändert werden. Uber die Kündigung von Rechtsverhältnissen von längerer Dauer, die ein persönliches Zusammenarbeiten und daher ein gutes Einvernehmen und gegenseitiges Vertrauen erfordern, s. § 626 Anm. 1. Anm. 2 2. Die Z w e i w o c h e n f r i s t beruht auf B i l l i g k e i t s r ü c k s i c h t e n , um diesen Dienstverpflichteten die nötige Frist zur Aufsuchung eines anderen Dienstes zu geben.

§ 6 3 4 Ist das Dienstverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von d e m Verpflichteten nach d e m Ablaufe von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. E I 563 II 562; M 2 464.; F 2 296. Anm. 1 1. Kündigung bei einem für die Lebenszeit einer Person oder auf länger als fünf Jahre eingegangenen Dienstverhältnis. Die Vorschrift beruht auf sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Gründen, insbesondere auf der Erwägung, daß eine längere als fünfjährige Gebundenheit den — meist wirtschaftlich schwächeren — Dienstverpflichteten im Widerstreite mit der modernen Entwicklung übermäßig in der persönlichen Freiheit beschränke. Die Vorschrift ist daher z w i n g e n d e r N a t u r (RG 80, 277). Sie ist auf dienstvertragsähnliche Verhältnisse anwendbar (RG 78, 424) und gilt auch für Hausgehilfen. Die Kündigung steht n u r d e m D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n zu. Abgesehen von dieser Kündigungsbefugnis bleibt der Vertrag zu Recht bestehen (RG WarnRspr. 08 Nr. 142). Verstößt aber die Länge der Dienstzeit gegen die guten Sitten, so tritt nach § 138 Nichtigkeit des ganzen Vertrags ein. Darüber, daß einsog. Bühnenanstellungsvertrag, durch den eine Schauspielerin von dem Unternehmer auf eine lange Reihe von Jahren wirtschaftlich völlig abhängig wird, gegen die guten Sitten verstößt, vgl. RG WarnRspr. 1913 Nr. 187. § 624 setzt nach Wortlaut und Zweck nur voraus, daß ein Dienstverhältnis für länger als fünf Jahre eingegangen ist. Er unterscheidet nicht, ob das Dienstverhältnis auf einem oder mehreren Verträgen beruht, und ob es letztenfalls durch den zweiten Vertrag unter den bisherigen Bedingungen verlängert ist oder ob die Vertragsbedingungen abgeändert sind; es genügt, daß der Dienstverpflichtete sich demselben Dienst600

Dienstvertrag

§ 624 Anm. 2, 3 § 625 Anm. 1

berechtigten gegenüber durch die mehreren Verträge zu gleichen oder gleichartigen Diensten verpflichtet hat und die in den Verträgen vereinbarte Gesamtdauer des Dienstverhältnisses fünf J a h r e übersteigt. J e d o c h ist eine Einschränkung zu machen. M u ß einerseits zur Vermeidung einer U m g e h u n g des § 6 2 4 zweifellos angenommen werden, daß die V e r l ä n g e r u n g e i n e s f ü n f j ä h r i g e n D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s gleich nach dem Antritt des Dienstes dem § 624 untersteht, so fordern doch anderseits berechtigte Interessen der Vertragsparteien, daß die Verlängerung des Dienstverhältnisses s c h o n e i n e a n g e m e s s e n e Z e i t v o r d e m A b l a u f e d e r f ü n f J a h r e z u l ä s s i g sei. Welche Frist als angemessen zu erachten ist, kann nur nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles bestimmt werden. Entscheidend ist, ob der Dienstverpflichtete bereits die für Fortsetzung oder Abbruch des Dienstverhältnisses maßgebenden U m stände zu übersehen vermag ( R G 80, 277). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Falle ist angenommen worden, daß ein Schauspieler sich regelmäßig im fünften Vertragsjahre auf weitere fünf J a h r e unkündbar binden könne.

Anm. 2 2. Für die Lebenszeit „einer Person",

also entweder für die eigene Lebenszeit des Verpflichteten oder für diejenige des Dienstberechtigten oder für diejenige eines Dritten. Die Zusage einer Lebensstellung bedeutet aber nicht eine feste Anstellung auf Lebenszeit, sondern nur, daß bei befriedigender Leistung und guter Zusammenarbeit die Stellung dauernd sei und nicht ohne besonderen Grund gekündigt würde ( R A G A r b R S 5, 2g; 28, 3 3 2 ; 3 1 , 78). Vgl. § 620 Anm. i b .

Anm. 3 3. Für längere Zeit als fünf Jahre,

sei es, daß die Zeitdauer ausdrücklich vereinbart ist oder der vertragliche Zweck der Dienste (§620 A n m . 1) nicht innerhalb f ü n f J a h r e n erreicht wird. Die Kündigung nach § 624 ist auch dann zulässig, wenn der Verpflichtete die Dienste nicht in Person (§ 6 1 3 ) zu leisten braucht. Auf ein Dienstverhältnis, das auf Lebenszeit eingegangen ist, finden bei H a n d l u n g s g e h i l f e n nicht die §§ 66. 67 H G B , sondern § 624 B G B Anwendung ( R A G A r b R S 16, 477). Anstellungsverträge der V o r s t a n d s m i t g l i e d e r e i n e r A k t i e n g e s e l l s c h a f t dürfen nur auf höchstens fünf J a h r e abgeschlossen werden; andernfalls sind sie für die überschießende Zeit unwirksam (Aktiengesetz § 75).

§ 625 Wird das Dienstverhältnis nach dem Ablaufe der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Teiles fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspricht. E j6J II 564; M 2 468; P 2 301.

Anm. 1 1. Die stillschweigende Verlängerung

des Dienstverhältnisses ist hier anders als bei der Sachmiete in § 568 geordnet, insofern sie durch u n v e r z ü g l i c h e n W i d e r s p r u c h (§ 1 2 1 ) ausgeschlossen wird. Auch hier bleibt aber für das fortgesetzte Dienstverhältnis der gesamte Vertragsinhalt, mit Ausnahme der auf die Beendigung (z. B. Kündigung) bezüglichen Vereinbarungen, bestehen. Wenn der Verpflichtete das Dienstverhältnis f o r t s e t z t , gibt er zugleich seine hierauf gerichtete Willensmeinung zu erkennen, so daß es für die Verlängerung nur noch auf die hierauf gerichtete Willensmeinung des Berechtigten ankommt. Aus welchem Grunde die Dienstzeit abgelaufen ist (Bestimmung im Vertrag, Kündigung), begründet für die Anwendung des § 625 keinen Unterschied. Ist der Dienstverpflichtete trotz der Kündigung weiter beschäftigt worden, so steht der Umstand, daß das bittweise geschehen ist, der Annahme einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses auf unbestimmte Zeit nicht notwendig entgegen ( R A G A r b R S 3, 192). Die im § 625 liegende Fiktion einer vereinbarten Verlängerung greift aber nicht Platz, wenn nach den Umständen Einigkeit der Parteien darüber anzunehmen 39'

601

§ 625 A n m . 2, 3

§ 626 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ist, daß die Dienste nur vorläufig bis zur Vereinbarung über eine Verlängerung geleistet werden sollen (RAG ArbRS 16, 284; 18, 42). § 625 kann auch keine Anwendung finden, wenn die Parteien schon vor dem Ablauf des alten Vertrags darüber einig sind, daß dieser in unveränderter Gestalt nicht fortgesetzt werden soll (RAG ArbRS 13, 45). Dem unverzüglichen Widerruf bei Fortsetzung des Dienstes nach Ablauf der Dienstzeit muß es auch gleich stehen, wenn der Vertragsverlängerung oder der Verlängerung des Vertrags unter den bisherigen Bedingungen schon vorher widersprochen worden ist (RG 140, 314). Anm. 2 2. Verlängerung auf unbestimmte Zeit, nicht nur auf die Zeit der tatsächlichen Verlängerung. Es gilt hiernach für das verlängerte Verhältnis die gesetzliche Kündigung nach §§ 621 bis 623 (RG J W 08, 1398), nicht eine vertragliche Kündigungsfrist, es müßte denn sein, daß gerade für den Fall der Fortsetzung des Dienstverhältnisses besondere Vereinbarungen getroffen sind oder werden (RAG ArbRS 36, 7). — § 625 ist auch auf den Agenturvertrag anwendbar (RG J W 08, 1398). Anm. 3 3. Wegen der Beweislast s. § 568 Anm. 2.

§ 636 Das Dienstverhältnis kann von jedem Teile ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. E I 465 II 564; M 2 468; P 2 301.

Ubersicht Anm.

I. Bedeutung und Geltungsbereich 1,2 II. Begriff des wichtigen Grundes 1. Allgemeines 3, 4 2. Heranziehung älterer Vorkommnisse und neuer Kündigungsgründe . 6, 5 3. Nachprüfung in der Revisionsinstanz 8 4. Einzelfälle a) Kündigungsgründe des Dienstpflichtigen 9 b) Kündigungsgründe der Dienstherrn 10 insbesondere Aufgabe des Geschäfts oder einer Abteilung . . . . 11 Streik 12 Vorstrafen 13 Verdacht des pflichtwidrigen Verhaltens 14 Druckkündigung 15 III. Ausübung des Kündigungsrechts 16 IV. Verzicht. Verwirkung 17—19 I. Bedeutung und Geltungsbereich des § 626. Anm. 1 1. Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die ein persönliches Zusammenarbeiten der Beteiligten, ein gutes Einvernehmen und gegenseitiges Vertrauen erfordern, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit gelöst werden können (RG 169, 207 mit Nachweisungen BGH NJW 57, 336). Das BGB spricht dies für die nach ihm zu beurteilenden Dienstverhältnisse (der selbständig Tätigen) allgemein aus. § 626 steht also neben den sonstigen Kündigungsbestimmungen der §§ 620—625. Der Grundsatz gilt i m A r b e i t s r e c h t auch für die kaufmännischen Angestellten des § 70 HGB und für die gewerblichen Angestellten, die Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker des § 133 b GewO trotz Anführung einzelner Kündigungs602

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§626 Anm. 2, 3

gründe (RAG A r b R S 44, 176), dagegen n i c h t f ü r d i e g e w e r b l i c h e n A r b e i t e r . Denn für sie sind die Gründe, die zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, in den §§ 123, 124 GewO, §§82, 83 PrABG, § 25 B.Schiff.G, nicht aber nach dem SeemannsG (vgl. §§ 64, 65) im einzelnen genau aufgezählt, die fristlose Kündigung damit auf ganz bestimmte, grobe Verstöße gegen die Vertragspflichten begrenzt. Nur wenn das Dienstverhältnis nicht mit kurzer Frist gelöst werden kann, sei es weil die Kündigung wie bei Betriebsratsmitgliedern gänzlich (BAG 1, 189) oder sonst durch Abschluß eines Arbeitsvertrages über 4 Wochen zeitlich ausgeschlossen ist, sei es wie bei Schwerbeschädigten oder Müttern eingeschränkt ist (§§ 14fr. des Schwerbeschädigtengesetzes v. 16. 6. 1953, § 9 MuttSchG), sei es weil gesetzliche oder vertragliche (Einzel- oder Gesamtvereinbarung) Kündigungsfristen über 14 Tage bestehen, ist auch hier das Recht zur vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund gegeben (§ 124 a GenO).

Anm. 2 2. Durch die Bestimmungen der §§ 626—628 ist die v o r z e i t i g e L ö s u n g des Dienstverhältnisses abschließend und e r s c h ö p f e n d g e r e g e l t , ein R ü c k t r i t t s r e c h t aus §§315, 326 oder wegen Änderung der Geschäftsgrundlage kommt daneben nicht in Betracht (RG 95, 158; R A G ArbRS 25, 119; 26, 7). Die Vorschriften sind auch insofern z w i n g e n d , als das Recht zur Kündigung wegen wichtigen Grundes — selbst bei einer Anstellung auf Lebenszeit — nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann (vgl. Anm. 14, 15). Dagegen ist es zulässig, die gesetzlichen Kündigungsgründe zu erweitern, d. h. festzulegen, daß bestimmte Tatsachen stets zur fristlosen Lösung berechtigen sollen (RAG A r b R S 2, 27; 30, 62). Von vertraglichen Abreden über das außerordentliche Kündigungsrecht sind aber einzelvertragliche oder gesamtvertragliche Bestimmungen zu unterscheiden, die das o r d e n t l i c h e K ü n d i g u n g s r e c h t e i n s c h r ä n k e n , sei es im Interesse des Dienstberechtigten, u m diesem wertvolle Fachkräfte zu sichern, sie es u m dem Dienstverpflichteten eine Dauer- oder Lebensstellung zu gewähren, im öffentlichen Dienst zur Angleichung ihrer Stellung an die der Beamten. Sie können entweder im Zusammenhang mit der Festlegung der Vertragszeit auf lange Zeit oder ohne dein getroffen werden, indem sie die Kündigung beiderseits nur bei Vorliegen näher gekennzeichneter Gründe oder allgemein aus wichtigen oder triftigen Gründen zulassen. Auch wenn keine Kündigungsfrist vorgesehen ist, wird sie doch entsprechend dem Zweck der Abrede eine gemessene Zeit vorher ausgesprochen werden müssen, wenn nicht ohne weiteres die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten sollen. Auch sind dem Zwecke der Abrede entsprechend an den wichtigen Grund geringere Anforderungen als bei der außerordentlichen Kündigung zu stellen. Insbesondere werden Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse hierbei eine Rolle spielen, da dem Dienstberechtigten gerade wegen der Unübersehbarkeit der Verhältnisse die Möglichkeit zur Lösung des Vertrages gegeben sein, also das Risiko verringert werden soll (RAG ArbRS 31, 307; 33) 97)- Das außerordentliche Kündigungsrecht wird durch solche Abreden nicht berührt, bleibt vielmehr stets gegeben (RAG ArbRS 38, 90, BGH 8, 364).

Anm. 3 II. D e r Begriff d e s w i c h t i g e n G r u n d e s i. S. des § 626 setzt einen Sachverhalt voraus, der bei verständigem Ermessen dem einen oder anderen Teile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen läßt. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob die Umstände, die diesen Sachverhalt herbeigeführt haben, auf ein Verschulden des einen Vertragsteiles beruhen (BAG 2, 214). Sie können schon längere Zeit zurückliegen, j a schon vor Abschluß des Dienstvertrages eingetreten sein, auch in dem Vorleben des AN ihre Stütze finden u n d selbst gegenüber einer Anstellung auf Lebenszeit zur Geltung gebracht werden. Immerhin genügt, zumal bei einem schon längere Zeit zurückliegenden Ereignis, nicht bloß die subjektive Befürchtung des AG, d a ß ihm durch Unterlassen der Kündigung Nachteile entstehen, sondern es m u ß sich bei Anlegung eines objektiven Maßstabes eine erhebliche Beeinflussung des Vertrauensverhältnisses ergeben, was je länger das Ereignis zurückliegt, um so schwerer angenommen werden kann. Auch darf die nachträgliche Ausübung eines so tief einschneidenden

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§ 626 Anm. 4, 5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Rechtsbehelfes nicht gegen Treu und Glauben, bzw. gegen die Treu- und Fürsorgepflicht verstoßen, es müssen deshalb insbesondere die Nachteile berücksichtigt werden, die den AN infolge Aufhebung des Arbeitsverhältnisses treffen, z. B. Verlust von Ruhegeldansprüchen (BAG 2, 207). Ein Grund zur sofortigen Auflösung des Vertragsverhältnisses kann auch in der Person des Dienstberechtigten liegen, insbesondere in einem auf ihn ausgeübten Druck, der ihn zur Kündigung zwingt, wenn anders er seine Stellung und die Fortführung seines Betriebes nicht gefährden will ( R A G ArbRS 7, 474; 27, 1 1 ; 3 1 , 3 7 ; 40, 3). Unter Umständen wird ihm aber nach den Grundsätzen der Aufopferungsansprüche (§ 75 Einl. ALR) ein billiger Schadensausgleich zu gewähren sein (vgl. Herschel Festg. für Lehmann II 662, Nikisch Lehrb. I 592). Anm. 4 Bei der Prüfung sind nicht nur die Interessen der einzelnen Vertragsteile, sondern auch der Allgemeinheit wie der die Beteiligten verbindenden e n g e r e n G e m e i n s c h a f t , auf dem Gebiete des Arbeitsrechts insbesondere die Forderungen der Betriebsgem e i n s c h a f t , die P f l i c h t zu gegenseitiger T r e u e zu berücksichtigen. Sie können unter Umständen eine Entlassung ohne weiteres begründen, aber auch umgekehrt Handlungen, die, nur vom Standpunkt der Vertragsteile aus betrachtet, die Entlassung begründen würden, im allgemeinen Interesse nicht rechtfertigen oder doch in einem so milden Lichte erscheinen lassen, daß sie nicht mehr als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung angesehen werden können. Die Annahme eines wichtigen Grundes setzt, wie erwähnt, keineswegs immer und notwendig ein Verschulden desjenigen voraus, gegen den sich die Kündigung richtet (RAG ArbRS 17, 74; 40, 52). Auch eine gutgläubig begangene, lediglich objektive Vertragsverletzung kann die Kündigung des anderen Teiles rechtfertigen (RG WarnRspr. 1912 Nr. 70), wie auch umgekehrt die Wichtigkeit des Grundes durch objektive Begleitumstände (Folgen der Entlassung RAG ArbRS 33, 363, unbewußte Kränkung des Dienstverpflichteten durch den kündigenden Dienstberechtigten) entkräftet werden kann (RG WarnRspr. 1937 Nr. 150). Auch eine Schädigung desjenigen, der kündigen will, wird nicht vorausgesetzt (RG 4. 1. 1916 I I I 184/15). Grundsätzlich wird auch nicht dadurch, daß der Kündigende selbst die Umstände herbeigeführt hat, auf die er die Kündigung stützt, die Rechtmäßigkeit der Kündigung ausgeschlossen. Wie überhaupt nach der L a g e des E i n z e l f a l l s zu entscheiden ist, ob ein wichtiger Grund vorliegt, so ist auch nach der Gesamtheit der besonderen Umstände zu prüfen, ob einem Kündigungsgrunde deswegen die Anerkennung zu versagen ist, weil der Kündigende ihn durch ein eigenes Verhalten herbeigeführt hat. Anm. 5 Gegenüber Mitgliedern des Vorstandes einer A k t i e n g e s e l l s c h a f t , einer Genossenschaft, eines r e c h t s f ä h i g e n V e r e i n s und gegenüber leitenden Angestellten ist, insbesondere soweit die Vertrauensfrage in Betracht kommt, ein strengerer M a ß s t a b anzulegen als etwa g e g e n ü b e r H a n d l u n g s - und G e w e r b e g e h i l f e n oder Personen, die mehr Dienste e i n f a c h e r , mechanischer Art zu leisten haben (RG WarnRspr. 1 9 1 4 ^ . 156; R A G ArbRS 33, 3 1 1 , B A G 2, 214). Grober Vertrauensbruch bei dem Vorstandsmitgliede einer Aktiengesellschaft, so z. B. Abschluß von Spekulationsgeschäften durch eine vorgeschobene Person mit der eigenen Gesellschaft s. R G 75, 234. Unbefugte Ausstellung und Verheimlichung eines Wechsels durch den Leiter eines kaufmännischen Unternehmens s. R G J W 1928, 92083. Besteht gegen das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, Genossenschaft usw. der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens, so wird dem Verdächtigen in der Regel Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben sein, bevor eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird (RG J W 1930, 2701 3 ). — Ebenfalls ist ein besonderer Maßstab aus der Person des Dienstberechtigten anzulegen, wenn es sich um eine ö f f e n t l i c h e K ö r p e r s c h a f t mit ihrer besonderen Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit handelt. Kündigt der Dienstberechtigte, so ist bei der Frage des wichtigen Grundes auch zu prüfen, ob ihm nicht die Einhaltung der, vielleicht verhältnismäßig kurzen, vertraglichen Kündigungsfrist zuzumuten ist ( R G J W 1936, 2305/; R A G H R R 1934 Nr. 1218). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung sind auch die ver604

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§626

Anm. 6, 7 mögensrechtlichen Folgen der Auflösung des Vertragsverhältnisses (z. B. außergewöhnlich hohe Schadensersatzansprüche nach § 628) zu berücksichtigen (RGg4, 166), auch Verlust von Ruhegeldansprüchen (BAG 2, 207). Zu berücksichtigen ist ferner auch die Bedeutung gerade der fristlosen Entlassung für das F o r t k o m m e n d e s E n t l a s s e n e n (RAG ArbRS 40, 3). Besonders strenge Anforderungen sind an fristlose Kündigungen zu stellen bei lange dauernden Dienstverträgen, bei denen sich der Dienstverpflichtete wirtschaftlich mit seiner ganzen Existenz auf den Bestand des Vertrages eingestellt hat

(RG J W 1937, 2827?, BAG 2, 214, 333)-

Anm. 6 2. Berücksichtigung älterer Vorkommnisse und neuer Kündigungsgründe. a) Bei der Beurteilung von Entlassungsgründen können beim Hinzutritt neuer Verfehlungen des Dienstpflichtigen auch ältere V o r k o m m n i s s e , denen der Dienstherr einstweilen ein größeres Gewicht nicht beigelegt hatte, herangezogen werden. Regelmäßigwerden nur die b e i oder n a c h A b s c h l u ß d e s D i e n s t v e r t r a g s vorgekommenen Tatsachen in Betracht kommen, unter Umständen aber auch solche Gründe, welche schon v o r A b s c h l u ß des D i e n s t v e r t r a g s entstanden waren, aber nach dieser Zeit fortgedauert oder fortgewirkt haben und dem Kündigungsberechtigten erst nachträglich bekannt geworden sind (RG J W 1907, 543'; 1938, 1392 9 ), in diesem Falle unbeschadet einer Anfechtung des Dienstvertrags nach §§ 119, 123. Als ausreichende F o r t w i r k u n g darf aber nicht schon die bloß subjektive Befürchtung des Dienstberechtigten, das frühere Ereignis könne ihm nachteilig sein, angesehen werden; vielmehr muß sich bei objektiver Beurteilung eine Beeinflussung des Vertragsverhältnisses ergeben, was um so weniger anzunehmen sein wird, je weiter das Ereignis, z. B. eine frühere Bestrafung des Dienstverpflichteten, zurückliegt (RAG ArbRS 17, 475). Nachträglich bekannt werdende Bestrafungen als Entlassungsgrund, insbesondere solche wegen Betrugs und Urkundenfälschung bei einem Bankangestellten, auch wenn die Strafen durch Straffreiheitsgesetze erlassen sind s. RAG ArbRS 26, 272. E n t l ä ß t d e r K o n k u r s v e r w a l t e r e i n e n A n g e s t e l l t e n d e s G e m e i n s c h u l d n e r s , so ist die Frage, ob ein wichtiger Grund hierfür vorliegt nicht vom Standpunkt des Gemeinschuldners, auch nicht ausschließlich von dem der Gläubiger aus zu beurteilen, sondern aus der besonderen Stellung und Aufgabe des Konkursverwalters; der Angestellte kann daher ein vor der Konkurseröffnung liegendes Verhalten nicht schlechthin damit entschuldigen, daß er auf Weisung des Gemeinschuldners und in dessen Interesse tätig geworden sei (RAG ArbRS 25, 192, J94).

Anm. 7 b) Auch ein nach der Kündigung eingetretener Kündigungsgrund ist zu beachten (RG 88, 128; 122, 38; 142, 268; vgl. 32, 249), aber er kann eine Lösung des Dienstverhältnisses grundsätzlich nur von dem Zeitpunkte an herbeiführen, in dem er dem andern Vertragsteil gegenüber geltend gemacht wird (BAG 2, 251 in Abweichung von der früheren Rechtsprechung des RAG). Anders nur, wenn der neue Grund zur Verstärkung bereits früher vorhandener Kündigungsgründe dienen, dem früheren Verhalten ein größeres Gewicht geben soll. Soll dagegen der nachgeschobene Grund die Entlassung allein rechtfertigen, so bedarf es eines erneuten Ausspruches der Entlassung, die auch in eindeutigen Prozeßhandlungen gefunden werden kann (BAG 3,13). Die Entlassung eines Handlungsgehilfen kann aber nicht nachträglich damit gerechtfertigt werden, daß er, nachdem er die Entlassung für unbegründet erklärt und seine Dienste dem Dienstherrn zur Verfügung gestellt hatte, in ein Wettbewerbsgeschäft eingetreten sei und schon vorher für dieses die Kunden seines bisherigen Dienstherrn zu gewinnen gesucht habe (RG 88, 128; RG LZ 1918, 568 10 und 696"). Vorbereitende Maßnahmen zur Gründung eines Wettbewerbsunternehmens sind in der Regel kein Entlassungsgrund (RAG ArbRS 35, 168). Der Dienstverpflichtete, und im ganz besonderen Maße ein Dienstverpflichteter in höherer Stellung, hat sich indessen so lange vertragsmäßig zu verhalten, als er das Fortbestehen des Vertrags für sich in Anspruch nimmt (RG J W 1934, 2811). Diese Pflicht hört nicht dadurch auf, daß der Dienstberechtigte das Fortbestehen leugnet und ihm die Vertragserfüllung unmöglich macht. Für die

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§ 626

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 8—10 Beurteilung der Wichtigkeit des Grundes kann freilich das bestehende „Kampfverhältnis" in Betracht kommen (RG J W 1937, 1146 5 ; RG WarnRspr. 1911 Nr. 176). Dies gilt in gleicher Weise auch für das Verhalten des Dienstberechtigten.

Anm. 8 3. Nachprüfung in der Revisionsinstanz. Da die Frage, ob die Umstände im einzelnen Fall einen wichtigen Grund enthalten, im allgemeinen tatsächlicher Natur ist, kann in der Revisionsinstanz nur geprüft werden, ob der RechtsbegrifT der wichtigen Gründe richtig angewendet ist, ob ein bestimmtes Handeln, eine bestimmte Eigenschaft oder ein bestimmtes Ereignis an sich, d. h. ohne die tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalles einen wichtigen Grund zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses bilden kann. Natürlich muß der Tatrichter die besonderen Umstände des Falles erschöpfend und rechtlich einwandfrei, namentlich im Einklang mit den Grundsätzen von Treu und Glauben und mit den gegenseitigen Treupflichten der Beteiligten erwogen haben. Unterlassungen in dieser Hinsicht rechtfertigen ebenfalls die Aufhebung und Zurückverweisung (st. Rspr. RG 78, 22; 110, 297; RAGArbRS 16, 270; 40, 52; 41, 19g; 46, 52; BAG 2, 207; AP Nr. 67 zu § 626).

4. Einzelfälle Anm. 9 a) Gründe f ü r die Kündigung des Dienstpflichtigen; andauernde Kränkung und soziale Schädigung von Seiten des AG (RG 24.3.1905 III 8/05); Verletzung der Vertragspflicht einer Stadtgemeinde, das Ansehen der Direktoren ihrer technischen Werke zu wahren (RG LZ 1924, 461 4 ); Nichtzahlung, unregelmäßige Zahlung und längere Vorenthaltung des Gehalts; RG WarnRspr. 1926 Nr. 176; 1930 Nr. 9); Verletzung der Pflicht, die weiblichen Angestellten vor unsittlichen Angriffen ihrer Vorgesetzten zu schützen (RAG ArbRS 5, 159; 3Ö8//28); willkürlicher, ehrenkränkender Mißbrauch der Machtbefugnis einer Krankenkasse gegenüber den bei ihr angestellten wirtschaftlich schwächeren Ärzten (RG J W 1912, 34813). Ein bloßer Gesinnungswechsel des Vertragschließenden, eine Änderung seiner Uberzeugung in der Richtung, daß er den Abschluß des Vertrags — der ihm früher unbedenklich erschien — später nach gründlicher Überlegung als unehrenhaft ansieht, kann keinen wichtigen, zur sofortigen Lösung des Vertragsverhältnisses berechtigenden Grund abgeben; jedenfalls dann nicht, wenn die maßgebenden Umstände von dem Vertragschließenden schon zur Zeit des Vertragsschlusses in ihrer Bedeutung gewürdigt werden konnten (RG 78, 22). Kündigung eines agenturähnlichen Verhältnisses wegen einer zwischen den Vertragsteilen ausgebrochenen Feindschaft s. RG WarnRspr. 1925 Nr. 63. Uber die Frage, ob sich der Verleger einer Zeitung einer die Kündigung des Hauptschriftleiters rechtfertigenden Vertragsverletzung schuldig macht, wenn er gegen dessen Willen ein neues Mitglied in die Schriftleitung beruft oder ihm einen Stellvertreter beiordnet, s. RG 112, 34. Beachtung des Kündigungsgrundes mit Rücksicht auf ein Wettbewerbsverbot (HGB § 75 Satz 1) auch dann, wenn der vertragswidrig behandelte Gehilfe den Dienst nicht sofort, sondern unter Einhaltung der Kündigungsfrist verläßt (RG 56, 372).

Anm. 10 b) Gründe f ü r die Kündigung des Dienstberechtigten: Schwere Ehrenverletzungen und schwerwiegende Verdächtigungen des Dienstberechtigten und seiner leitenden Angestellten durch den Dienstverpflichteten, auch wenn sie wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht strafbar sind (RG 114, 174; R A G ArbRS 28, 5 1 ; 30, 120, 239; 34, 222), aber nicht Anrufung der Gewerkschaften LAG Hamm AP 51 Nr. 184. Leichtfertige Angeberei einer in der Familie Angestellten (DJ 1934, 1446); nicht aufgeklärte Fehlbeträge in der Kasse (RAG ArbRS 6,575); vertragswidriger Ausschank von Alkohol, unrichtige Angaben über das Eigentum an angebrachten Gegenständen bei dem Bewirtschafter einer Kantine (RG WarnRspr. 1931 Nr. 195), Vertrauensmißbrauch eines Geschäftsleiters (RAG WarnRspr. 1932 Nr. 102). Unsittliches und Ärgernis gebendes (Konkubinats-) Verhältnis eines Fabrikdirektors (RG 38, 116), desgl. eines Handlungsgehilfen (RG 27. 11. 1900 I I I 240/00). B e h a r r l i c h e

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Dienstvertrag

§626 A n m . 11—13

A r b e i t s v e r w e i g e r u n g i. S. § 123 Nr. 3 Nr. 3 GewO, die auch schon in einem einmaligen Vorgang zum Ausdruck gekommen sein kann (RAG ArbRS 27, 289; B A G AP Nr. 5 zu § 123 GewO), sie setzt außerdem in der Regel Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit voraus, d. h. der AN muß mindestens mit der Möglichkeit des Bestehens einer Arbeitspflicht bei vernünftiger Würdigung aller Umstände gerechnet haben (RAG ArbRS 11,529; 28,273). LAG Frankfurt AP 50 Nr. 243). Dauernde oder vorübergehende A r b e i t s u n f ä h i g k e i t , falls die Dauer nicht abzusehen ist, z. B. Erkrankung und Untersuchungshaft (RAG ArbRS 13, 487; 15, 1 6 1 ; 23, 168 BAG AP Nr. I zu § 123 GewO), Neigung zum Trinken (RAG ArbRS 37, 303). Mangelnde Tauglichkeit und mangelhafte Leistungen (RAG ArbRS 11, 80; 20, 94, 280). Verschuldung der AN nur, wenn sie mit sonstigen Pflichtverletzungen verbunden ist (RAG ArbRS 3, 73). Streitigkeiten von AN untereinander, falls eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist (RAG ArbRS 40, 32). Kein wichtiger Kündigungsgrund ist im Hinblick auf Art. 3 I GG die Verheiratung des Arbeitnehmers (vgl. § 1 Vorbem. 2) und mit Rücksicht auf Art. 3 I I I 5 GG die politische Gesinnung und Betätigung, soweit nicht dadurch der Frieden unter den AN gestört wird (BAG 1, 185. A n m . 11 Kein Grund zur fristlosen Kündigung ist die A u f g a b e des G e s c h ä f t s oder die Einstellung gewisser Abteilungen. Denn grundsätzlich muß der Dienstberechtigte die w i r t s c h a f t l i c h e Gefahr des Betriebs tragen; er kann ihn nur unbeschadet der Ansprüche seiner Angestellten einstellen (vgl. RG 87, 351 B G H 24,92). Nur eine ganz besondere Gestaltung der wirtschaftlichen Lage, ein den Fortbestand ernstlich bedrohender Niedergang des Gesamtunternehmens kann eine andere Beurteilung rechtfertigen (vgl. RG J W 1927, 245 3 ; 1934. 925 1 ; RG H R R 1930 Nr. 772; RAG ArbRS 16, 477; 19, 21, 239; 21, 162, B A G 5, 20). Das gilt auch für den Konkursfall (RAG ArbRS 15, 507; 23, 192). Anordnung der Zwangsverwaltung als wichtiger Grund zur Kündigung des langjährigen Vertrags eines Angestellten im landwirtschaftlichen Nebenbetriebe s. RG 14, 216. Zwangsversteigerung eines Gutes als Grund zur Entlassung des dort Beschäftigten s. RAG DJZ 1933, 626. Zahlungseinstellung als wichtiger Grund zur Entlassung eines Schwerbeschädigten s. RAG ArbRS 16, 429. Entlassung wegen polizeilicher Untersagung des Gewerbebetriebes s. RAG ArbRS 19, 159; 21, 162; wegen Besorgnis polizeilicher Schließung und dadurch begründeter Unmöglichkeit einer ordnungsmäßigen Fortführung des Betriebes s. RAG ArbRS 24, 115. A n m . 12 T e i l n a h m e an einem legitimen Streik (vgl. BAG AP Nr. 2. 3 zu Art. 9 GG) berechtigt nach der Entscheidung der Großen Senats BAG 1. 291 den Arbeitgeber nicht zur fristlosen Entlassung der einzelnen Arbeitnehmer, wohl aber kann er als kollektive Gegenmaßnahme die Streikenden aussperren, alsdann endet das Arbeitsverhältnis. Die Wiedereinstellung der einzelnen steht in seinem Ermessen, falls eine Wiedereinstellungsklausel fehlt. Dagegen ist Teilnahme an einem wilden, d. h. von den Gewerkschaften nicht durchgeführten oder tarifwidrigen oder sozial inadäquaten Streik ein Verstoß gegen die Arbeitspflichten und berechtigt zur fristlosen Entlassung (vgl. BAG 2, 75 AP Nr. 2 Art. 9 GG). Uber den Begriff der Teilnahme vgl. BAG 4, 41. Bloße Verfehlungen eines B e t r i e b s r a t s m i t g l i e d e s gegen seine A m t s p f l i c h t e n bilden noch keinen wichtigen Kündigungsgrund; sie können aber zugleich einen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis enthalten und unter diesem Gesichtspunkt die Entlassung rechtfertigen (RAG ArbRS 33, 85; 34, 382 BAG 1, 185. Doch erhöht die Betriebsratseigenschaft nicht die Bedeutung seiner Pflichtverleszung (BAG 2, 139). A n m . 13 Die Entdeckung einer J a h r e zurückliegenden Vorstrafe eines Angestellten bildet im allgemeinen keinen Grund zur fristlosen Kündigung; auch nicht eine falsche damit zusammenhängende Auskunft, es sei denn, daß die Straftat für die jetzt von ihm aus607

§ 626 Anm. 14—16

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

zuübende Tätigkeit bedeutsam sein kann (RAG ArbRS 36, 347 BAG AP Nr. 2 zu § 123 BGB), welche die Gefahr begründen, daß der Dienstverpflichtete seine Vertragspflichten ordnungsmäßig zu erfüllen nicht imstande sein werde, können die Entlassung rechtfertigen, selbst wenn sich die Besorgnis später als unbegründet herausstellt (RG SeuffArch. 80 Nr. 118; J W 1933, 869). Anm. 14 Als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung kann unter Umständen auch schon der Verdacht einer pflichtwidrigen Handlung des Dienstverpflichteten in Betracht kommen; der Verdacht muß aber auf Tatsachen gegründet sein und so schwer wiegen, daß ein vernünftiger Mann unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Dienstverpflichteten daraus Mißtrauen gegen dessen Zuverlässigkeit schöpfen kann; auch erfordert die gegenseitige Treue, daß der Dienstberechtigte die Verdachtsgründe prüft und den Dienstverpflichteten nach Möglichkeit in der Aufklärung des Sachverhalts unterstützt, unter Umständen auch, daß er mit dem Ausspruch der fristlosen Entlassung bis zum Abschluß der polizeilichen Ermittlungen oder dem Ausgang eines Strafverfahrens wartet (BAG 2, 1. 207; 333). Über die Pflicht zur Wiedereinstellung nach Ausräumung des Verdachts vgl. BGH AP 611 Fürsorgepflicht Nr. 2 m. Anm. v. H u e c k . Auch ein nach polizeilichen Erhebungen begründeter Verdacht der Betriebssabotage kann genügen; Sache des Entlassenen wäre es demgegenüber, den Verdacht zu widerlegen (RAG ArbRS 21, 145; 25, 121), ebenso der Verdacht eines groben Vertrauensbruches RAG ArbRS 360. Anm. 15 Druckkündigung. Von außen her und ohne V e r s c h u l d e n des D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n auf das Dienstverhältnis einwirkende Ereignisse können die sofortige Lösung durch den Dienstberechtigten rechtfertigen, wenn sie eine Beziehung zur Person des D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n haben, und seine Weiterbeschäftigung als den berechtigten Interessen des Dienstberechtigten so schädlich oder doch gefährlich erscheinen lassen, daß diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dem Dienstberechtigten kann es auch bei unberechtigten, von Dritten gegen den Dienstverpflichteten erhobenen Vorwürfen nicht zugemutet werden, sich schützend vor diesen zu stellen, wenn nach vernünftigem Ermessen eine schwere Gefährdung der eigenen Interessen damit verbunden ist (RAG ArbRS 13, 184; 17,474; 22> 211; 23, 190, 194; 42, 103). BAG AP Nr. 1 § 626 (Druckkündigung). Anm. 16

III. Ausübung des Kündigungsrechts

Die Kündigung muß nicht sofort nach Bekanntwerden des wichtigen Grundes, aber doch i n n e r h a l b einer angemessenen Ü b e r l e g u n g s f r i s t erfolgen (RAG ArbRS 20, 208; 33, 97; 44, 121). Den Kündigungsgrund bei der Kündigung anzugeben ist nicht g r u n d s ä t z l i c h e r f o r d e r l i c h . Mit Rücksicht auf die Wirkung einer fristlosen Lösung des Dienstverhältnisses auf spätere Bewerbungen und zwar auch bei den selbständig Tätigen kann aber nach Treu und Glauben und der gegenseitigen Treupflicht eine Angabe der Gründe geboten sein und die unberechtigte Weigerung eine Schadensersatzpflicht oder auch das Recht zur fristlosen Kündigung des Entlassenen begründen (vgl. § 620 Anm. 8). Die Kündigung kann nachträglich auch auf andere als die ursprünglich geltend gemachten gestützt werden, vorausgesetzt, daß der Kündigende nicht durch sein früheres Verhalten zu erkennen gegeben hatte, daß er aus diesen Gründen nicht kündigen wolle (RAG ArbRS 12, 101). Aus Handlungen des einen Teils, mit denen der andere selbst vorher einverstanden war, kann der letztere regelmäßig einen Kündigungsgrund nicht ableiten; doch lassen sich Ausnahmefälle denken (HRR 1933 Nr. 5). Die Kündigung kann — nicht muß (BAG 4, 315) — statt mit sofortiger Wirkung, auch f ü r einen angemessenen späteren T e r m i n , also auch mit gesetzlicher kürzerer oder längerer Frist ausgesprochen werden (RAG ArbRS 44, 132, BAG 1, 185; 4, 20). Eine unbegründete fristlose Entlassung gilt aber nach § 11 II 608

Dienstvertrag

§626

Anm. 17

K S c h G im Zweifel nicht als Kündigung für den nächst zulässigen Termin, während nach der früheren Rechtsprechung ( R G 105, 1 3 3 ; 122, 28; R A G A r b R S 36, 49; 47, 143) die gegenteilige Vermutung bestand, es ist also Tatfrage. Nach § 1 1 I 2 K S c h G muß die Unwirksamkeit von dem Arbeitnehmer — ausgenommen leitenden Angestellten, Arbeitnehmer in Kleinbetrieben, weniger als 6 Monate beschäftigte oder noch nicht 20 J a h r e alt ( B A G 1, 2 7 1 , 279) — aber binnen 3 Wochen mittels K l a g e geltend gemacht werden, anderenfalls sie von Anfang wirksam ist (vgl. § 620 Anm. 1 1 ) . Ebenso wenn der Gekündigte mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden ist, und nur ein Zeugnis und seine Arbeitspapiere verlangt ( L A G Düsseldorf A P 51 Nr. 4 1 ) . Ergeben sich vor diesem Termin neue Entlassungsgründe, so kann dies noch nachträglich zu fristloser Auflösung des Dienstverhältnisses führen ( R A G J W 1929, 2 9 2 1 3 ) . I m m e r a b e r m u ß , w e n n §626 A n w e n d u n g f i n d e n s o l l , eine fristlose Kündigung a u s g e s p r o c h e n s e i n . Das bloße Vorliegen eines wichtigen Grundes löst das Dienstverhältnis nicht von selbst auf ( B A G 3 , 1 3 ) und der Kündigungsberechtigte muß seinen Willen fristloser Kündigung dem anderen Teil unzweideutig (sei es auch nur durch schlüssige Handlungen) zu erkennen gegeben haben. Eine ordentliche Kündigung läßt sich daher nicht einfach in eine solche nach §626 umdeuten, es muß sich vielmehrder Wille des Kündigenden, das Dienstverhältnis auf jedenFall sofort aufzulösen, aus seinen Erklärungen unzweideutig ergeben ( R G 1 2 2 , 3 8 ; R A G A r b R S 30,49,283 B A G A P Nr. 1 § 1 K S c h G ) . Es kann auch bei Kündigung mit vertraglicher Frist nicht die Ausübung des Rechtes auf fristlose Entlassung für längere Zeit vorbehalten bleiben ( R G 1 2 3 , 216). Eine grundlose oder vorzeitige Kündigung kann für den, dem sie zugeht, einen Antrag auf Aufhebung des Dienstverhältnisses enthalten (vgl. § 553 Anm. 4 ; R A G A r b R S 3 1 , 107) oder ihm einen begründeten Anlaß abgeben, nun seinerseits zu kündigen. Wird ein Dienstvertrag im gegenseitigen Einverständnis vorzeitig gelöst, dem Dienstverpflichteten aber als Abfindung die Fortzahlung des Gehalts bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugesagt, so tritt an die Stelle des bisherigen Dienstvertrages ein einseitiges Schuldverhältnis; für eine Anwendung des § 626 ist kein R a u m mehr ( R G 1. 7. 1925 I I I 88/25). Bedeutung einer fristlosen Kündigung nach vorgängiger Lösung des Dienstverhältnisses auf Grund der Vergleichsordnung s. H R R 1934 Nr. 793 (Arglisteinrede gegenüber Schadensersatzansprüchen) .

Anm. 17 5. V e r z i c h t , V e r W i r k u n g . O b ein Verzicht auf Kündigung wegen wichtigen Grundes im voraus zulässig ist, ist streitig. Mit der herrschenden Meinung wird indessen anzunehmen sein, daß auf das Recht, ein Dienstverhältnis fristlos aus wichtigem Grunde zu kündigen, n i c h t i m v o r a u s verzichtet werden kann. Denn die Vorschrift des § 626 soll die Erwerbs- und Geschäftsfreiheit der Beteiligten wahren und ist daher zwingender Natur. So auch R G 69, 365; R A G A r b R S 39, 206; R G J W 1 9 1 9 , 16, 240 6 ; 79, I vgl. auch Art. 12 G G . Das Gesetz beruht auf dem Gedanken, daß bei dem Dienstverhältnisse nicht vorgesehene Umstände eintreten können, welche die sofortige Aufhebung des Dienstverhältnisses erheischen, wenn nicht das Interesse der einen oder anderen Partei in unbilliger Weise geschädigt werden soll. Das Gesetz will bei unvorhergesehenen Ereignissen die Billigkeit entscheiden lassen und kann es daher nicht zulassen, das K ü n digungsrecht aus wichtigen Gründen i m v o r a u s auszuschließen oder zu beschränken. Das hindert zwar nicht, daß über die Wichtigkeit von Gründen zur fristlosen Kündigung des Dienstverhältnisses Vereinbarungen getroffen werden, namentlich auch nach der Richtung, daß nur gewisse Tatsachen oder gewisse Tatsachen nicht oder nur unter bestimmten erschwerenden Umständen einen wichtigen Grund bilden sollen, insbesondere auch, daß der Dienstverpflichtete in bezug auf Entlassungsmöglichkeiten einem Beamten gleichgestellt werden soll ( R G J W 1937, 1639 1 0 ; H R R 1937 Nr. 643; s. auch R A G A r b R S 2, 27; 40, 86; 4 1 , 199). Aber auch wenn die Parteien darüber einig waren, daß gewisse Tatsachen zur Aufhebung des Vertragsverhältnisses nicht berechtigen sollen, so können doch bei besonderer Gestaltung der Verhältnisse auch solche Gründe die Aufhebung herbeiführen; die Vereinbarung kommt dann nur bei der Entscheidung über die Frage der Wichtigkeit in Betracht ( R G 75, 238; R A G A r b R S 38, 30). Noch viel weniger kann aus dem Umstände, daß im Vertrage einzelne Kündigungs-

609

§ 626 Anm. 18, 19

§627

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

gründe festgelegt sind, geschlossen werden, daß nicht aus einem anderen Grunde gekündigt werden könne (RG WarnRspr. 1911 Nr. 175; RAG ArbRS 38, 90). Anm. 18 Das Kündigungsrecht darf auch nicht mittelbar wesentlich beschränkt werden, insbesondere nicht durch Vertragsstrafen (RG 75, 238). Es darf die fristlose Entlassung auch weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung noch durch Einzelvertrag von der Zustimmung der Betriebsvertretung abhängig gemacht werden. Die in § 66 BetrVG vorgeschriebene Anhörung des Betriebsrates vor der Kündigung ist auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG AP Nr. 14 zu §622; Nr. 10 zu §66 BetrVG). Zulässig ist dagegen eine Bestimmung, daß die Kündigungen, insbesondere fristlose Entlassungen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates oder einer höheren Dienststelle ausgesprochen werden dürfen, da dies nur eine interne Begrenzung der Vertretungsmacht ist. Unzulässig ist die Beschränkung der fristlosen Kündigung gegenüber einem Krankenkassenarzt durch die Vereinbarung, daß die Kasse den Arzt nur auf den Antrag des Vertrauensausschusses und nur nach zweimaliger zeitweiser Ausschließung von der Kassentätigkeit entlassen dürfe (RG J W 1919, 2406). Es ist aber zulässig, falls eine offene Handelsgesellschaft von einer politischen Partei nur zu dem Zwecke gegründet ist, das Parteiblatt nach den Weisungen der Partei herauszugeben, bei der Anstellung der Schriftleiter zu vereinbaren, daß sie, obgleich Angestellte der Gesellschaft, nicht von dieser, sondern ausschließlich von dem Vorstand oder einem anderen Organ der Partei entlassen werden dürfen (RG g6, 197). Vgl. § 723 Anm. 7. Anm. 19 Dagegen erscheint ein nachträglicher, auch stillschweigender, Verzicht zulässig; er kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Kündigungsgrund bereits eingetreten und von dem zu einer Geltendmachung Berechtigten trotz davon er langter Kenntnis l ä n g e r e Zeit nicht geltend gemacht worden ist (RG 38, 116; 122, 38); dies auch dann, wenn derjenige, gegen den ein Kündigungsgrund gegeben ist, nicht weiß, daß dieser dem Kündigungsberechtigten bekannt ist (RG 4. 1. 1927 III 32/26); sof o r t i g e Geltendmachung ist nicht vorgeschrieben (vgl. HGB §§ 70, 75; RG 56, 373; RAG 16, 41); insbesondere bedeutet die Entlassung mit einer Frist keinen Verzicht auf das Recht der fristlosen Entlassung, namentlich gegenüber einem Betriebsratsmitglied (RAG 1, 188). Der Dienstberechtigte darf unter Umständen den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten, ehe er die Entlassung ausspricht (RAG ArbRS 15, 383; 20, 6 1 ; 28, 64), er darf aber mit der Aufklärung des Vorfalles und der Kündigung nicht so lange warten, daß der AN darin einen Verzicht erblicken kann (RAG ArbRS 28, 64). Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung können von einem neuen Vereinsvorstand nicht als Entlassungsgrund gegen den Geschäftsführer geltend gemacht werden, wenn der frühere Vereinsvorstand trotz ihrer Kenntnis den Anstellungsvertrag verlängert hatt (RAG ArbRS 23, 163). Von dem Verzicht auf das Kündigungsrecht ist zu unterscheiden die V e r z e i h u n g , mit der zum Ausdruck kommt, daß der sonst etwa zur Kündigung Berechtigte ein Verhalten des andern Teils selbst nicht für so schwerwiegend hält, daß ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zuzumuten sei. Die Verzeihung verhindert die Entstehung eines Kündigungsrechts oder entzieht einem bereits entstandenen nachträglich die rechtfertigende Grundlage. Eines (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Verzichts auf das Kündigungsrecht bedarf es dazu nicht. — Soweit die Voraussetzungen für einen Verzicht im einzelnen Falle nicht vorliegen, kann doch das Recht zur Kündigung durch längeres Nichtgeltendmachen nach Treu und Glauben gemäß § 242 v e r w i r k t sein (RG J W 1938, 1403 17 ; RAG ArbRS 18, 302; 26, 7; 27, 14; 28, 1 2 1 ; 38, 226).

§ 627 Hat der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnisse mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, so ist die Kündigung auch ohne die im § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig. 610

Dienstvertrag

§ 627 A n m . 1, 2

§628

Der Verpflichtete darf nur i n der Art kündigen, daß sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, e s sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, s o hat er d e m Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. E U j6J III 618; P2 302

Anm. 1 1. Kündigung bei Diensten höherer Art, z. B. Diensten als Arzt (auch als sog. Hausarzt), Lehrer, Rechtsanwalt (RG WarnRspr. 1926 Nr. 165), Künstler, Hebamme, Kommissionär (RG J W 1905, 2017) Inkassobeauftragter (OLG Hamburg GJ 41, 797)Kommissionsvertrag s. RG SeuffArch. 87 Nr. 147. Vgl. § 622. Die Vorschrift findet sowohl auf dauernde, als auf nicht dauernde Dienstverhältnisse Anwendung (RG 80, 30). Hierher gehört z. B. auch der Fall, daß eine große Fabrik die „gesamte Führung ihrer Feuerversicherungsgeschäfte" einem Versicherungsagenten ausschließlich überträgt (RG 26. 5. 1925 I I I 351/24). Es genügt aber nicht, daß die Dienste eine besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen und regelmäßig nur solchen Personen übertragen werden, die diese Eigenschaften besitzen oder bei denen sie erwartet werden. Es muß hinzukommen, daß die Dienste i m a l l g e m e i n e n — gleichgültig, ob im einzelnen Fall — n u r z u f o l g e b e s o n d e r e n V e r t r a u e n s ü b e r t r a g e n z u w e r d e n p f l e g e n (RG 82, 283; 146, 116). Die Vorschrift gilt daher nicht für das Dienstverhältnis des bauleitenden Architekten (RG 82, 285; a. M. OLG Hamm SJZ 50, 751). Sie ist auch nicht auf Schiedsrichter anwendbar. Der Schiedsrichter kann nur kündigen, wenn ihm ein wichtiger Grund zur Seite steht (RG 59 S. 247, 249; 101, 389; 126, 382; RG 12. 4. 1932 VII/31). — § 627 greift nicht Platz bei einem d a u e r n d e n D i e n s t v e r h ä l t n i s s e m i t f e s t e n B e z ü g e n . Sind beide Erfordernisse erfüllt, so gilt für die sofortige Kündigung § 626 (RG 80, 29). Eine mehrjährige Dauer kann vertraglichen Beziehungen die Eigenschaft eines dauernden Dienstverhältnisses auch dann geben, wenn diese Dauer nicht von vornherein in Aussicht genommen, sondern erst das Ergebnis späterer Entwicklung der Vertragsbeziehungen gewesen ist (RG 146, 116). Die Annahme eines Dienstverhältnisses mit festen Bezügen wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß daneben auch noch andere, im Betrage schwankende Bezüge vorgesehen sind (RG 146, 116). Keine Anstellung mit festen Bezügen liegt vor, wenn die Bezüge sich in jedem J a h r nach der Verschiedenheit der Menge von abgelieferten landwirtschaftlichen Erzeugnissen verschieden gestalten (RG 17. 1. 1922 I I I 87/20).

Anm. 2 2. Das Kündigungsrecht steht b e i d e n T e i l e n zu, die aber, anders als beim § 626, auf dessen Geltendmachung vorher v e r z i c h t e n können (RG 105, 416). Zur Ausschließung der Vorschrift des § 627 bedarf es indessen eines hinreichend bestimmten Ausdrucks des hieraufgerichteten Parteiwillens; ob er vorliegt, ist Frage des Einzelfalls (vgl. RG 80, 29; 105, 416 mit RG 69, 365). Ausschließung der Vorschrift bei Kassenärzten s. RG H R R 1932 Nr. 1440. Die Kündigung setzt nicht voraus, daß eine Störung des Vertrauensverhältnisses eingetreten ist, kann auch aus anderen z. B. finanziellen Gründen erfolgen (RAG ArbRS 15, 533). — Die im Zeitpunkt der Kündigung bereits entstandenen Vergütungsansprüche bleiben bestehen; für Rechtsanwälte s. § 5 0 RAGebO und RG WarnRspr. 1926 Nr. 165 (Kündigung eines Anwaltsvertrags durch den Anwalt wegen Nichtzahlung des verlangten Vorschusses). Anm. 3 3. Vgl. § 671 Abs. 2, 3. Im übrigen ist diese unzeitige Kündigung nicht unwirksam.

§ 628 Wird nach d e m Beginne der Dienstleistung d a s Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, s o kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Kündigt

611

§ 628 A n m . 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

e r , ohne d u r c h v e r t r a g s w i d r i g e s V e r h a l t e n des anderen Teiles dazu v e r a n l a ß t zu sein, oder v e r a n l a ß t e r d u r c h sein v e r t r a g s w i d r i g e s V e r h a l t e n die K ü n digung des a n d e r e n Teiles, so steht i h m ein A n s p r u c h auf die Vergütung i n s o w e i t nicht zu, a l s seine bisherigen Leistungen infolge d e r Kündigung f ü r den a n d e r e n Teil kein Interesse haben. Ist die V e r g ü t u n g f ü r eine s p ä t e r e Zeit i m v o r a u s entrichtet, so h a t d e r Verpflichtete sie n a c h M a ß g a b e des § 3 4 7 oder, w e n n die Kündigung w e g e n eines U m s t a n d e s e r f o l g t , den e r nicht zu v e r t r e t e n hat, n a c h den V o r s c h r i f t e n ü b e r die Herausgabe einer u n g e r e c h t f e r t i g t e n Bereicherung z u r ü c k z u e r s t a t t e n . W i r d die Kündigung d u r c h v e r t r a g s w i d r i g e s V e r h a l t e n des a n d e r e n Teiles v e r a n l a ß t , so i s t dieser z u m E r s ä t z e des d u r c h die A u f h e b u n g des D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s entstehenden S c h a d e n s v e r p f l i c h t e t . E I 566 II 566; M 2 468—470; P 2 301E Anm. 1 1 . Der § 628 behandelt im Abs. 1 als v e r z i c h t b a r e Vorschrift den A n s p r u c h d e s Verpflichteten auf Vergütung bei der außerordentlichen Kündigung nach § 626 oder § 627, m a g diese Kündigung vom Berechtigten oder vom Verpflichteten erfolgt sein. Doch wird dabei vorausgesetzt, daß die Kündigung, besonders wenn sie vom Verpflichteten ausgeht, eine nach den angeführten Paragraphen g e r e c h t f e r t i g t e w a r ( R A G A r b R S 5, 52). W a r sie i m Falle des § 626 in Ermangelung eines wichtigen Grundes n i c h t g e r e c h t f e r t i g t , so steht dem anderen Teile, da hierdurch das Vertragsverhältnis nicht beendigt ist, ein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz zu, und namentlich ist die Bestimmung in Satz 2 des Abs. 1 nicht anzuwenden. Ist ein Schaden entstanden, der über die Zeit der Vertragsdauer hinausreicht, so ist auch dieser zu ersetzen. Das Gesetz kennt keine Beschränkung des zu ersetzenden Schadens auf die Vertragszeit (vgl. M 2, 470 und R G J W 1912, 747 1 1 ; WarnRspr. ig 10 Nr. 267). Bei Unmöglichkeit der Leistung kommen die allgemeinen Bestimmungen der §§ 323 fr. in Betracht. Doch ist für die Anwendung der §§ 325, 326 neben den Sondervorschriften der §§626—628 kein R a u m (RG 92, 158; J W 1911, 106 40 ; 1912, 73 1 2 ; Gruchot 56, 598; H R R 1934 Nr. 794). — Die Vorschrift des § 628 ist grundsätzlich auf alle Dienstverhältnisse anwendbar, auch auf das Agenturverhältnis (RG J W 1911, 106 40 ; WarnRspr. 1914 Nr. 80). Anm. 2 2. Die Teilvergütung ist zugleich mit Berücksichtigung der für die Dienstleistung notwendig gewordenen Auslagen bei Zeitlohn wesentlich nach der bereits verwendeten Zeit, bei Stücklohn nach dem Verhältnis der geleisteten Arbeit zu berechnen. •— Besondere Vorschriften für die Rücknahme des einem Rechtsanwalt erteilten Auftrags vor Beendigung der Instanz in R A G e b O § 50 (dazu H R R 1934 Nr. 794). Über den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts, der die Vertretung vorzeitig niederlegt, s. LZ 1918, 654 3 . Anm. 3 3. In den beiden hier angegebenen Fällen der vorzeitigen Kündigung steht dem Dienstpflichtigen ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den andern Teil kein Interesse haben. Beispiel: Ein Musikdirektor in einem Badeorte nimmt für die Sommermonate einen Sologeiger zur Mitwirkung bei den Kurkonzerten gegen eine monatliche Vergütung von 400 D M an. Nachdem der Geiger zunächst eine Woche lang in Konzertproben mitgewirkt hat, muß er wegen plötzlicher Erkrankung das Vertragsverhältnis kündigen. Ein Anspruch auf einen entsprechenden Teil der monatlichen Vergütung steht ihm nicht zu, da seine auf die Proben beschränkten Leistungen für den Konzertgeber kein Interesse gehabt haben. — B e w e i s l a s t : Der D i e n s t p f l i c h t i g e hat zu beweisen, daß die Dienstleistung bis zur Kündigung erfolgt sei und die geforderte Vergütung ihr entspreche; den D i e n s t b e r e c h t i g t e n trifft die Beweislast dafür, d a ß der Dienstpflichtige ohne vertragswidrigen Anlaß von Seiten des Berechtigten gekündigt oder seinerseits durch 612

Dienstvertrag

§ 628 A n m . 4, 5 §629

vertragswidriges Verhalten dessen Kündigung veranlaßt und die bisherige Dienstleistung infolge der Kündigung für den Berechtigten kein Interesse habe. Anm. 4 4. Zu Abs. i S. 3; vgl. §543 Anm. 3 u. 4. Für Dienstverhältnisse des öffentlichen Rechtes sind dessen Grundsätze, nicht § 628 Abs. 1 Satz 3 anzuwenden (RG 107, 189). Anm. 5 5. Abs. 2 gibt bei vertragswidrigem, d. i. schuldhaft vertragswidrigem (RG 112, 34; WarnRspr. 1914 Nr. 80; LZ 1924, 4614) Verhalten des Gegners des Kündigenden, mag dies der Berechtigte oder der Verpflichtete sein, dem Kündigenden einen Anspruch auf Schadensersatz, bei einem gemeinsamen schuldhaften Verhalten mehrerer mit Haftung als Gesamtschuldner (s. § 840 Abs. 1 und RG 47, 246). Eine unverschuldete, aber kraft besonderer Abrede vom Gegner des Kündigenden zu vertretende Vertragswidrigkeit ist einer schuldhaften gleichzustellen (RG Gruchot 57, 961). Die Vorschrift des Abs. 2 beruht nicht auf den Besonderheiten des Dienstvertrags, sondern auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatze, daß, wer durch sein vertragswidriges Verhalten den Grund zur Vertragsauflösung gibt, den Schaden zu tragen hat. (RG 76, 370; vgl. §554 Anm. 1.) Bei v e r t r a g s w i d r i g e m V e r h a l t e n des D i e n s t b e r e c h t i g t e n (insbesondere auch bei Nichtzahlung des Gehalts) kann der Verpflichtete den vollen Lohn (Gewinnanteil, RG WarnRspr. 1920 Nr. 21) auf die Dienstzeit unter Anrechnung des von ihm in der betreffenden Zeit etwa gemachten Nebenverdienstes, gemäß §615 Satz 2, als Schadensersatz beanspruchen. Die früher vielfach vertretene Meinung, daß der Lohnanspruch mit dem Ablauf der zulässigen Kündigungsfrist entfalle, läßt sich für das Arbeitsverhältnis nicht mehr aufrecht erhalten. Denn der Arbeitgeber hat kein freies Kündigungsrecht mehr, das Arbeitsverhältnis endet vielmehr nur, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht gemäß § 3 KSchG geltend gemacht oder das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufgehoben wird (§ 7), bis dahin besteht es fort. Demnach ist der Lohn solange fortzuzahlen, bis der Gekündigte einen anderweitigen Verdienst erwirbt oder zu erwarten böswillig unterläßt (vgl. H u eck Lehrbuch I 651). Der Schadensersatzanspruch unterliegt in diesem Falle der gleichen Verjährung wie die Lohnforderung (vgl. § 196 Nr. 8 und RG J W 1918, 550). Der ungerecht Entlassene kann aber auch den Ersatz des Schadens verlangen, der ihm über die Vertragsdauer hinaus infolge der Kündigung, z. B. in der Richtung entsteht, daß er er keine so vorteilhafte Stellung mehr erhält, als er im Falle einer ordentlichen Kündigung hätte erhalten können (RG J W 1912, 74711; WarnRspr. 1910 Nr. 267). Im einzelnen ist es Sache des Anspruchsberechtigten zu behaupten und zu beweisen, daß, wodurch und in welcher Höhe er Schaden erlitten hat (RAG ArbRS 5, 67). Über den Unterschied zwischen einer Kündigung des Arbeitnehmers mit der Folge aus § 628 Abs. 2 wegen einer Vertragsverletzung des Arbeitgebers und der Zurückhaltung der Arbeitsleistung mit der Folge aus § 298 s. RAG ArbRS 5, 52. Vgl. insbesondere wegen des Schadensersatzanspruchs im Konkurse des Dienstberechtigten bei Kündigung durch den Verwalter K O § 22 Abs. 2 und für die Kündigung im Falle des gerichtlichen Vergleichsverfahrens Vergleichsordnung v. 26. 2. 1935 (RGBl. I, 321) §§ 52, 53.

§ 639 Nach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses hat der Dienstberechtigte dem Verpflichteten auf Verlangen angemessene Zeit z u m Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu gewähren. K B 1978.

Anm. Gewährung von Zeit z u m Aufsuchen eines anderen Dienstes. Z w i n g e n d e Vorschrift (RAG ArbRS 3, 21), die auch entsprechende Anwendung findet, wenn ohne Kündigung, nur durch Z e i t a b l a u f , das Dienstverhältnis demnächst zu Ende gehen wird. Es ist dabei einerlei, wer gekündigt hat. Die Vergütung ist für die zum

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§ 630 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Aufsuchen eines anderen Dienstes erforderliche, nicht übermäßige Zeit gemäß § 616 weiter zu zahlen. Ein vertraglicher Ausschluß dieses aus der Fürsorgepflicht fließenden Anspruches wird nur unter ganz besonderen Umständen als gewollt anzusehen sein; die Klausel „Bezahlt wird nur die geleistete Arbeit" wird sich in der Regel nicht darauf erstrecken (vgl. § 615 Anm. 1 a. E.); so BAG 4, 189 gegen RAG ArbRS 3, 23. Bei Verweigerung der Freizeit kann der Dienstverpflichtete von der Arbeit fortbleiben, ohne daß etwa deswegen der Dienstberechtigte fristlos kündigen oder die Fortzahlung des Lohnes verweigern könnte, RAG ArbRS 3, 2 1 ; LAG Berlin AP 51 Nr. 48. — Ersatz der Reisekosten kann der AN von dem Unternehmer nur verlangen, wenn er zur persönlichen Vorstellung aufgefordert ist, nicht aber wenn er ohne solche Aufforderung die Fahrt unternimmt, RAG ArbRS 14, 3 4 1 ; 36, 44.

§630 B e i der B e e n d i g u n g eines dauernden D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s kann der Verpflichtete v o n d e m anderen Teile ein schriftliches Zeugnis über das D i e n s t verhältnis und d e s s e n Dauer fordern. D a s Zeugnis i s t auf Verlangen auf die Leistungen und die F ü h r u n g i m Dienste zu erstrecken. E II 568 II I 620; P 2 307.

Anm. 1 1. Verpflichtung des Dienstberechtigten zur Erteilung eines Z e u g n i s s e s . Die z w i n g e n d e Vorschrift des § 630 gilt auch für Hausgehilfen. Die besonderen Vorschriften der Gesindeordnungen sind aufgehoben (Vorbem. 2a vor § 6 1 1 ) . — §630 kann trotz seines allgemeinen Wortlauts nicht auf alle dauernden Dienstverhältnisse angewendet werden, ist vielmehr regelmäßig nur anwendbar auf solche Dienstverhältnisse, bei denen der Dienstberechtigte über Zeit und Arbeitskraft des Dienstpflichtigen unmittelbar verfügt und die infolgedessen eine p e r s ö n l i c h e A b h ä n g i g k e i t und U n t e r o r d n u n g begründen. Aus dieser Erwägung ist in RG 87, 440 eine Anwendung auf A g e n t u r V e r h ä l t n i s s e ganz allgemein für ausgeschlossen erklärt worden. Die seither eingetretene soziale Umschichtung der noch persönlich selbständigen Personen des Wirtschaftslebens gebietet aber eine weitgehende Gleichstellung persönlich selbständiger aber Wirtschaft lieh a b h ä n g i g e r Personen mit den Angestellten eines Unternehmers (vgl. § g2a HGB Art. 3 des Handelsvertreterges. v. 6. 8. 1953 [BGB I 771]). Demgemäß ist in RAG ArbRS 27, 7 dem arbeitnehmerähnlichen Handlungsagenten der Anspruch auf ein Zeugnis im Sinne des § 630 zugesprochen worden, wie er sich für den Handlungsgehilfen schon aus § 73 HGB ergibt. Ein einfacher Arbeiter kann, auch wenn er nur einen Tag als Vorarbeiter bei dem seitherigen Dienstherrn beschäftigt war, von diesem ein Zeugnis über letztere Tätigkeit verlangen (RG 9. 5. 1915 I I I 4/05). Für Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge s. HGB §§ 73 u. 80, für gewerbliche Arbeiter GewO § 1 1 3 , für Schiffsleute SeemG § 19. Wie nach der früheren Rspr. (RAG ArbRS 9, 168; 20, gg) besteht auch nach der neuen Fassung des § 174 II A V A V G ein privatrechtlicher, vor den Arbeitsgerichten einklagbarer Anspruch des AN gegenüber dem A G auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung. Daraus, daß in Abs. 2 jetzt das Wort „Arbeiter" fehlt, das Arbeitsamt gemäß §§217, 218 die Ausstellung durch Ordnungsstrafen erzwingen und nach § 260 Schadensersatz verlangen kann, folgt entgegen K r e b s A V A V G Anm. 9 zu § 174 nicht, daß nicht ebenso wie in der Sozialversicherung (vgl. § 6 1 1 A 10) neben der öffentlichrechtlichen Pflicht auch eine aus der Fürsorgepflicht fließende arbeitsvertragliche Pflicht bestehen kann, zumal der Schaden des A N ein ganz anderer als der der Bundesanstalt sein kann (so auch H u e c k Lehrb. I 427, D e r s c h [5] 7246). Anm. 2 2. B e i der B e e n d i g u n g d e s D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s . In der Regel also erst beim Ausscheiden, doch wird aus dem Zweck des Zeugnisses, dem Dienstverpflichteten das Fortkommen zu erleichtern, nach Treu und Glauben gemäß § 242, für das Arbeits-

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Dienstvertrag

§630 Anm. 3, 4

recht auf Grund der Fürsorgepflicht auf Verlangen ein (wenigstens vorläufiges) Zeugnis auch schon vor der Beendigung des gekündigten Dienstverhältnisses zu erteilen sein, und zwar nicht erst nach dem gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungstermin, sondern auch vorher, wenn der A N vorzeitig seine Absicht, die Stellung aufzugeben, kundgibt. Denn falls nicht besondere Gründe vorliegen, darf der A G schon im Hinblick auf Art. 2 G G und auf Grund seiner Treupflicht den A N in dem Streben, eine bessere oder ihm sonst zusagende Stellung zu erlangen, nicht hinderlich sein und dadurch etwa einen Druck auf ihn ausüben, in seiner Stellung zu verbleiben (str.). Nach denselben Grundsätzen wird das Zeugnis auf Verlangen auch noch innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Dienstverhältnisses zu erteilen sein. Daß ein Arbeitnehmer nicht nachträglich wirksam auf ein Dienstzeugnis verzichten könne, läßt sich in dieser Allgemeinheit nicht sagen ( R A G A r b R S 8, 4 5 ; 1 7 , 464).

Anm. 3 3. Das einfache Zeugnis hat die ausgeübte Tätigkeit in der üblichen Weise zu be-

zeichnen, unter Umständen sie auch näher zu schildern, wenn dies für das Fortkommen des A N von Bedeutung sein kann ( R A G A r b R S 1 7 , 382). Unter der Dauer ist nur die Gesamtheit der Beschäftigung anzugeben, Unterbrechungen durch Krankheit und aus sonstigen Gründen sind nicht zu erwähnen, ebenso auch nicht der Beendigungsgrund. Das Zeugnis braucht nicht beglaubigt zu werden, verlangt es der Dienstverpflichtete, so hat er die Kosten zu tragen, soweit sie nicht gemäß §§ 73, 80 H G B , § 1 1 4 G e w O , § 20 SeemG von der Polizei kostenfrei zu erteilen ist.

Anm. 4

4. Ein F ü h r u n g s - und Leistungszeugnis darf nur auf Verlangen erteilt werden.

Wird aber die Erstreckung auf Führung und Leistung verlangt, so kann der Dienstberechtigte dies nicht mit der Begründung verweigern, das Zeugnis müsse insoweit ungünstig ausfallen ( R A G A r b R S ig, 237). Besteht der Dienstverpflichtete auf einem erweiterten Zeugnis, so ist das Zeugnis in beider Hinsicht wahrheitgemäß zu erteilen. Ein nur auf die Leistungen oder die Führung beschränktes Zeugnis — neben den Angaben über Art und Dauer — kann nicht verlangt werden, da das erweiterte Zeugnis ein wahrheitsgemäßes Gesamtbild der Persönlichkeit, auch in charakterlicher Hinsicht geben soll ( R A G A r b R S 25, 107 und überwiegende Meinung des Schrifttums). — Die F a s s u n g d e s Z e u g n i s s e s steht im allgemeinen im Ermessen des Dienstberechtigten. Es müssen aber die gesetzlichen und verkehrsüblichen Bezeichnungen verwendet werden und alle für die Beurteilung wichtigen Tatsachen so genau angegeben werden, daß sich der neue A G ein vollständiges und klares Bild von der Persönlichkeit und Beschäftigung machen kann. Dagegen darf er keine Angaben machen, die mit dem Zweck des Zeugnisses nicht zusammenhängen oder, ohne durch ein berechtigtes Interesse des Dienstherrn geboten zu sein, dem Dienstpflichtigen schaden können. Unzulässig ist auch ein Vermerk über den Kündigungsgrund, wenn dieser, wie etwa eine Verfehlung vor dem Diensteintritt, weder mit der dienstlichen Führung noch mit den dienstlichen Leistungen im Zusammenhang steht, jedoch kann die Angabe, daß der A N selbst gekündigt habe, bedeutsam und deshalb erwünscht sein ( R A G A r b R S 30, 138). Das Zeugnis über die F ü h r u n g muß ein zusammenfassendes Urteil über das gesamte dienstliche Verhalten des Angestellten enthalten, soweit seine Führung in Betracht kommt, nicht nur nach einzelner Richtung, sonst kann Ergänzung verlangt werden (SeuffArch. 69 Nr. 37). Der Dienstpflichtige hat ferner Anspruch auf A b ä n d e r u n g des ausgestellten Zeugnisses, wenn diesem unwahre T a t s a c h e n zugrunde gelegt sind ( R A G A r b R S 26, 22), wofür den D i e n s t p f l i c h t i g e n die Beweislast trifft ( R G Recht 02, 482). — Wissentlich unwahre Angaben von Tatsachen mit dem Bewußtsein der Möglichkeit schädlicher Folgen verpflichten den Dienstberechtigten auch zum Schadensersatze gegenüber einem späteren Dienstherrn des Verpflichteten nach § 8 2 6 ( R G J W 1905, 369®). Ein falsches, die S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t g e g e n ü b e r D r i t t e n begründendes Zeugnis stellt auch derjenige aus, der es auf eine bestimmte Eigenschaft (z. B. Ehrlichkeit) nicht erstreckt und dadurch den Schein erweckt, als ob diese Eigenschaft vorhanden sei, während sie in Wirklichkeit nicht vorhanden ist (SeuffArch. 72 Nr. 189; vgl. auch R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 76 und R G A r b R S 3 1 , 74). Andererseits darf bei Berufen, bei denen 40 Komm. z. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Denecke)

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§ 630 A n m . 5 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Vor § 631 A n m . 1 das Fehlen eines Vermerks über die Ehrlichkeit im Sinne des Fehlens dieser Eigenschaft gedeutet zu werden pflegt, der Dienstberechtigte, bei Meidung einer S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t g e g e n ü b e r d e m D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n , die Bescheinigung der Ehrlichkeit nur dann verweigern, wenn entweder wirklich ein unredliches Verhalten oder doch ein durch Tatsachen begründeter Verdacht für ein solches vorliegt (RAG ArbRS 33, 27). Treu und Glauben, bzw. Treu- und Fürsorgepflicht verlangen, daß der Dienstberechtigte in solchen Fällen besonders sorgfältig prüft, gegebenenfalls auch den Dienstverpflichteten in der Aufklärung des Sachverhalts unterstützt. Das Zeugnis über Leistungen und Führung enthält immer ein Urteil und umschließt insoweit ein subjektives Moment; es kann daher, soweit es sich um lediglich subjektiv zu würdigende Leistungen handelt, dem Arbeitgeber auch nur ein subjektiv richtiges Urteil zugemutet werden; das Zeugnis muß aber wahr sein und darf nicht einzelne Vorfälle erwähnen, die für Dritte ein falsches Bild erwecken (RAG ArbRS 17, 382) ; und es muß auf einer objektiven Würdigung beruhen und nicht etwa schlechtweg der subjektiven Auffassung des Dienstberechtigten, sondern einer sachlichen Beurteilung entsprechen, wie sie ein verständiger und gerecht denkender Mann haben und aussprechen würde (RAG ArbRS 4, 166; 17, 382; 33, 27). Er darf nicht Leistungen höher bewerten, als sie zu bewerten sind (RAG ArbRS 19, 20). Die Aufnahme des Verdachts einer strafbaren Handlung in das Zeugnis ist nicht zulässig (RAG ArbRS 4, 166). Da der Dienstberechtigte aus einem falschen Zeugnis unter Umständen Dritten gegenüber haftet, muß er auch das Recht haben, ein solches Zeugnis zu w i d e r r u f e n und das unrichtige Zeugnis gegen Aushändigung eines zutreffenden zurückzufordern (vgl. H u e c k Lehrbuch I 423; L A G Frankfurt AP 52 Nr. 77). Anm. 5 5. Da ein Leistungs- und Führungszeugnis immer nur allgemein gehalten sein kann, für das Fortkommen der Dienstverpflichteten nähere Angaben aber von Bedeutung sein können, ist der Dienstberechtigte in Nachwirkung seiner Treu- und Fürsorgepflicht auch gehalten, später auf Anfrage eines anderen Unternehmers eingehende Auskunft über die Leistungen und Führung zu geben. Bei Weigerung oder unrichtiger Auskunft haftet er nicht nur aus unerlaubter Handlung, wie das RAG ArbRS 26, 256; 33, 74 noch annahm, sondern aus dem Vertrage wegen Verstoßes gegen seine Fürsorgepflicht (so überwiegende Meinung des Schrifttums vgl. H u e c k Lehrbuch I 429, N i k i s c h Arbeitsrecht I 706 und auch RAG ArbRS 42, 145). Diese Grundsätze gelten auch für Behörden. Eine Geheimhaltungspflicht besteht für sie nicht, sie kann einer anderen Behörde im Wege der gegenseitigen Amtshilfe gemäß Art. 35 GG die Personalakten überlassen (vgl. BAG AP § 630 Nr. 1), wird jedoch unter Umständen darauf hinweisen müssen, daß gewisse dem Angestellten ungünstige Vorgänge nicht völlig geklärt sind (vgl. auch BAG AP § 611 Fürsorgepflicht Nr. 1).

Siebenter Titel Werkvertrag Vorbemerkungen Anm. 1 1. Begriff und rechtliche Natur des Werkvertrags. Nach dem BGB ist der Werkvertrag gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320ff., durch den sich der eine Teil (Unternehmer) zur Herstellung des versprochenen Werkes, d. h. zur Herstellung oder Veränderung einer Sache oder zur Herbeiführung eines anderen, durch Arbeit oder Dienstleistung zu bewirkenden E r f o l g e s , der andere (Besteller) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Das durch den Werkvertrag begründete Schuldverhältnis steht unter dem Gebot von T r e u u n d G l a u b e n (§ 242), so daß unter Umständen der Besteller bei der Vertragserfüllung nicht immer auf sein starres Vertragsrecht bestehen darf, sondern auf Schwierigkeiten, die dem Unternehmer aus der be-

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Werkvertrag

V o r § 631 Anm. 1

sonderen Art oder den Zeitverhältnissen entstehen, Rücksicht nehmen u n d ihm bei Beseitigung dieser Schwierigkeiten helfen oder einen Teil der entstandenen Mehrkosten übernehmen m u ß (RG 150, 91). Aus dem Begriffe des Werkvertrags ergibt sich sein U n t e r s c h i e d : a) vom D i e n s t v e r t r a g , bei dem die entgeltliche Dienstleistung als solche, das Wirken ohne Rücksicht auf das Ergebnis, von den Parteien ins Auge gefaßt wird; b) vom K a u f v e r t r a g , der die entgeltliche Lieferung einer bereits fertigen Sache ohne Rücksicht auf den Gang ihrer Herstellung betrifft; c) vom A u f t r a g , der die unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat, und endlich d) von der M i e t e , welche in der entgeltlichen Gewährung des Gebrauchs einer Sache besteht, wie z. B. auch die zeitweise Überlassung eines zu erbauenden Zirkus (RG 13, 209) Miete ist. Beförderung von Sachen des einen Vertragsteils durch Wagen des andern, sowie das A b s c h l e p p e n eines beschädigten Kraftwagens durch einen anderen, ist Frachtvertrag, wenn die Sachen, der Kraftwagen völlig der O b h u t des Führers des anderen Wagens anvertraut ist, es ist Werkvertrag, wenn Gegenstand der Leistung nur die reine Beförderung, das Abschleppen ist, die Ware, der Wagen in der O b h u t des Eigentümers bleibt, es ist Mietvertrag wenn nur der Wagen zur Beförderung, zum Abschleppen zur Verfügung gestellt wird. Mietvertrag mit Dienstverschaffungsvertrag, wenn auch der Fahrer des Wagens gestellt wird, die Leitung aber dem Besteller verbleibt (vgl. R G 98, 328; H R R 26 Nr. 11; OHG Köln K R S 2, 12). Vielfach sind die genannten Verträge miteinander verbunden, wie z. B. Werkvertrag und Kaufvertrag (RG 11, 263); über den Werklieferungsvertrag vgl. § 651. In ähnlicher Weise kann eine Verbindung von Werkvertrag und Miete eintreten, z. B. bei der Eisenbahnbeförderung mit Platzkarte. Die Übernahme der Verpflichtung, ein Wohngebäude mit einer Sammelheizungsanlage zu versehen, ist Werkvertrag, nicht Kauf oder Werklieferung (RG 14. 1. 1919 V I I 288/18). O b der Lohndreschvertrag Miete mit untergeordneter Dienstleistung oder Werkvertrag ist, hängt von der Stellung des Führers der Dreschmaschine und der Gestellung weiterer Leute ab, vgl. R G 172, 85 und Vorbem. 2 vor § 535. Abbruch eines Hauses als Kauf-, nicht Werkvertrag s. R G WarnRspr. 1922 Nr. 96. Der Vertrag auf L i e f e r u n g e l e k t r i s c h e r E n e r g i e ist nicht Kauf, aber nach den Regeln des Kaufs zu beurteilen, da die Elektrizität zwar nicht Sache ist, aber nach der Verkehrsauffassung als Ware betrachtet wird (RG 56, 404; 67, 232; 86, 13). Für die Verjährung findet daher gegebenenfalls §477, nicht §638 Anwendung (RG J W 1930, 1924 1 ). Zur Frage der Prüfungsund Überwachungspflicht des Lieferers elektrischen Stroms s. R G SeuffArch. 82 Nr. 143. Die Scheidelinien zwischen den einzelnen Vertragsarten sind unter Umständen schwer feststellbar und werden leicht überschritten. So kann der B ü h n e n a n s t e l l u n g s v e r t r a g , wenn es sich u m ein einzelnes Gastspiel handelt, als Werkvertrag, sonst aber als Dienstvertrag, und ferner die L i e f e r u n g e i n e r M a s c h i n e , wenn sie schlechthin stattfinden soll, als Kaufvertrag, in dem Falle aber, wenn die Art ihrer Herstellung, die Anpassung an einen bestimmten R a u m oder Betrieb vereinbart ist, als Werkvertrag sich darstellen. Die Aufstellung der Maschine ist beim Maschinenlieferungsvertrag in der Regel nur unselbständige Nebenleistung, ausnahmsweise kann sie auch den Gegenstand eines besonderen, dem Lieferungsvertrag als Hauptvertrag hinzugefügten Nebenvertrags (Werkvertrags) bilden. Soll darüber hinaus der Vertrag im ganzen mit Rücksicht auf die Vereinbarungen über die Aufstellung kein Kaufvertrag (§ 433) und kein Werklieferungsvertrag (§651), sondern ein Werkvertrag (§631) sein, so müssen ganz besondere Umstände vorliegen, die für eine solche Deutung sprechen (RG 23. 10. 1917 V I I 178/17; 14. 1. 1919 V I I 288/18). Vgl. dazu §651 Anm. 3. Eines genauen Eingehens auf die Besonderheiten des einzelnen Falles bedarf es beim Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem A r c h i t e k t e n (vgl. §611 Vorbem. 51). Die Übernahme der Aufstellung eines Bauplans durch einen Architekten kann — ebenso wie die Anfertigung sonstiger Vorarbeiten und Entwürfe (RG 97, 122) — Werkvertrag sein, aber auch den Gegenstand eines Dienstvertrags bilden, so namentlich dann, wenn der Architekt zugleich mit der Bauleitung betraut ist, die Herstellung des Planes also nur seine spätere Dienstleistung vorbereitet. Einen typischen Architektenvertrag gibt es nicht (RG 86,

755 137. 83; R G J W 1930, 172838; 1934,276a2; 1936, 3116 6 ; auch HRR 1937 Nr. 504).

