Burgen und Burgenforschung im Nationalsozialismus: Wissenschaft und Weltanschauung 1933-1945 9783412216634, 9783412222406

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Burgen und Burgenforschung im Nationalsozialismus: Wissenschaft und Weltanschauung 1933-1945
 9783412216634, 9783412222406

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FABIAN LINK

BURGEN UND BURGENFORSCHUNG IM NATIONALSOZIALISMUS Wissenschaft und Weltanschauung 1933 – 1945

2014 · BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung : Einladung zur Eröffnung der Gauschulungsburg Hohenwerfen bei Salzburg, datiert auf Anfang März 1939. © BAR Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, NS 21/99.

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie , Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1 , D-50668 Köln , www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat : Volker Manz, Kenzingen Gesamtherstellung : WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst , Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22240-6

INHALT VORWORT  .............................................................................................. 

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1 EXPOSÉ  . . ........................................................................................... 

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2 EINFÜHRUNG  . . ...................................................................................  2.1 Wissenschaft, NS-Politik und Burgenforschung  . . .....................................  2.1.1 Fragestellung und Hypothesen  . . ...............................................  2.1.2 Burgenforschung, Habitus, Wissenschaftsfeld  .. .............................  2.1.3 Quellenauswahl und Aufbau  ................................................... 

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3 NATIONALSOZIALISMUS, BURGEN, BURGENFORSCHUNG  .........................  3.1 Burgen als Orte von nationalsozialistischer Herrschaftspraxis und weltanschaulicher Sinnproduktion  . . ...............................................  3.1.1 Bedeutungen der Burgen und Schlösser im politischen Feld  .............  3.1.2 Originalität und Anschlussfähigkeit der NS-Burgenideen  .................  3.1.3 Konklusion: Burgen und die ‚rassisch‘-utopische NS-Moderne  ..........  3.2 Die NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik, das wissenschaftliche Feld und die Burgenforschung  .................................................................  3.2.1 Heteronomisierung oder Wahrung der Autonomie des Wissenschaftsfelds?  ........................................................  3.2.2 NS-Wissenschaftspolitik und die Geistes- und Kulturwissenschaften  ....  3.2.3 Burgenforschung 1933 – 1945  ................................................  3.2.4 Konklusion: Herrschaftsstabilisierung durch Verteidigung der Autonomie  .................................................................... 

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4 LAUFBAHNEN  ....................................................................................  4.1 Der Burgengelehrte: Bodo Ebhardt (1865 – 1945)  ...................................  4.1.1 Burgenforschung zwischen Wissenschaft, Ästhetik und Politik  ..........  4.1.2 Burgenwissen und Methoden 1900 –1945  .. ................................  4.1.3 Konklusion: Außerakademische Burgenforschung nach 1945  ...........  4.2 Der Archäologe: Gotthard Neumann (1902 – 1972)  .................................  4.2.1 Die Vor- und Frühgeschichte im Kampf um Autonomie und Neumanns Strategie  .......................................................  4.2.2 Mittelalterarchäologie und Burgenforschung  ...............................  4.2.3 Konklusion: Kontinuitäten ethnozentrischen Denkens und die Mittelalterarchäologie  . . ............................................... 

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Inhalt

4.3 Der Kunsthistoriker: Walter Hotz (1912 – 1996)  ......................................  4.3.1 Burgen, Männerbund und „Grenzlandkampf“  .............................  4.3.2 Burgenforschung und Kunstgeschichte  .. .....................................  4.3.3 ‚Reich‘, ‚Raum‘, ‚Volk‘: Wissensfiguren und Methoden  ...................  4.3.4 Konklusion: Modernisierungen und ‚völkisch-rassische‘ Konstruktionen in der kunsthistorischen Burgenforschung  . . .............  4.4 Bilanz  ......................................................................................... 

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5 WISSENSCHAFTSPRAKTIKEN  . . ..............................................................  5.1 Methoden und Praxis der Burgenforschung im NS-Regime: zwei Burgenunternehmen  ................................................................  5.1.1 Gemeinschaftsforschung ohne Gemeinschaft: Burg Trifels  ...............  5.1.2 Erzwungene Forschungsgemeinschaft: „Reichsburg“ Kyffhausen  .. .....  5.1.3 Konklusion: Abgrenzungen statt Gemeinschaftsarbeit  .................... 

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ABBILDUNGSTEIL  ....................................................................................  353 6 SCHLUSSFOLGERUNGEN  .. ....................................................................  6.1 Keine Autonomisierung der Burgenforschung im NS-Regime  ......................  6.2 Das ‚Völkische‘ und ‚Rassische‘ in der Burgenforschung  ...........................  6.3 Moderne Methoden und neue Perspektiven im Kontext von ‚Volk‘ und ‚Rasse‘  .. ..

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7 ANHANG  ...........................................................................................  7.1 Abbildungsverzeichnis  .....................................................................  7.2 Abkürzungsverzeichnis  ....................................................................  7.3 Bibliografie  ..................................................................................  7.4 Sachregister  .................................................................................  7.5 Personenregister  ............................................................................ 

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VORWORT Dieses Buch ist als Dissertation von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel im Mai 2012 angenommen worden. Ohne die Gespräche und Hinweise, die Kritik und die Motivation vieler Personen wäre das Entstehen dieser Arbeit nicht möglich gewesen. An erster Stelle möchte ich meinem Betreuer Christian Simon danken. Das Zweitgutachten hat freundlicherweise Josef Mooser übernommen, wofür ich ihm ebenfalls danke. Michael Fahlbusch hat mir seine umfangreiche Quellensammlung zur Verfügung gestellt und wertvolle Hinweise auf weitere Quellen gegeben. Caroline Domenghino, Susanne Grunwald, Ruben Marc Hackler, Josef Jurt, Markus Moors, Paul Nolte, Willi Oberkrome, Karl Peschel, Robin Samuel, Dana Schlegelmilch, Heiko Steuer und Monika Wienfort haben Rohfassungen und Entwürfe der Kapitel gelesen, kommentiert und kritisiert. Die Gespräche mit zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben mich auf neue Ideen gebracht und mir geholfen, aus gedanklichen Sackgassen wieder herauszufinden. Hier nennen möchte ich Mitchell G. Ash, Alfons Bora, Christopher Browning, Alon ­Confino, Gisela ­­Eberhardt, Roman Grabolle, Ingo Haar, Uta Halle, Frank-Rutger Hausmann, Jeffrey Herf, Christian Jansen, Konrad H. Jarausch, Sybilla Nikolow, Otto ­Gerhard Oexle, Carsten Reinhardt, Daniel J. Sherman, Willibald Steinmetz, Michael Wedekind, Peter Weingart und Thomas Welskopp. Mein Dank gilt auch den Archivarinnen und Archivaren und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die professionelle Hilfe und ihre freundliche Bereitschaft, meinen Anfragen entgegenzukommen. Zuletzt danke ich dem Schweizerischen National­fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und dem Dissertationenfonds der Universität Basel, ohne deren Unterstützung das vorliegende Buch nicht hätte gedruckt werden können.

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EXPOSÉ

Die vorliegende Studie besteht aus sechs Teilen. Kapitel 1 (S. 9) beinhaltet Forschungsstand, Fragestellung, Arbeitshypothesen, theoretischer Ansatz und Quellenkritik. In Kapitel 2 (S. 19) werden die Bedeutungen der Burgen und Schlösser für die NS-Politiker und NS-Ideologen und das Verhältnis und die Entwicklung von NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik und wissenschaft­lichem Feld dargestellt, worin zum Schluss die Burgenforschung eingebettet wird. In Kapitel 4 (S. 153) werden die Laufbahnen dreier Wissenschaftler, die Burgen erforscht hatten, untersucht und in die Geschichte ihrer Fächer und Forschungsbereiche im NS -Regime eingeordnet. Kapitel 5 (S. 297) thematisiert die Forschungspraxis. Darin wird die methodische, technische und theore­tische Entwicklung in der Burgenforschung aufgezeigt und die Frage diskutiert, ob Innovationen in diesem Forschungsbereich während der NS-Herrschaft auszumachen sind. Die drei abschließenden Kapitel 6.1 – 6.3 (ab S. 405) sind als Schlussfolgerungen des Dargelegten konzipiert und bilden den Schluss der Untersuchung. In Kapitel 7 (ab S. 437) sind Bibliografie und Register aufgeführt. Die wichtigsten Resultate der Untersuchung werden nachfolgend dargestellt. Burgen und Schlösser gehörten zum mythisch-irrationalen Welt- und Geschichtsbild der NS-Ideologen. Dies gilt nicht nur für Angehörige der ­engeren NS-Elite, sondern auch für Gau- und Kreisleiter mit regionalem und lokalem Wirkungskreis. Infolge des für die NS-Weltanschauung grundlegenden Prinzips „ewiger Werte“ von Kunst, Geschichte und Politik verschmolzen in den Ideenwelten von NS-Ideologen historische Aspekte mit zeitgenössischen Elementen und zukunftsorientierten Ideen. NS-Politiker hatten vielfältige Verwendungszwecke für Burgen und Schlösser. Die historischen Wehrbauten dienten ihnen als Erziehungsstätten für den NS-Führungsnachwuchs, sie spielten eine bedeutende Rolle für die SS besonders in den besetzten Ostgebieten als Zentren der Schulung oder als Lagerstätten für geraubtes Kulturgut und sie waren bedeutend im NS-Kulturkonzept sowie auf metaphorischer Ebene als Symbole von Krieg, territorialer Eroberung und Abwehr. Es scheint für NS-Ideologen und NS-Politiker einerlei gewesen zu sein, ob sie ihre Erziehungsstätten für die NS-Nachwuchsführer in historischen Burgen oder in den NS-Ordensburgen – das waren aus Beton errichtete Gebäude zum Zweck der Nachwuchsschulung, die architektonisch an die Form einer Burg angelehnt waren – einrichteten. Durch die praktischen Umsetzungen dieser Ideen und die daraus resultierende Verwendung von mittelalterlichen Burgen ergaben sich Kopplungen zwischen

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Denkmalpflegern, Wissenschaftlern und NS-Ideologen. Die NS-Politiker benötigten Expertisen und Hilfestellungen von Wissenschaftlern und Denkmalpflegern beim Kauf von Burgen und bei deren innenarchitektonischer Ausgestaltung. Die Arbeit von Burgenforschern und Denkmalpflegern hatte demnach Relevanz für die NS-Politik. In Bezug auf die Bedeutungen der Mittelalterburgen für das NS-Regime und die NS-Weltanschauung stellt sich die Frage nach Modernität und Rückwärtsgewandtheit des Nationalsozialismus. Im vorliegenden Buch wird die Ansicht vertreten, dass die Grundcharakteristiken des Regimes sowohl von modernen als auch von antimodernen Aspekten geprägt waren. Das NS-Regime kann als eine – wenn auch sehr eigentümliche – Variante der Moderne gesehen werden, zu der sowohl Mittelalterburgen als auch neueste technische Errungenschaften gehörten. Die Hypothese, dass Burgenforschung und Burgendenkmalpflege zu den förderungswürdigen Wissenschafts- und Kulturbereichen gehörten und aus dem Grund ein Ausbau dieses Forschungsbereichs während der NS-Herrschaft zu erwarten wäre, bildet die Basis für die Analyse des Verhältnisses und der Entwicklung von Wissenschaftsfeld und NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik. NS-Wissenschafts- und Kulturpolitiker förderten zu Beginn des NS-Regimes vor allem solche Wissenschaftler, die im Wissenschaftsfeld als „völkische Fantasten“ galten, also kaum akzeptiert waren. Diese Akteure betätigten sich nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten als Legitimatoren der neuen Machthaber. Gleichzeitig wurden jüngere, gut ausgebildete Forscher begünstigt, die aufgrund der Knappheit an Stellen vor 1933 schlechte Aussichten auf beruflichen Erfolg gehabt hatten. Diese Förderpolitik hatte Rückwirkungen auf das Wissenschaftsfeld, und zwar dahingehend, dass sich schon bald die Professoren und jüngeren Forscher kritisch über die Protektion „völkischer Fantasten“ durch die NS-Wissenschaftspolitiker äußerten. Die Inhaber legitimer Positionen im Wissenschaftsfeld befürchteten, dass die deutsche Wissen­ schaft irreparablen Schaden auf internationaler Ebene nehmen würde. Mit den Kriegsvorbereitungen des NS-Regimes, initiiert durch Hermann Görings „Vierjahresplan“ von 1936, schwenkten auch die NS-Wissenschafts- und Kulturpolitiker auf einen anderen Kurs um. Sie benötigten nun wissenschaftlich plausibles Wissen, vor allem von der Rüstungsforschung, den Agrarwissenschaften oder der Physik, um die militärische Schlagkraft NS-Deutschlands zu steigern. Die Anliegen der Wissenschaftler und die Forderungen der NS-Politiker trafen sich an diesem Punkt, was zur Folge hatte, dass Wissenschaftler mit ‚völkischen‘ und irra­tionalen Ideen fortan nicht mehr gefördert wurden. Auch während des Zweiten Weltkriegs waren für NS-Wissenschafts- und Kulturpolitiker solche

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Wissenschaftler relevant, die über eine internationale Reputation verfügten und wissenschaftlich plausibles Wissen anboten. Insofern betraf dieser Umschwung auch Geistes- und Kulturwissenschaftler, welche die Dominanz des NS-Regimes in Europa wissenschaftlich legitimieren, die vorgebliche Überlegenheit deutscher Wissenschaft demonstrieren und Expertisen zu den von NS-Politikern beabsichtigten Bevölkerungsverschiebungen und dem zu verlagernden Kulturgut erstellen sollten. Die Forderung nach mehr Autonomie des Wissenschaftsfelds vonseiten der Professoren und der Nachwuchswissenschaftler bewirkte eine Stabilisierung des NS-Regimes durch die Wissenschaft. Die Burgenforschung gehörte im NS-Regime zu den potenziell förderungswürdigen Wissenschaften. Burgenforscher hatten konkrete Forschungsgegenstände und Fragen, was von NS-Wissenschaftspolitikern als „lebensweltlich“ und daher positiv beurteilt wurde, und ihre Forschungen konnten leicht popularisiert werden, was der vom NS-Regime geforderten „Wissenschaft für das Volk“ entsprach. Obwohl viele Burgenforscher bereits vor 1933 ‚völkische‘ und ‚rassische‘ Denkfiguren vertreten hatten, wurden sie von anderen Wissenschaftlern nicht generell als „völkische Schwarmgeister“ angesehen. Im NS-Regime existierten zwei Varianten der Förderung von Burgenforschung. Entweder wurden die Wissenschaftler direkt von Angehörigen der NS-Elite gefördert oder sie erhielten Unterstützungen durch die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft/ Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG ), was die Mehrzahl der Burgenforscher betraf. Mit der Entfesselung des Kriegs durch das NS-Regime fielen allerdings sowohl die privaten als auch die NS-staatlichen Förderungen weg. Wissenschaftler, die von der DFG im NS-Regime unterstützt wurden, gehörten ausnahmslos zu den Nachwuchsforschern, womit Angehörige der Jahrgänge 1900 – 1910 („Kriegsjugendgeneration“) und 1910 – 1920 („Nachkriegsgeneration“) gemeint sind. Diese akademischen Generationen wiesen bestimmte, habituell bedingte Verhaltensmuster und weltanschauliche Haltungen auf, die auf spezi­ fische soziale Prägungen zurückgingen. Dazu gehörten Sachlichkeit, emotionale Kälte, radikalkonservative Ansichten und das Interesse für das „große Ganze“, womit jene Wissenschaftler „völkische Fragen“ meinten. Obwohl die geförderten Burgenforscher zu denen gehörten, die sowohl das NS -Regime stabilisierten als auch von der NS -Politik profitierten, lässt sich sowohl bei NS-Wissenschaftsorganisationen als auch bei den akademischen Instituten und den einzelnen Fächern keine gesteigerte Relevanz der Burgen­ forschung festmachen. Einzig in den fächerübergreifenden und reichsweit agierenden geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschungsgemeinschaften, den Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften (VFG ), ist ein Anstieg der

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Burgen­forschung in den 1930er-Jahren deutlich festzustellen. Allerdings war nicht die Burgenforschung an sich für die VFG zentral, sondern ihr Potenzial zur Kopplung mit andern Fächern und Forschungsbereichen, so vor allem mit der Geografie („Burgengeografie“) und der Landesgeschichte, was eine methodische und inhaltliche Ausweitung ‚völkisch‘ orientierter Fragestellungen ermöglichte. Als Erklärungsansatz für den Sachverhalt, dass trotz vermehrter Förderung der Burgenforschung kein akademischer Ausbau dieses Wissenschaftsbereichs erfolgte, wird wird in Kapitel 3.2.4 (S. 150) die Hypothese aufgestellt, dass die Strukturen und das Kräfteverhältnis im Wissenschaftsfeld die Bildung eines solch interdisziplinären Fachbereichs verhinderten. Die Feststellung, dass keine Konsolidierung der Burgenforschung im NS-Regime erfolgte, dient als Grundlage der Kapitel 4.1 – 4.3 (ab S. 154), in denen die Laufbahnen von drei Wissenschaftlern analysiert werden. Bodo Ebhardt, Gotthard Neumann und Walter Hotz stehen exemplarisch für verschiedene Forschungsbereiche, nämlich außerakademische Burgenforschung und Gelehrtenvereine (Ebhardt), vor- und frühgeschichtliche Archäologie (Neumann) sowie kunst- und landeshistorisch orientierte Burgenforschung (Hotz). Ein erfolgreicher institutioneller Ausbau der Burgenforschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist nur im Bereich der außerakademischen Forschung auszumachen. Am Beispiel von Bodo Ebhardt wird allerdings deutlich, dass die Förderung der Heimat- und Laienforschung in den 1920er- und 1930er-Jahren die sozialen und symbolischen Differenzen zwischen Laienforschern und akademischen Wissenschaftlern nicht aufhob, vielmehr grenzte sich Ebhardt von den Akademikern ab und die Akademiker distanzierten sich von Ebhardt. Die finanziellen Unterstützungen vonseiten der NS-Politiker, die Ebhardt infolge seiner Annäherungsstrategie an den Nationalsozialismus mobilisieren konnte, verschärften die Differenz zwischen ihm und der akademischen Wissenschaft. Burgenforschung im engeren Sinne blieb also auf den außerakademischen Bereich beschränkt. Im Falle der beiden anderen Wissenschaftler verhält sich die Sachlage komplexer. Für Gotthard Neumann bedeutete die archäologische Erforschung mittel­ alterlicher Wehrbauten eine Erweiterung des fachlichen Horizonts der Vor- und Frühgeschichte. Diese Perspektive resultierte aus der spezifischen Lage der Prähistorie als wissenschaftliches Fach innerhalb des akademischen Felds. Die prähistorische Archäologie war zur Zeit des Machtwechsels 1933 noch nicht vollständig an den deutschen Universitäten etabliert. Da viele NS-Politiker und NS-Ideologen dem Germanenkult große Bedeutung zumaßen, sah die Mehrzahl der Prähistoriker im NS-Regime die Möglichkeit, ihren Forschungsbereich zu

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institutionalisieren, indem sie sich den NS-Politikern andienten. Neumann war also daran interessiert, sein Fach an der Universität Jena, an der er wirkte, fest zu verankern. Teil dieser Strategie war, in der Region Thüringen eine so große Deutungskompetenz wie nur möglich zu erlangen und Forschungsobjekte, die bislang eher von Exponenten anderer Fachbereiche untersucht worden waren, in den Untersuchungsbereich der Vor- und Frühgeschichte einzugliedern. Dazu zählten auch Mittelalterburgen, die bis dahin eher von Laienforschern oder Historikern erforscht worden waren. Walter Hotz dagegen verfolgte das Ziel, Burgen als Thema und Forschungsschwerpunkt innerhalb der Kunstgeschichte zu etablieren, denn Burgen und Ruinen gehörten zu den vernachlässigten Forschungsobjekten in der Kunstgeschichte. Obwohl er nach seiner Dissertation zunächst keine akademische Laufbahn einschlug, eröffnete ihm der Kunsthistoriker Hubert Schrade in Heidelberg die Möglichkeit, sich zu habilitieren, allerdings nicht mit einem burgenkundlichen Thema. Der Zweite Weltkrieg verhinderte die Habilitationspläne. Hotz wurde in die Wehrmacht eingezogen und konnte nach 1945 seine Karriere in der Kunstgeschichte nicht weiterführen, da er als kompromittiert galt. Infolgedessen entschied er sich für den Pfarrersberuf – sein Zweitfach war Theologie gewesen –, um seine Existenz zu sichern und trotz des akademischen Misserfolgs weiter über Burgen forschen zu können. Hotz wurde also in die Laienforschung abgedrängt. Die auch nach 1945 unverändert subordinierte Lage der Burgenforschung innerhalb der Kunstgeschichte zeugt von der Dauerhaftigkeit der disziplinären Strukturen im akademischen Feld. So lässt sich die Geschichte der Burgenforschung im NS-Regime weder auf der wissenschaftssoziologischen Ebene noch anhand der Laufbahnen der drei Wissenschaftler als eine Erfolgsgeschichte erzählen. Im NS-Regime hatten sie nur mäßigen beruflichen Erfolg. Dies lag nicht nur daran, dass sie ein randständiges Thema erforschten, sondern auch an der Tatsache, dass sie zwar in vielen Punkten mit der NS-Politik übereinstimmten, in wesentlichen Aspekten jedoch andere Meinungen vertraten, von denen sie nicht abrückten. Durch ihre Übereinstimmung mit inhaltlichen Zielsetzungen der NS-Politik und die sich daraus ergebenden Konvergenzen stabilisierten die drei Wissenschaftler das Regime. Gleichzeitig verbauten sie sich aufgrund der Differenzen zwischen ihren Positionen im Einzelnen und der NS-Politik und NS-Weltanschauung bessere Chancen auf eine Etablierung der Burgenforschung während der NS-Herrschaft. In Kapitel 5 (S. 297) wird am Beispiel von zwei wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Großunternehmen der 1930er-Jahre – die Burg Trifels in der Pfalz und die sogenannte Reichsburg Kyffhausen in Thüringen – die methodische

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Entwicklung in der Burgenforschung behandelt und die Zusammenarbeit an Ort und Stelle zwischen NS-Politikern und Wissenschaftlern beleuchtet. Die Frage nach der methodischen Entwicklung steht dabei im Kontext der auch heute noch kontrovers diskutierten Thematik um den Zusammenhang von Modernisierung und NS-Politik. Für die Burgenforschung, deren Forschungspraxis nicht durch ein einziges Fach, sondern durch verschiedene Fächer und Forschungsbereiche bestimmt war, stellt sich die Frage, ob die Förderungen der NS-Politiker zur Entstehung einer interdisziplinären Forschungspraxis geführt hatten, die der heutigen Mittelalterarchäologie ähnlich gewesen sein könnte. Die beiden Großunternehmen eignen sich für eine Untersuchung dieser Problemstellung, da Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche daran beteiligt waren. Zudem wurden beide Unternehmen von NS-Politikern angestoßen und finanziert. Obwohl die finanzielle Unterstützung in beiden Fällen durchaus großzügig ausfiel, lässt sich in der Forschungspraxis die Anwendung einer fächerübergreifenden Methode nicht ausmachen. Zur Begründung dieses Sachverhalts können mehrere Aspekte angeführt werden. Die jeweiligen Methoden waren stark an bestimmte Forschungsgegenstände gebunden. Kunsthistoriker untersuchten das aufgehende Mauerwerk und die Bauplastik, Archäologen die Bodenstruk­turen und die sich darin befindlichen Befunde und Funde. Diese Tendenz wurde durch die fehlende wissenschaftliche Autonomie, die bei den Arbeiten herrschte, verstärkt. Die beiden Initianten der wissenschaftlichen Untersuchungen und der daran anschließenden Restaurierungen, der NS-Ministerpräsident ­Bayerns Ludwig Siebert und der „Führer“ des NS-Reichskriegerbunds Kyffhäuser ­Wilhelm Reinhard, nahmen Mitspracherecht für sich in Anspruch. Die an den Unternehmen beteiligten Wissenschaftler und Denkmalpfleger wetteiferten bei den NS-Politikern um die verfügbaren Gelder und arbeiteten daher eher gegen- als miteinander. Im Falle der „Reichsburg“ Kyffhausen kam der Umstand hinzu, dass das Thüringer Ausgrabungs- und Denkmalschutzgesetz vorsah, dass die Archäologen nur für diejenigen Kulturdenkmäler zuständig sein sollten, die im Boden lagen, und die Kunsthistoriker für solche oberhalb des Bodens, was eine Zusammenarbeit erschwerte. Es hat sich auch gezeigt, dass Methoden wie diejenigen der Archäologie nicht auf jeden materiellen Forschungsgegenstand übertragbar waren. Da die Burgenforschung keine eigenen Methoden aufwies, wären vielfältige Transformationen von bereits bestehenden Methoden in einen neuen Methodenkanon nötig gewesen, der die Untersuchung des aufgehenden Mauerwerks, der materiellen Artefakte, der historischen Quellen und der Bodenstrukturen wie auch geohistorische Überlegungen in sich vereint hätte. Eine solche Entwicklung ist nicht erfolgt.

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Bei Walter Hotz, der an keinem der beiden Großunternehmen beteiligt war, liegt der Fall anders. Hotz, der Einflüsse der westdeutschen, geografisch orientierten Landesgeschichte mit seinen kunsthistorischen Ansätzen kombiniert hatte und der im sozialen Feld der sogenannten deutschen Westforschung aktiv war, kam durch die Anwendung des Forschungskonzepts ‚Raum‘ durchaus zu neuen Ergebnissen. Gleichzeitig griff er auf Rasse- und Volksbegriffe zurück, die vor allem Ende des 18. und im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden waren. Was die Kooperationsverhältnisse zwischen Wissenschaftlern und NS-Politikern betrifft, ist festzuhalten, dass sich eine Zusammenarbeit auf der Ebene der alltäglichen Interaktion oft ausgesprochen schwierig gestaltete. Dies lag vor allem daran, dass die NS-Politiker unbedingtes Mitspracherecht verlangten, da sie die wissenschaftlichen Untersuchungen und die Restaurierungsarbeiten bezahlten. Je stärker ein NS-Politiker Einfluss auf die Praxis der ­Wissenschaftler nahm, desto weniger brauchbare Ergebnisse erzielten die Wissenschaftler. Letztlich hatte dies auch negative Rückwirkungen für die NS-Politiker, da die Wissenschaftler mit ihren Arbeiten in Verzug gerieten. Der direkte Zugriff auf wissenschaftliches Arbeiten durch NS-Politiker verhinderte, dass Ziele der NS-Ideologen durch die Wissenschaft zufriedenstellend erfüllt wurden. Dennoch liegt der Fall in der Burgenforschung anders als z. B. bei den Natur- und Technikwissenschaften. Ludwig Siebert und Wilhelm Reinhard hätten die Burgen auch ohne die Wissenschaft ausgraben und restaurieren lassen, da es ihnen vor allem darum ging, dem NS-Regime und sich selbst ein Denkmal zu setzen. Sie waren also weit weniger von den Wissenschaftlern abhängig, als es die NS-Rüstungspolitik von den Physikern war. Auf der einen Seite verweist dies auf die prekäre Lage der Geistes- und Kulturwissenschaften im NS-Regime, auf der anderen Seite war gerade dieser Sachverhalt dafür ausschlaggebend, dass z. B. Burgenforscher sich den NS-Politikern andienten. Die in Kapitel 3.2 (S. 80) und den Kapiteln 4 – 5 (ab S. 153) entwickelte Hypothese, dass die nicht erfolgte Homogenisierung der Burgenforschung auf so­zialer, epistemischer und methodischer Ebene nicht durch eine unzureichende Förderung dieses Forschungsbereichs durch die NS-Politik erklärt werden kann, sondern in den disziplinären Strukturen des Wissenschaftsfelds begründet lag, kann abschließend bestätigt werden. Eine wissenschaftssoziologische Analyse zeigt, dass der Burgenforschung maßgebende Elemente eines wissenschaft­lichen Fachs fehlten. Die Negativmerkmale für eine disziplinäre Konsolidierung wurden durch die politische Förderung nicht etwa eingeebnet, sondern verstärkt. Der wichtigste Punkt dabei ist, dass eine relativ homogene Wissenschaftler­gemeinschaft in der Burgenforschung nicht existierte. Burgenforscher verwen­deten die von

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der NS-Politik mobilisierten Unterstützungen ausschließlich dazu, die eigenen Forschungen zu finanzieren. Für eine Geschichte der Wissenschaften im Nationalsozialismus ist eine Definition des ‚Völkischen‘ und ‚Rassischen‘ entscheidend, da sich die Frage stellt, welche dieser Elemente zum Wissenschaftsfeld selbst gehörten und welche politischen Ursprungs waren. Es ist in der Untersuchung deutlich geworden, dass ein eindimensionaler Definitionsversuch für die Wissenschaften im Allgemeinen, für die Burgenforschung im Speziellen kaum fruchtbar sein kann. Dies liegt vor allem daran, dass diese Elemente auf unterschiedliche Ebenen bezogen werden müssen. Es werden daher drei Herangehensweisen vorgeschlagen, wie ‚völkische‘ und ‚rassische‘ Denkfiguren in der Burgenforschung festgemacht werden können. In einer ersten Perspektive wird davon ausgegangen, dass ‚völkische‘ und ­‚rassische‘ Elemente konstitutive Bestandteile des deutschen Wissenschaftsfelds waren. Diese Annahme wird dadurch evident, dass in den 1920er- und 1930er-Jahren sogenannte völkische Wissenschaftler für ihre Volks- und Rasse­ begriffe auf nationalistische Idealisten wie Fichte oder Arndt oder dann generell auf gegenrevolutionäres Gedankengut zurückgriffen, das im deutschen Wissen­schaftsfeld weitgehend akzeptiert war. Sie betrachteten die Französische Revolution als Scheitelpunkt europäischer Geistesgeschichte und Politik und entwickelten Volksbegriffe, die von revolutionärem Gedankengut abgesetzt waren und dem „deutschen Wesen“ entsprechen sollten. Wichtigstes Ergebnis dieses Abschnitts ist, dass die in den 1920er-Jahren aktualisierten Volks- und Rassebegriffe sowohl eine epistemische Neuausrichtung als auch eine gesellschaftliche Umorientierung anzeigen sollten. Diese Begriffe waren zugleich Ausdruck einer Kritik an neueren Ansätzen in der Wissenschaft, vor allem am Relativismus und an wissenssoziologischen Theorien, und einer gesellschaft­ lichen Kritik von rechts außen sowohl an der republikanischen Politik als auch an der kaiserzeitlichen Gesellschaft. Da Volks- und Rassekonzepte im Wissenschaftsfeld verankert waren, konnten ‚völkische‘ und ‚rassische‘ Denkfiguren bestimmten Wissenschaftlergemeinschaften dazu dienen, sich epistemisch und konzeptionell von anderen Fächern abzugrenzen. Hier zu nennen sind insbesondere jüngere, auf die Analyse materieller Kultur fokussierte Wissenschaften wie die Vor- und Frühgeschichte, die Volkskunde und auch die Burgenforschung. Für diese Forschungsbereiche hatten Volks- und Rasse­begriffe demnach die Funktion einer symbolischen Differenzierung. Gleichzeitig aber konnten ‚völkische‘ und ‚rassische‘ Elemente auch Zeichen einer fortge­schrittenen Heteronomisierung des Wissenschaftsfelds

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sein. Aus dieser Sicht können diese Ideen dem politischen Feld zugeschrieben werden. Ihr Import ins Wissenschaftsfeld ergab sich durch den Kapitalsortenaustausch zwischen Wissenschaftlern und NS-Politikern, was vor allem für solche Forscher zutrifft, die unzureichend etablierten und wenig autonomisierten Forschungsbereichen angehörten. Als Beispiel kann auch hier auf die Vor- und Frühgeschichte verwiesen werden. Die bereits vor 1933 in der prähistorischen Archäologie für die symbolische Distinktion wichtigen Volks- und Rassebegriffe wurden durch d ­ iesen Kapitalsortenaustausch mit solchen der NS-Weltanschauung vermengt. In der Nachkriegszeit konnten Prähistoriker die heteronomen Elemente abstreifen, ohne dadurch ihre ethnohistorisch-völkischen Paradigmen aufzugeben, was die Kontinuität dieser Konzepte, wenn auch unter veränderten Vorzeichen, bis heute erklärt. Die abschließende Analyse des Verhältnisses von wissenschaftlicher Modernität einerseits und NS-Politik und NS-Weltanschauung andererseits ergibt drei Aspekte. Zum Ersten sind innovative Elemente vor allem in der fächerübergreifenden „Gemeinschaftsforschung“, die in den 1920er-Jahren wichtig wurde, festzustellen. Hierbei ist nicht etwa eine Trennung von antimodernem Holismus, der gegen „Individualwissenschaft“ und gegen die Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften gerichtet war, und interdisziplinären Praktiken zu unterstellen, vielmehr gingen beide Phänomene ineinander über. Zum Zweiten ist festzuhalten, dass bestimmte Methoden und Denkansätze zur Überwindung des Historismus beigetragen haben und daher als innovativ angesehen werden müssen, wofür insbesondere das Raumparadigma steht. Zugleich war damit eine Verwissen­schaftlichung von ‚völkischen‘ und ‚rassischen‘, in einem substanzialistischen Denken begründeten Ideen verbunden, die sich entweder auf die Volksbegriffe Fichtes, Arndts oder Jahns oder dann auf die methodisch unzureichend abgestützte Rassentheorie Joseph Arthur de Gobineaus bezogen. Zum Dritten muss zwischen den Ansprüchen der Wissenschaftler und der tatsächlichen Um­setzung unterschieden werden. Viele programmatische Aussagen von sogenannten Volksforschern erscheinen als methodisch innovativ und theoretisch anspruchsvoll, konnten aber zu keinem Zeitpunkt umgesetzt werden. Dies ist auf den unsteten und vor allem destruktiven Charakter des Nationalsozialismus zurückzuführen, der auf eine unbedingte Zerstörung der gesellschaftlichen Ordnungen Europas durch einen neuerlichen Weltkrieg hinauslief. Ein wichtigerer Grund dafür ist jedoch darin zu sehen, dass die Konzepte der Volksforscher letztlich in einem Irrationalismus verankert waren, der nicht in ein auf rationalen Annahmen begründetes Denksystem wie das wissenschaftliche gewinnbringend überführt werden konnte.

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2 EINFÜHRUNG 2.1 WISSENSCHAFT, NS-POLITIK UND BURGENFORSCHUNG

Seit etwa den 1960er-Jahren wird die Geschichte der Wissenschaften im National­sozialismus erforscht. Während in älteren Arbeiten explizit nationalsozialistische Wissenschaftsorganisationen wie die Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e. V. (SS-Ahnenerbe) und das Amt Wissenschaft in der Dienststelle Rosenberg (Amt Rosenberg)1 oder die Geschichtsbilder von NSIdeologen untersucht wurden,2 verschob sich der historiografische Fokus seit den 1970er- und 1980er-Jahren auf biografische Analysen und auf die Geschichte der Universitäten und der einzelnen Fächer. Die jüngeren wissenschaftshisto­ rischen Arbeiten 3 sind davon geprägt, dass die Wahl des Forschungsgegenstands in der Regel auf eine festgefügte Disziplin oder eine Wissenschaftlergemeinschaft fällt, in deren Rahmen Karrieren einzelner Forscher sowie trans, interoder multidisziplinäre Arbeitsweisen analysiert werden.4 Kulturen etablierter 1

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Bollmus, Reinhard: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem (Studien zur Zeitgeschichte 1). 2., um einen biblio­ graphischen Essay von Stephan Lehnstaedt erw. Aufl. München 2006; Heiber, H ­ elmut: Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 13). Stuttgart 1966; Kater, Michael H.: Das „Ahnenerbe“ der SS 1933 – 1945. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Dritten Reiches (Studien zur Zeitgeschichte 6). 4. Aufl. München 2006. Vgl. Kroll, Frank-Lothar: Utopie als Ideologie. Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich. Paderborn, München, Wien, Zürich 1998; Werner, Karl Ferdinand: Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft. Stuttgart 1967. Für die Geistes- und Kulturwissenschaften vgl. Bialas, Wolfang/Rabinbach, Anson: Introduction: The Humanities in Nazi Germany. In: Bialas, Wolfang/Rabinbach, Anson (Hg.): Nazi Germany and the Humanities. Oxford 2007, S. viii-lii; Elvert, Jürgen/Nielsen-Sikora, Jürgen (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus (Historische Mitteilungen 72). Stuttgart 2008; Hausmann, Frank-Rutger: Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“. Frankfurt am Main 2011. Für die Natur- und Technikwissenschaften vgl. stellvertretend die Sammelbesprechung von Ash, Mitchell G.: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im National­ sozialismus. In: NTM 18 (2010) 1, S. 79 – 118. Vgl. stellvertretend Dinçkal, Noyan/Dipper, Christof/Mares, Detlef (Hg.): Selbstmobilisierung der Wissenschaft. Technische Hochschulen im „Dritten Reich“. Darmstadt 2010; Schleiermacher, Sabine/Schagen, Udo (Hg): Wissenschaft macht Politik. Hochschule in den politischen Systembrüchen 1933 und 1945 (Wissenschaft, Politik und Gesellschaft 3). Stuttgart 2009.

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Wissenschaft stehen im Vordergrund der Forschung, die Aufmerksamkeit wird kaum auf Bereiche wissenschaftlicher Praxis außerhalb der Universitäten gelegt. In den Projekten zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft (NDW)5 geraten zwar über die engeren Fächergrenzen hinaus auch außeruniversitäre Forschungen ins Blickfeld, die maßgebenden Akteure in den Kaiser-Wilhelm-Instituten (KWI) und in der NDW orientierten sich jedoch stark an der etablierten Wissenschaft. Wissenschaftsbereiche, die in den frühen 1930er-Jahren nicht konsolidiert und auch nach 1945 zu keinem Fach geworden waren, in denen Methoden m ­ ehrerer Disziplinen zur Anwendung kamen und die nicht klar gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Kultur, Politik oder Öffentlichkeit abgegrenzt waren, sind bisher kaum behandelt worden.6 Burgenforschung war ein solcher Wissenschaftsbereich. Seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bezeichneten ‚Burgenforschung‘ und ‚Burgenkunde‘ eine Forschungspraxis – die Erforschung mittelalterlicher Burgen – und eine spezifische soziale Gruppe von Gelehrten, nämlich Wissenschaftler, die sich als ‚Burgenforscher‘ verstanden. Obwohl sich diese Wissenschaftler nahezu ausschließlich in außerakademischen Vereinen betätigten, galten Burgenforscher zwar nicht als „Pseudowissenschaftler“.7 Die Vertreter renommierter Fächer brachten der Burgenforschung aber eine eher geringe Wertschätzung entgegen: Aufgrund der Fokussierung auf einen einzelnen Forschungsgegenstand, dazu materiell und im Hinblick auf akademische Geistigkeit wenig prestigeträchtig, galten Burgenforscher als „kauzig“ oder „verschroben“. Gleichzeitig untersuchten aber auch Akademiker hochmittelalterliche Burgen, ohne sich selbst als Burgenforscher zu bezeichnen. Diese akademische Burgenforschung war nicht auf eine einzelne Disziplin beschränkt, sondern wurde von Landes- und Kunsthistorikern, Volkskundlern oder Archäologen unter Anwendung ihrer je eigenen Methoden betrieben. Lehrstühle oder universitäre Institute für Burgenforschung existierten hingegen nicht, Burgenforschung war zu ­keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte

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Ab 1929 Deutsche Gesellschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung, auch ­Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). 6 Vgl. Nikolow, Sybilla/Schirrmacher, Arne (Hg.): Wissenschaft und Öffentlichkeit als ­Ressourcen füreinander. Studien zur Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2007. 7 Vgl. Rupnow, Dirk/Lipphardt, Veronika/Thiel, Jens/Wessely, Christina (Hg.): Pseudowissen­ schaft. Konzeptionen von Nichtwissenschaftlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte. Frankfurt am Main 2008.

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ein homogener Wissenschaftsbereich oder gar ein Fach. Eine Untersuchung eines solchen Wissenschaftsbereichs eröffnet demnach neue Perspektiven auf Konsolidierungs- und Etablierungsprozesse in den Wissenschaften im National­ sozialismus, die im Vergleich zu den bisher erforschten Fachbereichen, Fächern und Disziplinen offenbar anders verliefen. Für eine historische Analyse der Burgenforschung im NS -Regime sind die folgenden Themen und Ansätze aus der Geschichte der Wissenschaften im Nationalsozialismus relevant: Kontinuität/Diskontinuität, Wissenschaftler und Kulturrepräsentanten als Sinnstifter von Nation und Staat, Selbstmobilisierung und Ressourcen, die wechselseitig in Anspruch genommen werden konnten, Popularisierung und Pseudowissenschaft sowie Gemeinschaftsforschung und Interdisziplinarität. Kontinuitäten und/oder Diskontinuitäten in Forscherlaufbahnen sowie in Bezug auf Wissenschaftspraktiken und wissenschaftliches Denken sind unterschiedlich auslegbar. Kontinuität kann einerseits bedeuten, dass ‚völkisches‘ und ‚rassisches‘ Denken von Wissenschaftlern im NS -Regime eine lange Tradition hatte. Auf der einen Seite führt diese Sichtweise zur Interpretation, dass wesentliche Elemente des Nationalsozialismus ihre Wurzeln in der deutschen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts hatten.8 Häufig wird dabei auf das wilhelminische Deutschland verwiesen,9 was das NS -Regime als Kulmination illiberaler Denktraditionen erscheinen lässt. Auf der anderen Seite wird dadurch Deutschland eine Sonderstellung in „Mitteleuropa“ zugesprochen,10 wonach der Nährboden für den Nazismus angeblich darin zu sehen ist, dass eine Liberalisierung wie in Frankreich oder England nicht stattgefunden hatte („Sonderweg“). Durch das Aufeinandertreffen von Modernität und Rückwärtsgewandtheit hatte stattdessen eine stete gesellschaftliche Instabilität vorgeherrscht, die dann erst mit dem Nationalsozialismus kurzzeitig ein Ende fand. Es bleibt bei dieser Interpretation fraglich, ob das Gefüge aus technischer, wissenschaft­licher Modernität und reaktionär-konservativer Geisteshaltung im Kaiserreich als instabiler, gemessen an den Entwicklungen in Frankreich und England gewisser­maßen unfertiger Zustand zu interpretieren ist oder ob dies 8

Vgl. Mosse, George L.: The Crisis of German Ideology: Intellectual Origins of the Third Reich. New York 1964. 9 So bei Wehler, Hans-Ulrich: Bismarck und der Imperialismus. 5. Aufl. Frankfurt am Main 1984. 10 Vgl. Wallraff, Horst: Regional- und Landesgeschichte, in: Elvert/Nielsen-Sikora (Hg.), Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, 2008, S. 246 – 288, hier S. 275 – 276.

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nicht vielmehr das eigentliche Charakteristikum des Wilhelminischen Zeitalters war. Dass sich Kaiser Wilhelm II. für neueste Technologie und Wissen­ schaft und gleichzeitig für Mittelalterburgen und deren Wiederaufbau im Dienst deutschnationaler Kulturpolitik begeisterte, dass völkische Bewegung, Kulturkritik und Pangermanismus im Spätwilhelminismus einen Höhepunkt erlebten, ist eher als kulturgeschichtliche Spezifität des Kaiserreichs denn als Ausdruck eines Sonderwegs anzusehen.11 Mit Kontinuität lässt sich aber auch eine ganz andere Denkfigur konstruieren, nämlich eine Kontinuität der „Normalforschung“, was suggeriert, dass nach 1933 keine profunden Wandlungen in der deutschen Wissenschaft stattgefunden hatten. In diesem Zusammenhang ist das Konstrukt verfertigt worden, NS Politiker hätten nach dem Machtwechsel 1933 zwar grundlegend in die Personalpolitik der DFG eingegriffen, das Kerngeschäft der Wissenschaft sei von der NS-Politik aber nicht maßgebend beeinträchtigt worden. Im Besonderen hätten Wissenschaftler „zeittypische“ Schlagworte und Ideologeme vor allem dazu verwendet, ihrem „normalen“ Tagesgeschäft nachgehen zu können.12 Wenn die deutsche Forschung von den politischen Umgestaltungen kaum tangiert wurde, die deutschen Hochschullehrer sich von der NS-Politik mehrheitlich fernhielten, dann sind Verstrickungen von Wissenschaftlern mit dem Regime schwerlich festzustellen. Nach dieser Darstellung hatten Wissenschaftler sowohl nach 1933 als auch nach 1945 ohne Unterbrechung und ohne größere Veränderungen ihres Forschungsfokus weitergearbeitet. Solche Ansichten können heute nicht mehr länger aufrechterhalten werden. Verschiedene Varianten der Auslegung sind auch für Diskontinuität festzuhalten. Einerseits kann der Begriff eine Entkopplung des NS-Regimes von der deutschen Gesellschaft suggerieren, was die Interpretation begründet, zwischen 1933 und 1945 hätte keine „richtige Wissenschaft“ mehr stattgefunden. Zweifelsohne 11 Vgl. Simon, Christian: Kaiser Wilhelm II. und die deutsche Wissenschaft. In: Röhl, John C. G. (Hg.): Der Ort Kaiser Wilhelms II . in der deutschen Geschichte (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 17). München 1991, S. 91 – 110. Vgl. Maier, Helmut (Hg.): Flotte, Funk und Fliegen. Leittechnologien der Wilhelminischen Epoche (1888 – 1918). Technikgeschichte 77 (2010) 2. Vgl. auch König, Wolfgang: Wilhelm II. und die Moderne. Der Kaiser und die technisch-industrielle Welt. Paderborn 2007, S. 110 – 136. Vgl. Röhl, John C. G.: Wilhelm II. Der Aufbau der Persönlichen Monarchie 1888 – 1900. München 2001, S.  987 – 989. 12 So Hammerstein, Notker: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920 – 1945. München 1999.

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hatten das Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums vom 7. April 1933, die Nürnberger Gesetze oder die Pogrome vom November 1938 tief greifende soziale Folgen für die deutsche Wissenschaft. Bis 1938 wurde gut ein Drittel der gesamten Belegschaft an den Hochschulen entlassen, wovon mehrheitlich ­national- und linksliberal gesinnte sowie als jüdisch kategorisierte Wissenschaftler betroffen waren.13 Die Vorstellung aber, nach 1933 sei die „moderne Geistigkeit“ ausgezogen und es wären nur noch Intellektuelle zweiten oder dritten Ranges in Deutschland verblieben, ist heute obsolet geworden. Forschungsergebnisse, die international anerkannt waren und auch nach 1945 Verwendung fanden, wurden im NS-Regime geleistet, Forschungsinstitute konnten gar expandieren.14 Von den jeweiligen Wissenschaftlern behauptete Diskontinuitäten sind mehrheitlich auf ihre eigene Vergangenheitspolitik zurückzuführen.15 Es stellt sich also die Frage, was der Januar 1933 für die deutsche Wissenschaft bedeutete – einen scharfen Bruch oder „a culmination of longstanding trends“?16 Angesichts dessen, dass sowohl Organisationen wie die DFG als auch Arbeitsformen wie die „Gemeinschaftsforschung“ bereits in den 1920er-Jahren exis­tierten und nach 1933 weitergeführt wurden, tendieren die jüngeren Forschungen dahin, den von NS-Wissenschaftspolitikern verfolgten Kurs weitgehend als eine Anknüpfung an bestehende Strukturen und Einrichtungen zu sehen. Wissenschaftler mussten in der NS -Wissenschaftspolitik daher eine Möglichkeit gesehen haben, den eigenen Profit zu mehren. Dabei handelte es sich mehrheitlich, bei Weitem aber nicht nur um solche Forscher, die zuvor entweder eine marginale Rolle in der Wissenschaft gespielt hatten, methodisch

13 Ash, Mitchell G./Söllner, Alfons: Introduction: Forced Migration and Scientific Change after 1933. In: Ash, Mitchell G./Söllner, Alfons (Hg.): Forced Migration and Scientific Change. Emigré German-Speaking Scientists and Scholars after 1933. Cambridge 1996, S. 1 – 19, hier S. 7. 14 Vgl. Gausemeier, Bernd: Political Networking and Scientific Modernization: Botanical Research at the KWI for Biology and Its Place in National Socialist Science Policy. In: Heim, Susanne/Sachse, Carola/Walker, Mark (Hg.): The Kaiser Wilhelm Society under National Socialism. Cambridge 2009, S. 227 – 250. Vgl. Maier, Helmut: Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institutfür Metallforschung 1900 – 1945/48. 2 Bde. (Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus 16, 1/2). Göttingen 2007, S. 1103 – 1121. 15 Vgl. z. B. Rammstedt, Otthein: Deutsche Soziologie 1933 – 1945. Die Normalität einer Anpassung. Frankfurt am Main 1986, S. 9 – 25. 16 Vgl. Harwood, Jonathan: German Science and Technology. In: Perspectives on Science 5 (1997) 1, S. 128 – 151, hier S. 142.

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und theoretisch als unzureichend galten, wegen fortgeschrittenen Alters keine Hoffnung auf eine Hochschulkarriere mehr hatten oder zu den ersten professionellen Absolventen eines noch jungen und nicht etablierten Fachs gehörten.17 Statt von Konti­nuitäten oder Diskontinuitäten ist für die Geschichte der Wissenschaften nach 1933 also eher von Wandlungen und Umbauten auf personeller, institutioneller, kognitiver und semantischer Ebene zu sprechen.18 Weitere Brüche, Umbrüche und Veränderungen erfolgten während der NS-Herrschaft, ausgelöst durch Ereignisse wie die Verkündung des „Vierjahresplans“ und die Gründung des Reichsforschungsrats (1936/1937), den Kriegsbeginn 1939, den ersten Kriegswendepunkt 1941/1942 (Schlacht um Moskau, Kriegseintritt der USA) und den zweiten von 1942/1943 (Stalingrad). Solche Wendepunkte wirkten sich auf den Handlungsspielraum der Forscher in entscheidender Weise aus.19 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des NS-Regimes mussten sich die deutschen Wissenschaftler neu ausrichten. Während zunächst 4.300 Wissen­ schaftler an den Universitäten entlassen wurden, fand nach dem Erlass des Artikels 131 am 10. April 1951 ein Großteil von ihnen wieder Arbeit an den deutschen Hochschulen.20 Nur wenige Mitglieder der Wissenschaftlergemeinschaft wurden fallen gelassen, und wenn, dann waren es oft solche, die sich nicht etwa wegen ihrer Zusammenarbeit mit NS-Politikern unmöglich gemacht, sondern sich während des NS-Regimes unkollegial verhalten hatten. Der Archäologe Hans Reinerth, der sich in der Vor- und Frühgeschichte aufgrund persön­licher Verfehlungen viele Feinde gemacht hatte, wurde 1949 durch eine Resolution von der Fachgemeinschaft ausgeschlossen. Dennoch gestand ihm die Zunft zu, seinen akademischen Lebensabend als Leiter des Freilichtmuseums in 17 Am Beispiel der Soziologie vgl. Rammstedt, Deutsche Soziologie, 1986, S. 55, 91 – 92. 18 Vgl. Ash, Mitchell G.: Wissenschaftswandlungen und politische Umbrüche im 20. Jahrhundert – was hatten sie miteinander zu tun? In: vom Bruch, Rüdiger/Gerhardt, Uta/ Pawliczek, Aleksandra (Hg.): Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts (Wissenschaft, Politik und Gesellschaft 1). Stuttgart 2006, S. 19 – 37; B ­ ollenbeck, Georg/Knobloch, Clemens (Hg.): Semantischer Umbau der Geistes­ wissenschaften nach 1933 und 1945 (Reihe Siegen, Beiträge zur Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaft 144). Heidelberg 2001. 19 Hachtmann, Rüdiger: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 2 Bde. (Geschichte der KaiserWilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus 15, 1/2). Göttingen 2007, S. 28. Vgl. Ash, Wissenschaftswandlungen und politische Umbrüche, 2006, S. 27 – 31. 20 Eckel, Jan: Geist der Zeit. Deutsche Geisteswissenschaften seit 1870. Göttingen 2008, S.  90 – 91.

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Unteruhldingen zu verbringen.21 Wollten Wissenschaftler ihre Karrieren in den 1950er- und 1960er-Jahren fortsetzen, mussten sie ihre poli­tischen Haltungen den Zeitumständen anpassen, sich also nach der demokratischen oder der sozialistischen Ordnung richten. Eine Fortsetzung der eigenen Laufbahn in der Nachkriegszeit war nur durch eine behutsame Loslösung von den alten Verflechtungen und ein Eingehen von neuen Vernetzungen möglich.22 Verstrickungen von Wissenschaftlern mit der NS-Politik bedurften auch gedanklicher Kongruenzen.23 Mit der sogenannten Machtergreifung schworen mehrere bedeutende Akademiker, so Martin Heidegger in der Philosophie oder der Kunsthistoriker Wilhelm Pinder, aus eigenem Antrieb einen Fahneneid auf Adolf Hitler. In der Meinung, der NS-Staat erlange nur Legitimation durch die aktive Mitwirkung der „geistigen Führerschaft“, schalteten sie sich ins Zeitgeschehen ein und sprachen sich für die NS-Politik aus.24 Hunderte andere Professoren folgten ihrem Beispiel und unterzeichneten das „Bekenntnis der Professoren“ zum NS-Staat am 23. Oktober 1933, nur vier verweigerten die Loyalitätsbekundung.25 Das Einschalten ins Zeitgeschehen war tief in der deutschen Gelehrtenkultur verankert, vor allem, aber nicht nur, in den Geistes­wissenschaften, deren Vertreter sich traditionell als „Erzieher der deutschen Nation“ verstanden.26 In dieser Tradition standen auch

21 Vgl. Schöbel, Gunter: Hans Reinerth. Forscher – NS -Funktionär – Museumsleiter. In: Leube, Achim/Hegewisch, Morten (Hg.): Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittelund osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933 – 1945 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 2). Heidelberg 2002, S. 321 – 396. 22 Vgl. Ash, Mitchell G.: Verordnete Umbrüche – Konstruierte Identitäten. Zur Entnazifizierung von Wissenschaftlern und Wissenschaften nach 1945. In: ZfG 43 (1995) 10, S. 903 – 923; Weisbrod, Bernd: Dem wandelbaren Geist. Akademisches Ideal und wissenschaftliche Transformation in der Nachkriegszeit. In: Weisbrod, Bernd (Hg.): Akademische Vergangenheitspolitik. Beiträge zur Wissenschaftskultur der Nachkriegszeit (Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen 20). Göttingen 2002, S. 11 – 35, hier S.  30 – 31. 23 Vgl. Sluga, Hans D.: Heidegger’s Crisis: Philosophy and Politics in Nazi Germany. ­Cambridge (Mass.) 1993, S. 98. 24 Vgl. Ringer, Fritz K.: The Decline of the German Mandarins. The German Academic Community, 1890 – 1933. Cambridge (Mass.) 1969, S. 3, 11, 46. 25 Hausmann, Frank-Rutger: Wozu Fachgeschichte der Geisteswissenschaften im „Dritten Reich”? In: Heftrig, Ruth/Peters, Olaf/Schellewald, Barbara Maria (Hg.): Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken. Berlin 2008, S. 3 – 24, hier S. 10. 26 Vgl. Bialas/Rabinbach, Introduction, 2007, S. xiii. Vgl. Beyerchen, Alan D.: Scientists under Hitler: Politics and the Physics Community in the Third Reich. New Haven, London 1977, S. 2.

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die Denkmalpfleger, die durch ihre Rolle als Bewahrer der kulturellen Güter in der Öffentlichkeit weit sichtbarer waren als die Professoren. Seit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 betätigten sie sich vermehrt als Sinnstifter der Nation und verstanden ihre Tätigkeit als Volkserziehung, wobei die Denkmäler für sie materielle Bedeutungsträger nationaler Werte waren.27 So stand denn auch der Denkmalpflegetag 1933 unter dem Leitwort „Denkmalpflege und Heimatschutz im Wiederaufbau der Nation“.28 Weil die „Erziehung des deutschen Volkes“ zur nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ eines der Hauptziele der NS-Politiker war,29 ergaben sich vielschichtige Überlappungen mit der Tätigkeit und dem Selbstverständnis von Wissenschaftlern und Kulturarbeitern. Wissenschaft und Kultur sind daher schwerlich als unpolitisch anzusehen. In der Vergangenheit jedoch diente die Sichtweise, Wissenschaft sei grundsätzlich unpolitisch, dazu, die Wissenschaft positiv, oft gar moralisch und ethisch, zumindest aber modern im Sinne eines Fortschrittdenkens darzustellen. Diese Konstruktion erweckt die Vorstellung, dass die Wissenschaft missbraucht oder für „falsche Zwecke“ in den Dienst genommen wurde, dass eine „richtige“ Wissen­schaft und eine „korrumpierte“ NS-Wissenschaft existiert hätten, was die Wissenschaftler von der Verantwortung ihrer Handlungen entbindet.30 Heute dagegen ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Wissenschaftler sich aus eigenem Antrieb darum bemühte, vom NS-Regime Forschungsgelder oder Aufträge zu erhalten.31 27 Hellbrügge, Christoph Friedrich: „Konservieren, nicht restaurieren“. Bedeutungswandel und Anwendungspraxis eines Prinzips der Denkmalpflege im 20. Jahrhundert in Deutschland. Diss. Phil. Bonn 1991, S. 45, 83, 144. 28 Ebd., S. 193. 29 Vgl. Fleischner, Susanne: „Schöpferische Denkmalpflege“. Kulturideologie des Nationalsozialismus und Positionen der Denkmalpfleger (Beiträge zur Denkmalpflege und Bauforschung 1). Münster 1999, S. 9 – 10. 30 Biagioli, Mario: Science, Modernity, and the „Final Solution”. In: Friedländer, Saul (Hg.): Probing the Limits of Representation: Nazism and the „Final Solution”. Cambridge (Mass.) 1992, S. 185 – 205, hier S. 185, 198. Vgl. Mehrtens, Herbert: Kollaborationsverhältnisse. Natur- und Technikwissenschaften im NS-Staat und ihre Historie. In: Meinel, Christoph/­ Voswinckel, Peter (Hg.): Medizin, Naturwissenschaft, Technik und Nationalsozialismus: Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Stuttgart 1994, S. 13 – 32, hier S. 18. 31 Ash, Sammelbesprechung, 2010, S. 110. Vgl. Ash, Mitchell G.: Wissenschaft und Politik als Ressourcen für einander. In: vom Bruch, Rüdiger/Kaderas, Brigitte (Hg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2002, S. 32 – 51, hier S. 32; Sieg, Ulrich: Strukturwandel der Wissenschaft im Nationalsozialismus. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 24 (2001), S. 255 – 270.

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Dies erstaunt nicht weiter, denn wissenschaftliche Fakten werden zwar durch die Anwendung von Ideen, Theorien und Labor­maschinen erzeugt, das System Wissen­schaft ist aber nur durch die Mobilisierung von Forschungsgeldern und die Bildung von Allianzen mit den Mächtigen der Gesellschaft möglich. Die NS-Zeit stellte hier keine Ausnahme dar. Die Ansicht von der Indienstnahme der Wissenschaft wurde vor allem durch zwei Deutungen aufgebrochen, nämlich „Selbstmobilisierung“ (Karl-Heinz Ludwig) und „Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander“ (Mitchell G. Ash). Das Konzept der Selbstmobilisierung erlaubt es, Gruppen in den Blick zu nehmen, die am NS-Regime teilhatten, ohne politisch aktiv geworden zu sein, wie z. B. die Ingenieure. Fälle politisch motivierter Selbstmobilisierung stellten bei ihnen die Ausnahme dar, Loyalitätsbekundungen gegenüber dem deutschen Staat oder beabsichtigte Profitmaximierungen mithilfe der NS-Politiker die Regel.32 Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der deutschen Wissen­ schaftler meinte, neutrale Forscher und nicht politische Aktivisten zu sein. Aus dieser Haltung heraus partizipierten sie am NS-Regime und stabilisierten die NS-Herrschaft.33 Dadurch wird erklärbar, warum sich Martin Heidegger nicht für seine Positionierung zugunsten des NS-Regimes erklären zu müssen glaubte, schließlich hatte er sich aus seiner Sicht nicht politisch positioniert.34 Zwischen seinem wissenschaftlichen Denken und der NS -Weltanschauung lagen vielmehr Homologien vor. Im Gegensatz zu den Technik- und Naturwissenschaftlern, die eher aufgrund sachlogischer und technokratischer Aspekte den NS-Staat unterstützten, entschieden sich Geisteswissenschaftler oft aus konzeptionellen und epistemolo­gischen Gründen für das NS-Regime, was sich besonders deutlich in der Denk­figur von der „Volkwerdung der Deutschen“ zeigt, die 1933 angeblich angebrochen war. Vertreter der „Deutschen Soziologie“, unter ihnen Hans Freyer, Gunther Ipsen oder Max Hildebert Boehm, meinten an dieser „Volkwerdung“ mitwirken zu können. Für Freyer war der Wille, „Volk zu werden“, den Deutschen eigen, das deutsche Volk konnte nur im Rahmen eines sozialen Gefüges von „Führung und Gefolgschaft, Herrschaft und Dienst“ wieder Subjekt der eigenen Geschichte werden. Die Soziologie musste an 32 Ludwig, Karl-Heinz: Technik und Ingenieure im Dritten Reich. Düsseldorf 1974, S. 241 – 245. 33 Vgl. Trischler, Helmuth: Self-mobilization or resistance? Aeronautical research and National Socialism. In: Renneberg, Monika/Walker, Mark (Hg.): Science, Technology and National Socialism. Cambridge 1994, S. 72 – 87. 34 Sluga, Heidegger’s Crisis, 1993, S. 138.

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diesem Prozess als „politische Wissenschaft“ teilhaben. Dabei sahen diese Wissenschaftler ihre Rolle im NS-Staat nicht als eine untergeordnete an, vielmehr beabsichtigten sie, „sich der Bewegung geistig zu bemächtigen“.35 Eine solche Bemächtigung kam mehrheitlich jedoch nicht zustande, und die Selbstmobilisierung der Wissenschaftler war von NS-Politkern oft gar nicht erwünscht. Heideggers Konzept der „zwei Führerschaften“, eine im Bereich der Politik, die andere auf intellektueller Ebene,36 ist als Verkennung des totalen Anspruchs der Nationalsozialisten zu werten. Einem Strategiepapier der Geheimen Staatspolizei von 1936 ist zu entnehmen, dass „im national­­­­ so­zialistischen Staat die einzelnen Lebensgebiete (Stände) wie Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft ihre Angelegenheiten nicht unabhängig in eigener Souveränität, sondern […] sich nach der nationalsozialistischen Weltanschauung gestalten und sich auch in ihrer Gestaltung den Anforderungen der Partei grundsätzlich unterwerfen.“37 Es erstaunt daher nicht, dass Heidegger spätestens um 1936 begann, sich mehr und mehr vom NS-Regime abzuwenden.38 Aufgrund der Tatsache, dass mit Ausnahme von vagen Formulierungen kein einziges Strategiepapier der NS -Politiker erhalten ist, aus dem hervorgehen würde, wie sich die Wissenschaftler im neuen Staat zu verhalten hatten und was sie erforschen sollten, hat Mitchell Ash die These entwickelt, dass das Verhältnis von Wissenschaft und Politik prinzipiell als ein symmetrisches zu betrachten ist. Ash sieht dabei die Beziehung zwischen Wissenschaftlern und Politikern als Tauschverhältnisse.39 Ausgetauscht wurde, was der jeweilige Akteur anzubieten hatte und der andere benötigte. In diesem Sinne lässt sich das Verhältnis von Wissenschaft und Politik als ein Ensemble von Ressourcen betrachten. Wie Peter Weingart festgehalten hat, ergab sich daraus gerade keine „Verwischung der Grenzen“ zwischen Politik und Wissenschaft, sondern eine gegenseitige Stärkung der beiden gesellschaftlichen Teilsysteme.40 Die Allianzen zwischen Wissenschaftlern und NS -Politikern waren dabei dynamischen Entwicklungen unterworfen. Wollten Wissenschaftler erfolgreich sein, mussten sie Gewandtheit zeigen, denn die NS -Wissenschaftspolitik war 35 36 37 38 39 40

Rammstedt, Deutsche Soziologie, 1986, S. 30, 37, 42, 46. Sluga, Heidegger’s Crisis, 1993, S. 172. Zitiert in: Rammstedt, Deutsche Soziologie, 1986, S. 130. Vgl. Sluga, Heidegger’s Crisis, 1993, S. 25 – 26, 219. Ash, Wissenschaftswandlungen und politische Umbrüche, 2006, S. 27 – 31. Weingart, Peter: Die Stunde der Wahrheit? Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft. Göttingen 2001, S. 159.

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ausgesprochen unstet.41 Auch in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sind Ressourcenensembles auszumachen, insbesondere in Bereichen, die in den 1930er-Jahren noch nicht vollständig an den Universitäten etabliert waren. Dazu zählen die Soziologie und die Vor- und Frühgeschichte, deren Vertreter einen Ressourcenaustausch mit NS -Politikern unterhielten, der sich retrospektiv auszahlte. Es ist zwar zu bezweifeln, dass die Soziologie zwischen 1933 und 1940 zu einem institutionalisierten akademischen Fach wurde, Sozial­ wissenschaftler gewannen jedoch in der NS -Zeit massiv an Relevanz und bildeten diejenige Wissenschaftlergemeinschaft, welche die Institutionalisierung der Soziologie nach 1945 vorantrieb.42 Die vor- und frühgeschichtlichen Archäologen dagegen konnten während der NS -Herrschaft ihre akademische Verankerung so weit festigen, dass ihr Fach auch nach 1945 an den deutschen Universitäten Bestand hatte.43 Ein erfolgreicher Austausch von Ressourcen zwischen Wissenschaft und NS -Politik bedurfte der Resonanzen im jeweiligen sozialen Feld. Resonanzkonstellationen sind besonders deutlich am Beispiel der Popularisierung wissenschaftlichen Wissens zu erkennen. Forderten NS -Wissenschaftspolitiker eine „Wissenschaft für das Volk“, so sahen z. B. vor- und frühgeschichtliche Archäologen darin die Möglichkeit, eine Anerkennung der Relevanz ihrer Forschungen in der Öffentlichkeit herbeizuführen.44 Eine Schwierigkeit bei der Analyse von Popularisierungsstrategien ist, dass die Grenzen zwischen Fachwissen, populärem Wissen, „Pseudowissenschaft“ oder „ideologisierter Wissen­schaft“ unscharf sind.45 Besonders die letzten beiden Begriffe verleiten 41 Ash, Mitchell G.: Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander. Programmatische Überlegungen am Beispiel Deutschlands. In: Büschenfeld, Jürgen/Franz, Heike/Kuhlemann, Franz M. (Hg.): Wissenschaftsgeschichte heute. Festschrift für Peter Lundgreen. Bielefeld 2001, S. 117 – 134, hier S. 119. 42 Rammstedt, Deutsche Soziologie, 1986, S. 107. Diese Sichtweise bezweifelt Klingemann, Carsten: Soziologie und Politik. Sozialwissenschaftliches Expertenwissen im Dritten Reich und in der frühen westdeutschen Nachkriegszeit. Wiesbaden 2009. 43 Pape, Wolfgang: Zur Entwicklung des Faches Ur- und Frühgeschichte in Deutschland bis 1945. In: Leube/Hegewisch (Hg.), Prähistorie und Nationalsozialismus, 2002, S. 163 – 226. Vgl. Pape, Wolfgang: Ur- und Frühgeschichte. In: Hausmann, Frank-Rutger (Hg.): Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich 1933 – 1945 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 53). München 2002, S. 329 – 360. 44 Vgl. Grünert, Heinz: Gustaf Kossinna – ein Wegbereiter der nationalsozialistischen Archäologie. In: Leube/Hegewisch (Hg.), Prähistorie und Nationalsozialismus, 2002, S. 307 – 320. 45 Vgl. Daum, Andreas: Varieties of Popular Science and the Transformations of Public Knowledge. In: Isis 100 (2009) 2, S. 319 – 332, hier S. 327.

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zur Annahme, zwischen nationalsozialistischer „Pseudowissenschaft“ und „echter wissenschaftlicher Wissen­schaft“ sauber trennen zu können. Eine „ideologisierte“ oder „Pseudowissen­schaft“ erscheint nach den gängigen Beurteilungen als eine Nichtwissenschaft, nationalsozialistische Wissenschaftskonzepte seien folglich keine „richtigen“ Wissenschaften gewesen und ‚völkische‘ und ‚rassische‘ Denkfiguren könnten mit den „objektiven“ Methoden der Wissenschaft als pseudowissenschaftlich entlarvt werden.46 Diese Ansicht hat zur Folge, dass „NS-Wissenschaft“ von „Wissenschaft“ abgekoppelt wird, was mit einer Dämonisierung besonders von Forschungen der SS einhergeht. Auch wird der Blick auf die Frage verstellt, wer in welcher sozialen Position solche Denkfiguren vertrat und welche Rolle sie für eine bestimmte Gruppe von Wissenschaftlern spielten. Diese Frage ist auch deshalb relevant, weil Wissenschaftler den Begriff ‚Pseudowissenschaft‘ gerne dazu verwendeten, andere Forscher zu diskreditieren.47 Wissenschaftler hatten oftmals ganz konkrete Gründe, sich einer NS-Wissen­ schaftsorganisation anzuschließen, was am Beispiel bestimmter Mitarbeiter beim SS -Ahnenerbe deutlich wird.48 Das SS -Ahnenerbe führte skurrile Unternehmungen durch und betrieb zugleich ernsthafte Forschung, was vor allem für die zahlreichen archäologischen Ausgrabungen gilt. Besonders die Ergebnisse der Ausgrabungen von Haithabu, einer frühmittelalterlichen Handelsstadt, die ab 1934 unter Heinrich Himmlers Protektion standen, erbrachten bahn­brechende Ergebnisse für die Vor- und Frühgeschichte. Der damalige Ausgräber, SS Sturmbannführer, SD-Mitarbeiter und Leiter der Abteilung Ausgrabungen im SS -Ahnenerbe Herbert Jankuhn hatte auch entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Frühmittelalterarchäologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.49 Es ist hier also mitnichten von „Pseudowissenschaft“ zu sprechen. 46 Vgl. Puschner, Uwe/Großmann, G. Ulrich (Hg.): Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert (Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 5). Darmstadt 2009. 47 Hagner, Michael: Bye-bye science, welcome pseudoscience? Reflexionen über einen beschädigten Status. In: Rupnow/Lipphardt/Thiel/Wessely (Hg.), Pseudowissenschaft, 2008, S.  21 – 50. 48 Die Forschungsgesellschaft wurde von Heinrich Himmler, Reichsbauernführer und Leiter des RSHA Richard Walther Darré und dem völkischen Privatgelehrten Herman Wirth 1935 gegründet. Vgl. Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS 1933 – 1945, 2006, S.  24 – 36. 49 Vgl. Steuer, Heiko: Herbert Jankuhn – SS-Karriere und Ur- und Frühgeschichte. In: ­Lehmann, Hartmut/Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Nationalsozialismus in den Kulturwissen­schaften. 2 Bde. (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 200/211). Bd. 2: Leitbegriffe – Deutungsmuster – Paradigmenkämpfe – Erfahrungen und Transformationen im

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Der Grund für Jankuhn, sich dem SS -Ahnenerbe anzuschließen, war, dass diese Organisation kostspielige Unternehmungen finanzierte und ihm erlaubte, relativ unabhängig zu arbeiten. Wissenschaftlich exzellente Forschung fand im Rahmen von ‚rassisch‘-utopischen Zielsetzungen statt, denn das SS-Ahnenerbe stand im Dienste Heinrich Himmlers, der die ‚rassische‘ und kulturelle Überlegenheit der Germanen in Vergangenheit und Gegenwart wissenschaftlich begründet haben wollte. Solche Forschungsorganisationen, auch wenn sie im Dienst einer menschenverachtenden und rassistischen Politik standen, konnten innovative Methoden befördern und neue wissenschaftliche Ergebnisse erzielen. Die Frage nach wissen­schaftlicher Innovation während des NS-Regimes hängt mit der kontrovers diskutierten Thematik des Verhältnisses von wissenschaftlicher Modernisierung, völkischer Ideologisierung und NS -Politik zusammen. Es ist zu fragen, ob der Nationalsozialismus, „sei es der Absicht oder nur der Funktion nach, modernisierende Wirkung […] in einer längerfristigen Perspektive auf die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ hatte 50 oder ob die NSPolitik nur kurzfristig Modernisierungseffekte in ansonsten antimodernen, weil destruktiven Kontexten bewirkte.51 Ursache der Kontroverse ist die Annahme, Modernität und Moderne seien mit liberalen und demokratischen Werten sowie mit wissenschaftlicher Rationalität verbunden.52 Entgegen einer solch normativen Annahme hat Willi Oberkrome am Beispiel der Volksgeschichte gezeigt, dass diese Richtung in der deutschen Geschichtswissenschaft einerseits interdis­ziplinäre, methodisch innovative Ansätze aufwies, die betreffenden Wissenschaftler andererseits aber auch ‚völkische‘ Denkfiguren vertraten. ‚Völkisches‘ Denken und wissenschaftliche Modernität schlossen sich laut Oberkrome nicht aus. Nach 1945 konnte ihm zufolge die Volksgeschichte infolge eines Abstreifens der ‚völkischen‘ Elemente in die Struktur- und Sozialgeschichte Kölner, Bielefelder und Hamburger Prägung überführt werden, was angesichts

Exil. Göttingen 2004, S. 447 – 529, hier S. 518 – 529. Vgl. neuerdings ­Mahrsarski, Dirk: Herbert Jankuhn (1905 – 1990). Ein deutscher Prähistoriker zwischen nationalso­zialistischer Ideologie und wissenschaftlicher Objektivität (Internationale Archäologie 114). Rahden/Westfalen 2011. 50 Nolte, Paul: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert. München 2000, S. 190. 51 Heftrig, Ruth/Peters, Olaf/Schellewald, Barbara Maria: Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Einleitende Bemerkungen. In: Heftrig/Peters/Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“, 2008, S. ix-xvi, hier S. xii. 52 Vgl. Biagioli, Science, Modernity, and the „Final Solution”, 1992, S. 185 – 186.

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der Kontinuitäten der einzelnen Protagonisten unschwer nachvollziehbar ist.53 Innovation und Modernität eines Forschungsfelds zeichnen sich demnach offenbar auch dadurch aus, dass ihre Schule bildende Deutungshoheit beibehalten wird; dies ist in erster Linie ein wissenssoziologisches Phänomen. Die Frage ist, ob ein auf dem 19. Jahrhundert basierendes tribalistisches Konzept wie die Volksgeschichte tatsächlich als innovativ in dem Sinne zu bezeichnen ist. Denn ein Aspekt bleibt bei dieser These unberücksichtigt. Es ist konzeptgeschichtlich nicht klar, was „interdisziplinär“ heißen soll. Die Akteure verwendeten dieses Wort auf jeden Fall nicht, sondern sprachen eher von einer „ganzheitlichen“ Herangehensweise. Peter Schöttler meinte, gewissermaßen als Gegenthese zu Oberkrome, dass „trotz äußerer Anzeichen von Wissenschaftlichkeit (theoretische Vor- und Nachüberlegungen, zahlreiche Karten, Statistiken usw.)“ die „Entwicklungsgeschichte des Volksleibes als Organismus“ keine wirkliche Innovation dargestellt habe, sie sei vielmehr „eine skurrile ‚Modernisierung‘ jener Rassen, Volks- und Kulturgeschichten [gewesen] […], wie sie im 18. und 19. Jahrhundert vor der Konstituierung einer akademischen Geschichtsforschung verbreitet waren.“54 Ob also die Arbeitsweise des nationalsozialistischen Historikers Günther Franz als methodisch innovativ und originell bezeichnet werden kann 55 oder ob es sich dabei um eine Versachlichung und Verwissenschaftlichung von Wissen handelte, das einem irrational-romantischen, rückwärtsgewandten und ‚rassisch‘ begründeten Denken verpflichtet war, bleibt offen. Einen Erklärungsansatz für dieses scheinbare Zusammengehen moderner und rückwärtsgewandter Elemente bietet Jeffrey Herf mit dem Konzept des „reaktionären Modernismus“, das er am Beispiel jungkonservativer deutscher Intellektueller in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelt hat. Modern war ihr Denken aufgrund der Bejahung neuester Technologie und Wissenschaft sowie des „freien Denkens“, das über die Zugehörigkeit zu einem politischen Lager hinausführte. Reaktionär waren sie, weil sie sich gegen liberale Werte 53 Vgl. Oberkrome, Willi: Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918 – 1945 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 101). Göttingen 1993. 54 Schöttler, Peter: Die historische „Westforschung“ zwischen „Abwehrkampf“ und territorialer Offensive. In: Schöttler, Peter (Hg.): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918 – 1945. Frankfurt am Main 1997, S. 204 – 261, hier S. 223 – 224. 55 So bei Oberkrome, Willi: Ordnung und Autarkie. Die Geschichte der deutschen Landbauforschung, Agrarökonomie und ländlichen Sozialwissenschaft im Spiegel von Forschungsdienst und DFG (1920 – 1970) (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 4). Stuttgart 2009, S. 128 – 130.

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richteten und Werthaltungen der Gegenrevolution vertraten, die ihrer Meinung nach nur in einem ständisch, gleichzeitig aber auch „volksgemeinschaftlich“ basierten Staat repräsentiert sein konnten.56 Insbesondere die Vorstellung vom „mittelalterlichen Gemeinwesen“ war hier ein Stimulus für einen alternativen Gesellschaftsentwurf zu Republik und Demokratie. Viele Mediävisten sahen in der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten denn auch das Anbrechen eines „neuen Mittelalters“.57 Die Verschränkung von völkisch-revisionistischen Ansichten und neuen wissen­schaftlichen Arbeitsweisen wie der sogenannten Gemeinschaftsforschung zeigt sich insbesondere bei Wissenschaftlern in der deutschen Westforschung und Ostforschung, die sich Anfang der 1930er-Jahre in den methoden- und disziplinenübergreifenden Forschungsverbünden der VFG organisierten.58 Mit den Bezeichnungen „Ostforschung“ und „Westforschung“ sind Akteure und Institutionen gemeint, die das Deutschtum in den östlichen und westlichen Grenzgebieten Deutschlands und darüber hinaus erforschten.59 Dabei bestand ein bedeutender Unterschied in den ‚völkisch-rassischen‘ Denkfiguren der Westforscher und der Ostforscher. Während Vorstellungen wie die angebliche Ungleichheit der deutschen und der slawischen Bevölkerung eher biologistisch substanziiert waren, sind in der Westforschung mehrheitlich ‚völkisch‘-kulturelle Differenzierungsbemühungen auszumachen. In den VFG kam der Burgenforschung ein bedeutender Rang zu. ­Hermann Aubin, der als einer der maßgebenden Begründer der Volksforschung in den 1920er-Jahren gilt,60 meinte 1937 mit Blick auf die Ostforschung, dass sich 56 Vgl. Herf, Jeffrey: Reactionary Modernism: Technology, Culture, and Politics in Weimar and the Third Reich. Cambridge 1984, S. 12, 57. 57 Oexle, Otto Gerhard: Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus. Studien zur Problemgeschichte der Moderne (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 116). ­Göttingen 1996, S. 137 – 162. 58 Vgl. Fahlbusch, Michael: Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931 – 1945. Baden-Baden 1999; Fahlbusch, Michael: Für Volk, Führer und Reich! Die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften und Volkstumspolitik, 1931 – 1945. In: Kaufmann, Doris (Hg.): Geschichte der Kaiser-WilhelmGesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung (Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus 1, 1/2). Göttingen 2000, S.  468 – 489. 59 Burleigh, Michael: Germany Turns Eastwards. A Study of ‚Ostforschung‘ in the Third Reich. Cambridge 1988. 60 Vgl. Mühle, Eduard: Hermann Aubin, der ‚Deutsche Osten‘ und der National­sozialismus. In: Lehmann/Oexle (Hg.), Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften. Bd. 1:

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die Burgenforschung als ein „Sondergebiet der Siedlungskunde“ entwickeln würde, in der ganze Burgensysteme und die Zusammenhänge mit dem „vom Burgengürtel umhegten Siedlungsland“ untersucht würden.61 Burgenforschung scheint demnach ein Scharnierbereich zwischen Geschichte, Archäologie, ­Siedlungsforschung und Kunstgeschichte gewesen zu sein. Am Beispiel dieses Forschungsbereichs müsste sich demnach die Verschiebung von einem disziplinär gebundenen methodischen Herangehen zu einem problem- und objektorientierten Ansatz zeigen. Um mit Oberkrome zu argumentierten, ließe sich vermuten, dass die heutige Mittelalterarchäologie, ein interdisziplinäres Fach, das aus Archäologie, Landesgeschichte, Geografie und Volkskunde besteht,62 entsprechend in älteren, revisionistisch motivierten und ‚völkischen‘ Konzeptionen der 1920er- und 1930er-Jahren wurzelt. Burgen spielten auch in der Westforschung eine wichtige Rolle, insbesondere solche im deutsch-französischen Grenzgebiet, die dem mittelalterlichen Herrschergeschlecht der Staufer zugeschrieben wurden. Schöttler hatte 1997 dazu angeregt, im Westen „die Politik grenznaher Altertumsvereine und lokaler Initiativen zu betrachten, die sich für die Restaurierung grenznaher Burgen einsetzten.“63 Solche außerakademischen Burgen, Heimat- und Altertumsvereine hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Burgen und Schlösser nicht nur zu erforschen, sondern auch zu erhalten. Dabei war die Wissenschaftspraxis sowohl der Gelehrtenvereine als auch der VFG nicht auf das nationalstaatliche Territorium begrenzt, sondern auf alle deutschsprachigen und auf die daran angrenzenden Gebiete ausgerichtet. An solchen Forschungen waren in den 1920er-Jahren deutsche, schweizerische, österreichische, vereinzelt auch niederländische und belgische sowie elsässische und lothringische Wissenschaftler beteiligt.64 Sie konzentrierten sich folgerichtig auf jene als „volksdeutsch“ Fächer – Milieus – Karrieren, 2004, S. 531 – 592. 61 Aubin, Hermann: Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 1 (1937), S. 37 – 70, 309 – 331, 562 – 602, hier S. 571. 62 Vgl. Steuer, Heiko: Entstehung und Entwicklung der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Mitteleuropa – Auf dem Weg zu einer eigenständigen Mittelalterkunde. In: Zeitschrift für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 25/26 (1997/1998), S. 19 – 38. 63 Schöttler, Die historische „Westforschung“, 1997, S. 212. 64 Die 9. österreichischen Bundestagung für Heimatschutz in Bregenz am 18. Mai 1929 wurde mit organisiert vom Deutschen Bund Heimatschutz (Freiherr von Stein) und der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz (Gerhard Boerlin). Vgl. Esterer, Rudolf: Heimatschutz und neue Baugesinnung (Schiften für Volksbildner 23). Wien, Leipzig 1929.

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bezeichneten Gebiete, die zusammengenommen einen angeblich „germa­nischen Kulturraum“ bildeten. Die Geschichte der Burgenforschung ist bisher ausschließlich innerhalb des eigenen Fachbereichs behandelt worden. Sie wird darin als Forschungsgeschichte begriffen, die zum Selbstverständnis von Burgenforschern und Mittelalter­ archäologen gehört. Mit Forschungsgeschichte kann die Geschichte der bisherigen Forschungen an einer Burg gemeint sein, die aktuell untersucht werden soll. Weil archäologische Forschung immer auch die Zerstörung der Befunde und Kulturschichten impliziert und in der Vergangenheit die Methoden nicht so ausgefeilt waren wie heute, ist damit zu rechnen, dass ein Gutteil des zu Untersuchenden nicht mehr vorhanden ist. Deshalb müssen die alten Bestände an Funden, Dokumentationen und Publikationen möglichst umfassend aufgearbeitet werden, um Lücken, Versäumnisse und bisher nicht bekannte, wichtige Informationen zu eruieren.65 Forschungsgeschichte kann aber auch Forscher­ geschichte sein. Wie in jedem Wissenschaftsbereich sind in der Burgenforschung die „Pioniere“ und deren Verdienste ein beliebtes Thema.66 Zur Geschichte des eigenen Fachs gehört ferner die Rezeptionsgeschichte, also Untersuchungen zur Verwendung von Burgen als Bauformen und als Symbole in späteren Z ­ eiten als in derjenigen ihrer Errichtung. Die Forschungen thematisieren häufig die Frage, wie die mittelalterliche Burg als architektonisches Motiv im 19. und 20. Jahrhundert neu oder wieder verwendet wurde und welche Umwandlungen in der

65 Vgl. Meyer, Bernhard: Burg Trifels. Die mittelalterliche Baugeschichte (Beiträge zur Pfälzischen Geschichte, 12, Pfälzisches Burgenlexikon 1). Kaiserslautern 2001. Vgl. Glatz, ­Joachim: Rudolf Esterer und die Schöpferische Denkmalpflege. Der Ausbau des Trifels. In: S ­ cheurmann, Ingrid (Hg.): Zeitschichten. Erkennen und erhalten – Denkmalpflege in Deutschland. Katalogbuch zu der gleichnamigen Ausstellung im Residenzschloss Dresden 30.7.-13.11.2005. München, Berlin 2005, S. 142 – 145. 66 Vgl. am Beispiel Bodo Ebhardts von der Dollen, Busso/Schock-Werner, Barbara (Hg.): Burgenromantik und Burgenrestaurierung um 1900 – Der Architekt und Burgenforscher Bodo Ebhardt in seiner Zeit (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung e. V. B 7). Braubach 1999. Vgl. Crettaz-Stürzel, Elisabeth: Netzwerk Burgenrenaissance. Die neue Lust auf Burgen und Ruinen um 1900. In: Gesicherte Ruine oder ruinierte Burg? Erhalten – Instandsetzen – Nutzen. Herausgegeben von: Schweizer Burgenverein (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 31). Basel 2005, S. 37 – 60; Fischer, Ludger: Bodo Ebhardt. Versuche baukünstlerischer Denkmalpflege. Restaurie­ rungen, Rekonstruktionen und Neubauten von Burgen, Schlössern und Herrenhäusern von 1899 bis 1935 (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung e. V. A 13). Braubach 2010.

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Bedeutung der Burg in Gesellschaft und Politik erfolgten.67 Die bisherigen Darstellungen zum vorliegenden Thema zeigen, dass die Burg Ort der Inszenierung von NS-Herrschaft war.68 2.1.1 FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN

Eine Geschichte der Burgenforschung, die ganz Deutschland und aufgrund der Arbeitsweise der Wissenschaftler die angrenzenden deutschsprachigen Länder mit einschließen soll, ist im Rahmen einer Dissertation nicht zu leisten. Daher beschränke ich mich auf Exempel aus Forschungspraxis und Akteurskonstella­ tionen in der Burgenforschung während des NS-Regimes. Auf der Basis der Forschungsliteratur werde ich drei Hauptfragen behandeln: 1 |  Auf der Ebene einer historischen Wissenschaftssoziologie ist angesichts der Tatsache, dass Burgenforschung 1933 akademisch nicht institutionalisiert und ein Wissenschaftsbereich mit wenig Prestige war, zu vermuten, dass Burgen­ forscher versuchten, mithilfe der NS-Politiker ihren Forschungsbereich zu stärken. Die institutionellen und personellen Veränderungen in der Wissenschaft nach 1933 könnten für Burgenforscher eine Möglichkeit dargestellt haben, sich an den Universitäten zu etablieren. Gleichzeitig liegt die Vermutung nahe, dass NS-Politiker und Ideologen von sich aus die Burgenforschung finanziell und personell förderten, da sie Burgen offenbar für ideologische Zwecke verwendeten. Im Sinne eines Ressourcenensembles zwischen Wissenschaftlern und NS-Politikern kann die Hypothese aufgestellt werden, dass Burgenforschung 67 Vgl. Kaiser, Jürgen: Fassaden einer Diktatur. Bauwerke und Bauplanungen des Nationalsozialismus in der Pfalz. In: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 92 (1994), S. 362 – 418; Pütz, Frank: Die Burg im Nationalsozialismus. Burgenrezeption in der deutschen Architektur zwischen 1933 und 1945. In: Laß, Heiko (Hg.): Mythos, Metapher, Motiv. Untersuchungen zum Bild der Burg seit 1500 (k & k Studien zur Kunstgeschichte 2). Alfeld/ Leine 2002, S. 43 – 66; Stein, Günter: Trifels und Hohkönigsburg. Zitate und Gedanken zum Wiederaufbau zweier Burgruinen. In: Schäfer, Alfons (Hg.): Festschrift für Günther Haselier (Oberrheinische Studien 3). Karlsruhe 1975, S. 373 – 404. 68 Vgl. Lammers, Joseph: Geschichte, Ästhetik und Erziehung – Die Reichsschulungsburg in Erwitte der NSDAP und DAF. In: Westfalen 76 (1999), S. 217 – 360; Schulte, Jan Erik (Hg.): Die SS, Himmler und die Wewelsburg. Paderborn 2009; Schwendemann, H ­ einrich/­Dietsche, Wolfgang: Hitlers Schloss. Die „Führerresidenz“ in Posen. Berlin 2003; ­Teibenbacher, Peter: Die Nation als Burg. Burgen-Romantik und Burgen-Ideologie im Nationalsozialismus. In: Bräuer, Helmut/Jaritz, Gerhard/Sonnleitner, Käthe (Hg.): Viatori per urbes castraque. Festschrift für Herwig Ebner zum 75. Geburtstag (Schriftenreihe des Instituts für Geschichte 14). Graz 2003, S. 685 – 691.

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während der NS-Herrschaft konsolidiert wurde, was eine zumindest anfängliche Institutionalisierung zur Folge hatte. Die Tatsache, dass die Burgenforschung bis heute keinen festgefügten Forschungsbereich darstellt und an den Universitäten nur als Randthema etabliert ist, ließe sich dadurch erklären, dass Burgenforscher entweder keine geschickten Strategen waren oder dass die NSMachthaber ihre Förderungen irgendwann einstellten. 2 |  Im Hinblick auf eine zu erwartende Politisierung der Burgenforschung im NS-Regime müssen drei Aspekte berücksichtigt werden. Zum Ersten ist zu fragen, ob Burgenforscher auch politische Positionen besetzten. Zu denken ist an Mitgliedschaften in Parteien oder an politische Aktivitäten auf lokaler oder regionaler Ebene. Zum Zweiten muss, wenn möglich, die weltanschauliche Haltung der Burgenforscher gegenüber dem Nationalsozialismus aufgezeigt werden. Schließlich sind zum Dritten die politisch nicht aktiven Forscher ins Blickfeld zu nehmen, die sich vordergründig nur für die Wissenschaft interessierten. Es muss daher untersucht werden, in welchem sozialen Umfeld die Wissenschaftler aufgewachsen waren und ob sie sich generell einer bestimmten Weltanschauung und politischen Haltung zuordnen lassen. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Mehrzahl der in Deutschland verbliebenen Geistes- und Kulturwissenschaftler willfährig dem NS-Regime andiente, ist zu vermuten, dass auch Burgenforscher vielfältige Anschlussmöglichkeiten an die NS-Politik sahen. 3 |  Auf der Ebene der wissenschaftlichen Praxis sind bei einer verstärkten Förderung der Burgenforschung im NS-Regime in methodischer und inhaltlicher Hinsicht Modernisierungseffekte zu erwarten. Gleichzeitig kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass solche Burgenforscher von NS-Politikern profitierten, die vor 1933 Methoden vertreten hatten, die von anderen Akteuren als veraltet angesehen wurden. Es ist also der Frage nachzugehen, ob nach 1933 auf inhaltlicher und methodischer Ebene Umbrüche, Modernisierungen oder bloß eine Politisierung erfolgten. 2.1.2 BURGENFORSCHUNG, HABITUS, WISSENSCHAFTSFELD

Eine Geschichte der Burgenforschung im Nationalsozialismus, die auf exempla­ rische Sondierungen beschränkt ist, wirft zwei analytische Probleme auf. Zum einen muss der methodischen, inhaltlichen und sozialen Heterogenität in der Burgenforschung Rechnung getragen werden. Zum anderen ist das Verhältnis der Burgenforscher zu NS-Politik und NS-Ideologemen zu erfassen. Um diesen zwei analytischen Anforderungen gerecht zu werden, werde ich drei Wissenschaftler bestimmen, die je einen der wichtigsten Bereiche der Burgenforschung repräsentieren. Sie sollten

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verschiedenen Generationen angehören, sodass Differenzen in der politischen Haltung, ihrem daraus hervorgehenden Verhältnis zum Nationalsozialismus und in ihren wissenschaftlichen Ansätzen herausgearbeitet werden können. Mit dem Begriff „Generation“ bezeichne ich Akteure aus nahe beieinanderliegenden Jahrgängen und mit bestimmten gemeinsamen Sozialisationserfahrungen in Familie, Studium und Beruf.69 Meine Wahl fällt auf folgende Forscher: 1 |  Bodo Ebhardt (1865 – 1945): Er repräsentiert die außerakademische Burgen­ forschung und gehörte der „wilhelminischen Generation“ an. 2 |  Gotthard Neumann (1902 – 1972): Neumann war vor- und frühgeschichtlicher Archäologe und steht daher für die archäologische Herangehensweise in der Burgenforschung. Er ist Vertreter der sogenannten Kriegsjugendgeneration. 3 |  Walter Hotz (1912 – 1996): Hotz war Kunsthistoriker, der auch Ansätze der neueren Landesgeschichte vertrat und sich thematisch auf Burgen spezialisiert hatte. Er gehörte zur „Nachkriegsgeneration“. Die Analyse dreier Wissenschaftler und deren Wissenschaftsbereiche muss genügend Aussagekraft für eine Geschichte der Burgenforschung haben, was die Verbindung des einzelnen Wissenschaftlers mit den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen erfordert. Hierfür verwende ich Pierre Bourdieus Habitus- und Feldtheorie. Bourdieus „konstruktivistischer Strukturalismus“ oder „strukturalistischer Konstruktivismus“ verspricht, die Dualität von Mikro- und Makroebene, von Akteur und Struktur zu überwinden.70 Akteure sind für ihn keine frei handelnden Individuen, gleichzeitig ist die Sozialstruktur als makrogeschichtlicher Rahmen keine dunkle Kraft, durch welche die Handlungen der Akteure determiniert werden.71 Bourdieu verknüpft Akteur und Struktur durch die beiden Begriffe ‚Habitus‘ und ‚Feld‘. Habitus ist Ausdruck von Lebensstil durch die Transzendierung individueller und kollektiver Praxisformen,72 umfasst daher mentale und politische 69 Vgl. Nagel, Anne Christine: Im Schatten des Dritten Reiches. Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945 – 1970 (Formen der Erinnerung 24). Göttingen 2005, S.  13 – 16. 70 Vgl. Bourdieu, Pierre: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt am Main 1999, S. 285 – 286. Vgl. Bourdieu, Pierre: Homo academicus. Frankfurt am Main 1988, S. 66 – 67. 71 Vgl. Wacquant, Loïc J. D.: Auf dem Weg zu einer Sozialpraxeologie. Struktur und Logik der Soziologie Pierre Bourdieus. In: Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loïc J. D.: Reflexive Anthropologie. Frankfurt am Main 1996, S. 17 – 93, hier S. 45. 72 Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt am Main 2009 [1976], S. 179, 182.

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Werthaltungen sowie wissenschaftliches Denken. Der Habitus wird von den Akteuren nicht bewusst wahrgenommen, er ist ein Produkt der Vergangenheit, das Handeln und Vorstellungen in der Gegenwart umschreibt.73 Gebildet wird der Habitus in den Sozialisationsphasen, welche die Akteure durchleben. Bourdieu unterscheidet dabei zwischen primärer und sekundärer Sozialisation. Die primäre Sozialisationsphase umfasst das familiäre Umfeld, das Denken, Reden und Handeln bestimmt; Allgemeinbildung, Fachwissen und akademisches Verhalten werden dagegen während der sekundären Sozialisationsphase in der Schule und an der Universität erlernt und inkorporiert.74 Habitus korrespondiert mit der Klassenlage der Akteure, wobei Bourdieu von drei Grundklassen ausgeht, der herrschenden Klasse, der Mittelklasse und der beherrschten Klasse. Die Mittelklasse oder das Kleinbürgertum teilt er in drei weitere Kategorien ein: das absteigende, das neue und das exekutive Kleinbürgertum.75 Diese vereinfachenden und groben Kategorien sind als Orientierungen zu verstehen. Außerdem ist Habitus kein starrer sozialer Zustand, der vollends durch die Klassenzugehörigkeit und das Milieu, in dem die Akteure aufgewachsen sind, determiniert ist, sondern kann in Zeit und Raum angepasst und modifiziert werden: Er aktualisiert und restrukturiert sich mit dem Ablauf eines Menschenlebens.76 Somit sind die Laufbahnen der Akteure geprägt von Kontinuitäten, Veränderungen und Umbrüchen. Wandlungen im Handeln und Denken der Wissenschaftler können auf externe Umstände oder auf Veränderungen innerhalb des Wissenschaftsfelds zurückgehen.

73 Bourdieu, Pierre: Strukturalismus und soziologische Wissenschaftstheorie. Die Unerlässlichkeit der Objektivierung und die Gefahr des Objektivismus. In: Bourdieu, Pierre: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Frankfurt am Main 1974, S. 7 – 41, 40. Vgl. Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loïc J. D.: Die Ziele der reflexiven Soziologie. Chicago-Seminar, Winter 1987. In: Bourdieu/Wacquant, Reflexive Anthropologie, 1996, S. 95 – 249, hier S. 102. Vgl. Raphael, Lutz: Forschungskonzepte für eine „reflexive Soziologie“ – Anmerkungen zum Denk- und Arbeitsstil Pierre Bourdieus. In: Müller-Doohm, S ­ tefan (Hg.): Jenseits der Utopie. Theoriekritik der Gegenwart. Frankfurt am Main 1991, S. 236 – 266, hier S. 239. 74 Jurt, Joseph: Bourdieu (Grundwissen Philosophie). Stuttgart 2008, S. 66. 75 Krais, Beate: Soziales Feld, Macht und kulturelle Praxis. Die Untersuchungen Bourdieus über die verschiedenen Fraktionen der ‚herrschenden Klasse‘ in Frankreich. In: Eder, Klaus (Hg.): Klassenlage, Lebensstil und kulturelle Praxis. Beiträge zur Auseinandersetzung mit Pierre Bourdieus Klassentheorie. Frankfurt am Main 1989, S. 47 – 70, hier S. 51. 76 Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, 2009, S. 182, 188 – 189.

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Das Wissenschaftsfeld ist der soziale Raum, in dem sich die ­W issenschaftler bewegen.77 Westliche, stark ausdifferenzierte Gesellschaften bestehen bei ­Bourdieu aus verschiedenen sozialen Feldern, so dem politischen, dem ökonomischen, dem religiösen oder dem wissenschaftlichen Feld. Das Feld ist ein System von Beziehungen der Positionen zueinander, welche die Akteure einnehmen und die wiederum von ihrem Habitus maßgebend bestimmt werden.78 Habitus und soziales Feld beeinflussen sich wechselseitig, das Feld wird vom Habitus der Akteure geschaffen, gleichzeitig formt das Feld ihren Habitus. Das Feld ist demnach der konkrete Handlungsspielraum der Habitusformen.79 Aufgrund der wechselseitigen Beziehung von Habitus und Feld können Haltungen bestimmter sozialer Gruppen als kollektive Dispositionen des Felds erfasst werden.80 Jedem Feld ist der Prozess der Herausbildung von Autonomie im Verhältnis zu den anderen Feldern inhärent.81 Die Autonomie eines sozialen Felds ist dann erreicht, wenn Regeln und Symbole etabliert sind, die nur in diesem Feld Geltung haben.82 Im wissenschaftlichen Feld umfasst der Autonomisierungsprozess die Ausformung spezifischer Kommunikations- und Kapitalformen. Die Mitglieder des Felds produzieren Texte, Tabellen und Formeln, die nur von den anderen Mitgliedern auf ihre Tauglichkeit hin gelesen werden können, für Feldexterne sind diese Formen der Bewertung und Wahrnehmung unverständlich.83 Dabei sind die Felder immer nur relativ autonom, eine vollständige Autonomie existiert nie, weder ökonomisch noch symbolisch. Vielmehr arbeiten die Positionsinhaber im Feld ständig an der Reinigung ihres Felds von heteronomen Elementen. Die Autonomisierung ist daher als ein unabgeschlossener Prozess zu betrachten, die Feldautonomie

77 Vgl. Blaschke, Olaf/Raphael, Lutz: Im Kampf um Positionen. Änderungen im Feld der französischen und deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945. In: Eckel, Jan/­Etzemüller, Thomas (Hg.): Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft. Göttingen 2007, S.  69 – 109. 78 Vgl. Bourdieu, Strukturalismus und soziologische Wissenschaftstheorie, 1974, S. 19 – 20; Bourdieu, Pierre: Vom Gebrauch der Wissenschaft. Für eine klinische Soziologie des wissen­schaftlichen Feldes (éditions discours 12). Konstanz 1998, S. 20. 79 Raphael, Forschungskonzepte für eine „reflexive Soziologie“, 1991, S. 241. 80 Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“, 2007, S. 37. 81 Bourdieu, Vom Gebrauch der Wissenschaft, 1998, S. 18. 82 Ebd., S. 23. 83 Vgl. Bourdieu, Die Regeln der Kunst, 1999, S. 223, 459.

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ist immerzu davon bedroht, dass der heteronome Pol im jeweiligen Feld überwiegen kann.84 Ein soziales Feld ist vergleichbar mit einem Spielfeld. Einmal ins Spielfeld eingetreten, eröffnen sich dem Spieler bestimmte Möglichkeiten, seinen Handlungsspielraum zu erweitern. Dazu muss der Spieler erfassen, wie die Mitspieler auf seine Handlungen reagieren, wie ihre nächsten Spielzüge aussehen werden.85 Jeder Akteur im Feld handelt daher in einer Antizipation der Zukunft, welche ihn sein Gegenwartserlebnis erkennen lässt. Voraussetzung dafür ist, die dem Feld immanenten Spielregeln zu kennen, deren „Erkennen und Anerkennen […] all denen stillschweigend aufgenötigt wird, die Zugang zum Spiel gewinnen.“86 Der Glaube an die Regeln des Wissenschaftsfelds ist demnach die grundlegendste Eintrittshürde in dieses Feld. Bourdieu nennt diesen Glauben illusio: „die illusio ist die Voraussetzung für das Funktionieren eines Spiels und zugleich, ­zumindest partiell, auch sein Ergebnis.“87 Wer sich nicht an die Spielregeln hält, dem wird entweder kein Zugang zum Feld gewährt, oder er wird, wenn er bereits ins Feld eingetreten ist, davon ausgeschlossen. Alle Versuche, mit feldfremden Mitteln im wissenschaftlichen Feld Machtpositionen zu erlangen, können nur dann erfolgreich sein, wenn der heteronome Pol im Feld überwiegt. Sobald die relative Autonomie im Feld wiederhergestellt ist, werden die betreffenden Akteure bestraft. Die Regeln des Felds können jedoch aufgrund von längerfristigen gesamtgesellschaftlichen Wandlungen tief greifend verändert werden. Die aus den Handlungen der Akteure resultierenden Handlungsobjekte fasst Bourdieu mit dem Begriff des Kapitals.88 Kapital ist akkumulierte Arbeit, das in materieller oder symbolischer Form fassbar ist. Bourdieu unterscheidet dabei zwischen ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital. Das symbolische Kapital ist keine weitere Kapitalsorte, sondern meint Prestige oder Ehre und hat nur innerhalb eines spezifischen Felds Wirkungskraft.89 Die Menge und die Qualität der Publikationen, die für Wissenschaftler in ihrem Feld prestige­trächtig sind, haben im wirtschaftlichen oder im politischen Feld z. B.

84 Vgl. Bourdieu, Pierre: Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft. Frankfurt am Main 2001, S. 30. 85 Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, 2009, S. 146. 86 Bourdieu, Die Regeln der Kunst, 1999, S. 427; Bourdieu, Pierre: Le champ scientifique. In: Actes de la recherche en sciences sociales (1976) 2/3, S. 88 – 104. 87 Bourdieu, Die Regeln der Kunst, 1999, S. 360. [Herv. i. Orig.] 88 Jurt, Bourdieu, 2008, S. 70. 89 Ebd., S.  84 – 85.

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kaum Geltung. Das symbolische Kapital im Wissenschaftsfeld ist demnach die wissen­schaftliche Autorität.90 Im Gegensatz dazu kann das soziale Kapital in m ­ ehreren Feldern zur gleichen Zeit erworben und zur Wirkung gebracht werden. Es umfasst „die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institu­ tionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sind“.91 Das soziale Kapital wird durch die Zugehörigkeiten zu bestimmten Gesellschaften, Vereinen oder Klubs erworben.92 Obwohl Bourdieus Theorie nicht mit einem Ökonomismus zu verwechseln ist, stellt für ihn das ökonomische Kapital die grundlegendste Kapitalsorte dar. Es ist diejenige Kapitalsorte, die vor allem dem Machtfeld der Politik und dem Wirtschaftsfeld eigen ist. Ohne das ökonomische Kapital hätten das kulturelle und das wissenschaftliche Feld keine Existenzgrundlage. Für die soziale Distinktion dagegen ist das kulturelle Kapital wichtiger als das ökonomische, sein Besitz zeigt sich in der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen, Familien oder Standesorganisationen.93 Kulturelles Kapital tritt in verschiedenen Zuständen auf. Im verinnerlichten Zustand äußert es sich in Sprechweise, Gestik und Verhalten. Das Familienmilieu und die schulische Erziehung sind besonders wichtig für den Erwerb dieser Art des kulturellen Kapitals. Im objektivierten Zustand hat es die Form von materiellen, übertragbaren, symbolischen Gütern wie Büchern oder Bildern. Das Maß an inkorporiertem kulturellem Kapital bestimmt, wie über das objektivierte verfügt werden kann. Im institutionalisierten Zustand schließlich umfasst es Titel oder Stellen, die eine gesellschaftliche Bestätigung des Besitzes von kulturellem Kapital darstellen. Einmal erworben, ist der Titel ein bleibender Wert, wohingegen Wissenschaftler ohne Titel ihre Kompetenzen dauernd unter Beweis stellen müssen.94 In jedem sozialen Feld existieren für Bourdieu grundsätzlich zwei Positionen, diejenige der Herrschenden (dominants) und die der Beherrschten (dominés).

90 Bourdieu, Pierre: The Specificity of the Scientific Field and the Social Conditions of the Progress of Reason. In: Biagioli, Mario (Hg.): The Science Studies Reader. New York, London 1999, S. 31 – 50, hier S. 33. 91 Zitiert in: Jurt, Bourdieu, 2008, S. 77. [Herv. i. Orig.] 92 Bourdieu, Die feinen Unterschiede, 1982, S. 177 – 178; Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, 2009, S. 219 – 220. 93 Raphael, Forschungskonzepte für eine „reflexive Soziologie“, 1991, S. 254. 94 Vgl. Bourdieu, The Specificity of the Scientific Field, 1999, S. 35; Jurt, Bourdieu, 2008, S.  72 – 77.

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Im wissenschaftlichen Feld sind die Herrschenden die aktuellen Inhaber der Deutungsmacht wissenschaftlichen Wissens; sie verfügen über die legitimierende Macht (Orthodoxie) im Wissenschaftsfeld.95 Die Beherrschten können zwei Strategien wählen, um irgendwann eine mächtige Position einzunehmen: Entweder folgen sie der Orthodoxie oder sie nehmen eine revolutionäre, heterodoxe Position ein. Eine orthodoxe Strategie ist, sich als Nachfolger der Mächtigen im Feld zu positionieren, heterodoxe Strategen versuchen dagegen, die wissenschaftliche Autorität umzustoßen. Das wissenschaftliche Feld ist daher vom ständigen Kampf zwischen Beherrschten und Herrschenden um die wissen­schaftliche Deutungshoheit bestimmt.96 Nach Bourdieu kann wissenschaftliche Autorität als spezifische Kapitalform des Wissenschaftsfelds unter bestimmten Umständen um- und ausgetauscht werden.97 Denn die Akteure benötigen die Kapitalsorten aus anderen Feldern, um das feldeigene Vermögen zu steigern – ein soziales Feld kann ohne die anderen Felder nicht existieren. Feldfremde Kapitalsorten können aber nicht ohne Weiteres im wissenschaftlichen Feld wirksam eingesetzt, sondern m ­ üssen in die wissenschaftlichen Symbolformen umgewandelt werden. Das Feld muss „äußere Zwänge oder Anforderungen […] brechen“.98 Felder, in denen die mobilisierten Kapitalsorten aus anderen Feldern nicht umgewandelt werden können, sind folglich vom heteronomen Pol bestimmt. Obwohl Wissenschaftler und NS-Politiker als grundsätzlich gleichwertige Handelspartner erscheinen, darf das Prinzip des Kapitalsortenaustauschs nicht suggerieren, es hätte sich bei den Verflechtungen von Wissenschaftlern und NSPolitikern um ein reibungsloses Für- und Miteinander gehandelt. Es ist zwar richtig, dass sozialstrukturelle Homologien und weltanschauliche Kongruenzen einen Austausch erleichterten, bisweilen erst ermöglichten, Wissen­schaftler und Politiker verfolgten jedoch Ziele, die ausschließlich in ihrem Feld Geltung hatten. Nur unter Umwandlung dieser Absichten in die Ziele des jeweils anderen Felds konnten die eigenen Bestrebungen erfolgreich umgesetzt werden. NS-Politiker konnten den Wissenschaftlern ihre Wünsche und Belange so intensiv und aggressiv antragen, wie sie wollten, wenn diese Zielsetzungen 95 Bourdieu, Le champ scientifique, 1976, S. 92, 89. 96 Jurt, Bourdieu, 2008, S. 94. Vgl. Bourdieu, The Specificity of the Scientific Field, 1999, S. 31, 32, 37, 41; Bourdieu, Le champ scientifique, 1976, S. 96; Bourdieu, Die Regeln der Kunst, 1999, S. 204. 97 Bourdieu, Le champ scientifique, 1976, S. 93. 98 Bourdieu, Vom Gebrauch der Wissenschaft, 1998, S. 19. [Herv. i. Orig.]

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nicht ins Wissenschaftsfeld übersetzbar waren, blieben sie für die Wissenschaftler uninteressant. 2.1.3 QUELLENAUSWAHL UND AUFBAU

Die Auswahl der Quellen spiegelt sich in der Struktur der vorliegenden Arbeit wider. Einleitung, Schlussfolgerungen und Anhang ausgenommen, ist der Text in drei Teile gegliedert. In Kapitel 3 (S. 47) geht es mir darum, die Bedeutung von Burg und Schloss im politischen Feld herauszuarbeiten, um zu prüfen, ob eine gesteigerte Förderung der Burgenforschung durch NS-Politiker tatsächlich zu erwarten ist. Die Quellen, die dem Kapitel 3.1 (S. 47) zugrunde liegen, sind sehr heterogen. Es handelt sich um publizierte zeitgenössische Schriften und Reden von Vertretern der NS-Elite und um Manuskripte oder Reden, die später von Historikern veröffentlicht wurden, also ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Zudem sind die Akten aus den Beständen zum Persönlichen Stab des Reichsführers SS und zu anderen NS-Organisationen und NS-Stäben, zahlreiche Zeitungsartikel aus NS-Zeitungen wie dem „Völkischen Beobachter“ oder „gleichgeschalteten“ Tageszeitungen sowie Bilder herangezogen worden. In Kapitel 3.2 (S. 80) gehe ich der Frage nach dem Verhältnis von NS -Wissenschafts- und Kulturpolitik und Wissenschaftsfeld nach, um die daraus gewonnenen Ergebnisse auf die Burgenforschung anzuwenden. Als Grundlage dienen hier vor allem die Akten der DFG. In Kapitel 4 (S. 153) werde ich die biografischen Sondierungen der drei erwähnten Wissenschaftler vornehmen. Ihr je eigener Habitus führte zu unterschiedlichen Verhaltensweisen gegenüber den NS-Politikern. Die Laufbahnen sind verallgemeinerbar, stehen für kollektive Dispositionen, gleichzeitig darf das Individuelle und Einmalige an ihnen nicht vernachlässigt werden. Die Entscheidungen der Akteure sind durch die jeweiligen sozialen Dispositionen erklärbar, müssen aber auch als Resultate kontingenter Situationen gesehen werden. Die Quellenlage für diese drei Kapitel ist sehr unterschiedlich. Liegt bei Walter Hotz ein mehr oder weniger geschlossener Nachlass vor, der wissenschaftliche Tagebücher und private Korrespondenz enthält, kann bei Gotthard Neumann fast nur auf die fachbezogene Korrespondenz und auf unveröffentlichte wissen­ schaftliche Unterlagen zurückgegriffen werden. Bodo Ebhardts Nachlass umfasst dagegen fast das ganze Archiv der Deutschen Burgenvereinigung e. V. Bei allen drei Nachlässen muss davon ausgegangen werden, dass sie von Material gereinigt wurden, das die Wissenschaftler oder ihre Angehörigen als belastend empfanden. Hotz’ Nachlass enthält nahezu keine Korrespondenzen aus den 1930er- und

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1940er-Jahren, was allerdings auch damit zusammenhängt, dass seine Berliner Wohnung 1945 geplündert wurde und er sein Hab und Gut verlor. Um die Praktiken der Burgenforschung geht es in Kapitel 5 (S. 297). Am Beispiel von zwei Burgenunternehmen, die beide von NS-Politikern initiiert wurden, frage ich nach der methodischen Entwicklung der verschiedenen Ansätze in der Burgenforschung während des NS-Regimes. Dass nicht nur die Wissenschaftler bestrebt waren, ihre Unternehmen möglichst erfolgreich abzuschließen, sondern auch die involvierten NS-Politiker, liegt darin begründet, dass es sich bei den Fallbeispielen um Prestigeobjekte handelte. Die verwendeten Methoden lassen sich deshalb besonders gut aufzeigen, weil beide Ausgrabungen finanziell großzügig unterstützt wurden. Unterlagen zu den beiden Burgenunternehmen, die nicht publiziert sind, finden sich in den Landes- und Hauptstaatsarchiven oder in den Museen der jeweiligen Länder, Kreise und Orte, in denen die entsprechende Burg liegt. Zum Schluss werden die Ergebnisse der Studie zusammengeführt. Dies umfasst erstens die Frage, warum die Burgenforschung zu keinem fest gefügten Forschungsbereich während des NS-Regimes geworden war. Zweitens wird ein Definitionsvorschlag des ‚Völkischen‘ und ‚Rassischen‘ in der Burgenforschung unternommen. Drittens werde ich die Frage nach dem Verhältnis von methodischen und theoretischen Entwicklungen in der Burgenforschung im NS-Regime und ‚völkisch-rassischen‘ Denkfiguren klären.

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3 NATIONALSOZIALISMUS, BURGEN, BURGENFORSCHUNG Im nachfolgenden Kapitel werden die Bedeutungen der Burgen und Schlösser im politischen Feld 1933 bis 1945 aufgezeigt, um zu klären, ob eine verstärkte Förderung von Denkmalpflege und Burgenforschung durch NS-Politiker zu erwarten ist. Es ist bereits festgestellt worden, dass das Motiv Burg in der NSPolitik offenbar eine signifikante Bedeutung hatte. Es gilt nun darzulegen, in welchen gesellschaftlichen Bereichen NS-Deutschlands Burgen und Schlösser eine Rolle spielten. Anhand der Ergebnisse werden dann in Kapitel 3.2 (S. 80) das Verhältnis von NS-Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsfeld und die Entwicklung dieses Verhältnisses während der NS-Herrschaft dargestellt, um im Anschluss die Burgenforschung darin einzubinden. 3.1 BURGEN ALS ORTE VON NATIONALSOZIALISTISCHER HERRSCHAFTSPRAXIS UND WELTANSCHAULICHER SINNPRODUKTION

1936 publizierte Reichsorganisationsleiter Robert Ley, Chef der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und seit 1932 zuständig für die Schulung der NSDAP, ein Heft mit dem Titel „Der Weg zur Ordensburg“. Darin schrieb er, dass er schon 1933 damit begonnen habe, die drei „Ordensburgen“ Vogelsang, Krössinsee und Sonthofen in Angriff zu nehmen. „Wenn man mich heute fragt, ob ich damals schon die Erkenntnis gehabt habe, die ich heute zur Grundlage der nationalsozialistischen Erziehungsarbeit mache, so muss ich antworten: Nein. Ich habe den Bau dieser drei gewaltigen Burgen weit mehr intuitiv begonnen als aus verstandesmäßigem Wissen.“ Er müsse gestehen, dass ihn seine eigenen Mitarbeiter „vor dieser gewaltigen geldlichen Belastung der Deutschen Arbeitsfront warnten [,] und doch hielt ich an dem einmal gefassten Plane stur fest.“ Dann beschrieb Ley den besonderen Charakter der Bauten: „Diese drei Burgen sind von Grund auf neu erbaut. Wo sie stehen, war vorher nichts. Ich wollte keine alten Burgen und Schlösser umbauen.“ Denn er sei davon überzeugt, „dass man diese neue, gewaltige Weltanschauung Adolf Hitlers nicht in alten, modrigen und verstaubten Gebäuden predigen und lehren kann.“1 1

Ley, Robert: Der Weg zur Ordensburg. Berlin 1936, Bl. 2 – 3.

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Der DAF-Chef ließ ab 1934 die erwähnten NS-Ordensburgen Vogelsang in der Eifel, Sonthofen im Allgäu und Krössinsee bei Złocieniec im heutigen Polen – eine vierte war unmittelbar neben der Marienburg bei Danzig geplant, eine fünfte in Kasimierz in Polen, sie wurden jedoch nie gebaut – bei den Architekten Clemens Klotz und Hermann Giesler in Planung geben.2 Wie Ley betonte, war der Grund, warum er Neubauten in Burgform errichten und keine mittelalterlichen Burgen für seine Absichten wiederherstellen lassen wollte, der, dass die neue und junge Bewegung des Nationalsozialismus in modernen Gebäuden gelehrt werden sollte. Weiter unten in Leys Publikation ist zu lesen: „Technisch sind diese drei Burgen in jeder Hinsicht vollkommen.“3 Sinn und Zweck dieser Bauten war die Erziehung und Schulung der kommenden NS-Führungselite, der sogenannten Junker, gleichzeitig sollten die NS-Ordensburgen Tagungsorte der Partei sein. Die NS-Ordensburgen waren Teil der nationalsozialistischen Jugenderziehung und Nachwuchsführerschulung, zu der auch Reichs- oder Gauschulungsburgen, verschiedene Lager­ typen oder die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NPEA) gehörten.4 Die vornehmlich männliche Führungselite des NS-Staats sollte in diesen „Burgen“ nach den Grundsätzen der NS-Weltanschauung erzogen werden.5 Einem unpubliziert gebliebenen Manuskript eines NS-Erziehers zufolge sollte nur den besten Studenten eine solche Ausbildung zuteilwerden. Nach dem NS-Erziehungsprogramm mussten die jungen Männer zuerst während sechs Jahren die Adolf-Hitler-Schulen besuchen, anschließend an einer Hochschule studieren oder einen Beruf erlernen und sich parallel dazu in der Partei engagieren. Im Alter von 23 Jahren erfolgte „bei hervorragender Bewährung […] 2

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Rogler, Rudolf: Ordensburg Sonthofen. In: Die Kunst im Dritten Reich 2 (1938) 2, S. 68 – 75. Vgl. Klein, Gerhard: Die NS-Ordensburg Sonthofen 1934 bis 1945. In: Ciupke, Paul/Jelich, Franz-Josef (Hg.): Weltanschauliche Erziehung in Ordensburgen des Nationalsozialismus. Zur Geschichte und Zukunft der Ordensburg Vogelsang (Geschichte und Erwachsenenbildung 20). Essen 2006, S. 65 – 84. Vgl. Heinen, Franz Albert: NS-Ordensburgen Vogelsang, Sonthofen, Krössinsee. Berlin 2011, S. 23. Ley, Der Weg zur Ordensburg, 1936, Bl. 60. Ciupke, Paul/Jelich, Franz-Josef, „Steinerner Zeuge des Ewigkeitswillens“? Zur Diskussion um Geschichte und künftige Gestaltung der NS-Ordensburg Vogelsang – eine Einleitung. In: Ciupke/Jelich (Hg.), Weltanschauliche Erziehung, 2006, S. 7 – 14, hier S. 9. Vgl. Gohdes, Otto: Schulung des deutschen Volkes. In: Der Arbeitgeber Nr. 16 vom 15.8.1933. In: BAR, NS 5/VI 344, Bl. 12. Vgl. Arntz, Hans-Dieter: Ordensburg Vogelsang 1934 – 1945: Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich. Euskirchen 1986, S. 79 – 92.

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die Ausmusterung für die Ordensburgen durch die Kommission, in der Ley den Vorsitz hat.“6 Außer ihrer Benennung und der architektonischen Gestaltung hatten die NS-Ordensburgen mit historischen Mittelalterburgen nichts zu tun. Die Verbindung jener Neubauten mit den historischen Burgen ergibt sich bei näherem Hinsehen aber rasch: In der Ideenwelt der NS-Ideologen waren NS-Ordens­ burgen und mittelalterliche Burgen nahezu austauschbar, denn für NS-Ideologen war der Bezug auf eine mythisierte Form von Geschichte und auf ästhetische Elemente entscheidend, und nicht der Rekurs auf geschichtswissenschaftliche Wahrheiten.7 NS-Ideologen sahen in der Geschichte „only a conglomerate of subjective thoughts; a wishful thinking rather than a coherent and systematic theory“.8 Ein Zeitungsartikel über „Deutsche Burgen“ von 1943 verdeutlicht dieses Ideologem. Der Autor stellte darin fest, dass Burgen als „Wahrzeichen kraftvoller Wehrhaftigkeit […] in die Gegenwart“ hineinragen würden, „[i]hr Bild und Geist lebt in den neuen Ordensburgen fort, in denen deutsche Jugend zu den bleibenden Idealen ritterlicher Haltung und Tapferkeit erzogen wird.“9 Burgen symbolisierten ewige Werte und waren Orte, an denen weltanschauliche Inhalte in allgemein verständliche Formen umgewandelt und durch konkrete Handlungen der Bevölkerung vermittelt werden konnten.10 Insofern finden sich die meisten ideologischen Elemente, die im oben zitierten Text von Ley enthalten sind, auch im Umgang der NS-Ideologen und NS-Politiker mit historischen Burgen. Dazu gehörten die Erziehung der deutschen Jugend, die Ewigkeitssemantik und die damit verbundene Mystifizierung der deutschen Geschichte sowie die Unfertigkeit der Planungen generell, welche NS-Ideologen mit der Bezugnahme auf den „Instinkt“, der die Ratio ersetzen sollte, ­rechtfertigten. 6 o. A.: MS , Die Parteiverwaltung: Zur Führer-Nachwuchsbildung, undatiert. In: BAR , ZS g. 119/1, Bl. 28. Vgl. Scholtz, Harald: Die „NS -Ordensburgen“. In: VfZ 15 (1967) 3, S. 269 – 298, hier S. 272. 7 Vgl. Lammers, Geschichte, Ästhetik und Erziehung, 1999, S. 302, 312. 8 Cassirer, Ernst: The Myth of the State. Bearb. von Maureen Lukay (Ernst Cassirer. Gesammelte Werke, Hamburger Ausgabe, 25). Hamburg 2007, S. 222. 9 o. A.: Deutsche Burgen. In: Bilder der Woche. Herausgegeben von: Wehrbetreuung der Luftwaffe Folge 171 vom 21.2.1943. In: BAR, ZSg. 119/175. Vgl. Clemens-Schierbaum, Ursula: Mittelalterliche Sakralarchitektur in Ideologie und Alltag der Nationalsozialisten. Weimar 1995, S.  11 – 12. 10 Vgl. Behrenbeck, Sabine: Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung 2). Vierow bei Greifswald 1996, S. 40.

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Tatsächlich erhielt kein einziger Lehrgang in Leys „Ordensburgen“ die höheren Abschlüsse, welche die Reichsorganisationsleitung konzipiert hatte.11 Als weltanschauliche Symbolobjekte differierten Mittelalterburgen und die NS -Ordensburgen aber in einem entscheidenden Aspekt: Im Gegensatz zu Ley interessierten sich Heinrich Himmler, Alfred Rosenberg und andere NSIdeologen für historische Burgen und damit auch für Geschichte, Archäologie, Volkskunde und Burgenforschung. Dadurch kamen sie zwangsläufig in Kontakt mit den Vertretern jener Wissenschaften und Forschungsbereiche. Im Folgenden werde ich den Bedeutungen der Burgen und Schlösser in der Ideenwelt und der Herrschaftspraxis der Nationalsozialisten nachgehen. Dabei stehen drei Fragen im Vordergrund: 1 |  Es ist zu fragen, ob Burgen im Vergleich zur Zeit der Weimarer ­Republik eine gesteigerte Bedeutung für die Nationalsozialisten hatten. Wenn diese Frage positiv beantwortet werden kann, wirft dies ein bezeichnendes Licht auf Resonanzen zwischen NS-Politikern und Burgenforschern und Denkmalpflegern. 2 |  Es ist zu prüfen, ob diesen Praktiken und Ideen Originalitätswert zuzuschreiben ist oder ob es sich dabei um ältere Elemente handelte, an welche die NS -Politiker und NS -Ideologen anknüpften. Im Fall einer Fortführung von bereits existierenden Elementen sind weitere Resonanzen zwischen NS-Politik und der Öffentlichkeit zu erwarten. 3 |  Darauf basierend ist aufzuzeigen, welche Möglichkeiten zur Mobilisierung von Kapitalsorten Burgenforschern und Denkmalpflegern aufgrund der Bedeutungen der Burgen und Schlösser im politischen Feld vorlagen. 3.1.1 BEDEUTUNGEN DER BURGEN UND SCHLÖSSER IM POLITISCHEN FELD

Burgen, Burgruinen und Schlösser gehörten zur NS-Jugend- und Führernachwuchserziehung sowie zur NS-Fest- und Feierkultur. Die Bauwerke konnten Abwehr- und Kriegsmetaphern in den Schriften und Reden von NS-Ideologen sowie in den Bildern der NS-Propaganda sein, solche Vorstellungen konnten aber auch im Kontext der Autarkie- und Siedlungspolitik der SS in die Realität umgesetzt werden. Weiter gehörten Burgen und Schlösser zum Lebensstil einzelner Vertreter der NS-Führungselite. Damit war auch das Bedürfnis verbunden, durch die Bauwerke den NS-Staat zu repräsentieren. Die spezifischen Ausprägungen dieser Funktionen und symbolischen Bedeutungen hingen stark 11 Piper, Ernst: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005, S. 399.

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von den einzelnen NS-Führerpersönlichkeiten ab. Meist standen entsprechende Funktionen und Ideologeme nicht von Beginn der NS-Herrschaft an fest, vielmehr entwickelten NS-Ideologen sie erst im Verlauf ihrer Herrschaft oder bauten die Burgen pragmatisch und dynamisch in bereits existierende Programme und Ideen ein. Nicht jede Verwendung eines Schlosses oder einer Burg durch eine NS-Organisation war dabei ideologisch motiviert. In vielen Fällen ist zudem eine Verbindung von praktischer Verwendung und Idee kaum nachweisbar. Ob z. B. die Einrichtung von Tötungsstätten geistig Behinderter in den österreichischen Schlössern Kainbach, Bertholdstein und Hartheim 12 in einem ideologischen Zusammenhang stand, ist kaum zu sagen. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Bauten des Konzentrationslagers Mauthausen in bossiertem Granitmauerwerk errichtet wurden, das an die Bauweise einer Stauferburg aus dem 13. Jahrhundert erinnert.13 Entweder lassen die vorhandenen Quellen solche Schlüsse nicht zu oder die entsprechende Verwendung war tatsächlich nicht ideologisch motiviert. In diesem Zusammenhang ist auch die Inbesitznahme von Burgen und Schlössern während des Zweiten Weltkriegs zur Einrichtung von Gefangenenlagern oder von Lazaretten zu erwähnen, die meist aus rein pragmatischen Gründen erfolgte.14 Erziehung des NS-Führernachwuchses

Die Idee, Burgen als Erziehungsstätten zu verwenden, war unter NS-Erziehern und Vertretern der NS -Führungselite ausgesprochen populär. Ausschlaggebend dafür war die Vorstellung, dass junge Menschen an einem von Stadtlärm und mondänen Versuchungen abgeschiedenen Ort effizienter zu einer politischen Elite herangebildet werden könnten. Die zu Erziehenden sollten in G ­ emeinschaften auf dem Land fernab von ihrem Alltag neue Formen des Zusammen­lebens und des Lernens erfahren.15 Das NS-­Erziehungssystem war kein einheitlich geplantes Programm, vielmehr handelte es sich um 12 Vgl. Teibenbacher, Die Nation als Burg, 2003, S. 689. 13 Vgl. Pütz, Die Burg im Nationalsozialismus, 2002, S. 49. 14 Vgl. Rothenhäusler, Gisela: Das Wurzacher Schloss 1940 bis 1945 – ein kleines Kapitel europäischer Geschichte. Kriegsgefangene im Oflag VC. Zivilinternierte aus Jersey. Jüdische Häftlinge aus Bergen-Belsen. Lindenberg 2008, S. 22 – 25. Vgl. Olinger, Lucien: Die Erinnerung wachhalten. Verzeihen heisst nicht vergessen. Vortrag gehalten am 17.9.1999 auf Burg Stahleck. In: EBI, Akte „Stahleck üb. Bacharach/Rhein. Ehemalige Burg, jetzt Jugendherberge/Rheinland-Pfalz“. 15 Vgl. Arntz, Ordensburg Vogelsang, 1986, S. 27 – 39. Vgl. Scholtz, Die „NS-Ordensburgen“, 1967, S. 272.

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unterschiedliche Erziehungsbemühungen verschiedener NS-Organisationen, die nur wenig aufeinander abgestimmt waren. Besonders die SS , die NPEA oder die Hitlerjugend (HJ) verwendeten mittelalterliche Burgen oder frühneuzeitliche Schlösser als Schulungszentren.16 Nach Harald Scholtz existierten im ‚Dritten Reich‘ bis zum Kriegsbeginn eine Reichsschulungsburg (Erwitte), 47 Gau- und 89 Kreisschulungsburgen.17 Bei diesen Schulungsburgen konnte es sich sowohl um historische Bauwerke handeln als auch um Neubauten wie die NS-Ordensburgen. Die NS-Erzieher zielten darauf ab, Krieger auf männlicher, Hüterinnen der biologischen Erhaltung des deutschen Volkes auf weiblicher Seite heranzubilden, um zukünftige Kriege und Expansionsbestrebungen des NS-Regimes bestreiten zu können.18 Im Denken der NS-Ideologen verhalfen nur Krieg und Kampf dem „neuen nationalsozialistischen Menschen“ zur Existenz.19 Favorisierte Erziehungssubjekte waren daher junge Männer. NS-Ideologen verbanden die Burg als Symbol für Kriegertum und Wehrhaftigkeit mit der Erziehung der NS-Volksgenossen zu Kampfbereitschaft und Kriegswille. Die Verbindung von Ideologie und Praxis kommt bei der Verwendung der Burgen durch die SS am deutlichsten zum Ausdruck. Nach ihrer rassenaristokra­ tischen Überzeugung waren Burgen für Reichsführer SS Heinrich H ­ immler und Reichsbauernführer Richard Walther Darré Schmieden eines neuen „Blutadels“, womit sie ein „bewusst gezüchtetes Führertum auf Grund ausgelesener Erbmasse“ meinten, verkörpert in der „rassischen Eliteeinheit“ der

16 Stellvertretend Heinrich Himmler an August Heissmeyer vom 13.2.1942. In: BAR, NS 19/2741, Bl. 1; August Heissmeyer an SS-Obersturmbannführer Rudolf Brandt vom 20.12.1942. In: Ebd., Bl. 10 – 11; Heinrich Himmler an Reinhard Heydrich vom 19.2.1942. In: Ebd., Bl. 6. 17 Vgl. Scholtz, Die „NS-Ordensburgen“, 1967, S. 273. Vgl. Raphael, Lutz: Die nationalsozialistische Ideologie. In: Ciupke/Jelich (Hg.), Weltanschauliche Erziehung, 2006, S. 15 – 32, hier S.  27 – 28. 18 Vgl. o. A.: Auszüge: „Deutscher Menschentyp“, Reichsschulverwaltung, undatiert. In: BAR, ZSg. 119/1. Vgl. Eder, Ernst Gerhard: Bilder des Körpers – Schönheit, Fitness, Nacktheit, Askese. In: Ehalt, Hubert Christian (Hg.): Inszenierung der Gewalt. Kunst und Alltagskultur im Nationalsozialismus (Historisch-anthropologische Studien 1). Frankfurt am Main u. a. 1996, S. 213 – 236, hier S. 214, 223. 19 Vgl. Vondung, Klaus: The Apocalypse in Germany. Columbia 2000, S. 169 – 183, 227 – 230, 337. Vgl. Vondung, Klaus: National Socialism as a Political Religion: Potentials and Limits of an Analytical Concept. In: Totalitarian Movements and Political Religions 6 (2005) 1, S.  87 – 95, hier S.  92 – 94.

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SS.20 Laut Himmler bedurfte das NS-Regime besonders nach der Entfesse-

lung des Zweiten Weltkriegs des Führernachwuchses, womit er neben den Gauschulungsburgen die Junkerschulen betraute, welche die SS bevorzugt in Schlössern einrichtete, so im Braunschweiger Schloss oder im Schloss von Bad Tölz.21 Die Schulungen bestanden aus weltanschaulicher und wissenschaftlicher „Durchbildung“, körperlicher Ertüchtigung und „Ausbildung des Charakters“. Laut einem 1938 verfassten Bericht des Burgkommandanten von Krössinsee wurden dort drei Schwerpunkte für die Schulungskurse gelegt: Rassenpolitik, Geopolitik, Geschichtspolitik.22 Ein Bild auf einer Einladungskarte zur Eröffnung der Gauschulungsburg Hohenwerfen bei Salzburg, datiert auf Anfang März 1939 (Abb. 1), vermittelt einen Eindruck von den Inhalten, die in den Kursen gelehrt wurden.23 Dargestellt ist ein uniformierter Nationalsozialist, der mit seiner Fahnenstange mit Hakenkreuzbanner das Bild in der Diagonalen teilt. Den linken unteren Bildrand säumt ein Teufel, der von der Fahne hinweggefegt wird. Verschiedene Attribute sind dem Dämon zugeordnet: der D ­ avidstern als Symbol für das Judentum, die Tiara und andere christliche Symbole, welche die Absetzung der NS-Weltanschauung von christlichen Werthaltungen symbolisieren. Das Krückenkreuz, das unter Kurt Schuschnigg Staatssymbol war, steht für den austrofaschistischen Ständestaat, dem das NS-Regime 1938 ein Ende setzte. In der Mitte des Bilds ragt die Burg Hohenwerfen empor, die 20 Darré, Richard Walther: Neuadel aus Blut und Boden. München 1930, S. 11; Himmler, ­Heinrich: Rede vor den SS-Gruppenführern zu einer Gruppenführerbesprechung im Führer­ heim der SS-Standarte „Deutschland“ am 8.11.1938. In: Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Herausgegeben von: Bradley F. Smith und Agnes F. Person. Mit einer Einführung von Joachim C. Fest. Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1974, S. 25 – 49, hier S. 39. 21 Heinrich Himmler an den Chef des SS -Führungshauptamtes, SS -Obergruppenführer Jüttner, vom 4.10.1943. In: BAR, NS 19/66, Bl. 1. Vgl. Kiekenap, Bernhard: SS-Junkerschule. SA und SS in Braunschweig. Braunschweig 2008; Schulze-Kossens, Richard: Militärischer Führernachwuchs der Waffen-SS. Die Junkerschulen. 2., erw. Aufl. Osnabrück 1987. Vgl. o. A.: SS-Führerschule in Tölz. In: Das Schwarze Korps Folge 32 vom 10.10.1935, S. 3. 22 o. A.: MS Die Parteiverwaltung, undatiert: Zur Führer-Nachwuchsbildung. In: BAR , ZSg. 119/1, Bl. 28; Scholtz, Die „NS-Ordensburgen“, 1967, S. 283. 23 Einladung zur Eröffnung der Gauschulungsburg Hohenwerfen bei Salzburg am 4. und 5.3.1939. In: BAR, NS 21/99. Die Eröffnungsfeier der „Gauburg“ Hohenwerfen fand noch vor der Eigentumsübertragung der Burg vom Land Salzburg an die NSDAP am 5. März 1939 statt. Vgl. o. A.: Gauburg Hohenwerfen eröffnet. Ein Festtag für den Gau Salzburg. In: Salzburger Volksblatt Nr. 54 vom 6.3.1939, S. 1 – 3. In: SLA, RStH GK 198/1940.

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mit dem Alpenpanorama szenisch verbunden ist. Burg und Alpen betonen die Wehrhaftigkeit des „österreichischen Grenzlands“. Während die regulären Lehrer an den NS-Ordensburgen Bereitschafts-, Hundertschafts- und Gemeinschaftsführer waren, die sich hauptsächlich um die körperliche Ausbildung der Junker kümmerten,24 waren oftmals Wissenschaftler als Haupt- oder Gastlehrer für die geistige Schulung zuständig. Volkskundler und Sprachforscher Ernst Christmann, Leiter des Saarpfälzischen Instituts für Landesund Volksforschung in Kaiserslautern (ab 1941 Westmark-Institut für Landes- und Volksforschung), oder der Historiker Theodor Schieder hielten auf der NS-Ordensburg Vogelsang Schulungsvorträge.25 Ein anderer junger Historiker, Erich Maschke, beteiligte sich an der Erstellung von Lehrplänen für die NS-Ordensburgen.26 Die zukünftigen NS -Führer sollten bereits im Kindesalter geschult werden, denn die Jugend war für Adolf Hitler die Bewahrerin der „ewigen Kraft des Deutschtums“.27 Es erstaunt daher nicht, dass NS-Erziehungspolitiker die Jugendkultur in besonderem Maße förderten. Hierzu gehörte insbesondere das Jugendherbergswesen, womit der Einbau von Jugendherbergen in Burgen und Burgruinen verbunden war. Die Burg Stahleck bei Bacharach am Rhein kann als prominentes Beispiel genannt werden. Seit 1925 befand sich die Jugendherberge auf Burg Stahleck im Bau, 1934 wurde sie dann zusammen mit anderen Jugendherbergen in rheinischen Burgen der HJ „übergeben“ (Abb. 2).28 Einem Artikel über den Besuch einer japanischen Delegation auf Burg Stahleck 1938 24 Vgl. Heinen, NS-Ordensburgen, 2011, S. 64 – 67 25 Ernst Christmann an Lehrgangsleiterin Pgn. Kröger, Reichslehrgang für Umsiedlerfrauen auf der NS-Ordensburg Vogelsang vom 16.3.1944. In: HMP Speyer, Akte „XG/M. Schriftverkehr 1944“. Vgl. Ernst Christmann an Dr. Behrens vom 8.4.1943. In: HMP Speyer, Akte „XG/M. Hist. Museum Allgemein (Sach.), 1943 – 44“. Der Mediävist Rudolf Buchner war auf der Ordensburg Sonthofen als Lehrer tätig. Vgl. Aly, Götz: Macht – Geist – Wahn. Kontinuitäten deutschen Denkens. Berlin 1997, S. 156. 26 Vgl. Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. akt. Aufl. Frankfurt am Main 2005, S. 393. 27 Hitler, Adolf: Mein Kampf. Bd. 2: Die nationalsozialistische Bewegung (32. bis 34. Aufl. der vorliegenden Ausgabe). München 1934, S. 449. 28 o. A.: Feier der Hitlerjugend anlässlich der Übergabe der Jugendburg Stahleck. In: Köthensche Zeitung vom 20.11.1934. In: EBI , Akte „Stahleck üb. Bacharach/Rhein. Ehemalige Burg, jetzt Jugendherberge/Rheinland-Pfalz“. Vgl. Strickhausen-Bode, Gabriele Nina: Stahls Stahleck. Ernst Stahl (1882 – 1957) und der Neuaufbau von Burg Stahleck am Rhein – eine Jugendherberge der Rheinprovinz im Kontext von Historismus und Heimatschutz, ­Jugendbewegung und Jugendburgidee (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung e. V A 12). Braubach 2007, S. 103.

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zufolge hatte das NS-Regime bis dahin über 200 Jugendherbergen einge­richtet, viele davon in Burgen oder Ruinen. Die Burgen waren offenbar beliebte Ausflugsziele: Laut dem Artikel hatten allein im Jahr 1937 mehr als 50.000 Besucher auf Burg Stahleck übernachtet, davon rund 5.000 Ausländer.29 Dabei waren die Burgen nicht nur Erlebnisorte für die Jugendlichen. Die „Münchner Illustrierte Presse“ berichtete 1933 von der Selbstständigkeit des jugendlichen Lebens auf der Burg Stahleck. Die Hitlerjungen würden sich mit Essenszubereitung beschäftigen, ihre Schuhe regelmäßig putzen, spielerisch würden sie den Kampf erlernen.30 Das Leben der Jugendlichen auf den Burgen war eine Vorwegnahme der späteren, auf Kampf- und Eroberungswillen abzielenden Erziehung in den Adolf-Hitler-Schulen und den NS-Ordensburgen. Jene „Volksgenossen“, die auf NS-Ordensburgen, Reichsführerschulen oder auf Burgen der HJ über eine längere Zeit hinweg geschult wurden, assoziierten mit dem jeweiligen Gebäude Gemeinschaft und inkorporierten auf die eine oder andere Weise die Inhalte, die ihnen vermittelt wurden. Besonders die Rituale und kultischen Handlungen, welche die Mannschaften auf den NS -Schulungsburgen veranstalteten, erzeugten emotionale Erfahrungen. NS Ordensburgen wie mittelalterliche Burgen wurden auf diese Weise zu kollek­ tiven Erfahrungs- und Erinnerungsorten. Noch 1986 existierte eine Vereinigung ehemaliger Ordensjunker, die sich jährlich zum gemeinsamen Austausch traf.31 Burgen in der NS-Kultur

Zur NS-Kultur gehörten Feiern, Feste und Rituale, die entweder exklusiv innerhalb einzelner NS -Organisationen stattfanden oder im öffentlichen Raum inszeniert wurden. Die SS veranstaltete ihre Rituale mit Vorliebe auf Burgen und Schlössern, wie z. B. Reinhard Heydrichs Todesfeier, die unter der Anwesenheit von 300 geladenen Gästen als aufwendige Zeremonie im Prager Schloss abgehalten wurde.32 Auf Schloss Wewelsburg, in dem Heinrich Himmler zuerst

29 o. A.: Jugendburg Stahleck als Vorbild. Japanische Pressevertreter besichtigen rheinische Jugendherbergen. In: Rheinisches Land Beilage der Düsseldorfer Nachrichten vom 15.9.1938. In: A DBV, Nr. 1002. 30 o. A.: Aus einer Jugendherberge. Burg „Stahleck“ bei Bacharach a. Rh. In: Münchner Illustrierte Presse Nr. 21 (1933). In: Ebd. 31 Arntz, Ordensburg Vogelsang, 1986, S. 11. 32 o. A.: Die Überführung auf die Burg. Nächtlicher Trauerzug durch Prag. In: Der Neue Tag vom 6.6.1942. In: BAR, ZSg. 119/182. Vgl. d’Almeida, Fabrice: High Society in the Third

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eine Reichsführerschule der SS einrichten wollte, während er später seine Pläne zugunsten eines neofeudalen Erholungsorts für die SS-Gruppenführer änderte, hielt die dort stationierte SS-Besatzung alternativreligiöse Feste wie Jul-Feiern oder Eheweihen ab, die Himmlers Vorstellung von der SS als „Sippenorden“ entsprachen.33 In der öffentlichen Sphäre spielte der „Kult um die toten Helden“ (Sabine Behrenbeck) eine herausragende Rolle in der NS-Weltanschauungspraxis. Damit war die Verehrung der im Ersten Weltkrieg gestorbenen deutschen Soldaten und der Gefallenen der NS-Bewegung gemeint. Der Totenkult war Bestandteil der mythischen Geschichtsdeutung der NS-Ideologen und stand in direktem Zusammenhang mit der Figur des Helden.34 Die Assoziation des unsterblichen Soldatenhelden mit mittelalterlichen Rittern und Burgen war naheliegend. Im Mai 1933 weihte Baldur von Schirach in der Burgruine der Pfalz zu Kaiserswerth im Rheinland eine Gedenktafel zu Ehren Albert Leo Schlageters ein und im Oktober wurde eine „ewige Schlageter-Flamme“ auf der Ruine entzündet.35 Die Verknüpfung von Tod, Heldentum und Burg zeigt sich besonders deutlich an den sogenannten Totenburgen. „Totenburg“ war die nationalsozialistische Bezeichnung für ein Soldatendenkmal. Architektonisch waren diese Denk­mäler oft an mittelalterliche Burgen angelehnt, wobei besonders die süditalienischen Stauferburgen als Vorbilder dienten. Das Ehrenmal Quero am Piave in Oberitalien wurde sogar direkt gegenüber der Stauferburg Castel Lagopesole in Süditalien errichtet, um die Analogie zwischen „heldischem Mittelalter“ und „modernem Kriegerheldentum“ szenisch zu verstärken (Abb. 3).36 NS-Ideologen verwendeten auch historische Burgen und Ruinen für die Inszenierung des NSHelden- und Totenkults. So wurde die Burg Spangenberg in „Horst-WesselBurg“ umbenannt, die Burgruine Wildenberg bezeichneten NS-Ideologen als „Gralsburg im Bayerischen Odenwald“. Dort sollte unter dem Protektorat des Gauleiters Unterfrankens Otto Hellmuth eine Weihestätte für Wolfram von Reich. Malden 2008, S. 218. 33 Hüser, Karl: Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation. 2. überarb. Aufl. Paderborn 1987, S. 33, 36. 34 Behrenbeck, Der Kult um die toten Helden, 1996, S. 99. 35 Gillissen, Max: Die Kaiserpfalz zu Kaiserswerth im Spiegel der Vergangenheit und Gegenwart. 3., durchges. Aufl. Düsseldorf 1933, S. 8. 36 Kriegsgräberfürsorge 20 (1940) 3, S. 46 – 47. In: BAR-Militärarchiv, MSG 3/767, Vgl. auch Kriegsgräberfürsorge 20 (1940) 1, S. 13. In: Ebd.; Kriegsgräber­fürsorge 20 (1940) 2, S. 20 – 21. In: Ebd. Vgl. Koshar, Rudy: Germany’s Transient Pasts: Preservation and National Memory in the Twentieth Century. Chapel Hill, London 1998, S. 159.

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Eschenbach eingerichtet werden, weil der mittelalterliche Sänger angeblich auf der Burg Wildenberg seine Gralsdichtung verfasst hatte.37 Dieser Bühnenbildcharakter von Burgen zeigt sich auch an den sogenannten Thingstätten. „Thingstätten“ waren Freilichttheaterbühnen, die architektonisch am antiken griechischen Theater orientiert waren. Die Thingspielbewegung inszenierte auf den Bühnen Schwänke und Volkstheater, später hielten dort die NS -Kulturorganisationen aufwendige Liturgien ab.38 1934 existierten 60 solcher Thingstätten in ganz Deutschland.39 Als Orte, an denen die Aufführungen stattfinden sollten, wählten die Vertreter der Thingspielbewegung oft malerische Ruinen oder Burgen, in deren Umgebung sie eine Freilichtbühne anlegten. Zu nennen sind das Gelände der Kaiserpfalz Gelnhausen in Hessen, die Wartburg bei Eisenach in Thüringen, das Areal der Marienburg oder das Koblenzer Schloss. Auch in jeder NS-Ordensburg hatten die Architekten eine solche Anlage einbauen lassen.40 Die Regisseure der NS-Festkultur verwendeten mit Vorliebe mittelalter­liche Burgen oder Altstädte mit mittelalterlichem Charakter für die Inszenierung von größeren nationalsozialistischen Feiern.41 Die nationalso­zialistischen Volksfeste lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass die NS-Kultur vor allem eine Massen- und Populärkultur war. Ein Werbeplakat für das Volksfest der NS Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) anlässlich des Reichsparteitags 1936 37 Vgl. Kaufmann, Karl Maria: Die Gralsburg im Bayerischen Odenwald. Die Wiederer­ weckung eines nationalen Heiligtums. In: Völkischer Beobachter vom 3.4.1935. In: BAR, R 43 II/1260, Bl. 18. Vgl. Hotz, Walter: Wildenberg und Wolfram von Eschenbach. In: Geistige Arbeit 8 (1937), S. 3 – 4. 38 Mosse, George L.: The Nationalization of the Masses. Political Symbolism and Mass Movements in Germany from the Napoleonic Wars through the Third Reich. New York 1975, S.  115 – 117. 39 o. A.: 60 Thingplätze in Deutschland. Großzügige Pläne für die sommerlichen Freilichtspiele – Reichsfestspiele in Heidelberg und vor der Marienburg. In: Hamburger Nach­richten Nr. 39 vom 24.1.1934. In: BAR, NS 5/VI 19504, Bl. 49. 40 Vondung, Klaus: Magie und Manipulation. Ideologischer Kult und politische Religion des Nationalsozialismus. Göttingen 1971, S. 70 – 71; Lieb, Stefanie: Der „Mythos Wartburg“ im 19. und 20. Jahrhundert – Mechanismen der Inszenierung und Instrumentalisierung und ihre Auswirkungen auf die bauliche Gestaltung der Burg. In: Großmann, G. Ulrich/­ Ottomeyer, Hans (Hg.): Die Burg. Wissenschaftlicher Begleitband zu den Ausstellungen „Burg und Herrschaft“ und „Mythos Burg“. Dresden 2010, S. 254 – 263, hier S. 258; o. A.: Politische Feierhandlung. Einweihung der Thingstätte in Koblenz. In: Frankfurter Zeitung Nr. 156/157 vom 26.3.1935. In: BAR, NS 5/VI 19504, Bl. 47. 41 So z. B. die Marienburg. Vgl. Vondung, Magie und Manipulation, 1971, S. 78.

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in Nürnberg (Abb. 4) verdeutlicht, wie Masseninszenierung und die mittelalter­ liche Kaiserburg v­ isuell miteinander verbunden wurden. Um die vielen Besucher dieses „Parteitags der Ehre“ zu unterhalten, organisierten die Parteistellen ein Programm mit Schießbuden und Bierzelten, Boxkämpfen, Kasperletheater für die Kinder sowie einem Reiterzelt. In einer eigens dafür angelegten Fest-Stadt baute die KdF-Organisation die Attraktionen auf und verwandelte die Umgebung Nürnbergs in einen Rummelplatz. Diese Form der Massenunterhaltung wird auf dem Bild durch den Reiter symbolisiert. Vor dem Hintergrund der Nürnberger Kaiserburg ist die abstrahierte Darstellung eines Feuerwerks zu sehen, das wohl dem populären Geschmack entsprechen sollte. Die Nürnberger Burg hatte großen Symbolwert im NS-Regime. Anlässlich des „Anschlusses“ Österreichs ans ‚Dritte Reich‘ wurden die mittelalter­lichen Reichskleinodien auf Weisung Hitlers von Wien auf die Kaiserburg in Nürnberg überführt.42 Das NS-Kulturkonzept konnte auch mit wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen verbunden sein. Mit der sogenannten Machtergreifung, so die Haltung vieler NS-Politiker und NS-Ideologen, sollten deutsche Kultur und Wirtschaft „wiederbelebt“ werden. Ein solches Unternehmen forcierte z. B. der bayerische NS-Ministerpräsident Ludwig Siebert. Kurz nach der Machtübernahme ließ Siebert ein Programm ausarbeiten, das der Arbeitslosigkeit entgegenwirken und gleichzeitig der Restauration der Burgen und Burg­ruinen Bayerns und der Pfalz zugutekommen sollte. Das sogenannte Ludwig-Siebert-Programm wies einen Etat von 60 Mio. RM auf, wovon rund 4 Mio. für die Restaurierung und den Wiederaufbau von Burgen und Schlössern vorgesehen waren.43 Neben der Wiederherstellung von reichsweit bedeutenden Bauwerken wie der Nürnberger Kaiserburg, der Festung Marienberg oder der Plassenburg bei Kulmbach beinhaltete das Programm die Instandsetzung vieler kleinerer Burgruinen.44 Siebert ließ die Burgen 42 Hotz, Walter: Die Reichskleinodien in Nürnberg. In: Deutsch-Evangelische Korrespondenz vom 8.9.1938 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 43 Fleischner, „Schöpferische Denkmalpflege“, 1999, S. 35. Dabei sollten etwa 150 Burgen und Schlösser in der Pfalz renoviert werden. Vgl. SchlV M, Akte „Trifels, V.023“, 1 – 3. Vgl. Huf, Sepp: Rudolf Esterer. Ein bayerischer Meister der Baukunst und Denkmalpflege. In: Stimme der Pfalz 8 (1957) 11/12, S. 3 – 7. Vgl. Weber, Paul Friedrich: Burgen werden restauriert. Steno­gramm über eine Bayernfahrt. In: Kölnische Zeitung. Ausgabe C/B SonntagsAusgabe Nr. 346 vom 9.7.1939. In: Bay HStA, NL Esterer 69. 44 Vgl. Heifer, Kurt: Produktive Denkmalpflege. Pressefahrt zu den im Rahmen des „LudwigSiebert-Programms“ erneuerten bayerischen Burgen und Schlössern. In: Der Mittag, 20. Jg., Nr. 155 vom 6.7.1939. In: Bay HStA, NL Esterer 69; Kammerer, Ernst: Bayerische ­Schlösser

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für Ausflügler attraktiv gestalten und sie durch Straßen und Wanderwege erschließen, sodass die NS-Volksgenossen mit dem Auto oder zu Fuß die Bauwerke besuchen und die Schönheiten der deutschen Landschaft genießen konnten. 1937 berichtete die Gauleitung Saarpfalz von einer „außerordent­ lichen Zunahme des Fremdenverkehrs“.45 Siebert verband mit seinem Programm auch die Absicht, Popularität bei der Bevölkerung und Prestige im politischen Feld zu erlangen. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ bezeichneten das Unternehmen als „sehr bedeutenden Kulturwillen“,46 die unzähligen Artikel in der bayerischen und der Reichspresse zeigen, dass Sieberts Restaurierungsprogramm in die Reihe der als wichtig angesehenen „Kulturwerke des Nationalsozialismus“ gehörte, welche die NS-Presse als selbstlose Taten des NS-Regimes hinstellte.47 Heinrich Himmler gratulierte Siebert 1941 zu seinen Leistungen: „Auch der Führer sprach neulich einmal beim Mittagessen sehr anerkennend darüber, wie sehr ihm diese geschmackvolle und geglückte Wiederinstandsetzung der Bayerischen [sic] Burgen und Schlösser durch Dich gefiele.“48 Bei diesem NS-Kulturkonzept handelte es sich um eine eigenwillige Mischung aus modernen und rückwärtsgewandten Elementen. Der Burghauptmann ­Krössinsees Paul Eckhardt meinte in einem Presseartikel, dass die NS-Ordensburgen architektonisch „eine kühne Verknüpfung altgermanischer Bauformen […] mit neuzeitlicher Technik in bester deutscher Vollendung und Gründlichkeit“ seien.49 Burgen, Schlösser, Bauernhäuser und alte Eichen gehörten genauso zu dieser NS-Ästhetik wie moderner Massentourismus und Hitlers Autobahnen.50 Darin verschmolzen Zukunftsvisionen mit einer angeblich im

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und Burgen. Beispiele einer neuen Denkmalpflege. In: Reichsausgabe der F ­ rankfurter ­Zeitung Nr. 344 – 345 vom 9.7.1939. In: Ebd. NSDAP Gauleitung Saarpfalz an die Oberbürgermeister und Bürgermeister der Städte und Gemeinden des Gaues Saarpfalz vom 19.11.1937. In: LASp, H 39, Nr. 2533. Link, Ulrich: Burgen und Schlösser. Gedanken nach einer Fahrt durch Bayern. In: M ­ ünchner Neueste Nachrichten, 92. Jg., Nr. 182 vom 1.7.1939. In: Bay HStA, NL Esterer 69. Stellvertretend Bäuml, M.: Kulturwerke des Nationalsozialismus. In: Völkischer Beobachter Nr. 131 vom 11.5.1937, S. 11. In: Bay HStA, NL Esterer 64. Heinrich Himmler an Ludwig Siebert vom 24.6.1941. In: BAR, NS 19/1017. Eckhardt, Paul: Von den drei Ordensburgen der NSDAP. Eine Synthese völkischer und landschaftlicher Ausdrucksform. In: Bunte Seite 96 (1936), S. 6. In: BAR, ZSg. 103/3156. Vgl. Schütz, Erhard: Faszination der blassgrauen Bänder. Zur „organischen“ Technik der Reichsautobahn. In: Emmerich, Wolfgang/Wege, Carl (Hg.): Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära. Stuttgart 1995, S. 123 – 145.

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Mittelalter wurzelnden deutschen Kulturtradition. Als verbindendes Element wirkte vor allem das Ewigkeitsideologem. Fritz Todt, Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen, schrieb 1937 über die Autobahnen: „Diese Bauwerke [sollten] nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern sie sollen hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft.“51 Burgen als Volksraum-, Abwehr- und Grenzmetaphern NS-Politikern schwebte sowohl das Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz in Europa vor als auch das der Eroberung großer geografischer Räume und deren Besiedlung mit NS-Volksgenossen nach vollzogener „Entvölkerung“. Hierbei ist zwischen den ostmitteleuropäischen und westlichen Gebieten zu differenzieren. Für den Osten waren weiträumige Umsied­lungen und ein räumlicher Neuentwurf geplant, im Westen dagegen beabsichtigten NS-Politiker, die Grenzen des Kaiserreichs zu Frankreich und Belgien zunächst wiederherzustellen, also das Elsass, Lothringen und Eupen-­Malmédy dem NS-Regime zuzuschlagen und ethnisch zu „germanisieren“. Das Ziel war jedoch nicht die vollständige Zerstörung der staatlichen Strukturen, vielmehr sollten Regierungen, Wirtschaft und Kultur im Westen unter deutsche Herrschaft gebracht werden.52 Erst für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren Annexionen weiterer Gebiete im „Westraum“ geplant. Der franzö­ sische Staat hätte dann einen Raum von etwa 50.000 Quadratkilometern an das NS-Regime abzutreten gehabt.53 In Schriften und Reden von NS-Ideologen sowie in der Bilderwelt der NSPropaganda und Presse fungierten die Burgen in diesem Zusammenhang als Volksraum, Abwehr- und Grenzmetaphern, durch welche die beherrschten und eroberten Räume semantisch geordnet wurden. Für die Strukturierung des Westraums und die Neujustierung der Grenze zu den „Romanen“ war vor

51 Todt, Fritz: Der Sinn des neuen Bauens. In: Die Straße 4 (1937) 21, S. 1 – 3, hier S. 3. Zitiert in: Schütz, Faszination der blassgrauen Bänder, 1995, S. 133. Vgl. Bartetzko, Dieter: Zwischen Zucht und Ekstase – zur Theatralik von NS-Architektur. Berlin 1985, S. 88. 52 Vgl. Mazower, Mark: Hitler’s Empire: How the Nazis Ruled Europe. London 2009 [2008], S.  15 – 30. 53 Vgl. Müller, Thomas: Imaginierter Westen. Das Konzept des „deutschen Westraums“ im völkischen Diskurs zwischen Politischer Romantik und Nationalsozialismus (Histoire 8). Bielefeld 2009, S. 327.

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allem die Metapher des „Reichs“ wichtig. Damit war ein imaginiertes Reich gemeint, das angeblich auf die mittelalterliche oder frühneuzeitliche territoriale Ordnung Europas zurückging. Die berüchtigte Denkschrift des Staatssekretärs im Reichsministerium des Inneren (RMdI) Wilhelm Stuckart zur beabsich­ tigten Neugliederung des „Westraums“ nach dem Zweiten Weltkrieg bezog sich auf die spätmittelalterliche Grenzziehung oder auf die territorialpolitischen Beschlüsse aus dem Westfälischen Frieden von 1648.54 Für Ludwig Siebert stellte die Burg Trifels in der Pfalz die Brücke vom Mittelalter zum NS-Regime dar. Der Trifels sei zur Zeit der Stauferkaiser „Mittelpunkt des Reichs“ gewesen, „Sinnbild deutscher Größe und Herrlichkeit.“ Im Rahmen seines Sanierungsprogramms sollte die Burg „aus vierhundertjährigem Schlaf in neuer Form zu neuem glanzvollen Leben erwachen und als nationale Weihestätte dem deutschen Volk bis in die fernste Zukunft die Wiedererstehung des Reiches in alter, ja in größerer Macht und Herrlichkeit künden.“55 Diese Verknüpfung von Mittelalterzeit und Gegenwart zeigt sich in der visuellen Komposition von „Westwall“ und Mittelalterburgen. Auf dem Bild von Adolf Kessler „Am Westwall wacht die Ehre“56 (Abb. 5) sind deutsche Soldaten dargestellt, die im Schutz dreier Burgen – Trifels, Anebos und Scharfenberg – ihre Geschütze an der Westwall-Panzersperre in Stellung bringen. Im Ewigkeitsmythos der NS-Ideologen war die Vorstellung von Zeit als etwas kontinuierlich Fortschreitendes infolge der Mystifizierung historischer Objekte und Persönlichkeiten aufgelöst. Der oft verwendete Begriff „Betonburg“ ist dafür ein Beleg.57 Laut Himmler und anderen SS-Ideologen war im Westen die Mehrheit der Menschen ehemals germanischen Ursprungs, befand sich jedoch aufgrund des „romanischen“ Einflusses seit Längerem in einer Phase der Degeneration. In Osteuropa dagegen war die Bevölkerungslage SS-Ideologen zufolge in ‚rassischer‘ Hinsicht von völlig anderer Art. Zwar existierten laut Himmler bereits

54 Vgl. Schöttler, Peter: Eine Art ‚Generalplan West‘. Die Stuckart-Denkschrift vom 14. Juni 1940 und die Planungen für eine neue deutsch-französische Grenze im Zweiten Weltkrieg. In: Sozial.Geschichte 3 (2003), S. 83 – 131, hier S. 95. 55 Siebert, Ludwig: Deutsches Kulturschaffen als völkische Pflicht. In: Siebert, Ludwig (Hg.): Wiedererstandene Baudenkmale. Ausgewählte Arbeiten aus dem Ludwig-Siebert-Programm zur Erhaltung bayerischer Baudenkmale. München 1941, S. 7 – 10, hier S. 9. 56 Vgl. Oberleutnant Culemann an Bodo Ebhardt vom 9.3.1940. In: A DBV, Nr. 2021. 57 Stellvertretend Schuhmann, Hans: Schöpfer des Europawalls. Erweiterte Aufgaben der OT . In: Münchner Neueste Nachrichten vom 24.1.1944. In: BAR, ZSg. 119/48.

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Mischformen, in denen entweder das germanische oder das sla­wische Element überwog, doch in ihrer „Urform“ seien Germanen und Slawen voneinander verschieden: Für Himmler und andere SS-Ideologen waren die Germanen den Slawen physisch, geistig und kulturell überlegen.58 Legi­timiert durch solche Ideologeme sollten die eroberten Ostgebiete laut SS-Strategen ‚rassisch‘ ­kolonisiert werden, was die „Ausmerzung“ unerwünschter Bevölkerungsgruppen und die anschließende „germanische Besiedlung“ jener Gebiete bedeutete. Himmler maß den Mittelalterburgen in den besetzten Ostgebieten daher eine andere Bedeutung zu als im Westen. In einer Rede von 1939 äußerte er den Wunsch, „dass diese Tausende von SS-Männern nicht nur Soldaten seien, sondern Gründer von Familien, dass von hier aus wertvollstes adeliges Blut gezüchtet werde, damit einmal um Deutschland herum ein Ring von 80, 100 Millionen germanischer Bauern sich legen könne“, was die Voraussetzung dafür sei, „das große germanische Imperium“ zu schaffen. Die germanischen Bauern sollten in so genannten Wehr- und Hegehöfen leben und von dort aus dann weitere Gebiete besiedeln und kultivieren.59 In diesem Kontext h ­ atten für Himmler die Burgen entweder die Funktion von Herrschaftszentren, von denen aus die „Hegehöfe“ der deutschen „Wehrbauern“ überwacht und beschützt werden konnten, oder sie bildeten für ihn kolonisatorische Stützpunkte für die nachrückenden deutschen Siedler. Wie im „Westraum“ sollte der erdachte „germanische Siedlungsraum“ auch im Osten von einem Grenzgebiet gesäumt werden. Die Tatsache, dass die erdachte „Volksgrenze“ in einem Gebiet zwischen der Krim im Südosten bis vor dem heutigen St. Petersburg lag, wie Raum­ planer und Agrarforscher Konrad Meyer in seiner dritten und letzten Version des sogenannten Generalplans Ost von 1942 vorgeschlagen hatte, macht die Einordnung der NS-Raum- und Siedlungsplanungen in die von alldeutschen Vordenkern und dem völkischen Literaturprofessor Adolf Bartels bereits 1914 ventilierte Denkschrift über „Westrussland deutsch“ deutlich, die in nuce ­Meyers Ideen vorwegnahmen.60

58 Vgl. Mazower, Hitler’s Empire, 2009, S. 102 – 136, 179 – 222. 59 Himmler, Heinrich: Rede in Wien 1939. In: Himmler, Geheimreden, 1974, S. 50 – 51, hier S. 51. 60 Vgl. Flachowsky, Sören: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 3). Stuttgart 2008, S. 326 – 328. Vgl. Bartels, Adolf: Der Siegespreis (Westrussland deutsch). Eine politische Denkschrift. Weimar 1914.

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Meyer und seine Mitarbeiter unterteilten den „Ostraum“ in „Siedlungsgebiete“, vorgelagerte „Siedlungsmarken“ und „Siedlungsstützpunkte“. Neben Städten und Dörfern waren Burgen und Schlösser solche Stützpunkte für die ‚rassische‘ und territoriale Kolonisierung, die SS-Planer entweder als Schulen für die NS-Elite oder als autarke Wirtschaftszentren konzipierten.61 Es spielte für Himmler offensichtlich keine Rolle, ob es sich dabei um neu errichtete „Hegehöfe“ oder mittelalterliche Ordensburgen handelte, denn „Bauwerke werden immer von Menschen errichtet. Menschen sind Kinder ihres Blutes, sind Angehörige ihrer Rasse. So wie das Blut spricht, so baut der Mensch.“62 Himmler traf diese Feststellung in einer seiner wenigen Publikationen und beschrieb darin die Burg als „Mahnmal des Lebensrechts und Behauptungswillens der gesamten deutschen Nation im Osten.“63 Das Rassekonzept war hierbei das verbindende Element zwischen historischer Zeit und Gegenwart: ‚Rasse‘ und ‚Blut‘ standen für die angeblich ewigen Schöpfereigenschaften der Germanen, welche für ­Himmler die Kräfte waren, die hinter den Kolonisierungsbestrebungen sowohl des Deutschen Ordens im Mittelalter als auch der SS in der Gegenwart standen.64 Diese rassistischen Kolonisations- und Agrarideen kommen auf einem Entwurf Hans Lohbecks für ein Triptychon zum Ausdruck, das als Ausstattung für die Wewelsburg gedacht war (Abb. 6 u. Abb. 7). Darauf sind SS-Einheiten dargestellt, wie sie neuen „Volksboden“ für die deutschen „Wehrbauern“ erobern, die das Land kultivieren und Bauernhäuser für ihre Familien errichten. Die Wewelsburg stellt dabei das Zentrum für die Eroberung der Ostgebiete durch die SS dar.

61 J., W.: Schloss Reisen bei Lissa. Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt für den deutschen Osten. In: DAZ vom 27.4.1940. In: BAR, ZSg. 119/46; Hohenstein, Hans: Neue Schulen mit Tradition. In: Völkischer Beobachter, Berliner Ausgabe Nr. 347 vom 12.12.1940, S. 10. In: Ebd. 62 Himmler, Heinrich: Deutsche Burgen im Osten. In: SS-Leithefte 6 (1941) 11, S. 12. Vgl. Conze, Eckart: Adel unter dem Totenkopf. Die Idee eines Neuadels in den Gesellschaftsvorstellungen der SS . In: Conze, Eckart/Wienfort, Monika (Hg.): Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2004, S. 151 – 176, hier S. 175 – 176. 63 Himmler, Deutsche Burgen im Osten, 1941. 64 Himmler, Heinrich: Rede vor den Oberabschnittsführern und Hauptamtchefs im Haus der Flieger in Berlin am 9.6.1942. In: Himmler, Geheimreden, 1974, S. 145 – 161, hier S. 147. Vgl. Wippermann, Wolfgang: Der Ordensstaat als Ideologie. Das Bild des Deutschen Ordens in der deutschen Geschichtsschreibung und Publizistik. Berlin 1979.

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Umsetzung der SS-Burgenideen: Die Realisierung des „Rassisch-Utopischen“

Die SS verfolgte lediglich in den Ostgebieten eine mehr oder weniger programm­ artige Umsetzung solcher Ideen, für die Westgebiete ist Vergleichbares nicht festzustellen. Die Hünenburg (Hunebourg) im Elsass, die der völkische Aktivist und spätere SS-Offizier Friedrich Spieser in den 1920er-Jahren erworben und zu einer Jugendherberge ausgebaut hatte, war ein Unternehmen, das Spiesers eigener Ideenwelt erwachsen war, jedoch ohne weiteren Zusammenhang dastand. Die ausgebaute Burg stellte er jedoch politischen Stellen, insbesondere Robert Ernst vom Bund Deutscher Westen, als Bildungsstätte zur Verfügung. Nach der Besetzung Frankreichs wurde Ernst zum Bürgermeister von Straßburg ernannt und wurde Kreisleiter der NSDAP und Generalreferent des Reichsstatthalters und Chefs der Zivilverwaltung im Elsass.65 Kurz nach der Annexion des Sudetenlands plante die SS, Burgen für ihre Bestrebungen in Besitz zu nehmen. Der Reichsstatthalter des Sudetenlands Konrad Henlein ließ für Himmler nach geeigneten Objekten suchen.66 Zu diesem Zweck wurden auch die Deutschordensburgen dem Deutschen Ritterorden enteignet, der 1938 aufgelöst wurde. Nach der Entfesselung des Kriegs im Osten durch das NS-Regime eignete sich der SS-Verein Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e. V. dann weitere Burgen an.67 Neben Schulungs- und Verwaltungszentren beabsichtigte die SS, autarke Wirtschafts- und Verwaltungszentren in den Burgen einzurichten, so z. B.

65 Kettenacker, Lothar: Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsass (Studien zur Zeitgeschichte 26). Stuttgart 1973, S. 40, 98; Kreis, Georg: Alfred Toepfer und das Elsass. In: Kreis, Georg u. a. (Hg.): Alfred Toepfer. Stifter und Kaufmann. Bausteine einer Biographie – Kri­tische Bestandsaufnahme. Hamburg 2000, S. 85 – 185, hier S. 88; Strauss, Léon: Fritz Spieser: Le reconstructeur de la Burg. In: Barnagaud, G. u. a. (Hg.): Hunebourg. Un rocher chargé d ­ ’histoire du Moyen Age à l’époque contemporaine (Publications de la Société Savante ­d’Alsace. Collection Recherches et Documents 59). Strasbourg 1997, S. 121 – 173, hier S. 131, 151, 153. 66 Der Adjutant der Kanzlei des Reichskommissars für die sudetendeutschen Gebiete an SSObergruppenführer Lorenz vom 5.12.1938. In: BAR, NS 19/2948, Bl. 7; Heinrich ­Himmler an den SS -Führer beim Reichsstatthalter Sudetenland SS -Brigadeführer Werner vom 15.8.1939. In: Ebd. 67 Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e. V., Aussenstelle Gut Böddeken, Gewinn- und Verlustrechnung per 31.12.1943. In: BAR, NS 3/1218, Bl. 2; SchusterMungo, V. J. (SS-Kriegsberichter): Ein Märchenschloss wird Musterbetrieb. In: Deutsche Zeitung in den Niederlanden vom 10.5.1943. In: BAR, ZSg. 119/64.

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auf Burg Busau (heute Bouzov).68 Aufschlussreich ist hier eine Passage aus einem Brief, den ein SS-Offizier im Februar 1945 an den Chef des Amtes W (Wirtschaftsunternehmungen) VIII in der SS (Sonderaufgaben, Kulturbauten) gerichtet hatte. Der Offizier (Büchs) war als Kommandant der Burg Busau in Mähren stationiert. Schreiber und Adressat waren offenbar befreundet, denn Büchs fand deutliche Worte bei der Beschreibung seiner prekären Lage auf der Burg. Es seien nun drei Wochen vergangen, dass Büchs „diesen furchtbaren Laden“, diese „verlumpte Zigeunerwirtschaft“, übernommen habe. „Wäre ich zuerst nach hier gefahren, ich wäre es mir schuldig gewesen, ‚Nein!‘ zu sagen.“ Nicht dass er sich davor gescheut hätte, eine Ruine aufzubauen. „Aber das furchtbare ist die totale Vernichtung des Ansehens unserer Schutzstaffel im Dorf und der weiteren Umgebung. Man muss sich schämen, durch dies kleine, schlichte Dorf als Staffelmann zu gehen.“69 Büchs’ Vorgänger hätten geprasst, feudal gewohnt, den Wein getrunken, der in den Kellern lagerte, Gäste und vor allem Frauen auf die Burg eingeladen. Die ortsansässigen Tschechen hätten mit angesehen, wie die Wirtschaft auf der Burg zugrunde ging. „Kurz überall Zerfall, Bankrott, Misswirtschaft und bodenlose, verantwortungslose [,] fehlende Beaufsichtigung. […] Ich darf noch ein Wort beifügen, ohne Schwarzseherei: Die Front rückt jede Woche näher. Millionen lagern auf der Burg. Veranlasse den Räumungsbefehl (nach Weimar) telegraphisch.“70 Offenbar handelte es sich bei Büchs’ Vorgängern um den Typ von SS-Offizier und NS-Verwalter, den ein deutscher Presseoffizier 1944 als „Ost-Hyänen“ beschrieben hat, einer, der aufgrund persönlicher Defizite „mit Revolver und Peitsche oder entsprechendem Gehabe“ in den besetzten Ostgebieten regierte und den vor allem zwei Dinge interessieren würden, nämlich Frauen und Wodka.71 Nach einer Aufstellung der Vorräte von 1943 lagerten auf Burg Busau ansehnliche Mengen an Roggen, Weizen und Gerste, die von ortsansässigen Bauern geraubt

68 Das Ahnenerbe, Der Reichsgeschäftsführer, an Rudolf Brandt vom 14.10.1940. In: BAR, NS 19/1307, Bl. 3. Vgl. Der Reichsführer-SS, Persönlicher Stab, vom 9.10.1940. In: Ebd. 69 Büchs an den Chef des Amtes VIII SS -Oberführer Walter Salpeter vom 14.2.1945. In: BAR , NS 3/81, Bl. 13 – 15, hier Bl. 13. Es könnte sich um den SS -Sturmbannführer Emil Büchs handeln. 70 Ebd. Die Vorgängerbesatzung war vermutlich eine SS-Mannschaft unter SS-Sturmbannführer Emil Rat. Vgl. Das Ahnenerbe, Der Reichsgeschäftsführer, an Heinrich Himmler, z. Hd. SS-Sturmbannführer Rudolf Brandt vom 14.10.1940. In: BAR, NS 19/1307, Bl. 5. 71 Vgl. Mazower, Hitler’s Empire, 2009, S. 151 – 152.

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worden waren.72 Der von Büchs angesichts der näher rückenden Front eindringlich geäußerte Hinweis, dass auf Busau „Millionen lagern“ würden, lässt vermuten, dass die SS erbeutete Kunstgegenstände und Geld auf der Burg hortete. Neben Schulungs, Siedlungs- und Wirtschaftszentren waren Burgen und S ­ chlösser für die SS also auch Lagerstätten für geraubte Wertgegenstände. Himmler hatte schon früher Pläne gehegt, in der Wewelsburg Gold- und Silber­reserven für schwere Zeiten einzulagern, setzte dies allerdings nicht in die Tat um.73 Neofeudaler Lebensstil der NS-Elite

Für die obersten Chargen des NS-Regimes trifft die Vorliebe für Luxus in noch stärkerem Maße zu als für SS-Offiziere in den besetzten Ostgebieten. Hermann Görings Schwäche für Luxuriöses war allseits bekannt und beliebtes Motiv für Hohn und Spott. Burgen, Jagdschlösser und Landvillen gehörten zu seinem Lebensstil. Göring erstand Schlösser und Burgen wie Veldenstein oder Mauterndorf bei Salzburg, verwahrte dort Kunstwerke und traf sich mit seinesgleichen zu Jagden und Wochenendausflügen. Auch sein Landsitz Karinhall in der Schorfheide war architektonisch an ein Jagdschloss angelehnt.74 Persönliche Vorlieben für einen neofeudalen Lebensstil gingen bei Vertretern der NS-Führungselite, Gauleitern und Reichsstatthaltern oft Hand in Hand mit der Repräsentation des NS-Staats im Sinne einer Symbolisierung deutschen Anspruchs auf bestimmte geografische Gebiete. Es war nicht ungewöhnlich, dass Reichsstatthalter repräsentative Gebäude als Verwaltungssitze wählen durften. ­Hitler selbst ordnete an, Reichsstatthaltereien und Landesverwaltungen in ansehnlichen Gebäuden unterzubringen, wofür sich besonders Schlösser eignen würden.75 Arthur Greiser, Reichsstatthalter des 1939 neu geschaffenen Reichsgaus Wartheland, wählte als Verwaltungszentrum das Posener Schloss, nachdem schon Hans Frank 72 Aufstellung über die Bewertung verschiedener Vorräte der Ökonomieverwaltung Busau per 30.9.1943. In: BAR, NS 3/1216, Bl. 34. 73 Vgl. Moors, Markus: Das „Reichshaus der SS -Gruppenführer“. Himmlers Pläne und Absichten in Wewelsburg. In: Schulte (Hg.), Die SS, Himmler und die Wewelsburg, 2009, S. 161 – 179, S. 177. 74 Vgl. d’Almeida, High Society, 2008, S. 49 – 50, 129, 167 – 171; Petropolous, Jonathan: Art as Politics in the Third Reich. Chapel Hill, London 1996, S. 189. 75 Vgl. Schnellbrief des Reichsministers des Innern an die Reichsstatthalter/die Landesregierungen/den Reichskommissar für das Saarland/den Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin, in Preußen: Die Ober- und Regierungspräsidenten vom 28.3.1941. In: ThHStAW, Thüringisches Finanzministerium, Nr. 940, Bl. 22.

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im Generalgouvernement das Krakauer Schloss zum selben Zweck in Beschlag genommen hatte.76 Gemäß dem Kostenvoranschlag, den Greiser dem Reichsinnenministerium zukommen ließ, sollte der Umbau 6,28 Mio. RM kosten, wovon etwa 2 Mio. aus den persönlichen Mitteln Hitlers bereitgestellt wurden. Der „Führer“ unterstützte den Plan seines Gauleiters,77 denn er hatte ein persönliches Interesse am Schloss in Posen. 1940 ließ er Greiser wissen, dass trotz des Kriegs die Bauarbeiten am Schloss schnellstens fertiggestellt werden sollten.78 Nach der Baubeschreibung, welche die Berliner Architekten Böhmer und Petrich im Auftrag Albert Speers erstellt hatten, war Luxuriöses geplant. Neben den üblichen Büroräumen für die Reichsstatthalterei und einem Offizierskasino sollten „Empfangs­räume für den Herrn Reichsstatthalter“, „Vorhallen für die Führerwohnung und für die Repräsentationsräume im Obergeschoss“ sowie eine „Anzahl von Wohn- und Schlafräumen für die Begleitung des Führers“ im Schloss eingerichtet werden.79 Solch repräsentative Einrichtungen waren nicht ungewöhnlich. Auch bei der Sanierung der Nürnberger Burg von 1934 bis 1935 wurden Räume für die Gäste Hitlers, die den Reichsparteitagen beiwohnten, eingebaut.80 1940 begann der Umbau des Posener Schlosses. Die Bauarbeiten zogen sich allerdings hin, da die Finanzbehörden im Wartheland unzureichend mit der Reichsstatthalterei zusammenarbeiteten.81 1943, nachdem die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten waren, die Schlacht um Moskau wenig erfolgreich geschlagen und die von Stalingrad verloren war, meldeten sich kritische Stimmen zu Greisers und Hitlers Bauunternehmen zu Wort. Ein als „alter Kämpfer“ sich ausgebender, anonymer Schreiber, offenbar unterstützt von einer großen „Anzahl deutscher Volksgenossen und Mitglieder der NSDAP“, richtete in seiner Empörung über den Schlossumbau einen Brief an Hitler. Er beklagte, dass schon 76 Snyder, Timothy: Bloodlands: Europe Between Hitler and Stalin. London 2010, S. 261. 77 Der Reichsminister des Innern an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei vom 25.5.1940. In: BAR, R 43 II/1022, Bl. 5. Vgl. Martin Bormann an Hans Heinrich Lammers vom 5.7.1940. In: Ebd., Bl. 10; Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei an den Reichsminister der Finanzen vom 3.7.1940. In: Ebd., Bl. 14. 78 Der Reichsminister des Innern an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei vom 20.8.1940. In: Ebd., Bl. 3. 79 Abschrift. Umgestaltung des Schlosses zu Posen vom 25.4.1940. Baubeschreibung. In: Ebd., Bl. 6 – 8, hier Bl. 6. 80 Entwurf Rudolf Esterer an den Herrn Kläger der Spruchkammer VIII, München 38, den 1.4.1948. In: Bay HStA, NL Esterer 4. 81 Vgl. Graf Schwerin von Krosigh an Arthur Greiser vom 24.8.1940. In: BAR, R 43 II/1022, Bl.  18 – 19.

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seit über drei Jahren am „Deutschen Schloss in Posen großzügige Umbauarbeiten“ vorgenommen würden, „wobei hunderte von Handwerkern der gesamten Baubranche ununterbrochen, teilweise sogar Tag und Nacht sowie des Sonntags [sic]“ arbeiteten. Weder seien diese Umbauten kriegsnotwendig noch kriegswichtig. Arbeiten an solchen Gebäuden, „welche mehr als Repräsentation und als Luxusbauten zu betrachten sind“, dürften bis nach dem Kriegsende verschoben werden, schließlich würden Tausende von Familien von „Volksgenossen“ auf eine Wohnung warten, da viele Wohnungen in Posen nicht fertiggestellt seien. Der anonyme Schreiber konnte sich nicht vorstellen, wer dies alles finanzierte. „Überall werden Arbeitskräfte für kriegswichtige und kriegsentscheidende Aufgaben herangezogen. Baustoffe, Eisen, Metalle usw. sind für den Wohnungsbau fast restlos gesperrt, aber für den ‚Schlossumbau‘ und [für] ‚Herrensitze‘ sind Arbeitskräfte und Baustoffe aller Art zur Verfügung.“82 Dieser Brief zeigt, dass viele NS-Führer und auch Hitler selbst weit mehr um ihren eigenen luxuriösen Lebensstil besorgt waren als um das Wohl der NS-Volksgenossen. Dass Hitler und Greiser solche Beschwerden nicht beachteten und die Bauarbeiten fortsetzten, untermauert diese Interpretation. Noch im Frühjahr 1944 waren etwa 21 Mio. RM für den Schlossumbau veranschlagt worden, erst im Juli gleichen Jahrs wurden die Arbeiten eingestellt.83 Welch gigantische Dimensionen solche Privatunternehmungen haben konnten, zeigen die heute noch erhaltenen Pläne des Architekten Hermann Bartels, der im Auftrag Heinrich Himmlers die Ausbaumaßnahmen des Schlosses Wewelsburg leitete. An das Baukonzept einer Pfalz (d. i. eine frühmittelalter­ liche Königsresidenz) angelehnt, plante Bartels ab 1939, einen in konzen­trischen Kreisen angelegten Landschaftspark mit verschiedenen Erholungs- und Forschungsanlagen sowie Unterkünften für die SS -Führer um die Wewelsburg herum zu bauen. Das ganze umliegende Dorf Wewelsburg sollte verlegt und an den äußersten dieser konzentrischen Kreise der neuen Burganlage angegliedert werden.84 Diese Pläne wurden allerdings nie in die Realität umgesetzt. Im Gegensatz zu den besetzten Gebieten im Osten und im Westen konnten NS-Organisationen die Besitzer der Burgen und Schlösser im Reichsgebiet 82 Ein alter Kämpfer sowie eine große Anzahl deutscher Volksgenossen und Mitglieder der NSDAP, im Januar 1943: „Empörung in Posen! Betr.: Warthegau, besonders Posen.“. In: Ebd., Bl. 49. 83 Hans Heinrich Lammers an Arthur Greiser vom 20.2.1943. In: Ebd., Bl. 52 – 54. Vgl. ­Schwendemann/Dietsche, Hitlers Schloss, 2003, S. 134. 84 Vgl. Moors, Das „Reichshaus der SS-Gruppenführer“, 2009, S. 177 – 178.

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nur dann enteignen, wenn es sich bei ihnen um „Reichsfeinde“ handelte.85 Um Burgen für ihre Zwecke erstehen zu können, mussten die NS-Politiker vielmehr mit den Burgbesitzern, also Adligen und Großbürgern, Verhandlungen führen. Selbst wenn ein Schloss oder eine Burg als besitzerlos klassifiziert war, konnten NS-Organisationen nicht einfach das betreffende Bauwerk aufkaufen und für ihre Zwecke umbauen, sondern mussten mit den zuständigen lokalen Beamten und Konservatoren in Kontakt treten und Vorkehrungen treffen. Hierzu war Geschick im gesellschaftlichen Umgang mit den Eliten nötig. Dabei waren bestimmte NS-Politiker darin geübt, mit Angehörigen der Oberschichten zu verhandeln. Hitler war schon früh bewusst gewesen, dass er mit den gesellschaftlichen Eliten in gutes Einvernehmen treten musste, denn ohne deren Finanzkraft waren politische Kampagnen kaum zu finanzieren. Der „Führer“ erhielt über Vermittler wie Dietrich Eckart und Ernst Hanfstaengl Zugang zu finanzkräftigen und gesellschaftlich einflussreichen Kreisen. Zudem stammte Göring aus gutem Haus und hatte ein hohes Maß an sozialem und kultu­rellem Kapital aufzuweisen, das es brauchte, um mit den Angehörigen der Oberschichten auf Augenhöhe reden zu können.86 Burgen und Schlösser nahmen dabei eine wichtige Funktion als Begegnungsorte von NS -Führern, Adligen, Bildungsbürgern und Großindustriellen ein. Dort trafen sich die neue NS-Elite und die alten Gesellschaftseliten und gingen Tauschverhältnisse mit dem Ziel gegenseitigen Profits ein.87 Die Mehrzahl der NS-Politiker gehörte jedoch einer anderen sozialen Schicht an als die traditionell bildungsbürgerlichen Denkmalpfleger, Mitglieder von Gelehrtenvereinen oder die adligen Burg- und Schlossbesitzer. Vielen NS Politikern fehlte es an Taktgefühl, um erfolgreich verhandeln zu können. Das Verhältnis von NS-Politikern und den Oberschichten baute auf gegenseitigem Profit auf, war aber immer auch von beiderseitigem Misstrauen gekennzeichnet. Am Beispiel der 1922 zum Schutz der Wartburg gegründeten Wartburg-Stiftung (auch Wartburg-Gesellschaft) werden die Konflikte zwischen NS-Politikern und der gesellschaftlichen Elite deutlich. Seit dem Mai 1934 amtierte der zum Reichsstatthalter in Thüringen aufgestiegene Fritz Sauckel als Vorsitzender der 85 Vgl. d’Almeida, High Society, 2008, S. 87 – 89. 86 Ebd., S. 24 – 25, 29; Petropolous, Art as Politics, 1996, S. 188, 289. 87 Vgl. d’Almeida, High Society, 2008, S. 21, 163 – 167. Das Schloss Klessheim bei Salzburg, in dem sich Benito Mussolini und Adolf Hitler im April 1933 zum sechzehnten Mal trafen, ist ein gutes Beispiel für einen solchen Ort. Vgl. Bosworth, Richard J. B.: Mussolini. London 2002, S. 20.

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Stiftung, denn er beabsichtigte, die Wartburg zu einem „Kulturmittelpunkt des Reiches“ zu machen und für Staatsempfänge herzurichten. Die Gauleitung Thüringens hielt fortan alle wichtigen politischen Feiertage des NS-Regimes unter großer Beteiligung der Bevölkerung und zahlreicher Vertreter der NS-Elite auf der Wartburg ab.88 Die Mitglieder der Stiftung sahen in der Kooperation mit Sauckel ihrerseits die Möglichkeit, bei „der großen Begeisterung, die im neuen Deutschland für alle Burgen besteht“, Gelder für Restaurierungsarbeiten zu mobilisieren.89 Eine Zusammenarbeit mit Sauckel scheiterte jedoch, weil der Reichsstatthalter meinte, über die Mittel der Stiftung frei verfügen und sie für propagandistische Zwecke einsetzen zu können.90 Die Besitzerin der Wartburg, Großherzogin Feodora von Sachsen, wehrte sich gegen dieses Vorgehen, worauf sie und ihre Vertreter von Sauckel scharf angegriffen wurden und der Kontakt abbrach.91 Die Zusammenarbeit kam also vor allem aufgrund des Totalitätsanspruchs des NS-Funktionärs nicht zustande, was Fabrice d’Almeida mit der Praxis absolutistischer Herrschaft am Hof Ludwigs XIV. vergleicht.92 Im Gegensatz zum Reichstatthalter in Thüringen arbeitete die SS erfolgreicher mit den gesellschaftlichen Eliten zusammen. Die SS benötigte die Expertisen von Denkmalpflegern und Burgenforschern. Burgen, in denen sie Schulungs- und Tagungszentren eingerichtet hatte oder die sie als Lagerstätten für geraubte Kunstwerke verwendete, mussten versichert und feuerfest gemacht werden. Mit der Hilfe wissenschaftlicher Experten wurde diese Aktion von einer ­speziellen Einheit durchgeführt, der Technischen SS- und Polizei-Akademie, die der Ordnungspolizei unterstellt war.93 Zudem

88 Vgl. François, Etienne: Die Wartburg. In: François, Etienne/Schulze, Hagen (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 2. München 2001, S. 154 – 170, hier S. 167. 89 Sitzung des IV. Ausschusses der Wartburg-Stiftung vom 7. Dezember 1937 im Wartburg­ gasthof, Bl.78: Anlage D. zum Protokoll vom 7.12.1937. In: ThHStAW, Der Reichsstatthalter in Thüringen, Nr. 434, Bl. 23 – 86. 90 Fritz Sauckel an Staatsrat Ortlepp/Staatsrat Dr. Ziegler vom 21.3.1938. In: ThHS tAW , Der Reichsstatthalter in Thüringen, Nr. 435, Bl. 103; Telegramm v. Präsident Wolff an den Reichsstatthalter Sauckel vom 24.3.1938. In: ThHStAW, Der Reichsstatthalter in ­Thüringen, Nr. 434, Bl. 109. 91 Niederschrift Sauckel, nachrichtlich gez. Dr. Buchmann vom 29.4.1938. In: Ebd., Bl. 122. 92 d’Almeida, High Society, 2008, S. 5. 93 Robert Hiecke an den Provinzialkonservator in Stettin vom 21.9.1942. In: BAR, R 4901/12292, Bl. 1, 8; Der Chef der Ordnungspolizei, Technische SS- und Polizei-Akademie, an Bernhard Rust vom 9.2.1944. In: Ebd., Bl. 8, 15; Technische SS - und Polizei-Akademie an Robert Hiecke vom 14.2.1944. In: Ebd., Bl. 15.

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war Himmler auf Adlige und Großbürger angewiesen, denn er konnte seine Burgenunternehmen nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Er gründete daher zusammen mit Oswald Pohl, dem Leiter des WVHA, am 1. Februar 1936 die bereits erwähnte Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e. V., die vor allem der Finanzierung der kostspieligen Umund Ausbauten am Schloss Wewelsburg diente.94 Die Gelder waren entweder Bankkredite oder kamen aus dem Freundeskreis Reichsführer SS, einer informellen Organisation, die aus dem seit 1932 existierenden Keppler-Kreis (Wilhelm Keppler) hervorgegangen war. Der Freundeskreis setzte sich aus zahlungskräftigen Unternehmern und adligen Großgrundbesitzern wie Kurt Freiherr von Schröder oder Heinrich Bütefisch, Vorstandsmitglied der I­ . G. Farben, sowie aus SS-Managern wie Otto ­Ohlendorf, Rudolf Brandt oder Oswald Pohl zusammen.95 Bei den Baukosten für die Wewelsburg handelte es sich um stattliche Beträge. Noch Anfang April 1945 sagte die Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH einen Kredit von 2 Mio. RM für die Gesellschaft zu.96 Zwischenbilanz

Burgen und Schlösser hatten vielfältige Bedeutungen für NS -Politiker und NS -Ideologen. Die Vermischung von persönlicher Vorliebe und staatlichem Programm, der irrational-utopische Kontext, in dem solche Ideen umgesetzt wurden, sowie die oft chaotischen Planungen führten dazu, dass viele dieser Vorhaben unvollendet blieben. Gleichzeitig aber zeigen die Geldbeträge selbst noch für das Jahr 1945, dass für solche Unternehmen finanzielle Ressourcen reichlich vorhanden waren. Infolge der Burgenbegeisterung der NS Elite wurden Burgenforscher und Denkmalpfleger zu potenziell gefragten Experten im NS -Regime. In Anträgen auf finanzielle Unterstützung an NS Wissenschafts- und Kulturpolitiker konnten sie auf jeden Fall auf die Bedeutung der Burgen für das NS -Regime verweisen. Es kann daher ein genereller Aufschwung der Burgendenkmalpflege und der Burgenforschung im NS Regime erwartet werden. Über eine vergleichbare Popularität der Burgen im 94 Moors, Das „Reichshaus der SS-Gruppenführer“, 2009, S. 174. 95 Vgl. Longerich, Peter: Heinrich Himmler. Biographie. München 2008, S. 268 – 269. 96 Der Chef W, SS-Oberführer Baier, Notiz für SS-Hauptsturmführer Dr. Hoffmann und SSObersturmführer Dr. Höpfner vom 5.4.1945. In: BAR, NS 3/81, Bl. 2. Vgl. SS-Hauptsturmführer, Persönlicher Referent, an den Chef des Amtes W VIII , SS -Oberführer Walter ­Salpeter vom 30.3.1945. In: Ebd., Bl. 3.