Übereinstimmend für den nach der Gebührenordnung der Ingenieure in der Fassung v. 1. 7. 1923 zu beurteilenden Ingenieurvertrag, u n d zwar auch f ü r den Fall, daß die 40»

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V o r § 631 Anm. 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Ausführung des Bauvorhabens nicht schon bei der Erteilung des Auftrags fest bestimmt war, RG J W 1934, 276a2. Vorentwurf und Voranschlag für den Bau einer Talsperre s. RAG ArbRS 33, 67. Uber den Vertrag zwischen dem S c h i e d s r i c h t e r und den Parteien des schiedsgerichtlichen Verfahrens s. Vorbem. 49, 50 vor §611. In einem Werkvertrags- (nicht in einem Dienstvertrags-) Verhältnis steht insbesondere auch, wer aus dem ihm von der anderen Vertragspartei zu liefernden Ton Ziegelsteine herzustellen, dabei für eigene Rechnung die hierfür erforderlichen Arbeiter anzunehmen und für die hergestellte Ware die Gefahr bis zur Abnahme zu tragen hat; bei solcher Sachlage ist das Werkvertragsverhältnis auch dann nicht ausgeschlossen, wenn er von dem anderen Teile „als Ziegelmeister" angenommen worden ist (RG 72, 281; dazu Vorbem. 6—9 vor §611). Ist jemand in der Lage, ein Werk zum Nutzen eines anderen herstellen zu müssen, und überläßt er es diesem, das Werk gegen Erstattung der Kosten unmittelbar für sich herzustellen, so liegt nicht ein Werkvertrag, sondern ein dem Subventionsvertrag ähnlicher Vertrag besonderer Art vor (RG 92, 168). Anm. 2 2. Sondervorschriften. Der Geltungsbereich der Vorschriften des BGB über den Werkvertrag wird begrenzt durch eine Reihe von anderen reichsgesetzlichen oder auch landesgesetzlichen Bestimmungen für gewisse gewerbsmäßige Beförderung von Gütern und Personen; im einzelnen: für die Beförderung von Gütern zu Lande oder auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern durch HGB §§425—452; für die Beförderung von Gütern auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern auch durch das BinnenSchG §§ 26 ff.; auch §§ 7 ff., dazu RG SeufTArch. 91 Nr. 85; für die Beförderung von Gütern und Reisenden zur See durch HGB §§ 556—678, dazu Ges. v. 10. 8. 1937 (RGBl. I, 891); für die Beförderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen durch HGB §§453—460, sowie durch Eisenbahn-Verkehrsordnung v. 8.9. 1938 (RGBl. II, 663), s. auch Internationale Ubereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr und über den Eisenbahnpersonen- und -gepäckverkehr v. 23. 11. 1933 (RGBl. 1935 II, 523fr., auch 1938 II, 101; dazu RG 142, 241; 150, 308; H R R 1936 Nr. 1232; sowie Internationales Ubereinkommen über den Eisenbahnpersonen- und -gepäckverkehr v. 23. 11. *933 (RGBl. 1935 II, 523, 599ff.; auch 1938 II, 101); für die Beförderung von Gütern und Reisenden mittels der Post durch das PostG v. 28. 10. 1871 (RGBl. 347), die PostO v. 22. 12. 1921 (RGBl. 1609) in der Fassung v. 30. 1. 1929 (RGBl. I, 33), dazu VO v. 6. 7. 1938 (RGBl. I, 881) und den Weltpostvertrag mit Nebenverträgen v. 30. 11. 1920 (RGBl. 1921, 1375fr.), RohrpostO v. 30. 5. 1923 (RGBl. I, 303) vgl. HGB §452; für den Telegrammbeförderungsvertrag s. Telegraphenordnung v. 30. 6. 1926 (Amtsblatt d. RPostMin. 447, 479; RG 91, 64; 107, 275; RG Gruchot 68, 79; für die Beförderung von Auswanderern durch das AuswG, insbes. §§ 22—48; Rechtsverhältnis zwischen dem Teilnehmer eines Fernsprechnetzes und der Reichspost s. Vorbem. 2 vor § 535; auch für die Personen- und Güterbeförderung mit Kraftwagen bestehen besondere Vorschriften, vgl. Güterkraftverkehrsgesetz v. 17. 10. 1952 (BGBl. I 679), Ges. über die Personenbeförderung zu Lande v. 4. 12. 1934 (RGBl. I 1212) i.d.F. v. 16. 1. 1952 (BGBl. I S. 21) nebst DVO. b) Für den V e r l a g s v e r t r a g , der die Überlassung eines Werkes der Literatur oder der Tonkunst an den Verleger zur Vervielfältigung und Verbreitung für dessen eigene Rechnung betrifft, durch das VerlG v. 19. 6. 1901, sowie durch die nach EG Art. 76 zum BGB in Geltung befindlichen landesgesetzlichen Vorschriften. Der Verlagsvertrag hat zwar große Ähnlichkeit mit dem Werkvertrag, kann aber namentlich auch Bestandteile des Dienstvertrags und des Gesellschaftsvertrags enthalten und ist vom Gesetze selbständig geregelt worden (RG 74, 361; 81, 235; RG H R R 1936 Nr. 109). Vgl. auch RG 78, 298 (Ausführungsagenturvertrag) und RG H R R 1935 Nr. 943 (Unterschied zwischen Verlagsvertrag und Lohndruckvertrag). Der Kommissionsverlag unterliegt nicht dem Verlagsgesetze, sondern den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes, insbesondere der §§ 611 ff., 675, gegebenenfalls auch den handelsrechtlichen Regeln des Kommissionsgeschäfts gemäß HGB §§ 383 fr., 406 Abs. 1 (RG SeufTArch. 80 Nr. 146). Kein Verlagsvertrag, auch nicht ein den Bestimmungen der Verlagsrechts entsprechend zu behandelnder, sondern ein besondere rechtliche Würdigung erfordernder Vertrag eigener Art ist der V e r f i l m u n g s v e r t r a g zwischen Ver-

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Werkvertrag

§ 631 Anm. 1

fasser und Hersteller eines Films ( R G 107, 62; dazu R u d i o f f Z A k D R 1936, 233). Gesellschaftsähnlicher Filmherstellungs- und Verwertungsvertrag s. R G 158, 321. Uber Herausgeberverträge s. R G 113, 70; 115, 358. — Aushilfsweise können für die unter a) und b) genannten Verhältnisse auch die Vorschriften des BGB über den Werkvertrag zur Anwendung gelangen.

§631 Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. En 568 m 620; p2 307. Übersicht Anm.

I. P f l i c h t e n des U n t e r n e h m e r s 1. Herstellung des versprochenen Werkes 1 a) Herstellung, Verminderung einer Sache; durch Dienste herbeizuführender Erfolg 1 b) Geschäftsbesorgung 2 2. Erfüllung a) Vorleistung 3 b) Leistung durch andere oder Gehilfen 4 c) Haftung für Gehilfen 5 3. Nebenpflichten, insbesondere bei Personenbeförderung 6, 7 II. P f l i c h t e n d e s B e s t e l l e r s 1. Entrichtung der versprochene Vergütung 8 2. Abnahme des Werkes 9 3. Nebenpflichten, Anwendung des § 6 1 8 10. 11 III. E i n f l u ß v e r ä n d e r t e r V e r h ä l t n i s s e 12 I. Pflichten des Unternehmers Anm. 1 1. a) Herstellung des versprochenen Werkes. Herstellung oder Veränderung einer Sache, insbesondere die Errichtung eines Bauwerks, auch der Vertrag wegen Übernahme eines durch fremde Arbeit herzustellenden Bauwerks (Bau-Entreprisevertrag, R G 66, 4); o d e r ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg, auch ein sog. i m m a t e r i e l l e r E r f o l g ; im einzelnen: die B e f ö r d e r u n g v o n S a c h e n (RG 11. I. 1905 I 390/04); so die Beförderung mittels Fähre auf einem öffentlichen Flusse, auch von Seiten des Staates (RG 72, 53); die Beförderung von Kähnen oder Schiffen durch Schleppdampfer nach einem bestimmten Orte, auch bei staatlichem Betrieb (RG 98, 123; 105, 200; 112, 4 1 ; 16, 324); die Charterung auch eines ganzen Schiffes (RG WarnRspr. 1910 Nr. 150), das Abschleppen eines Fahrzeuges (vgl. Vorbem. 1); die gewerbsmäßige B e f ö r d e r u n g v o n P e r s o n e n mittels gewöhnlichen Fuhrwerks (RG 23, g l ) , mittels Kraftwagens (RG 16. 3. 1906 V I I 323/05), mittels einer Straßenbahn (RG 66/12), mittels eines Esels mit Treiber (RG 18. 5. 1906 V I I 434/05); über die gelegentliche unentgeltliche Mitnahme einer Person auf einer Fahrt s. unten Abs. 3. Löschung der Ladung eines Schiffes s. R G SeuffArch. 84 Nr. 163. Übernahme der zeichnerischen Durchkonstruktion und Ausführung eines praktisch noch nicht hergestellten Arbeitsgeräts s. R G 100, 35. Über die Vertragspflichten des Unternehmers bei einem Werkvertrag, bei dem es dem nicht sachkundigen Besteller darauf ankommt, Mißstände beseitigen zu lassen, deren Ursache ihm nicht bekannt ist, s. R G 127, 14. Verpflichtung des Installateurs eines (bei ihm gekauften) Gasbadeofens, auch

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§ 631

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 2—4 in einem seit Jahren polizeiliche abgenommenen Hause die Abzugsfähigkeit des Schornsteins festzustellen, s. R G J W 1933, 1246 6 . Keine Verpflichtung des Lieferers von elektrischem Licht- und Kraftstrom zur Prüfung der von den Stromabnehmern herzustellenden Anschlußleitungen s. R G H R R 1928 Nr. 1192.

Anm. 2 b ) Ferner kann als Werkvertrag vorkommen : die B e s o r g u n g v o n G e s c h ä f t e n also von Angelegenheiten, die das wirtschaftliche Interesse des Bestellers berühren (vgl. § 675), so die Ü b e r n a h m e einer Auszahlung im Ausland oder der Überweisung des Guthabens eines K u n d e n ins Ausland durch eine Bank ( R G 107, 136; WarnRspr. 1919 Nr. 60; 1923/24 N r . 177); Übernahme eines Akkreditivauftrags ( R G 107, 7; 114, 268; R G WarnRspr. 1910 N r . 108; SeuffArch. 78, Nr. 73), nicht die Übernahme eines Parzellierungsauftrags gegen Gewinnbeteiligung ( R G SeuffArch. 74 Nr. 105); die entgeltliche Erteilung von Auskünften ( R G 115, 122); die Ü b e r n a h m e des Auftrags, auf eine bestimmte Dauer Geschäftsanzeigen in Straßenbahnwagen auszuhängen ( R G WarnRspr. 1913 Nr. 138; 1916 Nr. 268; Recht 1920 Nr. 37g; 1922 Nr. 1 1 4 7 ; s. die Übernahme von Geschäftsanzeigen in Zeitungen ( R G SeuffArch. 80 N r . 79, R G WarnRspr. 1928 Nr. 103; s. auch R G L Z 1925, 971 8 ), die Übernahme der Verbreitung von Büchern, die der Geschäftsanpreisung dienen; des gleichen, soweit nicht bloße Dienstleistungen vorliegen, die Ausführung von wissenschaftlichen oder künstlerischen Unternehmungen, die Erteilung von Auskunft über die Kreditfähigkeit einer Person. So wird auch die A u f f ü h r u n g eines Konzerts oder eines Theaterstückes, auch bei einem städtischen oder staatlichen Unternehmen, als Werkvertrag erscheinen, wobei die Überlassung eines Platzes regelmäßig Nebenleistung ist und nur unter besonderen U m ständen den Gegenstand eines Nebenvertrags (Miete) bildet (vgl. R G 133, 388; R G J W 1926, 2443 14 ). Ebenso ist der V e r t r a g zwischen dem Veranstalter eines Motorradrennens und den gegen Eintrittsgeld zugelassenen Zuschauern Werkvertrag, nicht Platzmiete ( R G 127, 313). S. auch § 6 1 1 A n m . 4. Z u r Frage des Abschlußzwanges s. V o r b e m . 4 vor § 145. V e r t r a g über Lieferung von Theatereintrittskarten an einen Händler bei Verpflichtung des Liefernden, Vorstellungen für die späteren Karteninhaber zu veranstalten, s. O L G 36,79 Zur Organisation des T h e a t e r W e s e n s s. Theatergesetz v. 1 5 . 5 . 1 9 3 4 ( R G B l . I , 4 i i ) D V O V. 18. 5. 1934 ( R G B l . 1,829); z u m F i l m w e s e n s. Lichtspielgesetz v. 16. 2. 1934 ( R G B l . I, 95) und Gesetz über die Vorführung ausländischer Filme v. 1 1 . 7 . 1936 ( R G B l . I, 551) nebst Durchführungsverordnungen. U b e r den Anzeigenvermittlungsvertrag s. O L G 36, 74. — Nicht u m einen Werkvertrag, sondern u m die Besorgung fremder Geschäfte oder u m die Leistung von Diensten (§ 196 Nr. 7) handelt es sich, wenn sich j e m a n d gegen Entgelt verpflichtet, sich zu bemühen, eine Aktiengesellschaft ins Leben zu rufen, ohne sich dafür haftbar zu machen, d a ß die Gesellschaft zustande kommt ( R G 72, 179).

Anm. 3 2 . E r f ü l l u n g d e r H a u p t v e r p f l i c h t u n g : a ) Die dem Unternehmer obliegende Herstellung ist regelmäßig V o r l e i s t u n g , bei beweglichen Sachen mit deren U b e r b r i n g u n g , insbesondere an den Eigentümer, der dem Unternehmer die Sache zur Bearbeitung übergeben hat ( R G 35, 137), verbunden. Für die Verpflichtung des Unternehmers zur Beschaffung des erforderlichen Stoffes ist der Inhalt des betreffenden V e r trags maßgebend; über den besonderen Fall der Herstellung des ganzen Werkes aus einem v o m Unternehmer zu beschaffenden Stoffe (Werklieferungsvertrag) s. § 651. Für O r t und Zeit der Leistung s. §§ 269, 171.

Anm. 4 b ) Der Unternehmer ist, abweichend v o m Dienstvertrage § 613, sofern nicht etwas anderes ausdrücklich vereinbart ist oder nach dem Inhalt des Vertrags (z. B. mit einem Künstler) seine persönliche Leistungsfähigkeit in Betracht kommt, n i c h t verpflichtet, das Werk durch eigene p e r s ö n l i c h e Tätigkeit herzustellen, vielmehr berechtigt, die Herstellung einer anderen Person zu übertragen ( R G 14. 6. 191g V 53/19). Daher wird auch der T o d des Unternehmers in der Regel das Vertragsverhältnis nicht beendigen

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Werkvertrag

§631 Anm. 5, 6

(s. § 649 Anm. 2). Der Unternehmer darf regelmäßig auch G e h i l f e n verwenden. Auch kann der Erfüllungsgehilfe als ermächtigt gelten, weitere Erfüllungsgehilfen zur Ausführung der Arbeit zu bestellen ( B G H N J W 52, 217). Der Unternehmer hat bei der Herstellung des versprochenen Werkes d i e im V e r k e h r e r f o r d e r l i c h e S o r g f a l t zu beobachten (§ 276). Haben mehrere Unternehmer gemeinschaftlich die Herstellung eines Werkes übernommen, so haftet jeder Unternehmer auch für das Verschulden der anderen Unternehmer und deren Gehilfen B G H N J W 52, 217. Wird dabei der Besteller geschädigt, z. B. an Körper oder Gesundheit, so trifft den Unternehmer die B e w e i s p f l i c h t für das Gegenteil, wenn sich aus der Sachlage zunächst der Schluß rechtfertigt, daß er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt habe ( R G 148, 148).

Anm. 5 c) Der Unternehmer hat ein V e r s c h u l d e n s e i n e r H i l f s p e r s o n e n gemäß § 278 zu vertreten (RG 127 S. 14 u. 218). Motorradfahrer als Erfüllungsgehilfen des Veranstalters eines Motorradrennens gegenüber den gegen Eintrittsgeld zugelassenen Zuschauern s. R G 127, 3 1 3 . Zur Erfüllung der Vertragsverbindlichkeit gehört dabei alles, was aus dem Vertrage vom Vertragsschuldner überhaupt verlangt werden kann; § 278 tritt überall ein, wo der Schädiger selbst dem Verletzten nach Maßgabe des Vertrags gerecht werden muß und ihn nicht auf die Haftungsgrundsätze bei unerlaubten Handlungen verweisen kann. Das Verschulden der Hilfsperson braucht nicht bei unmittelbarer Erfüllungshandlung vorzuliegen (RG WarnRspr. 1910 Nr. 434). Über die Haftung des Unternehmers, dem ein Kraftwagen zur gründlichen Durcharbeitung übergeben worden ist, wenn sein Angestellter mit dem wiederhergestellten Wagen eine schadenstiftende Probefahrt unternommen hat, und der Besteller hierwegen von dem geschädigten Dritten in Anspruch genommen worden ist, und über die Beweislast bezüglich des Verschuldens des Angestellten hierbei s. R G 150, 134. Haftung des Unternehmers für Verschulden seiner Angestellten beim Beförderungsvertrag s. R G 55, 335; 62, 119. Bei einem Zusammenstoß von zwei Straßenbahnwagen kommen als Gehilfen des Straßenbahnunternehmers bei der Erfüllung des Beförderungsvertrags gegenüber dem verletzten Fahrgast nicht nur die Angestellten desjenigen Wagens in Betracht, in dem sich der Fahrgast befindet, sondern auch die Angestellten des andern Wagens (RG 83, 343). Eine Haftung für Schmerzensgeld (§ 847) wird aber in solchem Falle durch das Verschulden von Hilfspersonen nur aus unerlaubter Handlung und nur im Rahmen des § 8 3 1 (nicht aus dem Beförderungsvertrag und §278) begründet (RG 99, 263). Muß der Unternehmer einer Werklieferung Teile der von ihm herzustellenden Sache von einem Dritten beziehen, so ist dieser Dritte nicht Erfüllungsgehilfe des Unternehmers in dessen Verhältnis zum Besteller; §278 greift daher nicht Platz (RG 101, 157). Die Haftung für Verschulden der Hilfspersonen kann ebenso wie — vorbehaltlich des § 276 Abs. 2 — die Haftung für eigenes Verschulden des Unternehmers im voraus wegbedungen werden. Wird aber eine solche Freizeichnung unter Ausnutzung einer rechtlichen oder tatsächlichen Monopolstellung den beteiligten Kreisen gewissermaßen aufgezwungen, so kann dies im Sinne des § 138 gegen die guten Sitten verstoßen (vgl. R G 102, 396; 103, 82, auch 99, 107, R G Gruchot 65, 349 und J W 1922, 1533*). — Unter dem Gesichtspunkt des V e r t r a g s z u g u n s t e n eines D r i t t e n (§ 328) können vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer wegen mangelhafter Ausführung des Werkes auch den verletzten F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n des Bestellers sowie seinen H a u s angestellten und andern Personen zustehen, denen der Besteller seinerseits als D i e n s t b e r e c h t i g t e r n a c h § 618 s c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t i g ist (RG 127, 218). — Bei unverschuldeter U n m ö g l i c h k e i t der Leistung des Unternehmers gelten §§ 275, 323-

Anm. 6 3 . Unter den vertragsmäßigen N e b e n v e r p f l i c h t u n g e n des U n t e r n e h m e r s ist hervorzuheben: die Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Instandhaltung der für die Vertragsausführung erforderlichen Maschinen, Geräte und Räume ( B G H GrZS R d A 52, 198, entsprechende Anwendung des § 618 I I I ) , so z. B. bei der P e r s o n e n b e f ö r d e r u n g die Verpflichtung zur Instandhaltung der Ab- und Zugänge zum Eisenbahnsteige ( R G

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§ 631 Anm. 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

55, 335; 86, 321; R G L Z 1916, 607 13 ), der Warteräume ( R G L Z 1916, 814) und ihrer Einrichtungsgegenstände, z. B. Stühle ( R G WarnRspr. 1915 Nr. 124), zur Sorge für die Erwärmung von Eisenbahnwagen ( R G SeuffArch. 70 Nr. 55), zur Prüfung der zu verwendenden Beförderungsmittel R G 16. 3. 1906 V I I 323/05), zur Sorge für die körperliche Sicherheit der zu befördernden Personen ( R G 66, 17598,327; 1 1 6 , 2 1 3 ; 124, 49), vom Beginn der Reise bis zu ihrer Beendigung, auch während des Aufenthalts auf Zwischenstationen ( ( R G WarnRspr. 1916 Nr. 309), überhaupt solange, als der Reisende den für die Benutzung der Bahnanlagen erlassenen besondern Vorschriften untersteht, so auch beim Verlassen des Bahnhofgebäudes ( R G J W 1918, 171 6 ), nicht nachher beim Überschreiten des (im Eigentum des Eisenbahnunternehmers stehenden) Bahnhofsvorplatzes ( R G Gruchot 57, 941). Ist die zu beförndernde Person w ä h r e n d d e r B e f ö r d e r u n g , wozu auch das Ein- und Aussteigen gehört, am Körper oder an der Gesundheit beschädigt worden, so haftet der Unternehmer aus dem Vertrage regelmäßig schon dann, wenn er nicht beweist, daß ihn und seine Erfüllungsgehilfen kein Verschulden trifft ( R G 124, 49; 126, 137, 329; 148, 150; R G H R R 1932 Nr. 113). Diese Regelung greift jeodoh n u r für Schäden b e i d e r B e f ö r d e r u n g i m e i g e n t l i c h e n S i n n e Platz, die bei Reisen auf der Eisenbahn mit dem Einsteigen in den Z u g beginnt lind mit dem Aussteigen endigt. Handelt es sich um die vertraglichen N e b e n l e i s t u n g e n , die dieser Beförderung vorangehen oder ihr nachfolgen, wie die Gewährung sicherer Zu- und Abgänge zum und vom Zuge, so verbleibt die Beweislast bei dem verletzten Reisenden ( R G 86, 321; 126, 137). Der B e w e i s dafür, daß eine objektive Verletzung des Vertrages ohne sein Verschulden eingetreten sei und auch bei aller Vorsicht nicht habe abgewendet werden können, liegt dem Unternehmer (wie beim Dienstvertrag dem Dienstverpflichteten) ob, wenn die Sachlage zunächst den Schluß rechtfertigt, daß er die vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt hat ( R G J W 1935, 115 6 , 1933). Über die Beweisfrage bezüglich des Verschuldens bei einem Unfall durch Abgleiten einer Kraftdroschke in einen Straßengraben s. R G L Z 1915, 127 3 . Sturz von der Plattform eines Straßenbahnwagens s. R G WarnRspr. 1920 Nr. 11 u. 85; R G H R R 1935 Nr. 1613; Unfälle beim Aufspringen s. ebenda Nr. 4g, 50 und 1928 Nr. 30. Haftung des Straßenbahnunternehmers für Unfälle bei der Benutzung einer Wartehalle s. O L G 45, 158 (nur wegen unerlaubter Handlung). Sturz vom Anhänger eines Lastkraftwagens, unmittelbare Haftung des Beförderungsunternehmers gegenüber den die Beförderung begleitender Personen s. R G WarnRspr. 1930 Nr. 7. Schadensersatzansprüche aus einem Personenbeförderungsvertrage können vertraglich, auch stillschweigend, ausgeschlossen werden, soweit nicht § 276 Abs. 2 entgegensteht ( R G H R R 1935, Nr. 683). Keine Vertragshaftung für Unfälle im Bahnhofe vor Lösung einer Karte ( R G L Z 1914, 1530 10 ). Keine Haftpflicht des Eisenbahnunternehmers aus dem Beförderungsvertrage bei Ermordung eines Reisenden durch einen Mitreisenden während der Fahrt ( R G 69, 361), bei Beschädigung eines Reisenden durch in Brand geratenes Benzin das ein Mitreisender bei sich geführt hat ( R G Gruchot 65, 356). Uber Beförderungsbestimmungen, die eine Haftung ausschließen, s. R G J W 1931, 1958 1 . Für die Haftung der Deutschen Reichspost bei Unfällen im P o s t r e i s e d i e n s t ist jetzt § 65 der V O v. 6. 7. 1938 (RGBl. I, 881) maßgebend (vgl. Vorbem. 2 [vor a] vor §823). Unmittelbare Haftung des Beförderungsunternehmers (auch für seine Erfüllungsgehilfen, § 278) gegenüber F r a u und K i n d des Bestellers, die mit diesem in dem bestellten Kraftwagen befördert werden, für deren unversehrte Beförderung nach § 328 s. R G 87, 64. Dagegen kann die mitbeförderte Ehefrau und Mutter eigene Ansprüche auf Ersatz von Beerdigungskosten bezüglich des bei einem Unfall getöteten Mannes oder Kindes und Unterhalt nur auf § 844 stützen ( R G J W 1934, 2973 4 ). Schadensersatzansprüche des Ehemannes, der einen Vertrag über die Beförderung seiner Ehefrau mit einem anderen geschlossen hat, wenn die Frau auf der Fahrt verunglückt, s, R G H H R 1935 Nr. 342. Verpflichtung des Beförderungsunternehmers, einen Schaden zu ersetzen, den nicht der Vertragsgegner, sondern ein Dritter erlitten hat, s. R G 87, 289. Schadensersatzpflicht eines Rollfuhrunternehmers gegenüber dem bereits Eigentümer gewordenen Käufer, dem er im Auftrage des Verkäufers die versendete Ware am Ankunftsorte zuführen soll, s. R G 102, 38, aber auch 105, 302. Haftung des SchifTsunternehmers für die körperliche Gesundheit und Unversehrtheit der Fahrgäste ( R G 116, 213; 124, 29; 126, 329). Haftung eines Theaterunternehmers

622

Werkvertrag

§631 A n m . 7, 8

für die Folgen eines heftigen Gedränges beim Einlaß in das Theater s. R G WarnRspr. 1931 Nr. 1 8 1 . Haftung des Veranstalters eines Motorradrennens gegenüber den Zuschauern für Verschulden der am Rennen beteiligten Fahrer s. R G WarnRspr. 1936 Nr. 168. Ob die Gestattung des u n e n t g e l t l i c h e n M i t f a h r e n s in einem Fahrzeuge nur einen rein tatsächlichen Vorgang ohne rechtliche Bedeutung oder die Begründung eines schuldrechtlichen Verhältnisses bedeutet, hängt von den Umständen des Falles ab (RG L Z 1915» 63 * 1 2 ) 5 ihre Prüfung ist auch bei sog. Gefälligkeitsfahrten nicht zu entbehren ( R G 145, 390). Uber den Unterschied zwischen Gefälligkeitsfahrt und Beförderungsvertrag s. H R R 1935 Nr. 683, 720. Die Unentgeltlichkeit steht der Annahme eines Vertrages jedenfalls nicht im Wege, und ein Vertrag kann auch keineswegs nur dann angenommen werden, wenn die Mitfahrt im ausschließlichen oder doch überwiegenden Interesse des Gestattenden liegt (RG WarnRspr. 193a Nr. 73). Sonst bleibt nur die außervertragliche Haftung nach §§ 823 fr. (RG 65, 17). Uber die Frage einer Ausschließung oder Beschränkung der Haftung in solchen Fällen s. Vorbem. 4 b vor § 823 und § 599 Anm. 1. Anm. 7 Als weitere Nebenverpflichtungen des Unternehmers kommen in Betracht: die Verpflichtung zur P r ü f u n g der Brauchbarkeit und Durchführbarkeit der dem sachverständigen Unternehmer vorliegenden P l ä n e u n d K o s t e n a n s c h l ä g e (§ 650 Abs. 2 ; SeuffArch. 79 Nr. 25), zur Prüfung der Abzugsanlage für Abgase bei Übernahme der betriebsfertigen Lieferung einer Gasbadeeinrichtung durch eine Gasfirma (RG SeuffArch. 86 Nr. 1 7 7 ; R G H R R 1933 Nr. 1304), zur Berichterstattung, Auskunft und Rechenschaftsablegung bei dem eine Geschäftsbesorgung betreffenden Werkvertrag, zur sorgfältigen Vermeidung von Beschädigungen der Sachen des Bestellers bei der Werkherstellung (nicht bloß bei „Gelegenheit" der Werkherstellung; R G 66, 402; J W 1906, 460 18 ; WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 168). Hierher gehört auch die V e r w a h r u n g s p f l i c h t eines Gewerbetreibenden an fremden, ihm zur Bearbeitung übergebenen Gegenständen, wobei nach § 282 der Unternehmer, z. B. ein Wäschereibesitzer, bei dem Wäschestücke durch Einbruch gestohlen worden sind, beweisen muß, daß er das Abhandenkommen nicht zu vertreten hat (SeuffArch. 76 Nr. 6; O L G 40, 322); ferner die Verpflichtung des Theaterunternehmers, für ordnungsgemäße Unterbringung der abgelegten Kleidungsstücke zu sorgen, doch kann auch ein besonderer Verwahrungsvertrag vorliegen (RG 105,80; R G WarnRspr. 1920 Nr. 77; 1923/24 Nr. 122; SeuffArch 77 Nr. 25. Einen Ersatz von Verwahrungskosten kann der Unternehmer, der eine Sache zur Bearbeitung übergeben erhalten hat, von dem Besteller nur verlangen, wenn dieser in Schuldner- oder Gläubigerverzug geraten ist ( R G J W 1926, 1663 3 ). Zur Frage, ob der Unternehmer verpflichtet ist, Sachen, die ihm zur Ausbesserung übergeben sind, gegen Feuersgefahr zu versichern, s. R G SeuffArch. 82 Nr. 46. Anm. 8

I I . Pflichten des B e s t e l l e r s

1. E n t r i c h t u n g d e r vereinbarten Vergütung. Darüber, daß das durch den Werkvertrag begründete Schuldverhältnis unter dem Gebiet von T r e u u n d G l a u b e n (§ 242) steht, unter Umständen auch ein Gemeinschaftsverhältnis sein kann, die Grundsätze über die unrichtige Rechtsausübung bedeutsam sind, s. oben Anm. 1 und Vorbem. 1 vor § 631. Das gilt auch für die Verpflichtung des Bestellers zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung. Daß sie nicht in einer Akkord- oder Pauschsumme, sondern nach Maßgabe der zur Herstellung des Werkes erforderlichen Einzelleistungen bestimmt ist, steht an sich der Annahme eines Werkvertrags nicht entgegen (RG Gruchot 51, 947). Der Besteller hat aber in diesem Falle keinen klagbaren Anspruch gegen den Unternehmer auf Erteilung einer A b r e c h n u n g über die von diesem geleisteten Arbeiten; vielmehr gehört eine solche zu der dem Unternehmer obliegenden Begründung seines Vergütungsanspruchs, bei deren Unterlassung der Besteller zur Verweigerung der Vergütung berechtigt ist ( R G 72, 177). Bei Ausbesserung von Bauwerken kann vereinbart werden, daß der Unternehmer den von seinen Arbeitern verdienten

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§ 631 Anrti. 9 — 1 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Lohn nebst einem prozentualen Zuschlag als Vergütung erhalten soll. Für die Annahme eines Werkvertrags ist in solchem Falle die Haftung für den Erfolg, z. B. für die Güte der Ausbesserung, maßgebend ( R G 26. 4. 1927 V I 16/27). Die Vergütung kann auch in einem Anteil an Einnahmen bestehen, ohne daß deshalb ein Gesellschaftsverhältnis vorzuliegen braucht (SeuffArch. 74 Nr. 170). Auslegung einer Verwirkungsklausel für Mehransprüche des Unternehmers s. R G J W 1937, 3222 1 7 . Ort der Leistung §§ 269, 270; Zeit der Leistung § 641. — Liefert der Unternehmer nicht ein mangelhaftes (§§ 633 fr.), sondern ein anderes als das bestellte Werk, so kann er die vereinbarte Vergütung nur verlangen, wenn er beweist, daß sie (als ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart) auch für diesen Fall gelten sollte ( R G SeuffArch. 70 Nr. 102).

Anm. 9 2 . A b n a h m e des vertragsmäßig hergestellten Werkes vgl. § 640.

A n m . 10 3 . Als N e b e n v e r p f l i c h t u n g e n d e s B e s t e l l e r s kommen unter Umständen diejenigen zur Lieferung des Stoffes (§ 645), zur Erteilung der erforderlichen Anweisungen für die Ausführung und zur Mitwirkung bei dieser (§§ 642, 645) in Betracht; dagegen ist in der Regel der Besteller dem Unternehmer zur G e s t a t t u n g d e r A u s f ü h r u n g des Werkes nicht verpflichtet, der Besteller eines Theaterstücks dem Verfasser auch nicht zur Aufführung (SeuffArch. 74 Nr. 170). Keine Verpflichtung desjenigen, der einen Umzug ausführen läßt, Rechte des absendenden Beförderungsunternehmers gegenüber der Eisenbahn wahrzunehmen, mag auch vereinbart sein, daß der Empfänger den Möbelwagen selbst von der Bahn abholen soll. Uber die Verpflichtung desjenigen, der die Herstellung eines Werkes im Wege öffentlicher Ausschreibung vergibt, Untersuchungen anzustellen und genaue Angaben darüber zu machen, z. B. bezüglich des Geländes, wenn es sich u m die Anlegung eines Entwässerungsgrabens f ü r Rieselfelder handelt, s. R G J W 1 9 1 6 , 115 2 . Vertragshaftung des Bestellers, der beim Abschlüsse des Werkvertrags unrichtige Angaben gemacht hat, z. B. über die Höhenlage einer Straße, in der eine Regen- und Dampfwasserableitung hergestellt werden soll, s. R G J W 1 9 1 9 , 35 2 , auch R G J W 1 9 1 2 , 743 5 und § 276 Anm. 1. Übernimmt ein Tiefbauunternehmer vertraglich die Gefahr der Bodenbeschaffenheit, so hat er keinen Anspruch auf Sondervergütung aus unvorhergesehenen natürlichen Bodenschwierigkeiten ( R G H R R 1933 Nr. 1568). Verpflichtet sich der Unternehmer zur Beschäftigung von Erwerbslosen, so muß der Besteller nach Treu und Glauben (§ 242) bei Ausübung seiner Vertragsrechte, z. B. eines Kündigungsrechts, auf die f ü r den Unternehmer aus jener Verpflichtung sich ergebenden Schwierigkeiten Rücksicht nehmen, unter Umständen auch eine höhere als die vertragsmäßige Vergütung entrichten ( R G 150, 89).

Anm. 11 Wenn nach dem Werkvertrage der Besteller R ä u m e , V o r r i c h t u n g e n u n d G e r ä t s c h a f t e n zur Verrichtung der Werktätigkeit zu beschaffen hat, so muß er, wie nach § § 6 1 8 , 6 1 9 der Dienstberechtigte im Verhältnisse zum Dienstpflichtigen, alles tun, um den U n t e r n e h m e r gegen G e f a h r f ü r L e b e n und G e s u n d h e i t soweit zu s c h ü t z e n , a l s d i e N a t u r d e r W e r k l e i s t u n g es g e s t a t t e t . S c h u l d h a f t e Verletzung dieser Verpflichtung verbindet den Besteller zum S c h a d e n s e r s a t z e . Art und U m f a n g des Schadensersatzes (Zubilligung einer Rente) folgen aus den entsprechend anzuwendenden § 6 1 8 Abs. 1 , 3 m Verbindung mit § 844 Abs. 2 ; R G 159, 268; B G H 5, 63 ( G r Z S ) . Die Fürsorgepflicht trifft den Besteller, der R ä u m e zur Verrichtung der Werktätigkeit zu beschaffen hat, auch dann, wenn er nur Mieter, nicht Eigentümer der R ä u m e ist ( R G J W 1 9 1 4 , 34 3 ). Dagegen ist eine bloße Gefährdungshaftung dem Besteller nicht aufzuerlegen. Daher haftet der Besitzer einer Sprengstoffabrik, der dort elektrische Anlagen herstellen läßt, mangels eines Verschuldens dem Unternehmer dieser Anlagen nicht für Explosionsschäden ( R G J W 1 9 2 1 , 25 4 ). — Erstreckung der Vertragspflichten des Bestellers auf eine zur Ausführung des Werkvertrags vorgenommene Personenbeförderung s. R G L Z 1 9 1 6 , 1485 6 .

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Werkvertrag

§ 6 3 1 A n m . 12

§ 632 Anm. 1 Auch bei einem Werkvertrage ist es rechtlich nicht ausgeschlossen, daß der Unternehmer neben diesem Vertrage mit der Vornahme bestimmter Verrichtungen nach Anleitung und Anweisung des Bestellers betraut wird; dies ist namentlich möglich in bezug auf Sicherungsmaßregeln, zu deren Vornahme ein Bauherr der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet sein würde. So kann der Unternehmer von den Weisungen des Bestellers (z. B. einer Gemeinde, die Bauten ausführen läßt) unter Umständen in dem Maße abhängig sein, daß der Besteller nicht nur die Aufsicht, sondern auch die Leitung der Arbeiten ausübt, also Geschäftsherr ist. In solchen Fällen ist § 831 anzuwenden (RG WarnRspr. 1912 Nr. 301).

Anm. 12 III. Einfluß der V e r ä n d e r u n g d e r w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e . Das Reichsgericht hatte nach dem ersten Weltkriege aus dem Grundgedanken der §§ 157, 242 gefolgert, daß der Grundsatz der Wahrung der Verträge nicht dazu führen dürfe, ihre Ausführung unter völlig veränderten, bei dem Abschluß nicht vorhersehbaren Verhältnissen zu verlangen. Sowohl beim Kaufvertrag, wie beim Werks- und Werkslieferungsvertrage werde also der Schuldner von der Lieferpflicht frei, wenn seine Leistung infolge der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine völlig andere geworden sei, unter Umständen stattfinden müsse, daß sie nicht mehr dem entspreche, was die Beteiligten beim Vertragsschluß vernünftigerweise gewollt hätten, der Zwang zur Erfüllung mit Treu und Glauben und der Verkehrssitte also nicht mehr vereinbar sei (RG 90, 102; g4, 45, 68; gg, g8, 1 1 5 ; 101, 7g; 106, 327). Bei auf längere Dauer berechneten Verträgen könne unter Umständen eine Erhöhung der Gegenleistung bei Fortbestand des Vertragsverhältnisses im übrigen gerechtfertigt sein (RG 100, 12g). Diese zunächst nur hinsichtlich des Krieges und der Staatsumwälzung ausgesprochenen Grundsätze haben dann unter dem Gesichtspunkt der Änderung der Geschäftsgrundlage (vgl. § 242) allgemeine Anwendung gefunden, so daß sie unabhängig von Krieg und Staatsumwälzung Geltung haben. Voraussetzung ist aber, daß es sich um eine ganz besondere und ausnahmsweise Neugestaltung und Veränderung handelt, und diese Neugestaltung und Änderung nicht schon beim Vertragsschlusse oder bei nachträglichen Vereinbarungen der Vertragsteile vorauszusehen war (RG J W ig22, 1723 6 ; R G WarnRspr. 1922 Nr. 86, 87). Die Entscheidung ist immer nur n a c h den U m s t ä n d e n des e i n z e l n e n F a l l e s zu treffen, wobei neben den allgemeinen Betriebs- und Arbeitsverhältnissen auch die außerordentliche S t e i g e r u n g d e r L ö h n e u n d S t o f f p r e i s e sowie die M ö g l i c h k e i t eines g e s c h ä f t l i c h e n Z u s a m m e n b r u c h e s berücksichtigt werden mußte. Ob eine solche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, daß dem Unternehmer die unveränderte Erfüllung nicht mehr zuzumuten ist, kann nur nach den b e s o n d e ren V e r h ä l t n i s s e n des e i n z e l n e n F a l l e s beurteilt werden, die deshalb stets der genauen Feststellung bedürfen (RG g4, 68; g8, 18; g9 S. 58, 1 1 5 ; gg, 58; 100, 134; 102, 272; 103, 177 und für den Werk- und Werklieferungsvertrag noch R G J W 1920, 434 6 ; 1921, 833'; 1922, 1723 6 ; R G WarnRspr. ig2i Nr. 1 1 6 ; ig22 Nr. 87; R G SeufFArch. 76 Nr. 110). Bei diesen Grundsätzen handelt es sich also nur um den Einfluß der Erschwerung der Leistung des Verkäufers oder Werkunternehmers, nicht aber um die Wirkung einer Geldentwertung oder Geldumstellung der Gegenleistung auf die Lieferpflicht.

§ 6 3 2 Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. E I

567

Abs. i,

J79

II

569;

M

2 470, 506;

P

2 309, 336.

Anm. 1 1 . Daß eine V e r g ü t u n g gewährt werden soll, kann ausdrücklich vereinbart sein. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, so ist nach Abs. 1 zu prüfen, ob eine Vergütung 625

§ 632 Anm. 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

als stillschweigend vereinbart zu gelten hat. Ist die Gewährung einer Vergütung ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, aber ihre Höhe nicht bestimmt, dann — auch nur dann — ist Abs. 2 anzuwenden. Anm. 2 2. Bezüglich der stillschweigenden Vereinbarung einer Vergütung, übereinstimmend mit dem Dienstvertrag vgl. oben § 612 Anm. 2. Ob für Vorarbeiten zur Ausführung eines Werkes, z. B. eines Bauwerkes, auch ohne ausdrückliche Abrede eine Vergütung verlangt werden kann, ob insbesondere ein über die Ausführung des Werkes angefertigter K o s t e n a n s c h l a g oder eine Z e i c h n u n g besonders zu vergüten ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab (RG H R R 1930 Nr. 105). Es wird wesentlich darauf ankommen, ob die Beteiligten (nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, § 157) die Herstellung der Vorarbeiten zum Gegenstand eines Vertrags machen wollten. Hat der Besteller, um sich über die Herstellung und die Kosten eines von ihm beabsichtigten Werkes zu unterrichten und darauf seine Entschließung über die Ausführung zu treffen, dem Unternehmer zur Einreichung von Kostenanschlag und Zeichnung A u f t r a g erteilt, so ist er zur Vergütung verpflichtet, auch wenn es nicht zur Ausführung des Werkes kommt. Anderseits ist es unzweifelhaft, daß der Verfertiger von Entwürfen und Vorarbeiten, die er lediglich freiwillig und nur in seinem eigenen Interesse, namentlich, um einen andern zur Bestellung zu veranlassen, sei es auch auf eine Aufforderung des andern, angefertigt hat, ein Entgelt nicht beanspruchen kann, und zwar auch dann nicht, wenn keine Bestellung erfolgt (RG WarnRspr. 1911 Nr. 113). Ebensowenig hat der Besteller, falls der Unternehmer, von ihm zur Abgabe von G e b o t e n aufgefordert, in Verbindung m i t d i e s e n Zeichnung und Kostenanschlag eingereicht hat, damit sich der Besteller schlüssig machen kann, eine Vergütung zu leisten (SeuffArch 34 Nr. 114; 47 Nr. 25). So namentlich, wenn derartige Arbeiten im sog. S u b m i s s i o n s v e r f a h r e n von den Bewerbern ihren Geboten beigefügt und diese Angebote nachträglich nicht berücksichtigt werden. Ebenso, wenn ein Architekt eine Bauplatzeinteilung zu liefern verspricht, weil er Aussicht hat, die Architektenarbeiten für die Neubauten zu erhalten. — Wenn das Gesetz sagt, eine Vergütung gelte als s t i l l s c h w e i g e n d v e r e i n b a r t , sofern den Umständen nach eine Vergütung zu erwarten sei, so scheidet damit eine Untersuchung darüber aus, ob tatsächlich der unausgesprochene Parteiwille auf die Entrichtung einer Vergütung gerichtet war; es ist insbesondere belanglos, wenn der Besteller den inneren Willen hatte, sich zur Bezahlung einer Vergütung nicht zu verpflichten; vielmehr gilt ohne Rücksicht auf den wirklichen Willen der Beteiligten die E n t g e l t l i c h k e i t k r a f t G e s e t z e s als g e w o l l t , w e n n t a t s ä c h l i c h , n a c h d e n U m s t ä n d e n des F a l l e s , d i e H e r s t e l l u n g des W e r k e s n u r g e g e n e i n e V e r g ü t u n g e r w a r t e t w e r d e n k o n n t e (RG Gruchot 55) 936; WarnRspr. 1911 Nr. 113; 1912 Nr. 338; 1914 Nr. 117 SeuffArch. 75 Nr. 128; LZ 1927, 5304). Dem Besteller bleibt nur der Gegenbeweis, daß die Unentgeltlichkeit der Herstellung a u s d r ü c k l i c h vereinbart worden sei. Für bauliche Entwürfe s. auch RG WarnRspr. 1923/24 Nr. 136; SeuffArch. 69 Nr. 236; 73 Nr. 51 (Bereicherungsanspruch bei mißbräuchlicher Verwendung eingereichter Entwürfe). Über die Frage, ob Bauauzeichnungen und Vorentwürfe vom Besteller zu bezahlen sind, wenn sie vom Bauamt nicht genehmigt werden, s. SeuffArch. 75 Nr. 128. Wird die Durchführung eines Bauplanes unmöglich, so kann nicht etwa ein Teil des vereinbarten Honorars für den Entwurf der Baupläne gefordert werden (OGH Köln NJW 49, 943). In jedem Falle setzt aber der Anspruch auf eine Vergütung voraus, daß ein Rechtsverhältnis, nicht nur eine tatsächliche Gefälligkeit vorgelegen hat (RG WarnRspr. 1915 Nr. 112). Ist dem Unternehmer eine Vergütung ausdrücklich nur für einen bestimmten Fall, z. B. für eine Tiefbohrung nur bei Findigwerden von Sole versprochen worden, so kann er eine danach nicht begründete Vergütung nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen (RG 20. 10. 1920 VII 94/20). — Eine Ä n d e r u n g d e r L o h n - u n d P r e i s v e r h ä l t n i s s e , die nach Abschluß des Vertrags auftritt, begründet an sich keine Änderung der vereinbarten Vergütung, s. jedoch § 631 Anm. 12. •— Bei einem Bauwerk kommen im Falle nachträglicher Abweichungen von dem ur626

Werkvertrag

§ 632 Anm. 3 § 633 Anm. 1 sprünglichen Bauplane die Grundsätze der auftragslosen Geschäftsführung (§§ 683 fr.) zur Anwendung. Anm. 3 3. Beim Mangel von Taxe oder Üblichkeit (im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht der späteren Leistungen des Unternehmers, RG WarnRspr. 1929 Nr. 30) steht die Bestimmung, wie beim § 612, im Zweifel nach § 316 (dazu ebenfalls RG WarnRspr. ig2g Nr. 30) dem Unternehmer zu. — Ist (was im Streitfalle der Unternehmer beweisen muß, RG WarnRspr. 1923/24 Nr. 135; RG J W 1907, 175 13 ; OLG 28, 192) über die Höhe der Vergütung nichts ausdrücklich ausgemacht worden, so ist stillschweigende Verabredung des vom Unternehmer zu erweisenden ortsüblichen oder angemessenen Preises anzunehmen. Bei der Berechnung der Vergütung der A r c h i t e k t e n u n d I n g e n i e u r e für Pläne, Zeichnungen usw. können Sätze wie etwa die der sog. „Hamburger Norm" oder von den Berufsverbänden aufgestellte Gebührenordnungen unter Umständen als übliche Vergütung in Betracht kommen, jedenfalls einen beachtenswerten Anhalt für die Feststellung eines angemessenen Betrags geben; Taxen im Sinne des Abs. 2 sind sie nicht. Vgl. RG J W 1902, 441; 1907, 17513. — (vgl. BaupreisVO v. 16. 3. 1939 RGBl. I 1041). S. auch § 612 Anm. 3, 4.

§633 Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk so herzustellen, daß es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Ist das Werk nicht von dieser Beschaffenheit, so kann der Besteller die Beseitigung des Mangels verlangen. Der Unternehmer ist berechtigt, die Beseitigung zu verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Ist der Unternehmer mit der Beseitigung des Mangels im Verzuge, so kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. E I 569 Abs. j , Satz 1 Abs. 2 II 572; M l 478s.; P 2 }ogS.

Anm. 1 1. In den §§ 633—639 ist die Gewährleistungspflicht des Unternehmers z.T. abweichend von den für den Verkäufer geltenden Vorschriften §§ 459 ff. (vgl. im übrigen dort) geregelt. Allgemeine Anpreisungen in Ankündigungen, Lobpreisungen und einseitige Zusagen bei den Vertragsverhandlungen, ohne das der Besteller erkennbar auf diese Zusagen Gewicht gelegt hat, sind noch keine Zusicherungen von Eigenschaften. Uber Zusicherung des „rentablen Arbeitens" einer neukonstruierten Maschine s. RG WarnRspr. 1937 Nr. 72. a) Zusicherung von Eigenschaften. Die Ü b e r n a h m e e i n e r G e w ä h r (Garantie) bei Abschluß eines Werk- oder Werklieferungsvertrages kann eine dreifache Bedeutung haben, nämlich einfache Zusicherung bestimmter Eigenschaften i. S. des § 633 I 1, Übernahme der Verpflichtung, für die Vertragsmäßigkeit des Werkes unbedingt einzustehen und selbständige Gewähr für einen über die Vertragsmäßigkeit hinausgehenden Erfolg, z. B. einer bestimmten Leistungsfähigkeit der Maschine, soweit dieser zugesicherte Erfolg erkennbar ein anderer und weiterer als die bloße Vertragsmäßigkeit des Werkes ist (RG 165, 46) vgl. § 638 Anm. 4. b) Begriff des Fehlers: Eine vomRegelzustande nachteilig abweichende Beschaffenheit des Werkes; für den Fall einer neu zu konstruierenden Maschine s. RG WarnRspr. 1908 Nr. 208, bei künstlerischen Bildnissen nicht schon bloße Unähnlichkeit bei sonst einwandfreier Ausführung, SeufTArch. 76 Nr. 13. Ist das Werk mangelhaft, so ist es unerheblich, ob der Mangel auf schlechte Arbeit, auf Mängel des verwandten Stoffes oder aus sonstigen nicht aufzuklärenden Umständen zurückzuführen ist. Anders nur, 627

§ 633

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Antn. 2 wenn der Mangel ausschließlich durch Vorleistungen eines anderen Unternehmers verursacht ist und dieser Mangel auch von einem Fachmann nicht erkannt werden könnte B G H i i . 4. 1957 L M Nr. 3 zu § 633. Auf die Anweisungen des bauleitenden Architekten kann sich der Handwerker nicht berufen, wenn es auf die besonderen, vom Architekten nicht zu erwartenden Spezialkenntnisse ankommt B G H L M Nr. 1 zu § 633. Daß der Mangel eines Werkes auf Maßnahmen zurückzuführen ist, die der Besteller selbst gewünscht hat, schließt seine Geltendmachung nicht aus, es sei denn daß er auf das Sachwidrige der Anweisung hingewiesen ist ( R G WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 78, 1 9 1 9 Nr. 96). Nicht mangelhafte Erfüllung, sondern Nichterfüllung ist die Lieferung eines gegenüber dem vereinbarten völlig andern Werkes; der Besteller behält daher, falls er nicht, sei es auch unter Mängelrüge, das Werk gleichwohl im Sinne des § 640 abgenommen hat, insbesondere den Anspruch auf Herstellung und Lieferung des vereinbarten Werkes ( R G 107, 342ff.), ebenso bei Lieferung einer durch die Schuld des Unternehmers unbrauchbaren und nicht betriebsfähigen Anlage ( R G 22. 5. 1 9 1 7 V I I 68/17). Uber das Erfordernis einer Mängelrüge bei einem Werkvertrag zwischen K a u f leuten s. L Z 1 9 1 9 , Ö554. Eine Abnahme des Werkes durch den Besteller ist nicht Voraussetzung für die Gewährleistungsansprüche; es genügt, daß das hergestellte Werk dem Besteller erfüllungshalber geliefert ist ( R G 165, 45). Soll die Leistung in mehreren Abschnitten erfolgen, so kann sie auch schon insoweit als bewirkt gelten, als der bereits erzielte Arbeitserfolg im Rahmen der Herstellung des Werkes eine wirtschaftliche oder technische Bedeutung hat ( B G H 1, 234). Uber die besonderen Verpflichtungen des Unternehmers bei den auftragsähnlichen Werkverträgen, insbesondere zur rechtzeitigen A b l e h n u n g eines Vertragsantrags f ü r gewisse Unternehmer, s. §§ 675, 663. I m übrigen besteht nach dem B G B in keinem Falle eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ü b e r n a h m e eines ihm angetragenen Werkes. Vgl. dagegen § 6 1 1 Anm. 4. A n S t e l l e d e r i n §§ 633fr. g e g e b e n e n A n s p r ü c h e kann der Besteller auch nach allgemeinen Grundsätzen beim Vorhandensein der tatsächlichen Voraussetzungen einen

Schadensersatzanspruch wegen vertragswidrigen Verhaltens des Unterneh-

m e r s w ä h r e n d d e r A u s f ü h r u n g sowie die bei gegenseitigen Verträgen aus §§ 320 ff. hervorgehenden Rechte, wie z. B. die Einrede des nicht oder nicht gehörig erfüllten Vertrags, Schadensersatz wegen Nichterfüllung, Rücktritt vom Vertrage, gegen den Unternehmer geltend machen. Dazu R G H R R 1936 Nr. 1034. Rücktritt von einem sukzessiv zu erfüllenden Werkvertrag wegen positiver Vertragsverletzung bei andauernd mangelhafter Lieferung gemäß § 326 s. R G WarnRspr. 1933 Nr. 7. Ein Zeitungsunternehmer verwirkt den Werklohn für die Aufnahme von Anzeigen, wenn er durch Artikel in seinem Blatte dem Zwecke der Anzeigen in verwerflicher Weise entgegengearbeitet; des Nachweises eines Schadens bedarf es dazu nicht ( R G L Z 1926, 1070 4 ). Ist durch besonderen Garantievertrag Mängelbeseitigung zugesagt worden, so kann diese auch dann gefordert werden, wenn zugleich der Ersatz des durch die mangelhafte Herstellung bereits entstandenen Schadens verlangt wird ( R G WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 177.

Anm. 2 2 . In diesem Anspruch auf B e s e i t i g u n g d e s M a n g e l s (d. h. Herstellung des vertragsmäßigen Zustandes), dessen Verfolgung nach § 638 der kurzen Verjährung unterliegt, im übrigen aber an keine Frist gebunden ist, liegt ein wesentlicher Unterschied von den für die Mängel beim K a u f gegebenen Vorschriften. — Der Besteller, der das Werk angenommen hat, kann, abgesehen von den aus allgemeinen Grundsätzen sich ergebenden Rechtsfolgen (Anm. 1), wegen der Mängel des Werkes nur die in §§ 633—635 vorgesehenen Rechtsbehelfe geltend machen, z. B. die Beseitigung der Mängel, auch u n e r h e b l i c h e r Mängel, fordern, aber nicht die Herstellung eines neuen, mangelfreien Werkes, letzteres auch dann nicht, wenn die Mängelbeseitigung unmöglich ist ( R G 95, 329; 107, 339). Als Verlangen der Beseitigung eines Mangels ist es aber anzusehen, wenn der Besteller eines G e s a m t w e r k s die Beseitigung einer vertragswidrigen T e i l a n l a g e verlangt ( R G 95, 329). Daß der Unternehmer nicht verpflichtet ist, an Stelle des mangelhaften Werkes ein neues mangelfreies Werk herzustellen, schließt nicht sein Recht aus, die von ihm geforderte Beseitigung des Mangels durch Herstellung eines neuen mangelfreien Werkes zu bewirken ( R G 107, 3 3 9 ; SeuffArch. 69 Nr. 237). Der

628

Werkvertrag

§ 633 Anm. 3, 4 §634

Unternehmer, der einen vom Besteller beanstandeten Teil des Werkes durch ein fehlerfreies Stück ersetzen muß, hat einen Anspruch auf die Herausgabe des beanstandeten Teiles, sofern dieser von selbständigem Wert ist, gegen den Besteller auf Grund des Werkvertrags, nicht etwa nur aus ungerechtfertigter Bereicherung (RG HRR 1928 Nr. 605). Ist nicht ein mangelhaftes Werk geliefert, sondern ein gegenüber dem vereinbarten völlig anderes, so greifen die Vorschriften über die Mängel eines Werkes nicht ein, und es bleibt bei dem Anspruch auf Lieferung des vereinbarten Werkes (s. oben Anm. 1). Der Unternehmer, der für die Güte des Werkes Garantie übernommen hat, kann wegen der veränderten Wirtschaftslage nicht die Beseitigung später eingetretener Mängel verweigern, sondern höchstens einen Beitrag des Bestellers zu den Kosten der Beseitigung verlangen, falls sonst diese dem Unternehmer nicht zuzumuten ist (RG 107, 140). Über die Frage der Mängelhaftung, wenn der Unternehmer den neuen Teil und der Besteller einen anderen ausgeführt hat und jeder dieser Teile Mängel hat, vgl. RG 69, 381. Anm. 3 3. Unverhältnismäßig ist der vom Unternehmer zu leistende Aufwand, wenn der Vorteil, den die Beseitigung des Mangels dem Besteller gewährt, gegenüber dem für die Beseitigung erforderlichen Aufwand geringwertig ist, so daß die Beseitigung sich nicht lohnt (RG 66, 167). — Verweigert der Unternehmer die Beseitigung, so kommt § 634 Abs. 2 zur Anwendung. Anm. 4 4. Verzug des Unternehmers §§ 284fr. entsprechend der Miete § 538 Abs. 2. Beseitigt der Besteller Mängel, ohne daß der Unternehmer mit ihrer Beseitigung im Verzuge ist, so kann er den Ersatz von Aufwendungen nur nach den Vorschriften über Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 fr.) oder über ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff.) verlangen.

§634 Zur Beseitigung eines Mangels der i m § 633 bezeichneten Art kann der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Beseitigung des Mangels nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Zeigt sich schon vor der Ablieferung des Werkes ein Mangel, so kann der Besteller die Frist sofort bestimmen; die Frist m u ß so bemessen werden, daß sie nicht vor der für die Ablieferung bestimmten Frist abläuft. Nach dem Ablaufe der Frist kann der Besteller Rückgängigmachung des Vertrages (Wandelung) oder Herabsetzung der Vergütung (Minderung) verlangen, wenn nicht der Mangel rechtzeitig beseitigt worden ist; der Anspruch auf Beseitigung des Mangels ist ausgeschlossen. Der Bestimmung einer Frist bedarf es nicht, wenn die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder von dem Unternehmer verweigert wird oder wenn die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder auf Minderung durch ein besonderes Interesse des Bestellers gerechtfertigt wird. Die Wandelung ist ausgeschlossen, wenn der Mangel den Wert oder die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert. Auf die Wandelung und die Minderung finden die für den Kauf geltenden Vorschriften der §§ 465 bis 467, 469 bis 475 entsprechende Anwendung. Übersicht 1. Frist zur Beseitigung des Mangels a) Bedeutung der Fristsetzung b) Nachbesserung — widerholte Nachbesserung c) Beweislast 2. Entbehrlichkeit der Fristsetzung

Anm.

1 2 3 4 629

§ 634 A n m . 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Anm.

3. Wandelung a) Allgemeines b) Ausschluß der Wandelung 4. Minderung 5. Entsprechende Anwendung der Vorschriften für Kauf

5 5 6 7 8

Anm. 1 1 . § 633 Anm. 1. a) Die Ansprüche des Bestellers auf W a n d e l u n g oder M i n d e r u n g , ebenso der Anspruch auf Schadensersatz aus § 635 haben außer in den Fällen von § 634 Abs. 2 zur Voraussetzung, daß dem Unternehmer zuvor eine a n g e m e s s e n e Frist zur Beseitigung des M a n g e l s bestimmt ist. Dagegen verbleiben ihm bei Unterlassung der Fristsetzung die Rechte aus §§ 633, 320, 325, 326 RG D J Z 07, 1264. Sie darf nicht etwa unterbleiben, weil der Besteller die Arbeit des Unternehmers noch gebraucht RG J W 36, 2975. Die Fristbestimmung hat hier nicht, wie beim § 326, den Verzug, des Schuldners zur Voraussetzung; sie kann daher schon vor Eintritt der Fälligkeit erklärt werden, sofern nur die Frist nicht vor Eintritt der Fälligkeit abläuft (RG J W 1910, 186 8 ; OLG 34) 4 8 )Anm. 2 b) Eine Fristsetzung ist nicht darin zu erblicken, daß u m g e h e n d e Nachbesserung verlangt wird; ein solches Verlangen steht vielmehr im Gegensatz zur Setzung einer Frist (RG WarnRspr. 1913 Nr. 7). Vgl. § 326 Anm. 1. Auf eine w i e d e r h o l t e N a c h b e s s e r u n g wegen des nämlichen Mangels braucht sich der Besteller nicht einzulassen. Wird aber eine Änderung auf Grund eines Abkommens vorgenommen, wodurch die ursprüngliche Leistungspflicht des Unternehmers erweitert oder sonst verändert oder vergleichsweise festgestellt wird, so ist die Vornahme dieser Änderung Ersterfüllung, nicht Nachbesserung. Bei mangelhafter Ausführung der Änderung bedarf es daher der Fristbestimmung nach Abs. 1, bevor Wandelung oder Minderung verlangt werden kann (SeuffArch. 70 Nr. 239; s. auch Nr. 237). Mit dem Ablauf der Frist fällt nicht nur der Anspruch auf Beseitigung des Mangels fort (Satz 3), sondern auch die Befugnis des Bestellers, den Mangel auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen (§ 633 Abs. 3). Er ist aber andererseits auch nicht verpflichtet, den Mangel abzustellen, hat vielmehr nur im Rahmen des § 254 Abs. 2 für die Abwendung oder Minderung des weitern Schadens zu sorgen (RG 20. 9. 1926 V I I 648/29)., s. R G 69, 381). Anm. 3 c) Nach allgemeinen Grundsätzen liegt dem Unternehmer regelmäßig der B e w e i s der Mängelfreiheit sowie des mangelnden Verschuldens, falls jedoch der Besteller das Werk nach § 640 abgenommen hat, nach § 363 dem B e s t e l l e r der Beweis der Mängel ob. Auch in diesem Falle aber bleibt es bei der ersterwähnten Beweislast des Unternehmers, wenn und soweit er für die ordnungsmäßige Beschaffenheit des Werkes G a r a n t i e geleistet hat. Anm. 4 2. Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Die V e r w e i g e r u n g der B e s e i t i g u n g ist schon dann anzunehmen, wenn der Unternehmer, sei es auch erst im Laufe des Rechtsstreits, das Vorhandensein von Mängeln überhaupt bestreitet (RG 64, 294). Doch muß es sich um ein entschiedenes Bestreiten handeln, und es müssen in dieser Richtung strenge Anforderungen gestellt werden, wenn die Bestimmung einer Frist überflüssig sein soll (RG WarnRspr. 1919 Nr. 159). Der Besteller handelt auf seine Gefahr, wenn er ein mangelhaftes Werk durch ein anderes ersetzt, bevor der Mangel festgestellt ist und der Unternehmer seine Beseitigung bestimmt und endgültig verweigert hat. Der Besteller kann in solchem Falle Schadensersatz wegen seiner Aufwendungen dann nicht verlangen, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt, die Mängel selbst zu beseitigen. Verweigert aber der Unternehmer die Beseitigung, so steht dem Ansprüche des Bestellers auf vollen Ersatz nichts im Wege (RG ebenda).

€30

Werkvertrag

§634 A n m . 5, 6

K a n n der M a n g e l eines Werkes wegen unvollständiger Erfüllung in der dafür bestimmten Zeit (z. B. bei Aushängung von Geschäftsanpreisungen in ungenügender Zahl und Beschaffenheit) n i c h t m e h r b e s e i t i g t werden, so bedarf es nach Abs. 2 keiner Fristseztung ( R G 7. 10. 1 9 1 9 V I I 1 3 6 / 1 9 ; s. auch J W 1 9 1 6 , 1295 7 ). S o f o r t i g e G e l t e n d m a c h u n g des Anspruchs auf Wandelung, wenn grobvertragswidriges Verhalten des Unternehmers das Vertrauen auf eine weitere ordnungsmäßige Vertragserfüllung erschüttert hat, s. R G SeuffArch. 88 Nr. 178, oder wenn die Herstellung des Werkes (Anfertigung eines Persianermantels) eine besondere Vertrauenssache ist und das Werk so mangelhaft ist, daß schon dadurch das Vertrauen gebrochen ist B G H L M Nr. 1 zu § 634.

Anm. 5 3. Wandelung, s. §§ 465—471 a ) Die Wandelung sowohl als die Minderung setzen ein V e r s c h u l d e n des Unternehmers nicht voraus ( R G 56, 8 1 ) . Der Wandelungsanspruch insbesondere ist auch nicht davon abhängig, daß dem Schuldner die Abnahme nicht zugemutet werden kann, oder daß er wegen Erheblichkeit der Mängel kein Interesse mehr am Werk hat; es ist Sache des Unternehmers, den Ausschluß der Wandelung nach Abs. 3 darzutun ( R G SeuffArch. 91 Nr. 130). E r wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Besteller vorläufig das Werk weiterbenutzt, ( R G D J Z 30, 1522). Bei der im Wege der Wandelung endgültig erfolgten Ablehnung des Werkes kann der Besteller der K l a g e auf Zahlung der Vergütung gegenüber nicht mehr die Einrede des nicht erfüllten Vertrags vorschützen ( R G 58, 1 7 6 ; vgl. §640 Anm. 2). Der Besteller muß sein Wandelungsverlangen auch dann begründen, wenn der Unternehmer in einem Vorprozeß mit seinem Vergütungsanspruch auf Grund der Wandelungseinrede abgewiesen worden ist und der Besteller nunmehr die Rückerstattung einer vorhergeleisteten Anzahlung begehrt ( R G 6g, 388). Ist zwischen einem Rechtsanwalt und der seinen Beistand in Anspruch nehmenden Person ausnahmsweise (Vorbem. 2 c Abs. 1 vor § 6 1 1 ) ein Werkvertrag geschlossen, so kann letztere den Ansprüchen des Rechtsanwalts bei mangelhaftem Werke mit der Einrede der Wandelung oder der Minderung begegnen ( R G J W 1 9 1 4 , 642*). Nach dem gemäß Abs. 4 anwendbaren §467 ist die Wandelung ausgeschlossen, wenn der an sich dazu berechtigte Besteller die Unmöglichkeit der ihm nach §§ 346, 347 obliegenden Herausgabe verschuldet hat ( R G WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 52). Ist die Wandelung durch Vertrag ausgeschlossen (wie üblicherweise bei Maschinenlieferungen), so kann der Besteller gleichwohl nach § 326 zum Rücktritt berechtigt sein, wenn dessen Voraussetzungen bezüglich der Mängelbeseitigung vorliegen. Die Fristbestimmung kann hier mit der als Mahnung wirkenden Mängelanzeige verbunden sein ( R G 18. 4. 1931 V I I 4 1 / 1 3 ) . — Ist eine Werkleistung m e h r e r e n B e s t e l l e r n gegenüber zu erfüllen, so steht bei mangelhafter Leistung grundsätzlich jedem einzelnen die Einrede der Wandelung (ihre Erklärung durch a l l e Berechtigten gegenüber dem Unternehmer vorausgesetzt, vgl. Abs. 4, §§ 356, 467) und der Zurückbehaltung (§ 320), wenn es für die g a n z e Gegenleistung gerechtfertigt ist, uneingeschränkt zu, mag auch eine dieser Einreden schon von einem anderen Berechtigten mit Erfolg geltend gemacht worden sein. Handelt es sich aber nur um die Einrede der Minderung und ist diese von einem Berechtigten schon mit Erfolg geltend gemacht worden, so kann ein anderer Berechtigter in einem anderen Rechtsstreit die von dem Unternehmer entsprechend gekürzte Vergütung nicht nochmals um den betreffenden Betrag kürzen ( R G 1 3 . 1 1 . 1 9 1 7 V I I 2 6 1 / 1 7 ) . — Haftung des Verfrachters für die Richtigkeit der in einer Chartepartie enthaltenen Erklärung über die erwartete Ladebereitschaft des Schiffes s. R G 1 1 6 , 156. — Wandelung eines Bauwerkes R G J W 03, Beil. 58. — Der Wandelungsanspruch umfaßt auch die Rückgewähr der Leistungen, die der Besteller an andere zur Herstellung des Werkes machen mußte ( R G 147, 393).

Anm. 6 b ) Beim A u s s c h l u ß d e r W a n d e l u n g trifft für dessen tatsächliche Voraussetzung den Unternehmer die Beweislast. Stellt sich alsdann nur ein unerheblicher Mangel heraus, so kann der Besteller zwar nicht die Wandelung, aber Minderung (§ 634) und, 41

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Dcneckc)

631

§ 634 Anm. 7, 8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

wenn der Mangel auf einem Umstände beruht, den der Unternehmer zu vertreten hat, an Stelle der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 635) verlangen (RG WarnRspr. 1920 Nr. 107). Der Ausschluß der Wandelung greift übrigens nur dann Platz, wenn ein Fehler dem Werke anhaftet, nicht auch dann, wenn mangels zugesicherter Eigenschaft das Werk sich als vertragswidrig erweist (RG 66, 169; J W 1913, 481 1 . Vgl. oben Anm. 2; s. jedoch § 640 Anm. 2). Für die Frage, ob der Mangel nur eine u n e r h e b l i c h e M i n d e r u n g des Wertes oder der Tauglichkeit des Werkes zur Folge hat (nicht zu verwechseln mit der Geringfügigkeit der Preisminderung, die der Besteller wegen des Mangels verlangen kann), ist entscheidend, ob der Wert oder die Tauglichkeit des Werkes nach den beiden Teilen bekannten Umständen des Falles, also auch unter Berücksichtigung des Vertragszwecks als so wenig gemindert anzusehen ist, daß dem Besteller die Annahme zugemutet werden kann (RG 2. 5. 1919 V I I 8/19). Die Frage kann, weil nicht nur tatsächlicher Art, noch in der Revisionsinstanz geprüft werden (RG ebenda und J W 05, 339). Anm. 7 4. Minderung, s. §§465, 472—475. Minderung und Wandelung sind zwei selbständige Rechtsbehelfe. Die Abweisung des Wandelungsanspruchs gegenüber einer Teilforderungsklage in einem früheren Rechtsstreit schließt daher die Einrede der Minderung gegen die klageweise Forderung eines anderen Teiles des Werklohns nicht aus (RG 66, 335; J W 1911, 592 41 ; 1920, 6471). •— Die Minderung hat in der Regel die rein tatsächliche Hinnahme des Werkes zur Voraussetzung (vgl. §638 Abs. 1 Satz 2; RG 9. 2. 1907 V I I 334/06). Nach § 634 Abs. 4, § 472 ist dabei die V e r g ü t u n g in dem Verhältnisse h e r a b z u s e t z e n , in dem der Wert eines mangelfreien Werkes der bestellten Art zu dem Werte eines Werkes von der mangelhaften Art des ausgeführten gestanden haben würde. Streitig ist, ob bei dieser Wertfeststellung die Zeit des V e r tragsabschlusses oder die Zeit der H e r s t e l l u n g , bei abnahmefähigen Werken die Zeit der A b n a h m e oder Ablieferung des Werkes zugrunde zu legen ist. Allerdings sprechen für die zweite Ansicht die §§ 634, 641 Abs. i, 644, gleichwohl wird man sich für die erste zu entscheiden haben, da nach § 634 Abs. 4 auf die Minderung die für den Kauf geltenden Vorschriften der §§ 469—-475 entsprechende Anwendung finden sollen, nach § 472 Abs. 1 aber bei der Minderung der Kaufpreis in dem Verhältnisse, in welchem zur Zeit des Verkaufs, also des V e r t r a g s a b s c h l u s s e s (nicht der Ubergabe), der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Werte gestanden haben würde, herabzusetzen ist und auch diese Auffassung zu einem praktisch annehmbaren Ergebnis führt. Anm. 8 5. Entsprechende Anwendung finden also hier die für den Kauf getroffenen Vorschriften über die Vollziehung der Wandelung oder Minderung, über die vom Verkäufer an den einen Mangel behauptenden Käufer zu richtende Aufforderung zur Erklärung, ob er Wandlunge verlange, über die entsprechende Anwendung der für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Bestimmungen (§§ 465—467); ferner über die Durchführung der Wandelung beim Verkauf mehrerer Sachen sowie über die Durchführung der Minderung und über das einem Käufer, der wegen eines Mangels die Minderung erklärt hat, zustehende Recht, wegen eines anderen Mangels Wandelung oder von neuem Minderung zu verlangen (§§469—475). Die auf die Wandelungseinrede erfolgte Abweisung eines Teillohnanspruchs des Unternehmers aus dem Werkvertrag enthält noch keine die Verjährung ausschließende „Vollziehung" der Wandelung im Sinne von § 465, und der darauf vom Besteller klagend verfolgten Rückforderung eines andern Teiles des Werklohns steht daher die für die Wandelung geltende Einrede der kurzen Verjährung nach §§ 638, 639 entgegen (RG 69, 385).

632

Werkvertrag

§ 635 A n m . 1—3

§ 635 Beruht der Mangel des Werkes auf einem Umstände, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Besteller statt der Wandelung oder der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. EI 569 II 573; Ml 481; Pl 31 gg. Übersicht Anm. I. Voraussetzung für Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung 1. V o m Unternehmer zu vertretener Umstand i 2. Erfolglose Bestimmung einer Frist 2 II. Verhältnis zur Wandelung und Minderung 3 I I I . Verhältnis gegenüber allgemeinen Schadensersatzanspruches 4—6 I. Voraussetzung für Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung Anm. 1 1 . Ein vom Unternehmer zu vertretender Umstand kann auf einem V e r s c h u l d e n (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Unternehmers oder seiner Hilfspersonen (§§ 276, 278) oder auf einem G a r a n t i e v e r s p r e c h e n , also auf der Zusicherung, für die Vertragsmäßigkeit des Werkes einstehen zu wollen (RG 90, 415; 165, 40 vgl. 633 Anm. 1), beruhen. Die vertragliche Zusicherung einer Eigenschaft des herzustellenden Werkes (§633 Abs. 1) genügt (anders als beim K a u f §463) nicht, um die Schadensersatzpflicht zu begründen (RG 58, 180; R G WarnRspr. 1915 Nr. 79; R G SeuffArch. 76 Nr. 80). Dagegen hat der (sachverständige) Unternehmer auch solche Mängel zu vertreten, die auf eine besondere A n w e i s u n g d e s B e s t e l l e r s zurückzuführen sind, sofern er den Besteller nicht auf das Sachwidrige der Anweisung aufmeksam gemacht hat (RG WarnRspr. 1919 Nr. 96); unter der gleichen Voraussetzung Mängel, die, wie z. B. eine unzureichende Stärke des Mauerwerks, der dem Werk zugrunde liegenden Zeichnung entsprachen (RG SeuffArch. 79 Nr. 25). Wer aber ein Gewerbe betreibt, muß dafür einstehen, daß er die nötige Sachkenntnis und Kunstfertigkeit besitzt; er hat daher auch den Mangel solcher zu vertreten (vgl. R G WarnRspr. 1915 Nr. 78 oben § 633 Anm. i b ) . Bei der Beurteilung der Schadensersatzpflicht des Unternehmers kann auch ein m i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n des B e s t e l l e r s oder seiner Hilfspersonen gemäß §§ 254, 278 in Betracht kommen (RG 62, 106; 69, 384; O L G 40, 325). Anm. 2 2. Auch hier ist von Seiten des Bestellers vorgängige erfolglose Bestimmung einer Frist (§634 Anm. 1) zur Beseitigung erforderlich (RG 56, 81), sofern nicht einer der Ausnahmefälle des § 634 Abs. 2 insbesondere die Unmöglichkeit der Beseitigung, vorliegt (RG 2. 3. 1909 III 197/08). Eine solche Fristbestimmung steht also dem Schadensersatzanspruch keinenfalls entgegen (RG J W 1910, 146 6 ). Wird geltend gemacht, daß der Mangel nicht beseitigt werden könne (§ 634 Abs. 2), so muß unter Umständen geprüft werden, ob nicht wenigstens durch Beseitigung der nachteiligen Folgen eines selbst nicht zu beseitigenden Mangels (z. B. der Verwendung ungeeigneter Stoffe) die Herstellung eines dem § 633 Abs. 1 entsprechenden Werkes möglich ist. Ist der Mangel in diesem Sinne zu beseitigen, dann muß eine Frist zur Beseitigung nach § 634 Abs. 1 bestimmt werden (RG WarnRspr. 1915 Nr. 79). Eine Zurückweisung des gelieferten Werkes ist nicht erforderlich; es kommt nur darauf an, daß der Besteller das Werk nicht in der vertragsmäßigen Beschaffenheit erhalten hat (RG 165, 45). II. Verhältnis zur Wandelung und Minderung Anm. 3 Z w i s c h e n der W a n d e l u n g oder M i n d e r u n g einerseits und dem Schad e n s e r s a t z a n d e r s e i t s k a n n d e r B e s t e l l e r bis zur Vollziehung der ersteren oder bis zur rechtskräftigen Verurteilung des Unternahmers w ä h l e n (keine Wahlschuld im Sinne der §§ 262, 263). Nach R G 147, 390 kann der Besteller Schadensersatz wegen Nichterfüllung auch dann noch verlangen, wenn auf seine Wandlungseinrede in einem Vorprozeß die Werklohnklage des Unternehmers rechtskräftig abgewiesen worden 41

633

§ 635 Anm. 4—6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

ist, die Wandelung aber nicht in Natur vollzogen werden kann, vielmehr wie beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung ersetzt werden muß durch den Ausgleich des vom Unternehmer und des vom Besteller Geleisteten. Immer aber ist es der Besteller, dem die Wahl zusteht. Das Gericht darf nicht einem nur auf Wandelung gestützten Klagebegehren unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes stattgeben (RG SeuffArch. 76 Nr. 80). — Da Schadensersatz nicht nur statt der Wandelung, sondern auch statt der Minderung verlangt werden kann, wird der Ersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen daß der Mangel den Wert oder die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert (§ 634 Abs. 3 und Anm. 5). Vgl. ferner Anm. 6. III. Verhältnis zum allgemeinen Schadensersatzanspruch Anm. 4 Dieser Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, dessen Verjährung sich nach § 638 bestimmt, und durch den zugleich der Anspruch des Unternehmers auf Vergütung beseitigt wird (RG 58, 176), setzt voraus, daß es sich um einen u n m i t t e l b a r durch die M a n g e l h a f t i g k e i t des Werkes hervorgerufenen, diesem unmittelbar anhaftenden und in dem Zeitpunkte der Abnahme oder Vollendung des Werkes vorliegenden Schaden handelt (RG 66, 16; 71, 173), dagegen nicht, daß der Besteller an der mangelhaften Ware kein Interesse mehr hat (BGH J R 58, 380). Dadurch werden aber a n d e r e , auf a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n b e r u h e n d e S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e nicht ausgeschlossen. Aus dem Rahmen des § 635 fällt heraus und ist nach allgemeinen Grundsätzen (§ 276) zu beurteilen der Ersatzanspruch wegen eines Schadens, der nicht schon aus der mangelhaften Beschaffenheit des gelieferten Werkes selbst entspringt, sondern in seiner Benutzung und einem damit verknüpften besonderen Ereignisse seinen Grund hat. Hier bedarf es zur Entstehung des Schadens noch des Hinzutritts eines besonderen selbständigen Ereignisses (z. B. eines vom Besteller erlittenen körperlichen Unfalls), und der Schaden braucht in dem Zeitpunkte der Abnahme oder Vollendung des Werkes (§§ 638, 646) noch nicht entstanden zu sein (RG 95, 2). Rechtfertigt die Sachlage den Schluß einer Verletzung der obliegenden Sorgfaltspflicht, so hat der Unternehmer zu beweisen, daß der Schaden ohne sein Verschulden eingetreten ist und auch nicht hätte abgewendet werden können (RG 148, 150; 150, 13g, BGH NJW 57, 746). Der aus einer solchen Schadenszufügung hergeleitete Schadensersatzanspruch unterliegt nicht der kürzern Verjährung des § 638, sondern der dreißigjährigen Verjährung nach § 195 (RG 95, 2). Vgl. § 638 Anm. 1. Anm. 5 Diese Unterscheidung zwischen Schäden, die unmittelbar aus der Mangelhaftigkeit des Werkes hervorgegangen, und solchen, die erst durch das Hinzutreten eines besonderen selbständigen Ereignisses verursacht worden sind, ist auch für das V e r h ä l t n i s eines S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h e s g e g e n ü b e r f r ü h e r oder g l e i c h z e i t i g erh o b e n e n A n s p r ü c h e n auf W a n d e l u n g oder M i n d e r u n g entscheidend. Handelt es sich um einen Schaden der ersteren Art, der die Wandelung oder Minderung rechtfertigt, für sich allein den Schadensersatzanspruch begründet, dann kann der Besteller nur einen der drei Ansprüche durchführen, Schadensersatz also zwar im Hilfsverhältnis zu Wandelung oder Minderung (RG 58, 178; 95, 2; RG WarnRspr. 1920 Nr. 107) nicht aber neben und nach durchgeführter Wandelung oder Minderung geltend machen (RG ebenda; vgl. auch Anm. 2). Ist dagegen der Schaden erst durch das Hinzutreten eines besonderen Ereignisses vermittelt worden, so steht ein darauf gestützter Ersatzanspruch dem Besteller auch neben und nach durchgeführter Wandelung oder Minderung zu (RG 95, 2; auch 93, 158). Uber Einzelheiten der Schadensberechnung nach Differenztheorie RG 141, 259; J W 36, 2 1 3 1 , BGH 9, 98. Anm. 6 Der Besteller, der sich für den Schadensersatzanspruch entschieden hat, ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Mangel zu beseitigen, wenn es ohne Schwierigkeit und mit sicherer Aussicht auf Erfolg geschehen kann; der Schadensersatz beschränkt sich dann auf die Kosten der Beseitigung (RG SeuffArch. 82 Nr. 144). Der Vertrag gilt nicht als aufgehoben, wenn Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt wird; an die 634

Werkvertrag

§ 636 A n m . 1—3

Stelle der ursprünglichen Vertragspflichten beider Teile tritt aber ein Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Unternehmer, und der von dem Unternehmer bedungene Werklohn bildet nur noch einen Faktor für die Höhe der dem Gegner zustehenden Schadensersatzforderung und entfällt, wenn und soweit ein Schaden des Bestellers festgestellt wird (RG 141, 259; 149, 135; 152, m ) . Verlangt der Besteller Schadensersatz wegen eines trotz Nachbesserung (§ 633 Abs. 2) verbliebenen Minderwertes, so kann der Unternehmer nicht einwenden, dem Besteller sei von seinem eigenen Abnehmer kein Abzug gemacht worden. Für eine Vorteilsausgleichung ist kein Raum, da Vorteil und Nachteil nicht auf demselben Ereignis beruhen. Auch kommt es für die Schadensersatzpflicht des Unternehmers nur auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Werkes oder der Nachbesserung an (RG J W 1919,932 3 ). Der schadensersatzberechtigte Besteller kann, statt die Beseitigung des mangelhaften Werkes, z. B. eines Gebäudes und Rückzahlung des Werklohns zu verlangen, auch das Werk unter Anrechnung seines Wertes auf seine Schadensersatzforderung übernehmen (RG J W 1926, 985*).

§ 636 Wird das Werk ganz oder z u m Teil nicht rechtzeitig hergestellt, so finden die für die Wandelung geltenden Vorschriften des § 634 A b s . 1 bis 3 entsprechende A n w e n d u n g ; an die Stelle des A n s p r u c h s auf Wandelung tritt d a s Recht des B e s t e l l e r s , nach § 327 von d e m Vertrage zurückzutreten. Die i m Falle des Verzugs d e s U n t e r n e h m e r s d e m Besteller zustehenden Rechte bleiben unberührt. Bestreitet der U n t e r n e h m e r die Zulässigkeit d e s erklärten Rücktritts, w e i l er das Werk rechtzeitig hergestellt habe, so trifft ihn die B e w e i s l a s t . E I 569 Abs. 4 II 57; M 2 481fr.; P 2 jioff.; 6 384. Anm. 1 1. Bei nicht rechtzeitiger Herstellung des Werkes stehen dem Besteller schon nach allgemeinen Grundsätzen als Rechtsbehelfe zu: a) die Klage auf Vertragserfüllung oder nach § 283 auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung; b) die Einrede des nichterfüllten Vertrags; c) der Schadensersatzanspruch aus einem etwaigen Garantieversprechen des Unternehmers; d) die nach § 636 Abs. 1 Satz 2 unberührt bleibenden Ansprüche aus einem etwaigen Verzuge. Die Vorschrift des § 636 findet nicht nur dann Anwendung, wenn im Vertrag ausdrücklich eine bestimmte Frist für die Herstellung des Werkes oder eines Werkteiles bestimmt worden ist, sondern auch in allen anderen Fällen nicht rechtzeitiger Herstellung (RG WarnRspr. 1937 Nr. 16). Anm. 2 2. An S t e l l e des Anspruchs auf Wandelung gewährt außerdem der § 636 in Abs. 1 Satz 1 ein Rücktrittsrecht (kein Minderungsrecht), das einen Verzug oder ein Verschulden des Unternehmers nicht erfordert, aber wegfällt, wenn die Verzögerung auf einen Umstand zurückzuführen ist, den der Besteller zu vertreten hat (RG 1. 12. 1916 V I I 216/16). Höhere Gewalt, wie etwa ein Arbeiterstreik, entschuldigt den Unternehmer nicht. Nur in gewissen Ausnahmefällen (z. B. bei Kürze der Lieferungsfrist, Nichterlangbarkeit anderer Arbeiter innerhalb dieser Frist u. dgl.) kann ein solches Ereignis dem Unternehmer zur Entschuldigung dienen (RG DJ 42, 382). Anm. 3 3. F ü r d i e Erklärung des Rücktritts ist der Besteller, wenn er infolge eines besonderen Interesses an dessen sofortiger Geltendmachung nach § 634 Abs. 2 von Bestimmung einer Frist absehen darf, an eine bestimmte Frist oder an die V e r j ä h r u n g n i c h t gebunden, insbesondere nicht verpflichtet, den Rücktritt bereits im Zeitpunkte des Ablaufs der Lieferfrist oder doch der Entstehung des besonderen Interesses zu erklären. Vielmehr ist alsdann nur der U n t e r n e h m e r befugt, nach § 355 dem Besteller eine Frist zur Erklärung zu setzen (RG 52, 317). Bestimmt der Besteller nach Ablauf des Lieferungstermins eine Frist nach § 634 Abs. 1 „zum Beginne der Arbeiten" (z. B.

635

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 636 Anm. 4 §§ 637, 638

für eine Schaufensteranlage), so ist damit von selbst auch eine, der Dauer nach erforderlichenfalls durch den Richter zu bemessende Frist zur Vollendung des Werkes bestimmt. Erklärt der Unternehmer sich nur unter vertragswidrigen Bedingungen (z. B. gegen Vorauszahlung des Lohnes) zum Beginn der Arbeiten bereit, so kann der Besteller schon vor Ablauf der Frist nach § 636 Abs. 1 Satz 1 vom Vertrag zurücktreten. Verzug (Abs. 1 Satz 2) ist dazu nicht erforderlich ( R G WarnRspr. 1917 Nr. 76). Anm. 4 4. Für den Verzug ist einerseits ein V e r s c h u l d e n des Unternehmers erforderlich (§ 285), anderseits aber auch die Wirkung (Schadensersatz) weiter erstreckt (§§ 286, 326). Hat der Unternehmer das Werk t e i l w e i s e hergestellt, die Herstellung des Restes aber schuldhaft unterlassen, und beansprucht der Besteller deshalb Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326, so stehen Schadensersatzforderung und Anspruch einander gegenüber. Es handelt sich nicht um Aufrechnung (§§ 387fr.), sondern um Abrechnung, d. h. Ermittelung eines rechnerischen Ergebnisses, wobei der fällige Teillohn nur die Bedeutung eines die Höhe der Schadensersatzforderung beeinflussenden Rechnungsbetrags hat ( R G 83, 279; R G J W 1936, 2 1 3 1 3 ) . Ubersteigt der von dem Unternehmer verdiente Werklohnteil den Schaden des Bestellers, so hat dieser den Unterschied an den Unternehmer zu zahlen ( R G J W 1936, 2 1 3 1 3 ) . — Zu beweisen hat dabei der Besteller nur, daß der Unternehmer den Vertrag nicht erfüllt und dadurch einen Schaden verursacht hat; dem Unternehmer bleibt anheimgestellt nachzuweisen, daß der Schaden auch bei rechtzeitiger Herstellung des Werkes eingetreten wäre ( R G J W 1936, 2912 6 ).

§ 637 Eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung des Unternehmers, einen Mangel des Werkes zu vertreten, erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschweigt. EI

570

II

575;

M2

485, 486;

Pz

511.

Übereinstimmend bei Kauf und Miete. Vgl. §§ 476, 540. Im übrigen kann die Vertretungspflicht des Unternehmers durch freie Vereinbarung beliebig festgesetzt werden. Der Gewährleistungsausschluß ist nach § 637 beim Vorliegen mehrerer Mängel nicht in vollem Umfange nichtig, wenn nur ein Mangel oder einzelne von den mehreren Mängeln arglistig verschwiegen sind ( R G 62, 122).

§638 Der Anspruch des Bestellers auf Beseitigung eines Mangels des Werkes sowie die wegen des Mangels dem Besteller zustehenden Ansprüche auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz verjähren, sofern nicht der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat, in sechs Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahre, bei Bauwerken in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes. Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werden. EI 571» 579 Nr. 2 II

J76;

Ml

486,

508;

Pl

311.

Übersicht 1. 2. 3. 4.

Anwendung der kurzen Verjährungsvorschriften Begriff des Bauwerkes Abnahme Verlängerung der Verjährungsfrist, insbesondere bei Garantie

636

Anm. 1—3 4 5 6

Werkvertrag

Anm. 1

§ 638

Anm. 1—3

Anwendung der kurzen Verjährungsfrist

1. V e r j ä h r u n g . Vgl. §477. A r g l i s t i g e s V e r s c h w e i g e n , das die Anwendung des § 638 ausschließt, liegt nur dann vor, wenn der Unternehmer oder sein Erfüllungsgehilfe (§ 278) sich der Erheblichkeit des Mangels bewußt war oder doch mit ihr rechnete, seine Offenbarung aber mit Willen unterließ, obwohl er die Verpflichtung zur Aufklärung des Vertragsgegners kannte ( R G WarnRspr. 1934 Nr. 6). Die Vorschrift des § 638 setzt für sämtliche bezeichneten Ansprüche (§§ 633—635), insbesondere auch für den Anspruch auf Beseitigung ( B G H 19, 320), ohne Rücksicht darauf, wann der einzelne Mangel in die Erscheinung tritt, und ohne Rücksicht darauf, daß erst von diesem Zeitpunkt an der Besteller in der L a g e ist, Ansprüche zu erheben, den B e g i n n d e r V e r j ä h r u n g auf den T a g der Abnahme des Werkes fest und spricht damit aus, daß für die Verjährung nicht der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Beseitigung eines bestimmten Schadens oder der Entstehung des Wandelungs-, Minderungs- und Schadensersatzanspruchs, sondern nur der Ablauf des m i t d e r A b n a h m e beginnenden Zeitraums bestimmend ist ( R G J W 1 9 1 2 , 1 1 0 5 6 ) . Die Verjährung greift nicht nurflbei Herstellung oder Veränderung einer Sache, sondern auch bei einer Leistung nicht körperlicher Art, der Erzielung eines Erfolges, Platz und beginnt alsdann mit der Abnahme oder (§646) V o l l e n d u n g der Leistung. V o r a u s g e s e t z t wird aber dabei, d a ß d e r M a n g e l d e r g e l i e f e r t e n L e i s t u n g u n m i t t e l b a r a n h a f t e t und im Zeitpunkt der Abnahme oder Vollendung der Schaden für den Besteller erwachsen ist, was z. B. nicht der Fall ist bei einem durch eine unrichtige Wertschätzung (Taxe) nachträglich verursachten Schaden ( R G 64, 4 3 ; vgl. 7 1 , 173). Ein unmittelbar der Leistung anhaftender Mangel, der die Anwendung des § 638 rechtfertigt, liegt auch vor, wenn der Unternehmer bei der Herstellung eines Bauwerks mit Schwamm behaftete Bretter und Holzteile darin zurückläßt; in dem späteren Ubergreifen des Schwammes auf Teile des Bauwerks liegt nur die Vergrößerung des schon bei der Erbauung vorhandenen Schadens ( R G J W 1938, 1646 7 ).

Anm. 2 Der k u r z e n V e r j ä h r u n g u n t e r l i e g e n n i c h t Ersatzansprüche, die nicht unmittelbar aus der Mangelhaftigkeit des gelieferten Werkes hervorgegangen, sondern erst durch Hinzutreten eines besonderen selbständigen Ereignisses vermittelt worden sind, insbesondere auf einen Verstoß gegen die pflichtgemäße Sorgfalt bei Ausführung des noch nicht vollendeten Werkes beruhen (s. Rspr. R G 109, 200; 1 1 4 , 3 1 2 ; 1 1 5 , 122). So, wenn bei der Ausführung eines B e f ö r d e r u n g s v e r t r a g s der zu Lande oder zu Wasser beförderte Reisende während der Beförderung infolge mangelnder Fürsorge für seine Person oder in ähnlicher Weise durch Verschulden des Beförderungsunternehmers oder seiner Leute verletzt worden ist. Unfall eines Badegastes nach Verlassen der Badezelle infolge Glätte in der Zugangshalle s. R G L Z 1924, 546®. Das gleiche wurde z. B. auch angenommen f ü r den den Anspruch des Bestellers auf Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden war, daß Feuchtigkeit aus einem vom Unternehmer hergestellten Abzugsrohr in das Mauerwerk des Hauses eingedrungen war und Hausschwamm hervorgerufen hatte ( R G WarnRspr. 1920 Nr. 33). Dagegen wird die Anwendung dieser Vorschrift nicht dadurch ausgeschlossen, daß der dem Werk selbst unmittelbar anhaftende Mangel auf eine Verletzung der Vertragspflicht bei Herstellung des Werkes zurückzuführen ist ( R G 93, 158). So ist § 6 3 8 anzuwenden bei Ansprüchen wegen Nichteinhaltung der Zusicherung einer besonders sorgfältigen Ausführung oder eines Widerstandes gegen einen bestimmten Druck. Vgl. § 635 Anm. 3. Wird ein dem Unternehmer gewährter V o r s c h u ß wegen mangelhafter Erfüllung zurückgefordert, so ist dies kein der allgemeinen Verjährung unterliegender Bereicherungsanspruch, weil die Zahlung nicht ohne Rechtsgrund, sondern auf Grund des Werkvertrags geleistet worden ist; § 638 ist also anwendbar ( R G 15. 11. 1921 V I I 156/21).

Anm. 3 Dagegen findet § 638 Anwendung auf den A n s p r u c h d e s B e s t e l l e r s a u f E r s a t z d e r A u f w e n d u n g e n , die er zur Beseitigung eines Mangels bei Verzug des Unternehmers macht (§ 633 Abs. 3). Dieser Anspruch ist nur als ein Ausfluß, als eine Abart

637

§ 638 Anm.4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

des Anspruchs auf Beseitigung des Mangels anzusehen und unter diesem Ansprüche mitzuverstehen. Dafür spricht die Fassung und Entstehungsgeschichte des § 633 Abs. 3 sowie das Verkehrsbedürfnis (RG 80, 439; bestr.). Die Vorschrift des § 638 ist nicht anwendbar auf den Verlagsvertrag (RG 74, 361 und Vorbem. 2 vor §631), ebenso nicht auf den Dienstvertrag, wohl aber auf den V e r t r a g z w i s c h e n dem R e c h t s a n w a l t und der P a r t e i , wenn dieser ausnahmsweise (Vorbem. 3. 1 vor § 6 1 1 ) ein Werkvertrag ist. § 32a R A O (fünfjährige Frist) kürzt nur die regelmäßige Verjährungsfrist von dreißig Jahren ab und läßt Sondervorschriften, wie den §638, unberührt (RG 88, 223; RG J W 1936, 2861 8 ). Liegt, wie in der Regel, ein Dienstverhältnis vor, so ist § 32 a R A O anzuwenden (RG 90, 82). Beim Vertrag auf Lieferung elektrischer Energie ist nicht § 638, sondern § 477 anzuwenden (Vorbem. 1 vor § 631). Anm. 4 2. B a u w e r k : eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache (RG 56, 41). Auch die von den mitwirkenden Bauhandwerkern eingefügten einzeln verdungenen T e i l a r b e i t e n gehören dazu (RG 57, 377; WarnRspr. 1912 Nr. 339). Bei Werklieferungsverträgen über nicht vertretbare bewegliche Sachen greift die fünfjährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche aus Bauwerkverträgen nicht schon dann Platz, wenn die herzustellenden Sachen zur Einfügung in ein Bauwerk bestimmt sind; die Einfügung muß auch einen Teil der von dem Unternehmer vertragsgemäß zu leistenden Arbeit bilden (RG 13. I i . 1928 V I I 641/27). Dabei brauchen Teilwerke an einem Gebäude, um als Bauwerk (§§ 638, 648) gelten zu können, nicht einen äußerlich hervortretenden, körperlich abgegrenzten Teil des ganzen Baues darzustellen. Sie gehören zu den Bauwerken, wenn sie, auf Grund von Werkverträgen geleistet, materielle Bestandteile der Gesamtarbeitsleistung eines Baues bilden (RG 63, 313). Ganz unbedenklich dürfen daher auch U m a r b e i t e n (Veränderungen oder Erneuerungen) an vorhandenen Gebäuden, z. B. die Verstärkung der Belastungsfähigkeit der die Decken tragenden Eisenkonstruktionen durch Anbringung neuer Säulenreihen und Unterzugsträger (RG J W 1913, 133 1 0 ), teilweise Erneuerung der Dächer, als Bauwerk beurteilt werden, wenn sie auf Grund eines Werkvertrags geleistet werden und zufolge ihres bestimmungsmäßigen Inhalts und Umfangs für die Konstruktion, sei es des ganzen Gebäudes, sei es eines Gebäudeteils, von wesentlicher Bedeutung sind (angef. RG J W 1913, 133 1 0 ; RG WarnRspr. 1916 Nr. 305), nicht aber Ausbesserung einzelner Schäden (BGH 19, 319). Ein Werkvertrag über eine m a s c h i n e l l e E i n r i c h t u n g und I n b e t r i e b s e t z u n g betrifft nur dann ein Bauwerk, wenn der Unternehmer auch die Fundamentierung und die Verbindung mit den Fundamenten zu beorgen hat (RG Gruchot 50, 656). Lichtanlagen s. RG WarnRspr. 1928 Nr. 146. Ein a r t e s i s c h e r B r u n n e n oder ein Pumpbrunnen ist in der Regel kein Bauwerk (vgl. RG 30, 153). Ausnahme jedoch bei hergestellter fester und dauernder Verbindung der Röhren und Maschinenanlagen mit dem Grundstück (RG J W 1902 Beil. 219 70 ). Auch ein Betriebswasserkanal, der aus miteinander durch Mörtel verbundenen Zementrohren und aus gemauerten Einfallschächten (unbeweglichen Sachen) besteht, mit denen die zwischen zwei Schächten liegenden einzelnen Teile der Rohrleitung unter Verwendung von Zement und Mörtel zusammengebaut sind, ist ein Bauwerk im Sinne des § 638 (RG J W 1910, 148 1 1 ). Kein Bauwerk ist dagegen eine mit Ketten am Ufer befestigte S c h i f f s m ü h l e (RG J W 1908, 431 4 ), ebensowenig in der Regel eine Drainage wegen der fehlenden festen Verbindung der Röhren mit dem Erdboden (RG J W 1908, 657®; SeufTArch. 67 Nr. 46; Gruchot 53, 81); ebenso nicht ein nicht eingebauter und auch nicht mit dem Gemäuer festverbundener Heizkessel ( H R R 1930 Nr. 209). Kein Bauwerk sind aufgetürmte Sandkippen; sie sind es schon deswegen nicht, weil sie einem bestimmten Zwecke nicht dienen noch einen nach gewissen Regeln der Kunst oder der Erfahrung hergestellten Gegenstand bilden (RG 60, 138 zu §836). Keine Bauwerke sind Gartenanlagen, weil sie nur in einer Umgestaltung des Erdbodens bestehen (vgl. RG 30, 153); die Gartenterrasse kann ein Bauwerk sein. Kein Bauwerk ist die Herstellung eines Bohrlochs in Verbindung mit der Lieferung und Einführung eines Saugrohrs; ebenso kein Bauwerk, sondern nur eine kunstgerechte Veränderung des natürlichen

638

Werkvertrag

§ 638 Anm. 5, 6 §639

Zustandes von Grund und Boden sind Brunnen, mögen auch die Rohre unten mit Filtern zu versehen und oben an die Saugleitung anzuschließen gewesen sein, dann, wenn die Herstellung von Mauerwerk oder ein wirkliches Bauen nicht erforderlich war ( R G Gruchot 59, 124). Auf den Wert einer Anlage und auf den U m f a n g der Arbeitsleistung kommt es für die Anwendung des § 638 nicht an ( R G ebenda). Der Begriff des Bauwerks läßt sich hiernach wie folgt bestimmen: „ein Werk, das mit einem Grundstück oder Gebäude verbunden und nach seiner typischen Zweckbestimmung unbeweglich ist; das ferner nicht in einer bloßen Umgestaltung des Bodens selbst bestehen darf".

Anm. 5 3 . A b n a h m e d e s W e r k e s . Vgl. § 640 Anm. 1, 2. Bei auf längere Zeit abgeschlossenen Verträge mit fortgesetzten Werkleistungen beginnt die Verjährung nicht erst mit dem Ende des Vertragsverhältnisses, sondern mit der Abnahme der einzelnen mangelhaften Leistungen; bei fortdauernder gleichmäßiger Leistung werden längere Zeiträume, z. B. mehrere Monate, zusammenzufassen sein (vgl. dazu B G H M D R 5 1 , 3 5 0 : Lieferung elektrischen Stromes). — Ist nach der Beschaffenheit des Werkes seine A b nahme ausgeschlossen, so beginnt die Verjährung gemäß § 646 mit der V o l l e n d u n g des Werkes.

Anm. 6 4. V e r l ä n g e r u n g d e r V e r j ä h r u n g s f r i s t abweichend von § 225. Wird in bezug auf ein Werk oder eine Werklieferung eine G a r a n t i e übernommen, so kommt es für die Verjährung auf die Bedeutung der Garantieübernahme an (vgl. § 633 Anm. 1). Ist in der üblichen Weise für die Brauchbarkeit und Leistungsfähigkeit, insbesondere für bestimmte Eigenschaften des Werkes Garantie übernommen, so beginnt die Verjährung nicht erst mit dem Ablauf der Garantiefrist; vielmehr bedeutet die Garantieübernahme hier, daß jeder innerhalb der Garantiefrist hervortretende Mangel geltend gemacht werden kann, jedoch so, daß von dem Hervortreten des Mangels oder von dem in § 63g Abs. 2 erwähnten Zeitpunkt ab die gesetzliche Verjährung zu laufen beginnt ( R G 65, 1 1 9 ; H R R 1930, Nr. 209). Wird vereinbart, daß der Unternehmer zur Nachbesserung verpflichtet ist, falls innerhalb einer bestimmten Frist gewisse Mängel hervortreten sollen (darin liegt auch ein Garantieversprechen), so wird einer solchen Abrede regelmäßig der Sinn beiwohnen, daß die Verjährung des Nachbesserungsanspruchs mit der Entdeckung des Mangels und nicht etwa schon mit der Abnahme des Werkes beginnen soll ( R G WarnRspr. 1 9 1 1 Nr. 3 7 0 ; O L G 36, 79). In allen diesen Fällen bildet die G a rantie einen u n s e l b s t ä n d i g e n Teil des Werk- oder Werklieferungsvertrags und die Verjährung bemißt sich im übrigen nach den §§ 638, 639. Wird aber nicht nur eine bestimmte Leistungsfähigkeit des Werkes, sondern darüber hinaus eine bestimmte Leistungsfähigkeit einer ganzen Anlage, für das Werk (z. B. eine Maschine) bestimmt ist, zugesichert, also für den Eintritt eines nicht nur von den Eigenschaften des Werkes selbst abhängigen Betriebserfolgs eingestanden, dann liegt ein s e l b s t ä n d i g e s neben dem Werk- oder Werklieferungsvertrag abgegebenes G a r a n t i e v e r s p r e c h e n vor, für das nicht die kurze Verjährungsfrist des § 638, sondern die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 gilt ( R G 165, 4 1 ; J W 1 9 1 9 , 1926, 2526; R G WarnRspr. 1925 Nr. 2 1 .

§ 639 Auf die Verjährung der im § 638 bezeichneten Ansprüche des Bestellers finden die für die Verjährung der Ansprüche des Käufers geltenden Vorschriften d e s § 477 Abs. 2, 3 und der§§ 478, 479 entsprechende Anwendung. Unterzieht sich der Unternehmer im Einverständnis mit dem Besteller der Prüfung des Vorhandenseins des Mangels oder der Beseitigung des Mangels, so ist die Verjährung so lange gehemmt, bis der Unternehmer dasErgebnis der Prüfung dem Besteller mitteilt oder ihm gegenüber den Mangel für beseitigt erklärt oder die Fortsetzung der Beseitigung verweigert. E U 576 Abs. 2 III 629; P 2 31 2 ff.

639

§ 639 Anm. 1—3

§ 640 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 Nach dem entsprechend anzuwenden § 477 Abs. 2, 3 wird die Verjährung durch den Antrag des Bestellers auf gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises eines Mangels unterbrochen und die eingetretene Hemmung oder Unterbrechung bezüglich der Verjährung eines der in § 638 aufgeführten Ansprüche auch auf die Verjährung der anderen Ansprüche erstreckt (vgl. auch § 634 Anm. 8). So unterbricht auch die Erhebung eines Schadensersatzanspruches wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels die Verjährung des auf den nämlichen Mangel gestützten Minderungsanspruches (RG 134, 272). Die Verjährung des unteilbaren Anspruchs auf Nachbesserung (§ 633 Abs. 2) wird aber durch die Unterbrechung der Verjährung nur eines T e i l e s des den nämlichen Mangel betreffenden Geldanspruchs (z. B. durch Aufrechnung dieses Anspruchs im Rechtsstreit gegen einen niedrigeren Anspruch des Unternehmers ohne Erhebung einer Widerklage wegen des Mehrbetrags) nicht unterbrochen (RG 85, 365). Die Vorschrift des § 477 Abs. 3 umfaßt auch Ansprüche auf Ersatz eines durch Lieferung einer mangelhaften Sache schuldhaft verursachten Schadens (vgl. RG 53, 200; 56, 167), ist aber nach ihrem Grund und Zweck nur da anzuwenden, wo die in Frage kommenden Ansprüche sich gegenseitig ausschließen. Durch die Erhebung einer Wandelungsklage wird also nicht die Verjährung eines Schadensersatzanspruches unterbrochen, der neben der Wandelungsklage hätte durchgeführt werden können (RG 93, 158; vgl. §635 Anm. 4). Anm. 2 Nach den entsprechend anzuwendenden §§ 478, 479 kann der Besteller schon durch rechtzeitige Anzeige des Mangels sich die Befugnis zur Verweigerung der Vergütung, soweit er auf Grund der Wandelung oder Minderung dazu befugt sein würde, sowie die Aufrechnung des Schadensersatzanspruchs auch für die Zeit nach V o l l e n d u n g der V e r j ä h r u n g erhalten. Er kann aber, wie nach RG 56, 167 beim Kaufe, nur aufrechnen gegen Ansprüche aus dem nämlichen Vertrage, bei einem in Teillieferungen zu erfüllenden Werkvertrage nur gegen Ansprüche aus derjenigen Teillieferung, aus der der Ersatzanspruch entstanden ist. Anm. 3 Hemmung der Verjährung. Vgl. §§ 202ff.; dazu RG H R R 1930 Nr. 773. Räumt der Besteller dem Hersteller einer mangelhaften Sache ein Nachbesserungsrecht ein und unterzieht sich dieser dann mit seinem Einverständnisse der Beseitigung des Mangels, so ist § 639 Abs. 2 entsprechend anzuwenden, die Verjährung der Ansprüche des Bestellers also bis zu dem im Abs. 2 angegebenen Zeitpunkt gehemmt (RG 96, 266; 128, 2 1 1 ; BGH 19, 319; NJW 53, 22).

§640 Der Besteller Ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in den §§ 633, 634 bestimmten Ansprüche nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. E I 57*. 579 II 577; M l 489—492; P a j i j f f .

Anm. 1 Die Abnahme, gleichbedeutend mit der Annahme der Erfüllung in § 341 Abs. 3 und der Annahme der Erfüllung in § 363, ist nicht jede nur äußerliche Hinnahme der Leistung wie im Falle des § 433 Abs. 2, erfordert vielmehr (vgl. „Abnahme des vert r a g s m ä ß i g hergestellten Werkes"), außer jener Hinnahme, daß der Besteller bei und nach der Hinnahme ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen gibt, daß er die Leistung als eine in der Hauptsache dem Vertrage entsprechende Erfüllung anerkenne (RG 107, 343; 110, 104). Durch solche Annahme kommt der Besteller dann in die Lage, 640

Werkvertrag

§640 Anm. 1

das Werk näher zu prüfen. Jene Anerkennung liegt z. B. dann vor, wenn der Besteller eine ihm gelieferte elektrische Maschinenanlage in Betrieb nimmt, oder wenn der Bauherr das bestellte Haus nach seiner Fertigstellung bezieht und dauernd bestimmungsgemäß benutzt (RG WarnRspr. 1908 Nr. 460), oder wenn er bei gesonderter V e r g e b u n g der für einen Bau nötigen Erd- und Maurerarbeiten auf das vollendete M a u e r w e r k das von einem andern Unternehmer auszuführende Dachgerüst aufsetzen läßt (RG SeuffArch. 79 Nr. 25), nicht aber dann, wenn er das Werk nur z u m Zweck der Erprobung entgegennimmt (RG SeuffArch. 72, 835), oder das noch nicht fertige Gebäude nur unter dem Z w a n g e der Verhältnisse und in der nach den Umständen berechtigten Erwartung vertragsmäßiger Fertigstellung vorläufig bezieht (RG WarnRspr. 1925 Nr. 6 1 ) ; notwendig ist vielmehr, d a ß das Werk überhaupt a l s V e r t r a g s e r f ü l l u n g g e g e b e n u n d g e n o m m e n wird (RG WarnRspr. 1913 Nr. 8). Der Besteller ist mangels einer besonderen Vereinbarung nicht verpflichtet, das abzunehmende Werk auf seine Vertragsmäßigkeit sofort zu prüfen. Die A b n a h m e enthält hiernach noch n i c h t d i e A n e r k e n n u n g d e s W e r k e s a l s e i n e s v ö l l i g v e r t r a g s m ä ß i g e n (RG 107, 343; R G WarnRspr. 1931 Nr. 20). Sie kann gegeben sein, wenn das Werk in seinen wesentlichen Teilen fertiggestellt ist und nur geringfügige Arbeiten fehlen, sowie wenn wegen einzelner Mängel ein Nachbesserungsverlangen vorbehalten wird (RG WarnRspr. 1918 N r . 93), und schließt auch das Recht des Bestellers, Mängel des Werkes, die ihm noch unbekannt sind, später zu rügen, nicht aus (RG J W 1907, 331 6 ; 1908, 432°; 1910, 106 5 ), sondern schränkt dieses Recht nur so weit ein, als der Besteller die M ä n g e l k a n n t e (Abs. 2). Genehmigung eines Baues durch vorbehaltlose Anerkennung der Forderung des Bauunternehmers in Kenntnis der Mängel des Werks s. R G WarnRspr. 1931 Nr. 141. Kennenmüssen steht dabei dem K e n n e n nicht gleich. I m übrigen wird die B e w e i s l a s t darüber, ob die Leistung dem V e r t r a g entspricht, u m g e k e h r t . D o c h genügt der Besteller, der das abgenommene Werk als der zugesagten Leistungsfähigkeit nicht entsprechend bemängelt, seiner Beweispflicht regelmäßig schon, wenn er darlegt, d a ß die zugesagte Leistung ausgeblieben ist. Sache des Unternehmers ist es dann, i m Falle des § 635, zu beweisen, d a ß das Ausbleiben auf von ihm nicht z u vertretende Umstände zurückzuführen ist (RG L Z 1915, 904 7 ). Ferner wird der Beginn der V e r j ä h r u n g (§ 638 Abs. 1) festgelegt; auch geht die G e f a h r von dem Unternehmer auf den Besteller über (§ 644 Abs. 1). Der U b e r g a n g des Eigentums auf den Besteller ist aber nicht von der A b n a h m e des Werkes im Sinne des § 640 abhängig (RG L Z 1914, 857'). Die A b n a h m e braucht, obgleich sie das Anerkenntnis enthält, d a ß die Leistung wenigstens in der Hauptsache dem Vertrag entspreche, nicht notwendig v o m Besteller erklärt zu werden, vielmehr können die Vertragsteile, namentlich wenn die Leistung für einen Dritten bestimmt ist, die A b n a h m e durch den Dritten für maßgebend erklären, was unter Umständen sogar selbstverständlich sein kann (RG 15. 11. 1921 V I I 156/21). Die A b nahme und Bezahlung kann auch wegen eines u n e r h e b l i c h e n Mangels abgelehnt werden, es müßte denn sein, d a ß nach den besonderen v o m Unternehmer nachzuweisenden Umständen des einzelnen Falles die Zurückweisung des Werkes wegen des Mangels gegen T r e u und Glauben verstoßen würde (RG 171, 222). U b e r das Gestaltungsrecht des Künstlers vgl. B G H ig, 302. Absichtliche Vereitelung eines vereinbarten A b n a h m e versuchs durch den Besteller bedeutet g e m ä ß § 162 Abs. 1 Genehmigung (RG SeuffArch. 78 Nr. 19). Bei behebbarem Mangel kann die A b n a h m e nur zeitweise verweigert werden, anderenfalls ist Frist nach § 634 zu setzen, R G H R R 36, 661. A u f die A b n a h m e kann der Unternehmer ebenso wie auf die Entrichtung der V e r gütung selbständig klagen. Er kann sich auch darauf beschränken, die V e r g ü t u n g einzuklagen. Sache des die A b n a h m e e n d g ü l t i g verweigernden Bestellers ist es dann, seine Einwendungen so zu gestalten, daß eine e n d g ü l t i g e Regelung des Rechtsverhältnisses (z. B. durch Wandelung) möglich wird. Die Feststellung behebbarer Mängel, die nach § § 3 2 0 f r . nur eine z e i t w e i s e Verweigerung oder A b n a h m e rechtfertigen, genügt nicht zur Abweisung der K l a g e (RG 58, 173; 69, 381; R G H R R 1935 N r . 661). Die K o s t e n d e r A b n a h m e treffen regelmäßig den B e s t e l l e r . — Ungerechtfertigte Verweigerung der A b n a h m e begründet für den Besteller nicht nur Annahmeverzug (§§ 293fr.), sondern auch Erfüllungsverzug (§§ 284fr.), wobei auch § 3 2 6 anwendbar ist.

641

§ 640 A n m . 2—4

§ 641 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 Für die A b n a h m e ist regelmäßig dann kein R a u m , wenn dem Werke die materielle Beschaffenheit und K ö r p e r l i c h k e i t fehlt, außerdem auch, wenn der Besteller den Gegenstand, an dem ein Werk herausgestellt werden soll, schon in seinem Besitze hat; a. M. für den letzteren Fall RG n o , 404; RG WarnRspr. 1928 Nr. 146; 1919 Nr. 119, s. Anm. zu §646. Anm. 3 Bei A b n a h m e des Werkes in Kenntnis des Mangels, d. h. nicht nur des äußeren Fehlers, sondern auch seiner den Wert oder die vertragsmäßige Tauglichkeit des Werkes aufhebenden oder mindernden Bedeutung (RG 149, 401), bedarf es zur Erhaltung der Ansprüche aus §§ 633, 634 (auf Beseitigung oder Wandelung oder Minderung) eines Vorbehalts. Die Rechte des Annehmenden werden auch durch einen vor der Annahme erklärten Vorbehalt gewahrt, wenn es nur bei der Abnahme erkennbar aufrechterhalten wird (RG 73,146). Dagegen bedarf es zur Erhaltung des S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s aus § 635 nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch bei Kenntnis des Mangels keines Vorbehalts. Die Vorschrift des § 640 erwähnt ausdrücklich nur die Ansprüche aus §§ 633, 634. Für die Entbehrlichkeit des Vorbehalts kommt weiter in Betracht, daß der Anspruch nach § 635 auf einem vom Unternehmer zu v e r t r e t e n den U m s t ä n d e beruht. Demgegenüber läßt sich auch nicht etwa sagen, das Unterlassen des Vorbehalts verstoße gegen Treu und Glauben, zumal in der Abnahme des Werkes noch keine endgültige Billigung oder Gutheißung zu finden ist. Nur dann, wenn nach den Umständen des einzelnen Falles in der trotz Kenntnis der Mangelhaftigkeit erfolgten vorbehaltlosen Abnahme des Werkes der Wille zu v e r z i c h t e n erkennbar zutage getreten ist, gehen die aus § 635 herzuleitenden Schadensersatzansprüche unter (RG go, 18). Ein solcher Verzicht ist aber selbst in dem fortgesetzten Gebrauch eines mangelhaften Werkes nicht unter allen Umständen zu finden. Die Fortsetzung des Gebrauchs kann im Interesse des Unternehmers liegen, insofern der Umfang des von ihm zu ersetzenden Schadens, z. B. des dem Besteller entgehenden Gewinns dadurch gemindert wird, und sie kann mit Rücksicht auf § 254 Abs. 2 sogar Pflicht des Bestellers sein (RG Gruchot 57, 963). Anm. 4 Die B e w e i s l a s t für die Kenntnis des Bestellers trifft den Unternehmer, für den Vorbehalt den Besteller. — Uber die Anwendung des §363 s. RG WarnRspr. 1910 Nr. 374.

§641 Die Vergütung i s t bei der A b n a h m e des Werkes zu entrichten. I s t das Werk i n Teilen a b z u n e h m e n und die Vergütung für die einzelnen Teile b e s t i m m t , s o i s t die Vergütung für jeden Teil bei d e s s e n A b n a h m e zu entrichten. Eine i n Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller v o n der A b n a h m e d e s W e r k e s an zu verzinsen, s o f e r n nicht die Vergütung gestundet i s t . E I 537 II 578; M 2 492—494; P 2 Ji9ff.

Anm. 1 Fälligkeit der Vergütung. Die H e r s t e l l u n g des Werkes ist vom Unternehmer regelmäßig als V o r l e i s t u n g zu bewirken, die schließliche A u s l i e f e r u n g aber, unbeschadet einer abweichenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung, Zug um Zug gegen Entrichtung der Vergütung. Bis dahin ist der Unternehmer zur Zurückhaltung des Werkes befugt, welches Zurückbehaltungsrecht im Falle des § 647 sich bis zu einem P f a n d r e c h t an dem zurückbehaltenen Werke verstärken kann. § 641 Abs. 1 regelt nur die Fälligkeit der Vergütung; zur Entstehung gelangt der Vergütungsanspruch nach § 631 mit dem Abschluß des Werkvertrags ( R G J W 1932, 1216 1 5 ). — Die Vorschrift des § 641 geht davon aus, daß das Werk vertragsmäßig hergestellt ist. Für das

642

Werkvertrag

§ 641 Anm. 2, 3 § 642 Anm. 1, 2

Recht des Bestellers, wegen eines Mangels des Werkes die Vergütung ganz oder teilweise zurückzubehalten, gilt § 320. Bei Werken kleineren Umfangs und Wertes (z. B. bei Kleidungsstücken) braucht üblicherweise der Werklohn nicht entrichtet zu werden, bevor das Werk mangelfrei fertiggestellt ist. Bei Werken größeren Umfangs und Wertes (z. B. bei Bauten) darf, wenn nach der Abnahme noch kleine Mängel abzustellen sind, der Besteller nicht die ganze Vergütung, sondern nur einen — allerdings reichlich zu messenden — Teil zurückbehalten. — A n die Stelle der Abnahme (§ 640 A n m . 2) tritt auch hier bei ihrem Ausschluß nach § 646 die Vollendung des Werkes.

Anm. 2 T e i l u n g d e r V e r g ü t u n g . Ist das Werk in Teilen abzunehmen, aber die Vergütung nicht f ü r die einzelnen Teile bestimmt, so kann der Unternehmer die Entrichtung erst bei der Ablieferung des letzten Teiles verlangen. Abs. 1 Satz 2 bestimmt eine Ausnahme von der Regel des Abs. 1 Satz 1. Wer sich auf die Ausnahme beruft, muß ihre Voraussetzungen dartun ( R G 1 1 . 4. 1924 V I I 561/23).

Anm. 3 Zinsen. Höhe § 246, HGB § 352.

§ 643 Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. E I J7J II J79 Abs. i ; M 2 494S.; P 2 328?.

Anm. 1 Die §§ 642, 643 regeln die Schadensersatzpflicht des Bestellers und das Rücktrittsrecht des Unternehmers b e i A n n a h m e v e r z u g d e s B e s t e l l e r s . Der Besteller kommt dabei nur in seiner Eigenschaft als G l ä u b i g e r in Betracht, der zur Herstellung des vom Unternehmer geschuldeten Werkes mitwirken soll. I m Falle einer den Vertragszweck gefährdenden Vertragsverletzung des zur Mitwirkung bei der Ausführung verpflichteten Bestellers ist der Unternehmer aber nicht auf die Rechte aus §§ 642, 643 beschränkt. E r kann in entsprechender Anwendung des § 326 von dem Besitzer Schadensersatz verlangen, wenn ihm nach L a g e der Sache nicht zuzumuten ist, bem Vertrage stehenzubleiben ( R G 104, 1 5 ; 152, 1 1 9 ; B G H 11, 80).

Anm. 2 Eine H a n d l u n g d e s B e s t e l l e r s , insbesondere Lieferung von Stoff oder Überlassung von R a u m , Sorge für dessen gefahrlose Beschaffenheit, Erteilung von Anweisungen (Aufgabe von Geschäftsanzeigen bei Zeitungsreklame, R G SeuffArch. 80 Nr. 79) oder sonstige persönliche Mitwirkung des Bestellers bei der Ausführung (z. B. Erscheinen zur Anprobe des bestellten Anzugs, Anwesenheit bei der Herstellung eines Bildes). Gerät der Besteller (in seiner Eigenschaft als Gläubiger Anm. 1) durch Unterlassung einer solchen, nicht erzwingbaren Handlung in Annahmeverzug (Anm. 3), so hat der Unternehmer die in §§ 642, 643 enthaltenen Rechte. Durch diese Sondervorschriften ist in dem angegebenen Falle die Anwendung des § 326, der Schuldnerverzug, hier also Verzug in der Abnahme des f e r t i g g e s t e l l t e n Werkes, vorausgesetzt, ausgeschlossen ( R G 53, 2 2 1 ; J W 1 9 2 1,46g 1 ) ; es müßte denn sein, daß, was nur ausnahmsweise vorkommen wird, nach dem Inhalt des Vertrags der Besteller dem Unternehmer als Schuldner zu der

643

§ 6 4 2 A n m . 3—5

§643

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

erforderlichen Mitwirkung verpflichtet wäre. Im übrigen bleiben neben den in §§ 642, 643 bestimmten Rechten die aus allgemeinen Vorschriften sich ergebenden Ansprüche des Unternehmers auf Vergütung (Anm. 4) sowie gegen Annahmeverzug, vertraglichen Verschuldens, Unmöglichkeit der Leistung, ingleichen die Einrede des nicht erfüllten Vertrags bestehen. Begründet insbesondere die Nichtmitwirkung des Bestellers bei der Leistung des Unternehmers im einzelnen Falle nicht nur Annahmeverzug, sondern eine die Erreichung des Vertragszwecks gefährdende Vertragsverletzung, so kann der Unternehmer vom Vertrage ohne Fristsetzung zurücktreten, wenn nach Lage der Sache ihm nicht zuzumuten ist, daß er trotz der Gefährdung des Vertragszwecks beim Vertrage stehenbleibt ( R G 104, 15). Anm. 3 A n n a h m e v e r z u g . Vgl. §§ 293 fr. Der Verzug des Bestellers erfordert als Annahmeverzug kein Verschulden von seiner Seite (SeufTArch. 74 Nr. 1 7 1 ) ; er wird auch nicht durch eine vorübergehende Verhinderung des Bestellers an der Vornahme der bei der Herstellung des Werkes erforderlichen Handlung, sondern nur durch ein objektives Unmöglichwerden seiner Mitwirkung, z. B. Tod ausgeschlossen ( R G 100, 46). Anm. 4 Der A n s p r u c h a u f eine a n g e m e s s e n e E n t s c h ä d i g u n g besteht selbständig und unabhängig sowohl neben dem Anspruch auf die vereinbarte Vergütung nach §§631, 632, falls die Gläubigerhandlung nachgeholt und das Werk hergestellt wird, wie auch neben den Ansprüchen aus §§ 649 u. 645 Abs. 1 Satz 2 falls das Werk infolge Kündigung durch den Besteller oder gemäß § 643 unvollendet bleibt. Kündigt also der Besteller nach § 649, so kann der Unternehmer neben dem ihm bis zur Kündigung entstandenen Schaden (§ 642) die vereinbarte Vergütung unter den vorgesehenen Anrechnungen (§ 649) verlangen; das Verlangen eines Ersatzes für einen nach der Kündigung entstandenen Schaden ist ebenso wie ein Vorgehen nach § 643 ausgeschlossen ( R G 14. 6. 1919 V 53/19). Wird das Werk nach Beendigung des Gläubigerverzugs hergestellt, so kann der Unternehmer die Entschädigung aus § 642 neben dem vollen Werklohn verlangen ( R G 100, 46). Anm. 5 H ö h e d e r E n t s c h ä d i g u n g . Dabei handelt es sich immer n u r um eine Entschädigung für die durch das Unterlassen des Bestellers bewirkte V e r z ö g e r u n g , nicht um eine solche für das völlige Ausbleiben der Herstellung des Werkes. — Bei der A n r e c h n u n g ist nicht nur das zu berücksichtigen, was der Unternehmer erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (vgl. §§ 324 Abs. 1 Satz 2, 615 Satz 2, 649), sondern alles, was er nach Lage der Sache erwerben konnte.

§ 643 D e r U n t e r n e h m e r i s t i m F a l l e d e s § 642 b e r e c h t i g t , d e m B e s t e l l e r z u r N a c h h o l u n g d e r H a n d l u n g eine a n g e m e s s e n e F r i s t m i t d e r E r k l ä r i m g zu b e s t i m m e n , d a ß er d e n V e r t r a g k ü n d i g e , w e n n die H a n d l u n g nicht b i s z u m A b l a u f e d e r F r i s t v o r g e n o m m e n w e r d e . D e r V e r t r a g gilt a l s a u f g e h o b e n , w e n n nicht die N a c h h o l u n g b i s z u m A b l a u f e d e r F r i s t e r f o l g t . E n 539 Abs. 2 III 633; P 2 328.

Anm. F r i s t s e t z u n g v o n Seiten d e s U n t e r n e h m e r s . (Vgl. Fristsetzung des Bestellers §643 Anm. 1). Erst vom F r i s t a b l a u f ab, nicht mit rückwirkender Kraft, gilt der Vertrag als aufgehoben, und nur der bis zu diesem Zeitpunkt erwachsene Schaden kann (gemäß § 64.2) erstattet verlangt werden. — Daneben auch Anspruch des Unternehmers auf einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung sowie auf Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen nach § 645 Abs. 1 Satz 2. —• 644

Werkvertrag

§644

A n m . 1—4

Entsprechend der im § 634 Abs. 2 für die Fristbestimmung des Bestellers gegebenen ausdrücklichen Vorschrift bedarf es im Falle des § 643 einer Fristbestimmung des Unternehmers nicht, wenn die vom Besteller vorzunehmende Handlung nach dem Verzug des Bestellers, § 642, unmöglich geworden ist ( R G 94, 29).

§ 644 D e r U n t e r n e h m e r t r ä g t die G e f a h r bis z u r A b n a h m e d e s W e r k e s . K o m m t d e r B e s t e l l e r in V e r z u g d e r A n n a h m e , s o g e h t die G e f a h r a u f ihn ü b e r . F ü r den zufälligen U n t e r g a n g und eine zufällige V e r s c h l e c h t e r u n g des v o n d e m B e steller gelieferten Stoffes i s t d e r U n t e r n e h m e r nicht v e r a n t w o r t l i c h . V e r s e n d e t der U n t e r n e h m e r d a s W e r k a u f V e r l a n g e n des B e s t e l l e r s n a c h e i n e m a n d e r e n O r t e a l s d e m E r f ü l l u n g s o r t e , so finden die für den K a u f geltenden V o r s c h r i f t e n des § 4 4 7 e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g . E I 576 II 580; M 2 497—joo; P 2 329.

Anm. 1 N e b e n den hier gegebenen S o n d e r v o r s c h r i f t e n über die Gefahrtragung bleiben die in den §§ 3 2 3 — 3 2 5 enthaltenen Bestimmungen (bei Unmöglichkeit der Leistung, Verschulden des Unternehmers oder Bestellers usw., dazu aber auch § 645 Abs. 1) im wesentlichen bestehen, nicht minder diejenigen über die Folgen von Mängeln des Werkes nach §§ 634, 635, 640. Den Unternehmer trifft dabei regelmäßig die Beweislast dafür, daß er seinen Vertragspflichten nachgekommen sei. — A n Stelle dieser Sondervorschriften kann übrigens die Gefahrtragung durch V e r e i n b a r u n g der Beteiligten (auch stillschweigend R G SeufFArch. 83 Nr. 108) in anderer Weise geordnet werden (s. Anm. 4). — Besondere Vorschriften: V e r l G § 3 3 , BinnenSchG §64. Anm. 2 G e f a h r t r a g u n g des U n t e r n e h m e r s bis z u r A b n a h m e (§ 640 Anm. 2), und wenn die Abnahme ausgeschlossen ist, bis zur Vollendung des Werkes (§ 646). Der Besteller bleibt mithin beim U n t e r g a n g d e s W e r k e s von der Entrichtung der Vergütung befreit, auch wenn der Untergang vom Unternehmer und seinen Gehilfen nicht verschuldet ist; er braucht dem Unternehmer nicht einmal seine Auslagen zu ersetzen (vgl. R G J W 1926, 1663 3 ). Ausnahme zugunsten des Unternehmers s. § 645 Abs. 1 Satz 1. Anderseits steht dem Besteller ein Anspruch auf S c h a d e n s e r s a t z oder auf W i e d e r h e r s t e l l u n g des Werkes nur zu, wenn er den Schadensersatzanspruch aus allgemeinen Vorschriften, den Herstellungsanspruch aus besonderen vertraglichen Bestimmungen ableiten kann, auch die Wiederherstellung noch möglich und für die Parteien von Interesse ist. Dies alles gilt auch beim Untergang des erst teilweise vollendeten (körperlichen oder unkörperlichen) Werkes. Tritt der U n t e r g a n g n a c h d e r A b n a h m e oder der Vollendung ein, so behält der Unternehmer den Anspruch auf Vergütung, sofern solcher nicht durch einen von ihm zu vertretenden Umstand, insbesondere Mangelhaftigkeit des Werkes, ausgeschlossen wird. Anm. 3 G e f a h r ü b e r g a n g a u f den B e s t e l l e r i m F a l l e des A n n a h m e v e r z u g s (§§ 293 fr.). Wirkt aber während dieses Annahmeverzugs bei dem Untergang oder der Verschlechterung des Werkes ein nach § 300 vom Unternehmer zu vertretender U m stand mit, so trifft der Nachteil, wie im Regelfalle, den Unternehmer. Vgl. § 324 Abs. 2. Anm. 4 Die G e f a h r t r a g u n g für den Stoff bleibt auf dem Besteller ruhen, wenn er ihn selbst geliefert hat. Doch kann wirksam vereinbart werden, daß der Unternehmer auch für den vom Besteller gelieferten Stoff haften solle ( R G L Z 1926, 483 1 ), unter Umständen kann er auch verpflichtet sein, die übergegebenen Stoffe zu versichern ( R G SeuffArch. 63, g2). Auch hat der Unternehmer im Falle seines Verzugs für den dadurch erwachsenen Schaden nach § 286 einzustehen. 645

§ 644 Anm. 5

§§ 645, 646

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 5 Die Gefahr der Versendung geht nach § 447 auf den Besteller über, sobald der Unternehmer das fertige Werk der f ü r die Versendung bestimmten Person oder Anstalt überliefert hat. Auch in diesem Falle hat aber der Unternehmer den Nachweis zu führen, daß er das Werk in abnahmefähiger Beschaffenheit und sachgemäßer Verpackung abgeschickt habe.

§ 645 Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Das gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des§ 643 aufgehoben wird. Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt. E I 577 II 580; M l 50off.; P l 351.

Anm. 1 Vergütungsanspruch des Unternehmers trotz Untergangs, Verschlechterung oder Unausführbarkeit des Werkes vor der Abnahme (§ 640 Anm. 2) — falls nach der Beschaffenheit des Werkes seine Abnahme ausgeschlossen ist, vor der Vollendung des Werkes (§ 646) —, wenn der Untergang ausschließlich auf den Besteller zurückzuführen ist, den jedoch hierbei ein V e r s c h u l d e n nicht zu treffen braucht. Unterläßt der Unternehmer die Prüfung des vom Besteller gelieferten Stoffes (sofern sie ihm, als Sachverständigen, obliegt) und den Hinweis auf etwaige Mängel des Stoffes, oder hat sonst ein vom Unternehmer zu vertretender Umstand mitgewirkt, so steht ihm ein Anspruch nach § 645 nicht zu. Dasselbe gilt, wenn der Bauunternehmer es unterläßt, vor Beginn der Arbeit den Baugrund auf seine Tragfähigkeit zu prüfen ( R G WarnRspr. 1936 Nr. 1 4 1 ) . Anm. 2 U m f a n g des Anspruchs, also die ganze V e r g ü t u n g bei vollendetem, einen entsprechenden Teil davon bei teilweise ausgeführtem Werke. Anm. 3 Aufhebung des Vertrags bei Nichteinhaltung der dem Besteller vom Unternehmer gesetzten Frist zur Nachholung einer Handlung. Anm. 4 Weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens. I m Falle beiderseitigen Verschuldens ist Abwägung nach § 254 geboten ( R G WarnRspr. 1936 Nr. 1 4 1 betr. Untergang eines Bauwerkes durch mangelhafte Vorarbeit eines vom Besteller beauftragten Dritten). Vgl. insbesondere § 324. Unberührt bleibt der Entschädigungsanspruch des Unternehmers nach § 642.

§ 646 Ist nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen, so tritt in den Fällen der§§ 638, 641, 644, 645 an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes. E I ¡79 Nr. I II 582; M l jozff.; P 2 336.

646

Werkvertrag

§647 Anm. 1—4

Anm. Ausschluß der Abnahme, insbesondere bei einem nicht k ö r p e r l i c h e n , sondern künstlerischen oder wissenschaftlichen Werke oder bei einem bereits im Besitze des Bestellers b e f i n d l i c h e n Werke. Hier tritt in bezug auf die Verjährung der Ansprüche des Bestellers (§ 638), die Entrichtung der Vergütung (§ 641), die Gefahrtragung (§ 644), den Untergang oder die Verschlechterung des Werkes (§ 645) a n die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes. Wenn von einem Bauunternehmer an einem Hause einzelne Arbeiten, für die eine förmliche Abnahme nicht stattzufinden pflegt, ausgeführt worden sind und nach dieser Ausführung das Haus abgebrannt ist, so trifft die Gefahr (§644), da sie erst nach V o l l e n d u n g der Arbeiten eingetreten ist, nicht mehr den Unternehmer (SeuffArch. 64 Nr. 191). A. M. R G 110, 404 für den Fall, daß das Werk sich schon im Besitze des Bestellers befindet, wie z. B., wenn dieser auf seinem Grundstücke bauen, an oder in seinem Hause Arbeiten vornehmen läßt; die Abnahme beschränke sich hier auf die Erklärung des Bestellers, daß er die Leistung als eine der Hauptsache nach dem Vertrag entsprechende Erfüllung anerkenne. Ebenso R G WarnRspr. 1928 Nr. 146; 1929 Nr. 119. — Vollendung des Werkes bei einem Schleppvertrage, sobald sich der Kahn an dem Orte befindet, an den er geschleppt werden sollte (RG 62, 210).

§647 Der Unternehmer hat für seine Forderungen a u s dem Vertrag ein Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder z u m Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind. E I 574 n 583 Abs. 1 ; M 2 494; P 2 321 ff.

Anm. 1 Unternehmer ist nur derjenige, der selbst mit dem Besteller einen Werkvertrag abgeschlossen hat, nicht auch derjenige, der zu dem U n t e r n e h m e r in einem solchen Vertragsverhältnis steht (s. auch § 648 Anm. 1). Anm. 2 Zu diesen Forderungen aus dem Werkverträge gehören auch die durch Hinzutreten weiterer Umstände begründeten, wie die nach §§ 642, 645 erhobenen, außerdem auch Schadens- und Kostenersatzforderungen, dagegen nicht Ansprüche aus unerlaubten Handlungen. Anm. 3 Dieses Pfandrecht ist ein gesetzliches, auf welches § 1257 (Verkauf §§ 1233 fr.; R G WarnRspr. 1919 Nr. 194), auch §1210 und K O §49 Nr. 2 Anwendung finden (vgl. §559 Anm. 1). Zur Frage, ob demjenigen, der an den einzelnen Stücken eines nach Urheber- oder Verlagsrecht geschützten Werkes das gesetzliche Pfandrecht hat, z. B. dem Buchbinder, dem vom Verleger Bücher zum Einbinden übergeben worden sind, ein Veräußerungsrecht zusteht, s. einerseits LZ 1913, 9556, andererseits LZ 1914, 97 1 '- — Das Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t des Unternehmers aus §§ 273, 1000 besteht neben dem gesetzlichen Pfandrechte fort und ist namentlich von Bedeutung gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers, wenn die ausgebesserte Sache dem Besteller nicht gehört. Anm. 4 Das Pfandrecht besteht auch an u n p f ä n d b a r e n Sachen (anders § 559 Satz 3), aber nur an Sachen des Bestellers, die aus Veranlassung des Werkvertrags in den Besitz des Unternehmers gelangt sind (vgl. § 559 Anm. 2), und auch nur an den zu bearbeitenden, nicht an anderen anläßlich der Bestellung vom Besteller übergebenen Sachen, wie z. B. Werkzeugen, nicht aber an Sachen eines Dritten, selbst wenn der 42 Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Denecke)

647

§ 647 Anm. 5 § 648 Anm. 1—3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Unternehmer das fremde Eigentum nicht gekannt hat (a. M. S t a u d i n g e r Anm. 2 c ; a l a n d t Anm. 2; § 1257 Anm. 2). Anm. 5 Besitz (§ 854) ist erforderlich, Besitzdienerschaft (§ 855) genügt nicht. Unfreiwilliger Verlust des Besitzes hebt das einmal begründete Pfandrecht nicht auf (RG 72 S. 281, 285). Wohl aber die freiwillige Herausgabe (§§ 1253, 1257); so auch für das nach § 647 begründete Pfandrecht an einem im Schiffsregister eingetragenen Schiffs (RG 134, n 6 ) .

§648 Der Unternehmer eines Bauwerkes oder eines einzelnen Teiles eines Bauwerkes kann für seine Forderungen aus dem Vertrage die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstücke des Bestellers verlangen. Ist das Werk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung der Sicherungshypothek für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und für die in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Der Inhaber einer Schiffswerft kann für seine Forderung aus dem Bau oder der Ausbesserung eines Schiffes die Einräumung einer Schiffshypothek an dem Schiffbauwerk oder dem Schiff des Bestellers verlangen; Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß, § 647 findet keine Anwendung. E l l 583 Abs. 2 HI 638; P 2 32iff.

Anm. 1 Als Unternehmer eines Bauwerks oder eines Bauwerkteils ist zunächst derjenige zu betrachten, der auf Grund eines mit dem Besteller (Grundstückseigentümer) abgeschlossenen Werkvertrags das Werk hergestellt hat. Weiter gehören dahin auch diejenigen, die einen Teil eines Bauwerks hergestellt haben, insbesondere die B a u h a n d w e r k e r , die auf Grund eines mit dem Bauherrn (Besteller) abgeschlossenen Vertragseinzelne Arbeiten für das Bauwerk geleistet und ihm eingefügt haben, wie beim Neubau eines Wohnhauses die Maurer-, Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten (RG 57, 377; 58, 301; WarnRspr. 1908 Nr. 24; BGH 19, 13g Erneuerungs-aber nicht Ausbesserungsarbeiten). — Dagegen gilt nicht als Unternehmer eines Bauwerks: a) wer dem Bauherrn (Grundstückseigentümer) nur S t o f f e zum Bauwerk auf Grund eines Kauf- oder Werklieferungsvertrags gewährt (RG Recht 06, 801); b) wer als Architekt, Verfertiger von Voranschlägen oder Zeichnungen, Unternehmer von Ausschachtungen nur die V o r b e r e i t u n g e n zum Bauwerk liefert oder zu dessen Ausführung Dienste leistet (RG 63, 312; J W 606, 459 13 ; SeuffArch. 2 Nr. 83); c) wer nicht zum Bauherrn, sondern zum U n t e r n e h m e r in einem Werkvertragsverhältnis steht. Anm. 2 Über den Begriff des Bauwerks s. § 638 Anm. 4. Dieser Begriff ist demnach weiter wie der des G e b ä u d e s , umfaßt insbesondere einerseits Umbauten und Ausbesserungsbauten, anderseits auch Denkmäler, Brücken, Wegüberführungen (RG56,4i). Anm. 3 Nur der persönliche Anspruch auf die Sicherungshypothek (§§ 1184fr.), selbstverständlich nicht schon eine Hypothek, steht hiernach dem Unternehmer eines Bauwerks als Nebenrecht zu seinem Anspruch auf die Vergütung zu. Um diesen Anspruch zu verwirklichen, also die Eintragung der Sicherungshypothek zu erwirken, hat der Unternehmer die Einwilligung des Bestellers zur Eintragung oder, wenn ihm diese verweigert wird, zweckmäßigerweise im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung einer V o r m e r k u n g nach §§883, 885 BGB und §§916, 936 ZPO herbeizuführen, welche Vormerkung die Glaubhaftmachung einer Gefährdung des Anspruchs nicht erfordert, für die später einzutragende Hypothek und deren Rang maßgebend ist und im Falle einer Veräußerung des damit belasteten Grundstücks auf den neuen 648

Werkvertrag

§648 Anm. 4, 5

Erwerber mit übergeht. Die Vormerkung einer Bauhypothek nach §§ 648, 885 fällt unter die Belastungsbeschränkung des § 77 des Reichsversorgungsgesetzes ( R G 134, 1 8 1 ) . — Z u den sichernden F o r d e r u n g e n aus dem Vertrag gehören neben dem Anspruch auf die Vergütung auch die in § 647 Anm. 2 erwähnten. — Bei A b t r e t u n g der Forderung aus dem Werkvertrag geht (vgl. § 401) auch der Anspruch auf die Einräumung einer Sicherungshypothek auf den neuen Gläubiger über.

Anm. 4 Nur an dem Baugrundstücke des B e s t e l l e r s kann die Sicherungshypothek eingetragen werden; die Eintragung ist also ausgeschlossen, wenn das Grundstückseigentum zur Zeit der verlangten Hypothekenbestellung bereits in andere Hände übergegangen ist, ebenso wenn Eigentümerin des Grundstücks die Ehefrau, Besteller der Ehemann ist ( R G H R R 4 1 , 3). Ist der Besteller eine offene Handelsgesellschaft, so kann die Sicherungshypothek auch dann verlangt werden, wenn das Baugrundstück nicht der Gesellschaft, sondern einem Gesellschafter gehört (SeuffArch. 63 Nr. 257). —Der Anspruch auf Eintragung einer Sicherungshypothek umfaßt das g a n z e Baugrundstück, auch seine unbebauten Teile, und darf nicht durch willkürliche Teilung des Grundstücks zum Nachteil des Unternehmers geschmälert werden. Wird der bebaute Teil abgetrennt und auf ein besonderes Grundbuchblatt übertragen, so kann die Eintragung der Sicherungshypothek auch auf den unbebauten, nunmehr ein selbständiges Grundstück bildenden Teil verlangt werden, solange dieser Teil in der Hand des Bestellers bleibt ( O L G 36, 82).

Anm. 5 Der Anspruch auf E i n t r a g u n g d e r S i c h e r u n g s h y p o t h e k kann nicht schon nach Abschluß des Werkvertrags, sondern erst nach gänzlicher oder teilweiser Ausführung der danach leistenden Arbeit geltend gemacht werden, aber schon vor Fälligkeit der Forderung ( R G J W 04, 44g 4 ). Diese Voraussetzung gilt auch für eine etwaige V o r m e r k u n g zur Sicherung des Anspruchs auf die Hypothek ( R G 58, 3 0 1 ) ; die Bestimmung in § 883 Abs. 1 B G B , wonach die Eintragung einer Vormerkung auch zur Sicherung eines künftigen oder eines bedingten Anspruchs zulässig ist, findet keine Anwendung, da hier nach besonderer Gesetzesvorschrift von der Sicherungshypothek nur insoweit die Rede sein kann, als die Arbeit am Bauwerk geleistet und d u r c h d e r e n M e h r w e r t d e m U n t e r n e h m e r e i n S i c h e r u n g s o b j e k t g e b o t e n i s t (Prot. 2, 326). Solange der Unternehmer Sachen, die er zu liefern hat, wenn auch rechtmäßig zurückbehält, besteht der Anspruch nicht R G 58, 3 0 1 . Der Anspruch besteht nicht nur f ü r die Werkforderung, sondern auch für Schadensersatzforderung, für die Verzugszinsen, Prozeßkosten und die Kosten der Erwirkung der Hypothek, R G WarnRspr. 1, 2 1 9 ; nicht aber für die Kosten eines vielleicht später möglichen Rechtsstreites (Recht 02, 101). Daraus, daß den Bauhandwerkern der erforderliche Schutz erst n a c h Ausführung ihrer Arbeiten gewährt wird, zu dieser Zeit aber der Grundstücks- und Bauwerkswert vielfach durch andere, vorgehende Hypotheken erschöpft sein kann, ergibt sich, neben der Beschränkung auf das Gebiet des Werkvertrags, die Unzulänglichkeit der Gesetzesvorschrift. Z u ihrer Ergänzung wurde daher durch das R e i c h s g e s e t z ü b e r die Sicher u n g d e r B a u f o r d e r u n g e n v. 1 . 6 . 1 9 0 9 ( R G B l . 449fr.), abgesehen von den in seinem ersten Abschnitt enthaltenen allgemeinen Sicherungsmaßregeln (dazu R G 138, 156), in seinem zweiten Abschnitt für das Gebiet der durch V e r o r d n u n g b e s t i m m t e n G e m e i n d e n i m F a l l e e i n e s N e u b a u e s (wozu auch ein Ersatzbau, nicht aber auch ein U m b a u oder ein Ausbesserungsbau gehört) eine erweiterte dingliche Sicherung der Bauforderungen vorgesehen. Es sollten bereits v o r d e m B e g i n n des Baues auf Ersuchen der Baupolizeibehörde auf dem Grundbuchblatt der Baustelle ein sog. B a u v e r m e r k eingetragen werden, womit die Baugläubiger zunächst einen persönlichen Anspruch auf Eintragung einer Hypothek für ihre Bauforderungen erlangen und später nach Ausführung der Arbeiten eine Sicherungshypothek mit dem Range des Bauvermittler erhalten sollten. Dieser zweite Teil des Gesetzes ist aber bisher nicht praktisch geworden, da Verordnungen in dieser Hinsicht nicht ergangen sind. 42*

649

§ 648 A n m . 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 649 Anm. 1, 2 Anm. 6 Der Absatz 2 ist durch die D u r c h f V v. a i . 12. 1940 (RGBl. I, 1609) zum Gesetze über die Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken v. 15. 11. 1940 (RGBl. I, 1493) eingefügt worden. V g l . §§8, 10, 11 des Ges. Anhang nach § 1203.

§ 649 Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er m u ß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.

EI 578 II 584; M2 502—506; Pj 335. Anm. 1 Das Kündigungsrecht der Vertragsparteien ist beim Werkvertrag abweichend vom Dienstvertrag (§ 626) geregelt, schließt auch im allgemeinen die fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde aus (vgl. R G 169, 207). Der Unternehmer kann, abgesehen von § 643, überhaupt nicht, auch nicht bei der Geschäftsbesorgung nach § 675, d e r B e s t e l l e r aber bis zur V o l l e n d u n g (nicht bis zur Abnahme) und ohne Angabe von Gründen ( R G 86, 107) kündigen. Diese Kündigung hat zur Folge, daß der Vertrag für die Zukunft aufgehoben ist, der Unternehmer aber den Anspruch auf die Gegenleistung behält, während ihm ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht zusteht ( R G Gruchot 51, 946). Der Anspruch auf Entschädigung nach § 642 für die Zeit bis zur Kündigung des Bestellers bleibt unberührt (§ 642 Anm. 4). Ist die Vergütung nicht in einer Pauschsumme, sondern nach Maßgabe der zur Herstellung erforderlichen Einzelleistungen bestimmt, so kann er seinen Anspruch in Anlehnung an die Einzelleistungen begründen ( R G 30. 4. 1907 V I I 304/06). Die Kündigung eines Vertrags bezweckt die Beendigung des Vertragsverhältnisses; sie liegt nur dann vor, wenn der Kündigende sich endgültig und vollständig vom Vertrage lossagen will. Erklärt der eine Teil, daß er die früher entrichteten Preise, z. B. für die Abfuhr seiner Fabrikate, nicht mehr zahlen und nur zu bestimmten herabgesetzten Preisen fahren lassen wolle, so kann darin noch keine Kündigung gefunden werden; wohl aber ist darin eine Erfüllungsweigerung zu sehen ( R G WarnRspr. 1911 Nr. 23). Entsprechende Anwendung des § 649 im Falle einer Geschäftsbesorgung nach § 675 s. R G 107, 136. Z u m Unterschied zwischen Rücktritt vom Werkvertrag und Kündigung seitens des Unternehmers s. R G WarnRspr. 1937 Nr. 115. — Der Besteller kann auf das ihm nach § 649 zustehende Kündigungsrecht im voraus v e r z i c h t e n , auch stillschweigend, was nach den U m ständen des Falles zu beurteilen ist (RG 86, 107; 92, 168). Durch die Eröffnung des K o n k u r s e s über das Vermögen des Unternehmers wird das Kündigungsrecht des Bestellers nicht aufgehoben ( R G J W 1911, 770 36 ). Anm. 2 Neben der Kündigung bleiben d i e a l l g e m e i n e n E n d i g u n g s g r ü n d e d e r S c h u l d v e r h ä l t n i s s e bestehen, so die nachträglich eingetretene U n m ö g l i c h k e i t der Leistung. Diese tritt insbesondere mit dem T o d e d e s U n t e r n e h m e r s ein, wenn es auf dessen persönliche Leistungsfähigkeit ankommt. Je nachdem die Unmöglichkeit auf einem zufälligen Ereignis oder auf einem von dem Unternehmer zu vertretenden Umstände beruht, bleibt der Besteller nur von der Entrichtung der Vergütung befreit oder erlangt er darüber hinaus nach § 325 noch einen Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer. Abgesehen von dem oben erwähnten Falle (persönliche Ausführung durch den Unternehmer) ist der Tod des Unternehmers ohne Einfluß, ebenso auch der T o d d e s B e s t e l l e r s , sofern nicht etwa auch dessen persönliche Mitwirkung zur Ausführung des Werkes unerläßlich ist. Hat der Werkvertrag eine Geschäftsbesorgung nach § 675 zum Gegenstande, so liegt im Falle des Todes des Unternehmers dessen

650

Werkvertrag

§ 649 Anm. 3 § 650 Anm. 1

Erben die Anzeige- und Besorgungspflicht des § 673 ob. — W e g e n eines d i e E r r e i c h u n g des V e r t r a g s z w e c k s g e f ä h r d e n d e n V e r h a l t e n s des U n t e r n e h m e r s (z. B. der Unternehmer beleidigt oder belästigt während seiner zur Werkleistung erforderlichen Anwesenheit in den Geschäftsräumen des Bestellers dessen Angestellte) k a n n d e r B e s t e l l e r n a c h a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n k ü n d i g e n , ohne daß der Unternehmer für den noch ausstehenden Teil seiner Leistung die vereinbarte Vergütung verlangen könnte ( R G 12. 10. 1917 V I I 177/17).

Anm. 3 Der A n s p r u c h d e s U n t e r n e h m e r s geht im Falle der Kündigung nach § 649 grundsätzlich auf die volle Vergütung (§ 634 Anm. 2; § 63a). Gegebenenfalls ermäßigt sich aber der Anspruch durch die A n r e c h n u n g s p f l i c h t . Ihr Wesen besteht nicht darin, daß dem Besteller ein Gegenrecht gewährt wird, auf das die Grundsätze der Aufrechnung entsprechend anwendbar wären. Dem Besteller erwächst infolge seiner Aufkündigung kein selbständiger, zur Aufrechnung geeigneter Anspruch auf Gewährung des vom Unternehmer ersparten Betrags; vielmehr ist die Anrechnungspflicht des Unternehmers so zu verstehen, daß der trotz der Aufkündigung an sich fortbestehende Anspruch auf die Vergütung um den ersparten Betrag von selbst gemindert wird. Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Unternehmers soll ausgeschlossen werden. Er soll nicht mehr erhalten, als er gehabt haben würde, wenn er die von ihm geschuldete Gegenleistung gewährt hätte. Es handelt sich um ein ähnliches Rechtsverhältnis wie die Vorteilsausgleichung (Anm. 5 vor § 249). Nur braucht, anders als bei Schadensersatzansprüchen, ein innerer ursächlicher Zusammenhang des anderweit erlangten Erwerbs mit dem Verhalten des Bestellers nicht vorzuliegen; anzurechnen ist vielmehr j e d e r V e r d i e n s t , a u c h ein z u f ä l l i g e r l a n g t e r o d e r e r l a n g b a r g e w e s e n e r (RG 13. 12. 1921 V I I 79/21). Die Anrechnung macht sich hiernach ohne weiteres mit rückwirkender Kraft geltend; sie bildet ein Ermäßigungsrecht, das sich von selbst aus dem Werkvertrag ergibt (RG 74, 197). Die Voraussetzungen der Anrechnung darzulegen, ist Sache des Bestellers. Über b ö s w i l l i g e s U n t e r l a s s e n andern Erwerbs s. § 615 Abs. 4. — Da der Unternehmer mit der erwähnten Einschränkung Anspruch auf die ganze vereinbarte Vergütung hat, darf der Besteller selbstverständlich das Werk, soweit es hergestellt ist, einschließlich der in das Werk verwendeten oder sonst in sein Eigentum übergegangenen Stoffe behalten. Auf Stoffe, die für das Werk bestimmt, aber noch nicht verwendet sind, hat er selbst keinen Anspruch, wenn sie, z. B. bei einem Bauwerk, zum Zwecke der Verwendung auf das Grundstück des Bestellers gebracht worden sind, also schon in seinem Besitze sich befinden (RG 104, 93).

§650 Ist dem Vertrage ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne daß der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, daß das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grunde kündigt, nur der i m § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu. Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen. E n

585; M 1 5 0 3 , 5 0 4 ; p 2

335.

Anm. 1 Ü b e r s c h r e i t u n g des K o s t e n a n s c h l a g s . Die Vorschrift findet Anwendung, gleichviel, wer den Kostenanschlag hergestellt hat, vorausgesetzt nur, daß er dem Vertrag zugrunde gelegt worden ist. Der U n t e r n e h m e r bleibt auch in diesem Falle zur Ausführung verpflichtet (§ 631 Abs. 1), hat aber auf angemessene oder taxmäßige Vergütung Anspruch (§632), wenn er nicht — was nach den Umständen des Falles durch Vertragsauslegung nach § 157 festzustellen ist — Gewähr für die niedrigere

651

§ 650 A n m . 2 § 651 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anschlagssumme übernommen hat, in welchem Falle er den Schaden trägt. Nur der B e s t e l l e r kann auf Grund des § 649 das Kündigungsrecht ausüben. Wenn er hierbei die Überschreitung des Anschlags als Kündigungsgrund bezeichnet oder doch diese nachweisbar den Kündigungsgrund bildet, verwandelt sich der Anspruch des Unternehmers auf volle Vergütung (§ 649) in den Anspruch auf teilweise Vergütung und Ersatz der Auslagen nach §645 Abs. 1 Satz 1. E i n V e r s c h u l d e n des U n t e r n e h mers wird hierbei nicht vorausgesetzt. Liegt ein solches vor, so gelten die allgemeinen Grundsätze (§§ 276fr., 286ff., 325). Uber die Bedeutung eines Kalkulationsirrtums vgl. R G 150, 89, über Kostenanschläge bei Architekten vgl. Vorbem. 51 vor § 6 1 1 . Anm. 2 Unterlassung dieser Anzeige begründet die Schadensersatzpflicht des Unternehmers, die indessen wegfällt, wenn der Besteller bereits in anderer Weise Kenntnis von der zu erwartenden Anschlagsüberschreitung erlangt hat.

§651 Verpflichtet sich der Unternehmer, das Werk aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe herzustellen, so hat er dem Besteller die hergestellte Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Auf einen solchen Vertrag finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung ; ist eine nicht vertretbare Sache herzustellen, so treten an die Stelle d e s § 433, d e s § 446 Abs. 1 Satz 1 und der § § 447, 4 5 9 , 4 6 0 , 4 6 2 bis 464, 477 bis 479 die Vorschriften über den Werkvertrag m i t Ausnahme d e r § § 647, 648. Verpflichtet sich der Unternehmer nur zur Beschaffung von Zutaten oder sonstigen Nebensachen, so finden ausschließlich die Vorschriften über den Werkvertrag Anwendung. E I 568 Abs. 1, z Satz i II ¡86; M 2 474fr.; P 2 337fr.

U b ersieht 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Beschaffung des Stoffes Vertretbare oder nicht vertretbare Sachen Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen Werklieferungsvertrag über nicht vertretbare Sachen Beschaffung von Zutaten Unregelmäßiger Werklieferungsvertrag

Anm.

i, 2 3 4 5—7 8 9

Anm. 1 1. Beschaffung des Stoffes. § 651 enthält die Bestimmungen über den im Verkehrsleben wichtigen W e r k l i e f e r u n g s v e r t r a g , welche, teilweise abweichend von dem früheren gemeinen Recht und von H G B § 381 Abs. 2, eine für die praktische Handhabung keineswegs leichte und einfache Fassung erhalten haben. Ein solcher Vertrag liegt dann vor, wenn sich der Unternehmer verpflichtet, das Werk aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe (z. B. auch ein Gebäude auf einem vom Unternehmer zu beschaffenden Grundstück, aus den von ihm zu beschaffenden Baustoffen, R G 94, 128) herzustellen. Dies gilt indessen (außer dem in Abs. 2 ausdrücklich hervorgehobenen Falle der „Zutaten und Nebensachen") dann n i c h t , a) wenn der Unternehmer das Werk zwar aus dem von ihm zu beschaffenden Stoffe, aber auf dem Grund und Boden des Bstellers (§94) herzustellen hat (RG 12. 10. 1920 V I I 131/19), oder b) wenn jede Partei wesentliche Stoffbestandteile zu dem herzustellenden Werke beizutragen hat. In beiden Fällen liegt ein reiner Werkvertrag vor, im ersteren insbesondere von der im § 648 vorausgesetzten Eigenart. — Übernahme der Ausführung und Einbauung einer Treppenanlage für einen Bau des Bestellers ist Werk-, nicht Werklieferungsvertrag ( R G 97, 87). Lieferung einer Schaufenster-Beleuchtung als ein aus Werklieferung (Lieferung der Beleuchtungskörper) und Werkvertrag (Anbringung der Beleuchtungskörper) gemischter Vertrag s. O L G 33, 260. „Kulturvertrag" über Erzielung von 652

Werkvertrag

§651

A n m . 2, 3 Rübensamen als Werklieferungsvertrag s. R G H R R 1934 Nr. 1440. — Übernimmt es der Verkäufer einer Sache, diese für eine bestimmte Zweckbestimmung besonders herzurichten, so handelt es sich nicht mehr um einen reinen Kaufvertrag, mag auch die Vergütung für die Umarbeitung in dem Kaufpreis mitenthalten sein. Vielmehr liegt ein Werkvertrag vor, soweit es sich um die Umarbeitung handelt. Es greift also § 651 Abs. 1 Platz (RG WarnRspr. 1910 Nr. 16). Kauf eines Kraftwagens mit der Zusicherung, die Betriebsfähigkeit herzustellen, als unselbständiger Nebenleistung s. RG Gruchot 67, 3 1 1 . Zum Unterschied von K a u f u n d Werklieferung s. auch H R R 1935 Nr. 1301. — Der Besteller eines Werkes hat keinen Anspruch darauf, daß der Unternehmer die zur Ausführung des Auftrags angeschafften Rohstoffe dauernd für diesen Zweck bereithält. Daher ist bei der Frage, ob dem Unternehmer wegen veränderter Umstände die Erfüllung noch zuzumuten sei, auf eine Preissteigerung zu seinen Gunsten auch dann Rücksicht zu nehmen, wenn der Unternehmer die Rohstoffe schon früher angeschafft, dann aber anderweit verwendet hat (RG 106, 327). Anm. 2 Für den e i g e n t l i c h e n W e r k l i e f e r u n g s v e r t r a g gilt zunächst in j e d e m Falle der Grundsatz, daß der Unternehmer dem Besteller die herzustellende Sache zu übergeben und das Eigentum daran zu verschaffen hat wie beim Kaufvertrage. Dabei ist die Frage, wann die Herstellung so weit vorgeschritten ist, daß man von einer „hergestellten" Sache sprechen kann, deren Ubergabe der Besteller verlangen kann, im einzelnen Falle nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu beantworten. Daß das Werk bereits völlig dem Vertrage entspreche, ist nicht zu fordern (RG 30. 5. 1924 I I I 98/23). Im übrigen ist zu unterscheiden, ob den Gegenstand des Vertrags eine v e r t r e t b a r e oder eine n i c h t v e r t r e t b a r e Sache (§ 91) bildet. 2. Vertretbare oder nicht vertretbare S a c h e n Anm. 3 O b der V e r t r a g auf die H e r s t e l l u n g v e r t r e t b a r e r o d e r n i c h t v e r t r e t b a r e r S a c h e n g e r i c h t e t ist, muß vom Standpunkt des Vertrags aus, nicht nach dem einseitigen Zwecke des Bestellers, entschieden werden (RG L Z 1915, 1370 6 ). Ist eine Menge gleichartiger Gegenstände herzustellen und zu liefern, die, wie jede Handelsware, an beliebige Personen verkauft werden sollen, so liegt ein Vertrag über vertretbare Sachen auch dann vor, wenn die Gegenstände nach einem den Angaben des Bestellers entsprechenden Muster anzufertigen sind und der Besteller ein Schutzrecht für den Grundgedanken der Konstruktion durch Weiterveräußerung auszunutzen beabsichtigt (RG 19. 2. 1918 II 375/17). Die Vertretbarkeit der erst herzustellenden Sache wird nicht beeinträchtigt durch die Ausbedingung e i n e r b e s o n d e r e n E i g e n s c h a f t , z. B. der Leistungskraft von 120 Elementen für eine Akkumulatorenbatterie (RG 9. 3. 1906 I I 473/05). Ein Vertrag über eine M a s c h i n e kann je nach Verschiedenheit des Falles bald eine vertretbare, bald eine nicht vertretbare Sache zum Gegenstand haben. Als v e r t r e t b a r e Sachen erscheinen Maschinen, wenn es sich um Maschinen bekannter, gewöhnlicher Art und üblicher Beschaffenheit handelt (RG L Z 1915, 1370'). Dagegen ist eine Maschine als nicht vertretbare Sache anzusehen, wenn ihr eine auf die Betriebsverhältnisse des Abnehmers berechnete besondere Ausgestaltung gegeben ist, so daß die Ersetzbarkeit der Maschine wegen dieser eigenartigen Gestaltung durch eine andere der nämlichen Gattung nach der Anschauung des regelmäßigen Verkehrs nicht mehr bejaht werden kann, auch die Veräußerung an andere Abnehmer aus dem angeführten Grunde erheblich erschwert ist (RG J W 1913, 27 14 ). Der Umstand, daß eine Maschine erst nach Bestellung anzufertigen ist, schließt ihre Vertretbarkeit nicht aus, jedenfalls dann nicht, wenn der Besteller das Gewicht n i c h t auf die A n f e r t i g u n g d u r c h den a n d e r e n T e i l , sondern auf die Lieferung einer Maschine der bestellten Art überhaupt legt (RG 15. 3. 1904 V I I 499/03). Sachen, die nach Preisverzeichnissen verkauft werden, sind in der Regel vertretbar; doch können Abweichungen nicht nebensächlicher Art die Unvertretbarkeit begründen. Ein Vertrag auf Lieferung eines „Wohnsalons" nach ausgestelltem Muster ist ein Werklieferungsvertrag, der die Herstellung eines Inbegriffs n i c h t vertretbarer Sachen zum Gegenstand hat (RG 23.6.1908

653

§ 651 A n m . 4, 5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

III 616/07). U m n i c h t v e r t r e t b a r e Sachen handelt es sich bei der Lieferung eines vom Unternehmer nach Angaben des Bestellers herzustellenden kunstgeschnitzten Bücherschranks (RG 107, 339); bei der Lieferung eines nach bestimmten Maßen vereinbarungsgemäß angefertigten Spieltisches (RG WarnRspr. 1923 Nr. 8); bei der Lieferung einer nach einer bestimmten Zeichnung anzufertigenden Speisezimmereinrichtung (LZ 1925, 3291); bei der Lieferung einer für eine bestimmte Arbeitsweise und Leistung besonders konstruierten, nach den Wünschen des Bestellers individuell gestalteten Maschinenanlagr (RG H R R 1929 Nr. 381) ; ebenso wenn Zahnärzte künstliche Zahnersatzstücke (Gebisse, einzelne Zähne) liefern (RG 95, 322). — Nach bestimmten Bauvorschriften und Zeichnungen herzustellende, unter sich verschiedene D a m p f e r sind als nicht vertretbare Sachen anzusehen (RG 15. 3. 1904 VII 499/03). Lieferung von Herden zu einem bestimmten Neubau, ohne nähere Individualisierung, ist Lieferung vertretbarer Sachen, die Aufstellung und Installation nur Nebenleistung (RG LZ 08, 682). Uber Werklieferungsvertrag mit einem Künstler und dessen Gestaltungsfreiheit vgl. BGH 19, 382. Anm. 4 3. Bei dem Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen kommem d i e B e s t i m m u n g e n ü b e r d e n K a u f (§§ 433fr.) in vollem Maße zur Anwendung. Der Anspruch des Bestellers geht also hier in letzter Linie nicht auf StofFbeschaffung und Herstellung, sondern auf Übergabe der hergestellten Sache; die vertragsmäßige Herstellung ist insoweit nur Gewähr einer zugesicherten Eigenschaft. Der Anspruch des Unternehmers geht auf Zahlung der vereinbarten Vergütung und Abnahme der hergestellten Sache. Unter Abnahme ist dabei nach § 433 Abs. 2 die äußerliche Hinnahme, nicht eine Annahme als Erfüllung wie nach § 640 zu verstehen. Bei Sachmängeln gelten nicht die §§ 633fr., sondern die §§459ff.; insbesondere kann der Besteller nicht Nachbesserung, sondern nur Lieferung «ünes anderen Stückes (§480), Wandelung, Minderung oder Schadensersatz verlangen. Die Frage, ob bei der Lieferung einer vertretbaren Sache nicht wenigstens eine e n t s p r e c h e n d e Anwendung der §§642, 643, 645 stattfinden könne, erscheint gegenüber der ausdrücklichen Fassung des §651 („die Vorschriften über den Kauf") nicht zweifellos, ist aber mit der herrschenden Ansicht zu b e j a h e n . S. auch unten Anm. 4b. Anm. 5 4. Auf den Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare (bewegliche oder unbewegliche) Sache finden sowohl Vorschriften über den Kauf als solche über den Werkvertrag Anwendung. a) B e s e i t i g t s i n d von d e n V o r s c h r i f t e n des K a u f v e r t r a g s zunächst die in §651 Abs. 1 ausdrücklich angeführten; §433: Verpflichtung des Verkäufers einer Sache zur Ubergabe und Eigentumsverschaffung, des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises und zur Abnahme der Sache; §§ 446 Abs. 1 Satz 1, 447: Ubergang der Gefahr auf den Käufer im Falle der Übergabe und im Falle der Versendung (zu § 447 s. jedoch § 644 Abs. 2 und unten vor b) ; §§ 459, 460, 462 bis 464: Haftpflicht des Verkäufers für Fehler der Kaufsache, sofern der Käufer die Fehler nicht beim Kaufabschluß kennt; Gewährleistungsansprüche des Käufers wegen Mängel der Kaufsache: Wandelung, Minderung oder Schadensersatz, Ausschluß der Ansprüche bei vorbehaltener Annahme der Sache seitens des Käufers mit Kenntnis vom Mangel. Für n i c h t a n w e n d b a r sind auch erklärt die §§477—479: Verjährung der Gewährleistungsansprüche und durch rechtzeitige Mängelanzeige herbeizuführende Erhaltung des Rechtes des Käufers auf gänzliche oder teilweise Verweigerung der Kaufpreiszahlung und des Rechtes zur Aufrechnung des Schadensersatzanspruchs auch nach Vollendung der Verjährung. Da aber an die Stelle der erwähnten Vorschriften diejenigen über den Werkvertrag treten sollen (s. unten), mit ihnen auch § 639, der seinerseits in Abs. 1 wieder den § 477 Abs. 2, 3 und die §§ 478, 479 für entsprechend anwendbar erklärt, so sind mit dem § 639 auch diese Vorschriften anzuwenden (RG 87, 305; 93, 158). Ebenso ist §447 gemäß § 644 Abs. 2 anwendbar.