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politischen Feld während der Weimarer Republik liegen keine Informationen vor; Burgen und ­Schlösser scheinen für die republikanischen Politiker keine Rolle gespielt zu haben. 3.1.2 ORIGINALITÄT UND ANSCHLUSSFÄHIGKEIT DER NS-BURGENIDEEN

In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, inwiefern den NS-Burgen­ ideen und den Verwendungszwecken für die Mittelalterburgen Originalitätswert beizumessen ist. Von Interesse ist dies, weil eventuelle Kontinuitäten oder Transformationen älterer Ideen Aussagen über die gesellschaftliche Anschlussfähigkeit von NS-Ideologemen und politischen Praktiken zulassen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass alle im vorangehenden Abschnitt angeführten Aspekte auf die eine oder andere Weise auf bereits existierende Praktiken und Ideen zurückgingen und weder für die Nationalsozialisten noch für Deutschland spezifisch waren. Mit Blick auf die Rolle der Burgen in der NS -Erziehungspolitik sind zwei ältere Traditionen zu nennen. Zum Ersten wurden reformpädagogische Schulen seit den 1920er-Jahren bevorzugt in abgele­genen und zugleich landschaftlich herausgehobenen Bauten eingerichtet, so z. B. Rudolf Steiners Waldorfschulen.97 Hierzu sind auch Pfadfinder- oder Schullager sowie Arbeitsdienste als neue Formen von Lehr- und Arbeitsgemeinschaften zu zählen, die in der Jugend- und Wandervogelbewegung als alternative Erziehungsformen zum herkömmlichen Schulwesen entstanden waren.98 Dabei ist besonders der Erlebnis- und Gemeinschaftscharakter in den abgeschiedenen Schulanstalten und Lagern hervorzuheben. NS -Erziehungspolitiker schlossen ihre Konzepte an diese Praktiken an und gewannen dadurch ein hohes Maß an Popularität bei Schülern, Jugendlichen und Studenten. Zum Zweiten gehörte die Vorstellung, dass Baudenkmäler der Bevölkerung bestimmte ästhetische Werte und politische Haltungen vermitteln

97 Steiner, Rudolf: The Intent of the Waldorf School. Lecture in Stuttgart, August 24, 1919. In: Steiner, Rudolf: The Spirit of the Waldorf School. Lectures Surrounding the Founding of the First Waldorf School, Stuttgart 1919, and an Essay from the Social Future, February 1920. Trans. by Lathe, Robert F./Parsons Whittaker, Nancy (Foundations of Waldorf Education 5). Hudson 1995, S. 7 – 31. 98 Vgl. Patel, Kiran Klaus: „Sinnbild der nationalsozialistischen Weltanschauung“? Die Gestaltung von Lagern und Ordensburgen im Nationalsozialismus. In: Ciupke/Jelich (Hg.), Weltanschauliche Erziehung, 2006, S. 33 – 52.

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sollten, seit dem mittleren 19. Jahrhundert zum denkmalpflegerischen Diskurs. Seit etwa 1830 verschob sich die Bedeutung des Monuments. Plastische und bildliche Darstellungen von Königen und Kaisern, Feldherren oder Bischöfen sollten nicht mehr den herausragenden Menschen als solchen symbolisieren, vielmehr repräsentierten die Plastiken nun ganze Bevölkerungsgruppen oder abstrakte Werte. Der österreichische Denkmalpfleger Alois Riegel meinte 1903, dass die Schaffung von Erinnerung und Identität die eigentlichen Aufgaben des Denkmals seien. Entscheidend dabei ist, dass der Denkmalkult verstärkt seit der Reichsgründung 1871 kommerzialisiert und touristisch vermarktet wurde.99 Hierzu gehörten auch Burgen und Burgruinen, die vor allem ‚Nation‘ und ‚Reich‘ symbolisierten und seit der Regentschaft W ­ ilhelms I. als Motive in der nationalen und nationalistischen Kulturpolitik verwendet wurden. Neben Post­karten oder Briefmarken, auf denen die Marien­burg und andere mittelalterliche Wehrbauten abgebildet waren, wurden Sammelbilder gedruckt und Zigarettenpackungen oder Schoko­ladetafeln beigelegt, die ihren Weg in alle Ecken des Reiches fanden.100 Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte sich das Bild des „altdeutschen Mittelalters“, zu dem Burgen und mittelalterliche Dörfer gehörten, ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingeschrieben. Alle Praktiken im Rahmen der NS -Massen- und Feierkultur gingen auf Elemente der völkischen und der Lebensreformbewegung zurück. Die Freilichtbühnen waren bereits im mittleren 19. Jahrhundert bekannt, auch über die deutsche Landesgrenze hinaus. 1859 hatte Gottfried Keller ein Freilichttheater gründen wollen, um der schweizerischen Bevölkerung ihre Mythologie näherzubringen.101 Zudem nutzten Gruppierungen der sogenannten völkischen Bewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert Natur- und Kulturdenkmäler als Kulissen für ihre Freiluftaufführungen.102 Auch die Inszenierung des Politischen durch Rituale und Zeremonien auf Burgen war im 19. Jahrhundert

99 Vgl. Mai, Gunther: Denkmäler und politische Kultur im 19. Jahrhundert. In: Mai, Gunther (Hg.): Das Kyffhäuser-Denkmal 1896 – 1996. Ein nationales Monument im europäischen Kontext. Köln, Weimar, Wien 1997, S. 9 – 44, 12; Mosse, The Nationalization of the Masses, 1975, S. 47, 58 – 61; Poulot, Dominique: Alexandre Lenoir and the Museum of French Monuments. In: Nora, Pierre (Hg.): Rethinking France. Les Lieux des Mémoire. Vol. 4: Histories and Memories. Chicago, London 2010, S. 101 – 135, hier S. 101. 100 Vgl. Koshar, Germany’s Transient Pasts, 1998, S. 65 – 66. 101 Mosse, The Nationalization of the Masses, 1975, S. 110. 102 Behrenbeck, Der Kult um die toten Helden, 1996, S. 243 – 244.

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soziale Praxis. Die Studentenverbindungen, politische Vereinigungen oder Schützenvereine hielten in jährlichem Rhythmus auf Burgen und Schlössern ihre Feierlichkeiten ab. 1817 feierte die Studentenbewegung im Rahmen eines „medieval settings“, wie es George L. Mosse nannte, zum ersten Mal das sogenannte Wartburgfest auf der gleichnamigen Burg. Zu denken ist auch an das Hambacher Fest von 1832, dem die dortige Schlossruine als zentraler Festplatz diente.103 Wie wirkungsmächtig diese Praktiken waren, zeigt das Beispiel der radikalkonservativen Fichte-Hochschulgemeinde, die ihre erste Tagung 1919 auf der Burg Lauenstein abhielt.104 Volksfeste, wie sie die KdF-Organisation in Nürnberg inszenierte, waren also Teil der bürgerlichen Feierkultur. Das Neue an den NS -Inszenierungen war die Einbeziehung großer Menschen­ massen in die Spektakel unter Anwendung moderner technischer Möglichkeiten der Massenunterhaltung. Die nationalsozialistischen Totenburgen waren Umwandlungen von Soldaten­ denkmälern, die nach 1918 errichtet worden waren, wobei der Gefallenenkult schon in den 1920er-Jahren seinen Höhepunkt erreicht hatte.105 Das beste Beispiel für solche Transformationen ist das Tannenberg-Denkmal bei Hohenstein in Ostpreußen, das architektonisch an die Stauferburg Castel del Monte in Süditalien angelehnt war. Dieses größte deutsche Soldatendenkmal sollte an die verlorene Schlacht des Deutschen Ritterordens im Mittelalter und an den Sieg Hindenburgs über das Russische Reich 1914 erinnern.106 1927 wurde das Denkmal eingeweiht, erst die NS-Ideologen wandelten es in den 1930er-Jahren anlässlich der Beisetzung Hindenburgs im „Reichsehrenmal Tannenberg“ in eine Totenburg um.107 Die Errichtung solcher Soldatendenkmäler war dabei keine Praxis, die nur auf Deutschland beschränkt war. Auch die Faschisten Norditaliens bauten ab etwa 1931 Ossarien und Totentempel im Stile der späteren deutschen Totenburgen, insbesondere entlang der ehemaligen nördlichen 103 Applegate, Celia: A Nation of Provincials: The German Idea of Heimat. Berkeley, Los Angeles 1990, S. 27; Mosse, The Nationalization of the Masses, 1975, S. 31 – 33, 73, 77 – 79, 83 – 87. 104 Herbert, Ulrich: Best. Biografische Studie über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903 – 1989. 2. Aufl. Bonn 1996, S. 53 – 54. 105 Behrenbeck, Der Kult um die toten Helden, 1996, S. 149. 106 Vgl. Kriegsgräberfürsorge 14 (1934) 9, S. 135. In: BAR -Militärarchiv, MSG 3/765. Vgl. ­Bartetzko, Zwischen Zucht und Ekstase, 1985, S. 106 – 107; Wippermann, Wolfgang: ­Denken statt denkmalen. Gegen den Denkmalwahn der Deutschen. Berlin 2010, S. 89 – 94. 107 Vgl. Schenk, Frithjof Benjamin: Tannenberg/Grunwald. In: François/Schulze (Hg.), D ­ eutsche Erinnerungsorte. Bd. 1. 3. Aufl. (2002), S. 438 – 454, hier S. 448 – 450.

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Kriegsfront. Diese Denkmäler dienten der Stilisierung der toten Soldaten zu nationalen Helden und der visuellen Inszenierung der italienischen Grenze zu Österreich, des „Mythos Brennergrenze“.108 An dieser Stelle sind auch die sogenannten Jugendburgen der Bündischen Jugend zu erwähnen. Mittelalterliche Burgen und Ruinen gehörten zur bün­ dischen Gesellschaftsutopie.109 Zahlreiche Bünde besetzten Burgruinen, bauten sie zu Herbergen aus oder machten sie zu ihren Hauptquartieren, die sie „Jugendburgen“ nannten. In den 1920er-Jahren ließ der „Reichsverband für deutsche Jugendherbergen“ in unzähligen Burgen Jugendherbergen einbauen.110 Diese Idee fand auch in anderen Ländern Verbreitung, wenn auch nicht in einem solchen Ausmaß wie in Deutschland. In der Schweiz z. B. konzipierte der Schweizerische Burgenverein (SBV) insgesamt drei solcher Jugendherbergsburgen.111 Die HJ, in die der Reichsverband für deutsche Jugendherbergen 1933 eingegliedert wurde, führte diese Ideen und Praktiken weiter. Die Bünde verloren ihre Burgen oft durch Enteignung, manchmal mit Gewalt, wie es im Fall der Jugendburg Waldeck des Nerother Bundes geschah, die von Gruppen der SA und HJ am 18. Juni 1933 besetzt wurde.112 Mit den Praktiken und Ideen der Jugendbewegung standen die Konzepte der folkloristischen Heimatschutzbewegung im Zusammenhang. Auch der Heimat­ schutz war weder ein deutsches noch ein nationalsozialistisches Phänomen. Vielmehr handelte es sich dabei um Ideen, die im Kontext der konservativen Kulturkritik und der Lebensreformbewegung entstanden waren und die während der Wirtschaftskrise und der grassierenden Arbeitslosigkeit in den frühen 1930erJahren an Bedeutung gewannen. Davon waren nahezu alle europäischen Länder und auch die USA betroffen, was sich am Aufkommen der Arbeitsdienstidee zeigt. Arbeitsdienste waren staatliche oder halbstaatliche Organisationen zur

108 Ahsbahs, Alexander de/Steinacher, Gerald: Die Totenburgen des italienischen Faschismus. Beinhäuser und politischer Gefallenenkult. In: Mattioli, Aram/Steinacher, Gerald (Hg.): Für den Faschismus bauen. Architektur und Städtebau im Italien Mussolinis. Zürich 2009, S.  233 – 258. 109 Fleischner, „Schöpferische Denkmalpflege“, 1999, S. 7. 110 Vgl. Strickhausen-Bode, Stahls Stahleck, 2007, S. 39 – 41. 111 Vgl. Grütter, Daniel: Eugen Probst (1873 – 1970) und die Gründung des Schweizerischen Burgenvereins. In: Mittelalter 7 (2002) 1, S. 11 – 16, hier S. 13 – 15. 112 o. A.: H.-J.-Aktion gegen die reaktionären Bünde. Nerother Burg Waldeck besetzt! In: Stadtanzeiger für Köln (1933). In: EBI, Akte „Waldeck, 5449 Dorweiler/Hunsrück“. Vgl. Strickhausen-Bode, Stahls Stahleck, 2007, S. 98, 174 – 175, 209.

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Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.113 Arbeitslose Jugendliche sollten vor Verbrechertum und Alkoholismus bewahrt werden, indem sie in Beschäftigungsprogramme eingebunden wurden. Diese Programme durften nicht in Konkurrenz zur Privatwirtschaft stehen, vielmehr sollten die Arbeiten ausschließlich der öffentlichen Wohlfahrt zugutekommen, womit Straßenbau, Trockenlegung von Sümpfen oder kulturelle Unternehmungen gemeint waren.114 Zwischen deutschen, schweizerischen oder US-amerikanischen Arbeitsdiensten zeigen sich bemerkenswerte Ähnlichkeiten. Das Civilian Conservation Corps in den Vereinigten Staaten beschäftigte in den 1930er-Jahren arbeitslose Amerikaner, indem Naturattraktionen durch das Anlegen von Wanderwegen oder den Bau von Straßen touristisch erschlossen wurden.115 In der Schweiz machten sich Verschönerungsvereine und Arbeitsdienstkolonnen in Zusammenarbeit mit dem SBV daran, die „Schweizer Heimat“ durch Wanderwege zu erschließen, mit Sitzbänken auszustatten, die Burgen zu konservieren und die alten Bauernhäuser in den Dörfern zu restaurieren.116 Die Repräsentation der deutschen Nation und ihrer vermeintlichen An­sprüche auf bestimmte Territorien durch Burgen war zur Zeit Kaiser Wilhelms I. wichtiger geworden. Wilhelm II . führte diese nationalistische Kulturpolitik fort, indem er Burgen als Grenzmarken des nationalstaatlichen Territoriums verwendete. Anlässlich der Einweihung der wiederhergestellten Hohkönigsburg im Elsass 1908 eröffnete Wilhelm der Festgemeinde, dass diese Burg von nun an als Symbol des Deutschtums in der „Westmark“ dastehe und damit eine Ost-West-Achse zusammen mit der Marienburg in Ostpreußen bilde.117 Es 113 Vgl. Bargel, Ernst: Arbeitsdienst im Ausland. In: Hamburger Landeszeitung Nr. 209 vom 8.12.1932. In: BAR, ZSg. 103/1650. 114 Patel, Kiran Klaus: „Soldaten der Arbeit“: Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933 – 1945 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 157). Göttingen 2003, S. 13 – 14, 37. 115 Vgl. am Beispiel des Blue Ridge Parkways in den Great Smokey Mountains (USA) Ready, Milton: The Tar Heel State: A History of North Carolina. Columbia 2005, S. 335. Vgl. Schivelbusch, Wolfgang: Entfernte Verwandtschaft. Faschismus, Nationalsozialismus, New Deal 1933 – 1939. Frankfurt am Main 2008, S. 41 – 42, 96, 162 – 163. 116 Stellvertretend am Beispiel des Kantons Basel-Landschaft Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft am 18.7.1933, Nr. 2408, No. 255: Erzieh. Dir. Prot. vom 22.7.1933. In: StABL, NA 2080, Erziehung T4. 1, Kommission zur Erhaltung von Altertümern 1921 – 1928. 117 Castellani Zahir, Elisabeth: Echt falsch und doch schön alt. Die Wiederherstellung der Hohkönigsburg im Elsass 1900 bis 1908. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 54 (1997), S. 141 – 152, hier S. 144 – 145. Vgl. Koshar, Germany’s Transient Pasts, 1998, S. 46 – 47, 55 – 57. Vgl. Confino, Alon: The Nation as a Local Metaphor.

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ist bezeichnend, dass Robert Ley seine NS-Ordensburgen in den deutschen Grenzregionen im Osten und im Westen errichten ließ und die Bauwerke so mit dem „Grenzlandkampf“ in Zusammenhang brachte.118 In der Wahl des Posener Schlosses, das bereits unter Kaiser Wilhelm II. umgebaut worden war, als Verwaltungszentrum der Gauleitung und als „Führerresidenz“ zeigt sich, dass Hitler an die wilhelminische Germanisierungspolitik anschloss – allerdings nur, wenn ihm dies zweckdienlich erschien, denn in Reden und Schriften grenzte er den Nationalsozialismus scharf vom Wilhelminischen Zeitalter ab.119 Die völkisch-rassischen Burgenmetaphern der Nationalsozialisten unterschieden sich in einem Punkt von der wilhelminisch-imperialistischen Metaphorik. Die Hohkönigsburg und die Marienburg repräsentierten Punkte auf der Landkarte und nicht eine Burgen-Grenzlinie oder einen Grenzraum wie im NS-Regime, sie waren keine raumstrukturierenden Elemente. Die Verbindung von Raumpolitik und Siedlungspolitik reicht allerdings ins ­W ilhelminische Zeitalter zurück, besonders in Bezug auf Osteuropa. In den 1920er-Jahren verfestigte sich in der Gedankenwelt deutscher rechtsgerichteter Intellektueller die Ansicht, dass eine Ansiedlung von möglichst kinderreichen deutschen Bauernfamilien im Osten „das probateste Mittel [war], ein hermetisch verdichtetes Bollwerk gegen die allseits befürchtete ‚Slawisierung‘ bzw. ‚Polonisierung‘ […] zu errichten.“120 Während der Weimarer Republik blieben solche Ideen jedoch auf kleinere Gruppen mit extremen Ansichten im jungkonservativen und rechtsradikalen Umfeld beschränkt. Erst die Nationalsozialisten machten aus diesen Autarkie- und Siedlungsutopien und dem Ziel einer „ethnischen Flurbereinigung“ im Osten ein politisches Programm. Auf die Frage, worin das genuin Nationalsozialistische der NS-Burgenideen und der entsprechenden Praktiken lag, lassen sich drei Aspekte anführen. Zum Ersten scheint die fortwährende Umdeutung älterer Konzepte in andere und neue Sinnzusammenhänge genuin nationalsozialistisch zu sein. Als Folge davon erschienen die NS-Rituale und NS-Kulte der deutschen Bevölkerung als neu und vertraut zugleich.121 Zum Zweiten war die nach 1933 einsetzende aktio­nistische Dynamik, mit der Nationalsozialisten ihre Ideen in die Realität ­umsetzten, Württemberg, Imperial Germany, and National Memory, 1871 – 1918. Chapel Hill, London 1997, S. 11, 31. 118 Vgl. Heinen, NS-Ordensburgen, 2011, S. 23. 119 Vgl. Schwendemann/Dietsche, Hitlers Schloss, 2003, S. 107 – 108. 120 Oberkrome, Ordnung und Autarkie, 2009, S. 73. 121 Vgl. Mosse, The Nationalization of the Masses, 1975, S. 1 – 20.

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vorher unbekannt. Dies ist eine Eigenschaft, welche auch die ita­lienischen Faschisten oder anarchistische und bestimmte kommunistische Gruppierungen kennzeichnet. Keine dieser Gruppen war jedoch in diesem Punkt derart radikal und extrem wie die Nationalsozialisten. Detlev Peukert hat dieses Charakteristikum als „Massenorganisationsaktivismus“ bezeichnet und „Bewegung in Permanenz, Bewegung um ihrer selbst willen, Bewegung als ständiger Beweis vorwärtsdrängender Dynamik“ als das „eigentliche Identitätsmerkmal der NSDAP“ gesehen.122 NS-Politiker versuchten auch auf re­gionaler und lokaler Ebene andauernd neue Leistungen für Kultur, Wirtschaft und Öffentlichkeit zu erbringen, die sie dann zur Schau stellten. Rudy Koshar sieht daher die thea­tralische Darbietung der eigenen Leistungen als eines der Kernelemente der NS -Politik.123 Als letztes genuin nationalsozialistisches Element ist das Konzept einer „arischen Ethnokratie“ anzuführen. Die NS-Burgenideen wurden in diese Rassenutopie eingebunden. Während bereits in den 1920er-Jahren rechtsextreme und ‚völkische‘ Gruppen ähnliche Vorstellungen vertreten hatten, machten die Nationalsozialisten einen potenziell exterminatorischen Rassismus zum politischen Staatsprogramm. Zwischenbilanz

Es lässt sich festhalten, dass Mittelalterburgen im NS-Regime auf herrschaftspolitischer Ebene gegenüber der Weimarer Republik eine gesteigerte Bedeutung hatten. Alle auf Burgen und Schlösser bezogenen Ideen und Praktiken der Nationalsozialisten gingen entweder auf die Kaiserzeit oder auf Vorstellungen sozialrevolutionärer, lebensreformerischer und völkischer Gruppen der 1920erJahre zurück. In der Öffentlichkeit und in bestimmten kulturellen Bereichen waren Burgen also durchaus auch während der Weimarer Zeit populär. Durch diese Adaptionen von älteren Ideen und Umwandlungen bereits existierender Praktiken in neue Sinnzusammenhänge konnten Erinnerungselemente in neuer Gestalt abgerufen werden, die längst schon im kollektiven Gedächtnis der deutschen Bevölkerung und der deutschen Gesellschaftseliten festgesetzt waren, was die große Popularität dieser Ideologeme erklärt. In diesem Sinne 122 Peukert, Detlev J. K., Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne. Frankfurt am Main 1987, S. 232 – 233. 123 Vgl. Anheisser, R.: Kaiserpfalzen, Reichsburgen. Historische Erinnerungsstätten unserer Heimat. In: Offenbacher Nachrichten vom 11.9.1938. In: A DBV, Nr. 2285/3. Vgl. Koshar, Germany’s Transient Pasts, 1998, S. 152.

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mussten sich vielschichtige Resonanzen zwischen NS-Politikern und Burgenforschern sowie Burgendenkmalpflegern, aber auch zwischen der NS-Politik und der deutschen Öffentlichkeit ergeben. 3.1.3 KONKLUSION: BURGEN UND DIE ‚RASSISCH‘-UTOPISCHE NS-MODERNE

Auf den ersten Blick erhärten die NS-Burgenideen und die Verwendungspraxis der Bauwerke durch NS-Politiker und NS-Ideologen die Ansicht, beim NSRegime habe es sich um eine neofeudalistische (Fabrice d’Almeida) oder um eine feudalistisch-patrimoniale Herrschaftsform (Talcott Parsons) gehandelt.124 Insofern wäre das NS-Regime von einer regressiven, vorstaatlichen und vormodernen Herrschaftsstruktur gekennzeichnet gewesen. Am Beispiel des Umgangs der NS-Politiker und NS-Ideologen mit Burgen hat sich jedoch gezeigt, dass solche Charakterisierungen des NS-Regimes zu einseitig sind. Der Nationalsozialismus war offen und wenig determiniert. In ihm waren auf sozialer Ebene neofeudalistische wie sozialistische Aspekte vereint, modernste Technik und konservative Landschafts- oder Autarkievorstellungen bildeten eine Symbiose. Dies zeichnet die Nähe des Nationalsozialismus zu Positionen aus wie denjenigen des „reaktionären Modernismus“, die Jung- und Radikalkonservative vertreten hatten. NS-Politiker kreierten Neues aus Altem, rekombinierten traditionelle, heimatlich-konservative Ideen und Praktiken und aggregierten sie mit moderner, technizistischer Leistungsschau und mit Weltanschauungsinszenierungen, was Anschlussfähigkeit an bekannte Ideen bei gleichzeitigem Suggerieren von Neuem zur Folge hatte. Diese Ideen und Praktiken waren ihrerseits dehnbar genug, um in pragmatischer Weise an zeitbedingte Umstände angepasst zu werden. Dies war Ausdruck einer spezifisch nationalsozialistischen Moderne, die nicht nur für die deutsche Bevölkerung große Anziehungskraft hatte. ­Koshar schreibt, dass „[a]rt, architecture, film, the new autobahns, painting, monuments, historic buildings in the broadest sense […] theoretically contributed to the constant production of such emotional attachments to a political-racial religion.“125 Der Nationalsozialismus war daher weder regressiv noch progressiv, und er war auch keine originelle Alternative zur avantgardistischen Moderne oder zum alten Konservatismus, sondern eine ‚rassisch‘-utopische Form der Moderne. Die betrach­teten weltanschaulichen Bedeutungen der Burgen auf den 124 Vgl. Bavaj, Riccardo: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus. Eine Bilanz der Forschung. Mit einem Vorwort von Klaus Hildebrand. München 2003, S. 16 – 17. 125 Koshar, Germany’s Transient Pasts, 1998, S. 151.

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verschiedenen Ebenen waren dabei oft widersprüchlich und von der jeweiligen NS-Führerpersönlichkeit abhängig. Konsistenz stand nicht im Vordergrund der NS-Ideologen und NS-Politiker, sondern das Hervorrufen von Emotionalität zwecks Homogenisierung der deutschen Bevölkerung zur NS -Volksgemeinschaft.126 Dies bedeutet allerdings nicht, dass die NS -Weltanschauung des­ wegen weniger wirkungsmächtig oder lediglich ideologisches Beiwerk zu einer inhaltslosen und nihilistischen Machtpolitik gewesen wäre. 3.2 DIE NS-WISSENSCHAFTS- UND KULTURPOLITIK, DAS WISSENSCHAFTLICHE FELD UND DIE BURGENFORSCHUNG

In Kapitel 3.1.1 (S. 50) ist deutlich geworden, dass NS -Politiker vielfältige Verwendungszwecke für mittelalterliche Burgen hatten. Burgen und Schlösser waren wichtig im politischen Feld, Burgenforscher hatten damit eine poten­ ziell relevante Funktion im NS-Regime. Darauf baut die Arbeitshypothese auf, dass NS-Wissenschafts- und Kulturpolitiker Forschungen oder Karrieren von Burgenforschern verstärkt förderten. Falls diese Hypothese positiv beantwortet werden kann, lässt sich weiterführend fragen, ob die Burgenforschung, die vor 1933 methodisch, inhaltlich und sozial heterogen sowie akademisch nicht institutionalisiert war, dadurch konsolidiert oder gar anfänglich akademisch etabliert wurde. Denn aus der Perspektive der Feldtheorie Bourdieus muss es das Hauptziel von Wissenschaftlern sein, ein möglichst hohes Maß an wissenschaftlichem Kapital anzuhäufen, um eine mächtige Position im Feld einzunehmen. Damit sind Prozesse der Homogenisierung und Institutionalisierung ihrer Forschungsbereiche oder Schwerpunkte verbunden, weil dadurch der Kapitalerwerb erleichtert wird. Als Beispiele für solche Prozesse sind die Vor- und Frühgeschichte, die Volkskunde oder die empirische Sozialforschung zu nennen. Zur Beantwortung dieser Fragen muss geprüft werden, ob die Burgen­ forschung ins Förderraster der NS -Wissenschafts- und Kulturpolitik passte und ob Burgenforscher dem nationalsozialistischen Wissenschaftlerbild entsprachen. Dies bedarf einer Darlegung der Ziele und Inhalte der NS-Wissenschaftsund Kulturpolitik sowie einer Prüfung dessen, ob die politischen Zielsetzungen auf Resonanzen im Wissenschaftsfeld stießen. Um Wandlungen, Brüche oder

126 Vgl. Friedländer, Saul: Reflections of Nazism: An Essay on Kitsch and Death. New York u. a. 1984, S. 14.

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Kontinuitäten im Wissenschaftsfeld festzumachen, die auch für die Burgenforschung entscheidend waren, muss daraufhin die Entwicklung des Verhältnisses von NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik und Wissenschaftsfeld dargestellt werden. Im nächsten Abschnitt dieses Kapitels werden die für die Burgenforschung wichtigen Disziplinen und Forschungsbereiche in diesen Rahmen eingebunden, um zum Schluss die gewonnenen Ergebnisse auf die spezifische Wissenschaftspraxis der Burgenforschung zu beziehen. Wissenschaftsfeld

Um die Wissenschaft als ein soziales Feld theoretisch fassen zu können, muss von einer relativen Autonomie dieses Felds gegenüber anderen sozialen Feldern wie der Politik oder der Wirtschaft als Ergebnis eines Autonomisierungs­prozesses ausgegangen werden. Autonomie bedeutet die Ausformung eigenständiger Symbolformen (Sprache, Riten etc.), Regeln und Normen, die ausschließlich Wissenschaftler festlegen und nur für sie Geltung haben. Das Hauptelement des Spiels der Wissenschaft (illusio) ist die Suche nach dem „Wahren“ und „Richtigen“ und dem daraus entspringenden Bedürfnis, „wahres Wissen“ herzustellen.127 Wissen wird dann als wissenschaftlich wahr angesehen, wenn es Wissenschaftlern plausibel erscheint. Die Suprematie plausiblen Wissens über weniger plausibles ist demnach symbolischer Ausdruck der sozialen Distinktion der Wissenschaftler gegenüber den Symbolformen, die in anderen Feldern herrschen.128 Die Autonomie des Wissenschaftsfelds ist dabei immer nur eine relative, das Feld ist immerzu in Gefahr, dass der heteronome Pol wieder überwiegen kann.129 Im Wissenschaftsfeld herrscht demnach der Wettbewerb um die höchste Plausibilität von Wissen. Mittel zur Herstellung plausiblen Wissens können Experimente im Labor, Recherchen im Archiv oder Ausgrabungen unter Anwendung bestimmter Methoden sein, deren Ergebnisse dann mit theoretischen Überlegungen verbunden werden. Die Erzeugung plausiblen Wissens ist stark 127 Vgl. am Beispiel der Geschichtswissenschaft Weber, Wolfgang: Priester der Klio. Historischsozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft 1800 – 1970 (Europäische Hochschulschriften III, 216). Frankfurt am Main, Bern, New York 1984, S. 29. 128 Vgl. Gieryn, Thomas F.: Cultural Boundaries of Science: Credibility on the Line. Chicago, London 1999, S. 15. 129 Bourdieu, Vom Gebrauch der Wissenschaft, 1998, S. 36.

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in den materiellen Evidenzen verankert, auf welchen dieses Wissen gründet. Sie basiert auf der technischen, im Rahmen der vorherrschenden wissenschaftlichen Methoden nachvollziehbaren und kommunizierbaren Logik des wissenschaftlich Faktischen, was sowohl auf die materiellen wie auch auf die immateriellen Eigenschaften der Wissenselemente zu beziehen ist.130 Wahres Wissen ist daher eine soziale, materielle und geistige Konstruktion zugleich. Dabei ist die kommunizierbare Logik der wissenschaftlichen Erkenntnisse immer kontextabhängig und kann von der heutigen profund abweichen. Insofern können ‚völkisch-rassische‘ Konstruktionen einer wissenschaftlichen Logik entsprechen, wie sie in den 1920er- oder 1930er-Jahren im Wissenschaftsfeld verstanden werden konnte, also zum inhaltlichen Stand der Forschung gehörte. Als Ausgangspunkt des Autonomisierungsprozesses der deutschen Wissenschaft soll hier die Humboldt’sche Universitätsreform zu Beginn des 19. Jahrhunderts angesehen werden. Dieser Zeitpunkt wird gewählt, weil hier ein ­eindeutiger Positionsbezug vorliegt: Wissenschaftler forderten symbolische Autonomie und ökonomische Selbstverwaltung im Hinblick auf das Machtfeld der Politik.131 Selbstverständlich handelte es sich dabei um eine Idealvorstellung von ­wissenschaftlicher Autonomie, die so niemals in die Realität umgesetzt wurde. Dennoch war die Forderung nach Autonomie ein wichtiger Teil des Glaubens ans Spiel der Wissenschaft in Deutschland. Dieser zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Gang gesetzte Autonomisierungsprozess gilt vor allem für die Universitäten. Es ist aber festzuhalten, dass auch ein Anstieg der außerakademischen Forschung zu verzeichnen ist, die Zahl der Gelehrten- und Laienforschervereine stieg im frühen 19. Jahrhundert rapide an.132 Längerfristig orientierten auch sie sich an den autonomen Symbolformen im akademischen Feld. Im Unterschied zu den Universitäten war die außerakademische Wissenschaft jedoch weniger stark auf Exklusivität bedacht, Gelehrtenvereine verfügten in der Regel nur hinsichtlich der eigenen Mitglieder über die Macht, Einzelne von der Forschung

130 Vgl. Hacking, Ian: The Social Construction of What? Cambridge (Mass.) 1999. Zur Materialität wissenschaftlicher Dinge vgl. Rheinberger, Hans-Jörg: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas. 2. Aufl. ­Göttingen 2002. 131 Rüegg, Walter: Themes. In: Rüegg, Walter (Hg.): A History of the University in Europe. Vol. III: Universities in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries (1800 – 1945). Cambridge 2004, S. 3 – 31, hier S. 5. 132 Marchand, Suzanne L.: Down from Olympus: Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750 – 1970. Princeton 1996, S.  162 – 165.

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auszuschließen, zudem waren sie finanziell oft von Gönnern abhängig. Die Tendenz einer Heteronomisierung war bei den Gelehrtenvereinen also größer als in der akademischen Wissenschaft. Das Wissenschaftskonzept Humboldts war ein ganzheitliches und umfasste daher sowohl Forschung als auch Lehre. Wissenschaft firmierte unter dem Oberbegriff ‚Bildung‘, zu dem auch ‚Kultur‘ gehörte, weshalb das wissenschaftliche und das kulturelle Feld in einer engen Beziehung zueinander standen. Kultur meinte sowohl wissenschaftliches Wissen als auch sinnliches Verstehen und Erleben. Beides bildete bestimmte ethische Normen und emotionale Werte sowie Vorstellungen über anzustrebende ästhetische Formen, was Charakterbildung und körperliche Erziehung mit einschloss. Gebündelt waren diese Elemente im Begriff ‚Geist‘.133 Wissenschaft, Bildung, Erziehung, Kultur und Geist umfassten demnach die Aneignung und Vermittlung von wissenschaftlichem Wissen und ethischen Haltungen, wozu auch bestimmte Weltanschauungen gehörten. Dieses Kultur, Ästhetik- und Bildungskonzept war habituell bestimmend für das Selbstverständnis des mehrheitlich den Geistes- und Kulturwissenschaften entstammenden deutschen „Mandarins“ (Fritz Ringer), des Intellektuellen, der auch außerhalb der Univer­sitäten tätig sein konnte, sowie des Denkmal­pflegers oder des Natur- und Technikwissenschaftlers.134 Das sozial sehr ungleich verteilte Bildungskapital war dabei ein wichtiges Kriterium für die Aufnahme eines Wissenschaftlers im Feld, denn bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war vor allem in den Geisteswissenschaften die Allgemeinbildung wichtiger als das Fachwissen.135 Die Natur- und Technikwissenschaften differenzierten sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend in Subdisziplinen und einzelne Forschungsbereiche aus. Wissens­formen wie das auf konkrete Anwendung ausgerichtete Experten- und Fachwissen brachen zu jener Zeit das Humboldt’sche Bildungsideal zunehmend auf, was sich in der Gründung

133 Vgl. Ringer, The Decline of the German Mandarins, S. 86 – 87. Vgl. Vondung, The Apocalypse in Germany, 2000, S. 130 – 141. 134 Vgl. am Beispiel des Physiologen Emil Du Bois-Reymond Dierig, Sven: Wissenschaft in der Maschinenstadt. Emil Du Bois-Reymond und seine Laboratorien in Berlin. Göttingen 2006, S.  11 – 14, 139 – 144, 268 – 269. 135 Vgl. Assmann, Aleida: Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine kurze Geschichte der deutschen Bildungsidee. Frankfurt am Main, New York 1993.

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von außeruniversitären Instituten wie den KWI äußerte, die ausschließlich der Forschung dienten.136 Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Karriere eines Wissenschaftlers war vor allem sein spezifischer Habitus. Die Habitusformen als „Systeme dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, als strukturierte Strukturen“,137 bestimmten darüber, wie gewandt sich ein Wissenschaftler gegenüber veränderten Gesellschaftsbedingungen und dadurch gewandelten Konditionen im Wissenschaftsfeld verhalten konnte. Es wird unten deutlich werden, dass für Erfolg oder Misserfolg im Wissenschaftsfeld während der NS-Herrschaft bestimmte generationsbedingte Habitusformen entscheidend waren. Zum Habitus der Wissenschaftler konnten auch eine politische Position (Mitglied einer Partei) oder politische Ansichten (politische Haltung) gehören.138 Die politische, nicht an eine Partei gebundene Haltung und Meinung war dabei wich­tiger als eine politische Position, da sich besonders Geisteswissenschaftler traditionell als Deuter des Zeitgeschehens hervortaten. Viele Professoren verbanden den Partei­begriff ohnehin mit Partikularinteressen, vor denen der Staat im Humboldt’schen Autonomieverständnis die Wissenschaft gerade schützen sollte.139 Wissenschaftler konnten sich mit ihren Kollegen in Bezug auf Theorien oder Forschungsergebnisse verstehen und austauschen, auf der Ebene der politischen Positionen und Ansichten aber gegensätzlicher Meinung sein.140 Wenn zwei Wissenschaftler unterschiedliche politische Haltungen vertraten, ihre politischen Auseinandersetzungen jedoch im Wissenschaftsfeld aus­trugen, ist dies als Heteronomisierung des Wissenschaftsfelds zu werten, da 136 Vgl. Szöllösi-Janze, Margit: Politisierung der Wissenschaften – Verwissenschaftlichung der Politik. Wissenschaftliche Politikberatung zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. In: Fisch, Stefan/Rudloff, Wilfried (Hg.): Experten und Politik: Wissenschaftliche Politikberatung in geschichtlicher Perspektive (Schriftenreihe der Hochschule Speyer 168). Berlin 2004, S. 79 – 100. Vgl. Dierig, Wissenschaft in der Maschinenstadt, 2006, S. 164 – 175. 137 Bourdieu, Pierre: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main 1993, S. 98. 138 Vgl. Gramley, Hedda: Propheten des deutschen Nationalismus. Theologen, Historiker und Nationalökonomen 1848 – 1880. Frankfurt am Main, New York 2001, S. 21 – 28. 139 Simon, Christian: Staat und Geschichtswissenschaft in Deutschland und Frankreich, 1871 – 1914: Situation und Werk von Geschichtsprofessoren an den Universitäten Berlin, München, Paris. 2 Bde. (Europäische Hochschulschriften III, 349, 1/2). Bern u. a., 1988, S. 133. 140 Vgl. am Beispiel Friedrich Meineckes und Georg von Belows Meineke, Stefan: Friedrich Meinecke. Persönlichkeit und politisches Denken bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 90). Berlin, New York 1995, S.  124 – 130, 146 – 150, 221 – 222.

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die Akteure Handlungsmuster und symbolische Regeln des politischen Felds ins wissenschaftliche importierten. Eine solche Situation lag auch dann vor, wenn ein Wissenschaftler, statt die Anforderungen an eine erfolgreiche Laufbahn im Wissenschaftsfeld zu erfüllen, politische Mittel dazu verwendete, sich symbo­ lische Güter im Wissenschaftsfeld anzueignen.141 Konnten Wissenschaftler mit heteronomen Strategien mächtige Positionen im Wissenschaftsfeld erlangen, handelte es sich um illegitime Stellungen, die nur deshalb erworben werden konnten, weil der heteronome Pol im Wissenschaftsfeld zum Zeitpunkt ihrer Strategie überwogen hatte. Ob ein Wissenschaftler eine heteronome Strategie wählte oder ob er sich nach den Regeln des Wissenschaftsfelds richtete, lässt sich über seine Handlungen und Subtexte bestimmen, da zwischen Heteronomie und Autonomie oft nur ein feiner Unterschied bestand. Dies ist besonders wichtig bei Vertretern von Organisationen, die eng mit Politikern zusammenarbeiteten. Hier sind die 1931 als informelles Netzwerk gegründeten VFG zu nennen, die sich der Erforschung des „deutschen Westens, Ostens und Südostens“ verschrieben hatten.142 Da die VFG unter dem Deckmantel und mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amts und des RMdI agierten sowie während des Kriegs mit dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete/„Ostministerium“ (RMO) und dem SS-Rasse- und Siedlungshauptamt (RSHA) kooperierten,143 kann nur über die Handlungen der Akteure bestimmt werden, ob sie heteronome Strategien verfolgten. Ähnliches gilt für die 1931/1932 gegründete Stiftung F. V. S. (die Abkürzung meint vermutlich „Freiherr vom Stein“) des Kaufmanns Alfred C. Toepfer, welche die Volks- und Kulturboden­forschung förderte.144 141 Bourdieu, Vom Gebrauch der Wissenschaft, 1998, S. 28. 142 Vgl. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, 1999, S. 65 – 73. 143 Petersen, Hans-Christian/Kusber, Jan: Osteuropäische Geschichte und Ostforschung. In: Elvert/Nielsen-Sikora (Hg.), Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, 2008, S. 289 – 311, hier S. 292. Vgl. Burleigh, Germany Turns Eastwards, 1988, S. 25, 54 – 55, 70, 88 – 89. 144 Vgl. Kreis u. a. (Hg.), Alfred Toepfer, 2000; Zimmermann, Jan: Die Kulturpreise der Stiftung F. V. S. 1935 – 1945. Darstellung und Dokumentation. Hamburg 2000, S. 187. K ­ ritischere Ansichten vertreten Boissou, Lionel: Stiftung FVS Hamburg und Johann Wolfgang ­Goethe-Stiftung Vaduz. In: Haar, Ingo/Fahlbusch, Michael (Hg.): Handbuch der völ­ kischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 666 – 678; Pinto-Duschinsky, Michael: Der Kampf um Geschichte. Der Fall Alfred C. Toepfer und der Nationalsozialismus. In: Fahlbusch, Michael/Haar, Ingo (Hg.): Wissenschaftliche Politikberatung im 20. Jahrhundert, völkische Expertise und „Neuordnung“ Europas. Paderborn 2010, S. 313 – 336.

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Organe der staatlichen Wissenschafts- und Kulturpolitik waren seit dem 19. Jahrhundert die Kultusministerien der Länder, denen die Landesdenkmal­ämter sowie die Universitäten und technischen Hochschulen mehrheitlich unterstellt waren. Ab dem Januar 1933 erfolgte ein grundlegender Wandel in der Struktur des politischen Felds in Deutschland. Fortan bestand die Politik nicht mehr nur aus den bisherigen Institutionen staatlicher Bürokratie, sondern auch aus den neuen Stäben und Organisationen der NSDAP, die den „Maßnahmenstaat“ (Ernst Fraenkel) oder den „elastischen“, „charismatischen Verwaltungsstab“ (Rüdiger Hachtmann) bildeten. Diese Stäbe und Orga­nisationen folgten nicht dem traditional-staatlichen Prinzip, sondern dem diktatorischen, indem sie sich in ihren Vorgaben und Handlungen über rechtsstaatliche Verfahren hinwegsetzten.145 Je länger die NS-Politiker an der Macht waren, desto mehr höhlten sie die Ministerialbürokratie aus, besetzten deren Stellen mit NS-Vertretern und verzahnten damit ihre Herrschaftsform mit dem traditionellen Verwaltungsapparat. „NS-Wissenschaftspolitik“ bezeichnet demnach während der Konsolidierungsphase des Regimes (1933 – 1936) die Wissenschaftspolitik der NSDAP und ihrer Organisationen, in der späteren Phase (etwa ab 1936) die Wissenschaftspolitik der meisten staatlichen wissenschaftspolitischen Organisationen. Kulturpolitik ist nicht gleichzusetzen mit Wissenschaftspolitik. Kulturpolitik umfasste die Förderung des Baus von Gebäuden, die als besonders prestigeträchtig angesehen wurden, wie Theater und Bibliotheken, oder die gezielte Unterstützung öffentlicher Lesungen oder Konzerte. Kulturpolitiker wirkten im Inland und im Ausland. Im Ausland zielten sie vor allem darauf ab, die nationalen kulturellen Errungenschaften, wozu Kunst und Wissenschaft gehörten, gegenüber anderen Ländern zu repräsentieren. Im Kaiserreich wuchs diese Kulturpolitik zu einer imperialen Kulturmission aus,146 in den vom NS-Regime annektierten Gebieten entsprach die NS-Kulturpolitik einer „Germanisierungspolitik“.147 Im

145 Vgl. Hachtmann, Rüdiger: Elastisch, dynamisch und von katastrophaler Effizienz – zur Struktur der Neuen Staatlichkeit des Nationalsozialismus. In: Reichardt, Sven/Seibel, ­Wolfgang (Hg.): Der prekäre Staat. Herrschen und Verwalten im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 2011, S. 29 – 73. 146 Vgl. Liulevicius, Vejas Gabriel: War Land on the Eastern Front: Culture, National Identity and German Occupation in World War I (Studies in the Social and Cultural History of Modern Warfare 9). Cambridge 2005, S. 29 – 31. 147 Vgl. Oberkrome, Ordnung und Autarkie, 2009, S. 85 – 87, 196.

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Inland ging es Kulturpolitikern darum, der Bevölkerung die deutschen Kulturleistungen nahezubringen und sie dadurch zu einer nationalen Haltung zu erziehen. Die von Joseph Goebbels in seiner Position als Propagandaminister formulierten Grundsätze einer NS -Kultur umfassten den Kampf gegen die künstlerische Avantgarde der Moderne, gegen den „Kulturbolschewismus“ und zugleich gegen die Kunst der „dekadenten westlichen Zivilisation“. Als Alternative propagierten NS-Kulturpolitiker eine „ewige“ Kunst, womit Monumentalität gemeint war, sowie Volks- und Heimatkunst, die auf eine ländlich-bäuerliche Tradition verwiesen. Goebbels’ Begriff der „stählernen Romantik“ umschreibt ziemlich gut, was NS-Kultur und NS-Kunst sein sollten.148 Zu den wissenschafts- und kulturpolitischen Organisationen der NSDAP gehörten der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB; ab 1936 Reichsstudentenführung), die Hochschulkommission der NSDAP, das Amt Wissenschaft in der Dienststelle Rosenberg, der Nationalsozialistische Deutsche Dozentenbund (NSDDB), der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB), das SS-Ahnenerbe, der SD und das RSHA. Kulturpolitik betrieben auch einzelne Abteilungen des Reichspropagandaministeriums. Die in d ­ iesen Organisationen tätigen Akteure schufen im Laufe des Regimes weitere Unterorganisationen und Einsatzstäbe. Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) als 1934 neu geschaffenes Ministerium war an die Organisationsstruktur des preußischen Kultusministeriums angelehnt und ist somit ein frühes Beispiel des Umbaus staatlicher Strukturen durch die NS-Politiker. Gleiches gilt für das RMdI unter Wilhelm Frick, wobei 1934 die meisten seiner wissenschaftspolitischen Zuständigkeiten an das REM übergingen.149 Mit Ausnahme des NS -Studentenbunds gründeten NS -Politiker die erwähnten Organisationen erst um oder nach 1934, denn bis dahin existierte kein wissenschaftspolitisches Programm der NSDAP und damit auch keine für Wissenschaftspolitik zuständige Stelle.150 Die Polyphonie der NS-Herrschaft war in der Wissenschafts- und Kulturpolitik besonders ausgeprägt, was durch Hitlers fortwährende Vernachlässigung der Wissenschaftspolitik befördert wurde. Zu keinem Zeitpunkt der NS-Herrschaft waren die Kompetenzen der erwähnten 148 Vgl. Bavaj, Die Ambivalenz der Moderne, 2003, S. 153 – 154, 156 – 158. Vgl. o. A.: Deutsche Kunst und Kunsterziehung. Der Reichsminister vor 15‘000 Berliner Lehrern. In: Germania Nr. 290 vom 21.10.1933. In: Bay HStA, MK 40905. 149 Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 134. Vgl. ­Fahlbusch, Für Volk, Führer und Reich!, 2000, S. 470. 150 Hausmann, Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011, S. 56 – 57.

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Organisationen klar voneinander abgegrenzt, Vertreter einzelner Stellen gingen Bündnisse mit anderen ein, wieder andere rivalisierten um die Macht in der NS-Wissenschaftspolitik.151 3.2.1 HETERONOMISIERUNG ODER WAHRUNG DER AUTONOMIE DES WISSENSCHAFTSFELDS?

Im Folgenden werden zunächst die sozialen, weltanschaulichen und inhaltlichen Forderungen der NS-Wissenschaftspolitiker an das Wissenschaftsfeld dargelegt und es wird gezeigt, auf welche Weise sie im wissenschaftlichen Feld Widerhall fanden. Dies verlangt Erläuterungen zum sozialen Kräfteverhältnis und zum Kanon symbolischer Regeln im deutschen Wissenschaftsfeld um 1933. Auf den Ergebnissen aufbauend wird dann die Entwicklung der beiden Felder in ihrem Verhältnis zueinander bis zum Ende des NS-Regimes verfolgt. Zielsetzungen der NS-Wissenschaftspolitik und Resonanzen im Wissenschaftsfeld

Die Umgestaltung des deutschen Wissenschaftsfelds nach 1933 auf sozialer und weltanschaulicher Ebene sollte nach den Prinzipien erfolgen, die für alle Bereiche der deutschen Gesellschaft galten. Der Wissenschaft kam keine Sonder­stellung zu, auch wenn bestimmte Forderungen an ihre Charakte­ ristiken angepasst werden mussten. Wenden wir uns zunächst den NS-Prinzipien auf sozialer und weltanschaulicher Ebene zu, bevor die inhaltlichen Ziele behandelt werden. Zur Erfüllung einer Mehrzahl dieser Kriterien war die Mitgliedschaft in der NSDAP nicht nötig, den „Märzgefallenen“ oder „Maikäfern“ unter den Akademikern, also denjenigen Wissenschaftlern, die sich erst im März oder im Mai 1933 für eine Parteimitgliedschaft entschieden hatten, hielten ältere Parteigenossen vielmehr Opportunismus vor. Viel entscheidender war, ob ein Wissenschaftler bei HJ, SA oder SS „in führender Stellung tüchtig“ mithalf, sich also am Aufbau der NS-Volksgemeinschaft beteiligte.152 151 Grüttner, Michael: Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus. In: Kaufmann (Hg.): Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2000, S. 557 – 585, hier S. 557 – 560. Vgl. ­Zwanzig Jahre Deutsche Forschung. Vortrag gehalten von Min.-Dir. Prof. Dr. R. Mentzel am 30.10.1940. In: BAR, R 73/2, Bl. 138 – 152, hier Bl. 141. 152 Vgl. NSDDB, Der Reichsamtsleiter, an W. Greite vom 18.7.1936: Betr. Gerhard Heilfurth. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 2.

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Forderungen auf sozialer und weltanschaulicher Ebene

Das „Führerprinzip“ sollte in allen Institutionen und bei allen sozialen Gruppen im Wissenschaftsfeld eingeführt werden. Auf akademischer Ebene bedeutete dies vor allem die Beschneidung der Macht der Senate, die den akademischen „Führern“, den Rektoren und Dekanen, nur noch in beratender Funktion zur Seite stehen sollten.153 War einmal ein Entscheid vom Rektor oder vom Dekan gefällt worden, waren die Professoren zur Gefolgschaft verpflichtet. Resonanzen ergaben sich durch die hierarchische Sozialstruktur im Wissenschaftsfeld. Plastisch wird dies an den Wissenschaftlerschulen, den „families of thought“.154 Schulen waren soziale Gruppen von Beherrschten, die sich um einen besonders mächtigen Wissenschaftler, einen „Meister“, sammelten, seinen Grundannahmen folgten und seine Theorien weiterentwickelten. Sah sich ein Schüler dazu veranlasst, die Schule zu wechseln, oder stand er nicht mehr in der Gunst des Meisters, bedeutete dies in der Regel das Ende seiner Laufbahn. Insofern waren die Schulen bereits vor 1933 von einem autoritären Prinzip bestimmt, das sich problemlos mit dem nationalsozialistischen „Führerprinzip“ in Einklang bringen ließ. Der Unterschied zwischen der akademischen auto­­ri­ tären Sozialstruktur und dem NS-Führerprinzip lag in der Differenz der Begriffe ‚Autorität‘ und ‚Totalität‘ begründet. Im Wissenschaftsfeld zeigte sich dies an der Diskrepanz zwischen den „Mandarinen“ und den meist zur „Kriegsjugendgeneration“ gehörenden Nachwuchswissenschaftlern. Während die „Mandarine“, die Meister der jeweiligen Schulen, Vertreter der alten, autoritären Sozialstruktur waren, drängte die „Generation des Unbedingten“ (Michael Wildt) mit totalitär gewendeten Begriffen wie „Führertum“ und „Gefolgschaft“ ins akademische Feld. Das von NS-Politikern ans Wissenschaftsfeld herangetragene „Führerprinzip“ war in diesem Sinne ein Instrument für die Nachrückenden, um, einmal in die Positionen von Dozentenbundführern, Rektoren oder Dekanen gelangt, die Macht der „Mandarine“ zu brechen. 2 |  Als jüdisch kategorisierte und politisch missliebige sowie Forscher mit religiösen Überzeugungen, die mit der NS-Weltanschauung unvereinbar waren, 1 | 

153 Vgl. am Beispiel der FSU Jena MS. Abschrift aus dem Protokoll über die Sitzung des Senats vom 4.4.1933. In: UAJ, BA, Nr. 98, Bl. 184. Zitiert in: Wege der Wissenschaft im Nationalsozialismus. Dokumente zur Universität Jena, 1933 – 1945. Bearbeitet von: Joachim Hendel u. a. (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena 7). Stuttgart 2007, S. 45. 154 Vgl. Bourdieu, Pierre: Intellectual Field and Creative Project. In: Social Science Information 8 (1969) 2, S. 89 – 119, hier S. 108.

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sollten vertrieben werden. Konkret waren damit „das Judentum, die Frei­maurerei, der Bolschewismus und die politische Kirche“ gemeint.155 Der Begriff ‚Juden‘ bezeichnete dabei keine Religionsgemeinschaft, sondern Menschen, die aufgrund von vermeintlich technisch-wissenschaftlichen Verfahren und ästhetischen Vorstellungen als Angehörige einer „jüdischen Rasse“ identifiziert wurden. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein judenfeindliches Element seit dem frühen 19. Jahrhundert zum deutschen Wissenschaftsfeld gehörte.156 ­Strebten jüdische Studenten eine Wissenschaftlerkarriere an, verharrten sie länger als andere in den Positionen von Assistenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Extraordinarien. Nur in wenigen Fällen brachten es Juden zu Lehrstuhlinhabern.157 Im Prozess der deutschen Nationsbildung erschienen die Juden als Fremde, weil der christliche Gedanke für die Bildung der Nation konstitutiv war und die Juden in dieser Gedankenwelt nicht zur „christlichen deutschen Nation“ gehörten.158 Dennoch forderte die Mehrheit der deutschen Professoren vor 1871 eine Integration der Juden unter der Voraussetzung ihrer Partizipation an der christlich-abendländischen Nations- und Staatsidee, was die Ablegung des Bekenntnisses zum mosaischen Glauben verlangte. Nur wenige nicht jüdische Professoren bestritten, dass jüdische Wissenschaftler zum Prestige der deutschen Wissenschaft in der Welt maßgebend beitrugen. Der gewöhnlich religiös und kulturell grundierte Antijudaismus deutscher Professoren veränderte sich qualitativ in zwei Phasen, nämlich in den 1870er-Jahren nach der erfolgten Reichsgründung und in den 1920er-Jahren, wofür der Erste Weltkrieg ausschlaggebend war. Der relative Liberalismus gegenüber den Juden änderte sich im Laufe der Kaiserzeit. Als Vorreiter des antisemitischen Radikalisierungsprozesses darf Heinrich von Treitschke gesehen werden. Er vertrat einen „politischen Antisemitismus“, wobei der in der Forschungsliteratur so benannte „Berliner Antisemitismusstreit“ 155 o. A.: Juden – wie sie waren und wie sie sind. Prof. Dr. Franz sprach vor dem NSLB und dem SS -Sturm 47. In: Jenaer Stadtnachrichten vom 12.6.1937. Zitiert in: Lerchenmüller, Joachim: Die Reichsuniversität Straßburg: SD-Wissenschaftspolitik und wissenschaft­liche Karrieren vor und nach 1945. In: Bayer, Karen/Sparing, Frank/Woelk, Wolfgang (Hg.): Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit. Stuttgart 2004, S. 53 – 79, hier S. 54 – 55. 156 Vgl. Gramley, Propheten des deutschen Nationalismus, 2001, S. 30. 157 Vgl. Simon, Staat und Geschichtswissenschaft, 1988, S. 88. Vgl. Kurth, Alexandra: Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800 (Campus Forschung 878). Frankfurt am Main, New York 2004, S. 123. 158 Gramley, Propheten des deutschen Nationalismus, 2001, S. 261 – 264; Simon, Staat und Geschichtswissenschaft, 1988, S. 91 – 96, 134.

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von 1879 – 1881 einen Höhepunkt in der Diskussion um die Judenemanzipation darstellte.159 Wichtig ist zum Ersten, dass Treitschkes Antisemitismus nicht mehr religiös begründet war, sondern den Juden spezifische Eigenschaften und Charaktermerkmale zuschrieb, wie z. B. Geld- und Machtgier. Zum Zweiten verband Treitschke Antisemitismus mit Antiliberalismus, und zum Dritten begann er, antisemitische mit ‚rassischen‘ Denkfiguren zu vermengen. Im Antisemitismusstreit wehrten sich jüdische Historiker, später unterstützt von ­Theodor Mommsen und Johann Gustav Droysen, gegen solche Diskriminierungen, Erfolg hatten sie damit keinen: Rückblickend ist der Antisemitismusstreit als Auftakt eines Mentalitätswandels im deutschen Wissenschaftsfeld und im Bildungsbürgertum vom religiös-kulturellen Antijudaismus hin zu einer Abkehr vom Liberalismus und von der Emanzipationsbefürwortung gegenüber den Juden zu sehen.160 Dieser politische Antisemitismus unterschied sich zwar vom Judenhass der Nationalsozialisten, der auf vollständige Exklusion der Juden von der deutschen Gesellschaft abzielte. Es ist aber nicht zu übersehen, dass darin ein konspiratives Element lag, nämlich die Vorstellung von einer „jüdischen Weltverschwörung“, angeblich manifest im Zionismus und dann im B ­ olschewismus, deren Ziel es sei, das deutsche Volk und den deutschen Staat zu zerstören. Die „Protokolle der Weisen von Zion“ waren in diesem Zusammenhang lediglich ein vulgäres und nicht ernst genommenes Produkt solch konspirativ-antisemitischen Denkens. In dieser Hinsicht stimmten die antisemitischen Denkfiguren von Akademikern mit dem nationalsozialistischen Antisemitismus überein, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs, in dem die NS-Propagandisten „den jüdischen Feind“ zum Drahtzieher des Kriegs stilisierten.161 Besonders stark ausgeprägt war der Antisemitismus in der Studentenschaft. Der 1881 gegründete protestantische Verband Deutscher Studenten hielt es „für seine wichtigste Aufgabe“, gegen die „Überfremdung durch den artfremden Geist des Judentums“ anzugehen.162 Um 1920 sei dieses Ziel nach Einschätzung des

159 Vgl. Der „Berliner Antisemitismusstreit“ 1879 – 1881. Kommentierte Quellenedition. Im Auftrag des Zentrums für Antisemitismusforschung. Bearbeitet von: Karsten Krieger. München 2003, S. VII. 160 Gramley, Propheten des deutschen Nationalismus, 2001, S. 267 – 273. 161 Vgl. Herf, Jeffrey; The Jewish Enemy: Nazi Propaganda during World War II and the Holocaust. Cambridge (Mass.), London 2008. 162 Faust, Anselm: „Überwindung des jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben“ – Der Nationalsozialistische Deutsche

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Verbands in der Studentenschaft selbstverständlich geworden, und im Laufe der Weimarer Republik führten die meisten anderen Korporationsverbände einen „Arierparagraphen“ in ihre Statuten ein, sodass um 1930 kaum noch ein Verband dazu bereit war, jüdische Studenten aufzunehmen.163 Die Bundesmit­glieder machten allerdings Ausnahmen, besonders ihrer Altherren­schaft gegenüber, wäre doch der Rauswurf von jüdischen Altherren einem Bruch der „bundesbrüderlichen Treue“ gleichgekommen. Hier wird deutlich, dass „Deutschsein“ und „Jüdischsein“ vor allem geistige Kategorien waren und dass die deutschnationale Einstellung eines jüdischen Frontkämpfers des Ersten Weltkriegs und sein „deutsches Aussehen“ auch in der frühen Phase der NS-Herrschaft mehr zählten als seine angeblich biologische jüdische Abstammung, wofür Hans Rothfels ein Beispiel ist.164 Radikalere Geisteshaltungen vertraten die seit 1919 gebildeten Hochschulringe Deutscher Art. Diese Studenten richteten sich in Anlehnung an Fichte gegen die „zerstörenden Kräfte des Internationalismus“ und gegen das Prinzip der territorialen Staatszugehörigkeit. Statt­dessen propagierten sie eine Neudefinition der Nation, die auf einer biologischen und kultu­ rellen Volkszugehörigkeit beruhte, wovon deutsche Staatsangehörige mosaischen Glaubens ausgeschlossen waren.165 Es ist also davon auszugehen, dass Professoren und Nachrückende m ­ osaischen Glaubens eine zwar beherrschte und potenziell bedrohte, jedoch legitime Position im Wissenschaftsfeld hatten. Auch jüdisch-christliche Wissen­schaftler gehörten zu den deutschen „Mandarinen“, nur war ihre Zahl gegenüber den christlichen und vor allem den protestantischen Professoren gering. Bei den Nachrückenden hatte dies zur Folge, dass sie in der Regel zunächst unter Schutz und Schirm eines Mächtigen standen, weil es sich bei diesen Mächtigen oft selbst um jüdische Professoren handelte, also um Beherrschte unter den Herrschenden. Falls hingegen ein christlich-deutscher Professor ihr Mentor war, ließ er sie spätestens nach der sogenannten Machtergreifung fallen.166 Studentenbund. In: Scholtyseck, Joachim/Studt, Christoph (Hg.): Universitäten und Studenten im Dritten Reich. Bejahung, Anpassung, Widerstand. XIX. Königswinterer Tagung von 17.-19. Februar 2006 (Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 9). Berlin 2008, S. 107 – 114, hier, S. 109, 111. 163 Grüttner, Michael: Studenten im Dritten Reich. Paderborn u. a. 1995, S. 28. 164 Vgl. Dunkhase, Jan Eike: Werner Conze. Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 194). Göttingen 2010, S. 238. 165 Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 53 – 54, 57 – 63. 166 Vgl. am Beispiel von Hans Freyer und seinem Schüler Ernst Manheim Muller, Jerry Z.: The Other God That Failed: Hans Freyer and the Deradicalization of German Conservatism.

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Für ihre christlichen Kollegen, die ebenfalls im Wissenschaftsfeld nachrückten, waren jüdische Nachwuchsforscher hingegen leicht auszuschaltende Konkurrenten. In diesem Zusammenhang spielte der Antisemitismus im Kampf um Positionen im Wissenschaftsfeld eine wichtige Rolle, was in der Philosophie besonders deutlich wird. Die Disputationen zwischen den Neu-Kantianern Marburger Provenienz, so dem 1919 verstorbenen Hermann Cohen und seinem Schüler Ernst Cassirer, mit den jüngeren existenzialphilosophisch ausgerich­teten Philosophen, repräsentiert durch Martin Heidegger, lagen darin begründet, dass die Marburger das Konzept „Philosophie als Weltanschauung“ ablehnten.167 In Heideggers ontologischem Prinzip des „Geworfenseins“ in der Welt war dagegen eine solche Trennung nicht möglich. Die von Cassirer und Cohen vertretene Auslegung Kants wurde in der Folgezeit als „jüdisch“ apostrophiert, was leicht mit weltanschaulich-politischen Haltungen verknüpft werden konnte. Neben Heidegger ist auch Carl Schmitt ein Beispiel hierfür. Der Antisemitismus beider Denker lag nicht auf persönlicher Ebene – ähnlich Treitschke pflegten beide freundschaftliche Kontakte zu jüdisch-christlichen Kollegen und Schülern oder hatten selbst jüdische Lehrer gehabt –, und er war nur teilweise ­‚rassisch‘ begründet. Vielmehr bekämpften sie „jüdisches Denken“ und „jüdischen Geist“.168 Das Judentum war für sie Träger und Vermittler bestimmter Ideen und Denkarten, nämlich vor allem solcher der westlichen Moderne französischen, englischen und amerikanischen Zuschnitts. Juden erschienen dadurch als Vertreter von Rationalismus, Materialismus, Liberalismus, Universalismus, von Humanismus, Gleichheit und Brüderlichkeit oder, auf juristischer Ebene, des Weimarer Gesetzesstaats.169 Für Heidegger und andere Philosophen, die noch nicht arriviert waren, bedeutete der vom NS-Regime verordnete Ausschluss jüdischer Wissenschaftler aus den Universitäten die Möglichkeit, ihre Denkweise in der Philosophie durchzusetzen. Princeton 1987, S. 219 – 220. 167 Vgl. Gordon, Peter E.: Continental Divide: Heidegger, Cassirer, Davos. Cambridge (Mass.), London 2010, S. 52 – 64. 168 Gross, Raphael: Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre. Durchges. und erw. Aufl. Frankfurt am Main 2005, S. 9 – 12, 110. Vgl. Löwith, Karl: My last Meeting with ­Heidegger in Rome, 1936. In: New German Critique 45: Special Issue on Bloch and ­Heidegger (1988), S. 115 – 116. Vgl. Wolin, Richard: The Politics of Being: The Political Thought of Martin Heidegger. New York 1990, S. 5 – 6. 169 Vgl. am Beispiel der Universität Heidelberg nach 1918 Jansen, Christian: Professoren und Politik. Politisches Denken und Handeln der Heidelberger Hochschullehrer 1914 – 1935 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 99). Göttingen 1992, S. 179.

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In der Bilanz ist festzuhalten, dass die vollständige Entfernung jüdischer Wissenschaftler zwar nicht zu den Regeln des Wissenschaftsfelds gehörte, dass aber eine antisemitische Stimmung ein Charakteristikum des Felds war und dass jüngere Professoren und Privatdozenten in der Entfernung der Juden Möglichkeiten sahen, die eigene Karriere voranzubringen. Zu den politisch Missliebigen zählten NS -Wissenschaftspolitiker zunächst linke und liberale Wissenschaftler, das heißt Sozialdemokraten und Linksliberale. In den Augen der NS -Politiker waren tendenziell jedoch alle politischen Haltungen unerwünscht, die nicht nationalsozialistisch waren. Auf die Frage, ob diese Forderung im Wissenschaftsfeld auf Resonanzen stieß, lässt sich eine ähnliche Antwort geben wie im Falle der jüdischen Wissenschaftler: Sozialdemokraten waren im Wissenschaftsfeld vor 1933 ausgesprochen selten, Kommunisten und Sozialisten waren fast gar nicht vertreten. Als Minderheit nahmen liberale und linksliberale Wissenschaftler jedoch legitime Positionen im Wissenschaftsfeld ein, ihr vollständiger Ausschluss war demnach ein Verstoß gegen die Spielregeln. Es muss hierbei bedacht werden, dass solche Regelverstöße, also politisch motivierte Ausschlüsse von missliebigen Wissenschaftlern, bereits vor 1918 vorkamen; erinnert sei an Veit Valentin und Ludwig Quidde.170 Der Regelverstoß war ebenso Teil der Regeln des Wissenschaftsfelds, solange er als soziale Praxis nicht überwog. Der Unterschied zur Situation nach 1933 ist in der Bedingungslosigkeit zu sehen, mit der solche Wissenschaftler relegiert wurden, ein Element, das nicht zum deutschen Wissenschaftsfeld gehörte. Anders verhält es sich mit der geforderten Bekämpfung der „politischen ­Kirche“. Damit sollten solche Wissenschaftler vom Feld ausgeschlossen werden, die Mitglieder in Parteien waren, die protestantischen oder katholischen Grundsätzen folgten oder die eine grundsätzlich christliche Haltung vertraten. Dies war eine Forderung, die keinen oder nur schwachen Widerhall im Wissenschaftsfeld fand. Im Gegenteil, das Bekenntnis zu christlichen Werten war ein wichtiges Kriterium, um überhaupt ins Wissenschaftsfeld eintreten zu dürfen, 170 vom Bruch, Rüdiger: Langsamer Abschied von Humboldt? Etappen deutscher Univer­ sitätsgeschichte 1810 – 1945. In: Ash, Mitchell G. (Hg.): Mythos Humboldt. Vergangenheit und Zukunft der deutschen Universitäten. Wien, Köln, Weimar 1999, S. 29 – 57, hier S. 42. Vgl. vom Bruch, Rüdiger: Quidde, Ludwig (1858 – 1941). In: vom Bruch, Rüdiger/Müller, Rainer A. (Hg.): Historikerlexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart. 2. überarb. und erw. Aufl. München 2002, S. 265; Faulenbach, Bernd: Valentin, Veit (1885 – 1947). In: vom Bruch/ Müller (Hg.), Historikerlexikon. 2002, S. 345 – 346.

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wobei eindeutig die evangelisch-lutherische Konfession überwog.171 Die von NS -Wissenschaftspolitikern angestrengte Bekämpfung der Freimaurer fand in der Regel nur bei jüngeren Wissenschaftlern Anklang, da zahlreiche ältere Professoren Freimaurer-Logen angehörten. 3 |  Die politische Gesinnung der Wissenschaftler sollte bei der Besetzung von Stellen stärker gewichtet werden.172 Dass die politische Haltung zu einem Ausschlusskriterium bei der Stellenbesetzung werden konnte, verstieß insofern gegen die Regeln des Wissenschaftsfelds, als die den Nationalsozialisten vornehmlich als unerwünscht geltenden nationalliberalen und linksliberalen Haltungen im Wissenschaftsfeld zwar nicht dominierten, jedoch erlaubt waren. Dennoch war diese Forderung resonanzfähig, weil die politische Haltung allgemeine Ansichten der Wissenschaftler zum Macht- und Staatsbegriff umfasste. Die von NS-Politikern propagierte Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus und die Bekämpfung von Bolschewismus und Sozialismus vertrat die Mehrzahl der Akademiker bereits vor der sogenannten Machtergreifung. Dies lag darin begründet, dass mit der antidemokratischen Haltung die Vorstellung von akademischer Autonomie zusammenhing. Heinrich von Sybels Meinung nach konnte nur der starke Machtstaat die Freiheit des Geistes, der Künste und der Wissenschaften gewährleisten. In einem Staat hingegen, in dem demokratische Politik herrschte, würde diese Freiheit von äußeren Kräften bedroht.173 Mit Demokratie assoziierten nicht wenige deutsche Gelehrte auch Pazifismus, der als Ausnahmezustand in der deutschen Geschichte gekennzeichnet war. Herrschten im deutschen Staat Demokratie und Pazifismus vor, überwog die ‚Gesellschaft‘ gegenüber dem ‚Staat‘, war Deutschland vor kriegerischen Absichten der umliegenden Mächte nicht geschützt.174 Auf der einen Seite führte dies zu einer grundsätzlichen Bejahung autoritärer Politik, wie sie auch die National­sozialisten vertraten. Auf der anderen Seite jedoch musste der totale Herrschaftsanspruch und der sozialrevolutionäre Anstrich der NS-Bewegung auf die ältere Akademikergeneration abschreckend wirken, da für sie solche Elemente mehr mit Bolschewismus als mit Autoritarismus verknüpft waren. 171 Weber, Priester der Klio, 1984, S. 326 – 328. Vgl. Gramley, Propheten des deutschen Nationa­ lismus, 2001, S. 58. 172 Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 568 – 569. 173 Simon, Staat und Geschichtswissenschaft, 1988, S. 43 – 45. 174 Vgl. Faulenbach, Bernd: Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. München 1980, S. 19, 55, 178 – 181, 279, 310.

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Viel eher konnten jüngere Wissenschaftler an nationalsozialistische Herrschaftsgrundsätze anschließen. Die jüngere Generation, ob nun radikalkonservativ oder neusachlich-linksgerichtet, lehnte den Staatsprimat mehrheitlich ab. Das Versagen des deutschen Staats im und nach dem Ersten Weltkrieg bestätigte diese Haltung, der Staat konnte für sie nicht mehr die Autonomie der Wissenschaft gewährleisten und sollte durch neue Machtinstanzen ersetzt werden. Die Rechten verwendeten mehrheitlich ‚Gemeinschaft‘ als Grundbegriff für neue Instanzen einer alternativen Sozialorganisation, die Linken ‚Gesellschaft‘. Beide Seiten konzipierten Organisationsformen wie ‚Bund‘, ‚Verband‘ und ‚Genossenschaft‘, die Rechten assoziierten damit aber eher Begriffe wie ‚Stamm‘, ‚Volk‘ oder ‚Rasse‘,175 die Linken ‚Demokratie‘, ‚Volk‘ und ‚Sozialismus‘. Was links und rechts trennte, Jungkonservative und ältere Nationalkonservative dagegen zusammenführte, war die Art des Machtbegriffs, der die Institu­tionen ausfüllen sollte: Bei den Linken war es die in heutigen Begriffen gefasste Zivilgesellschaft, nämlich das ‚Volk‘ als Souverän, das im Staat repräsentiert sein sollte, bei den Rechten sollte eine Autorität den Staat führen, welche sie aus dem Ungleichheits, jedoch gemeinschaftsbildenden Prinzip der gegenseitigen Durchdringung von autoritärer Führerfigur und klassenübergreifendem Volkskonzept konzipierten. Dieser Machtbegriff gewann in den späten 1920er-Jahren an Zuspruch, während sich Befürworter eines demokratischen Staatsprinzips eindeutig in der Minderheit befanden.176 4 |  Die Stellen im Wissenschaftsfeld sollten mit jüngeren Forschern besetzt werden, die nicht im wilhelminischen Bildungssystem sozialisiert worden waren. Damit beabsichtigten NS-Wissenschaftspolitiker die Ablösung der in der Regel monarchietreuen älteren Professoren.177 Die ältere Professorengeneration durch eine vorgezogene Emeritierung aus dem Feld zu drängen, kam einer Korrumpierung des „natürlichen“ akademischen Alterungsprozesses gleich. Je älter ein Wissenschaftler war, desto mehr wissenschaftliche Autorität hatte er angehäuft und desto unangreifbarer war seine Position im Feld geworden. Die badische Regierung versuchte 1923 das Pensionsalter der Professoren von 68 auf 65 Jahre herabzusetzen, musste diese Verordnung nach starken Protesten jedoch wieder rückgängig machen.178 Selbst wenn ältere Professoren im fortgeschrittenen Alter 175 Vgl. Muller, The Other God That Failed, 1987, S. 20. 176 Vgl. Jarausch, Konrad H.: The Unfree Professions: German Lawyers, Teachers, and Engineers, 1900 – 1950. New York, Oxford 1990, S. 75 – 77. 177 Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 563, 568. 178 Jansen, Professoren und Politik, 1992, S. 23.

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einen Prestigeverlust erlitten, wurden sie aus Respekt vor ihrem Gelehrten­ dasein nicht aus dem Feld gedrängt. Für die Nachrückenden war diese Forderung jedoch außerordentlich attraktiv, sie mussten darin eine Möglichkeit sehen, ihre eigenen Positionen im Feld zu verbessern. Es darf nicht vergessen werden, dass sich die deutschen Universitäten in einer „Überfüllungskrise“ befanden. Infolge der laufend steigenden Studentenzahlen war am Ende der Weimarer Republik die „Zahl der Hochschulabsolventen etwa zwei- bis dreimal so hoch wie der tatsächliche Bedarf an Akademikern“. Neben den Studenten waren die Assistenten, Privat­dozenten und Extraordinarien von dieser Krise besonders betroffen. Bei ihnen ging es nicht so sehr um materielle Knappheit – Privatdozenten konnten sich mit Forschungsstipendien der NDW und befristeten Lehraufträgen an den Univer­ sitäten über Wasser halten, Extraordinarien bezogen meist ein Salär –, sondern um wissenschaftliches Kapital, das sie aufgrund der Knappheit an Stellen nicht vermehren konnten.179 5 |  „Charakterliche Stärken“ sollten bei der Besetzung von Stellen stärker berücksichtigt werden. Damit waren Hilfsbereitschaft gegenüber Kollegen und Einsatzbereitschaft sowie allgemein ein „lauterer Charakter“ gemeint. Konkreter werden diese Forderungen durch die Negativkriterien, die aus den Gutachten des NSDDB und der NS-Dozentenschaften über potenzielle Kandidaten hervorgehen. Dazu gehörten ein „großsprecherisches Wesen“ und „Eingebildetheit“, die Eigenschaft des „Salon-Menschen“, der meine, nur durch seine Beziehungen durchs Leben zu kommen, sowie „Standesdünkel“, was für Vertreter des NSDDB auf eine Unfähigkeit zur Eingliederung in die NS-Volksgemeinschaft hindeutete. In dasselbe semantische Bündel gehörten „geringer Gemeinschaftssinn“, „mangelnder Humor“ und die Charakterisierung von Wissenschaftlern als „Sonderlinge“, „reine Wissenschaftler“ und „Strebernaturen“.180 179 Grüttner, Michael: Machtergreifung als Generationskonflikt. Die Krise der Hochschulen und der Aufstieg des Nationalsozialismus. In: vom Bruch/Kaderas (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik, 2002, S. 339 – 353, hier S. 341 – 345. 180 NSDDB, Der Reichsamtsleiter, an W. Greite [Notgemeinschaft] vom 9.4.1936: Betr. Dr. Josef Antweiler. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 1; Gutachten Betr. Priv. Doz. Dr. Ernst Benz durch den Führer der Dozentenschaft der Universität Halle, gez. Wagner, bearbeitet durch die DFG am 3.12.1934. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 1; NSDDB, Der Reichsamtsleiter, an W. Greite vom 22.2.1936: Betr. Dr. Wolfgang Buchheim. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 1; NSDDB, Der Reichsamtsleiter, an W. Greite vom 3.6.1936: Betr. Dr. Dietrich. In: Hoover Institution Archives, Deutsche

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Bei diesen Charakteristiken handelte es sich um Umbildungen von Elementen, die im Wissenschaftsfeld zum „Korpsgeist“ gehörten, also von habituellen Anlagen, die für die Aufnahme in ein Institut oder in eine geisteswissenschaftliche Schule wichtig waren. Hierzu gehörten die gegenseitige Hilfestellung in wissenschaftlichen Belangen, die Wahrung des Originalitätsrechts oder die Einhaltung der konventionellen Kommunikationsformen bei gegenseitiger Kritik. Für die Neueintretenden im Wissenschaftsfeld stand dabei an erster Stelle der Respekt gegenüber dem Doktorvater.181 6 |  Die Wissenschaftler sollten pädagogische Fähigkeiten aufweisen, sie mussten den Studenten und der breiten Bevölkerung wissenschaftliches Wissen vermitteln können.182 Für diese Anforderung gilt, dass schon im 19. Jahrhundert die Fähigkeit zur Wissensvermittlung wichtig war, weil die nachrückenden Privatdozenten ihr Salär vor allem aus den Hörerabgaben ihrer Vorlesungen bezogen.183 Insofern mussten sie daran interessiert sein, möglichst viele Hörer für ihre Veranstaltungen zu gewinnen, was rhetorische Fähigkeiten verlangte. Darüber hinaus gab es die Tradition, als Ordinarius für die bildungsbürger­liche Öffentlichkeit Vorträge zu halten.184 Die Differenz zum NS-Konzept war, dass NS-Wissenschaftspolitiker nicht die Bildungsbürger als Adressaten einer popularisierten Wissenschaft meinten, sondern die breite Bevölkerung. 7 |  Bestimmte körperliche Anforderungen an die Wissenschaftler gehörten ebenfalls zum Kriterienkatalog. Der Wissenschaftler sollte dem vorgeblich altgriechischen Ideal der Harmonie von Körper und Geist entsprechen, was Forschungsgemeinschaft, Box No. 1; NSDDB, Der Reichsamtsleiter, an die DFG, z. Hd. Greite vom 11.11.1935: Betr. Hermann Kech. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 2; NSDAP, Gau Thüringen, Kreisleitung Jena, an die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, DFG, vom 25.10.1934: Betr. Prof. H. S ­ iedentopf. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 5. 181 Vgl. Bourdieu, Meditationen, 2001, S. 50 – 51. Vgl. Bourdieu, Pierre: Science of Science and Reflexivity. Chicago 2004, S. 72. 182 Gutachten betr. Dr. Helmuth Arntz vom Führer der Dozentenschaft der Universität Bonn, gez. Schmidt, undatiert. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 1. 183 Ash, Mitchell G.: Gestalt Psychology in German Culture 1890 – 1967: Holism and the Quest for Objectivity. Cambridge 1998, S. 19. 184 So Wilhelm Pinder an den Universitäten München und Berlin. Vgl. Stöppel, Daniela: Die Politisierung der Kunstgeschichte unter dem Ordinariat von Wilhelm Pinder (1927 – 1935). In: Kraus, Elisabeth (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil 2 (Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilian-Universität München 4). München 2008, S.  133 – 168, hier S.  135 – 136, 149 – 155.

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sportliches Aussehen implizierte. Charakterisierungen wie „sein äußerlicher Eindruck ist nicht bestechend“ und „schwächlich aussehend“ oder die Beschreibung des Kunsthistorikers Heinrich Lützeler als eine „kleine, verwachsene Person“ verdeutlichen, wie ein Wissenschaftler laut dem NSDDB nicht aussehen sollte. Interessanterweise kamen physische Kriterien bei Stellenbesetzungen lediglich bei männlichen Bewerbern zum Tragen, nicht aber bei Wissenschaftlerinnen. Die negativen körperlichen Typisierungen verbanden die NS-Dozentenschaften oft mit charakterlichen Mängeln.185 „Kameradschaftlichkeit“ und sportliche Betä­ tigung sollten in den Dozentenlagern und Reichsbeamtenlehrgängen gefördert werden. In der 1934 erlassenen Reichshabilitationsordnung war vorgesehen, dass die Erteilung der Lehrberechtigung nach der Einreichung der Habilitationsschrift und der wissenschaftlichen Aussprache nur an jene erfolgen sollte, die sich an solchen Gemeinschaftsaktivitäten beteiligten.186 Körperliche Eigenschaften scheinen bereits vor 1933 eine gewisse Rolle im Wissenschaftsfeld gespielt zu haben. Drei Aspekte sind hier anzuführen: Zum Ersten gehörte spätestens seit Turnvater Jahn nicht nur die geistige Bildung zum deutschen Bildungsbegriff, sondern auch die körperliche. Sven Dierig meint, dass für den Physiologen, Experimentator und Turner Emil Du Bois-Reymond „Turngeräte und Laborinstrumente“ in ihrem Verhältnis zum Körper gleichgestellt waren, denn „das Experimentieren mit seinem spezifischen Körperbezug bildete den Forscher, indem er sich die Eigenarten des apparativen Gefüges am Experimentiertisch durch Übung einverleibte.“187 Die ästhetische Körperform, die Du Bois-Reymond vorschwebte, war die des Jünglings klassischer ­Bild­hauer­schulen der griechischen Antike. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass Wissenschaftler, die jene Statuen als Forschungsobjekte untersuchten, 185 Vgl. NSDDB , Der Reichsamtsleiter, an W. Greite vom 10.6.1936: Betr. Dr. Whilhelm Darmköhler. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 1; Gutachen gez. Fromherz, Physikalisch-Chemisches Institut München, betreffend Dr. Ernst Doehlmann, undatiert, vermutlich vom 12.1.1935. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 1; Geheimes Staatspolizeiamt, gez. Heydrich, an Johannes Weniger (Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft) vom 16.11.1934: Betr. Privatdozent Heinrich Lützeler, Bonn. In: Hoover Institution Archives, Deutsche ­Forschungsgemeinschaft, Box No. 2; NSDDB, Der Reichsamtsleiter, an Dr. W. Greite vom 8.5.1936: Betr. Dr. Kurt Müller. In: Hoover Institution Archives, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Box No. 4. 186 Vgl. Hausmann, Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011, S. 80 – 81. Vgl. Patel, „Sinnbild der nationalsozialistischen Weltanschauung“?, 2006, S. 33. 187 Dierig, Wissenschaft in der Maschinenstadt, 2006, S. 13, S. 123 – 134.

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nämlich die Klassischen Archäologen, sich solche ästhetischen Vorstellungen in noch stärkerem Maße zu eigen gemacht hatten.188 Zum Zweiten muss auf den Körperkult in der Lebensreformbewegung, vor allem in der Bündischen Jugend und in radikaleren Vereinigungen aus dem Umfeld des Jungkonservatismus, verwiesen werden.189 Die Körperästhetik der Bünde betraf mehrheitlich den männlichen Körper, was sich im Männerbund manifestierte, der für nationalsozialistisch gesinnte Wissenschaftler wie Ernst Krieck oder Alfred Baeumler zentrales Element ihrer Gesellschaftsvorstellungen war.190 Diesen Körperkult gab es auch bei kommunistischen und sozialistischen Bünden sowie bei jüdischen Turnvereinen, bei ihnen fehlte aber die ‚rassische‘ und vor allem die antisemitische Konnotation. Für jüngere Angehörige der sogenannten Konservativen Revolution, die oftmals in Bünden oder Gilden sozialisiert worden waren, musste das Konzept der „germanischen Männlichkeit“ in Abgrenzung von einem „unmännlich jüdischen“ Körper, wie es Hans Blüher nach 1918/1919 formuliert hatte,191 im Hinblick auf eine generelle Betonung des maskulin-körperlichen Aspekts in der Wissenschaft wirkungsmächtig sein. Hinzu kam die Vorstellung vom soldatischen Mann, popularisiert und radikalisiert im und nach dem Ersten Weltkrieg, die sich in den Freikorps am deutlichsten äußerte. Nicht wenige junge Wissenschaftler waren ehemalige Mitglieder von Freikorps.192 Zum Dritten ist das Phänomen der Werkstudenten zu erwähnen. Dabei handelte es sich um solche Studenten, die vornehmlich aus den mittellosen Gesellschaftsschichten stammten und daher einem Broterwerb meist körperlicher Art nachgehen mussten, um ihr Studium zu finanzieren. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass für eine nicht geringe Zahl von Studenten 188 Vgl. Marchand, Down from Olympus, 1996. Vgl. Brunotte, Ulrike: Zwischen Eros und Krieg. Männerbund und Ritual in der Moderne (Kleine Kulturwissenschaftliche Bibliothek 70). Berlin 2004, S. 23 – 24. 189 Vgl. Mosse, George L.: Nationalism and Sexuality: Respectability and Abnormal Sexuality in Modern Europe. New York 1985, S. 48 – 62. 190 Vgl. Bruns, Claudia: Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880 – 1934). Köln, Weimar, Wien 2008, S. 12, 455 – 466. Vgl. auch Wedemeyer-Kolwe, Bernd: Der „neue Mensch“ in seinem „neuen Körper“: Jugendbewegung und Körper­kultur. In: Hermann, Ulrich (Hg.): „Mit uns zieht die neue Zeit…“. Der Wandervogel in der deutschen Jugendbewegung. Weinheim, München 2006, S. 138 – 154. 191 Vgl. Bruns, Politik des Eros, 2008, S. 17, 426 – 437. 192 Ebd., S. 436 – 450. Vgl. Dunkhase, Werner Conze, 2010, S. 20 – 22. Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 61.

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in den 1920er-Jahren der Körper zentraler wurde. In den oft von Studenten konzipierten freiwilligen Arbeitsdiensten zeigte sich einerseits das körper­ hygienische, erzieherische Element des Selbst zu einem „gesunden Orga­­­ni­smus“, indem die Studenten für einige Wochen die Bibliotheken verließen und auf dem Land durch körperliche Arbeiten wieder zu neuer Kraft kommen sollten. Andererseits ging es darum, dass arbeitslose Jugendliche profitfreie Arbeit verrichten sollten, was ebenso einem organisch-hygienischen und sozial­ planerischen Prinzip entsprach, nämlich der Bewahrung der Gesellschaft vor potenziell „Asozialen“.193 Diese ganzen sozialen und weltanschaulichen Forderungen der NS -Wissenschaftspolitiker an das Wissenschaftsfeld stießen mit Ausnahme der Bekämpfung christlicher Überzeugungen auf starke Resonanzen. Vorausgesetzt wurde dabei aber, dass bei ihrer Durchsetzung ein gewisser Spielraum blieb. Inhaltliche Ziele

Auf inhaltlicher Ebene lassen sich konkrete Ziele der NS-Wissenschafts­politiker kaum ausmachen. Das liegt vor allem daran, dass sich vor der sogenannten Machtergreifung keiner der NS-Führer Gedanken über ein nationalso­zialistisches Wissen­ schaftskonzept gemacht hatte. Die diesbezüglichen Ideen in den verschiedenen NS-Organisationen konnten stark variieren, außerdem entwickelten NS-Wissenschaftspolitiker viele ihrer Maßnahmen erst aus der Erfahrung heraus und passten sie laufend an die jeweiligen Gegebenheiten an. Grundlegend für eine nationalsozialistische Wissenschaftskonzeption auf inhaltlicher Ebene war, dass Erkenntnisse nicht mehr „wahr“ im wissenschaftlichen Sinne, sondern wahr „im Sinne der nationalsozialistischen Revolution“ sein sollten, wie der bayerische Kultusminister und Vorsteher des NSLB Hans Schemm 1933 formulierte.194 Damit war jedoch die Wissenschaft ihrer feld­eigenen Symbolform beraubt. Zudem war das eine sehr allgemeine Forderung, die sich auf die weltanschaulichen Grundprinzipien 193 Vgl. Plancherel, M.: Ziel und Zweck der Tagung. In: Arbeitsdienst in 13 Staaten: ProblemeLösungen; Berichte und Vorträge der II. Internationalen Arbeitsdiensttagung in Seelisberg, (Kt. Uri) Schweiz, vom 5.-10. Sept. 1937. Herausgegeben von: Schweizerische Zentralstelle für Freiwilligen Arbeitsdienst/International Student Service. Zürich 1937, S. 11. 194 Zitiert in: Hildebrand, Klaus: Universitäten im „Dritten Reich“ – eine historische Betrachtung. In: Scholtyseck/Studt (Hg.), Universitäten und Studenten, 2008, S. 13 – 20, hier S. 14.

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der NS-Politik bezog, also die Schaffung einer „Volksgemeinschaft“ als Gemeinschaft der Angehörigen der „arischen Rasse“ (Ethnokratie) und eine Vorherrschaft Deutschlands in Europa, wenn nicht gar auf der ganzen Welt, was durch einen neuerlichen Krieg erreicht werden sollte.195 Auf den ersten Blick scheint somit eine Vorstellung davon, wie die Wissenschaft im NS-Staat inhaltlich gestaltet werden sollte, im politischen Feld nicht existiert zu haben. Konzepte einer „NS-Wissenschaft“ finden sich aber dennoch. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich die inhaltlichen Forderungen dabei als Ideen, die solche Wissenschaftler formulierten, die bereits vor 1933 eine national­sozialistische Gesinnung vertraten und meist Parteimitglieder waren. Es handelte sich dabei um epistemologische, oft ontologisch begründete Alternativentwürfe von Wissenschaft, die als Reaktionen auf die um 1900 einsetzende „Krisis der Wirklichkeit“ zu verstehen sind.196 Die Exponenten einer vorgeblich neuen „NS-Wissenschaft“ hatten vor 1933 mehrheitlich eine schwache Position im Wissenschaftsfeld. Es handelte sich dabei erstens um Außenseiter, die veraltete oder nicht mehrheitsfähige Methoden und Theorien vertraten, zweitens um Aufsteiger, die infolge unkonventioneller Ansätze eine heterodoxe Strategie im Wissenschaftsfeld verfolgten, schließlich drittens um Aufsteiger, welche die Anforderungen an eine reguläre akademische Laufbahn zwar erfüllt hatten, trotzdem aber keinen oder nur in ungenügendem Maße Erfolg damit hatten. Die letzten beiden Gruppen bestanden aus jüngeren Wissen­schaftlern, die oft dem Umfeld der radikalkonservativen Bewegung angehörten. Je jünger diese „(relativ) Beherrschte[n] zweiten Grades“ waren und je geringer ihr akkumuliertes wissenschaftliches Kapital war, desto früher und intensiver wandten sie sich dem Nationalsozialismus zu.197 195 Vgl. Fritzsche, Peter: Life and Death in the Third Reich. Cambridge (Mass.) 2009, S. 166 – 172. Dass der Krieg ein Hauptbestandteil der NS-Bewegung war, wird schon allein an der NS-Wirtschaftspolitik von 1933 bis 1939 deutlich, die eindeutig der Kriegsvorbereitung diente. Vgl. Barkai, Avraham: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Der historische und ideologische Hintergrund 1933 – 1936 (Bibliothek Wissenschaft und Politik 18). Köln 1977, S. 168 – 173. Vgl. Paxton, Robert: The Anatomy of Fascism. London 2005 [2004], S. 148 – 171. 196 Vgl. Oexle, Otto Gerhard: Krise des Historismus – Krise der Wirklichkeit. Eine Problemgeschichte der Moderne. In: Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Krise des Historismus – Krise der Wirklichkeit. Wissenschaft, Kunst und Literatur 1880 – 1932 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 228). Göttingen 2007, S. 11 – 116. 197 Bourdieu, Science of Science and Reflexivity, 2004, S. 58; Bourdieu, Homo academicus, 1988, S. 281, 346; Grüttner, Machtergreifung als Generationskonflikt, 2002, S. 340.

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Zu dieser „NS-Wissenschaft“ gehörten folgende Punkte: 1 |  Sie sollte keine „voraussetzungslose Wissenschaft“ sein; Priorität hatten nicht Methoden, sondern Ziele. Damit richteten sich NS-Wissenschaftler gegen das „zweckfreie“ Wissenschaftsideal des 19. Jahrhunderts.198 Auf epistemologischer Ebene hatten einzelne Forscher und Schulen die Zielgerichtetheit wissenschaftlicher Forschung bereits in den 1920er-Jahren zu ihrem Imperativ gemacht. Hans Freyer baute seine soziologisch-philosophische Erkenntnis­theorie auf der Zielgebundenheit des eigenen Schaffens auf, denn seiner Ansicht nach waren vergangene menschliche Gemeinschaften ihrerseits in ihrem Handeln und Schaffen vom Willen zum Ziel geleitet gewesen und folglich nur darüber wissenschaftlich zu ergründen.199 Auch die Zielvorgaben, welche Poli­tiker während des Ersten Weltkriegs den Natur- und Technikwissenschaftlern gemacht respektive welche sich Wissenschaftler im Zuge ihrer Selbstmobilisierung selbst gesteckt hatten, boten einen Ausweg aus der selbst konstatierten Orientierungslosigkeit der Forschung.200 Dies galt mehr für die Natur- und Technikwissenschaften als für Geistes- und Kulturwissenschaftler. Einzelne geistes- und kulturwissenschaftliche Gruppen sahen aber im „Abwehrkampf gegen Versailles“ in der Nachkriegszeit eine Möglichkeit, ihre Wissensproduktion einem konkreten Ziel unterzuordnen.201 2 |  Wissenschaft und Leben sollten vereint werden. Damit war die Verknüpfung der Vorstellungen, die sich der Mensch von den Naturdingen macht, mit der sinnlichen Erfahrung jener Naturdinge durch den Menschen gemeint. Beides musste als ganze Wirklichkeit subjektiv erfahrbar sein.202 Dieses 198 Vgl. Dierig, Wissenschaft in der Maschinenstadt, 2006, S. 147 – 151. 199 Muller, The Other God That Failed, 1987, S. 94, 104 – 105. 200 Vgl. Szöllösi-Janze, Margit: Der Wissenschaftler als Experte. Kooperationsverhältnisse von Staat, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft, 1914 – 1933. In: Kaufmann (Hg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2000, S. 46 – 64, hier S. 60; Szöllösi-Janze, Politisierung der Wissenschaften, 2004. Vgl. Flachowsky, Sören: Krisenmanagement durch institutionalisierte Gemeinschaftsarbeit. Zur Kooperation von Wissenschaft, Industrie und Militär zwischen 1914 und 1933. In: Grüttner, Michael/Hachtmann, Rüdiger/Jarausch, Konrad H./ John, Jürgen (Hg.): Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik im 20. Jahrhundert. Göttingen 2010, S. 83 – 106, hier S. 97 – 106. 201 Vgl. Haar, Ingo: „Volksgeschichte” und Königsberger Milieu. Forschungsprogramme zwischen Weimarer Revisionspolitik und nationalsozialistischer Vernichtungsplanung. In: Lehmann/Oexle (Hg.), Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften. Bd. 1, 2004, S.  169 – 209, hier S.  172 – 198. 202 Vgl. Harrington, Anne: Reechanted Science. Holism in German Culture from Wilhelm  II to Hitler. Princeton 1996, S. 46.

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vitalistisch-holistische Konzept war zum Ersten gegen abstrakte Wissenschaftstheorien wie Einsteins Relativitätstheorie gerichtet, zum Zweiten gegen den jüngeren Relativismus und zum Dritten gegen die „mechanistische“ Gleichsetzung von menschlichem Organismus mit künstlicher Maschine.203 Stattdessen propagierten „NS-Wissenschaftler“ eine Epistemologie des Organischen, bei der davon ausgegangen wurde, dass in Naturvorgängen ein Restbestand an wissenschaftlich Unzugänglichem immerzu bestehen blieb, das nur über Metaphysik und Mystik erfahrbar war.204 Im Sinne einer Mischung aus Naturphilosophie und einer rechtsradikalen Auslegung von Nietzsches Fundamentalkritik an den wissenschaftlichen Erkenntnistheorien sollte eine Alternative zur „seelenlosen“ Wissenschaft geschaffen werden.205 3 |  Der Rassebegriff sollte ins Zentrum wissenschaftlicher Fragestellungen gerückt werden und fortan als Ordnungsbegriff fungieren. ‚Rasse‘ war schon im 19. Jahrhundert äußerst unscharf definiert, wurde inflationär verwendet und wies wenig analytisches Potenzial auf. Mit Ausnahme von physischer Anthropologie und Rassenhygiene sowie von einzelnen Gruppen innerhalb von Forschungsbereichen wie der Vor- und Frühgeschichte stand ‚Rasse‘ auch nach dem ­Ersten Weltkrieg nicht im Zentrum des Forschungsinteresses. Rassenbiologische Ansätze in Fachbereichen und Fächern wie Soziologie, Geschichtswissenschaft oder Philosophie galten mehrheitlich als unplausibel.206 Wichtiger war der Rassebegriff auf der von Max Weber so bezeichneten Ebene der „praktisch werturteilenden Sozialpolitik“, weil der Begriff zum Habitus vieler deutscher Gelehrter gehörte. Zwei Aspekte sind hier anzuführen: Erstens war ‚Rasse‘ die Oberkategorie einer ab etwa der Jahrhundertwende intensivierten Verbindung von bevölkerungspolitischen Ideen mit zeitgenössischer Gesellschaftsanalyse durch eine physisch- oder sozialanthropologisch grundierte Sichtweise. ‚Rasse‘ bestimmte die seit der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 zunehmend biologistisch konzipierte Volksidee. In dieser Konjunkturzeit des Rassebegriffs und der Rassenhygiene fand ein Umschlag von einer Verwissenschaftlichung und Rationalisierung des Sozialen zu Programmen negativer Selektion für das Design einer vitaleren Bevölkerung statt.207 Diese 203 Vgl. Rabinbach, Anson: The Human Motor: Energy, Fatigue, and the Origins of Modernity. New York 1990, S. 124 – 127. 204 Harrington, Reenchanted Science, 1996, S. 52. 205 Vgl. Oexle, Krise des Historismus, 2007, S. 88. 206 Vgl. Peukert, Detlev J. K.: Max Webers Diagnose der Moderne. Göttingen 1989, S. 94 – 101. 207 Vgl. Ebd., S. 79 – 81, 111. Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 172.