654

Werkvertrag

§651 A n m . 6, 7

Anm. 6 b) A n d i e S t e l l e d e r u n t e r a) e r w ä h n t e n V o r s c h r i f t e n über den K a u f treten „die Vorschriften über den W e r k v e r t r a g mit Ausnahme der §§647, 648"; zunächst also die e n t s p r e c h e n d e n , mit den aufgehobenen Bestimmungen gleichartigen, insbesondere § 6 3 1 : Verpflichtung des Unternehmers zur Herstellung des versprochenen Werkes, Verpflichtung des Bestellers zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung, wozu noch die in § 651 Abs. 1 Satz 1 vorgeschriebene Erweiterung hinzutritt: Verpflichtung des Unternehmers zur Ubergabe der hergestellten Sache und Verschaffung des Eigentums zugunsten des Bestellers; ferner §632: stillschweigende Vereinbarung der Vergütung; §§ 633—636: Verpflichtung des Unternehmers zur Herstellung eines f e h l e r f r e i e n Werkes, beim Vorhandensein von Fehlern Gewährleistungsansprüche des Bestellers zunächst auf Beseitigung binnen angemessener Frist, bei deren fruchtlosem Ablauf auf Wandelung (d. i. Rücktritt vom Vertrage nach § 327) oder auf Minderung oder Schadensersatz (RG 107, 339); Wandlungsrecht des Bestellers trotz vertraglicher Beschränkung auf Nachbesserung, wenn der Unternehmer sich ohne Rechtsgrund beharrlich weigert, Nachbesserungen vorzunehmen, s. R G WarnRspr. 1935 Nr. 66; §§638, 639: Verjährung der Gewährleistungsansprüche des Käufers mit Berechnung der Frist von der A b n a h m e des Werkes an, deren Zeitpunkt nicht mit dem der Ablieferung zusammenfällt (§640 Anm. 2; R G J W 1910, 65g 26 ; R G WarnRspr. 1934 Nr. 34); §§640, 641 Abs. 1: Verpflichtung des Bestellers zur A b n a h m e des vertragsmäßig hergestellten Werkes im Sinne einer Annahme als Erfüllung (nicht nur äußerliche Hinnahme, wie nach § 433 Abs. 2), Einfluß seiner Kenntnis von einem vorhandenen Mangel; weitere Verpflichtung des Bestellers zur Entrichtung der Vergütung bei der Abnahme (wogegen die V e r z i n s u n g der Vergütung nicht nach § 641 Abs. 2, sondern nach § 452 eintritt); §§ 644—646: Gefahrtragung des Unternehmers bis zur Abnahme (oder Vollendung) des Werkes; Anspruch des Unternehmers auf einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung bei gänzlicher oder teilweiser Unausführbarkeit infolge eines von dem Besteller zu vertretenden Umstandes. Außer diesen Vorschriften sind, da in § 651 allgemein „die Vorschriften über den Werkvertrag" als Ersatz für die aufgehobenen des Kaufveftrags eingeführt sind, gleichfalls anwendbar die weiteren mit den vorstehend angeführten zusammenhängenden Bestimmungen in §§ 642, 643: Verzug des Bestellers mit einer bei Herstellung des Werkes von ihm vorzunehmenden Handlung; in §649: ausgedehntes Kündigungsrecht des Bestellers; in 650: beiderseitige Rechte bei Überschreitung eines Kostenanschlags. Anm. 7 c) N e b e n d i e s e n V o r s c h r i f t e n ü b e r den W e r k v e r t r a g k o m m e n a b e r bei dem Werklieferungsvertrag über nicht vertretbare Sachen a u c h d i e n i c h t d u r c h d i e V o r s c h r i f t e n des W e r k v e r t r a g e s e r s e t z t e n V o r s c h r i f t e n des K a u f v e r t r a g e s z u r A n w e n d u n g , soweit sie überhaupt auf diesen Lieferungsvertrag passen, insbesondere §§ 434—436, 439, 440, 442, 443: über die Haftung des Verkäufers für Mängel im R e c h t e (zu unterscheiden) von Mängeln des W e r k e s §§ 633fr., dagegen Nichthaftung für die Freiheit eines Grundstücks von öffentlichen Abgaben und Lasten, die zur Eintragung in das Grundbuch nicht geeignet sind; ferner § 446 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2: Ubergang der Nutzungen und Lasten der Kaufsache auf den Käufer; §§ 448, 449: Tragung der Kosten der Ubergabe sowie der Abnahme und Versendung bei einer beweglichen Kaufsache, der Kosten der Auflassung und Eintragung bei einem verkauften Grundstück; §450: Verpflichtung des Käufers zum Ersatz der vor der Ubergabe gemachten Verwendungen des Verkäufers; § 452: Verpflichtung des Käufers zur Verzinsung des Kaufpreises; §455: Eigentumsvorbehalt des Verkäufers einer beweglichen Sache; §§465—467, 469—475: V o l l z i e h u n g der Wandelung und Minderung (§ 634) im e i n z e l n e n ; § 476: Nichtigkeit einer die Mängelhaftung des Verkäufers, ausschließenden Vereinbarung bei arglistigem Verschweigen des Mangels seitens des Verkäufers wodurch die gleichwertige Vorschrift des § 637 gegenstandslos wird. Uber die Anwendung der in § 639 Abs. I für entsprechend anwendbar erklärten §§ 477 Abs. 2, 3, 478, 479 und des in § 644 Abs. 2 in bezug genommenen § 447 s. oben a ) am Ende. — § 381 Abs. 2 H G B unterstellt die dort bezeichneten Werklieferungsverträge

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§ 651 A n m . 8,9

Vor § 652

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

nicht in jeder Hinsicht den Vorschriften über den Kauf, sondern fügt nur zu den nach § 651 anwendbaren Bestimmungen über den Kauf die der §§ 373 fr. HGB (Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung, § 377) hinzu und beläßt es im übrigen bei den Vorschriften des §651, insbesondere auch bei der Anwendbarkeit der VerjährungsVorschriften der §§ 638, 639 (RG J W 1910, 65g26). Anm. 8 5. Beschaffung von Zutaten und sonstigen Nebensachen seitens des Unternehmers ist zwar Stoffbeschaffung (Anm. 1), kann aber die Anwendung der Vorschriften vom Kauf nicht begründen. Anm. 9 6. Durch Vereinbarung können die Vorschriften über den Werklieferungsvertrag abgeändert werden. Als solche Abänderung erscheint auch der sog. unregelmäßige Werklieferungsvertrag, wobei dem Unternehmer zwar der Stoff geliefert, aber freigestellt wird, diesen Stoff durch einen anderen (gleichartigen) zu ersetzen (M 2, 477). Die nähere Durchführung des Verhältnisses ergibt sich aus der den Umständen zu entnehmenden Absicht der Beteiligten. Diese wird in der Regel dahin gehen, daß der Unternehmer die Gefahr des zufälligen Unterganges oder der zufälligen Verschlechterung des Stoffes zu tragen hat, aber auch über den ihm gelieferten Stoff frei verfügen kann. Achter Titel Mäklervertrag Vorbemerkungen 1. Begriff und rechtliche N a t u r des M ä k l e r v e r t r a g s . Im Anschluß an das HGB hat das BGB als besonderen Vertrag den M ä k l e r v e r t r a g aufgestellt, nach welchem der eine Teil für den anderen, ohne in dessen dauernden Diensten zu stehen, die Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags nachzuweisen oder einen solchen zu vermitteln, der andere Teil aber, wenn dadurch der Vertrag zustande kommt, einen Lohn dafür zu entrichten hat. Als Vertrag eigener Art unterscheidet er sich vom A u f t r a g e namentlich durch die entgeltliche Tätigkeit des Mäklers, vom D i e n s t v e r t r a g e dadurch, daß der Mäkler seinen Lohn nur bei Herbeiführung eines bestimmten Erfolges beanspruchen kann, und vom W e r k v e r t r a g e wie auch vom G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g e (RG J W 1905, 73'; WarnRspr. 1919 Nr. 31) dadurch, daß er zur Herbeiführung dieses Erfolges wohl berechtigt, aber in der Regel nicht verpflichtet ist (RG WarnRspr. 1908 Nr. 144). Beurteilung eines scheinbaren Kaufvertrags als Mäklervertrag s. SeuffArch. 77 Nr. 19; einen Grenzfall zwischen Mäklervermittlung und Kommissionsgeschäft s. SeuffArch. 76 Nr. 49. Es gehört nicht zum Wesen des M ä k l e r v e r t r a g s , daß der M ä k l e r sich zu einer T ä t i g k e i t v e r p f l i c h t e t (RG J W 1911, 75816) oder gar für den Erfolg seiner Tätigkeit einsteht. Die Annahme eines Mäklervertrags wird aber anderseits nicht dadurch ausgeschlossen, daß er gewisse Dienstleistungen (z. B. auch Vorarbeiten für den abzuschließenden Vertrag) übernimmt oder daß sonstige besondere Abreden getroffen werden, die den Vertrag zu einem Dienst- oder Werkvertrag nähern (RG J W 1915, 1351 2 ). Es kann sich dabei um bloße Nebenleistungen, aber auch um einen besonderen, mit dem Mäklervertrag verbundenen Nebenvertrag handeln, für den dann insbesondere § 652 Abs. 2 nicht gilt. Rechtliche Natur einer Anwaltstätigkeit, die auf die Führung von Finanzverhandlungen für eine Staatsverwaltung gerichtet ist, s. H R R 1933 Nr. 1574. Der Vertrag zwischen dem Mäkler und einem U n t e r m ä k l e r ist im BGB nicht besonders geregelt und nach §§ 157, 242 zu beurteilen. Da der Vertrag nicht selbst Mäklervertrag ist, bedarf es zur Begründung eines Vergütungsanspruchs nicht einer Mäklertätigkeit im Sinne des § 652 (RG J W 1929, 34 977). Aus seinem Wesen als H i l f s v e r t r a g zur Erreichung der Ziele des Hauptmäklervertrags ergibt sich aber, daß gewisse Eigenheiten dieses, wie z. B. die freie Widerruflichkeit des Auftrags, auch hier gelten müssen 656

Mäklervertrag

Vor § 652

(RG 88, i). Wie der Auftraggeber des Hauptmäklers das Geschäft nicht nur deshalb abzuschließen braucht, damit dieser den Mäklerlohn verdient, so ist auch der Hauptmäkler nicht zum Nachweise oder zur Vermittlung verpflichtet, damit der Untermäklerseinen Anteil am Lohn erhält. Der Hauptmäkler darf sich vielmehr von einer verständigen und redlichen Wahrnehmung seiner eigenen Interessen leiten lassen. Das kann unter Umständen sogar dazu führen, daß der Hauptmäkler auf den Mäklerlohn verzichtet, ohne deshalb dem Untermäkler, der vertragsmäßig einen Teil des dem Hauptmäkler zugesicherten Mäklerlohns zu beanspruchen hat, verantwortlich zu werden (RG J W 1918, 301 3 ). Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ist über die Aufhebung des Hauptmäklervertrages und damit des Untermäklerverhältnisses hinaus eine g e g e n s e i t i g e T r e u p f l i c h t des Inhalts anzunehmen, daß keine Partei den gemeinsam bearbeiteten Verkaufsgegenstand an einen bereits während der Dauer des Untermäklers Verhältnisses hervorgetretenen Kaufliebhaber zum Verkauf bringen darf, ohne den anderen Teil an der Vergütung zu beteiligen (RG 148,354: sog. Kundenschutz). Darf sich der Mäkler der Hilfstätigkeit eines Untermäklers bedienen, so muß er sich auch dessen schuldhaftes Verhalten bei Ausführung dieser Tätigkeit nach dem Grundsatze des § 278 anrechnen lassen (§§652 Anm. 2a, 654 Anm. 1). Die Tätigkeit des Untermäklers beschränkt sich aber in der Regel auf das zu vermittelnde Geschäft. Zu Erklärungen, die den Mäklervertrag unmittelbar berühren, wie z. B. zu einem Verzicht auf den dem Mäkler zustehenden Lohn, ist er ohne besondere Ermächtigung nicht berechtigt (RG 15. 1 1 . 1919 V 220/19). Das Bestehen eines Mäklerverhältnisses schließt, unbeschadet des § 654, v e r t r a g l i c h e B e z i e h u n g e n des M ä k l e r s z u m V e r t r a g s g e g n e r seines A u f t r a g g e b e r s nicht aus. Empfiehlt z. B. der vom Darlehnssucher beauftragte Mäkler dem zu seiner Kundschaft gehörigen Darlehnsgeber das Geschäft als sicher, so ist er diesem zur Offenlegung der wesentlichen Verhältnisse des Darlehnssuchers vertraglich verpflichtet ( R G 26. 5. 1 9 1 9 V I QJ/IO).

V g l . a u c h § 654 A n m . 2.

2. G e l t u n g s b e r e i c h . D i e V o r s c h r i f t e n ü b e r den M ä k l e r v e r t r a g erstrecken sich n i c h t auf die im H G B § 84fr. geregelten, im übrigen nach den Grundsätzen des Dienstvertrags ( § 6 1 1 Anm. 4) zu beurteilenden Verhältnisse der H a n d e l s v e r t r e t e r s , der ständig betrauten Geschäftsvermittler im Handelsverkehr (vgl. R G 95, 134), und nicht auf die im H G B §§93ff. behandelten Verhältnisse der H a n d e l s m ä k l e r , der nicht ständigen Vermittler von Verträgen über Anschaffung oder Veräußerung von Waren oder Wertpapieren, über Versicherung, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffsmiete oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs. Schiffsmakler s. R G 97, 215. Börsenmakler s. Börsengesetz §§ 2gff. D a g e g e n finden die Vorschriften des BGB A n w e n d u n g auf den Nachweis oder die Vermittlung anderer als der in § 93 Abs. 1 H G B bezeichneten Geschäfte, insbesondere auf die Vermittlung von Geschäften über unbewegliche Sachen, auch wenn die Vermittlung durch einen Handelsmäkler geschieht (HGB § 93 Abs. 2). Die genannten Vorschriften gelten ferner für den Nachweis oder die Vermittlung von Darlehns- und Hypothekengeschäften, von Eheschließungen, von Mietverträgen sowie von Dienstverträgen. Die besonderen Vorschriften der Gesindeordnungen sind aufgehoben (Vorbem. 2 vor § 6 1 1 ) . — Ob die Tätigkeit des Mäklers eine g e w e r b s m ä ß i g e ist oder nicht, macht für die Anwendbarkeit der §§652 ff. keinen Unterschied (RG 27. 1 1 . 1908 I I I 143/08); im Falle der Gewerbsmäßigkeit greifen aber die Vorschriften der GewO §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 3, 38 ein. G e w e r b s m ä ß i g e S t e l l e n v e r m i t t l u n g ist nicht mehr zulässig; denn nach dem G e s e t z ü b e r A r b e i t s v e r m i t t l u n g und A r b e i t s l o s e n v e r s i c h e r u n g i d F v. 3.4.1957 (BGBl. I, 321) darf unbeschadet vorgesehener Ausnahmen für Bühnenangehörige und Artisten A r b e i t s v e r m i t t l u n g g r u n d s ä t z l i c h n u r v o n d e r B u n d e s a n s t a l t f ü r A r b e i t s v e r m i t t l u n g u n d A r b e i t s l o s e n v e r s i c h e r u n g betrieben werden. Reisevermittlung s. Gesetz v. 26. 1. 1937 (RGBl. I, 31), dazu D V O v. 22. 2. 1937 (RGBl. I, 336), v. 8. 5. 1939 (RGBl. I, 895). N o t a r e n ist nach § 28 des NotarG v. 19. 4. 1939 (RGBl. I, 795) die Vermittlung von Darlehn und Grundstücksgeschäften untersagt. — Die für die sog. Z i v i l m ä k l e r geltenden §§ 652fr. enthalten keine erschöpfende Regelung dieses Vertragsverhältnisses; zur Ergänzung werden neben den allgemeinen Bestimmungen eintretendenfalls auch einzelne Vorschriften anderer Vertragsarten, na657

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

V o r § 652

§652

mentlich die Vorschriften des dem Mäklervertrag am nächsten verwandten Werkvertrags, heranzuziehen sein. Das BGB enthält keine besonderen Bestimmungen für den Trödelvertrag, der in der Ubergabe einer Sache mit der Verpflichtung des Empfängers besteht, dem Geber entweder die Sache zurückzugeben oder die dabei festgesetzte Schätzungssumme zu zahlen, so daß der Empfänger die Sache selbst für diese Summe behalten oder beim Verkauf an einen Dritten den von diesem gezahlten Mehrerlös als seinen Gewinn verrechnen kann. Je nach der Sachlage werden hier ebenfalls in der Regel die Bestimmungen über den Dienst-, unter Umständen über den Werkvertrag oder auch über den Kaufvertrag anzuwenden sein. 3. Eine besondere Form ist für den Mäklervertrag nicht vorgeschrieben, auch nicht, wenn die Veräußerung eines Grundstücks vermittelt werden soll. — Für seinen Inhalt gelten neben §§ 655, 656 die allgemeinen Grundsätze. Auch der Mäklervertrag unterliegt den Grundsätzen von T r e u u n d G l a u b e n (§ 242) und darf nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134) oder gegen die guten Sitten (§ 138) verstoßen. Nichtig, weil gegen die guten Sitten verstoßend, ist eine Vereinbarung, wonach sich der Auftraggeber a l l g e m e i n verpflichtet, Lieferungsbestellungen des durch den Mäkler ermittelten Bestellers nicht durch andere Vermittler und auch nicht unmittelbar von dem Besteller, sondern nur durch Vermittlung des Mäklers entgegenzunehmen (RG Gruchot 62, 778). Unsittlich kann auch die Vereinbarung eines übermäßig hohen Mäklerlohns sein (RG 90, 440; 93 S. 27, 106, 207). Das bloße Mißverständnis zwischen Leistung und Gegenleistung (ohne Hinzutritt anderer Umstände) genügt aber nicht, um ein Mäklerlohnversprechen als unsittlich erscheinen zu lassen (RG WarnRspr. ig22 Nr. 94). S. auch die V O gegen den Wucher bei der Vermittlung von Mieträumen v. 3 1 . 7 . 1 9 1 9 (RGBl. 1364, geändert durch V O v. 31. 5. 1920 (RGBl. 1201).

§653 Wer für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags oder für die Vermittlung eines Vertrags einen Mäklerlohn verspricht, ist zur Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder der Vermittlung des Mäklers zustande kommt. Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so kann der Mäklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eintritt. Aufwendungen sind dem Mäkler nur zu ersetzen, wenn es vereinbart ist. Dies gilt auch dann, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt. EI

; 8 o I I 587; M i

509®.; P i

342.

Ubersicht Aiim.

I. Mäklervertrag II. Voraussetzung für den Anspruch auf Mäklerlohn 1. Tätigkeit des Mäklers 2. Zustandekommen des Vertrages a) Allgemeines b) beim Darlehnsgeschäft c) Nachträgliches Ungültigwerden des Vertrages 3. Unterbleiben der Ausführung des Vertrages 4. Ursächlicher Zusammenhang 5. Abschluß des Vertrages durch Auftraggeber

1—4 5, 6 7 8 9 10 11 12

I I I . Kenntnis von Tätigwerden eines Mäklers

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I V . Bedeutung von Bindungen

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V . Vertragsvereinbarungen über den Mäklerlohn

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658

Mäklervertrag

§652 Anm. 1—3

Anm. 1 I . D e r M ä k l e r v e r t r a g hat die Eigentümlichkeit, daß der M ä k l e r in d e r R e g e l zu einer bestimmten T ä t i g k e i t wohl berechtigt, aber nicht verpflichtet und der A u f t r a g g e b e r b i s z u m Z u s t a n d e k o m m e n d e s z u v e r m i t t e l n d e n V e r t r a g s z u m W i d e r r u f b e r e c h t i g t ist ( R G IOI, 209). Diese Berechtigung kann jedoch, wie z. B. bei Übertragung des A l l e i n v e r k a u f s eines Grundstücks, dahin beschränkt werden, daß der Auftraggeber, falls er selbständig verkauft oder o h n e g e r e c h t e n G r u n d bis zu einem gewissen Zeitpunkt widerrufen oder die Vermittlung einem anderen Mäkler übertragen würde, dem ersten Mäkler für den Mäklerlohn aufzukommen habe ( R G 22, 381; R G J W 1905, 33g 9 ; R G L Z 1922, 25®; D R 44, 409). Es ist eine Auslegungsfrage, ob die Erteilung eines f e s t e n A u f t r a g s a u f b e s t i m m t e Z e i t nur den Verzicht auf Widerruf des Auftrags für diese Zeit oder auch die Verpflichtung des Auftraggebers bedeutet, weder selbst noch durch einen anderen Vermittler den Vertrag abzuschließen. Ein Rechtssatz, daß die Erteilung eines festen Auftrags für bestimmte Zeit stets oder auch nur im Zweifel eine solche Verpflichtung des Auftraggebers mitumfasse, läßt sich bei der Mannigfaltigkeit der Einzelfälle und bei der Verschiedenartigkeit der tatsächlichen Verhältnisse nicht aufstellen ( R G 76, 361; WarnRspr. 1912 Nr. 302; J W 1927, 1139 1 ). Gibt der Auftraggeber dem Mäkler ein Geschäft ohne bestimmte Frist „fest an die Hand", so liegt darin ein Verzicht auf den Widerruf nur für eine nach der Verkehrssitte und nach billigem Ermessen zu bestimmende angemessene Zeit ( R G J W 1905, 33g 9 ; L Z 191g, 607 3 ; ig22, 25 3 ). Übernimmt der Mäkler die Verpflichtung, für die Vermittlung eines Vertragsschlusses tätig zu werden, so ist § 626 entsprechend anzuwenden und Kündigung aus wichtigem Grunde auch dem an seinen Vermittlungsauftrag gebundenen Geschäftsherrn zu gestatten ( R G J W 1905, 339®; R G H R R 1932 Nr. 611), so z . B . bei vertragswidrigem Verhalten des Mäklers. Aus dem bloßen Verzicht auf den Widerruf folgt selbstverständlich nicht die Verpflichtung des Auftraggebers, auch im Falle des NichtZustandekommens des Geschäfts den Mäklerlohn zu zahlen ( R G WarnRspr. 1908 Nr. 143); vgl. aber Anm. 2 c. a. F. — Ein Vertrag, durch den sich der Kläger gegen Entgelt verpflichtet, zur Herbeiführung eines Zwangsvergleichs zugunsten des im Konkurs befindlichen Beklagten Vergleichsvorschläge zu entwerfen, mit den Gläubigern zu verhandeln und vor allem die nötigen Geldmittel bereitzuhalten, ist kein Mäklervertrag, sondern entweder ein sog. unbekannter Vertrag oder möglicherweise ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Werkvertrag, auf den § 324 Anwendung findet ( R G 2. 3. 1909 I I I 320/08).

Anm. 2 Zum A b s c h l u ß des zu vermittelnden Geschäfts im Namen des Auftraggebers bedarf der Mäkler einer Vollmacht. § 85 H G B findet keine Anwendung. Der das Geschäft nur vermittelnde Mäkler ist Dritter im Sinne des § 1 2 3 ( R G 1 0 1 , 9 7 ; v gl- auch R G J W 1921, 623"). Die üblichen übertriebenen Mäklerredensarten, die erfahrungsgemäß nicht ernst genommen werden und die Entschließungen der Beteiligten nicht ausschlaggebend beeinflussen, können aber eine Anfechtung nach § 123 nicht rechtfertigen ( R G WarnRspr. 1937 Nr. 87). Erklärungen des Mäklers binden den Auftraggeber, der das Geschäft selbst abschließt, regelmäßig nicht. Jedoch kann dem Mäkler, auch wenn er keine Abschlußvollmacht hat, dem Vertragsgegner gegenüber eine solche Stellung eingeräumt werden, daß der Auftraggeber Erklärungen des Mäklers an den Vertragsgegner gegen sich gelten lassen und Mitteilungen des letzteren an den Mäkler als ihm selbst zugegangen betrachten muß ( R G 5. 6. 1920 V 440/19). Wird das in Aussicht genommene Geschäft zwischen dem Auftraggeber und dem Mäkler von letzterem als s e l b s t ä n d i g e r V e r t r a g s p a r t e i abgeschlossen, so ist das nicht Erfüllung des Mäklervertrags und ein Anspruch auf Mäklerlohn nicht begründet ( R G J W 1937, 1306 2 ; R G SeufFArch. 65, 393).

Anm. 3 V e r j ä h r u n g des Mäklerlohnanspruchs eines Kaufmanns, auch wenn er nur bei Gelegenheit vermittelt, nach § 196 Nr. 1 und Abs. 2 (SeuffArch. 73 Nr. 115), bei ge-

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§ 652 Anm. 4—6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

werbsmäßiger Vermittlung auch durch einen Nichtkaufmann, nach § 196 Nr. 7; sonst § 195. Anm. 4 S t i r b t der Mäkler vor dem Zustandekommen des Geschäfts, so geht damit, da es regelmäßig auf die persönliche Tätigkeit des Mäklers ankommt, das Verhältnis aus dem Mäklervertrag zu Ende. Dagegen hebt der vor dem Zustandekommen des Geschäfts erfolgte Tod des A u f t r a g g e b e r s dieses Verhältnis nicht ohne weiteres auf. Wenn die Erben auf das in Aussicht genommene Geschäft in Kenntnis der Vermittlertätigkeit des Mäklers eingehen (wozu sie an sich nicht verpflichtet sind), so ist damit der Zusammenhang zwischen dieser und dem Geschäftsabschluß begründet (RG 47, 253). II. Voraussetzungen für den Anspruch auf den Mäklerlohn (s. auch § 653). Anm. 5 1. Die Tätigkeit des Mäklers muß je nach dem Inhalt des Vertrags auf den N a c h w e i s der Gelegenheit zum Abschluß des vom Auftraggeber bezeichneten Geschäfts oder auf dessen V e r m i t t l u n g gerichtet sein. Der Nachweis setzt die Bekanntgabe einer dem Auftraggeber bis dahin unbekannt gewesenen Gelegenheit voraus. Daß der Mäkler eine bestimmte Person für den abzuschließenden Vertrag nachweist, ist nicht erforderlich (RG L Z 1925, 2608). Der Begriff der Vermittlung ist im Gesetz ebenfalls nicht bestimmt. Man versteht unter Vermitteln eine Tätigkeit, die durch Verhandeln mit beiden T e i l e n einen Vertrag zustande zu bringen sucht. Es genügt daher zur Begründung des Anspruchs auf den Mäklerlohn nicht, daß der Vermittler seinen Auftraggeber mit Rat und Tat zur Seite steht, vielmehr muß er auch persönlich oder durch andere, deren er sich als Gehilfen — Unter- oder Zwischenmäkler — bedient, in eine Beziehung zum andern Teile treten und auf diesen (bewußt und mit Absicht, RG 21. 12. 1921 V 304/21), sei es auch nur durch ein Angebot, in der Richtung auf einen Vertragsschluß einwirken (RG J W 1916, 738®; 1917, 538®; RG Gruchot 64, 724; RG L Z 1917, 1905). Nicht aber ist umgekehrt erforderlich, daß der Vermittler seinem Auftraggeber mit Rat und Tat zur Seite steht und ihm zum Abschluß des Vertrags rät. Es genügt, wenn er auf Grund des Auftrags mit dem anderen Teile verhandelt und diesen zum Vertragsschluß veranlaßt (RG Gruchot 61, 642). Die bloße Zuführung eines anderen, demnächst erfolgreich tätigen Mäklers genügt nicht zur Begründung des Anspruchs auf Mäklerlohn (HRR 1932 Nr. 115). War dem Mäkler die Vermittlung des Verkaufs von zwei Grundstücken aufgetragen, so ist der Lohn bezüglich des zweiten Grundstücks nicht schon dadurch verdient, daß der Auftraggeber dieses bei den Verhandlungen über den Verkauf des ersten Grundstücks an den vom Mäkler nur für dieses Grundstück nachgewiesenen Käufer verkauft (RG 4. 2. 1922 V 308/21). „Besorgen" eines Käufers s. OLG 34, 50 Anm. 1. Anm. 6 Dazu treten j e nach U m s t ä n d e n als weitere Verpflichtungen mit der Folge einer Schadensersatzpflicht und der Verwirkung des Mäklerlohns (RGSt. 41, 245; RG J W 1910, 284 16 ; SeuffArch. 56 Nr. 148) im Falle schuldhafter Verletzung: die treue und gewissenhafte, möglichst dem Interesse des Auftraggebers entsprechende Ausführung (RG 19. 4. 1900 V I 65/00; 7. 1. 1905 V 294/04), Bewahrung von Verschwiegenheit, Mitteilung über die wesentlichen Punkte des anzubahnenden Geschäfts (RG J W 1910, 284 15 ; RG SeuffArch. 56 Nr. 75), über die dem Mäkler bekanntgewordenen Vermögensverhältnisse der Gegenpartei (RG 7. 1. 1905 V 294/04; 28. 10. 1907 V I 7/07) und überhaupt über alle ihm bekannten U m s t ä n d e , deren Kenntnis geeignet ist, auf die Entschließung des Auftraggebers einzuwirken, insbesondere ihn von einem nachteiligen Geschäftsabschluß abzuhalten (RG Gruchot 45, 1 0 1 1 ) ; Unterlassen unwahrer Mitteilungen über Tatsachen und Umstände, die für den Entschluß des Auftraggebers erheblich sind oder sein können (OLG 40, 330). Daher hat der Mäkler keinen Anspruch auf den vereinbarten Mäklerlohn, wenn er auch nur fahrlässig auf einen Vertrag hingewirkt hat, von dem er sich bei einiger Überlegung sagen mußte, daß er den vom Auftraggeber erstrebten Interessen im wesentlichen nicht gerecht werde (RG L Z 1920, 660

Mäklervertrag

§652 Anm. 7

758'). Kein Anspruch des Mäklers auf Mäklerlohn besteht ferner z. B., wenn er unter Verletzung der ihm obliegenden Treupflicht seinem Auftraggeber beim Ankauf eines Hauses von dessen Schwammverdächtigkeit, die dem Mäkler bekannt war, keine Mitteilung gemacht hat (RG J W 1910, 284 15 ). Daß er bereits ein bindendes Vertragsangebot habe, braucht der Mäkler seinem Auftraggeber nicht mitzuteilen (RG J W 1930, 13004). Uber die Pflichten eines Hypothekenvermittlers gegenüber dem Darlehensgeber in bezug auf den Vollzug bewilligter Vorrangseinräumungen s. RG SeufFArch. 91 Nr. 128. Zur Treu- und Sorgfaltspflicht eines Grundstücksmäklers s. auch H R R 1935 Nr. 1303. Unter Umständen muß sich der Mäkler auch n a c h d e n V e r h ä l t n i s s e n e r k u n d i g e n , so z. B. nach der Zahlungsfähigkeit des andern Teiles (RG Recht 1911 Nr. 1924), über die Verhältnisse der von ihm als Kreditgeber bekannten Bank und die schnelle Verwertbarkeit der von dieser statt eines baren Darlehens gegebenen eigenen Pfandbriefe (RG H R R 1931 Nr. 106). Maßgebend sind aber immer die Umstände des einzelnen Falles. Daß der Mäkler grundsätzlich verpflichtet sei, sich nach den Vermögensverhältnissen zu erkundigen und nur einen zahlungsfähigen Vertragsgegner (z. B. Käufer) beizubringen, ist nicht anzuerkennen (RG Gruchot 43, 1166; 45, 1012). Bei a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g über die Zahlungsfähigkeit des Vertragsgegners ist der Mäkler nach Vertrag und wegen unerlaubter Handlung (§ 826) zum Schadensersatz verpflichtet (RG LZ 1915, 522 11 ). Hat sich der Mäkler erboten, einen guten ausländischen Verkäufer zu benennen, der für unverzügliche Lieferung und Möglichkeit der Ausfuhr nach Deutschland einstehe, so muß er bei Meidung der Schadensersatzpflicht sich darüber vergewissern, ob der benannte Verkäufer gut und die von ihm zu übernehmende Gewährleistung erfüllbar ist (RG 22. 1. 1919 V 320/18). Nebenpflicht der Ratserteilung s. OLG 1902, 219. Der Mäkler, der einen Mäklervertrag a b s c h l i e ß e n will, muß ferner seinem Auftraggeber a l l e U m s t ä n d e m i t t e i l e n , d i e d a s M ä k l e r v e r h ä l t n i s w e s e n t l i c h b e r ü h r e n , so auch den Umstand, daß nach dem ausgesprochenen Willen desjenigen, mit dem ein Vertrag vermittelt werden soll, ein solcher nur unter Ausschluß von Vermittlern abgeschlossen werden darf. Ein Verschweigen dieses Umstandes kann die Anfechtung des Mäklervertrags und den Verlust des Lohnanspruchs wegen Verletzung der Treupflicht begründen (RG LZ 1918, 686 1 ). Anfechtung einer Provisionsvereinbarung durch den Auftraggeber, weil der Mäkler dem Bevollmächtigten des Auftraggebers einen Teil der Provision abzugeben sich verpflichtet hatte, s. R G WarnRspr. 1927 Nr. 178. Schadensersatzpflicht und Verwirkung des Mäklerlohns bei pflichtwidrigem Entgegenwirken gegen das Zustandekommen eines Vertrags s. OLG 6, 87; 12 S. 85, 87. Verschulden seines U n t e r m ä k l e r s ist dem Mäkler nach dem Grundsatz des § 278 anzurechnen. Auch der N a c h w e i s m ä k l e r muß bis zum Abschluß des Vertrags dem Auftraggeber die Treue wahren; doch macht sein treuloses Verhalten den Lohnanspruch nicht hinfällig, wenn der Auftraggeber keinen Nachteil erleidet, vielmehr trotzdem seinen Zweck erreicht, z. B. als Verkäufer den Preis, unter dem er nicht verkaufen wollte (RG 26. 10. 1921 V 147/21). Anm. 7 2. Z u s t a n d e k o m m e n des v o m A u f t r a g g e b e r in A u s s i c h t g e n o m m e n e n Vert r a g s . a) Notwendig insbesondere die zu seiner Gültigkeit erforderlichen F o r m (RG 2 5> 3 1 95 29, 230; RG J W 1902 Beil. 228), oder Anerkenntnis der Rechtsgültigkeit des Vertrags durch beide Parteien. Ist ein Mäklerlohn von 1 % für Beschaffung einer Hypothek von 200000 D M versprochen und weist der Mäkler nur eine solche von 190000 D M nach, so kann er regelmäßig überhaupt keinen Lohn, auch keinen solchen von i g o o D M fordern. Doch kann im einzelnen Falle der Sinn des Lohnversprechens, nach Treu und Glauben (§ 157) beurteilt, auch ein anderer sein. Macht der Auftraggeber dem Mäkler Angaben über den zu erzielenden Verkaufserlös, so kann dies den Zweck haben, dem Mäkler eine Grundlage für die Verhandlungen mit dem Käufer zu geben; es kann aber auch bedeuten, daß der Mäklerlohn nur bei Erzielung eines bestimmten Erlöses verdient sein soll (RG LZ 1915, 115017). Der Anspruch des Mäklers wird nicht dadurch berührt, daß die Parteien selbst irrtümlich den Vertrag für nicht zustande gekommen ansehen oder sein Zustandekommen für so zweifelhaft halten, daß sie von seiner Ausführung absehen oder sich vergleichen (RG LZ 1914, 678'). Unerheblich ist es, wenn der abge-

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§ 652

Anm. 8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

schlossene Vertrag von dem gewünschten i n N e b e n p u n k t e n a b w e i c h t ; es kommt immer nur darauf an, ob durch den Abschluß im wesentlichen das erreicht ist, was nach der Absicht des Auftraggebers erreicht werden sollte. Der Mäklerlohn darf deshalb auch nicht schon aus dem Grunde versagt werden, weil der abgeschlossene Vertrag mit dem in Aussicht genommenen in der rechtlichen Fassung nicht übereinstimmt. E n t s c h e i d e n d ist v i e l m e h r i n d e r R e g e l d i e wirtschaftliche Bedeutung d e s a b g e s c h l o s s e n e n V e r t r a g s . Ist er auch in dieser Beziehung für den Auftraggeber minderwertig, legt er z. B. dem Auftraggeber wesentlich schwerere Pflichten auf, so entfällt der Anspruch des Mäklers auf den v e r s p r o c h e n e n Lohn (RG 115, 266; R G WarnRspr. 1925 Nr. 63). Die wirtschaftliche Wesensgleichheit des geplanten mit dem zum Abschluß gebrachten Geschäft wird regelmäßig nicht schon dadurch in Frage gestellt, daß der erzielte Kaufpreis niedriger ist, als der ursprünglich vom Auftraggeber geforderte, es müßte denn sein, daß die Minderung z. B. auf ein dem Auftraggeber nachteiliges Einsetzen fremden Wettbewerbes zurückzuführen ist, der nach dem Sinn des Mäklervertrags gerade hatte verhindert werden sollen (RG J W 1937, 2916 24 ). Wenn der Mäkler nicht das nach dem ursprünglichen Auftrag zu vermittelnde Geschäft, aber ein anderes zustande bringt, kann unter Umständen eine neue, stillschweigende Vereinbarung vorliegen u n d die Höhe des Lohnes nach § 653 zu bestimmen sein (RG W a r n Rspr. 1918 Nr. 32). Eine solche stillschweigende Vereinbarung kann aber in der Regel nicht angenommen werden, wenn nach Abbruch der vom Mäkler eingeleiteten Verhandlungen ohne seine Mitwirkung und unter wesentlich anderen und schwierigeren Verhältnissen ein für den Auftraggeber erheblich ungünstigeres Geschäft, als ursprünglich geplant, zustande kommt (RG J W 1937, 2914 24 ). Ein wirtschaftlich anderes Geschäft kann z. B. auch vorliegen, wenn der Verkäufer zur Deckung des Kaufpreises an Stelle der bei Erteilung des Mäklerauftrags vorausgesetzten Kundenwechsel nur eigene Wechsel des Käufers erhält (RG 115, 266). Ist das ursprünglich in Aussicht genommene Geschäft abgeschlossen worden, aber u n t e r w e s e n t l i c h a n d e r n B e d i n g u n g e n , als beim Mäklervertrag vorgesehen war, so kann der Mäkler den vereinbarten oder einen angemessenen Lohn nur d a n n verlangen, wenn es in der Absicht der Beteiligten lag, den Mäklervertrag auch auf diesen Fall auszudehnen; dies ist als stillschweigend vereinbart anzusehen, wenn der Auftraggeber sich die weitere Tätigkeit des Mäklers im Bewußtsein der von diesem erwarteten Entlohnung gefallen läßt und durch Abschluß des veränderten Vertrags billigt (RG 14.2.1920 V 393/19). Ist der Mäklerlohn versprochen, falls infolge des Nachweises des Mäklers der Verkauf eines Grundstücks zustande kommt, so ist der Lohn noch nicht damit verdient, d a ß der Kaufliebhaber sich zur Zahlung einer entsprechend hohen Vertragsstrafe für den Fall der Ablehnung des gemachten V e r k a u f s a n t r a g s verpflichtete, der Nießbrauch an ihn übertragen und eine Vormerkung zur Erhaltung seines Rechtes auf Auflassung eingetragen wurde (RG J W 1911, 939 3 ). Dagegen ist, wenn es sich um die Vermittlung eines Grundstücksverkaufs handelt, die Auflassung nicht erforderlich, vielmehr wird die Vergütung bereits mit dem Abschluß des schuldrechtlichen Vertrags fällig (RG J W 1906, 134 6 ). Ob, wenn der Mäkler schlechthin mit dem „ V e r k a u f " eines Grundstücks beauftragt ist, der Mäklerlohn unter allen Umständen erst mit der Vermittlung des Kaufabschlusses verdient wird, ist nach den Umständen des Falles zu beurteilen (RG Gruchot 59, 120). Zur Auslegung eines Mäklervertrags, wonach der Mäklerlohn am Tage der Auflassung zu entrichten ist, s. L Z 1922, 417 1 . Die Nichtausführung des vermittelten Geschäfts läßt den Anspruch des Mäklers regelmäßig unberührt (LZ 1919, 1030®). S. jedoch unten.

Anm. 8 Beim Darlehnsgeschäft ist der Mäklerlohn regelmäßig erst dann verdient, wenn der Darlehnsvertrag durch Auszahlung des Darlehns zustande gekommen ist (vgl. Vorbem. 2 vor §607; R G 39, 231), nicht schon mit dem Zustandekommen eines Darlehnsvorvertrags (RG 3. 6. 1908 III 584/07). Davon kann indessen durch Vereinbarung abgewichen werden (RG WarnRspr. 1919 Nr. 115). Dabei ist auf die Verkehrssitte (§§ I57> 2 4 2 ) u n d unter Kaufleuten auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten u n d Gebräuche (§ 346 HGB) Rücksicht zu nehmen. Über den Handelsgebrauch des Berliner Grundstücks- und Hypothekenverkehrs, wonach die Provision für eine Hypo-

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Mäklervertrag

§652 Anm. 9

thekenvermittlung schon dann als verdient gilt, wenn ein rechtsverbindlicher Darlehnsvorvertrag in dem Sinne geschlossen ist, daß der Geldgeber zur Hingabe, der Geldnehmer zur Annahme verpflichtet ist, s. R G J W 1912, 240 8 ; ebenso für den Bremer Hypothekenverkehr H R R 1930 Nr. 775. Der Lohnanspruch ist namentlich auch in solchen Fällen als schon vor der Auszahlung desDarlehns begründet anzusehen, in denen es dem Auftraggeber weniger auf die sofortige Erlangung des Darlehnsbetrags als darauf ankommt, die bindende Verpflichtung eines sicheren Darlehnsgebers zu erlangen, wie z. B. beim Baugelddarlehn, das in Teilbeträgen je nach dem Fortschreiten des Baues zu zahlen ist (Vorbem. 3 vor § 607), oder wo, wie bei der Darlehnszusage einer wirtschaftlich leistungsfähigen Bank, die Begründung der Zahlungsverpflichtung für den Auftraggeber der Auszahlung gleichzubewerten ist (RG WarnRspr. 1931 Nr. 142). Mäklerlohn bei Verlängerung eines Darlehns s. L Z 1919, 1664. — Es handelt sich bei dem Zustandekommen des Vertrags nicht um eine wirkliche Bedingung; vielmehr ist k r a f t G e s e t z e s der Lohnanspruch von dem Eintritt einer bestimmten Tatsache, nämlich von d e m Z u s t a n d e k o m m e n des G e s c h ä f t s a b h ä n g i g (RG J W 1 9 1 1 , 758 15 ). Der Lohnanspruch gehört aber zur Konkursmasse des Mäklers auch dann, wenn das vermittelte Geschäft erst nach der Eröffnung des Konkurses und nur der Mäklervertrag vorher abgeschlossen worden ist (SeuffArch. 73 Nr. 149). Anm. 9 c) Nachträgliche Ungültigkeit. Ein Mäkleranspruch entsteht nicht, wenn der Vertragsabschluß an den später vom Auftraggeber gestellten Anforderungen s c h e i t e r t (RG 2 1 . 3 . 1902 I I I 464/01); ebenso wenn eine Vermittlungstätigkeit des Mäklers durch das Verhalten des Auftraggebers (z. B. Nichtzahlung von Vorschüssen) unmöglich wird (OLG 34, 50); ferner bei N i c h t i g k e i t des vermittelten Geschäfts oder im Falle seiner A n f e c h t b a r k e i t bei erfolgreicher Anfechtung (RG 76, 354; R G L Z 1920, 758*; R G SeuffArch. 78 Nr. 75); oder wenn die erforderliche behördliche Genehmigung zu dem vermittelten Grundstückskaufvertrag fehlt (RG J W 1926, 26206; 1927, Ö576), oder die Ausfuhrgenehmigung verweigert wird (JW 19, 325). Fehlen der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts s. OLG 4, 240. Doch ist eine abweichende Vereinbarung zulässig. Wird z. B. dem Mäkler für die Vermittlung eines Grundstücksverkaufs eine Provision mit der Abrede versprochen, daß diese schon am Tage der notariellen Verlautbarung fällig und zahlbar sein solle, so ist die Provision auch dann verdient, wenn der Verkauf wegen Versagung der behördlichen Genehmigung scheitert (RG J W 1933, 2203 1 ; R G WarnRspr. 1927 Nr. 177). Der auf Zahlung des Mäklerlohns Belangte kann sich auch darauf berufen, daß der vermittelte Vertrag durch eine arglistige Täuschung zustande gekommen und deshalb mit Erfolg angefochten ist. Der Einwand der allgemeinen Arglist steht hier dem Mäkler nicht zu. Die das Zustandekommen des Vertrags bezweckende und erreichende Täuschung zielte nicht auf Vereitelung des Mäklerlohns. Ohne die Arglist des auf Mäklerlohn belangten Vertragschließenden wäre der durch sie bewirkte Vertrag überhaupt nicht vorhanden und daher ein Mäkleranspruch noch gar nicht erwachsen. Die Arglist hat weder die Entstehung des Mäklerlohns verhindert noch einen schon entstandenen Lohnanspruch beseitigt (RG 76, 354). Ebenso ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Mäkler seinen Auftraggeber über die Person der Gegenpartei im unklaren gelassen und dadurch die außerdem vermeidbare Zuziehung des Mäklers veranlaßt hat (RG 15. 1. 1907 I I I 375/06). Die A u s ü b u n g eines V o r k a u f s r e c h t s läßt den Lohnanspruch des vom V e r k ä u f e r beauftragten Mäklers regelmäßig unberührt, da nur ein Wechsel in der Person des Käufers eintritt, der wirtschaftliche Erfolg für den Verkäufer aber bleibt; der vom K ä u f e r versprochene Mäklerlohn dagegen wird in der Regel entfallen, da der Kaufvertrag sich hier als ein wirtschaftlicher Mißerfolg der Mäklertätigkeit erweist (RG D J 157, 243). Nachträglicher R ü c k tritt vom vermittelten Vertrag läßt den Lohnanspruch des Mäklers auch dann unberührt, wenn der Rücktritt durch die Vertragsuntreue des Vertragsgegners begründet ist (RG 6. 3. 1922 V I 662/21). Zum Anspruch des Mäklers auf die vereinbarte „laufende" Provision für die Vermittlung einer Gruppenversicherung nach A u f h e b u n g des V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g s durch die Parteien s. RG H R R 1935 Nr. 1302. 43

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Denecke)

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§ 652 A n m . 10, 11

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 10 3. V o r a u s s e t z u n g f ü r d i e E n t s t e h u n g d e s A n s p r u c h s a u f d e n M ä k l e r l o h n ist r e g e l m ä ß i g n u r d a s Z u s t a n d e k o m m e n d e s G e s c h ä f t s , n i c h t s e i n e A u s f ü h r u n g . W i r d d e r M ä k l e r l o h n ausdrücklich oder stillschweigend v o n d e r A u s f ü h r u n g a b h ä n g i g g e m a c h t (Anm. 4), so ist der Auftraggeber gegenüber dem Mäkler n i c h t v e r p f l i c h t e t , diese Ausführung herbeizuführen. Er hat bezüglich ihrer ebenso freie Hand wie vorher bezüglich des Abschlusses, und der Anspruch des Mäklers ist unbegründet, wenn aus irgendeinem Grunde, sei es auch durch ein g e g e n ü b e r d e m G e s c h ä f t s g e g n e r schuldhaftes Verhalten des Auftraggebers, das Geschäft nicht ausgeführt wird. Nur darf dieser (vgl. § 162) die Ausführung nicht in einer wider Treu und Glauben verstoßenden Weise, insbesondere nicht in der Absicht, dem Mäkler den Lohnanspruch zu entziehen, unterlassen oder vereiteln. Die Vorschrift des § 88 Abs. 2 H G B ist auf den Mäklervertrag nicht entsprechend anzuwenden (RG g5, 134; B G H 2, 281), auch dann nicht, wenn der Mäkler, ohne ständig damit betraut zu sein, mehrfach für den nämlichen Auftraggeber tätig gewesen ist (RG J W 1922, 487®). Doch ist eine Vertragsauslegung dahin nicht ausgeschlossen, daß der Mäklerlohn auch bei Nichtausführung des Geschäfts verdient sein solle, falls die Nichtausführung auf einem durch die Umstände nicht gerechtfertigten Verhalten des Auftraggebers beruht (RG LZ 1921, 61 7 ). Ist der Anspruch auf den Mäklerlohn für die Vermittlung eines Kaufvertrags von der B e z a h l u n g d e s K a u f p r e i s e s abhängig gemacht worden, so braucht der Auftraggeber nicht einen Rechtsstreit mit dem zahlungssäumigen Käufer zu führen, nur damit der Mäkler seinen Lohn erhält (OLG 34, 51). Die Vertragsbestimmung, wonach über den Mäklerlohn „pro rata nach Eingang der Fakturenbeträge" abgerechnet werden soll, kann auch als Festsetzung eines Fälligkeitstermins (nicht etwa nur als Bedingung) gemeint sein (RG 24.1.1919 V I I 336/18). Bemessung des vom Eingang der Kaufpreisraten abhängigen Mäklerlohns, wenn der Verkäufer und Auftraggeber vom Käufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt und sich aus vom Käufer gestellten Sicherheiten wegen seines Anspruches befriedigt, s. R G H R R 1936 Nr. 394. Ist Zahlung des Lohnes bei Zahlung des Kaufpreises nur im Sinne einer Bestimmung über die Fälligkeit vereinbart worden, dann verliert der Mäkler seinen Anspruch nicht dadurch, daß es zur Zahlung des Kaufpreises infolge Aufhebung des Kaufvertrags nicht kommt (RG 24. 10. 1924 V I I 917/23). A n m . 11 4. U r s ä c h l i c h e r Z u s a m m e n h a n g . H e r b e i f ü h r u n g d e s G e s c h ä f t s b e s c h l u s s e s d u r c h d i e n a c h w e i s e n d e o d e r v e r m i t t e l n d e T ä t i g k e i t des M ä k l e r s . Doch braucht, wenn es sich um den N a c h w e i s der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags handelt, der vom Mäkler gelieferte Nachweis weder die alleinige noch die hauptsächliche Ursache des späteren Abschlusses gewesen zu sein; genug, wenn er dazu ü b e r h a u p t mitgewirkt hat (RG J W 1937, 222 4 ; RG SeuffArch. 72 Nr. 74). Bei Kompensationsgeschäften zwischen einem deutschen Exporteur und einem deutschen Importeur wird der ursächliche Zusammenhang nicht dadurch unterbrochen, daß es zu einem Kompensationsgeschäft erst kommt, nachdem der Auftraggeber des Nachweismäklers von anderer Seite auf den für das Geschäft in Frage kommenden Exporteur erneut hingewiesen worden ist (DJ 1938, 1159). Auch genügt bei der V e r m i t t l u n g eines Geschäfts die Tätigkeit des Mäklers als mitwirkende Ursache, selbst wenn er zu den weiteren Verhandlungen nicht zugezogen worden ist, und beim Geschäftsabschluß nicht er, sondern ein anderer Mäkler mitgewirkt hat, sofern nur dieser Geschäftsabschluß a u f d e r v o m e r s t g e n a n n t e n M ä k l e r g e s c h a f f e n e n G r u n d l a g e zustande gekommen ist (RG LZ 1915, 976 23 ; RG H R R 1930 Nr. 606; D R 42, 973). Daß dabei ein geringerer als der zunächst geforderte Preis erzielt wurde, rechtfertigt noch nicht die Annahme, daß der Vertrag auf einer anderen Grundlage geschlossen wurde (RG WarnRspr. 1937 Nr. 73; s. aber auch RG J W 1937, 291624). Der Anspruch auf den Mäklerlohn entfällt jedoch, wenn der Mäkler von einer Fortsetzung seiner Tätigkeit, die den Abschluß eines Vertrags herbeizuführen geeignet ist, seinerseits absieht und dadurch den Auftraggeber nötigt, einen anderen Mäkler beizuziehen (RG J W 1913, 685 3 ). Ebenso, wenn es überhaupt erst durch die Bemühungen eines andern Mäklers oder der Vertragsteile selbst

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Mäklervertrag

§652

Anm. 12 zum Abschluß gekommen ist (SeuffArch. 74 Nr. 1 3 3 ; D J 1938, 343). Steht fest, daß der Mäkler die Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags n a c h g e w i e s e n hat und daß nachher der Vertrag zustande gekommen ist, so ergibt sich der Schluß auf den ursächlichen Zusammenhang von selbst, und es ist Sache des Auftraggebers besondere Umstände darzutun, die diesen Zusammenhang ausschließen ( R G J W 1937, 232 4 ; R G SeuffArch. 88 Nr. 1 3 8 ; R G Gruchot 59, 124). Dasselbe gilt auch für den Fall der V e r m i t t l u n g eines Vertrags ( R G H R R 1937 Nr. 798). Der Anspruch des Mäklers kann auch dann begründet sein, wenn die Verhandlungen l ä n g e r e Z e i t u n t e r b r o c h e n , vielleicht auch schon als endgültig gescheitert angesehen worden waren und dann ohne seine Mitwirkung oder unter Mitwirkung eines anderen Mäklers zum Abschluß eines Vertrags führten, vorausgesetzt, daß es sich nur um Fortsetzung der früheren, nicht um völlig neue Verhandlungen handelt ( R G WarnRspr. 1937 Nr. 73). Ferner kann das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs wegbedungen werden. Doch bedarf dies einer deutlichen Erklärung; im Zweifel ist ein Vertrag mit dem Regelinhalt des § 6 5 2 anzunehmen ( R G WarnRspr. 1 9 1 4 , Nr. 1 1 8 ) . Anderseits genügt das bloße Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem Vertragsschluß nicht, sondern der Mäkler muß sich, dem Geschäftsherrn erkennbar (s. unten 13), bemüht haben, d e n V e r t r a g zustande zu bringen ( R G J W

1911, 939s).

Anm. 12 5. Abschluß des Vertrages durch Auftraggeber selbst. Der Anspruch auf

M ä k l e r l o h n bleibt bestehen, wenn der A u f t r a g g e b e r arglistig, um dem M ä k l e r d i e i h m z u k o m m e n d e Provision zu e n t z i e h e n , u n t e r U m g e h u n g und H i n t a n s e t z u n g des M ä k l e r s den v o n ihm v e r m i t t e l t e n V e r t r a g mit dem D r i t t e n s e l b s t a b g e s c h l o s s e n h a t ; ebenso wenn der Auftraggeber arglistig bewirkt, daß der zu vermittelnde Vertrag erst nach Ablauf der Frist abgeschlossen wird, auf die der Vermittlungsauftrag beschränkt ist ( R G Gruchot 64, 724). Der Auftraggeber haftet ferner nach § 826 auf Schadensersatz, wenn er durch unwahre Angaben den Mäkler von Vermittlungsversuchen zurückhält, u m unter Ausschaltung seiner Person Geschäfte abschließen zu können ( R G 29. 1 1 . 1 9 1 8 I I I 254/18). Auch steht dem Mäkler ein Schadensersatzanspruch (nach § 826) gegen den K ä u f e r zu, der behufs Ermäßigung des Kaufpreises den Verkäufer veranlaßt hat, unter Umgehung des von diesem zugezogenen Verkaufsmäklers den Kaufvertrag abzuschließen ( R G WarnRspr. 1909 Nr. 142). Die Aufhebung des Mäklervertrags entbindet den Auftraggeber nicht von der Entrichtung des Mäklerlohnes, wenn er sich den von dem Mäkler bereits gelieferten Nachweis nachträglich zunutze macht und so dessen Vertragsleistung verwertet; es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wollte sich der Auftraggeber unter diesen Umständen der Zahlung des Mäklerlohnes entziehen ( R G J W 1937, 1489 8 ). Anwendung auf das Verhältnis zwischen Hauptmäkler und Untermäkler s. R G 148, 354 und Vorbem. I. Von einer arglistigen Ausschaltung kann aber immer nur dann gesprochen werden, wenn der Mäkler eine Tätigkeit bereits ausgeübt hat, und der Auftraggeber, ihn selbst umgehend, seine Vermittlertätigkeit sich zunutze macht. Hat sich jedoch der Auftraggeber verpflichtet, nicht selbst, sondern nur durch den Mäkler abzuschließen (vgl. Anm. 1), so muß er sich in jedem Falle des Mäklers bedienen und ist bei Zuwiderhandlung nicht wegen arglistiger Ausschaltung des Mäklers, sondern wegen Verletzung einer Vertragspflicht schadensersatzpflichtig ( R G 4. 2. 1922 V 308/21). Ein a l l g e m e i n e r Grundsatz des Inhalts, daß ein den Vereinbarungen mit dem Mäkler zuwiderlaufender Vertragsabschluß ohne dessen Vermittlung o h n e w e i t e r e s u n d a u f a l l e F ä l l e den Provisionsanspruch des Mäklers begründe, läßt sich jedoch n i c h t aufstellen. Möglich ist, daß der Auftraggeber, der dem Widerrufsrechte für bestimmte Frist entsagt, zugleich sich für den Fall des vertragswidrigen Geschäftsabschlusses ohne Vermittlung des M ä k lers schlechthin zur Zahlung des Mäklerlohns verpflichten will, sei es als vertragsmäßige Gegenleistung für dessen Bereitschaft zur Tätigkeit und etwaige bereits entfaltete Tätigkeit, sei es in Form einer Vertragsstrafe (vgl. Anm. 1). Aber ein solcher Vertragswille ist im Einzelfalle nach den jeweiligen Umständen darzutun. In der Regel hat der Bruch der Vereinbarung nur zur Folge, daß der Auftraggeber dem Mäkler schadenersatzpflichtig 43

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Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 13, 14 wird und den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der Auftraggeber seinen Vertrag gehalten hätte. Kann der Mäkler dann nachweisen, daß er durch seine Vermittlung den Abschluß eines Geschäfts der ihm aufgetragenen Art herbeigeführt hätte, so ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung des Mäklerlohns abzüglich etwaiger Unkosten. Die Annahme, daß in einem solchen Falle die B e w e i s l a s t sich umkehre, ist nicht gerechtfertigt. Der Mäkler genügt seiner Beweislast, wenn er nachweist, daß er innerhalb der ihm gestellten Frist einen zum Ankauf unter sachgemäßen Bedingungen bereiten und fähigen Vertragschließenden gestellt haben würde. Sache des Gegenbeweises für den Auftraggeber würde es sein, daß er gleichwohl mit dieser Person b e i v e r s t ä n d i g e r W ü r d i g u n g d e r S a c h l a g e (seine Laune ist nicht maßgebend) nicht abgeschlossen haben würde (RG 76, 361 ; R G J W 1 9 1 1 S. 757 14 , 758 15 ). K e i n Anspruch dagegen auf Mäklerlohn, wenn die vom Mäkler nachgewiesene Gelegenheit zum Vertragsabschluß dem Auftraggeber schon b e k a n n t war (RG 21. 2. 1907 III 341/06), oder wenn der Vertragsabschluß durch einen anderen als den ursprünglich zugezogenen Mäkler a u f v e r ä n d e r t e r G r u n d l a g e vermittelt wurde (RG 3. 7. 1906 III 555/05; 20. 3. 1908 III 434/07). — Zur Frage, ob ein Mäkler auf Grund eines von ihm vermittelten Vertrags Provision für spätere aus dieser Geschäftsverbindung hervorgegangene Abschlüsse verlangen kann (RG WarnRspr. 1937 Nr. 74).

Anm. 13 III. K e n n t n i s des A u f t r a g g e b e r s b e i m A b s c h l u ß des V e r t r a g s m i t d e m D r i t t e n v o n d e r d a z u m i t w i r k e n d e n T ä t i g k e i t des M ä k l e r s , um danach bei Bestimmung des Kaufpreises usw. den dem Mäkler zu zahlenden Lohn berücksichtigen zu können (RG 3 1 , 291; R G J W 1937, 222 4 ; SeufFArch. 79 Nr. 183). Der Auftraggeber braucht sich aber der Ursächlichkeit der Tätigkeit des Mäklers für den Abschluß nicht bewußt gewesen zu sein. Es g e n ü g t , w e n n d i e U r s ä c h l i c h k e i t g e g e b e n ist und der A u f t r a g g e b e r weiß, daß der M ä k l e r f ü r den A b s c h l u ß tätig w a r (RG 83, 32; vgl. SeuffArch. 78 Nr. 20). Hat der mit Verkaufsverhandlungen Beauftragte einen Mäkler zugezogen, so liegt darin, daß der Auftraggeber mit dem durch den Mäkler dem Beauftragten zugeführten Käufer in Kenntnis der Tätigkeit des Mäklers den Verkauf abschließt, eine Genehmigung des Mäklervertrages, auch wenn der Verkäufer vor dem Abschluß erklärt, daß er mit der Zuziehung des Mäklers nicht einverstanden sei und keinen Mäklerlohn bezahle (RG H R R 1928 Nr. 419). Bedient sich der Mäkler zur Vermittlung eines U n t e r m ä k l e r s (Vorbem. 1 vor § 652), so muß der Auftraggeber auch wissen, daß der Untermäkler für den Mäkler tätig war. Ausnahmsweise ist eine Kenntnis der Vermittlertätigkeit dann nicht zu verlangen, wenn feststeht, daß der Auftraggeber auch bei ihrer Kenntnis nicht anders abgeschlossen haben würde (RG 68, 202).

Anm. 14 I V . B e d e u t u n g v o n B e d i n g u n g e n . Erst mit der E r f ü l l u n g der a u f s c h i e b e n d e n B e d i n g u n g tritt nach § 158 die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung des Rechtsgeschäfts ein. Daher (unbeschadet abweichender Vereinbarung, Anm. 5) kein Anspruch auf den Mäklerlohn bei Abschluß eines aufschiebend bedingten Rechtsgeschäfts und Ausfall der Bedingung ( R G WarnRspr. 191g Nr. 205; SeuffArch. 72 Nr. 73), es müßte denn sein, daß der Auftraggeber den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindert hat ( R G WarnRspr. 1919 Nr. 205; 1929 Nr. 60). Es bedarf aber im Einzelfall der Prüfung, ob das, was Bedingung zu sein scheint, nicht in Wahrheit nur die Auferlegung einer Vertragspflicht bedeutet ( R G SeuffArch. 87 Nr. 173). Ebenso ist der Fall zu behandeln, daß die Veräußerung eines Grundstücks behördlicher Genehmigung bedarf, diese Genehmigung aber versagt wird; der Auftraggeber ist dem Mäkler gegenüber nicht verpflichtet, auf die Genehmigung hinzuwirken ( R G J W 1927, 657 5 ). Anders dagegen beim Abschluß des Vertrags unter einer a u f l ö s e n d e n B e d i n g u n g . Zunächst steht in diesem Fall so viel außer Zweifel, daß der Mäklerlohn mit dem Abschluß des unter einer auflösenden Bedingung eingegangenen Vertrags verdient und seine Fälligkeit nicht bis zu dem möglicherweise in weiter Ferne liegenden Zeitpunkt hinausgeschoben bleibt, wo der Nichteintritt der auflösenden

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Mäklervertrag

§ 652 A n m . 15 § 653 A n m . 1

Bedingung feststeht. So auch M 2, 513. Aber auch die fernere, sehr bestrittene Frage, ob nach dem Eintritt der Bedingung u n d des damit zusammenhängenden früheren Rechtszustandes der Mäklerlohn dem Mäkler verbleibt, wird zu bejahen sein; denn der unter der auflösenden Bedingung abgeschlossene Vertrag ist zunächst wirksam zustande gekommen und damit der Lohn verdient, hiermit aber der M ä k l e r v e r t r a g erledigt. Das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Mäkler auch n a c h diesem Zeitpunkt noch in der Schwebe zu lassen und dem Mäkler möglicherweise nach langer Zeit zur Rückzahlung des von ihm verdienten Lohnes zu verpflichten, entspricht weder der Rechtslage noch der vorauszusetzenden Absicht der Parteien. Die Sache steht vielmehr im E r g e b n i s s e dem Falle gleich, wo der wirksam zustande gekommene Vertrag nachträglich durch V e r e i n b a r u n g der Parteien oder durch Ausübung des einer von ihnen zustehenden Rücktrittsrechts r ü c k g ä n g i g g e m a c h t w o r d e n i s t , in welchem Falle der Lohnanspruch unbestritten bestehenbleibt (RG WarnRspr. 1919 Nr. 31; R G L Z 1915, 504 1 ). Diese Auffassung, die übrigens nur im Zweifel anzuwenden ist und eine abweichende Auslegung des Lohnversprechens nach den tatsächlichen Umständen des einzelnen Falles nicht ausschließt, steht auch im Einklang mit dem Wortlaute des Gesetzes, insofern dieses durch die Erwähnung der bei der a u f s c h i e b e n d e n Bedingung eintretenden Hinausschiebung der Wirksamkeit des Lohn Versprechens und durch die Nichterwähnung der a u f l ö s e n d e n Bedingung zum Ausdruck bringt, d a ß bei der letzteren das Lohnversprechen alsbald mit dem Abschluß des Geschäfts voll u n d endgültig wirksam werden solle. Vgl. L Z 1916, 628®; LZ 1918, 461 9 ; H R R 1930 Nr. 774. A n m . 15 V . Vertragsvereinbarungen über Mäklerlohn. Durch ausdrückliche oder auch stillschweigende Vereinbarung der Parteien können die Bestimmungen des § 652, namentlich auch zugunsten des Mäklers, abgeändert werden (RG J W 1911, 94 16 ). So kann ihm ein Lohn auch für den Fall versprochen werden, d a ß der zu vermittelnde Vertrag auf anderweite Vermittlung geschlossen wird ( H R R 40, 738) oder nicht zustande kommt (RG J W 1911, 94 16 ; L Z 1922, 595 2 ), oder nur unter einer Bedingung, oder d a ß die aufschiebende Bedingung, unter der er abgeschlossen wird, ausfällt (RG WarnRspr. 1919 Nr. 205; R G J W 1927, 657 5 ). Lohnanspruch bei Vermittlung eines Kaufvertrags unter dem nicht erfüllten Vorbehalt „glücklicher Ankunft". Auch das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs (Anm. 11) kann wegbedungen, dem Nachweismäkler z. B. der Lohn schon für die Nennung einer zum Vertragsschluß geeigneten Person versprochen werden (RG WarnRspr. 1926 Nr. 137; vgl. auch R G WarnRspr. 1914 Nr. 118; LZ 1926, 390). Umgekehrt ist es zulässig, d a ß sein Anspruch von anderen als den gesetzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird, wie z. B. von der A u s f ü h r u n g des zu vermittelnden Vertrags, insbesondere auch vom Eingang der bedungenen Gegenleistung (RG 115, 266; R G L Z 1915, 504 4 ; 1920, 40 8 ; 1921, 61 7 ; R G SeufFArch. 78 Nr. 74; und oben Anm. 14).

§ 653 Ein Mäklerlohn gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die dem Mäkler übertragene Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer T a x e der taxmäßige Lohn, in Ermangelung einer Taxe der übliche Lohn als vereinbart anzusehen. E H 588 III 643; M l 514; P 2 345.

Anm. 1 D a ß ein Mäklerlohn gewährt werden soll, kann ausdrücklich vereinbart sein. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, so ist nach Abs. 1 zu prüfen, ob ein Lohn als stillschweigend vereinbart zu gelten hat. Tst die Gewährung eines Lohnes ausdrücklich

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§ 653 Anm. 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

oder stillschweigend vereinbart, aber seine Höhe nicht bestimmt, dann — aber auch nur dann — ist Abs. 2 anzuwenden. § 653 findet k e i n e Anwendung, wenn ein Mäklerlohn ausdrücklich und in bestimmter Höhe versprochen worden ist. Der Mäkler kann daher, wenn ihm ein der Höhe nach bestimmter Lohn unter einer Bedingung veisprochen worden ist und die Bedingung nicht eintritt, grundsätzlich weder den bestimmten Lohn noch eine angemessene Vergütung verlangen (RG g5, 137). Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß für den Fall, daß der Mäkler nicht das nach dem ursprünglichen Auftrag zu vermittelnde Geschäft, aber ein anderes zum Abschluß bringt, eine neue stillschweigende Vereinbarung zustande kommt und dann die Höhe der Vergütung nach §653 zu bestimmen ist (RG WarnRspr. 1918 Nr. 32; RG Grucliot 71, 533). Hat der mit der Vermittlung eines Vertrags beauftragte Mäkler nur die Gelegenheit zum Abschluß eines solchen nachgewiesen, so kann er weder den versprochenen Lohn noch eine Vergütung für den Nachweis nach § 653 beanspruchen. Keine Anwendung des § 653, wenn ein Mäklervertrag mangels Beobachtung der für die Übernahme von Verpflichtungen durch Gemeinden erforderlichen Formen (vgl. § 125) nicht rechtswirksam zustande gekommen ist; eine Haftung aus anderen Gründen, wie ungerechtfertigte Bereicherung, H G B § 354, ist damit nicht ausgeschlossen (RG 122, 229). Ebenso ist §653 nicht anzuwenden, ein Lohnanspruch vielmehr überhaupt nicht begründet, wenn der Mäklervertrag z. B. wegen übermäßiger Höhe des vereinbarten Lohnes (Vorbem. 3 vor § 652) nichtig ist (RG WarnRspr. 1920 Nr. 9). Ist ein Mäklervertrag wegen arglistiger, durch den Mäkler verübte Täuschung mit Erfolg angefochten, so kann der Mäkler einen Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit nicht aus §953 oderausHGB §354ableiten (RGg. 1 0 . 1 9 1 7 I I I 1 4 1 / 1 7 ) . Lohnversprechen zugunsten des Mäklers (§ 328) im Veräußerungsvertrag s. R G L Z 1914, 941 7 . — B e w e i s l a s t : Behauptet der beklagte Auftraggeber, es sei beim Abschluß des Mäklervertrags Unentgeltlichkeit der Vermittlung vereinbart worden, so liegt darin ein Leugnen des Klagegrundes, und der klagende Mäkler muß beweisen, daß Unentgeltlichkeit nicht vereinbart worden ist. Dagegen trifft die Beweislast den Auftraggeber, wenn er eine besondere vom Mäklervertrag unabhängige Vereinbarung der Unentgeltlichkeit behauptet (RG WarnRspr. 1914 Nr. 14). Ist streitig, ob der Mäklerlohn unbedingt oder nur bedingt, z. B. nur für den Fall der Ausführung des Vertrags und der Bezahlung des Kaufpreises versprochen ist, so muß der Mäkler die Unbedingtheit des Versprechens beweisen (RG L Z 1918, 4998). — Der Mäklerlohn braucht nicht in Geld bestimmt zu sein. Er kann bei Vermittlung eines Kaufvertrags auch in einem zugunsten des Auftraggebers zu erzielenden Uberpreis bestehen (RG WarnRspr. 1919 Nr. 31). Uber den Fall, daß eine Ware dem Mäkler mit der Klausel „rein netto" an die Hand gegeben wird, s. SeufFArch. 73 Nr. 203 und L Z 1919, 657®. Ist der Mäklerlohn, wie gewöhnlich, in Hundertteilen des Kaufpreises vereinbart, so hat der Mäkler den so berechneten Lohn auch aus einer Erhöhung des Kaufpreises zu beanspruchen, es müßte denn sein, daß die Erhöhung nur als Ersatz von Mehrauslagen bewilligt ist (RG 94, 237). Anderseits kann der Mäkler mangels besonderer Vereinbarung auch nur die vereinbarten Hundertteile verlangen, nicht etwa den ganzen Mehrbetrag, den er über den ihm aufgegebenen Preis zugunsten seines Auftraggebers erzielt hat (RG SeufFArch. 74 Nr. 172). Vermittlung eines Verkaufs gegen Überlassung des einen gewissen Betrag übersteigenden Mehrerlöses s. R G J W 1930, 1300 4 . Wird im einzelnen Falle die Höhe des Mäklerlohns (z. B. infolge Veränderung des Wertes des deutschen Geldes) durch Verzug des Vertragsgegners des Auftraggebers ungünstig beeinflußt, so ist letzterer dem Mäkler gegenüber verpflichtet, seine Schadensersatzansprüche gegen den Vertragsgegner, nötigenfalls durch Klage, zu verfolgen. Weigert sich der Auftraggeber, dies zu tun, so muß er sich dem Mäkler gegenüber so behandeln lassen, als hätte er es mit Erfolg getan (RG L Z 1918, 68g 3 ). — Anspruch des Mäklers auf Rechnungslegung oder Auskunft vgl. R G 53, 252; R G J W i93°> 376929Anm. 2 Stillschweigende Vereinbarung. Vgl. §§ 612, 632. So regelmäßig bei g e w e r b s m ä ß i g e m B e t r i e b e des M ä k l e r g e s c h ä f t s , vorausgesetzt, daß im einzelnens Falle die Leistung dem Mäkler (rechtsverbindlich) ü b e r t r a g e n , dieser nicht etwa 668

Mäklervertrag

§ 653 A n m . 3, 4 §654

u n a u f g e f o r d e r t tätig geworden ist. Freilich wird einem gewerbsmäßigen Mäkler der Auftrag zur Vermittlung eines Vertrags nicht selten stillschweigend erteilt, insbesondere dadurch, daß der Geschäftsherr sich die Dienste des Mäklers gefallen läßt. Dies setzt aber voraus, daß der Geschäftsherr erkannte oder wenigstens erkennen mußte, daß der Mäkler für ihn und nicht etwa nur für die Gegenpartei tätig sei, und weiter, daß er die Tätigkeit des Mäklers nur gegen eine von ihm zu zahlende Vergütung erwarten konnte (RG J W 1921, 13139; RG H R R 1928 Nr. 419; 1934 Nr. 795; BGH J R 53, 424). Tritt der Mäkler als Beauftragter der Gegenpartei auf, so liegt regelmäßig darin, daß die Partei sich die Dienste gefallen läßt, kein Abschluß eines Mäklervertrags (RG WarnRspr. 1910 Nr. 318; RG J W 1917, 1012; SeuffArch. 76 Nr. 47). Nimmt aber die Partei in Kenntnis des Umstandes, daß auch von ihr Vergütung verlangt werde, die Dienste des von der Gegenpartei beauftragten Mäklers entgegen, so wird darin regelmäßig die stillschweigende Vereinbarung eines Mäklerlohns gefunden werden können (RG J W 1921, 13139; 1938, 45614). Hat jemand, insbesondere ein Kaufmann, eine Sache, die ihm zum Verkaufe fest an die Hand gegeben war, zunächst als Selbstverkäufer einem Dritten angeboten und den Verkehr des Dritten mit dem Eigentümer vermittelt, und ist dann mit seiner Zustimmung der Kauf unmittelbar zwischen dem Eigentümer und dem Dritten abgeschlossen worden, so kann er unter Umständen von dem letzteren einen Mäklerlohn verlangen (RG 2. 3. 1921 V 439/20). Bei der Frage, ob die Leistung des Mäklers den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, kommt es aber in allen Fällen nur a u f die t a t s ä c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e , n i c h t auf d i e M e i n u n g der B e t e i l i g t e n an. Wer die Dienste eines Mäklers in Anspruch nimmt, ist daher unter der Voraussetzung des Abs. 1 zur Bezahlung eines Lohnes auch dann verpflichtet, wenn er irrig angenommen hat, es werde ein Lohn von ihm nicht verlangt werden (RG 95, 137). — Das nachträgliche Versprechen einer Vergütung für eine — mit oder ohne Erfolg — bereits geleistete Vermittlertätigkeit ist keine Schenkung (RG J W 1911, 94 16 ; RG LZ 1915, 436 2 ; ebenso für den Vergütungsanspruch des Untermäklers RG J W 1929, 3497'). Vgl. dazu für den Dienstvertrag § 612 Anm. 2. Anm. 3 Höhe der Vergütung. Bei Grundstücksverkäufen in der Regel ein Hundertteil der Kaufsumme. Für Vermittlung der Vermietung von Gastwirtschaftsräumen s. OLG 28, 200. Die früheren Bestimmungen der Landesgesetze über einen auch durch P a r t e i v e r e i n b a r u n g nicht zu überschreitenden Höchstbetrag des Mäklerlohns, sind beim Mangel eines Vorbehalts im Einführungsgesetz nach Art. 55 dieses Gesetzes für aufgehoben zu erachten (RG 68, 195; J W 08, 3211). Vgl. §§ 612 Anm. 3, 632. Anm. 4 Ein solcher üblicher Lohn kann nicht nur für die Vergütung der Tätigkeit des g e w e r b s m ä ß i g e n Vermittlers, sondern auch für diejenige des nicht gewerbsmäßigen zugrunde gelegt werden (RG 27. 11. 1908 III 143/08). Zu fragen ist bei Anwendung des Abs. 2 nur, ob die Höhe des Lohnes durch Taxe bestimmt oder üblich ist, nicht, ob der Vermittler die Vermittlung gewerbsmäßig betreibt und eine besondere Tätigkeit entfaltet hat (RG LZ 1927, 846®). Der Mäkler, der den üblichen Lohn verlangt, muß im Streitfalle auch beweisen, daß nicht ein anderer (niedrigerer) Lohn vereinbart worden ist (RG WarnRspr. 1923/24 Nr. 135). Besteht keine Taxe und kann auch ein üblicher Lohn nicht festgestellt werden, so sind §§315, 316 anzuwenden.

§654 Der Anspruch auf den Mäklerlohn und den Ersatz von Aufwendungen ist ausgeschlossen, wenn der Mäkler d e m Inhalte des Vertrags zuwider auch für den anderen Teil tätig gewesen ist. M 2 5 1 4 & ; P 2 343.

669

§ 654 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 Dieser Ausschluß tritt beim Vorhandensein der angegebenen Voraussetzung von selbst ein. Eine Verwirkung des Mäklerlohns kann aber entsprechend dem Grundgedanken der §§ 242, 654 auch in anderen Fällen stattfinden, in denen der M ä k l e r unter v o r s ä t z l i c h e r oder f a h r l ä s s i g e r V e r l e t z u n g der T r e u - und S o r g f a l t s pflicht den Interessen seines A u f t r a g s g e b e r s in wesentlicher Weise z u w i d e r h a n d e l t (vgl. auch §652 Anm. 8 und RG Gruchot 71, 535). Der dem §654 zugrunde liegende Rechtsgedanke ist ferner auch auf andere V e r t r a g s v e r h ä l t nisse anzuwenden, die mit einer besonderen Treupflicht des einen Teils verbunden sind; daß dem Auftraggeber ein positiver Schade erwachsen sei, ist in Fällen der letzteren Art ebensowenig zu erfordern wie im Falle des §654 (RG 113, 269: Rechtsanwalt; RG Gruchot 71, 535). Beim Handlungsagenten, der ständig damit betraut ist, zu vermitteln oder abzuschließen (§84 HGB), lassen sich Verfehlungen von solcher Schwere denken, daß er alle seine Provisionsansprüche verwirkt, auch solche aus Geschäften, die von der einzelnen Verfehlung nicht berührt werden (RG H R R 35 Nr. 727). Die Möglichkeit eines billigen Ausgleichs unter den Beteiligten ist bei Anwendung des § 654 nicht gegeben. In allen Fällen kann neben der Verwirklichung des Mäklerlohns eine weitergehende S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t des Mäklers begründet sein. Ein Verschulden seiner Gehilfen, z. B. eines Untermäklers, muß sich der Mäkler nach dem Grundsatze des § 278 wie eigenes Verschulden anrechnen lassen. Vertragliche Haftung des Mäklers gegenüber dem andern Teil s. RG J W 1917, 101 2 . Anm. 2 Das Tätigsein für den andern Teil sowie die Annahme eines Mäklerlohns von diesem ist dem Mäkler nicht unter allen Umständen, sondern nur dann untersagt, wenn es dem I n h a l t des V e r t r a g s , insbesondere einer ausdrücklichen Abrede, oder bei vorhandenem Widerstreit der Interessen dem Interesse des Auftraggebers z u w i d e r läuft. Ob dies zutrifft, hängt vom Einzelfalle ab (RG Gruchot 65, 86). Dabei kommt es wesentlich darauf an, ob nach dem Inhalt des Mäklervertrags der Mäkler nur als u n p a r t e i i s c h e r V e r m i t t l e r für das Zustandekommen eines Vertrags überhaupt (ohne Rücksicht auf mehr oder weniger günstige Einzelbedingungen, RG Gruchot 65, 86, so vielfach bei Grundstücksvermittlungen, RG L Z 1915, 5046) oder (was z. B. aus der ungewöhnlichen Höhe des versprochenen Lohnes zu folgern sein kann, RGSt. J W 05, 7 5 246) als V e r t r a u e n s m a n n des einen Teiles und ausschließlich in dessen Interesse tätig sein sollte (RG J W 1913, 200 11 ). Ist der Mäkler nicht Vertrauensmann des einen Teiles, so z. B. auch, wenn er nur den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluße eines Vertrags zu erbringen hat (vgl. RG SeuffArch. 56 Nr. 24); so kann er, unbeschadet seines Anspruchs auf den Mäklerlohn, auch dann für den anderen Teil tätig werden, wenn sein Auftraggeber nichts von dieser Tätigkeit weiß. Soll er aber als Vertrauensmann seines Auftraggebers tätig werden, dann kommt es regelmäßig auf dessen Kenntnis von der Tätigkeit des Mäklers an (RG 25. 1. 1919 V 316/18). Handelt der Mäkler in dieser Vertrauensstellung der übernommenen Verpflichtung zuwider auch für den anderen Teil, drückt er z. B. als Vertrauensmann des Verkäufers zu dessen Ungunsten und zugunsten des Käufers den Kaufpreis herunter, so kann er einen Mäklerlohn von seinem Auftraggeber nicht beanspruchen (RG SeuffArch. 64 Nr. 89). Hatte der Auftraggeber den Mäklervertrag mit Kenntnis von der für den anderen Teil in Aussicht stehenden Tätigkeit des Mäklers (z. B. mit Kenntnis eines vom anderen Teile gegebenen Lohnversprechens, RG 15. 1 1 . 1919 V 220/19) abgeschlossen, so kann er sich nachträglich auf § 654 nicht berufen (RG J W 1913, 641 4 ). In gleicher Weise kann zu entscheiden sein, wenn der Auftraggeber beim Abschluße des vermittelten Vertrags mit dem anderen Teile von einer Doppeltätigkeit des Mäklers Kenntnis hatte. Sofern indessen eine ausdrückliche Verabredung des Mäklers mit seinem Auftraggeber über die Doppeltätigkeit nicht vorliegt, ist über deren Zulässigkeit nach der gesamten Sachlage des einzelnen Falles zu entscheiden, s. angef. RG J W 1913, 200 11 . Zu weit ginge die Annahme, daß der Mäkler, wenn der Auftraggeber wissentlich ein Tätigwerden für einen anderen geschehen ließ, immer seinem Auftraggeber gegenüber im Falle des Zustandekommens des Vertrags Anspruch auf den Mäklerlohn habe. Denn 670

Mäklervertrag

§ 655

§656

selbst wenn der Mäkler mit Kenntnis seines Auftraggebers auch für den anderen Teil tätig wird, so bleibt er doch mindestens insoweit immer noch die Vertrauensperson des ersteren Auftraggebers, daß er ihn nicht durch sittenwidrige Mittel zugunsten des anderen Teiles zu einem unvorteilhaften Entschluße verleiten darf (RG J W 1 9 1 3 , 6414). I m übrigen ist der Mäkler, wenn seine Tätigkeit für beide Teile nicht zu beanstanden ist, nicht gehindert, beim Abschluß des Vertrags von jedem dieser Teile den v o l l e n Lohn in Anspruch zu nehmen. Recht des Versteigerers von Sammlungen und dergleichen, Provision auch von den Käufern zu nehmen, s. R G H R R 1929 Nr. 1990. Wenn der vom Mäkler vermittelte Vertrag zustande gekommen, der Auftraggeber aber vom Mäkler durch unwahre Angaben über die Vermögensverhältnisse der zahlungsunfähigen Gegenpartei irregeführt und geschädigt worden ist, so geht der Anspruch des Auftraggebers gegen den Mäkler nicht auf Rückzahlung des Mäklerlohns, sondern auf S c h a d e n s e r s a t z (SeuffArch. 64 Nr. 128).

§655 Ist für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Dienstvertrags oder für die Vermittlung eines solchen Vertrags ein unverhältnismäßig hoher Mäklerlohn vereinbart worden, so kann er auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Nach der Entrichtung des Lohnes ist die Herabsetzung ausgeschlossen. KB 1980.

Anm. 1 Dienstvertrag, und zwar auch der auf höhere Dienstleistungen gerichtete Vertrag. Hierunter fällt also auch die Tätigkeit der sog. Plazierungsbüros und Artistenagenten. Bei Vermittlung anderer Verträge findet eine Herabsetzung nicht statt. Anm. 2 Richterliches Ermäßigungsrecht. Bei der Prüfung, ob der Mäklerlohn angemessen oder unverhältnismäßig hoch ist, muß dieser als einheitliches Ganzes betrachtet werden. Ein in Hundertteilen fortlaufender Bezüge zu entrichtender Mäklerlohn kann daher sowohl durch Ermäßigung der Hundertteile als auch durch Verkürzung der Zeitdauer herabgesetzt werden. Auch allgemein übliche (oder in polizeilich genehmigten Tarifen enthaltene) Lohnsätze können herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch sind (RG J W 07, 5 1 2 1 4 ) . — Das Versprechen eines unverhältnismäßig hohen Lohnes kann aber auch, und zwar nicht nur, wenn es sich um Dienstverträge handelt, die N i c h t i g k e i t des Mäklervertrags begründen (Vorbem. 3 vor § 652). Anm. 3 Keine Rückforderung gezahlter Beträge. Wird bei Teilzahlungen der angemessene Betrag des Mäklerlohns durch die bisherigen Leistungen erreicht, dann findet die Herabsetzung des Lohnes dadurch statt, daß der Anspruch auf weitere Zahlungen wegfällt (RG J W 07, 5 1 2 1 2 ) .

§ 656 Durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Versprechens Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der andere Teil zum Zwecke der Erfüllung des Versprechens dem Mäkler gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis. M a

JII.

671

§ 656 Anm. 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 1 Ehemäkler lohn. Die Vorschrift gilt auch dann, wenn dem Auftraggeber die Eheschließung nur das Mittel zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zweckes (z. B. der Verschaffung von Geldmitteln) ist, trifft aber anderseits nicht jede Tätigkeit, die das Zustandekommen einer Ehe möglich machen soll, z. B. nicht die Bemühungen eines Rechtsanwalts, die elterliche Einwilligung oder ihre Ersetzung durch das Vormundschaftsgericht oder die Befreiung von Ehehindernissen zu erwirken (RG J W 06, 7 I 3 10 )Anm. 2 Kein klagbarer Anspruch (vgl. § 762), obwohl das Versprechen an sich nicht als unsittlich gilt, sondern nur als ungeeignet zur Begründung eines klagbaren Anspruchs. Durch § 656 wird auch die Klagbarkeit eines Anspruchs auf Erstattung der durch die Ehemäklertätigkeit erwachsenen Auslagen (wozu indessen die Kosten von bloßen Heiratsanzeigen nicht ohne weiteres zu rechnen sind) ausgeschlossen (RG SeuffArchBl. 71, 577). Dagegen nicht Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzungen (BGH 25, 124). Ebensowenig kann für den Anspruch auf Ehemäklerlohn ein gültiges Pfandrecht bestellt werden. Dagegen entbehrt ein Vergleich, durch den die Parteien den Streit darüber schlichten, ob ein zwischen ihnen geschlossener Vertrag ein gültiger Dienstvertrag oder ein klagloser Ehevermittlungsvertrag sei, nicht deshalb der Wirksamkeit, weil in Wahrheit ein Vertrag der letzteren Art vorliegt (RG 23. 10. 1906 V I I 44/06). Vgl. § 762 Anm. 4. Anm. 3 Keine Rückforderung gemäß §§812 ff. Ist jedoch die Eingehung der Verbindlichkeit aus einem anderen Grunde, insbesondere wegen Betrugs und Zwanges anfechtbar, so ist die Zurückforderung zulässig. Anm. 4 Schuldanerkenntnis. Ist auf Grund eines derartigen unwirksamen Lohnversprechens der Auftraggeber dem Makler gegenüber eine Wechselverbindlichkeit eingegangen oder hat er ein schriftliches Schuldanerkenntnis abgegeben, so ist auch eine solche urkundliche Verpflichtung zur Begründung eines Rechtsanspruchs ungeeignet, weil darin eine Leistung im Sinne des § 636 Abs. 1 Satz 2 nicht zu erblicken ist (vgl. RG SeuffBl. 71, 577). Der Auftraggeber kann daher vom Mäkler nach § 812 die Herausgabe des Wechsels oder, wenn er von einem gutgläubigen Erwerber zur Bezahlung gezwungen worden ist, die Herausgabe des vom Mäkler darauf empfangenen Wertes und, falls der Mäkler den Wechsel in der Absicht begeben hat, dem Auftraggeber den Einwand aus § 656 abzuschneiden, also einen vom Gesetz gemißbilligten Vermögensvorteil zu erlangen, nach § 826 BGB Schadensersatz beanspruchen. Vgl. § 762 Anm. 4. Neunter T i t e l Auslobung In betreff der rechtlichen Gestaltung der Auslobung ist streitig, ob hierbei ein Vertragsantrag an eine unbestimmte Person mit Annahme des Antrags durch die Ausführung der erforderten Handlung (Vertragstheorie) oder ein für sich rechtswirksames einseitiges Versprechen mit tatsächlicher Erfüllung der gestellten Bedingung durch den Handelnden (Pollizitationstheorie) vorliegt. Nach der unzweideutigen Fassung und namentlich nach den letzten Worten des § 657 wird man der zweiten Annahme den Vorzug geben und, als Annahme von § 305, ebenso wie bei der Schuldverschreibung auf den Inhaber § 793, die einseitige E r k l ä r u n g als Verpflichtungsgrund anzusehen haben (s. auch M 2, 519). Zu ihrer Rechtswirksamkeit muß diese Erklärung den allgemeinen Erfordernissen genügen, darf insbesondere nicht gegen Treu und Glauben und nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen (§§ 134, 138), der erforderlichen Ernstlichkeit nicht entbehren, sich also nicht als bloße markt-

672

Auslobung

§657 Anm. 1—3

schreierische Ankündigung darstellen (§ 118). Die Erklärung kann auch von dem Auslobenden selbst wegen Irrtums, Betrugs und Drohung (§§ i igfT.) angefochten werden — eine Anfechtung, die, wenn sie nicht einer bestimmten Person gegenüber geschehen kann, in der nämlichen Form wie die Auslobung selbst zu bewirken ist und namentlich bei vorliegendem Verzicht auf den Widerruf (§ 658 Abs. 2) von praktischer Bedeutung werden kann.