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Entwicklung zeigt sich an Philipp Lenards und Johannes Starks „Deutscher“ oder „Arischer Physik“, die mit dem oben beschriebenen vitalistischen Holismus verknüpft war.208 Sie gehörte zwar 1933 methodisch nicht zum neuesten Stand der Forschung in den Naturwissenschaften, eine vitalistisch-‚rassisch‘ begründete Wissenschaftskritik der vorherrschenden wissenschaftlichen Doktrinen äußerten aber auch jüngere Nachwuchswissenschaftler. Hans F. K. Günthers Rassekonzept stellte hier eine eigenwillige Mischung aus veralteten Methoden und dieser neuen Wissenschaftskritik dar. Sein „transzendentaler Biologismus“ sollte die verloren geglaubten metaphysischen Werte zurück in die Wissenschaft bringen: Rassezugehörigkeit war laut Günther sowohl durch metrisch messbare Merkmale als auch durch bestimmte seelische Zustände definiert.209 An Günthers Definition schlossen die rechtsradikalen Studenten ihre Sichtweise an, den Rassegedanken nicht nur nach biologischen Kategorien, sondern im Sinne einer „idealistischen Rassetheorie“ auszulegen.210 Zweitens gehörte der Begriff zur kolonialpolitischen, auch durch die Wissenschaft legitimierten mentalen Haltung im Kaiserreich, nämlich der Vorstellung von der angeblichen Überlegenheit der Europäer gegenüber den „negriden“, „mongoliden“ oder „australiden“ ‚Rassen‘, die aus ihrer Sicht auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe standen. Schon vor, verstärkt aber mit dem Verlust der Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg verbanden deutsche Siedlungs- und Kolonialideologen dieses Konzept mit der Idee einer deutschen Besiedlung ostmitteleuropäischen Bodens. Auch die dortigen Bevölkerungen sahen sie als ‚rassisch‘ „minderwertig“ an.211 4 |  In einer NS -Wissenschaft sollte die soziale und inhaltliche Spezialisierung, zeitgenössisch „Atomisierung“, aufgehoben sein.212 Dieses Konzept lässt sich einerseits vitalistisch-holistischen Wissenschaftlergruppen der ­älteren Generation zuschreiben, denen eine Wiedervereinigung von Natur- und Geistes­wissenschaften als Wissenschaftsideal vorschwebte. Andererseits verspürten auch Nachwuchswissenschaftler eine „Sucht nach Ganzheit“, nämlich nicht nur fragmentierte wissenschaftliche Wahrheiten zu erfahren, sondern 208 Vgl. Beyerchen, Scientists under Hitler, 1977, S. 126 – 140. 209 Vgl. Harrington, Reenchanted Science, 1996, S. 80. 210 Herbert, Best, 1996, S. 66. 211 Vgl. Mazower, Hitler’s Empire, 2009, S. 21. 212 Hermann Emrich, Das Saarpfälzische Institut für Landes- und Volksforschung. Aufgabe und Arbeit, im März 1938. In: HMP Speyer, Akte „Institutssitzungen Pfälz. Gesellschaft, Tagungen, Zeitungsberichte 1936 – 1939“.

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wieder zu großen Ideologien (Weltanschauungen, neuen Wirklichkeiten) zu finden.213 5 |  Es sollte gegen den Internationalismus in der Wissenschaft vorgegangen werden. Dies bedeutete zum Ersten, internationalen Austausch unter Wissenschaftlern zu erschweren und das Wissenschaftsfeld damit zu nationalisieren. Hierbei handelte es sich um eine Fortführung der im Ersten Weltkrieg prominenter gewordenen Idee einer Autarkie des Deutschen Reichs und damit auch der Wissenschaft, was zu einer zunehmenden Abkopplung vom internationalen Wissenschaftsbetrieb führte. Der Ausschluss deutscher Wissen­schaftler aus internationalen Wissenschaftlerverbänden nach 1918 beförderte diese Entwicklung. Die Distanzierung der deutschen Wissenschaft vom internatio­nalen Wissen­schaftsbetrieb war jedoch nicht als vollständige Isolation gedacht, denn die zunehmende Nationalisierung war schon in den 1920er-Jahren den deutschen Innovationsleistungen und dem Prestige deutscher Wissenschaft abträglich.214 Vielmehr handelte es sich in erster Linie um eine Kritik an der Gelehrtenkultur des 19. Jahrhunderts, in der Internationalismus ein wichtiger Aspekt war. Außerdem darf nicht zu sehr generalisiert werden, denn gerade seitens der amerikanischen Rockefeller Foundation und politisch liberaler und linksliberaler deutscher Wissenschaftler gab es in den 1920er-Jahren ehrgeizige Versuche, die deutsche Wissenschaft wieder in den internationalen Rahmen einzubinden. Diese Bemühungen endeten jedoch in den frühen 1930er-Jahren.215 Die zweite Bedeutung liegt in der epistemologischen Annahme von der Unwahrhaftigkeit des Wissens auf internationaler und universaler Ebene. Der SS-Jurist Werner Best hatte dieses Prinzip zugespitzt, indem er die „universalistische“ und die „nationalsozialistische“ Rechtsordnung einander gegenüberstellte. Für ihn unterschied sich die „universalistische Rechtsordnung“ von der nationalsozialistischen dadurch, dass kirchlich-katholische, „weltstaatlich“-kommunistische oder „weltbürgerlich“-liberale Gedanken zur Grundlage ersterer gehörten, das Volk „als lebendige Wirklichkeit“ dagegen Rechtsgrundlage des Nationalsozialismus war. Daraus abgeleitet erschien ihm der NS-Staat als die 213 Muller, The Other God That Failed, 1987, S. 35. 214 Vgl. Wengenroth, Ulrich: Die Flucht in den Käfig: Wissenschafts- und Innovationskultur in Deutschland 1900 – 1960. In: vom Bruch/Kaderas (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik, 2002, S. 52 – 59, hier S. 52 – 55. 215 Fleck, Christian: Transatlantische Bereicherungen. Zur Erfindung der empirischen Sozial­ forschung. Frankfurt am Main 2007, S. 487 – 495.

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„Machtäußerung“ des „Lebenswillens“ des deutschen Volks.216 Auch Carl Schmitt hatte ein ähnliches, an den völkischen Antiinternationalismus anschlussfähiges Prinzip formuliert, mit dem er die Souveränität eines Staats gegen eine angeblich dem Universalismus verpflichtete internationale Rechtsvorstellung, wie sie dem Völkerbund zugrunde lag, absetzte.217 Wenn der Nationalsozialismus als eine für Deutschland charakteristische Bewegung aufzufassen war, ließ sich in Bezug auf die Wissenschaft ein „nationalsozialistisches deutsches Wissen“ generieren, das ausschließlich nationale Geltung hatte. Entgegen den liberalen Auffassungen existierte für Hans Freyer oder Schmitt keine Allgemeingültigkeit des Wissens,218 wissenschaftliche Wahrheiten und Normen waren vielmehr bodengebunden. Von deutschen Wissenschaftlern generiertes Wissen konnte nicht für Amerikaner gelten, genauso wenig wie die Werte der Französischen Revolution für die Deutschen irgendeine Bedeutung hatten. 6 |  Das ‚Volk‘ sollte fortan im Zentrum der Wissenschaft stehen. Damit war einerseits gemeint, der breiten Bevölkerung wissenschaftliches Wissen zugänglich zu machen. Wissenschaft sollte nicht mehr über dem Volk stehen, sondern im Volk aufgehen.219 Für Rembert Ramsauer, Mitarbeiter des Saarpfälzischen Instituts für Landes- und Volksforschung in Kaiserslautern, war „Wissenschaft im nationalsozialistischen Sinne […] keine Angelegenheit der verborgenen Studierstube und keine Privatliebhaberei von Sonderlingen; sie ist heut in Deutschland Sache der Gemeinschaft des ganzen Volkes, der sie dient.“220 Die damit einhergehende Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnis stellte für bestimmte Wissenschaftlergruppen eine Möglichkeit dar, die Relevanz ihres Forschungsbereichs in der Öffentlichkeit plausibel zu machen, insbesondere für solche Wissenschaftler, deren Fachbereiche nur unzureichend an den deutschen Bildungsanstalten institutionalisiert waren. Andererseits sollte ‚Volk‘ erkenntnisleitendes Konzept sein. ‚Volk‘ als Forschungsparadigma war das zentrale Element der Volks- und Kulturbodenforscher,

216 Herbert, Best, 1996, S. 165 – 166. 217 Vgl. Balakrishnan, Gopal: The Enemy: An Intellectual Portrait of Carl Schmitt. London, New York 2000, S. 267. 218 Muller, The Other God That Failed, 1987, S. 29 – 30. 219 Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 565. Vgl. Hildebrand, Universitäten im „Dritten Reich“, 2006, S. 14. 220 Ramsauer, Rembert: Aufgabe und Arbeit des Saarpfälzischen Instituts für Landes- und Volksforschung, undatiert, S. 1. In: HMP Speyer, Akte „XM, Hist. Museum. Allgemein (Sach.) 1939 – 45“.

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die um 1933 mehrheitlich zum Nachwuchs im Wissenschaftsfeld gehörten.221 In dieser ‚völkischen‘ Wissenschaft stellte ‚Volk‘ eine Möglichkeit dar, Erkenntnisse zu einem historischen Abläufen entkoppelten Sein innerhalb bestimmter geografischer Räume zu gewinnen. Der Volksforscher und Geograph Friedrich Metz formulierte dies 1935 wie folgt: „Natur und Geschichte haben […] in den Sprachgrenzen und Volksgrenzen Schranken von großer Dauer aufgerichtet, weil die Völker ewig sind.“ Konkret fassbar waren für ihn die „Wesensausdrücke eines Volkes“ über kulturgeschichtliche Artefakte (archäologische, kunsthistorische Gegenstände) oder literarische Erzeugnisse. Metz meinte, dass die „deutsche Arbeit […], die sich in der deutschen Kulturleistung ausspricht, mit ihren Flüssen und Wäldern, ­Städten und Dörfern, Weilern und Höfen, Burgen und Schlössern, Kirchen und Klöstern, Werkstätten und Bergwerken, Straßen und Eisenbahnen“ der größte „Rechtstitel für alle deutschen Volksgruppen“ sei, die „vom Reich getrennt den Kampf um ihren Stand führen müssen.“222 Wie ‚Rasse‘ war ‚Volk‘ nach dem Reinheitsprinzip ausgerichtet: Je unvermischter ein ‚Volk‘ war, desto „reiner“ erschienen seine Wesensausdrücke, was ‚völkische‘ Wissenschaftler in der Regel mit einer höheren kulturellen Entwicklungsstufe verbanden. 7 |  Mit dem Volksparadigma verbunden waren irredentistische und revi­ sionistische Zielsetzungen, durch welche die Bestimmungen aus dem Versailler Vertrag aufgehoben werden sollten. Im Laufe des NS-Regimes wuchsen diese Ziele zu einem imperialistischen Programm aus, in dem Gebietsannexionen vorgesehen waren, die das deutsche Territorium des Kaiserreichs weit übertrafen. Dies war eine Forderung, die mit einer allgemeinen Haltung im Wissenschaftsfeld deswegen kongruent ging, weil nur wenige Wissenschaftler die Beschlüsse aus den Versailler Verträgen akzeptierten. Einzelne dieser inhaltlichen Punkte waren potenziell mehrheitsfähig, andere wurden im Wissenschaftsfeld mehrheitlich nicht geteilt. Die NS-Politik stellte für diejenigen Forschergruppen, die sich nach dem Machtwechsel als „NS-Wissen­ schaftler“ exponierten, eine Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer inhaltlichen Ziele im deutschen Wissenschaftsfeld dar.

221 Vgl. Oberkrome, Volksgeschichte, 1993, S. 24, 33 – 34. 222 Friedrich Metz, Wissenschaft und Volkstumskampf. Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung des VDA am 23.1.1935 zu Berlin. In: BAR, R 73/323, Bl. 1 – 19, hier Bl. 4, 16.

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NS-Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsfeld

Die Entwicklung von NS -Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsfeld lässt sich am Beispiel der DFG darstellen. Die DFG war eine Schnittstelle zwischen Universität, außeruniversitärer Forschung und Wissenschaftspolitik, weshalb sie auch für die Burgenforschung signifikant war. Zum einen ist der Frage nachzugehen, ob die legitimen Positionsinhaber die heteronome Strategie der NS-Wissenschaftler sanktionierten. Da sich ab 1933 die gesamtgesellschaftliche Lage veränderte und nun tendenziell der heteronome Pol im Wissenschaftsfeld überwog, ist zunächst eher davon auszugehen, dass die NS-Wissenschaftler die Kämpfe im Feld für sich entschieden. Zum anderen ist nach den Rückwirkungen der Veränderungen im Wissenschaftsfeld auf das politische Feld zu fragen und ob dadurch Wandlungen in der NS-Wissenschaftspolitik erfolgten. Noch bevor das REM die Forderungen nach einer Umgestaltung an die DFG herantragen konnte, führte ihr langjähriger Präsident Friedrich Schmidt-Ott kurz nach dem Machtwechsel sowohl die Bestimmung zum Ausschluss von „Nichtariern“ von der Stipendienvergabe als auch das „Führerprinzip“ ein.223 Schmidt-Ott hatte bereits während der Weimarer Republik den Gedanken gehegt, das „Führerprinzip“ in der DFG durchzusetzen,224 was ein Indiz für die Kompatibilität dieser politischen Forderung mit den Regeln des deutschen Wissenschaftsfelds ist. Auch an verschiedenen Hochschulen waren „bereits seit Ende 1930 deutliche Tendenzen der ‚Selbstgleichschaltung‘ zu erkennen“.225 Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass die Akademiker das 1935 an den Universitäten durchgesetzte „Führerprinzip“ fast ohne Widerstand akzeptierten.226 Die tendenziell antisemitische Haltung im Wissenschaftsfeld ließ kritische Stimmen oder gar aktiven Widerstand gegen den Ausschluss der als jüdisch Kategorisierten aus der Universität bis auf ein paar wenige Ausnahmen ausbleiben. Die Nachrückenden sahen die Entfernung jüdischer Forscher als Gelegenheit, Konkurrenten bei der Bewerbung um Stipendien der DFG oder um Lehraufträge

223 Vgl. Mertens, Lothar: „Nur politisch Würdige“. Die DFG-Forschungsförderung im D ­ ritten Reich 1933 – 1937. Berlin 2004, S. 61 – 62; Wagner, Patrick: Forschungsförderung auf der Basis eines nationalistischen Konsenses. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft am Ende der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. In: Grüttner/Hachtmann/Jarausch/John (Hg.), Gebrochene Wissenschaftskulturen, 2010, S. 183 – 192, hier S. 183. 224 Fritz Haber an Friedrich Schmidt-Ott vom 12.5.1933. In: BAR, R 73/1, Bl. 177. 225 Vgl. Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 61. 226 Faust, Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund, 2006, S. 111.

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und Vertretungsprofessuren an den Universitäten auszuschalten sowie jüdische Lehrstuhlinhaber zu vertreiben, um selbst Anwärter auf die Stellen zu werden. Die deutschen Akademiker änderten ihr Verhalten auch mit den weiteren Maßnahmen zur „Säuberung der Universitäten“ nicht.227 Es muss hier angemerkt werden, dass die NS-Politiker den traditionellen, staatsbezogenen Machtbegriff radikal veränderten. Der totale Staat bestimmte nun über alle Lebensbereiche und ermöglichte den Nationalsozialisten direkten Zugriff auf Karrieren und Leben der Akademiker. Spätestens nach der „Nacht der langen Messer“ 1934, in der die SS auch einige Vertreter der „Konservativen Revolution“ ermordete,228 musste Wissenschaftlern klar geworden sein, dass ihnen bei Opposition gegen die Maßnahmen des Regimes kein Anspruch auf körperliche Unversehrtheit garantiert war. Sich trotzdem gegen die NS-Politik zu stellen, erforderte ein Maß an Zivilcourage, das die Mehrzahl der Professoren nicht aufbrachte. Schmidt-Otts Anpassungsbereitschaft wirkte sich nicht zu seinem Vorteil aus. Als persönlichen Bekannten Kaiser Wilhelms II. verdächtigten ihn NS-Wissen­ schaftspolitiker monarchischer Gesinnung, worauf ihn der Leiter des REM Bernhard Rust im Juni 1934 aus dem Dienst entließ.229 Rust setzte den Physiker und Anhänger Rosenbergs Johannes Stark als Präsidenten der DFG ein. Diesem Entscheid stimmten 47 der 57 Mitgliedsinstitutionen der DFG nicht zu, nachdem bereits im April 1933 Stark „gegen den Rat aller befragten Fachleute zum Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt ernannt worden war.“230 Die Gründe dieser Opposition sind in Starks Position im Wissenschaftsfeld zu sehen, denn Nobelpreisträger Stark hatte mit seinem Konzept der „Arischen Physik“ innerhalb der eigenen Disziplin eine randständige Position inne und galt damit nicht als glaubwürdiger Repräsentant der Wissenschaft gegenüber Politik und Wirtschaft. Dass die Mehrzahl der DFG -Mitglieder Rusts Entscheid schließlich doch befürwortete, ist als Opportunismus und zugleich n ­ aives Vertrauen in die Ministerialbehörde zu interpretieren, die de facto jedoch nicht mehr als solche existierte.

227 Vgl. Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 564. 228 Vgl. Breuer, Stefan: Anatomie der Konservativen Revolution. Darmstadt 1993, S. 166 – 179. 229 Zur Selbstgleichschaltung vgl. Friedrich Schmidt-Ott, Notgemeinschaft und Forschungsrat. Denkschrift an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 14.6.1934. In: BAR, R 73/1, Bl. 1 – 7. Das REM hatte am 1.5.1934 die ministerielle Zuständigkeit über die Notgemeinschaft übernommen. 230 Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 72 – 71. Vgl. Bernhard Rust an die Mitglieder der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft vom 17.7.1934. In: BAR, R 73/2, Bl. 11.

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Es wundert daher nicht, dass Starks wissenschaftspolitische Maßnahmen in der DFG und im weiteren Wissenschaftsfeld Unmut hervorriefen. In der Forschungsliteratur wird sein Wissenschaftsmanagement als starke Ideologisierung der deutschen Wissenschaft im ‚völkisch-rassischen‘ Sinne (Mertens), als ineffizient hinsichtlich Wissenschaftsförderung und Personalpolitik (Flachowsky), schließlich als Beginn eines „Boom[s] irrationaler Forschungsvorhaben und aberwitziger kulturpolitischer Initiativen“231 (Oberkrome) beschrieben. Dies zeigt sich z. B. an der Förderung „völkischer Fantasten“ wie des Germanenforschers Wilhelm Teudt oder des Gralsforschers Otto Wilhelm Rahn. Tatsächlich macht Starks Förderpolitik den Anschein, als wollte er sich eine Gefolgschaft aus jenen Fantasten sowie aus solchen Forschern schaffen, die eine umstrittene Position im Wissenschaftsfeld hatten, jedoch zu den Nachwuchswissenschaftlern gehörten. Zu letzter Kategorie ist der Prähistoriker Hans Reinerth zu zählen. Reinerth befand sich aufgrund gewagter Thesen infolge eines Überstrapazierens der archäolo­ gischen Methoden und vor allem wegen seiner Verstöße gegen den Korpsgeist in der Vor- und Frühgeschichte in einer Randposition im Wissenschaftsfeld. Die Vertreter der Universität Tübingen, an der Reinerth lehrte, erklärten den Prähistoriker „eines a. o. Professors für nicht würdig“. Reinerth trat 1931 in die NSDAP ein und stieg in Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK, ab 1934 NS-Kulturgemeinde) zum Leiter des Reichsbunds für Deutsche Vorgeschichte auf. Abgesehen davon, dass er NS-Ideologeme weitgehend befürwortete, sah Reinerth in der Wissenschaftspolitik des Amts Rosenberg die Möglichkeit, an eine Machtposition zu gelangen. Mit dieser Strategie hatte er Erfolg: 1934 erhielt Reinerth die Berliner Professur für Vor- und Frühgeschichte.232 Starks Strategie, die NS-Politik dafür zu nutzen, seine eigene Position und die Positionen solcher Wissenschaftler, die seine Vorstellungen teilten, im Wissen­ schaftsfeld zu stärken, war eine heteronome. Denn zum einen handelte es sich bei diesen Forschern größtenteils um Außenseiter, die nach dem Kräfteverhältnis im Wissenschaftsfeld nicht an mächtige Positionen gekommen wären, zum anderen bediente er sich dabei politischer Instrumente. Er beabsichtigte, den Zielen der NS-Wissenschaftspolitik auf sozialer Ebene nachzukommen, indem er ein Personalamt schuf, das fortan die politische Eignung der Antragsteller für DFG-Mittel prüfte.233 Diese Maßnahme setzte der NSDDB auch an 231 Oberkrome, Ordnung und Autarkie, 2009, S. 104. 232 Schöbel, Hans Reinerth, 2002, S. 328 – 336. 233 Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 131, 144. Die DFG-Mitarbeiter führten dieses Personalamt noch bis weit nach der Gründung des Reichsforschungsrats 1937 weiter.

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den Universitäten durch. Ab 1939 stand die Beamtenlaufbahn nur noch solchen Bewerbern offen, die sich aktiv in Parteiorganisationen engagierten, was erklärt, warum 1938 etwa 50 Prozent aller Professoren der NSDAP angehörten.234 Zudem versuchte Stark, die Kämpfe im Feld mit der Unterstützung von NS-Größen zu entscheiden. 1935 beabsichtigten die mit Starks Leuten verfeindeten REMMitarbeiter, eine Reichsakademie zu gründen, was Stark durch ein Schreiben an die Reichskanzlei vereiteln wollte: Es sei, so Stark, zu befürchten, dass durch die Maßnahmen Rusts der „jüdisch-demokratische Einfluss“ in der deutschen Wissenschaft stärker werde. In einem weiteren Schreiben bat er Hitler darum, dieser solle die Schirmherrschaft über die deutsche Wissenschaft übernehmen, denn die Freiheit der Wissenschaft sei durch die Zentralisierungsbestrebungen des REM ernsthaft gefährdet.235 Dass Stark der Meinung war, Hitler würde die Freiheit der Wissenschaft garantieren, zeugt davon, dass er den traditionellen Staat durch den „Führer“ ersetzt hatte. Die SS oder das REM dagegen erschienen ihm als diejenigen Organisationen, die außerwissenschaftliche Interessen in die Wissenschaft hineintrugen.236 In der Selbstwahrnehmung sah sich Stark als Verteidiger einer unpolitischen Wissenschaft. Infolge der Entlassungen besetzten auch solche Nachwuchsforscher die frei gewordenen Stellen, die als gut ausgebildete Fachkräfte bezeichnet werden können. Sie standen loyal zum NS-Regime, da sie von der NS-Wissenschaftspolitik profitierten.237 Gleichzeitig hatte immer noch eine Mehrheit von Professoren legitime, mächtige Positionen im Wissenschaftsfeld inne. Sowohl der Nachwuchs als auch die Mächtigen registrierten Starks Wissen­schaftspolitik 234 Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 568 – 569; Sieg, Strukturwandel der Wissenschaft, 2001 S. 257. 235 Johannes Stark an Hans Heinrich Lammers vom 21.2.1935. In: BAR R 73/2, Bl. 71 – 72, hier Bl. 71. Vgl. Besprechung über den Gesetzesentwurf zur Errichtung einer Reichsakademie vom 2.3.1935. In: Ebd., Bl. 74 – 82; Johannes Stark an Hans Heinrich Lammers vom 12.3.1935. In: Ebd., Bl. 82 – 92, hier Bl. 84 – 85, 87. 236 Vgl. Aktennotiz des SS-Sturmbannführers Karl Theodor Weigel vom 22.9.1936. In: BAR, NS 21/734. 237 Nagel, Anne Christine: „Er ist der Schrecken überhaupt der Hochschule“ – Der Nationalsozialistische Deutsche Dozentenbund in der Wissenschaftspolitik des Dritten Reiches. In: Scholtyseck/Studt (Hg.), Universitäten und Studenten im Dritten Reich, 2008, S. 115 – 132, hier S. 117 – 118. Am Beispiel Arnold Gehlens vgl. Klinger, Gerwin: Die Modernisierung des NS-Staates aus dem Geist der Anthropologie. Die Konzepte „Zucht“ und „Leistung“ bei Arnold Gehlen. In: Bialas, Wolfgang/Gangl, Manfred (Hg.): Intellektuelle im National­ sozialismus (Schriften zur politischen Kultur der Weimarer Republik 4). Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 299 – 324, hier S. 299.

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zunehmend kritisch. Für diese Wissenschaftler erschienen seine Maßnahmen der deutschen Wissenschaft abträglich, denn sie büßte immer mehr an Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Wissenschaftsfeldern anderer Länder ein und verlor allmählich ihr internationales Ansehen. In der Schweiz z. B. begegneten Archäologen der aus ‚rassischen‘ Gründen erfolgten Entlassung Gerhard Bersus, der als einer der besten Ausgräber seiner Zeit angesehen wurde, aus der Römisch-Germanischen Kommission (RGK) mit völligem Unverständnis.238 Das REM und andere wissenschaftspolitische Institutionen nahmen diese kritischen Stimmen ernst und begannen um 1936, den Wissenschaftlern mehr Autonomie zuzugestehen. Die Fakultäten durften z. B. wieder stärkeren Einfluss auf Berufungen nehmen.239 Der NSDDB, in dem vornehmlich die Vertreter der NS-Wissenschaft organisiert waren, geriet machtpolitisch ins Hintertreffen, da Universitätsfakultäten und das REM in der Hochschulpolitik nun intensiver zusammenarbeiteten.240 Gleichzeitig begannen NSWissenschaftspolitiker, gegen Rosenbergs Wissenschaftspolitik und damit gegen Stark zu arbeiten. Rosenbergs Konkurrenten im politischen Feld entstammten mehrheitlich den Stäben der SS, wozu auch die Mitarbeiter des Amts Wissenschaft im REM gehörten. Die Opposition gegen Stark war auch dadurch entstanden, dass aus Sicht der REM-Mitarbeiter die DFG das Ministerium in wissenschaftlichen Angelegenheiten hätte entlasten sollen, was sich allerdings aus ihrer Sicht eher ins Gegenteil verkehrt hatte.241 Stark verlor so den Kampf gegen die SS. Im Zuge einer Verleumdungskampagne der REM-Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit Walter Frank gegen Starks Stellvertreter Eduard Wildhagen wurden allerlei wirkliche und vorgebliche Verfehlungen der Wissenschaftspolitik Starks aufgedeckt, was 1936 zu seinem Rücktritt führte.242

238 Alban Gerster an Eugen Tatarinoff vom 5.7.1933. In: ZBS, NL TAT_E 1.13. 239 Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 569 – 571. 240 Nagel, „Er ist der Schrecken überhaupt der Hochschule“, 2006, S. 131. 241 Abschrift vom 26.10.1936, gez. Jansen. In: BAR, R 73/2, Bl. 104 – 107, hier Bl. 107. 242 Eidesstattliche Erklärung des Regierungsassessors a. D. E. von Schweinitz, Hagnau am Bodensee, von 1948. In: Ebd., Bl. 192 – 194; Auszugsweise Abschrift aus: Dr. Eduard ­Wildhagen, den 6.1.1949, an den öffentlichen Ankläger des Spruchgerichts Bielefeld, betr. Prof. Dr. Rudolf Mentzel. In: Ebd., Bl. 198. Vgl. Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 167, 172 – 174, 188 – 198; Schmoll, Friedemann: Die Vermessung der Kultur. Der „Atlas der deutschen Volkskunde“ und die Deutsche Forschungsgemeinschaft

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Rudolf Mentzel, Professor für Wehrchemie und SS-Offizier, ersetzte Johannes Stark.243 Mentzel hatte von Beginn seiner Karriere an wissenschaftspolitische Ziele verfolgt. 1900 geboren, war er ein Vertreter jener Gruppe zwischen „Front-“ und „Kriegsjugendgeneration“, die während ihrer akademischen Sozialisation rechtsradikales Gedankengut aufgenommen hatte und sich als Vorhut der NSBewegung verstand.244 Mitte der 1930er-Jahre rückten sie allmählich in Machtpositionen und trieben dadurch die Umschichtung der erlaubten politischen Haltungen zugunsten der NSDAP im Wissenschaftsfeld voran. Mentzel sah in der SS die Möglichkeit, sein organisatorisches Talent zu entfalten. Zugleich war der Habitus des jungen, hochgebildeten und elitären Akademikers in der SS , besonders im SD , erwünscht, in der NSDAP dagegen eher verachtet, vor allem vonseiten der Gauleiter. Zu diesem Typ Akademiker gehörten auch die Mitarbeiter des RSHA, die daran arbeiteten, die preußisch-ministeriale Verwaltungspraxis des einstigen Rechtsstaats mit dem diktatorischen Herrschaftsprinzip zu verflechten. Dieser politische Wissensarbeiter zeichnete sich dadurch aus, dass er keinerlei humanistischen Normen mehr folgte, sondern einerseits sein Handeln nach dem technisch Machbaren, andererseits die ‚völkisch-rassische‘ Wissenschaftskonzeption nach dem nationalsozialistischen Weltanschauungsimperativ ausrichtete.245 Leute wie Mentzel vereinten Sachlichkeit und rechtsradikale, rassistische Weltanschauung und arbeiteten dadurch an der Schaffung einer auf wissenschaftlichen Expertisen beruhenden „arischen Ethnokratie“. Mentzel steht für zwei, das deutsche Wissenschaftsfeld um 1936 prägende Elemente: Auf der einen Seite war eine Umschichtung der erlaubten politischen Haltungen im Feld, die von einer relativ großen Gruppe junger, rechtsradikaler Wissenschaftler mit heteronomen Strategien bewirkt wurde, weit fortgeschritten. Auf der anderen Seite richteten sich SS-Wissenschaftsmanager wie Mentzel in ihrem Handeln je nach Situation tatsächlich nach den jeweiligen symbolischen Regeln des Wissenschaftsfelds, für die sie aufgrund ihrer wissenschaftlichen

1928 – 1980 (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 5). Stuttgart 2009, S.  99 – 109. 243 Vgl. Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 148 – 154, 232. 244 Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“, 2007, S. 274 – 280. 245 Vgl. Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 238; Aly, Götz/Heim, Susanne: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine europäische Ordnung. Hamburg 1991, S. 52 – 53; Wildt, Michael: Die Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2002, S.  12 – 13.

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Erfahrungen ein gutes Gespür besaßen. Damit war vor allem das Zugeständnis von mehr Autonomie an die Wissenschaftler verbunden. Mentzel war also ein idealer Vermittler im Kapitalsortenaustausch zwischen Wissenschaft und Politik, stand aber gleichzeitig unter dem Druck, das Gleichgewicht zu halten, um nicht das eine oder das andere Feld zu bevorteilen. Der Ablösungsprozess von Stark zu Mentzel war mit einer Wandlung der Zielvorgaben in der NS-Wissenschaftspolitik verbunden. Hermann Görings „Vierjahresplan“ gab seit 1936 als neues Ziel die mehr oder weniger direkte Kriegsvorbereitung vor.246 Reichsminister Rust trug die daraus erwachsenen neuen Prioritäten an die Wissenschaftler heran, indem er im März 1937 im Zuge der Gründung des Reichsforschungsrats verlauten ließ, dass „alle Kräfte auf dem Gebiet der Forschung, die der Erfüllung dieser Aufgaben dienen, einheitlich zusammengefasst und planmäßig eingesetzt werden.“247 Innerhalb dieses neu gesteckten Rahmens brachten Mentzel und seine Mitarbeiter den bereits eingeschlagenen Rationalisierungsprozess der NS-Wissenschaftspolitik weiter voran: „Völkische Fantasten“ waren endgültig förderungsunwürdig, stattdessen rückten Wehr-, Rüstungs-, Luftfahrt- und Agrarforschungen in den Fokus, die nun zentralisiert werden sollten. Dies hatte der Reichsforschungsrat ins Werk zu setzen, dem Mentzel als Leiter des Geschäftsführenden Beirats vorstand.248 Er übernahm 1939 auch die Leitung des Amts Wissenschaft im REM , was ein weiterer Schritt in der Machtkonzentration der NS-Wissenschaftspolitik durch die SS war. Aus Sicht der Wissenschaftler erschien die SS deshalb als der bessere Kooperationspartner im politischen Feld, weil sie die vom Wissenschaftsfeld verhängten Sanktionen gegen Starks Wissenschaftspolitik unterstützte. Zudem war Krieg mit einer positiven Erinnerung an den Innovationsschub in den Natur- und Technikwissenschaften während des Ersten Weltkriegs verbunden.249 Da die Mehrheit der Wissenschaftler nach 1918 an einer Abwehr- und Autarkieideologie festhielt, musste die Kriegsvorbereitung als die Erfüllung des ersehnten militärischen Wiedererstarkens Deutschlands wahrgenommen werden. Bis 1942/1943 bestärkte Hitlers erfolgreich geführter Krieg die Annahme, eine Europaordnung unter deutscher Herrschaft sei tatsächlich 246 Aly/Heim, Vordenker der Vernichtung, 1991, S. 50 – 68. 247 Abschrift. Bildung eines Reichsforschungsrats, gez. Rust vom 16.3.1937. In: BAR, R 26/III 1, Bl. 2 – 4, hier Bl. 2. 248 Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 232. 249 Vgl. Szöllösi-Janze, Der Wissenschaftler als Experte, 2000.

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zu realisieren. Nach der Kriegswende veränderte sich die Lage des Regimes jedoch substanziell. Trotzdem brachen nur die wenigsten Wissenschaftler mit dem NS-Regime, die meisten beteiligten sich weiterhin am Krieg. Hierfür sind zwei Gründe anzuführen: Die anhaltende Kriegsbeteiligung der Natur- und Technikwissen­schaftler und von Gruppen der Volks- und Kulturbodenforschung kann durch den im Krieg maximierten materiellen Profit begründet werden. Götz Aly hat zur Erklärung dessen, warum sowohl Wirtschafts- und Industrieleute als auch die Mehrheit der deutschen „Volksgenossen“ fast bis zum Schluss zum NS-Regime hielten, eine solche Argumentation plausibel dargelegt.250 Die Wissenschaftler begriffen die nun rationalisierte Wissenschaftspolitik des NS-Regimes als eine Option ­besserer Entfaltungsmöglichkeiten für sich selbst, nämlich mehr Forschungs­ gelder zu erhalten. Daher lässt sich nicht argumentieren, rationale Kalkula­tionen der ökonomischen und wehrtech­nischen Situation des NS-Regimes hätten schon beim Losschlagen des Russlandfeldzugs Wissenschaftler dazu bewegen müssen, sich vom NS-Regime abzuwenden. Im Gegenteil, für jene Wissenschaftler hätte die Nichtbetei­ligung am Krieg zu einer Kürzung der Forschungsetats geführt. Die von der NS -Wissenschaftspolitik für Wirtschaft und Wissenschaft aufgewendeten Summen, die insbesondere während des Kriegs anstiegen, untermauern diese Argumentation. Zunächst fällt auf, dass die Ausgaben für Wissenschaft von der Weimarer Republik zum NS-Regime stetig zunahmen: 1925 gab der Staat 282,9 Mio. RM für die Wissenschaft aus, 1940 betrugen die Ausgaben 496,5 Mio.251 Die Erhöhung der finanziellen Mittel durch das NSRegime beschränkte sich allerdings keineswegs nur auf das Wissenschaftsfeld, sondern galt für alle Bereiche, die zur Kriegsvorbereitung beitragen konnten, so auch für die Sozial- und Arbeiterpolitik, dort allerdings mit zweifelhaftem Erfolg.252 Im Vergleich zur Weimarer Republik ließ das REM zwischen 1935 und 1938 der deutschen Forschung das Doppelte an Ausgaben zukommen, nämlich 22 Mio. RM.253 In dieser Periode wurde das Steuer in der Wissenschaftspolitik

250 Vgl. Aly, Götz: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Mit einem Nachwort auf die Kritik. Frankfurt am Main 2006. 251 Grüttner, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 2000, S. 577. 252 Vgl. Mason, Timothy W.: Social Policy in the Third Reich. The Working Class and the ‚National Community‘. Herausgebenen von: Jane Caplan. With a General Introduction by Ursula Vogt. Providence, Oxford 1993, S. 215 – 216. 253 Fahlbusch, Für Volk, Führer und Reich!, 2000, S. 470. Vgl. Mertens, „Nur politisch ­Würdige“, 2004, S. 33.

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von der SS herumgerissen und der „Vierjahresplan“ verkündet. In der Zeit zwischen etwa 1935 und 1943/1944 stiegen die Forschungsaus­gaben weiter an: 1943 brachte das REM ganze 97 Mio. RM. für die Forschung auf, das RMdI erhöhte die Ausgaben für Wissenschaft zwischen 1935 und 1942 von 43 Mio. RM auf 131 Mio. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für die VFG. Während ihr Haushalt (ohne die Unterstützungen durch die Toepfer-Stiftung) von 1933 und 1937 von 100.000 auf 300.000 RM anstieg, verdoppelten sich die finanziellen Mittel für die VFG zwischen 1937 und 1940 auf etwa 520.000 RM und verdreifachte sich gar bis 1944 auf ganze 1,6 Mio. RM, wobei der überwiegende Teil der Personal­ kosten und der Institutionen von den Universitäten getragen wurde, es sich hierbei also um den nicht regu­lären Wissenschaftsetat handelt.254 Die Geistes- und Kulturwissenschaften dagegen standen in Friedenszeiten eher besser da als während des Kriegs. Der Vorausberechnung für die Aus­gaben der DFG von 1938 ist zu entnehmen, dass von 7,8 Mio. RM ganze 5,8 Mio. für den Reichsforschungsrat vorgesehen waren, das Übrige verteilte sich mit 1,5 Mio. auf die Geisteswissenschaften, davon 200.000 RM für die ÖsterreichischDeutsche Wissenschaftshilfe und 300.000 RM für die Verwaltung der DFG. Von den Ausgaben der DFG und des Reichsforschungsrats von 16 Mio. RM im Rechnungsjahr 1943/1944 entfielen gerade einmal 1,8 Mio. auf die Geistesund Kulturwissenschaften, wobei vornehmlich Projekte zur Raumforschung gefördert wurden.255 Für die anhaltende Unterstützung des NS-Regimes sind für Geistes- und Kulturwissenschaftler eher weltanschauliche Gründe anzuführen. Die Vorstellung, Krieg könnte als Wille und Tat transzendentale Wesensveränderungen herbeiführen, war tief in der Geisteshaltung vieler Wissenschaftler verankert. Zusätzlich verbanden viele junge deutsche Intellektuelle den Krieg mit einer eschatologischen Haltung, wie sie auch von NS-Ideologen vertreten wurde, gemäß der Annahme, dass erst durch Zerstörung Neues geschaffen werden könnte, dass auf einen totalen Niedergang ein radikaler Neuanfang folgen ­würde.256 Die NS -Bewegung selbst war für Nationalsozialisten eine im Feuer und im „Stahlgewitter“ der apokalyptischen Vernichtungsmaschinerie des ­Ersten Weltkriegs geborene Neuauffassung der Welt, worin Kampf das entscheidende Element darstellte. Wille und Taten sollten die Deutschen 254 Fahlbusch, Für Volk, Führer und Reich!, 2000, S. 473. 255 Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 376, 388. 256 Vgl. Kiesel, Helmuth: Wissenschaftliche Diagnose und dichterische Vision der Moderne. Max Weber und Ernst Jünger. Heidelberg 1994, S. 72 – 77, 127.

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nach dieser Weltauffassung zu erlösenden Wesenszuständen führen, was Hitler und andere NS-Ideologen in der Vorstellung einer Europaordnung aufgehen ­ließen, die vom „verschmutzenden jüdischen Element“ befreit sein würde.257 Die Verbindung zwischen nazistischem Zerstörungsrausch und den Denkfiguren der Akade­miker ist in der Rezeption von Geisteshaltungen von Denkern wie Johann G ­ ottlieb Fichte zu sehen, in dessen prophetischen und apokalyptischen ­Visionen der Krieg das „letzte Gericht“ darstellte.258 Es ist kein Zufall, dass sich die­radikalkonservativen Studenten um die Hochschulringe Deutscher Art nach dem Ersten Weltkrieg in ihren Konzepten auf Fichtes Gedanken stützten.259 Dieses Endzeit- und Kriegsrauschdenken hatte zur Folge, dass die Wissenschaftler infolge ihrer anhaltenden Kriegsbeteiligung die Großraum- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten stabilisierten, je nach Erfolg ihrer Forschungen sogar befeuerten. Auf die Wissenschaft im Krieg bezogen hat Michael Grüttner eine inte­ ressante Feststellung getroffen. Spätestens als sich der Krieg zuungunsten des NS-Regimes zu wenden begann, mussten NS-Wissenschaftspolitiker feststellen, dass die Entlassungen von Wissenschaftlern von Rang und Namen nach dem Machtwechsel dazu geführt hatten, dass Deutschlands Kriegsgegner in Bezug auf Waffen- und Rüstungstechnik gestärkt worden waren, das NS -Regime hingegen ins Hintertreffen geraten war.260 Dass sich unter den Vertriebenen überproportional viele Nobelpreisträger befanden, ist nur ein Indiz für diesen Verlust an Innovationskraft.261 Die NS-Wissenschaftspolitik in der Anfangszeit des NS-Regimes hatte „das wissenschaftlich-militärische Potential der A ­ lliierten

257 Vgl. Friedländer, Saul: Nazi Germany and the Jews. 2 Bde. Bd. 1: The Years of Persecution, 1933 – 1939. New York 1997, S. 73 – 113. Vgl. Gumbrecht, Hans Ulrich: I redentori della vittoria: On Fiume’s Place in the Genealogy of Fascism. In: Journal of Contemporary History 31 (1996) 2, S. 253 – 272. Vgl. Breuer, Stefan: Ordnungen der Ungleichheit – die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871 – 1945. Darmstadt 2001, S. 363 – 368. 258 Vondung, The Apocalypse in Germany, 2000, S. 139, 277 – 280. 259 Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 53 – 54. 260 Grüttner, Michael: Die „Säuberung“ der Universitäten. Entlassungen und Relegationen aus rassistischen und politischen Gründen. In: Scholtyseck/Studt (Hg.), Universitäten und Studenten im Dritten Reich, 2008, S. 23 – 40, hier S. 36 – 39. 261 Vgl. Wengenroth, Die Flucht in den Käfig, 2002, S. 56. Vgl. Remmert, Volker R.: Zwischen Universitäts- und Fachpolitik: Wilhelm Süss, Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (1940 – 1945) und Vorsitzender der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (1937 – 1945). In: Bayer/Sparing/Woelk (Hg.), Universitäten und Hochschulen, 2004, S. 147 – 165, hier S. 155.

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gestärkt und damit […] zur Niederlage der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg beigetragen“,262 denn ein erheblicher Teil der vertriebenen Wissenschaftler mit Spitzenpositionen ging zu den späteren Kriegsgegnern des NS-Regimes über, nämlich Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Görings Bemühungen, mit dem von 1942 bis 1945 unter seiner Präsidentschaft stehenden zweiten Reichsforschungsrat die Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht, NSWissenschaftspolitik und Wissenschaftlern zu intensivieren,263 konnten keine Veränderung dieser Lage mehr bewirken. Zwischenbilanz

Je autonomer das Wissenschaftsfeld gegenüber dem Machtfeld der NS-­Politik war, desto effizienter konnten NS -Politiker die spezifischen Angebote der Wissen­schaft nutzen. Zugleich konnten Wissenschaftler die vom politischen Feld mobilisierten Kapitalsorten für ihre eigenen Belange wirksamer einsetzen. Die 1933 eingeleitete Heteronomisierung des Wissenschaftsfelds dagegen hatte letztlich beide Felder geschwächt. Eine Änderung der NS-Wissenschaftspolitik erfolgte durch die Kriegsvorbereitungen nach 1936, was mit dem Machtzuwachs der SS in Zusammenhang stand. Die jungen und gut ausgebildeten SS-Manager konnten die Transfor­­­ma­tionsprozesse der Kapitalsorten zwischen Wissenschaft und Politik besser zustande bringen als Rosenbergs Wissenschaftspolitiker. Dies war mit Habitusaffinitäten zwischen ihnen und den jungen, aufstrebenden und zugleich rechtsradikalen Wissen­schaftlern verbunden. Die Nachwuchswissenschaftler schichteten ihrerseits die erlaubten politischen Positionen und Dispositionen im Wissenschaftsfeld in der Weise um, dass die NS-Weltanschauung und die Mitgliedschaft in NS-Organi­sa­tionen legitim wurden. Beide Prozesse hatten eine Stabilisierung der NS-Herrschaft und eine Rationalisierung der utopisch-‚rassischen‘ und eschatologischen Ziele der NS-Politiker zur Folge. Autonomiebestrebungen der Wissenschaftler sind daher nicht mit widerständigem Handeln gegenüber Weltanschauung und Maßnahmen der NS-Politik zu verwechseln. Im Gegenteil lässt sich daraus die These ableiten, dass die Wahrung der symbolischen Autonomie des Wissenschaftsfelds die NS-Herrschaft stabilisierte, während eine Heteronomisierung des Wissenschaftsfelds das Regime geschwächt hätte. Dennoch ist der Ausschluss der jüdischen sowie 262 Grüttner, Die „Säuberung“ der Universitäten, 2006, S. 39. 263 Vgl. Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 223 – 229, 247 – 248, 293.

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der politisch und religiös missliebigen Wissenschaftler als Heteronomie zu sehen, die bestehen blieb. 3.2.2 NS-WISSENSCHAFTSPOLITIK UND DIE GEISTESUND KULTURWISSENSCHAFTEN

Weil Burgenforschung ein heterogener Wissenschaftsbereich war, müssen die dafür wesentlichen Fächer und Disziplinen im Hinblick auf Wandlungen, Brüche oder Kontinuitäten in ihrem Verhältnis zur NS-Wissenschaftspolitik untersucht werden. Dazu werden hier Volkskunde, Vor- und Frühgeschichte, mittelalter­ liche Landesgeschichte und Kunstgeschichte gezählt. Im Besonderen ist danach zu fragen, welche Auswirkungen der nach 1936 einsetzende Rationalisierungsprozess und der Zweite Weltkrieg auf diese Wissenschaften hatten. Die für die Geistes- und Kulturwissenschaften wichtigen NS-Wissenschaftsorganisationen waren das Amt Rosenberg, das SS-Ahnenerbe und das Amt Wissenschaft im REM. Es gilt, einerseits das Verhältnis dieser Organisationen zueinander aufzuzeigen, andererseits nach den Folgen ihrer Maßnahmen für die angeführten Fächer zu fragen. Wandlungen und Kontinuitäten in den Geistes- und Kulturwissenschaften

In der Förderpolitik der DFG von der Weimarer Republik zum NS-Regime sind inhaltlich gesehen vor allem Kontinuitäten festzustellen. Von 1920 – 1934 legte Schmidt-Ott ein besonderes Gewicht auf geisteswissenschaftliche Großunternehmen.264 Dabei handelte es sich einerseits um Ausgrabungen solcher Archäologen, die für das Archäologische Institut des Deutschen Reiches arbeiteten,265 andererseits um „die Erforschung der Heimat“ durch „Prähistorie, Geschichte, Volkskunde, Mundartenforschung […] unter Einbeziehung des gesamten deutschen

264 Vgl. Aus dem Werden der Notgemeinschaft, Sonderabdruck aus dem 9. Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft 1930. In: BAR, R 73/1, Bl. 76 – 94. 265 Vgl. G. Welter an die Notgemeinschaft für deutsche Wissenschaft vom 23.12.1926. In: BAR, R 73/138, Bl. 30 – 39; Vgl. Protokoll der Hauptausschuss-Sitzung vom 16.2.1929. In: BAR, R 73/95, Bl. 6 – 27. Vgl. stellvertretend Der Präsident der Notgemeinschaft an die Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft vom 16.1.1934. In: BAR, R 73/278, Bl. 134. Das Archäologische Institut des Deutschen Reiches wurde 1829 in Rom als Instituta di C ­ orrispondenza Archaeologica gegründet.

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Kulturgebietes und der Nachbarländer“.266 Die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, wie die DFG zunächst hieß, führte also archäologische Prestigekampagnen fort, die Kaiser Wilhelm II. im Geiste nationaler Kulturpolitik protegiert hatte, und förderte Unternehmen, in denen Gebiete untersucht wurden, die infolge des Versailler Vertrags vom Deutschen Reich abgetrennt worden waren. Seit etwa Mitte der 1920er Jahre unterstützte sie zahlreiche Forschungen aus dem Bereich der Volks- und Kulturbodenforschung, was Volkskunde, Mundartforschung, Archäoanthropologie, prähistorische und mittelalterliche Archäologie, mittelalterliche und frühneuzeitliche Landes- und Kunstgeschichte oder Agrarsoziologie umfasste.267 Als Beispiele lassen sich der Atlas der deutschen Volkskunde nennen, für dessen Enquetebefragung über 20.000 Freiwillige ehrenamtlich mitarbei­teten, das Handwörter­buch des Grenz- und Auslandsdeutschtums, der Deutsche Sprachatlas, die 1926 gegründete Saarforschungsgemeinschaft oder die von der DFG 1929 ins Leben gerufene Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe.268 Damit waren mehrere der um 1934 von Wissenschaftlern aufgelisteten Punkte für die inhaltliche Konzeption einer NS-Wissenschaft erfüllt: Fast allen Pro­jekten lagen revisionistische und irredentistische Zielsetzungen zugrunde, genauso verhält es sich mit dem geforderten thematischen Forschungsschwerpunkt ‚Volk‘. Die Einbindung der Laien in die volkskundlichen Erhebungen kam der Forderung nach einer „Wissenschaft vom und für das Volk“ nach und deckte zugleich Zielgerichtetheit und Anwendungsorientierung wissenschaftlichen Wissens ab. Hinzu kam die potenzielle Verwendbarkeit des von Volksforschern generierten Wissens als Expertisen bei politischen Entscheidungen, die „volksdeutsche Gebiete“ betrafen. Die verstärkte Förderung der Heimatforschung entsprach der Abkehr der deutschen 266 Aus dem Werden der Notgemeinschaft, Sonderabdruck aus dem 9. Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft 1930. In: BAR, R 73/1, Bl. 76 – 94, hier Bl. 77. Vgl. auch Ansprachen, gehalten bei der Feier des 70. Geburtstags Seiner Exzellenz des Herrn Staatsministers D. Dr. Schmidt-Ott am 5.6.1930. In: BAR, R 73/43, Bl. 5 – 82. 267 Vgl. Oberkrome, Ordnung und Autarkie, 2009, S. 71. 268 Rudolf Mentzel an die Hauptredaktion des Handwörterbuchs des Grenz- und Auslandsdeutschtums vom 17.3.1945. In: BAR, R 73/50, Bl. 129; Rudolf Mentzel an die Hauptredaktion des Handwörterbuchs des Grenz- und Auslandsdeutschtums vom 20.5.1943: Bezahlung der ständigen Mitarbeiter. In: Ebd., Bl. 130; Oswin Moro an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 19.11.1938. In: BAR, R 73/13235, Bl. 4 – 5; Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 117 – 126; Oberkrome, Ordnung und Autarkie, 2009, S. 42; Oberkrome, Willi: Geschichte, Volk und Theorie. Das ‚Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums‘. In: ­Schöttler (Hg.), Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft, 1997, S. 104 – 127; Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 31, 48, 57 – 58, 87.

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Wissenschaft vom Internationalismus, zugleich vereinte das Konzept „Heimat“ mehrere Disziplinen und Forschungsbereiche und erfüllte damit die Forderung nach einer ganzheitlichen, „gemeinschaftlichen“ Wissenschaft. Die Inhalte der NS-Weltanschauung im November 1933 antizipierend, musste Schmidt-Ott das Förderprogramm der DFG also nur geringfügig umstellen. Die Schwerpunkte in der Wissenschaftsförderung sollten nun rassenanthropologische Untersuchungen, Forschungen zum Grenz- und Auslandsdeutschtum und Rassenhygiene bilden.269 Rassenforschung als Programmschwerpunkt war ein Wandel in der Förderpolitik. Vor 1934 waren physisch-anthropologische und medizinisch-rassenhygienische Studien zwar durchaus gefördert worden, so die physisch-anthropologische Untersuchung von Teilen der deutschen Bevölkerung, doch hatten sie nicht im Zentrum gestanden.270 1933/1934 erfolgten in der Förderpolitik der DFG inhaltlich gesehen also lediglich Akzentverschiebungen. Auch nach dem Präsidentschaftswechsel von Schmidt-Ott zu Johannes Stark setzte die DFG die Förderung der erwähnten kulturwissenschaftlichen Unternehmen fort. Insbesondere solche Vertreter der Fachrichtungen Volkskunde, Geografie, Vor- und Frühgeschichte und mittelalterliche Landesgeschichte, die wie Stark selbst zum wissenschaftspolitischen Lager um Alfred ­Rosenberg gehörten, kamen in den Genuss von Unterstützungen.271 Dabei spielte die politische Überzeugung der jeweiligen Akteure offenbar eine größere Rolle als deren Reputation im Wissenschaftsfeld, wie an der Wahl Hans Reinerths zum neuen Gutachter für vor- und frühgeschichtliche Forschungsanträge zu sehen ist.272 War Schmidt-Otts Gutachter für Fragen der Prähistorie der im Wissenschaftsfeld geachtete Carl Schuchhardt gewesen,273 genoss Reinerth einen zweifelhaften Ruf. Schuchhardt 269 Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 58. 270 Vgl. Ebd., S. 57; Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009. In der Saarforschungsgemeinschaft führte der Anthropologe Karl Heinrich Roth-Lutra physisch-anthropologische Studien durch. Vgl. Freund, Wolfgang: Volk, Reich und Westgrenze. Deutschtumswissenschaften und Politik in der Pfalz, im Saarland und im annektierten Lothringen 1925 – 1945 (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 39). Saarbrücken 2006, S. 213 – 214. 271 Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 139. Vgl. Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 84. 272 Hans Reinerth an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 8.7.1935. In: BAR, R 73/10922, Bl. 31; Hans Reinerth an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 21.6.1938. In: BAR, R 73/13767, Bl. 19. 273 Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft an Carl Schuchhardt vom 30.4.1930. In: BAR, R 73/16551, Bl. 10.

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war zwar in Forschungen zum Grenz- und Auslandsdeutschtum involviert und arbeitete mit Vertretern der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft (NOFG) in der Ostforschung zusammen, verfügte jedoch über ein hohes Maß an wissenschaftlicher Autorität.274 In den Geistes- und Kulturwissenschaften um 1930 existierte also eine allgemein akzeptierte revisionistische Haltung, zu der ‚völkische‘ Denkfiguren gehörten, gleichzeitig gab es ‚völkisch-rassische‘ Theorien, die den Wissenschaftlern wenig plausibel erschienen. Welche ‚völkische‘ Denkweise im Wissenschaftsfeld legitim war, darüber entschieden die Plausibilität der Konstruktionen und die Reputation der entsprechenden Wissenschaftler. Mit der Kontinuität der Förderschwerpunkte gewannen NS-Wissenschaftspolitiker nach 1934 Rückhalt in den erwähnten geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern. In den Großunternehmen arbeiteten vornehmlich frisch Promovierte, Assistenten oder Privatdozenten, also jene Nachwuchswissenschaftler, die ab den späten 1920er-Jahren auf die NSDAP gesetzt hatten. Ihre Wahl zahlte sich 1933/1934 aus, weil die NS-Wissenschaftspolitiker diese fächerübergreifenden Unternehmen und die NS-Wissenschaftsstäbe weit stärker förderten als rein universitäre Forschungen. Dies bedeutete nicht, dass die Universitäten im Wissenschaftsfeld marginalisiert waren. Im Gegenteil, die Leitung dieser Forschungen lag mehrheitlich in den Händen von an Universitäten arbeitenden Wissenschaftlern, die oft zur sogenannten Frontgeneration gehörten, also der zwischen 1885 und 1900 Geborenen. Zudem konnten die Nachrückenden auf die Universitäten als Konsekrationsinstanzen keineswegs verzichten. R ­ osenbergs Hohe Schule als nationalsozialistische Alternative zu den Universitäten hatte deshalb von vorneweg nur geringe Chancen,275 ganz im Gegensatz zu den vom REM initiierten „Reichsuniversitäten“ als Institutionen einer „kämpfenden Wissenschaft“ in den besetzten und annektierten Gebieten nach 1940. Aufgrund der lückenhaften Aktenlage muss eine Antwort auf die Frage, welche Auswirkungen der Wechsel von Stark zu Rudolf Mentzel in der DFG für die ­Geistes- und Kulturwissenschaften hatte, thesenhaft bleiben. Die erhaltenen Quellen legen den Schluss nahe, dass die DFG ab 1936 ihre Fokussierung auf die Heimat- und Regionalforschung zunehmend lockerte. Bis zur Kriegswende 274 Die höhere wissenschaftliche Glaubwürdigkeit Schuchhardts geht aus verschiedenen Stellungs­nahmen von Prähistorikern und Journalisten hervor, die Schuchhardt eine wissen­ schaftliche Position „ohne tendenziöse Einstellung“ bescheinigten. Vgl. Schneider, Max: Deutsche Wacht an der Ostgrenze/Vorgeschichtliche Aufklärung in den Grenzmarken. In: Der Tag Nr. 280 vom 22.11.1932. In: BAR, R 153/170. 275 Vgl. Piper, Alfred Rosenberg, 2005, S. 462 – 477.

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1943 flossen wieder mehr Gelder in solche Auswertungsarbeiten archäologischer Ausgrabungen im Vorderen Orient, die noch in wilhelminischer Zeit begonnen worden waren,276 wohingegen Reinerth bis dahin bewirkt hatte, dass mehrheitlich archäologische Forschungen auf „deutschem Boden“ unterstützt wurden. Im Zuge des Rationalisierungsprozesses in der NS-Wissenschaftspolitik wurden „Germanomanen“ wie Reinerth finanziell benachteiligt, Forschungsverbände wie die Reichsarbeitsgemeinschaft für deutsche Volksforschung, in der neben Reinerth Volkskundler, Geografen und Sprachwissenschaftler tätig waren, führte Mentzel in der bisherigen Form nicht weiter.277 Das REM und damit die SS bestimmten zunehmend die Geschicke derjenigen Fächer, für die sich bereits vor dem Machtwechsel die Kultur- und Wissenschaftspolitiker Rosenbergs zuständig gefühlt hatten. Machtanreicherung der SS: Verwissenschaftlichung des ‚Rassisch‘-Utopischen

Die Stäbe des Amts Rosenberg oder das SS-Ahnenerbe waren besonders für solche Nachwuchswissenschaftler attraktiv, die eine heterodoxe Strategie in den Geistes- und Kulturwissenschaften gewählt hatten. Es handelte sich dabei um Akteure, die akademisch unzureichend institutionalisierten Fächern angehörten oder die neue methodische und theoretische Ansätze vertraten. In den NS-Wissenschaftsorganisationen konnten sie ihre an den Universitäten wenig akzeptierten Forschungsansätze ohne die Gefahr einer Einengung durch die Mächtigen im Feld ausüben. Mit der Entscheidung, in einer solchen Organisation mitzuarbeiten, wählten jene Nachwuchswissenschaftler eine heteronome Strategie. Sie konnten und wollten aber nicht auf die Universitäten als Konsekrationsinstanzen verzichten, weshalb sie neben ihrer Tätigkeit in den NS-Wissenschaftsorganisationen in der Regel Stellen an Universitäten, Museen oder Schulen bekleideten. Dadurch verzahnten sie die staatlichen Bildungsanstalten

276 Stellvertretend Rudolf Mentzel an Martin Schede vom 15.3.1945. In: BAR, R 73/50, Bl. 295; Rudolf Mentzel an den Präsidenten des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches vom 3.7.1941. In: BAR, R 73/51, Bl. 161; Rudolf Mentzel an den Präsidenten des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches vom 20.8.1940. In: BAR, R 73/50, Bl. 50; Rudolf Mentzel an das Orientforschungs-Institut Dir. Prof. Dr. Scheel vom 15.9.1943. In: Ebd., Bl. 69. 277 Hans Reinerth an Rudolf Mentzel vom 6.1.1937. In: Ebd., Bl. 17 – 18; Rudolf ­Mentzel an Hans Reinerth vom 1.4.1937. In: BAR, R 73/13847, Bl. 13; Der kommissarische Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft an Prof. Dr. Metz (Durchschlag an Prof. Engel, B ­ erlin) vom 15.12.1936. In: Ebd., Bl. 21.

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mit der außeruniversitären NS-Forschung und steigerten gleichzeitig die Relevanz ihrer Wissenschaften im akademischen Feld. Die Inhaber mächtiger Positionen reagierten forschungspolitisch auf die veränderte Situation, indem sie ab 1934 die Gründung neuer Institute und Lehrstühle für jene Fachbereiche unterstützten.278 Dies führte zur erfolgreichen akademischen Institutionalisierung der Vor- und Frühgeschichte und der Volkskunde sowie zum institutionellen Ausbau der Volks- und Landesgeschichte.279 Die Machtverschiebung innerhalb der NS-Wissenschaftspolitik zugunsten der SS lässt sich an der Entwicklung des SS-Ahnenerbes zeigen. Vorrangiges Ziel der Ahnenerbe-Mitarbeiter war es, die materiellen und geistigen Erzeugnisse der „germanisch-nordischen Rasse“ durch Methoden der Vor- und Frühgeschichte, Volkskunde, Linguistik, Geografie etc. zu erforschen, was auf die Beweisführung der Himmler’schen und Darré’schen Grundannahme von der ‚rassischen‘ und kulturellen Überlegenheit des „arischen Menschen“ hinauslief. Unter dem Einfluss des Germanenforschers Herman Wirth arbeitete das SS-Ahnenerbe zuerst eng mit dem Leiter des Amts für Vor- und Frühgeschichte im RSHA Karl Maria ­Wiligut zusammen, dem sich Himmler geistig verbunden fühlte. 1937 jedoch erfolgte eine Satzungsänderung, in deren Folge der neue Kurator des SS-Ahnenerbes, der Professor für indogermanische Sprachkunde an der Universität München Walther Wüst, zusammen mit Geschäftsführer Wolfram Sievers das SS-Ahnenerbe aus der Kooperation mit dem RSHA herauslöste, Wirth von der Führungsposition verdrängte und die Zusammenarbeit mit Fantasten wie Wiligut beendete. Das SS-Ahnenerbe wurde in eine effi­ziente Wissenschaftsorganisation umgebaut.280 Die Mitarbeiter des SS -Ahnenerbes gewannen nicht nur erfolgreich Professoren als Mitarbeiter und gliederten ganze Universitäten als korporative Mitglieder in ihre Organisation ein, sondern beeinflussten in Zusammenarbeit mit dem SD auch die Besetzung von Lehrstühlen. Vom Präsidentschaftswechsel in der DFG profitierten sie dadurch, dass Mentzel und seine Mitarbeiter ab 1936/1937 das SS -Ahnenerbe finanziell begünstigten.281 Die teils aufwen-

278 Vgl. am Beispiel des Mediävisten Karl Bosl Berg, Matthias: Lehrjahre eines Historikers. Karl Bosl im Nationalsozialismus. In: ZfG 59 (2011) 1, S. 45 – 63, hier S. 52 – 59. 279 Eckel, Geist der Zeit, 2008, S. 67 – 69. 280 Junginger, Horst: Religionswissenschaft. In: Elvert/Nielsen-Sikora (Hg.), Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, 2008, S. 52 – 86, hier S. 77; Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 174. 281 Rudolf Mentzel an Reichsleiter Alfred Rosenberg vom 13.7.1937. In: BAR , R 73/13886, Bl. 11. Vgl. am Beispiel der Universität Köln Das Ahnenerbe an Reichsführer SS Heinrich

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digen Projekte von Himmlers Wissenschaftsverein konnten jedoch nicht ausschließlich von der DFG bezahlt werden, vielmehr mussten dazu Gelder vonseiten der Privatwirtschaft mobilisiert werden. Auch in dieser Beziehung bewies Himmler größeres Geschick als Rosenberg. Die von ihm aktivierten finanziellen Ressourcen kamen vom Freundeskreis Heinrich Himmler oder von zahlungskräftigen Industriegesellschaften wie der Aktiengesellschaft der Bayerischen Motorenwerke, der Daimler-Benz AG oder der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt.282 Himmler sicherte sich also die in allen sozialen Feldern grundlegende Kapital­sorte, das ökonomische Kapital. In der Folge übernahm die SS die Leitung wichtiger Projekte der Volks- und Kulturbodenforschung, so 1938 den Atlas der ­deutschen Volkskunde, und SD -Mitarbeiter sicherten sich die Leitung des D ­ eutschen Auslands-Instituts in Stuttgart, des Münchner Südost-Instituts sowie der Hauptredaktion des Handwörterbuchs des Grenz- und Auslandsdeutschtums.283 Ein letzter Versuch Rosenbergs von 1941, die Geschicke des R ­ eichsforschungsrats, des Amts Wissenschaft im REM und des NSDDB durch eine Allianz mit Hermann Göring an sich zu ziehen, blieb erfolglos.284 Diese Machtanreicherung des SS-Ahnenerbes, die mit dem oben beschriebenen Rationalisierungsprozess in der NS -Wissenschaftspolitik verbunden war, brachte Himmler keineswegs von seinen inhaltlichen Zielen ab. Die ­Mobi­­­li­sierung meist junger Wissenschaftler, die im rechtsradikalen Studenten­ milieu der 1920er-Jahre sozialisiert worden waren, jedoch oft vielversprechende Nachwuchswissenschaftler waren, bewirkte eine Rationalisierung irrationalmythischer Zielsetzungen, was auf eine Verwissenschaftlichung ‚rassisch‘-­ utopischer Fragestellungen hinauslief. Zu diesem Forschertyp gehörten der Leiter der Abteilung Ausgrabungen im SS-Ahnenerbe Herbert Jankuhn oder

Himmler vom 11.8.1939. In: BAR, NS 19/556. 282 Das Ahnenerbe an die Firma Bayerische Motoren Werke vom 11.6.1937. In: BAR, NS 21/676; Das Ahnenerbe an die Daimler-Benz AG z. Hd. des Vorsitzenden des Aufsichtsrates Herrn Staatsrat Dr. Dr. von Stauss vom 18.1.1938. In: Ebd.; Das Ahnenerbe an die Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt vom 12.7.1937. In: Ebd.; Galke an Emil Georg von Stauss, Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft, vom 15.5.1937. In: Ebd. 283 Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 160. Vgl. Lerchenmüller, Joachim: Neuere und Neueste Geschichte, in: Elvert/Nielsen-Sikora (Hg.), Kulturwissenschaften und National­ sozialismus, 2008, S. 223 – 245, hier S. 239. 284 Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 267 – 268. Vgl. Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 175 – 192.

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der ab 1939 als Leiter der Abteilung Volksforschung und Volkskunde fungierende Heinrich Harmjanz.285 Wandlungen infolge des Zweiten Weltkriegs

Im Gegensatz zu den Natur- und Technikwissenschaften kann die Rationalisierung der NS -Wissenschaftspolitik im Bereich der Geistes- und Kulturwissenschaften nicht direkt auf die Kriegsvorbereitung zurückgeführt werden. Rationalisierungsprozesse in diesen Fachbereichen erfolgten vielmehr während des Kriegs selbst. Das lag an den unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten von Geistes- und Naturwissenschaften im Krieg, ein Unterschied, der trotz der von NS-Wissenschaftlern beabsichtigten Zusammenführung von Geistes- und Naturwissenschaften faktisch bestehen blieb.286 Geistes- und Kulturwissenschaftlern eröffneten sich zwei Möglichkeiten für eine Beteiligung am Krieg: Angesichts der Tatsache, dass NS-Politiker einen Krieg planten, in dessen Folge riesige Gebiete erobert werden sollten, mussten NS -Wissenschaftspolitiker erstens daran interessiert sein, die deutschen geistes- und kulturwissenschaftlichen Leistungen der Welt gegenüber durch Wissenschaftler mit Reputation im In- und Ausland repräsentieren zu lassen. „Völkische Fantasten“ hingegen schadeten dem NS-Regime auf internationaler Ebene. Zweitens sollten Volksund Kulturbodenforscher sowie Human- und Sozialwissenschaftler Expertisen zu den von der SS und anderen NS-Stellen geplanten Bevölkerungsverschiebungen und räumlichen Neuordnungen erstellen. Diese Anforderung bedurfte der Mitarbeit von Wissenschaftlern in den politischen Planungsstäben, die mit plausiblen Methoden und Theorien operierten.287 Ab dem 1. November 1939 bestimmten die Fachspartenleiter des Reichs­ forschungsrats, dass nur noch Stipendien erhalten sollte, wessen Forschung sie als „kriegswichtig“ beurteilten.288 Geisteswissenschaftler sahen sich mit dem

285 Zu Jankuhn vgl. Steuer, Herbert Jankuhn, 2004. Zu Harmjanz vgl. Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 165 – 166. 286 Vgl. Hausmann, Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011, S. 56 – 57. 287 Vgl. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, 1999; Fahlbusch/ Haar (Hg.), Wissenschaftliche Politikberatung im 20. Jahrhundert, 2010. Vgl. Raphael, Lutz: Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft: Weltanschauungs­ eliten und Humanwissenschaftler im NS-Regime. In: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S.  5 – 40. 288 Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 261 – 262.

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Problem konfrontiert, dass die Eigenschaft „kriegswichtig“ vornehmlich auf Rüstungsforschung, Wehrwissenschaft und Agrarforschung zutraf. Geistesund Kulturwissen­schaftler sollten zwar Expertenpositionen ein- und Repräsentationsaufträge übernehmen, ihre oft regional ausgerichteten Forschungen für „kriegswichtig“ zu erklären, gelang vielen Wissenschaftlern allerdings kaum, weshalb sie teils beträchtliche Kürzungen oder schlicht die Streichung ihrer Etats durch die DFG hinnehmen mussten.289 Selbst das SS -Ahnenerbe war von diesen Kürzungen betroffen – bis auf die Geophysik strichen Mentzel und seine Mitarbeiter alle anderen finanziellen Leistungen.290 Die propagandistische Einbindung der Geistes- und Kulturwissenschaftler musste daher als Möglichkeit erscheinen, ihre Forschungen weiterzuführen. Die „Aktion Ritterbusch“, der „Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften“, unter der Leitung des Kieler Juristen Paul Ritterbusch von 1940 – 1945 war eine als Großunternehmen gebündelte, gemeinschaftliche Anstrengung der ­Geistes- und Kulturwissenschaftler, zum Krieg beizutragen.291 Über 500 deutsche Wissen­schaftler unterschiedlichster Fächer beteiligten sich am Kriegseinsatz. Die Mehrzahl davon arbeitete an Universitäten, was als Indiz dafür interpretiert werden kann, dass sie den Krieg als Option zur Profitmaximierung betrachteten, denn bis dahin waren sie von der NS-Wissenschaftspolitik finanziell benachteiligt worden. Das leitende Forschungsparadigma der „Aktion Ritterbusch“ lautete, „die Idee einer neuen europäischen Ordnung […] in einer wissenschaftlich unanfechtbaren Weise herauszuarbeiten und als die Wahrheit und Wirklichkeit des Lebens der europäischen Völker zu erweisen.“292 Das geisteswissenschaftliche Kriegsunternehmen war ein klarer Verstoß gegen die Regeln im Wissenschaftsfeld, da es, gestützt auf militärische Gewalt, auf die unbedingte Dominanz deutscher Wissenschaft in Europa abzielte und deshalb den legitimen Wettbewerb unter den Wissenschaftlern auf internationaler Ebene korrumpierte.

289 Abschrift an den Reichsführer-SS – persönlich – Betr. Reichsforschungsrat, gegenwärtige Organisation, undatiert. In: BAR, NS 21/845. 290 Der Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbes an Reichsführer SS Heinrich Himmler vom 25.9.1939. In: BAR, NS 19/1850. 291 Vgl. Hausmann, Frank-Rutger: „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940 – 1945). 3., erw. Ausg. (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 12). Heidelberg 2007, S. 73. 292 Zitiert in: Ebd., S. 59.

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Außerhalb der „Aktion Ritterbusch“ hatten die Ausgrabungsprojekte im 1941 von den Deutschen besetzten Griechenland 293 und die insgesamt 16 Deutschen Wissenschaftlichen Institute, die auch in nicht besetzten Ländern angesiedelt waren, eine kulturrepräsentative Funktion.294 Zudem betätigten sich Kunsthistoriker, Historiker, Denkmalpfleger und Archäologen unter der Leitung des Beauftragten für Kunstschutz beim Oberkommando des Heeres Franz Graf Wolff von Metternich in den besetzten Gebieten als Kunst- und Archiv­schützer, was die Dokumentation der örtlichen Baudenkmäler und den Abtransport mobiler Kunstgegenstände vorgeblich zum Schutz derselben umfasste.295 Mit der Kriegswende 1942/1943 waren Denkmalpfleger und Kunsthistoriker damit beschäftigt, kunsthistorisch wertvolle Gegenstände auch innerhalb der Reichsgrenzen sicherzustellen und in Luftschutzbunker zu verfrachten sowie in Zusammenarbeit mit der SS und mit Wehrmachtsstellen Baudenkmäler gegen die Brandgefahr zu schützen.296 Als 1943 der „Führerauftrag Monumentalmalerei“ im Auftrag des Reichspropaganda­ministeriums an die deutschen Denkmalpfleger und Kunsthistoriker erging, wonach jegliche Wandmalereien in Kirchen, Domen, Schlössern und ­Bürger­häusern „Großdeutschlands“ fotografisch dokumentiert werden sollten, sahen die Wissenschaftler und Kulturarbeiter eine weitere Möglichkeit zur Kriegsbeteiligung.297 Diese Aktion gehörte nicht zum offiziellen Kulturgüterschutz, 293 Der Reichsminister der Finanzen an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 13.12.1941. In: BAR, R 4901/14150; Zusammenstellung der zum Reichshaushalt, Einzelplan XIX Kap. 28 für 1943 anzumeldenden Mehr- und Minderausgaben. In: Ebd., Bl. 191 – 192; Der Präsident des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches an Bernhard Rust vom 20.5.1943. In: Ebd., Bl. 241. Vgl. Auswärtiges Amt an Hans Heinrich Lammers vom 23.9.1941. In: BAR, R 43 II/1226a, Bl. 27. 294 Vgl. Hausmann, Frank-Rutger: „Auch im Krieg schweigen die Musen nicht“. Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg (Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte 169). Göttingen 2001, S. 11 – 59. 295 Metternich, Franz Graf Wolff: Der Kriegskunstschutz in den besetzten Gebieten Frankreichs und in Belgien. Organisation und Aufgaben. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 15 (1942/1943) 3/4, S. 26 – 35. Vgl. Der Führer, Anordnung (1940). In: BAR, NS 30/2, Bl.  11 – 12. 296 Runderlass Joseph Goebbels, Der Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz, an die Herren Reichsverteidigungskommissare vom 12.9.1944. In: BAR, R 4901/12272, Bl. 3; Der Konservator der Kunstdenkmäler an die Herren Denkmalpfleger vom 17.5.1943. In: BAR, R 4901/12270, Bl. 31 – 35; Der Konservator der Kunstdenkmäler an die Herren Denkmalpfleger vom 11.12.1943. In: Ebd., Bl. 37 – 39. 297 Vgl. Fuhrmeister, Christian u. a. (Hg.): „Führerauftrag Monumentalmalerei“. Eine Fotokampagne 1943 – 1945 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 18). Köln 2006.

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sondern war eine Reaktion Hitlers auf die anhaltenden Bombardierungen. Angesichts der prekären Lage des Regimes zu jenem Zeitpunkt mutet die Summe, die vom Propagandaministerium für dieses Unternehmen aufgewendet wurde, erstaunlich an: Bis Anfang 1945 beliefen sich die Ausgaben auf 1,5 Mio. RM, und noch im Februar 1945 stellte das Reichsfinanzministerium weitere 350.000 RM bereit.298 Bei diesen Arbeiten handelte es sich um ein mechanisches Dokumentieren, Sammeln und Ordnen, angesichts des Zeitdrucks waren Vorselektionen oder gar die wissenschaftliche Bearbeitung des Materials nicht möglich.299 Die Denkmalpfleger beabsichtigten jedoch, Farbdiapositive oder geraubte Kunstgegenstände in absehbarer Zeit zu Forschungszwecken zu verwenden. Der Krieg stellte für sie eine Quelle zur Erhebung neuer wissenschaftlicher Rohmaterialien dar. In der Rolle der Experten für Bevölkerungsverschiebungen und zugleich im Kulturgüterschutz betätigten sich Geistes- und Kulturwissenschaftler beispielsweise in Südtirol. Heinrich Himmler intendierte ab 1939 die „Heimkehr“ der „Volks- und Reichsdeutschen“ ins Reich bei gleichzeitiger Aussiedlung von „Volksfremden“ aus dem Reich. Vertreter des RSHA, der regionalen Gauleitung, des SS-Ahnenerbes, der VFG sowie einzelne Denkmalpfleger und Museumsleute arbeiteten bei dieser Aufgabe zusammen, in vielen Situa­ tionen standen sie allerdings auch in Konkurrenz zueinander.300 Neben karto­ grafischen Darstellungen von Bevölkerungsbewegungen und Statistiken zu Geburtenziffern ging die vom SS-Ahnenerbe geleitete Kulturkommission in enger Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker und Gaukonservator Kärntens in Innsbruck Walter Frodl daran, die Kunstdenkmäler Südtirols zu inventarisieren. Frodls Mitarbeiter zeichneten und fotografierten Wandund Deckenmalereien, gotische Säle in Burgen und Schlössern und verma298 Vgl. Sachsse, Rolf: „Schutz am Phantom“ – Zur Photogeschichte des „Führerbefehls“ der Dokumentation ortsfester Kunstwerke. In: Fuhrmeister u. a. (Hg.), „Führerauftrag Monumentalmalerei“, 2006, S. 1 – 17, hier S. 4. Vgl. Pütz, Frank: „Führerauftrag“ und „Götter­ geschenk“. Zur Entstehungsgeschichte der Farbdias deutscher Wand- und Deckenmalereien. In: Fuhrmeister u. a. (Hg.), „Führerauftrag Monumentalmalerei“, 2006, S. 20 – 26, hier S. 22. 299 Der Konservator der Kunstdenkmäler, Hiecke, an die Herren Denkmalpfleger vom 9.4.1943. In: BAR, R 4901/12270, Bl. 44. Vgl. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, BK 9084, Richtlinien für die Ausführung des Führerauftrages für die Farbaufnahmen von Decken- und Wandmalereien in historischen Baudenkmälern Großdeutschlands vom 2.12.1943. In: BAR, R 4901/12280, Bl. 4. 300 Vgl. Wedekind, Michael: Alpenländische Forschungsgemeinschaft. In: Haar/Fahlbusch (Hg.), Handbuch der völkischen Wissenschaften, 2008, S. 27 – 38, hier S. 36 – 38.

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ßen Bauernhäuser oder Kirchen.301 Es ging darum, die „Bearbeitung und Aufnahme des dinglichen und geistigen Kulturguts der umzusiedelnden Volksdeutschen aus Südtirol“ durchzuführen.302 Die SS zielte darauf ab, in kurzer Zeit an wissenschaftliche Expertisen für ihre Umsiedlungspolitik zu gelangen. Als ethnisch „deutsch“ beurteilte mobile Kunstgegenstände holten Frodls Mitarbeiter „heim ins Reich“, indem sie P ­ lastiken oder Bilder abtransportieren ließen und Bauwerke „deutschen Charakters“ zeichneten und fotografierten.303 Die an den Haus- und Bauforschungen Beteiligten suchten nach Kriterien für eine Abgrenzung des „romanischen“ vom „germanischen Volksboden“. Frodl profitierte insofern von diesem Unternehmen, als er seit Langem geplante Inventarisationen durchführen und Studenten mit diesen Arbeiten beschäftigen konnte. Aus den erhaltenen Akten geht hervor, dass es sich auch hier um technische, exakte Aufnahmen der wissenschaftlichen Befunde handelte, die später ausgewertet werden sollten. Zwischenbilanz

Bei den Prähistorikern, Volkskundlern und Landeshistorikern im Umfeld der Volks- und Kulturbodenforschung handelte es sich um Vertreter von Fächern und Forschungsbereichen ohne ausreichende universitäre Institutionalisierung. Im Zuge der Konjunktur der Volks- und Kulturbodenforschung in den 1920erJahren gewannen sie im wissenschaftlichen und im politischen Feld jedoch an Relevanz. Die Mehrzahl der Inhalte der NS-Wissenschaft hatten sie bereits in den 1920er-Jahren vertreten, und sie sahen mit dem Machtwechsel von 1933 die Möglichkeit gekommen, ihre Forschungsansätze im Feld durchzusetzen. Ein Umbruch nach 1933 ist vor allem in der Hinsicht festzustellen, dass sich die Wissenschaftler unter vollständiger Aufgabe des liberalen Prinzips in der Wissenschaft bedingungslos in den Dienst für das NS-Regime stellten. Wird in der Forschungsliteratur bezüglich Natur- und Technikwissenschaften der Aspekt der Nützlichkeit für die NS-Politik nur selten hinterfragt, weil ein instrumenteller Nutzen natur- und technikwissenschaftlichen Wissens auf der 301 Vgl. stellvertretend Der Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbes, i. A., an den Gaukonservator für Kärnten in Klagenfurt Walter Frodl vom 2.9.1942. In: BAR, NS 21/90. Vgl. Walter Frodl an Wolfram Sievers vom 7.3.1941. In: BAR, NS 21/212. Frodl war der Leiter der Abteilung Kunst in der Kulturkommission. 302 Walter Frodl an Wolfram Sievers vom 28.5.1940. In: BAR, NS, 21/90. 303 Walter Frodl an das Institut für Denkmalpflege in Wien vom 22.3.1941. In: BAR, NS 21/211.

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Hand liegt, stellt sich diese Frage für G ­ eistes- und Kulturwissenschaften. Die Ansicht, Geisteswissenschaftler hätten während der Konsolidierungsphase des NS-Regimes eine wichtige Rolle als Legitimatoren gespielt, seien jedoch mit dem Wandel der Förderprioritäten auf Rüstungs- und Autarkieforschung ab 1936 mehr oder weniger obsolet geworden, kann nicht bestätigt werden. Vielmehr ist festzuhalten, dass „völkische Fantasten“ auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften für NS-Politiker ab den späten 1930er-Jahren keinen Nutzen mehr versprachen, was zur Folge hatte, dass vor allem während des Zweiten Weltkriegs vermehrt Wissenschaftler gefördert wurden, die eine größere Reputation im Wissenschaftsfeld hatten. Kulturrepräsentanten und Bevölkerungsexperten mussten für das Kriegsunternehmen plausibles Wissen anbieten und die deutsche Wissenschaft angemessen repräsentieren können. 3.2.3 BURGENFORSCHUNG 1933 – 1945

Burgenforschung war weder eine Disziplin noch eine Subdisziplin, und sie war auch kein deutlich eingegrenzter Forschungsbereich. Vielmehr konzentrierten sich entweder bestimmte Vertreter der oben behandelten Geistes- und Kulturwissenschaften und der Denkmalpflege auf Burgen als Thema oder solche Wissenschaftler erforschten die mittelalterlichen Wehrbauten, die sich in außerakademischen Vereinen betätigten. Im deutschsprachigen Raum waren Gelehrtenvereine und historische Gesellschaften Organisationen, in denen sich Akademiker mit interessierten Laien trafen, um über einen Gegenstand gemeinsamer Faszination zu forschen und zu diskutieren.304 Außerakademische Gelehrtenvereine, ähnlich Gelehrtenzirkeln und Gesprächskreisen,305 gehörten zum deutschen Wissenschaftsfeld, im Verhältnis zu den Hochschulinstituten hatten sie darin jedoch eine Position am äußeren Rand. Im Zuge der ver­stärkten Förderung der Heimatforschung gewannen die Gelehrten-, Heimat- und Naturschutzvereine allerdings an Relevanz. In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, ob Burgenforscher die Forderungen der NS-Wissenschaftspolitik und der NS-Wissenschaft erfüllten. Gesetzt den Fall, dass Burgenforschung zu einem Forschungsbereich gehörte, den NS-Wissenschaftspolitiker verstärkt förderten, ist zu klären, ob inhaltliche,

304 Weber, Priester der Klio, 1984, S. 340. 305 Vgl. am Beispiel der Gelehrtenkultur an der Universität Heidelberg Jansen, Professoren und Politik, 1992, S. 35 – 42.

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methodische oder soziale Homogenisierungsprozesse auszumachen sind oder Versuche einer Institutionalisierung an den Universitäten vorliegen. Burgenforschung, NS-Wissenschaftspolitik und NS-Wissenschaft

Im Hinblick auf die soziale Struktur in ihrem Forschungsbereich brauchten sich Burgenforscher den neuen Vorgaben lediglich minimal anzupassen. Burgen­ forscher links- oder nationalliberaler Haltung lassen sich kaum belegen. Die Mehrzahl der dem Verfasser bekannten Burgenforscher Deutschlands vom späten 19. Jahrhundert bis 1945 hatte − falls erkennbar − entweder eine national­ konservative Haltung in der älteren oder eine radikalkonservative bis ‚völkische‘ Gesinnung in den jüngeren Generationen.306 Über Burgenforscher, die bereits vor dem Machtwechsel eine explizit nationalsozialistische Gesinnung gehabt hätten, liegen keine eindeutigen Aufschlüsse vor. Einen Kunsthistoriker gab es, der über Burgen gearbeitet hatte und von NS-Politikern als jüdisch kategorisiert wurde. Niklaus Pevsner, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, hatte sich bereits im Alter von 19 Jahren evangelisch taufen lassen. 1933/1934 emigrierte er nach England und wurde später als Architektur- und Designhistoriker bekannt. Von seinem Exil aus publizierte er 1937 und 1938 noch zwei Aufsätze über englische Burgen in der Zeitschrift „Der Burgwart“.307 Danach scheint er sich von der Burgenforschung abgewandt zu haben. Auch Pevsner vertrat eine nationalkonservative Haltung, was unter anderem durch seine akademische Sozialisation in der Schule Wilhelm ­Pinders bedingt war.308 Die Vereine und Organisationen für Burgenforschung waren männerdominiert, über eine burgenforschende Frau an einer Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen keine Angaben vor. Burgen, Rittertum und Mittelalterschlachten ließen sich auf mehr oder weniger direkte Weise mit

306 Denkmalpfleger wie etwa Paul Clemen, der zu Burgen und Pfalzen forschte, hatten mehrheitlich eine nationalkonservative Haltung. Gleiches gilt für burgenforschende Kunst­ historiker wie Wilhelm Pinder oder Leo Bruhns. Burgenforscher der jüngeren Generation werden unten behandelt. 307 Vgl. Pevsner, Nikolaus: Clarendon Palace, eine Pfalz der englischen Könige. In: Der Burgwart 38 (1937), S. 48 – 52; Pevsner, Nikolaus: Harlech und Beaumaris, der Höhepunkt bri­ tischer Burgenarchitektur. In: Der Burgwart 39 (1938), S. 32 – 38. 308 Vgl. Games, Stephen: Pevsner: The Early Life: Germany and Art. London, New York 2010, S.  187 – 206.

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den Anforderungen an die Charakter- und Körpereigenschaften männlicher Wissenschaftler durch den NSDDB verbinden. Wer Burgen erforschte, konnte suggerieren, einen „ehrenhaften Charakter“ zu haben, da er die Behausungen der „glorreichen deutschen Ritter“ untersuchte, und zugleich von gesundem Körperbau zu sein, denn Burgenforschung verlangte Arbeiten im Gelände. Der Kunsthistoriker und Burgenforscher Walter Hotz drückte dies folgendermaßen aus: „Wehrbauten sind männlichen Charakters. Trotzig, herb und voll gewaltiger Kraft.“309 Inhaltlich ließen sich die Forderungen, welche NS-Wissenschaftspolitiker an das Wissenschaftsfeld stellten, mehrheitlich in die Burgenforschung übersetzen: 1 |  Burgenforschung war konkret und anwendungsorientiert. Burgen waren Objekte, die vorgeblich Einblicke in eine „konkrete Lebenswelt“ boten und Schlüsse auf die Verfasstheit der jeweiligen „Volksordnung“ im Mittel­ alter ­erlaubten. 2 |  Burgen im deutschsprachigen Raum waren mit dem „deutschen Kulturboden“ verwurzelt. Dies machte die Burgenforschung als Schnittstelle zwischen Archäologie, Landesgeschichte und räumlich ausgerichteter Kunstgeschichte zu einer „bodengebundenen“ und heimatlichen Wissenschaft. 3 |  Burgen waren attraktive Objekte für den deutschen und internationalen Tourismus, Burgenforschung implizierte daher Popularität. Burgenforscher betätigten sich schon im 19. Jahrhundert als Volkserzieher, indem sie interessierte Laien auf die Burgen führten oder populäre Hefte zu den einzelnen Wehrbauten herausgaben. Insofern ließen sich die Forderungen nach einer „Wissenschaft für das Volk“ erfüllen. 4 |  Bereits im späten 19. Jahrhundert hantierten gewisse Burgenforscher mit ‚völkisch-rassischen‘ Argumenten.310 Förderungen der Burgenforschung 1933 – 1945

Bei der Förderung einzelner Burgenforscher und mit Burgen befasster Archäologen, Kunst- oder Landeshistoriker handelte es sich ausschließlich um temporäre Forschungsstipendien, Reisestipendien, Sachbeihilfen oder einmalige Donationen. Burgenforschung wurde sowohl durch die DFG gefördert als auch von Exponenten der NS-Führungselite. Die Beträge der DFG waren 309 Originalmanuskript Hotz, Walter: Burg Wildenberg. Band 1 (Text). Diss. Phil. Giessen 1934, S. 121, in: StA Wo Abt. 170/21, Nr. 85. 310 So Bodo Ebhardt. Näheres dazu in Kapitel 4.1 (S. 154).

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gemessen an der üblichen Höhe der Stipendien entweder ziemlich niedrig oder entsprachen den üblichen, monatlich entrichteten Beträgen an die Stipendiaten. Bei den Entscheidungen der DFG darüber, ob ein Antrag eines Wissenschaftlers positiv beurteilt werden sollte, waren sowohl die oben dargelegten Kriterien als auch persönliche Seilschaften ausschlaggebend. Solche Seilschaften hatten sich meist aus gemeinsamer Studienzeit von Antragssteller und Gutachter ergeben. Förderungen durch die DFG

Von 1920 – 1933 ist lediglich die Förderung von zwei Burgenforschern bezeugt. Das mag an der Unvollständigkeit der Quellen liegen, wahrscheinlicher ist aber, dass Burgenforschung nur in unzureichendem Masse den Förderprioritäten der DFG entsprach. Zuschüsse gingen zum Ersten an Bodo Ebhardt. Für sein im Auftrag Kaiser Wilhelms II. begonnenes Monumentalwerk „Die Burgen Italiens“ erhielt er 1922 eine finanzielle Unterstützung von 15.000 RM, 1930 ermöglichte ihm die DFG eine Forschungsreise nach Spanien.311 Ebhardt beabsichtigte, Belege darzubringen, dass der europäische Burgenbau „germanisch“ bestimmt gewesen sei. Den DFG-Mitarbeitern wird nicht unbekannt gewesen sein, dass Ebhardt eine großdeutsche, antirepublikanische Gesinnung hatte, die er wenig zurückhaltend in seinen wissenschaftlichen Artikeln und Büchern herausstellte. Zum Zweiten erhielt Karl-Heinz Clasen von 1924 – 1935 regel­mäßig Zuschüsse in der Höhe von durchschnittlich etwa 600 RM für seine Untersuchungen der Ordensburgen im Osten.312 Auch hier ging es nicht um die Burgen 311 Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit bis zum 31. März 1922, Wittenberg/Halle 1922. In: BAR, R 43 I/818, Bl. 122 – 162, hier Bl. 153. Es handelt sich dabei um Ebhardt, Bodo: Die Burgen Italiens. Baugeschichtliche Untersuchungen über die Entwicklung des mittelalterlichen Wehrbaues und die Bedeutung der Burgenreste für die Kenntnis der Wohnbaukunst im Mittelalter. Bd. I-VI. Berlin 1909 – 1926; Bodo Ebhardt an die Burgverlag-Nebenstelle vom 13.2.1930. In: A DBV, Nr. 6030; o. A.: Spanische Burgenfahrt/Maurisch-germanische Wehrkunst. In: Der Tag vom 30.11.1939. In: EBI , Akte „Marksburg/Bodo Ebhardt“. 312 Karl-Heinz Clasen an die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft vom 21.2.1925. In: BAR, R 73/16634, Bl. 90 – 91; Der Präsident der Notgemeinschaft der Deutschen Wissen­ schaft an Karl-Heinz Clasen vom 12.5.1927. In: Ebd., Bl. 7; Karl-Heinz Clasen an die Notgemeinschaft vom 30.3.1933: Bericht über den dritten Teil meiner Reise in Italien und Frankreich zur Erforschung der mittelalterlichen Profanarchitektur. In: BAR, R 73/16866,

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der engeren Heimat, sondern um solche in den „verlorenen ­Ostgebieten“. Clasens These war, dass der Typus der Ordensburg nicht, wie der Kunsthistoriker Georg Dehio und andere seiner Ansicht nach fälschlicherweise behauptet hatten, auf die Bauten der Staufer in Italien und Sizilien zurückging, sondern ein eigenständiger Bautyp war, der sich autochthon aus dem „östlichen Kulturboden“ heraus über Jahrhunderte hinweg entwickelt hatte.313 Seine Annahme entsprach den Ansichten der Ostforscher, wonach die Baumannschaften der Deutschordensritter nicht nur ethnisch deutsch gewesen, sondern auch in den Ostgebieten aufgewachsen seien, was den slawischen Anspruch auf diese Regionen unterhöhlte. Damit erfüllten die beiden Burgenforscher die antidemokratisch und revisionistisch-deutschnationale Ausrichtung der DFG. Seit dem 1. April 1935 war die erfolgreiche Promotion Voraussetzung für die Bewilligung von Stipendien.314 Für Ebhardt, der kein Akademiker war, sondern autodidaktischer Architekt, bedeutete dies den Ausschluss von der Förderung durch die DFG. Das war kein unerheblicher Wandel für Burgenforscher, denn nur wenige von ihnen waren promoviert und akademisch eingebunden, vielmehr forschten die meisten Burgenforscher ausschließlich im Rahmen von Gelehrtengesellschaften. Den vom Ausschluss von den Förderungen betroffenen Wissenschaftlern blieb auch nicht die Möglichkeit, sich an andere Stellen der NS-Wissenschaftspolitik wie das SS-Ahnenerbe oder das Amt Rosenberg zu wenden, denn auch diese Organisationen förderten spätestens ab 1936/1937 fast nur noch Promovierte. Diejenigen Wissenschaftler, deren Anträge durch die DFG ab Frühjahr 1935 bewilligt wurden, gehörten vornehmlich den Jahrgängen zwischen 1900 und 1912 an. Es handelte sich dabei mehrheitlich um Vertreter des Typs eines gut ausgebildeten, gleichzeitig rechtsextrem radikalisierten Nachwuchswissenschaftlers, welcher der von NS -Wissenschaftspolitikern angestrebten Verjüngung im Wissenschaftsfeld entsprach. Diese Wissenschaftler füllten die durch die Ent­lassungspolitik der Nationalsozialisten entstandenen Lücken im Wissen­ schaftsfeld. Bl. 17; Totalrechnung für alle drei Reisen, undatiert. In: Ebd., Bl. 18; Notgemeinschaft an Karl-Heinz Clasen vom 18.12.1931. In: Ebd., Bl. 25. 313 Auszug aus Karl-Heinz Clasens Werk über die Ordensburgen im Osten. In: BAR , R 73/16634, Bl. 24 – 89. Vgl. Clasen, Karl Heinz: Die mittelalterliche Kunst im Gebiete des Deutschordensstaates Preußen. Bd. 1: Die Burgbauten. Königsberg 1927. 314 Vgl. Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 175.

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Bei der Förderung von burgenforschenden Wissenschaftlern war die aktive politische „Aufbauarbeit“ wichtiger als eine passive Mitgliedschaft in NS-Organisationen. Ein Beispiel ist der Kunsthistoriker Hans Fegers, der 1938/1939 ein Reisestipendium und eine Sachbeihilfe für seine Forschungen über Deckenund Wandgemälde in französischen Königsschlössern erhielt.315 Im PersonalFragebogen gab er an, seit 1937 Parteianwärter und seit 1933 in der SA und im NSDS tB tätig zu sein.316 Auch der Burgenforscher Werner Knapp entsprach diesem Akademiker-Typ. Knapp war nach der Ausbildung zum Ingenieur seinen Interessen an den Burgen gefolgt, indem er Handbuch- und Atlas-Arbeiten in der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft und der Alpenländischen Forschungsgemeinschaft (AFG) übernommen hatte.317 Er war SS-Schütze,318 also aktiv in der für Nachwuchswissenschaftler wohl wichtigsten NS-Organisation tätig. Walter Hotz erhielt 1936 eine Sachbeihilfe für sein Forschungsvorhaben über die „Reichsburgen der Hohenstaufenzeit“.319 Hotz gab in seinem PersonalFragebogen an, dass er weder Mitglied irgendeiner Partei noch der SS oder der SA sei, sondern nur beim Deutschen Soldatenbund e. V. aktiv mitmache.320 Selbst die aktive Beteiligung in nationalistischen Organisationen außerhalb der NSDAP wurde höher eingeschätzt als lediglich eine passive Mitgliedschaft in der NS-Partei. Auf inhaltlicher Ebene sind mehrere Aspekte festzuhalten. Die Mehrzahl der Anträge war geografisch nicht auf die Burgen innerhalb des engeren deutschen Territoriums bezogen, sondern auf solche, die außerhalb Deutschlands und dabei oft in den „deutschstämmigen“ Gebieten lagen und daher im Zusammenhang mit Forschungsfragen der revisionistischen Volks- und Kulturbodenforschung 315 Karl Griewank an Hubert Schrade vom 18.3.1939. In: BAR, R 73/10957, Bl. 10; Deutsche Forschungsgemeinschaft an Dr. Hans Fegers vom 30.6.1939. In: Ebd., Bl. 3; Deutsche Forschungsgemeinschaft an Hans Fegers vom 24.4.1939. In: Ebd., Bl. 8; Hans Fegers an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 1.6.1939. In: Ebd., Bl. 7. 316 Personal-Fragebogen zu dem Gesuch um ein Forschungsstipendium von Hans Fegers vom 10.2.1938. In: Ebd., Bl. 30 – 33. 317 Personal-Fragebogen zu dem Gesuch um ein Forschungsstipendium von Werner Knapp. In: BAR, R 73/12200, Bl. 25 – 26. 318 Werner Knapp an das SS-Hauptamt, Amt weltanschauliche Erziehung, vom 19.9.1944. In: BAR, NS 31/420, Bl. 25. 319 Deutsche Forschungsgemeinschaft an Walter Hotz vom 19.2.1938. In: BAR , R 73/11814, Bl. 8. 320 Personal-Fragebogen zu dem Gesuch um ein Forschungsstipendium von Walter Hotz vom 5.6.1936. In: Ebd., Bl. 3 – 6.