§657 Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat. E I 581 II 589; M i jj8£f.; P 2 347.

Anm. 1 Die öffentlichkeit der Bekanntmachung, d. h. die Zugänglichkeit für jedermann, ist wesentlich. Beim Mangel der Öffentlichkeit, also z. B. bei Bekanntmachung innerhalb einer geschlossenen Privatgesellschaft, ist das Versprechen nur als ein Vertragsantrag des Versprechenden, der durch nachträgliche Annahme mittels Ausführung der erforderlichen Handlung bindend wird, aufrechtzuerhalten. Im übrigen kann die Auslobung sich an b e s t i m m t e K l a s s e n v o n P e r s o n e n , an Künstler, Techniker usw., j a auch an einen bestimmten Kreis von Personen (z. B. Angehörige einer bestimmten Gemeinde) richten, RG 167, 234, in s c h r i f t l i c h e r oder m ü n d l i c h e r Form geschehen, von einer natürlichen oder einer juristischen Person oder von einer öffentlichen Behörde, z. B. von einer Polizeibehörde (Belohnung für die Entdeckung eines Verbrechens oder für die Ergreifung eines Verbrechers), in gleich wirksamer Weise ausgehen. Auslobung von Belohnungen für die Ermittlung oder Ergreifung von Verbrechern oder für die Herbeischaffung von Beweismitteln aus Mitteln der Justizverwaltung s. A V d. R J M v. 3. 9. 1936 D J 1936, 1660. — Durch den T o d des Auslobenden oder durch den späteren Eintritt seiner G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t wird die durch die Auslobung begründete Verpflichtung nicht aufgehoben; vielmehr gehen in diesen Fällen die Rechte (auch das des Widerrufs nach § 658) und die Pflichten des Auslobenden auf seine Erben oder auf den ihm bestellten gesetzlichen Vertreter über. Anm. 2 Belohnung, und zwar Geld oder ein sonstiger Vermögensvorteil. Die Höhe der Belohnung braucht nicht in einer bestimmten Summe angegeben werden, sondern kann sich nach bestimmten Regeln richten, die der Auslobende dafür bekannt gemacht hat RG 167, 234. Anm. 3 Die Belohnung muß für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolgs versprochen sein. Keine Auslobung ist daher z. B. die bei der Ausschreibung von Anleihen abgegebene behördliche Zusicherung, daß die Anleihen bei bestimmten Gelegenheiten (Steuerzahlungen) zum Nennwert in Zahlung genommen werden würden (RG 16. 6. 1921 I V 40/21). Daß die Handlung oder der Erfolg dem Nutzen oder auch nur dem Wunsche des Auslobenden oder einer anderen Person oder dem öffentlichen Interesse entspreche, ist nicht erforderlich. Der gewöhnliche Fall ist die Aussetzung einer Belohnung für eine Werkleistung, z. B. für die Herbeischaffung eines gestohlenen Gemäldes, für eine bestimmte Entdeckung, Erfindung oder Sportleistung; es kann aber auch irgendein beliebiges Verhalten einschließlich der Unterlassung, z. B. langjährige treue Dienstleistung bei dem nämlichen Dienstherrn, als Bedingung gesetzt werden. Dagegen läßt die Fassung des Gesetzes deutlich erkennen, daß ein Ereignis, für dessen Eintritt der einzelne nicht irgendwie, auch nicht im Zusammenwirken mit anderen, tätig zu werden vermag, bei der Auslobung keine 673

§ 657 A n m . 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§§ 658, 659 A n m . 1

geeignete Bedingung bilden kann. In solchen Fällen kommt namentlich der Schenkungsv e r t r a g i n Frage. — Wird die Handlung mehrmals oder von mehreren vorgenommen, so sind die §§ 659, 660 anzuwenden. Anm. 4 Zeit der H a n d l u n g . Im allgemeinen ist davon auszugehen, daß die Handlung auch schon vor der Auslobung vorgenommen sein kann, es sei denn, daß es dem Auslobenden gerade auf die spätere Vornahme ankam. Eine Fristbestimmung (§ 658 Abs. 2) ist, abgesehen von § 661 Abs. 1, nicht erforderlich. Darüber, ob die ausgesetzte Belohnung v e r d i e n t sei, hat, abgesehen von § 661, im Streitfalle nicht der Auslobende, sondern das Gericht zu entscheiden. § 6 5 8 Die A u s l o b u n g kann bis zur V o r n a h m e der Handlung w i d e r r u f e n w e r d e n . Der Widerruf i s t n u r w i r k s a m , w e n n er in derselben Weise, w i e die A u s l o b u n g b e k a n n t g e m a c h t w i r d oder w e n n er durch besondere Mitteilung erfolgt. Auf die Widerruflichkeit kann in der A u s l o b u n g verzichtet w e r d e n ; ein Verzicht liegt i m Zweifel in der B e s t i m m u n g einer Frist für die V o r n a h m e der Handlung. EI

582 I I 590; M i

sziß.;

Pa

347.

Anm. 1 Entscheidend ist die Vornahme, d. h. Vollendung der Handlung. Der Widerruf ist daher auch noch während der V o r b e r e i t u n g und selbst während der Ausführung der betreffenden Handlung zulässig. Im Falle des Widerrufs kein Anspruch auf Ersatz des durch etwaige Vorbereitungshandlungen verursachten Aufwands (M 2, 522). Wer nach dem wirksamen Widerruf die verlangte Handlung vornimmt oder vollendet, erwirbt einen Anspruch gegen den Auslobenden auch dann nicht, wenn er ohne sein Verschulden von dem Widerruf nichts weiß. — Die Anfechtung der Auslobung wegen Willensmängeln wird durch § 658 nicht berührt (vgl. Vorbem. vor § 657). — Über den Einfluß des Todes des Auslobenden s. § 657 Anm. 1. Anm. 2 F o r m des Widerrufs. Die Bekanntmachung muß „in derselben Weise wie die Auslobung" geschehen. Unwesentliche Abweichungen schaden nicht; wesentlich ist, daß der Widerruf genügend bekannt wird. Die besondere M i t t e i l u n g des Widerrufs, die nur der damit bedachten Person gegenüber wirksam ist, wird namentlich am Platze sein, wenn bereits die Auslobung dieser Person mitgeteilt oder dem Auslobenden bekannt geworden ist, daß sie an die Vorbereitung herangegangen sei. Im übrigen ist die besondere Mitteilung neben der öffentlichen Bekanntmachung des Widerrufs nicht erforderlich. § 6 5 9 I s t die Handlung, für w e l c h e die Belohnung ausgesetzt i s t , m e h r m a l s vorg e n o m m e n w o r d e n , so gebührt die Belohnung demjenigen, welcher die Handlung zuerst v o r g e n o m m e n hat. Ist die Handlung von m e h r e r e n gleichzeitig v o r g e n o m m e n w o r d e n , so gebührt j e d e m ein gleicher Teil Belohnung. Läßt sich die Belohnung w e g e n ihrer Beschaffenheit nicht teilen oder soll nach d e m Inhalte der A u s l o b u n g n u r einer die Belohnung erhalten, so entscheidet das Los. EI

583 II 591; M 3 553; P a

348.

Anm. 1 Sowohl für den in diesem, als für den im folgenden Paragraphen geregelten Fall kann der Auslobende eine abweichende B e s t i m m u n g treffen, die der gesetzlichen 674

Auslobung

§ 659 A n m . 2 , 3 § 660 A n m . 1—4

vorgeht, z. B., daß jeder einzelne eines bestimmten Kreises, der innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gewisse Handlungen vorgenommen hat, die Belohnung erhalten soll, oder der Aus lobende kann sich die Entscheidung über die Zuteilung der Belohnung nach Maßgabe des § 3 1 5 vorbehalten RG 167, 234. Anm. 2 Der zeitliche Vorrang entscheidet. Wer hiernach die Belohnung verdient hat, kann darauf n i c h t e i n s e i t i g mit der Wirkung verzichten, daß nun ohne weiteres die Belohnung dem nachstehenden Bewerber zufällt; er kann diesem den erworbenen Anspruch abtreten; eine solche Abtretung kann auch unter Umständen in einem „Verzichte zugunsten des nächsten Bewerbers" zu finden sein. Anm. 3 Mehrere Berechtigte. Z u r V e r t e i l u n g und zur Vornahme der Verlosung ist der A u s l o b e n d e b e r e c h t i g t u n d v e r p f l i c h t e t , unbeschadet der gerichtlichen Entscheidung über die Gültigkeit seiner Verteilung.

§ 660 Haben mehrere zu dem Erfolge mitgewirkt, für den die Belohnung ausgesetzt ist, so hat der Auslobende die Belohnung unter Berücksichtigung des Anteils eines jeden an dem Erfolge nach billigem Ermessen unter sie zu verteilen. Die Verteilung ist nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist; sie erfolgt in einem solchen Falle durch Urteil. Wird die Verteilung des Auslobenden von einem der Beteiligten nicht als verbindlich anerkannt, so ist der Auslobende berechtigt, die Erfüllung zu verweigern, bis die Beteiligten den Streit über ihre Berechtigung unter sich ausgetragen haben; jeder von ihnen kann verlangen, daß die Belohnung für alle hinterlegt wird. Die Vorschrift des § 659 Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung. Ell J91; Ma 513; Pl 548. Anm. 1 Mitwirkung (RG 11, 281).

mehrerer,

z. B. zur Ergreifung eines flüchtigen Verbrechers

Anm. 2 Die Verteilung steht dem Auslobenden zu. Sie kann auch nur einem der Beteiligten gegenüber rechtswirksam geschehen. Wird sie von den Beteiligten oder durch einen von ihnen als unbillig beanstandet, so ist von diesen untereinander, ohne Heranziehung des Auslobenden, durch Feststellungsklage die gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. — Abweichende Bestimmung des Auslobenden s. § 659 Anm. 1. Anm. 3 Offenbare Unbilligkeit. Vgl. § 3 1 9 . Nach der Zweckbestimmung des §660 (Durchführung der Verteilung) tritt das Gericht auch dann an die Stelle des Auslobenden, wenn er — abgesehen von den Fällen des Todes und der Geschäftsunfähigkeit (§ 657 Anm. 1) — die Verteilung nicht vornehmen k a n n , oder wenn er sie nicht vornehmen w i l l u n d er dies ausdrücklich erklärt hat oder das von den Beteiligten gegen ihn beantragte Zwangsverfahren nach Z P O § 888 ohne Erfolg geblieben ist. Anm. 4 Der Auslobende ist auch ohnedies zur Hinterlegung nach § 372 befugt. 675

§ 661 A n m . 1—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§661 E i n e A u s l o b u n g , die eine P r e i s b e w e r b u n g z u m G e g e n s t a n d e h a t , i s t n u r g ü l t i g , wenn in der B e k a n n t m a c h u n g eine F r i s t f ü r die B e w e r b u n g b e s t i m m t wird. Die E n t s c h e i d u n g d a r ü b e r , ob eine innerhalb der F r i s t erfolgte B e w e r b u n g d e r A u s l o b u n g entspricht oder welche von m e h r e r e n B e w e r b u n g e n den Vorz u g verdient, i s t d u r c h die in der A u s l o b u n g bezeichnete P e r s o n , in E r m a n g e l u n g einer solchen d u r c h den A u s l o b e n d e n zu treffen. Die E n t s c h e i d u n g i s t f ü r die Beteiligten verbindlich. B e i B e w e r b u n g e n von gleicher Würdigkeit finden a u f die Zuerteilung d e s P r e i s e s die V o r s c h r i f t e n d e s § 659 A b s . 2 A n w e n d u n g . Die Ü b e r t r a g u n g d e s E i g e n t u m s a n d e m Werke k a n n d e r A u s l o b e n d e n u r v e r l a n g e n , wenn er in der A u s l o b u n g b e s t i m m t h a t , d a ß die Ü b e r t r a g u n g e r f o l g e n soll. E I 584 n 592; M 2 j i j f f . ; P 2 350.

Anm. 1 Die Auslobung in bezug auf eine Preisbewerbung (sog. P r e i s a u s s c h r e i b e n ) kann für eine Leistung auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Kunst, der Technik, des Sports usw. geschehen. Der Bewerber muß davon Kenntnis haben und daraufhin rechtzeitig seine Bewerbung erklären. Anm. 2 Die F r i s t b e s t i m m u n g ist nach Inhalt der Motive für notwendig erachtet worden, weil ohne diese der Auslobende immer noch auf eine bessere Leistung warten und die Entscheidung auf unabsehbare Zeit hinausschieben könnte. Die Fristbestimmung macht die Auslobung „im Zweifel" unwiderruflich (§ 658 Abs. 2). Der Fristablauf hat zur Folge, daß nunmehr einesteils der Auslobende in keinem Falle mehr widerrufen (§ 658 Abs. 1), andern teils eine Bewerbung nicht mehr stattfinden kann. Anm. 3 Der P r e i s r i c h t e r und der A u s l o b e n d e sind dabei an die Vorschriften der §§ 3 1 7 — 3 r 9 , insbesondere auch des § 3 1 7 Abs. 2, nicht gebunden. Stimmenmehrheit der Preisrichter, deren Stellung der von Schiedsrichtern ähnlich ist, muß als entscheidend angesehen werden. Der Auslobende wird auch dann einzutreten haben, wenn der Preisrichter die Entscheidung nicht treffen kann oder will. Anm. 4 Also i m R e c h t s w e g e nicht weiter a n f e c h t b a r . Vgl. dazu R G 11, 281 und J W 08, 645. Ist aber die Entscheidung für die Beteiligten verbindlich, dann darf der Auslobende das Recht des Preisträgers nicht dadurch in Frage stellen, daß er behauptet, der Preis sei ihm von den Preisrichtern zu Unrecht zuerkannt worden; der Preisträger kann mit der vorbeugenden Unterlassungsklage verlangen, daß der Auslobende keine solche Behauptungen aufstelle ( R G 143, 262). Anm. 5 Die Ü b e r t r a g u n g d e s E i g e n t u m s umfaßt in dem angegebenen Falle auch das sog. g e i s t i g e E i g e n t u m , und zwar ohne weitere Vergütung von Seiten des Auslobenden.

676

Auftrag

V o r § 662 Anm. 1, 2

Zehnter Titel

Auftrag Vorbemerkungen Ubersicht Anm.

1. Allgemeines 2. Begriff der Geschäftsbesorgung . 3. Wesen des Auftrages a) Art des Vertrages . . b) Im Interesse c) Auftrag mit Vollmacht d) Gefälligkeitshandlungen 4. Verwandte Verhältnisse .

I 2—5

6 7 8 9 10

Anm. 1 1 . Der 10. und 11. Titel handeln von der Geschäftsbesorgung; der erste von der Geschäftsbesorgung k r a f t A u f t r a g s , der letztere von der Geschäftsbesorgung, hier Geschäftsführung genannt, o h n e A u f t r a g . Während die §§ 662—674 des 10. Titels ferner den eigentlichen Auftrag regeln, dessen wesentlichstes Merkmal nach dem BGB die Unentgeltlichkeit ist, schließt § 675 eine Bestimmung an, die einer Reihe der Vorschriften des Titels auch für D i e n s t - u n d W e r k v e r t r ä g e entsprechende Anwendung verschafft, sofern diese eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande haben. Denn eine Geschäftsbesorgung kann auch Gegenstand anderer Verträge sein. So führt der Angewiesene auf Grund der erteilten Ermächtigung, die kein Auftrag ist, die Geschäfte des Anweisenden aus. Erst durch diesen § 675 wird den Rechtsregeln des 10. Titels eine größere Bedeutung und ein weiteres Anwendungsgebiet verliehen, da der Auftrag im Sinne des § 662 im heutigen Verkehrsleben keinen breiten Raum einnimmt. In § 676 ist dem Titel eine Regelung der Schadensersatzpflicht aus R a t u n d E m p f e h l u n g angehängt, die wegen einer gewissen Verwandtschaft des Stoffs hier ihre Stelle gefunden hat.

Anm. 2 2. Der Begriff der Geschäftsbesorgung in den §§ 662, 675, 677 (vgl. dazu ferner

§§ 831 Abs. 2, 1357 Abs. 1, 196 Nr. 1 u. 7 BGB, § 354 Abs. 1 H G B , §§ 23 u. 27 K O ) ist viel umstritten, das BGB enthält keine Bestimmung darüber. Eingehend L e n t , Wille und Interesse bei der Geschäftsbesorgung, 1937; L a r e n z , Vertrag u. Unrecht Bd. 2; S t o l l , Vertrag u. Unrecht. Während die einen den Begriff auf die Vornahme von Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen für einen Dritten beschränken wollen, begreifen darunter andere jede beliebige Art einer für einen andern geleisteten Tätigkeit. Mit dem Streit hierüber hängt der andere zusammen, ob der Begriff der Geschäftsbesorgung in den §§ 662 u. 677 derselbe sei wie in § 675, oder ob er für den letzteren Paragraphen einen engeren Inhalt habe, und endlich, ob die Bestimmung des § 675 sich auf a l l e Dienst- und Werkverträge erstrecke oder nur für einen abgesonderten Teil von diesen Geltung beanspruche. Der Umstand, daß § 675 seine Stelle in dem Titel vom Auftrage erhalten habe, dessen Bestimmungen gleich der des § 675 eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande haben, spricht deutlich dafür, daß der Begriff der Geschäftsbesorgung in § 675 denselben Inhalt haben soll wie in dem Titel überhaupt, ganz abgesehen davon, daß derselbe Begriff in demselben Gesetzbuche nicht ohne Not für verschiedene Einzelbestimmungen verschieden aufgefaßt werden darf. Daraus aber, daß § 675 diejenigen Dienst- und Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande haben, aus dem ganzen Kreise der Dienst- und Werkverträge ausgesondert und von anderen Verträgen dieser Art unterscheidet, ergibt sich des weiteren, daß die Geschäftsbesorgung nicht schlechthin alle Dienstleistungen umfassen kann. D a ß § 675 auf die für den Auftrag gegebenen Bestimmungen zur entsprechenden Anwendung verweist, bedeutet hiernach, daß die entgeltlichen Verträge,

677

V o r § 662 A i u n . 3, 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

die dieselben Leistungen zum Gegenstande haben wie der unentgeltliche Auftrag, in gewissen Beziehungen auch rechtlich diesem gleich behandelt werden sollen. Anm. 3 Das Merkmal, daß die Leistungen des Auftrags und der Geschäftsführung ohne Auftrag, sowie der Dienst- und Werkverträge des § 675 von anderen rechtlich erheblichen Tätigkeiten zunächst unterscheidet, ist das H a n d e l n f ü r e i n e n a n d e r n (vgl. § 677). Die Besorgung einer Angelegenheit für einen andern ist die Vornahme einer Tätigkeit, die an und für sich der Sorge dieses andern obliegen würde und i n d e s s e n I n t e r e s s e n b e r e i c h fällt, in seinem Interesse (RG 103, 4x1). Nicht dagegen notwendig in seiner Vertretung, an seiner Stelle; daß der andere die Tätigkeit sonst selbst vorzunehmen hätte und vornehmen könnte, ist nicht erforderlich. Sie muß nur Gegenstand seiner Sorge sein, und diese Sorge muß ihm durch die Besorgung seitens des Handelnden abgenommen werden (RG 97, 65). Daß ferner die Angelegenheit ein G e s c h ä f t sein muß, bedeutet einmal, daß ihr eine wirtschaftliche Beziehung anhaften, sodann, daß eine Tätigkeit Gegenstand der Besorgung sein muß. Ein bloß duldendes Verhalten, ein Gewährenlassen oder ein Unterlassen sind keine Geschäfte (so die Gestattung des Mitfahrens in einem ohnehin fahrenden Wagen), auch nicht die bloße Verwahrung, bei der nicht zugleich eine Tätigkeit übernommen wird (RG 65, 17). „Geschäft" ist immer der Umkreis einer Tätigkeit, der Inbegriff des „Schaffens". Tätigkeiten ferner, die keinen wirtschaftlichen Zweck, keinen Zusammenhang mit dem Vermögen haben, sind wiederum keine Geschäfte. I m übrigen aber kann Gegenstand der Geschäftsbesorgung j e d e T ä t i g k e i t r e c h t l i c h e r o d e r t a t s ä c h l i c h e r N a t u r s e i n (RG 91, 364 B G H L M § 677 Nr. 1); weder Technische und mechanische noch wissenschaftliche Tätigkeiten sind an sich ausgeschlossen, sofern sie nur den vorgedachten Voraussetzungen entsprechen und eine Besorgung für einen Dritten zulassen. Durch das Merkmal der Sorge für einen andern, die zugleich eine Bestätigung des Willens und der Uberlegung einschließt, unterscheidet sich die Geschäftsbesorgung wesentlich von der bloßen Leistung von Diensten wirtschaftlicher Art, und dadurch sondern sich auch die Dienstund Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, von andern Dienst- und Werkverträgen: Dienste im engeren Sinne werden an einen andern geleistet, Geschäfte werden f ü r ihn besorgt; vgl. in § 831 die Scheidung von Verrichtung — dem weiteren Begriff — in Abs. 1 Satz 1 und Geschäftsbesorgung in Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 (Auswahl der Personen, Beschaffung der Gerätschaften, Leitung der Verrichtung). Anm. 4 G e s c h ä f t s b e s o r g u n g ist h i e r n a c h e i n e selbständige Tätigkeit w i r t s c h a f t l i c h e n C h a r a k t e r s , die i m Interesse eines andern i n n e r h a l b e i n e r f r e m d e n w i r t s c h a f t l i c h e n I n t e r e s s e n s p h ä r e v o r g e n o m m e n w i r d (RG 97, 65). O b sie im Interesse eines andern oder im eigenen Interesse erfolgt, dafür ist in der Regel die Unentgeltlichkeit oder die Entgeltlichkeit ein wesentliches Anzeichen. Regelbeispiele der Geschäftsbesorgung sind die Tätigkeiten des Rechtsanwalts (RG J W 1914 S. 468®, 870 10 ), des Liquidators einer offenen Handelsgesellschaft, wenn er nicht selbst Gesellschafter ist (RG WarnRspr. 1913 Nr. 160), des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft (RG81, 153); selbständige Führung eines Geschäftsbetriebs [Fleischerei] (RG H R R 1931 Nr. 2032; 105, 393), des Notars, soweit dessen Tätigkeit nach vertraglichen Gesichtspunkten betrachtet werden kann (vgl. darüber §611 Vorbem. 71 u. § 679 Anm. 1), des Kommissionärs und des Agenten, des Haus- und des Gutsverwalters, (RG SeuffArch. 63 Nr. 9), des Hausmeisters und des Pförtners, des Gasthofleiters, des Fabrikleiters, des bauleitenden Architekten. G u t s v e r w a l t u n g ist bei Unentgeltlichkeit Auftrag, bei Entgeltlichkeit Dienstvertrag (RG 80, 229). Angelegenheiten der Geschäftsbesorgung sind auch Tätigkeiten in Treuhänderverhältnissen (RG 83, 7 t ; 84,214; 91, 12; 127, 345; I33> 87; 153, 353; 160, 59). Der Arzt, der einen Kranken behandelt, besorgt diesem gegenüber kein Geschäft; er leistet ihm Dienste; wohl aber besorgt der Arzt ein Geschäft, der für einen unterstützungspflichtigen Armenverband die Behandlung eines Kranken übernimmt, oder der in seiner Heilanstalt die Ehefrau oder ein Kind für den 678

Auftrag

Vor § 662 Anm. 5—7

unterhaltspflichtigen Ehemann oder Vater behandelt und verpflegt, da er diesem eine wirtschaftliche Sorge abnimmt (vgl. R G J W 1 9 1 3 , 1 1 4 7 4 ) . Der B a u l e i t e r ist Geschäftsbesorger, nicht aber der B a u u n t e r n e h m e r . Der Arbeiter, der auf Bestellung des zur Straßenreinigung verpflichteten Hausbesitzers bei Glatteis streut, führt eine Verrichtung aus, kein Geschäft; zum Geschäfte wird seine Tätigkeit jedoch, wenn er zugleich die Wachsamkeit darüber übernommen hat, daß bei Eintritt des Bedürfnisses und zu rechter Zeit gestreut wird. Von der Übernahme einer Bürgschaft als Geschäftsbesorgung für den Schuldner handeln R G 59 S. 10 u. 207 sowie J W 07, 8 3 1 8 . Die Erteilung einer Auskunft oder eines Rates ist keine Geschäftsbesorgung; wohl aber kann dies die Beschaffung von solchen, die Einziehung einer Auskunft über die Kreditverhältnisse eines Kaufmannes, sein ( R G J W 1910, 808 22 ).

Anm. 5 Bei der hier gegebenen Begriffsbestimmung der Geschäftsbesorgung fehlt es freilich für diejenigen unentgeltlichen Dienste, die nicht in den Kreis der wirtschaftlichen Tätigkeit für einen andern fallen, an einer besonderen Regelung; gegen eine entsprechende Anwendung der für die Geschäftsbesorgung gegebenen Vorschriften j e nach der Sachlage wird nichts zu erinnern sein, sofern die besonderen Vertragsvereinbarungen und die allgemeinen Vertragsregeln nicht ausreichen. Wenn das R G WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 183 auch eine Hilfeleistung bei der Verfolgung eines Verbrechens als eine Tätigkeit der Geschäftsbesorgung aufgefaßt hat, so ist dem nur in diesem übertragenen Sinne zuzustimmen. § 662 setzt aber nicht voraus, daß der Beauftragte nur in fremdem Interesse tätig ist. E r kann dabei a u c h e i g e n e I n t e r e s s e n mit verfolgen; dies darf nur nicht l e d i g l i c h im Interesse des Beauftragten geschehen, R G 56, 1 3 4 ; ( R G 16. 12. 1932 I I 199/32). Die Grundlage einer Geschäftsführung ist der Vertrag (Dienst- und Werkvertrag, nicht der Arbeitsvertrag (vgl. Anm. 1 § 675) und der gemischte Vertrag (Pförtner-Vertrag als Dienstvertrag und Mietvertrag), das Gesellschaftsverhältnis, § 7 1 3 , A m t und Anstellung, eine Tätigkeit ohne Vertrag oder Auftrag, die aber gerechtfertigt sein muß.

Anm. 6 3. Wesen des Auftrages a) Art des Vertrages. Auftrag

ist nach alledem ein V e r t r a g , gerichtet auf die unentgeltliche Übernahme einer selbständigen Tätigkeit, sei es rechtlicher, sei es tatsächlicher Art, für den Auftraggeber, die in dessen wirtschaftlichem Interesse gelegen ist und sich auf einem seinem Schaffen zukommenden Gebiete bewegt. Der Auftrag begründet aber nur einseitige Verpflichtungen des Beauftragten; er ist k e i n g e g e n s e i t i g e r V e r t r a g . Der Beauftragte hat keinen Anspruch auf die Ausführung des Geschäfts. Verpflichtungen des Auftraggebers ergeben sich erst als Folge aus der Ausführung des Auftrags. Durch diese Einseitigkeit der Verpflichtungen unterscheidet sich der Auftrag wesentlich vom Dienst- und Werkvertrage, durch das Merkmal des tätigen Handelns von der Verwahrung und den auf ein Unterlassen oder Gewährenlassen gerichteten Verträgen, durch die Vertragsmäßigkeit von der Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Auftrag kann auf ein einzelnes Geschäft, aber auch auf eine Mehrheit von Geschäften gerichtet sein; auch eine Vermögensverwaltung oder die Besorgung aller geschäftlichen Angelegenheiten des Auftraggebers gehört hierher (vgl. R G 90 S. 129, 214). Die auf Grund eines anderweiten vertragsmäßigen Dienstverhältnisses vorgenommenen einzelnen Geschäftsbesorgungen werden durch Weisungen des Dienstherrn für die Ausführung der einzelnen Geschäfte aber nicht zu Aufträgen im Rechtssinne, die einen auf die einzelnen Geschäfte gerichteten unentgeltlichen Vertrag voraussetzen würden.

Anm. 7 b) Im Interesse.

Aus der Begriffsbestimmung ergibt sich, daß die übernommene Tätigkeit ein Interesse des Auftraggebers verfolgen muß; sie kann daneben auch im Interesse des Beauftragten, darf aber nicht ausschließlich in dessen Interesse liegen ( R G 56, 130, Kreditauftrag). Deshalb ist der Versicherungsagent, der von der Ver44 Komm. z. BGB, 1 1 . Aufl. II. Bd. (Deneck;)

679

V o r § 662

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 8, 9 Sicherungsgesellschaft bestellte Mittler und Vertrauensmann ( R G 73, 302; J W 1 9 1 2 , 84 3 2 ; 1 9 1 3 , 542 5 ), insoweit er den Versicherungsantrag entgegennimmt und für den Versicherungsnehmer an die Gesellschaft zur Entschließung weitergibt, Beauftragter des Versicherungsnehmers, nicht aber der Generalagent, der als Vertreter der Gesellschaft in deren Interesse den Vertrag abschließt und den Versicherungsschein (Police) ausfertigt ( R G 2 1 , 90; 62, 3 1 5 ) . Ebenso wird der Mäkler, der durch Vertrag eine Geschäftsvermittlung, aber auch von der Gegenpartei des in Aussicht genommenen Geschäfts die Besorgung von vorgängigen Erkundigungen für dasselbe Geschäft übernommen hat, zugleich Beauftragter der Gegenpartei ( R G 76, 250). Einen Fall des Auftrags bei gemeinschaftlichem Interesse des Auftraggebers und Beauftragten behandelt R G J W 05, 682 3 (Bieten in der Zwangsversteigerung), Fälle entsprechender Anwendung der §§ 662 ff. bei Dienstleistungen im öffentlichen Interesse — die amtliche Tätigkeit schließt die Erteilung eines privatrechtlichen Auftrags nicht aus — R G 98, 195 und R G J W 1 9 1 4 , 676* (Aufforderung eines Polizeibeamten, ihm die Täter bei einer Schlägerei zu zeigen, als Auftrag der Stadtgemeinde). Die Zahlung f ü r Rechnung eines Dritten bedeutet regelmäßig einen Auftrag an den Zahlungsempfänger, die Zahlung als Leistung des Dritten zu behandeln ( R G 45, 235). Die Sicherungsübertragung von Forderungen stellt, obwohl sie wesentlich das Interesse des Zessionars verfolgt, zugleich einen Auftrag zur Wahrnehmung der Interessen des Übertragenden bei der Beitreibung und Verwertung der abgetretenen Forderung dar ( R G 59, 190; WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 1 3 6 ; 1 9 1 4 Nr. 7). Dasselbe gilt selbstverständlich bei allen anderen treuhänderischen Rechtsübertragungen; so bei Verkäufen und Eigentumsübertragungen zur Sicherheit hinsichtlich der Verwahrung, Verwaltung und Rückübertragung ( R G 76, 345; WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 58). Die Übertragung eines Schiedsrichteramts dagegen begründet wohl ein Vertrags-, aber kein Auftragsverhältnis, da der Schiedsrichter kein Interesse der Parteien wahrnehmen und nicht f ü r diese Tätigkeit entfalten, sondern ü b e r ihnen stehend im öffentlichen Interesse der Rechtspflege handeln soll ( R G 59, 247; WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 76). Ebensowenig wird der Beamte, der als solcher Anträge entgegennimmt, Beauftragter der Antragsteller. Vgl. § 6 1 1 Vorbem. 43. — Einen besonderen V e r w a l t u n g s v e r t r a g kennt das B G B nicht; bei einer ohne Entgelt übernommenen Vermögensverwaltung kommen die §§ 662 fr. zur unmittelbaren Anwendung; die entgeltlich übernommene erscheint als Dienstvertrag ( R G 90, 129, 2 1 4 ; 102, 2 1 ) .

Anm. 8 c) A u f t r a g u n d V o l l m a c h t . Der Auftrag kann mit einer Vollmacht (§§ 164fr.) verbunden sein, und die Vollmacht zur Vertretung bei vertraglichen Handlungen schließt regelmäßig auch einen Auftrag, für den Machtgeber zu verhandeln, ein; ist es anders gemeint, so muß der Machtgeber dies zum Ausdruck bringen ( R G 5. 10. 1908 V I 547/07). Begrifflich sind beide durchaus verschieden, im praktischen Leben aber meist verbunden. Der A u f t r a g bedeutet ein S c h u l d v e r h ä l t n i s , die V o l l m a c h t ein V e r t r e t u n g s v e r h ä l t n i s ; jene erzeugt eine Verpflichtung nach innen, diese eine Berechtigung nach außen, die Berechtigung, für den Machtgeber Dritten gegenüber mit Rechtswirkung für und gegen ihn aufzutreten ( R G 71, 2 1 9 ; WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 86). Der mit vorbereitenden Handlungen zu einem Vertragsschluße Betraute ist Beauftragter, nicht Bevollmächtigter; Vollmacht ist immer r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Vertretungsmacht, und diese erfordert eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung als Gegenstand ( R G 26. J. 1909 I I 337/08). Dagegen kann der Auftrag sich auch auf tatsächliche Handlungen beziehen.

Anm. 9 d ) G e f ä l l i g k e i t s h a n d l u n g e n . V o m Auftrage sind zu unterscheiden die g e s e l l s c h a f t l i c h e n G e f ä l l i g k e i t e n des täglichen Lebens, die nicht in verpflichtender Absicht übernommen werden (s. die oben Anm. 2 angezogene Entscheidung R G 65, 17; ebenso R G 1 4 1 , 284; 145, 394). Auch eine Treibjagd ist in der Regel eine gesellschaftliche Veranstaltung, die kein Auftragsverhältnis des Jagdherrn zu seinen Gästen begründet, R G 128, 42. Von einem vertragsmäßigen Ausschluß der Gefährdungshaftung läßt sich nicht reden.

680

Auftrag

V o r § 662 Anm. 10 § 662 Anm. 1

Anm. 10 4. V e r w a n d t e V e r h ä l t n i s s e sind: Dienst-, Werk-, Mäklervertrag, Verwahrungsvertrag, Gesellschaft ( R G J W 1905, 682); Vollmacht ( R G 7 1 , 222); Schenkung; Kreditauftrag (§ 778); Kommissionsgeschäft ( H G B §§ 3 8 3 f r . ) ; Anweisung (Rechtspr. 10, 1 8 3 ) ; sog. Trödelvertrag, den im Gegensatz zum preuß. Recht das B G B nicht besonders regelt, preuß. A L R I, 1 1 §§ 5 1 1 — 5 2 6 : T r e u h a n d v e r h ä l t n i s . Einen typischen Treuhandvertrag gibt es nicht, der Inhalt ergibt sich vielmehr aus dem jeweiligen Auftrag R G 127, 345, wesentlich ist nur, daß das Treugut dem Treuhänder mit der Bestimmung übereignet worden ist, daß dieser das übertragene Recht zwar im eigenen Namen ausüben soll, aber nicht darüber zu verfügen und er nicht für sich verbrauchen soll, also die „ T r e u m a c h t " nicht über den Treuzweck hinaus im eigenen Interesse mißbrauchen darf ( R G Gruchot 1927, 5 5 1 ; R G 153, 353). Über die sog. uneigentliche Treuhand vgl. R G 121, 296. Giroverkehr ist nach den Vorschriften des Auftrags zu beurteilen.

§

6 6 3

Durch die Annahme eines Auftrags verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen. E I 58; II 593; M 2 525—530; P 2 3 J I , 352.

Anm. 1

A n n a h m e . Der Auftrag kommt zustande durch die Annahme. Es kann aber auch umgekehrt sich der Geschäftsführer erbieten und der Auftraggeber das Erbieten annehmen. In dieser Annahme des Erbietens liegt dann der „ A u f t r a g " . Auftrag wie Annahme bedürfen k e i n e r F o r m . Deshalb bedürfen auch der Auftrag zur E r w e r b u n g e i n e s G r u n d s t ü c k s f ü r den Auftraggeber und dessen Annahme n i c h t d e r F o r m des § 3 1 3 (RG 54, 75; 62, 3 3 5 ; J W 1925, 1760; 1926, 257). Die Vereinbarung, wonach der Beauftragte ein Grundstück zunächst als mittelbarer Stellvertreter des Auftraggebers in der Zwangsversteigerung erwerben und es an diesen auflassen soll, ist als geschäftliche Folge des Auftrags (§ 667) auch dann formfrei, wenn die Auflassung nicht alsbald nach der Ersteigerung des Grundstücks, sondern später erfolgen soll ( R G 54, 76; 64, 1 1 6 ) . Die Verpflichtungen des Beauftragten, insbesondere auch auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten (§ 667), entstehen von selbst durch die Annahme des Auftrags, die ebenso wie die Auftragserteilung auch durch schlüssige Handlungen erfolgen kann, z. B. durch Ausführung des Auftrags. Bezüglich der Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHGes. vgl. R G 50, 42. Der u n w i d e r r u f l i c h e A u f t r a g z u r G r u n d s t ü c k s v e r ä u ß e r u n g bedarf der Form des § 3 1 3 ( R G 2 2 . 4 . 1925 V 277/24). Die N i c h t i g k e i t d e s A u f t r a g s hat zur Folge, daß die vom Beauftragten vorgenommenen Rechtsgeschäfte als Geschäftsführung ohne Auftrag zu behandeln sind ( R G 90, 2 1 5 ) . Widerspruchsloses Dulden des Beginns der Geschäftsbesorgung, zu der der Besorger sich erboten hat, kann als Auftragserteilung angesehen werden ( R G 16. 2. 1907 V 284/06; 6. 6. 1907 V I 449/06). Der Beginn der Ausführung des erhaltenen Auftrags bedeutet dessen Annahme. Auch in der E n t g e g e n n a h m e d e r V o l l m a c h t s u r k u n d e zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts wird regelmäßig die Annahme des Auftrags, der mit der Vollmacht verbunden ist, zu finden sein. Bloßes Stillschweigen bedeutet in der Regel weder Annahme des Auftrags noch anderseits Auftragserteilung durch Annahme der Dienste; für Kaufleute gilt § 362 H G B ( R G 80, 229). — Übertragung in Form der Bitte (Rechtspr. 6, 87). R e i n g e s e l l s c h a f t l i c h e G e f ä l l i g k e i t begründet kein Auftragsverhältnis ( R G 65, 1 8 ; vgl. Anm. 9 § 661). Ist eine Mehrheit von Handlungen Gegenstand des Auftrags, ohne daß diese, wie bei einer Vermögensverwaltung, sich zu einer einheitlichen Tätigkeit zusammenschließen, wird z.B. einem Rechtsanwalt die Einklagung verschiedener Ansprüche gegen denselben Beklagten übertragen, so liegt darin regelmäßig auch eine Mehrheit von Aufträgen, die demgemäß teilweise angenommen, teilweise abgelehnt werden können. Insbesondere ist dies der Fall, wenn die mehreren Ansprüche mehreren Personen jeder für sich — Schadensersatzansprüche 44'

681

§ 662 A n m . 2, 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

der Familienmitglieder eines Getöteten nach § 844 — zustehen (RG 22. 9. 1905 II 4/05). Für eine Mehrheit von Auftraggebern oder Beauftragten gelten im übrigen die allgemeinen Bestimmungen der §§ 420 fr. Anm. 2 Verpflichtungen und H a f t u n g . Aus der A n n a h m e des Auftrags wird der Beauftragte zu d e s s e n A u s f ü h r u n g mit Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, d. i. u n t e r H a f t u n g f ü r j e d e s V e r s c h u l d e n (RG 8o, 229; 130, 30), nach § 276 verpflichtet. Er kann, wenn er sich beim Abschluße des ihm aufgetragenen Rechtsgeschäfts schuldhaft von einem dritten Vertragschließenden hat täuschen lassen, den Auftraggeber wegen des diesem entstandenen Schadens nicht an den Dritten verweisen. Der Bankier, der mit der Auszahlung einer Summe an einen Dritten gegen Vorzeigung eines Duplikatfrachtbriefs über versendete Ware beauftragt ist, hat die Legitimation des Empfängers und die Echtheit des Duplikatfrachtbriefs zu prüfen (RG L Z 1922, 510 1 ); das Lieferungsgeschäft selbst geht ihn nichts an (RG J W 1923, 294 16 ).Der Treuhänder, dem eine den Gläubigern des Eigentümers zur Sicherheit bestellte Hypothek eingetragen worden ist, ist beim Mangel ausdrücklicher Weisungen nicht verpflichtet, das Grundstück in der Zwangsversteigerung nötigenfalls für die Auftraggeber zu erstehen; er ist deshalb auch nicht gehindert, sich selbst beim Bieten zu beteiligen (RG J W 1918, 3814). Ob Beauftragter Eigentümer des vom Auftraggeber übergebenen Geldes geworden ist, ist Tatfrage und hängt vom Willen der Parteien ab (RG 101, 307). Es ist nicht zu vermuten. Hat das aufgetragene Geschäft die Abwendung einer dem Auftraggeber drohenden dringenden Gefahr zum Gegenstande, so wird es regelmäßig richtig sein, nach der für die Geschäftsführung ohne Auftrag in § 680 gegebenen Bestimmung auch für den Beauftragten eine Beschränkung der Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit als gewollt anzunehmen (s. § 680 Anm. 1); doch ist dies Frage tatsächlicher Beurteilung, die aus den Umständen des Falles zu entnehmen ist; eine allgemeine entsprechende Anwendung des § 680 auf alle Fälle des Auftrags möchte bedenklich erscheinen. — Die Haftung des Beauftragten für das V e r s c h u l d e n von G e h i l f e n ergibt sich aus § 278, ist aber in § 664 auch ausdrücklich ausgesprochen. Die N i c h t a n n a h m e des A u f t r a g s steht der Entstehung gewisser Pflichten gegen denjenigen, der den Auftrag erteilen wollte, dann nicht entgegen, wenn in Erwartung der Annahme von diesem schon Gegenstände ausgehändigt worden sind. Diese müssen zurückgegeben werden (RG 23. 10. 1903 III 169/03). Geschäftsbesorgungen, die dem Auftrag nicht entsprechen, kann der Beauftragte zurückweisen. Der Beauftragte hat keinen Anspruch auf die Ausführung des Geschäfts. Bei Unausführbarkeit des Auftrags Haftung nur wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag, K G DJZ 20, 155. Unverschuldete Unmöglichkeit hat der Beauftragte nicht zu vertreten. Der Beauftragte ist nicht verpflichtet, das Interesse des Auftraggebers zu prüfen, der es am besten selbst wahren kann. Die besondere Stellung des Beauftragten kann diese Prüfung aber erfordern und erheischen, daß der Auftraggeber auf das Interesse bedingt hingewiesen wird (Bankier, Rechtsanwalt). — Zur Ablehnung des Auftrags ist der Beauftragte gleichwohl nicht verpflichtet. Er haftet aber aus Verschulden bei Vertragsschluß. Beruht die Geschäftsführung auf gescchäftlicher Befugnis, so ist allein das Interesse des Betreuten, nicht dessen Wille maßgebend. Anm. 3 Die Unentgeltlichkeit der Geschäftsbesorgung, die das bezeichnende Merkmal des Auftragsverhältnisses im Sinne des BGB bildet, schließt die n a c h t r ä g l i c h e Gewährung einer Vergütung für die geleisteten Dienste nicht aus; ob darin alsdann eine nicht der Rückforderung und dem Widerrufe unterliegende Schenkung im Sinne des § 534 zu erblicken ist, ist Frage des einzelnen Falles; eine Schenkung liegt jedenfalls immer nur dann vor, wenn beide Teile über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind (vgl. R G 72, 188; 74, 139). Auch dadurch, daß der Auftraggeber dem Geschäftsbesorger die Möglichkeit offen läßt, von D r i t t e n eine Vergütung zu erhalten, wird das Vertragsverhältnis zwischen ihnen nicht zu einem entgeltlichen (RG 72, 188; 74) 139; WarnRspr. 1915 Nr. 168). Über die Stellung des einer armen Prozeßpartei 682

Auftrag

§663 Anm. 1—3

zugeordneten Rechtsanwalts zu dieser vgl. R G WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 204. Aus dem bloßen Verwandschaftsverhältnis kann die Unentgeltlichkeit von Diensten nicht entnommen werden ( R G 74, 1 3 9 ; J W 09, 670 26 ). Bei nahem Verwandtschaftsverhältnis kann mangels der Vereinbarung einer Vergütung zunächst die Unentgeltlichkeit der Geschäftsbesorgung angenommen werden (Mutter und Sohn); der Geschäftsbesorger hat dann darzutun, daß eine Vergütung dennoch gewollt sei (RG WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 169). O b G r a t i f i k a t i o n e n und T r i n k g e l d e r als Entgelt zu bewerten sind, ist Frage des einzelnen Falles. Wenn Gratifikationen in Aussicht gestellt, aber vom Belieben des Versprechenden abhängig bleiben, machen sie die Geschäftsbesorgung nicht zu einer entgeltlichen.

§663 Wer zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich erboten hat, ist, wenn er einen auf solche Geschäfte gerichteten Auftrag nicht annimmt, verpflichtet, die Ablehnung dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Das gleiche gilt, wenn sich jemand dem Auftraggeber gegenüber zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten hat. E I 587 II 594; M 2 530; P 2 353, 354.

Anm. 1 1 . Die B e d e u t u n g d e s § 6 3 3 , der nach § 6 7 5 auch auf die Dienst- und Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande haben, entsprechende Anwendung findet, beruht hauptsächlich auf dieser entsprechenden Anwendung; für die unentgeltlichen Aufträge kommt § 663 wenig in Betracht. I m Handelsverkehr gilt § 362 H G B ; über dessen vom B G B abweichende Regelung vgl. A n m . 3. Wo die besonderen Voraussetzungen des § 362 H G B , auf Geschäftsbesorgung gerichteter Gewerbebetrieb und Geschäftsverbindung mit dem Auftraggeber, nicht vorliegen, kommt auch im Handelsverkehr § 663 B G B zur Anwendung.

Anm. 2 Der Begriff der Öffentlichkeit ist für die b e s t e l l t e n u n d d i e s i c h e r b i e t e n d e n P e r s o n e n der gleiche (vgl. jedoch zu der entsprechenden Vorschrift in § 407 Z P O R G 50, 3 9 1 ) ; sie bedeutet, daß die Person dem Publikum, der Allgemeinheit zur Besorgung gewisser Geschäfte zur Verfügung stehen, sei es, daß sie von dritter Seite ihm zur Verfügung gestellt (bestellt) worden sind oder daß sie sich selbst zur Verfügung gestellt (erboten) haben. Die ö f f e n t l i c h e B e s t e l l u n g ist nicht notwendig eine behördliche; auch gemeinnützige Vereine können zur Geschäftsbesorgung öffentlich bestellen, indem sie bekanntmachen, daß diese Personen von Vereins wegen dem P u blikum für gewisse Dienste zur Verfügung gestellt sind. Nach dieser Begriffsbestimmung sind öffentlich bestellt nicht nur Rechtsanwälte (§ 30 R A O ) , Notare und Schiedsmänner, sondern auch Auskunftspersonen der Fremdenverkehrs- und Gebirgsvereine, der Ausstellungs- und Festspielauschüsse u. a . ; ö f f e n t l i c h e s E r b i e t e n liegt bei Patentanwälten, Mäklern, Spediteuren ( R G 104, 267), auch Ärzten soweit diese für die Besorgung von Geschäften in Betracht kommen, vor (s. Vorbem. 2), wenn sie durch öffentliche Anzeige in den Blättern, durch Anschläge an Säulen oder durch Schilder am Hause sich dem Publikum anbieten. Für R e c h t s a n w ä l t e gilt R A O § 3 0 , vgl. § 6 1 1 Vorbem. 61—68.

Anm. 3 Eine Verpflichtung zur Annahme des Auftrags besteht auch für die in § 663 bezeichneten Personen nicht. Einen R e c h t s z w a n g z u m A b s c h l u ß von Verträgen begründet die Vorschrift nicht; aber die Ablehnung ist dem Auftraggeber u n v e r z ü g lich, d . i . ohne schuldhaftes Zögern (§ 1 2 1 ; Rechtsfrage R G 49, 395; J W 06, 707 2 ), anzuzeigen. Das gilt auch, wenn der Auftrag an einen Dritten weitergegeben wird (RG 18. 1. 1926 I V 392/25). Die Unterlassung der Anzeige gilt aber nicht als Annahme, wie im Handelsverkehr nach § 362 H G B ; sie begründet nur eine Schadensersatzpflicht

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§ 663 A n m . 4 Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse § 6 6 4 A n m . 1—3 auf das negative Vertragsinteresse (§ 1 2 2 ; R G 104, 267), während § 3 6 2 H G B eine Schadensersatzpflicht auf das Erfüllungs- (positive Vertrags-) Interesse zur Folge hat. Die Schadensersatzpflicht aus § 663 ist keine vertragliche, sie erwächst auch nicht aus unerlaubter Handlung, vielmehr handelt es sich um einen Fall, in welchem das B G B die allgemein nicht geregelte Vertretung eines Verschuldens beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) anerkannt hat. In den Fällen, in denen das Stillschweigen als Annahme zu gelten hat, worüber § 1 5 1 sich verhält, ist auch außerhalb des Handelsverkehrs die Haftung auf das Erfüllungsinteresse begründet. Anm. 4 Auch dieses besondere Erbieten ist nicht rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern erst Einladung zum Vertragsangebot, wie sich dies bei dem allgemeinen öffentlichen Erbieten von selbst versteht.

§ 664 Der Beauftragte darf im Zweifel die Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten übertragen. Ist die Übertragung gestattet, so hat er nur ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Für das Verschulden eines Gehilfen ist er nach§ 278 verantwortlich. Der Anspruch auf Ausführung des Auftrags ist im Zweifel nicht übertragbar. E I ;88, 589 II 595; M 2 550—534; P 2 354—357.

Anm. 1 §664 findet e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g auf den Vorstand oder die Liquidatoren eines eingetragenen Vereins (§ 27 Abs. 3, § 48 Abs. 2), die geschäftsführenden Gesellschafter (§ 7 1 3 ; dazu R G J W 07, 830 6 ) und den Testamentsvollstrecker (§ 2 2 1 8 Abs. 1). Für den Dienst- oder Werkvertrag nach § 6 7 5 ist §664 Abs. 1 Satz 2 nicht entsprechend anwendbar (RG 1 6 1 , 70; 163, 378; a. M . ohne nähere Begründung B G H N J W 52, 257), es gelten beim Dienstvertrage § 6 1 3 , beim Werkvertrage § 2 6 7 . Auch die Vollmacht ist Vertrauensverhältnis wie der Auftrag. Für die mit einem Auftrage verbundene Vollmacht versteht sich die Anwendung des § 664 von selbst; aber auch ohne diese Verbindung muß die Unübertragbarkeit im Zweifel angenommen werden (RG J W 1 9 1 2 , 526 3 ). Anm. 2 Hinsichtlich der Übertragung der Ausführung enthält Satz 1 des § 664 lediglich eine Auslegungsregel, wie aus den Worten ,,im Z w e i f e l " hervorgeht. Wo ein anderer Parteiwille erhellt, ist dieser maßgebend. In vielen Fällen wird die Übertragung dem Parteiwillen wenigstens für den Fall entsprechen, daß der Beauftragte den Auftrag selbst auszuführen behindert sein wird. Maßgebend f ü r die Ermittlung des Parteiwillens ist insbesondere, inwieweit etwa das den Auftrag im allgemeinen beherrschende persönliche Vertrauensverhältnis im einzelnen Falle zurücktritt. Die Einfachheit des Geschäfts, und daß dieses ebensowohl von einem Dritten ausgeführt werden kann, lassen hierauf nicht ohne weiteres schließen ( R G J W 07, 741 7 ). Ü b e r t r a g b a r schlechthin bleibt der Anspruch auf Herausgabe nach § 667 und jeder andere Anspruch gegen den Beauftragten, z. B. Rechnungslegung, R G in J W 1931 5 2 5 1 0 . Anm. 3 Ist die Ü b e r t r a g u n g in dem Sinne gestattet, daß der zuerst Beauftragte ausscheiden und der von ihm Beauftragte an seine Stelle treten soll; so haftet der Beauftragte im allgemeinen nur für ein Verschulden bei der Übertragung, d. i. in der Auswahl und in der Unterweisung des von ihm weiter Beauftragten, nicht für dessen Verschulden und nicht für seine Beaufsichtigung (RG WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 167). Immerhin wird er seiner Pflichten seinem Auftraggeber gegenüber nicht völlig ledig. So hat z. B. der Versicherungsmakler den Auftraggeber zu benachrichtigen, R G 18. 1. 1926 I V 392/25.

684

Auftrag

§ 664 Anm. 4, 5 § 665 Anm. 1, 2

Hat dagegen der zuerst Beauftragte einem anderen nur die Ausführung in seinem Namen übertragen, so ist dieser ein Erfüllungsgehilfe i. S. des Satzes 3. Eine Unterscheidung zwischen Substituten und Gehilfen ist insofern nicht berechtigt ( R G 161, 68, 73; B G H NJW 52, 257). Ist die Übertragung n i c h t g e s t a t t e t , so hat der Beauftragte wegen des in der Unterübertragung liegenden vertragswidrigen Verhaltens allen auch sonst unverschuldeten Schaden, der aus der Übertragung entsteht, z u vertreten. Doch steht ihm der Nachweis frei, daß der Schaden auch ohne die Übertragung entstanden sein würde, wodurch der zunächst anzunehmende ursächliche Zusammenhang zwischen der Übertragung und dem Schaden ausgeschaltet wird. Das trotz der Unzulässigkeit der Übertragung auftragsgemäß ausgeführte Geschäft braucht der Auftraggeber regelmäßig nicht als Erfüllung gelten zu lassen ( R G 78, 317), es sei denn, daß er es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben anerkennen muß. Ein unmittelbares Verhältnis entsteht auch bei zulässiger Übertragung zwischen dem Unterbeauftragten und dem Auftraggeber nicht; nur die Rechtsbeziehungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677fr.) können eintreten.

Anm. 4 Unter der Zuziehung von Gehilfen ist im Gegensatz zur Ü b e r t r a g u n g d e r A u s f ü h r u n g des A u f t r a g s i m g a n z e n die Heranziehung Dritter zu nur unterstützender Mitwirkung zu verstehen ( R G 78, 310; eine Anwendung auf den Testamentsvollstrecker s. R J A 11, 271). Sie ist gestattet, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Ist letzteres der Fall, so hat die vertragswidrige Verwendung von Gehilfen dieselben Folgen wie die unerlaubte Übertragung (s. Anm. 3). Für unerlaubte Handlungen des Gehilfen haftet der Beauftragte nach §831. Uber einen Auftrag, an dessen Ausführung verschiedene Personen nacheinander beteiligt sind, R G 142, 184.

Anm. 5 Da der A n s p r u c h a u f A u s f ü h r u n g im Z w e i f e l n i c h t ü b e r t r a g b a r , ist er auch nicht pfändbar, nicht verpfändbar, nicht anfrechenbar, nicht Konkursgegenstand, nicht nießbrauchbar s. zu § 399. Die Bestimmung ist, wie die des Abs. 1 Satz 1, Auslegungsregel (s. zu 2).

§ 665 Der Beauftragte ist berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Der Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist. E 1590 N 596; M 2 335.536; p a 357. Anm. 1 Der Paragraph findet e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g für die Geschäftsbesorgung auf Grund eines Dienst- oder Werkvertrags nach § 675 sowie auf den Vorstand oder die Liquidatoren eines Vereins (§ 27 Abs. 3, § 48 Abs. 2) und den geschäftsführenden Gesellschafter (§713). Für die Liquidatoren einer offenen Handelsgesellschaft gilt nicht §665, sondern § 152 H G B . Er findet ferner Anwendung auf das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und seinem Vollmachtgeber, R G J W 1913, 921 8 .

Anm. 2 Die W e i s u n g e n des A u f t r a g g e b e r s sind die im Vertrage enthaltenen oder vorbehaltenen Umgrenzungen der Tätigkeit des Beauftragten. Liegen bestimmte Weisungen vor, so hat der Beauftragte nicht zu prüfen, ob ihre Befolgung für den Auftraggeber vorteilhaft ist ( R G 54, 329). Ist der Beauftragte gerade um seiner Sachkunde willen beauftragt worden, so muß er beraten und warnen ( R G 69, 26). Die Anweisungen müssen stets genau befolgt werden (RG 105, 48), besonders bei einem Akkreditiv-

685

§ 665 A n m . 3—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

vertrag ( R G 106, 28). Beim A k k r e d i t i v a u f t r a g ist schon eine geringfügige Abweichung unzulässig. Die Bedeutung der Weisung ist jedoch nach §§ 157, 133 zu beurteilen. Sonstige n a c h t r ä g l i c h e W e i s u n g e n braucht der Beauftragte nur zu befolgen, wenn sie die Ausführung des Auftags nicht erschweren. Sie stellen einen Widerruf des ursprünglichen anders gearteten Auftrags dar, verbunden mit einem neuen Auftrage, den der Beauftragte ablehnen darf. Tut er dies nicht, so muß er die neuen Weisungen befolgen. Beim Mangel bestimmter Weisungen hat der Beauftragte das Interesse des Auftraggebers nach Maßgabe der Sachlage wahrzunehmen ( R G J W 05, 43 5 ). Wie der Auftrag selbst, können auch die Weisungen vom Auftraggeber jederzeit widerrufen werden ( R G 90, 133). Wenn Auftraggeber und Beauftragter in einem Gesellschaftsverhältnis mit einem Dritten stehen, beeinflußt dies den Inhalt des Auftrags dahin, daß immer die Interessen der Gesellschaft zu wahren sind ( R G 25. 1. 1926 I V 443/25)-

Anm. 3 Die A b w e i c h u n g setzt einen Widerspruch mit den Weisungen des Auftraggebers, wie sie erkennbar im Vertrage enthalten sind, voraus ( R G J W 1 9 1 2 , 910 6 ). Eine andersartige Ausführung, die als in der Richtung der Willensmeinung des Auftraggebers liegend angesehen werden darf, ist keine Abweichung ( R G 56, 149). Eine Ausführung des aufgetragenen Geschäfts unter dem Auftraggeber günstigeren Bedingungen, als die Weisungen vorschrieben, ist ebenfalls regelmäßig keine Abweichung. Ebensowenig ein Handeln über die Weisungen hinaus, aber nicht ihnen zuwider, wenn der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, das ausgeführte Geschäft, soweit es außerhalb des Auftrags liegt, abzulehnen; innerhalb der Grenzen des letzteren ist er dann gebunden. Der erstinstanzliche Rechtsanwalt, der ohne besonderen Auftrag Berufung eingelegt hat, ist zu deren Zurücknahme ohne die Zustimmung der Partei nicht berechtigt ( R G WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 414). — Die u n s t a t t h a f t e Abweichung von den Weisungen ist Vertragsverschulden und macht den Beauftragten für allen, auch den zufällig daraus entstandenen S c h a d e n h a f t b a r . Der Auftraggeber braucht das G e s c h ä f t n i c h t a l s f ü r i h n e r f o l g t gelten zu lassen; will er sich aber dessen Vorteile aneignen, so muß er auch die Abweichungen genehmigen, ( R G 1 0 6 , 3 1 ; 1 0 5 , 5 3 ; 9 0 , 1 3 1 ; 1 1 4 , 3 7 7 ) . I s t die vertragsmäßige Ausführung noch möglich, so kann er diese verlangen; macht ihn der Beauftragte von den Nachteilen frei (vgl. § 386 Abs. 2 H G B ) , so ist der Auftraggeber zur Genehmigung für verpflichtet zu erachten. Vgl. über alles dies R G 57, 392. Bei der entsprechenden Anwendung im Falle des § 675 kommen die §§ 325 u. 326 in Betracht ( R G ebenda).

Anm. 4 Die A b w e i c h u n g i s t g e r e c h t f e r t i g t , wenn die Sachlage sie sachlich vernünftig erscheinen läßt und der Beauftragte nach seiner Kenntnis von der Willensmeinung des Auftraggebers dessen Genehmigung erwarten darf. Insbesondere gilt dies, wenn durch die Abweichung Schaden von dem Auftraggeber abgewendet wird. Die Abweichung kann, wie aus dem Schlußsatz des Paragraphen hervorgeht, unter Umständen zur Pflicht werden. Ob das aufgetragene Geschäft für den Auftraggeber vorteilhaft ist, hat der Beauftragte beim Vorhandensein bestimmter Weisungen nicht selbständig zu prüfen ( R G 54, 329; bankmäßiger G i r o v e r k e h r ) ; doch wird, insbesondere bei der entsprechenden Anwendung nach § 675, zu gelten haben, daß der sachverständige Beauftragte, dessen Dienste in dieser Eigenschaft in Anspruch genommen werden, den nicht selbst fachkundigen Geschäftsherrn auf schwerwiegende Bedenken gegen die Ausführung des Geschäfts nach dessen Weisungen aufmerksam machen muß (vgl. R G J W 05, 20 1 8 ; Werkvertrag). Die Zulässigkeit der Abweichung ist vom Beauftragten nachzuweisen ( R G 90, 1 3 1 ; H R R 1931 Nr. 405). Der Beauftragte hat aber in diesen Fällen wenigstens nachträglich den Auftraggeber von der Abweichung von seinen Anweisungen zu benachrichtigen, R G 1 1 4 , 375.

Anm. 5 V o r h e r i g e Anzeige und A b w a r t u n g d e r Entschließung (vgl. R G 105, 53). Die letztere erfordert in der Regel eine ausdrückliche Äußerung des Auftraggebers.

686

Auftrag

§ 665 Anm. 6 § 666 Anm. 1—3

S t i l l s c h w e i g e n ist im allgemeinen nicht als Zustimmung zu erachten (vgl. R G 6o, 187 zu § 8 5 H G B ) ; dies ist aber dann anzunehmen, wenn der Beauftragte die Ausführung des Auftrags mit der Abweichung für den Fall des Ausbleibens eines Widerspruchs angekündigt hat. Wenn die Abweichung mit Recht erfolgt und auch die vorgängige Benachrichtigung wegen Gefahr im Verzug mit Recht unterblieben ist, so muß doch wenigstens n a c h t r ä g l i c h alsbald eine Benachrichtigung des Auftraggebers erfolgen. Unterbleibt sie, so haftet der Beauftragte für den Schaden, der durch die Unterlassung verursacht worden ist ( R G 1 1 4 S. 375, 377).

Anm. 6 Die Beweislast für die G e f a h r d e s A u f s c h u b s trifft den Beauftragten.

§ 666 Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichenNachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. E I

591 I I

S97;

M

2

537. 538; P 2

357—360-

Anm. 1 E n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g findet der Paragraph nach §§ 675, 27 Abs. 3, 48 Abs. 2, sowie auf die Geschäftsführung ohne Auftrag (§681 Abs. 1), auf den geschäftsführenden Gesellschafter ( § 7 1 3 ) und den Testamentsvollstrecker ( § 2 2 1 8 Abs. 1 ; s. dazu WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 8). Über eine entsprechende Anwendung bei fahrlässiger Verletzung des Urheberrechts R G WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 232; auf den Lizenznehmer, R G 13. 1. 1932 I 148/31; ferner, wenn ein Schadensersatzberechtigter bei Erfüllung der Vertragsverpflichtungen des Ersatzpflichtigen und ohne dessen die Schadensersatzpflicht begründete Handlung einen Anspruch nach § 666 aus seiner Geschäftsführung gegen einen Dritten erworben haben würde ( R G 89, 99). Außerhalb einer Rechtspflicht kann der Ersatzpflichtige nicht gezwungen werden, den Berechtigten im Wege der Rechnungslegung zur Begründung einer Forderung zu verhelfen. Anm. 1 zu § 239. Wegen seiner Erstattungsansprüche hat der Beauftragte k e i n Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t an diesen Verpflichtungen ( R G 102, 1 1 0 ) . Auch nicht bei gegenseitiger Pflicht zur Rechnungslegung ( R G 22. 4. 1925 V 277/24).

Anm. 2 Die A u s k u n f t über den Stand des Geschäfts ist n u r a u f V e r l a n g e n zu erteilen; die erforderlichen, d. i. der Sachlage entsprechenden N a c h r i c h t e n , namentlich über die Ausführung des Geschäfts oder über Hindernisse der Ausführung, Veränderung der Geschäftslage, Erledigung des Geschäfts ( R G J W 1 9 1 2 , 910 6 ) sowie die Notwendigkeit von Vorschüssen sind a u c h o h n e V e r l a n g e n des Geschäftsherrn zu geben ( R G Gruchot 49, 834). Girobanken brauchen nicht die Zahlungseinstellung des Girokunden zu melden ( R G 54, 329). Der mit der Erwirkung eines Patents beauftragte Patentanwalt hat, solange der Auftrag noch nicht vollständig ausgeführt ist, die Fälligkeit der Jahresgebühren für die Erhaltung des Patents zu überwachen und den Auftraggeber darauf aufmerksam zu machen ( R G 69, 26).

Anm. 3 Die R e c h e n s c h a f t s p f l i c h t ist eine Folge der Besorgung fremder Angelegenheiten ( R G 73, 286). Die R e c h e n s c h a f t s a b l e g u n g begreift nach § 259 auch die Rechnungslegung nebst Vorlegung der Belege, wo diese mitgeteilt zu werden pflegen, und die Leistung des Offenbarungseides. Uber die Ausantwortung der Belege verhält sich § 667. Rechnung ist nach Erlöschen des Auftrags in jedem Falle zu legen, auch wenn das Geschäft nicht zu Ende geführt wurde ( R G 56, 1 1 6 ) . Sind jedoch p e r i o d i s c h e R e c h n u n g e n während der Geschäftsführung gelegt worden, so braucht nicht noch eine die ganze Geschäftsführung umfassende Schlußrechnung, sondern nur eine

687

§ 666 Anm. 4, 5 § 667 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

abschließende Rechnung für die letzte Periode gelegt zu werden (RG Gruchot 49, 834). Die Rechnungslegung ist keine unteilbare Leistung (RG 20, 312). Periodische Rechnungslegung ist unter Umständen eine Pflicht, die sich schon aus der Pflicht zur Auskunftserteilung ergibt (RG J W 1916, 673). Eine Rechnung muß auch gelegt werden, wenn nichts eingenommen wurde. Auch eine mit Mängeln belastete Abrechnung stellt eine Rechnungslegung dar, wenn sie eine geordnete Darstellung der Einnahmen und Ausgaben unter Beifügung der Belege enthält, eine verständliche rechnungsmäßige Übersicht und die Möglichkeit gibt, an der Hand der Belege die Rechnung zu prüfen (RG LeipzZ 1917, 1251 1 7 ). Für die Rechnungslegung an mehrere Auftraggeber gilt § 432. Im Falle der Geschäftsbesorgung auf Grund eines Dienstvertrags nach § 675 bildet die Rechnungslegung den Abschluß der Dienste; vor der ordnungsmäßigen Rechnungslegung kann der Dienstverpflichtete daher keine Vergütung der Dienste fordern (RG J W 07, 479 11 ); die Verpflichtung des Beauftragten und Geschäftsführers zur Rechenschaftsablage und Rechnungslegung erscheint gegenüber Ansprüchen des Beauftragten aus der Geschäftsführung als Vorleistungspflicht; deshalb kann der Beauftragte auch eine Zurückbehaltung dieser Leistung wegen etwaiger Gegenansprüche nicht geltend machen (RG 102, 110). Entsteht dem Auftraggeber durch die Versäumung der Verpflichtungen aus § 666 ein Schaden, so ist dafür der Beauftragte ersatzpflichtig. Aber die Rechnungslegung ist nur ein R e c h t des Geschäftsherrn; dieser ist nicht gehindert, anstatt Rechnungslegung zu fordern, die Rechnung selbst aufzumachen (RG J W 1911, 95 18 ); auch in diesem Falle trifft den Beauftragten die Beweispflicht über den Verbleib der Einnahmen; das rechtliche Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und Beauftragten wird dadurch nicht geändert (RG WarnRspr. 1915 Nr. 169; L Z 1916, 16429). — Zwingendes Recht enthält der Paragraph auch in der dem Beauftragten zur Pflicht gemachten Rechenschaftsablegung nicht. Uber einen stillschweigenden Verzicht vgl. RG WarnRspr. 1915 Nr. 277, insbesondere wenn die Rechnungslegung jahrelang nicht verlangt wird, RG L Z 23, 314. Der Beauftragte hat nach Erledigung die H a n d akten h e r a u s z u g e b e n , ebenso andere Belege (RG 3. 12. 1920 115/20). Anm. 4 Für die Bemessung der Anforderungen, die an die Vertragstreue eines Beauftragten zu stellen sind, bieten die für den K o m m i s s i o n ä r geltenden Vorschriften des HGB §§ 384, 387, 400 u. 401 auch in den Fällen, in denen sie nicht unmittelbare Anwendung finden können, einen naheliegenden Maßstab. Schließt der Beauftragte zu vorteilhafteren Bedingungen ab, als der Auftraggeber annahm, kauft er zu einem geringeren als dem ihm gesetzten Preise ein, so kommt dies dem Auftraggeber zustatten (§§ 387; 401 HGB; RG WarnRspr. 08 Nr. 464). Vgl. Anm. 3 zu § 667. Anm. 5 Der Anspruch aus § 666 kann nicht für sich allein abgetreten oder durch Pfändung zur Einziehung überwiesen werden; RG H R R 1931 Nr. 107.

§667 Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. E 592 II 598; M 2 538, 539; P a 360—365.

Anm. 1 Die Bestimmung findet entsprechende A n w e n d u n g nach §§ 675, 27 Abs. 3» 48 Abs. 2 681 Satz 2, 713, 2218 Abs. 1, auch für den Vormund und amtlich bestellten Pfleger RG 164, 98. Auch sie ist nicht zwingendes Recht, sondern läßt abweichender Vereinbarung Raum (RG WarnRspr. 1915 Nr. 168). Der in § 667 zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke kann auch im ö f f e n t l i c h e n R e c h t Anwendung finden, soweit nicht eigene Maßregeln dafür gegeben sind. So können einem Beamten gegebene Bestechungsgelder nicht nach § 667 herausverlangt werden, weil die Einziehung nach 688

Auftrag

§667 Anni. 2—4

S t G B § 335 erfolgen kann. Ist die Durchführung des Strafverfahrens gegen den Beamten nicht möglich und eine Verfallerklärung nach S t G B § 335 unterblieben, so kann der Anspruch des Staats auf das zu Bestechungszwecken Gegebene nicht auf § 667 gestützt werden; R G 146, 195.

Anm. 2 2 E r h a l t e n hat der Beauftragte, was ihm der Auftraggeber an Geld, Urkunden, Karten, Zeichnungen, Gerätschaften zum Zwecke der Ausführung des Auftrags übergeben hatte (vgl. den Fall R G J W 1 9 1 2 , 34 2 0 ; R G 3, 18). O b der Beauftragte Eigentümer erhaltenen Geldes wird, ist nach dem Willen des Auftraggebers und der Natur des Geschäfts im einzelnen Falle zu beurteilen ( R G 1 0 1 , 307). Insbesondere gehört zu den erhaltenen Gegenständen die zur rechtsgeschäftlichen Vertretung etwa erteilte Vollmachtsurkunde.

Anm. 3 Aus der Geschäftsbesorgung e r l a n g t sind die Sachen, Rechte und Ansprüche, die der Beauftragte infolge der Geschäftsführung von Dritten tatsächlich empfangen hat, mit den darauf bezüglichen Urkunden, Zubehörstücken, Früchten, Zinsen und Nutzungen. Auch die Belege über Einnahmen und Ausgaben sowie über die Geschäftsführung überhaupt gehören hierher, sowie die Akten, die der Beauftragte über die Geschäftsbesorgung geführt hat ( R G 105, 3 9 3 ) : über die Handakten des Rechtsanwalts s. die folgende Anmerkung. Unter den Begriff des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten fällt grundsätzlich auch jeder für den Beauftragten persönlich bestimmte Vorteil, der ihm aus einem mit der Geschäftsführung innerlich zusammenhängenden Grunde zugewendet ist und die Besorgnis zu rechtfertigen geeignet ist, der Geschäftsführer könne durch ihn veranlaßt sein oder werden, die Belange des Geschäftsherrn nicht nach jeder Richtung auf das Gewissenhafteste zu berücksichtigen R G 154, 3 1 4 ; 164, 98; Vermittlungsgebühren und Preisnachlässe, Sonderprovisionen und sog. Schmiergelder, die dem Beauftragten bei Abschluß eines Rechtsgeschäfts in Verbindung mit diesem von der Vertragsgegenseite bewilligt werden, sind aus der Geschäftsbesorgung, also für Rechnung des Auftraggebers, 'erlangt und deshalb dem Auftraggeber herauszugeben; ein entgegenstehender Wille des Gebers, der Vertragsgegenseite, kommt nicht in Betracht ( R G 96, 5 3 ; 99, 36; 146, 205). O b der Geschäftsherr denselben Nutzen gezogen haben würde wie der Beauftragte, ist gleichgültig. Zuwendungen dagegen, die dem Beauftragten nur a n l ä ß l i c h der Geschäftsbesorgung, insbesondere nach Abschluß des Geschäfts, ausdrücklich oder nach der Sachlage schlüssig für seine eigene Person gemacht werden, verbleiben ihm und sind nicht aus der Geschäftsführung erlangt ( R G 5 5 , 8 6 ; 9 9 , 3 3 ) . Was der Beauftragte einzuziehen hatte, aber nicht eingezogen hat, schuldet er nicht auf Grund des § 667 ( R G 53, 327).

Anm. 4 Das Erhaltene wie das Erlangte ist nach Beendigung des Auftrags dem Auftraggeber h e r a u s z u g e b e n , soweit es nicht für die Zwecke der Geschäftsbesorgung verbraucht ist ( R G 30. 10. 1 9 1 1 V I I 2 0 3 / 1 1 ) . Die Grundsätze über Vorteilsausgleichung finden regelmäßig hier keine Anwendung, R G 2 1 . 2. 1932 I I I 2 5 1 / 3 1 . Der Anspruch auf Herausgabe kann abgetreten werden, R G 1 2 1 , 296; 124, 33. — Der Beauftragte muß, wenn er Eigentum erlangt hat, das Eigentum dem Auftraggeber übertragen ( R G L Z 1 9 1 2 , 72; R G 72, 197). Denn der Herausgabeanspruch ist ein persönlicher, kein dinglicher. Es gibt auch für Forderungen keine gesetzliche Zession. Die Herausgabepflicht ist nicht abhängig von vorgängiger Rechenschaftsablage, die nur ein Recht des Geschäftsherrn ist ( R G 54, 75; 59, 190). Der Anspruch ist übertragbar ( R G Recht 1908 Nr. 734). Der Auftraggeber, der ohne solche auf Zahlung einer bestimmten Summe klagt, übernimmt damit keine Beweispflicht über den Verbleib der Einnahmen; er hat so viel anzuführen, daß sein Anspruch aus seinem Vertrage schlüssig sich ergibt, und die wirklichen oder nach der Sachlage anzunehmenden Einnahmen darzutun; w o diese geblieben sind, hat der Beauftragte nachzuweisen ( R G 90, 1 3 4 ; WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 169; 1920 Nr. 158). Verschuldetes Abhandenkommen erzeugt die Verpflichtung

689

§ 668 A n m . 1 , 2 § 669 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

z u m Schadensersatz (RG 97, 236; 98, 100), wobei den Beauftragten die Beweislast trifft, d a ß er ohne Verschulden ist (RG 98, 100). Für zufälligen U n t e r g a n g steht der Beauftragte nicht ein. — Für das Verhältnis zwischen Auftraggeber u n d Beauftragtem ist es im übrigen gleichgültig, ob der letztere das aufgetragene (Rechts-) Geschäft im eigenen N a m e n oder auf den N a m e n des Geschäftsherrn abschließen sollte u n d abgeschlossen h a t ; die Herausgabepflicht ist die gleiche (RG 54 S. 75 u. 103; 59, 190 Sicherheitsübertragung). Der unmittelbare Vertreter berechtigt u n d verpflichtet d u r c h seine Geschäftsführung ohne weiteres den Auftraggeber; der mittelbare Vertreter berechtigt (vgl. R G J W 1910, 1000 5 ) u n d verpflichtet d u r c h das abgeschlossene Geschäft allein sich; die Herausgabepflicht schließt im letzteren Falle mithin die Pflicht der Rechtsü b e r t r a g u n g (Auflassung, A b t r e t u n g R G J W 07, 830 6 ; 1911, 58i 2 3 ), beim T r e u h ä n d e r verhältnis die R ü c k ü b e r t r a g u n g ein (RG 54, 103; 58, 273). Sie erstreckt sich bei befugter U n t e r b e a u f t r a g u n g (§ 664) ferner auf das von d e m U n t e r b e a u f t r a g t e n Erlangte. — Der Rechtsanwalt h a t seine H a n d a k t e n nicht als Ganzes d e m Auftraggeber herauszugeben, sondern n u r die den beiden G r u p p e n des § 667 entsprechenden Stücke, also nicht die Teile, die seine eigenen Arbeiten u n d Briefschaften enthalten; soweit die Herausgabe nicht geboten ist, tritt die Vorlegungspflicht n a c h §§ 810, 811 ein (RG 3. 12. 1920 I I I 115/20). H e r a u s g a b e eines Inbegriffs n a c h §§260, 2 6 1 ; über verwendetes Geld s. § 668. U b e r Belassung an Stelle der Herausgabe, w e n n der Auftraggeber den herauszugebenden Gegenstand in seinen Besitz gebracht hat, vgl. R G 72, 192. Geschenke u n d sonstige Vorteile sind ebenfalls herauszugeben (RG 96, 53), sogar Schmiergelder (RG 99, 3 1 ) . W e n n aber Geschenke r e i n p e r s ö n l i c h e Z u w e n d u n g e n sind, b r a u c h t der Beauftragte sie nicht herauszugeben, R G 55, 91. Dienen sie Bestechungszwecken, sind sie d e m Staate verfallen. Die V e r j ä h r u n g des Herausgabeanspruchs ist die gewöhnliche des § 195, a u c h wenn das Verhalten des Beauftragten zugleich den T a t b e s t a n d einer unerlaubten H a n d l u n g erfüllt (RG 96, 53).

§668 Verwendet der Beauftragte Geld für sich, das er d e m Auftraggeber herauszugeben oder für ihn zu verwenden hat, so ist er verpflichtet, es von der Zeit der V e r w e n d u n g an z u verzinsen. EI

593

IX 5 9 9 ; Mi

540;

Pa

365.

Anm. 1 Entsprechend anwendbar § § 6 7 5 , 681, 7 1 3 2218 Abs. 1.

ist der

P a r a g r a p h n a c h § 27 Abs. 3, § 4 8 Abs. 2,

Anm. 2 2. V e r z i n s u n g s p f l i c h t . Die Bestimmung, die in gleicher Weise f ü r den Verwahrer (§698) u n d den V o r m u n d (§ 1834) gegeben ist, bezieht sich n u r auf v e r w e n d e t e s G e l d . Die tatsächliche V e r w e n d u n g genügt zu ihrer A n w e n d u n g ; die Beweislast f ü r diese trifft den Auftraggeber. Die Verzinsungspflicht schließt w e i t e r g e h e n d e n S c h a d e n s e r s a t z bei Verschulden des Beauftragten, sei es aus d e m Vertrage, sei es aus unerlaubter H a n d l u n g , nicht aus.

§669 Für die zur A u s f ü h r u n g des A u f t r a g s erforderlichen A u f w e n d u n g e n hat der Auftraggeber d e m Beauftragten auf Verlangen V o r s c h u ß z u leisten. EI

J94

II

600;

M l J39,

540;

Pl

365.

Anm. 1 1. Der P a r a g r a p h findet e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g in den Fällen der §§ 27 Abs. 3, 48 Abs. 2, 675, 713, ferner §§ 1694 Abs. 1, 1835 Abs. 1, 1 9 1 5 Abs. 1 (Beistand, V o r m u n d u n d Gegenvormund, Pfleger).

690

Auftrag

§ 669 Anm. 2, 3 § 670 Anm. 1

Anm. 2 2. Die e r f o r d e r l i c h e n A u f w e n d u n g e n — s. darüber des näheren zu § 670 — sind

die nach der Sachlage (objektiv) gebotenen.

Anm. 3 Die V o r s c h u ß p f l i c h t entfällt, wenn sie mit der Natur des einzelnen Auftrags nicht vereinbar und deshalb als wegbedungen anzusehen ist; so bei der Übernahme einer Bürgschaft infolge Auftrags (s. zu § 775). — Die V e r w e i g e r u n g d e s v e r l a n g t e n V o r s c h u s s e s berechtigt den Beauftragten nur, v o n d e r A u s f ü h r u n g d e s A u f t r a g s a b z u s t e h e n ( R G 82, 400); sie gibt ihm aber k e i n K l a g e r e c h t auf die Leistung (Mot. 2, 540), es sei denn, daß auch ein Recht auf die Ausführung bestände, wie beim Dienstvertrag (§675). (bestr.). Verschuldete Weigerung kann auch einen Schadensersatz anspruch des Beauftragten begründen. Die Verpflichtung des Beauftragten, von der Notwendigkeit des Vorschusses dem Auftraggeber rechtzeitig Mitteilung zu machen, ergibt sich aus § 666. Eine V e r a u s l a g u n g s p f l i c h t des Beauftragten besteht nicht, wenn er sie nicht vertragsmäßig übernommen hat ( R G J W 08, 324 4 : Vorschußpflicht im Falle der Bestellung von Lotterielosen zum gemeinsamen Spiel durch einen von den andern beauftragten Mitspieler; R G 77, 29; der Gefälligkeitsakzeptant eines Wechsels braucht nicht mit Zahlung der Wechselsumme dem Aussteller gegenüber in Vorschuß zu gehen; des letzteren Sache ist es, Deckung zu schaffen). Die Beweislast dafür, daß Vorschuß gegeben ist, trifft den Auftraggeber ( R G SeuffArch. 61 Nr. 8 1 ) .

§670 Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersätze verpflichtet. E I 59j Abs. 1 II 601 Abs. I ; M 2 541; P 2 365—369.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Allgemeines Begriff der Aufwendung Ersatz von Zufallschäden Z u m Zwecke der Ausführung Erforderlich Ersatz

Anm.

i, 2 3 4, 5 6 7 8

Anm. 1 § 670 enthält k e i n e G e s a m t r e g e l u n g ü b e r d e n E r s a t z v o n A u f w e n d u n g e n . Soweit sie objektiv erforderlich sind, ergibt sich vielmehr die Ersatzpflicht aus dem allgemeinen Grundsatz, wie er in §§ 450 I, 547, 601, 994 u. a. zum Ausdruck gekommen ist, daß nämlich die Kosten für die Ausführung eines Geschäfts oder bestimmter Handlungen von demjenigen zu tragen sind, in dessen Interesse das Geschäft oder die Handlungen vorgenommen sind, es sei denn, daß sie auch im Interesse der Handelnden erfolgen oder die Aufwendungen aus der gewährten Vergütung zu decken sind. Eine Ersatzpflicht ist auch dann gegeben, wenn die Ausführung nach bestimmten Weisungen des Auftraggebers, die Aufwendungen erwarten lassen, erfolgen soll oder der Beauftragte auf die Entstehung solcher Aufwendungen vorher hingewiesen hat, da alsdann eine ausdrückliche oder stillschweigende Gewährleistung anzunehmen ist. Das ist aber nicht möglich, wenn der Beauftragte ohne vorherige Benachrichtigung oder womöglich unter Überschreitung der Anweisungen gemäß § 665 die Aufwendungen selbständig, aus eigenem Entschluß gemacht hat. Damit er dann, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Aufwendungen nicht nötig waren, sie nicht endgültig tragen muß, obwohl er im Interesse des Auftraggebers gehandelt hat und keinerlei Vergütung erhält, sieht § 670 eine Ersatzpflicht auch schon für den Fall vor, daß der Beauftragte

691

§ 670 Anm. 2—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

bei Ausführung des Auftrags nach sorgfältiger Prüfung und Beachtung aller Umstände die Aufwendung für erforderlich halten konnte. Diese Bestimmung ist also ebenso wie die §§ 666 bis 669 darauf abgestellt, daß der Beauftragte in eigenem Namen selbständig für einen anderen handelt und keinerlei Vergütung erhält. Das Gesetz sieht daher eine entsprechende Anwendung nur in den Fällen vor, in denen ein Käufer, Mieter, Verleiher, Besitzer, Pfandgläubiger, Erbe, Aufwendungen im Interesse des anderen Beteiligten macht (§§450 II, 547 II, 601, 994, 1216, 1959) oder als Vorstandsmitglied eines Vereins, Geschäftsführer einer Stiftung oder Gesellschaft, als Vormund, Pfleger, Testamentsvollstrecker oder Nachlaßverwalter handelt (§§27, 86, 713, 1835 II, 1972, 2218 II). Dagegen ist sie nicht ohne weiteres auf andere Vertragsverhältnisse anwendbar, bei denen die Stellung des Handelnden nicht so selbständig ist, er nur als unselbständiger Gehilfe des Auftraggebers auftreten kann, diesem allein die Entscheidungsbefugnis darüber zusteht, ob gewisse Aufwendungen gemacht werden dürfen und sollen, insbesondere nicht bei Arbeitsverhältnissen (vgl. § 675 Anm. 1). Anm. 2 Die Pflichten des Auftraggebers hinsichtlich der Erstattung der Aufwendungen bestimmen sich nach deutschem Recht, wenn er in Deutschland seinen Wohnsitz hat und nichts Gegenteiliges vereinbart oder aus den Umständen zu entnehmen ist (RG L Z 1922, 512 2 ). Anm. 3 2. Aufwendungen sind Leistungen, die der Beauftragte aus seinem Vermögen zwecks Ausführung oder infolge der Ausführung macht (RG 122, 303); in erster Linie Verausgabungen an G e l d , dann auch übernommene Verbindlichkeiten oder die Aufgabe eigener Forderungen (durch Aufrechnung gegen Dritte) RG 122, 303; 1 5 1 , 99. Dazu gehören auch die Aufwendungen, die der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags selbst machte (Zahlung an einen Dritten zur Erfüllung eines Zahlungsauftrags; R G 106, 28; 95, 5 1 ) ; sowie die Aufwendungen, die zwar nicht zum Zwecke der Ausführung des Auftrags gemacht wurden, aber eine notwendige Folge dieser Ausführung waren (Umsatzsteuer RG 75, 208). Dagegen n i c h t die O p f e r an e i g e n e r A r b e i t s k r a f t und Abnutzung von Sachen; denn die letztere hat der Beauftragte dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Auch der Verlust an Verdienst während der dem Auftrage gewidneten Zeit ist der Regel nach nicht als Aufwendung zu betrachten, da mit der Arbeitskraft auch die Arbeitszeit in den Dienst des Auftrags gestellt ist; ein anderes kann aber unter Umständen aus der Sachlage als gewollt hervorgehen (RG 20. 1. 1921 V I 415/20). Auch sind—in entsprechender Anwendung von § 1835 Abs. 2 — D i e n s t e des Beauftragten, die seinem G e w e r b e oder B e r u f e angehören, dann als Aufwendungen anzusehen, wenn sie in der Ausführung des Auftrags erforderlich werden, ohne daß dieser sie schon an sich zum Gegenstande hat (Prozeßführung durch einen Rechtsanwalt, die in einer übernommenen Vermögensverwaltung erforderlich wird; RG 20. 1. 1921 V I 415/20). Anm. 4 3. Zufallsschäden. Eine Haftung für Schäden des Beauftragten ist gegeben, wenn sie auf ein Verschulden des Auftraggebers zurückzuführen sind, sei es, daß dieses bereits in der Erteilung des Auftrages (Verschweigen einer drohenden Gefahr), in besonderen Anweisungen oder in besonderen Handlungen liegt. Ist ein solches Verschulden nicht gegeben, so kann eine Haftung auch aus einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Gewährleistung begründet sein, wenn die Ausführung des Auftrages notwendig mit Gefahren verbunden ist oder beide Teile mit möglichen Gefahren gerechnet haben oder rechnen mußten, wie z. B. bei Einfangen eines tollen Hundes, bei Lösch- und Rettungsarbeiten oder wenn der Beauftragte auf die Gefahren hingewiesen, der Auftraggeber trotzdem auf Ausführung bestanden hat (RG 94, 169; 98, 195; 122, 302; J W 31, 3491; 37, 2670). Fehlen diese Voraussetzungen, so ergibt sich ein Ersatzanspruch unmittelbar aus § 670, wenn der Beauftragte sich selbst oder seine Sachen bewußt zur Bekämpfung einer drohenden Gefahr, z. B. zum Ersticken des Feures, zur Abschirmung gegen weitere Ausbreitung des Feuers oder einer drohenden Explosion, zur Abdichtung 692

Auftrag

§670

Anm. 5, 6

eines Wasserrohrbruchs u. dgl. eingesetzt hat. Ist aber dem Beauftragten ohne solches bewußtes Einsetzen ein unerwarteter Schaden entstanden, so wurde früher eine Ersatzpflicht abgelehnt, weil kein freiwilliges Vermögensopfer vorliege ( R G J W 09, 3 1 7 ; H H R 1931 Nr. 286), insbesondere wurde auch den Hinterbliebenen jeglicher Anspruch versagt ( R G 122, 305). D a dieses aber immer weniger dem allgemeinen Billigkeitsgefühl entsprach, wurde später eine Haftung für solche Schäden des Beauftragten selbst aus den verschiedensten Gründen hergeleitet, so aus einer Ausdehnung des Aufwendungsbegriffes auf diese Fälle, einer stillschweigenden Gewährleistung, was bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag freilich nicht möglich ist (RG 167, 88), aus den allgemeinen Grundsätzen über Aufopferung, insbesondere § 75 Einl. A L R , zuletzt im Anschluß an die — auch jetzt noch geltende ( B G H Str. 1, 266) -— neue Bestimmung des § 330 c S t G B über die zur Pflicht Hilfeleistung in Not und Unglücksfällen, der nach Treu und Glauben die Pflicht zur Erstattung des dem Helfer hierbei entstandenen Schadens entsprechen müßte (Féaux de la Croix J W 39, 457). Schließlich hat das R G auch den Hinterbliebenen des bei der Lebensrettung verunglückten Helfers Schadensersatzansprüche, entsprechend §§ 840, 845 zugebilligt, da es sinnwidrig sei, derartige A n sprüche zu versagen, während nach der bisherigen Rspr. dem Helfer selbst Ersatzansprüche für Körperverletzung und Sachschäden zugebilligt wurden; auch die A n sprüche der Hinterbliebenen seien vielmehr als Aufwendungen anzusehen ( R G 167, 68).

Anm. 5 Praktisch wird es ohne Bedeutung sein, ob zur Entscheidung der bei der Abfassung des B G B offengelassenen Frage des Ersatzes von Zufallsschäden (vgl. R G 122, 305) der Begriff der Aufwendungen über die aus eigenem Entschluß gemachten Leistungen hinaus auch auf solche Opfer ausgedehnt wird, die dem für und im Interesse eines anderen Tätigen ohne sein Zutun erwachsen, also als Aufwendungen alle freiwilligen und unfreiwilligen Opfer zu gelten haben oder die Ersatzpflicht daraus herzuleiten ist, daß nach den Grundsätzen von T r e u und Glauben und dem allgemeinen Billigkeitsgefühl derjenige, in dessen Bereich eine Gefahr besteht oder entsteht, auch den Schaden zu tragen hat, den ein in seinem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Auftrage Handeln, der, namentlich bei Bekämpfung der Gefahr erleidet. Denn in beiden Fällen wird eine Begrenzung für die Haftung notwendig sein, die nur darin zu finden ist, daß der Schaden in einem inneren Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrages oder der Geschäftsbesorgung steht, diese die adäquate Ursache für den Schaden ist, also nicht nur ein rein äußerlicher oder zeitlicher Zusammenhang gegeben ist, wie etwa bei einem Eisenbahnunglück, einem Zusammenstoß der Straßenbahn mit anderen Fahrzeugen oder dem Zusammenstoß des eigenen Kraftwagens mit anderen oder sonstigen Verkehrsunfällen ( J W 09, 3 1 1 ) . Diese Grundsätze müssen auch maßgebend sein, wenn ein Beamter (Polizeibeamter, Brandmeister) eine Privatperson zum Festhalten eines Verbrechers oder zur Hilfeleistung in Unglücks- oder Notfällen auffordert oder der Handelnde auf behördliche Anordnung tätig geworden ist. In diesen Fällen wurde schon früher die Haftpflicht für den Handelnden und seinen Hinterbliebenen aus einer stillschweigenden Gewährleistung, aus den Aufopferungsgrundsätzen, insbesondere § 75 Einl. A L R oder aus §§ 70, 71 P r P o l V e r w G hergeleitet, was aber insofern lückenhaft war, als die Aufopferungsgrundsätze nur für Sachschäden ( R G 156, 3 1 0 ) , die Bestimmung des PrPolV e r w G nur für Körperschäden gelten, die Rechtsgrundlage f ü r die Ansprüche also nicht einheitlich war. — Vgl. auch § 6 1 1 Vorbem. 20 über Zufallschäden im Arbeitsverhältnis.

Anm. 6 4. Z u m Z w e c k e d e r A u s f ü h r u n g des A u f t r a g s : Vorbereitende und bei der Ausführung des Auftrags selbst im Dienste der Geschäftsbesorgung gemachte Ausgaben, dagegen nicht allgemeine Geschäftsunkosten, die dem Beauftragten auch unabhängig von dem besonderen Auftrage entstanden sind (Büroaufwand, Fernsprechgesamtgebühr) ; doch sind Einzelgesprächsgebühren für Benutzung eines Fernsprechers als Aufwendungen anzusehen. Z u m Zwecke der Ausführung des Auftrags sind solche Ausgaben aufgewendet, die nicht unmitttelbar zu diesem Zwecke gemacht wurden, aber der Aus-

693

§ 670 A n m . 7, 8

§671

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

führung als notwendig damit verbundene Aufwendungen nachfolgten (Zahlung der Umsatzsteuer nach einer Auflassung R G 75, 208). Anm. 7 5. E r f o r d e r l i c h ist nicht, was der Beauftragte für erforderlich hält, sondern was er f ü r e r f o r d e r l i c h h a l t e n d a r f , d. h. ohne Verschulden, bei vernünftiger und sorgfältiger Überlegung für erforderlich halten konnte (Anwendungen R G 59, 207; 77, 29; 149, 207. Lagerkosten J W 30, 1978; Beitreibungskosten H R R 32, 1558; Prozeßkosten WarnRspr. 21, 296). Keine Aufwendungen nach Erlöschen des Auftrags ( R G 105, 52; WarnRspr. 1910 Nr. 108). Ob die Tätigkeit den durch den Auftrag bezweckten E r f o l g hatte, ist gleichgültig (RG WarnRspr. 1919 Nr. 60); es sei denn, daß der Auftrag gerade nur in der Herbeiführung des Erfolgs bestand ( R G 30. 7. 1920 I 70/20). Ferner kommt es darauf an, ob die Aufwendung in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert und zur Bedeutung der Geschäftsführung und ihrem erstrebten Erfolg steht und insofern a n g e messen ist, (Lent aaO S. 63). Dasselbe muß auch für die Übernahme einer G e f ä h r d u n g s h a f t u n g gelten, (Lent aaO S. goff.). Nötigenfalls ist der eingetretene Schaden auf den Geschäftsherrn und den Geschäftsführer zu verteilen. Übermäßige Anwendungen muß der Geschäftsführer selbst tragen. Anm. 8 6. Zum E r s ä t z e : also zur Erstattung der w i r k l i c h a u f g e w e n d e t e n Gelder. Die Ansprüche aus §§ 670 u. 683 sind Wertersatzansprüche, R G gl 2. 1933 I V 336/32. Uber Aufwendungen in ausländischer Währung R G 109, 88, Bankspesen im Ausland SeufTArch. 74, 364. Ferner muß die Befreiung von den übernommenen Verbindlichkeiten (§ 257) erfolgen, z. B. übernommene Wechselverbindlichkeiten, R G 120, 208; SeufTArch. 63, 402. Doch kann es dem Auftragsverhältnisse entsprechen (kaufmännische Kommission) oder in der Sachlage bergündet sein, daß die Lösung der Verbindlichkeiten durch den Beauftragten selbst erfolgt und der Auftraggeber diesem dafür Deckung leistet ( R G 47, 1 1 8 ; 55, 86; 56, 93). Der Bürge, der im Auftrage des Schuldners die Bürgschaft übernommen hatte, erlangt mit der Befriedigung des Gläubigers unabhängig von dem Rechte aus § 774 den Anspruch auf Erstattung des Aufgewendeten nach § 670 (RG J W 07, 831 8 ); v o r der Befriedigung des Gläubigers hat er einen Befreiungsanspruch nur nach Maßgabe des § 775. Uber den Anspruch aus der Einlösung eines aus Gefälligkeit angenommenen Wechsels s. R G 77, 29. Der Ersatz der Aufwendungen ist von der vollendeten Ausführung des Auftrags nicht abhängig ( R G L Z 1912, 326®), bez. des Z w i s c h e n s p e d i t e u r s ( R G 109, 85). — Der Beauftragte hat die B e w e i s l a s t für Aufwendungen; Sache der Einrede des Auftraggebers ist der Beweis, daß diese etwa aus Mitteln geleistet seien, die dem Beauftragten gegeben, oder daß sie aus den vom Beauftragten gezogenen Einnahmen zu leisten seien (RG SeufTArch. 61 Nr. 81). — Der Auftraggeber ist dem Beauftragten nach § 256 zur V e r z i n s u n g der Aufwendungen verpflichtet ( R G WarnRspr. 1921 Nr. 1 2 1 ) ; der Beauftragte hat wegen ihrer das Zurückbehaltungsrecht nach § 273. Wenn der Auftraggeber in D e u t s c h l a n d seinen W o h n s i t z hat, bestimmen sich seine Pflichten nach deutschem Recht (RG 81, 274; 95, 105; 96, 263).

§671 Der A u f t r a g k a n n von d e m A u f t r a g g e b e r jederzeit w i d e r r u f e n , von d e m B e a u f t r a g t e n jederzeit g e k ü n d i g t w e r d e n . Der B e a u f t r a g t e d a r f n u r in der A r t k ü n d i g e n , d a ß der A u f t r a g g e b e r f ü r die B e s o r g u n g d e s G e s c h ä f t s anderweit F ü r s o r g e treffen k a n n , es sei denn, d a ß ein wichtiger G r u n d f ü r die unzeitige K ü n d i g u n g vorliegt. K ü n d i g t er ohne solchen G r u n d z u r Unzeit, s o h a t er d e m A u f t r a g g e b e r den d a r a u s entstehenden S c h a d e n z u ersetzen. L i e g t ein wichtiger G r u n d v o r , so i s t der B e a u f t r a g t e z u r K ü n d i g u n g a u c h d a n n berechtigt, wenn er auf d a s K ü n d i g u n g s r e c h t verzichtet hat. E I 597, 598 II 602; M a 54;—547; P i 370, 571.

694

Auftrag

§671

Anm, 1—4 Anm. 1 E n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g findet der Paragraph in den Fällen der §§ 27 Abs. 1, 48 Abs. 2, 7 1 2 — hier nur in seinen Abs. 2 u. 3 — sowie mit Abs. 2 in den Fällen des § 675, sofern der Dienst- oder Werkvertrag ohne Kündigungsfrist kündbar ist; im übrigen gelten für den Dienstvertrag die §§ 620—629, f ü r den Werkvertrag die §§ 649, 643. Auf den S c h i e d s v e r t r a g findet § 6 7 1 wegen dessen eigenartiger Natur, s. zu § 662 Anm. 1, keine Anwendung ( R G 59, 247). Der Erblasser kann nicht durch einen für den Erben unwiderruflichen Auftrag einem Dritten die Verwaltung eines Teils seines künftigen Nachlasses übertragen. Dazu bedarf es einer testamentarischen Anordnung, R G 139, 4 1 .

Anm. 2 Das u n e i n g e s c h r ä n k t e W i d e r r u f s r e c h t liegt im Wesen des Auftrags als eines persönlichen Vertrauensverhältnisses; es kann deshalb vom Auftraggeber nicht darauf verzichtet werden. Der V e r z i c h t ist n i c h t i g ( R G 30, 124). Das Widerrufsrecht wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß mit dem Auftrage eine treuhänderische Uber tragung von Rechten an den Beauftragten erfolgt ist ( R G 53, 416). Der Widerruf des Auftrags hat in solchem Falle nicht ohne weiteres das Erlöschen der Übertragung zur Folge; er erzeugt nur die Verpflichtung des Beauftragten, das Recht zurückzuübertragen; der Schuldner des abgetretenen Rechtes kann ihm gegenüber, wenn er von der Sachlage Kenntnis hat, die Einrede der Arglist haben ( R G L Z 1 9 1 7 , 389). Anders, wenn die Abtretung zwar zum Zwecke der Beitreibung der Forderung, aber im Interesse des Nachgläubigers (Zessionars) erfolgte; hier liegt i n s o w e i t ein Auftragsverhältnis nicht vor, sondern lediglich ein Vollmachtsverhältnis, auf das § 168 Anwendung findet ( R G a a O in Verbindung mit 59, 190; vgl. aber auch R G WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 1 3 6 ; s. Anm. 1 zu § 662). Die Vollmacht, der ein Auftragsverhältnis zugrunde liegt, ist schlechthin widerruflich; sie erlischt mit dem Auftrage (RG WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 369 u. 4 1 3 ) .

Anm. 3 Auch der B e a u f t r a g t e kann das Auftragsverhältnis jederzeit einseitig lösen, doch kann er auf das ihm zustehende jederzeitige K ü n d i g u n g s r e c h t w i r k s a m v e r z i c h t e n (Abs. 2); auch dann verbleibt ihm aber das Recht der Kündigung wegen eines wichtigen Grundes (Abs. 3). Anwendung des Kündigungsrechts für den Kreditauftrag § 778: R G 5 1 , 120. Der einer armen Prozeßpartei bestellte Rechtsanwalt hat weder ein jederzeit ausübbares Kündigungsrecht noch ein solches wegen eines wichtigen Grundes; die ihm auferlegte öffentlich-rechtliche Vertretungspflicht hindert ihn daran; ebenso wie er nicht von vornherein die Wahrnehmung der Rechte der armen Partei ablehnen, sondern nur mit einem Antrag an das Gericht die Wiederaufhebung seiner Bestellung erreichen kann, kann er auch das Auftragsverhältnis nicht einseitig kündigen ( R G WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 204).

Anm. 4 W i d e r r u f wie Kündigung sind einseitig empfangsbedürftige Willenserklärungen ( R G 61, 125), eine Form ist nicht nötig. Die Anwendung des § 130 schließt nicht aus, daß die Erklärung nicht auch durch schlüssige Handlungen erfolgen kann. O b bei mehreren Auftraggebern wie mehreren Beauftragten Widerruf und Kündigung von allen und an alle erklärt werden müssen, hat sich nach den Umständen des einzelnen Falles — Teilbarkeit oder Unteilbarkeit des Auftrags und seiner Ausführung, Bestehen eines Gemeinschaftsverhältnisses —• zu richten ( R G 160, 127). O b die K ü n d i g u n g a u c h u n t e r e i n e r B e d i n g u n g erfolgen kann, ist bestritten. M 2 S. 544 u. 547 nehmen die Zulässigkeit eines a u f s c h i e b e n d b e d i n g t e n W i d e r r u f s an, nicht aber die einer b e d i n g t e n K ü n d i g u n g , da die Kündigung dem Auftraggeber Gewißheit über die Aufhebung des Auftrags geben müsse. Aber nicht jede Bedingung wird die Gewißheit ausschließen; es ist Sache der Prüfung des einzelnen Falles, ob die bedingte Kündigung als eine wirkliche Kündigung wird angesehen werden können. 4;

Komm. 2. BGB, n . Aufl. II. Bd. (D;neckc)

695

§ 671 A n m . 5, 6 § 672 A n m . 1—5

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 5 Unzeitig ist die Kündigung, die dem Auftraggeber nicht die Möglichkeit anderweitiger Fürsorge für das Geschäft beläßt; RG J W 1905, 683. Sie ist zwar wirksam, aber verpflichtet den Beauftragten zum Schadensersatz. Wichtige Gründe, die eine auch unzeitige Kündigung rechtfertigen, sind Krankheit oder sonstige ernstliche Behinderung an der Ausführung des Auftrags. Auch Ehrverletzungen seitens des Auftragsgebers (vgl. § 71 HGB) können als solche in Betracht kommen. Anm. 6 6. Ein v o l l z o g e n e r Auftrag kann nicht mehr widerrufen werden. Die b e r e i t s e n t s t a n d e n e n Ansprüche werden durch den Widerruf ebenfalls nicht beseitigt. Der Widerruf gilt immer nur für die Zukunft (RG 21.5. 1924 V 922/22).

§673 Der Auftrag erlischt i m Zweifel nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsfunfähigkeit des Auftraggebers. Erlischt der Auftrag, so hat der Beauftragte, wenn m i t d e m Aufschübe Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Erbe oder der gesetzliche Vertreter des Auftraggebers anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend. E i 599, 600 n 603; m 2 547—549; p 2 371—373. Anm. 1 Der Paragraph ist e n t s p r e c h e n d a n w e n d b a r in den Fällen des § 675. Anm. 2 „ I m Zweifel" bedeutet hier wie überall, daß der Satz eine Auslegungsregel gibt; falls nicht ein anderer Parteiwillen (ausdrücklich oder stillschweigend) erhellt, tritt die Vermutung nach § 672 ein. Anm. 3 Die Vermutung, daß der Tod des Auftraggebers den Auftrag nicht zum Erlöschen bringe, greift auch dann Platz, wenn die sonst berufenen Erben die Erbschaft ausschlagen und der Fiskus Erbe wird. — Entsprechendes wie beim Tode der physischen Person muß auch für den Fall der A u f l ö s u n g d e r j u r i s t i s c h e n P e r s o n gelten, sofern das aufgetragene Geschäft für die Liquidation der juristischen Person noch ein mögliches Interesse hat (RG 81, 153; 150, 291). — Der Satz des § 672 gilt an sich auch für eine mit dem Auftrag verknüpfte V o l l m a c h t (§ 168), auch eine Generalvollmacht (RG 106, 185; SeuffArch. 83, 160; J W 29, 1647). Ist jedoch für diese gesetzlich eine öffentliche Urkunde erforderlich, so tritt für die rechtsgeschäftliche Tätigkeit des Beauftragten, zu der die Vollmacht ermächtigt, die Vermutung des § 672 nicht ein; die Vollmacht muß alsdann, um über den Tod des Vollmachtgebers hinaus zu wirken, für den Machtgeber und dessen E r b e n ausgestellt sein (RG 88, 348; RJA 8, 263). Handelt es sich um die Übermittlung einer schenkungsweise zuzuwendenden Leistung, so kann die Berufung auf § 672 allein die Schenkung nicht rechtsgültig machen, sofern es nicht zu deren Vollziehung gekommen ist (RG 83 S. 223, 230). Anm. 4 Geschäftsunfähigkeit § 104. Das gleiche gilt natürlich auch von der B e s c h r ä n k u n g d e r G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t . Ebenso wird der W e g f a l l des g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s , der den Auftrag erteilt hat, sei es, daß nunmehr der Vertretene oder ein anderer gesetzlicher Vertreter an seine Stelle tritt, im Zweifel den Auftrag nicht zum Erlöschen bringen. Anm. 5 Treffen kann, auch wenn er sie nicht getroffen hat. 696

Auftrag

§ 672 A n m . 6, 7 § 673 A n m . 1—3

Anm. 6 Der A u f t r a g gilt i n s o w e i t als fort b e s t e h e n d : er besteht also, auch wenn das Auftragsverhältnis durch den Tod des Auftraggebers oder die ihm gleichstehenden anderen Umstände nach dem Parteiwillen erloschen ist, jedenfalls beschränkt für die einen Aufschub nicht vertragenden Tätigkeiten (Notbesorgung) weiter. Auch davon abgesehen, besteht er weiter, bis der Beauftragte von dem Erlöschen Kenntnis erlangt hat oder erlangt haben muß (§674). Durch Wegfall des gesetzlichen Vertreters des Vollmachtgebers erlischt der Auftrag nicht. Anm. 7 Die Wirkung des Konkurses des A u f t r a g g e b e r s ist in §§ 23 Abs. 1, 27 K O behandelt. Danach erlischt durch die Konkurseröffnung der Auftrag, sofern er sich nicht auf das außerhalb der Konkursmasse verbleibende Vermögen des Gemeinschuldners bezieht. Erlischt er, so soll § 672 Satz 2 entsprechende Anwendung finden. Der Beauftragte wird nach § 27 K O , soweit er im Sinne des § 672 Satz 2 BGB auch nach dem Erlöschen des Auftrags für dessen Ausführung tätig gewesen ist, Massegläubiger (§ 59 Nr. 2 K O ) ; eine weitere Tätigkeit nach Maßgabe des § 674 macht ihn dagegen zum Konkursgläubiger. Der Beauftragte schuldet seinerseits zur Masse, was er nach der Konkurseröffnung noch in Ausführung des Auftrags eingenommen hat (RG 53, 327; 82, 400).

§673 Der A u f t r a g erlischt i m Zweifel durch den T o d des Beauftragten. Erlischt der A u f t r a g , so h a t der Erbe des Beauftragten den T o d d e m A u f t r a g g e b e r unverzüglich anzuzeigen und, w e n n m i t d e m A u f s c h ü b e Gefahr verbunden ist, die B e s o r g u n g des übertragenen G e s c h ä f t s fortzusetzen, bis der A u f t r a g geber anderweit F ü r s o r g e treffen kann; der A u f t r a g gilt i n s o w e i t als fortbestehend. EI

601;

II

604;

M2

J49, 3 5 0 ;

Pj

373, 374

Anm. 1 Die Bestimmung findet e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g im Falle des §675, mit Satz 2 auch im Falle des § 2218 Abs. 1 (Testamentsvollstrecker). Anm. 2 U m g e k e h r t wie im Falle des Todes des Auftraggebers stellt das BGB für den Fall des T o d e s des B e a u f t r a g t e n die Auslegungsvermutung („im Zweifel") auf, daß dieser den Auftrag zum Erlöschen bringe. Die gegenteilige Vereinbarung ist also zulässig (RG 9. 12. 1902 I I I 278/22). Der Eintritt der G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t des Beauftragten ist nicht erwähnt; die Auslegungsregel des § 673 p a ß t d a f ü r n i c h t o h n e w e i t e r e s . Der Auftrag erlischt hier in der Regel, weil die Ausführung des Auftrags dem geschäftsunfähigen Beauftragten nicht mehr möglich ist. Das gilt jedenfalls von einer rechtsgeschäftlichen Tätigkeit (§275); anders bei tatsächlichen Leistungen geringerer Art. Die bloße B e s c h r ä n k u n g d e r G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t wird dagegen in der Regel auf den Auftrag keine Wirkung äußern (vgl. § 165); es kommt hier jedoch auf die Art der Geschäftsbesorgung an; auch der K o n k u r s des Beauftragten ist ohne Einfluß. Es genügt hier überall das Widerrufsrecht des Auftraggebers und das Kündigungsrecht des Beauftragten nach § 671. Anm. 3 Der Fortsetzungspflicht (Notbesorgung) des § 672 schließt sich hier für den Erben des Beauftragten noch die Verpflichtung einer unverzüglichen — d. i. ohne schuldhaftes Zögern zu erstattenden (§121) — Anzeige von dem Tode des Beauftragten a n ; in beiden Beziehungen setzt sich das Auftragsverhältnis fort, und der Erbe macht sich durch Versäumung beider Pflichten für den Schaden haftbar. Die bereits erworbenen Ansprüche sind vererblich. 697

§ 674 A n m . 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§674 Erlischt der Auftrag in anderer Weise als durch Widerruf, so gilt er zugunsten des Beauftragten gleichwohl als fortbestehend, bis der Beauftragte von dem Erlöschen Kenntnis erlangt oder das Erlöschen kennen m u ß . E I 603 II 605; M 2 553, ; j 4 ; P 2 37;.

Anm. 1 Entsprechend strecker) .

anwendbar

bei

§ 675 und § 2218

Abs. 1

(Testamentsvoll-

Anm. 2 Die gesetzliche Unterstellung des § 674 („gilt,,) behandelt den erloschenen Auftrag zugunsten des gutgläubigen Beauftragten, der von dem das Erlöschen bewirkenden Umstände keine Kenntnis erlangt hat und ihn auch nicht kennen muß, so lange als f o r t b e s t e h e n d , bis diese Kenntnis oder das Kennenmüssen eingetreten ist, unbeschadet des Fortbestehens des Auftrags für die Notbesorgung der §§ 672, 673, die erst eintreten kann, wenn der Beauftragte das Erlöschen des Auftrags kennt. Dagegen gilt der Fortbestand n i c h t z u m N a c h t e i l des Beauftragten. Der Auftraggeber und dessen Erben im Falle, daß der Tod des Auftraggebers den Auftrag zum Erlöschen brachte, müssen daher die in der Zwischenzeit vom Beauftragten zur Ausführung des Auftrags vorgenommenen Handlungen als im Auftrage enthalten gelten lassen und dem Beauftragten seine Aufwendungen nach § 670 erstatten. Dagegen haben sie, bis auf die Fälle der §§ 672, 673, kein Recht auf die weitere Tätigkeit des Beauftragten und können ihn nicht wegen deren Unterlassung auf Schadensersatz im Anspruch nehmen. Wohl aber wegen schuldhaft vertragswidriger Ausführung der Auftragstätigkeit. — Von der gesetzlichen Unterstellung ist nur der Fall des Widerrufs seitens des Auftraggebers ausgenommen (Anm. 3). Sie gilt also auch für die eigene Kündigung des Beauftragten, solange dieser von ihrem Empfange durch den Auftraggeber (§ 130) noch nichts wußte oder wissen konnte. Sobald er nach dem rechtmäßigen Laufe der Dinge annehmen muß, die Kündigung sei zugegangen, erlischt das Recht des Beauftragten, die Geschäfte weiterzuführen. Für den Fall des Konkurses des Auftraggebers bestimmt § 23 Abs. 1 K O die entsprechende Anwendung des § 674. Der Beauftragte wird Konkursgläubiger (§ 27 K O ) . Vgl. Anm. 7 zu § 672. Anm. 3 Der Widerruf (§671) ist von der Regel des §674 ausgenommen, weil er erst wirksam wird, wenn er dem Beauftragten zugegangen ist (§ 130), dieser mithin regelmäßig davon Kenntnis hat. Das Merkmal des Zugehens (RG 50, 1 9 1 ; s. zu § 130) läßt indessen die Möglichkeit offen, daß im Einzelfalle der Beauftragte von dem Widerruf, obwohl er ihm zugegangen ist, dennoch weder Kenntnis hat noch haben müßte. Eine Ausnahme von der Behandlung des Widerrufs in § 674 kann dies nicht begründen; dem Beauftragten stehen dann nur die Rechte des auftragslosen Geschäftsführers (§§ 677fr., insbesondere § 683) zu. Für den Fall des bedingten Widerrufs — der Beauftragte hat von dem Eintreten der Bedingung ohne Verschulden keine Kenntnis erhalten — wollen M 2, 554 und Prot. 2, 375 diese Ausnahme nicht Platz greifen lassen. Dem wird zuzustimmen! sein; denn der Auftrag erlischt hier nicht schon durch den Widerruf, sondern erst durch den Eintritt der Bedingung, und die Kenntnis oder Nichtkenntnis von deren Eintritt ist richtigerweise, auch im Sinne des Gesetzesgedankens des § 674, der Kenntnis oder Nichtkenntnis jeder andern das Erlöschen des Auftrags bewirkenden Tatsache gleichzustellen. Anm. 4 Die Kenntnis oder das Kennenmüssen hat der Auftraggeber zu b e w e i s e n .

698

Auftrag

§675

Anm. 1

§675 Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat, finden die Vorschriften der§§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungspflicht zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung. E II 567 Abs. 1, 606; P 2 376.

Anm. 1 „Der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande h a t " . Aus dieser Aus-

drucksweise des Gesetzes ergibt sich, daß nicht alle Dienst- und Werkverträge unter § 6 7 5 fallen können und daß der B e g r i f f der G e s c h ä f t s b e s o r g u n g n i c h t m i t d e r L e i s t u n g eines Dienstes oder der H e r s t e l l u n g eines Werkes z u s a m m e n f ä l l t . Denn nach Vorbem. 2 vor § 662 erfordert die Geschäftsbesorgung eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art, d i e f ü r e i n e n a n d e r n und in dessen Interesse vorgenommen wird, im Gegensatz zu Diensten, denen eine Beziehung zu dem Vermögen des Geschäftsherrn fehlt, die nur an einen andern, nicht für ihn, geleistet werden oder die keine selbständige Betätigung des Willens und der Überlegung erfordern. Insbesondere ist § 675 auf das A r b e i t s v e r h ä l t n i s nicht anwendbar. Denn der Arbeitnehmer ist von seinem Arbeitgeber abhängig, arbeitet in dessen Betrieb, übt keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit für ihn aus. E r kann weder Aufträge ablehnen noch andere damit betrauen. Inwieweit er von den Anweisungen abweichen kann, entscheidet sich nur nach der ihm eingeräumten Stellung und den allgemeinen Grundsätzen des Direktionsrechts, ebenso der Umfang seiner Berichterstattung und Rechnungslegung. Die §§ 667—669 passen nicht, weil der A N nicht selbständig als Vertragspartner, sondern nur als Erfüllungsgehilfe tätig ist und alles, was er empfängt, nur für seinen A G erwirbt. Aus dem Arbeitsverhältnis folgt auch ohne weiteres, daß der A G sämtliche Unkosten und Auslagen zu tragen hat; inwieweit der A N ohne zuvorige Anweisung Auslagen machen darf, entscheidet sich wiederum nur nach der von ihm eingenommenen Stellung. Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten allein die besonderen Bestimmungen. Für eine entsprechende Anwendung auch nur einer der in § 675 angeführten Bestimmungen ist also kein R a u m . Über den Ersatz von Aufwendungen der Betriebsratmitglieder vgl. §§ 39, 82fr. B V G ; §§42, 44 PersVerfG. Z u der Gruppe der nach § 675 zu behandelnden Verträge gehören nach der Rechtsprechung die Tätigkeiten des R e c h t s a n w a l t s , sei es als P r o z e ß b e v o l l m ä c h t i g t e r , sei es als B e r a t e r ( R G 88, 342; 1 3 9 , 3 5 8 ; 162, 171). Der Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Partei ist regelmäßig Dienstvertrag, nur ausnahmsweise Werkvertrag, wenn ein herbeizuführender Erfolg sein Gegenstand ist ( R G 88, 223; 115, 185); mehrere mit einer Vertretung beauftragte und zur gemeinsamen Ausübung des Anwaltsberufs verbundene Rechtsanwälte sind innerhalb der Berufstätigkeit gesamtschuldnerisch verpflichtet, nicht dagegen bei Auskünften über nicht berufliche Dinge (RG 85, 306; 88, 342; J W 1914, 77 4 ; WarnRspr. 1917 Nr. 15 vgl. Vorbem. 61 § 611) des Patentanwaltes (RG 69, 26). Ferner die Tätigkeiten des N o t a r s , jedoch nach neuer Rechtsprechung, R G 82, 85; 85, 409 u. a. nur insoweit, als seine Dienste als rechtskundiger Berater in Frage kommen, nicht soweit er als Beamter bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften tätig ist (RG WarnRspr. 1920 Nr. 196 u. 197); die Amtspflicht kann nicht zugleich Gegenstand vertraglicher Bindung sein (RG 49, 269; 85 S. 225 u. 409; 95, 214; vgl. Vorbem. 71 § 6 1 1 ) . N i c h t gehören unter § 6 7 5 die Tätigkeiten des G e r i c h t s v o l l z i e h e r s , V Z S in R G 82, 85; vgl. Vorbem. 43 a § 611. — Weiter sind nach § 675 zu behandeln die Aufträge zur Vertretung von Gläubigern in der Zwangsversteigrung gegen Vergütung ( R G 57, 392; WarnRspr. 09 Nr. 204); die Tätigkeiten in T r e u händerverhältnissen (Natur des Verhältnisses: R G 84, 2 1 4 ; 91, 1 2 ) ; die Tätigkeit des S c h i e d s r i c h t e r s , wenn sie entgeltlich ist; das Vertragsverhältnis besteht hier zwischen den streitenden Parteien einerseits und dem Schiedsruchter anderseits, mag auch seine Ernennung nur von einer Partei erfolgt sein; beiden haftet er für ordnungsmäßige

699

§ 675 A n m . 2—5

Schuld Verhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Erfüllung, beide gesamtschuldnerisch ihm für die Vergütung; ob eine solche zu beanspruchen ist, bestimmt sich nach §§ 612, 632 (RG 94, 210) vgl. Vorbem. 49 § 611. — Weiter die Tätigkeiten der B a n k e n (RG J W 1914, 8307), insbesondere bei der Abwicklung von Giro- und Zahlungsaufträgen (RG 54, 329; WarnRspr. ig 10 Nr. 108), beim Auszahlungsgeschäft, R G 107, 137; Auftrag einer Akkreditivzahlung (RG 114, 270), bei der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapireren (RG WarnRspr. 1917 Nr. 204); die Tätigkeit einer Zeichenstelle bei der Ausgabe von Aktien (RG J W 08, 480 13 ; die Tätigkeit eines Interessentenverbandes für die Interessen seiner Mitglieder (RG Gruchot 66, 222); die Tätigkeiten der Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften (RG J W 1913, 381 15 ); I n k a s s o a u f t r ä g e (RG J W 06, 109 7 ); die Dienste der Liquidatoren (RG WarnRspr. 1913 Nr. 160); des Agenten (RG 63, 69; J W 1912, 73 12 ); des Kommissionsverlegers (RG J W 1912, 545 26 ); des Kunsthändlers beim kommissionsweisen Verkauf von Kunstgegenständen (RG 83, 201) und des K o m m i s s i o n ä r s überhaupt (vgl. § 396 Abs. 2 HGB); desgleichen des S p e d i t e u r s (§407 Abs. 2 HGB); Sanierungs- und Finanzierungsverträge (RG 72, 17g); der Postanweisungsvertrag (RG 41 S. 102, 108); das Vertragsverhältnis zwischen Stadtgemeinden als Eigentümern öffentlicher Krankenhäuser und den gegen Entgelt verpflegten Kranken (RG 83, 71). Der H e r a u s g a b e v e r t r a g kann ein Dienstvertrag sein, der eine Geschäftsbesorgung darstellt (RG 113, 70). Zweifelhaft, ob nicht reiner Dienstvertrag und die Leistung der Dienste nicht als dem Geschäftsbereich des Auftraggebers angehörend anzusehen sind (RG 115, 361). Nicht zuzustimmen ist R G 107, 136, wenn es das Auszahlungsgeschäft als Geschäftsbesorgung auffaßt. Anm. 2 Entsprechend anwendbar sind hiernach: § 663 (Ablehnung des Auftrags durch den öffentlichen Geschäftsbesorger), § 665 (Abweichung von den Weisungen des Auftraggebers), § 666 (Auskunftspflicht des Beauftragten), § 667 (Herausgabepflicht des Beauftragten), § 668 (Verzinsung verwendeten Geldes durch den Beauftragten), § 669 (Vorschußpflicht des Auftaggebers), § 670 (Ersatzpflicht des Auftraggebers für Aufwendungen), § 672 (Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers), § 673 (Tod des Beauftragten), § 674 (gesetzliches Fortbestehen eines erloschenen Auftrags). Nicht anwendbar sind die Bestimmungen des § 664. R G 161, 68, 163, 378 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung a.M. (BGH NJW 52, 257 s. die Anm. 1 zu §664). Ist die entgeltliche Geschäftsbesorgung ein Dienstvertrag, kommt §613 zur Anwendung. — Ferner ist von der entsprechenden Anwendung §671 (Widerruf des Auftrags) im allgemeinen ausgenommen. S. § 671 Anm. 1 und die folgende Anmerkung. Die Bestimmungen können aber durch Parteienvereinbarung abgeändert werden, R G 86, 110; 93) 170; i°7» 139Anm. 3 S. §§623, 626, 627; in §627 Abs. 2 ist eine dem § 671 A b s . 2 entsprechende Bestimmung für den dort behandelten Fall des Dienstvertrags bereits gegeben. Anm. 4 Entsprechende Anwendung, d. i. soweit die hier angezogenen Bestimmungen auf das Rechtsverhältnis des Dienst- und Werkvertrags in der Gestaltung des Einzelfalls anwendbar erscheinen (s. Prot. 2, 377). Wenn dies zutrifft, gehen die Bestimmungen der in § 675 bezeichneten Gesetzesvorschriften über den Auftrag den auf das Rechtsverhältnis im allgemeinen anwendbaren des 6. u. 7. Titels vor. Über die entsprechende Anwendung des § 666 s. Anm. 3 dort, über die des § 670 die folgende Anmerkung am Schluße. Uber entsprechende Anwendung R G 78, 310. Die Kündigung eines Dienstvertrags, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, ist wider Treu und Glauben, wenn die Maßnahme zum Anlaß für die Kündigung genommen wird, zu der der Dienstberechtigte den Dienstverpflichteten selbst veranlaßt hat, RG H R R 1938 Nr. 509. Anm. 5 Für den Fall des Konkurses des Dienstherrn oder Werkbestellers gelten die §§ 23 Abs. 2, 27 KO. Der auf eine Geschäftsbesorgung gerichtete Dienst- oder Werk-

700

Auftrag

§ 676 Anm. 1

vertrag erlischt durch die Eröffnung des Konkurses. Soweit nicht die Notbesorgung des § 672 Satz 2 oder die gesetzliche Unterstellung des § 674 Platz greifen, die dem Dienstpflichtigen oder Werkmeister im ersteren Falle die Rechte von Massegläubigern, im zweiten die von Konkursgläubigern verleihen, kann nach der Konkurseröffnung ein Anspruch für sie nicht mehr entstehen. War, wie beim Werkvertrag oder Agenturvertrag (§ 88 HGB), die Vergütung erst mit der Vollendung des Werkes oder des Geschäfts verdient und war dieses bis zur Eröffnung des Konkurses nicht zur Vollendung gediehen, so ist die vertragsmäßige Vergütung verloren (RG 63, 69). Mit Rücksicht auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 670 auf die Dienst- und Werkverträge des § 675 ist an sich wohl anzunehmen, daß wegen der für die Geschäftsbesorgung gemachten Aufwendungen auch in solchem Falle Ersatzansprüche erhoben werden können; doch wird der Regel nach bei Werk- und Agenturverträgen die vereinbarte Vergütung (vgl. § 90 HGB, § 652 BGB) zugleich als Entgelt für die Aufwendungen zu betrachten und deshalb ein Anspruch auf deren Ersatz außerhalb der vertragsmäßigen Vergütung und abgesehen von dem Eintritt des Erfolgs nicht gegeben sein.

§ 676 Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis oder einer unerlaubten Handlung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersätze des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet. EI 604 II 607; M l J54, 555; Pa 380, 664. Übersicht I. Rat und Auskunft als Gefälligkeit II. Vertrag über Rat und Auskunft III. Hauptfälle der vertraglichen Beratung I V . Haftung für Verschulden V . Haftung aus unerlaubter Handlung

i 2 3 4 5

Anm. 1 I. Der § 676 will deutlich zum Ausdruck bringen, daß die Erteilung eines Rates (zu einer Handlung) oder einer Empfehlung (empfohlen wird eine Person, eine Sache, ein Geschäft), zu denen weiter die E r t e i l u n g e i n e r Auskunft (über eine Person, z. B. nach H G B § 73 oder Sache oder eine Sach- oder Rechtslage) hinzuzuzählen ist, R G 148, 293; J W 1930, 257 3 ; H R R 1936 Nr. 649), d e r R e g e l n a c h keine Rechtspflichten b e g r ü n d e n , da der Erteilende „damit keine Garantiepflicht übernehmen, sondern nur eine Gefälligkeit erweisen will" (Prot. 2, 380; R G J W 1907, 363 1 1 ); der Beratene, Empfehlungs- oder Auskunftsempfänger soll selbst nachprüfen. D a ß Rat, Empfehlung und Auskunft, wenn sie in einem Vertragsverhältnisse erteilt worden sind, oder dadurch eine unerlaubte Handlung begangen worden ist, nach Maßgabe des Vertrags oder der unerlaubten Handlung zum Schadensersatz verpflichten, versteht sich von selbst und ist im Gesetz nur als Gegensatz zur Regel und zu deren Abgrenzung hervorgehoben, RG 148, 298. Die Anlehnung der Bestimmung an den Titel entspringt dem Gedanken, daß es sich bei Rat, Empfehlung und Auskunft wie beim Auftrag um eine im Interesse eines andern auf dessen Veranlassung entwickelte Tätigkeit handelt. Sie sind tatsächlicher, nicht rechtsgeschäftlicher Art, nicht einmal eine Willenserklärung (RG 157, 233; 162, 154) und auch wenn sie durch Vertrag übernommen sind, keine Geschäftsbesorgung, sondern alsdann nur eine Dienstleistung an, nicht für einen andern. Für eine von einem Angestellten mit Einverständnis des Geschäftsherrn vorgenommene Gefälligkeitshandlung hat dieser aber einzustehen, auch wenn er zum Abschluß von Verträgen nicht ermächtigt war BGH 21, 102. Wohl aber sind die B e s c h a f f u n g eines Rates usw., die Erkundigung für einen Dritten, Geschäftsbesorgungen (RG J W 1910, 80822). S. die Vorbem. vor § 662.

701

§ 675 A n m . 2, 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 I I . Der Rat, die Empfehlung oder die Auskunft können der Haupt- oder einzige Gegenstand des V e r t r a g s sein (Vertrag auf Ratserteilung), sie können sich auch als Nebenverpflichtung aus einem allgemeinen Vertragsverhältnisse ergeben (Vertrag mit Ratserteilung); der Vertrag kann ein unentgeltlicher (auftragsähnliches Verhältnis) oder ein entgeltlicher (Dienst- oder Werkvertrag) sein. Er kann ausdrücklich oder stillschweigend geschlossen werden, z. B. durch Rückfrage und Erteilung der Antwort ( R G 162, 154); nur muß gegenüber der Regel des § 676 ein Verpflichtungswille deutlich erkennbar sein ( R G 157, 233, B G H 21, 102) und ein stillschweigender Vertragsabschluß durch die Erteilung des verlangten Rates ist deshalb regelmäßig nur anzunehmen, wenn der sie Erteilende eine rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Begründung der Durchführung des Geschäftes hat ( R G 65, 1 7 ; B G H 21, 102) oder die Erteilung von Rat oder Auskunft zu den Berufsgeschäften des Erteilenden gehört (Anwalt [auch über steuerrechtliche Fragen, R G 17. 6. 1932 I I I 330/31], Arzt, Auskunftei, Bankhaus) oder entgeltlich erfolgen soll ( R G 52, 365 u. J W 05, 138 16 ). In der ersteren Entscheidung ist, wenn ein Rechtsanwalt von einer Person um Erteilung einer Auskunft an einen Dritten angegangen war und daraufhin dem letzteren diese zugehen läßt, ein stillschweigender Vertragsschluß auch zwischen dem Rechtsanwalt und dem Dritten angenommen worden. Ebenso B G H 7, 371 in dem Falle, daß ein Wirtschaftstreuhänder als Berater einer Partei der anderen eine Auskunft gegeben hat, die für deren Entschließung erkennbar von ausschlaggebender Bedeutung sein sollte. Auskunft über andere Personen und ihre Kreditwürdigkeit zu erteilen, gehört weder zu den gewerblichen Geschäften eines Bankkaufmanns ( R G J W 1910, 808 22 ; WarnRspr. 1916 Nr. 307), noch zu den Berufsgeschäften eines Rechtsanwalts ( R G 20. 5. 1912 V I 416/11); durch die Erteilung werden Vertragspflichten der Regel nach daher nicht begründet. Anders jedoch bei einem Verein zur Förderung bestimmter Wirtschaftsgruppen ( R G H H R 1931 Nr. 2033). Wenn sich im Bankverkehr die G e w o h n h e i t herausgebildet hat, in gewissen Grenzen Auskunft zu erteilen, so kann diese E r t e i l u n g s m ö g l i c h k e i t zum Inhalt des Vertragsverhältnisses zwischen Kunde und Bank werden, und die Bank haftet, wenn sie die Auskunft erteilt, dann auch für die Richtigkeit ( R G J W 1930, 255; R G 47, 125; 65, 1 4 1 ; 67,394). Zu beachten ist aber immer, daß die Bank n i c h t v e r p f l i c h t e t zur Auskunfterteilung ist und daß sie namentlich Geschäftsgeheimnisse ihrer anderen Kunden nicht preisgeben darf. B a n k e n s i n d k e i n e A u s k u n f t e i e n , R G 126, 50. Selbstverständlich kommt es nur auf das V e r t r a g s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n d e r B a n k u n d d e m A u s k u n f t h e i s c h e n d e n K u n d e n an, nicht auf das Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden, über den von jenem eine Auskunft verlangt wird, auch wenn dieser die Bank als Referenz aufgegeben hatte, R G J W 1930, 2g27 5 . Zur Frage der Unsittlichkeit eines Vertrags, durch welchen jemand gegen Vergütung verspricht, über einen Gegenstand keine ungünstige Auskunft zu erteilen, vgl. R G WarnRspr. 09 Nr. 89. Anm. 3 I I I . Die H a u p t f ä l l e d e s V e r r t r a g s a u f Rats- oder Auskunftserteilung sind: a ) der Beratungsvertrag mit einem R e c h t s a n w a l t , ebenso mit einem P a t e n t a n w a l t ; er ist Dienstvertrag, wenn diese Personen allgemein als Berater eines Dritten bestellt sind, ihre Tätigkeit als Berater Gegenstand des Vertrags ist, Werkvertrag, wenn es sich um eine einzelne bestimmte Rats- oder Auskunftserteilung handelt ( R G J W 05, 502 35 ; vgl. §675 Anm. 1). Die Auskunft wird namentlich Gegenstand einer Vertragsverpflichtung, wenn erkennbar ist, daß es dem die Auskunft Heischenden darauf ankommt, eine sichere Auskunft zu erhalten und der sie Erteilende zu erkennen gibt, daß er für sie einstehen will ( R G H R R 1931 Nr. 2033). Uber die Haftung des Rechtsanwalts aus seiner Ratserteilung, wenn er die steuerlichen Folgen aus dem angeratenen Geschäft außer acht gelassen hat, R G J W 1917, g674 u. 1918, 90 1 1 ; im Prozesse, wenn er unterlassen hat, die Partei auf die ganz ungewöhnlich hohen Kosten aufmerksam zu machen, die eine beabsichtigte Prozeßmaßnahme (Widerklage) verursachen würde, R G J W 1919, 446'; über die Haftung wegen unterlassener Belehrung über die Gefahren einer 702

Auftrag

§676 Anm. 3

Rechtsbehandlung, R G J W 1 9 2 1 , 336®; über die Haftung mehrerer zu gemeinsamer Ausübung des Rechtsanwaltsberufs verbundener Rechtsanwälte aus einer von einem von ihnen fahrlässig falsch erteilten Auskunft oder Belehrung vgl. Anm. 1 zu § 675. Den Rechtsanwalt trifft regelmäßig kein Verschulden, wenn er sich bei rechtlicher Ratserteilung an die bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Rechtsauffassung hält ( R G WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 3 0 3 ; vgl. dazu R G 87, 1 8 7 ; 89, 4 3 1 ) . Vgl. im übrigen Vorbem. 61—68 vor § 6 1 1 . b ) Über die beratende Tätigkeit des N o t a r s vgl. § 6 1 1 Vorbem. 7 1 , 75. Für seine eigene schuldhaft unrichtig gegebene Auskunft haftet er ( R G WarnRspr. 1920 Nr. 197); f ü r eine von seinem Bürobeamten erteilte falsche Rechtsauskunft nur, wenn er diesen zu solcher Ratserteilung ermächtigt oder Kenntnis davon hatte ( R G WarnRspr. 1 9 1 8 Nr. 226). c) Auskunftsvertrag mit einem A u s k u n f t s b ü r o ; er wird, da nicht die Tätigkeit, sondern das Ergebnis der Ermittlungen, die dem Auskunftsbüro vielfach schon fertig vorliegen, Gegenstand des im Regelfalle auf eine bestimmte Auskunft gerichteten Vertrags ist, durchgängig als Werkvertrag anzusprechen sein. Z u erwähnen ist endlich die meist unentgeltliche Auskunftserteilung über Transporteinrichtungen, Zugverbindungen usw. durch die in größeren Städten von den Eisenbahnverwaltungen eingerichteten amtlichen Reisebüros. Die hierin tätigen Beamten sind zur Beratung des Publikums öffentlich bestellt; ihre Beratung und Auskunft verpflichtet deshalb die Eisenbahnverwaltung, die sie bestellt hat. Daß die amtlichen Auskunftsbüros der deutschen Reichseisenbahnen eine Gewähr für die Richtigkeit ihrer Auskünfte nicht zu übernehmen erklären, schließt eine Haftung mindestens für grobes Verschulden nicht aus. d ) Der Hauptfall des Vertrags mit Rats- oder Auskunftserteilung ist die Beratung durch den B a n k k a u f m a n n , sei es, daß sie in Verbindung mit einem Kaufgeschäft, über ein Wertpapier erfolgt, sei es, daß sie mit einer ein Vertrauensverhältnis begründenden allgemeinen dauernden Geschäftsverbindung im Zusammenhang steht ( R G J W 1 9 1 0 , 183 6 ; B G H 13, 1 1 8 ) . Wesentlich für eine solche ist, daß die Parteien fortgesetzt Geschäfte miteinander geschlossen haben, die ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen schaffen ( R G 27, 1 2 1 ; L Z 1 9 2 1 , 264 1 ). Es entspricht der Verkehrssitte, daß der Bankkaufmann seinen Kunden bei Anlegung von Kapitalien R a t erteilt. Diese Beratung wird bei dem Bankkaufmann allgemein vorausgesetzt; sie gehört zur Ausübung seines Gewerbes; er kann sich ihrer gar nicht entschlagen. E r ist zwar nicht verpflichtet, einen unerbetenen R a t aufzudrängen und den Kunden auf wirtschaftliche Bedenken gegen ein beabsichtigtes Anschaffungsgeschäft hinzuweisen, wenn er annehmen darf, daß der K u n d e selbst genügend unterrichtet ist; daß insbesondere Spekulationsgeschäfte mit Gefahren verbunden sind, weiß im allgemeinen jedermann ( R G J W 05, 502 3 5 ; WarnRspr. 1 9 1 9 Nr. 3 5 ; L Z 1 9 1 6 , 592 3 ). Wenn ein beabsichtigtes Spekulationsgeschäft aber einen besonders gefährlichen Charakter trägt, oder wenn es sich um einen einfachen M a n n handelt, bei dem eine Einsicht in Börsengeschäfte nicht zu erwarten steht, dann hat der Bankkaufmann, zumal wenn das beabsichtigte Geschäft zu den Vermögensverhältnissen des Kunden in einem offenbaren Mißverhältnis steht, den Kunden über die Gefahren des Börsenspiels aufzuklären und vor dem Abschluße solcher für ihn ungeeigneten Geschäfte zu warnen ( R G WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 1 6 ; 1 9 1 6 Nr. 277). Tritt der Bankkaufmann erkennbar als Berater auf, so ist er jedenfalls verpflichtet, den R a t mit der Sorgfalt, die der Verkehr erfordert (Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns § 347 H G B ) , zu erteilen, auch wenn er nicht ausdrücklich um seinen R a t ersucht wurde ( R G WarnRspr. 08 Nr. 462; 09 Nr. 85; J W 09, 360 4 ). Die Vertragspflicht des Bankkaufmanns geht dahin, den Kunden auf die Bedenken gegen die Sicherheit eines Papiers aufmerksam zu machen, soweit sie ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen ( R G WarnRspr. 08 Nr. 463). Für die Annahme eines Verschuldens kommt es einmal darauf an, ob ein Papier zu Gewinnzwecken oder zu dauernder Kapitalanlage gekauft wird, und weiter, wie schon bemerkt, ob der anfragende Kunde selbst im gewerblichen Leben steht, so daß der Bankkaufmann eigene Sachkunde bei ihm voraussetzen darf oder nicht ( R G J W 09, 360 4 WarnRspr. 08 Nr. 146). Auch beim Vorhandensein eines Verschuldens des Bankkaufmanns kann sich gemäß § 254 seine Verantwortung mindern, sofern sich der Kunde bei gehöriger Überlegung die Unsicherheit selbst sagen mußte ( R G Warn-

703

§ 676 Anm. 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Rspr. 08 Nr. 463). Nicht richtig ist es, eine berufliche Ratserteilung des Bankkaufmanns anzunehmen, die ihn allein, auch abgesehen von einem abzuschließenden Kauf- oder Kommissionsgeschäft oder einem schon bestehenden Vertrauensverhältnisse zu einem Kunden, verpflichtete. Denn der Bankkaufmann erteilt nicht schlechthin einen jeden unentgeltlich Rat, um damit zu entgeltlicher Tätigkeit zu gelangen; sein Gewerbe besteht aus dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren und deren kommissionsweiser Vermittlung, und nur im Zusammenhang mit diesen Geschäften, sei es mit einem einzelnen Geschäft, sei es mit einer Geschäftsverbindung, tritt er auch als sachverständiger Berater seiner Kunden, und nur dieser, auf. Die Rechtsprechung des RG sieht deshalb mit Recht diese Ratsleistung als eine N e b e n l e i s t u n g des Kauf- oder Kommissionsgeschäfts oder als eine aus dem Vertrauensverhältnis einer längeren Geschäftsverbindung entsprungene Verpflichtung an und betrachtet sie unter diesem Gesichtspunkt. Die Haftung des Bankkaufmanns bestimmt sich somit nach dem Grundverhältnisse, in welchem der Bankkaufmann zu dem Beratenen steht; nach dem Kauf- oder Kommissionsgeschäft (RG 42, 125; 67,394; J W 05, 502 35 ; 1910, 80822; 1 9 1 1 , 809 14 ; SeuffArch. 55 Nr. 26); nach dem Verhältnisse einer Geschäftsverbindung (RG 27, 1 1 8 ; J W 03, 1 5 1 7 ; 07, 363 1 1 ), Beratung in Börsentermingeschäften nur bei grober Fahrlässigkeit Haftung; RG Recht 1917 Nr. 1010. Der Kontokorrentvertrag verpflichtet die Bank, den Kunden auf solche rechtliche Bedenken aufmerksam zu machen, die sie gegenüber den ihr erteilten Auftrag hat oder pflichtgemäß haben muß, insbesonders auf Devisenbestimmungen BGH 23, 222. Gelegentliche frühere Geschäfte, die keinen Zusammenhang mit der Gegenwart haben, begründen eine Beratungspflicht nicht, auch regelmäßig die dauernde Geschäftsverbindung dann nicht, wenn die erbetene Auskunft nicht in innerem Zusammenhang mit Inhalt und Art der Geschäftsverbindung steht. In solchem Falle ist im Zweifel die Inanspruchnahme einer Gefälligkeit ohne rechtliche Bindung anzunehmen (RG 8. 12. 1921 V I 276, 21). Ebenso kann von einem Beratungsvertrag nicht die Rede sein, wenn es sich nicht um einen von dem Kunden beabsichtigten Kauf handelt, sondern um die gesellschaftliche (Unterkonsortial-) Beteiligung an einem Gewinnunternehmen des Bankkaufmanns (RG 67, 394). Eine Auskunft über seine geschäftlichen Beziehungen zu anderen Kunden und deren wirtschaftliche Verhältnisse überhaupt zu erteilen, ist der Bankkaufmann nicht verpflichtet, ja auch ohne deren Zustimmung nicht einmal berechtigt. Es hat sich aber im Verkehr die Gepflogenheit herausgebildet, solche Auskünfte nicht zu versagen, die indessen, wie sie allgemein vorsichtig und zurückhaltend gefaßt zu werden pflegen und mehr durch das besagen, was sie nicht aussprechen, auch ebenso aufgefaßt werden müssen (RG WarnRspr. 1916 Nr. 307); jedenfalls beschränkt sich die Haftung des Bankkaufmanns aus der Auskunft hier auf den Kredit, für den die Auskunft über einen Kunden nachgesucht wurde (RG 3. 12. 1914 V I 425/14). Uber die Bedeutung einer Freizeichnungsklausel hinsichtlicher Haftung vgl. BGH 13, 198. e) In ein ähnliches Beratungsverhältnis, wie der Bankkaufmann zum Kunden, tritt der Baumeister zum Bauherrn, den er als Sachverständiger auf die gegen den Bauplan wegen der Bodenbeschaffenheit, des von jenem gewählten Baustoffs, der baupolizeilichen Anforderungen usw. aufmerksam zu machen hat (M 2, 485; RG SeuffArch. 60 Nr. 186). f) Das bloße Sichgefallenlassen von Mäklerdiensten begründet keinen Vertrag und deshalb auch keine Vertragshaftung des Mäklers für eine Auskunft über die Zuverlässigkeit des Verkäufers oder des Käufers. Aber es kann ein Vertrag auf Auskunftserteilung als geschlossen anzunehmen sein, wenn ersichtlich ist, daß die Auskunft nicht als unverbindliche Gefälligkeit erbeten wurde, sondern ernstliche Voraussetzung für die Eingehung des Geschäfts sein sollte; hier wird dann eine Vertragshaftung für Fahrlässigkeit begründet ( R G J W 0 7 , 363 1 1 ; 1917, 101 2 ). g) So haftet der Auktionator bei einer öffentlichen Versteigerung der Regel nach nicht für die Auskünfte, die er über die zu versteigernden Sachen gibt, weil diese nur die Bedeutung allgemeiner und unverbindlicher Äußerungen zu haben pflegen (RG J W 1920, 7063) sofern nicht § 826 in Frage kommt; darüber s. die Anm. 4. h) Wird der A u s s t e l l e r einer U r k u n d e angefragt, ob das Papier in Ordnung gehe, so ist er nicht verpflichtet, darüber Antwort zu erteilen; erteilt er sie aber, so ist 704

Geschäftsführung ohne Auftrag

§ 676 A n m . 4, 5 V o r § 677 A n m . 1

unter Umständen in Anfrage und Antwort der Abschluß eines Auskunftsvertrags zu erblicken, so daß der Antwortende für die Wahrheit seiner Auskunft haftet (RG IOI, 3oi). Anm. 4 IV. Die H a f t u n g für das Vertragsverschulden folgt den allgemeinen Regeln (§ 276, RG WarnRspr. 1910 Nr. m ) ; s i e kann—jedoch nicht durch einseitige Erklärung (RG SeuffArch. 45 Nr. 85) — ausgeschlossen werden, soweit nicht Vorsatz in Frage kommt (§ 276 Abs. 2); sie kann auch erweitert werden, indem der Erteiler des Rates, der Empfehlung, der Auskunft für deren Richtigkeit oder den Erfolg des Rates die Gewähr übernimmt; dann haftet er nach Maßgabe der Gewähr ohne Rücksicht auf ein Verschulden. Die Haftung f ü r d r i t t e P e r s o n e n richtet sich nach § 278; wer sich aber nicht an das Bankhaus selbst, sondern an einen Beamten des Hauses persönlich wendet, will im Zweifel nur dessen Privatansicht hören, nicht eine verbindliche Auskunft des Bankhauses einziehen. Ist für die Richtigkeit oder den Erfolg die Gewähr übernommen, so begreift diese selbstverständlich auch die Handlungen des Gehilfen, und es kommt auf dessen Verschulden so wenig an wie auf das des Prinzipals (RG SeuffArch. 55 Nr. 83). Anm. 5 V. Da § 823 Abs. 1 eine Beschädigung des Vermögens als solchen nicht zur Grundlage eines Entschädigungsanspruchs macht, kommt für die H a f t u n g aus unerlaubter Handlung zumeist nur § 826, vorsätzliche Schädigung in einer w i d e r d i e g u t e n S i t t e n verstoßenden Weise in Betracht (RG 67, 394 u. 68, 278; ferner 76, 313 u. J W 1911, 584 27 ; SeuffArch. 70 Nr. 146). Sie kann begangen werden durch eine w i s s e n t l i c h f a l s c h e R a t s - o d e r A u s k u n f t s e r t e i l u n g gerade dem Anfragenden gegenüber, R G 148, 293; RG H R R 1932 Nr. 1204, mag es sich dabei auch nur um das Vorgeben einer in Wahrheit nicht vorhandenen Kenntnis oder um das wissentliche Verschweigen wesentlicher Umstände (RG J W 1911, 43 29 ; WarnRspr. 1921 Nr. 23) handeln, sofern der den Rat oder die Auskunft Erteilende sich wenigstens der Möglichkeit schädlicher Folgen daraus für den Anfragenden bewußt ist (RG J W 02 Beil. Nr. 21g; WarnRspr. 1910 Nr. 327; Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit: R G 76, 313). § 823 Abs. 2 kann vorliegen, wenn die Rats- oder Auskunftserteilung den Tatbestand einer strafbaren Handlung nach Maßgabe eines Schutzgesetzes (§ 263 StGB) erfüllt; § 824 kommt nur für den Schadensersatzanspruch der Person, über die eine ungünstige Auskunft erteilt worden ist, in Betracht. Darüber s. RG J W 08, 241 14 . Ferner Börsengesetz v. 8. 4. 1908 § 95 Abs. 1. Elfter Titel G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g Vorbemerkungen Ubersicht Anm.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Rechtsnatur Fremdes Geschäft Freiwillige Hilfeleistungen Allgemeine Grundsätze Entsprechende Anwendung dieser Grundsätze Anderweite gesetzliche Regelungen Tätigkeit öffentlicher Körperschaften

1 2 3 4 5 6 7

Anm. 1 1. Den Bestimmungen über den Auftrag hat das BGB diejenigen über die Geschäftsführung ohne Auftrag, auch „freiwillige Geschäftsführung" genannt, mit Rücksicht auf die innere Verwandtschaft des Stoffes beider Rechtskreise angereiht. Denn der Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag ist wie der des Auftrags und der des Dienst-

705

V o r § 677 A n m . 2—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

oder Werkvertrags nach § 6 7 5 die Geschäftsbesorgung für einen andern ( § 6 7 7 ) ; er unterscheidet sich von jenen durch die vollständig freiwillige Übernahme der Geschäftsbesorgung, durch das Fehlen eines Auftrags oder eines Vertrags oder einer sonstigen Berechtigung oder Verpflichtung zum Handeln für den Dritten. Deshalb ist die Geschäftsführung ohne Auftrag k e i n R e c h t s g e s c h ä f t ; sie ist eine T ä t i g k e i t , die Rechtswirkungen a u f G r u n d d e s G e s e t z e s erzeugt und zwischen dem Handelnden und der Person, f ü r die er handelt, ein vertragsähnliches Verhältnis schafft. Nur dieses letztere Verhältnis regeln die §§677—687; aber eine Vertretungsmacht des Geschäftsführers, aus der ein Dritter Ansprüche gegen den Geschäftsherrn herleiten könnte, enthalten sie nicht; die rechtsgeschäftliche Vertretung ohne Vertretungsmacht behandeln die §§ 1 7 7 — 1 8 0 .

Anm. 2 2 . Ein f r e m d e s G e s c h ä f t ist im Sinne der §§ 677—685 sowohl das g e g e n s t ä n d l i c h ( o b j e k t i v ) f r e m d e , das einen Eingriff in den Vermögens- und Rechtskreis des Geschäftsherrn voraussetzt, wie z. B. der Verkauf einer im Eigentum des Geschäftsherrn stehenden Sache, wie auch das p e r s ö n l i c h ( s u b j e k t i v ) f r e m d e , das ein fremdes nur durch die Zweckbeziehung, d. h. durch die Absicht, für einen anderen zu handeln, wird, die ihm der Geschäftsführer gibt; so der Ankauf einer Sache für den Geschäftsherrn. § 687 kann ausschließlich, § 686 in der Regel nur auf gegenständlich fremde Geschäfte bezogen werden. Wenn jemand ein gegenständlich fremdes Geschäft a l s s e i n e i g e n e s besorgt, liegt eine Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vor, R G 23. 10. 1903 I I I 169/03.

Anm. 3 3 . Uber den Begriff der G e s c h ä f t s b e s o r g u n g ist in der Vorbem. 2 vor § 662 gehandelt. Wie dort, so wirft sich auch hier die Frage auf, nach welchem Gesetze diejenigen freiwilligen Hilfeleistungen zu behandeln sind, die nicht in den Kreis der Geschäftsbesorgung, der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit für einen andern, fallen. Handlungen des g e s e l l s c h a f t l i c h e n L e b e n s erzeugen keine Rechtspflichten ( R G 1 2 8 , 4 2 ; B G H 2 1 , 102). Soweit es sich um Leistungen handelt, die Gegenstand eines Dienst- oder Werkvertrags sein können, wie die Behandlung eines Kranken durch einen Arzt, bieten sich die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag als zur entsprechenden Anwendung geeignet dar; für andere Hilfeleistungen, die nicht eine Tätigkeit, sondern ein Geben zum Inhalt haben (Lieferung von Verbandstoffen oder Heilmitteln durch den Apotheker auf Veranlassung des Arztes), kann Ersatz nur aus dem Rechtsgrunde der ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden. Einen Anspruch aus n ü t z l i c h e r V e r w e n d u n g , wie er nach gemeinem Recht und nach P r A L R hier einsetzen würde (actio de in rem verso), kennt das B G B nicht ( M 2, 8 7 1 ) . V o m Schrifttum: I s e l e , Geschäftsbesorgung (1935), L e n t , Der Begriff der auftraglosen Geschäftsführung (1909).

Anm. 4 4 . Die R e g e l u n g der Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem B G B ist folgende. Es betrachtet das Gesetz die Geschäftsführung zunächst bei der Ü b e r n a h m e , sodann bei der A u s f ü h r u n g . D e m G e s c h ä f t s f ü h r e r erwächst aus der Geschäftsführung kein A n s p r u c h (Bereicherung? vgl. § 685 Anm. 1), wenn er nicht die Absicht hatte, sich den Geschäftsherrn zu verpflichten (§ 685). Ist diese Absicht vorhanden, so kommen ihm jedenfalls die Ansprüche aus der Bereicherung zu ( § § 6 8 4 , 8 1 2 ) ; er gewinnt die Rechte des Beauftragten (§ 670), wenn der Geschäftsherr die Geschäftsführung nachträglich genehmigt (§ 684 Satz 2) oder wenn die Geschäftsführung sowohl dem Interesse wie auch dem, wenn auch nur vernünftigerweise vorauszusetzenden Willen des Geschäftsherrn entsprach (§ 683), aber auch beim Fehlen dieser Ubereinstimmung der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn, wenn die Geschäftsführung die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung einer Pflicht oder einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn zum Gegenstand hatte (§§ 683 Abs. 2, 679). Die Geschäftsführung v e r p f l i c h t e t den Geschäftsführer wie einen Beauftragten (§§681

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Geschäftsführung ohne Auftrag

Vor § 677

Anm. 5—7

Satz 2, 666—668); sie verpflichtet ihn ferner (§ 681 Satz i), tunlichst die Übernahme dem Geschäftsherrn anzuzeigen und seine Entschließung abzuwarten. Die schuldhafte Versäumung dieser Pflichten wie auch der Beachtung des Interesses und des wirklichen oder vorauszusetzenden Willens des Geschäftsherrn bei der Erledigung des Geschäfts (§ 677) macht ihn schadensersatzpflichtig. Aber auch ohne weiteres Verschulden, und selbst wenn die Geschäftsführung an sich dem Interesse des Geschäftsherrn entsprach, haftet er für einen dem Geschäftsherrn aus der Geschäftsführung entstandenen Schaden, wenn er bei der Übernahme (nicht der Erledigung) der Geschäftsführung dem wirklichen oder vorauszusetzenden Willen des Geschäftsherrn zuwiderhandelte (§ 678), es sei denn wiederum, daß durch die Geschäftsführung eine der vorbezeichneten Verpflichtungen des Geschäftsherrn (§ 679) erfüllt wurde, in welchem Falle die gewöhnliche Haftung nach §§ 276, 278 eintritt. Die Haftung verringert sich, und zwar für die Übernahme wie für die Ausführung des Geschäfts, auf Vertretung von Vorsatz und grobem Versehen, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer drohenden Gefahr von dem Geschäftsherrn bezweckte (§680). Die V e r j ä h r u n g der Ansprüche aus der Geschäftsführung ist die dreißigjährige (§ 195), auch wenn für das Geschäft, dessen Erledigung f ü r den Geschäftsherrn die Geschäftsführung zum Gegenstand hatte, eine kürzere Verjährung besteht ( R G 69, 429). Anders nur, wenn die Geschäftsführung in der Lieferung von Waren oder in Arbeitsleistungen bestand, deren Entgeltanspruch der kurzen Verjährung des § 196 unterliegt; § 196 setzt eine vertragsmäßige Grundlage des Anspruchs nicht voraus; der Anspruch aus der Geschäftsführung deckt sich hier mit dem Anspruch auf Bezahlung der Lieferungen oder Leistungen ( R G 86, 96). Anders auch dann, wenn die Geschäftsführung im Interesse eines aus unerlaubter Handlung Schadensersatzpflichtigen erfolgte, nachdem die Verjährung des Anspruchs des Beschädigten gemäß § 852 bereits eingetreten w a r ; denn nun befreite die Geschäftsführung den Ersatzpflichtigen nicht mehr von einer Schuld; diese war bereits erloschen ( R G aaO). § 687 fügt den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag einen fremden Tabestand an; er behandelt den Fall, daß jemand ein fremdes Geschäft, sei es bewußt (Abs. 2) oder unbewußt (Abs. 1) als sein eigenes behandelt. — Uber die Frage, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag dingliche Wirkung hat, wenn ein befugter Eingriff in den Vermögenskreis des Geschäftsherrn vorliegt (objektiv fremdes Geschäft i. S. der Anm. 4) vgl. B a u e r J Z 1952 S. 328, der eine entsprechende Anwendung der Vorschrigten über den Notverkauf (§§ 966, 983 B G B , §§ 379 I I H G B für zulässig hält.

Anm. 5 5. Die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g nach §§ 450 Abs. 2, 547 Abs. 2, 581 Abs. 2, 601 Abs. 2, 994 Abs. 2, 1049 Abs. 1, 1 2 1 6 Abs. 1, 1959 Abs. 1, 1978 Abs. 1 u. 3, 1 9 9 1 , 2 1 2 5 Abs. I. Über eine weitere entsprechende Anwendung für Hilfeleistungen, die keine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, vgl. oben Vorbem. 2 ; für die Schutzvorkehrungen nach § 6 T e l G R G WarnRspr. 1 9 1 3 Nr. 383. Da kein Vertragsschluß vorliegt, ist auch eine culpa in contrahendo des Geschäftsherrn ausgeschlossen.

Anm. 6 6. A n d e r w e i t e r e i c h s g e s e t z l i c h e N o r m e n über Geschäftsführungen ohne Auftrag finden sich in §§965—84 (Finden verlorener Sachen), in §89 Z P O (prozeßrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag), §§ 740fr. H G B (Bergung und Hilfeleistung in Seenot), sowie in den entsprechenden §§ 93 fr. des BinnenSchG.

Anm. 7 7. Auch die Tätigkeit öffentlich-rechtlicher K ö r p e r s c h a f t e n kann eine Geschäftsführung ohne Auftrag enthalten, und zwar nicht bloß bei Bevätigung im privaten Geschäftsbereich (so st. Rspr. R G 1 0 8 , 3 9 1 ; 1 1 3 , 1 5 8 ; 1 3 3 , 2 4 4 ) , sondern auch bei Erfüllung der ihnen auf dem Gebiete der Wirtschaftsförderung und der öffentlichen Fürsorge (vgl. § 89 Anm. 4—6) obliegenden Aufgaben. Soweit nicht besondere gesetzliche Regelungen getroffen sind (vgl. §§ 21 ff. der V O über die Fürsorgepflicht v. 13. 2. 1924; Art. 103 E G B GB), können also die öffentlich-rechtlichen Körperschaften

707

§ 677 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Erstattung ihrer Aufwendungen von denjenigen verlangen, in deren Interesse sie gemacht sind, bei Gewährung von Unterhalt von dem Unterhaltsverpflichteten (st. Rspr. R G 79, 69; 82, 2 1 4 ) , während die Fürsorgeverbände Krankenanstalten, Ärzten und sonstigen Dritten bei fürsorgerischer Hilfeleistungen ihre Aufwendungen zu erstatten haben ( R G 156, 82). Auch andere öffentlichen Körperschaften können in entsprechender Anwendung der §§ 677, 683 gegen den Fürsorgeverband solche Ansprüche geltend machen ( R G 159, 1 4 1 ; B G H 9, 10), jetzt allerdings nur noch im Verwaltungsstreitverfahren.

§677 Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von Ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert. E I 749 Abs. 1 II 608; M 2 854—857; P 2 725—727.

Anm. 1 Der Begriff der G e s c h ä f t s b e s o r g i u n g ist hier derselbe, wie in den §§ 662 u. 675, S. die Vorbem. 2 vor § 662 und vor § 677, sowie Anm. 1 zu § 662 und A n m . 1 zu § 675. Uber die e n t s p r e c h e n d e Anwendung auf Tätigkeiten anderer Art und die schließliche Ergänzung der Lücke durch die Vorschriften über die Bereicherung s. die angezogene Vorbem. 2 vor § 677. Die r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Geschäftsbesorgung ohne Auftrag kann wie beim Auftrag im eigenen Namen des Geschäftsführers oder auf den Namen des Geschäftsherrn erfolgen, R G 138, 49; im letzeren Fall ist sie nach außen Vertretung ohne Vertretungsmacht (§§ 177fr., prozessual §89 Z P O ) . Die Unentgeltlichkeit der Geschäftsbesorgung ist der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht wesentlich (s. darüber Anm. 5 zu § 683).

Anm. 2 F ü r e i n e n a n d e r n , nicht „eines andern". Damit ist ausgesprochen, daß die Geschäftsführung ohne Auftrag sowohl das gegenständlich (objektiv) fremde, wie das persönlich (subjektiv) fremde Geschäft umfaßt, s. die Vorbem. 4 vor § 677. Das Handeln f ü r einen andern setzt das Bewußtsein u n d den Willen voraus, für ihn tätig zu sein R G 130, 3 1 0 ; für seine Zwecke und Interessen, beides kann bei dem gegenständlich fremden Geschäft auseinanderfallen; ist dann zwar das Bewußtsein vorhanden, aber nicht der Wille, so ist der Tatbestand des §687 Abs. 2 gegeben ( R G J W 1 9 3 1 , 2724 2 5 ). Bei den schon nach der ä u ß e r e n E r s c h e i n u n g (objektiv) fremden Geschäften spricht eine V e r m u t u n g dafür, daß ihre Vornahme auch f ü r den andern erfolgt, in dessen Geschäftsbereich sie fallen. Umgekehrt gibt es Geschäfte, die ihrer Erscheinung nach sich als eigene dessen darstellen, der sie vornimmt. Hier spricht die V e r m u t u n g d a g e g e n , daß sie für einen andern besorgt wurden. Beide Vermutungen sind aber widerlegbar. Bei Geschäften, die ihrer Erscheinung nach weder die eine noch die andere Vermutung aufkommen lassen (Ankauf von Wertpapieren), kommt es auf die Umstände des einzelnen Falles an. Jedenfalls muß der W i l l e d e s G e s c h ä f t s f ü h r e r s , ein fremdes Geschäft zu besorgen, in irgendeiner Weise nach außen hin in die Erscheinung treten, ( R G J W 1937, 1628 2 , B G H 21, 102). Es genügt nicht, daß der Geschäftsführer bloß den inneren Willen hierzu hat. ( R G H R R 1930 Nr. 2 1 4 7 ) . Eine bloße unverbindliche Aufforderung an einen andern, f ü r einen Dritten Geschäfte zu besorgen, ist noch nicht selbst schon Geschäftsbesorgung. Die Richtung des Willens auf eine b e s t i m m t e Person ist nicht erforderlich; es genügt das Vorhandensein des Blankettwillens, zu handeln für den, den es angeht, ( H R R 3 1 , 6 6 6 ) . Der Irrtum über die Person des Geschäftsherrn ist f ü r den Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag unerheblich; nur der wirkliche Geschäftsherr wird berechtigt und verpflichtet (§686). Der „ a n d e r e " kann auch eine Leibesfrucht oder eine erst im Entstehen begriffene juristische Person sein ( R G SeuffArch. 42 Nr. 1 1 2 ; L Z 1 9 1 3 , 853 2 5 ). Ein H a n d e l n f ü r d i e e i g e n e P e r s o n schließt das gleichzeitige Handeln für einen andern nicht aus: so kann ein Miterbe zugleich für sich

708

Geschäftsführung ohne Auftrag

§677 Anm. 3, 4

und als Geschäftsführer für die übrigen Miterben tätig sein ( R G 88, 28; 126, 293; 130, 3 1 1 ) . So kann der Unterhaltspflichtige, der für den durch einen Dritten körperlich verletzten Unterhaltsberechtigten Aufwendungen macht, dabei zugleich als Geschäftsführer für den ersatzpflichtigen Schädiger handeln (vgl. darüber § 683 Anm. 2 u. § 843 Anm. 8). Ebenso kann neben einer Verpflichtung zum Handeln e i n e m a n d e r n (B) gegenüber, sei es auf Grund einer öffentlich rechtlichen (Polizeiauflage R G 167, 59) oder einer privatrechtlichen Pflicht, die gleichzeitige bewußte und gewollte Tätigkeit für einen Dritten (C) bestehen, die sich als Geschäftsführung ohne Auftrag darstellt (der Miterbe A handelt für sich, als Beauftragter des Miterben B und als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Miterben C). Wer aber lediglich auf Grund einer wirklichen oder vermeintlichen Verpflichtung einem andern (B) gegenüber eine Tätigkeit ausübt, die in Wirklichkeit im Interesse eines Dritten (C) liegt, handelt nicht als des letzteren Geschäftsführer, da er dessen Interesse nicht wahrnehmen wollte ( R G J W 03 Beil. Nr. 3 1 0 ) . Ein Arzt, der die Ehefrau in Lebensgefahr operiert, handelt in Geschäftsführung f ü r den Ehemann, der zum Unterhalt der Ehefrau verpflichtet ist, R G H R R 32, 1 1 2 . Ein entgegenstehender Wille des Ehemanns kommt nach §679 solchenfalls nicht in Betracht, ( R G H R R 1932 Nr. 1 1 2 ) .

Anm. 3 Beauftragt

heißt hier durch V e r t r a g berechtigt (Auftrag, Dienstvertrag, Werkvertrag, Mäklervertrag); sonst berechtigt bedeutet die g e s e t z l i c h e Berechtigung des Ehemanns, Vaters, Vormunds, Nachlaß- und Konkursverwalters oder eines durch Amtspflicht zum Handeln berechtigten Beamten ( R G 90, 2 1 1 ) . Der Vormund, der nach beendeter Vormundschaft weiter für das frühere Mündel tätig ist, handelt insoweit als Geschäftsführer ohne Auftrag ( R G J W 1 9 1 0 , 2 3 3 1 0 ) ; ebenso der Notar, der ohne dahingehenden Auftrag die Grundbuchbenachrichtigungen hinsichtlich eines von ihm beurkundeten Rechtsgeschäfts für die Beteiligten entgegennimmt ( R G 8 1 , 428); sowie ferner die auf Grund einer nichtigen Bestellung tatsächlich in der Stellung des Geschäftsführers einer G . m . b . H . tätig gewordene Person für die Gesellschaft ( R G WarnRspr. 09 Nr. 504). Ob der Geschäftsführer sich bewußt war, ohne Auftrag zu handeln, ist für die Rechte und Pflichten aus der Geschäftsführung gleichgültig (§686); nur darf er nicht glauben, dem Geschäftsherrn zu einer Leistung v e r p f l i c h t e t zu sein. Uber den Auftrag eines Dritten s. Anm. 2. Ist der Auftrag oder der verpflichtende Vertrag n i c h t i g , so bleibt, wenn die Voraussetzungen des § 677 vorliegen, die auftragslose Geschäftsführung übrig ( R G 90 S. 2 1 1 , 2 i 5 f . ) . Anders nur, wenn der Fall des § 6 7 4 vorliegt, ebenso bei §§729, 1424, 1682, 1893, 2 2 1 8 . D a mangels eines Auftrags oder sonstigen Vertrags ein Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn vor der Geschäftsbesorgung nicht besteht, kann ein Anspruch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag nur wegen der in der Vergangenheit liegenden Geschäfte des Geschäftsführers erhoben werden ( R G 84, 390; WarnRspr. 1920 Nr. 1 6 1 ) . Deshalb ist keine Feststellungsklage für Geschäftsführungsleistungen in der Zukunft möglich, es sei denn, daß es sich um regelmäßige, häufig wiederkehrende Leistungen handelt, deren Wiederholung dem zu erwartenden regelmäßigen Verlaufe der Dinge entspricht; hier ist eine dauernde Beziehung gegeben, die die Grundlage einer Feststellung werden kann. Ebenso liegt bei einer A n w e i s u n g eine „sonstige" Berechtigung zur Geschäftsführung vor, kein Auftrag. Die Ausführung der Geschäftsführung verpflichtet den Anweisenden zum Ersatz. Eine weitgehende Menschenhilfe ist ferner in S t G B § 3 3 0 c begründet worden. Uber dessen Bedutung A n m . 3 zu § 670. Der Grundsatz ist: Menschenhilfe soll begünstigt werden.