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standen. Das gilt besonders für das Vorhaben von Hotz, der beabsichtigte, die Burgen Deutschlands und solche auf „österreichischem, sudetendeutschem, elsässischem und italienischem Boden“ zu untersuchen.321 Damit war ‚Raum‘ in Verklammerung mit ‚Volk‘ der dominierende Analyseschlüssel bei den Forschungsvorhaben. Nahezu alle geförderten Vorhaben gehörten entweder zur Ostforschung oder zur Westforschung, wobei die Ostforschung eindeutig prominenter vertreten war. So finden sich Forschungsunternehmen wie das von Hermann Phleps, Professor an der Technischen Hochschule in Danzig, zu Kirchenburgen in Siebenbürgen, das vom Außenpolitischen Amt der NSDAP ausgesprochen positiv beurteilt wurde.322 Zur Ostforschung gehörten auch mehrere Vorhaben zur Untersuchung der Burgen des Deutschen Ordens 323 und Unternehmen im Rahmen der Österreichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe, die mit den VFG verbunden waren. Zu nennen ist der „Geschichtlich-statistische Atlas des Burgen­landes“ unter der Leitung der Professoren Hans Hirsch und Fritz Bodo aus Wien. Burgenforscher Werner Knapp sollte für das Atlaswerk eine Karte zu den mittelalterlichen Wehrbauten erstellen.324 Wie Friedrich Metz schrieb, ging es in diesem Unternehmen um die Abwehr der „ungarischen Revisionspropaganda“, die den

321 Walter Hotz an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 11.8.1937. In: Ebd., Bl. 13. 322 NSDAP Reichsleitung, Aussenpolitisches Amt an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 30.6.1937. In: BAR, R 73/13627, Bl. 42; Karl Griewank an den Oberfinanzpräsidenten Berlin vom 2.8.1938. In: Ebd., Bl. 12; Rudolf Mentzel an Prof. Dr. Hermann Phleps vom 20.7.1938. In: Ebd., Bl. 15; Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft an Prof. Dr.-Ing. Hermann Phleps vom 10.7.1937. In: Ebd., Bl. 41. 323 Karl Wagner an die Historische Kommission Ost- und Westpreußens vom 15.1.1935. In: BAR, R 73/15452, Bl. 59 – 63; Johannes Stark an Karl Wagner vom 17.5.1935. In: Ebd., Bl. 47; Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 8.2.1935. In: Ebd., Bl. 51; Johannes Stark an Prof. Dr. Ehrlich vom 24.7.1936. In: BAR, R 73/10854, Bl. 13; Hans Reinerth an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 29.6.1936. In: Ebd., Bl. 14. 324 Oesterreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe an die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften vom 16.7.1936. In: BAR, R 73/16267, Bl. 2; Emil Meynen, Sekretär der VFG, an die Österreichisch-deutsche Wissenschaftshilfe vom 10.7.1936. In: Ebd., Bl. 3; Fritz Bodo an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 19.5.1936. In: Ebd., Bl. 6; Hans Hirsch an Johannes Stark vom 9.5.1936. In: Ebd., Bl, 9; Fritz Bodo vom 18.3.1935: Übersicht über die derzeit für die 41 Blätter des Burgenlandatlasses in Aussicht genommenen Haupt- und Nebenkarten. In: Ebd., Bl. 39 – 40, hier Bl. 40. Vgl. zu Fritz Bodo und der Förderung durch die Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der national­ sozialistischen Politik?, S. 272, 279.

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wissenschaftlichen „Tatbestand zu vernebeln“ wisse, demzufolge das Burgenland deutsch-österreichischer und nicht, wie das „chauvinistische Madjarentum“ behaupte, „ungarischer Kulturboden“ sei.325 Zur Westforschung liegt nur ein Vorhaben vor. Kurt Wefelscheid, der beim Vorsteher des Kölner Instituts für Raumpolitik und „spiritus rector der radikalnationalistischen Studenten“326 Martin Spahn arbeitete, untersuchte den „Burgen­bau und den Adel in Westfalen und am Niederrhein“.327 Mit seinen Aufnahmen von verschiedenen Burgstellen in diesem „Kulturraum“ beabsichtigte er, Verkehrswege und Landesausbau im Mittelalter zu erforschen. Erfolg­ reiche Territorialbildung machte Wefelscheid am Vorhandensein eines größeren „Burgbau[s] im ritterlichen Sinne“ fest. Im Gegensatz zu den westlichen Teilen Belgiens und Hollands war der Burgenbau am Niederrhein und in Westfalen seiner Ansicht nach wenig ausgeprägt. Den Grund dafür sah Wefelscheid in der Dominanz der traditionellen Sozialstruktur der Edelfreien und Ministe­ rialen, die auf ihren „Hofanlagen als grundbesitzender Landadel sitzen geblieben“ waren. Dadurch war laut Wefelscheid die Ausbildung einer ritterlichen Kultur, die für den Burgenbau ausschlaggebend war, im deutschen Gebiet nicht erfolgt. Er bediente sich hier einer eigenwilligen ‚völkischen‘ Denkfigur, denn er interpretierte den Burgenbau und die Ritterkultur als „volksfremde Elemente“: „Es zeigt sich dabei, dass die alten gaugräflichen Mächte ihre Stellung nicht auf den Ausbau burglicher Anlagen abstützten, sondern diese in der volkhaft verbundenen Gauverfassung begründet sahen.“328 Das Beispiel zeigt, auf welch unterschiedliche Weise ‚völkische‘ Denkfiguren die Interpretation der Forschungsergebnisse prägten. Charakterisierte Bodo Ebhardt den Burgenbau und die Ritterkultur als genuin „germanische“ Phänomene,329 betrachtete ­Wefelscheid jene Elemente als „volksfremd“. Die wissenschaftliche Befähigung, bescheinigt durch Gutachter und Doktor­ väter, war ein wichtiges Kriterium für die Vergabe eines Stipendiums. Der Heidel­ berger Kunsthistoriker Hubert Schrade betonte, dass Hans Fegers bei ihm mit

325 Friedrich Metz, Reichsarbeitsgemeinschaft für deutsche Volksforschung, an die Not­ gemeinschaft der Deutschen Wissenschaft vom 28.12.1934. In: Ebd., Bl. 44 – 46. 326 Herbert, Best, 1996, S. 71. 327 Karl Griewank an Martin Spahn vom 17.9.1940. In: BAR, R 73/15542, Bl. 25. Vgl. Rudolf Mentzel an Kurt Wefelscheid vom 21.2.1939. In: Ebd., Bl. 29. 328 Bericht des Stipendiaten Dr. Kurt Wefelscheid vom 7.2.1939. In: Ebd., Bl. 34 – 37, hier Bl.  34 – 36. 329 Vgl. Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1, 1909, S. 64.

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Bestnote promoviert habe.330 Insofern passte Fegers zum rationalisierten Kurs der NS-Wissenschaftspolitik ab 1936/1937, der zur Folge hatte, dass junge, vielversprechende Wissenschaftler, die methodisch auf der Höhe der Zeit waren, gegenüber solchen mit zweifelhaftem Ruf bevorzugt wurden. Fegers Bericht über den Verlauf seiner Forschungen, den er der DFG ablieferte, entsprach diesem Kriterium. Er verzichtete darin gänzlich auf säbelrasselnde, anti-französische Ressentiments oder auf ein ‚völkisch-rassisches‘ Vokabular. Auch direkte Vergleiche mit der Malerei in den deutschen Gebieten sind nicht zu finden. Seine Ergebnisse waren die folgenden: Mit der Renaissance erfolgte in Frankreich ein epochaler Umbruch im künstlerischen Schaffen. Der König verlangte nach einer Kunst, die seiner ästhetischen Vorstellung wie auch seinem Repräsentationsbedürfnis Genüge tun musste. Dies führte laut Fegers zu megaloma­ nischen Bauten, wie am Schloss von Versailles plastisch zu sehen war. Sowohl mit Malereien in Burgen als auch mit solchen in Schlössern hatten die Könige ihre eigenen Taten darstellen lassen. Das Neue war nun in der Renaissancezeit, dass sie dazu antike Götter als Motive verwendeten. Den Grund dafür sah Fegers nicht im mythologischen Interesse der Künstler und ihrer Auftraggeber, sondern in der Funktion der antiken Gottheiten für die französischen Könige, sich apotheotisch darzustellen.331 Fegers Bericht ist deshalb interessant, weil sich keine seiner Beobach­tungen wissenschaftlich widerlegen lässt. Seine Analyse ist methodisch sorgfältig durchgeführt. Gleichzeitig schlägt er jedoch eine interpretative Richtung an, die schon bei Bodo Ebhardt zu finden ist,332 der behauptete, dass die Gesellschaftsstruktur Frankreichs im Mittelalter, die angeblich von der Herrschaft der Wenigen gekennzeichnet war, an den Bauformen der Burgen abgelesen werden konnte. Bei Ebhardt war dies ein Resultat seiner rassenaristokratischen Geschichts­ interpretation, in deren Zentrum die Annahme stand, dass seit der Völkerwanderungszeit eine germanische Oberschicht in Frankreich und England die autochthonen Bevölkerungen beherrschte. Diese Gesellschaftsordnung äußerte sich für Ebhardt in den Größendimensionen der französischen Burgen, die er im Vergleich zu den deutschen Ritterburgen als maßlos empfand. Ebhardt folgerte 330 Hubert Schrade an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 29.1.1937. In: BAR , R 73/10957, Bl. 61 – 62; Rudolf Mentzel an Hans Fegers vom 6.5.1938. In: Ebd., Bl. 55. 331 Hans Fegers, Bericht über den Stand der Arbeit über „Ikonographie der Wand- und Decken­ gemälde in französischen Königsschlössern“, undatiert [wohl 1939]. In: Ebd., Bl. 34 – 39. 332 So z. B. in Ebhardt, Bodo: Deutschlands Helden eine Weihestätte! Eine Aufgabe für die deutsche Kunst. Mahnwort von Bodo Ebhardt. Berlin-Grunewald 1918, S. 11.

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daraus, dass die Herrschaftselite in Frankreich nicht ‚völkisch‘ verwurzelt war, Herrscher und Untertanen bildeten nicht wie in Deutschland eine ‚völkische‘ Einheit. Fegers formulierte solche Deutungen nicht explizit, denn er hätte sie wohl als unwissenschaftlich abgetan, doch ließ sich sein Bericht so lesen, dass verwandte Auffassungen damit assoziiert werden konnten. Bei Walter Hotz half nicht nur das positive Gutachten von Karl Koetschau,333 sondern auch Hotz’ Beteuerung, er habe bereits einen Verlag an der Hand, der seine Forschungen als Buch publizieren würde, nämlich den Deutschen Kunstverlag, dessen Geschäftsführer Burkhard Meier Hotz persönlich bekannt war.334 Im Geschäftsführer der VFG, Emil Meynen, und im Berliner Geografen Walter Vogel fand Werner Knapp seine Patrons, die ihn für ein Stipendium bei der DFG empfahlen.335 Knapps Forschungen beurteilte Vogel in einem Gutachten sehr positiv: Während in der früheren Burgforschung die „dynastische Einzelburg (Turmburg) adliger Geschlechter des Hochmittelalters“ oder die „landesfürstlichen Burgbauten“ im Mittelpunkt gestanden hätten, komme Knapp mit seinen neuen Ansätzen zu dem Schluss, „dass man es in dieser Zeit schon mit der Auflösung eines älteren geschlosseneren Wehrsystems der Länder und Landschaften zu tun hat, und dass dessen Schwergewicht bereits in eine ältere Zeitperiode (etwa 8.–11. Jhdt.) fällt, die Wurzeln sogar bis in die Landnahme-Völkerwanderungszeit zurückreichen.“ Laut Vogel neige Knapp zwar zu schablonisierenden und verkürzenden Darstellungen, seine raum­ orientierte Methode weise aber in die Zukunft der Burgenforschung, denn bisher sei diese „mehr oder weniger ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der baulichen Struktur und der ästhetischen Erscheinung“ betrieben worden, wie beispielsweise noch bei Bodo Ebhardt. Knapps Untersuchungen würden „ein ganz neues Forschungsfeld“ eröffnen, das „für die tiefere Erkundung des mittelalterlichen Staats- und Gemeinschaftslebens und seiner räumlichen Gestaltung von höchstem Interesse ist.“336

333 Karl Griewank an Prof. Dr. K. Koetschau vom 10.6.1936. In: BAR, R 73/11814, Bl. 23. 334 Antrag Walter Hotz an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 17.5.1936. In: Ebd., Bl.  24 – 25. 335 Emil Meynen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 4.4.1936: Gesuch mit 6 Gutachten an die Herren Kötzschke, Unverzagt, Koetschau. In: BAR, R 73/12200, Bl. 70. Es handelt sich um Beiratsmitglieder der NOFG, vgl. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, S. 187. 336 Walter Vogel an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 5.8.1937. In: BAR, R 73/12200, Bl. 42 – 43, hier Bl. 42

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Mit der Verschiebung der Prioritäten in der NS-Wissenschaftspolitik auf die Kriegsvorbereitung fielen alle finanziellen Unterstützungen für Burgenforscher weg. Auch Nachwuchsforscher wie Knapp oder Wefelscheid bekamen keine Forschungsgelder mehr.337 Die erfolgreiche Mobilisierung von Unterstützungen mit der Begründung „kriegswichtig“ gelang nur noch Wissenschaftlern und Denkmalpflegern, die in Inventarisationsarbeiten des SS-Ahnenerbes und in Forschungen im direkten politischen Interesse der Reichszentralen, wie etwa dem Archiv- und Kulturschutz, eingebunden waren. Zu nennen ist hier die Forschungsgemeinschaft für Pfalzenforschung, die im Rahmen des „Kriegseinsatzes der Kunstgeschichte“ agierte. Ihre Mitarbeiter konzentrierten sich darauf, „Kaiserpfalzen und Reichsburgen im Burgund und der Franche comté [sic] kunsthistorisch [zu] erforschen“, was im Zusammenhang mit der angestrebten Beweisführung der Existenz eines frühmittelalterlichen „germanischen Reiches“ im „Westraum“ stand.338 Förderungen von Burgenforschern durch Vertreter der NS-Führungselite

Eine zweite Förderquelle für Burgenforscher waren Vertreter der NS -Elite. Hierbei verschwammen die Grenzen zwischen Wissenschafts- und Kulturförderung, denn mehrheitlich bezuschussten NS -Führer Wiederaufbauten oder Restaurierungen. Bei einigen dieser Unternehmungen betrieben die beteiligten Denkmalpfleger, Kunsthistoriker oder Archäologen aber auch Forschungen. Burgen entsprachen den Forderungen der NS -Kulturpolitiker nach Traditiona­lismus, Volkskunst und Monumentalität. Wie die Wissenschaft, so sollten auch Kunst und Kultur ein konkretes Ziel haben, nämlich die „Größe“ des ‚Dritten Reichs‘ repräsentieren und den „Volksgenossen“ Entspannung und Unterhaltung bieten.339 Adolf Hitler selbst förderte mehrere Wiederaufbauten und Restaurierungen von mittelalterlichen Burgruinen. Auf Anfrage von verschiedener Seite und bestärkt durch die Expertise des bayerischen 337 Deutsche Forschungsgemeinschaft an Werner Knapp vom 9.5.1940. In: Ebd., Bl. 3; Karl Griewank an Martin Spahn, 17.9.1940. In: BAR, R 73/15542: Bl. 25. 338 Antrag Stange, Der Direktor des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn, an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 12.1.1941. In: BAR, R 73/14308, Bl. 11 – 12; Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft an Gottfried Schlag vom 19.2.1941. In: BAR, R 73/14308, Bl. 10; Karl Griewank an Alfred Stange vom 12.2.1942. In: Ebd., Bl. 7. 339 Vgl. Bavaj, Die Ambivalenz der Moderne, 2003, S. 158 – 159.

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Denkmalpflegers Georg Lill sagte Hitler eine einmalige Spende von 15.000 RM für die Konservierung der Ruine Wildenberg im Odenwald zu.340 An diesem Beispiel wird ein wichtiges Merkmal der Kultur- und Wissenschaftsförderung durch Exponenten der NS -Elite deutlich: Hitler wollte ausschließlich eine einmalige Schenkung machen und sich nicht darauf einlassen, die jährlichen Kosten für die Instandhaltung des Bauwerks zu tragen. Genau dies nämlich hatte der Burgbesitzer, Graf zu Leiningen, beabsichtigt: Er wollte Hitler die Burg schenken, damit dieser sich um ihre Konservierung kümmerte.341 Nur ausnahmsweise war Hitler dazu bereit, eine Burgensanierung über zwei bis drei Jahre hinweg zu unterstützen, wie im Falle der Burg Lauenstein, für deren Restauration er sich bereit erklärte, jährlich 10.000 – 12.000 RM zu spenden.342 Als weitere Beispiele lassen sich eine Schenkung von 200.000 RM für den Wiederaufbau des niedergebrannten Stuttgarter Schlosses und eine Donation von 800.000 RM für die Renovierung der Burgen des Deutschen Ritterordens im Osten auf Anregung Albert Speers nennen.343 Für Ludwig Sieberts Wiederaufbau- und Konservierungsprogramm spendete Hitler insgesamt 400.000 RM .344 Hitler bestritt diese Ausgaben aus einem eigens dafür angelegten Kulturfonds, der sich am 12. Juni 1941 auf etwa 32,3 Mio. RM belief.345 Mittelalterliche Burgen nahmen nur einen kleinen Teil der Donationen in Anspruch, denn Hitler unterstützte in der Regel eher Neubauten wie das Haus der Deutschen

340 Georg Lill an das Staatsministerium des Innern z. Hd. des H. Ministerialrats Jacob vom 16.9.1935. In: BAR, R 43 II/1260, Bl. 25 – 26; Hans Heinrich Lammers an das Staatsministerium des Innern [Bayerns] vom 14.3.1936. In: Ebd., Bl. 59; Hans Heinrich Lammers an das Bayerische Staatsministeriums, Berlin, im Juli 1936. In: Ebd., Bl. 62. 341 Der Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei an K. M. Kaufmann vom 11.9.1935. In: Ebd., Bl. 19. 342 Schreiben zu Rk. 17430 B. vom 25.2.1938. In: BAR, R 43 II/1029a, Bl. 75. 343 Der Kultusminister an den Chef der Präsidialkanzlei, Staatssekretär Meissner, vom 14.5.1935. In: BAR, R 43 II/1235a, Bl. 52. 344 Backes, Klaus: Hitler und die bildenden Künste. Kulturverständnis und Kunstpolitik im Dritten Reich. Köln 1988, S. 185. Vgl. Bay HStA, StK 7516. 345 Abschrift vom 12.6.1941, Ministerialdirektor Kritzinger. In: BAR , R 43/4249, Bl. 3. Die Gelder dafür stammten aus dem Sonderwertzeichenverkauf, dem Vertrieb von Werbepostkarten, den Mitteln zu allgemeinen Zwecken, Baumitteln für die Reichskanzlei, der Universum Film AG , vom Garantieverband des deutschen Briefmarkenhandels, aus verkauften oder zurückgewonnenen Bildern und vom Bankhaus Delbrück Schickler & Co.

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Kunst in München.346 Der „Führer“ bewegte sich dabei zwischen privatem und staatlichem Patronat: Nur Bauwerke, an deren Planung er direkt beteiligt war, sollte die Öffentlichkeit mit seinem Namen in Verbindung bringen, nicht aber die Unterstützungen von Burgenforschung und Denkmalpflege.347 Ein Grund dafür könnte sein, dass Hitler nach außen den Förderungen den Anstrich von Staatlichkeit geben wollte. Wahrscheinlicher aber ist, dass ihm eine öffentlich gemachte Förderung von Burgenrestaurierungen und Wiederaufbauprojekten zu risikobehaftet erschien, da dies bei der „Volks­gemeinschaft“ hätte Anstoß nehmen können – schließlich handelte es sich bei Burgen um Objekte, die traditionell mit der gesellschaftlichen Elite assoziiert wurden. Am Beispiel des Posener Schlosses wurden solche Reaktionen der „Volksgenossen“ deutlich. Hermann Göring ließ aristokratischen Vereinen wie der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. und ihrem langjährigen Präsidenten Bodo Ebhardt eine einmalige finanzielle Unterstützung von insgesamt 23.750 RM in Raten zukommen.348 Darüber hinaus spendete er zusammen mit Wilhelm Frick und Bernhard Rust auf Empfehlung des Leiters des Amts Denkmalpflege im REM Robert Hiecke weitere Gelder für Ebhardts zweibändiges Monumentalwerk „Der Wehrbau Europas im Mittelalter“ und für andere Projekte der Burgenvereinigung.349 Diese Zahlungen endeten spätestens 1939, wobei nur zu vermuten ist, dass dafür das Kriterium „kriegswichtig“ ausschlaggebend war. Frick beteiligte sich auch an den Ausgrabungen und dem teilweisen Wiederaufbau der Kaiserpfalz in Kaiserslautern 1936, nachdem er schon die Restaurierung des Speyerer Doms initiiert hatte.350 Der Grund, warum sich Frick und 346 Vgl. Vermerk: Der Chef der Reichskanzlei, Juni 1933. In: BAR, R 43 II/1235a, Bl. 3; ­Ludwig ­Siebert an die Reichskanzlei vom 27.6.1934. In: Ebd., Bl. 12; Der R ­ eichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Thüringischen Finanzminister vom 1.12.1934. In: Ebd., Bl. 20. 347 Backes, Hitler und die bildenden Künste, 1988, S. 118. Vgl. Bourdieu, Pierre/De Saint Martin, Monique: Le Patronat. In: Actes de la recherche en sciences sociales 20/21 (1978), S. 3 – 82, hier S.  15 – 19. 348 Bericht über die Vorstandssitzung der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen vom 4.6.1940. In: A DBV, Nr. 3015. 349 Vgl. Ebhardt, Bodo: Der Wehrbau Europas im Mittelalter. Versuch einer Gesamtdarstellung der europäischen Burgen. Bd. 1. Berlin 1939, Umschlagsseite, S. 3 – 6. Vgl. Bericht über die Vorstandssitzung der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen vom 4.6.1940. In: A DBV, Nr. 3015. 350 Kaiser, Fassaden einer Diktatur, 1994, S. 371 – 375.

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auch Ludwig Siebert als Kulturmäzenen in der Pfalz betätigten, wird darin zu sehen sein, dass beide dort geboren und aufgewachsen waren und sich deshalb dem Wohl ihrer Heimat verpflichtet fühlten. Die einmaligen Donationen der NS-Elite bedeuteten für Burgenforscher und Denkmalpfleger, dass sie nicht auf regelmäßige Unterstützungen zählen konnten. Die NS-Führer entschieden nach Tagesstimmung, persönlichen Vorlieben oder politischer Lage, ob sie ein Unternehmen unterstützten oder nicht. Klientelverhältnisse zwischen NS-Politikern und Burgenforschern konnten dadurch nicht entstehen. Alle Bemühungen um finanzielle Unterstützung waren vergebens, wenn der betreffende NS-Politiker im Moment der Antragsstellung nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügte.351 Disziplinäre Konsolidierung der Burgenforschung im NS-Regime?

Auf die Frage nach Homogenisierungs- und Konsolidierungseffekten in der Burgen­forschung durch die Förderungen vonseiten der NS-Wissenschaftspolitik ist keine eindeutige Antwort zu geben. In der Volks- und Kulturbodenforschung der frühen 1920er-Jahre finden sich keine Beiträge zur Burgenforschung. In Tagungsbeiträgen im Rahmen der Leipziger Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung wurden „prähistorische germanische Siedlungen“, die „Geschichte der Völkerwanderung im Lichte der Volkstumsfragen“ oder „mittelalterliche Kunst im deutschen Ordensland“ behandelt.352 Obschon Burgen als Unterthema eine gewisse Rolle spielten, war Burgenforschung nicht mit eigenen Beiträgen vertreten. In den VFG veränderte sich die Lage der Burgenforscher in den 1930erJahren. Wie schon Hermann Aubin, meinte auch der österreichische Burgenforscher und SS-Mann Herbert Weinelt 1938, dass sich die Burgenforschung mittlerweile „zu einem eigenständigen Zweig“ innerhalb der Siedlungs- und

351 Vgl. am Beispiel Baldur von Schirachs, der das Schloss Kranichfeld in Thüringen erstehen wollte, Der Jugendführer des Deutschen Reiches an Hans Heinrich Lammers vom 7.11.1935. In: BAR, R 43 II/1235a, Bl.  81 – 83. 352 Vgl. Deutsche Mittelstelle für Volks- und Kulturbodenforschung, Tagung in Bautzen, 25.-27. September 1924. In: PAAA, Kult VIA, 2 Nr. 11, 2, S. 3; Deutsche Mittelstelle für Volks- und Kulturbodenforschung (Protokoll), Tagung in Heppenheim, 5.-7. Oktober 1924, Nieder­schrift Nr. 4: Gröhler (Breslau): Zusammensetzung des französischen Volkes, S. 3 – 5. In: Ebd. (7); Tagung in Marienburg, 10.-12. Oktober 1925: Schmid (Marienburg): Die Entwicklung der Kunst im Ordenslande. In: Ebd., S. 150 – 151.

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Kulturbodenforschung entwickelt habe.353 Tatsächlich finden sich in der von den VFG 1937 gegründeten Zeitschrift „Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung“ einige Beiträge, in denen sich die Autoren entweder direkt oder indirekt mit der Geschichte der Burgen befassten.354 Diese veränderte Position der Burgenforschung innerhalb der Volks- und Kulturbodenforschung hatte einerseits mit der verstärkten Zusammenarbeit der VFG mit Heimat- und ­Gelehrtenvereinen zu tun. Andererseits waren Burgen als Forschungsobjekte deshalb interessant, weil sie mit unterschiedlichen Methoden aus mehreren Fachbereichen untersucht werden konnten und sich damit als Objekte eigneten, an denen die Verlagerung vom disziplinären Fokus auf Problem- und Themen­ orientierung unter dem konzeptionellen Dach eines ‚völkischen‘ Holismus erprobt werden konnte. Von einer Homogenisierung der Burgenforschung selbst ist aber dennoch nicht zu sprechen, vielmehr handelte es sich um die Konstitution eines Subbereichs innerhalb der Volks- und Kulturbodenforschung, also um die Formierung einer „Hilfswissenschaft der Siedlungskunde“.355 Besonders in den Programmen der Ostforschung wurde der Burgenforschung diese Funktion zuteil, was sich dann im „Kriegseinsatz der deutschen Kunsthisto­ riker“ zeigte: Im „vorläufigen Gesamtplan“ des Kriegseinsatzes ( Januar 1941, 2. Ausgabe: Juni 1941) waren die Burgen im Westen, mit Ausnahme der Pfalzen,

353 Weinelt, Herbert: Das deutsche Oppaland und das angrenzende deutsche Nordmähren als Wehrbaulandschaft. In: Der Burgwart 39 (1938), S. 21 – 31, hier S. 21. Zu Weinelt vgl. Das Ahnenerbe an SS -Sturmbannführer Prof. Dr. Aichinger vom 29.1.1943. In: BAR , NS 21/19. 354 Stellvertretend Horwath, Walter: Die Burgen des Deutschen Ordens in Preußen. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 6 (1942), S. 74 – 96; Knapp, Werner: Der Burgen­typus in der Steiermark. Weg und Ziel neuzeitlicher Burgenforschung. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 6 (1942), S. 867 – 879; Schmid, Bernhard: Die Burgen des Deutschen Ostens in Preußen. In: Deutsches Archiv für Landesund Volksforschung 6 (1942), S. 74 – 96; Storm, Carl: Zur deutschen Burgenforschung. Bemerkungen von seiten der Burgen­geographie. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 5 (1941), S. 118 – 142; Tintelnot, Hans: Die Stellung der schlesischen Baukunst in der ostdeutschen Architektur des Mittelalters. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 5 (1941), S. 591 – 602; Weinelt, Herbert: Der mittelalterliche Wehrbau einer ostmitteldeutschen Rodungslandschaft. Die Burgen des Kreises Freiwaldau im Ostsudetenland. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 6 (1942), S. 148 – 168. 355 Schlenger, Herbert: Herbert Weinelt, Werk und Leistung eines ostdeutschen Volks­forschers. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 8 (1944) 1, S. 163 – 181, hier S. 164.

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nahezu gar nicht berücksichtigt – im Gegensatz zu den Ordensburgen in den besetzten Ostgebieten.356 Angesichts dessen, dass Weinelt seine Feststellung 1938 veröffentlichte, nachdem die SS die Vertreter des Amts Rosenberg aus den dominanten Positionen im poli­tischen Feld verdrängt hatte, lässt sich vermuten, dass der Burgen­forschung eine herausragende Bedeutung im SS -Ahnenerbe zukam. Auf hochmittel­ alterliche Burgen wurde hier jedoch nicht in besonderer Weise fokussiert. Das Orga­nigramm des SS-Ahnenerbes von 1939 führte Forschungsstätten für germanische Kultur­wissenschaft ( Joseph Otto Plassmann), Volksforschung und Volkskunde (­Harmjanz), germanische Volkskunde (Richard Wolfram), Ausgrabungen ( Jankuhn), germa­nisches Bauwesen (Martin Rudolph) und Urgeschichte (Assien Bohmers) auf.357 In der Forschungsstätte für germa­nisches Bauwesen war von Burgenforschung nicht die Rede, vielmehr untersuchte Rudolph fast ausschließlich spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Bauernhäuser.358 Die Abteilung für Höhlen- und Karst­forschung unter Hans Brand leistete ebenso wenig Beiträge zur Burgenforschung,359 wie Burgen­forschung auch in anderen Arbeitsgemeinschaften, die fächerübergreifend konzipiert waren, oder in der Wehrgeografie unter dem Dach des Reichsforschungsrats ab 1943 keine explizite Erwähnung fand.360 Zur Erklärung dieser Sachlage lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die Tätigkeiten innerhalb der Abteilungen Ausgrabung und Urgeschichte im SS-Ahnenerbe zeigen, dass die Mitarbeiter unter anderem prähistorische

356 Vgl. Aurenhammer, Hans H.: Neues Quellenmaterial zum Kunstgeschichte-Programm im ‚Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften‘ (1941). In: Held, Jutta/Papenbrock, Martin (Hg.): Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 5). Göttingen 2003, S. 231 – 242, hier S. 233 – 242. 357 Die Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“, Aufgaben und Aufbau. In: BAR, NS 19/1850, Bl. 33 – 41, hier Bl. 35. 358 Martin Rudolph, Bericht über Erforschung und Aufnahme der bäuerlichen Baukultur in der Gottschee, Forschungsstätte für germanisches Bauwesen, vom 3.12.1941. In: BAR, NS 21/164, Bl.  1 – 4. 359 Landesverein für Höhlenkunde in Steiermark an Hans Brand vom 16.9.1939. In: BAR, NS 21/833. Vgl. Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS 1933 – 1945, 2006, S. 215. 360 Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft an Prof. Dr. Adolf Spamer vom 29.8.1934. In: BAR, R 73/161, Bl. 15 – 16; Forschungsprogramm der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung für das Rechnungsjahr 1943. In: BAR, R 73/13844, Bl. 67 – 69. Vgl. Mertens, „Nur politisch Würdige“, 2004, S. 119; Vgl. Flachowsky, Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat, 2008, S. 336 – 346.

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Festungs­anlagen oder frühmittelalterliche Wehrbauten ausgruben.361 Die SSWissenschaftspolitiker orientierten sich an den im Wissenschaftsfeld etablierten Forschungsobjekten, in diesem Fall der Vor- und Frühgeschichte und der Kunstgeschichte. Infolge der im SS-Ahnenerbe ab 1936/1937 einsetzenden Rationalisierung der Wissenschaftspolitik griffen die Akteure demnach auf im Wissenschaftsfeld akzeptierte und daher gängige thematische und metho­dische Ausrichtungen zurück. Entgegen der von Friedemann Schmoll am Beispiel der volkskundlichen Großunternehmen gemachten Beobachtung, dass die disziplinäre Zugehörigkeit der Wissenschaftler durch eine problemorientierte, multidisziplinäre Herangehensweise ersetzt wurde,362 scheint sich dies für hochmittelalterliche Burgen als dafür geradezu prädestinierte Objekte nicht zu bewahrheiten. Paul Clemen, Alfred Stange und Georg Lill hatten vor 1934 die bereits erwähnte Arbeitsgemeinschaft gegründet, deren Mitglieder ausschließlich Pfalzen erforschten und die von Beginn an von der DFG unterstützt wurde.363 Auch in dieser Forschungsgemeinschaft wurden keine Burgen untersucht, die später als in karolingische und ottonische Zeit datierten. Außerdem war mit dem Begriff „Pfalz“ eine Königsresidenz gemeint, den Bau von hochmittelalterlichen Burgen dagegen gaben mehrheitlich Angehörige des Ritteradels in Auftrag. Für Thüringen, Sachsen und Brandenburg existierte eine ähnliche Forschergruppe, welche die Pfalzen Tilleda, Werla und Goslar archäologisch, kunsthistorisch und historisch erforschte und die zur deutschen Ostforschung gehörte. Die DFG förderte ihre Forschungen bis 1935.364 Schmidt-Ott unterstützte auch die von den Archäologen Carl ­Schuchhardt und Wilhelm Unverzagt 1927 gegründete Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung 361 So die Pfalz Karnburg in Kärnten. Vgl. Schleif, Hans: Die SS-Ausgrabung Karnburg. In: Germanien 12, Neue Folge, Bd. 2 (1940) 2, S. 63 – 70. 362 Schmoll, Die Vermessung der Kultur, 2009, S. 120. 363 Paul Clemen, Kommission für die Denkmälerstatistik der Rheinprovinz, an die Not­ gemeinschaft der Deutschen Wissenschaft vom 8.8.1934. In: BAR, R 73/16338, Bl. 4 – 5. 364 REM an die Deutsche Forschungsgemeinschaft/Walter Schulz vom 27.4.1939. In: BAR, R 74/15206; Hans Reinerth an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 14.3.1935. In: BAR, R 73/16563, Bl. 11; Der Vorsitzende des Kreisausschusses des Landkreises Goslar an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 7.3.1935. In: Ebd., Bl. 12; Der Landrat des Landkreises Goslar an die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft vom 16.5.1934. In: BAR, R 73/16563, Bl. 44. Vgl. Brandi, Karl: Die Ausgrabung der Pfalz Werla durch RegierungsBaurat Dr. K. Becker (Nachrichten von der Gesellschaft der Wissen­schaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, Fachgruppe II, Mittlere und Neuere Geschichte, Neue Folge 1, 2). Berlin 1935.

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der nord- und ostdeutschen vor- und frühgeschichtlichen Wall- und Wehr­ an­lagen (Burgwall-Arbeitsgemeinschaft), die sowohl zum Umfeld der Ostforschung zu zählen ist als auch an die RGK im Archäologischen Institut des Deutschen Reiches angebunden war.365 Bei Burgwällen handelte es sich nicht um hochmittelalterliche, steinerne Burgen, sondern um abgegangene, ehemals hölzerne Befestigungen entweder aus der Eisenzeit oder aus dem Frühmittelalter. Zwischenbilanz

Die Erforschung hochmittelalterlicher Burgen wurde im Verlauf der 1930erJahre zu einem Subbereich der Volks- und Kulturbodenforschung, in anderen Forschungsverbünden blieb sie dagegen marginal oder wurde gar nicht berücksichtigt. Die raum- und volksorientierte Burgenforschung wurde von der DFG gefördert, weil Schmidt-Ott und später Johannes Stark die Volks- und Kulturbodenforschung im Hinblick auf das Grenz- und Auslandsdeutschtum unterstützten, nicht aber, weil sie sich in besonderer Weise auf die Burgenforschung konzentriert hätten. Diese ‚völkisch‘ ausgerichtete Burgenforschung gehörte zu den geförderten Forschungsbereichen, wobei insbesondere junge Nachwuchswissenschaftler protegiert wurden. Es hat sich gezeigt, dass eine deutliche generationelle und habituelle Demarkation zwischen den Vertretern dieser Art von Burgenforschung und den Burgenforschern der „wilhelminischen Generation“ existierte. Die Herausbildung einer Burgenforschung, die deutlich von anderen Forschungsbereichen abgesetzt war, ist aber dennoch nicht auszumachen. Der Frage, warum keine Konsolidierung in der Burgenforschung erfolgte, wird in den nachfolgenden Kapiteln 4.1 – 4.3 (ab S. 154) der biogra­fischen Sondierungen nachgegangen.

365 Vgl. Grunwald, Susanne: Potentiale der Burgwallforschung. Sächsische Archäologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Schachtmann, Judith/Strobel, Michael/Widera, Thomas (Hg.): Politik und Wissenschaft in der prähistorischen Archäologie. Pers­pektiven aus Sachsen, Böhmen und Schlesien (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Berichte und Studien 56). Göttingen 2009, S. 149 – 168, hier S. 56, 66. Vgl. Halle, Uta: Urund Frühgeschichte. In: Elvert/Nielsen-Sikora (Hg.), Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, 2008, S. 109 – 166, hier S. 117.

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3.2.4 KONKLUSION: HERRSCHAFTSSTABILISIERUNG DURCH VERTEIDIGUNG DER AUTONOMIE

Aus der Analyse des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik im National­ sozialismus resultiert, dass eine Herrschaftsstabilisierung der NS-Politik nur dann durch das Wissenschaftsfeld erfolgte, wenn darin der autonome Pol überwog. Die NS-Politiker forderten von den Wissenschaftlern eine solche Stabilisierung ihres Regimes, bewirkten mit der Förderung solcher Wissenschaftler, die über wenig wissenschaftliche Autorität im Wissenschaftsfeld verfügten, zu Beginn der NS-Herrschaft aber das Gegenteil. Diese Gruppen von Wissenschaftlern sahen sich dazu veranlasst, mit der sogenannten Machtergreifung ihrerseits die Macht im Wissenschaftsfeld zu „ergreifen“ und eine „nationalsozialistische Wissenschaft“ zu konzipieren. Wie gezeigt, änderten NS-Wissenschafts­politiker jedoch ihren Kurs spätestens nach der Verkündung des „Vierjahresplans“ 1936 und gestanden dem Wissenschaftsfeld wieder mehr Autonomie zu. Dieses Umschwenken bewirkte, dass jene illegitimen Positionsinhaber von Wissenschaftlern mit größerer Reputation mehr und mehr aus dem Wissenschaftsfeld gedrängt wurden. Dabei handelte es sich um „völkische Fantasten“ und generell um Wissenschaftler, welche die Anforderungen im Wissenschaftsfeld nicht erfüllten. Eine bestimmte, ausgesprochen einflussreiche Gruppe jedoch konnte sich weiter­hin behaupten, nämlich diejenigen Nachwuchswissenschaftler, die entweder heterodoxe Strategien verfolgten, da sie neue Methoden und Theorien vertraten, oder die vor 1933 keine Arbeitsstelle gefunden hatten. Dass sie trotz heteronomer Strategie im Feld verblieben, hatte drei Ursachen: Erstens gehörten sie zur selben Generation wie die SS-Wissenschaftsmanager, die den Machtkampf in der NS-Wissenschaftspolitik für sich entschieden und diese Wissenschaftler protegierten (Habitusaffinitäten). Zweitens schichteten die Nachwuchswissenschaftler die erlaubten politischen Haltungen im Wissenschaftsfeld in der Weise um, dass radikalkonservative und nationalsozialistische Haltungen zu legitimen Ansichten wurden. Drittens waren sie gut ausgebildete, vielversprechende Nachwuchsforscher, die über genügend wissenschaftliches Kapital verfügten. Es ist also festzuhalten, dass die Autonomie im Wissenschaftsfeld nicht etwa vollständig wiedererlangt wurde, sondern dass diese Autonomie gar nicht mehr so existierte wie vor 1933. Zutreffender ist daher, von autonomen Freiräumen zu sprechen, die Wissenschaftler für ihre Zwecke nutzten, womit sie aber simultan das NS-Regime stabilisierten. In der Bilanz wirkte sich die Heteronomisierung auf das deutsche Wissen­ schaftsfeld generationell verjüngend und tendenziell modernisierend aus, richtete

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es zugleich aber nach den ‚völkisch-rassischen‘, nationalistischen und kolonisatorischen Zielsetzungen der NS-Politik aus. Es lässt sich also danach fragen, ob dadurch in den Geistes- und Kulturwissenschaften der bereits früher begonnene Überwindungsprozess der als überkommen angesehenen wissenschaft­lichen Ansätze seinen Abschluss fand.366 Die Frage, ob von 1933 – 1945 tatsächlich Neues in der Wissenschaft entstand oder sich Originelles aus den 1920er-Jahren festgesetzt hatte, bleibt allerdings nach wie vor offen. Ebenso ungeklärt ist, wie originell die Ansätze der Volks- und Kulturbodenforschung tatsächlich waren.

366 Paul Nolte diskutiert dieses Problem für die Sozialpolitik und das Gesellschaftsbild Deutschlands und kommt zum Schluss, dass bereits in der Weimarer Republik die Klassen- und Milieuabgrenzungen aufzubrechen begannen, was aber letztlich erst die National­sozialisten durchsetzten, auch wenn dies nicht von ihnen beabsichtigt wurde. Vgl. Nolte, Die O ­ rdnungen der deutschen Gesellschaft, 2000, S. 187 – 207.

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4 LAUFBAHNEN In Kapitel 3.1 (S. 47) und 3.2 (S. 80) ist deutlich geworden, welche Bedeutungen NS-Politiker und NS-Ideologen Burgen und Burgenforschung beimaßen und welche Auswirkungen dies für die Burgenforschung im wissenschaft­ lichen und kulturellen Feld hatte. Damit ist die Bandbreite an Möglichkeiten dargelegt, die Burgenforscher hatten, um eine erfolgreiche Laufbahn einzuschlagen. Im folgenden Teil werden am Beispiel der drei burgenforschenden Wissenschaftler, Bodo Ebhardt, Gotthard Neumann und Walter Hotz, die tatsächlich gewählten Strategien betrachtet. Dabei stehen die folgenden Fragen im Vordergrund: 1 |  Auf der Ebene einer historischen Wissenschaftssoziologie ist zu fragen, ob die drei Akteure die Burgenforschung als eigenständigen Fachbereich innerhalb einer bestehenden Disziplin etablieren wollten. Die Arbeitshypothese ist, dass die Wissenschaftler in den Entlassungen, die nach dem Machtwechsel 1933 erfolgten, eine Möglichkeit erblickten, ihren Forschungsbereich akademisch zu institutionalisieren. 2 |  Mit Blick auf das Verhältnis der drei Wissenschaftler zum National­ sozialismus ist nach ihren weltanschaulichen Haltungen und politischen Posi­ tionen zu fragen. Es ist bisher deutlich geworden, dass Burgenforscher mehrheitlich national- oder radikalkonservativ eingestellt waren, was vielfältige Anschlussmöglichkeiten an die NS-Weltanschauung erwarten lässt. Übereinstimmungen mit und Zustimmung zur NS-Politik hatten, so die zweite Arbeitshypothese, maßgebenden Einfluss auf die Strategien der Wissenschaftler gehabt. 3 |  Auf der Ebene der methodischen und theoretischen Entwicklung in der Burgenforschung werden die bevorzugten Begriffe und Herangehensweisen der Wissenschaftler analysiert. Angesichts dessen, dass die Burgenforschung in den 1930er-Jahren in die Volks- und Kulturbodenforschung integriert wurde, so die dritte Arbeitshypothese, erfolgten profunde methodische Veränderungen, die sich in sozialer Hinsicht in der Differenz zwischen „Kriegsjugendgeneration“ und „wilhelminischer Generation“ zeigen müssten. Zur Beantwortung dieser Fragen wird in den Kapiteln 4.1 – 4.3 (ab S. 154) wie folgt vorgegangen: Am Beginn jedes Kapitels wird die Positionierung des jeweiligen Wissenschaftlers gegenüber dem Nationalsozialismus aus der Zeit von 1933 bis etwa 1935 herausgearbeitet. Die darauffolgenden Abschnitte skizzieren die Genese des Habitus des Wissenschaftlers, um diese Positionierung zu erklären.

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Danach wird die im NS-Regime zurückgelegte Laufbahn betrachtet und am Ende bilanziert, ob die jeweilige Strategie erfolgreich war oder nicht. Bevor die wichtigsten Ergebnisse zusammengeführt werden können, gilt es, bei Gotthard Neumann und Walter Hotz zusätzlich die Entwicklung ihrer Laufbahnen nach dem Ende des NS-Regimes aufzuzeigen. 4.1 DER BURGENGELEHRTE: BODO EBHARDT (1865 – 1945)

Der 68-jährige Bodo Ebhardt begrüßte die sogenannte Machtergreifung der Nationalsozialisten frenetisch. In einer Rede auf der Hauptversammlung seiner Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. von 1933 hatte er Hitler als „strahlenden Kometen über der alten Burg deutschen Glaubens“ gefeiert, der dem „jungen Deutschland, dem neuen Reich“ den Weg weisen werde.1 Weil laut Ebhardt in ganz Deutschland Notstand auf dem „Gebiet der Burgenpflege“ herrschte, publizierte er Anfang 1934 in der hauseigenen Zeitschrift „Der Burgwart“ einen Text über den Nutzen, den die neuen Machthaber aus der Erhaltung und Erforschung der mittelalterlichen Burgen ziehen könnten: „Mit der Rettung der Burgen, der bedeutendsten Zeugen deutschen heldischen Geistes ferner Jahrhunderte“, würde der NS-Staat eine ideale Pflicht erfüllen, „jede Bemühung in dieser Richtung wird den Beifall aller Volksgenossen, aller Vaterlandsfreunde finden“, denn die Erhaltung der Burgen als „Denkmäler deutschen Volkstums, als Zierden der Landschaft und Werke hoher Kunst und kühner Technik“ sei eine „Ehrensache des Volkes“. Das galt Ebhardts Meinung nach ganz besonders für die Jugend, denn in der Jugendbewegung spielten die Burgen eine bedeutende Rolle. Die Burgenvereinigung beantrage deshalb eine „planmäßige Durchführung der Burgenpflege nach einheitlichen Grundsätzen für das ganze Reich“. Auch wirtschaftlich sei die Erhaltung der Burgen von größter Wichtigkeit, genauer: für den Fremdenverkehr, „denn Burgen, Burgruinen und wiederhergestellte Bauten […] ziehen hunderttausende von Besuchern an.“ Von solchen Unternehmen sei zudem „durch Funde und durch Ausnutzung von Vermessungs- und Vergleichsmöglichkeiten“ wissenschaftlicher „Gewinn für deutsche Volks- und Rassenkunde“ in hohem Maße zu erwarten. Weiter könnten Arbeitslose ohne großen finanziellen Aufwand

1

Schlusswort des Vorsitzenden der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen Prof. Bodo Ebhardt. In: Der Burgwart 34 (1933), S. 12.

Der Burgengelehrte: Bodo Ebhardt (1865 – 1945)  |

„in allen Teilen Deutschlands durch die Burgenpflege anregende Arbeit finden“, denn die Arbeit „erfordert geringen Aufwand von Baukosten“. Bei gleich­zeitiger „Inangriffnahme einer größeren Zahl von Ausgrabungen und Sicherungen von Ruinen unter einheitlicher Leitung“ könnten endlich „sachlich erprobte Verfahren gegenüber bisher häufig ergriffenen falschen Maßnahmen“ angewendet werden. Und hierbei würden die Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. und der Unterzeichner „ihre Mitarbeit und Beratung ehrenamtlich zur Verfügung“ stellen.2 Laut Ebhardt hatten Burgenforschung und Denkmalpflege dem NS-Regime also Folgendes anzubieten: 1 |  Burgen waren Anziehungspunkte für Touristen, wovon Gastwirte, Transportunternehmen und Arbeitslose profitierten. Die NS -Politiker könnten dadurch der Wirtschaftskrise entgegenwirken. 2 |  Die Ausgrabungen, die mit den Restaurierungen des aufgehenden Mauer­ werks verbunden waren, erbrachten wichtige Befunde und Funde für Rassen­ anthropologie und Volkskunde. Ebhardt war sich der Relevanz dieser Fach­ gebiete für die Nationalsozialisten sehr bewusst. 3 |  Die Restaurierungen erforderten einen geringen finanziellen Aufwand. Während dem Volk dadurch Freude bereitet wurde, konnten NS-Politiker ihre Popularität steigern. In Kapitel 5.1.1 (S. 302) soll gezeigt werden, dass entgegen Ebhardts Beteuerung Burgensanierungen und wissenschaftliche Untersuchungen ausgesprochen kostspielig waren. 4 |  Bei gleichzeitiger Inangriffnahme von mehreren Projekten unter „einheitlicher Leitung“, womit Ebhardt sich selbst und die Burgenvereinigung meinte, konnten die „richtigen“ Restaurierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Ebhardt sah im NS-Regime die Möglichkeit, dem selbst konstatierten Notstand von Burgendenkmalpflege und Burgenforschung Abhilfe zu leisten. Er war sich dabei bewusst, dass dies nicht ohne eigenes Zutun geschehen würde, und wählte die Strategie, den NS-Politikern aufzuzeigen, wie sie durch ihre Unterstützungen von Burgenforschung und Denkmalpflege bei aktiver Mithilfe der Burgenvereinigung profitieren könnten. Gleichzeitig stellte Ebhardt heraus, dass nur er selbst und die Burgenvereinigung die „richtigen“ Maßnahmen zur Rettung der Burgen einleiten könnten. Ebhardt versuchte also, die „Gleichschaltung“

2

Ebhardt, Bodo: Denkschrift über eine Reichshilfe zur Erhaltung deutscher Burgen und Burgruinen. In: Der Burgwart 34 (1933), S. 35 – 37, hier S. 36 – 37.

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|  Laufbahnen

dafür zu nutzen, seine methodischen Prinzipien in der Burgenforschung und der Denkmalpflege reichsweit durchzusetzen. Die Genese von Bodo Ebhardts Habitus und seine Laufbahn bis zu dieser Positionierung geben Aufschluss darüber, warum er solch starke Hoffnungen in den Nationalsozialismus setzte. 4.1.1 BURGENFORSCHUNG ZWISCHEN WISSENSCHAFT, ÄSTHETIK UND POLITIK

Um 1900 setzte Bodo Ebhardt dazu an, sein Konzept von Burgenforschung und Burgendenkmalpflege zu begründen und eine Laufbahn als Burgenbauer und Burgenforscher einzuschlagen. Dafür waren drei Dispositionen ausschlaggebend: 1 |  Die Faszination für die Mittelalterburgen und die Beschränkung seines Forschungsfokus auf diese Objekte. 2 |  Sein Status als Nichtakademiker und die dadurch bedingte subor­dinierte Position innerhalb des wissenschaftlichen und kulturellen Felds. Die Organisation, in der Ebhardt wirkte, war ein außerakademischer Gelehrten- und Burgen­ besitzerverein. 3 |  Die aus dieser Position erwachsene Notwendigkeit, Gönner aus anderen sozialen Feldern zu finden, um seine Burgenunternehmen zu finanzieren. Ebhardt selbst war nicht ganz mittellos, konnte aber seiner Leidenschaft ohne Fremdfinanzierung nicht nachgehen. Drei soziale Gruppen existierten um 1900, für die Burgen als symbolische Objekte interessant waren: der vermögende Adel, neureiche Industrielle, die durch Aus- oder Neubauten von Burgen ihr gesellschaftliches Prestige steigerten,3 und Politiker, die ihre Macht und ihren Herrschaftsanspruch repräsentieren wollten. Herausbildung der Burgenforschung durch kaiserliche Patronage

Bodo Heinrich Justus Ebhardt, geboren am 5. Januar 1865, war der Sohn des Bremer Innendekorationskaufmanns und späteren Fabrikbesitzers Karl Emil Christoph Ebhardt. Seine Mutter, Agnes, war die Tochter des Musikdirektors und Komponisten Anton Krollmann. Der Großvater väterlicherseits war Jurist

3

Losse, Michael: Architekten und Burgen zwischen 1890 und 1930. Beispiele aus der preußischen Rheinprovinz. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 187 – 193.

Der Burgengelehrte: Bodo Ebhardt (1865 – 1945)  |

und publizierte auch in seinem Fachbereich.4 Ebhardt stammte also aus dem kultur- und bildungsaffinen Bürgertum Norddeutschlands.5 Über seine ­Familie ist wenig bekannt, weshalb die vorherrschenden Werthaltungen gegenüber Politik und Gesellschaft offenbleiben müssen. Zu vermuten ist aber, dass es sich um nationalistische oder nationalkonservative, preußisch-protestantische Werte handelte, die in diesem Milieu weit verbreitet waren. Dazu gehörten die Unterstützung von Bismarcks autoritärer Machtpolitik und die Begrüßung der wilhelminischen Modernisierungen der deutschen Gesellschaft.6 Die Zeit von 1878 – 1881 verbrachte Ebhardt in einem Internat in St. Goarshausen am Rhein. In der Forschungsliteratur wird vermutet, dass er in dieser Phase seine Faszination für Mittelalterburgen im Allgemeinen, für die rheinischen Burgen im Besonderen entwickelt hatte. 1881 kehrte er nach Bremen zurück und begann eine Ausbildung in der Firma seines Vaters, der von seinem Sohn vermutlich die Erhaltung des familiären Besitzstands erwartete. Während seiner Lehrzeit arbeitete Ebhardt auch in Magdeburg bei einem Holzbildhauer und konnte seine künstlerischen und technischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Es verwundert nicht, dass ihm der Kaufmannsberuf nicht zusagte. Stattdessen beschloss Ebhardt, nach Berlin zu ziehen und sich zum Architekten auszubilden. Dies war ein entscheidender Schritt in Ebhardts Laufbahn. Sich gegen die Pläne des Vaters zu stellen, bedeutete in seinem Fall den Entzug der ökonomischen Sicherheit durch die Familie. Als Absolvent der Mittelschule konnte er kein Architekturstudium aufnehmen, sondern bestritt ab 1885 mehrheitlich autodidaktisch eine Ausbildung am Deutschen Gewerbe-Museum zu Berlin. Das Gewerbe-Museum bot eine praxis­basierte Ausbildung in Architektur und Kunstgewerbe aller Art an, die ­Lehrer vermittelten aber nur in sehr reduzierter Weise theoretisches Wissen.7 Ebhardt blieb somit von den Konsekrationsinstanzen der universitären Wissenschaft ausgeschlossen. Für seine Tätigkeit als Architekt von geringer Bedeutung, war dieser Aspekt für die wissenschaftlichen Arbeiten jedoch entscheidend.

4 5 6 7

Fischer, Bodo Ebhardt, 2010, S. 228. Vgl. Bischoff, Malte: Bodo Ebhardt – Lebensdaten. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 33 – 34, hier S. 33. Vgl. Bourdieu, Die feinen Unterschiede, 1982, S. 194, 197 – 198. Vgl. Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849 – 1914. München 1995, S. 196, 289. Bekiers, Andreas: Bodo Ebhardt 1865 – 1945. Architekt, Burgenforscher, Restaurator. Diss. Phil. Berlin 1984, S. 15; Bischoff, Bodo Ebhardt, 1999, S. 33. Vgl. Doering, Oskar: Bodo Ebhardt. Ein deutscher Baumeister 1865 – 1925. Berlin-Grunewald 1925, S. 13 – 14.

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Vorerst musste sich Ebhardt in Berlin etablieren. 1888 ernannte ihn ­Alexander Schütz, Ebhardts Professor am Kunstgewerbemuseum, zum „Adjunkten“, weshalb er beim Aufbau der deutschen Abteilung auf der Nordischen Industrie-, Landwirtschafts- und Kunst-Ausstellung in Kopenhagen mitwirkte.8 1890 publizierte Ebhardt erste Aufsätze über zukünftige Ausstellungen dieser Art in der angesehenen Zeitschrift „Deutsche Bauzeitung“.9 Im selben Jahr eröffnete er zusammen mit Heinrich von Holst ein Architekturbüro in Berlin-Grunewald und machte sich in der Folgezeit einen Namen mit Aufträgen für den Bau von Villen, Kirchen und Grabmälern.10 Er verschaffte sich mehr und mehr Zugang zu den großbürgerlichen Kreisen Berlins und der preußischen Hofgesellschaft, baute Beziehungen über die Mitgliedschaft in protestantischen Logen auf und suchte Verbindungen zum Alldeutschen Verband und zur Deutschen Kolonial­ gesellschaft.11 Sein unternehmerischer Elan drängte die Begeisterung für die Mittelalterburgen keineswegs in den Hintergrund. 1893 erschien Ebhardts erster wissenschaftlicher Aufsatz über „Rheinische Burgen“. In der Folgezeit betrieb er in agiler Weise Medienarbeit, indem er auf den Tagen für Denkmalpflege Referate hielt und in populären Zeitschriften und Tageszeitungen seine Arbeitsergebnisse und Vorhaben veröffentlichte.12 Zu diesem Zeitpunkt bestand Ebhardts Publikum und soziales Milieu in Berlin aus Mitgliedern aristokratisch-elitärer Herrenclubs, die ihrer politischen Haltung nach größtenteils nationalkonservativ

8 Fischer, Bodo Ebhardt, 2010, S. 229. 9 Ebhardt, Bodo: Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung zu Bremen. In: Deutsche Bauzeitung 24 (1890) 58, S. 348/351, Nr. 62, S. 371 – 374, Nr. 66, S. 393, 396 – 398, Nr.  74, S.  448 – 451. 10 Schwarz, Stefanie: Einfamilienhäuser und öffentliche Projekte. In: von der Dollen/SchockWerner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 137 – 150, hier S. 137 – 138. Vgl. Doering, Bodo Ebhardt, 1925, S. 14, 25 – 26, 30 – 41. 11 E. Schultz, Schatzmeister der Andreas-Loge Indissolubilis, an Bodo Ebhardt vom 15.4.1932. In: A DBV, Nr. 2060; Johannis-Loge Zum Pegalus an Bodo Ebhardt vom 19.4.1932. In: Ebd.; Martin Korsch, Mitglied des Vorstands der Johannis-Loge im Namen der ­großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Deutsch-Christlicher Orden, an Bodo Ebhardt vom 6.2.1934. In: Ebd.; Bischoff, Malte: „Eure Majestät, Hochgeehrte Versammlung!“ Die Kaiservorträge. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgen­ romantik und Burgen­restaurierung, 1999, S. 40 – 47, hier S. 43. Ebhardt, Bodo: Vortrag im Rahmen des All­deutschen Verbands: Deutsche Ziele in der Baukunst (1892). In: A DBV, Nr. 2200. 12 Vgl. Fischer, Bodo Ebhardt, 2010, S. 229, 212 – 214.

Der Burgengelehrte: Bodo Ebhardt (1865 – 1945)  |

gesinnt waren und auch pangermanische und imperialistische Ansichten vertraten.13 Bei den Alldeutschen stießen die mittelalterlichen Wehrbauten auf reges Inte­ resse, wie die Metaphern ihrer antislawischen Bedrohungsideologie zeigen, in der von „Vormauer“, „Burg“, „Festung“, „Außenforts“ und „Vorwerken“ die Rede war.14 Mit dieser Strategie hatte Ebhardt Erfolg: Sein erstes größeres Buchunternehmen zur Burgenforschung, die monografische Serie „Deutsche Burgen“, förderten etwa dreißig Sponsoren aus der gesellschaftlichen Elite Preußens, unter anderem Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, der Schwager Kaiser Wilhelms II.15 1899 initiierte Ebhardt aufgrund seiner Verbindungen die Gründung einer Fachgesellschaft und eines Vereins von Burgenbesitzern, der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V., und der Zeitschrift „Der Burgwart“, die als Plattform für Forschungen zu Burgen und Schlössern aus den Bereichen Kunstgeschichte, Denkmalpflege, Archäologie, Volkskunde und Landesgeschichte diente. Ebhardt stellte fortan seine ganze wissenschaftliche und künstlerische Arbeitskraft in den Dienst der Burgenvereinigung;16 ohne diesen Verein wären seine Aktivitäten in der Burgenforschung nicht denkbar. Im Gegensatz zu den vielen bürgerlichen Vereinen, Bünden und Kommissionen für die Pflege und die Erforschung von Kultur- und Naturdenkmälern, die vermehrt am Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz im Kontext der konservativen Kultur­kritik entstanden,17

13 Vgl. Chickering, Roger: We Men Who Feel Most German: A Cultural Study of the Pan-German League, 1886 – 1914. Boston, London, Sydney 1984, S. 74 – 101. 14 Der Burgwart 2 (1900) 1. Vgl. Hering, Rainer: Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Darstellungen 40). Hamburg 2003, S. 110 – 115, 119. 15 Ebhardt, Bodo: Deutsche Burgen. Bd 1 – 9. Berlin 1898 – 1908. Vgl. Bischoff, Malte: I­ nitiator der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 35 – 39, hier S. 35. 16 In den 1890er Jahren hatte Ebhardt noch Aufsätze für die „Deutsche Bauzeitung“ oder für die zeitgleich mit dem „Burgwart“ gegründete Fachzeitschrift „Die Denkmalpflege“ geschrieben. Vgl. Ebhardt, Bodo: Wie sollen wir unsere Burgruinen erhalten. In: Die Denkmalpflege 1 (1899) 7, S. 54 – 55; Ebhardt, Bodo: Die Burgruine Saaleck bei Kösen an der Saale. In: Denkmalpflege 1 (1899) 8, S. 65. 17 Vgl. Speitkamp, Winfried: Die Verwaltung der Geschichte. Denkmalpflege und Staat in Deutschland 1871 – 1933 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 114). Göttingen 1996, S. 25 – 44. Vgl. Hubel, Achim: Denkmalpflege. Geschichte, Themen, Aufgaben. Eine Einführung. 2. durchges. und aktual. Aufl. Stuttgart 2006, S. 100 – 113. Vgl. für Württemberg Confino, The National as a Local Metaphor, 1997, S. 109 – 110, 131.

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herrschte in Ebhardts Verein eine ­elitäre, a­ ristokratische H ­ altung vor.18 Obwohl Ebhardt in zahlreichen anderen Vereinen Mitglied war und die Organisationen untereinander zu vernetzen versuchte,19 hatte die Burgenvereinigung deshalb eine eher isolierte Position unter den außer­akademischen Gelehrtenvereinen. Bei der Einweihung des von Ebhardt selbst entworfenen Sportdenkmals in Berlin-Grünau 1898 lernte er Kaiser Wilhelm II. persönlich kennen.20 Der Kaiser war schon früher auf Ebhardts architektonische Arbeiten und seine burgenkundlichen Schriften aufmerksam geworden. Wie sein Vater begeisterte sich Wilhelm für archäologische und kulturhistorische Zeugnisse und damit auch für mittelalterliche Burgen.21 Außerdem entsprachen Ebhardts Ar­beiten dem Geschmack Wilhelms: eine populäre Wissenschaft, die auf konkrete Umsetzung der Forschungsergebnisse abzielte, und eine Art der Wissensgenerierung, die sowohl auf technischen Methoden als auch auf ästhetischem Urteil beruhte. Ab 1903 nahmen der Kaiser und seine Entourage an den regelmäßig abgehaltenen Vorträgen der Burgenvereinigung in Berlin teil. Ebhardt erwies sich als begabter Redner und hielt bis 1914 insgesamt neun sogenannte Kaiservorträge für Wilhelm und dessen Begleiter, in denen er Themen aus der deutschen und europäischen Burgenforschung behandelte.22 Ebhardt stellte darin die deutsche Burgenforschung als „hervorragend nationale Wissenschaft“ dar, um die Relevanz seines Forschungsbereichs für die deutsche Gesellschaft aufzuzeigen – ein Merkmal für wissenschaftliche Unternehmer im Kaiserreich, die einen neuen Forschungsschwerpunkt oder eine neue Disziplin etablieren wollten. Beispiele solcher Wissenschafts­ unternehmer sind Emil Du Bois-Reymond in der Physiologie oder Gustaf ­Kossinna in der Vor- und Frühgeschichte.23

18 Vgl. Der Burgwart 1 (1899/1900), S. 2. 19 Vgl. Bischoff, Initiator der Vereinigung, 1999, S. 35; Bekanntmachung der Vereinigung. In: Der Burgwart 9 (1907) 1, S. 56; Mitteilung der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen. In: Der Burgwart 9, S. 20. 20 Fischer, Bodo Ebhardt, 2010, S. 24, Fussnote 15. 21 Vgl. Simon, Kaiser Wilhelm II., 1991, S. 97 – 98. Vgl. Röhl, Wilhelm II., 2001, S. 987. 22 Vgl. Bischoff, „Eure Majestät, Hochgeehrte Versammlung!“, 1999, S. 40. 23 Lenoir, Timothy: Politik im Tempel der Wissenschaft. Forschung und Machtausübung im deutschen Kaiserreich (Edition Pandora 2). Frankfurt am Main 1992, S. 37, 44 – 45. Vgl. Steuer, Heiko (Hg.): Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. Unter Mitarbeit von Dietrich Hakelberg (Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Ergänzungsbände 29). Berlin, New York 2001.

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Ein Höhepunkt in Ebhardts Karriere war der 1899 erfolgte Auftrag ­Wilhelms, mit dem der Kaiser und sein Burgenarchitekt bis heute in Verbindung gebracht werden: der Wiederaufbau der Hohkönigsburg bei Schlettstadt (Séléstat) im Elsass. Wiederaufbauten von historischen Wehranlagen gehörten zu ­Wilhelms deutschnationaler Kulturpolitik und entsprachen seinen Interessen und ästhetischen Vorstellungen.24 Ein Ausschnitt aus der Eröffnungsfeier am 13. Mai 1908 illustriert die Bedeutung der Burg für den Kaiser und für Ebhardt und das Verhältnis zwischen Monarch und Burgenarchitekt. An diesem Tag fanden sich zahlreiche gewichtige Persönlichkeiten auf der Hohkönigsburg ein, Kaiser Wilhelm II. und sein Gefolge, lokale, regionale und Vertreter des Reichs, interessierte Gelehrte und natürlich Bodo Ebhardt, der die Burg neun Jahre lang mit einer Baumannschaft von zeitweise bis zu 300 Handwerkern, Zeichnern und Ingenieuren wiederaufgebaut hatte.25 In ein „mittelalterliches“ Kostüm gehüllt, begrüßte Wilhelm den Festzug. Dann schritt der Kaiser durch das untere Tor der Burg, eine Salve von 33 Kanonenschüssen wurde abgefeuert, und als symbo­ lischer Abschluss der Eröffnungsfeier übergab Ebhardt seinem Bauherrn den Schlüssel zum Öffnen des Haupttors.26 Wilhelm seinerseits bedankte sich für die Geste und verkündete in einer kurzen Ansprache den Sinn der wiederaufgebauten Burg. Die Hohkönigsburg sollte „hier im Westen des Reiches wie die Marienburg im Osten als ein Wahrzeichen deutscher Kultur und Macht bis in die fernsten Zeiten erhalten bleiben“ und den von ihm offenbar erwarteten „Tausenden und Abertausenden“ von Touristen bei ihrem „Rückblick auf die Vergangenheit zur Freude und Belehrung dienen!“ Das Unternehmen stand im Zeichen der kulturellen „Germanisierung“ des 1871 vom Deutschen Reich annektierten Elsass, die wiederaufgebaute Burg war für Wilhelm Symbol der dynastischen Kontinuität der Hohenzollern und stand damit für deren

24 Bereits ein Jahr zuvor hatte Wilhelm II. die Rekonstruktion des Römerkastells Saalburg initiiert, die Louis Jacobi 1907 fertigstellte. Vgl. Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 374. 25 Ebhardt, Bodo: Die wiederauferstandene Hohkönigsburg. In: Der Burgwart 9 (1908) 4, S. 73 – 74, hier S. 74. Vgl. Fuchs, Monique: Die Hohkönigsburg – Beispiel einer Restaurierung um 1900. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 47 – 67, hier S. 56. 26 Vgl. von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, Abb. Nr. 115, S. 250, 254, Abb. Nr. 164, S. 260, 269. Vgl. Koshar, Germany’s Transient Pasts, 1998, S. 57. Vgl. Ebhardt, Bodo: Der Kaiser auf der Hohkönigsburg. In: Der Burgwart 9 (1908) 5, S. 105 – 112.

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Anspruch auf das „Reichsland Elsass-Lothringen“.27 Solche Ansichten stießen bei Ebhardt auf volle Zustimmung.28 Wilhelm II. und Ebhardt waren sich des vermeintlich „deutschen Charakters“ des Elsass sicher, und auch, dass dieser durch eine „deutsche Burg“ demonstriert werden sollte.29 Der Kaiser erteilte Ebhardt Aufträge, die nach den kaiserlichen Anweisungen auszuführen waren; Ebhardts Schaffen war also eine „Kunst im Dienste der Staatsidee“.30 Der Kaiser stellte die materiellen Ressourcen zur Verfügung oder half bei ihrer Mobilisierung. Die Anschubfinanzierung von 100.000 M für den Wiederaufbau der Hohkönigsburg bezahlte er aus der kaiserlichen Schatulle und konnte daraufhin die Reichsregierung und die regionalen Verwaltungsbehörden dazu verpflichten, den Löwenanteil der Kosten zu tragen. Der Wiederaufbau verschlang die horrende Summe von insgesamt 2,35 Mio. M.31 Schließlich hatte Ebhardt modernste Technik eingesetzt: Zwei Kräne zum Heben der Steinquader wurden gestellt und ein Schienensystem verlegt, sodass die Baumaterialien mit einer Lokomotive zum Arbeitsort transportiert werden konnten.32 Das Unternehmen brachte Ebhardt sowohl Prestige als auch harsche Kritik, vor allem von profranzösisch gesinnten Elsässern,33 die bissige Karikaturen von Burg, Kaiser und Ebhardt veröffentlichten. Beides führte zu einer Popularisierung des Unternehmens, die Ebhardt reichsweit bekannt machte. Die Beziehung zwischen Ebhardt und dem Kaiser entsprach einem kliente­ listischen Verhältnis, also einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen einfluss­ reichen Personen (Patrons) und ihren Klienten zum gegenseitigen Profit auf der Grundlage von Leistung und Gegenleistung.34 Ebhardt stattete ­W ilhelm

27 Castellani Zahir, Echt falsch und doch schön alt, 1997; Fuchs, Die Hohkönigsburg, 1999, S. 49. 28 Zitiert in: Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 381. Vgl. Ebhardt, Die wiederauferstandene Hohkönigsburg, 1908, S. 73. 29 Vgl. Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, 2009, S. 178. 30 Vgl. Röhl, Wilhelm II., 2001, S. 987. 31 Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 375. Vgl. Ebhardt, Die wiederauferstandene Hohkönigsburg, 1908, S. 73. Vgl. Fuchs, Die Hohkönigsburg, 1999, S. 55. 32 Ebhardt, Die wiederauferstandene Hohkönigsburg, 1908, S. 74. Vgl. Der Burgwart 2 (1900) 3, S. 22. 33 So unter anderem durch den elsässischen Karikaturisten Hansi (d. i. Jean-Jacques Waltz). Vgl. von der Dollen/Schock-Werner, Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, Abb. Nr. 152, S. 255, 265. 34 Vgl. Clapham, Christopher: Clientelism and the State. In: Clapham, Christopher (Hg.): Private Patronage and Public Power: Political Clientelism in the Modern State. New York

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mit Geschichte und Mythologie aus und legitimierte seine nationalistische Kulturpolitik, im Gegenzug finanzierte der Kaiser Ebhardts aufwendige Forschungsarbeiten zur Baugeschichte der Hohkönigsburg, so z. B. mehrere Studien­reisen nach Italien, Österreich und in die Schweiz, um die dortigen Burgen zu studieren. Er verlieh Ebhardt auch einen Professorentitel und den Titel des Geheimen Hofbaurats.35 Dieses Verhältnis bedeutete nicht, dass Ebhardt seine Arbeiten nur in der Weise ausführte, wie es der Kaiser wünschte, vielmehr hatte er in Wilhelm einen Mäzen gefunden, der seine ästhetischen Ansichten teilte. 1915 erteilte Kaiser Wilhelm II. seinem Klienten den Auftrag, eine Studienreise in die besetzten Gebiete (hinter den deutschen Linien) Frankreichs und Belgiens zu unternehmen, um die dortigen, vom Krieg bedrohten Burgen und Schlösser wissenschaftlich zu dokumentieren. Zugleich sollte Ebhardt damit Kulturpolitik für das Deutsche Reich betreiben, indem er Modernität und Fortschrittlichkeit deutscher Wissenschaft und Denkmalpflege demonstrierte.36 Der Erste Weltkrieg musste Ebhardt demnach als Möglichkeit zur wissenschaftlichen und kulturellen Betätigung erschienen sein. In seinem als Monografie publizierten Reisebericht „Krieg und Baukunst in Frankreich und Belgien“ stellte Ebhardt den Weltkrieg in eine historische Tradition, der zufolge die Deutschen seit dem Hochmittelalter von den anderen europäischen Mächten bedroht wurden, was die Kriegsereignisse von 1914 als Kulmination dieser Entwicklung erscheinen ließ. Die „minderwertigen Rassen von Ost und West“37 hatten laut Ebhardt die Deutschen „noch nie vernichten können, so schwer wir jeden Augenblick der Uneinigkeit und Schwäche büßen mussten.“ Ebhardts Ansicht nach würden sie „uns auch diesesmal nicht niederwerfen“.38

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1982, S. 1 – 35; Weber Pazmiño, Gioia: Klientelismus. Annäherungen an das Konzept. Diss. Phil. Zürich 1991, S.  8 – 9, 16 – 34, 47 – 56. Vgl. Ebhardt, Bodo: Zur Baugeschichte der Hohkönigsburg. Berlin 1900. Vgl. Der Burgwart 1 (1900) 11, S. 86; Ebhardt, Bodo: Zur Baugeschichte der Hohkönigsburg. In: Der Burgwart 2 (1901) 7, S. 57 – 66; Ebhardt, Bodo: Eine Burgenfahrt. Berlin 1901, S. V. Vgl. Fischer, Bodo Ebhardt, 2010, S. 228. Lenoir, Politik im Tempel der Wissenschaft, 1992, S. 53 – 55. Ebhardt, Bodo: Cesena. In: Der Burgwart 15 (1914) 7, S. 145 – 150, hier S. 145. Vgl. Ebhardt, Bodo: Krieg und Baukunst in Frankreich und Belgien. Berlin-Grunewald 1915, S. 5, 14; o. A.: Das Land der Schlachtfelder. In: Der Burgwart 15 (1914) 6, S. 114 – 121, hier S. 114.

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Abgrenzungen

In der sozialen Position als Klient Kaiser Wilhelms II . ging Bodo Ebhardt an die Herausbildung der Burgenforschung und seines denkmalpflege­rischen Ansatzes. Er begriff diesen Prozess als eine Professionalisierung der aus seiner Sicht bis dahin dilettantisch betriebenen Burgenforschung. Auch sein Kontrahent und Konkurrent Otto Piper hatte schon 1895 geäußert, es sei hauptsächlich den „unzureichenden Vorstudien zuzuschreiben“, dass auf fast keinem anderen „Forschungsgebiete eine solche Menge ganz haltloser Behauptungen“ aufgestellt worden sei wie auf dem der Burgenkunde.39 Dass Piper und Ebhardt die bislang publizierten Werke über mittelalterliche B ­ urgen offenbar als unzureichend empfanden und eine solche Situation ganz besonders in ihrem Forschungsgebiet meinten konstatieren zu müssen, weist darauf hin, dass um 1900 noch keine allgemein akzeptierten epistemischen und methodischen Grundsätze darüber existierten, was Burgenforschung sein sollte. Um die Burgenforschung als spezifischen Forschungsbereich im Wissenschaftsfeld zu etablieren, grenzte sich Ebhardt gegen die folgenden Positionen ab: erstens gegen die ältere Forschergeneration, zweitens gegen die akademischen Denkmalpfleger und Kunsthistoriker, im Besonderen gegen Vertreter von als modern geltenden Ansätzen, und drittens gegen Konkurrenten im Feld. 1 |  Mit der „älteren Forschergeneration“ sind Gelehrte der Altertumswissenschaften gemeint, die den Mittelalterburgen den gleichen Stellenwert zu­wiesen wie allen anderen Forschungsobjekten. Antiquare, die vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aktiv waren, wie Georg Moller oder Helfrich Bernhardt von Hundeshagen, listeten Kirchen, Dome, Burgen und Schlösser als Gesamtheit der romanischen und gotischen Baukunst auf.40 Zudem vertraten die Gelehrten des Wehrbaus, so G. H. Krieg von Hochfelden, August von ­Cohausen oder Julius Naeher, mehrheitlich die These, die mittelalterlichen ­Burgen seien römischen Ursprungs.41 Im Gegensatz zu Kirchen und Domen galten ihnen Burgen nicht als genuin mittelalterlich. Ebhardt dagegen beabsichtigte, die Burgen als Objekte eines spezifischen Forschungsbereichs zu 39 Vgl. Piper, Otto: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen zunächst innerhalb des Deutschen Sprachgebietes. 3., vielfach verb. Aufl. München 1912, S. VI. [Vorwort zur ersten Aufl. 1895] 40 Vgl. Klein, Ulrich: Die Erforschung der Burgen in Deutschland bis 1870. In: Großmann/ Ottomeyer (Hg.), Die Burg, 2010, S. 274 – 291, hier S. 275 – 286. 41 Vgl. Piper, Burgenkunde, 1912, S. 76 – 104.

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­ onzipieren. Dabei konnte er jedoch die Arbeiten dieser Autoritäten nicht k einfach ignorieren, sondern musste eine Balance finden zwischen Kritik und Ehrerbietung. Schließlich kam diesen Forschern das Verdienst zu, mittelalter­ liche ­Burgen überhaupt erst in den Rang von Forschungsobjekten gehoben und dabei nicht nur die schriftlichen Quellen, sondern auch die materiellen Befunde an den Bauten erforscht zu haben. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts noch keine Selbstverständlichkeit.42 2 |  Gelehrtenvereine wie Ebhardts Burgenvereinigung gehörten zwar zur deutschen Wissenschaft, sie verfügten aber nicht über eine so große wissenschaftliche Autorität wie die Akademien. Außerakademische Gelehrte werteten dies nicht unbedingt als Zurücksetzung, sondern sie hoben sich durch spezifische Forschungspraktiken von den Universitätsinstituten ab. Sie konnten sich exklusiv auf bestimmte Forschungsobjekte konzentrieren, sammelten und archivierten alle greifbaren Informationen dazu und arbeiteten generell praktischer und pragmatischer. Im Fall der Burgenforschung konnte dies jedoch zu Konflikten mit institutionalisierten Kunsthistorikern und Denkmalpflegern um den „richtigen“ Umgang mit Burgen und Ruinen führen. Am deutlichsten zeigten sich solche Auseinandersetzungen am Prinzip „konservieren, nicht restaurieren“, das der Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Georg Dehio entwickelt hatte. Es besagte, dass Ruinen nicht wiederaufgebaut, sondern in ihrem ruinösen Zustand bewahrt werden sollten.43 Um 1900 gab es zwar noch hitzige Debatten um diesen Ansatz, seine Evidenz wurde jedoch von keinem Denkmalpfleger ernsthaft angezweifelt. Auch Ebhardt ging es um die langfristige Sicherung und Erhaltung von Burgruinen oder halbwegs intakten Burgen. Im Gegensatz zu Dehio war er aber der Ansicht, dass eine Bewahrung des historischen Bestands nur durch eine vollständige Restaurierung gewähr­leistet werden konnte.44 Ebhardts Denken war der historistischen Wissens­ordnung verpflichtet, wonach spezifische Baustile einzelnen Epochen zugewiesen werden konnten.45 Der Stil des wiedererrichteten Bauwerks musste

42 Vgl. Krieg von Hochfelden, G. H.: Geschichte der Militär-Architektur in Deutschland. Mit Berücksichtigung der Nachbarländer. Von der Römerzeit bis zu den Kreuzzügen. Nach Denkmälern und Urkunden. Stuttgart 1859, S. 1 – 2. Vgl. Ebhardt, Deutsche Burgen, Bd. 1, 1898, S. V. 43 Vgl. Hellbrügge, „Konservieren, nicht restaurieren“, 1991, S. 47. 44 Vgl. Ebhardt, Wie sollen wir unsere Burgruinen erhalten?, 1899. 45 Vgl. Strickhausen-Bode, Stahls Stahleck, 2007, S. 30. Vgl. Hellbrügge, „Konservieren, nicht restaurieren“, 1991, S. 16.

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„echt“ sein, das heißt, dem Stil zum Zeitpunkt der Zerstörung der Burg entsprechen. Um dies leisten zu können, bedurfte es eingehender wissenschaftlicher Untersuchungen. Im Gegensatz zur Mehrheit der Denkmalpfleger seiner Zeit waren für Ebhardt die Erforschung der Burgen und ihr Wiederaufbau einander bedingende Kon­zepte.46 Dabei legte er seinem Ansatz eine stringente Systematik zugrunde, indem er alle wieder­aufgebauten und hinzugefügten Bauteile mit Steinmetzzeichen und Jahreszahlen versah.47 Zwar befürworteten geachtete Denkmalpfleger wie Paul Clemen oder Robert Hiecke unter gewissen Umständen Wiederaufbauten, nämlich dann, wenn damit ein volkserzieherischer Auftrag verbunden war.48 Für sie stand hinter diesem Konzept jedoch nicht die Wiederherstellung einer einstigen Wirklichkeit um ihrer selbst willen, vielmehr verfolgten sie damit den Zweck, das „Wesen“ des Kunstdenkmals in einen kulturpolitischen Kontext zu stellen, die Bevölkerung also zu nationalen Haltungen zu erziehen. Um 1900 schrieben einflussreiche Denkmalpfleger und Kunsthistoriker wie Dehio oder Georg Hager Ebhardts Ansatz dem vergangenen Jahrhundert zu, er wurde im wissenschaftlich-kulturellen Feld als veraltet angesehen. An den Tagen für Denkmalpflege und Heimatschutz wurden Ebhardts Beiträge vehement kritisiert.49 Die Burgenvereinigung und „Der Burgwart“ waren für Ebhardt folglich Schule bildende Instrumente, um seine Auffassungen von Burgenforschung und Burgen­ denkmalpflege weiterzuverfolgen, ohne sich der im Wissenschaftsfeld geäußerten Kritik beugen zu müssen. Da Zeitschrift und Vereinigung durch mächtige Mäzene aus dem politischen Feld gestützt wurden, brauchte sich Ebhardt nicht nach den Regeln der Denkmalpflege und der Kunstgeschichte zu richten. Von Beginn seiner Karriere an verfolgte er also eine heteronome Strategie. 3 |  Ebhardt verwendete sein soziales und sein wissenschaftliches Kapital dazu, seine Gegner auszuschalten. Deutlich wird dies an der Kontroverse zwischen Ebhardt und Otto Piper im Kontext der geplanten Sanierung der 46 Vgl. Piper, Otto: Was zur Wiederherstellung und zur Erhaltung unserer Burgenreste ge­schehen ist. In: Die Denkmalpflege 1 (1899) 10, S. 79 – 82; M. [anonym]: Zur Frage der Burgen­ wiederherstellung. In: Die Denkmalpflege 1 (1899) 10, S. 83, 84; o. A.: Gegen die Wieder­ herstellungsarbeiten am Heidelberger Schlosse. In: Die Denkmalpflege 1 (1899) 10, S. 5, 6. 47 Ähnliche Methoden vertraten Albert Naef, erster Genfer Kantonsarchäologe und Wiederhersteller des Schlosses Chillon, oder der Architekt Ernst Stahl. Vgl. Naef, Albert: Château de Chillon. 2 Bde. Lausanne 1929/1939; Strickhausen-Bode, Stahls Stahleck, 2007. 48 Clemen, Paul: Die Deutsche Kunst und die Denkmalpflege. Ein Bekenntnis. Berlin 1933, S. vii, 4. 49 Hellbrügge, „Konservieren, nicht restaurieren“, 1991, S. 23, 42.

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Hohkönigsburg.50 Auch Piper hatte einen Vorschlag zum Umgang mit der Burgruine erstellt, dabei aber die Position Georg Dehios vertreten. Außerdem hatte sich Piper, der den Auftrag zum Schluss nicht erhielt, in der Folgezeit kritisch zu Ebhardts Vorgehen geäußert. Nachdem Ebhardt den Auftrag zum Wiederaufbau erhalten hatte, ging er daran, seinen Konkurrenten zu übertrumpfen. 1886 hatte er Pipers „Burgenkunde“ noch als bis dahin unerreichtes Standardwerk zur Burgenforschung gelobt. In einem Vortrag von 1900 monierte Ebhardt dann, dass Piper nicht „bauverständig“ sei und die „Geschichte der Baukunst und der Bauformen im allgemeinen oberflächlich“ kennen würde.51 Ebhardt begründete seine Haltung mit wissenschaftlichen Argumenten: Piper lehnte nicht nur neue Forschungsmethoden wie die prähistorische Archäologie ab,52 sondern ging Ebhardts Ansicht nach auch davon aus, dass Mauertechnik und stilistische Untersuchungen eine Burg nur unzureichend datieren könnten. Ebhardts wissenschaftliche Waffe war dabei sein technisches Wissen und Können als Architekt, wodurch er sich gegenüber Pipers zeichnerischen Darstellungen von Burgen absetzte. Aus der Gegenüberstellung dreier Abbildungen, eine von Piper (Abb. 8) und zwei von Ebhardt (Abb. 9 u. Abb. 10), wird deutlich, was Ebhardt mit methodischer Professionalisierung meinte. Piper gab einen subjektiven Eindruck einer Burg aus der Vogelperspektive wieder, der zeichnerisch zwar akzeptabel war, jedoch nicht auf Vermessungen beruhte. Im Gegensatz dazu arbeitete Ebhardt am Objekt selbst, indem er Grundriss und aufgehendes Mauerwerk aufnahm und seine Daten in einem bestimmten Maßstab zeichnerisch umsetzte. Allein die Maßstabsangaben fehlen bei Piper. Außerdem verwendete Ebhardt die Fotografie zur Objektivierung seiner Zeichnungen,53 Piper dagegen verzichtete auf diese Technik. 50 Vgl. Der Burgwart 1 (1899) 6. 51 Ebhardt, Bodo: Bespr. Piper, Otto: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen zunächst innerhalb des deutschen Sprachgebietes. München 1895. In: Deutsche Bau­zeitung 30 (1896), S. 519; Piper, Burgenkunde, 1912, S. XII (Vorwort zur zweiten Aufl.), XIV (Vorwort zur dritten Aufl.), S. 621 – 624. Vgl. Köpp, H.: Pipers neue Burgenkunde. In: Der Burgwart 8 (1907) 2, S. 37 – 39. Vgl. Zeune, Joachim: Die Kontroverse Piper – Ebhardt. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 68 – 71, hier S. 68. Vgl. Der Burgwart 2 (1900) 8, S. 79 – 80. 52 Vgl. Piper, Otto: Bedenken zur Vorgeschichtsforschung. München 1913. 53 Vgl. Klamm, Stefanie: Bilder im Wandel. Der Berliner Archäologe Reinhard Kekulé von Stradonitz und die Konkurrenz von Zeichnung und Fotografie. In: Jahrbuch der Berliner Museen 49 (2007), S. 115 – 125.

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Für den Prozess der Herausbildung der Burgenforschung ist festzuhalten, dass Ebhardt auf der einen Seite diesen Wissenschaftsbereich durch die Anwendung moderner technischer Methoden klarer konturierte. Auf der anderen Seite verfolgte er von Beginn seiner Laufbahn an eine heteronome Strategie, da sein Schaffen und damit die Professionalisierung der Burgenforschung nur durch Wilhelms II. Patronage ermöglicht wurde. Veränderte Position nach 1918

Das Ende des wilhelminischen Reiches zeigte für Bodo Ebhardt einen kulturellen, finanziellen und moralischen Niedergang Deutschlands an.54 Die Erklärung für die „deutsche Katastrophe“ lag für ihn in den Defiziten der Deutschen begründet und nicht in der Überlegenheit der Feinde. Dazu gehörten die Uneinigkeit der Deutschen und ihre vermeintliche Gutmütigkeit anderen Völkern gegenüber.55 Ebhardts Ansicht nach hatten diese Faktoren zur Etablierung der Weimarer Republik geführt, die er fortan mit allen Mitteln bekämpfte. Ebhardt sah sich deshalb zu einem aktiven, antirepublikanischen Engagement in rechtsgerichteten Organisationen veranlasst. Er entschied sich für die Mitgliedschaft im Bund der Freunde des Stahlhelms.56 Als Kampforganisation der Deutsch­nationalen Volkspartei (DNVP), des Sammelbeckens der Republikfeinde, konzipiert, entsprach der Stahlhelm der nationalistisch-monarchistischen Gesinnung Ebhardts. Außerdem wollte diese Organisation keine Partei sein, sondern „den staatsbürgerlichen Willen der ehemaligen Frontsoldaten zum Ausdruck bringen“,57 eine Haltung, die Ebhardt entgegenkam, da er Parteienpolitik als ein Element der ungeliebten 54 Ebhardt, Bodo: Feier des 25-jährigen Jubiläums der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V., am 24. März. In: Der Burgwart 25 (1924) 1 – 2, S. 9 – 30. Vgl. auch Bischoff, Malte: Geschichte der Deutschen Burgenvereinigung 1899 – 1957. Die Ära Ebhardt (Veröffent­ lichungen der Deutschen Burgenvereinigung e. V. B 5). Braubach 1998, S. 12 – 13; Hellbrügge, „Konservieren, nicht restaurieren“, 1991, S. 135. 55 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. V, 1925, S. 160. 56 Mitgliederkarte Bodo Ebhardts von 1934 im Bund der Freunde des Stahlhelms, Ortsgruppe Braubach. In: A DBV, Nr. 2060. 57 Vgl. Bergahn, Volker R.: Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten, 1918 – 1935. Düsseldorf 1966. Vgl. Hering, Rainer: „Parteien vergehen, aber das deutsche Volk muss weiterleben“. Die Ideologie der Überparteilichkeit als wichtiges Element der politischen Kultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Schmitz, Walter/Vollnhals, Clemens (Hg.): Völkische Bewegung – Konservative Revolution – Nationalsozialismus. Aspekte einer politisierten Kultur (Kultur­ studien 2/Kultur und antidemokratische Politik in Deutschland 1). Dresden 2005, S. 33 – 43.

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Demokratie wertete. Ein neues deutsches Reich konnte seiner Ansicht nach nicht durch eine Partei geschaffen werden, sondern nur durch eine Bewegung, die dem inneren Bedürfnis „deutsch fühlender“ Menschen entsprach.58 Der Regierungswechsel traf Ebhardt besonders schwer, weil er in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zum Machtfeld der wilhelminischen Politik gestanden hatte, das nun Geschichte war. Seine Unterstützer aus Aristo­ kratie und Bourgeoisie waren wirtschaftlich arg getroffen, was Folgen für die Burgenvereinigung hatte: 1918 zählte sie noch 900 Mitglieder, 1930 nur mehr 443.59 Allerdings muss hierbei zwischen Selbstdarstellung und objektiven Möglichkeiten differenziert werden. Immerhin erhielt Ebhardt in den 1920er-Jahren Unterstützungen von der NDW, wenn diese auch nicht mit den ökonomischen Ressourcen zu vergleichen sind, die im Kaiserreich für seine Unternehmungen bereitgestellt wurden. In der Weimarer Republik standen die Zeichen für die Denkmalpflege aber generell schlecht. 1925 protestierten die Konservatoren gegen die höhere Besteuerung der Besitzer von Kulturdenkmälern. Mit dem Artikel 115 stieß die Reichsregierung viele der historischen Bauten ab und wies sie den Ländern zu, was Ebhardt befürchten ließ, dass sie nun wieder der Zerstörung anheimfallen würden.60 Trotz Förderung der Heimatforschung und damit auch der Laienvereine durch die NDW verwundert es daher nicht, dass die Mit­glieder der Burgenvereinigung den republikanischen Politikern unterstellten, sie hätten kein Interesse an Burgen und Schlössern.61 Ebhardts Position, die er durch die kaiserliche und aristokratische Protektion erlangt hatte, verschob sich in der Nachkriegszeit. Hatte er im Kaiserreich Wilhelms II. direkt Aufträge erhalten und konnte sich so über kritische Stimmen zu seinen Ansätzen hinwegsetzen, musste er sich nun um Aufträge bemühen. 1928 planten Berliner Kulturschaffende und Politiker den Bau eines Reichsehrenmals für die gefallenen deutschen Soldaten. Im Gremium des sogenannten Reichsausschusses zur Errichtung des Ehrenmals in Koblenz saß neben Bildhauern und Architekten wie Wilhelm Kreis oder Hermann ­Hosaeus auch Bodo Ebhardt.62 Bei den Beratungen über Gestaltung und Art 58 59 60 61

Ebhardt, Bodo: Deutsche Burgen als Zeugen deutscher Geschichte. Berlin 1925, S. 260. Bischoff, Geschichte der Deutschen Burgenvereinigung, 1998, 37. Vgl. Koshar, Germany’s Transient Pasts, 1998, S. 109, 111 – 112. Vgl. Heller, Hans: Die Bedeutung der deutschen Burgen für die Gegenwart. In: Der Burgwart 21 (1920) 2, S. 11 – 13. 62 Vgl. Oberregierungsrat Flach, Oberpräsident der Rheinprovinz, an Museumsdirektor Dr. Ewald vom 23.10.1929. In: LHA Koblenz, Nr. 403/16 899, Bl. 195 – 197. Vgl. Einladung des

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der Finanzierung des Denkmals geriet Ebhardt bald in Auseinandersetzungen vor allem mit einer Gruppe aus dem Rheinland. Die Rheinländer lehnten nicht nur Ebhardts Strategie ab, Gelder von der Berliner Großbourgeoisie für den Bau des Ehrenmals zu mobilisieren, verschiedene Mitglieder des Ausschusses hielten Ebhardt auch für „politisch bedenklich“. In der Diskussion darüber, wie das Denkmal gestaltet sein sollte, unterlag Ebhardts Vorschlag: Statt eines gewaltigen, burgähnlichen Monuments entschied sich der Ausschuss für einen bescheidenen Hain bei Bad Berka. Wuchtige Monumentalität war nicht mehr gefragt.63 Solche Zurücksetzungen nahm Ebhardt nicht etwa zum Anlass, seine Haltung zu reflektieren, vielmehr sah er seine Ansichten umso mehr bestätigt. Für ihn waren diese Rückschläge Zeugnisse der Auswirkungen des „liberalen“ und „schwächlichen Weimarer Geistes“. Neue Tauschverhältnisse im NS-Regime

Wie oben gezeigt, stimmte Ebhardt ins Orchester der Hitler-Begeisterten ein. Er nahm die NSDAP nicht als eine der ihm verhassten Parteien der ­Weimarer Republik wahr, sondern als Bewegung, die dem „deutschen Wesen“ entsprach. Damit vertrat er die Haltung des damaligen Stahlhelm-Chefs Franz Seldte, der die NSDAP als „Bewegung, die Einheit ist, die das ganze deutsche Volk umfassen soll“, betrachtete.64 Wie die Mehrzahl der bürgerlichen Vereine stellten sich Ebhardt und die Mitglieder der Burgenvereinigung aus eigenem Antrieb in den Dienst des NS-Regimes.65 Prinz Oskar von Preußen, der damalige Protektor des Vereins, richtete 1933 eine Bitte um Unterstützung für eine geplante Ausstellung mit dem Titel „Deutsche Burgen, Zeugen des ewigen Grenz­landes Deutschland“ an ­Hermann Göring.66 Der Prinz pries darin die Vorzüge, Tugenden und Qualitäten der Burgenvereinigung, die unentwegt den Kampf um deutsche Ehre und

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Reichsausschusses für das Reichsehrenmal an Bodo Ebhardt vom 25.11.1928. In: A DBV, Nr. 2402. o. A.: Zur Errichtung des Reichsehrenmals. In: General-Anzeiger Bonn vom 17.4.1930. In: A DBV, Nr. 2400; o. A.: Ehrenbreitstein und das Reichsehrenmal. In: Koblenzer Generalanzeiger vom 15.6.1931. In: Ebd. o. A.: Seldte über die Neugliederung des Stahlhelm. In: Berliner Lokal-Anzeiger Nr. 199 vom 28.4.1933. In: BAR, R 8048/272, Bl. 52. Vgl. Nathaus, Klaus: Organisierte Geselligkeit. Deutsche und britische Vereine im 19. und 20. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 181). Göttingen 2009, S.  185 – 199. Prinz Oskar von Preußen an Hermann Göring vom 20.12.1933. In: A DBV, Nr. 3003.