Anm. 4 § 677 gibt die allgemeine Regel über die V e r p f l i c h t u n g e n des

Geschäfts

führers bei der Ausführung der unternommenen Geschäftsbesorgung; für die

Verpflichtungen bei der Ü b e r n a h m e und die Folgen ihrer Verletzung gelten die §§ 678 ff. Die Grundregel, die beide beherrscht, ist, daß die Geschäftsführung dem objektiven Interesse sowie dem wirklichen oder vernünftigerweise vorauszusetzenden (mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn, bei dessen Geschäftsunfähigkeit dem seines

709

§ 677 A n m . 5 § 678 A n m . 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

gesetzlichen Vertreters entsprechen soll, R G 149, 207. Während aber ein Zuwiderhandeln gegen den erkannten oder dem Geschäftsführer erkennbaren Willen des Geschäftsherrn bei der Ü b e r n a h m e der Geschäftsführung den Geschäftsherrn auch ohne sonstiges Verschulden für allen aus der Geschäftsführung entstandenen Schaden ersatzpflichtig macht (§678), steht die A u s f ü h r u n g , von den durch die §§678—680 getroffenen Fällen abgesehen, unter den allgemeinen Grundsätzen der §§ 276 u. 278. Die Vorschrift betrifft nur die gerechtfertigte Geschäftsführung. Der Geschäftsführer hat, nachdem er ohne Verschulden die Geschäftsführung übernommen, das Geschäft nach sachlichen Gesichtspunkten, nach seiner besten Kenntnis auszuführen. Das I n t e r e s s e des Geschäftsherrn muß hierbei immer sein leitender Gedanke sein, auf den W i l l e n des Geschäftsherrn ist im Rahmen dieses Interesses tunlichst Rücksicht z u nehmen; die Art und Weise, wie der Geschäftsführer das Geschäft für den Geschäftsherrn durchführt, ist im übrigen seine Sorge. Nur eine Anpassung an den Willen des Geschäftsherrn, nicht eine Unterordnung unter diesen, der einer sachlichen Erledigung und dem eigenen Interesse des Geschäftsherrn hinderlich sein kann, wird hier verlangt. Für den Erfolg hat der Geschäftsführer nach § 677 nicht einzustehen. — Uber das I n t e r e s s e und den w i r k l i c h e n o d e r m u t m a ß l i c h e n W i l l e n des Geschäftsherrn s. des näheren § 683 Anm. 2 u. 3, R G 149, 206. — Eine Verpflichtung, das begonnene Geschäft zu Ende zu führen, besteht für den Geschäftsführer grundsätzlich nicht. Aber die unternommene Geschäftsführung untersteht dem Gesichtspunkt des § 242; die Übernahme erzeugt Pflichten, die nicht durch Fallenlassen der Geschäftsführung rückwärts beseitigt werden können ( R G 63, 280; 126,292). So übernimmt, wer einen liegen gelassenen fremden Wertgegenstand für den Berechtigten an sich nimmt, auch die Verwahrungspflicht (RG WarnRspr. 1922 Nr. 12). — Besondere Normen über Pflichten des Geschäftsführers bei der Ausführung des Geschäfts sind in § 681 und den dort angezogenen §§ 666—668 enthalten. Die entstandenen Verpflichtungen des Geschäftsführers gehen auf dessen Erben über, diese sind aber zur Fortführung der Geschäfte nicht verpflichtet. Anm. 5 Die Ansprüche verjähren nach § 195, auch wenn das besorgte Geschäft eine kürzere Verjährungsfrist hat ( R G 69, 429). Anders bei § IQ6 ( R G 86, 96).

§678 Steht die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch und mußte der Geschäftsführer dies erkennen, so ist er dem Geschäftsherrn zum Ersätze des aus der Geschäftsführung entstehenden Schadens auch dann verpflichtet, wenn ihm ein sonstiges Verschulden nicht zur Last fällt. E I 749 A b s . 2 II 609; M 2 8 J 7 , 8 J 8 ; P 2 727.

Anm. 1 Die Übernahme der Geschäftsführung, nicht auch die Art der Ausführung (vgl. Prot. 2, 727 und oben Anm. 4 zu § 677 sowie Anm. 1 zu § 683). Für die A u s f ü h r u n g gilt § 677 in Verbindung mit §§ 276, 278. Unter Übernahme ist diejenige Handlung zu verstehen, durch die der Geschäftsführer seine Absicht äußerlich erkennbar macht, ein bestimmtes Geschäft zu besorgen und durchzuführen nach seinem ganzen Umfang. Die Bestimmung des § 678 setzt eine Ausnahme von der Grundregel des § 677 insofern, als unter der Voraussetzung, daß die Ü b e r n a h m e der Geschäftsführung dem Willen des Geschäftsherrn widersprach, die Haftung des Geschäftsführers wegen seiner ganzen Tätigkeit auch auf im übrigen unverschuldeten Schaden sich ausdehnt. Die Übernahme muß also nach § 683 dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn e n t s p r e c h e n , während die Ausführung nur mit R ü c k s i c h t auf diesen Willen zu geschehen hat. Ein Entsprechen ist nur dann vorhanden, wenn der Geschäftsherr überhaupt gewollt hat, daß das Geschäft unternommen wird, daß es gerade der bestimmte Geschäftsführer unternimmt und daß dieser es in der bestimmten Art und

710

Geschäftsführung ohne Auftrag

§ 678 A n m . 2, 3 § 679 A n m . 1, 2

Weise ausführt. Andernfalls steht es mit dem Willen des Geschäftsherrn in W i d e r s p r u c h . Voraussetzt ist, daß der Einmischende nicht sein eigenes, sondern fremde Geschäfte besorgen wollte (RG 103, 4 1 1 ; 1 0 5 , 9 2 ) . Auch für § 6 7 8 ist aber die Einschränkung des § 680 gültig. D a es sich um einen Eingriff in einen fremden Geschäftskreis handelt, ist kein Grund ersichtlich, ihn zu begünstigen, R G 143, 95. Ausgenommen natürlich bei Nothilfe. Anm. 2 „Mußte der Geschäftsführer dies erkennen", d. i. hat er es erkannt oder hätte er es bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen. Das Handeln gegen bessere Kenntnis oder die auf mangelnder Sorgfalt beruhende Nichterkenntnis stellt das Verschulden dar, das den Geschäftsführer haftbar macht; § 276. Die B e w e i s l a s t für das Erkennen oder Erkennenmüssen trifft den Geschäftsherrn. Anm. 3 Haftung nicht nur für den vorauszusehenden, sondern auch für Zufallsschaden R G 158, 3 1 3 ohne sonstiges Verschulden, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem objektiven I n t e r e s s e des Geschäftsherrn entsprach (RG 1 0 1 , 18). Die vorwiegende Bedeutung des Interesses kommt in §§ 677 u. 680 zum Ausdruck, wo es sich um die A u s f ü h r u n g der übernommenen Geschäftsführung handelt. Für die Ü b e r n a h m e entscheidet allein der W i l l e des Geschäftsherrn. Die Einmischung in das fremde Geschäft g e g e n d i e s e n W i l l e n ist u n s t a t t h a f t . So auch die Überschreitung derGrenzen des H G B § 1 1 6 : (RG 1 2 . 6 . 1 9 1 3 I I 130/13). Der Geschäftsführer trägt auch die Gefahr eines ungünstigen Ausgangs, auch ein starkes Interesse des Geschäftsherrn entlastet ihn nicht. Ausnahme nach §679. Die G e n e h m i g u n g d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g (§ 684) beseitigt naturgemäß den Schadensersatzanspruch aus § 678. Für die Feststellung, ob und in welchem Umfange ein Schaden entstanden ist, ist das Ergebnis der ganzen Geschäftsführung maßgebend. — Daß § 678 nicht anwendbar ist, wenn der Handelnde ein fremdes Geschäft gar nicht besorgen wollte, sondern die Tätigkeit zu seinem eigenen Geschäfte machte ( R G J W 03 Beil. Nr. 310), ist selbstverständlich.

§679 Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung i m öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. E I 749 Abs. 2 II 610; M l 8j8, 864.. 86j; P i 735—738.

Anm. 1 Die Bestimmung des §679 stellt sich als eine A u s n a h m e von dem Grundsatz des § 678 dar ( R G 106, 354; 149, 207), wonach jeder über die Wahrung seiner eigenen Interessen zu bestimmen hat. Die Folge der Ausnahme ist, daß f ü r die Haftung des Geschäftsführers in den Fällen des § 679 wieder gemäß § 677 die allgemeine Regel der §§ 276, 278 gilt. Unter der Geschäftsführung ist deshalb auch hier die Übernahme der Geschäftsführung zu verstehen, während für die A u s f ü h r u n g ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn nur nach Maßgabe des § 677 in Betracht kommt (§677 Anm. 4, § 678 Anm. 1). Aber auch in den Grenzen, in denen der Wille des Geschäftsherrn für die Ausführung des Geschäfts nach § 677 zu berücksichtigen ist, wird er ausgeschaltet, soweit er nach § 679 durch andere Umstände ersetzt wird. Anm. 2 Entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn, den § 678 für das M a ß der Verpflichtungen des Geschäftsführers als ausschlaggebend hinstellt, wird nach § 679 durch ein öffentliches Interesse der Geschäftsführung bedeutungslos gemacht ( R G 46

Komm. z. BGB, n . Aufl. II. Bd. (Denecke)

711

§ 679 A n m . 3, 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

J W 1936, 7942). Dieses ersetzt den Willen, nicht aber auch das persönliche I n t e r e s s e des G e s c h ä f t s h e r r n , das durch § 679 nicht berührt wird. Letzteres kommt zur Geltung, wenn der Geschäftsführer nach § 683 Ersatz seiner Aufwendungen vom Geschäftsherrn verlangen will, es wird aber in der Regel als mit dem öffentlichen Interesse übereinstimmend von vornherein anzusehen sein. Soweit der Wille des Geschäftsherrn nach § 679 durch andere Voraussetzungen ersetzt wird, ist auch ein ausdrückliches Verbot des Geschäftsherrn gleichgültig. Der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn kommt ferner auch dann n i c h t in B e t r a c h t , wenn er r e c h t s w i d r i g oder s i t t e n w i d r i g ist. Bestritten ist, ob der Wille des Selbstmörders ein rechtlich beachtlicher Wille ist, der der Rettung durch einen Dritten entgegensteht, oder ob diese Rettung als zulässige Geschäftsführung angesehen werden darf. Die Frage entscheidet sich danach, ob man jemand das Recht zugesteht, über sein Leben frei zu verfügen und freiwillig auf es zu verzichten. RGSt. 58 S. 204, 399; RG 66, 307 nimmt an, daß es sich um ein unverzichtbares Rechtsgut handele. Deshalb ist ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich. L a r e n z aaO. S. 128; Z i t e l m a n n Arch. f. ZivPrax. Bd. 99, 113; L e n t aaO. S. 40, 58 will gewaltsame Verhinderung eines Selbstmordes im Umfang zulassen, wie ihn die Polizei hat. Anm. 3 Nicht die Pflicht selbst und nicht die Geschäftsführung als solche, sondern deren Erfüllung muß i m öffentlichen Interesse liegen (RG 75 S. 188, 276; 77, 193; 92 S. 102, 201); die Pflicht kann deshalb auch privatrechtlicher Natur, braucht keine öffentlich-rechtliche zu sein; sie wird unter Umständen selbst in einem Vertrage begründet sein dürfen. Die Pflicht muß für den Geschäftsherrn eine R e c h t s p f l i c h t sein. Auch eine entsprechende Anwendung auf n u r sittliche Pflichten ist unzulässig ( L e n t aaO S. 34ff. RG 92, 201 a. M. L a r e n z . Vertrag und Unrecht II 128; P a l a n d t Anm. 2). Sittliche Pflichten sind aber zuweilen zu Rechtspflichten erhoben, StGB §33oc. Aber nicht jede öffentlich-rechtliche Pflicht ist in § 679 gemeint, sondern es ist weiter erforderlich die Dringlichkeit der Erfüllung gerade dieser Verpflichtung. Insgemein obliegt sie den zuständigen Behörden. Ein öffentliches Interesse gemäß § 679 ist das Interesse an den sachlich gerechtfertigten Aufgaben der Gemeinschaft, es liegt vor bei der Schaffung der in §618 dem Dienstherrn zur Pflicht gemachten Einrichtungen, bei der Bezahlung von Steuern für den Geschäftsherrn (so die allgemeine Meinung; a. A. Prot. 2, 738), Verpflegung seiner Einquartierung, Wegebesserung, Bestreitung von Beerdigungskosten, Wegschaffung von Verunglückten von öffentlichen Straßen (RG J W 1910, 1869; andere Fälle s. RG 75 S. 188 u. 276; 77, 193; 108, 391; J W 1911, 992 36 ; 1912, 8i 2 7 ); hierher gehören auch die Aufwendungen für die Wiederherstellung von Kirchengebäuden an Stelle der baulastpflichtigen Personen (RG 82, 214; 102, 9), unter Umständen öffentliche Fürsorge BGH GZ S. 4, 153 [161]. Auf der andern Seite stehen die Fälle, in denen die Erfüllung einer Pflicht des Geschäftsherrn im öffentlichen Interesse nicht anzuerkennen ist: (RG 92, 197; LZ 1918, 12099). Die Pflicht des Geschäftsherrn braucht nicht endgültig festzustehen (die Berufung gegen die bezahlte Steuer steht noch offen; Kanalbeiträge sind den Hauseigentümern durch anfechtbaren Bescheid auferlegt). Die Erfüllung sittlicher Pflichten schlechthin steht der im öffentlichen Interesse begründeten Erfüllung gesetzlicher Pflichten nicht gleich. Es genügt nicht, daß die Einmischung im öffentlichen Interesse liegt, es muß auch eine Pflicht des Geschäftsherrn zur Vornahme des Geschäfts vorliegen und die Erfüllung dieser Pflicht im öffentlichen Interesse liegen (RG 92, 197; 108,391; 113, 181). Ansprüche des Fürsorgeverbands RG 144, 173; 150, 243. Anm. 4 Gesetzliche Unterhaltspflicht: Sie beruht auf familienrechtlicher oder erbrechtlicher Grundlage, §§ 1345, 1346, 1351, i36of., 1578fr., i6oiff., 1703, 1708, 1715, 1719, 1736, 1739, !757> j 762, 1766, 1963, 1969, ferner auf schuldrechtlicher Grundlage, §§ 528, 843, 844. Ein öffentliches Interesse wird nicht gefordert. Hierher gehören auch die Leistungen des Arztes, der ohne Auftrag die Ehefrau oder das Kind des unterhaltspflichtigen Ehemanns oder Vaters behandelt (vgl. RG J W 1913, 11474). Ebenso die 712

Geschäftsführung ohne Auftrag

§ 679 A n m . 5, 6 § 680 A n m . 1

des Apothekers für denselben Zweck, der hier nicht nur Waren liefert (vgl. Vorbem. 2 vor § 677), sondern dem Unterhaltspflichtigen eine wirtschaftliche Sorge abnimmt, indem er aus seinen Vorräten Gegenstände beschafft, die sonst der Unterhaltspflichtige beschaffen müßte. Die vielbehandelte Frage, ob d e m A r z t e , der eine E h e f r a u beh a n d e l t e , auch ein Anspruch gegen diese zusteht, möge hier ihre Stelle finden. Wurde der Arzt von der Ehefrau selbst zugezogen, dann erwächst ihm gegen sie der Vertragsanspruch; daneben hat er von der naturgemäßen Annahme aus, d a ß der Arzt seine Tätigkeit ausübt, für den, den es angeht, gegen den unterhaltspflichtigen Ehemann den Anspruch aus auftragloser Geschäftsführung. H a t aber der Ehemann den Arzt angenommen und sich ihm dadurch vertraglich verpflichtet, so liegt auch der Ehefrau gegenüber Geschäftsbesorgung vor, R G 152, 175. Privatrechtlich besteht keine Verpflichtung, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen, eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nur in einzelnen besonderen Fällen : so der Impfzwang, nach der Seuchengesetzgebung, zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten. Der Grund hierfür ist aber die Gefahr für die Allgemeinheit durch eine Ansteckung.

Anm. 5 Der nicht rechtzeitigen Erfüllung steht selbstverständlich die Nichterfüllung überhaupt gleich, es genügt aber schon jene. Nicht rechtzeitig ist auch die im Zeitpunkt der verlangten Erfüllung nur zum Teil erfolgte. Es m u ß o b j e k t i v die nicht rechtzeitige Erfüllung vorliegen. Die i r r i g e A n n a h m e des Geschäftsführers hierüber reicht zur Berechtigung der Geschäftsführung nicht aus. Ebenso müssen die anderen Voraussetzungen des § 679 objektiv vorliegen. Anm. 6 Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 679 trifft den Geschäftsführer, der sich darauf beruft. Die irrtümliche Annahme, d a ß die Voraussetzungen gegeben seien, erfüllt den Tatbestand des § 679 nicht, kann aber gleichwohl eine Haftung nach § 678 ausschließen, soweit es sich u m den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn handelt und der I r r t u m des Geschäftsherrn diesen an dem Erkennen und Erkennenmüssen jenes Willens ohne Verschulden hindert. § 6 8 0 Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. E I 750 II 611; M l 858; P l 727, 728.

Anm. 1 Indem § 680 die Haftung des Geschäftsführers auf die Vertretung von Vorsatz und grobem Versehen beschränkt, setzt er ebenso wie § 679 eine A u s n a h m e nicht nur von § 678, sondern auch von §§ 677 u. 679, nach denen die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers die regelmäßige der §§ 276, 278 ist. Der Grundgedanke der Bestimmung ist, daß ein helfendes Eingreifen Dritter in Augenblicken dringender Gefahr im allgemeinen Interesse erwünscht sein, ein Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe aber wegen der durch die Gefahr erforderten Schnelligkeit der Entschließung, die ein ruhiges überlegenes Abwägen ausschließt, nur zu leicht stattfinden kann. Über die Anwendbarkeit des § 680 bei vertragsmäßiger unentgeltlicher Geschäftsbesorgung s. § 662 Anm. 3. Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 680 trifft den Geschäftsführer. Eine Rechtsähnlichkeit zwischen den Tatbeständen von §679 und §680 besteht nicht; §679 hat Interessen des allgemeinen Wohles im Auge, §680 lediglich den S c h u t z v o n P r i v a t i n t e r e s s e n ; die Bedeutungslosigkeit des der Handlung des Geschäftsführers entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn nach § 679 gilt nicht über den Rahmen der dort bezeichneten Fälle hinaus und ist auf den Fall des § 680 nicht zu übertragen (RG 101, 18). 46*

713

§ 680 A n m . 2—4

§ 681 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Anm. 2 Die Geschäftsführung braucht die Abwendung der Gefahr nur zu b e z w e c k e n ; deshalb ist nicht nur der Erfolg gleichgültig; es kommt auch nicht darauf an, ob die Gefahr wirklich bestand, sofern nur der Geschäftsführer sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt — in dieser Beziehung gilt die allgemeine Regel des § 276 — für gegeben a n n e h m e n durfte, auch wenn er — anders als in § 679 — dabei irrte.

Anm. 3 Eine d r i n g e n d e G e f a h r ist die unmittelbar bevorstehende. Die Gefahr kann bestehen für die P e r s o n des Geschäftsherrn oder sein V e r m ö g e n , aber auch für die Person und das Vermögen der A n g e h ö r i g e n des Geschäftsherrn (h. M . ) .

Anm. 4 G r o b e F a h r l ä s s i g k e i t ist eine besonders schwere Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Wenn durch grobe Fahrlässigkeit des Geschäftsführers dem Geschäftsherrn ein Schaden erwachsen ist, so kann auch bei Anerkennung des Grundsatzes der Vorteilsausgleichung — vgl. darüber Vorbem. 5 vor § 249 — dagegen nicht der Wert der etwa durch die Geschäftsführung geretteten Sache verrechnet werden ; denn diese Rettung bedeutet eine Erhaltung des Vermögens, nicht aber einen Vermögenszuwachs, der dem Abgang gegenübergestellt werden könnte.

§681 Der G e s c h ä f t s f ü h r e r hat die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, dem Geschäftsherrn anzuzeigen und, wenn nicht m i t dem A u f schübe G e f a h r verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten. I m übrigen finden auf die Verpflichtungen des G e s c h ä f t s f ü h r e r s die f ü r einen Beauftragten geltenden Vorschriften d e r § § 666 bis 668 entsprechende Anwendung. E I 751 II 612; M 2 859; P 2 728.

Anm. 1 A n z e i g e p f l i c h t d e s G e s c h ä f t s f ü h r e r s . Vgl. § 665 Satz 2. Der Wille des Geschäftsherrn, der nach §§ 677, 678, 683 für die Übernahme der Geschäftsführung maßgebende Norm, f ü r die Ausführung wenigstens tunlichst zu beachtende Richtschnur ist, soll nicht ohne Not umgangen werden ( R G 63, 280). Wann die Anzeige t u n l i c h war, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles; so ist regelmäßig ein strengerer Maßstab anzuwenden, wenn der Geschäftsführer mit dem Geschäftsherrn am gleichen Ort wohnt und diesen deshalb leicht erreichen kann ( R G 12. 1 1 . 1 9 1 7 V I 270/17). Der mutmaßliche Wille ersetzt nicht den wirklichen und kommt erst in Betracht, wenn der letztere nicht zu ermitteln ist. Dieser Ermittlung dient der § 6 8 1 . Schuldhafte Nichtachtung der Anzeige- und Abwartungspflicht verpflichtet zum Schadensersatz. Anwendung der Bestimmung auf einen Rechtsanwalt, der eine Partei in erster Instanz vertreten, dann ohne besonderen Auftrag Berufung einlegt, diese aber, ohne die Entschließung der Partei einzuholen, wieder zurückgenommen hatte ( R G J W 1 9 1 3 , 921 8 ).

Anm. 2 § 6 6 6 : Auskunft und Rechenschaft; § 6 6 7 : Herausgabe des Erlangten. Hat jemand ein Geschäft für eine Erbengemeinschaft besorgt, ohne von ihr beauftragt zu sein, so kann der einzelne Miterbe die Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten an die Erbengemeinschaft erst verlangen, wenn diese die Geschäftsführung genehmigt hat, ( R G 1 0 7 , 2 3 8 ) . § 6 6 8 : Verzinsung im eigenen Interesse des Geschäftsführers verwendeten Geldes. Auch die §§ 672 Satz 2, 673 Satz 2 (Folgen des Todes des Geschäftsherrn und des Geschäftsführers) sind für die Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend anwendbar. Die Ansprüche aus § 681 kann der Geschäftsherr auch bei unechter Geschäftsführung machen; auf Schadensersatz auch ohne die Beschränkungen des § 679 u. § 680, S. 687 Abs. 2.

714

Geschäftsführung ohne Auftrag

§ 682 § 683 A n m . 1

§ 6 8 3 Ist der Geschäftsführer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit b e s c h r ä n k t , so i s t e r n u r n a c h d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r den S c h a d e n s e r s a t z w e g e n u n e r l a u b t e r Handlungen u n d ü b e r die H e r a u s g a b e e i n e r u n g e r e c h t fertigten Bereicherung verantwortlich. E I

752

II

613;

Ma

860;

P1

729.

Anm. 1 D e r G e s c h ä f t s f ü h r e r : Die Geschäftsunfähigkeit oder Beschränkung der Geschäftsfähigkeit auf der Seite des G e s c h ä f t s h e r r n ist für die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und dem Geschäftsführer, auch soweit sein Wille nicht überhaupt ausgeschaltet wird (§ 679), einflußlos. An die Stelle des Willens des Geschäftsherrn selbst tritt in diesen Fällen der Wille des gesetzlichen Vertreters. Auch für den G e s c h ä f t s f ü h r e r ist aber § 682 nicht anwendbar, wenn er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat; dann finden vielmehr die §§ 107, m freilich nur ents p r e c h e n d Anwendung. Denn die Geschäftsführung ist eben kein Rechtsgeschäft, sondern eine Tatsache, an die nur rechtliche Folgen geknüpft sind. Anm. 2 G e s c h ä f t s u n f ä h i g : § 104; in der Geschäftsfähigkeit beschränkt: §§ 106, 114. Anm. 3 § 682 beschränkt die Verantwortung des geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Geschäftsführers auf die Verpflichtungen zum S c h a d e n s e r s a t z e w e g e n u n e r l a u b t e r Handlungen (§§ 823ff., für den persönlichen [subjektiven] Tatbestand insbesondere §§ 827—829) und zur Herausgabe der B e r e i c h e r u n g (§§812ff.; vgl. R G 8 i , 205); in der Gleichstellung beider Klassen der nicht voll geschäftsfähigen Personen weicht die Regelung des § 682 von der der §§ 104 fr. ab. — Uber die A n s p r ü c h e dieser Personen, wenn sie als Geschäftsführer gehandelt haben, gibt § 682 keine Bestimmung. Der Geschäftsunfähige kann nur Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung erheben, doch wird sein gesetzlicher Vertreter die Geschäftsführung nachträglich genehmigen und den Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen nach § 683 für ihn geltend machen können. Für den in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten gilt § 107, wonach ihm die rechtlichen Vorteile aus seiner Handlung zukommen. § 6 8 3 E n t s p r i c h t die Ü b e r n a h m e d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g d e m I n t e r e s s e und d e m w i r k l i c h e n o d e r d e m m u t m a ß l i c h e n W i l l e n d e s G e s c h ä f t s h e r r n , so k a n n d e r G e s c h ä f t s f ü h r e r w i e ein B e a u f t r a g t e r E r s a t z s e i n e r A u f w e n d u n g e n v e r l a n g e n . In den F ä l l e n des § 6 7 9 steht d i e s e r A n s p r u c h d e m G e s c h ä f t s f ü h r e r zu, a u c h w e n n die Ü b e r n a h m e d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g m i t d e m W i l l e n des G e s c h ä f t s h e r r n in W i d e r s p r u c h s t e h t . E I 7J3 n

614; M 2 860—863; P a

729—734.

Anm. 1 V o r a u s s e t z u n g für den Anspruch auf E r s a t z d e r A u f w e n d u n g e n ist, daß die Geschäftsführung dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn entspricht und zwar wie nach § 678 bei der Ü b e r n a h m e der Geschäftsführung. Eine schuldhafte Nichtbeachtung des Interesses oder des Willens des Geschäftsherrn bei der E r l e d i g u n g des Geschäfts macht den Geschäftsführer gemäß §§ 677, 681 für den dadurch verursachten Schaden haftbar, nimmt ihm aber nicht den Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen nach § 683. Diese Scheidung des Willensakts der Übernahme von den zur Ausführung des Geschäfts dienenden Handlungen und Tätigkeiten ergibt sich deutlich aus den §§ 677, 678, 681; sie liegt auch dem § 683 zugrunde. Sie ist auch 715

§ 683

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

A n m . 2, 3 innerlich berechtigt, da die vielleicht lange Reihe und verwickelte Natur der Einzelhandlungen, die sich von vornherein nicht übersehen lassen, einen Maßstab für die Rechtmäßigkeit des Anspruchs des Geschäftsführers nicht gewähren kann. Andernfalls würde bei der Einheit der ganzen Geschäftsführung jede Nichtübereinstimmung einer einzelnen Ausführungshandlung mit dem Interesse oder dem Willen des Geschäftsherrn dem Geschäftsführer den Anspruch benehmen. Die Rechte des Geschäftsherrn sind durch die §§ 677, 681 genügend gewahrt. Maßgebend ist lediglich, daß die Übernahme t a t s ä c h l i c h dem Willen und Interesse des Geschäftsherrn entsprochen hat. Daß der Geschäftsführer es s c h u l d l o s a n n e h m e n d u r f t e , ist belanglos.

Anm. 2 Unter dem I n t e r e s s e d e s G e s c h ä f t s h e r r n ist die s a c h l i c h e Nützlichkeit der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn zu verstehen ( o b j e k t i v e T h e o r i e ) , nicht dagegen, was der G e s c h ä f t s f ü h r e r s e l b s t als solches anerkennt ( s u b j e k t i v e T h e o r i e ) . Auch nach der richtigen objektiven Theorie ( L e n t , Wille u. Interesse a a O S. 19) müssen aber die besonderen Verhältnisse des Geschäftsherrn, dessen Gesamtlage berücksichtigt werden. Daß das Interesse etwas vom Willen des Geschäftsherrn Verschiedenes ist, erhellt schon aus dem Wortlaut ( „ u n d " ) des § 683. Jenes ist etwas Objektives, dieser etwas Subjektives. Das Interesse muß nicht notwendig ein vermögensrechtliches, es kann auch in der gesellschaftlichen Stellung usw. des Geschäftsherrn begründet sein. Die Zahlung einer Schuld des Geschäftsherrn entspricht regelmäßig seinem Interesse; dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Schuld eine aufrechenbare Forderung gegenüberstand. Ein Notverkauf, der von dem K ä u f e r ohne die Voraussetzungen des § 379 Abs. 1 u. 2 H G B vorgenommen wurde, kann einen Geschäftsführungsanspruch für diesen begründen, wenn der Käufer wandlungsberechtigt war und der Verkauf wegen zu befürchtenden Verderbs der Ware oder aus anderen Gründen dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Verkäufers entsprach ( R G 66, 186; 149, 206). Anders, wenn der Verkäufer der ihm vom K ä u f e r angedrohten Versteigerung widersprochen hat; dann liegt eine unstatthafte Einmischung in dessen Angelegenheiten vor ( R G 1 0 1 , 18; vgl. zu § 678 Anm. 3). Ferner können die Aufwendungen, die ein Entleiher für die geliehene Sache außerhalb der gewöhnlichen Kosten der Erhaltung (§ 601 Abs. 1 Satz 2) gemacht hat, unter dem Gesichtspunkt des § 683 als im Interesse des Verleihers liegend einen Ersatzanspruch des Entleihers begründen ( R G 65, 270). Ein neben dem Interesse des Geschäftsherrn bestehendes eigenes Interesse des Geschäftsführers — Aufwendungen, die der Pfandgläubiger zur Erhaltung oder Werterhöhung der Pfandsache macht — ist gleichgültig ( R G 6. 2. 1908 V I 205/07, B G H L M Nr. 3 zu § 683). Hierher gehören auch die Aufwendungen, die ein Unterhaltspflichtiger f ü r die Heilung eines von einem Dritten durch unerlaubte Handlung Beschädigten machte, sofern er bei Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zugleich in der Absicht handelte, seine Aufwendungen dem Schädiger in Rechnung zu stellen ( R G J W 09, 1 3 7 1 5 ; 1 9 1 0 S. 389® u. 8 1 1 2 8 ; Gruchot 53, 1028; vgl. § 843 Anm. 8). Aufwendungen dagegen, die ein Wahlkandidat oder andere Parteigenossen zum Zwecke der Wahlagitation machen, können nicht als im Interesse der Parteiorganisation liegend angesehen werden; maßgebend ist hier das allgemeine Interesse, das die Handelnden mit der von ihnen geförderten Wahl am besten gewahrt glauben, bei dem Kandidaten auch das eigene Interesse, seine politischen Anschauungen zur Geltung zu bringen ( R G J W 08, 3 7 1 1 ) . Über eine irrige Annahme des Interesses s. Anm. 3.

Anm. 3 Eine Person ist nur berechtigt, das Interesse eines andern zu fördern, wenn dieser es auch wirklich gefördert wissen will. Ist die erste Voraussetzung des § 683, das Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme der Geschäftsführung, erfüllt, so kommt es deshalb weiter auf den W i l l e n d e s G e s c h ä f t s h e r r n an, daß g e r a d e d e r G e s c h ä f t s f ü h r e r die Geschäftsführung übernehme, der jedoch in den Fällen des § 679 belanglos ist. Wo er in Betracht kommt, ist in erster Reihe der w i r k l i c h e , also geäußerte Wille des Geschäftsherrn festzustellen, der den mutmaßlichen ausschließt; erst wenn diese Feststellung versagt, kommt es auf die Ermittlung des m u t m a ß l i c h e n Willens an.

716

Geschäftsführung ohne Auftrag

§683

Anm. 4, 5 Das Verhältnis zwischen wirklichem und mutmaßlichem Willen ist kein alternatives, vielmehr ist letzterer subsidiär in Betracht zu ziehen. Der w i r k l i c h e Wille ist objektiv in seinem Dasein festzustellen, nicht kommt es darauf an, ob er dem Geschäftsführer bekannt oder erkennbar ist. Auch der auf einem Irrtum beruhende Wille des Geschäftsherrn ist immerhin ein wirklicher und daher maßgebend. Unter m u t m a ß l i c h e m Willen ist nicht derjenige Wille zu verstehen, den der Geschäftsführer von seiner Betrachtungsweise aus nach sorgfältiger Prüfung etwa angenommen hat und annehmen durfte, sondern der bei objektiver Würdigung aller gegebenen Umstände, aus denen die Willensrichtung erkennbar sein kann, der Gewohnheiten und Anschauungen, vor allem auch der Vermögenslage des Geschäftsherrn, die gegenüber der Nützlichkeit der Geschäftsführung abzuwägen sind, erhellt, also der nach den Umständen verständigerweise vorauszusetzende Wille (h. M . ) . Die o b j e k t i v e E i g e n s c h a f t d e s m u t m a ß l i c h e n W i l l e n s ergibt sich aus § 678: soll er von dem Geschäftsführer erkannt werden oder erkannt werden können, so muß er etwas diesem Gegenüberstehendes, Fremdes sein. — Für die Ansprüche des Geschäftsführers kommt es im übrigen nicht, wie für seine Haftung nach § 678, auf das Erkennen oder Erkennenmüssen des Willens, sondern auf die sachliche Übereinstimmung der Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn an. Daher ist auch ein entschuldbarer Irrtum des Geschäftsführers über das Vorhandensein dieses Willens nicht geeignet, ihm die Ansprüche des § 683 zu sichern; das gleiche gilt von der irrigen Annahme eines Interesses des Geschäftsherrn ( „ E n t s p r i c h t " die Übernahme). — Ist der Geschäftsherr willensunfähig, so ist der maßgebende wirkliche oder mutmaßliche Wille der des gesetzlichen Vertreters; fehlt ein solcher, so kommt es nur auf das Interesse an.

Anm. 4 Die B e w e i s l a s t für die Voraussetzungen des Interesses wie des Willens des Geschäftsherrn trifft den Geschäftsführer, der Ansprüche aus der Geschäftsführung nach § 683 erhebt. Gegenüber der Behauptung eines mutmaßlichen Willens hat der Geschäftsherr den Einwand, daß sein wirklicher geäußerter Wille entgegenstand. Der Beweis des mutmaßlichen Willens aber wird in der Mehrzahl der Fälle geführt werden durch die Darlegung des Nutzens und der Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn, mit denen zunächst der mutmaßliche Wille als übereinstimmend anzunehmen ist. So wird sich im Erfolge die Beweisführung des klagenden Geschäftsführers auf den Nachweis des objektiven Interesses für den Geschäftsherrn beschränken dürfen, und letzterer mag den Gegenbeweis führen, daß aus besonderen Gründen sein Wille mit diesem Interesse nicht habe übereinstimmen können.

Anm. 5 Der Geschäftsführer hat gleich dem Beauftragten hiernach Anspruch auf Ersatz der A u f w e n d u n g e n , die er nach den Umständen ohne Verschulden bei vernünftiger und sorgfältiger Überlegung für erforderlich halten konnte ( R G 59, 207). Über die bestrittene Frage, inwieweit S c h a d e n unter die Aufwendungen fällt, s. die A n m . 3 zu § 670. Für die Verzinsung der Aufwendungen gilt dasselbe wie beim Auftrage ( R G WarnRspr. 1921 Nr. 1 2 1 ) ; § 2 5 6 kommt zur Anwendung. Bei Aufwendungen in ausländischer Währung, die nach Art der Leistung erforderlich waren, kann der Ersatz auch in ausländischer Währung verlangt werden, R G 17. 3. 1924 I 383/23. Bei der Frage, inwieweit für eine zu Zwecken der Geschäftsführung aufgewendete b e r u f s o d e r g e w e r b s m ä ß i g e T ä t i g k e i t V e r g ü t u n g gefordert werden könne, ergibt sich eine Abweichung der Stellung des Geschäftsführers von der des Beauftragten. Der beim Beauftragten maßgebende Gesichtspunkt der Unentgeltlichkeit trifft bei der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zu; der Geschäftsführer, der seine Dienste gar nicht unentgeltlich zur Verfügung stellen will, kann für jede Tätigkeit Vergütung verlangen, die in den Kreis seiner gewerblichen oder beruflichen Geschäfte fällt ( R G 59, 207; H R R 32, 1 1 2 ; vgl. auch R G WarnRspr. 1 9 1 5 Nr. 169). Der Geschäftsführer hat im übrigen wie der Beauftragte wegen seiner Aufwendungen das Zurückbehaltungsrecht nach § 273. Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen entfällt, wenn der Geschäftsführer nicht die Absicht hatte, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen. Darüber, daß regel717

§ 683 A n m . 6 §684

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

mäßig ein Anspruch des Geschäftsführers aus der Geschäftsführung ohne Auftrag nur aus Leistungen denkbar ist, die in der Vergangenheit liegen, nicht ein Feststellungsanspruch für zukünftige Leistungen, s. Anm. 3 zu § 677. Auch Entschädigung für aufgegebenen Verdienst wegen der Geschäftsführung kann verlangt werden, aber nicht Entgelt für die ausgeübte Tätigkeit der Geschäftsführung ( L e n t aaO S. 101). Ein Anspruch auf Genehmigung des ohne Vertretungsmacht geschlossenen Vertrages besteht aber selbst bei interessegemäßem Handeln nicht, anders nur in Fällen des § 679 B G H L M § 177 Nr. 1. Aus dem vom Geschäftsführer geschlossenen Vertrage wird der Geschäftsherr selbst nicht verpflichtet, auch wenn der Vertrag seinem Interesse und wirklichen Willen entsprach (BGH L M Nr. 2 § 683). Anm. 6 In den Fällen des § 679, nicht auch in denjenigen des § 680, da beide Bestimmungen grundverschiedene rechtliche Tatbestände zum Gegenstand haben (s. Anm. 1 zu § 680). In den Fällen des § 679 dagegen ist selbst ein Verbot des Geschäftsherrn einflußlos (Anm. 2 zu §679; RG 1 1 3 , 181). Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen besteht ferner unabhängig von den Voraussetzungen des § 683, wenn der Geschäftsherr die Geschäftsführung genehmigt (§ 684 Abs. 1 Satz 2).

§684 Liegen die V o r a u s s e t z u n g e n des § 6 8 3 nicht vor, s o i s t der G e s c h ä f t s h e r r verpflichtet, d e m G e s c h ä f t s f ü h r e r alles, w a s er durch die G e s c h ä f t s f ü h r u n g erlangt, n a c h den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. G e n e h m i g t der G e s c h ä f t s h e r r die G e s c h ä f t s führung, so steht d e m G e s c h ä f t s f ü h r e r der i m § 6 8 3 b e s t i m m t e A n s p r u c h zu. E I 758 II 6 1 ; ; M i 866—868; P l

739—741.

Anm. 1 Der Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, d. h. eines dem Vermögen des Geschäftsherrn durch die Geschäftsführung im ganzen zugewandten Vermögenszuwachses (RG WarnRspr. 1910 Nr. 116) steht dem Geschäftsführer unter allen Umständen zu, soweit ihm nicht etwa die Absicht mangelte, von dem Geschäftsherrn überhaupt einen Ersatz zu verlangen (§ 685 Abs. 1 ; R G J W 1915, 325®); er ist selbst beim Handeln gegen ein ausdrückliches Verbot des Geschäftsherrn begründet. Auch ein Bereicherungsanspruch besteht aber nicht (§§ 817, 853), wenn die Leistungen nur das Mittel zur Durchführung einer unerlaubten Handlung waren; so hat, wer widerrechtlich ein Kind der elterlichen Gewalt des Vaters entzogen hat, keinen Anspruch auf Erstattung der Unterhaltskosten aus der Bereicherung (RG WarnRspr. 1910 Nr. 286). Ein Wegnahmerecht (s. Prot. 2, 740) hat der Geschäftsführer nach allgemeinen Grundsätzen (§ 258 in Verbindung mit § 812). Anm. 2 Die G e n e h m i g u n g , d. i. die nachträgliche Zustimmung (§ 184), ersetzt alle Voraussetzungen des § 683, das Interesse wie den Willen des Geschäftsherrn für die Übernahme der Geschäftsführung. Das BGB spricht hier nicht von der Übernahme, sondern schlechthin von der Geschäftsführung selbst; das ist gerechtfertigt: für die n a c h t r ä g l i c h e Zustimmungserklärung ist also jene Unterscheidung nicht von der gleichen praktischen Bedeutung wie nach §§ 677,678, 683; der Geschäftsherr, der die Ausführung des Geschäfts in erheblichen Punkten mißbilligt, wird die Geschäftsführung eben nicht genehmigen. Die Genehmigung bezieht sich, wenn sie ohne Einschränkung ausgesprochen ist, auf alles, was bisher geschehen ist; sie deckt die Übernahme, wenn sie nach dieser, aber vor der Ausführung des Geschäfts (vgl. § 681) erklärt ist; sie umschließt Übernahme und Ausführung, wenn sie nach Beendigung der Geschäftsführung erfolgte. Die Genehmigung auch nur der Übernahme erstreckt sich aber begrifflich auf die weitere Ausführungstätigkeit überhaupt, nicht nur auf die einzelnen Ausführungs-

718

Geschäftsführung ohne Auftrag

§685 Anm. 1

handlungen; sie enthält die Zustimmung, daß der Geschäftsführer für den Geschäftsherrn in der Angelegenheit tätig geworden sei und sein werde. Der Geschäftsführer hat demnach, auch wenn nur die Ü b e r n a h m e der Geschäftsführung genehmigt wurde, dieselbe Stellung, wie sie ihm die dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entsprechende Übernahme des § 683 gewährt. Eine Genehmigung n u r der Übernahme oder eine ausdrückliche Einschränkung der Genehmigung darauf bedeutet deshalb lediglich den Vorbehalt von Schadensersatzforderungen wegen einer fehlerhaften Ausführung des Geschäfts nach § 677 (§ 677 Anm. 4, § 683 Anm. 1), während bei schlechthin erteilter Genehmigung solche Forderungen keinesfalls insoweit bestehen können, als die Art der Ausführung dem Geschäftsherrn bekannt war. Schadensersatzansprüche des Geschäftsherrn aus § 678 werden durch die Genehmigung der Geschäftsführung immer ausgeschlossen (§678 Anm. 3). — Die Genehmigung einer Geschäftsführung setzt begrifflich voraus, daß überhaupt eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. Eine solche fehlt, wenn ein ausgeführtes Geschäft zwar den Nutzen eines andern förderte, der Handelnde aber nur für sich tätig gewesen ist und tätig sein wollte (RG 23. 4. 1908 I V 448/07). Das gilt insbesondere bei W e c h s e l f ä l s c h u n g e n . Zwar wird nach R G 145, 87 eine gefälschte Wechselunterschrift gegenüber dem Wechselinhaber wirksam, wenn der Namensträger den ihr zugrunde liegenden wechselrechtlichen Begabungsvertrag genehmigt. Darin liegt aber nicht ohne weiteres auch eine Genehmigung gegenüber dem Fälscher, da eine Genehmigung nach § 177 nicht auch eine solche nach § 684 in sich schließt, beide Bestimmungen vielmehr selbständig nebeneinander bestehen (HRR 35, 103). — Die Genehmigung kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden, die Kundgebung des Genehmigungswillens muß gegenüber dem andern Vertragsteile erfolgen, (RG 68, 398; 69, 410), letzteres durch wissentliches Geschehenlassen oder durch Inanspruchnahme des Geschäftsführers auf Herausgabe des Erlangten oder auch wegen fehlerhafter Ausführung nach § 677, soweit diese als von der Genehmigung ausgeschlossen zu erachten ist. Die stillschweigende Genehmigung setzt aber immer voraus, daß ein entsprechender Wille des Geschäftsherrn e r k e n n b a r ist, und feststeht, daß dieser von den Handlungen des Geschäftsführers Kenntnis hatte (RG 13. 6. 1923 V 526/22). Die Genehmigung muß sich ferner erkennbar auf die Geschäftsführung als solche, auf die Einmischung des Dritten in die eigenen Angelegenheiten des Genehmigenden beziehen; ein Einverständnis in dem Sinne, damit nur den erlangten oder noch zu erlangenden Vorteil gutzuheißen, ist keine Genehmigung (BGH L M Nr. 3 zu §683). Nachträgliche Genehmigung bedeutet eine E r w e i t e r u n g d e r V o l l m a c h t , es bedarf hierzu keiner neuen Form (RG 102, 21). — Die B e w e i s l a s t für die Genehmigung trifft den Geschäftsführer.

§685 Dem Geschäftsführer steht der Anspruch nicht zu, wenn er nicht die A b sicht hatte, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen. Gewähren Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen oder diese jenen Unterhalt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht fehlt, von dem Empfänger Ersatz zu verlangen. E I 754 II 616, M 2 863, 864; F a 734, 73t.

Anm. 1 § 685 bestimmt die Ausnahmen von §§ 683, 694. Fehlte dem Geschäftsführer die Absicht, von dem Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen, so hat er in f r e i g e b i g e r A b s i c h t gehandelt, und dies hat zur Folge, daß ihm ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nach § 683 nicht zusteht. Dies ist nicht zu vermuten (RG 86, 96). Ein Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung nach §§ 684 Satz 1 und 812 ist jedoch nur ausgeschlossen, wenn eine angenommene Schenkung vorliegt (vgl. § 662 Anm. 4). Die freigebige Absicht ist ein der Geschäftsführung ohne Auftrag an sich fremder Tatbestand; das Natürliche ist, daß der Geschäftsführer zwar das Interesse des Geschäftsherrn fördern, nicht aber für das fremde Interesse Vermögensopfer bringen und Nach-

719

§ 6 8 5 A n m . 2, 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 686 A n m . 1 teile erleiden will. So stellt sich die freigebige Absicht des Geschäftsführers als eine rechtshindernde Tatsache dar, die, wie aus der Fassung des Abs. i hervorgeht, der Geschäftsherr zu behaupten und zu beweisen hat ( R G WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 104). Daß eine Leistung außerhalb der Grenzen des Abs. 2 aus Gründen der Verwandtschaft übernommen wurde, schließt die Absicht, Ersatz zu verlangen, nicht aus ( R G J W 09, 670 26 und R G 74, 139). Ebenso nicht, daß der Geschäftsführer in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht oder im öffentlichen Interesse handelte; ein Beweisumstand für die Absicht, Ersatz zu verlangen, ist der zwischen den Parteien bestehende Streit über die Verpflichtung und ihre Kostenlast ( R G 75, 276; 77, 193). Für den Ausnahmefall des Abs. 1 ist der Geschäftsherr b e w e i s p f l i c h t i g ( R G 5. 6. 1 9 1 9 V I 50/19).

Anm. 2 Umgekehrt wie im Regelfalle des Abs. 1 spricht zwischen nahen Verwandten die Natur der Sache zunächst für eine freigebige Absicht hinsichtlich der zum Besten des andern aufgewendeten Leistungen (vgl. § 1 6 1 8 ) . Abs. 2 beschränkt diese Vermutung sachlich auf Leistungen zur Gewährung des U n t e r h a l t s (§§ 1601 ff.) und in Ansehung des Personenkreises auf E l t e r n , V o r e l t e r n und A b k ö m m l i n g e ; in diesem Verwandtschaftsverhältnisse stehen bei Erzeugung außer der Ehe nur die Mutter und ihre Voreltern und das K i n d . Eine A u s d e h n u n g das Satzes auf a n d e r e V e r w a n d t e ist nicht zulässig ( R G 74, 1 3 9 ; J W 09, 670 2 6 ); erst recht nicht, wenn der Geschäftsführer im öffentlichen Interesse handelte ( R G 75, 276; 77, 193). Die Bestimmung gibt sich als eine A u s l e g u n g s r e g e l („im Zweifel") ( H R R 32, 1 4 2 3 ) ; die freigebige Absicht ist also anzunehmen, sofern nicht eine Absicht, Ersatz zu verlangen, erklärt ist oder aus den Umständen erhellt. Die Bestimmung des Abs. 2 bezieht sich selbstverständlich nicht auf die U n t e r h a l t s p f l i c h t ; soweit eine solche nach den angezogenen Bestimmungen des Familienrechts besteht, kann von einer Geschäftsführung ohne Auftrag für den Unterhaltenen überhaupt keine Rede sein. Die Vermutung des Abs. 2 gilt ferner nur dem Empfänger der Leistungen gegenüber; ob dem den Unterhalt gewährenden Verwandten ein Ersatzanspruch gegen den nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen zusteht, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen; so kann eine uneheliche Mutter Ersatz vom unehelichen Vater für den von ihr gewährten Unterhalt verlangen, §§ 1708, 1709. Ein Ubergang der Ansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen diesen auf den Verwandten, der den Unterhalt geleistet hat, findet nur nach Maßgabe des § 1607 Abs. 2 statt ( R G 12. 1 1 . 1906 V I 108/06). A u c h die Vermutung des Abs. 2 geht an sich nur auf die Annahme einer freigebigen Absicht, nicht auf eine angenommene Schenkung; sie schließt also einen Bereicherungsanspruch zunächst nicht aus. Aber sie steht auch einer Feststellung des zur Schenkung erforderlichen Einverständnisses der Unentgeltlichkeit nicht entgegen, begünstigt sie vielmehr ( R G WarnRspr. 1 9 1 2 Nr. 382).

Anm. 3 Sowohl Abs. 1 wie Abs. 2 betreffen nur die Ansprüche des G e s c h ä f t s f ü h r e r s ; die des Geschäftsherrn (§§ 677, 678, 681 Satz 2, 682) werden dadurch nicht berührt.

§686 Ist der G e s c h ä f t s f ü h r e r über die Person des Geschäftsherrn i m I r r t u m e , so w i r d der wirkliche Geschäftsherr aus der Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. E I 7J7 II 617; M 2 86j, 866; P 2 739.

Anm. 1 Die Geschäftsführung ohne Auftrag erfordert nicht, daß der Geschäftsführer den Willen habe, für eine bestimmte Person tätig zu sein; er kann handeln wollen für den, den es angeht; die Person des Geschäftsherrn kann an sich noch unbestimmt sein, j a sie braucht selbst noch gar nicht vorhanden zu sein (Anm. i zu § 677). Sofern der Geschäftsführer das Geschäft nur als ein fremdes angesehen und ausgeführt hat, entstehen

720

Geschäftsführung ohne Auftrag

§ 686 Anm. 2 § 687 A n m . 1

die Wirkungen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677—685. Im Falle eines Irrtums des Geschäftsführers über die Person dessen, dem das Geschäft zugemutet werden soll, wird aus der Geschäftsführung der wirkliche Geschäftsherr, in dessen Interesse das Geschäft lag, berechtigt und verpflichtet; selbstverständlich kommt dann auch eine etwaige freigebige Absicht des Geschäftsführers gegenüber dem vermeintlichen Geschäftsherrn nicht in Betracht. Und nur der wirkliche Geschäftsherr wird berechtigt und verpflichtet. Anm. 2 Ein Irrtum des Geschäftsführers über die Person des Geschäftsherrn wird in der Regel nur den Fall eines gegenständlich fremden Geschäfts betreffen (der Geschäftsführer bessert eine Sache aus, die er für das Eigentum des B hält, die aber Eigentum des C ist); er ist möglich jedoch auch bei einem persönlich fremden. Die Meinung, einem andern (B) zu einer Leistung verpflichtet zu sein, die einem Dritten (C) zugute kommt, begründet zwar den in § 686 vorausgesetzten Irrtum über die Person des Geschäftsherrn nicht; wer eine Vertragspflicht erfüllt oder auch nur zu erfüllen meint, handelt im eigenen Interesse und besorgt zunächst nur sein eigenes Geschäft (RG 92, 128; s. auch J W 03 Beil. Nr. 310 und § 677 Anm. 2). Die irrtümliche Meinung, dem Geschäftsherrn selbst verpflichtet zu sein, schließt die Annahme einer Geschäftsführung gleichfalls aus; der Geschäftsbesorger hat hier nur die Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach §§812—814, der Geschäftsherr nur die Schadensersatzansprüche aus etwaiger unerlaubter Handlung. Dagegen verträgt sich der Irrtum des Handelnden, zu der Geschäftsbesorgung für den Geschäftsherrn berechtigt zu sein, sehr wohl mit der Annahme einer Geschäftsführung (vgl. darüber Anm. 3 zu § 677).

§687 Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, daß es sein eigenes sei. Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, daß er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen. Macht er sie geltend, so ist er dem Geschäftsführer nach§ 684 Satz 1 verpflichtet. E I 761 II 618 M 1 869—871; P a 741—743.

Ubersicht 1. 2. 3. 4.

Wesen und Irrtümliche Unerlaubte Folgen der

Aiun.

Abgrenzung der unechten Geschäftsführung 1 Geschäftsführung 2 Geschäftsführung, insbesondere Verletzung geistigen Eigentums 3—5 unerlaubten Geschäftsführung 6

Anm. 1 1. Wesen und Abgrenzung der unechten Geschäftsführung Die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, daß der Geschäftsführer ein fremdes Geschäft besorgt, sei es ein gegenständlich frfemdes, das dem ausschließlichen Rechtskreise des Geschäftsherrn angehört, sei es ein persönlich fremdes, das nach seinem Inhalte auch das eigene Geschäft des Handelnden sein könnte und lediglich durch dessen Absicht, es für einen andern zu besorgen, zum fremden Geschäfte wird (s. Vorbem. 4 vor § 677). Die Geschäftsführung ohne Auftrag erfordert, da sie begrifflich ein Handeln für einen andern darstellt, in persönlicher Hinsicht den Willen und das Bewußtsein, für einen andern tätig zu sein (§ 677 Anm. 1). Ist das Geschäft ein gegenständlich fremdes, will der Handelnde aber kein fremdes Geschäft besorgen, und weiß er auch nicht, daß sein Handeln in einen fremden Rechtskreis eingreift, so ist der Fall des Abs. 1 des § 687 gegeben (irrtümliche G e s c h ä f t s f ü h r u n g ) . Ist ihm der letztere Umstand gegenwärtig, will er aber trotzdem nicht für den andern, sondern für sich selbst 721

§ 687 Anm. 2, 3

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

handeln, so liegt der Fall des § 687 Abs. 2 vor (Unerlaubte Geschäftsführung). In keinem der Fälle des § 687 handelt es sich um eine Geschäftsführung ohne Auftrag; nur ein äußerlich ähnlicher Tatbestand stellt sich dar; das Haupterfordernis der Geschäftsführung, der Wille, für einen andern tätig zu sein, fehlt. Voraussetzung der Bestimmungen beider Absätze des § 687 ist, daß ein gegenständlich fremdes Geschäft vorliegt, also ein solches, das durch seinen Inhalt eine Einmischung des Handelnden in bereits vorhandene Rechtsbeziehungen eines andern, insbesondere dessen Eigentumsrechte darstellt. Ein fremdes Geschäft wird besorgt, wenn es als solches nicht zum eigenen Rechtskreis, sondern zum ausschließlichen Rechtskreis des Geschäftsherrn gehört (RG 138, 48). Die Beziehung eines Geschäfts auf eine fremde Sache allein stellt dieses Erfordernis nicht notwendig her: so ist es kein gegenständlich fremdes Geschäft, wenn jemand Sachen, die in eines Dritten Eigentum stehen, die sich aber in seiner wirtschaftlichen Benutzung befinden, wegen dieses seines wirtschaftlichen Interesses gegen Feuersgefahr versichert (RG 15.4. 1908 V I 324/07); diese Versicherung ist objektiv wie subjektiv sein eigenes Geschäft. Ebensowenig bedeutet ein in fremdem Namen für eigene Rechnung geschlossener Vertrag ein fremdes Geschäft, sofern nicht damit ein Eingriff in vorhandene Rechtsbeziehungen der Person, in deren Namen der Handelnde auftritt, gegeben ist. Wenn endlich jemand ein fremdes Geschäft im Auftrage eines Dritten besorgt, so begründet dies weder den Tatbestand des § 687 Abs. 1 noch den des Abs. 2; es liegt hier zwar ein fremdes Geschäft vor, aber es ist nicht als eigenes behandelt worden (RG J W 03 Beil. Nr. 310). Bei einer Weiterveräußerung der dem Eigentümer durch Dritte gestohlenen Sachen ist die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen. Auch eine Genehmigung des „Geschäftsherrn" würde daran nichts ändern (RG 105, 84). Anm. 2 2. Irrtümliche Geschäftsführung Abs. 1 des § 687 betrifft den Fall der gutgläubigen Behandlung des gegenständlich fremden Geschäfts, als sei es ein eigenes. Darauf, ob der gute Glaube des Handelnden ein unverschuldeter, ob der Irrtum, in dem er sich befindet, auf Fahrlässigkeit beruht, kommt es nicht an. Der Fall ist, da er keine Geschäftsführung ohne Auftrag enthält, auch nicht nach deren Regeln zu behandeln, wie im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen ist. Es kommen also, soweit nicht etwa Ansprüche aus einer fahrlässig begangenen unerlaubten Handlung dem — uneigentlich sogenannten — Geschäftsherrn aus dem Eingriff erwachsen, für die beiderseitigen Ansprüche die Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung zur Anwendung, sowie je nach dem Tatbestande die §§ 946 fr., 985 ff. und für den Handelnden §§ 994 fr. Auch die Genehmigung des Geschäfts begründet die Anwendung der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht (RG 105, 92). Uber Ansprüche auf Herausgabe des Gewinns bei Benutzung eines fremden Patentes RG 70, 249; RG J W 1938, 320 13 . Anm. 3 3. Unerlaubte Geschäftsführung Der Tatbestand des Abs. 2 erfordert, daß jemand ein fremdes Geschäft als eigenes vornimmt, obwohl er weiß, daß das G e s c h ä f t ein fremdes und er zu dem Eingriff nicht b e r e c h t i g t ist (RG 105, 409). Die Bestimmung enthält eine Ausdehnung der Vorschrift über die Geschäftsführung. Für ihre Anwendung ist kein Raum, wenn der Handelnde auf Grund eines Vertragsverhältnisses zu einer Handlung verpflichtet war und der Verpflichtung zuwider gehandelt hat. Das Wissen wird durch ein Wissenmüssen nicht ersetzt; das auf Fahrlässigkeit beruhende Nichtwissen fällt vielmehr unter Abs. 1. Aber nach § 142 Abs. 2 steht die K e n n t n i s von der A n f e c h t b a r k e i t der Kenntnis der Nichtberechtigung gleich (RG 138, 49). Ein inhaltlich fremdes Geschäft wird nicht dadurch ein eigenes, daß der Handelnde es im eigenen Namen abschließt (er verkauft eine fremde Sache im eigenen Namen, RG 96, 242; 100, 145; 138, 49), das inhaltlich eigene aber auch nicht dadurch ein fremdes, daß es auf fremden Namen geschlossen wird (ein Bediensteter macht für sich kreditweise Einkäufe auf den Namen des Dienst722

Geschäftsführung ohne Auftrag

§687 Anm, 4—6

herrn); der § 687 Abs. 2 findet im ersteren Falle Anwendung, im letzteren nicht. Anwendungen des §687Abs.2 auf einen Fall, in dem bei Nichtigkeit des Auftrags nach §138 BGB der Beauftragte auftragswidrig für eigene Rechnung gehandelt hat (RG 96, 282). Wußte der Pfandgläubiger, daß er zur Fruchtziehung nicht berechtigt war, kommt Abs. 2 ebenfalls in Betracht (RG 105, 408). Der Fall liegt aber nicht vor, wenn jemand von einem bestimmten Zeitpunkt an nach § 818 Abs. 1 oder § 987 Abs. 1, § 993 mit der Herausgabe von Nutzungen rechnen muß. Denn er besitzt hier Grundstücke immerhin als ihm gehörend und verwaltet sie nicht als fremdes Vermögen, auch nicht fremde Geschäfte als eigen (RG 137, 212). Anm. 4 Nicht anwendbar ist der § 687 Abs. 2 in den Fällen, daß ein Teilhaber einer Gesellschaft anstatt für diese für sich einen Lieferungsvertrag abgeschlossen hatte, da es zweifelhaft sei, ob hier ein objektiv fremdes Geschäft vorliege (RG 89, 99), und daß ein Fabrikunternehmer unter Verletzung eines Vertrags, durch welchen er einem andern das Alleinverkaufsrecht seiner Erzeugnisse für ein bestimmtes Gebiet übertragen hatte, unmittelbar Abschlüsse in dessen Absatzgebiet betätigte (RG 92, 201, BGH L M Nr. 2 § 687); in beiden Fällen wurde das Vertragsverhältnis allein für ausreichend erachtet, dem Verletzten zu einem Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft zu verhelfen. Dagegen Anwendung bei Eingriffen in fremde M o n o p o l r e c h t e (RG 84, 49; 100, 145). Anm. 5 Der Fall des §687 Abs. 2 liegt vor bei wissentlicher B e n u t z u n g eines f r e m d e n g e i s t i g e n E i g e n t u m s oder E r f i n d e r r e c h t s (RG 62, 320, 70 S. 74 u. 249; 84, 49); ebenso beim Eingriff in ein alleiniges Einfuhrrecht der Zentraleinkaufsgesellschaft (RG 100, 145). Ob der Berechtigte das Geschäft in gleicher Weise für sich vorgenommen hätte, ist für die Anwendung des § 687 Abs. 2 gleichgültig (RG aaO). Mit Rücksicht auf § 35 des PatG v. 1891, der die wissentliche und die grob fahrlässige Benutzung der fremden Erfindung gleichstellt, haben RG 62, 320; 70, 249 eine entsprechende Anwendung des § 687 Abs. 2 auch bei grob fahrlässiger Patentverletzung gutgeheißen, die RG WarnRspr. 1918 Nr.232 auch auf fahrlässige Verletzung des literarischen Urheberrechts ausdehnt; die vorwiegende Wirkung dieser Anwendung ist die Gewährung des Anspruchs auf Rechnungslegung und Auskunftserteilung für den verletzten Urheber oder Erfinder, was auch heute noch bedeutsam ist, während der Schadensersatzanspruch, wozu hier auch die Gewinnherausgabe gehört (RG 130, 109; 156, 65, 321), sich jetzt aus § 47 II PatG 1936, 194g ergibt. Nicht anwendbar ist § 687 Abs. 2 bei wissentlicher (oder fahrlässiger) Benutzung eines für einen andern geschützten Warenzeichens; denn hier handelt es sich um ein auch objektiv eigenes Geschäft, das unter widerrechtlichem Eingriff in ein fremdes ausschließliches Recht vorgenommen wurde (RG 47, 100 u. 58, 323). Der verletzte Urheber oder Erfinder hat ein Recht, das Geschäft, das der andere machte, als ein eigenes vorzunehmen und als fremdes (Nachdruck und Nachahmung) zu untersagen; der Besitzer eines Warenzeichens hat jedoch kein Recht auf das von dem andern vorgenommene Geschäft und keinen Anspruch auf dessen Unterlassung; er darf nur den dabei geschehenen Eingriff in sein Zeichenrecht verbieten (RG 47, 100). Nicht anwendbar ist § 687 Abs. 1 auch, wenn einem Erfinder die Möglichkeit, das Patent oder sonstige Schutzrechte zu erwerben, durch das Verhalten eines andern (Veröffentlichung) entzogen wird, da es sich hier nicht um Ausnutzung, sondern um Zerstörung und Verhinderung der Entstehung eines fremden Rechts handelt (RG 83, 37). 4. Rechtsfolgen der unerlaubten Geschäftsführung Anm. 6 Abs. 2 des § 687 gibt dem Geschäftsherrn, dem außerdem die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und unerlaubter Handlung wie nach Abs. 1 zustehen (s. Anm. 2), das Recht, anstatt jene Ansprüche geltend zu machen, auch den Handelnden wie einen Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen, das zu verlangen, was er zu fordern hätte, wenn eine echte Geschäftsführung ohne Auftrag vorläge (RG 138, 49). Dazu gehört der bei der Weiterveräußerung erzielte Kaufpreis, wobei auch 723

V o r § 688 Anm. 1

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

der Wertzuwachs ihm zugute kommt, und es ist dabei gleichgültig, ob der Berechtigte das Geschäft überhaupt für sich vorgenommen hätte (RG 100, 145). — Er kann ferner von ihm Auskunft, Rechenschaft und Rechnungslegung sowie Herausgabe des Erlangten (vgl. R G 96, 282; 105, 409; J W 09, 6589 und die in Anm. 3 angezogenen Entscheidungen), Verzinsung verwendeten Geldes nach §§681, 666—668 sowie Schadensersatz nach §§ 677, 678 fordern. Dem Handelnden stehen dagegen an sich keinerlei Ansprüche wie aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag zu; es ist ihm verboten, aus dem fremden Geschäft für sich ohne Genehmigung des Geschäftsherrn Nutzen zu ziehen (RG 100, 145; 105, 409); nimmt ihn aber der uneigentliche Geschäftsherr auf Grund des § 687 Abs. 2 wie einen Geschäftsführer in Anspruch, so hat dies zur Folge, daß jener ihm auch die Bereicherungen nach Maßgabe des § 684 Abs. 1 herausgeben muß; einen A n s p r u c h auf E r s a t z seiner A u f w e n d u n g e n (§ 683) behält er, soweit der Geschäftsherr durch sie bereichert sein würde, R G 138, 50. Die allgemeinen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff.) wird man dem uneigentlichen Geschäftsführer übrigens niemals versagen können. — Die Ansprüche aus § 687 Abs. 2 unterliegen, wie diejenigen aus der Geschäftsführung, der gewöhnlichen Verjährung (Vorbem. 3 vor §677). Es können auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder Bereicherung entstehen. Zwölfter Titel Verwahrung Vorbemerkungen Ubersicht 1. 2. 3. 4.

Rechtliche Natur Besondere Erscheinungsformen Öffentliche Verwahrung . . Sondervorschriften

Anm.

. I . 2 •

3



4

Anm. 1 1. Rechtliche Natur. Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer zur Aufbewahrung einer ihm vom Hinterleger übergebenen beweglichen Sache verpflichtet, an der er unmittelbaren Besitz erhält (§688). Die Aufbewahrungspflicht bedingt die Rückgabepflicht nach beendigter Aufbewahrung (§§695—697). Der Vertrag setzt zu seinem Zustandekommen die Ubergabe voraus; er ist V o r l e i s t u n g s ( R e a l ) v e r t r a g . Die Übernahme zur Verwahrung kann durch einen V o r v e r t r a g vereinbart werden (pactum de deponendo), so durch Verkauf einer Eintrittskarte, wenn der Schaubühnenunternehmer dabei als eine Nebenverpflichtung auch die Verwahrung der Uberkleider des Besuchers übernimmt (RG WarnRspr. 1920 Nr. 77). Der Vorvertrag begründet meist nur einen Anspruch für den Hinterleger; unter Umständen kann aber auch eine Verpflichtung zur Hingabe für diesen entstehen. Der Verwahrungsvertrag ist nach der Begriffsbestimmung des § 688 ein einseitig verpflichtender Vertrag. Er kann aber entgeltlich (§ 689) oder unentgeltlich (§ 690) abgeschlossen werden, und mit der Vereinbarung eines Entgelts wird er zum gegenseitigen Vertrage nach §§ 320ff. Auch dann sind jedoch die Vertragspflichten bedingt durch die Übergabe; das Entgelt ist nur Gegenleistung für die Aufbewahrung, nicht für die Übernahme (§§689, 699). Wirtschaftlicher Zweck sind ausschließlich die Belange des Hinterlegers; ein Nutzen aus der Sache für den Verwahrer ist mit dem Verwahrungsvertrag unvereinbar. Der Verwahrungsvertrag berührt sich gegenständlich mit dem Mietvertrag, bei dem aber nicht die Sache, sondern der Raum, der ihrer Verwahrung dienen soll, Vertragsgegenstand ist; so namentlich im Stahlkammer(Schrankfach)vertrag; vgl. darüber § 535 Anm. 2 § 866 Anm. 1 Abs. 2, § 1205 Anm. 8 Abs. 2 und § 1206 Anm. 3 Abs. 2; RG 77, 336; 94, 74; 141, 99 fr. Der Verwahrungsvertrag berührt sich ferner hinsichtlich der Leistung mit Auftrag, Dienst- oder Werkvertrag, von denen er sich aber durch das geringere Maß der vom Verwahrer aufzuwendenden Tätigkeit unterscheidet; sie beschränkt sich der Hauptsache nach auf die einfache Obhut. Die Verwahrung kann auch Neben724

Verwahrung

Vor § 688 A n m . 2, 3

leistung in anderen Vertragsverhältnissen sein, so beim Leihvertrag (vgl. RG WarnRspr. 1910 Nr. 246), beim Auftrag, Dienst-, Werkvertrag, Kauf (RG WarnRspr. 1910 Nr. 324, 1916 Nr. 83), Frachtvertrag, bei Kommission und Spedition. Hier gelten die für diese Rechtsgeschäfte gegebenen Rechtssätze. Der A r b e i t g e b e r hat aber in der Regel keine Verwahrungspflicht bzw. der vom Arbeitnehmer in den Betrieb mitgebrachten Sachen (Handwerkszeug, Uberkleider, Fahrräder), sondern nur die Pflicht, ihm die sichere Unterbringung zu ermöglichen, unter Umständen sie zu versichern (st. Rspr. RAG ArbRS 43, 261; 46, 115; D e n e c k e BB 50, 27; §611 Vorbem. 11). Vorschriften über einstweilige Verwahrung im Handelsverkehr geben die §§ 362 Abs. 2, 379 Abs. 1 HGB. Wegen der mit Verwahrung verbundenen Treu(hand)Verhältnisse: §690 Anm. 1. Der Arzt hat eine Verwahrungspflicht für die im Vorraum seiner Wohnung von den Besuchern abgelegten Kleidungsstücke der Regel nach auch als Nebenverpflichtung nicht übernommen (RG 99, 35). Dagegen hat der Bühnenunternehmer als Nebenleistung aus dem durch den Verkauf der Eintrittskarte geschlossenen Vertrage die Verpflichtung, die Uberkleider der Besucher, ohne oder auch gegen besondere Gebühr, in Verwahrung zu nehmen (RG WarnRspr. 1920 Nr. 77). Ebenso hat ein geselliger Verein, der beim Besuch der Gesellschaftsräume für seine Mitglieder eine Kleiderablage bereitgestellt hat, die Sorge für die Aufbewahrung der abgelegten Kleider übernommen (RG 103, 265). Uber die Sorgfaltspflicht des Verwahrers hinsichtlich der in solchen Fällen üblichen Ablagemarken RG 105, 80; 113, 425; vgl. auch RG 152, 140. — S t i l l s c h w e i g e n d kommt der Verwahrungsvertrag zustande mit dem B a d e a n s t a l t s b e s i t z e r hinsichtlich der Kleider des Badenden (RG LZ 1923, 600) und mit dem S c h r a n k - u n d S p e i s e w i r t , der in der Gaststube keine Gelegenheit zum Ablegen der Uberkleider bietet und die Gäste zwingt, außerhalb der Gaststube abzulegen (RG J W 1924, 187015). Regelmäßig liegt dem Schank- und Speisewirt eine Verwahrungspflicht allerdings nicht ob (RG 109, 261). Der V e r l e g e r , dem unverlangt die ein Geisteswerk enthaltende Handschrift übersandt wird, ist nach der Verkehrssitte dem Einsender zur Verwahrung verpflichtet ( E l s t e r J R 1935, 36). — Bei der herrschenden Vertragsfreiheit kann der Verwahrer seine H a f t u n g b e s c h r ä n k e n oder in den Grenzen des § 276 Abs. 2 auch ausschließen. Niemand darf jedoch überrascht oder in eine Zwangslage gebracht werden, weil das den guten Sitten und namentlich den heute herrschenden Anschauungen von Treu und Glauben widerspricht. Das Aufdrucken der Beschränkung auf die Rückseite der Kleiderablagemarken genügt nicht, wohl aber genügen deutlich lesbare Aushänge an in die Augen fallenden Stellen und in hinreichender Menge (RG 4.12.1923 V I I 255/23). Ebenso muß eine Verpachtung der Kleiderablage bekanntgemacht werden, wenn sie den Betriebsinhaber von der Haftung befreien soll (RG 97, 169; J W 1924, 95 2 ). Bei Bemessung der Sorgfaltspflicht ist die Rücksicht auf Anschauungen und Gepflogenheiten eines gewissen engeren Verkehrskreises wie auch auf örtliche Unterschiede nicht ausgeschlossen (RG 113, 425; 152, 140). Anm. 2 2. B e s o n d e r e E r s c h e i n u n g s f o r m e n des Verwahrungsvertrags sind a) die G e m e i n s c h a f t s v e r w a h r u n g (sog. freiwillige Sequestration), wobei eine von verschiedenen Personen in Anspruch genommene Sache einem gemeinschaftlichen Verwahrer mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung übergeben wird, daß die Rückgabe an alle Hinterleger gemeinsam oder an einen von ihnen bezeichneten gemeinsamen Bevollmächtigten erfolgen soll (M 2, 580: § 165 FGG und §§432, 1217, 1231, 1281, 2039 BGB); b) die u n e i g e n t l i c h e V e r w a h r u n g , die dem Darlehn sich nähert (§700); c) die T a u s c h v e r w a h r u n g (§700 Anm. 7); d) das L a g e r g e s c h ä f t , die gewerbsmäßige Übernahme von Gütern zur Lagerung und Aufbewahrung im Handelsverkehr: §§416—424 HGB; dazu V O über O r d e r l a g e r s c h e i n e v. 16. 12. 1931 (RGBl. 1931 I, 763; 1932 I, 424; 1935 I, 420, 691), neben der die §§ 691, 692, 694, 697 anwendbar sind, NotVO v. 6. 10. 1931 5. Teil Kap. VI, RGBl. I, 537, 561. Anm. 3 3. ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e V e r w a h r u n g (vgl. F. S c h a c k , RVB1. 1935, 189 und D G W R 1939), liegt vor, wenn eine Behörde in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben, auch fürsorgerischer und schützender Art, Gegenstände in Besitz nimmt, die 725

V o r § 688 Anm. 4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

im Eigentum von Privatpersonen stehen, z. B. bei finanzamtlichen Pfändungen (§ 348 RAbgO) oder zu zollamtlicher Behandlung (wobei kein Eintritt in den Beförderungsvertrag stattfindet), auch wenn im Wege polizeilicher oder gerichtlicher Beschlagnahme Sachen in den Besitz der Behörden gelangen (RGJW 1936, 383®; RG SeufFArch. 91 Nr. 92 BGH 3, 162; RG 166, 218) oder wenn im Rechtsstreit Urkunden, Bücher, Karten von einer Partei überreicht werden (RGJW 1934, 2842^. Die Aufbewahrungspflicht ergibt sich hier aus der Inbesitznahme des fremden Eigentums; das Rechtsverhältnis ist kein bürgerlichrechtliches Verwahrungsverhältnis, sondern wurzelt im öffentlichen Recht, indessen ist für Schadensersatzansprüche der ordentliche Rechtsweg nach § 139 GVG zulässig. (St. Rspr. RG 166, 222 BGH 3, 102; 4, 192; JW 52, 658 [III]), auch sind mangels anderer Vorschriften die über den Verwahrungsvertrag (nicht § 690) sinngemäß anzuwenden (RG 115, 421; BGH 4, 192; 5, 299; vgl. auch RG 1 o 1, 350; 104, 18; 105, 388; 108, 2 5 1 ; 145, 209; RG H R R 1929 Nr. 492, 1931 Nr. 542). Die Haftung für das bei einer öffentlichen Z o l l n i e d e r l a g e eingelagerte Gut ist in § 102 VZG geregelt. Diese Vorschrift ist auch für den Fall eines Abhandenkommens des Gutes maßgebend. Beruft sich die Staatsbehörde auf eine von ihr nicht zu vertretende Unmöglichkeit der Herausgabe des niedergelegten Gutes, so hat sie (entspr. § 282) die Beweislast, BGH LM Nr. 2 zu § 688. Die Zollbehörde haftet übrigens nur bis zur Rückgabe der Güter an den Empfangsberechtigten nach der amtlichen Abfertigung, nicht bis zur späteren Abholung aus dem Zollraum (RG 26. 5. 1911 III 408/10). Aus § 282 folgt auch, daß ein Beamter, z. B. ein G e r i c h t s v o l l z i e h e r , in dessen amtliche Obhut eine Sache gelangt ist, ihren etwa eingetretenen Verlust aufklären muß. Dazu genügt aber der Nachweis, daß das Abhandenkommen der Sache ohne Verschulden des Beamten eingetreten sein kann (RG 74, 342; 120, 67; 137, 153; DRZRspr. 1933 Nr. 298; BGH 4, 195). Wird eine Sache b e s c h l a g n a h m t und ist dabei eine Verfallerklärung und damit der Ubergang des Eigentums an den Staat möglich, so hat der Beamte die Sache bis zur Verfallerklärung sorgfältig für den Eigentümer aufzubewahren und gegen fremde Eingriffe zu sichern. Bei Beschädigungen der Sache haftet der Staat auch ohne den Nachweis besonderen Verschuldens auf Schadensersatz (vgl. RG JRRspr. 27 Nr. 238), um so mehr bei Pflichtwidrigkeiten von Beamten und Angestellten, da § 278 auch dem öffentlichen Recht angehört (RG aaO. und 112, 293; ferner RG 131, 73, 279; 152, 132; 155, 335, BGH LM Nr. 6 zu §688); wenn man nicht annimmt, daß diese Verwahrungspflicht zu der jedem Beamten gegenüber dem von einer hoheitlichen Maßnahme Betroffenen obliegenden Fürsorgepflicht, also einer Amtspflicht gehört, so daß § 839 anwendbar ist (vgl. § 89 A 5; § 278 Anm. 3; D e n e c k e J R 53, 40; S t a u d i n g e r N i p p e r d e y Anm. 47 § 688). Für den Verlust von Urkunden, wie Grundschuldbriefen, Abtretungserklärungen, die zu g e r i c h t l i c h e n A k t e n eingereicht und entgegen den Bestimmungen der Geschäftsordnung nicht in besondere Verwahrung genommen worden sind, haftet der Staat dem Hinterleger auf Grund des öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses nach Art. 39 GG § 839 BGB, bleibt der Grund des Verlustes ungeklärt, so geht dies zu Lasten des Staates ( R G J W 1934, 2842^. — Uber die Behandlung der in a m t l i c h e n G e w a h r s a m gelangten Gegenstände im Bereich der J u s t i z v e r w a l t u n g : AV d. R J M vom 3. 12. 1938, DJ 1938, 1932. Anm. 4 4. Besondere reichsrechtliche Vorschriften neben denen über den Verwahrungsvertrag finden sich a) in den Bestimmungen des BGB und anderer Gesetze über die H i n t e r l e g u n g , d. i. die Ubergabe von Gegenständen zum Zwecke der Verwahrung bei dazu bestimmten öffentlichen Stellen und Behörden, so namentlich über die Hinterlegung durch den Schuldner bei Annahmeverzug des Gläubigers §§ 372 fr. sowie über die Sicherungsleistung durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren §§ 232 fr. (ferner §§ 52, 257f., 268, 273, 321, 432, 489, 492, 509, 562, 581, 590, 660, 738, 775, 811, 843—845, 867, 1005, 1039, ">51, 1067, 1075, I 0 77> 1082, 1142, 1150, 1 1 7 1 , 1192, 1199, 1 2 1 7 — 1 2 1 9 , 1224, 1281, i 3 9 i f . , 1525, 1550, 1580, 1667f., 1671, 1716, 1814, 1818, 1844, i960, 1986, 2039, 2 1 1 4 , 2116f. BGB; §§365, 369, 373, 437, 578, 601, 604, 615, 624,

632, 649, 654f., 689, 730 f. HGB; §§ 107, 118, 123, 179, 199, 213 AktG; Art. 42, 90 W G ; Art. 59 ScheckG; §§89, io8f., 1 1 0 — 1 1 3 , 707, 710, 713, 715, 7 i g f . , 732, 766, 769—774.

726

Verwahrung

§ 688

Anm. 1

805, 815, 827, 839, 853f., 858, 868, 885, 890, 921, 923, 925, 927, 930, 936, 939, 987f. Z P O ; §§54, 78, 129, 132, 169 K O ; §§49, 61, 65, 67, 85, 108, 1 1 5 , 1 1 7 , i2of., 124, 126, 153, 157 Z V G ; §§94, 117f-, 176, 379, 456 StPO). Hierauf bezieht sich die H i n t e r l e g u n g s o r d n u n g vom 10. 3. 1937, RGBl. I, 285 (amtl. Begründung: D J 1937, 423) mit D V O vom 1 2 . 3 . 1937, RGBl. I, 296 (weit. AusfBest.: D J 1937, 426, 431). Die staatlichen Hinterlegungsstellen schließen mit den Hinterlegern keine privatrechtlichen Verträge ab; b) in den Bestimmungen des BGB über die H a f t u n g der G a s t w i r t e für die bei ihnen eingebrachten Sachen §§ 701—703; c) in den Bestimmungen des HGB §§388—390, 407 Abs. 2, 417 über die Aufbewahrungspflicht des Kommissionärs, Spediteurs un Lagerhalters; d) im Gesetze über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren ( B a n k d e p o t G ) vom 4. 2. 1937, RGBl. I, 1 7 1 , vgl. AktG § 107 Abs. 2 und 1. D V O dazu vom 29. 9. 1937 § 20, RGBl. I, 107, 1026; 1938, I, 385, 988, 1725). Die Neuregelung des BankdepotG bezweckt vor allem den S c h u t z des S p a r e r s , der seine Ersparnisse in Wertpapieren anlegen will. Im V e r w a h r u n g s g e s c h ä f t sorgt es für die Erhaltung des Eigentums an den zur Verwahrung übergebenen Wertpapieren (§§ 3 — 1 "])• I m A n s c h a f f u n g s g e s c h ä f t will es die alsbaldige Übertragung des Eigentums an den angeschafften Stücken sichern (§§ 18—31). Wertpapierverwahrung liegt vor, wenn ein K a u f m a n n (auch Minderkaufmann) im Betriebe seines Handelsgewerbes Wertpapiere (Aktien, Kuxe [auch diese, obwohl sie eigentlich keine Wertpapiere, sondern nach preuß. Recht — ABergG §§ 101, 103 — gewerkschaftliche Anteile sind: R G 1 2 1 , 49; R G S t . 46, 148; R G J W 1903, 16 41 ], Zwischenscheine, Reichsbankanteilscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, Inhaberschuldverschreibungen, durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen sowie alle sonstigen vertretbaren Wertpapiere — § 91 —, nicht Wechsel und Schecks) u n v e r s c h l o s s e n z u r V e r w a h r u n g ü b e r g e b e n werden (§ 1 Abs. 1 DepotG nF). Vgl. im übrigen §688 Anm. 1, §691 Anm. 2, § 700 Anm. 5—7 über S o n d e r v e r w a h r u n g , S a m m e l v e r w a h r u n g , u n r e g e l m ä ß i g e V e r w a h r u n g ; ferner wegen des weitgehend ausgestalteten K o n k u r s v o r r e c h t s , das nicht nur den sog. Stückekontogläubigern zusteht, sondern auch den Hinterlegern und Kommittenten, deren Eigentum durch rechtswidrige Verfügung des Verwahrers oder Kommissionärs beeinträchtigt worden ist: § 32, wegen des der gleichmäßigen Befriedigung der Hinterleger im Konkurse des Verwahrers dienenden b e s o n d e r e n A u s g l e i c h s v e r f a h r e n s zwischen den Hinterlegern, die zur regelmäßigen Verpfändung (vgl. §1204 Anm. 12) ermächtigt haben: § 3 3 , endlich wegen des s t r a f r e c h 11 i c h e n S c h u t z e s der Hinterleger und Kommi ttenten: §§ 34—40; e) in den von der Ersatzpflicht der Postverwaltung für Verlust und Beschädigung handelnden Bestimmungen §§6—15 des R e i c h s p o s t g e s e t z e s v. 28. 10. 71 (RGBl. 1871, 347; 1922, 9 1 3 ; 1925, 10; 1935 I, 254) und der die Haftung für R e i s e g e p ä c k betreffenden §§ 59fr., 66f. der P o s t o r d n u n g , RGBl. 1938 I, 881; f) in den §§ 35f. der E i s e n b a h n - V e r k e h r s O vom 8. 9. 1938 (RGBl. I I , 663, 1 1 7 2 , 1622) betr. die Aufbewahrung des R e i s e - und H a n d g e p ä c k s ; g) in der Bestimmung des § 31 des Hypothekenbankgesetzes v. 13. 7. 1899 (RGBl. 1899, 375; 1935 I, 760; 1938 I, 1574; 1939 I, 636 [637]) über die Verwahrungspflicht des Treuhänders bei den Hypothekenbanken; h) in den Vorschriften über Z o l l a g e r u n g (ZollG vom 20. 3. 1939 § 16 Abs. 3, RGBl. 1939 I, 529; für Beschädigung und Verlust von Waren in ihrem unmittelbaren Besitz haftet die Reichsfinanzverwaltung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über unentgeltliche Verwahrung [§ 690; ZollG § 15 Abs. 2]); i) beim Fund (§ 966). Die in §354 H G B bezeichnete Aufbewahrung braucht keine Verwahrung i. S. von §688 ff. zu sein (vgl. auch § 304).

§688 Durch den Verwahrungsvertrag wird der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. E I 614 n 628; M a 369—574; P i 391—393.