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­deutschen Wehrwillen geführt habe. Die Ausstellung habe auch erzieherischen Wert für die deutsche Jugend, sie präsentiere Burgen als Sitze „edelrassiger“ Familien. Die Sprache in diesem Schreiben war derart auf die des ‚Dritten Reichs‘ zugeschnitten, dass sie unecht wirkte. Vermutlich bemerkten dies auch Görings Mitarbeiter, die angeforderten 25.000 RM erhielt Prinz Oskar nicht. Ende 1933 deutete sich bereits an, dass Ebhardt und die Burgen­vereinigung im NS-Regime nicht an das klientelistische Verhältnis während des Kaiserreichs anknüpfen konnten. Hier stellt sich die Frage nach den Übereinstimmungen und den Differenzen zwischen Bodo Ebhardt und der NS-Weltanschauung und der NS-Politik sowie nach den daraus resultierenden Konsequenzen für Ebhardts Laufbahn. Einschränkend muss vorweggeschickt werden, dass 1939 Ebhardts letzte größere Publikation und 1942 die letzte Ausgabe von „Der Burgwart“ erschienen. Auswirkungen der Kriegswende 1942/1943 auf Ebhardts Haltung sind daher nicht auszumachen. In Kapitel 3.2.3 (S. 132) wurde herausgearbeitet, dass sich klien­telistische Beziehungen zwischen NS -Politikern und Burgenforschern kaum entwickelten. Insofern kann die Frage, ob ein NS-Politiker oder gar Adolf Hitler selbst als Patron für Ebhardt und für seine Burgenvereinigung auftraten, von vornherein negativ beantwortet werden. Zu fragen ist stattdessen, ob Ebhardt im Vergleich zur Weimarer Republik mehr ökonomisches und soziales Kapital von NS-Politikern für seine Burgenforschungen und Wiederaufbauten mobilisieren konnte. Konsens und Dissens

Viele Adlige, in deren Umfeld auch Ebhardt und die Burgenvereinigung gehörten, vertraten in den frühen 1930er-Jahren Haltungen in Bezug auf Nationalismus und „Führertum“, Antisemitismus und Rassismus sowie Antiparlamentarismus und Antibolschewismus, die mit NS-Ideologemen kompatibel waren. Die attraktivste NS-Organisation für Mitglieder der deutschen Gesellschaftselite war dabei die SS, die ihnen Möglichkeiten zur aktiven Teilhabe am „Aufbau“ der NS-Volksgemeinschaft eröffnete, wohingegen zwischen Parteifunktionären und Adligen oft habituelle Unterschiede bestanden, was eine Kooperation erschwerte.67 In den folgenden acht Punkten stimmten Ebhardts Ansichten mit den Grundsätzen der NS-Weltanschauung und der NS-Politik überein: 67 d’Almeida, High Society, 2008, S. 7, 15 – 20, 149. Vgl. Malinowski, Stephan: Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS -Staat (Elitenwandel in der Moderne 4). 3., durchges. Aufl. Berlin

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1 |  Der Glaube an ein erneuertes, junges Deutschland, das Ebhardt als Wieder­ kehr einer deutschen Hochkultur erschien. 2 |  Der Glaube an einen „Führer“, der dieses neue Zeitalter einläutete. Ebhardts ständische Ordnungsvorstellung von der deutschen Gesellschaft ließ sich mit dem „Führerprinzip“ vereinen. In diesem Sinne erklärten die Mitglieder der Burgenvereinigung ihren Präsidenten Ebhardt 1937 zum ­„Führer“ des Vereins.68 3 |  Der radikale, rassistisch-pangermanische Nationalismus, den Hitler in „Mein Kampf“ als Grundsatz des Nationalsozialismus formuliert hatte und der für seine revisionistische und später imperialistische Politik konstitutiv war. Die Eingliederung Österreichs ins ‚Dritte Reich‘ feierten Ebhardt und andere Vereinsmitglieder als die Erfüllung eines historischen Schicksals. Dieselbe Reaktion zeigten sie, als NS-Deutschland das Sudetenland im Oktober 1938 annektierte.69 4 |  Der erneute Krieg, auf den die NS -Politik zusteuerte. Ebhardt dürfte die Aufrüstung Deutschlands als ein Wiedererlangen ritterlich-heroischer Kampfkraft begriffen haben, die es den Deutschen ermöglichte, mit ihren Feinden, den Franzosen, den Engländern und den slawischen Völkern, abzurechnen. Der Frankreichfeldzug war für Ebhardt nicht nur eine gerechte Revanche, sondern die Restitution der abendländischen Ordnung.70 5 |  Die Ablehnung avantgardistisch-moderner Kunst gemäß der von G ­ oebbels propagierten „stählernen Romantik“ als Kern des NS-Kulturkonzepts und die Erhaltung von Zeugnissen traditioneller, historischer deutscher Kunst. 6 |  Die Bekämpfung von Demokratie und Bolschewismus. 7 |  Stephan Malinowski schreibt über den Adel, dass er eine bestimmte Art von Antiintellektualismus kultiviert habe, die sich in der Präferenz von 2003, S. 476 – 500. Vgl. Conze, Eckart: ‚Only a dictator can help us now‘: Aristocracy and the Radical Right in Germany. In: Urbach, Karina (Hg.): European Aristocracies and the Radical Right 1918 – 1939. Oxford 2007, S. 129 – 147, hier S. 129, 135, 142 – 143. Stellvertretend für die Burgenvereinigung von der Gabelentz, Hans: Burgenfahrt nach Italien Mai 1937. In: Der Burgwart 38 (1937), S. 1 – 16. 68 Verhandlungsschrift der ordentlichen Hauptversammlung der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen am 20. August 1937 vom 13.9.1937. In: A DBV, Nr. 3015. 69 von der Gabelentz, Hans: Burgenfahrt nach Österreich, Ungarn und Jugoslawien. In: Der Burgwart 39 (1938), S. 52 – 64, hier S. 52; von der Gabelentz, Hans: Burgenfahrt ins Sudeten­ land 13. bis 19. Juni 1939. In: Der Burgwart 40 (1939), S. 17 – 26, hier S. 17. 70 Ebhardt, Bodo: Tausendjährige Burgen bezeugen das Deutschtum im Elsass. In: Der Burgwart 41 (1940), S. 1 – 8, hier S. 6.

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„Charakter“ gegenüber bildungsbürgerlichem „Intellektualismus“ gezeigt habe.71 Auch bei Ebhardt wird eine solche Haltung deutlich, die sich mit seiner Aversion gegen akademische Kunsthistoriker und Denkmalpfleger verband. Dies deckte sich mit der Betonung der „charakterlichen Fähigkeiten“ bei Vernachlässigung der intellektuellen in der NS-Wissenschaftspolitik. 8 |  Die laut Ludwig Siebert von Hitler persönlich geäußerte Unterstützung zur „Erhaltung und Wiederherstellung deutscher Kulturdenkmäler“72 war für Ebhardt Bestätigung seiner Hoffnung auf ein Wiedererstarken der Burgensache in der deutschen Gesellschaft. Zu dieser Haltung passt auch Ebhardts Unterstützung des Nationalsozialistischen Bunds Deutscher Techniker (NSBDT) oder von Rosenbergs KfdK.73 Es gab jedoch auch grundlegende weltanschauliche Differenzen zwischen Ebhardt und dem Nationalsozialismus: 9 |  Ebhardt war und blieb Monarchist. Bis weit in die 1930er-Jahre hinein pflegte er brieflichen Kontakt mit Wilhelm II.74 Seine Vorstellung von der i­ dealen deutschen Gesellschaft entsprach einem konservativ-antidemokratischen Modell, bei dem der Kaiser, unterstützt von der Krieger-, Geistlichen- und Gelehrtenkaste, an der Spitze stand und das Volk – Bauern, Arbeiter, Hand­werker, Kaufleute – führen sollte. Auch wenn Ebhardt nicht aus derselben sozialen Schicht stammte wie sein soziales Umfeld, hatte er während seines langjährigen Engagements in der Burgenvereinigung einen Habitus entwickelt, der dem eines Adligen ähnlich war.75 Ebhardt erwartete von Hitler die Restitution einer ständischen Gesellschaftsordnung und nicht die Schaffung einen totalen Staats. Vor allem die antiwilhelminische Stoßrichtung der NS -Propaganda muss bei Ebhardt entschiedene Ablehnung hervorgerufen haben.

71 Malinowski, Vom König zum Führer, 2003, S. 73 – 89. 72 Vgl. o. A.: Ministerpräsident Siebert eröffnet die Nürnberger Burg. In: Völkischer ­Beobachter Süddeutsche Ausgabe München, 47. Jg., Nr. 246 vom 3.9.1934. In: Bay HStA, NL Esterer 63. Vgl. Backes, Hitler und die bildenden Künste, 1988, S. 185. 73 Der Kreisamtsleiter des Bunds deutscher Techniker an Bodo Ebhardt vom 17.12.1934. In: A DBV, Nr. 2061; Leiter der Deutschen Gesellschaft für Bauwesen e. V. im NSBDT, von Schenck, an Bodo Ebhardt vom 5.1.1942. In: A DBV, Nr. 2020; Bodo Ebhardt an den KfdK, Ortsgruppe Mittelrhein vom 20.8.1934. In: A DBV, Nr. 2061. 74 Bodo Ebhardt an das Hofmarschall-Amt Seiner Majestät des Kaisers und Königs ­Wilhelm II. (Haus Doorn, Holland, Prov. Utrecht) vom 26.2.1937. In: A DBV, Nr. 2023. 75 Vgl. Malinowski, Vom König zum Führer, 2003, S. 49 – 57.

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10 |  Als Nationalist konservativen Zuschnitts war Ebhardt sowohl die klassenkämpferisch-revolutionäre Haltung der NS-Politiker als auch deren sogenannte Massenpolitik zuwider. Die Revolution von 1918/1919 sowie die Krisenjahre von 1920 – 1923 mussten diese ablehnende Haltung gegenüber der Massenpolitik verstärkt haben.76 In Ebhardts Auffassung rechtfertigte sich allerdings das revo­ lu­tionäre Vorgehen der Nationalsozialisten insofern, als die Weimarer Republikaner selbst durch eine von ihm als ordnungswidrig empfundene Revolution an die Macht gekommen waren. 11 |  In Bezug auf die antisemitische Politik steht der Fall von Nikolaus ­Pevsner, der in Kapitel 3.2.3 (S. 132) erwähnt wurde, exemplarisch für Ebhardts Haltung. Er hing sicher gewissen Vorurteilen gegenüber Juden nach, die er auch in seine wissenschaftlichen Abhandlungen einfließen ließ.77 Wie viele deutsche Gelehrte verband Ebhardt Demokratie, Liberalismus und künstlerische Moderne mit „jüdischem Denken“, im Falle Pevsners, der selbst ein Nationalkonservativer war, schien dies jedoch keine Rolle gespielt zu haben.78 Aus keiner von Ebhardts Veröffentlichungen oder aus irgendeinem Dokument seiner privaten Korrespondenz geht hervor, dass er den rassistischen und paranoiden Antisemitismus Hitlers und Goebbels oder den Vulgär­ antisemitismus eines Julius Streicher geteilt hätte. Zum einen ist zu vermuten, dass Ebhardt Nikolaus Pevsner nicht als Juden wahrnahm, schließlich hatte sich Pevsner schon früh evangelisch taufen lassen. Zum anderen lässt sich daraus schließen, dass Juden als Motiv in Ebhardts Ansichten kaum eine Rolle spielten, was auch damit zu tun hatte, dass sich nahezu keine Wissenschaftler mosaischen Glaubens in der außerakademischen Burgenforschung betätigten. Insofern bedeutete die Einführung des Nachweises der „arischen Abstammung“ von den Mitgliedern der Burgenvereinigung 1936 keine personellen Verluste.79 12 |  Mit dem Vorgehen der Nationalsozialisten gegen die Freimaurer konnte Ebhardt nicht einverstanden gewesen sein. Für ihn war die Mitgliedschaft in protestantischen Logen von großer Bedeutung. Er richtete sich auch nicht nach der nationalsozialistischen Forderung eines Verbots der Freimaurer, sondern war

76 Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“, 2007, S. 39. 77 Vgl. Nikolaus Pevsner an Bodo Ebhardt vom 11.6.1938. In: A DBV, Nr. 7737. 78 Bodo Ebhardt an den Gaupresseamtsleiter und Landesstellenleiter Albert Urmes vom 30.7.1937. In: A DBV, Nr. 2025. 79 Bischoff, Geschichte der Deutschen Burgenvereinigung, 1998, S. 40.

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noch bis mindestens 1934 Mitglied der Andreas-Loge Indissolubilis, die dann 1935 auf Betreiben Rosenbergs verboten wurde.80 Die Anfangsbegeisterung für den Nationalsozialismus wich deshalb einer Ernüchterung. Ebhardts erhaltene Äußerungen lassen vermuten, dass er sich in den späten 1930er-Jahren von der NS-Politik zu distanzieren begann. Die Erhöhung des Mitgliederbeitrags für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV ) veranlasste ihn 1941 zum Ausstieg aus der Wohlfahrtsorganisation.81 Zudem erfüllte er die von NS-Politikern und NS-Ideologen geforderte aktive Beteiligung am Aufbau der NS-Volksgemeinschaft nur insofern, als er passives Mitglied verschiedener Organisationen war, die eher einen Anstrich von zivilstaatlichen Institutionen hatten, als dass sie einen militaristisch-national­ sozialistischen Charakter aufwiesen. Mitglied der NSDAP, der SA oder der SS wurde Ebhardt nicht. Es verwundert daher nicht, dass ihm eine Tausch­beziehung mit NS-Politikern nur partiell gelang. Bodo Ebhardt und die NS-Politiker

Die in Kapitel 3.1.1 (S. 50) dargelegten Verwendungszwecke der NS-Poli­ tiker für mittelalterliche Burgen waren für Ebhardts Annäherungsversuche an die NS-Politik eine günstige Voraussetzung. Er vermittelte bereitwillig leer stehende mittelalterliche Wehrbauten an NS-Vertreter oder führte Robert Leys KdF-Touristen durch die rheinischen Burgen, letzteres aufgrund seiner elitären Haltung allerdings eher widerwillig.82 In einer Denkschrift zur Wiederherstellung der Burg Rheinfels bei St. Goarshausen legte Ebhardt den Nutzen einer Burgensanierung für NS-Politiker dahingehend dar, dass solche Objekte ideale Orte „für Massenunterkunft und Verpflegung, für den vorübergehenden Besuch von ‚Kraft durch Freude‘ oder Jugendverbänden oder größeren SA oder SS Versammlungen“ seien. Außerdem würde diese gewaltige Burg am Rhein „ein würdiges Denkmal des geeinigten 3. Reiches“ abgeben. Ebhardt gab sich sichtlich Mühe, den Adressaten seiner Denkschrift, 80 Martin Korsch an Bodo Ebhardt vom 6.2.1934. In: A DBV , Nr. 2060. Vgl. Neuberger, ­Helmut: Winkelmass und Hakenkreuz. Die Freimaurer und das Dritte Reich, München 2001, S.  254 – 263. 81 Bodo Ebhardt an das Amt für Volkswohlfahrt der NSDAP, Ortsgruppe Braubach, vom 23.9.1940. In: A DBV, Nr. 2025. 82 Bodo Ebhardt an den Landrat vom 30.7.1934. In: A DBV, Nr. 4263.

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den lokalen Kreisleitern, Bürgermeistern und Gauleitern, anzutragen, dass es sich hierbei um ein Erfolgsrezept handelte, für das sich auch der „Führer“ positiv ausgesprochen habe.83 Mit seiner Strategie hatte Ebhardt in diesem Fall Erfolg: Von 1935 – 1938/1939 ließ der Hanseorden in Zusammenarbeit mit der NS-Stadtverwaltung von St. Goarshausen und unter der Leitung Ebhardts die Burg ausgraben und restaurieren.84 Um ihre erworbenen Burgen für Schulungs- und Tagungsstätten brandsicher zu machen, arbeiteten die SS und Vertreter der Gauleitungen mit den Burgen­experten zusammen.85 1934 berichteten Lokalblätter, dass erstmals seit dem Weltkrieg wieder Vertreter des Kultus- und Innenministeriums an den Veranstaltungen der Burgenvereinigung teilnahmen. Dies demonstriere das Interesse des NS-Staats an Burgen und Burgenforschung.86 Anlässlich einer Führertagung der SS 1934 hatte Ebhardt Heinrich Himmler persönlich kennen­gelernt, da er die Marksburg, den Hauptsitz der Burgenvereinigung, für solche Veranstaltungen zur Verfügung stellte. An der Vollversammlung der Burgenvereinigung 1939 waren denn auch Vertreter hoher NS-Funktionäre anwesend, so von Innenminister Wilhelm Frick oder vom Reichsführer SS Himmler.87 Die Burgenvereinigung nahm die NS-Politiker bereitwillig auf, unter den Vereinsmitgliedern in den späten 1930er-Jahren finden sich Kurt Daluege, der Chef der Ordnungspolizei, der Reichsstatthalter und Sudetendeutschenführer Konrad Henlein oder der Reichsstatthalter des Reichsgaus Niederdonau Hugo Jury.88 83 Ebhardt, Bodo: MS Burg Rheinfels ob St. Goar. Erhaltung der Ruine oder Wieder­herstellung als Wahrzeichen großer deutscher Vergangenheit im dritten Reich vom 18.2.1935, S. 22, 23, 27. In: EBI, Akte „Rheinfels b. St. Goar/Rhein 2) Ausarbeitungen/Artikel“. 84 o. A.: Über 10.000 RM . für die Erhaltung von Rheinfels aufgebracht. In: Volksfreund Aachen vom 11.11.1938. In: Ebd. Vgl. o. A.: Ausgrabungen auf der Burgruine Rheinfels. In: DAZ vom 12.8.1935. In: Ebd. 85 Der Chef der Ordnungspolizei, Technische SS- und Polizei-Akademie, an Bernhard Rust vom 9.2.1944. In: BAR, R 4901/12292, Bl. 8. Aufruf: Erhöhter Schutz für Baudenkmäler. Erlass des Chefs der Deutschen Polizei vom 8.6.1937. In: BAR, R 4901/12283, Bl. 3. 86 Waldemar, Fred: Zehntausend stumme Zeugen deutscher Geschichte. In: Nationalblatt Koblenz vom 29.5.1934. In: EBI, Akte „Marksburg/Bodo Ebhardt“. 87 Vorstandssitzung der Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen e. V. vom 26.3.1935. In: A DBV, Nr. 3015; o. A.: Zum vierzigjährigen Bestehen der Vereinigung. In: Der Burgwart 40 (1939), S. 35. 88 Neu eingetretene Mitglieder auf Grund unserer Werbeaktion. Undatierte Liste. In: A DBV, Nr. 3612. Aufgrund der Datierung der anderen Dokumente ist davon auszugehen, dass die Liste in den späten 1930er Jahren entstanden ist.

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Zunächst schien Ebhardt im ‚Dritten Reich‘ an seine beruflichen Erfolge im Kaiserreich anknüpfen zu können. 1935 verlieh ihm Hitler zum siebzigsten Geburtstag die Goethe-Medaille für seine „vaterländischen Verdienste“, und für eine Festschrift, die zum selben Anlass von der Burgenvereinigung herausgegeben wurde, schrieb Reichsinnenminister Wilhelm Frick das Vorwort. Anlässlich einer „Burgenfahrt“ der Vereinigung nach Italien empfing Benito Mussolini Ebhardt gar persönlich, da Ebhardt sein Werk „Burgen Italiens“ dem „Duce“ als Ehrengeschenk überreichen wollte.89 Ebhardts Monumentalwerk „Der Wehrbau Europas im Mittelalter“ kam mit der namhaften Unterstützung von Göring, Frick und Himmler zustande.90 Wie in Kapitel 3.2.3 (S. 132) ausgeführt, erhielt die Burgenvereinigung von den Ministerien Görings und Fricks bis 1939 weitere finanzielle Unterstützungen, hinzu kamen kleinere Beträge vom Amt für Denkmalpflege im REM.91 Zusammengenommen waren diese Dona­ tionen zwar bedeutend höher als die Sachbeihilfen und Forschungsstipendien der NDW in den 1920er-Jahren, im Vergleich zu den Geldern, die im Kaiserreich flossen, waren sie jedoch eher gering. Bei den Unterstützungen vonseiten des Machtfelds im NS-Regime handelte es sich also mehrheitlich um soziales und symbolisches Kapital. In diesen Zusammenhang gehört auch die Einwilligung Albert Speers 1940, auf Anfrage Ebhardts als neuer Schirmherr der Burgen­ vereinigung aufzutreten und damit Prinz Oskar von Preußen zu ersetzen.92 Ebhardts Position im wissenschaftlichen und kulturellen Feld 1933 –1945

Mit dem Wegfall der Patronage durch Kaiser Wilhelm II . nach 1918 wurde Ebhardt mehr und mehr an den Rand des wissenschaftlichen und kulturellen Felds gedrängt. Insbesondere Architekten und Denkmalpfleger aus dem Umfeld der Heimatschutzbewegung, die in den 1920er-Jahren populärer geworden war, vertraten andere Ansichten als Ebhardt. Für sie war er ein Kind des 89 Friedrich Sprater an Johannes Postius vom 1.4.1937. In: HMP Speyer, Akte „XG/M. Postius II, März 1937 bis November 1937. Hist. Museum 1937“. 90 Bodo Ebhardt an Friedrich Sprater vom 18.1.1935. In: A DBV , Nr. 2023; Bodo Ebhardt, Handzeichnungen. Festschrift zum 70. Geburtstag. Herausgegeben von: Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. Berlin 1935, S. 9. Vgl. Ebhardt, Der Wehrbau Europas im Mittelalter, Bd. 1, 1939, S. 3 – 6. 91 Aus Lotterie-Fonds, deren Durchführung der Burgenvereinigung ausnahmsweise erlaubt wurden, flossen ihr 19.500 RM zu. Vgl. Bericht über die Vorstandssitzung der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen vom 4.6.1940. In: A DBV, Nr. 3015. 92 Albert Speer an Bodo Ebhardt vom 30.10.1940. In: A DBV, Nr. 3004.

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„künstlerisch unschöpferischen 19. Jahrhunderts“ (Rudolf Esterer). Unter dem „rich­tigen“ Umgang mit einer mittelalterlichen Burg verstand Ebhardt auch in den 1930er-Jahren einen Wiederaufbau als ästhetisch-stilistische Anleihe, die auf der Analyse des mittelalterlichen Baustils und einer wissenschaftlichen Befundaufnahme am Bauwerk abgestützt war. Er hielt damit an einer ästhetischen, aber für objektiv gehaltenen Wirklichkeit fest. Die Heimatschutz-Architekten der „neuen Baugesinnung“ dagegen propagierten eine neue, andere Wirklichkeit, für die Irrationalismus, Bodengebundenheit und ein regionaler und „heimatlicher Tribalismus“ konstitutiv waren.93 Auch Exponenten der älteren Generation wie der Kunsthistoriker und Heimatschützer Paul Clemen beurteilten Ebhardts Burgenvereinigung 1933 ausgesprochen negativ. Sie sei schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, also bei ihrer Gründung, „in der Geschichte der Denkmalpflege und der lebendigen Kunst wie in der geistesgeschichtlichen Entwicklung Deutschlands im letzten Menschenalter […] ein romantischer Spätling [gewesen], […] eine Nachgeburt des Historismus, eine außerhalb der Zeit stehende, sich darum auch bewusst isolierende Sektenbildung“.94 Auf wissenschaftlicher Ebene hingegen kann Ebhardts Position nicht so eindeutig bestimmt werden. In Kapitel 3.2.3 (S. 132) wurden bereits die Äußerungen Walter Vogels angeführt, für den Ebhardts Ansatz aufgrund der Fokussierung auf das einzelne Bauwerk veraltet war. Diese Ansicht ist zu differenzieren. Denn sowohl Vogels Protegé Werner Knapp wie auch Herbert Weinelt, die beide zu denjenigen jungen Burgenforschern gehörten, für die ‚Raum‘ und ‚Volk‘ die epistemischen Richtlinien waren, publizierten ihre Aufsätze auch im „Burgwart“.95 Zudem gehörten führende Mitglieder der Burgenvereinigung zur deutschen Ostforschung und zu den VFG, so etwa Ebhardts Schwager C ­ hristian A. Krollmann.96 Ebhardt hatte seine gesamteuropäischen Forschungen in seinem Lebenswerk „Der Wehrbau Europas“ auf eine Weise dargestellt, dass der 93 Vgl. Oberkrome, Willi: Stamm und Landschaft. Heimatlicher Tribalismus und die Projektionen einer „völkischen Neuordnung“ Deutschlands 1920 – 1950. In: Hardtwig, Wolfgang (Hg.): Ordnungen in der Krise. Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900 – 1933 (Ordnungssysteme 22). München 2007, S. 69 – 94. 94 Clemen, Die deutsche Kunst und die Denkmalpflege, 1933, S. 39. 95 Vgl. Knapp, Werner: Burgen im Burgenland. In: Der Burgwart 39 (1938), S. 45 – 51; Weinelt, Herbert: Die schlesischen Burgen Adelsburg, Saubsdorf und Schellenburg. In: Der Burgwart 36 (1935), S. 35 – 38. 96 Vgl. z. B. den Tagungsbericht der 4. Tagung der Leipziger Stiftung für Volks- und Kultur­ bodenforschung in Marienburg, 10.-12. Oktober 1925. Krollmann sprach dort über „Die Entwicklung der Ordenspolitik in Preußen“ (S. 146 – 148). In: Auswahl von Vorträgen auf

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­ indruck entstehen könnte, er habe das Raumparadigma in seinen wissenE schaftlichen Ansatz aufgenommen. Bei näherer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass Ebhardt diese epistemische Ordnung nicht vertrat. Der deutlichste Unterschied der ‚völkischen‘ Burgenforschung Knapps und ­Weinelts zu Ebhardts wissenschaftlichem Denken bestand in der Gewichtung der Kategorien ‚Volk‘/‚Rasse‘ und ‚Burg‘ in ihrem Verhältnis zueinander. Für Weinelt und Knapp waren die Burgen Epiphänomene mittelalterlicher „Volksordnungen“. Ebhardt dagegen sah in der Burg an sich das Hauptforschungsobjekt. Anders gesagt fragten die Volksforscher nach raumordnenden Sozialstrukturen, zeitgenössisch „Volksordnungen“, worin die Burg lediglich ein Phänomen unter vielen anderen war. Ebhardt dagegen machte dieses Phänomen zum Mittelpunkt seiner Forschungen und war an weiter reichenden Fragestellungen nicht interessiert.97 Aus Sicht der Nachwuchswissenschaftler kratzte er mit seinem Ansatz lediglich an der Oberfläche. Diese kritische Position gegenüber Ebhardt lässt sich nicht verallgemeinern. Martin Spahn, der ebenfalls in Kapitel 3.2.3 (S. 132) erwähnte Leiter des Kölner Instituts für Raumpolitik, sah in Bodo Ebhardt immer noch den führenden Experten auf dem Gebiet der Burgenforschung. Spahn schickte 1937 seinen Doktoranden Kurt Wefelscheid zu Ebhardt auf die Marksburg, wo ­Wefelscheid „Probleme des mittelalterlichen Burgenbaus“ untersuchen sollte. Bei ­genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass zwischen dem Burgen­experten Ebhardt und dem Landeshistoriker Wefelscheid ein Unterschied bestand. Über ­Wefelscheids Arbeiten bei Ebhardt berichtete Spahn, dass Wefelscheid „rund 4.000 mittelalterliche Burgen und Burgstellen kartothekisiert“ habe, geordnet nach Königs- und Kaiserpfalzen, Adels- und Dynastenburgen sowie Rittersitzen.98 Es ging also darum, Ebhardts umfangreiche Sammlungen und sein Wissen zu nutzen, um landesgeschichtliche Burgenkarten zu erstellen. Ebhardt erschien hier als der sammelnde Gelehrte, der nicht auf gleicher Stufe stand wie die akademischen Wissenschaftler. Nochmals anders sah Walter Hotz, der ebenfalls zum wissenschaftlichen Nachwuchs gehörte, Ebhardts Position. Hotz hatte als junger Burgenforscher Ebhardt auf der Marksburg besucht und sich mit ihm laut eigener Aussage den 16 Tagungen für Deutschtumspflege der Mittelstelle/Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in den Jahren 1923 bis 1929. 97 Vgl. Ebhardt, Der Wehrbau Europas im Mittelalter, Bd. 1, 1939, S. 2. 98 Gesuch Martin Spahn um ein Stipendium für Kurt Wefelscheid in Köln, undatiert. In: BAR, R 73/15542, Bl. 44 – 45.

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auch brieflich über Fachprobleme ausgetauscht.99 Seine aus der Nachkriegszeit erhaltenen Positionierungen zu Ebhardt belegen, dass er ihn für einen Pionier und Gründungsvater in der Burgenforschung hielt. Hotz würdigte Ebhardts Lebenswerk „Der Wehrbau Europas im Mittelalter“ als das „bedeutendste Buch dieser Art“ von Gesamtdarstellungen, es sei aber „zu sehr aus der Perspektive des Architekten bzw. Burgenrestaurators gesehen.“100 Kritisch hatte Hotz 1940 angemerkt, Ebhardt betrachte die Burgen vor allem nach Zweck und Aufgabe. Die Fülle des hervorragenden Planmaterials mache das Buch aber zu einem baugeschichtlichen Standardwerk. Auch Hotz sah Ebhardt damit zwar als begabten Gelehrten, der technisch genau zeichnen und vermessen konnte, dem aber die akademische Fundierung fehlte, um den historischen Zusammenhängen im europäischen Burgenbau nachgehen zu können.101 Ebhardt war in den späten 1930er-Jahren zur Gründerlegende in der Burgen­ forschung geworden. Sein Ansatz entsprach zwar nicht mehr dem neuesten wissenschaftlichen Stand, dennoch verfügte er über genügend Autorität, um als Burgenexperte zu gelten. Da Ebhardt nach 1918 dem Kräfteverhältnis im wissenschaftlichen und kulturellen Feld ausgesetzt war und seine Herangehensweise in der Burgenforschung und Denkmalpflege nicht den neueren Entwicklungen anpasste, bewirkten die mobilisierten Kapitalsorten aus dem politischen Feld, dass diese Position verstärkt wurde. Zwischenbilanz

Bodo Ebhardt sah im NS -Regime die Möglichkeit, seine einstmals starke Position wiederzuerlangen. Die Tatsache, dass er im Deutschen Reich Kaiser ­W ilhelms II . Burgenarchitekt gewesen war, schloss ihn zwar davon aus, ein Günstling Hitlers zu werden, bedeutende NS-Größen wie Heinrich Himmler, Hermann Göring oder Wilhelm Frick sahen in der Burgenvereinigung aber einen konkreten Nutzen. Sie unterstützten Ebhardt und die Burgenvereinigung finanziell und symbolisch, mit größeren Aufträgen zur Wiederherstellung von Burgen wurde Ebhardt aber nicht mehr betraut. Dies ist einerseits auf die 99 Walter Hotz an Eugen Probst vom 1.4.1947. In: StA Wo Abt. 170/21, Nr. 108. 100 Walter Hotz an Paul Rohlfing vom 27.9.1965. In: StA Wo Abt. 170/21, Nr. 113; Walter Hotz an Ernst Anrich vom 9.11.1959. In: StA Wo Abt. 170/21, Nr. 120. 101 Hotz, Walter: Bespr. Ebhardt, Bodo: Der Wehrbau Europas im Mittelalter. Versuch einer Gesamtdarstellung der europäischen Burgen. Bd. 1. Berlin 1939. In: Geistige Arbeit 17 (1940) (unpaginiert). In: StA Wo Abt. 170/21, Nr. 4.

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Ambivalenz zurückzuführen, mit der die NS-Politiker Ebhardt gegenüberstanden und mit der Ebhardt umgekehrt den NS-Politikern begegnete. Andererseits ist festzuhalten, dass Ebhardt nach 1918 im Feld sanktioniert wurde. Dies war nicht das erste Mal, dass er auf heftige Kritik stieß, nur ­hatten die kritischen Äußerungen seiner Kollegen nun Folgen: In den 1920er-Jahren wurde er an den Rand des wissenschaftlichen und kulturellen Felds gedrängt. Dieser Isolierungsprozess wird auch daran deutlich, dass Ebhardt einen Hang zur Weltfremdheit entwickelte und sich 1931 dann auch auf der Marksburg einquartierte.102 Seine isolierte Position konnte er durch die Förderungen der NS-Politiker nicht nur nicht verändern, sie wurde durch den Kapitalsortenaustausch mit ihnen noch verstärkt. Bei der Herausbildung der Burgenforschung um 1900 spielte die Tatsache, dass Ebhardt von Beginn seiner Laufbahn an eine heteronome Strategie gewählt hatte, keine große Rolle, da methodische oder theoretische Standards in diesem Wissenschaftsbereich noch nicht existierten. Erst als eine neue Generation von akademischen Burgen­forschern im Wissenschaftsfeld nachrückte, erfolgte eine Verschiebung von Ebhardts Position im Feld. Im nachfolgenden Abschnitt wird aufgezeigt, welche Auswirkungen Ebhardts heteronome Strategie auf seine Wissensfiguren und seine Methoden hatte. 4.1.2 BURGENWISSEN UND METHODEN 1900 –1945

Aufgrund von Bodo Ebhardts heteronomer Strategie ist zu vermuten, dass auch in seinen Denkfiguren heteronome Elemente überwogen. Konkret würde dies bedeuten, dass er keine autonome epistemische Symbolform entwickelt hatte. Weltanschaulich-politische Ansichten, die Ebhardt und seine Förderer vertraten, müssten daher eine wichtige Rolle in seinen Wissens­konstruktionen gespielt haben. Heteronome Effekte auf seine methodischen Grundsätze werden dagegen schwer aufzuzeigen sein. Der Hinweis von Walter Hotz, dass Ebhardt technisch exaktes Wissen generierte, ist eher ein Indiz dafür, dass zwischen Methoden und Denkfiguren in dieser Hinsicht ein deutlicher Unterschied bestand. Wissensfiguren

Bodo Ebhardt ging von der Annahme aus, dass ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ sich in den künstlerischen und baulichen Erzeugnissen innerhalb einer Region oder eines 102 Vgl. Bischoff, Geschichte der Deutschen Burgenvereinigung, 1998, S. 38 – 39.

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Landes zeigten. ‚Volk‘, ‚Rasse‘ und ‚Landschaft‘ respektive ‚Boden‘ waren für ihn sich wechselseitig durchdringende Elemente, welche die Formen der mittelalter­ lichen Burgen bestimmten.103 Je tiefer ein ‚Volk‘ mit seinem Boden verwurzelt und je ethnisch homogener dieses ‚Volk‘ war, desto schärfer bildete sich für Ebhardt dessen Kunstausdruck heraus. Biologische Reinheit und geografische Abgeschlossenheit führten zu klaren und ästhetisch ansprechenden Formen der Burgen und der archäologischen Artefakte, wohingegen biologische Vermischung und Nomadentum minderwertige Kunstformen zur Folge hatten. Da somit Unterschiede in den Kunststilen immer auch Differenzen unter den ‚Völkern‘ und ‚Rassen‘ waren, konnte Ebhardt nach ‚völkisch-rassischen‘ Gesichtspunkten burgenkundliche Landschaften definieren.104 So war für ihn die „Anlage einer gewaltig dicken und hohen Mauer von 35 Meter Länge“ ein typischer Ausdruck italienischen Baugeschmacks, dagegen seien „unregelmäßige Grundrisse“ und „malerische Umrisse […] typische Bauplätze germanischer Höhenburgen“. Auch die Verwendung von Holz an Burgen war seiner Meinung nach ein spezifisch deutsches Merkmal, genauso wie der Bau von sogenannten Bergfrieden, den Haupttürmen der Burgen.105 In der Geschichte der Burgen spielten für Ebhardt die Germanen die entscheidende Rolle. Ihnen schrieb er den eigentlichen „Antrieb [zu], Burgen zu bauen, das heißt befestigte Wohnsitze weniger Familien zu ihrem eigenen sicheren Wohnen und zur Beherrschung und Verteidigung des nächsten Bezirkes“ zu errichten. Die „eigentümliche Neigung zum Einzelwohnen“ war damit eine germanische Eigenschaft. Dabei hatten für ihn die Germanen am Ende des Römischen Reichs den Steinbau von den römischen Baumeistern gelernt, um damit aus ihren Holz- und Erdburgen die Steinburgen zu entwickeln.106 Die Germanen hatten also nur die Technik von den Römern übernommen, die „innere Befähigung“ zum Burgenbau war im essenzialistischen Sinne genuin germanisch.107 Während der Völkerwanderungszeit wurde laut Ebhardt der B ­ urgenbau

103 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. I, 1909, S. 5. 104 Vgl. z. B. Ebhardt, Bodo: Castel Janula bei Monte Cassino. In: Der Burgwart 4 (1903) 5, S.  36 – 40. 105 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. I, 1909, S. 10, 64, 15, 67. 106 Vgl. Klein, Ulrich: Hausforschung und Archäologie in der Zeitschrift „Germanen-Erbe“. In: Puschner/Großmann (Hg.), Völkisch und national, 2009, S. 65 – 82, hier S. 72 (Abb. 2), 74 – 77. Vgl. Ebhardt, Bodo: Die zehn Bücher der Architektur des Vitruv und ihre Herausgeber seit 1484. Berlin-Grunewald 1918; Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1,1909, S. 7, 81. 107 So Krieg von Hochfelden, Geschichte der Militär-Architektur, 1859, S. 123.

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durch die „germanischen Völkerschaften“ im europäischen Raum verbreitet, germanisch-deutsche Elemente waren somit an den Burgen in ganz Europa zu finden.108 Als Kernland der Germanen sah er Deutschland an, besonders den Norden, weshalb die „reinste Form“ des Burgenbaus dort entwickelt worden war. Unter germanischen Volksgruppen verstand Ebhardt dabei eine ‚Rassen‘und Kulturgemeinschaft, deren Kulturkreis von den Burgen als „völkische[n] Grenzfesten“ umsäumt war.109 Um einen germanischen, „höherwertigen“ Baustil von einem italienischen, „minderwertigen“ zu differenzieren, musste Ebhardt von der Unvermischtheit der Ethnien und damit der Baustile seit der Völkerwanderungszeit ausgehen.110 Die Germanen hatten sich nicht mit den „romanischen Völkern“ vermischt, sondern als Herrenschicht diese beherrscht. Laut Ebhardt unterstanden seit der Herrschaft der sächsischen Könige im Frühmittelalter alle Kulturen der romanischen Völkerwelt, zu denen Ebhardt die Franzosen, Italiener, Spanier und Portugiesen zählte, der deutschen Kulturhegemonie.111 Die stärkste ­Ausprägung deutsch-germanischer mittelalterlicher Kultur erfolgte dabei mit der Herrschaft der Stauferkaiser. Dies war für Ebhardt an der staufischen Burgenbaukunst abzulesen. „Am gewaltigsten haben endlich die großen Hohenstaufen, namentlich Friedrich II., auf den italienischen Burgenbau eingewirkt.“112 Für Ebhardt beeinflusste die germanisch-deutsche Kultur immer nur die anderen Völker. Der umgekehrte Prozess war nicht denkbar. Dies beruhte für ihn darauf, dass die Germanen eine biologisch überlegene ‚Rasse‘ waren. „Gesundes Blut“ und „germanische Volkskraft“ waren die entscheidenden Elemente für den Burgenbau im Italien des frühen Mittelalters: „Der sonnige Himmel des Südens, der seine Anziehungskraft durch Jahrtausende bewahrt hat, führte dem absterbenden Römerreich immer neue Ströme gesunden

108 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1, 1909, S. 5 – 6. Vgl. Ebhardt, Bodo: MS Wehrbau ­Europas. Vorrede vom 30.7.1926. In: A DBV, Nr. 2228. 109 Der Burgwart 16 (1915) 2, S. 39. 110 Vgl. Ebhardt, Castel Janula, 1903, S. 40; Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1, 1909, S. 83. 111 Vgl. Ebhardt, Bodo: Die Burgen des Elsass. Vortrag gehalten vom Architekten Bodo Ebhardt vor Sr. Majestät dem Kaiser und König Wilhelm II. in der Versammlung der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen am 26. Februar 1904. Berlin 1904; Ebhardt, Bodo: Mittheilungen über Forschungen auf der Hohkönigsburg im Elsass. In: Der Burgwart 1 (1899) 4, S. 25 – 28, hier S. 25. Vgl. Ebhardt, Bodo: Die Hohkönigsburg bei Schlettstadt im Elsass. In: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte 90 (1901) 535, S. 84 – 108, hier S. 84. 112 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1, 1909, S. 15, 20.

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­ lutes aus dem unerschöpflichen Schatze germanischer Volkskraft zu.“113 InsB besondere lehnte Ebhardt die Ansicht ab, der abendländische Burgenbau sei in maßgebender Weise durch Ideen und Techniken aus dem Orient beeinflusst worden, die infolge der Kreuzzüge ins Abendland importiert wurden. Die „landläufige Annahme, infolge der Kreuzzüge seien erst höhere Kenntnisse zur Burgenbautechnik in die abendländische Kultur eingeflossen“, war seiner Ansicht nach ein Denkfehler. Die Kulturschübe verliefen laut Ebhardt gerade umgekehrt, nämlich von Europa nach dem Orient.114 Dieser Gedanke entsprach in abgewandelter Form der Ex-septentrione-lux-Theorie, die seit dem späten 19. Jahrhundert vor allem in der Vor- und Frühgeschichte und den Sprachwissenschaften populär war. Sie besagte, dass der Ursprung europäischer Hochkultur im Norden Europas liege und nicht im Orient. Diese Annahme sah Ebhardt durch die frühen Bauformen in Skandinavien bewiesen, die er in ein ästhetisches Verhältnis mit den Burgen in Deutschland rückte: „Diese Einheitlichkeit ist der beste Beweis für die enge germanisch-nordische Verwandtschaft dieser Völker“.115 Die Burgen als genuin germanisch zu sehen, war mit Ebhardts Abgrenzungsarbeit gegenüber den Ideen der älteren Gelehrtengeneration verschränkt. Jene Gelehrten sahen das Befestigungswesen als ein universales Phänomen, das in der Vorzeit, der Römerzeit, im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit zu finden war.116 Krieg von Hochfelden war in der Tradition humanistischen Denkens noch davon ausgegangen, dass die „Befestigungsanlagen des XI. Jahrhunderts […] noch immer wie seit der Einwanderung der Deutschen ins weströmische Reich, Nachbildungen römischer Muster“ waren und dass der bedeutendste Innovationsschub im Burgenbau durch den Import neuer und weiter entwickelter Techniken aus dem Osten infolge der Kreuzzüge bewirkt wurde.117 Für ihn kamen die Kulturschübe entweder aus dem Orient und aus Byzanz oder er schrieb die großen 113 Ebd., S. 89, 34. 114 Ebhardt, Bodo: Alte Wehrbauten an den Küsten des östlichen Mittelmeeres. In: Der Burgwart 17 (1916) 2, S. 22 – 31, hier S. 23; Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1, 1909, S. 17. 115 Ebhardt, Bodo: Wasserburgen. In: Der Türmer (1933), S. 521 – 528, hier S. 525 – 527. 116 Vgl. von Cohausen, August: Die Befestigungsweisen der Vorzeit und des Mittelalters. Herausgegeben von: Max Jähns. Wiesbaden 1898; Krieg von Hochfelden, Geschichte der Militär-Architektur, 1859; Naeher, Julius: Die deutsche Burg, ihre Entstehung und ihr Wesen insbesondere in Süddeutschland. Berlin 1885. 117 Krieg von Hochfelden, G. H.: Die Veste Habsburg im Aargau. In: Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 11 (1857) 6, S. 104 – 136, hier S. 106. Vgl. Krieg von Hochfelden, Geschichte der Militär-Architektur, 1859, S. 3.

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kulturellen Errungenschaften generell den antiken Zivi­li­sationen zu. Ebhardt dagegen versuchte durch eine Mischung aus Ansätzen historistischen Denkens und einer kulturgeschichtlichen Herangehensweise Burgen einer bestimmten Zeitepoche zuzuweisen, nämlich dem Mittelalter, und sie gleichzeitig ethnisch exklusiv zu belegen. Dadurch spezifizierte er das Forschungsobjekt Burg. Mit der Unterscheidung des germanischen Burgenbaus vom römischen Kastellbau waren die Burgen nicht nur keine Fortsetzung des römischen Festungsbaus mehr, sondern der Begriff ‚Burg‘ wurde so definiert, dass er nun einen ‚mittelalterlichen Wehrbau‘ meinte, womit Figuren wie ‚römische Burgen‘ als falsch deklariert waren.118 Diese semantische Spezi­fizierung erfolgte bei Ebhardt also durch eine zeitliche Eingrenzung und durch einen Ethnozentrismus. Der Burgenbau war bei Ebhardt nicht nur eine Eigenschaft der Germanen, sondern auch eine der aristokratischen Oberschicht. Nur die Führungsschicht der Ritter verkörperte für ihn germanisches, heldisches Kriegertum und konnte deutsche Schöpferkraft künstlerisch in der Weise umsetzen, dass daraus genuin deutsche Kunstformen entstanden.119 Daher konzentrierte sich Ebhardt in der Erforschung der Burgen ausschließlich auf die adligen Herren, Könige und Kaiser, nicht aber auf Baumannschaften oder Bauschulen. ‚Rassisch-völkische‘ Theorien verschmolzen in seinem wissenschaftlichen Denken mit einem A ­ risto­kratismus, was zu einem Rassenaristokratismus führte, wie ihn Joseph Arthur de Gobineau vertreten hatte.120 Gobineaus Auffassung war, dass sich in der Oberschicht Frankreichs und Englands nur noch Rudimente der ehemaligen germanischen Vorherrschaft im Europa der Völkerwanderungszeit erhalten hatten. Dies entsprach exakt Ebhardts Ansichten. Englische, französische, italienische und spanische Burgen waren somit germanisch, ihre Form divergierte von den deutschen Burgen lediglich aufgrund der unterschiedlichen ‚völkisch-rassischen‘ Verhältnisse in diesen Ländern. Die germanische Oberschicht musste dort nämlich „in ihrer gewaltigen Faust die Masse der minderwertigen Ureinwohner zusammenballen und zur Ausführung großartiger Werke zwingen“.121

118 Krieg von Hochfelden, Die Veste Habsburg im Aargau, 1857, S. 106 – 107. Vgl. Krieg von Hochfelden, Geschichte der Militär-Architektur, 1859, S. 11. 119 Justus (d. i. Bodo Ebhardt): Etwas vom Überdruss. In: Der Burgwart 13 (1912) 1, S. 1 – 3. Vgl. Ebhardt, Bodo: Steinerne Zeugen: Wehrbauten Veronas. Berlin-Grunewald 1911, S. 18. 120 Vgl. Breuer, Stefan: Grundpositionen der deutschen Rechten (1871 – 1945) (Historische Einführungen 2). Tübingen 1993, S. 26. Vgl. de Gobineau, Joseph Arthur: Essai sur l’inégalité des races humaines. 4 Bde. Paris 1853 – 1854. 121 Ebhardt, Deutschlands Helden eine Weihestätte!, 1918, S. 11.

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Die Sichtweise, dass die Germanen als junges, „kraftvolles“ Volk das „absterbende Römerreich“ ablösten, ist ein Hinweis auf Ebhardts zyklisches Geschichtsverständnis. Den Grund für den Niedergang einer historischen Epoche sah Ebhardt in der ‚rassischen‘ Schwäche, in der fortgeschrittenen Degeneration eines Volks. Nur die „kraftvollen Germanen“ konnten für ihn eine neue E ­ poche ein­ leiten. Diese zyklische Denkfigur erinnert zwar an Oswald Spenglers Geschichtsphilosophie, äußerte sich bei Ebhardt jedoch anders. Ebhardt ging es um die Idee des „Reichs“, die für ihn im Mittelalter als eine germanisch-deutsche, paneuropäische Kulturhegemonie, als „großdeutsches Reich“, existiert hatte, nach dem Ende der Stauferherrschaft jedoch untergegangen war.122 Die Reichsidee konnte allerdings in späteren Zeiten wiederbelebt werden. Dass diese Ideen weitgehend heteronom waren, zeigt sich an Ebhardts fortwährender Vermischung von historischem Wissen mit Vorstellungen davon, wie die ideale Sozialordnung der Deutschen in der Gegenwart aussehen sollte, was wiederum mit seiner zyklischen Geschichtsvorstellung verbunden war. Ebhardt stand ein monarchisch-ständisches Modell vor Augen, das für ihn im staufischen Kaisertum verwirklicht gewesen war. Nur unter solchen Herrschaftsverhältnissen konnten mächtige Burgen entstehen, in politisch zersplitterten Landschaften war die Entwicklung des Burgenbaus hingegen kaum möglich. Auch poli­tische Umwälzungen bewirkten für Ebhardt Zerstörung und Verfall der Burgen, Unbeständigkeit führte zu einem Verlust kulturellen Verständnisses. Damit waren die Französische Revolution, die Demokratie und die moderne Kunst Elemente, die konträr zur deutsch-germanisch-mittelalterlichen Kultur standen. Die „Fratzenkunst“ der Franzosen setzte Ebhardt gleich mit den „Schamlosigkeiten so genannter Kubisten, Symbolisten und Naturalisten“.123 Burgen und deren Restaurierung waren demnach im buchstäblichen und übertragenen Sinn konservativ.124 Der Niedergang der Burgenkultur setzte für Ebhardt am Ende der Stauferherrschaft ein, und einen neuerlichen Aufschwung der germanisch-deutschen Kultur sah er in der Gründung des Deutschen Reichs und dann vor allem in der ­Regentschaft 122 Zum Reichsmythos vgl. Sieferle, Rolf Peter: Die Konservative Revolution. Fünf bio­graphische Skizzen. Frankfurt am Main 1995, S. 110. Vgl. Münkler, Herfried: Das Reich als politische Vision. In: Kemper, Peter (Hg.): Macht des Mythos – Ohnmacht der Vernunft? Frankfurt am Main 1989, S. 336 – 358, hier S. 340. 123 Ebhardt, Bodo: Die Sprache deutscher Burgen. In: Der Burgwart 16 (1915) 1, S. 2 – 10, hier S. 2, 3. 124 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. 1, 1909, S. 132, 104.

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Kaiser Wilhelms II . Insofern schloss Ebhardt als Burgenbauer an die Tradition des 13. Jahrhunderts an. Ebhardts Haltung gegenüber Gesellschaft und Politik in der Gegenwart und sein wissenschaftliches Denken durchdrangen sich gegenseitig. Ereignisse in Ebhardts Gegenwart interagierten unmittelbar mit seiner Darstellung der Geschichte mittelalterlicher Burgen. Am deutlichsten zeigte sich dies zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Das Titelbild der Ausgabe Nr. 6 des „Burgwarts“ aus dem Jahr 1914 schmückte eine Zeichnung Ebhardts mit dem Titel „Krieg“ (Abb. 11). Darauf ist ein finster dreinblickender Drache zu sehen, der den Bergfried einer Burg fest umklammert hält und sie in Rauch hüllt. Das Ungetüm hat die Burg angegriffen und versetzt nun die Burgbesatzung in Angst und Schrecken. Ebhardt hatte mit dieser Zeichnung ein Bedrohungsszenario festgehalten: Bedroht von den feind­ lichen Mächten Europas waren das Deutsche Reich und die deutsche Burg. Während des Kriegs spitzte Ebhardt seine rassenaristokratischen Ansichten zu. Die Meinung, dass nur in Deutschland Volk und Adel aufgrund der Zugehörigkeit zum selben Ethnos miteinander verschmolzen waren, war für ihn Grund der biologischen Überlegenheit der Deutschen in Europa, ja auf der ganzen Welt. Darauf beruhte die Auffassung, dass nur die Deutschen eine dauerhafte Sozialordnung in Europa gewährleisten konnten, da sie Werkzeuge einer höheren, ‚rassischen‘ Ordnung waren.125 Das aristokratische Modell so­zialer Ungleichheit verband Ebhardt mit der Zugehörigkeit aller Deutschen zum gleichen Volk und zur germanischen ‚Rasse‘ und erklärte das Reich zum Gefäß dieses organischen „Volkskörpers“. Der Krieg bewirkte erst, dass unter den sozial Ungleichen, aber ‚rassisch‘ Identischen, eine Einheit geschaffen wurde. Im Kampf fand die Gemeinschaftswerdung der Deutschen mit dem „Volkskaiser“ an der Spitze ihre Erfüllung, „Fürst und Bauer, Arbeiter und Adel, Reich und Arm, alle mischen ihr Blut in einer in der Weltgeschichte einzig dastehenden Einigkeit, und das bis zum letzten Ende.“126 Bemerkenswert ist, dass Ebhardt mit solchen Ansichten keine isolierte Position im deutschen Wissenschaftsfeld einnahm, sondern diese mit den im ­national- und radikalkonservativen Intellektuellenlager gängigen Ideen mehr oder ­weniger übereinstimmten, auch wenn er eher zu den radikalen Vertretern gehörte. Bereits Heinrich von Treitschke hatte die Franzosen zu den „sinkenden Völkern“ gerechnet, die sich nur durch den „Zustrom fremden Blutes“ weiter 125 Ebhardt, Krieg und Baukunst, 1915, S. 5, 8, 39. Vgl. Breuer, Grundpositionen der deutschen Rechten, 1993, S. 91. 126 Vgl. Ebhardt, Krieg und Baukunst, 1915, S. 20, 21 34, 42, 44, 153.

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erhalten könnten.127 Außerdem waren Werke von Spengler, Houston Stuart Chamberlain oder Gobineau nicht nur in diesen Kreisen beliebte Lektüren, sondern wurden auch im Wissenschaftsfeld breit rezipiert. Besonders die französischen Rassisten wie Henri de de Boulainvilliers oder Gobineau scheinen auf Ebhardt starken Einfluss gehabt zu haben,128 was auf ihre Verknüpfung von ‚rassischer‘ Homogenität der Germanen und aristokratischem Gesellschafts­ system zurückging.129 Kulturschöpfungen und stabile politische Ordnung waren von der „Reinheit des Blutes“ der Herrenschicht abhängig. Wandlungen nach 1918

Aufgrund der Heteronomie seiner epistemischen Figuren wirkten sich emo­ tional tief gehende Ereignisse besonders stark auf Ebhardts epistemische Konstruktionen aus. Dazu sind vor allem die Niederlage des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg und das Ende des Kaiserreichs zu zählen. Auf die territoriale Beschneidung des Deutschen Reichs infolge des Versailler Vertrags reagierte Ebhardt mit einer verstärkten Betonung seiner Konstruktion einer deutschen Kulturhegemonie im Mittelalter, die er durch die Analyse der Burgen wissenschaftlich untermauerte. Mit den Volks- und Kulturbodenforschern stimmte er darin überein, dass die Grenzlanddeutschen infolge ihres andauernden Kampfes gegen die „fremden Völkerscharen“ eine umso stärkere ‚völkische‘ Ausprägung erfahren hätten, was für ihn an der Gestaltung ihrer Burgen abzulesen war. Die Burgen „in den Gebieten, in denen das Deutschtum seit Jahrhunderten sein Leben und seinen Bestand gegen die tieferstehenden, ewig feindseligen Nachbar­rassen verteidigen“ musste, waren „noch viel mächtiger gestaltet und dichter gesät“ als im Reich.130 Zu jenen Gebieten zählte Ebhardt Kärnten, Nieder­österreich, die Steiermark, die deutschsprachige Schweiz, das Elsass und Lothringen sowie die ehemals preußischen Ostgebiete. Hatte er vor 1918 diese Idee auf den Westen und den Süden Europas projiziert, galt es nun, die deutsche Dominanz auch im Osten herauszustellen.131 Dafür war der Deutsche Ritterorden als Kulturbringer für ihn evident. Mit ihren Burgen hatten die 127 Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 103. 128 Vgl. Breuer, Grundpositionen der deutschen Rechten, 1993, S. 39, 40. 129 Kale, Steven: Gobineau, Racism, and Legitimism: A Royalist Heretic in Nineteenth-Century France. In: Modern Intellectual History 7 (2010) 1, S. 33 – 61, hier S. 43 – 44. 130 Ebhardt, Deutsche Burgen als Zeugen, 1925, S. 105. 131 Ebd., S. 42, 43. Hier am Beispiel der Tschechoslowakei.

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Ritter des Deutschen Ordens ein Bollwerk „gegen den Ansturm der östlichen wilden Volksstämme“ errichtet.132 Aus Ebhardts Schriften der 1920er-Jahre geht eine gewisse Desillusionierung über Kaiser und Adel hervor, was sich in der sukzessiven Abkehr vom Aristokratismus und einer Hinwendung zur Kategorie ‚Volk‘ zeigt. Der Adel als Kriegerschicht hatte für Ebhardt nach 1918 in zweifacher Hinsicht versagt. Zum einen hatte er sich im Krieg trotz des Separatfriedens von Brest-Litowsk geschlagen gegeben, zum anderen hatte er die Republikaner nicht davon abgehalten, Deutschland ins „Unheil“ der Weimarer Republik zu stürzen. Die Quelle der „Volkskraft“ lag für Ebhardt nun nicht mehr nur im heroischen Charakter der Adligen, die „Urkraft“ des Volkes wurzelte vielmehr „in Natur und Kunst, in Wald und Feld, im Dorf und in der abgelegenen Kleinstadt“, denn dort „mahnen die uralten Eichen, die Sinnbilder echtesten Deutschtums, an die Kraft, die unzerstörbar in unserem Volke wohnt, solange es […] ewig neue Frühlingskräfte aus seinem eigenen deutschen Heimatboden, aus der Tiefe des eigenen deutschen Geistes und aus der deutschen Seele, kurz aus der deutschen Eigenart saugt.“133 Mit dieser Hinwendung zum ‚Völkischen‘ verstärkte Ebhardt seine antiliberale Position. England, Frankreich, avantgardistische Modernisten und linksliberale Republikaner waren für ihn Kräfte, die Deutschland von außen und von innen bedrohten. Als Gegenmodell fungierte nun nicht mehr ein altkonservatives Ideal, sondern ein Modell, in dem ‚Land‘ und ‚Bauernvolk‘ im Zentrum standen, was auch mit offen rassistischen Ansichten einherging: 1930 schrieb Ebhardt, das „Bild des heutigen Frankreichs“ sei von „widerliche[n] Negersoldaten mit französischen Mädchen“ gekennzeichnet.134 In diesen Kontext gehörten auch die Juden als Thema, die Ebhardt vor 1918 in keiner seiner Veröffentlichungen erwähnt hatte. In einem seiner Burgenbücher kennzeichnete er sie als „Drahtzieher“ des deutschen Unglücks, eine Rolle, die sie schon im Mittelalter gespielt hätten.135 Er schrieb den Juden Eigenschaften wie Feigheit, Unehrenhaftigkeit und Untreue zu, womit er auf die „Novemberrevolution“ anspielte, für die er die Juden mitverantwortlich machte. Die Juden waren, so Ebhardt, ins deutsche Volk aufgenommen worden, hatten sich aber als Verräter entlarvt. Er stellte diese Denkfiguren aber in keinen ‚rassischen‘ Zusammenhang. 132 Ebd., S. 145, 148. 133 Ebhardt, Bodo: Die Sababurg und der Reinhardswald. In: Der Burgwart 27 (1926) 3/4, S. 40 – 45, hier S. 41. 134 Ebhardt, Bodo: Spanische Burgenfahrt 1930. Ein Reisebericht. Braubach 1934, S. 25. 135 Ebhardt, Deutsche Burgen als Zeugen, 1925, S. 60.

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Mit der Abkehr vom Aristokratismus ging die Tendenz zur Überhöhung des „heldischen Führers“ einher, der an der Spitze der hierarchisch gegliederten und zugleich organischen Sozialordnung der Deutschen stehen sollte. Dieser „Führer“ garantierte eine Periode kultureller Blüte, das heißt einen Burgenbau mit elaborierter baukünstlerischer Stilsprache. Laut Ebhardt hatte Friedrich II. als „echter Deutscher sein Leben, sein Reich und sein kaiserliches Haus einem großen Gedanken“ geopfert, dem Gedanken nämlich „einer Herrschaft des deutschen Kaisers über ganz Mitteleuropa“. Im Kampf um diese Idee sei er genauso unterlegen gewesen, wie „im Weltkriege sein glänzender und ihm so ähnlicher Nachfolger auf dem deutschen Kaiserthrone“.136 Die Auffassung, das Ende der wilhelminischen Epoche sei mit dem Untergang des letzten mächtigen Stauferkaisers gleichzusetzen, war Ebhardts zyklischer Vorstellung von der historischen Entwicklung geschuldet. Deutsche Kunst und Kultur befanden sich nach dem Untergang des Deutschen Reichs 1918 in einem Prozess stetigen Verfalls. Folglich musste auf diesen Verfall eine Periode der Erneuerung folgen, die wiederum in einer Epoche der Hochkultur münden würde.137 Diese Erneuerung hatte Ebhardt im ‚Dritten Reich‘ gesehen. Wissenskonstruktionen nach 1933

Die Erwartungen, die Ebhardt in Hitler und den NS-Staat setzte, spiegeln sich in den wissenschaftlichen Figuren wider. Ebhardts zyklische Geschichtsvorstellung, in der er die Stauferzeit mit dem Kaiserreich verband und den darauffolgenden Niedergang mit der Weimarer Republik, musste zur Erwartung einer „neuen Stauferzeit“ führen.138 Nach 1933 vollzog Ebhardt jedoch weder einen tief greifenden semantischen noch einen konzeptionellen Wandel. In seinen Büchern wiederholte er lediglich seine bereits früher geäußerten Annahmen in leicht radikalisierter Weise.139 Bemerkenswert ist die vermehrte Betonung des „Heldischen“ in Anlehnung an Hans F. K. Günthers „Ritter, Tod und Teufel“.140 Günthers ‚rassische‘, vitalistische und ästhetische Metaphysik entsprach Ebhardts Grundannahme vom Kulturträgertum einer als biologische Einheit begriffenen 136 Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. V, 1925, S. 180. 137 Für weitere Beispiele vgl. Herf, Reactionary Modernism, 1984, S. 110 – 113. 138 Vgl. Breuer, Ordnungen der Ungleichheit, 2001, S. 193. 139 Vgl. Ebhardt, Der Wehrbau Europas im Mittelalter, Bd. 1, 1939, S. 5, 539. 140 Vgl. Günther, Hans F. K.: Ritter, Tod und Teufel. Der heldische Gedanke. 2. Aufl München 1924.

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und ethnisch als germanisch determinierten Gesellschaftsschicht, was Günther in seiner Abhandlung „Rasse und Stil“ weiter ausführte, in welcher er Kunstform als „Rasseausdruck“ auffasste.141 Bei Ebhardt war der „heldische Gedanke“ eine Intensivierung der Ansicht, dass Könige, Kaiser und Adlige die eigentlichen Träger „germanischer Kultur“ waren.142 Es kann vermutet werden, dass diese Wiederaufnahme des Rassenaristokratismus im Zusammenhang mit Ebhardts Abscheu vor dem „plebejischen“ Charakter der NS-Partei stand. Methoden 1900 –1945

Ebhardts Forschungsmethoden waren mit seinen epistemischen Grundannahmen verschränkt. Um die staufische Burgenbaukunst als Resultat einer expansiven germanischen Kulturhegemonie deuten zu können, musste Ebhardt weiträumige Vergleiche anstellen. Dadurch sollte der Beweis erbracht werden, dass dieselben staufischen Kunstformen sowohl in Italien als auch im „staufischen Stammland“ Elsass und Schwaben zu finden waren.143 Ebhardt musste dabei nicht nur die „germanischen Elemente“ an den Burgen definieren, sondern auch beweisen können, dass eine Expansion von Bauformen aus deutschsprachigen Regionen in italienische Gebiete und nicht umgekehrt stattgefunden hatte. Dies war nur durch die vorweg gesetzte Annahme möglich, dass die Germanen einen stärkeren Expansionsdrang hatten und höherwertige Kunst produzierten als alle anderen ‚Rassen‘ und ‚Völker‘, was er letztlich ‚rassisch‘-vitalistisch begründete. Ebhardt musste sich also auf eine essenzialistische Grundannahme festlegen, nämlich dass das Germanische an sich bestimmte, von vorneweg eingeschriebene Eigenschaften aufwies. Da um 1900 laut Ebhardt keine zureichenden Studien zur Burgenbaukunst in den europäischen Ländern existierten, sah er sich dazu veranlasst, mit dem Zug oder dem Auto selbst in die betreffenden Länder zu reisen. Das ist keine triviale Feststellung, denn die Eisenbahn und der Straßenbau hatten die kunsthistorischen Arbeitstechniken im 19. und frühen 20. Jahrhundert maßgeblich verändert,144 die Baudenkmäler konnten nun an Ort und Stelle studiert werden. 141 Günther, Hans F. K.: Rasse und Stil. Gedanken über ihre Beziehungen im Leben und in der Geistesgeschichte der europäischen Völker, insbesondere des deutschen Volkes. 2. Aufl. München 1927. 142 Ebhardt, Denkschrift über eine Reichshilfe, 1933, S. 35. 143 Vgl. Ebhardt, Die Burgen Italiens, Bd. V, 1925, S. 180. 144 Vgl. Rössler, Johannes: Das Notizbuch als Werkzeug des Kunsthistorikers. Schrift und Zeichnung in den Forschungen von Wilhelm Bode und Carl Justi. In: Hoffmann, Christoph

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Ebhardt reiste also mit Skizzenbüchern, Messinstrumenten und einer Fotoausrüstung zu den Burgen Europas, um sie zu dokumentieren.145 Sein Vorgehen vor Ort war von drei Aspekten gekennzeichnet: Erstens die detailgenaue technische Aufnahme des vorhandenen Mauerwerks, des Grundrisses, der beobachteten architektonischen Details und der Befunde, zweitens die zeichnerische Darstellung derselben nach bestimmten ästhetischen Vorstellungen, drittens die Mobilisierung internationaler Kontakte und die Kooperation mit technischen Hilfskräften vor Ort. 1. Technik: Als Architekt führte Ebhardt die technische Aufnahme möglichst genau aus, da er der Meinung war, mittels Befunden am Mauerwerk Bau­phasen einer Burg – das sind Perioden, in denen bedeutende Teile gebaut worden waren – ziemlich genau datieren zu können. Dazu musste der Mauer­ verputz, wenn vorhanden, entfernt werden, weil entsprechende Befunde nur an den nackten Mauern sichtbar waren, ein Gerüst gestellt und das freigelegte Mauerwerk in einem bestimmten Maßstab auf Millimeterpapier gezeichnet werden. Am Beispiel von zwei Zeichnungen, die Ebhardt aufgrund von Messdaten eines seiner Mitarbeiter 1937 vom Mauerwerk der Burg Trifels angefertigt hatte (Abb. 12 u. Abb. 13), lässt sich dieses Vorgehen illustrieren. Abbildung 12 stellt einen sogenannten Maueraufriss dar, Abbildung 13 ist eine Grundrissskizze, auf der mit unterschiedlichen Farben und Schraffuren die Bauphasen der einzelnen Mauerteile und der erhaltenen Gebäude gekennzeichnet sind. Durch die Aufrisszeichnungen konnte Ebhardt die festgestellten Befunde, also z. B. ähnliche Strukturen im Mauerbau oder gleiche Formen zweier Eingangsportale, miteinander in Beziehung setzen und dadurch einen zeitlichen, stratigrafischen Ablauf, heute Relativchronologie genannt, rekonstruieren. Diesen Ablauf kennzeichnete er auf der Grundrisszeichnung durch die Markierungen. Dieses Vorgehen generierte noch keine Informationen über die genauen Datierungen der einzelnen Bauphasen. Fanden sich am Mauerbestand keinerlei datierende Hinweise wie z. B. eine eingravierte Jahreszahl an einem Schlussstein eines Portals, blieben noch die historische Methode, also in die Archive zu gehen und in den Schriftquellen Hinweise auf die betreffende Burg zu suchen, oder der kunsthistorische Stilvergleich (Mauerwerk und Bauplastik). Bei der Auswertung der Archivquellen ging Ebhardt in der Regel akribisch vor, auch (Hg.): Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung (Wissen im Entwurf 1). Zürich 2008, S. 73 – 102, hier S. 73. 145 Weschenfelder, Klaus: Bodo Ebhardts Handzeichnungen. In: von der Dollen/SchockWerner (Hg.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung, 1999, S. 200 – 202, hier S. 200.

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wenn seine Methode nicht den Standards quellenkritischen Arbeitens in der Geschichtswissenschaft entsprach, sondern rein positivistisch ausgerichtet war. Ebhardt berücksichtigte auch archäologische Funde, wandte jedoch nicht die stratigrafische oder die typologische Methode an, das heißt das Ausgraben nach Kulturschichten und den Vergleich der gefundenen Gegenstände. 2. Ästhetik: Fotografien dienten der Überprüfbarkeit von Ebhardts zeichne­ rischen Befundaufnahmen. Gleichzeitig hatten sie aber auch die Funktion einer ästhetischen Untermalung seiner Publikationen. Nicht nur seine Bücher, die er in einem mittelalterlichen Lettern und Symbolen „altdeutschen Geschmacks“146 nachempfundenen Stil gestaltete, zeugen von einer bestimmten ästhetischen Vorstellung, sondern auch seine technischen Aufnahmen und fotografischen Dokumentationen waren davon geprägt. Dazu gehörte einerseits die male­rische Einbettung einer Burg in die Landschaft, also die Heraushebung des von Ebhardt herausgestellten Charakteristikums der „germanischen Ritterkultur“, andererseits die ästhetische Hervorhebung des technischen Details. Das Titelblatt des ersten Bands von Ebhardts „Burgen Italiens“ (Abb. 14) veranschaulicht diese Ästhetik. Neben der Widmung an den Kaiser sind die der staufischen Baukunst nachgeahmten Stilelemente für Ebhardts ästhetischen Sinn charakteristisch. Die Darstellung der beiden Löwen im Zusammenhang mit dem Adlerschild zeugt von Ebhardts Ansicht, die wilhelminische Epoche schließe an die staufische Hochkultur an. Wissenschaft, Ästhetik und Politik waren zu gleichen Teilen konstitutiv für diese zeichnerische Komposition. Sicherlich ist zwischen rein technischen Bauaufnahmen, also Schnitten und Grundrissen, und ästhetisierenden Ansichten, z. B. Bleistiftskizzen und mit Kohlestift festgehaltenen Reiseeindrücken, zu differenzieren. Fast alle erhaltenen Zeichnungen sind jedoch in dieser Art der wissenschaftlichen Darstellung gehalten. Ebhardts Vermischung von ästhetischen Vorstellungen mit exakter technischer Aufnahme führte nicht unbedingt zu einer Einbuße an wissenschaftlicher Plausibilität seiner Annahmen. Denn für sein Konzept war gerade die Verbindung von Ästhetik und Wissenschaft entscheidend, liefen seine Forschungen doch immer darauf hinaus, das betreffende Bauwerk wiederaufzubauen. Aufgrund praktisch-ästhetischer Erwägungen kam er zu dem Schluss, 146 Viele der Zeichnungen und Graphiken stammten nicht von Ebhardt selbst, sondern von Künstlern wie Leo Schnug, Carl Birkle, Richard Böhland, Hans Koberstein oder ­Eduard Stritt. Vgl. Ebhardt, Bodo (Hg.): Der Väter Erbe. Beiträge zur Burgenkunde und Denkmalpflege. Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen. Berlin 1909, Umschlagsblatt.

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dass die Außenmauern der Burgen und Schlösser im Mittelalter mehrheitlich verputzt gewesen sein mussten, und nicht, wie die Romantiker sich dies dachten, ein Sichtmauerwerk (Mauerwerk ohne Verputz) aufwiesen.147 Noch heute wird diese Ansicht von Burgenforschern geteilt.148 3. Internationales Netzwerk: Um seine gesamteuropäischen Vergleiche von Formen, Stilen und Bautechniken mittelalterlicher Burgen anstellen zu können, war Bodo Ebhardt auf internationale Kontakte zu Denkmalpflegern und Wissenschaftlern angewiesen. Dieser Internationalismus zeigte sich auch darin, dass bereits in den ersten Ausgaben des „Burgwart“ Aufsätze versammelt waren, in denen die Autoren Burgen aus Livland (die heutige Region zwischen Lettland und Estland), Belgien, Dänemark oder England behandelten.149 Ebhardts Kontakte verhalfen ihm zu Plänen, Fotografien und Archivalien, da er nicht alle europäischen Länder selbst bereisen konnte. Wenn es ihm möglich war, auf Forschungsreise zu gehen, benötigte er Helfer vor Ort, die ihn unter­stützten.150 Im Gegenzug scheute sich Ebhardt nicht davor, Materialien aus seinem Archiv anderen Burgenforschern zur Verfügung zu stellen. Diese Praxis der inter­ nationalen Kommunikation im wissenschaftlichen Feld war um 1900 gängig. Elisabeth Crawford beurteilt die Zeit von 1900 – 1914 als „goldenes Zeitalter des Internationalismus“ in den Wissenschaften.151 Zudem gehörten Kosmopolitismus und die Bekanntschaft mit Intellektuellen, Forschern und anderen ­Persönlichkeiten der exklusiven Gesellschaft Europas zum aristokratischen Habitus der Mitglieder der Burgenvereinigung.152 147 Vgl. Ebhardt, Deutsche Burgen, Bd. 1, 1898, S. 472. 148 Vgl. Möller, Roland: „Putz, Farbe, Farbigkeit.“ In: Böhme, Horst Wolfgang u. a. (Hg.): Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. Bd. 1: Bauformen und Entwicklung. Stuttgart 1999, S. 270 – 272. 149 Stellvertretend Haupt, Richard: Dänischer Burgenbau: Die Burg Glambeck auf Fehmarn. In: Der Burgwart 9 (1908) 4, S. 81 – 85; von Löwis, Karl: Zur livländischen Burgenkunde im 19. Jahrhundert. In: Der Burgwart 2 (1901) 15, S. 137 – 141; Schorn, Hans Traugott: Das Arundelschloss des Herzogs von Norfolk. In: Der Burgwart 14 (1913) 8, S. 147 – 155. 150 Vgl. Link, Fabian: The Internationalism of German Castle Research: Bodo Ebhardt, his European Network, and the Construction of ’Castle Knowledge‘. In: Public Archaeology 8 (2009) 4, S. 325 – 350. 151 Für die Prähistorie vgl. Kaeser, Marc-Antoine: On the International Roots of Prehistory. In: Murray, Timothy/Evans, Christopher (Hg.): Histories of Archaeology: A Reader in the History of Archaeology. Oxford 2008, S. 378 – 391. Vgl. Metzler, Gabriele: Deutschland in den internationalen Wissenschaftsbeziehungen, 1900 – 1930. In: Grüttner/Hachtmann/ Jarausch/John (Hg.), Gebrochene Wissenschaftskulturen, 2010, S. 55 – 82, hier S. 57. 152 Vgl. die Liste von Bodo Ebhardts internationalen Kommunikationspartnern vom 14.8.1939. In: A DBV, Nr. 3610. Vgl. Castellani Zahir, Elisabeth: Bodo Ebhardt zwischen Berlin, Wien

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Ebhardt nutzte folglich seine Kontakte zur Untermauerung seiner pangermanisch-rassenaristokratischen Thesen. Dabei unterhielt er keineswegs nur zu germanophil gesinnten Wissenschaftlern und Denkmalpflegern Verbindungen, wie es für die späteren Wissenschaftlernetzwerke der VFG mehrheitlich gelten kann.153 Ebhardt und seine Kontaktpersonen scheinen Kommunikation auf wissen­schaftlicher Ebene von politischer Haltung getrennt zu haben. Internationale wissenschaftliche, in diesem Sinne liberale Kommunikation und pangermanisch-nationalistische Wissenskonstruktionen standen nicht quer zueinander, sondern gingen bei Ebhardt ineinander über. Nach 1933 sind keine methodischen Neuerungen auszumachen. Ebhardt führte die umfangreiche Sammlung von Dokumenten und Zeitungsartikeln zu einzelnen Burgen, Schlössern und Pfalzen weiter und wertete die Materialien in seinem Lebenswerk „Der Wehrbau Europas im Mittelalter“ aus. In den 1920er-Jahren aufgekommene technische Verfahren zur Befundaufnahme von Mauerwerk – z. B. die Fotogrammetrie, die ein Abgleichen von fotografierten mit gezeichneten Befunden erlaubte, oder die Analyse der chemischen Zusammensetzung von Mörtelproben aus verschiedenen Bauteilen der Burg, die für relativchronologische Aufschlüsse wichtig war 154 – sind für Ebhardts Vorgehen an Ort und Stelle nicht belegt. Auch die bei den Landes- und Volkshistorikern beliebte Kartierungstechnik – im Falle der Burgenforschung also eine nach verschiedenen Kriterien geordnete geografisch-quantitative Ausbreitung der bekannten und erforschten Burgstellen – verwendete Ebhardt nicht. Er hatte sich um 1900 methodisch festgelegt und sich danach nicht mehr um einen Anschluss an die methodologischen Entwicklungen in der Burgenforschung bemüht.

und Chillon. In: von der Dollen/Schock-Werner (Hg.), Burgenromantik und Burgen­ restaurierung, 1999, S. 170 – 179. 153 Vgl. Heinzel, Reto: Von der Volkstumswissenschaft zum Konstanzer Arbeitskreis. ­Theodor Mayer und die interdisziplinäre deutsche Gemeinschaftsforschung. In: Albrecht, Stefan/Malíř, Jiří/Melville, Ralph (Hg.): Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918 – 1960. Zur Vorgeschichte und Gründung der Historischen Kommission der Sudetenländer (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 114). München 2008, S. 43 – 59, hier S. 56. 154 Bericht des Kantons-Chemikers Dr. R. Viollier an Carl Roth vom 21.4.1932. In: Schweiz. Burgenarchiv, Akte „Ausstellung Burgen von Basel und Umgebung“.

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Zwischenbilanz

Ebhardts Verschränkung der nationalistischen und rassenaristokratischen Weltanschauung mit wissenschaftlichem Wissen darf nicht als Zeugnis eines „Zeitgeistes“ gesehen werden. Andere Burgenforscher können genannt werden, die solche Ansichten nicht vertraten. Zu denken ist hier an Eduard Sthamer oder Otto Piper, die zwar gewiss nicht linksliberal eingestellt waren, in deren wissen­ schaftlichen Erzeugnissen pangermanisch-‚rassischer‘ Nationalismus aber vergebens zu suchen ist.155 Ebhardts Wissenskonstruktionen waren Ausdruck der spezifischen Haltung eines rechtsradikalen und rassenaristokratischen Nationalismus. Gleichzeitig waren sie Resultat einer starken Heteronomie. Diese spezifische Denkart mündete darin, dass zwischen Ebhardts Wissenskonstruktionen und den zeitgenössischen politischen Ereignissen 1933 eine Homologie vorlag: Das NS-Regime war für Ebhardt der Beginn einer neuen Blütezeit Deutschlands. Dabei veränderte er seine um 1900 festgelegten epistemischen Grundlegungen und Methoden nur minimal. Das Festhalten an der im Wilhelminismus entwickelten Forschungsweise zeigt sich an der Fortführung der internationalen Kommunikation, die Ebhardt nur während der beiden Weltkriege unterbrach.156 Eine solche wissenschaftliche Praxis stand konträr zur Abkehr der deutschen Wissenschaft vom Internationalismus, die nach 1933 gefordert wurde. 4.1.3 KONKLUSION: AUSSERAKADEMISCHE BURGENFORSCHUNG NACH 1945

Als die alliierten Truppen im Frühjahr 1945 das Rheinland besetzten, war Bodo Ebhardt bereits gestorben. Kurz nach dem Kriegsende wurde die Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. aufgelöst. Ebhardts Sohn Fritz, der Bodo Ebhardt bereits in den 1920er-Jahren bei seinen Unternehmen assistierte, versuchte 1946, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Er zog samt seiner Familie auf die ruinierte Marksburg und machte sich daran, sie wieder instand zu setzen.157 Tatsächlich versammelte er die Mitglieder des neuen Direktionsausschusses im Februar 1949 zur ersten Sitzung, nachdem die französische Militärregierung die 155 Vgl. Sthamer, Eduard: Die Bauten der Hohenstaufen in Unteritalien. 2 Bde. Leipzig 1912, 1926. Vgl. Piper, Burgenkunde, 1912. 156 Bodo Ebhardt an Paul Clemen vom 27.2.1938. In: A DBV, Nr. 2021. 157 Dollen, Busso von der: MS Fritz Ebhardt und die Marksburg. Zum 100. Geburtstag des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Burgenvereinigung (1894 – 1968) (undatiert). In: A DBV, Nr. 2500.

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Burgenvereinigung wieder zugelassen hatte. Im selben Jahr erfolgte die Publikation einer Festschrift anlässlich ihrer Neugründung, herausgegeben vom neuen Präsidenten Fritz Ebhardt.158 Zunächst schien es so, als ob es ihm gelingen würde, die Burgenvereinigung in den neuen gesellschaftlichen Rahmen hinüberzuretten. Von 1950 – 1957 erschien einmal jährlich das „Mitteilungsblatt der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen ­­e. V.“, trotz Papierkontingent und erschwerten Publikationsmöglichkeiten. Fritz Ebhardt vermochte die Vereinigung danach jedoch nicht mehr zu halten. Zu Beginn der 1960er-Jahre wurde sie aufgelöst und als Deutsche Burgenvereinigung e. V. neu gegründet.159 Aus der Akteursperspektive Bodo Ebhardts ist seine Laufbahn durchaus als Erfolg zu werten, auch wenn er seine Bibliothek, Archivaliensammlung und die Burgenvereinigung nur unter teilweise großen finanziellen Entbehrungen erhalten konnte. Nicht nur, dass Ebhardt zu einer Vaterfigur in der deutschen Burgenforschung geworden war, seine Organisation wurde darüber hinaus 1960 neu gegründet und existiert bis heute. Ebhardts Burgenvereinigung hatte auch für zahlreiche andere Vereinsgründungen eine Vorbildfunktion, so für den SBV (1927) oder für das nach dem Zweiten Weltkrieg institutionalisierte Niederösterreichische Burgenarchiv von Felix Halmer.160 Für die außerakademische Burgenforschung im deutschsprachigen Raum hatte Ebhardts Burgenvereinigung Schubwirkung. Bei der Frage nach einer Konsolidierung als eigene Disziplin und einer akademischen Institutionalisierung ist dagegen festzuhalten, dass Ebhardts Strategie in der Nachkriegszeit keine erkennbare Wirkung zeigte. Im Gegenteil, Ebhardt selbst hatte sich von der akademischen Kunstgeschichte, der Denkmalpflege und der Archäologie bewusst abgegrenzt und stattdessen mit Politikern kooperiert. 1945 war seine Art der Burgenforschung universitären Standards ferner als zuvor. Dies zeigte sich daran, dass es Ebhardt nicht gelang, eine vollständig wissenschaftlich-autonome Symbolform in seinen Texten zu entwickeln. Seine 158 Lütgens, Alfred: Die Tagungen auf der Marksburg vom 25. – 27. Februar und am 28. Mai 1949. In: Jubiläumsschrift 1949 der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen, gegr. 1899. Herausgegeben von: Fritz Ebhardt. Braubach 1949, S. 4 – 6, hier S. 4. 159 Vgl. die Ausgaben von 1950 – 1957 des Mitteilungsblatts der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. Präsident: Fritz Ebhardt. Marksburg ob Braubach. Vgl. Burgen und Schlösser 1 (1960). 160 Vgl. Steininger, Hermann: Die Burgenkundliche Sammlung (Niederösterreichisches Burgen­ archiv). In: 175 Niederösterreichische Landesbibliothek. Sonderausstellung im Foyer der NÖ Landesbibliothek, Wien 1, Teinfaltstraße 8, 21. Juni-30. Dezember 1988 (NÖ Schriften 17 – Wissenschaft). Wien 1988, S. 57 – 62.

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Wissenschaftskonstruktionen waren eine Mischung aus politischen Haltungen, ästhetischen Vorstellungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. 4.2 DER ARCHÄOLOGE: GOTTHARD NEUMANN (1902 – 1972)

Am 30. Januar 1935 hielt Gotthard Neumann, beamteter außerordentlicher Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU),161 eine Rede zum Jahrestag der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten mit dem Titel „Die Sendung der Vorgeschichte und ihrer Vertreter in unserer Zeit“. Neumanns Feierrede, die erste dieser Art, war dem dreiunddreißigjährigen Professor von der Philosophischen Fakultät angetragen worden. Anwesend waren sowohl Vertreter der FSU als auch regionale und lokale NS-Politiker. In seiner später publizierten Rede schlug er den Bogen vom Kaiserreich zum ‚Dritten Reich‘. „Als Angehörige, Förderer und Freunde der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben wir uns hier im Volkshaussaale versammelt“, so Neumann, „um uns aufs neue jener beiden stolzesten Tage bewusst zu werden, mit denen ein gütiges Geschick unser deutsches Volk in den letzten hundert Jahren begabt hat. Ich meine den 18. Januar 1871 und den 30. Januar 1933.“ Diese beiden „entscheidenden Augenblicke vaterländischer Geschichte“ wolle er einmal „aus der Gesinnung unserer germanischer Vorfahren heraus“ deuten. In diesem Sinne erschien ihm der 18. Januar 1871 als der Tag, „an dem die reisigen Waffenträger aller deutschen Stämme die Krönung des edelsten ihrer Kampfgenossen zuließen, weil er ihnen zum Symbol des gemeinsamen Sieges geworden war.“ Am 30. Januar 1933 dagegen „kürte das ganze deutsche Volk durch den Mund seines schlachtenerprobten und weisen Ältesten den jungen Herzog seines Blutes.“ Nach germanischer Sitte hatte „das deutsche Volk den Führer auf Tod und Leben mit der ganzen Vollmacht seiner nationalen Kraft ausgerüstet“ und stand nun „durch die überragende Persönlichkeit dieses Führers zu einem einzigen Keile verschweißt in unerschütterlicher Männlichkeit und Treue bereit, gegen jeden Feind vorzubrechen.“162 161 Vormals Thüringische Landesuniversität, zum 175. Geburtstag Schillers am 10.11.1934 in FSU umbenannt. Vgl. Witte, Arthur: Schiller und die Gegenwart. Rede bei der von der Universität Jena veranstalteten Feier des 175. Geburtstages Friedrich Schillers, gehalten am 10. November 1934 ( Jenaer akademische Reden 20). Jena 1935, S. 15. 162 Neumann, Gotthard: Die Sendung der Vorgeschichte und ihrer Vertreter in unserer Zeit. Ansprache, gehalten aus Anlass der Universitätsfeier am 30. Januar 1935 ( Jenaer Akade­mische

Der Archäologe: Gotthard Neumann (1902 – 1972)  |

Nach diesen einleitenden Worten hob Neumann die Eigenschaften und vor allem die Vorzüge der Vor- und Frühgeschichte als akademisches Fach für die deutsche Gesellschaft und den NS-Staat hervor. Dann ging er auf einen für ihn wichtigen Sachverhalt ein: „In diesem Zusammenhange halte ich für notwendig, einmal auszusprechen, dass es nach meiner Meinung ein völliger Missgriff ist, wenn in unserer Zeit von einigen Germanomanen der Versuch gemacht wird, es so darzustellen, als ob die Kultur der Germanen von alters her jeder anderen schlechthin überlegen gewesen sei.“ Abgesehen davon, dass solche „Germanomanen“ ihre Behauptung niemals würden beweisen können, „verfallen diese Utopisten damit in denselben Fehler, den sie etwa bei Franzosen und Italienern auf heftigste bekämpfen“, sie forderten dadurch „die nationalistische Überhebung anderer Völker“ geradezu heraus. Nach Neumanns Überzeugung war es „überhaupt verfehlt, Kulturen in ihrem Werte gegeneinander abzuwägen“.163 In Neumanns Rede von 1935 werden die beiden Dispositionen deutlich, die für seine Laufbahn im NS-Regime bestimmend waren: Auf der einen Seite die politische Zustimmung für und die Erwartungen an die NS-Politik, auf der anderen Seite der Rekurs auf ein Verständnis von vorzeitlichen Völkern, das offenbar nicht germanenzentriert und daher mit NS-Ideologemen nur schwer zu vereinen war. Es ist bemerkenswert, dass Neumann seine Kritik an solchen Wissenschaftlern, die das Germanische überhöhten, im Rahmen eines Anlasses äußerte, bei dem er damit rechnen musste, dass auch NS -Politiker und NS Ideologen anwesend waren, die den Germanenkult ernst nahmen. Neumanns Rede wurde denn auch von anwesenden Vertretern der Studentenschaft gestört und später in der Studentenzeitung kritisiert: Das nächste Mal, so der A ­ rtikel in der Studentenzeitung, sollte lieber ein Festredner der Partei eingeladen werden als ein Professor.164 Eine Denkfigur springt im ersten Zitat aus der Rede besonders ins Auge, nämlich Neumanns Absicht, das zeitgenössische Geschehen „einmal aus der

Reden 21). Jena 1935, S. 5. 163 Ebd., S. 9. 164 Vgl. Grabolle, Roman/Hoßfeld, Uwe/Schmidt, Klaus: Ur- und Frühgeschichte in Jena 1930 – 1945: Lehren, Forschen und Graben für Germanien? In: Hoßfeld, Uwe/John, Jürgen/ Lemuth, Oliver/Stutz, Rüdiger (Hg.): „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln, Weimar, Wien 2003, S. 868 – 912, hier S. 885. Vgl. Ortlepp, Rudolf: Ansätze zur Schaffung eines neuen Studententypus. In: Die Jenaer Studenten­schaft 9 (1934/35) 7, S. 134.

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Gesinnung unserer germanischen Vorfahren“ heraus zu deuten. Eine solche Denkweise setzte das historistische Denkmuster der Eigenheit einer jeden historischen Epoche durch einen Essenzialismus außer Kraft, wodurch Elemente vergangener Zeiten für die Gegenwart aktualisierbar wurden. In diesem Kapitel wird gezeigt, dass dies nicht als eine rhetorische und, wie es scheint, naive Annäherung eines Prähistorikers an die NS-Ideologie zu interpretieren ist, sondern Resultat einer spezifischen Wissensordnung und Denkhaltung war, die zur Identität der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie als wissenschaftlicher Fachgemeinschaft gehörte.165 Im Hinblick auf die Entwicklung der archäologischen Burgenforschung liegt die Fragestellung bei Neumann anders als bei Bodo Ebhardt. Neumann war ein Vertreter des Fachs Vor- und Frühgeschichte. Obgleich er neben ­anderen Objekten auch mittelalterliche Burgen erforschte, war seine Identität im Wissen­ schaftsfeld die des Archäologen, nicht die des Burgenforschers und Burgendenkmalpflegers. Dies bedeutet, dass während Neumanns Studium in den 1920er-Jahren bereits eine mehr oder weniger große Gemeinschaft vor- und frühgeschichtlicher Archäologen existierte, wodurch er sich einen bestimmten archäologischen Habitus aneignen konnte. Mit Blick auf Neumanns Rolle in der Erforschung hochmittelalterlicher Burgen werden daher die folgenden Fragen behandelt: 1 |  Gotthard Neumann erforschte hochmittelalterliche Burgen so wie alle anderen archäologischen Kulturdenkmäler. Damit stand er zwar nicht allein da, ein solcher Ansatz war aber auch nicht die Regel in der Vor- und Frühgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neumanns breiter Forschungshorizont ist daher erklärungsbedürftig. 2 |  Aufgrund von Neumanns positiven Äußerungen gegenüber dem NS Staat liegt die Vermutung auf der Hand, dass seine Laufbahn nach der sogenannten Machtergreifung erfolgreich verlief. Daher müssen Neumanns Position im Wissenschaftsfeld im Allgemeinen und in der Vor- und Frühgeschichte im Besonderen sowie die Veränderungen, die nach 1933 erfolgten, aufgezeigt werden. 3 |  Wenn Neumanns Laufbahn erfolgreich verlief und er auch Mittel­alter­ burgen ausgrub, ist zu fragen, ob dadurch Konsolidierungsprozesse in der archäologischen Burgenforschung in Gang gesetzt wurden. 165 Innerhalb des Fachs gab es weitere Differenzierungen, die nach den Zeitepochen ausgerichtet waren, auf die sich die Archäologen spezialisierten, also Urgeschichte, Vorgeschichte, Frühgeschichte etc. Ich werde mich hier auf die Bezeichnung Vor- und Frühgeschichte oder Prähistorie beschränken, schließe damit aber die Urgeschichte nicht aus.

Der Archäologe: Gotthard Neumann (1902 – 1972)  |

4 |  Es ist zu klären, in welcher Hinsicht Neumanns Wissenschaftskonzept von demjenigen germanenzentrierter Prähistoriker abwich. In Anbetracht ­dessen, dass Neumann dem NS-Staat offenbar positiv gegenüberstand, ist zu fragen, ob ein semantischer Umbau seiner Ansätze und Begriffe im Verlauf der zwölf Jahre NS-Herrschaft erfolgte.

4.2.1 DIE VOR- UND FRÜHGESCHICHTE IM KAMPF UM AUTONOMIE UND NEUMANNS STRATEGIE

In diesem Abschnitt wird die Genese von Gotthard Neumanns wissenschaft­ lichem Habitus aufgezeigt und seine Position im Wissenschaftsfeld festgemacht. In einem zweiten Schritt stehen die Entwicklung der Vor- und Frühgeschichte vom späten 19. Jahrhundert bis 1933 und ihre Lage im Wissenschaftsfeld vor dem Machtwechsel im Mittelpunkt. Aus der Bestimmung von Neumanns Habitus und der allgemeinen Lage der Vor- und Frühgeschichte im Wissenschaftsfeld heraus wird dann Neumanns Laufbahn bis 1945 und darüber hinaus nachgezeichnet. Wissenschaftlicher Habitus

Gotthard Arno Ernst Neumann stammte aus Schwabsdorf im heutigen Landkreis Weimar in Thüringen. Er wuchs in einem mittelständischen bis bildungsbürgerlichen Milieu auf, in dem nationalliberale bis nationalkonservative politische Haltungen und evangelisch-lutherische Werte vertreten wurden. Sein Vater, Arno Neumann, war promovierter Pfarrer, der um 1900 seinen Beruf wegen Konflikten mit der Kirchenleitung wechselte und Oberlehrer wurde; er starb 1926. Über Gotthard Neumanns Mutter und seine beiden Geschwister Käthe und Wolfgang liegen nur wenige Informationen vor. Als Oberlehrer und späterer Oberstudiendirektor des Realgymnasiums in Weimar war Neumanns Vater ein geistig tätiger, insbesondere naturwissenschaftlich interessierter Mann. Auch politisch war er aktiv: Von 1920 – 1924 vertrat er als Landtagsabgeord­ neter die Deutsche Volkspartei (DVP). Gotthard Neumanns Familie war durch die Tätigkeit des Vaters im Schuldienst und durch dessen Engagement in der Regionalpolitik mit der Weimarer Region eng verbunden. In Apolda besuchte Neumann zuerst die Vorschule, wechselte dann an die Vorschule der Ober­ realschule in Jena und schließlich ans dortige Humanistische Gymnasium, wo er 1921 das Reifezeugnis ablegte. Während der Schulzeit begann er sich für die Archäologie zu interessieren. In Jena besuchte Neumann Privatveranstaltungen

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des Archäologen und Bauforschers Wilhelm Dörpfeld, der durch seine Ausgrabungen in Olympia und Troja weltweiten Ruhm erlangt hatte.166 Laut einem 1938 verfassten Lebenslauf für den Gaudozentenbund studierte Neumann daraufhin vier Semester in Jena, ein Semester in München und sechs Semester in Marburg Vorgeschichte, Geschichte mit besonderer Gewichtung der Historischen Hilfswissenschaften und Deutsche Philologie. Neben den drei Hauptfächern beschäftigte er sich mit Klassischer Archäologie, Kunstgeschichte, Diluvialgeologie, physischer Anthropologie, Philosophie, Religionswissenschaft und Kirchengeschichte. Neumann schloss sein Studium im Dezember 1926 bei Gustav Behrens in Marburg mit der Promotion in Vor- und Frühgeschichte ab. Behrens und Paul Jacobsthal bewerteten Neumanns Arbeit mit den Prädikaten „sehr gut“ und „ausgezeichnet“.167 Kurz nach seinem Abschluss trat er die Stelle eines Volontärassistenten am Staatlichen Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte in Dresden an und wurde dort bald zum planmäßigen wissen­schaftlichen Hilfsarbeiter befördert.168 Neumanns Lehrer in der Geschichtswissenschaft und der deutschen P ­ hilologie entsprachen dem Gelehrtentyp des deutschen „Mandarins“, waren meist nationalkonservativ eingestellt, lehnten die Weimarer Republik ab und befürworteten tendenziell den NS-Staat, den sie als Möglichkeit für eine Restitution autoritärer Ordnung sahen. ‚Geist‘ und ‚Kultur‘ waren die Leitbegriffe ihres wissenschaftlichen Denkens. Hierzu gehörten die Jenaer Professoren Walther Judeich (Alte Geschichte) und Alexander Cartellieri (mittelalterliche Geschichte).169 Die Marburger Edmund Ernst Stengel und Karl Helm, bei denen Neumann Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften (Stengel) sowie Altgermanische Religionsgeschichte (Helm) studiert hatte, gehörten zu den Mitunterzeichnern des Bekenntnisses deutscher Professoren zu Hitler. 166 Personalbogen Gotthard Neumann vom 15.5.1949. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194; Personalbogen Gotthard Neumann vom 29.8.1953. In: Ebd.; Ausformulierter Lebenslauf G ­ otthard N ­ eumann vom 1.10.1938. In: Ebd., Bl. 2 – 4. Vgl. Neumann, ­Gotthard Arno Ernst, geb. 8.6.1902, Schwabsdorf Kr. Weimar. In: Bundsarchiv, R 4901/13272, Fiche 147, Kartei Nr. 6919. Für vielerlei Informationen und Hinweise zu Gotthard N ­ eumanns frühen Jahren danke ich Karl Peschel. 167 Vgl. Ausformulierter Lebenslauf Gotthard Neumann vom 1.10.1938. In: UAJ , Best. D, Nr. 3194, Bl. 2 – 4. 168 Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 877. 169 Vgl. Gottwald, Herbert: Die Jenaer Geschichtswissenschaft in der Zeit des National­ sozialismus. In: Hoßfeld/John/Lemuth/Stutz (Hg.), „Kämpferische Wissenschaft“, 2003, S. 913 – 942, hier S. 913 – 914; Pöthe, Angelika: Konservatives Kulturideal und National­ sozialismus: Jenaer Germanisten im Dritten Reich. In: Ebd., S. 850 – 867.

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Stengel sollte später Karriere im NS-Regime machen. Da er 1941 zur Eröffnung von Rosenbergs Institut zur Erforschung der Judenfrage eingeladen wurde, ist davon auszugehen, dass Stengel antisemitisch eingestellt war, und zwar nicht erst seit 1933. Auf eine nationalistische und antisemitische Haltung weist die Laufbahn von Stengels Adoptivsohn Lothar Stengel-von Rutkowski hin, der Rassenhygieniker und Vertreter der vorgeblich neuen NS-Wissenschaft an der FSU werden sollte.170 Zu dieser Gruppe sind auch Gelehrte zu zählen, welche die „germanische Geisteswelt“ aus volkskundlicher Perspektive behandelten. Der Leitsatz des ‚völkischen‘ Germanisten Hans Naumann, dass sich „in großen Epochen höchstes Künstlertum mit breiter Volkskunst verbinde[n]“ würde,171 schlug sich bei Neumann in der Aufwertung heimatlich-bäuerlicher Artefakte prähistorischer und mittelalterlicher Kulturen nieder. Antisemitische Ansichten wird Neumann nicht nur bei Stengel aufgenommen haben. Einen ausgeprägten Antisemitismus vertraten auch die Philosophen Bruno Bauch und Max Wundt, die Neumann nach eigenen Angaben in Jena gehört hatte. In Bauchs Ideenwelt waren die Juden den Deutschen gegenüber „fremdvölkisch“. Er sprach in seinen Vorlesungen von einer „germanischen Mentalität“, die für ihn aus der organisch-ethnischen Einheit der Germanen hervorgegangen war.172 Diese völkischen Ansichten zeigten sich in Neumanns oben auszugsweise zitierter Rede, die er an eine von Bauch 1922 gehaltene Universitätsrede zur „51. Wiederkehr des Jahrestages der Gründung des Deutschen Reiches“ mit dem Titel „Von der Sendung des deutschen Geistes“ angelehnt hatte.173 Auch Wundt war Antisemit und leitete ab 1920 die Gesellschaft Deutscher Staat, die reichsweit gegen die Weimarer Republik agierte.174 Der Einfluss dieser Philosophen auf Neumann darf allerdings nicht überbewertet werden, 170 Vgl. Grundmann, Herbert: Nekrolog. Edmund E. Stengel. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 24 (1968) 2, S. 605 – 606; Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2005, S. 601; Stengel, Edmund Ernst: Seminar für geschichtliche Hilfswissenschaften. In: Hermelink, H./Kaehler, S. A. (Hg.): Die Philipps-Universität zu Marburg 1527 – 1927. Marburg 1927, S. 741 – 743. 171 Pöthe, Konservatives Kulturideal und Nationalsozialismus, 2003, S. 851. 172 Sluga, Heidegger’s Crisis, 1993, S. 84, 94. 173 Vgl. Hoßfeld, Uwe/John, Jürgen/Lemuth, Oliver/Stutz Rüdiger: „Kämpferische Wissenschaft“: Zum Profilwandel der Jenaer Universität im Nationalsozialismus. In: Hoßfeld, Uwe/ John, Jürgen/Lemuth, Oliver/Stutz Rüdiger (Hg.): „Im Dienst an Volk und Vaterland“. Die Jenaer Universität in der NS-Zeit. Köln, Weimar, Wien 2005, S. 1 – 126, hier S. 34. 174 Hoßfeld/John/Lemuth/Stutz, „Kämpferische Wissenschaft“, 2005, S. 35; Sluga, Heidegger’s Crisis, 1993, S. 112 – 118.

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denn Neumann verstand sich in erster Linie als Empiriker und hielt wenig von großen Theorien. Entscheidend für seinen wissenschaftlichen Habitus waren daher empirisch und positivistisch arbeitende Wissenschaftler wie Gustav Eichhorn in Jena, der Diluvialgeologe Ferdinand Birkner und der Anthropologe Rudolf Martin in München. Eichhorn betreute seit 1901 die Sammlungen des 1863 gegründeten Germanischen Museums an der Universität Jena (Anstalt für Vor- und Frühgeschichte). Er gehörte noch zur Generation der Autodidakten in der Vor- und Frühgeschichte, hauptberuflich war er Sanitätsrat und später Vertrauensarzt der Allgemeinen Ortskrankenkasse Jena.175 1927 ernannte ihn das Thüringische Volksbildungsministerium zum ordentlichen Honorarprofessor für ­Vor- und Frühgeschichte an der Universität Jena. Neumann hatte während seiner vier Semester in Jena Eichhorn als Museumsvorstand kennengelernt, der sich neben Ausgrabungen mit der Neuordnung der archäologischen Sammlungen beschäftigte. Bei Eichhorn lernte Neumann das archäologische Handwerk und eignete sich eine wissenschaftliche Denkweise an, die vor allem aus dem Ordnen archäologischer Objekte nach typologischen und chronologischen Gesichtspunkten bestand.176 Martins und Birkners Einfluss auf Neumann zeigte sich in einer um Objektivität bemühten, naturwissenschaftlichen Sicht auf kulturelle Zeugnisse vergangener Epochen. Martin war der Autor des international rezipierten „Lehrbuchs der Anthropologie“ (1914) und war wie Birkner um die Entwicklung einer Beschreibung von Typen vergangener und zeitgenössischer Menschen (‚Rassen‘, Gruppen) bemüht, die auf rein physiologischen Gesichtspunkten basierte.177 Daneben studierte Neumann Klassische Archäologie bei Paul Jacobsthal in Marburg, einem renommierten Vertreter dieses Fachs. Jacobsthal strebte die Zusammenarbeit mit anderen Archäologen auf internationaler Ebene an und 175 Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 871; Peschel, Karl: Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege in Thüringen 1930 bis 1947. In: 100 Jahre die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens. Beiträge zur Geschichte der archäologischen Denkmalpflege in Thüringen. Herausgegeben von: Archäologische Gesellschaft in Thüringen e. V. (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 59). Altenburg 2010, S. 69 – 116, hier S. 70. 176 Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 877 – 878. 177 Proctor, Robert: From Anthropologie to Rassenkunde in the German Anthropological Tradition. In: Stocking, George W. Jr. (Hg.): Bones, Bodies, Behavior: Essays on Biological Anthropology (History of Anthropology 5). Madison Wisconsin 1988, S. 138 – 179, hier S. 142. Vgl. Birkner, Ferdinand: Die Rassen und Völker der Menschheit. Berlin, München, Wien 1913.

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bemühte sich um eine Verbindung seines Fachs mit der Prähistorie. 1927 wurde denn auch der erste Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie in Deutschland an seinem Institut eingerichtet (Gero Merhart von Bernegg). Jacobsthals Sicht der keltischen Kunst als „Ausdruck der ersten mitteleuropäischen Hochkultur“ sollte später auch Neumann vertreten. Jacobsthal verlor seine Marburger Professur 1935 aufgrund seiner jüdischen Herkunft.178 Besonders wichtig für ­Neumann war Jacobsthals Assistent Walther Bremer, der maßgebend zur Gründung des ersten Lehrstuhls für Prähistorie beigetragen hatte. Als außerordentlicher Professor und Denkmalpfleger für den Regierungsbezirk Kassel versuchte er, akade­mische Archäologie und praktisch ausgerichtete Bodendenkmalpflege zusammenzubringen. Auch Bremer war international anerkannt, 1925/1926 erhielt er den Posten des Kurators der Irischen Altertümer in Dublin, um den er sich beworben hatte. Wie Jacobsthal in seinem Nachruf auf den bereits 1926 verstorbenen Bremer schrieb, hatte er „der Verlockung, in der Vorgeschichte Antwort zu suchen auf Fragen, die politisches oder völkisches Wollen unserer Tage stellte“, widerstanden.179 Diese Bemerkung Jacobsthals deutet darauf hin, dass es in den 1920er-Jahren genügend andere Archäologen gab, die Vor- und Frühgeschichte als Weltanschauungs- und Deutungswissenschaft verstanden und praktizierten. Die Disposition von Neumanns akademischem Bildungskapital lässt sich wie folgt charakterisieren: Die Wahl seiner Fächer und Lehrer zeugt von einer ganzheitlichen Bildung in klassisch-philologischen, historischen und technikbasierten, eher praxisorientierten Fachbereichen. Naturwissenschaftliche Methodik, ein positivistischer Wissensbegriff, gleichzeitig eine konservative Geschichtsauffassung und antisemitische, ‚völkisch‘-heimatlich grundierte Ideen bestimmten Neumanns wissenschaftliches Denken. Gotthard Neumann gehörte zu der Generation von Akademikern, die für die Teilnahme am Ersten Weltkrieg „zu jung [war], um noch eingezogen zu werden,

178 Altekamp, Stefan: Klassische Archäologie und Nationalsozialismus. In: Elvert/NielsenSikora (Hg.), Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, 2008, S. 167 – 209, hier S. 173, 203; Schefold, Karl: Paul Jacobsthal (1880 – 1957)/Archäologe. In: Schnack, Ingeborg (Hg.): Marburger Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 35/1). Marburg 1977, S. 228 – 239. 179 Vgl. Schuchhardt, Carl/Jacobsthal, Paul/Macalister, R. A. Stewart: Nekrolog. Walther Bremer †. In: Prähistorische Zeitschrift 17 (1926), S. 281 – 287, hier S. 283. Vgl. Klüssendorf, Niklot: Bremer, Walther. In: Pettke, Sabine (Hg.): Biographisches Lexikon für Mecklenburg. Bd. 2. Rostock 1999, S. 59 – 63.

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und zu alt, um den Krieg nur als eine fern liegende Kindheitszeit zu erinnern“:180 Er war Angehöriger der „Kriegsjugendgeneration“, der zwischen 1900 und 1910 Geborenen. Ihre Jugend war von den Erfahrungen an der Heimatfront geprägt, was sowohl Siegesschulfeiern, die den Krieg als großes Spiel erscheinen ließen, wie auch Hunger und Not umfasste.181 Die Not wirkte sich auch auf Neumanns Milieu aus. Seine finanzielle Situation zu Beginn seines Studiums war prekär, nur als Werkstudent konnte er sein Studium absolvieren. Bereits in Marburg betreute er die hessische Fundpflege und arbeitete auf Ausgrabungen, so unter anderem bei Gerhard Bersu.182 Nach Günther Gründels Selbstbeschreibung war die Erfahrung des „Zusammenbruchs der Welt der Väter“, des Umsturzes und der „Umwertung aller Werte“ charakteristisch für Angehörige dieser Generation. Bereits in Kindheits- und Jugendjahren hatten sie Verhaltensweisen wie „Sachlichkeit“ bis zu „schroffer Kälte“ anderen Personen gegenüber, „Ernst, wortkarge Verschlossenheit und Zurückhaltung“ und das Bedürfnis nach einer seelischen Erschließung „für das große Ganze, für völkische, gesellschaftliche“ Belange entwickelt.183 Während „Ernst“ und „Verschlossenheit“ auf Neumann kaum zutreffen, war für seine Haltung die seelische Erschließung für ‚völkische‘ und gesellschaftliche Belange seiner thüringischen Heimat umso wichtiger.184 Eine eindeutige politische Haltung vertrat er allerdings nicht; Neumann selbst gab später an, er habe in den 1920er-Jahren der Partei seines Vaters, der DVP, nahegestanden.185 Ein erster Aufsatz, den Neumann während seines letzten Studienjahrs geschrieben hatte, zeugt von seiner Geisteshaltung Ende der 1920er-Jahre.

180 Wildt, Michael: Generation als Anfang und Beschleunigung. In: Jureit, Ulrike/Wildt, Michael (Hg.): Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs. Hamburg 2005, S. 160 – 179, hier S. 172. 181 Herbert, Best, 1996, S. 43; Wildt, Generation des Unbedingten, 2002, S. 46 – 52. 182 Ausformulierter Lebenslauf Gotthard Neumann vom 1.10.1938. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194, Bl.  2 – 4. 183 Vgl. wegweisend Theweleit, Klaus: Männerphantasien, 2 Bde. Bd. 1: Frauen, Fluten, K ­ örper, Geschichte, Bd. 2: Männerkörper. Zur Psychoanalyse des Weißen Terrors. Hamburg 1990. Vgl. in der Geschichtswissenschaft belegt durch Herbert, Ulrich: „Generation der Sachlichkeit“. Die völkische Studentenbewegung der frühen 20er Jahre in Deutschland. In: Bajohr, Frank (Hg.): Zivilisation und Barbarei. Die widersprüchlichen Potentiale der Moderne. Hamburg 1991, S. 115 – 144, hier S. 116 – 117. 184 Information von Karl Peschel in Bezug auf Gotthard Neumanns Persönlichkeit. 185 Ausformulierter Lebenslauf Gotthard Neumann vom 1.10.1938. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194, Bl.  2 – 4.

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Damals trieb ihn die Frage nach der geistigen und seelischen Lage der Deutschen um. Für Neumann stellte sich diese Frage insbesondere im Hinblick auf die fortschreitende technische Modernisierung. Moderne technische Errungenschaften lehnte er zwar nicht ab, es mussten seiner Ansicht nach aber „Gegengewichte gegen die einseitigen Einflüsse der Epoche, in der wir leben“, geschaffen werden. Die Menschen sollten sich auf „alles Eigenartige unseres Seins und Gewordenseins besinnen, es sammeln und hüten als ein heiliges Vermächtnis einfältigerer und doch reicherer Zeiten.“ Nur so war es Neumanns Meinung nach möglich, das eigene Gefühlsleben auf der „Grundlage echter Volkserkenntnis zu gründen“, was „durch jahrelanges Sichten und Durchforschen unserer Heimatlandschaft, Natur, Vorgeschichte, Geschichte, Sitte und Kunst, kurz unserer gesamten Heimatkultur“ erarbeitet werden könne.186 Neumann vertrat eine spezifische Auffassung der Moderne, in der technische Errungenschaften einer organischen, gefühlsmäßigen, dadurch für ihn echten „Volkserkenntnis“ untergeordnet werden sollten. Zu dieser organisch-technischen, irrationa­ listisch-jungkonservativen Moderne gehörten sowohl Autos, Autobahnen und Dampfschiffe als auch Fachwerkhäuser, Webstühle aus der „guten alten Zeit“ und mittelalterliche Burgruinen. Diese geistige Haltung war konstitutiv für Neumanns Grundlegung der Vor- und Frühgeschichte. Dabei nahmen Wilhelm Heinrich Riehls holistischorganizistische Ansichten einen hohen Stellenwert ein. Riehl meinte, dass „wer hinabsteigt in die Tiefen des Volkslebens und aus dem kleinen und einzelnen heraus sich seine Gesamtanschauung zusammenfügt, der wird überall noch sehr strenge und im wesentlichen gesonderte Gruppen wahrnehmen“.187 Diesen volkskundlich-‚völkischen‘ Ansatz projizierte Neumann auf seine Heimat Thüringen. Statt mit Plastiken antiker Bildhauerschulen beschäftigte er sich mit den „unansehnlichen Gefäßen“ seiner Heimatkultur, denn diese Objekte hatten für ihn eine gleichwertige Bedeutung wie das Grab Tutanchamuns für das Tal der Könige.188

186 Neumann, Gotthard: Gedanken über den seelischen Wert der Heimatpflege. In: Thüringer Heimatkundliche Blätter (1926) 2 (unpaginiert). 187 Zitiert in: Brather, Sebastian: Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie. Geschichte, Grundlagen und Alternativen (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 42). Berlin, New York 2004, S. 42. 188 Neumann, Gotthard: Mittelalterliche Gefäßfunde in der Gartenstraße zu Dippoldiswalde. In: Aus der Heimat. Halbmonats-Beilage zur Weisseritz-Zeitung Nr. 227 vom 28.9.1927, S.  125 – 129.

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Bevor Neumanns Laufbahn weiterverfolgt wird, muss die Lage der Vor- und Frühgeschichte im Wissenschaftsfeld um 1933 bestimmt werden. Dies erfordert eine kurze Darstellung ihrer Entwicklung vom späten 19. Jahrhundert bis in die 1920er-Jahre. Herausbildung der Vor- und Frühgeschichte

Zum Zeitpunkt, als Gotthard Neumann sein Studium begann, war die Vor- und Frühgeschichte im wissenschaftssoziologischen Sinne ein Fach. Es existierte eine Wissenschaftlergemeinschaft, es gab Zeitschriften, konsekrierte Methoden und gefeierte Gründerväter sowie Museen und ein paar wenige Konservatoren­ stellen. Im Verhältnis zu Fächern wie der Geschichtswissenschaft oder der Klassischen Archäologie mangelte es der Vor- und Frühgeschichte jedoch an Lehrstühlen. Während die Klassischen Archäologen Mitte der 1920er-Jahre 22 Lehrstühle an den deutschen Universitäten vorweisen konnten, sind für die Vorund Früh­geschichte im Jahr 1929 lediglich sechs ordentliche Lehrstühle und außerordentliche Professuren in Deutschland und Österreich zu nennen. Prähistoriker besetzten mehrheitlich Stellen als Museumskonservatoren oder waren hauptberuflich Schullehrer und Bibliothekare, die ihre Freizeit der Vor- und Frühgeschichte widmeten.189 Neumann gehörte nicht nur zur ersten Generation akademisch ausgebildeter Archäologen, die auf die Vor- und Frühgeschichte spezialisiert waren,190 sondern hatte auch in einer Zeit studiert, in der die Prähistoriker um Positionen im Wissenschaftsfeld kämpften. Neumann hielt sich angesichts der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse in der Weimarer Republik mit seinem breit gefächerten Studium die Option offen, falls nötig auch eine Anstellung als Geschichts- oder Deutschlehrer anzunehmen. Die Lage der Vor- und Frühgeschichte im Wissenschaftsfeld vor 1933 war demnach eine dominierte, was vor allem damit zu tun hatte, dass dieses Fach soziale, inhaltliche und methodische Eigenschaften aufwies, die im Wissenschaftsfeld singulär waren. Die ersten vor- und frühgeschichtlichen Archäologen richteten sich bei ihrer Arbeit zwar nach den Untersuchungsgegenständen 189 Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 868; Grünert, Heinz: Gustaf Kossinna (1858 – 1931). Vom Germanisten zum Prähistoriker. Ein Wissenschaftler im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Vorgeschichtliche Forschungen 22). Rahden / Westfalen 2002, S. 293. 190 Vgl. Pape, Wolfgang: Zehn Prähistoriker aus Deutschland. In: Steuer (Hg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft, 2001, S. 55 – 88, hier S. 58.

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der Klassischen Archäologie (antike Tempel, Gräber), im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschob sich ihr Fokus aber auf die germanischen oder keltischen „Barbaren“. Prähistoriker untersuchten keine prächtigen Steintempel der griechischen Klassik und keine herkulischen Bronzestatuen aus hellenis­tischer Zeit, sondern Keramikfragmente schwarz und braun gefärbter Kugeltöpfe, oder sie gruben Pfostenlöcher aus, um Hausgrundrisse zu rekonstruieren.191 Auch die Methoden und die theoretischen Grundlagen der Vor- und Frühgeschichte waren zunächst an denen der Klassischen Archäologie orientiert. Ab dem späten 19. Jahrhundert und verstärkt nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten jedoch tief greifende methodische Veränderungen, welche die Vor- und Frühgeschichte von der Klassischen Archäologie abgrenzten, denn viele der neuen Methoden stammten aus den Naturwissenschaften oder waren technischer Art, während die Klassische Archäologie von der philologischen Methodik geprägt war. Zu nennen sind hier die Pollenanalyse, das heißt das Herausfiltern von Pflanzenpollen aus Bodenproben zur Bestimmung der Flora vorgeschichtlicher Zeiten, und die Analyse von Speiseabfällen durch zoolo­ gische Methoden (Archäozoologie).192 Spätestens in den 1920er-Jahren konnte die Vor- und Frühgeschichte nicht mehr eindeutig den Geisteswissenschaften zugerechnet werden. Auf sozialer Ebene war die vor- und frühgeschichtliche Wissenschaftlergemeinschaft ausgesprochen heterogen, was sich insbesondere an der unterschiedlichen Plausibilität ihrer wissenschaftlichen Annahmen zeigte. Um 1900 existierten, grob zusammengefasst, drei Positionen in der Vor- und Frühgeschichte: 1 |  Klassische Archäologen, Kunsthistoriker oder Philologen mit einem humanistischen Bildungshintergrund, die von dieser Position aus die heimischen Altertümer erforschten. Dazu gehörten auch Bauforscher, Grabungstechniker und naturwissenschaftlich-medizinisch geschulte Archäologen und Anthropologen. Rudolf Virchow, Carl Schuchhardt oder Gerhard Bersu sind als renommierte Vertreter dieser Gruppe zu nennen. 2 |  Laiengelehrte, Autodidakten oder Antiquare, die meist in Gelehrtenvereinen organisiert waren. Sie verstanden ihre Arbeit sowohl als vaterlän­disches,

191 Vgl. Brather, Ethnische Interpretationen, 2004, S. 22. 192 Vgl. Eberhardt, Gisela: Deutsche Ausgrabungen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert. Eine problemorientierte Untersuchung zur archäologischen Praxis. Darmstadt 2011, S. 151 – 188; Eberhardt, Gisela: Spurensuche in der Vergangenheit. Eine Geschichte der frühen Archäologie. Darmstadt 2011, S. 115 – 127.

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deutscher Heimat und Nation verpflichtetes Unternehmen als auch als Privatvergnügen.193 3 |  Germanisten oder Volkskundler, die in der Tradition von Herder, der Gebrüder Grimm und der politischen Romantik nicht nur die geistesgeschichtlichen Erzeugnisse des deutschen Volkes, sondern auch seine materiellen Hinterlassenschaften untersuchten. Sie zeichneten sich insbesondere durch eine in der Regel unreflektierte Gleichsetzung von Ethnos und Sprache aus.194 Gustaf Kossinna, der seit 1902 beamteter außerordentlicher Professor an der FriedrichWilhelm-Universität zu Berlin war, war ein prominenter Vertreter dieser Position. Die erstgenannte Gruppe dominierte in den 1920er-Jahren die anderen beiden, da ihre Vertreter wichtige Stellen als Konservatoren an den Museen und in Institutionen mit Konsekrationsstatus wie die RGK oder das Archäologische Institut des Deutschen Reiches besetzten.195 Sie verfügten über das höchste Maß an wissenschaftlicher Autorität in der Vor- und Frühgeschichte. Kossinna und seine Schüler nahmen ihre Lage jedoch nicht kampflos hin, sondern führten eine Auseinandersetzung innerhalb der Prähistorie gegen die von Kossinna als „Römlinge“ diffamierte Gruppe der Klassischen Archäologen, Kunsthistoriker und Philologen im Bereich der Vor- und Frühgeschichte.196 Dabei war Kossinnas Position im Fach umstritten. Seine Methode der sogenannten Siedlungsarchäologie, die auf dem Grundsatz fußte, „[s]charf umgrenzte Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen“, wurde von Vertretern der erstgenannten Gruppe wegen mangelnder Evidenz kritisiert. Das wichtigste Argument hierbei war, dass Kossinna seine Thesen lediglich auf 193 Vgl. Marchand, Down from Olympus, 1996, S. 154 – 156, 162 – 180. 194 Brather, Ethnische Interpretationen, 2004, S. 39 – 40, 89 – 91. 195 Junker, Klaus: Zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts in den Jahren 1933 bis 1935. In: Näf, Beat (Hg.): Antike und Altertumswissenschaft in der Zeit von Faschismus und Nationalsozialismus. Kolloquium Universität Zürich 14.-17. Oktober 1998. Unter Mitarbeit von Tim Kammasch. (Texts and Studies in the History of Humanities 1). Mandelbachtal, Cambridge 2001, S. 503 – 517, hier S. 505 – 506. Vgl. Veith, Ulrich: German Prehistoric Archaeology. In: Murray, Timothy (Hg.): Encyclopedia of Archaeology. History and Discoveries. Bd. 2. Santa Barbara 2001, S. 576 – 585. Die RGK ging aus der 1892 gegründeten Reichslimeskommission hervor. 196 Gustaf Kossinna an Justizrat Class (Alldeutscher Verband) vom 14.8.1920. In: BAR , R 8048/274, Bl. 6. Vgl. Wiwjorra, Ingo: „Ex oriente lux“ – „Ex septentrione lux“. Über den Widerstreit zweier Identitätsmythen. In: Leube/Hegewisch (Hg.), Prähistorie und National­ sozialismus, 2002, S. 73 – 106.

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Museumsbestände stützte, nicht aber durch Ausgrabungsergebnisse begründete. Moniert wurde auch, dass er auf vorweg festgelegte Annahmen wie die Herkunft der Indogermanen aus dem Norden Europas rekurrierte.197 Zudem verstieß er bei mehreren Gelegenheiten gegen den legitimen Ton im Fach, wenn es darum ging, Streitgespräche auszutragen.198 Zwar versuchte Kossinna unter anderem durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte (1909) eine dominante Position im Feld zu erlangen, doch gelang ihm dies nur ansatzweise. In dieser Position und aufgrund seines gesteigerten völkischen Nationa­lismus wählte er nach dem Ersten Weltkrieg eine heteronome Strategie: Er suchte sich Bündnispartner im politischen Feld, und zwar im Lager rechtsextremer und völ­ kischer Gruppierungen. Kossinna versuchte, mit Unterstützung des Alldeutschen Verbands und mit Gruppen aus dem Umfeld der völkischen Bewegung, wie dem antisemitischen Deutschbund, dem Nordischen Ring oder der ­Gobineau-Gesellschaft, seine Position im Wissenschaftsfeld zu stärken. 1925 richtete er in Zusammenarbeit mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP), der NSDAP und der Wirtschaftlichen Vereinigung zwei Entschließungsanträge an den Preußischen Landtag, in denen er eine stärkere Berücksichtigung der Vor- und Frühgeschichte an den Schulen und mehr Lehrstühle an den deutschen Universitäten forderte. Im Gegenzug unterlegte Kossinna die Weltanschauung dieser Gruppierungen mit seinen Theorien.199 Die Kossinna-Gruppe wies also zum Zeitpunkt vor dem Machtwechsel eine Homologie auf struktureller und weltanschaulicher Ebene mit rechtsextremen Gruppierungen wie der NSDAP auf. Sie fühlte sich gegenüber den Exponenten der „geistigen“ Disziplinen im Allgemeinen, den Archäologen um die RGK im Besonderen zurückgesetzt und vertrat eine tendenziell antiintellektuelle, ethnozentristische und nationalis­tische Haltung. Für NS-Politiker stellte dagegen das „bequeme Bürgertum“, mit dem sie Liberalismus, Demokratie und das Judentum assoziierten, eines der zentralen Feindbilder dar. Es darf allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass nur die Kossinna-Gruppe völkische und auf deutschnationalen Revisionismus zielende Frage­stellungen verfolgte. Zunächst ist festzuhalten, dass Ethnozentrismus ein allgemeines 197 Vgl. Kossinna, Gustaf: Die Herkunft der Germanen. Zur Methode der Siedlungsarchäologie (Mannus-Bibliothek 6). Würzburg 1911. 198 Vgl. Klejn, Leo: Gustaf Kossinna (1858 – 1931). In: Murray/Evans (Hg.), Histories of Archaeology, 2008, S. 312 – 327, hier S. 317. Vgl. Grünert, Gustaf Kossinna (1858 – 1931), 2002, S. 115 – 122, 174 – 179. 199 Grünert, Gustaf Kossinna, 2002, S. 308 – 310, 312 – 315; Pape, Zur Entwicklung des Faches Ur- und Frühgeschichte, 2002, S. 167.

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Identitätsmerkmal der Vor- und Frühgeschichte war, durch das sich vor- und frühgeschichtliche Archäologen von Vertretern anderer Fächer wie der Klassischen Archäologie und der Kunstgeschichte abgrenzten. Ethnische Fragen waren ein entscheidendes Element im Autonomisierungsprozess der Vor- und Frühgeschichte, und zwar keineswegs nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, wobei den skandinavischen Ländern eine Vorreiterrolle zukam.200 Dadurch war die Vor- und Frühgeschichte potenziell durchlässig gegenüber politisch-völkischen Zielsetzungen des Revisionismus und des Irredentismus. Die ethnohistorischen Forschungen vieler junger Archäologen waren in den 1920er-Jahren revisionistisch motiviert. Zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Archäologen gehörten zur deutschen Ostforschung. Dazu sind sowohl Angehörige der Kossinna-Gruppe als auch Archäologen um Carl Schuchhardt zu zählen, die in den 1920er-Jahren mit Akteuren wie der Leipziger Stiftung und der späteren NOFG um Albert Brackmann zusammenarbeiteten.201 Die verschiedenen Positionen in der Vor- und Frühgeschichte unterschieden sich weniger in ihren Zielsetzungen voneinander als in der Plausibilität ihrer Theorien und ihrer damit verbundenen wissenschaftlichen Autorität. Gemeinsam war ihnen auch das Bestreben, die Macht der Gelehrtenvereine und Laienarchäologen zu brechen. Besonders auf lokaler und regionaler Ebene hatten außerakademische Gelehrte noch in den 1930er-Jahren starken Einfluss auf die Meinung und das Wissen der ortsansässigen Bevölkerung zu archäo­ logischen Fragen. Die akademischen Archäologen bekämpften ganz besonders „völkische Schwarmgeister“, die ihrer Meinung nach der Wissenschaftlichkeit des Fachs schadeten und dadurch die Institutionalisierungsbemühungen behinderten. Auch ‚völkische‘ Denker wie Kossinna setzten sich von diesen Gelehrten ab.202 Insgesamt ist damit zu konstatieren, dass vor 1933 der A ­ utonomisierungsprozess 200 Vgl. Brather, Sebastian: Ethnische Interpretationen in der europäischen Archäologie. Wissen­ schaftliche und politische Relevanz. In: Schachtmann/Strobel/Widera (Hg.), Politik und Wissenschaft in der prähistorischen Archäologie, 2009, S. 30 – 51; Díaz-Andreu, Margarita/ Champion, Timothy (Hg.): Nationalism and Archaeology in Europe. London 1996; Kohl, Philip L./Fawcett, Clare (Hg.): Nationalism, Politics, and the Practice of Archaeology. Cambridge 1995. 201 Vgl. Strobel, Michael: Werner Radig (1903 – 1985) – Ein Prähistoriker in drei politischen Systemen. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 47 (2007), S. 281 – 320, hier S. 286 – 294. Halle, Uta: Deutsche Ost-, deutsche Westforschung: Ein Vergleich. In: Schachtmann/Strobel/Widera (Hg.), Politik und Wissenschaft in der prähistorischen Archäologie, 2009, S. 53 – 68, hier S. 56 – 59. 202 Vgl. Grünert, Gustaf Kossinna (1858 – 1931), 2002, S. 312 – 313.

Der Archäologe: Gotthard Neumann (1902 – 1972)  |

der Vor- und Frühgeschichte noch nicht so weit vorangeschritten war, dass externe Zwänge im Fach gebrochen werden konnten. Gotthard Neumanns Position im Wissenschaftsfeld und sein Verhältnis zum NS-Regime

In einem Brief an einen Pfarrer vom Mai 1934 bezeichnete Neumann sich selbst als Germanophiler und verortete sich in den Umkreis von Kossinna, zu dem seiner Meinung nach auch „Männer wie Richthofen, Hahne, Schulz, Jahn, Raschke, Petersen, Radig“ gehörten.203 Die Positionierung Neumanns innerhalb dieser Gruppe vor 1933 wird durch seine Mitgliedschaft in Kossinnas Fachgesellschaft seit 1919 gestützt. Auch in einem Aufsatz, der 1928 in einem Sammelband anlässlich des siebzigsten Geburtstags Kossinnas erschien, gab er sich als Archäologe aus, der in der Tradition der Kossinna-Schule stand.204 In dieser Position richtete er sich einerseits gegen die „Germanomanen“, die ohne die „geringsten methodischen Skrupel [die] Höhe nordisch-germanischer Kultur ins Ungemessene“ treiben und sich dadurch „lächerlich machen“ würden. Vertreter dieser Richtung waren laut Neumann „Teudt, Ville, Kadner und andere Laien“, wobei an ihrer Spitze Herman Wirth stand, der 1935 zusammen mit Heinrich Himmler und Richard Walter Darré das SS-Ahnenerbe gründete. Andererseits bezog Neumann Stellung gegen die „so genannten Römlinge“, die an „der alten These ex oriente lux“ festhalten würden und sich „durch frühere Judengenossenschaft und einseitigen finanziellen Protektionismus vor dem Staatsumschwung so stark belastet [haben], dass sie heute untragbar erscheinen.“ Dazu gehörten für ihn Wilhelm Unverzagt, Schuchhardt oder Bersu sowie andere „Gelehrte wie Sprockhoff, Jacob-Friesen, Schwantes“, die ihnen leider nachsprechen würden.205 Die Bezeichnung „Judengenossenschaft“ bezog sich auf Gerhard Bersu, der „halb-jüdischer Abstammung“ – so die Diffamierung durch Hans Reinerth – war und bei dem Neumann während des Studiums noch gearbeitet hatte. Dies ist als Hinweis auf Neumanns antisemitische Haltung zu sehen, gleichzeitig aber auch ein Zeichen, dass die Kossinna-Gruppe nach 1933 mit solchen Diffamierungen ihre Gegner schwächen wollte. Neumann kritisierte an diesen Archäologen, dass sie sich von ihren ästhetischen Vorstellungen blenden ließen, 203 Gotthard Neumann an P. Bräunlich vom 18.5.1934. In: NL Gotthard Neumann. 204 Vgl. Neumann, Gotthard: Die triangulären Dolche der ältesten Bronzezeit im Freistaat Sachsen. In: Mannus. Festgabe für den 70-jährigen Gustaf Kossinna. Leipzig 1928, S. 102 – 108. 205 Gotthard Neumann an P. Bräunlich vom 18.5.1934. In: NL Gotthard Neumann.

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was ihnen den Blick auf die archäologischen Schätze im europäischen Boden verstellen würde.206 Auch diese Äußerung ist als reine Diffamierung anzusehen, hatten doch in Wirklichkeit Schuchhard, Unverzagt oder Bersu zahlreiche Grabungen auf „heimischem Boden“ durchgeführt. Neumanns Publikationen um 1930 ist zu entnehmen, dass er in einem entscheidenden Punkt von Kossinnas Annahmen abwich, nämlich in der Ansicht über die unbedingte und unhinterfragte Gültigkeit der „Nordischen Theorie“. Neumann war zwar mit der Deutung der nordischen Herkunft der europäischen Hochkultur generell einverstanden, nur sollte sie nicht dazu dienen, Annahmen zu legitimieren, die nach seinem Wissenschaftsverständnis unbewiesen waren.207 ‚Völkisch‘-ethnische Konstrukte mussten für Neumann empirischnaturwissenschaftlich nachweisbar sein. Im Alter von achtundzwanzig Jahren erhielt Neumann mit Wirkung auf den 1. November 1930 die Stelle als Direktor des Germanischen Museums in Jena. Gleichzeitig wurde er zum Assistenten am Historischen Seminar der thüringischen Landesuniversität unter Alexander Cartellieri bestellt.208 ­Gustav Eichhorn war 1929 verstorben, und Neumann hatte darauf hingearbeitet, die frei gewordene Stelle zu erhalten. Zwei Angebote der Museen in Breslau und Hannover hatte er zuvor abgeschlagen. Kurz nach Eichhorns Tod – und noch vor dem Inkrafttreten der NS-Regierung in Thüringen – begannen die Verhandlungen zwischen Neumann und den Behörden, die ihrerseits durch die Thüringische Beratungsstelle für Heimatschutz und Denkmalpflege und den interimistischen Leiter des Museums Wilfried von Seidlitz auf Neumann aufmerksam geworden waren.209 Die Berufung nach Jena erfolgte dann auf ausdrücklichen Wunsch des NS-Staatsministers für Inneres und Volksbildung im Land Thüringen Wilhelm Frick.210 Neumanns Profil passte zur Wissenschaftspolitik der NS-Regierung 206 Gotthard Neumann an Paul Schultze-Naumburg vom 15.6.1933. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Museum 16.1.1932 – 30.8.1933“. 207 Vgl. Neumann, Gotthard: Die Aunjetitzer Kultur in Mitteldeutschland. Teildruck: Die Entwicklung der Aunjetitzer Kultur in Mitteldeutschland. Inaug. Diss. Phil. Marburg 1930, S. 45. Vgl. Neumann, Gotthard: Die Entwicklung der Aunjetitzer Keramik in Mittel­ deutschland. In: Prähistorische Zeitschrift 20 (1929) 1 – 2, S. 70 – 144, hier S. 113. 208 Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 872, 878; Peschel, Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege, 2010, S. 71. 209 Ebd., S. 74. 210 Thüringisches Volksbildungsministerium an Gotthard Neumann vom 22.10.1930. In: ­ThHStAW, Thüringisches Ministerium für Volksbildung, Nr. 21858, Bl. 3.

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Thüringens, denn Frick förderte die Heimatforschung,211 zu der auch die Vorund Frühgeschichte gehörte. Außerdem musste Eichhorns Nachfolger in der Lage sein, das Museum zu leiten, die Bodendenkmalpflege fortzuführen und Lehrveranstaltungen an der Universität zu halten. Da Neumann die Verhältnisse im Museum gut kannte und über praktische Erfahrungen verfügte, lag der Schluss nahe, ihn auf diesen Posten zu berufen. Mit Neumanns Aufstieg im Wissenschaftsfeld ging ein Wandel seiner politischen Präferenzen einher: Um 1930 wählte er nach eigenen Angaben erstmals die NSDAP.212 Dafür können zwei Gründe angeführt werden: Zum einen ist mit Detlev Peukert festzuhalten, dass am Ende der Stabilisierungsperiode der Weimarer Republik um 1929 alle politischen Parteien in Deutschland mehr oder weniger gescheitert waren, mit Ausnahme der Sammelbewegung der NSDAP. Insbesondere Wähler der nationalliberalen Parteien DDP und DVP wanderten kontinuierlich erst in „obskure Splitterparteien“, dann in die NSDAP ab. Der Wandel von Neumanns Wahlverhaltens entspricht also den allgemeinen Veränderungen der politischen Präferenzen in der deutschen Gesellschaft.213 Zum anderen hatten sich die Archäologen in Kossinnas Fachgesellschaft bereits in den späten 1920er-Jahren für die Strategie entschieden, mit Hilfe völkischnationalistischer politischer Gruppen wie der NSDAP bessere Positionen im Wissenschaftsfeld zu erlangen. Die Etablierung der ersten NS-Regierung in Thüringen musste Neumann als günstige Gelegenheit erschienen sein, die Vorund Frühgeschichte an der Universität und die Bodendenkmalpflege im Land Thüringen auszubauen. Die Wahl der NSDAP just zum Zeitpunkt von Neumanns Stellenantritt ist demnach in erster Linie als Opportunismus anzusehen. Denn Neumanns politische Ansichten scheinen während des Studiums nicht in erkennbarer Weise radikalisiert worden zu sein. Neumann war 1921 der Pauliner Studentenschaft beigetreten,214 Mitglied in rechtsradikalen Organisationen wie dem Jungdeutschen Orden oder der Deutsch-Akademischen Gildenschaft war er nicht.

211 Geleitwort des Herrn Reichsministers des Innern Frick und des Leiters der DAF, Reichsorganisationsleiter Dr. Ley, zu Unser Dorf- und Hausbuch. Herausgegeben von: F. W. Gall. Frankfurt am Main 1936. In: LASp, H 39, Nr. 2441. 212 Ausformulierter Lebenslauf Gotthard Neumann vom 1.10.1938. In: UAJ, D, Nr. 3194. 213 Peukert, Die Weimarer Republik, 1987, S. 207 – 208, 217. 214 Vgl. Künze, Gerhard: Deutsche Sängerschaft zu St. Pauli in Jena. Jena 1928, S. 356. Vgl. Abb. 100-Jahrfeier 1928. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte der Friedrich-­SchillerUniversität Jena, Akte „Persönliches IV“.

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In den ersten Jahren nach seinem Stellenantritt in Jena zahlte sich ­Neumanns Wahl für die NSDAP aus. Mit Unterstützung von Fritz Sauckel, damals thüringischer Ministerpräsident, gelang es Neumann 1932, die 1930 in Kraft getre­tenen Bestimmungen für die Bodendenkmalpflege im Großherzogtum ­Sachsen-Weimar-Eisenach dahingehend zu erweitern, dass nun zum ersten Mal in der Geschichte Thüringens die archäologischen Bodenfunde unter einen über­regionalen Schutz gestellt wurden. Dieses Gesetz repräsentierten von nun an eigens dafür eingesetzte Vertrauensmänner: Neben Neumann als Vertrauensmann für Kulturgeschichte (Urgeschichte) waren von Seidlitz für die Naturdenkmäler und der ‚völkisch-rassisch‘ eingestellte Denkmalpfleger und Heimatschützer Paul Schultze-Naumburg für die Kunstdenkmäler zuständig.215 Neumann befand sich im regionalen akademischen Feld vor 1933 im Aufstieg und hatte diesen Aufstieg mit der Etablierung der NSDAP in Thüringen verknüpft. Allerdings verfügte Neumann im akademischen Umfeld Jenas noch über wenig soziales Kapital, und seinem Museum und der Bodendenkmalpflege generell mangelte es an finanziellen und personellen Ressourcen.216 Aufschwung der Vor- und Frühgeschichte und Neumanns Laufbahn ab 1933

Zum Zeitpunkt des Machtwechsels in Deutschland 1933 war die Vor- und Frühgeschichte erst im Begriff, an den Universitäten institutionalisiert zu werden. Da dieser Prozess nur schleppend vorankam, wählten die verschiedenen Gruppen vor- und frühgeschichtlicher Archäologen die Strategie, ihr Fach mit der Unterstützung von NS-Politikern und NS-Ideologen an den Universitäten zu etablieren, was durch die zahlreichen Entlassungen begünstigt wurde. Jede Gruppe sah in der NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik gleichzeitig auch die Gelegenheit, ihre Kontrahenten im Fach auszuschalten. Trotz vieler Auseinandersetzungen innerhalb der Fachgemeinschaft veränderte sich die allgemeine Lage der Vor- und Frühgeschichte im Verlauf der NS-Herrschaft spürbar. Die Zahl der Professuren in Deutschland und Österreich stieg bis 1942 auf ganze

215 Neumann, Gotthard: Das neue thüringische Ausgrabungsgesetz. In: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 8 (1932) 12, S. 192 – 198, hier S. 192 – 193. Vgl. Peschel, Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege, 2010, S. 73. 216 Vgl. Der Thüringische Minister für Volksbildung an den Reichserziehungsminister vom 11.10.1937. In: UAJ, Best. C, Nr. 799, Bl. 125.

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25 an, wovon 17 ordentliche Lehrstühle waren.217 Die vielfachen Bemühungen um Lehrstuhlgründungen in den späten 1920er-Jahren konnten während des NS-Regimes erfolgreich umgesetzt werden. Neumanns Laufbahn ab 1933 ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Drei Jahre nach dem Machtwechsel hielt er fest, dass seitdem die „deutsche Vorgeschichte im Dritten Reiche bei allen maßgebenden amtlichen und parteiamtlichen Stellen die ihr zukommende Beachtung und Förderung erfährt, […] die Anteilnahme weitester Volkskreise an den Fragen und Ergebnissen dieser Wissenschaft des Spatens in einer Weise gewachsen [ist], wie man es noch vor wenigen Jahren für völlig unmöglich gehalten haben würde.“218 Neumann hatte sich ab 1933 darum bemüht, an diesem Aufschwung teilzuhaben. So entschied er sich für die Mitgliedschaft in Hans Reinerths Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte, in den Reinerth die Gesellschaft für Deutsche Vorgeschichte im Zuge der „Gleichschaltung“ umgewandelt und sie in Alfred Rosenbergs KfdK überführt hatte. Reinerth ernannte Neumann kurze Zeit danach zum Landesleiter des Reichsbunds in Thüringen und berief ihn in den erweiterten Beirat dieser Organisation.219 Während Reinerth auf überregionaler Ebene die deutsche Vorund Frühgeschichte „gleichschalten“ wollte, wird Neumann im Reichsbund die Möglichkeit gesehen haben, die heimatliche Bodendenkmalpflege zu reformieren, indem er möglichst viele Gelehrtenvereine und Museumsvorsteher darin zu versammeln suchte, sodass ihre Aktivitäten von nun an unter seiner Obhut standen.220 Im April 1934 erweiterte das NS-Volksbildungsministerium Thüringens Neumanns Stellung als Bodendenkmalpfleger zum Staatlichen Vertrauens­ mann für vor- und frühgeschichtliche Bodenaltertümer.221 Zum 1. April 1934 217 Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 868; Pape, Zur Entwicklung des Faches Ur- und Frühgeschichte, 2002, S. 168. 218 Der Spatenforscher 1 (1936) 1, S. 1. 219 Grünert, Gustaf Kossinna, 2002, S. 308 – 309. Vgl. Personalfragebogen Gotthard Neumann vom 31.7.1934. In: UAJ , Best. D, Nr. 3194; Fragebogen Deutsche Vorgeschichtsforscher u. Vorgeschichtsfreunde vom 16.9.1935. In: APM /Akten Reichsbund; Hans Reinerth an Gotthard Neumann vom 24.3.1933. In: APM /Korrespondenz Reinerth; NSDAP -Gau­ leitung Thüringen an den Reichsstatthalter in Thüringen vom 4.8.1937. In: ThHS tAW , Der Reichsstatthalter in Thüringen, Nr. 440, Bl. 78 – 79. 220 Vgl. Hans Reinerth an Gotthard Neumann vom 18.4.1934. In: APM/Korrespondenz ­Reinerth. 221 Thüringisches Volksbildungsministerium an Gotthard Neumann vom 19.9.1932. In: ­ThHStAW, Thüringisches Volksbildungsministerium, Nr. 21858, Bl. 6. Vgl. Thüringisches Ministerium für Volksbildung an Gotthard Neumann vom 23.5.1935. In: UAJ , Best. D, Nr. 3194.

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wurde er schließlich zum beamteten außerordentlichen Professor für Vor- und Frühgeschichte an der FSU ernannt.222 Diese Laufbahn war für einen Nachwuchsforscher, der Ende der 1920er-Jahre seine Karriere begonnen hatte, nicht ungewöhnlich. Neumann war zur Zeit seiner Berufung zum Professor noch nicht habilitiert, der Rektor der FSU, Abraham Esau, erklärte sich jedoch bereit, aufgrund der „anerkannten wissenschaftlichen Bedeutung Dr. Neumanns“ den Archäologen zum außerordent­lichen Professor zu berufen.223 Neumann gehörte zur Gruppe junger, aufstrebender und gut ausgebildeter Forscher, die von NS-Wissenschaftspolitikern protegiert wurden und die von der „Säuberung“ und „Gleichschaltung“ der Universitäten profitierten. Außerdem verkörperte er eine moderne Variation des in Jena von Esau selbst vertretenen „vaterländischen“ Professorentyps,224 da er seine Wissenschaft in den Dienst an der Heimat stellte. Neumann musste sich als Vertreter eines Fachs gesehen haben, das gewisse Übereinstimmungen mit nationalsozialistischen Forderungen an das Wissenschaftsfeld, so die verstärkte körperliche Ertüchtigung und die Durchführung von Lager- und Schulungskursen, aufwies, da körperliche und gemeinschaftliche Betätigungen wie die Feldarbeit ein wichtiger Bestandteil der Vor- und Frühgeschichte waren. Forderungen des politischen Felds konnte er also umwandeln und für das eigene Fach profitabel einsetzen. Allerdings ist festzuhalten, dass ein solcher Aufstieg für Misstrauen bei der älteren Professorenschaft Jenas sorgen musste, zumal Neumann vor seinen Kollegen kaum verbergen konnte, dass er ohne Habilitation zum außerordentlichen beamteten Professor ernannt worden war. Neumanns Laufbahn verlief weiterhin erfolgreich. Im März 1935 wurde er Erster Kurator des Städtischen Museums für Urgeschichte in Weimar,225 1936 gelang es ihm, eine institutseigene Zeitschrift namens „Der Spatenfor222 Beschluss des Thüringischen Staatsministeriums, vom 10.4.1934. In: ThHStAW, Thüringisches Volksbildungsministerium, Nr. 21858, Bl. 16. Vgl. Peschel, Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege, 2010, S. 71. 223 Der Reichsstatthalter in Thüringen vom 12.6.1934. In: UAJ, Best. C, Nr. 799; Abraham Esau an das Thüringische Volksbildungsministerium vom 28.3.1934. In: ThHStAW, Thürin­gisches Volksbildungsministerium, Nr. 21858, Bl. 14; Beschluss des Thüringischen Staatsministeriums vom 10.4.1934. In: Ebd., Bl. 16. 224 Hoßfeld/John/Lemuth/Stutz, „Kämpferische Wissenschaft“, S. 32. 225 Gotthard Neumann an den Thüringischen Volksbildungsminister vom 18.2.1935. In: ­ThHS tAW , Thüringisches Volksbildungsministerium, Nr. 21858, Bl. 35; Thüringisches Ministerium für Volksbildung an Gotthard Neumann vom 23.2.1935. In: UAJ , Best. D, Nr. 3194.

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scher“ ­herauszubringen. Zunächst erschien der „Spatenforscher“ als Beilagenblatt des Bildungs- und Erziehungsjournals „Das Thüringer Fähnlein“, auf Wunsch ­W ilhelm Fricks sollte Neumann die Zeitschrift dann als selbstständiges Perio­di­kum herausgeben.226 Damit schuf er einerseits eine Plattform für die fachmännische Beurteilung von archäologischen Funden und Befunden in Thüringen, andererseits konnten dadurch die Ergebnisse der heimatlichen Archäologie einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. 1939 gründete er die monografische Reihe „Irmin“, in der Dissertationen publiziert wurden, die unter N ­ eumanns Betreuung entstanden waren.227 Mit diesen beiden Instrumenten konnte ­Neumann seine Position im akademischen Umfeld stärken und die Etablierung der Bodendenkmalpflege in Thüringen vorantreiben. Stand ­Neumann 1937 auf einer Anwärterliste für künftige Rektoren der FriedrichSchiller-Universität Jena,228 obwohl er seine Habilitationsschrift immer noch nicht zu Papier gebracht hatte, ernannte ihn der nunmehrige Reichsstatthalter in Thüringen Fritz Sauckel im gleichen Jahr zum Vorstandsmitglied der von Sauckel selbst gegründeten Thüringischen Historischen Kommission.229 Neumanns bis dahin erfolgreiche Laufbahn wirft die Frage auf, in welcher Weise die NS-Politiker vom Jenaer Archäologen profitierten. Zu nennen sind seine Mitgliedschaften in NS-Organisationen, die auf das Regime stabilisierend wirkten, so in der NSV, beim NS-Altherrenbund und im NSLB, außerdem war Neumann Förderndes Mitglied der SS. Ob Neumann Parteimitglied geworden ist – Anwärter auf die Mitgliedschaft war er sicher –, kann nicht eindeutig bestimmt werden.230 Auf inhaltlicher Ebene stimmte er mit mehreren Zielen der 226 Gotthard Neumann an den Thüringischen Minister für Volksbildung Friedrich Stier vom 24.2.1939. In: UAJ, Best. C, Nr. 799. Bl. 152. Vgl. Der Spatenforscher 1 (1936) 1, S. 1. 227 Ausformulierter Lebenslauf Gotthard Neumann vom 1.10.1938. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194, Bl. 2 – 4. Vgl. den ersten Band der Reihe „Irmin“: Schirmer, Erwin: Die deutsche Irdenware des 11.-15. Jahrhunderts im engeren Mitteldeutschland (Irmin 1). Jena 1939. 228 John, Jürgen/Stutz, Rüdiger: Die Jenaer Universität 1918 – 1945. In: Traditionen – Brüche – Wandlungen. Die Universität Jena 1850 – 1995. Herausgegeben von: Senatskommission zur Aufarbeitung der Jenaer Universitätsgeschichte im 20. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2009, S. 270 – 587, hier S. 500. 229 Fritz Sauckel an Gotthard Neumann vom 2.9.1937. In: ThHStAW, Der Reichsstatthalter in Thüringen, Nr. 440, Bl. 94. 230 Fragebogen Deutsche Vorgeschichtsforscher u. Vorgeschichtsfreunde vom 16.9.1935. In: APM /Akten Reichsbund; NSDAP -Gauleitung Thüringen an den Reichsstatthalter in Thüringen vom 4.8.1937. In: ThHS tAW , Der Reichsstatthalter in Thüringen, Nr. 440, Bl. 78 – 79. Vgl. Pape, Zur Entwicklung des Faches Ur- und Frühgeschichte, 2002, S. 169. Vgl. Peschel, Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege, 2010, S. 73, Anm. 7. In

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NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik überein, ohne dass er als explizit national-

sozialistischer Professor auftrat. Es verhält sich vielmehr so, dass er bestimmte Forderungen der NS -Wissenschaftspolitiker für seine eigenen Ziele nutzen konnte. Die Forderung nach einer „Wissenschaft für das Volk“ entsprach Neumanns Strategie, die gesellschaftliche Relevanz der Prähistorie zu steigern und die Bevölkerung für die Bodendenkmalpflege zu sensibilisieren. Er publizierte nach dem Machtwechsel vermehrt in populärwissenschaftlichen Kultur- und NS -Zeitschriften. Von Neumanns Standpunkt aus war es besonders wichtig, Lehrer und Pfarrer, Soldaten und Angehörige von NS-Orga­nisationen wie dem Reichsarbeitsdienst (RAD ) durch Vorträge zu schulen und ihnen „richtiges“ und „wahres“ prähistorisches Wissen zu vermitteln. Seit 1934 war er zu diesem Zweck Gausachbearbeiter für Vorgeschichte beim NSLB und ständige Lehrkraft in der thüringischen Staatsschule für Führertum und Politik in Egendorf und bot im RSHA oder im RAD Kurse und Lehrgänge zu Prähistorie und Grabungstechnik an.231 In einem Bericht von 1937 beurteilte die NS-Gauleitung Thüringens ­Neumanns Wirken ausgesprochen positiv. Die NS-Politiker sahen ihn als einen Akademiker, der ihren Vorstellungen entsprach: Er sei „politisch zuverlässig […], obwohl er nicht Mitglied der NSDAP geworden ist“. Dass er „seit 1933 zahlreiche Schulungskurse“ bei verschiedenen NS-Organisationen „über deutsche Vorgeschichte und deren Bedeutung für die nationalsozialistische Weltan­schauung gehalten“ hatte, hoben sie besonders hervor. Charakterlich beurteilten sie Neumann als „durchaus einwandfrei beschaffen“, bekannt als eine „frische, lebendige Persönlichkeit von großer Tatkraft und Einsatzbereitschaft, dabei kameradschaftlich und ohne jeden Dünkel“. Für sie stand er vollkommen „auf dem Boden des Dritten Reiches“.232 Neumann erfüllte also die Kriterien, welche NS-Wissenschaftspolitiker von den Wissenschaftlern forderten: Kameradschaft, „charakterliche Stärken“, Einsatzbereitschaft für den „Aufbau“ der ­NS-Volksgemeinschaft, wissenschaftliche Befähigung und pädagogische Begabung sowie einen Antiintellektualismus,

bestimmten Lebensläufen gab Neumann an, Parteimitglied gewesen zu sein, in anderen nicht. In der Zentralkartei der NSDAP im BAR ist Neumann nicht aufgeführt. 231 Fragebogen Gotthard Neumann über die politische Zugehörigkeit vom 30.6.1944. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194; SS-Oberabschnitt Mitte an Gotthard Neumann vom 19.3.1935. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Museum 1.7.1934 – 31.7.1935“. 232 NSDAP Gauleitung Thüringen, Personalamt, an den Herrn Reichsstatthalter in Thüringen vom 4.8.1937. In: ThHStAW, Der Reichsstatthalter in Thüringen, Nr. 440, Bl. 78 – 79.

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der aus Neumanns Wissenschaftskonzept einer pragmatisch-empirischen und „lebensweltlichen“ Prähistorie resultierte. Die Parteimitgliedschaft erschien dabei zweitrangig. Weil dieser wechselseitig profitable Austausch zu funktionieren schien, erstaunt es, dass Neumanns Karriere ab der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre stagnierte. Erst 1945, aufgrund von Gesuchen der Rektoren der FSU Abraham Esau 1939 und Karl Astel 1944, wandelte das NS-Volksbildungsministerium Thüringens Neumanns außerordentliche Professur in einen Lehrstuhl um, was aber nicht mehr wirksam wurde.233 Sein Institut und das Museum wurden kaum ausgebaut, der Etat trotz Bemühungen Neumanns nicht erhöht.234 Außerdem stand er seit dem 8. Januar 1941 zunächst als Soldat, dann als Unteroffizier und zum Schluss als Feldwebel im Kriegsdienst, ohne dabei in einem Sonderstab einer NS-Wissenschaftsorganisation fest eingebunden zu sein.235 Es ist fraglich, warum Neumann bereits ab 1941 dienen musste und dabei Feldwebel blieb, was für einen Akademiker eher ungewöhnlich war.236 Dass sich der Förderfokus der NS-Wissenschaftspolitik ab 1936 zugunsten der Agrar- und Rüstungsforschung unter Benachteiligung der Geistes- und Kulturwissenschaften verschob, wird sicher den Verlauf von Neumanns ­Karriere in den späten 1930er-Jahren beeinflusst haben. Andere Prähistoriker jedoch waren beruflich weit erfolgreicher als Neumann. Der Karriereeinbruch lag vor allem in seinem strategisch unvorteilhaften Verhalten begründet: 1 |  Neumann engagierte sich nicht aktiv in den für Akademiker bedeutenden NS-Organisationen, nämlich im NSDDB, in der SA und vor allem in der SS, in

233 Prof. Porzig, Dekan der Philosophischen Fakultät der FSU an den Thüringischen Minister für Volksbildung. In: ThHStAW, Thüringisches Volksbildungsministerium, Nr. 21858. Bl. 47. Vgl. Vorschlag zur Ernennung des planmäßigen ao. Professors Dr. phil. Gotthard Neumann zum ordentlichen Professor in der Reichsbesoldungsgruppe H1b oder der ihre entsprechenden Landesbesoldungsgruppe. An den Herrn Staatsminister und Chef der Reichskanzlei des Führers und Reichskanzlers/an die Ministerialgeschäftsstelle bei der Universität Jena vom 24.6.1944. In: Ebd. 234 Vgl. Gotthard Neumann an den Thüringischen Minister für Volksbildung vom 31.10.1934. In: UAJ, Best. C, Nr. 799, Bl. 71. 235 Gotthard Neumann, Personalakte Nr. 1100. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194. Neumann war Soldat im 6. NfA 13 u. N. Reg. 604. 236 Arnold, Klaus Jochen: Soldat im Osten: Konrad Jarausch und der Gang des Krieges. In: Jarausch, Konrad H./Arnold, Klaus Jochen (Hg.): „Das stille Sterben…“. Feldpostbriefe von Konrad Jarausch aus Polen und Russland. Mit einem Geleitwort von Hans-Jochen Vogel. Paderborn u. a. 2008, S. 54 – 91, hier S. 57 – 59.

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der er zwar Förderndes Mitglied war, jedoch keinen Rang bekleidete. Neumann blieb auch nach 1933 im Grunde politisch desinteressiert, außerdem verleugnete er seine christliche Überzeugung während der NS-Herrschaft nicht und vertrat diese Haltung auch in der Öffentlichkeit.237 2 |  Neumann stieß im Alltag bei mehreren Gelegenheiten mit NS-Politikern zusammen. Bestes Beispiel dafür ist seine Auseinandersetzung mit Robert Ley 1941. Ley, seinerseits Alumnus der Jenaer Universität, beabsichtigte, das Haus, in dem Neumanns Institut eingerichtet war, zu erstehen, um es in ein Studentenheim umbauen zu lassen.238 Neumann versuchte zunächst, Ley entgegenzukommen, und suchte eine andere Örtlichkeit für sein Museum und das Institut. Als sich eine alternative Unterkunft aber nicht finden ließ, setzte Neumann über seinen Stellvertreter, den Völkerkundler Bernhard Struck, alles daran, Ley von seinem Plan abzubringen, was umso schwieriger war, da er zu diesem Zeitpunkt an der Ostfront stand.239 Neumanns Plan, Ley durch das Angebot einer Umbenennung seines Museum in Robert-Ley-Museum der Friedrich-Schiller-Universität für Vor­geschichte umzustimmen, erzielte beim DAF-Chef keine Wirkung.240 Entgegen den Anordnungen Sauckels, der den Wünschen des Reichsleiters nachkommen wollte, verhinderten der Rektor der FSU Karl Astel und Neumann zusammen mit der Universitätsverwaltung Leys Absicht.241 Die Universität konnte politische Forderungen brechen, wenn ihre Vertreter dies wollten. Für Neumann, dessen Karriere infolge seiner heteronomen Strategie zu einem nicht geringen Maß von der Gunst der thüringischen NS-Regierung abhing, war dies jedoch eine ungünstige Voraussetzung, um von den regionalen NS-Politikern weiterhin protegiert zu werden. 3 |  Aus den Akten der Philosophischen Fakultät der FSU lässt sich schließen, dass Neumann von den ordentlichen Professoren zwar als guter Kollege angesehen wurde, der loyal und dienstbeflissen war, sie ihn aber trotzdem nicht vollständig akzeptierten.242 Dafür waren weniger persönliche Animositäten 237 Vgl. Abschrift Superintendent H. Elle vom 1.1.1946. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194. 238 Karl Astel, Rektor der FSU , an den Reichsstatthalter und Gauleiter Thüringens Fritz ­Sauckel vom 8.5.1941. In: UAJ, Best. BA, Nr. 2055; Robert Ley an Fritz Sauckel vom 7.4.1941. In: Ebd.; Bericht über den Besuch des Reichsleiters Dr. Ley im Museum vom 17.2.1942. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Museum 1.11.1940 – 31.12.1942“. 239 Robert Ley an Fritz Sauckel vom 7.4.1941. In: UAJ, Best. BA, Nr. 2055. 240 Gotthard Neumann an Karl Astel vom 4.12.1941. In: Ebd. 241 Vgl. NSDAP Adjutantur des Gauleiters Weber an Herrn Staatsrat Prof. Dr. Astel vom 15.8.1941. In: Ebd. 242 Vgl. UAJ, Best. M, Nr. 632; Nr. 718/1.

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­ausschlaggebend als vielmehr die an der FSU vorherrschende wissenschaft­ liche Kultur. Im Unterschied zur Universität Halle mit ihrer Landesanstalt für Volkheitskunde, in der Vor- und Frühgeschichte, Rassen- und Volkskunde vereint waren und die stark auf die Volks- und Kulturbodenforschung ausgerichtet war,243 oder zu dem volks- und agrarsoziologisch orientierten Leipziger Institut Hans Freyers und Gunther Ipsens konnten sich Kulturwissenschaftler wie Neumann an der FSU nicht recht durchsetzen. Neumann passte auch nicht zum jüngeren Professorentypus eines Günther Franz oder Erich Maschke, die eine neue, „gemeinschaftlich“ orientierte Landes- und Volksgeschichte an der FSU betrieben, da Neumann eine zu konservative und zu stark auf die engere Heimat ausgerichtete Geschichtsauffassung vertrat. Gleichzeitig jedoch war Neumanns Position an der Universität Jena eine legitime, die nicht mit der von Konjunkturrittern wie Hans F. K. Günther, Max Hildebert Boehm oder Johann von Leers zu vergleichen war, die in Jena an Instituten wirkten, die nach 1933 neu gegründet worden waren.244 Neumann war zwar wie „Rassegünther“ oder von Leers nicht habilitiert, doch sein Museum hatte Tradition und einen festen Platz im Gedächtnis des Jenaer Bildungs­bürgertums. Außerdem wählte die Fakultät Neumann aus freien Stücken, ­Günther hingegen wurde 1930 gegen den Widerstand der Universität von Frick zum Ordinarius für Sozialanthropologie berufen.245 Dennoch lässt sich vermuten, dass die Ordinarien an der FSU Neumann mit diesen „völkischen Fantasten“ in Verbindung brachten, weil Günther, Boehm oder von Leers ähnliche Themen und Fragestellungen verfolgten wie Neumann. Dies führte zu Einbußen an wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit. Die ab 1936 einsetzenden Sanktionen gegen ‚völkisch‘-germanenzentrierte Forscher durch legitime Positionsinhaber tangierten deshalb indirekt auch Neumann, obwohl er paradoxerweise bereits vor 1933 genau solche Fantasten in der Vor- und Frühgeschichte bekämpft hatte. 243 Vgl. Ziehe, Irene: Hans Hahne (1875 bis 1935), sein Leben und Wirken. Biographie eines völkischen Wissenschaftlers (Veröffentlichungen des Landesamtes für archäologische Denkmalpflege Sachsen-Anhalt 49). Halle (Saale) 1996, besonders S. 51 – 52, 71 – 75. Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 868 – 869. 244 Vgl. Hamann, Annett: „Männer der kämpfenden Wissenschaft“. Die 1945 geschlossenen NS-Institute der Universität Jena. In: Hoßfeld/John/Lemuth/Stutz (Hg.), „Kämpferische Wissenschaft“, 2003, S. 202 – 234; Hoßfeld, Uwe: Von der Rassenkunde, Rassenhygiene und biologischen Erbstatistik zur Synthetischen Theorie der Evolution: Eine Skizze der Biowissenschaften. In: Hoßfeld/John/Lemuth/Stutz (Hg.), „Kämpferische Wissenschaft“, 2003, S. 519 – 574, hier S. 524 – 526. 245 Brather, Ethnische Interpretationen, 2004, S. 83.

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4 |  Neumann blieb ein Anhänger der Archäologengruppe um Hans Reinerth und das Amt Rosenberg. Trotz der ab 1936/1937 erfolgten Machtverschiebung in der NS-Wissenschaftspolitik zugunsten des SS-Ahnenerbes hielt er an seinem alten Netzwerk fest. Im Gegensatz dazu begannen spätestens zu jenem Zeitpunkt viele der Reichsbundmitglieder, Reinerths wissenschaftliche Autorität infrage zu stellen.246 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und nach der Rückkehr aus der kurzen amerikanischen Kriegsgefangenschaft nach Jena, war es Neumann zunächst möglich gewesen, Lehre, Instituts- und Museumsführung sowie Bodendenkmalpflege fortzuführen. Im November 1945 forderte er noch, sein Museum „infolge des vielfältigen Missbrauchs“ in „Vorgeschichtliches Museum der Friedrich-SchillerUniversität Jena, Institut für Prähistorische Archäologie“ umzubenennen.247 Im Zuge der verschärften Säuberungspolitik an den Hochschulen in der SBZ wurde Gotthard Neumann jedoch trotz zahlreicher positiver Gutachten von Kollegen aufgrund der „Zugehörigkeit zur NSDAP“ im Dezember 1945 entlassen, obwohl die Beweislage dafür nicht erbracht war.248 Neumann schlug sich als Gelegenheitsarbeiter und – nach eigener Aussage – als Schriftsteller durch, bevor er 1947 als Präparator wieder im Jenaer Museum arbeiten konnte. Die Kollegen zeigten sich loyal, Neumann verfügte in der engeren akademischen Gemeinschaft der Universität Jena über genügend soziales Kapital und wissenschaftliche Auto­ rität, um wieder in ihrem Kreis aufgenommen zu ­werden.249 Neumann kannte die Jenaer Museumssammlung am besten und verfügte über zahlreiche Kontakte zu den lokalen Gelehrten und Denkmalpflegern. Die Universitätsbehörden mussten 246 Ratzel an Alexander Langsdorff vom 10.11.1936. In: BAR, NS 21/639. 247 Vgl. Gerhard Mildenberger vom 2.1.1947: Bericht über die Tätigkeit des Vorgeschichtlichen Museums im 4. Vierteljahr 1946. In: UAJ, Best. C, Nr. 800. Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 890. 248 Abschrift der Rektor und der Kurator der FSU (Prof. Dr. Zucker, Dr. Bense) an Gotthard Neumann. In: UAJ , Best. D, Nr. 3194. Vgl. Grabolle/Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Früh­ geschichte in Jena, 2003, S. 880. 249 Gotthard Neumann, Personalbogen vom 15.5.1949. In: UAJ , Best. D, Nr. 3194; Werle an den Dekan der Philosophischen Fakultät der FSU vom 15.6.1946. In: Ebd.; Der Dekan der Philosophischen Fakultät der FSU an das Thüringische Landesamt für Volksbildung vom 27.7.1946. In: Ebd.; Zeugnis von Bernhard Struck, ordentlicher Professor der Anthropologie und Völkerkunde, vom 14.1.1946. In: Ebd.; Der Dekan der Philosophischen Fakultät der FSU an das Ministerium für Volksbildung vom 24.11.1949. In: Ebd.; Günter Behm an das Staatssekretariat für Hochschulwesen vom 6.11.1952. In: Ebd.; Dr. Otto an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik Staatssekretariat Hochschulwesen vom 20.1.1953. In: Ebd.

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erkannt haben, dass sein Ausschluss aus der universitären Wissenschaft ein großer Verlust für die thüringische Vor- und Frühgeschichte gewesen wäre. Zudem wurden in den 1950er-Jahren die alten Netzwerke wieder aktiviert, gegenseitige Hilfestellungen begünstigten den Wiedereintritt ins Feld.250 Im Januar 1950 erhielt Neumann den Posten eines wissenschaftlichen Assistenten am Jenaer Institut, im Wintersemester 1953/1954 stieg er zum Professor mit Lehrauftrag auf, im Oktober 1956 ernannte ihn das Sekretariat für Hoch- und Fachschulwesen der DDR zum Professor mit Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichte.251 In der Folgezeit erhielt Neumann die für Archäologen üblichen Ämter und Ehrungen, so z. B. die Berufung zum ordentlichen Mitglied im Deutschen Archäologischen Institut 1956.252 Trotz des Einbruchs seiner Laufbahn nach 1945 erlangte Gotthard Neumann damit letztlich die Position, die er bereits als Student angestrebt hatte. Politisch betätigte er sich seit 1945 in der LDP und engagierte sich als Synodaler in der evangelischen Kirche Thüringens.253 Wissensfiguren: Ethnozentrismus zwischen Autonomie und Heteronomie

Für Neumanns wissenschaftliches Denken war der Glaube an die Notwen­digkeit einer strikten, empirisch fundierten Methode und an den Zusammenhang zwischen Ethnos und materieller Kultur ausschlaggebend. In seinen Fragestellungen orientierte er sich an Kossinnas sogenannter Siedlungsarchäologie, ohne dabei eine revisionistische Zielsetzung zu vertreten. In Neumanns erster wichtiger Abhandlung, der „Gliederung der Glockenbecherkultur in Mitteldeutschland“ (1929),254 schlug er eine Neuordnung der archäologischen Funde Mitteldeutschlands vor. Anstelle einer rein chronologisch-typologischen Ordnung der Gegenstände setzte Neumann auf den Ordnungsbegriff ‚Kultur‘.255 Kultur meinte bei Neumann die phäno­menale 250 Strobel, Werner Radig, 2007, S. 313 – 314. 251 Die Quellen geben keinen Aufschluss darüber, ob Neumann in der Zwischenzeit offiziell habilitiert worden war. 252 Personalbogen Gotthard Neumann vom 29.8.1953. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194. Vgl. Grabolle/ Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 880 – 881. 253 Vgl. Müller, Rosemarie: Gotthard Neumann und das Problem der Kelten und Germanen in Thüringen. In: Steuer (Hg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft, 2001, S. 89 – 107, hier S. 106. 254 Neumann, Gotthard: Die Gliederung der Glockenbecherkultur in Mitteldeutschland. In: Prähistorische Zeitschrift 20 (1929) 1 – 2, S. 3 – 69. 255 Vgl. Neumann, Die Gliederung der Glockenbecherkultur, 1929, S. 17. Vgl. Brather, Ethnische Interpretationen, 2004, S. 65.

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Gesamtheit von Mensch und Objekt. Ethnische Gruppe und Objektgruppe waren dadurch austauschbar, was die Charakterisierung einer Bevölkerung durch die Beschreibung einer Fundgattung ermöglichte. Den Begriff ‚Volk‘ verwendete Neumann nur selten. Wendungen wie die, alle „Fundstellen der säch­sischen Glocken­ becherkultur“ seien außerordentlich „geschickt in die Landschaft eingefügt […], sonnig und übersichtlich, wie es für ein landfremdes Volk nötig ist“, deuten darauf hin, dass ‚Volk‘, ‚Kultur‘ und ‚Gruppe‘ als weitere ethnische Differenzierung für ihn austauschbare Begriffe waren. Die Verknüpfung einer Menschengruppe mit Formen archäologischer Gegenstände oder den Techniken zu deren Herstellung ermöglichte es Neumann, die Diffusion der verschiedenen Objektformen im geografischen Raum zu erklären. ‚Raum‘ als Konzept kommt bei Neumann durch die Visualisierungstechnik der Fund- und Siedlungskartierung zum Ausdruck (Abb. 15 – 17).256 Wanderten ethnische Gruppen von A nach B, nahmen sie ihren Formenhaushalt mit, was zu einer Überlagerung oder einer Verdrängung der Objektformen der in B ansässigen Gruppe oder dann zu einer Vermischung beider Formen führte. Neumanns Analysen archäologischer Artefakte waren demnach mit einem als existent vorausgesetzten biologisch-kulturellen Substrat unterlegt, das bestimmend war für die Art der Form und für die Gestalt des Objekts. Dies galt auch für historische Epochen: „Jahrhunderte später, wahrscheinlich in slawischer Zeit, wurde der Hügel erbrochen und der wertvollere Teil seines Inhalts geraubt.“257 Neumanns Konzept lag die Ethnisierung der materiellen Objekte und der historischen Zeiten zugrunde. Die Zuschreibung „slawisch“ als K ­ ennzeichnung einer Epoche war dabei eine längst bekannte Denkfigur und diente in Mittel­ deutschland bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert als Bezeichnung des frühen Mittelalters.258 Bei seinen Analysen ging Neumann mit methodischer Akribie vor. In einer Rezension eines Buchs seines Kollegen Werner Radig bemängelte Neumann, dass der Autor auf allzu simple Weise ethnische Rückschlüsse ziehe: „Slawische Keramik“ werde in Radigs Buch zu unkritisch mit „slawischer Bevölkerung“ 256 Neumann, Die Gliederung der Glockenbecherkultur, 1929, S. 37, 21, 31. 257 Neumann, Gotthard: Grabhügel der jüngeren Bronzezeit in der Flur Grävenitz. In: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 6 (1930) 1, S. 14. 258 Vgl. z. B. Preusker, Karl Benjamin: Blicke in die vaterländische Vorzeit. Sitten, Sagen, Bauwerke, Trachten, Geräte zur Erläuterung des öffent. und häusl. Volkslebens im heidnischen Altertume und christlichen Mittelalter der sächsischen und angrenzenden Lande. 3 Bde. Leipzig 1841 – 1844. Vgl. Brather, Ethnische Interpretationen, 2004, S. 213 – 217.

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gleichgesetzt, der Verfasser habe nicht bedacht, dass die Slawen zu jener Zeit oft in deutschem Dienst gestanden hätten, wonach theoretisch auch die Deutschen „slawische Keramik“ verwendet haben könnten.259 Auch andere Prähistoriker wie Herbert Jankuhn meldeten Zweifel an einer unreflektierten Verbindung von Ethnos und Artefakt an. Nach Jankuhn konnte die „Benennung einer Form nach ethnologischen Gesichtspunkten […] nur dort angewandt werden, wo historische Nachrichten und archäologischer Befund eindeutig für solch eine Zugehörigkeit entscheiden.“260 Jankuhn wandte sich nicht grundsätzlich gegen eine ethnische Deutung, meinte aber, dass dafür sichere wissenschaftliche Evidenzen vorliegen müssten, nämlich historische Quellen, die dann mit den archäologischen Befunden abgeglichen werden mussten.261 Anders als Jankuhn lehnte Neumann die Annahme einer ethnischen Gebundenheit des Bestattungsritus zwar nicht ab,262 er verband aber Ethnos und Artefakt bzw. archäologischen Befund nur dann, wenn anthropologische Befunde und archäologische Beweislage dies zuließen. Um die Identifikation von Menschengruppen wissenschaftlich präziser fassen zu können, führte Neumann daher auch anthropologische Untersuchungen durch oder arbeitete mit physischen Anthropologen zusammen. Die „kurzen Schädel der Glockenbecherleute“ setzte Neumann gegen den „Langschädel“ eines Skeletts ab, das er den Aunjetitzern, einer frühbronzezeitlichen Kultur Mittelund Osteuropas, zuwies, was er aufgrund unterschiedlicher Be­stattungsarten als verifiziert ansah.263 Vor 1933 finden sich so in Neumanns ethnisch-‚völkischem‘ Grundkonzept zur Analyse prähistorischer Kulturen keine politischen Elemente, in seinen Veröffentlichungen richtete er sich nach dem neuesten Forschungsstand in der Vor- und Frühgeschichte.

259 Neumann, Gotthard: Bespr. Radig, Werner: Der Burgberg Meissen und der Slawengau Daleminzien. Die Frühgeschichte einer ostdeutschen Burgwalllandschaft (Führer zur Urgeschichte 8). Augsburg 1929. In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 29 (1930) 1, S. 252. 260 Jankuhn, Herbert: Die Gürtelgarnituren der älteren römischen Kaiserzeit im Samlande. In: Prussia 30 (1933), S. 166 – 201, hier S. 166. Vgl. Mahrsarski, Herbert Jankuhn (1905 – 1990), 2011, 91. 261 Vgl. Mahrsarski, Herbert Jankuhn (1905 – 1990), 2011, S. 171. 262 Jankuhn, Herbert: Zur Besiedlung des Samlandes in der älteren römischen Kaiserzeit. In: Prussia 30 (1933), S. 202 – 222, hier S. 216 – 217. 263 Neumann, Die Entwicklung der Aunjetitzer Keramik, 1929, S. 128, 95.

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Heteronomisierung nach 1933

Wenn die Vor- und Frühgeschichte um 1933 noch vom Überwiegen des hetero­ nomen Pols bedroht war, ihre Vertreter nach dem Machtwechsel jedoch intensiver mit NS-Politikern zusammenarbeiteten, ist zu erwarten, dass die importierten Kapitalsorten aus dem politischen Feld nur unvollständig in wissenschaftliches Kapital umgewandelt wurden. Dass viele Prähistoriker ‚völkisch‘-politische Ideologeme bereits vor 1933 in ihren Schriften vertraten, zeugt von der rela­tiven Heteronomie des Fachs. Insofern ist eine Steigerung und Radikalisierung dieser Tendenzen zu erwarten. Auf erkenntnistheoretischer Ebene müssten die Folgen davon ein Import von zeitgenössischen politischen Fragestellungen und eine Prädominanz von NS-Ideologemen in den Publikationen der Prä­historiker sein. Bei Neumann erfolgten nach der sogenannten Machtergreifung deutliche Veränderungen. Diese Wandlungen hingen erstens mit seiner intensivierten Popularisierungsstrategie zusammen, zweitens mit dem Aufschwung der Vor- und Frühgeschichte zu einer nun dominanten Deutungs- und Weltanschauungswissen­ schaft und drittens mit einer Erweiterung der ethnischen Konstruktionen auf erkenntnistheore­tischer Ebene. Zunächst ist eine Biologisierung im Sinne einer ‚rassischen‘ Auslegung des ethnisch grundierten Kulturbegriffs festzuhalten.264 Das ethnische Substrat bezeichnete Neumann vermehrt mit dem Wort ‚Blut‘. Das „Blut der ausgesprochen nordrassigen Schnurkeramiker“, die Neumann als den „indogerma­ nischen Bestandteil der Germanen anzusehen geneigt“ war, könnten „ins Kelten­ tum eingeflossen sein“. Damit würde sich „das Indogermanentum der Kelten archäologisch belegen“ lassen.265 Die biologistische Fundierung diente Neumann nicht etwa dazu, die Germanen im ‚rassisch-völkischen‘ und wertenden Sinne zu überhöhen, vielmehr verwendete er sie als Begründung seiner Ansicht, dass die Indogermanen eine einheitliche ‚Rasse‘ dargestellt hätten, aus der später die Germanen, Kelten und Slawen hervorgegangen seien. Neumann folgte also auch nach 1933 nicht einer germanenzentrierten Auslegung der „Nordischen ­Theorie“ – die Kelten als „indogermanisches Volk“ stellte er mit den Germanen

264 Neumann, Gotthard: Leben und Treiben in Thüringen vor 20‘000 Jahren. In: Das Thüringer Fähnlein 2 (1933) 6, S. 1 – 11, hier S. 10. 265 Neumann, Gotthard: Die Kelten in Thüringen. In: Der Thüringer Erzieher 3 (1935) 5, S. 143 – 154, hier S. 146.

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auf dieselbe ethnohistorische Entwicklungsstufe.266 Um dies schlüssig darzulegen, ebnete er die physischen Unterschiede zwischen Germanen, Kelten und Slawen ein. Die Mehrzahl der Träger der „nordischen, ostischen und dinarischen“ ‚­Rassen‘ seien trotz der sehr verschiedenen Kulturen „rassisch recht einheitlich, und zwar mehr oder weniger vorherrschend nordisch“:267 Die „Träger der A ­ unjetitzer Kultur [gehören] nach ihrem Schädelbau zur nordischen Rasse […], wenn sie auch eine nicht unerhebliche Anzahl von nichtnordischen Kurzköpfen der Glockenbecherkultur in sich aufgenommen haben.“268 Die Begriffe ‚Rasse‘ und ‚Volk‘ waren bei Neumann also Analysekategorien, die verschiedene Zeitepochen bezeichneten. Das bedeutet nicht, dass diese Kategorien wertfrei waren. Bei den Slawen hatte laut Neumann eine „degenerative Entwicklung“ in der Periode der Herausbildung der eigentlichen Völker eingesetzt, nämlich im Frühmittelalter. Während dieser Zeit seien die Slawen im Vergleich zu den Deutschen kulturell abgesunken. Seine Annahme untermauerte er damit, dass die slawischen Keramikgefäße „minderwertig“ gearbeitet seien, während die „besser gearbeiteten Gefäße“ erst wieder unter „deutschem Einfluss“ festgestellt werden könnten.269 In einem Aufsatz von 1939 äußerte Neumann schwerste Bedenken gegenüber der „Bezeichnung des 8. bis 10. Jh. n. Chr. als Slawenzeit. Denn sie verleitet zu der falschen Vorstellung, als ob in jenen Jahrhunderten alles germanisch-deutsche Wesen in Thüringen erloschen gewesen sei.“ Tatsache sei jedoch, dass das „eigentliche Thüringen“ nur von einer „Anzahl slawischer Hintersassen durchschossen, im übrigen jedoch rein germanenblütig besiedelt war.“270 Ansonsten hielt sich Neumann gegenüber der „slawischen Frage“ zurück, die Slawen waren für ihn vor allem eine Großethnie wie die Kelten oder die Germanen. Ein bedeutender Wandel ist darin zu sehen, dass Neumann nach 1933 zunehmend die „germanische Frage“ thematisierte. Vor allem seiner thüringischen

266 Neumann, Gotthard: Weimar in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. In: Das Thüringer Fähnlein 3 (1934) 2, S. 12 – 31, hier S. 22. 267 Neumann, Gotthard: Eine Gliederung der thüringischen Vor- und Frühgeschichte. In: Das Thüringer Fähnlein 8 (1939) 4, S. 134 – 137, hier S. 136. 268 Neumann, Weimar in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, 1934, S. 14. 269 Neumann, Gotthard: Ein bäuerlicher Herrensitz der ostdeutschen Kolonisationszeit. In: Das Thüringer Fähnlein 4 (1935) 3, S. 140 – 151, hier S. 141 – 142. 270 Neumann, Eine Gliederung der thüringischen Vor- und Frühgeschichte, 1939, S. 134 – 137, hier S. 135.

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Heimat attribuierte er eine „tausendjährige Germanengeschichte“.271 Diese direkte Anpassung an NS-Ideologeme hängt mit dem von Neumann begrüßten „Aufgang des Dritten Reiches“ zusammen, durch den „nach Jahren des Kampfes […] ein gründlicher Umschwung in der Bewertung des Germanentums der Vorzeit durch die Allgemeinheit vollzogen“ werde. Allerdings sprach ­Neumann im gleichen Zug auch eine Schattenseite dieser Entwicklung an. Durch die Aufwertung der Germanen war vormals kaum genannten Vertretern der „Germanenforschung […] gleichsam über Nacht“ die Rolle der „gefragtesten Interpreten deutschen Werdens“ zugekommen.272 Diese Bemerkung ist eindeutig als Kritik an der Förderung von „Germanomanen“ wie Teudt oder Wirth durch NS-Politiker zu interpretieren. Verglichen mit Hans Reinerths Ansichten und Äußerungen sind bei Neumann nahezu keine Konstruktionen einer Überlegenheit der Germanen gegenüber anderen ‚Rassen‘ und ‚Völkern‘ oder direkte Diffamierungen anderer Wissenschaftler zu finden. Die oben erwähnten Invektiven „jüdisch“ und „Römlinge“ für Bersu oder Schuchhardt ließ er nicht in seine Publikationen einfließen. Im Gegensatz dazu ging Reinerth in seinem Kampf gegen die „Römlinge“ so weit, ihre vermeintliche Dominanz in der Vor- und Frühgeschichte mit „marxis­tischer Herrschaft“ zu assoziieren und sie als „Totengräber der jungen deutschen Vorgeschichtsforschung“ zu bezeichnen.273 Neumann dagegen produzierte eher hybride Denkfiguren, die zwischen Wissenschaft und Politik standen, ohne dass er damit direkte Wertungen formulierte. Diese Figuren waren Ausdruck eines gesellschaftlichen Deutungsanspruchs der Vor- und Frühgeschichte, dem Fach sollte eine entscheidende, gesellschaftsgestaltende Funktion im neuen Staat zukommen. Die Verbindung von Gegenwart und wissenschaftlicher Vergangenheitskonstruktion hing aber auch mit Neumanns erkenntnistheore­tischen Grundlegungen zusammen. Die Substitution der alten Wissensordnung nach rein chronologischen und typologischen Aspekten durch den ethnisch-‚völkischen‘, letztlich essenzialistischen Kulturbegriff ersetzte die

271 Neumann, Gotthard: Germanische Bodenfunde aus dem Saaletal bei Jena. In: Der Thüringer Erzieher 2 (1934) 15/16, S. 456 – 464, hier S. 464. 272 Neumann, Gotthard: Thüringen als Germanenland. In: Verkehrsblätter für das Land Thüringen 10 (1933), S. 1 – 2, hier S. 1. 273 Reinerth, Hans: Das politische Bild Alteuropas. Aus der Arbeit der nationalsozialistischen Vorgeschichtsforschung. In: Germanen-Erbe 2 (1937), S. 66 – 75, hier S. 71. Vgl. Reinerth, Hans: Deutsche Vorgeschichte. In: NS-Monatshefte 27 ( Juni 1932), S. 241 – 256; Reinerth, Hans: Süddeutschlands nordisch-germanische Sendung. In: Germanen-Erbe 1 (1936), S. 203 – 209.

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historistische, epochengebundene Wissensordnung, was eine Verbindung mit dem Ewigkeitsideologem der NS-Ideologen begünstigte. Beide Aspekte führten zu einem Import von Fragestellungen und Sprache des politischen Felds in Neumanns wissenschaftliche Erzeugnisse. So meinte er, „die Klärung aller Fragen, die mit der Wiedergewinnung des germanischen Ostens nach der slawischen Überflutung im 7. bis 9. Jahrh. n. Chr. zusammenhängen, gehört aus nationalpolitischen Gründen zu den vordringlichen Aufgaben deutscher Geschichts- und Vorgeschichtsforschung.“274 Mit dieser Konstruktion versuchte Neumann Ziele der NS -Politik mit den wissenschaftlichen Instrumenten der Vor- und Frühgeschichte zu beantworten und folgte damit nun den revisionistischen Absichten der archäologischen Ostforschung. In einem anderen Artikel stellte Neumann fest, dass die „politische Karte Thüringens vom Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr.“ gegenüber „der des voraufgehenden 3. Jahrtausends ein völlig verändertes Bild“ zeige: „An die Stelle von wenigstens fünf verschiedenen Kulturkreisen mit zahllosen örtlichen Sondergruppen und Kreuzungen ist die nahezu lückenlose Einheit eines einzigen Kreises getreten, die Einheit der sog. Aunjetitzer Kultur.“275 Der Ausdruck „politische Karte“ für die Kennzeichnung gesellschaftlicher Zustände in prähistorischen Epochen war ein deutlicher Effekt der Heteronomisierung. Das nun vertretene Reinheits- und Einheitsprinzip stand für ein Volksgemeinschaftsideal: Neumann stellte eine starke ethnische Einheit einer politischethnisch in „zahllose örtliche Sonder­gruppen“ zersplitterten Einheit gegenüber und besetzte erstere positiv. Die Zusammenfassung größerer Kulturkreise zu einheitlichen Gruppen begründete er durch archäologische Befunde etwa zu den Bestattungsarten.276 Neumanns heteronome Denkfiguren mündeten in einen offen rassistischen Antisemitismus während seines Einsatzes in der Wehrmacht. Neumann gehörte nicht zur kämpfenden, sondern zur Nachrichtentruppe und fand während seiner Stationierung in der Ukraine Zeit für eigene archäologische Forschungen.277 Außerdem begleitete er die Kollegen Rudolf Stampfuss, Paul Grimm und Walter Modrijan vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) bei ihren

274 Neumann, Ein bäuerlicher Herrensitz, 1935, S. 140. 275 Neumann, Weimar in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, 1934, S. 12. 276 Neumann, Thüringen als Germanenland, 1933, S. 1. 277 Neumann, Gotthard: Vorgeschichtliche Beobachtungen in der Ukraine. In: Der Spatenforscher 6 (1941) 5/6, S. 35 – 39.

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kulturpolitischen Aufgaben.278 Die Quellen geben keinen Aufschluss darüber, ob Neumann offiziell als Mitarbeiter in die Aktivitäten dieses wissenschaftlichen Einsatzstabs involviert war oder ob er nur als Außenstehender herangezogen wurde. Im „Spatenforscher“ berichtete Neumann von einer kleinen Ausgrabung in der Ukraine und von seinen generellen Eindrücken von diesem Land. Neben „all dem Urtümlichen“ in der Ukraine gebe es auch eine „‚Zivilisation‘ der Sowjets mit Traktoren, Serienmöbeln und erschreckend kitschigen Stalinbildern“, die er als „unorganisch, gewaltsam und fremd“ empfand. Vielleicht könne man sie in ihrer „doktrinären Aufdringlichkeit jüdisch nennen, sicher setzt sie das jüdische Unwesen fort, das sich in den größeren Städten wohl schon zur Zeit der Zaren breit gemacht hat und in einer schreienden Dissonanz zu dem Einheimischen steht, das ich einmal alteuropäisch nennen möchte.“279 Massenproduktion und Kitsch schrieb Neumann den Sowjets zu, die er mit der Bezeichnung „jüdisch“ verband und in ein Bedeutungsnetz von „unorganisch“, „gewaltsam“ und „fremd“ einwob. Die ukrainische Kultur stellte er dagegen als „urtümlich“, also ‚völkisch‘ gesehen „echt“ dar und verwies damit auf die seiner Ansicht nach ursprünglich indogermanische Abkunft der Ukrainer.280 Die Juden stellten für Neumann eine Gefahr für dieses Urtümliche dar: „Denn die Vorgeschichte wurde erst in den letzten Jahren vor dem Kriege wieder amtlich zugelassen und dann vorwiegend jüdischen Händen ausgeliefert.“ Heute sei die Verwaltung der Sammlungen „ukrainischen Männern und Frauen anvertraut, die ihre Einstellung dadurch bekundet haben, dass sie sich den zurückweichenden Sowjets nicht anschlossen, ja sogar entzogen.“281 Die positiv besetzte ukrainische Vor- und Frühgeschichtsforschung und die vorgebliche Urtümlichkeit der Ukrainer waren laut Neumann von den einfallenden Sowjets und den Juden 278 Neumann, Gotthard: Vorgeschichtliche Studien in ukrainischen Museen. In: Der Spaten­ forscher 7 (1942) 3/4, S. 17 – 32, hier S. 18. Vgl. Der Beauftragte des Führers für die Über­ wachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP. Mitteilungsblatt. Nachrichten des Einsatzstabes, 1943/Teil B, Heft 4: Bericht über die Arbeit des Sonderstabes Vor- und Frühgeschichte im Jahre 1942. In: BAR, NS 30/5. Vgl. Grabolle/­Hoßfeld/Schmidt, Ur- und Frühgeschichte in Jena, 2003, S. 889, sowie zu den Raubgrabungen des ERR Heuß, Anja: Kunst- und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion. Heidelberg 2000. 279 Neumann, Vorgeschichtliche Beobachtungen in der Ukraine, 1941, S. 39. 280 Vgl. Neumann, Gotthard: Die Frühgeschichte der Ukraine und wir. In: Zeitschrift für deutsche Geisteswissenschaft 6 (1943), S. 181 – 189. 281 Neumann, Vorgeschichtliche Studien in ukrainischen Museen, 1942, S. 18.

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bedroht. Ein Ausschluss der Juden aus der ukrainischen Gesellschaft musste damit zu deren Gesundung führen. Ähnliche Ansichten hatte Werner Conze in seiner 1938 publizierten Studie „Wilna und der Nordosten Polens“ vertreten, worin er die Juden als einen „Fremdkörper“ bezeichnete und konstatierte, dass die Macht der Juden „immer noch unerträglich genug“ sei, die „Bevölkerungsstruktur in der Region in negativer Weise“ zu beeinflussen.282 Für Neumann war der Zweite Weltkrieg in diesem Sinne ein Krieg gegen die „Bedrohung Europas durch Asien“, gegen die „asiatische[…] Herrschaft, die heute im wesentlichen durch den Juden bestimmt wird“. Zu diesem Europa gehörten für ihn auch die slawischen Völker: „Unsere Aufgabe heißt: […] für die Zukunft vorzusorgen, dass wir die Ukraine endgültig für Europa zurückgewinnen.“283 Neumanns Denkfiguren sind ein Beispiel für die Ordnungssemantiken, die für die Verbrechen der SS -Verbände und Wehrmachtsangehörigen an den Juden, Roma, Sinti und anderen Bevölkerungsgruppen ausschlaggebend waren. Während andere Akademiker, die eine ähnliche Position wie Neumann in der Wehrmacht hatten, im Krieg die Humanität wiederentdeckten und sich innerlich von der deutschen Kriegsführung distanzierten,284 dehumanisierte Neumann solche sozialen Gruppen, die er als Feinde Deutschlands ansah. Zwischenbilanz

Gotthard Neumann erfüllte grundlegende Anforderungen der NS-Wissenschaft, die er wiederum für die eigenen Interessen und die seines Fachs verwenden konnte, ohne dabei selbst zur Gruppe der NS -Wissenschaftler zu gehören. Als Folge der heteronomen Strategie Neumanns und seines wissenschaftlichen Umfelds wurde wissenschaftliches Wissen mit nationalsozialistisch-politischen Fragestellungen, Problemlagen und Elementen der NS-Weltanschauung verzahnt. Während Boomfächer ‚völkisch-rassischen‘ Inhalts der 1930er- und 1940er-Jahre nach 1945 aus dem deutschen Wissenschaftsfeld mehrheitlich verdrängt wurden, hatten die Vor- und Frühgeschichtsforscher trotz ihrer engen Bindung an NS -Politiker genügend gesellschaftliche Relevanz geschaffen sowie Institute und Zeitschriften ins Leben gerufen, dass ihr Fach auch 282 Vgl. Dunkhase, Werner Conze, 2010, S. 51, 242. 283 Neumann, Die Frühgeschichte der Ukraine, 1943, S. 189. 284 So z. B. der Fall von Konrad Jarausch. Vgl. Jarausch, Konrad H.: Vatersuche. Annähe­ rungen an ein problematisches Erbe. In: Jarausch/Arnold (Hg.): „Das stille Sterben…“, 2008, S. 20 – 53, hier S. 36 – 42.

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nach 1945 im Wissen­schaftsfeld Bestand hatte. Dies hing entscheidend damit zusammen, dass die Vor- und Frühgeschichte kein neuer Forschungsbereich war, sondern 1933 bereits eine Geschichte und eine gewisse Tradition aufweisen konnte. Vor 1933 existierten mehrere Varianten ‚völkisch-ethnischer‘ bis ‚rassisch-ethnischer‘ Theorien und Begriffe, die je nach Wissenschaftlergruppe innerhalb der Vor- und Frühgeschichte differierten. Eine mögliche Variante war Neumanns kulturell-ethnisch-‚völkisches‘ Konzept, in dem der Germanenbegriff im Kontext einer angestrebten „lebensweltlichen“ Beurteilung der vor- und frühgeschichtlichen ‚Stämme‘, ‚Völker‘ und ‚Rassen‘ ein Begriff zur ethnohistorischen Differenzierung war, der auf gleicher Analysestufe wie der ethnische Spezifikationsbegriff ‚Kelten‘ stand. Diese ethnozentrische Wissensordnung war auch dafür entscheidend, dass Neumann als Archäologe sich auf das Mittelalter konzentrierte. 4.2.2 MITTELALTERARCHÄOLOGIE UND BURGENFORSCHUNG

Gotthard Neumann leitete mehrere Ausgrabungen von Mittelalterburgen, so der Burg Camburg, der Wasserburg Kapellendorf oder der sogenannten Reichsburg Kyffhausen.285 In Kapitel 3.2.3 (S. 132) wurde dargelegt, dass die Mehrzahl der Archäologen unter ‚Burg‘ eine abgegangene ehemalige Holzburg oder eine vorzeitliche, meist bronze- oder eisenzeitliche Befestigung verstanden. Für jene Wissenschaftler endeten die Forschungsobjekte der Vor- und Frühgeschichte mit dem ausgehenden Frühmittelalter, die Erforschung des Hochmittelalters überließen sie den Landes- und Kunsthistorikern. Neumann dagegen behandelte hochmittelalterliche Burgen wie alle anderen Objekte der Vor- und Frühgeschichte. Damit war er zwar nicht der Einzige, es kann aber dennoch als im Fach eher unüblich bewertet werden. Andere Archäologen mit einem solchen Fokus waren Paul Grimm, Herbert Jankuhn oder Wilhelm Unverzagt.286 In der Forschungsliteratur werden diese „Pioniere“ der Mittelalterarchäologie tendenziell als Innovatoren im Sinne einer Erweiterung der Vor- und Frühgeschichte

285 Vgl. Jugendburg Camburg. Herausgegeben von: Deutsches Jugendherbergswerk, Landes­ verband Thüringen. Weimar 1936; Neumann, Gotthard: Unsere Ausgrabungen in der ­Wasserburg Kapellendorf. In: Das Thüringer Fähnlein 2 (1933) 12, S. 1 – 10. 286 Vgl. Grimm, Paul: Die deutsche Irdenware des 11.-15. Jahrhunderts im engeren Mitteldeutschland. In: Mitteldeutsche Volkheit 6 (1939) 3/4, S. 36 – 41. Vgl. Grunwald, Potentiale der Burgwallforschung, 2009.