Anm. 1 Über die rechtliche Natur des Verwahrungsvertrags vgl. Vorbem. 1. Zum Zustandekommen des Vertrags gehört a) die Ü b e r g a b e einer beweglichen Sache seitens 47 Komm. z. BGB, n . Aufl. n. Bd. (Denedcc)

727

§ 688 Anm. 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

des Hinterlegers an den Verwahrer durch Besitzübertragung nach § 854. Erst mit der Ubergabe beginnen die Pflichten aus dem Verwahrungsvertrag, auch dann, wenn er entgeltlich geschlossen ist (vgl. Vorbem. 1); b) die V e r t r a g s e i n i g u n g beider Teile, daß der Verwahrer die Sache für den Hinterleger aufbewahren und diesem später zurückgeben soll. Die Willenseinigung kann durch schlüssige Handlungen stillschweigend getroffen werden (RG 106, 135; J W 1913, 26s 4 ). Der Verwahrungsvertrag kann auch dadurch zustande kommen, daß A, der für B besitzt, auf dessen Weisung dem C anzeigt, er halte die Sache nunmehr für ihn in Verwahrung, und C damit einverstanden ist (RG 7. 1. 1921 V I I 459/20). Das Eigentum der Sache geht auf den Verwahrer nicht über; auch die Gefahr der Sache bleibt beim Hinterleger. Daß dieser selbst Eigentümer der hinterlegten Sache sei, ist zur Gültigkeit des Vertrags nicht erforderlich. Sogar eine eigene Sache des Verwahrers kann sich in dessen Verwahrung für einen andern befinden, sei es, daß er das Eigentum nachträglich erlangt hat, sei es, daß der Hinterleger, der die fremde Sache rechtmäßig besitzt, diese bei dem Eigentümer in Verwahrung gegeben hat (RG 1. 4. 1924 V I I 376/23). So auch bei der Sicherungsübereignung. Der G e r i c h t s v o l l z i e h e r , der gemäß §885 Abs. 3 Z P O Sachen des Schuldners einem Dritten in Verwahrung gibt, schließt mit diesem einen Verwahrungsvertrag im eigenen Namen, regelmäßig auch nicht nach §328 zugunsten des Schuldners ( R G 102, 7g; 145, 207). Wer einen liegengelassenen fremden Gegenstand für den Eigentümer an sich nimmt, übernimmt mit dieser Geschäftsführung auch die Verpflichtung zur Verwahrung des Gegenstandes (RG WarnRspr. 1922 Nr. 12; vgl. zu § 677 Anm. 4). Uber die Frage der (entsprechenden) Anwendung der §§ 688 ff. auf die Verwahrungspflicht des P f a n d g l ä u b i g e r s : § 1215 Anm. 1, 2. Anm. 2 Die Grundform des Verwahrungsgeschäfts ist die S o n d e r v e r w a h r u n g ; sie steht deshalb an der Spitze der neuen Regelung auf dem Gebiete der V e r w a h r u n g von W e r t p a p i e r e n (§ 2 BankdepotG n F [Vorbem.]). Sie ist im Zweifel stets durchzuführen; von ihr darf der Verwahrer von Wertpapieren (§ 1 das.) nur beim Vorliegen besonderer Vereinbarungen nach den Vorschriften des Gesetzes abweichen. Die Sonderverwabrung ist die Verwahrung der fremden Wertpapiere unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung des Hinterlegers, wobei der Verwahrer die ihm anvertrauten Wertpapiere des Hinterlegers von seinen eigenen Beständen und von denen anderer Hinterleger zu sondern hat. Banküblich geschieht dies so, daß die Wertpapiere in Streifbänder gelegt werden, auf denen der Inhalt und dessen Zugehörigkeit vermerkt ist ( S t r e i f b a n d d e p o t ) . Zweck dieser Regelung ist, die Feststellung des Eigentumsrechts, zumal im Konkurs des Verwahrers (§ 43 K O ) zu erleichtern. Zur weiteren Sicherung der Rechte des Hinterlegers ist die B u c h f ü h r u n g s p f l i c h t des Verwahrers vorgesehen (§ 14 das.). Das Gesetz bezeichnet ausdrücklich die Fälle, in denen ausschließlich von der SonderverAahrungspflicht abgewichen werden kann, und die Voraussetzungen, unter denen dies zulässig ist. Diese Fälle sind: a) die D r i t t v e r w a h r u n g (Zwischenverwahrung). Der Verwahrer darf die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer zur Verwahrung anvertrauen; dabei gelten Zweigstellen eines Verwahrers sowohl unter einander als auch in ihrem Verhältnis zur Hauptstelle als verschiedene Verwahrer (§ 3 das.). Darin liegt eine weitgehende Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes in § 6 9 1 ; sie entspricht einem dringenden Bedürfnis der Praxis. Indessen darf die Drittverwahrung nur bei bestimmten Stellen durchgeführt werden. Die Belange des Kunden sind dadurch ausreichend gewahrt, daß seine Befugnis, die in Verwahrung gegebenen Wertpapiere jederzeit zurückzufordern (§ 695), auch nach Einleitung einer Drittverwahrung unberührt bleibt. Das Gesetz schützt durch die Regelung des § 4 den Kunden davor, daß seine Wertpapiere ungerechtfertigt zum Gegenstand eines Pfand- oder Zurückbehaltungsrechtes wegen solcher Forderungen, die dem Drittverwahrer gegen den Zwischenverwahrer zustehen, gemacht werden. Aus dem Verwahrungsbuch und der kaufmännischen Buchführung sowie dem Schriftwechsel beim Zwischenverwahrer muß jederzeit festgestellt werden können, wohin die Wertpapiere des Kunden in Drittverwahrung gegeben worden sind (s. Begründung vor § 3, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 29 vom 5. 2. 1937). Vgl. auch § 691 Anm. 1. b) Die S a m m e l V e r w a h r u n g (§§ 5—9, 24 728

Verwahrung

§688

A n m . 3, 4 Abs. i). S. unten § 700 Anm. 6. c) Die u n r e g e l m ä ß i g e V e r w a h r u n g („Aberdepot", § 15). S. unten § 700 Anm. 5. Z u beachten ist aber auch die im Gesetze vorgesehene Zulässigkeit der Weiterverpfändung (§ 12) und der Vornahme von Verwaltungshandlungen (§ 2 Satz 2), durch welche die Sonderverwahrung unterbrochen wird. Wegen des näheren ist insoweit auf die Erläuterungswerke zum Bankdepotgesetz zu verweisen.

Anm. 3 Der Aufbewahrung zugänglich ist nur die b e w e g l i c h e S a c h e . Bei unbeweglichen Sachen kann es keine Aufbewahrung geben, da sie ihre feste Stelle im R ä u m e haben. Die hier allein mögliche, über die Tätigkeit des § 688 hinausreichende Bewachung ist im Falle der Unentgeltlichkeit als Auftrag, im Falle der Entgeltlichkeit als Dienst- oder Werkvertrag anzusehen; sie ist Geschäftsbesorgung, während die Verwahrung als solche nicht erscheint ( R G 65, 17). Über den Pfandhaltervertrag für eine Hypothek, der die Verwahrung des Hypothekenbriefs einschließt, vgl. R G 87, 4 1 ; über das Rechtsverhältnis, wonach verkaufter Wein bis zum Eintreten milderen Versandwetters im Keller des Weinhändlers liegen bleiben soll, R G WarnRspr. 1 9 1 6 Nr. 83; über den Unterschied von Verwahrung und Platzleihe R G WarnRspr. 1 9 1 4 Nr. 77. Die eigentliche Verwahrung (§§ 688—699) hat nur einzelne bestimmte bewegliche Sachen zum Gegenstande, auch wenn es sich um vertretbare Sachen handelt. Werden diese nicht als einzeln bestimmte Sachen zur Aufbewahrung übergeben, so liegt Summenverwahrung vor (§ 700).

Anm. 4 Die P f l i c h t d e r A u f b e w a h r u n g umfaßt einmal die Hergabe des dazu erforderlichen Raumes, sodann die O b h u t über die hinterlegte Sache, die der Verwahrer zu erhalten und vor Nachteilen zu schützen hat ( R G WarnRspr. 1 9 1 0 Nr. 246: Fahrräder der Arbeitnehmer [vgl. Vorbem. 1 u. § 6 1 1 Vorbem. 1 1 ] im Abstellraum). Z u r Obhut gehört als Nebenleistung bei Tieren auch die sachgemäße Fütterung und Pflege, bei Pflanzen das Begießen. Auch ein Gebrauch der Sache kann durch die Obhut bedingt sein, wie z. B. das Ausreiten von Pferden, das zur Erhaltung dieser Tiere gehört. Aber nur ein Gebrauch der Sache zum Zwecke ihrer Erhaltung, nicht für wirtschaftliche Zwecke des Verwahrers, ist mit dem Verwahrungsvertrage vereinbar (vgl. Vorbem. 1). Ähnliche Nebenleistungen der Verwahrung sind die Einziehung der Zins- und Gewinnanteilscheine, die Überwachung von Verlosungen bei Anleihepapieren, die Einziehung gekündigter oder verloster Stücke, die Besorgung neuer Bogen nach Ablauf der Zinsund Gewinnanteilscheine, die Ausübung von Bezugs- und Stimmrechten, der Umtausch von Wertpapieren, Abstempelungen, die Vermittlung von Einzahlungen u . a . m . Im bankmäßigen Verwahrungsgeschäft wird die Übernahme von Verwaltungshandlungen üblicherweise bedungen und durch allgemeine Geschäftsabreden geregelt. Insoweit liegt ein gemischter Vertrag vor, aus dem sich besondere Sorgfaltspflichten für die verwahrende Bank ergeben. So ist eine Bank, welche die Verwaltung der offen bei ihr hinterlegten Wertpapiere übernommen hatte, gemäß § 242 für verpflichtet erklärt worden, dem Hinterleger von verlustdrohenden Umständen Anzeige zu machen ( R G D J 1936, 1475). Der N o t a r hat die Echtheit der bei ihm hinterlegten (vgl. § 1 Abs. 2 AktG, §§ 3, 4 des Ges. betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschr. v. 4. 12. 1899, R G B l . 6 9 1 ; § 25 R N o t O v. 13. 2. 1937, R G B l . I, 1 9 1 ) Aktien zu prüfen ( R G 1 1 4 , 295). Keine Übernahme einer Obhut und deshalb auch keinen Verwahrungsvertrag stellt die bloße Verpflichtung dar, eine fremde Sache an dem der ausschließlichen Verfügung des Gestattenden unterliegenden Ort zu dulden ( R G 13. 7. 1920 V I I 99/20). Dasselbe gilt, wenn Einrichtungen hergestellt werden, deren sich der Eigentümer von Sachen zu deren Aufbewahrung auf seine Gefahr selbst bedienen soll ( R G 77, 336; 99, 35). Die Obhutspflicht begreift keine Verpflichtung des Verwahrers zum Widerspruch gegen eine von einem Gläubiger des Hinterlegers erwirkte Pfändung; er muß sie aber dem Hinterleger anzeigen ( R G 28. 12. 1906 I I I 199/06). Die Haftung des Verwahrers bei Beschädigungen oder Verlust der Sache regelt § 690. Eine Versicherungspflicht hinsichtlich der verwahrten Sachen hat der Verwahrer nicht, wenn sie nicht wenigstens 47*

729

§ 689

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§690

nach den Umständen als stillschweigend vereinbart anzunehmen ist; vgl. § 6 1 1 Vorbem. I i . Der Kommissionär braucht die ihm anvertraute Sache nur zu versichern, wenn der Kommittent es verlangt (§ 3go Abs. 2 HGB). Entsprechendes gilt von dem Verkaufsvermittler oder dem Beauftragten, wenn ihnen die Sache übergeben ist. Werkstätten brauchen die ihnen zur Ausbesserung anvertrauten Gegenstände nicht ohne weiteres gegen Feuersgefahr zu versichern (RG 9. 12. 1927 [VII] V I 349/27).

§ 6 8 9 Eine Vergütung für die Aufbewahrung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Aufbewahrung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. E I 615 Satz 2 II 629 Satz 2 ; M 2 3 7 1 ; P a 393.

Unentgeltlich ist nach dem BGB keine notwendige Voraussetzung des Verwahrungsvertrags. Eine Vergütung kann ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart sein, letzteres namentlich bei gewerbsmäßiger Aufbewahrung, so das Lagergeld nach §§ 354, 420 HGB. Für die Bemessung der nicht ausdrücklich vereinbarten Vergütung sind mangels einer am Aufbewahrungsort bestehenden Übung die §§315, 316 maßgebend; vgl. §§612, 632. In den Fällen der §§432, 1217, 1281, 2039 bestimmt die Vergütung nach dem F G G § 165 das zuständige Amtsgericht. Die Vereinbarung einer Gegenleistung für die Aufbewahrung macht den Vertrag zu einem gegenseitigen. Vgl. Vorbem. 1.

§ 6 9 0 Wird die Aufbewahrung unentgeltlich übernommen, so hat der Verwahrer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. EU

630 I I I 6 7 7 ; M 2

571—573; P a

393.

Die Haftung des Verwahrers, der die Aufbewahrung unentgeltlich übernommen hat, ist nach § 690 die des § 277 (vgl. § 691 Anm. 2). Dagegen haftet der Verwahrer für Fahrlässigkeit schlechthin gemäß § 276, wenn die Verwahrung g e g e n E n t g e l t übernommen ist; er hat auch ein Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter und seiner Erfüllungsgehilfen wie eigenes zu vertreten (RG 98, 33; 101, 348). Unentgeltlichkeit liegt nicht vor, wenn ein Kaufmann (Pelzhändler) für seine Kunden die Aufbewahrung (der Pelzwaren für den Sommer) übernimmt; das Entgelt liegt hier im Gewinn bei den Kundengeschäften (RG 6. 5. 1921 V I I 351/20). Ähnlich liegt die Sache, wenn ein Gast sein Zimmer im Fremdenheim aufgibt, aber dort noch Sachen in Verwahrung beläßt (RG 17. 10. 1922 V I I 490/21). Die Pfand Verwahrung durch den Pfandgläubiger geschieht zu dessen Vorteil und kann deshalb einer unentgeltlichen nicht gleichgestellt werden; der Gegenwert für die Mühe der Aufbewahrung liegt in der Sicherstellung des Gläubigers (RG 14. 1. 1922 I 305/21). Dasselbe gilt für die Verwahrungspflicht bei der Sicherungsübereignung; es handelt sich dabei um eine schuldrechtliche Pflicht aus dem Rechtsverhältnis, in dem der bisherige Eigentümer und Sicherungsübereigner zum Gläubiger steht, und überhaupt nicht um einen Verwahrungsvertrag; die Verwahrung ist hier nur Nebenleistung (vgl. Vorbem. 1). — Eine B a n k , welche bei ihr hinterlegte Wertpapiere mit andern vertauscht und dadurch dem Hinterleger die Möglichkeit genommen hatte, Auslosungsrechte zu erlangen, kann schadenersatzpflichtig sein, falls der erforderliche Ursachenzusammenhang nach Lage der besonderen Verhältnisse anzunehmen ist (RG J W 1932, 1724 4 ). Uber die weitergehende Haftpflicht des G a s t w i r t s s. §§ 701—703. Der Schank- und Speisewirt haftet dagegen für die von seinen Gästen in den Gastraum mitgebrachten und dort abgelegten Kleidungsstücke nicht; es ist Sache der Gäste, selbst auf ihre Kleidungsstücke zu achten und sich vor Verlust zu schützen; der Wirt hat auch nicht die Verpflichtung, den Gästen einen besonderen,

730

Verwahrung

§691 Anm. 1

unter Aufsicht stehenden Ablageraum zur Verfügung zu stellen ( R G 104, 4 5 ; 105, 203; 10g, 261). Die bloße Bereitstellung einer besonderen Kleiderablage in einem Vorraum des Gastzimmers enthält keine stillschweigende Übernahme der Obhut seitens des Wirtes ( R G 105, 203). Anders bei Fehlen jeder Gelegenheit zur Kleiderablage in den Gasträumen ( R G J W 1924, 1870). Nach § 276 haftet für die Geeignetheit des Pferdestalles ein G a s t w i r t , welcher zur Förderung seines Betriebes den Gästen erlaubt, ihre P f e r d e unentgeltlich einzustellen. Das ist ein Vertrag besonderer Art ( J W 1933, 716 1 2 ). Dasselbe wird auch für die Unterstellung von Kraftwagen gelten ( B G H N J W 58, 825). — Für die Haftung des Staates aus amtlicher Verwahrung, die im öffentlichen Interesse erfolgt, gilt § 690 nicht (s. Rspr. R G SeuffArch. 76, 1 1 0 , B G H 4, 192, vgl. auch § 278 Anm. 3 g). Wegen der Haftung des Arztes, der Bühnenunternehmen und der geselligen Vereine, auch wegen etwaiger Haftungsbeschränkungen vgl. Vorbem. 1. Das M a ß d e r H a f t u n g kann auch durch bestimmte Summen begrenzt werden, z. B. durch den vom Hinterleger angegebenen Versicherungswert (s. auch Vorbem. 1). — Wer gewußt hat, wie seine Sache verwahrt wird und damit zufrieden gewesen ist, kann aus der Art der Verwahrung keinen Schadensersatzanspruch herleiten ( R G 24. 6. 1924 V I I 647/23). — Ein R e c h t s a n w a l t , der von dem Gegner seiner Partei eine Urkunde z u t r e u e n H ä n d e n und mit der Anweisung entgegennimmt, sie erst nach Eintritt gewisser Umstände seiner Partei auszuhändigen, schließt keinen Verwahrungs-, sondern einen besonderen (Treuhand-) Vertrag; er haftet deshalb nicht nach §690, sondern nach § 276 ( R G WarnRspr. 1933 Nr. 38). Indessen kann nach dem Willen der Parteien auch mit einem Verwahrungsvertrag ein T r e u v e r h ä l t n i s verbunden sein, das den Verwahrer über die ihm nach den §§ 688, 695 obliegenden Pflichten hinaus dazu verpflichtet, die Belange des Hinterlegers wahrzunehmen ( R G H R R 1936 Nr. 1035). Wer einen von ihm unentgeltlich verwahrten K r a f t w a g e n entgegen den Weisungen des Hinterlegers unbefugt an einen Dritten herausgibt, haftet dem Hinterleger für einen mit dem Wagen angerichteten Unfallschaden (VerkR 1938, 558). — Beruht die Verwahrung auf reiner G e f ä l l i g k e i t , so wird eine Haftung über Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit hinaus nicht in Betracht kommen (vgl. H R R 1939 Nr. 365).

§691 Der Verwahrer ist im Zweifel nicht berechtigt, die hinterlegte Sache bei einem Dritten zu hinterlegen. Ist die Hinterlegung bei einem Dritten gestattet, so hat der Verwahrer nur ein ihm bei dieser Hinterlegung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Für das Verschulden eines Gehilfen ist er nach § 278 verantwortlich. E I S16 II 631; M l 574, 575; P 2 394, 395.

Anm. 1 Der Verwahrungsvertrag begründet ein Vertrauensverhältnis, das die Hinterdem Verwahrer in der Regel nicht gestattet (vgl. § 664). Diese verpflichtet daher den Verwahrer zur Tragung des gesamten beim Dritten entstandenen Schadens, sofern solcher nicht auch ohne diese anderweite Hinterlegung eingetreten wäre. Ist sie an sich nach den Umständen als gestattet anzunehmen, so kann die Anlegung eines dem Verwahrer iibergebenen Geldbetrags bei einer von ihm für sicher gehaltenen Bank mit Vorbehalt jederzeitiger Abhebung nicht als schuldhaft angesehen werden ( R G 56, 149). Auch wo nach den Umständen anzunehmen ist, daß die Hinterlegung bei einem Dritten vom Hinterleger gestattet werden muß (vgl. § 1 2 1 5 Anm. 1), hat der Verwahrer davon diesem vorher Anzeige zu machen, da es sich jedenfalls um eine Änderung der Art der Aufbewahrung handelt (§ 692). Z w i s c h e n d e m H i n t e r l e g e r u n d d e m D r i t t e n entsteht bei der sog. m i t t e l b a r e n V e r w a h r u n g , sofern nicht eine anderweite Vereinbarung getroffen worden ist, kein Vertragsverhältnis. Indessen wird man in entsprechender Anwendung der §§ 556 Abs. 3, 604 Abs. 4 dem Hinterleger den unmittelbaren Rückgabeanspruch gegen den Dritten zugestehen müssen. Eine andere Kasse desselben Staates ist kein Dritter ( R G 103, 173). — Der

legung bei einem Dritten

731

§ 6 9 1 A n m . 2, 3 § § 692, 693

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

B e a m t e , dem die amtliche Verwahrung beschlagnahmter Gegenstände dienstlich obliegt, ist im Zweifel nicht berechtigt, die Sache einem Dritten zur Aufbewahrung zu übergeben (RG H R R 1929 Nr. 492). Anm. 2 Abweichend von § 691 ist bei der bankmäßigen Verwahrung von Wertpapieren die Drittverwahrung allgemein für zulässig erklärt worden (BankdepotG § 3 ; oben § 688 Anm. 2), weil ganz regelmäßig ein berechtigtes Bedürfnis dafür vorliegt, so wenn die Wertpapiere von dem Hinterleger einem Provinzbankier übergeben worden sind und dieser sie einer Zentralbank zur Drittverwahrung übergibt, weil sie an dem Börsenplatz, wo diese ihre Niederlassung hat, gehandelt werden. Die Zulassung der Drittverwahrung ist auch erforderlich, um die unnötige Versendung von Wertpapieren von einem Ort zum andern und die damit verbundenen erheblichen Mühen, Gefahren und Kosten zu vermeiden. Zudem sind zahlreiche Bankgeschäfte im Lande nicht im Besitz geeigneter und den neuesten Anforderungen entsprechender Stahlanlagen. Bei der u n r e g e l m ä ß i g e n V e r w a h r u n g (§ 700) kommt keine Drittverwahrung in Frage, weil der Verwahrer, wenn er das Eigentum an den Wertpapieren erlangt, nicht mehr (Zwischen-) Verwahrer, sondern Wertpapierschuldner ist. Auch bei der S a m m e l b a n k v e r w a h r u n g ist wegen des damit verbundenen Eigentumsverlustes die Z u stimmung des Hinterlegers nicht zu entbehren. Wegen der Formenstrenge in diesen Fällen: BankdepotG §§ 14, 1 5 ; § 700 Anm. 5, 6. Die Haftung des Zwischenverwahrers ist in § 3 Abs. 2 BankdepotG besonders geregelt. Hierbei handelt es sich um nachgiebiges Recht ( O p i t z , BankdepotG § 3 Anm. 6). Anm. 3 Die Zuziehung eines Gehilfen ist dem Verwahrer im Zweifel gestattet. War sie nicht gestattet, so haftet der Verwahrer für allen w ährend der Obhut des Gehilfen eingetretenen Schaden mit Ausnahme des Schadens, der auch ohne dessen Tätigkeit eingetreten wäre. War sie gestattet, so tritt die Haftung für den Gehilfen nach § 278 ein (RG 98, 3 3 ; 1 0 1 , 348). I m Falle des § 690 ist die Sorgfalt des Verwahrers entscheidend, nicht die des Gehilfen.

§ 693 Der Verwahrer ist berechtigt, die vereinbarte A r t der Aufbewahrung zu ändern, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der Hinterleger bei Kenntnis der Sachlage die Änderung billigen würde. Der Verwahrer hat vor der Änderung dem Hinterleger Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist. E I 617 II 632; M 2 J75, 576; F l 395,

Regelmäßig ist der Verwahrer nur an die v e r e i n b a r t e A r t der Aufbewahrung, nicht, wie der Beauftragte nach § 665, an einseitige, auch nachträgliche Weisungen des Hinterlegers g e b u n d e n ; anderseits kann er nur in dem hier bestimmten Ausnahmefall von der vereinbarten Art abweichen. Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich dann eintreten, wenn der zunächst zur Aufbewahrung benutzte R a u m sich nachträglich als feuergefährlich erweist. Unter Umständen, wenn die Obhut dies bedingt, kann die Änderung der vereinbarten Art der Aufbewahrung zur Pflicht werden. Die Anzeigepflicht des §692 gilt auch für die Hinterlegung bei einem Dritten ( § 6 9 1 ) , da diese jedenfalls eine Änderung der vereinbarten Art der Aufbewahrung enthält, wo sie nicht als von vornherein gestattet anzusehen ist. — Ist die Aufbewahrung unberechtigt geändert, so haftet der Verwahrer für allen daraus sich erbebenden, auch zufälligen Schaden.

§693 Macht der Verwahrer zum Zwecke der Aufbewahrung Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Hinterleger zum Ersätze verpflichtet. £ 1 621 II 623; M l 581; P 2 399, 400.

732

Verwahrung

§ 694 Anm. 1, 2

Die Ersatzpflicht des Hinterlegers, für die § 693 einen persönlichen (subjektiven) Maßstab aufstellt, umfaßt nicht bloß die Aufwendungen des Verwahrers für eine hinterlegte Sache selbst, wie Ausbesserungskosten bei Sachen, Futter- und Heilkosten bei Tieren, sondern auch solche für deren Bewachung, Erhaltung, Rettung bei ungewöhnlichen Ereignissen, Versicherungskosten und Steuern (M 2, 581; vgl. auch §670). Sie erstreckt sich jedoch nicht auf Aufwendungen, die der Verwahrer ausdrücklich übernommen hat oder nach dem Vertrag auf eigene Kosten zu übernehmen verpflichtet ist, wie namentlich im Falle der gewerbsmäßigen Verwahrung in der Regel die Kosten für Herstellung und Erhaltung geeigneter Räume. Die Erstattung von Aufwendungen, die nicht zum Zwecke der Verwahrung gemacht sind, bestimmt sich nach den Vorschriften der auftraglosen Geschäftsführung (§§ 677 fr.). — Wegen des dem Verwahrer zustehenden Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t s s. u. § 697.

§694 Der Hinterleger hat den durch die Beschaffenheit der hinterlegten Sache dem Verwahrer entstehenden Schaden zu ersetzen, es sei denn, daß er die gefahrdrohende Beschaffenheit der Sache bei der Hinterlegung weder kennt noch kennen muß oder daß er sie dem Verwahrer angezeigt oder dieser sie ohne Anzeige gekannt hat. E I 622 n 634; M a

J8I,

582; P 2 400.

Anm. 1 § 694 stellt eine Schuldvermutung zuungunsten des Hinterlegers auf. Er kann sie durch gewisse Gegenbeweise entkräften. Aus diesen ist zu entnehmen, was das Gesetz vom H i n t e r l e g e r v e r l a n g t . Er soll sich um die Beschaffenheit der Sache kümmern und jede danach drohende Gefahr dem Verwalter anzeigen. Das sind keine eigentlichen Vertragsleistungen, wohl aber Pflichten, die der Hinterleger beim Vertragsschluß und auch während des Vertragsverhältnisses nach Treu und Glauben zu erfüllen hat. Ein beim Vertragsabschluß begangener schuldhafter Verstoß macht ihn ebenso haftbar, wie wenn dieser während des Vertragsverhältnisses begangen ist (vgl. Anm. 2 zu § »76).

Anm. 2 Die Beweislast regelt sich danach so: Der Verwahrer hat zu beweisen, daß der Schaden durch die gefährliche Beschaffenheit der Sache entstanden ist. Dann kann der Hinterleger beweisen, daß er diese Beschaffenheit der Sache dem Verwahrer bei o d e r n a c h der Hinterlegung — hier macht das Gesetz keinen Unterschied — angezeigt oder daß der Verwahrer sie auch ohne Anzeige gekannt hat. Damit ist dann die Schuldvermutung endgültig entkräftet. Der Hinterleger kann aber auch den Beweis führen, daß er die gefährliche Beschaffenheit der Sache bei der H i n t e r l e g u n g weder gekannt hat noch hat kennen müssen. In diesem Falle bleibt dem Verwahrer der weitere Beweis offen, daß der Hinterleger nach der Hinterlegung die gefährliche Beschaffenheit der Sache erkannt hat oder doch hätte erkennen müssen. Dann besteht wieder die Schuldvermutung, und der Hinterleger kann sie nur noch dadurch entkräften, daß er beweist, er habe seiner Anzeigepflicht genügt oder der Verwahrer habe auch ohne Anzeige die gefährliche Beschaffenheit der Sache gekannt. Der Entlastungsbeweis, daß der V e r w a h r e r die gefährliche Beschaffenheit der Sache gekannt habe, ist ein Einwand des mitwirkenden eigenen Verschuldens des Verletzten (§ 254). Die Kenntnis wird hier durch ein Kennenmüssen nicht ersetzt; dem Verwahrer wird es nicht als Verschulden angerechnet, daß er sich um die Beschaffenheit der Sache nicht gekümmert hat. Im übrigen steht dem Hinterleger der Nachweis eines mitwirkenden Verschuldens des beschädigten Verwahrers nach § 254 Abs. 1 u. 2 frei. 733

§695 §696

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 695 Der Hinterleger kann die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern, auch wenn für die Aufbewahrung eine Zeit bestimmt ist. E I 624 II 635; M l 582—583; F l 402.

Anm. 1 Daß der Hinterleger die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern kann, entspricht der Natur des Vertrags und gilt auch dann, wenn der Vertrag entgeltlich geschlossen ist (anders die Rechtslage bei der T a u s c h v e r w a h r u n g : § 700 Anm. 7). Das Vertragsverhältnis endigt aber nicht bereits mit dieser Zurückforderung, sondern dauert bis z u r t a t s ä c h l i c h e n Z u r ü c k g a b e d e r h i n t e r l e g t e n S a c h e fort. Der Hinterleger darf indessen die Sache nach Treu und Glauben nicht zur unangemessenen Zeit zurückfordern und muß unter Umständen auch eine angemessene Frist für die Rückgabe bewilligen. Die vertragsmäßige Änderung dieser Vorschrift ist mit dem Wesen des Verwahrungsvertrags unvereinbar und daher nichtig. Anm. 2 Den Einwand des eigenen Eigentums darf der Verwahrer nur machen, wenn er s o f o r t i g e Rückgabe der Sachen vom Hinterleger fordern dürfte (RG 1. 4. 1924 V I I 376/23), den Einwand des Eigentums eines D r i t t e n darf er regelmäßig nicht erheben (RG J W 1925, 472 1 3 ). — K a n n der Verwahrer die Sache nicht zurückgeben, so ist der Entlastungsbeweis nicht geführt, solange noch Möglichkeiten offen bleiben, für welche der Verwahrer haftbar gemacht werden könnte (RG 11. 1. 1924 V I I 102/23).

§696 Der Verwahrer kann, wenn eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt ist, jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen. Ist eine Zeit bestimmt, so kann er die vorzeitige Rücknahme nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. E I 62; II 636; H l 583; P 2 402.

Anm. 1 Auch beim Rücknahmeverlangen des Verwahrers endigt regelmäßig das Verhältnis erst mit der tatsächlichen Zurücknahme. Ebenso gilt auch hier, daß der Verwahrer die Rücknahme nicht zu unangemessener Zeit verlangen kann und dem Hinterleger eine angemessene Frist für die Rücknahme gestatten muß. Anm. 2 Eine Zeit für die Aufbewahrung ist auch bestimmt, wenn Uberkleider für die Dauer einer Festlichkeit in Verwahrung genommen sind (RG WarnRspr. 1924 Nr. 122). — Ein wichtiger Grund für das Verlangen vorzeitiger Rücknahme ist z. B. anhaltende Krankheit des Verwahrers oder Verlust des Aufbewahrungsraums. Durch Unterlassen der mit Recht verlangten Rücknahme kommt der Hinterleger in Annahme- und, da er abzuholen hat, auch in LeistungsVerzug, §§ 293fr., 284fr. Bei entgeltlichem und deshalb gegenseitigem Vertrage ist also der Weg des § 326 grundsätzlich gangbar. Die B e w e i s l a s t für bestimmte Zeit trägt der Hinterleger, die für das Vorliegen eines wichtigen Grundes der Verwahrer. — Über das Verlangen der Rücknahme seitens des L a g e r h a l t e r s H G B § 422. Anm. 3 § 696 ist nachgiebigen Rechts und kann durch Vertrag abgeändert werden.

734

Verwahrung §

§§ 697-699

6 9 7

Die R ü c k g a b e d e r hinterlegten S a c h e h a t a n d e m O r t e zu erfolgen, a n w e l c h e m die S a c h e a u f z u b e w a h r e n w a r ; d e r V e r w a h r e r i s t n i c h t verpflichtet, die S a c h e d e m H i n t e r l e g e r zu b r i n g e n . E I 620 II 637; M a 579—581; P z 399.

Anm. 1 Als O r t d e r R ü c k g a b e gilt der v e r t r a g s m ä ß i g zur Aufbewahrung bestimmte Ort. Nicht maßgebend ist der Ort, wo die Sache zuletzt t a t s ä c h l i c h aufbewahrt worden ist. Anm. 2 Die R ü c k g a b e v e r p f l i c h t u n g ist also — auch bei Geld (abweichend von § 270 Abs. 1) — Holschuld, so daß der Hinterleger die Gefahr und die Kosten der Rückgabe zu tragen hat. Dem Verwahrer steht wegen seiner Gegenansprüche, also wegen seiner Vergütung und seiner Aufwendungen, ein Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t , § 2 7 3 , und, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen, §§ 387 ff., vorliegen, auch die A u f r e c h n u n g s b e f u g n i s z u ( M 2, 579; Ubergangsrecht R G 50, 37). Wegen sonstiger Einwendungen vgl. § 695 Anm. 2. I m Konkurse des Verwahres steht dem Hinterleger das Aussonderungsrecht zu ( § 4 3 K O ) . § 6 9 8 V e r w e n d e t d e r V e r w a h r e r h i n t e r l e g t e s Geld für sich, so i s t e r verpflichtet, es v o n d e r Zeit der V e r w e n d u n g a n zu v e r z i n s e n . E I 619 II 638; M a 579; P 2 399.

Die Bestimmung entspricht der Regelung beim Auftrag. Vgl. § 668 und die Anmerkungen dazu. — Verwendet der Verwahrer andere hinterlegte Gegenstände für sich, so hat er dem Hinterleger den dadurch verursachten Schaden zu ersetzen. Vgl. § 700 Abs. 1 S. 2. § 6 9 9 D e r H i n t e r l e g e r h a t die v e r e i n b a r t e V e r g ü t u n g bei d e r B e e n d i g u n g d e r A u f b e w a h r u n g zu e n t r i c h t e n . I s t die V e r g ü t u n g n a c h Z e i t a b s c h n i t t e n bem e s s e n , so i s t sie n a c h d e m Ablaufe der einzelnen Z e i t a b s c h n i t t e zu entrichten. E n d i g t die A u f b e w a h r u n g v o r d e m Ablaufe d e r für sie b e s t i m m t e n Zeit, s o k a n n d e r V e r w a h r e r einen seinen bisherigen L e i s t u n g e n e n t s p r e c h e n d e n T e i l d e r V e r g ü t u n g v e r l a n g e n , s o f e r n nicht a u s d e r V e r e i n b a r u n g ü b e r die V e r gütung s i c h ein a n d e r e s e r g i b t . Anm. 1 Die V e r g ü t u n g wird fällig bei Beendigung der Aufbewahrung, und zwar regelmäßig gegen Rückgabe der aufbewahrten Sache, sofern nicht ein anderes vereinbart ist (vgl. § § 5 5 1 , 614). Gesetzliches Pfandrecht des Lagerhalters wegen Lagergeld und Aufwendungen § 421 H G B . Anm. 2 Bei vorzeitiger Beendigung der Aufbewahrung (insbesondere §§ 695, 696) erhält der Verwahrer eine dem § 628 für den Dienstvertrag entsprechend festzusetzende T e i l v e r g ü t u n g , sofern nicht aus dem Vertrage sich ein anderes ergibt. Z u beweisen hat derjenige, der sich darauf beruft. 735

§ 700 A n m . 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 700 Werden vertretbare Sachen in der A r t hinterlegt, daß das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und diser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher A r t , Güte und Menge zurückzugewähren, so finden die Vorschriften über das Darlehen Anwendung. Gestattet der Hinterleger dem Verwahrer, hinterlegte vertretbare Sachen zu verbrauchen, so finden die Vorschriften über das Darlehen von dem Zeitpunkt an Anwendimg, in welchem der Verwahrer sich die Sachen aneignet. In beiden Fällen bestimmen sich jedoch Zeit und Ort der Rückgabe i m Zweifel nach den Vorschriften über den Verwahrungsvertrag. Bei der Hinterlegung von Wertpapieren ist eine Vereinbarung der i m Abs. 1 bezeichneten A r t nur gültig, wenn sie ausdrücklich getroffen wird. E I 6:8 I I 640; M a J76—578; P 2 395—399.

Ubersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Rechtsnatur der unregelmäßigen Verwahrung Vereinbarung über Übergang der Eigentümer Zulässigkeit des Verbrauches der Sachen Zeit und Ort der Rückgabe Hinterlegung von Wertpapieren Sammelverwahrung Summenverwahrung Treuhandverwahrung

Anm.

i 2 3 4 5 6 7 8

Anm. 1 1. Rechtsnatur der unregelmäßigen Verwahrung. Sie ist kein eigentliches Darlehen, unterscheidet sich vielmehr von diesem dadurch, daß es nicht überwiegend den Belangen des Empfängers, sondern denen des Hinterlegers dient. Sein Zweck ist Verwahrung für den Hinterleger, nicht Verbrauch zum Nutzen des Empfängers (vgl. Vorbem. vor §607). Wohl aber sind, abgesehen von Zeit und Ort der Rückgabe (§§ 695—697); die für das Darlehen geltenden Vorschriften, insbesondere auch in bezug auf die Verzinsung (§ 608) darauf anwendbar (vgl. R G 67, 264). Der Zinsfuß wird hier in der Regel niedriger als beim eigentlichen Darlehen bestimmt, weil dem Zinsanspruch des Hinterlegers für den Verbrauch eine Aufbewahrungsvergütung des Verwahrers gegenübertritt. Dieses darlehnartige Verhältnis setzt in jedem Falle die Hinterlegung v e r t r e t b a r e r Sachen (§91) voraus. Auch bei der uneigentlichen Verwahrung ist aber der Abschluß eines Verwahrungsvertrages wesentlich. Deshalb ist es kein Verwahrungsvertrag, auch kein uneigentlicher, wenn der Kommittent damit einverstanden ist, daß die für ihn angeschafften, ihm aber noch nicht übereigneten Wertpapiere für ihn auf Stückekonto gutgeschrieben werden; vgl. aber RG 67, 264, wo die Umwandlung einer auf Zahlung einer Geldsumme lautenden Verpflichtung in eine solche auf Verwahrung einer jederzeit auszahlbaren Geldsumme für zulässig erachtet wird. Wirksame Sicherheitsleistung gemäß § 54 BörsG kann der Kunde dem Bankherrn, bei dem er Gelder stehen hat, dadurch bestellen, daß er ihm das für ihn verwahrte Geld zur Sicherheit übereignet (RG 87, 22f.; 153, 198). Aus dem Geldverwahrungsvertrag hat nur derjenige Anspruch auf Rückzahlung der hinterlegten Summe, der hinterlegt hat, nicht auch der, aus dessen Mitteln das Geld stammt (RG WarnRspr. 1921 Nr. 91). Über die Anwendung des § 607 Abs. 2 auf die Summenverwahrung: RG 67, 262 und Anm. 6 zu § 607. Kein Darlehn, aber auch keine Verwahrung nach § 700 ist es, wenn zum Zweck einer Geschäftsbesorgung eine später zurückzuzahlende Summe Geldes übereignet wird, damit aus deren Erträgnissen das Geschäft (Rentenzahlung) besorgt und eine Vergütung verdient wird (RG 126, 81). Anm. 2 2. Vereinbarung über Übergang der Eigentümer. Ist alsbald bei der Hinterlegung vereinbart worden, daß das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser 736

Verwahrung

§700

Anm. 3—5

verpflichtet sein soll, S a c h e n v o n gleicher A r t , Güte und M e n g e z u r ü c k z u g e w ä h r e n , so geht das Eigentum und die aus zufälligen Umständen entspringende Gefahr regelmäßig mit der U b e r g a b e auf den Verwahrer über und der Hinterleger hat für einen durch die Beschaffenheit der hinterlegten Sachen etwa erwachsenen Schaden (§ 694) nur im Fall einer dabei von seiner Seite mitwirkenden unerlaubten Handlung einzustehen. Z u r ü c k b e h a l t u n g s - u n d A u f r e c h n u n g s r e c h t sind beim Vorhandensein der sonstigen Voraussetzungen auch hier zulässig. Dieses Summen Verwahrungsgeschäft spielt gegenwärtig im kaufmännischen Verkehr eine hervorragende Rolle. Es bildet die Unterlage für den S c h e c k v e r k e h r , obwohl hierzu auch ein künstliches, d. h. durch Kreditgewährung geschaffenes Guthaben des Scheckkunden genügt (s. Vorbem. 3 vor § 783).

Anm. 3 3. Z u l ä s s i g k e i t des V e r b r a u c h e s d e r S a c h e n . Ein regelmäßiger Verwahrungsvertrag kann an sich schon durch die Einigung der Parteien und die Ubergabe kurzerhand nach § 929 S. 2 in einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag verwandelt werden. Das kann unbedingt geschehen oder auch bedingt, etwa durch denVerbrauch der verwahrten vertretbaren Sachen. Der so bedingte Vertrag wiederum kann schon bei dem Begründen der regelmäßigen Verwahrung oder auch erst später abgeschlossen werden. Das Verbrauchen bedeutet dann lediglich den E i n t r i t t d e r B e d i n g u n g . Alle diese Fälle werden von dem — an sich nachgiebiges Recht enthaltenden — Satz 2 des § 700 Abs. 1 nicht betroffen. Er geht davon aus, daß keine andern Abreden getroffen sind, als daß bei dem Begründen oder während des Bestehens einer regelmäßigen Verwahrung der Hinterleger dem Verwahrer den Verbrauch der Sachen gestattet hat. Alsdann soll nach dem Gesetz dieses Gestatten als Vertragsantrag auf Umwandlung gelten, und er soll n u r durch die Aneignung der Sachen von Seiten des Verwahrers angenommen werden können, also n i c h t durch bloßes Erklären des Einverständnisses. Vorausgesetzt und vom Gesetz vermutet wird dabei, daß der Rechtsgrund des Gestattens zu einer Rückgabeverpflichtung führt. Wird z. B. schenkungsweise „gestattet", so ist das nicht der Fall. Die Möglichkeit, daß der Vertrag durch das bloße Verbrauchen ohne jede Erklärung der Annahme zustande kommt, ergibt sich aus § 1 5 1 . Danach kann auf jene Erklärung verzichtet werden, und von dem nach § 700 Abs. 1 S. 2 Antragenden wird darauf verzichtet. O b und wie lange er an seinen Antrag gebunden ist, wird von den Umständen des einzelnen Falles abhängen; regelmäßig wird eine Gebundenheit ausgeschlossen, ein Widerruf des Antrags zulässig sein. Die Aneignung setzt, wie in der Rechtsprechung, namentlich zu § 2 des alten Bankdepotgesetzes (vgl. Vorbem. 3) ausgeführt worden ist, eine die Sache selbst betreffende Verfügung des Verwahrers voraus, welche mit Sicherheit auf seine Absicht des Eigentumserwerbs schließen läßt ( R G 52, 205; 58, 290). Erreicht wird durch diese Regelung des Gesetzes, daß ein fester Zeitpunkt gegeben ist, für den sich die Umwandlung ermitteln läßt. Bis zu diesem Zeitpunkt verbleibt dem Hinterleger im Konkurs des Verwahrers das Aussonderungsrecht ( K O §43)-

Anm. 4 4. Für Zeit und O r t der R ü c k g a b e gelten in beiden vorerwähnten Fällen im Zweifel (Anm. 2 u. 3) die §§ 695—697. Mit der Zurückforderung des Hinterlegers oder mit dem Rücknahmeverlangen des Verwahrers hört das darlehnartige Verhältnis, insbesondere auch die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf.

Anm. 5 5. H i n t e r l e g u n g v o n W e r t p a p i e r e n . Ausdrückliche Vereinbarung (Abs. 2) wird verlangt bei der Hinterlegung von Wertpapieren. Erfordert wird hier eine Vereinbarung, welche einen klaren, nicht mißzuverstehenden unmittelbaren Ausdruck — wenn auch nicht notwendig in Worten — gefunden hat; sie muß ihren Sinn in sich selbst tragen ( R G 65, 1 7 9 ; R G S t . 57, 381). I m übrigen steht die Vereinbarung in den Fällen des Abs. 1 unter den allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen; sie kann also auch stillschweigend getroffen werden.

737

§ 700 Anm. 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Das neue BankdepotG (Anm. 4 vor § 688) schützt den Hinterleger durch besonders strenge Formvorschriften davor, daß er bei der Anvertrauung von Wertpapieren sein Eigentum an diesen verliert und nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr gleichartiger Wertpapiere haben soll. Es soll verhindert werden, daß der Bankkunde leichtfertig aus dem geschützten Geschäftsgebiet der Verwahrung in das der unregelmäßigen Verwahrung, die nur die Formvorschrift des § 700 Abs. 2 kennt, oder in das des Wertpapierdarlehns hineingerät, für das volle Formfreiheit gilt (§ 607), und daß er im Falle des Konkurses der Bank sein Aussonderungsrecht einbüßt. Deshalb ist bestimmt, daß die Erklärung des Hinterlegers für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden muß und daß sie weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein darf. Darin muß zum Ausdruck kommen, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und daß mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht (§§ 13, 15 Abs. 2 BankdepotG nF). Dies gilt sinngemäß, wenn Wertpapiere einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes als Darlehn gewährt werden ( § 1 5 Abs. 3 das.). Diese Formstrenge gilt nicht, wenn der Hinterleger gewerbsmäßig Bank- oder Sparkassengeschäfte betreibt (§ 16 das.). Auch hier muß aber die Vereinbarung der unregelmäßigen Verwahrung ausdrücklich sein (§ 700 Abs. 2). Anm. 6 6. Sammelverwahrung. Sie fällt nicht unter § 700, war früher nur eine Einrichtung der Praxis und aus deren Bedürfnissen entwickelt. Nunmehr ist sie in §§ 5 — 9 BankdepotG nF gesetzlich geregelt. Nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung ist Sammelverwahrung die Verwahrung vertretbarer Wertpapiere ein und derselben Art in einem einheitlichen Bestände. Sie wird von dem Verwahrer ungetrennt von seinen eigenen Stücken entweder selbst oder als Zwischenverwahrer durch einen Drittverwahrer vorgenommen. Alle Hinterleger gleichartiger Wertpapiere liefern also die Wertpapiere in einem einheitlichen, aus Wertpapieren derselben Art gebildeten Bestand ein (Begr. z. BankdepotG zu § 5). Dem einzelnen Hinterleger steht eine bestimmte Menge aus dem Sammelbestand zur freien Verfügung, nicht aber eine bestimmte Sache, die er hinterlegt hat oder die für ihn hinterlegt worden ist. Er verliert durch die Einlieferung seiner Wertpapiere in SammelVerwahrung sein bisheriges Eigentum und erwirbt statt dessen M i t e i g e n t u m am Sammelbestand (im einzelnen §§ 6ff. BankdepotG). Deshalb darf der Verwahrer ihm übergebene Stücke nur dann in Sammelverwahrung nehmen, wenn der Hinterleger ihn hierzu ausdrücklich und schriftlich ermächtigt hat. Die Ermächtigung darf nicht schon in den Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein; die Urkunde, welche die Ermächtigung enthält, darf nicht auf andere Urkunden verweisen. Die Ermächtigung muß weiterhin für jedes einzelne Verwahrungsgeschäft besonders erteilt werden; nur die Sammelverwahrung bei den W e r t p a p i e r s a m m e l b a n k e n (das. § 1 Abs. 3; Bek. v. 1. 5. 1937, RGBl. 1937 I, 558; 1938 I, 1848; 1939 I, 386) darf auf Grund einer allgemeinen Ermächtigung vorgenommen werden, die aber ebenfalls schriftlich und ausdrücklich erteilt sein muß. Nach der V O zur Vereinfachung des Wertpapierverkehrs v. 22. 12. 1942 (RGBl. 1943 I, 1) war aber eine Ermächtigung nicht nötig, wenn ein Kreditinstitut die Wertpapiere der Zentralbank (früher Reichsbank) anvertraut, es sei denn, daß der Hinterleger ausdrücklich widerspricht. Diese V O ist aber nicht mehr anwendbar, vgl. W . M . I V B 1951, 279; O L G Hamburg M D R 1948, 21. Der zur Sammel Verwahrung ermächtigte Verwahrer braucht nicht das ihm vom Hinterleger übergebene Stück in Sammelverwahrung zu nehmen, sondern kann statt dessen dem Hinterleger schon bei Entgegennahme des Stückes einen entsprechenden Sammelbestandteil übertragen (§ 5 Abs. 2). Die Sammelverwahrung ist eine Art der regelmäßigen Verwahrung (§§ 688—699), nicht gehört sie zur unregelmäßigen Verwahrung (§ 700). Werden Wertpapiere in Sammelverwahrung genommen, so entsteht — nunmehr kraft Gesetzes ( § 6 Abs. 1 BankdepotG) — mit dem Zeitpunkt des Eingangs beim Sammelverkehr für den bisherigen Eigentümer M i t e i g e n t u m n a c h B r u c h t e i l e n (§§ 1008, 741) an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art; für die Bestimmung des Bruchteils ist der Wertpapiernennbetrag maß-

738

Verwahrung

§700 Anm. 7

gebend, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl. Durch diese Regelung ist der frühere Streit, ob die Wertpapiersammelverwahrung besser auf V e r m i s c h u n g oder auf V e r t r a g beruhe, endgültig erledigt. Das Miteigentum entsteht also m i t d e m E i n g a n g d e r S t ü c k e beim Sammelverwahrer. Maßgebend ist nicht der Zeitpunkt, in dem der Sammelverwahrer die Stücke einem schon vorhandenen Sammelbestand tatsächlich einverleibt, sondern schon der Zeitpunkt, in dem sie einfügen konnte. Als Verwalter des Sammelbestandes für die Hinterleger und Miteigentümer hat der Sammelverwahrer das Recht, jedem Hinterleger die diesem gebührende Menge auszuliefern; soweit er selbst Miteigentümer ist, kann er die ihm gebührende Menge entnehmen. Hierzu bedarf er keiner Zustimmung der übrigen Beteiligten. In anderer Weise als durch solche Verwaltungshandlungen darf er den Sammelbestand nicht verringern (§6 Abs. 2 das.). J e d e Verringerung des Sammelbestandes, die nicht durch die Ausübung der Verwaltungsbefugnisse gerechtfertigt ist, geht zu Lasten des Verwahrers und macht ihn, sofern er schuldhaft gehandelt hat, schadensersatzpflichtig (Begr. zu § 6). § 7 regelt den Auslieferungsanspruch des Hinterlegers und seinen Anspruch auf Schadloshaltung bei Nichterfüllung. War der Hinterleger n i c h t E i g e n t ü m e r der Wertpapiere, so entsteht das Miteigentum in der Person des bisherigen Eigentümers der Stücke (§ 6 Abs. i Satz i). Hinterleger und Miteigentümer sind also in diesem Falle schon von Beginn der Sammelverwahrung an zwei verschiedene Personen. Auf die Ansprüche des Dritten als Miteigentüners sind die Bestimmungen über die Ansprüche des Hinterlegers (§ 6 Abs. 2, § 7) entsprechend anzuwenden. Auch der Miteigentümer kann demnach seinen Herausgabeanspruch nur unter den gleichen Voraussetzungen wie der Hinterleger geltend machen und der Verwahrer haftet jenem gegenüber für Verluste am Sammelbestand genau so wie dem Hinterleger gegenüber (§ 8; Begr. dazu Abs. 1). Das Gesetz hat mit der Regelung in den §§ 6 f f . BankdepotG eine neue Art des u r s p r ü n g l i c h e n Rechtserwerbs geschaffen. Die Umwandlung des Wertpapiereigentums in Miteigentum beruht weder auf Vermischung (§ 948) noch auf Vertrag, sondern unmittelbar auf dem Gesetz. Sinn der Regelung ist das Anstreben eines wirtschaftlichen Fortschritts durch Aufgabe von entbehrlichen Sonderrechten und soziale Gebundenheit der in der Sammelverwahrgemeinschaft vereinten Hinterleger, auf welche die §§ 742, 744, 745, 748fr. 1 0 1 1 Satz 2, 432 nicht anwendbar sind. Die Rechtsänderung ist vom Willen des Hinterlegers unabhängig; sie ist nur an die Tatsache geknüpft, daß Wertpapiere in Sammelverwahrung genommen werden. Miteigentum am Sammelbestand entsteht auch dann, wenn kein rechtsbeständiger Verwahrungsvertrag geschlossen worden ist oder keine oder nur eine formnichtige Ermächtigung ( § 5 ) vorliegt. Die Sammelverwahrung ist aber nicht auf den Wertpapierverkehr beschränkt; sie kann auch andere vertretbare Sachen (§§ 90, 91) von ein und derselben Art und Güte umfassen ( „ S a m m e l l a g e r u n g " : H G B § 4 1 9 ; § 1 9 der Lagerordnung v. 28. 8. 1 9 3 1 , R G B l . 1931 I, 478; 1932 I, 3 8 1 , 4 1 4 ; § 30 Abs. 2 der V O über Orderlagerscheine v. 16. 12. 1 9 3 1 , R G B l . I, 763 [A 2 vor § 688]). Für Malz und Kartoffelflocken (Kartoffelstärkemehl) ist die Sammellagerung ausgeschlossen ( R G B l . 1932 I, 3 8 1 , 4 1 4 ; 1938 I, 1428; 1939 I, 909). Auch bei der Sammellagerung steht am Lagergut, das nach den getroffenen Abmachungen vermischt werden darf, vom Zeitpunkt der Einlagerung ab den Eigentümern der eingelagerten Mengen Miteigentum nach Bruchteilen zu; die Bruchteile bestimmen sich nach dem Verhältnis der von jedem Einlagerer eingelagerten Menge zu den Mengen, die sämtliche Einlagerer in den Lagerräumen des Lagerhalters eingelagert haben; das Miteigentum erstreckt sich auf die Mengen, die von dem Lagerhalter ersatzweise eingelagert worden sind (LagerO § 19 Abs. 2). Hierbei beruht die Schaffung des Miteigentums auf Vertrag und, sofern im einzelnen Falle die Mischlagerung ohne ausdrückliche Gestattung ( § 4 1 9 Abs. 1 H G B ) vorgenimmen worden ist, auf Vermischung (§948).

Anm. 7 Die S u m m e n v e r w a h r u n g ( T a u s c h v e r w a h r u n g : § § 1 0 , 1 1 BankdepotG n F ) fällt ebenfalls nicht unter §700. Wie beider Sammelverwahrung (§§ 688ff.) und bei der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700) ist bei ihr Voraussetzung, daß der Verwahrer ermächtigt wird, an Stelle der hinterlegten Wertpapiere gleichartige zurückzugewähren.

739

§ 700 Anm. 8

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Vor § 701 Anm. 1

Bisher fehlte eine gesetzliche Regelung. Das neue DepotG kennt m § io zwei Arten der Tauschverwahrung: i. die Verwahrung mit der Ermächtigung für den Verwahrer, an Stelle anvertrauter Wertpapiere andere derselben Art zurückzugeben (§ io Abs. i), 2. die Verwahrung mit der Ermächtigung für den Verwahrer, anvertraute Wertpapiere durch andere Wertpapiere derselben Art zu ersetzen (§ io Abs. 2, § 11). Die Ermächtigung ist auch hier einer besonderen Formstrenge unterworfen. Bis zum Tausch bleibt der Hinterleger E i g e n t ü m e r der von ihm eingelieferten Stücke, mit dem Tausch wird er Eigentümer der Ersatzstücke. Er darf also in keinem noch so kurzen Zeitraum auf einen rein schuldrechtlichen Anspruch beschränkt sein (Begr. zu § io BankdepotG). Auf das durch die Tauschverwahrung begründete Vertragsverhältnis sind die Vorschriften der §§ 688ff. BGB, § 2 DepG anwendbar; aber § 695 ist dahin geändert, daß der Verwahrer das hinterlegte Papier austauschen darf und nur ein Wertpapier der hinterlegten Art zurückzugewähren braucht. Es handelt sich hierbei also um Arten der Sonderverwahrung, bei denen ; falls die Tauschermächtigung vorliegt, das Schuldverhältnis (§ 695) durch eine andere L e i s t u n g a n E r f ü l l u n g s S t a t t zum Erlöschen gebracht werden kann (§ 364). Anm. 8

Die Fälle, in denen Kaufleute als Treuhänder für Dritte Wertpapiere besitzen oder erwerben oder Beteiligungen oder Gläubigerrechte ausüben oder erwerben oder in öffentliche Schuldbücher oder sonstige Register eingetragen sind, sind angesichts ihrer Verschiedenartigkeit in die neue gesetzliche Regelung des Wertpapierverwahrungswesens noch nicht unmittelbar einbezogen worden. Das BankdepotG (§ 42) sieht vor, daß eine entsprechende Anordnung (auch für das sog. Auslandsgeschäft) durch die beteiligten obersten Reichsbehörden erlassen werden kann. Seit längerer Zeit werden die Einrichtungen der Wertpapiersammelbanken auch für den Verkehr in Werten benutzt, für die, weil es sich dabei nicht um körperliche Gegenstände handelt, eine eigentliche A u f b e w a h r u n g nicht in Betracht kommt. Hierbei fehlt für den Wertpapierkunden die rechtliche Möglichkeit, ihn auf der Grundlage des Sacheigentums (Miteigentums) im Konkurs des Treuverwahrers (Treuhänders) oder bei Zwangsvollstreckungen gegen ihn (§ 43 KO, § 771 ZPO) vor Rechtsverlusten zu schützen (vgl. RG 79, 121; 84, 214; 94> 305; 127, 341; 133, 87; 153, 353, 369). Aber eine sinngemäße Anwendung der depotrechtlichen Schutzvorschriften ist auch bei dem sog. Treugiroverkehr (Schuldbuchgiroverkehr, Kuxengiroverkehr, Jungscheinverkehr, Treuhandgiroverkehr in ausländischen Zertifikaten deutscher Stadtanleihen) möglich und in gewissem Umfang schon seither im Bankwesen durchgeführt worden (Näheres hierüber bei O p i t z , Bankdepotll Anm. 4—11 zu §42). Die hier bestehende Lücke wird auf dem in §42 vorgesehenen Wege ausgefüllt werden. Dreizehnter Titel Einbringung von Sachen bei Gastwirten Vorbemerkungen Anm. 1

Die Gastwirte und im wesentlichen auch die Schank- und Speisewirte (vgl. GaststättenG v. 28. 4. 1930 [RGBl. 1930 I, 146; 1934 I, 567, 913; 1935 l, 690; 1938 I, 1245] mit AusfBest. v. 21. 6. 1930, 21. 6. 1933, 16. 7. 1934 [RGBl. 1930 I, 191; 1933 I, 392; 1934 I, 70g; 1938 I, 37], haften ihren Gästen für ihre Beschädigungen an Körper und Gesundheit, die ihnen infolge einer mangelhaften, von dem Wirt irgendwie verschuldeten Beschaffenheit der Gasträume zustoßen, auf Grund des mit den Gästen bestehenden Vertragsverhältnisses, bei dem Beherbergungsvertrag aus § 538 (RG 169, 90), bei diesem auch Umkehrung der Beweislast, wenn die Sachlage zunächst auf eine Verletzung der vertraglich gegebenen Sorgfaltpflicht schließen läßt (st. Rspr. RG 169, 87). Daneben tritt für solche Beschädigungen eine Haftung aus unerlaubter Handlung (§§ 823, 831). In den §§ 701 bis 703 wird den Gastwirten, nicht auch den Schank- und 740

Einbringung von Sachen bei Gastwirten

V o r § 701 Anm, 2 §701

Speisewirten, eine weitergehende Haftung für die von den Gästen eingebrachten Sachen auferlegt, im Anschluß daran in § 704 ihnen aber auch ein besonderes, ebenfalls über das Vermieterpfandrecht hinausgehendes Pfandrecht an den Sachen des Gastes gewährt. Diese bürgerlichrechtlichen Bestimmungen gelten auch dann, wenn der Gastwirt den öffentlichen Vorschriften für die Ausübung seines Gewerbes, insbesondere der Einholung der Erlaubnis der Verwaltungsbehörde nach Abschn. I des GaststättG, den ihm obliegenden Anzeigepflichten (§ 4 Abs. 3 GaststättG, § 14 Abs. 1 RGewO) oder der zur Anbringung seines Namens an der Außenseite seiner Wirtschaft nach § 15 a RGewO noch nicht nachgekommen ist. Der innere Grund für die den Gastwirten auferlegte strenge Haftung liegt darin, daß der lebhafte Verkehr wechselnder Personen für den Gast Gefahren mit sich bringt und daß der Wirt aus diesem Verkehr Nutzen zieht (RG 112, 58). Dem Eigennutz sind auch hier vom Gesetz Grenzen gezogen. Anm. 2 Die Grundlage der Haftung der Gastwirte für die eingebrachten Sachen der Gäste ist nicht der zwischen ihnen und den Gästen geschlossene Vertrag, sondern die tatsächliche Aufnahme der Gäste (vgl. darüber § 701 Anm. 2). Der Gastaufnahmevertrag ist im BGB nicht besonders geregelt. Für die Frage, welche Rechtsgrundsätze anzuwenden sind, ist zu unterscheiden zwischen dem Rechtsverhältnis, in das der Schank- und Gastwirt durch die Aufnahme des einkehrenden Gastes tritt, und dem eine Unterart desselben bildenden Beherbergungsvertrage, der auf die Überlassung eines Zimmers an den Gast zur Benutzung gerichtet ist. Während es sich bei dem ersteren mehr um einen Dienst- oder Werkvertrag, verbunden mit einem Kaufvertrag handelt, ist der Beherbergungsvertrag im wesentlichen ein Wohnungsmietvertrag, da die Beherbergung der Kern des Vertrages ist und die anderen Leistungen (Beköstigung, Heizung, Beleuchtung und sonstige Dienstleistungen) nur Nebenleistungen sind (RG 169, 84). Nur für den letzteren Vertrag gelten die Sonderbestimmungen der §§ 701—704 (RG 104, 45; 105, 202). Über die — nur ausnahmsweise eintretenden — Entschädigungsansprüche des Gastwirts in dem Falle, daß der Gast bei ihm plötzlich stirbt oder erkrankt, s. SeuffArch. 58 Nr. 231; 62 Nr. 8. — Für die Ansprüche des Gastwirts aus dem Gastaufnahmevertrag für Wohnung und Beköstigung sowie andere Leistungen zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gäste mit Einschluß der Auslagen gilt nach § 196 Abs. 1 Nr. 4 die zweijährige, für Ansprüche der Gäste gegen den Wirt auf Grund der §§ 701 bis 703 die gewöhnliche Verjährung. Für beiderlei Ansprüche ist gemäß § 23 Nr. 2 Abs. 3 GVG ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes das Amtsgericht zuständig.

§701 Ein Gastwirt, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt, hat einem im Betriebe dieses Gewerbes aufgenommenen Gaste den Schaden zu ersetzen, den der Gast durch den Verlust oder die Beschädigung eingebrachter Sachen erleidet. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden von dem Gaste, einem Begleiter des Gastes oder einer Person, die er bei sich aufgenommen hat, verursacht wird oder durch die Beschaffenheit der Sachen oder durch höhere Gewalt entsteht. Als eingebracht gelten die Sachen, welche der Gast dem Gastwirt oder Leuten des Gastwirts, die zur Entgegennahme der Sachen bestellt oder nach den Umständen als dazu bestellt anzusehen waren, übergeben oder an einen ihm von diesen angewiesenen Ort oder in Ermangelung einer Anweisung an den hierzu bestimmten Ort gebracht hat. Ein Anschlag, durch den der Gastwirt die Haftung ablehnt, ist ohne Wirkung. E I 626 II 641; M a 584—587; P 2 403—404, 415—415.

741

§701 Anm. 1, 2

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse Ü b ersieht Anm.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Gewerbsmäßige Beherbergung A u f n a h m e des Gastes . . . Ersatzpflicht Eingebrachte S a c h e n . . . . Ausschluß der H a f t u n g . . Höhere G e w a l t

1 2

3 4 5 6

Anm. 1 Die g e w e r b s m ä ß i g e A u f n a h m e F r e m d e r z u r B e h e r b e r g u n g bildet die wesentlichste Voraussetzung für die H a f t u n g des Gastwirts nach §§ 7 0 1 — 7 0 3 und zugleich das unterscheidende M e r k m a l v o m Schank- und Speisewirt. Dieses M e r k m a l der A u f nahme zur Beherbergung, die eine Ü b e r n a c h t u n g nicht erfordert (SeufTArch. 5g, 440), trifft z u außer bei den Gast(Fremden)höfen a u c h bei den Gast- und Familienheimen, einerlei, o b sie Gäste auf längere oder kürzree Zeit aufnehmen und o b sie ihnen außer der Beherbergung a u c h V e r p f l e g u n g gewähren ( R G 103, 9), ferner bei den gewerbsmäßig, z . B . durch einen Pächter, bewirtschafteten Unterkunftshäusern der Alpenvereine, nicht dagegen bei gewöhnlichen Vermietern eingerichteter Z i m m e r oder Schlafstellen, nicht bei Badeanstaltsbesitzern, bei Heilanstalten, sofern das Heilen bei ihnen die Hauptsache ist und den ganzen Betrieb beherrscht ( R G 112, 58), auch nicht bei den Schlafwagengesellschaften, deren Tätigkeit n a c h den zwischen ihnen und den Eisenbahnverwaltungen bestehenden, a u c h auf das Verhältnis zu den Reisenden einwirkenden V e r t r ä g e n vielmehr auf eine besondere A r t der Beförderung in durch erhöhte Bequemlichkeit ausgezeichneten Abteilen gerichtet ist; h M vgl. H o f f m a n n - W a l d o r f in Die Bundesbahn, 1952 S. 526. Das gleiche gilt von dem Betrieb der Dampfergesellschaften. Das M e r k m a l der Beherbergung unterscheidet die Gasthausaufnahme von der Miete v o n Z i m m e r n ( R G W a r n R s p r . 1920 Nr. 198), wobei der Vermieter für die Person des Mieters keinerlei Sorge übernimmt. Die Beherbergung will dem Gast einen Ersatz für das eigene H e i m bieten und umfaßt die Erhaltung der O r d n u n g u n d Sauberkeit i m Herbergsraum und die Bereitstellung von Bedienung ( R G 103, 9). A u c h der regelmäßige Gast im Fremdenhof oder -heim ist, selbst wenn er sich dort längere Zeit aufhält, Gast, nicht Dauermieter ( R G W a r n R s p r . 1920 Nr. 198); der Gast bleibt Gast, auch w e n n er sein Z i m m e r bereits aufgegeben hat, den Gasthof aber noch weiter als Wohnaufenthalt benutzt ( R G 27. 5. 21 V I I 575/20); wer aber das Z i m m e r aufgegeben und den Gasthof verlassen hat, ist nicht mehr Gast, a u c h wenn er das Z i m m e r noch f ü r weitere T a g e bezahlt hat ( R G SeufTArch. 78, 129); vorübergehende Abwesenheit hebt die Gasteigenschaft nicht auf ( R G 103, 9).

Anm. 2 Die Tatsache der A u f n a h m e des Gastes i m Betriebe des Gewerbes, nicht der darauf gerichtete V e r t r a g zwischen Gast und Gastwirt, bildet die Grundlage der hier in Frage stehenden H a f t u n g des Gastwirts für die eingebrachten Sachen. Es liegt somit ein Tatbestand gesetzlicher und nur vertragsähnlicher V e r p f l i c h t u n g vor ( h M ) . D a n a c h kommt es auf eine Geschäftsunfähigkeit, sei es des Gastwirts, sei es des Gastes, die den V e r t r a g nichtig macht, für die Verpflichtungen des Gastwirts n a c h §§ 7 0 1 — 7 0 3 nicht an. Dasselbe m u ß dann a u c h für dessen R e c h t e nach § 704 gelten. Die A u f n a h m e m u ß vor oder bei E i n b r i n g u n g der Sachen geschehen sein, wie z. B. in d e m Falle, d a ß der Gast seine A n k u n f t angekündigt und der W i r t zusagend geantwortet oder a u c h nur zur E m p f a n g n a h m e des Gastes einen W a g e n nach d e m Bahnhof gesendet hat ( R G 1, 83). Anders, w e n n keine wirkliche A u f n a h m e des Gastes, sondern nur eine vorläufige Einstellung seiner Sachen stattgefunden, der Gast noch kein Z i m m e r genommen ( R G J W 08, 272®) oder erst sich angekündigt hat, ohne d a ß der Wirt i h m A u f n a h m e versprochen hätte. K e i n e A u f n a h m e im Gewerbebetrieb des Gastwirts liegt vor, w e n n V e r w a n d t e oder Freunde ihn besuchen, und keine A u f n a h m e eines Gastes, soweit es sich u m A n gestellte oder Gehilfen des Gastwirts oder u m von diesem bestellte H a n d w e r k e r handelt. Die A u f n a h m e des Gastes zur Beherbergung, die § 701 voraussetzt, erfordert aber keinen

742

Einbringung von Sachen bei Gastwirten

§ 701

A n m . 3, 4 Nachtaufenthalt des Gastes; nur muß er das Haus als Herberge zum, wenn auch vorübergehenden, Wohnungsaufenthalt, nicht nur dessen allgemeine Verpflegungs- und Erfrischungsräume in Anspruch nehmen.

Anm. 3 Die E r s a t z p f l i c h t geht über die aus einem gewöhnlichen Verwahrungsvertrag entspringende weit hinaus und trifft den Gastwirt schlechthin, mag der Verlust oder die Beschädigung durch ihn, durch seine Leute, durch andere Gäste oder durch dritte Personen herbeigeführt sein. Der Gast hat daher nur die Aufnahme und Einbringung sowie den Schaden und dessen Höhe zu beweisen, nicht aber den •—• vielfach unmöglichen — Beweis einer Verletzung der dem Gastwirt obliegenden Verpflichtungen zu führen, vielmehr hat der Gastwirt die seine Haftung ausschließenden Umstände darzutun. —• Zur Erhebung des Ersatzanspruchs ist nur der G a s t , nicht aber der mit dem Gastwirt in keinem Vertragsverhältnis stehende Eigentümer der Sachen ermächtigt. Bei mitwirkendem Verschulden des Gastes gilt § 254 ( R G 75, 386; WarnRspr. 1 9 1 z Nr. 1 3 3 , 1920 Nr. 159). Auf die Ehrlichkeit der Angestellten darf der Gast aber ohne Verschulden rechnen. S. dazu R G 75, 386, L Z 1922, 7 1 0 1 und § 702 A 4.

Anm. 4

E i n g e b r a c h t e S a c h e n (Abs. 2) sind nicht bloß die vom Gaste unmittelbar in das Gasthaus eingeführten (einerlei ob sie ihm gehören oder nicht), sondern auch diejenigen, welche der Reisende am Bahnhof dem zum Empfang von Gästen entsandten Hausdiener oder dem Führer eines Gasthofwagens mit dem Bemerken übergibt, daß er dort einzukehren gedenke ( R G 1, 83). Eingebracht ist auch das Gepäck, welches der Hausdiener auf den vom Reisenden ihm übergebenen Gepäckschein hin von der Gepäckstelle der Bahn ausgehändigt erhält ( J W 1 9 3 1 , 1977 7 ); immerhin muß aber die Abgabe an die „ L e u t e " des Gastwirts, nicht an Dritte, geschehen sein; eingebracht sind deshalb noch nicht die in dem vor dem Gasthaus anfahrenden Mietwagen zurückgebliebenen Gegenstände. Wenn der Pförtner des Gasthauses beim Abladen des Gepäcks das Innere des Wagens nicht gehörig durchsucht hat und dadurch ein Gegenstand abhanden kommt, haftet der Gastwirt nicht aus § 701, sondern gemäß § 278 B G B für die Fahrlässigkeit des Pförtners bei Ausführung des Auftrags, das Gepäck ins Gasthaus zu schaffen ( R G WarnRspr. 1 9 1 7 Nr. 133). Der Nachtpförtner des Gasthofs ist zur Entgegennahme von Wertsachen der Gäste im allgemeinen nicht als bestellt anzusehen R G 99, 70. Eingebracht sind ferner die vom Gaste getragenen oder nachträglich während seines Aufenthalts in den Gasthof geschafften Sachen, endlich auch das Fahrzeug und die Tiere des Gastes sowie Kraftwagen einschließlich der K o f f e r und mitgeführten Sachen, die auf einem zum Gasthaus gehörenden unverschlossenen Hof auf Anweisung oder mit Zustimmung des Wirtes eingestellt sind ( R G SeuffArch. 59 Nr. 253; B G H N J W 1958, 825). Eingebracht sind auch die Kleidungsstücke, die der zum Wohnen aufgenommene Gast in dem zur Einnahme der Mahlzeiten bestimmten R ä u m e oder in einem zur Ablage der Kleidungsstücke dienenden Vorraum aufgehängt hat ( R G 105, 203). In kleineren Gasthöfen, wo die Bedienung der Wohn- und der Wirtschaftsgäste durch dieselben Personen besorgt wird, kommt es bei der Übergabe von Kleidungsstücken an eine Bedienungsperson d a r a u f an, ob diese als Gasthofs- oder als Wirtschaftsangestellte um die Verwahrung angegangen wurde. Jenes ist der Fall, wenn z. B. ein Wohngast dem Schenkfräulein ein Kleidungsstück zur Ausführung einer kleinen Näharbeit übergibt, die sonst die Zimmermädchen vorzunehmen pflegen; das ist eine zum Gasthofsbetrieb gehörige Handlung ( R G J W 1923, 75 1 ). Die Beschädigung braucht nicht i m Gasthof einzutreten; z . B . genügt die Beschädigung eines eingebrachten Wagens auf einer Schwarzfahrt des Hausdieners ( J W 1935, 1453 1 4 ). Die Einbringung in einen zum Gasthof betrieb gehörigen Nebenraum (Schuppen, Garten, Heuboden, Spielplatz, Kegelbahn), auch einen nur behelfsmäßig eingerichteten, reicht aus, sofern er nur zur Unterbringung der Wohngäste oder ihier Sachen bestimmt ist. Daß er für einen bestimmten Gebrauchszweck, z. B. als Kraftwagenschuppen, den polizeilichen Vorschriften entspreche, ist nicht erforderlich; ebensowenig bedarf es einer besonderen Einweisung des Gastes (LeipzZ 1907, 520; SeuffArch. 75, 329; J W 1925, 1 0 1 9 4 ; V e r k R 1939, 1008). Immer aber ist nötig, daß die verlorenen oder beschädigten 48

Komm. 2. BGB, 1 1 . Aufl. II. Bd. (Denecke)

743

§ 7 0 1 A n m . 5, 6

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

§ 702 A n m . 1 Sachen sich gerade an dem Platze befanden, der für ihre Unterbringung bestimmt war. Die Ersatzpflicht des Wirtes erstreckt sich also nicht z. B. auf Kleidungsstücke, die der Gast in seinem in einer Halle untergebrachten Wagen zurückgelassen hatte. Das Einbringen endigt mit der Abreise des Gastes, wenn der Gast von dem Gastwirt oder dessen Leuten seine Sachen wieder in Empfang nimmt. Eingebrachte Sachen, die ein dazu berufener Gasthausangestellter im Auftrage des Gastes zur Bahn bringt, bleiben also in der Obhut des Angestellten noch „eingebracht" ( R G J W 1925, 473 1 6 ). Nicht mehr als eingebracht gelten dagegen die vom Gaste bei seiner Abreise im Gasthause zurückgelassenen oder die im Gasthause aus seinem Besitze gekommenen (z. B. von ihm im Wirtschaftsgarten liegengelassenen) Sachen. Insoweit kann ein Verwahrungsvertrag oder auftragslose Geschäftsführung vorliegen ( M 2, 586; R G WarnRspr. 1921 Nr. 144). Auch wenn der Gast mit dem Wirt die Nachsendung der Sachen vereinbart hat, hört dennoch mit seiner Abreise die Haftung nach § 701 auf; es tritt Haftung aus Auftrag und Verwahrungsvertrag ein. Stirbt der Gast im Gasthaus, so dauert die Haftung des Gastwirts fort bis zur Ubergabe der Sachen an den Erben oder bis zu deren Hinterlegung nach § 372.

Anm. 5 Für den A u s s c h l u ß d e r H a f t u n g (Abs. 1 Satz 2) kommt es, wenn der Schadenvom Gast, von einem seiner Begleiter oder von jemandem verursacht worden ist, den der Gast bei sich aufgenommen hat, auf ein V e r s c h u l d e n dieser Person nicht an. A u ß e r d e n — vom Gastwirt zu beweisenden — A u s s c h l u ß g r ü n d e n ist auch eine V e r e i n b a r u n g über den Wegfall der Haftpflicht zulässig. Diese Vereinbarung kann zwar nicht schon durch einen einseitigen Anschlag des Wirtes ( R G J W 1925, 473 1 6 ) und bloßes Schweigen des Gastes hierzu, wohl aber durch eine auf dessen Grundlage zwischen Wirt und Gast erfolgte Verständigung herbeigeführt werden. Diese muß irgendwie klar in Erscheinung treten; die Unentgeltlichkeit der Benutzung eines zur Verfügung gestellten Raumes allein besagt hierfür nichts. Vielfach werden den ankommenden Gästen Erklärungen zur Unterschrift vorgelegt, in denen sie auf die strenge Haftung des Wirts ganz oder teilweise verzichten. Eine solche Abrede kann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn eine Zwangslage des Gastes ausgenützt, vielleicht auch durch Ringbildung (z. B. allgemeiner Haftpflichtrevers eines Hotelverbandes) erst geschaffen worden ist ( J W 1925, 1019 4 ). Sittenwidrig ist namentlich ein Verzicht des Gastes auch auf Ansprüche aus einem V e r s c h u l d e n der Angestellten ( J W 1 9 3 1 , 1977')-

Anm. 6 Wegen der h ö h e r e n G e w a l t s. § 203 Abs. 2 und R G 75, 386. Nicht darunter fallen namentlich Diebstähle ( R G aaO) und im Innern des Gasthauses eintretende Brandschäden ( R G WarnRspr. 1920 Nr. 159). Es muß sich um ein von außen her wirkendes Ereignis handeln, das durch die äußerste, nach der Sachlage vom Betroffenen vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann ( R G 87, 55).

§ 703 F ü r Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten haftet der G a s t w i r t n a c h § 701 n u r bis zu dem Betrage von eintausend M a r k , es sei denn, daß er diese Gegenstände in Kenntnis i h r e r Eigenschaft als Wertsachen zur A u f b e w a h r u n g übern i m m t oder die A u f b e w a h r u n g ablehnt oder daß der Schaden von ihm oder von seinen Leuten verschuldet w i r d . BI 627 Q 642; M 2 588—390; P 2 404—410.

Anm. 1 § 702 schränkt die Haftung des Gastwirts f ü r G e l d , W e r t p a p i e r e u n d K o s t b a r k e i t e n ein ( J W 1925, 1019 4 ). Die Grundsätze, die für das Eisenbahnfrachtrecht (§429 H G B mit § 54 EisenbVerkO) für den Begriff der Kostbarkeit von der Rechtsprechung aufgestellt sind, sind für § 702 nicht anwendbar; hier ist die allgemeine Verkehrsan-

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Einbringung von Sachen bei Gastwirten

§ 702 A n m . 2—4 § 703 Anm. 1, 2

schauung maßgebend, nach der ein übliches Kleidungsstück (Pelzmantel) von durchgängigem Werte nicht als Kostbarkeit erachtet wird (RG 105, 202; 75, 190; vgl. auch LZ 1922, 7101). Bei mehreren selbständigen, nur g e m e i n s a m a u f g e n o m m e n e n Gästen (z. B. mehreren Teilnehmern einer Reisegesellschaft) haftet der Gastwirt j edem bis zur Höhe von 1000 Mark, und zwar auch dann, wenn ein Familienhaupt mit mehreren u n s e l b s t ä n d i g e n Familiengliedern bei ihm absteigt. Im Falle mehrfacher Beschädigungen innerhalb ein und derselben Beherbergung wird dagegen der Wirt mehr als insgesamt eintausend Mark nicht zu zahlen brauchen. Anm. 2 Im Falle der Ü b e r n a h m e zur A u f b e w a h r u n g in Kenntnis der Werteigenschaft der Sachen haftet der Gastwirt über die Grenze des § 702 hinaus, nicht bloß nach den Grundsätzen des Verwahrungsvertrags, sondern in Gemäßheit des § 701. Die Voraussetzung dieser strengeren Haftung hat der Gast nachzuweisen. Die Benutzung einer von dem Gastwirt den Gästen für die Aufbewahrung ihrer Sachen zur Verfügung gestellten Einrichtung begründet keine Annahme zur Aufbewahrung (RG 77, 336). Anm. 3 Wie die Übernahme wirkt auch die Ablehnung der A u f b e w a h r u n g , obwohl im übrigen der Gast behalten wird. Der Gastwirt kann sich also der unbeschränkten Haftung nur dadurch entziehen, daß er den Gast überhaupt abweist. Anm. 4 Im Falle des Verschuldens ist die Haftung der Höhe nach unbegrenzt. Ein Verschulden des Wirts liegt vor bei Aufnahme verdächtigen Gesindels, bei ungenügender Bewachung oder Zuschließung des Hauses, bei mangelhafter Verschließbarkeit der Zimmer (RG 75, 386), auch bei Kenntnis der baupolizeiwidrigen Beschaffenheit von Gebäudeteilen, welche die Verbreitung eines ausgebrochenen Brandes begünstigte (RG WarnRspr. 1920 Nr. 159). Das Zimmermädchen trifft in der Regel ein Verschulden, wenn es die von den Gästen offen gelassenen Zimmer nicht verschließt (RG 16. 11. 1920 VII 260/20, vgl. aber auch RG JW 1924, 197710). Zu seiner Entlastung kann sich der Gastwirt bei dieser vertragsähnlichen Haftung auf den nur bei Haftung aus unerlaubter Handlung anwendbaren § 831 nicht berufen, wohl aber auf ein mitwirkendes Verschulden des Gastes nach § 254, das insbesondere dann gegeben ist, wenn der Gast Wertsachen offen liegen läßt (RG aaO und WarnRspr. 1922 Nr. 68) oder wenn er es unterlassen hat, den Gastwirt auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern (RG WarnRspr. ig20 Nr. 159 u. 198).

§ 703 Der d e m Gaste auf Grund d e r § § 701, 702 zustehende A n s p r u c h erlischt, w e n n nicht der Gast unverzüglich, n a c h d e m er von d e m Verlust oder der B e schädigung Kenntnis erlangt hat, d e m G a s t w i r t Anzeige m a c h t . Der A n s p r u c h erlischt nicht, w e n n die Sachen d e m Gastwirte zur A u f b e w a h r u n g übergeben waren. E i 643 m 690; p 2 410; 6194. Anm. 1 Anzeigepflicht des Gastes, und zwar gegenüber dem Gastwirt oder dessen Vertreter. Unverzüglich s. § 121, damit der Gastwirt rechtzeitig in der Lage ist, die Behauptungen des Gastes zu prüfen und gegen seine etwa schuldigen Leute vorzugehen. Anm. 2 Kein Erlöschen im F a l l der Ü b e r g a b e an den G a s t w i r t p e r s ö n l i c h oder an dessen Vertreter. Anders, wenn die Sachen seinen Leuten übergeben waren, von deren Verhalten der Gastwirt nicht ohne weiteres Kenntnis haben muß. Die Beweislast gestaltet sich so, daß a) der G a s t w i r t nachzuweisen hat, daß und wann der Gast 4«'

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§ 704 Anm. 1—4

Schuldverhältnisse. Einzelne Schuldverhältnisse

Kenntnis von dem Verlust und Schaden erhalten habe, während b) dem Gaste der Beweis der rechtzeitigen Anzeige, gegebenenfalls der Übergabe an den Gastwirt zur Aufbewahrung, obliegt. Die Verweigerung der besonderen Übernahme (§ 702) hat hier nicht die gleiche Wirkung wie diese selbst.

§704 Der Gastwirt hat für seine Forderungen für Wohnung und andere dem Gaste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gewährte Leistungen, mit Einschluß der Auslagen, ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes. Die für das Pfandrecht des Vermieters geltenden Vorschriften des § 559 Satz 3 und d e r § § 560 bis 563 finden entsprechende Anwendung. e i 618 n 644; m 2,590; p 2 411. Anm. 1 Das Pfandrecht des § 704 ist nur dem Gastwirt im Sinne des § 701 gegeben, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt, nicht dem Speise-, Schank- oder Stallwirt. Anm. 2 In A n s e h u n g der zu sichernden Forderungen reicht das Pfandrecht des Gastwirts weiter als das des Vermieters, das sich auf die Forderungen für Beköstigung, Auslagen usw. nur dann erstreckt, wenn sie nebensächlicher Natur sind (s. § 559 Anm. 3). Anm. 3 Das Pfandrecht besteht an den eingebrachten Sachen des Gastes, nicht an den im Eigentum D r i t t e r stehenden, vom Gaste mit sich geführten Sachen, auch dann nicht, wenn sich der Gastwirt bezüglich dieser in dem guten Glauben befindet, daß sie Eigentum des Gastes seien (vgl. § 559 Anm. 2). Insbesondere hat der Gastwirt wegen seiner Forderungen an den Gast kein Pfandrecht an den von dessen Begleitern oder Dienern eingebrachten Sachen; wohl aber an den Sachcn des Gastes für die Forderungen wegen der den Begleitern des Gastes gewährten Wohnung und Beköstigung, sofern der Gast hierfür einzustehen hat. § 1207 BGB findet auf das Pfandrecht des Gastwirts als gesetzliches Pfandrecht, das einen Pfandbesitz nicht voraussetzt, keine Anwendung (RG 7. 7. 1916 V I I 138/16). Anm. 4 Dies sind die Vorschriften über den Ausschluß der der Pfändung nicht unterworfenen Sachen sowie über das Erlöschen des Pfandrechts mit der Entfernung der Sachen von dem Grundstück, über das Widerspruchs-, Selbsthilfe- und Klagerecht des Vermieters, über die Abwendung durch Sicherheitsleistung und über das Verhältnis des Vermieterpfandrechts zum Pfändungspfandrecht anderer Gläubiger. — Im Konkurse des Gastes steht dem Gastwirt das Absonderungsrecht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 K O zu. Sein Verkaufsrecht außerhalb des Konkurses regeln die §§ 1228 ff. BGB.

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