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gesehen.287 Auf die Frage, warum sich Neumann auf Burgen und andere Objekte des Mittelalters konzentrierte, können drei Gründe angeführt werden: 1 |  Neumanns ganzheitliche Bildung, insbesondere die Kombination von historischen Hilfswissenschaften, Mittelaltergeschichte und Vor- und Frühgeschichte, führte zu einer Sensibilisierung für materielle Hinterlassenschaften mittelalterlicher Menschen. Sein Holismus entsprach dabei weniger dem Humboldt’schen Bildungsideal, sondern stand eher für eine Abkehr von der fortschreitenden Spezialisierung in den Wissenschaften im Sinne einer Suche nach erkenntnistheoretischer Ganzheit. Neumann war ein Exponent eines Denkens, das einem holistischen Ansatz, gleichzeitig aber auch einer positi­vistischen, empirischen Herangehensweise an archäologische Objekte verpflichtet war. Dieses Denken führte zu einer Erweiterung des archäologischen Horizonts, womit auch Mittelalterburgen, spätmittelalterliche Gehöfte oder frühneuzeitliche Keramik zu den vor- und frühgeschichtlichen Forschungsobjekten gehörten.288 Dabei handelte es sich um eine Erweiterung der Vor- und Frühgeschichte und nur bedingt um eine interdisziplinäre Heran­gehensweise. Neumann wandte bei der Untersuchung einer Mittelalterburg kaum andere Methoden und Ansätze an als diejenigen der Archäologie. Er grub die Burgen aus, bediente sich dafür moderner technischer Methoden wie der Stratigrafie und bei der Fundauswertung der Typologie, das aufgehende Mauerwerk einer Burg analysierte er jedoch nicht, und er wertete Schriftquellen zum betreffenden Bauwerk nur dann aus, wenn er sie direkt auf die Ausgrabungsergebnisse beziehen konnte. Auch Bolko von Richthofen schwebte keine eigentlich interdisziplinäre Arbeitsweise vor, vielmehr sah er die Mittelalterarchäologie als Erweiterung der Vor- und Frühgeschichte. Für ihn war die archäologische Erforschung des Mittelalters zwar disziplinenübergreifend; „Prähistoriker, Historiker und Kunsthistoriker müssten durch die Ausbildung der mittelalterlichen Archäologie gefördert“ werden, sie sollten also „gemeinschaftlich“ arbeiten. Mittelalterarchäologen hätten sich aber „der gleichen Arbeitsweise zu bedienen wie die Urgeschichtsforschung“. Die Forschungsobjekte aus dem Mittelalter sollten also unter der methodischen Hoheit der Archäologie stehen.289 Die Erforschung des Mittelalters durch die 287 Vgl. Steuer, Entstehung und Entwicklung, 1997/1998. 288 Neumann, Mittelalterliche Gefäßfunde, 1927; Neumann, Gotthard: Ein mittelalterliches Bauernhaus in der wüsten Mark Niederleutra, Lkr. Stadtroda. In: Der Spatenforscher 2 (1937) 4, S. 33 – 42. Vgl. Schirmer, Die deutsche Irdenware, 1939. 289 Vortrag Bolko von Richthofen (Hamburg): Die Slawen in Schlesien, anlässlich der XVI. Tagung der Stiftung für Volks- und Kulturbodenforschung in Bad Salzbrunn vom

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vor- und frühgeschichtliche Archäologie gehörte demnach zum Institutiona­ lisierungsprozess der Vor- und Frühgeschichte, in dessen Verlauf traditionell der Mediävistik zugeschriebene Forschungsobjekte der Vor- und Frühgeschichte unterstellt wurden. Neumanns Autoritätsanspruch wird in seiner eingangs dieses Kapitels auszugsweise zitierten Rede deutlich, die er damit schloss, er hoffe, dass die „junge Generation von Historikern […] vielleicht selbst einmal zum Spaten greift.“290 Nicht die Prähistoriker sollten von den Geschichts­wissenschaftlern lernen, sondern die Historiker von den Archäologen. Im Gegensatz zu vielen archäologischen Ostforschern, die eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit mit Vertretern anderer Fächer anstrebten – Beispiele sind die Ausgrabungen der Zantocher Schanze durch die BurgwallArbeitsgemeinschaft oder die Untersuchungen der Pfalz Werla 291 –, kann eine solche Wissenschaftspraxis für Neumann nicht nachgewiesen werden. Hierbei müssen mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Erstens wurde die Burgwall-Arbeitsgemeinschaft von der DFG finanziell unterstützt. Zudem arbeitete Unverzagt mit Albert Brackmanns Publikationsstelle Berlin-­Dahlem zusammen, also mit der späteren NOFG, der finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung standen.292 Neumann dagegen musste mit einem Institutsetat wirken, der durchaus bescheiden war; besondere Zuwendungen für Ausgrabungen vonseiten des Amts Rosenbergs scheint Neumann nicht erhalten zu haben. Zweitens handelte es sich bei der Mehrzahl der von Neumann durchgeführten Burgengrabungen nicht um Forschungs, sondern um Rettungsgrabungen, die er in seiner Funktion als Vertrauensmann für die thüringischen Bodenaltertümer dann vornehmen musste, wenn z. B. der RAD auf die Idee kam, eine Burg auszugraben. Drittens fielen in Thüringen Bodendenkmalpflege und die Pflege der Kunstdenkmäler rechtlich gesehen nicht in den gleichen Zuständigkeitsbereich, weshalb die Untersuchungen an Ort und Stelle meist getrennt voneinander stattfanden, was einer inter­ disziplinären Zusammenarbeit besonders hinderlich war. Objekte oberhalb des Bodens wurden dem Landeskonservator zugewiesen, solche im Boden 18.-20.10.1929, S. 506 – 508, hier S. 506. In: PAAA Kult VI A, 2, Nr. 11, 6. 290 Neumann, Die Sendung der Vorgeschichte, 1935, S. 17, 18. 291 Zu Zantoch vgl. Grunwald, Potentiale der Burgwallforschung, 2009. Zu Werla vgl. Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“, Jahrestagungen, Bericht über die Kieler Tagung 1939. Herausgegeben von: Herbert Jankuhn. Neumünster 1944. In: BAR, NS 21/827. 292 Grunwald, Potentiale der Burgwallforschung, 2009, S. 153.

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musste Neumann bearbeiten. Neumann bemühte sich zwar um einen Austausch mit Vertretern anderer Fächer: Am 26. Deutschen Geographentag in Jena, der 1936 unter dem Oberthema „Raum – Volk – Landschaft“ tagte, ­referierte auch Neumann.293 Eine Zusammenarbeit infolge solcher Diskussionen zwischen Vertretern verschiedener Fächer hatte sich aber allem Anschein nach nicht ergeben – Neumann blieb letztlich ein Einzelgänger. 2 |  Neumanns mittelalterarchäologische Forschungen waren auch erkenntnistheoretisch begründet. 1936 publizierte er im „Spatenforscher“ sein Vorhaben, die archäologischen Objekte im Jenaer Museum neu zu ordnen. Diese Neuordnung sollte nicht mehr nach typologisch-chronologischen Gesichts­punkten erfolgen, vielmehr bildete ein „biologisch-historischer Schlüssel“ nun das Ordnungskonzept, da Neumann der Ansicht war, dass die gängige Gliederung der Urgeschichte in Paläo, Meso- und Neolithikum nicht mehr zeitgemäß sei. Schon die Gliederung in Stein, Bronze- und Eisenzeit gab „für den völkisch Gesinnten Anlass zu Bedenken“,294 weil in dieser universalistischen Ordnung alle ‚Völker‘, ‚Kulturen‘ und ‚Rassen‘ in ihrer Geschichte dieselben Zeitstufen durchschritten. In Neumanns neuer epistemischen Ordnung dagegen war ­W issen bodengebunden und nicht mehr universal gültig,295 es war aus dem „Wesen der Völker“ heraus definiert. Dergestalt wollte er die Artefakte unterteilen in: „1. Die Kulturen des Neandertalers und der Lössrassen (Altsteinzeit). 2. Die Kulturen der Vorindogermanen 1 (Mittelsteinzeit). 3. Die Kulturen der Vorindo­germanen 2 ( Jungsteinzeit: Nördlicher Kulturkreis). […] 9. Die Kulturen der Slaven [sic] (Karolinger- und Ottonenzeit: Östlicher Kulturkreis). 10. Die Kultur der Deutschen (Mittelalter).“296 Das Mittelalter stellte für Neumann die letzte Stufe der ethnohistorischen Entwicklung der Deutschen dar, wobei seine Heimat in diesem Prozess besonders zentral war, „denn als geographisches Herzstück Deutschlands hat Thüringen in besonderem Maße teil an den wichtigsten der Volkstümer, aus denen unser deutsches Volk von heute im Laufe der Jahrtausende erwachsen ist.“297 Die archäologische, volkskundliche und historische Evidenzdichte scheint für Neumann im Mittelalter so groß gewesen zu sein, dass er vom 293 John/Stutz, Die Jenaer Universität 1918 – 1945, 2009, S. 512. 294 Neumann, Eine Gliederung der thüringischen Vor- und Frühgeschichte, 1939, S. 134. 295 Vgl. Neumann, Die Kelten in Thüringen, 1935, S. 143. 296 Neumann, Gotthard: Das Germanische Museum zieht um. In: Der Spatenforscher 1 (1936) 5, S. 43 – 44, hier S. 44. 297 Neumann, Eine Gliederung der thüringischen Vor- und Frühgeschichte, 1939, S. 136.

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„deutschen Volk“ als Ethnos sprechen konnte.298 Die „Geburt des deutschen Volkes und damit der Beginn der deutschen Geschichte“ war seiner Ansicht nach „ins Jahr 911 n. Chr. zu verlegen“, denn zu jenem Zeitpunkt hatten sich die „nachmals deutschen Stämme, Bayern, Schwaben, Franken, Thüringer, Sachsen und Friesen“, durch die Wahl Konrads I. zum Kaiser „endgültig vom karolingischen Frankenreiche geschieden.“299 Das Mittelalter war für Neumann aus diesem Grund eine ethnisch gesehen deutsche Epoche, weil sich in jener Zeit vorwiegend germanische Stämme unter Ausschluss der Slawen und Romanen vereint hatten, wobei der politische Rahmen dieses ­Prozesses das „Reich“ war, konkret das Reich Heinrichs I., „dessen germanische Prägung außer allem Zweifel steht.“300 Damit folgte Neumann der gängigen These der Ostforscher, nach der Heinrich I. als „Reichsgründer“ und „Burgenbauer“ galt und der Burgenbau mit der „Landnahme“ der Deutschen im Mittelalter verknüpft war.301 Mit der Etablierung des ottonischen Herrscher­geschlechts und dem machtpolitischen Ende der Karolinger setzte das „deutsche Mittelalter“ ein, dessen ethnische Ausdifferenzierung Neumann zufolge im 12. Jahrhundert abgeschlossen war.302 Die Archäologie des Mittelalters und darin die archäologische Burgenforschung sollte also Licht in diesen ethnohistorischen Prozess bringen. Richthofen war schon 1929 davon überzeugt, dass die Archäologie des Mittelalters „reiche Ergebnisse […] für die slawische Altertumskunde“ und „für die Kenntnis der deutschen Besiedlung des Ostens“ versprach.303 3 |  Als letzter Punkt ist Neumanns Strategie der Etablierung einer einheit­ lichen und von ihm verwalteten Bodendenkmalpflege in Thüringen anzuführen. Besonders wichtig dabei war, seine Position als professioneller Fachmann für vorund frühgeschichtliche Archäologie gegenüber außerakademischen Gelehrtenvereinen und Freizeitarchäologen durchzusetzen. Denn in Thüringen, das lange politisch und verwaltungstechnisch in regionale Einheiten unterteilt war, fanden 298 Neumann, Das Germanische Museum zieht um, 1936, S. 44. 299 Neumann, Gotthard: Die Epochen der deutschen Vorgeschichte im Raume Thüringen. In: Das Thüringer Fähnlein 6 (1937) 9, S. 457 – 462, hier S. 457. 300 Neumann, Thüringen als Germanenland, 1933, S. 2. 301 Vgl. Radig, Werner: Heinrich I. Burgenbauer und Reichsgründer (Führer zur Urgeschichte 14). Leipzig 1937. 302 Vgl. Neumann, Germanische Bodenfunde, 1934. 303 Vortrag Bolko von Richthofen (Hamburg): Die Slawen in Schlesien, anlässlich der XVI. Tagung der Stiftung für Volks- und Kulturbodenforschung in Bad Salzbrunn vom 18.– 20.10.1929, S. 506 – 508, hier S. 506. In: PAAA Kult VI A, 2, Nr. 11, 6.

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sich zahlreiche kleinere lokale oder regionale Geschichtsvereine und Vereine für Heimatschutz. 1928 verzeichnete Fritz Koch, Vorsitzender des Deutschen Bunds Heimatschutz Thüringens, allein in Weimar nicht weniger als 29 Geschichts- und Altertumsvereine.304 Mit ihrer teilweise noch in den 1920er-Jahren bestehenden dynastisch-regionalistischen Ausprägung hatten diese Vereine einen starken lokalen Handlungs- und Deutungsanspruch entwickelt und waren meist nicht gewillt, mit anderen Vereinen zusammenzuarbeiten.305 Ganz besonders Burgen wurden traditionell von solchen Vereinen verwaltet, die auch Ausgrabungen an der jeweiligen Burg durchführten. In diesem Sinne war ­Neumanns Fokussierung auf Mittelalterburgen oder auf frühneuzeitliche Gehöfte Teil seiner Strategie einer Vereinheitlichung der thüringischen Bodendenkmalpflege. Dadurch konnte er zusammen mit den beiden anderen Vertrauensmännern eine standardisierte Boden-, Kultur- und Naturdenkmalpflege etablieren. Mit dem „Gesetz zum Schutz der Bodenaltertümer“ gelang Neumann ein erster Schritt zur Etablierung eines solchen Standards. Fortan durfte lediglich der Staatliche Vertrauensmann die Erlaubnis für Ausgrabungen erteilen, eigenmächtiges Vorgehen stand unter Strafe. Um dieses Gesetz wirksam werden zu lassen, bedurfte es allerdings der fortwährenden aktiven Interaktion und Kommunikation mit den Laien und den Gelehrtenvereinen.306 In diesem Zusammenhang stand Neumanns Popularisierungsstrategie und seine Öffentlichkeitsarbeit, für die er insbesondere die NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik Thüringens als geeignetes Mittel zum Zweck ansah. Dabei verfolgte er zwei Ziele. Erstens musste er dem „einfachen Mann“ das von ihm als Fachmann generierte ­Wissen vermitteln, was Neumann durch unzählige Vorträge und Führungen durch das Museum zu erreichen versuchte. Zweitens sollten so die Laienforscher dazu motiviert werden, sich an Neumanns Aufgaben zu beteiligen. Neumann stand vor der Situation, mit den Laien kooperieren zu müssen, denn ohne ihre Mithilfe war seine Aufgabe, sich um die Bodendenkmalpflege des gesamten thüringischen Gebiets zu kümmern, nicht zu bewältigen. Es darf nicht vergessen werden, dass Neumann und die Mitarbeiter und Studierenden an seinem Institut mehr oder weniger auf sich allein gestellt waren, ohne zusätzliche Hilfe von der Regierung in Anspruch nehmen zu können. 304 Oberkrome, Willi: „Deutsche Heimat“. Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900 – 1960) (Forschungen zur Regionalgeschichte 47). Paderborn 2004, S. 103. 305 Vgl. Ebd., S. 29, 103 – 123. 306 Vgl. Peschel, Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege, 2010, S. 72.

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Um die Mitglieder der Vereine in „wahrem“ prähistorischem Wissen zu schulen und sie gleichzeitig für eine aktive Beteiligung am Heimatschutz und an Ausgrabungen zu mobilisieren – selbstverständlich unentgeltlich –, bedurfte es viel Fingerspitzengefühls. Neumann war zu Beginn der 1930er-Jahre kaum 30 Jahre alt, die lokalen Größen, die sich für die örtliche Denkmalpflege zuständig fühlten, dagegen bedeutend älter.307 Akademische Überheblichkeit war hier fehl am Platz, vor allem deshalb, weil viele Laienforscher gerade dies den Akademikern vorwarfen, und den jüngeren unter ihnen ganz besonders. Neumann hatte mit seiner Strategie durchaus Erfolg. Als Thüringer besaß er ein weit höheres Maß an Glaubwürdigkeit bei den Laien als z. B. ein aus Berlin zugezogener Archäologe. So ehrte er die Verdienste der Gelehrten mittels Nachrufen in Fachzeitschriften und in lokalen und regionalen Tageszeitungen oder ließ sie einzelne Themen aus der thüringischen Heimatarchäologie im „Spatenforscher“ publizieren.308 Neumann nahm die außerakademischen Archäologen ernst, empfing sie im Germanischen Museum und besprach mit ihnen Fachfragen auf Augenhöhe.309 Zwischenbilanz

Die archäologische Erforschung der Burgen durch vor- und frühgeschichtliche Archäologen kann in Neumanns Fall als Teil der Etablierungsstrategie der Bodendenkmalpflege in Jena gesehen werden. Gleichzeitig lag sie in seiner ethnozentrischen Wissensordnung begründet. Auf eine Konsolidierung der Burgenforschung an sich hatten diese Faktoren eine ausgesprochen nachteilige Wirkung. Burgen wurden als Thema und als Forschungsobjekte in die Vor- und Frühgeschichte eingegliedert, aber im Gegensatz zur Volks- und Kulturbodenforschung nicht als ein Subbereich darin aufgenommen. Dass außerakade­mische Gelehrtenvereine, die sich ausschließlich Burgen und der Burgenforschung widmeten, die neuen technischen Methoden der Vor- und Frühgeschichte nicht aufnehmen und anwenden konnten, ist darauf zurückzuführen, dass sich die 307 Ebd., S. 72, 83. 308 Vgl. Neumann, Gotthard: Ein thüringischer Vorgeschichtsforscher. In: Thüringer Gauzeitung vom 31.5.1940. In: NL Neumann, Akte „1930 – 1949, Neumann. Zeitungsberichte“; Neumann, Gotthard: Alfred Auerbach als Vorgeschichtler. In: Der Spatenforscher 3 (1938) 3, S. 17 – 20. Vgl. Abschrift Bescheinigung Fritz Auer vom Verein „Die Naturfreunde“ vom 13.1.1946. In: UAJ, Best. D, Nr. 3194. 309 Peschel, Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege, 2010, S. 82.

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vor- und frühgeschichtlichen Archäologen in den 1920er- und 1930er-­Jahren in einem Professionalisierungsprozess befanden. Dazu gehörte die klare Abgrenzung von der Laienforschung. Die Methoden der Vor- und Frühgeschichte waren akademisch konsekriert und daher zunehmend und bewusst exklusiv auf den universitären oder denkmalpflegerischen Bereich beschränkt. In diesem Sinne intendierte Neumann, das Forschungsobjekt ‚Burg‘ den Laien zu ent­reißen und es in die seiner Ansicht nach professionelle Vor- und Früh­geschichte zu überführen. 4.2.3 KONKLUSION: KONTINUITÄTEN ETHNOZENTRISCHEN DENKENS UND DIE MITTELALTERARCHÄOLOGIE

Gotthard Neumann begann in den 1950er-Jahren wieder mit der Publikation wissenschaftlicher Abhandlungen. Er verwendete nach wie vor Begriffskombi­ nationen wie „das landfremde Volk der Glockenbecherleute“ oder den Begriff der ‚Gruppe‘,310 allerdings veränderte er die semantischen Bezüge seiner Wissens­ figuren. Die Verbindung von Heimatraum (Boden), Ethnos und archäologischem Objekt unterzog er einer Rekombination, indem er auf ‚rassische‘ Kategorien und auf die Verknüpfung von anthropologischem Befund mit materieller Kultur verzichtete. In diesem Sinne ist eine „Entbiologisierung“ infolge einer Neukonzeption der Verklammerung von ethnischer Zuschreibung und Kulturbegriff zu konstatieren. Dies bedeutete nicht den Rückzug in den vorgeblich neutralen Positivismus. Funde und Befunde wurden zwar aufgelistet und beschrieben, was an die frühen Publikationen Neumanns erinnert, ethnische Zuschreibungen wie „deutschmittelalterliche Scherben“ oder „germanische Arbeiten“ führte er jedoch fort.311 Die Verbindung von Ethnos, Chronologie und Typologie hatte daher über das Ende des NS-Regimes hinaus Bestand. Interessant dabei ist, dass Neumann in den 1950er-Jahren ein „sozialgeschichtliches Interesse“ in 310 Neumann, Gotthard: Sieben Gleicherburgen nach dem Forschungsstand von 1952. In: Frühe Burgen und Städte. Beiträge zur Burgen- und Stadtkernforschung. Wilhelm Unverzagt zum 60. Geburtstag dargebracht am 21. Mai 1952 (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Schriften zur Sektion der Vor- und Frühgeschichte 2). Berlin 1954, S. 7 – 16, hier S. 8. 311 Neumann, Gotthard: Berge und Burgen an der Saale bei Jena. In: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1966 (Coburg-Eisfelder Heimatwerk 5), S. 225 – 248, hier S. 240; Neumann, Gotthard: Zur Frage der Bronzefibeln mit Bügelplatte. In: Germania 35 (1957), S. 28 – 32, hier S. 32. Vgl. Neumann, Gotthard: Der Burgwall auf dem Johannisberge bei Jena-Lobeda. Kurzbericht über die Ausgrabungen des Vorgeschichtlichen Museums der Universität Jena 1959. In: Ausgrabungen und Funde 5 (1960) 5, S. 237 – 244.

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seinen Fragestellungen entwickelte.312 Diese Wendung erinnert an die Neu­ formulierung der Volksgeschichte durch Otto Brunner oder Werner Conze, die ihre ‚völkischen‘ Konzepte in transformierter Form in den 1960er- und 1970erJahren als Struktur- und Sozialgeschichte ausgaben,313 stärker noch ist sie aber ein Zeugnis dafür, dass ‚völkische‘ Wissensordnungen als „Sozialgeschichte“ in das marxistisch-leninistische Wissenschaftsprinzip der SBZ und der späteren DDR überführt werden konnten.314 Die Stabilität der ethnischen epistemischen Grundlegung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Mittelalterarchäologie. Denn je jünger die Epoche war, desto plausibler meinte Neumann auf das E ­ thnos eines ‚Kulturkreises‘, eines ‚Volks‘ oder einer ‚Gruppe‘ schließen zu können. Gemäß seinen ethnisch-‚völkischen‘ Grundsätzen war das Mittelalter die letzte ethnohistorische Differenzierungsphase, in der die „Deutschen“ zu einem ‚Volk‘ wurden. Aufgrund der epistemischen Kontinuität wäre zu vermuten, dass ethnozentrisches Denken auch für die Formierung der Mittelalterarchäologie als archäologische Subdisziplin in den 1960er-Jahren eine wichtige Rolle spielte, zumal zur selben Zeit eine Konsolidierung der Strukturgeschichte erfolgte. 4.3 DER KUNSTHISTORIKER: WALTER HOTZ (1912 – 1996)

Als die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernahmen, war Walter Hotz 21 Jahre alt. Sein Studium der Kunstgeschichte und der Theologie hatte er zu dem Zeitpunkt noch nicht zu Ende gebracht, erst ein Jahr später promovierte er an der Universität Gießen im Fach Kunstgeschichte über die Burg Wildenberg im Odenwald. Hotz engagierte sich seit der Schulzeit in der Christlichen Pfadfinderschaft (CP) Rheinhessens und publizierte bereits als Schüler Artikel über seine Erlebnisse in diesem Pfadfinderbund. 1933 veröffentlichte er in einem Mitteilungsblatt der Pfadfinder einen kurzen Aufsatz mit dem Titel „Deutsches Jungvolk!“. Hotz schrieb darin, dass sich schon in der Kleidung der Geist zeige, „der das Jungvolk werden ließ: Sie tragen das braune Gewand 312 Neumann, Gotthard: Vorbericht über die Ausgrabung eisenzeitlicher Grabhügel am Ahlstadter Wege in der Flur Harras, Lkr. Hildburghausen. In: Ausgrabungen und Funde 1 (1956) 6, S. 282 – 284, hier S. 284. 313 Vgl. Oberkrome, Volksgeschichte, 1993, S. 20. 314 Das Thema ist bislang wenig erforscht. Vgl. erste Ergebnisse bei Widera, Thomas: Werner Coblenz und die prähistorische Archäologie in Sachsen nach 1945. In: Schachtmann/Strobel/ Widera (Hg.), Politik und Wissenschaft in der prähistorischen Archäologie, 2009, S. 193 – 217.

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der national­sozialistischen Armee, für das so viele ihr Leben ließen.“ Gleich­ zeitig würden sie auch die „schwarzen Blusen der bündischen Jugend [tragen], die hat mitbauen helfen an der Idee und Gestalt des Dritten Reiches.“ Das Deutsche Jungvolk (DJ) war seiner Auffassung nach „Kronjuwel des Dritten Reiches“, es schaffe „ein Jungenreich, so reich und schön“, gewachsen „aus der eigenen Form“, dessen Aufgabe es sei, die „Einheit des Volkes“ vorzubereiten.315 Hotz schrieb der Bündischen Jugend einen wesentlichen Anteil an „Idee und Gestalt“ des ‚Dritten Reichs‘ zu, die Bünde waren für ihn die Avantgarde der NS-Volksgemeinschaft. Diesem explizit nicht wissenschaftlichen Artikel aus dem Jahr 1933 soll ein Zitat aus einer wissenschaftlichen Veröffentlichung von Walter Hotz gegenübergestellt werden. In der Einleitung zu seinem 1940 veröffentlichten Buch „König und Verschwörer“ stellte er fest, dass, seit sich „aus den altgermanischen Stammesver­bänden […] Völker zu bilden und Nationen zu Formen begannen“, immer wieder von Neuem „um die Idee des Reiches gerungen worden“ sei. Denn den „Deutschen lag von jeher das Reich im Blute“. Das Reich sei eine politische „Weltordnung, die Raum und Volk und Staat in sich vereinte.“ Mit innerer Notwendigkeit habe so „jede große politische Tat im deutschen Volk zum Reich“ drängen müssen. Für Hotz war das Reich als Idee durch das „eigentliche Wesen der Kunst“ erfahrbar, denn die Kunst war für ihn „Träger und Mittler“ großer politischer Gedanken. Erst dadurch war die „notwendige Namenlosigkeit der Künstler jener Tage“ verständlich, denn sie dienten in ihrem Schaffen „dem höheren Ruhm des Reiches“. Über die Kunst sah Hotz einen Zugang zur Ideenwelt des Mittelalters eröffnet.316 In der Reichsidee als deutsches Lebensgesetz und Weltordnung zugleich kam den Mittel­alterburgen eine herausragende Bedeutung zu: „Die Burgen dienten dem Reich, solange sie unter einheitlicher raumpolitischer Führung seine Belange vertraten, solange gab es auch eine Blütezeit der Burgenkultur.“317 Reichsidee und Blütezeit des mittelalterlichen Burgenbaus waren miteinander wechselseitig verschränkt. Die beiden Zitate zeigen, dass in Walter Hotz’ weltanschaulichem und wissenschaftlichem Denken das Reich der primäre Ordnungs- und Orientierungs­begriff 315 Hotz, Walter: „Deutsches Jungvolk!“ In: Jungbannwaffendienst 117 (1933) 1 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 316 Hotz, Walter: König und Verschwörer. Männer und Mächte um Heinrich den Siebenten von Hohenstaufen. Bremen, Berlin 1940, S. 9, 10. 317 Hotz, Walter: Kaiserpfalzen und Ritterburgen in Franken und Thüringen (Deutsche Lande, deutsche Kunst). Aufnahmen von Karl Christian Raulfs. Berlin 1940, S. 5.

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darstellte. Noch in einem 1965 publizierten Buch meinte er, dass die Burgen vornehmlich der „planmäßige[n] Befestigung des Reichsraums“ gedient hätten.318 Aus dem bisher Dargelegten lassen sich folgende Hypothesen ableiten: 1 |  Die Reichsidee als zentraler Begriff in Walter Hotz’ Denken lässt die Annahme plausibel erscheinen, dass durch seine Sozialisation in der Jugendbewegung die entscheidenden habituellen Dispositionen dafür geschaffen worden waren, wie er zum Nationalsozialismus auf weltanschaulicher Ebene stand und welche wissenschaftlichen Denkenfiguren er vertrat. Der Reichsbegriff hatte offenbar eine wichtige Klammerfunktion zwischen Weltanschauung und wissen­schaftlichem Wissen. Insofern muss bei Walter Hotz das Verhältnis von Wissenschaft und politischer Weltanschauung aufgezeigt werden, um die Frage zu beantworten, ob es sich hierbei um eine Heteronomisierung oder um das Resultat einer profunden Umgestaltung des Wissen­ schaftsfelds handelte. 2 |  Hotz sah sich als Kunsthistoriker, der unter anderem auch Burgen erforschte. Im Unterschied zu Gotthard Neumann identifizierte er sich jedoch stärker mit den mittelalterlichen Wehrbauten. Für Hotz’ Laufbahn ist daher entscheidend, welche Position die Burgenforschung innerhalb der Kunst­geschichte hatte und ob diese sich während des NS-Regimes veränderte. Hotz’ Konzept der Erforschung mittelalterlicher Burgen scheint primär ein kunsthistorisches gewesen zu sein, für das Aspekte wie „Raum und Volk und Staat“ ausschlaggebend waren. Angesichts dessen, dass Burgenforschung im Verlauf der 1930er-Jahre zu einem Subbereich der Volks- und Kulturbodenforschung wurde, ist danach zu fragen, ob eine jüngere, von Hotz vertretene raum­orientierte Burgenforschung die ältere Richtung im Verlauf der 1930erund 1940er-Jahre tatsächlich ablöste. 3 |  Hotz veröffentlichte bis ins hohe Alter hinein Bücher und wissenschaftliche Artikel über Burgen und mittelalterliche Kunst. Viele seiner Veröffent­ lichungen gelten heute noch als Grundlagenwerke in der Burgenforschung, 2011 erschienen Neuauflagen von zwei seiner Burgenbücher in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG).319 Es ist daher nach Wandlungen und Kontinuitäten nach 1945 auf sozialer, epistemischer und weltanschaulicher Ebene zu fragen.

318 Hotz, Walter: Kleine Kunstgeschichte der deutschen Burg. Darmstadt 1965, S. 105. 319 Hotz, Walter: Kleine Kunstgeschichte der deutschen Burg. Sonderausgabe. 6. unveränd. Aufl. Darmstadt 2011; Hotz, Walter: Kleine Kunstgeschichte der deutschen Schlösser. Sonder­ausgabe. 3. unveränd. Aufl. Darmstadt 2011.

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4.3.1 BURGEN, MÄNNERBUND UND „GRENZLANDKAMPF“

In diesem Abschnitt wird die Herausbildung von Walter Hotz’ Habitus nachgezeichnet, um seine Position im Wissenschaftsfeld und seine Haltung gegenüber NS-Politik und NS-Weltanschauung aufzuzeigen. Drei Lebensabschnitte waren für die Entwicklung seines Habitus ausschlaggebend: Familie und Schulzeit, die Pfadfinderbewegung und die akademische Ausbildung in den Fächern Kunstgeschichte und Theologie. Die folgende Betrachtung gliedert sich nach diesen Phasen. Familie und schulische Sozialisation

Auf einer Fotografie (Abb. 18) posiert der junge Walter Hotz mit Bleistift und Notizbuch in der Hand und zeigt dem Fotografen – vermutlich sein Vater Philipp Hotz oder sein Großvater –, dass er Beobachtungen an einem Bauernhaus festhält. Das Bewusstsein für das kulturelle Erbe der Heimat wurde in der Familie Hotz kultiviert. Auch von Walter Hotz’ jüngerem Bruder Rudolf sind Linolschnitte überliefert, die Wikingerschiffe, Dörfer oder Burgen als Motive tragen, und auch er sollte später Theologie und Kunstgeschichte studieren.320 Dabei stammte Walter Hotz nicht aus einer Akademikerfamilie, seine Eltern gehörten dem höheren Handwerkerstand an. Philipp Hotz war Bauhand­werker und Techniker und wurde später Baubeamter in Worms. Mitte der 1920er-Jahre begann er damit, sich der Landschaftsmalerei und dem Zeichnen von Baudenkmälern und Dörfern zu widmen.321 Als Kunstschaffender konservativer Prägung war er aktives Mitglied in zahlreichen Heimat- und Kulturvereinen und vermittelte seinen drei Kindern – Walter, Rudolf und Lothar – regionale Geschichte und Kultur.322 Zur Heimatverbundenheit gehörte auch die Pflege des Familien­erbes. 1925 gründete Philipp Hotz ein familieneigenes Mit­teilungsblatt, in dem Artikel zur Geschichte und Geneaologie der Familie Hotz ­veröffentlicht

320 Vgl. Leutnant Rudolf Hotz. Leben und Vermächtnis. Herausgeben von: Philipp Hotz und Frau. Sonderbeilage zu den Nachrichten aus der Fränkisch-Crumbacher Familie Hotz. Worms 1942, S. 7. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 25. 321 Siehe die zahlreichen Zeichnungen und Bilder von Philipp Hotz. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 170. Vgl. StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 81. Vgl. Böcher, Otto: Philipp Hotz (1884 – 1955). ­Wormser Bürger – Bautechniker – Maler. In: Der Wormsgau 14 (1982/86), S. 141 – 148, hier S. 141. 322 Vgl. Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 25. Vgl. auch Hotz, Philipp: MS Auf Fahrt durchs Leben. Erinnerungen. Worms vom 7.8.1949, S. 37 – 42. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 8.

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wurden. Nach dem Tod des Vaters 1955 sollte Walter Hotz bis 1964 die Redaktion des Blatts übernehmen. Die Eltern von Walter Hotz vertraten ausgeprägte evangelisch-lutherische Werthaltungen.323 Politisch gesehen war Philipp Hotz laut eigener Aussage „nationaldeutsch“ eingestellt, „natürlich nicht im parteipolitischen Sinne.“ ­Walter Hotz’ Vater zeigte eine gewisse Aversion gegen Parteienpolitik. Obwohl er Hitler nicht gewählt hatte, so versicherte Philipp Hotz 1949, trat er 1940 dennoch der NSDAP, Ortsgruppe Worms im Gau Hessen-Nassau, bei.324 Es ist kaum zu entscheiden, ob der späte Eintritt in die NS-Partei als Zeichen eines Widerstands gegen das Reichsbeamtengesetz interpretiert werden kann oder eher als Bekenntnis zum NS-Staat nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch das Regime zu sehen ist. Walter Hotz wuchs in Worms auf und besuchte dort eine Schule, an der Lehrer mit nationalsozialistischer Gesinnung beschäftigt waren. Dazu gehörte der Deutschlehrer Hermann Heiland, der Hotz’ Aufsatz für die Reifeprüfung sehr positiv beurteilte und zur Veröffentlichung in der „Wormser Zeitung“ empfahl. Heiland wird daher auf seinen Schüler einen gewissen Einfluss gehabt haben.325 Obwohl neben Nationalsozialisten wie Heiland auch der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) an Hotz’ Schule vertreten war,326 gehörten Lehrer mit rechtsextremen Einstellungen am Wormser Gymnasium in den 1920er-Jahren noch zur Minderheit. Insbesondere der Studiendirektor lehnte rechtsextremes Gedankengut ab. Walter Hotz veröffentlichte 1929 einen Artikel über die „Sonnenwende“ in der „Wormser Zeitung“ unter dem Pseudonym „Hanswalter Lutz“, um, wie Otto Böcher schreibt, „den Zorn des Studiendirektors nicht zu entfachen.“327 In diesem Artikel heißt es: „So ist uns Deutschen das Fest der Sonnenwende auch ein Gedenktag für unsere Toten, die ihr Blut und Leben

323 Vgl. Nachrichten aus der Fränkisch-Crumbacher Familie Hotz (1927 – 1930). In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 21. Vgl. Böcher, Otto: Walter Hotz – Leben und Werk. In: Der Wormsgau 16 (1992/95), S. 28 – 32, hier S. 28. 324 Hotz, Auf Fahrt durchs Leben, 1949, S. 9. Vgl. BAR, Reichskartei NSDAP 3IXX/J0087, Bl. 280. 325 Vgl. Keilmann, Burkart: Zwischen Monarchie und Diktatur. In: Keilmann, Burkart (Hg.): 475 Jahre Rudi-Stephan-Gymnasium Worms. Festschrift zum Schuljubiläum. Im Auftrag des Rudi-Stephan-Gymnasiums (Humanitas 47). Worms 2002, S. 133 – 150, hier S. 135 – 136. Vgl. Jahresbericht des hessischen Gymnasiums zu Worms, S. 4. In: Sta Wo, Abt. 55/1, Nr. 553. Vgl. Hotz, Auf Fahrt durchs Leben, 1949, S. 9. 326 Vgl. Keilmann, Zwischen Monarchie und Diktatur, 2002, S. 147. 327 Böcher, Walter Hotz, 1992/95, S. 28.

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hingaben für die Heimat.“328 Vorstellungen von ­Heimat und vom Märtyrertod der deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg waren in den Jugendbünden rechter Provenienz ausgesprochen populär. Christliche Pfadfinderschaft

Walter Hotz war seit frühester Jugend Mitglied der CP , einer bedeutenden Gruppe des evangelischen Flügels der Jugendbewegung. Auch sein jüngerer Bruder Rudolf war beim „Stamm Nibelungen“ der CP aktiv, auch er sang „im Ring der Kameraden die Weihelieder der Jugendbewegung von Ehre und Treue, vom Glauben an Gott und vom Willen zum Reich.“329 Walter Hotz legte eine beachtliche Karriere in der CP hin: 1932 wurde er „Gauführer Rheinhessen“ und 1933 „Jungbannpressewart“. In der CP arbeitete Hotz eng mit dem Jungnationalen Bund zusammen, der späteren Freischar junger Nation,330 einer Gruppe, die rechtsextreme Ansichten vertrat. Ein Brief aus dem Jahr 1965, den Hotz an einen jungen Pfadfinder richtete, zeigt, wie prägend diese Zeit für Hotz war. Der junge Bundesbruder hatte im Hausblatt der CP, die in der Nachkriegszeit neu gegründet worden war, einen Artikel über deren Geschichte in der Weimarer Republik und im NS-Regime veröffentlicht. Seine Sicht der Geschichte der Pfadfinderschaft war kritisch, was Hotz missfiel und weshalb er den Brief an den jungen Pfadfinder schrieb. „Dem satten und sicheren Bourgeois der westlichen Welt“ wolle es heutzutage nicht in den Kopf, so Hotz, dass in „jenen Jahren schon die Zugehörigkeit zur CP öffentlichen Mut verlangte.“ Denn als „Träger einer Pfadfinderkluft“ riskierte man ständig, von Andersdenkenden verprügelt zu werden. Die Pfadfinder waren laut Hotz eine „Kampfgemeinschaft“, für die älteren Mitglieder war es notwendig, „nicht nur den Pfadfinderpass, sondern auch einen Schlagring mitzuführen, von dem dann hin und wieder Gebrauch gemacht werden musste“,331 die Zugehörigkeit zum Bund beruhte auf einer strengen Auslese. In der bundesdeutschen Publizistik lese Hotz viel über die „goldenen Zwanziger“. Den „Schiebern“ und „Kriegsgewinnlern“ ging es damals sicher blendend, nicht aber 328 Lutz, Hanswalter [d. i. Walter Hotz]: Sonnenwende. In: Wormser Zeitung vom 21.6.1929. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. 329 Leutnant Rudolf Hotz, S. 6. 330 Walter Hotz an Oberstudiendirektor Dr. A. Schaefer vom 29.8.1963. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 113. 331 Walter Hotz an Til Schrecker vom 28.6.1965. In: Ebd., S. 1 – 4, hier S. 1.

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den ­„anstän­digen Menschen“. „Volk“ und „Vaterland“ waren für Hotz’ Generation „keine abgestandenen Begriffe“, über die sich „jeder Schnösel, der sich für intelligent und ‚up to date‘ hält, lustig machen zu müssen meint.“ Diese Begriffe waren für Hotz vielmehr „erlittene Wirklichkeiten“. Er führte daraufhin aus, wie die CP Rheinhessens organisiert war: Der „wachsende Stamm“ war in „3 Sippen“ gegliedert, nämlich „Siegfried“, „Hagen“ und „Rüdiger“, wobei Hotz „Rüdiger“ angeführt hatte. Im August 1931 hatte er dann die Führung des Stamms „Nibelungen“ übernommen.332 Bis zur Eingliederung des Stamms „Nibelungen“ in die HJ respektive in das DJ am 29. Juni 1933 war Hotz im Amt geblieben. Obwohl es der CP nicht gelungen war, das nationalsozialistische Jungvolk in „unserem Geiste prägen zu können“, hob Hotz hervor, „dass sämtliche CP-er es in der HJ und im DJ zu Führerstellungen brachten.“333 Dieser Brief ist für Walter Hotz’ weltanschauliche Haltung in den späten 1920er- und frühen 1930er-Jahren aufschlussreich. Es finden sich darin die wichtigsten Elemente einer Gesinnung, die er Zeit seines Lebens vertrat und die charakteristisch war für den habituellen Stil jungkonservativer Angehöriger der „Nachkriegsgeneration“. Dazu gehörten die grundsätzliche Politisierung von Ideen, die immer auf das große Ganze der deutschen Gesellschaft ausgerichtet waren, das Bewusstsein, in einem Abwehrkampf gegen Mächte zu stehen, die Deutschland von innen und von außen bedrohten, und die Suche nach Werten und neuen Weltanschauungen.334 Zu Hotz’ spezifischer Weltanschauung und Werthaltung gehörten die Idee des Männerbunds als Kampfgemeinschaft, die eine neue Lebensform darstellte, der „Grenzlandkampf“ als Einsatz für den Erhalt des „Deutschtums“,335 die Aversion gegen „Schieber“ und „Kriegsgewinnler“ und die Vorstellung von der deutschen Heimat, worin besonders Burgen und Ruinen eine herausragende Stellung zukam, denn die „Jugendbewegung hat uns ja auch auf die Burgen geführt und uns ihre Geschichte nachgehen heißen“.336 Das waren keine pubertären Fantasien, auch wenn das emotional übersteigerte Pathos nicht zu übersehen ist, vielmehr waren diese Aspekte sowohl für Hotz’ Gesellschaftskritik und für seinen gesellschaftlichen Alternativentwurf 332 Ebd., S. 2. 333 Ebd., S. 4. 334 Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 43. 335 Vgl. Gespräch mit Walter Hotz. In: Wormser Volkszeitung vom 26.4.1933. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 13. 336 Walter Hotz an Oberstudiendirektor Dr. A. Schaefer vom 29.8.1963. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 113.

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z­ entral als auch für seine späteren wissenschaftlichen Analysen mittelalterlicher ­Burgen maßgebend. Für Hotz stand in den frühen 1930er-Jahren fest, dass die deutsche Gesellschaft an einer „Zeitenwende“ stand, dass eine Epoche sich dem Ende zuneigte und eine neue heraufdämmerte: „Ein jeder von uns spürt es erschüttert, dass wir mitten drin stehen“.337 Diese Entwicklung wollte er mit seinen Ideen mitgestalten, indem er und seine Pfadfinder einen möglichen Neuentwurf der deutschen Gesellschaft vorlebten. Sie sahen sich als die Avantgarde der neuen Epoche, als eine Gruppe „Auserlesener“, ihre alternative Lebensform war die des Bunds und die abzulösende Gesellschaftsordnung war die Republik.338 Der Bundidee lag der „Wille[…] zur Einheit, zur gestrafften Gliedschaft“ zugrunde, in der „Führertum und Gefolgschaft in ihrer Folgerichtigkeit, ihrer Bereitschaft zum Dienst“ errungen wurden. Nicht durch ein egalitäres Prinzip, sondern durch die Bande von „Führer“ und „Gefolgschaft“ sah Hotz die Möglichkeit einer neuen, dem „deutschen Wesen“ entsprechenden Gemeinschaftsform begründet. „Führer­tum und Gefolgschaft“ war ein hierarchisches und ein gemeinschaftliches Prinzip zugleich. Diese Gemeinschaft nannte Hotz „Volk“, dessen Wesen durch den bündischen Gedanken „in seiner Weite und Bindung zugleich“ begriffen werden konnte. Das Volk dachte sich Hotz als „Gemeinschaft all derer, die aus gleichem Blut, gleicher Sprache, gleichem Boden, gleicher Geschichte ­einander gegeben sind zur Arbeit auf Gedeih oder Verderb, und das von Gott!“ Volk war eine biologische, geografisch gebundene, kulturelle und geistig-religiöse Gemeinschaft. Das Gefäß des Volkswillens sollte der Staat als „Hüter und Wächter“ der „Volksordnung“, das heißt der spezifischen Charakteristiken des Volkes, sein.339 „Führer“ und „Gefolgsmann“ fanden im gemeinsamen Kampf zusammen: „Kampf aber ist die Losung, Kampf fordert uns alle, brennt in tausend Herzen, glüht wie flüssiges Eisen“.340 Kampf war für Hotz existenzielles Element der bündischen Lebensform. Solche Ansichten sind auf den militärischen Habitus, der in der CP kultiviert wurde, zurückzuführen und entsprachen dem nationalrevolutionären Gedankengut Ernst Jüngers, dessen Neuentwurf des Menschen als durch eine „dionysische oder orgiastische“ Entfaltung des Lebens im Kampf 337 Hotz, Walter: Christus im deutschen Volk. In: Auf neuem Pfad 11 (8.5.1932) 3. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. 338 Vgl. Brunotte, Zwischen Eros und Krieg, 2004, S. 89. 339 Hotz, Walter: Jungmannschaft und Reich. In: Auf neuem Pfad 11 (22.3.1932) 2 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. 340 Ebd.

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gestählter Arbeiterkrieger auf Hotz starken Einfluss hatte.341 Eine Fotografie des jugendlichen Walter Hotz (Abb. 19) zeigt, dass sich diese geistige Einstellung auch an seiner körperlichen Pose ablesen ließ. Zur stolz getragenen Pfadfinder­uniform und der kämpferischen Haltung eher konträr stand jedoch Hotz’ körperliches Erscheinungsbild eines schmalen, bebrillten, intellektuell veranlagten Heranwachsenden. Für diese Geisteshaltung war der „Grenzlandkampf“ zentral. Hotz sah den Kampf um Deutschlands Grenzen und Grenzgebiete als Ausdruck des Behauptungswillens des deutschen Volks gegen die Bestimmungen aus dem Versailler Vertrag. Hierbei richtete er sich vor allem gegen die französische Besetzung der deutschen Westgebiete. Anhand einer Beschreibung Ernst von Salomons hat Ulrich Herbert geschildert, welche mentalen Einstellungen zum westdeutschen Grenzlandkämpfer gehörten: Jeglicher Einfluss der Franzosen auf den Alltag sollte zurückgedrängt werden, die „Mädchen, die mit den Franzosen gingen“, mussten um ihre Zöpfe fürchten, Deutsche, die mit den Besatzern Handel trieben, wurden desavouiert, und den deutschen Verwaltungsbehörden ging man grundsätzlich aus dem Weg.342 In zwei „Grenzlandfahrten“ führte Hotz 1932 und 1933 seine Pfadfindergruppe als „Fähnlein Schlageter“ zu den deutschen Soldatenfriedhöfen in Belgien und Frankreich.343 Im „Kult um die toten Helden“ – hier doppelt symbolisiert durch die toten deutschen Soldaten und durch den hingerichteten NS-Aktivisten Albert Leo Schlageter – nahm der „Grenzlandkampf“ religiösen Charakter an.344 Als Dach, unter dem ‚Staat‘, ‚Volk‘, ‚Gemeinschaft‘ und ‚Bund‘ vereint sein sollten, fungierte das ‚Reich‘. Dieses Reich war für Hotz Idee und Mythos, und es war stark vom christlichen Gedanken bestimmt. Mit Christentum meinte Hotz ein Fundament geistigen Zusammenhalts der deutschen, antisozialistischen, biologisch-kulturell determinierten Gemeinschaft. Prinzipien wie Nächstenliebe und Vergebung waren in seiner Auffassung von Christentum auf Angehörige 341 Vgl. Aus der Arbeit und Gemeinschaft der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands. Berichte, Rundbriefe, Zeitschriftenartikel, Bilder, Dokumente. Herausgebenen von: D ­ ieter Kraeter und Hanns-Dieter Lohnes. Kassel 1960. Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 93; Kiesel, ­Helmuth: Ernst Jünger. Die Biographie. München 2009 [2007], S. 144 – 145. 342 Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 75, 70. 343 Walter Hotz an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Schriftleitung der Kriegsgräberfürsorge vom 21.5.1954. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 110. Vgl. Gespräch mit Walter Hotz, In: Wormser Volkszeitung vom 26.4.1933. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 13. Vgl. Leutnant Rudolf Hotz, S. 6. 344 Vgl. Mosse, George L.: Cemeteries and National Revival: The Cult of the Fallen Soldiers in Germany. In: Journal of Contemporary History 14 (1979) 1, S. 1 – 20, hier S. 1 – 7.

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eines Volks begrenzt und galten ihm nicht als universelle Werte. Als Idee ging das christliche Reich auf das mittelalterliche Heilige Römische Reich zurück, das laut Hotz durch das Zusammengehen von „Germanenstämmen“ und christlichem Gedankengut im Verlauf der Völkerwanderung entstanden war.345 Die Germanen lösten nach Hotz das „verfaulte Römerreich“ am Beginn der Völkerwanderung ab und etablierten eine neue abendländische Ordnung.346 Ähnlich katholischen Reichsidee-Vertretern wie Max Hildebert Boehm, Carl Schmitt oder Othmar Spann 347 konnten für Hotz die Germanen erst durch die Annahme des Christentums zu Trägern des Reichsgedankens werden. Die ­Germanen, „voller Kraft […] und voller Mut“, waren „berufen, das Herz der Völker des Abendlandes zu werden, zu zeugen und [zu] schaffen für die Botschaft [das Wort Christi, F. L.].“348 Das „auserlesene Volk“ der Deutschen, geleitet von ewiger Kampfbereitschaft und von einer eschatologischen Erwartung, dass ein neuer „Führer“ dieses Volk in Zustände höheren Seins bringen würde, war das zentrale Element in Walter Hotz’ Geisteswelt. Als Feinde dieser „Volksgemeinschaft“ sah Hotz nicht nur „Schieber“ und „Kriegsgewinnler“, sondern auch Marxisten, die „kommunistische Junginter­ na­tionale“ und jüdische Jugendgruppen an.349 Hotz vertrat damit Haltungen, die in der CP üblich waren. In den 1920er-Jahren sahen Angehörige des Pfadfinderbunds die Juden als Bedrohung des „deutschen Volkstums“. Das „jüdische Volk“ reiße „überall die Herrschaft an sich“, kaufe „Banken und Fabriken, Zeitungen, Warenhäuser, Theater, Kinos, Hotels usw.“, der „ganze Geld- und Handelsverkehr“ werde „von ihnen bestimmt“.350

345 Hotz, Walter: Hessenland. In: Auf der Spur 8 (1933) 9, S. 121 – 123, hier S. 122. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. Vgl. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 254 – 255. 346 Hotz, Walter: Christus im deutschen Volk. In: Auf neuem Pfad 11 (vom 8.5.1932) 3 (un­paginiert). In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. 347 Conze, Vanessa: Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920 – 1970) (Studien zur Zeitgeschichte 69). ­München 2005, S. 49 – 51. 348 Hotz, Christus im deutschen Volk, 1932. 349 Hotz, Walter: Eine skandalöse Jugendfriedenskonferenz. In: Deutsch-Evangelische Korres­ pondenz 13 vom 25.3.1936 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3; Hotz, Walter: Aus Burgenland und Steiermark. In: Wormser Kulturzeitung vom März 1932. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. 350 Gröschel, Kurt: Hakenkreuz oder Kreuz von Golgotha? In: Auf neuem Pfad 3 (1924) (unpaginiert). In: Kraeter/Lohnes (Hg.), Aus der Arbeit und Gemeinschaft, 1960, S. 32 – 33, hier S. 32.

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Die Gegenkräfte zu diesen „Volksfeinden“ waren deutsche Kultur und Natur, die von bestimmten Orten und Objekten repräsentiert wurden. Dazu gehörten Bauernhäuser, Dorfkirchen, Bauernschnitzereien, die Dome in Worms, Speyer, Mainz und – im Zeichen des „Grenzlandkampfs“ – die Straß­ burger Kathedrale sowie Burgen, Burgruinen und Schlösser. Den imaginierten Raum, den diese Symbole absteckten, erschloss sich Hotz durch das Wandern. Dieser Raum war ‚völkisch‘-tribalistisch bestimmt,351 die Burgen waren für die Jugendbünde in den 1920er- und 1930er-Jahren Symbole der „mächtigen bluthaften Bindung“ des Volks geworden.352 Burgen standen für mythisierte deutsche Geschichte, für das Reich und für Rittertum, das mittelalterliche Äquivalent zur männlichen Kampfgemeinschaft. Im Phänomen der sogenannten Jugendburgen kamen diese Ideen konkret zum Ausdruck, aber auch in der Wahl von Burgen als Führerlager der CP.353 Auf den Burgen hielten die Jugendlichen rituelle Handlungen wie nächtliche Sonnenwendfeiern oder Initiationsrituale für angehende Pfadfinder ab (Abb. 20 u. Abb. 21).354 Während seiner Schul- und Pfadfinderzeit schrieb Walter Hotz mehrere Zeitungsartikel für die „Wormser Zeitung“, in denen er über Burgen und Pfalzen berichtete.355 Geschichtsinteresse vermischte sich darin mit mythischer Deutung. Besonders von der Burg Wildenberg im Odenwald war er fasziniert, denn auf Wildenberg habe „Wolfram von Eschenbach große Teile seines Parzivals“ verfasst.356 Damit spielte Hotz auf den Grals- und Parzival-Mythos an, der für die Pfadfinder ein zentrales weltanschauliches Element darstellte.357 Es erstaunt daher nicht, dass Walter Hotz die Burg Wildenberg zum Thema seiner Dissertation machen sollte. 351 Vgl. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 227 – 235. 352 Hotz, Walter: Lagererziehung. Zum Reichslager der Christlichen Pfadfinderschaft 1933 bei Meissen. In: Meissner Tagesblatt vom 3.6.1933. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 353 Vgl. Strickhausen-Bode, Stahls Stahleck, 2007. Vgl. Kraeter/Lohnes (Hg.), Aus der Arbeit und Gemeinschaft, 1960, S. 49. 354 Lutz [d. i. Hotz], Sonnenwende, 1929. 355 Stellvertretend Hotz, Walter: Wimpfen. In: Wormser Zeitung vom 18.11.1927. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. 356 Hotz, Walter: Wanderbilder aus dem Odenwald. In: Wormser Zeitung vom 6.7.1928. In: Ebd. 357 Vgl. Franz, Sandra: Die Religion des Grals. Entwürfe arteigener Religiosität im Spektrum von völkischer Bewegung, Lebensreform, Okkultismus, Neuheidentum und Jugend­ bewegung (1871 – 1945) (Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung 14). Schwalbach Taunus. 2009, S. 445 – 481.

Der Kunsthistoriker: Walter Hotz (1912 – 1996)  |

Studium und Eintritt ins Wissenschaftsfeld: Kunsthistorische Westforschung

Walter Hotz studierte Kunstgeschichte und Theologie in Gießen, Wien, Marburg, Jena und Bonn, zusätzlich verbrachte er ein Semester am Institut Protestant de Théologie in Montpellier.358 Das Studium schloss Hotz 1934 mit der Promotion beim Kunsthistoriker Christian Rauch in Gießen ab, kurze Zeit später publizierte er seine Erkenntnisse zur Bau- und Kunstgeschichte der Burg Wildenberg.359 Als ehemaliger Denkmalpfleger war Rauch an Burgen interessiert, er selbst hatte Ausgrabungen an der Pfalz in Ingelheim vorgenommen und über karolingische Baukunst gearbeitet.360 Hotz musste sein Studium durch einen Broterwerb finanzieren und ging dabei mehrheitlich körperlichen Arbeiten in Fabriken oder auf Baustellen nach. Die Berührung mit dem Arbeiterleben bestärkte ihn in der Meinung, dass die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts eine Fehlentwicklung war. In der Fabrik als „Uhrwerk von Mensch und Maschine“ hatten die Arbeiter seinem Eindruck nach keinen Gefallen an der Arbeit mehr, sie fühlten sich als „Tiere in Menschengestalt!“ In der Vernachlässigung der Arbeiterschichten durch das Bürgertum sah Hotz eine große Gefahr. Die Gebildeten müssten dazu bereit sein, sich „in eine Front [zu] stellen mit dem Bruder an der Maschine.“ Erst dadurch werde „ein neues Gestelltsein in Verantwortung und Dienst, ein neues Volkstum“ möglich. „Hier haben wir dem Arbeiter zu zeigen, dass es keine ­Klassen, sondern Völker gibt und dass ein Volk gottgesetzte Ordnung ist, aber die Klasse marxistische Verblendung.“361 Hotz wollte nicht nur Akademiker fernab des „wirklichen Lebens“ sein, sondern sah sich auch als Volkserzieher, dessen Erziehungsideal die deutsche „Volksgemeinschaft“ war. Der Kunstgeschichte brachte Hotz weit größeres Interesse entgegen als der Theologie, wobei für sein wissenschaftliches Denken besonders die kunsthistorischen Schulen an den westdeutschen Universitäten maßgebend waren.

358 Walter Hotz an die Schriftleitung von „Christ und Welt“ vom 10.8.1950. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 109; Fotoalbum Frankreich Winter 1933/34. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 32. Vgl. Böcher, Walter Hotz, 1992/95, S. 28 – 29. 359 Hotz, Walter: Burg Wildenberg. Diss. Phil. Giessen 1935. 360 Kerber, Ottmar: Die Kunstgeschichte an der Universität Giessen. In: Ludwigs-Universität Justus Liebig-Hochschule 1607 – 1957. Festschrift zur 350-Jahrfeier. Giessen 1957, 253 – 266, hier S.  256 – 257. 361 Hotz, Walter: Aus meiner Werkstudentenzeit. In: Auf neuem Pfad 10 (1931) 2 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2.

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Neben Gießen ist vor allem die Bonner Schule Paul Clemens hervorzu­heben. Clemen war Provinzialkonservator der Rheinprovinz, Vorsitzender des einflussreichen Vereins für Kunstwissenschaft, Mitinitiator des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz und Vorsitzender des Tages für Denkmalpflege und Heimatschutz.362 Großen Einfluss übte er auf „Die Denkmalpflege“ (ab 1934 „Deutsche Kunst und Denkmalpflege“) aus, die bedeutendste Zeitschrift für Kunstgeschichte und Denkmalpflege im deutschsprachigen Raum. Schriftleiter dieser Zeitschrift war unter anderem Burkhard Meier, der Leiter des „Deutschen Kunstverlags“,363 zu dem Hotz Beziehungen knüpfen konnte, die für seine Laufbahn von größter Wichtigkeit sein sollten. Seit 1920 hatte Clemen das ehemalige Kabinett für mittelalterliche und neuere Kunst in Bonn zur wichtigsten „Einrichtung zur Dokumentation und Erforschung der westeuropäischen Kunst im Kontext nationalkonservativer Fragestellungen der Kulturraumforschung“ ausgebaut. An diesem Institut war auch Clemens Gemeinschaft zur Erforschung der Pfalzen im Westen angesiedelt.364 Das Institut und die Forschungsgemeinschaft waren verbunden mit dem ebenfalls 1920 gegründeten Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, beide Institute waren Zentren der deutschen Westforschung, deren wissenschaftliche Arbeiten im Zeichen von Irredentismus und Revisionismus standen.365 Die Kombination von räumlich ausgerichteter Landesgeschichte und mittelalterlicher Kunstgeschichte bildete die Basis für Walter Hotz’ metho­dische und theoretische Herangehensweise, die mittelalterliche Kunstgeschichte als Entwicklungsgeschichte geopolitisch und ‚völkisch‘ bestimmter Kunsträume zu sehen. Weltanschaulich-politische Haltung und wissenschaftliches Interesse am Rheinland, am Elsass, an Lothringen und an der Nordwestschweiz führten 362 Georg Lill an Paul Clemen und an den Stadtrat in Kaiserslautern vom 9.7.1934. In: BAR, R 73/16338, Bl. 6 – 7. 363 Deutsche Kunst und Denkmalpflege 36 (1934). 364 Doll, Nikola: „[…] das beste Kunsthistorische Institut Großdeutschlands.“ Das Kunsthistorische Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Nationalsozialismus. In: Doll, Nikola/Fuhrmeister, Christian/Sprenger, Michael H. (Hg.): Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950. Weimar 2005, S. 49 – 60, hier S. 49. Vgl. Günter Bandmann an Walter Hotz vom 14.2.1950. In: Sta Wo, Abt. 170/21 Nr. 109. 365 Vgl. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 27, 226. Vgl. Schöttler, Die historische „Westforschung“, 1997, S. 206.

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Walter Hotz ins soziale Umfeld der 1931 gegründeten Rheinischen, später dann Westdeutschen Forschungsgemeinschaft (WFG), einer Unterorga­nisation der VFG.366 Mitglied der Forschungsgemeinschaft wurde er allerdings nicht, Hotz strebte keine direkte Zusammenarbeit mit anderen Forschern an. In dieses akademisch-politische Milieu gehörten auch der Bund der Elsässer und Lothringer im Reich e. V. und das Wissenschaftliche Institut der Elsass-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt am Main (ELI), die Folge­organisation der deutschen Kaiser-Wilhelm-Universität in Straßburg. Das ELI bildete zusammen mit dem Bonner Institut und dem von Friedrich Metz geleiteten Alemannischen Institut an der Universität Freiburg im Breisgau die „tragenden Säulen“ der WFG.367 Viele dieser Wissenschaftler waren wie Hotz in der bündischen Jugend aktiv gewesen und hatten sich den deutschen „Grenzlandkampf“ als Grundhaltung zu eigen gemacht. Hotz stand dabei nicht nur mit akademischen Wissenschaftlern in Kontakt, sondern auch mit Kulturpolitikern und außerakademischen Forschern. Dazu gehörte Friedrich Spieser, ein promovierter Volkskundler, Verleger und elsässischer Deutschtumskämpfer, der zum elsässischen Autonomisten Karl Roos und zum „Führer“ des Bunds der Elsass-Lothringer im Reich und späteren NS-Oberkommandanten Straßburgs Robert Ernst enge Verbindungen unterhielt und sich nach 1940 am Aufbau der Reichsuniversität Straßburg finanziell beteiligte.368 Zu diesem sozialen Feld sind auch elsässische und lothringische, tendenziell germanophile Volkskundler, Kunst- und Landeshistoriker wie Médard Barth, Paul Stintzi oder 366 Vgl. Lenger, Friedrich: Hermann Aubin und Theodor Mayer. Landesgeschichte – Volksgeschichte – politische Geschichte. In: Panorama. 400 Jahre Universität Giessen. Akteure, Schauplätze, Erinnerungskultur. Herausgegeben von: Horst Carl u. a. Giessen 2007, S. 114 – 119. Vgl. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, 1999, S. 350 – 440; Fahlbusch, Michael: Deutschtumspolitik und Westdeutsche Forschungsgemeinschaft. In: Gabel, Helmut/Dietz, Burkhard/Tiedau, Ulrich (Hg.): Griff nach dem Westen. Die ‚Westforschung‘ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), Bd. 2. Münster 2003, S. 569 – 648. 367 Vgl. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 27, 226. Vgl. Hallier, Christian: Das wissenschaftliche Institut der Elsass-Lothringer im Reich an der Universität Frankfurt a. M. 1920 bis 1945. Frankfurt am Main 1965; Christian Hallier an Walter Hotz vom 22. 7. 1976. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 116. 368 Vgl. Freund, Wolfgang: Wissenschaftliches Institut der Elsass-Lothringer im Reich. In: Haar/ Fahlbusch (Hg.), Handbuch der völkischen Wissenschaften, 2008, S. 767 – 771, hier S. 768; Strauss, Fritz Spieser, 1997, S. 125; Hausmann, Frank-Rutger: Hans Bender (1907 – 1991) und das „Institut für Psychologie und Klinische Psychologie“ an der Reichsuniversität Straßburg 1941 – 1944 (Grenzüberschreitungen 4). Würzburg 2006, S. 104 – 122.

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Abbé Burg zu zählen 369 sowie einzelne Vertreter schweizerischer Vereine wie der Burgenfreunde beider Basel, deren Mitglieder in den 1930er-Jahren an den Tagungen der WFG teilnahmen.370 Da sich die politischen Ziele der Westforscher mehrheitlich mit denen der NS-Kulturpolitik im Westen deckten, ist zu vermuten, dass Walter Hotz dem Nationalsozialismus generell positiv gegenüberstand. Walter Hotz und der Nationalsozialismus

Wie viele Vertreter jungkonservativen Gedankenguts sah Hotz in der NS Bewegung zunächst eine mögliche Umsetzung seiner gesellschaftspolitischen Ansichten. 1937 wurde er Mitglied der NSDAP,371 aus „falsch verstandener Loyalität zur Partei“, wie er 1946 schrieb.372 Seine Entscheidung zur Parteimitgliedschaft ist durchaus nicht als „falsch verstandene Loyalität“ zu werten, denn Hotz stimmte in vielen Punkten mit Politik und Weltanschauung der National­­­­ so­zialisten überein. Hierzu sind die Idee von der deutschen „Volksgemeinschaft“, der Antisemitismus und der Antibolschewismus zu zählen. Der Nationalsozialismus stellte für Hotz „eine neue Führung“ Deutschlands durch „Wille und Kraft“ dar, die auf die Schaffung einer deutschen „Volksgemeinschaft“ hinauslief. Die politische Gliederung des ‚Dritten Reiches‘ stellte eine Art Abbild der sozialen Ordnung dar, wie sie in der Pfadfinderschaft herrschte.373 In der NS-Jugendpolitik sah Hotz die Möglichkeit für eine Zusammenführung der 369 Walter Hotz an Hugo Schnell vom 6.7.1966. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 113; Christian Hallier an Walter Hotz vom 18.7.1974. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 117; Christian Hallier an Walter Hotz vom 14.12.1974. In: Ebd.; Vgl. Hotz, Walter: Médard Barth (1886 – 1976). In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 30 (1978), S. 321 – 324. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 47. 370 Niederschrift über die am 17. Sept. 1936 abgehaltene Besprechung in Oberkirch. In: PAAA Kult VI A 2-FOG, 9, Nr. 5, Kult. A 1807 * 37. Vgl. Protokoll der Tagung der Westdeutschen Forschungsgemeinschaft am 12.-14. März 1937 in Worms. In: Ebd., 10, Nr. 4. Vgl. Tagung der Historischen Arbeitsgemeinschaft am Oberrhein am 26. Sept. 1937 zu Basel. In: PAAA Kult VI A 2-FOG, Bd. 10 (11). 371 Vgl. BAR, Reichskartei NSDAP, 3IXX/J0087, Bl. 346. Hotz beantragte seine Mitgliedschaft am 23.5.1937 und wurde unter der Nummer 5.036.824 rückwirkend auf den 1.5.1937 in die NSDAP aufgenommen. 372 Walter Hotz an Dr. Engelhardt vom 3.6.1946. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. 373 Vgl. Verfassung der Christlichen Pfadfinderschaft. In: Auf neuem Pfad 9 Allgemeines Heft (1931) (unpaginiert). In: Kraeter/Lohnes (Hg.), Aus der Arbeit und Gemeinschaft, 1960, S.  72 – 75.

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Pfadfindergruppen auf Reichsebene, ein Unternehmen, das bis dahin gescheitert war.374 „[D]er Staat der nationalsozialistischen Revolution brachte“ in seinen Augen eine „neue Deutung des Gemeinschaftserlebnisses“, die „Prägung der Jungen­ gemeinschaft im braunen Kleide wird übertragen in den großen Bau des Volkes.“375 In Hotz’ Publikationen aus der Zeit nach seinem Studium wird eine zunehmend antisemitische Haltung deutlich. Hotz selbst bekannte sich 1935 als „deutscher Christ“, allerdings auf rein weltanschaulicher Ebene, Mitglied der Deutschen Christen wurde er nicht.376 In seiner Geisteswelt war der Ausschluss der Juden und Linken grundlegend für die Schaffung der deutschen „Volksgemeinschaft“. Die Juden betrachtete er als „Fremdkörper“, die nicht zum deutschen Volk gehörten und als „Christusmörder“ auch gegen den christlichen Gedanken standen.377 Die „Bekämpfung der jüdischen Fremdherrschaft, die unser Volk nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch geistig zu zersetzen versuchte“, war laut Hotz „Pflicht eines Christen […], der sich in dieses Volk gestellt weiß und dort [sic] seinen Boden hat“.378 Hotz ereiferte sich besonders über die Kritik an der Entwicklung der evangelischen Kirche in NS-Deutschland, die im Ausland geübt wurde. Die ausländischen Kritiker arbeiteten „in Judenverteidigung“, insbesondere der Bischof von Durham ergreife Partei „wider Deutschland“ und „für die Juden“. Hinter diesen Angriffen stand für Hotz das „Weltjudentum“, das „im Namen angeblicher christlicher Moral“ agierte.379 Hotz’ Gedanken kreisten um die antisemitische Konspirationstheorie vom Streben des „Weltjudentums“ zur „Weltherrschaft“, dessen sich die Deutschen als von Gott auserwähltes Volk erwehren mussten.

374 Vgl. Hotz, Walter: „Allzeit bereit!“ Sinn und Aufgabe des deutschen Pfadfindertums. In: FAZ vom 12.7.1932. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. Vgl. Keyler, Hartmut: Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands (CP). In: Schmidt, Udo (Hg.): Dokumente evangelischer Jugendbünde. Wandlungen zwischen zwei Weltkriegen. Stuttgart 1975, S. 198 – 201. 375 Hotz, Walter: Neugestaltung der deutschen Jugendarbeit. In: Deutsch-Evangelische Korrespondenz (1936) 5 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3; Hotz, Walter: Kulturschaffen der Jugend. In: Jungbannwaffendienst (1933) 3 (unpaginiert). In: Ebd. 376 Hotz, Walter: Der rote Antichrist. In: Deutsch-Evangelische Korrespondenz 34 (1935) 50 (unpaginiert). In: Ebd. Vgl. auch Junginger, Horst: Völkische Religions­wissenschaft. In: Haar/Fahlbusch (Hg.), Handbuch der völkischen Wissenschaften, 2008, S. 704 – 713. 377 Hotz, Walter: Mittelalterliche Groteskplastik. Leipzig 1937, S. 37; Hotz, Eine skandalöse Jugendfriedenskonferenz, 1936. 378 Hotz, Walter: Auslandsstimmen. In: Deutsch-Evangelische Korrespondenz 34 (1935) 52 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 379 Ebd.

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Der Antisemitismus war mit dem Antikommunismus verbunden, denn der Kommunismus war für Hotz die „Organisation allen Untermenschentums“.380 Über Goebbels’ Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 berichtete er, dass dort „schonungslos […] alle jene Erzeugnisse einer anmaßenden, charakterlosen und kommunistisch verseuchten Klique [sic] von Juden und Judengenossen an den verdienten Pranger gestellt“ wurden. „Wir danken es dem Führer, dass er die deutsche Kunst, und damit auch die deutsche christliche Kunst von jenen Elementen gesäubert hat“.381 Juden, Kommunisten und abstrakte Kunst standen für Hotz gegen die Prinzipien der deutschen „Volksgemeinschaft“. Auf der Basis dieses rassistischen, kulturellen und religiösen Antisemitismus dehumanisierte er die Juden. 1937 berichtete Hotz von einer Versammlung der deutschen „Glaubensbewegung“. „Juden und Theologen“ hätten dort keinen Zutritt gehabt, was ihn empörte: „Diese Frechheit kann nicht genug gebrandmarkt werden. Deutsche Menschen und Juden auf eine Stufe zu stellen, ist eine unerhörte Beleidigung.“382 Parallel zu diesen Übereinstimmungen gab es im Denken von Walter Hotz auch erhebliche Differenzen gegenüber der NS-Politik und der NS-Weltanschauung. Hotz unterstützte zwar die antisemitischen und völkischen Deutschen Christen und teilte die Invektiven der Nationalsozialisten gegen die katho­lische Kirche. Die grundsätzlich antichristliche Haltung eines Alfred Rosenberg oder neopagane Ideen und Praktiken der SS ließen ihn jedoch auf Distanz zu NS-Organisationen gehen. Zeitschriften, in denen „Greuelmärchen“ über das Christentum verbreitet wurden, kritisierte Hotz in der „Deutsch-Evangelischen Korrespondenz“ mit Verve.383 Der vor allem in der SS verbreiteten Ansicht, H ­ einrich I. habe sich als deutscher „Volkskönig“ gegen das Christentum gewendet, entgegnete Hotz, dass Heinrich wie alle anderen mittelalterlichen Herrscher mit „Gottes Hilfe“ regiert habe.384 Auch der faschistischen Politik stand Hotz zwiespältig gegenüber. Er hegte zwar eine tiefe Aversion gegen die „von pazifistischer Menschheit, Völkerbund,

380 Hotz, Der rote Antichrist, 1935. 381 Hotz, Walter: Entartete „christliche“ Kunst. In: Deutsch-Evangelische Korrespondenz (1938) 10 (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 382 Hotz, Walter: „Durchbrüchiges“. In: Nachrichten für evangelische Gemeinde- und Sonntags­ blätter (1937) 9 (unpaginiert). In: Ebd. 383 Hotz, Walter: Der „Durchbruch“ verfasst Greuelmärchen. In: Deutsch-Evangelische Korres­ pondenz 19 (1936) (unpaginiert). In: Ebd. 384 Hotz, Walter: Heinrich I. Zur 1000 jährigen Wiederkehr seines Todestages. In: DeutschEvangelische Korrespondenz 26 (1936) (unpaginiert). In: Ebd.

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Freiheit, Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt“, besessene Demokratie, gleichzeitig lehnte er jedoch auch den Faschismus ab. Faschismus bedeutete für ihn „die Vergötzung des Führers“, eine „moderne Tyrannis und moderne Leibeigenschaft“. Beide politischen Modelle, Demokratie und Faschismus, waren laut Hotz „undeutsch“. Ihm schwebte eine andere Form der deutschen Gesellschaftsordnung vor, nämlich „vor dem Hintergrund der Bindungen aus Blut, Geschichte und Sprache“ eine ständisch-organische, die „seelenhaft und nicht zeitbedingt“ war, in der „nicht in Zahlen, sondern in Werten, nicht in Klassen, sondern in Völkern, nicht in Organisationen, sondern in Geschlechtern und Persönlichkeiten“ gedacht und gefühlt wurde.385 Der Nationalsozialismus konnte für Hotz diese Werthaltungen zunächst durchaus erfüllen. Angesichts der Tatsache allerdings, dass sich in vielen Aspekten genau jene „Tyrannis“ nach 1933 in Deutschland entwickelte, die Hotz am Faschismus kritisiert hatte, musste sich eine Diskrepanz zwischen dem auf gedanklicher Ebene erwarteten „neuen Deutschland“ und der tatsächlichen NS-Diktatur im Laufe der Zeit einstellen. Die endgültige Desillusionierung über das NS-Regime musste bei Hotz mit dem Verbot der CP 1938 erfolgen.386 Zwischenbilanz

Walter Hotz steht für einen Typ Wissenschaftler, bei dem politische Weltanschauung und wissenschaftliches Denken eng miteinander verbunden waren. Stärker noch als bei Angehörigen der „Kriegsjugendgeneration“ stellten für jungkonservative, rechtsradikale Vertreter der „Nachkriegsgeneration“ Kampf und völkisch begründeter Revisionismus Elemente dar, die fest zu ihrem Lebensstil gehörten. In diesem Sinne ist Walter Hotz ein Beispiel dafür, dass die deutsche Westforschung politischen Zielsetzungen folgte und daher heteronom bestimmt war. Allerdings ist festzuhalten, dass diese Haltung, wenn auch nicht in so radikaler Weise, schon vor, verstärkt aber mit und dann nach dem Ersten Weltkrieg zu den legitimen Symbolformen im deutschen Wissen­schaftsfeld gehörte. Paul Clemen hatte die Stauferkunst bereits als „national in der Abwehr fremder Einflüsse, national in der Pflege der treibenden Kräfte der Heimat“ bestimmt gesehen und damit 385 Hotz, Walter: Führertum und Gefolgschaft. In: Auf neuem Pfad 11 (1932) 4, S. 57 – 58. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 2. Vgl. Bourdieu, Pierre: Die politische Ontologie Martin ­Heideggers. Frankfurt am Main 1988, S. 60. 386 Keyler, Christliche Pfadfinderschaft, 1975, S. 200.

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seine Wissen­schaft nationa­listischen Prinzipien untergeordnet.387 Insofern konnten Wissenschaftler der Generation von Walter Hotz die Regeln und Symbol­formen des Wissen­schaftsfelds in den 1930er- und 1940er-Jahren konti­nuierlich nach nationalsozialistischen Prinzipien umbauen. Denn trotz einer gewissen Divergenz zwischen Hotz’ geistig-weltanschaulichen Idealen und den Inhalten der NS-Weltanschauung war die Anschlussfähigkeit ausreichend groß, dass Hotz das NS-Regime mehrheitlich begrüßte. 4.3.2 BURGENFORSCHUNG UND KUNSTGESCHICHTE

Walter Hotz sah sich als burgenforschender Kunsthistoriker. Die Kunstgeschichte war für ihn der Bezugsrahmen für sein wissenschaftliches Schaffen und für seine Laufbahn. Wissenschaftssoziologisch ist die Kunstgeschichte weder mit außerakademischen Gelehrtenvereinen noch mit der Vor- und Frühgeschichte vergleichbar: Sie hatte zwar keine so große Tradition wie die Geschichtswissenschaft, in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren war sie aber ein akademisch voll institutionalisiertes und relativ autonomisiertes Fach mit einer humanistischen Fundierung, wie sie etwa die Klassische Archäologie aufwies.388 Kunsthistoriker verfügten über eigene Forschungsgegenstände, Fragestellungen und Methoden, hatten ein kognitives Fundament theoretischen und empirischen Wissens, es existierten akademische Organisationseinheiten wie Institute, Fachgesellschaften und Lehrstühle und ein Reputations- und Konsekrationssystem, zu dem sowohl angesehene Zeitschriften, Buchreihen und Lexika als auch Diplome, Doktortitel und Habilitationen gehörten. Laienforscher waren vom Ressourcen­zugriff in der Kunstgeschichte ausgeschlossen.389 Die Burgen allerdings waren ein marginales Thema in der Kunstgeschichte vor 1933, das zur Architekturgeschichte und Bauforschung gehörte. Selbst innerhalb dieser Themen- und Forschungsbereiche waren frühneuzeitliche oder 387 Clemen, Paul: Der Sieg der Gotik am Rhein. In: Schulte, Aloys (Hg.): Tausend Jahre deutsche Geschichte und deutsche Kultur am Rhein. Düsseldorf 1925, S. 139 – 162, hier S. 139. 388 Vgl. generell Dilly, Heinrich: Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin. Frankfurt am Main 1979, S. 80 – 258. 389 Vgl. Laitko, Hubert: Disziplinengeschichte und Disziplinverständnis. In: Peckhaus, Volker/ Thiel, Christian (Hg.): Disziplinen im Kontext. Perspektiven der Disziplinengeschichtsschreibung (Erlanger Beiträge zur Wissenschaftsforschung). München 1999, S. 21 – 60, hier S. 31. Vgl. Weingart, Peter/Carrier, Martin/Krohn, Wolfgang: Nachrichten aus der Wissens­gesellschaft. Analysen zur Veränderung der Wissenschaft. Weilerswist 2007, S. 41, 45, 183 – 184.

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Renaissance­schlösser die interessanteren Forschungsobjekte für Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Burgen und Burgruinen, wie eine Durchsicht der Zeitschrift „Die Denkmalpflege“ zeigt. Vor allem Abhandlungen über Kirchen und Dome sind darin prominent vertreten, deren Wandmalereien, Architekturstile und Bauplastiken die Kunsthistoriker untersuchten.390 Auch in den Lehrveranstaltungen an den Universitäten waren die Sakralbauten wichtiger als Burgen und Schlösser. Kunsthistoriker behandelten Themen wie die „kirchliche Baukunst des Mittelalters; Grundbegriffe kunstgeschichtlicher Betrachtung“, und in den Überblicksvorlesungen zur Gotik oder Romanik griffen sie mehrheitlich auf Sakralbauten zurück.391 Zur Erklärung dieses Befunds können drei Punkte angeführt werden: 1 |  Für den Habitus des deutschen Kunsthistorikers war eine bestimmte Vorstellung vom Schönen konstitutiv. Dafür war Georg Wilhelm Friedrich Hegels Kunstphilosophie ausschlaggebend, dessen Ästhetikbegriff für die Herausbildung der sozialen Identität ‚Kunsthistoriker‘ wesentlich war. Später dann wurde der Begriff durch absolut gesetzte Schönheitskategorien ersetzt.392 Daraus leiteten Kunsthistoriker ihre Vorstellungen davon ab, welche materiellen Symbole zur „deutschen Hochkultur“ gehörten und welche nicht. Burgen und Burgruinen passten offenbar weniger gut in dieses Ästhetik-Konzept als Dome, Kirchen und Paläste. Auch während des Ersten Weltkriegs, als deutsche und franzö­ sische Kunsthistoriker darum rangen, welche nationalen Kulturdenkmäler denen der anderen Seite überlegen seien, fokussierten Wilhelm Worringer oder Kurt Gerstenberg eher auf Dome und Kirchen als auf Burgen und Burgruinen.393 2 |  Das Überwiegen der Sakralbauten als Forschungsgegenstände verweist auf die christliche Grundhaltung, die tief im Kultur- und Bildungsbegriff der Geisteswissenschaftler verankert war. Die materiellen Ausdrücke christlichen Geistes waren nicht nur Symbole einer kulturellen Hochwertigkeit der eigenen Nation, sondern auch des gesamten Abendlands. Ritterburgen dagegen galten 390 Vgl. Die Denkmalpflege 1 (1899) – 33 (1932). 391 Am Beispiel der Universität Tübingen vgl. Hille, Nicola: „Deutsche Kunstgeschichte“ an einer „deutschen Universität“. Die Reichsuniversität Straßburg als nationalsozialistische Frontuniversität und Hubert Schrades dortiger Karriereweg. In: Heftrig/Peters/Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“, 2008, S. 87 – 102, hier S. 107. 392 Halbertsma, Marlite: Wilhelm Pinder und die deutsche Kunstwissenschaft. Worms 1992, S.  35 – 36. 393 Vgl. Bushart, Magdalena: Der Geist der Gotik und die expressionistische Kunst. Kunst­ geschichte und Kunsttheorie 1911 – 1925. München 1990, S. 30 – 32. Vgl. Mâle, Emile: Studien über die deutsche Kunst. Übersetzt mit Entgegnungen von Otto Grautoff u. a. Leipzig 1917.

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eher als schmucklose Zweckbauten ohne künstlerischen Anspruch. Die Zunft scheint sich nicht einmal darüber einig gewesen zu sein, ob Burgen überhaupt als Kunstobjekte beurteilt werden sollten.394 3 |  Damit war die Frage verbunden, wie die disziplinären Demarka­tionen zwischen kunsthistorischen Forschungsobjekten und solchen der außer­ akademischen Forschung und der neueren Fächer wie Volkskunde und Vorund Früh­geschichte zu ziehen waren. Dome, Kirchen, Plastiken und Malereien wurden ausschließlich von Kunsthistorikern erforscht, Burgen, Burgruinen und die Alltags­gegenstände der mittelalterlichen Adelskultur gehörten dagegen entweder zum Einflussbereich der außerakademischen Gesellschaften oder waren auch Forschungsgegenstände der Volkskunde, der Landesgeschichte und der Vor- und Frühgeschichte. Die mittelalterlichen Wehrbauten waren also keine exklusiv kunsthistorischen Forschungsgegenstände. Dies galt vor allem für die akademische Kunstgeschichte, während in der mehr praxisbezogenen Denkmalpflege Burgen und Pfalzen tendenziell gleichwertige Kulturobjekte waren, was auf die Praxisorientierung der Burgenforschung hindeutet. Die Lage der Burgenforschung innerhalb der Kunstgeschichte änderte sich in den 1920er-Jahren und zunächst auch im NS -Regime nur unmerklich. Im Zuge des Aufstiegs der Volks- und Kulturbodenforschung begannen jüngere Kunsthistoriker allerdings, sich für mittelalterliche und frühneuzeitliche Bauernhäuser, Pfalzen und Burgen zu interessieren. Sie wählten damit aber eine heterodoxe Strategie. Walter Hotz äußerte sich in den 1930er-Jahren bei mehreren Gelegenheiten zur Lage der Burgenforschung in der Kunstgeschichte. 1938 konstatierte er, dass sich der Stellenwert des Mittelalters in der Kunst­ geschichte immerhin dahingehend gewandelt hatte, dass diese Zeitepoche nun ernst genommen und nicht mehr bloß als „finsteres Zeitalter“ respektive als Übergangsstadium von der einen zur anderen Hochkultur betrachtet wurde.395 Mittelalterliche Kunst war aus Hotz’ Sicht in der Kunstgeschichte zwar wichtiger geworden, er e­ mpfand deren Stellenwert aber immer noch als relativ subordiniert. Besonders die Burgen waren seiner Meinung nach „lange verkannt worden“. Erst vor wenigen Jahrzehnten hätten sich die Kunsthistoriker den mittelalterlichen Wehrbauten vermehrt zugewendet. Mit seiner

394 Vgl. Hotz, Walter: Wolframs Parzival. Zu Wilhelm Stapels Prosa-Uebertragung. In: Eckart 9 (1938) 2, S. 86 – 90. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 395 Hotz, Wolframs Parzival, 1938.

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Dissertation, so Hotz, hatte er in der Kunstgeschichte Neuland betreten.396 Diese Aussagen müssen als Positionierung eines Wissenschaftlers gelesen werden, der Origina­lität und Neuheit seiner Forschung suggerieren wollte. Zwar war mittelalterliche Kunst längst zu einem kanonischen Thema in der deutschen Kunstgeschichte geworden. Hotz’ Aussagen weisen aber darauf hin, dass die Burgen innerhalb der Kunstgeschichte auch während des NS -Regimes ein eher marginales Thema blieben. Eine Durchsicht der 1932 gegründeten „Zeitschrift für Kunstgeschichte“ bestätigt diesen Eindruck: Von 1932 bis 1949/1950 erschienen weder eine Miszelle noch ein Aufsatz zu einer Burg. Nur zwei Beiträge sind auszumachen, in denen die Autoren frühneuzeitliche Schlösser behandelten.397 Untersuchungen der Pfalzen und der Deutschordensburgen hatten vor allem im Kontext der Ostforschung seit den 1920er-Jahren Konjunktur.398 Für die Burgen­forschung generell lässt sich ein solcher Aufschwung jedoch nicht feststellen. Anders als bei den Forschungsgemeinschaften für Pfalzen und für vorzeitliche und frühmittelalterliche Befestigungen existierte keine Forschungsgemeinschaft exklusiv für mittelalterliche Burgen, auch nicht im Umfeld der Ostforschung. An den Universitäten hielten Kunsthistoriker wie Georg Wiese aus Tübingen Lehrveranstaltungen zur „Kunstgeschichte der Eroberung und Besiedlung des deutschen Ostens“ ab und thematisierten darin die Burgen der Deutschordensritter, mehrheitlich aber boten die deutschen Kunsthistoriker Veranstaltungen zum gotischen Stil, zu großen deutschen Künstlern wie A ­ lbrecht Dürer oder zur Kunst als Ausdruck „deutscher Eigenart“ an.399 Mittelalter­burgen waren Sache einzelner Wissenschaftler wie Wilhelm Pinder, Leo Bruhns oder 396 Hotz, Walter: Pfalzen und Burgen der Hohenstaufenzeit im Elsass. In: Kerber, Franz (Hg.): Das Elsass. Des Reiches Tor und Schild ( Jahrbuch der Stadt Freiburg im Breisgau 4). Stuttgart 1940, S. 85 – 95, hier S. 85. Vgl. Hotz, Walter: Von der guten Herkunft deutscher Kunst. Zu Wilhelm Pinders Betrachtungen über Wesen und Werden deutscher Formen. In: Eckart (1939), S. 193 – 199, hier S. 193. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 4. 397 Vgl. Kramm, Walter: Eine unbekannte Schlossanlage des 16. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 3 (1934), S. 178 – 188; Schürenberg, L.: Eine alte Ansicht des Schlosses Schwetzingen. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 5 (1936), S. 250 – 252. 398 Vgl. Niederschrift der Verhandlungen bei der Tagung der Westdeutschen Forschungs­ gemeinschaft am 19. und 20. Oktober 1935 in Bad Dürkheim (Pfalz). In: PAAA Kult VI A 2-FOG. 399 Vgl. Hille, „Deutsche Kunstgeschichte“, 2008, S. 95, 108 – 109. Vgl. Aurenhammer, Hans H.: Hans Sedlmayr und die Kunstgeschichte an der Universität Wien 1938 – 1945. In: Held/ Papenbrock (Hg.), Kunstgeschichte an den Universitäten, 2003, S. 161 – 194.

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Karl-Heinz Clasen, die sich meist aus rein persönlichen Gründen unter anderem auch für Burgen interessierten.400 Schon allein aus diesen Gründen musste Hotz der NS-Wissenschafts- und Kulturpolitik positiv gegenübergestanden haben. Hitlers Unterstützung der Instandsetzung der Burg Wildenberg und der 1935 gegründete Wolfram-vonEschenbach-Bund, der die besagte Burg in eine „Weihestätte“ umzuwandeln gedachte,401 waren für Hotz Symbole einer veränderten Wahrnehmung der lange vernachlässigten mittelalterlichen Wehrbauten durch die NS-Politiker. Neben den weltanschaulichen Übereinstimmungen musste ihm das NS-Regime als Möglichkeit erscheinen, seine Lage als burgenforschender Kunsthistoriker im Wissenschaftsfeld zu verbessern. Laufbahn bis 1939

Aufgrund dieser Sachlage erstaunt es nicht, dass Walter Hotz nach Abschluss seines Studiums zunächst keine akademische Laufbahn einschlug, obwohl er bereits Publikationen vorgelegt hatte und über gute Kontakte zu einfluss­ reichen Professoren in der Kunstgeschichte verfügte. Nachdem er den freiwilligen Wehrdienst geleistet hatte, nahm Hotz die Stelle des Schriftleiters der „Deutsch-Evangelischen Korrespondenz“ und der „Nachrichten für evange­lische Gemeinde- und Sonntagsblätter“ bei der Reichsgeschäftsstelle des Evangelischen Bundes in Berlin an. Zwischen 1936 und 1937 war er vorübergehend bei der Fürstlichen Leiningischen Generalverwaltung, der Besitzerin der Burg Wildenberg, in Amorbach als Archivar und Bibliothekar tätig, kehrte dann aber wieder zum Evangelischen Bund zurück.402 Seine berufliche Entscheidung hing zu einem Gutteil mit der allgemeinen Lage der Burgenforschung 400 Vgl. Bruhns, Leo: Hohenstaufenschlösser. Königstein im Taunus & Leipzig 1937; Pinder, Wilhelm: Deutsche Burgen und feste Schlösser. 5. Aufl. Königstein im Taunus & Leipzig 1934; Pinder, Wilhelm: Deutsche Wasserburgen. Aufnahmen von Albert Renger-Patzsch. Königstein im Taunus & Leipzig 1940. Zu Clasen vgl. Labuda, Adam S.: Das Kunstgeschichtliche Institut an der Reichsuniversität Posen und die „nationalsozialistische Aufbauarbeit“ im Gau Wartheland 1939 – 1945. In: Held/Papenbrock (Hg.), Kunstgeschichte an den Universitäten, S. 143 – 160. 401 Hotz, Walter: Burg Wildenberg. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege (1936) 7, S. 246 – 253, hier S. 247, 249; Hotz, Wildenberg und Wolfram von Eschenbach, 1937, S. 4. 402 Vgl. Walter Hotz an Aule Hussong vom 17.2.1947. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. Vgl. auch Böcher, Walter Hotz, 1992/95, S. 28 – 32, 28 – 29; Geyer, Martin: Bibliographie Walter Hotz. In: Der Wormsgau 16 (1992/95), S. 33 – 46, hier S. 33.

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i­ nnerhalb der Kunstgeschichte zusammen: Hotz fand keine Stelle als Assistent an einem Lehrstuhl, war als finanziell Mittelloser jedoch auf einen Broterwerb angewiesen. Er scheint allerdings auch nicht dazu bereit gewesen zu sein, sich von seinem Thema abzuwenden. Hotz hatte aber noch andere Gründe, diesen Weg zu wählen. Zum Ersten vereinte der Evangelische Bund die lutherische Einstellung mit dem Bekenntnis zum NS -Staat und stand in einigen Aspekten den Deutschen Christen nahe,403 was Hotz’ weltanschaulicher Haltung entsprach. Zweitens sah er sich als ein der Öffentlichkeit zugewandter Intellektueller, der glaubte, „Gestalt“ und „Wesen“ des ‚Dritten Reiches‘ im Sinne des evangelischen Christentums mitbestimmen zu können. Zum Dritten hatte sich Hotz in der Pfadfinderschaft ein zwar militaristisches und hierarchisches, jedoch auch sozialrevolutionäres bis anarchisches Denken zu eigen gemacht. Ein Unterordnen, besonders unter Vertreter der älteren Generationen, scheint ihm Schwierigkeiten bereitet zu haben. Solche hierarchischen Strukturen herrschten jedoch im wissenschaft­lichen Feld; ohne der Gefolgschaft eines Professors angehören zu wollen, war im deutschen Wissenschaftsfeld eine akademische Laufbahn undenkbar. Die Stelle beim Evangelischen Bund ermöglichte es Hotz, seinen Inte­ressen nachzugehen und das Thema Mittelalterburgen in der Kunstgeschichte aus sicherer Position heraus zu etablieren. Außerdem konnte er in Berlin weitere Kontakte zu wichtigen Leuten in der Kunstgeschichte knüpfen, wie z. B. zu Wilhelm Pinder.404 Zur Etablierung des Themas Burgen wählte Hotz eine Strategie der Popularisierung seiner Forschungen und nutzte dafür populäre Bildungs- und nationalsozialistische Kulturzeitschriften wie die NS-Monatshefte.405 Die NSKulturpolitik diente ihm als Instrument dafür, der Öffentlichkeit die kulturelle und wissenschaftliche Relevanz von Burgen und Burgenforschung zu vermitteln. 403 Vgl. Fleischmann-Bisten, Walter: Der Evangelische Bund in der Weimarer Republik und im sogenannten Dritten Reich (Europäische Hochschulschriften XXIII 372). Frankfurt am Main u. a. 1989, S. 225 – 238. 404 Vgl. Böcher, Otto: Walter Hotz. Vortrag gehalten am 11. Mai 1992 aus Anlass des 80. Geburtstages vor dem Wormser Altertumsverein. In: Humanitas 39 (1993), S. 91 – 96, hier S. 92. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 6. Vgl. Hotz, Von der guten Herkunft deutscher Kunst, 1939, S. 193. 405 Hotz, Walter: Deutsche Kultur und Kunst im Zeitalter der Hohenstaufen. In: NS-Monatshefte 7 (1941) 134, S. 388 – 401; Hotz, Walter: Die Einheit Europas in der bildenden Kunst. In: NS-Monatshefte 8 (1942) 146, S. 289 – 301; Hotz, Walter: Die deutsche Kunst in Zeitalter der Städte. In: NS-Monatshefte 8 (1942) 150, S. 574 – 586.

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Dabei stellte Hotz die Burgen als den Kirchen und Domen ebenbürtige Forschungsobjekte dar. Für ihn waren die weltlichen Herrscher und die Ritter die wahren Träger des christlichen Glaubens. Sie und ihre Baumeister schufen mit den Burgen hohe Kunst und Kultur und nicht bloß fortifikatorische Zweckbauten. Burgen waren damit materielle Zeugnisse des christlichen Geistes und der abendländischen Hochkultur.406 Diese Strategie war durchaus erfolgreich: Walter Hotz machte sich im Verlauf der 1930er-Jahre einen Namen als Experte für den staufischen Burgenbau. In einem Artikel im „Frankfurter Volksblatt“ von 1938 wurde er als einer der „besten Kenner der Reichsburgen der Stauferzeit“ beschrieben.407 Die Art der Burgenforschung, wie Hotz sie betrieb, förderten auch gewisse NS -Wissenschaftspolitiker und bestimmte Professoren, vor allem solche, die sich nach 1933 als Vertreter der NS -Wissenschaft exponierten. Dazu gehörte der auch in der Westforschung tätige Heidelberger Kunsthistoriker Hubert Schrade. 1939 konnte Hotz eine Habilitation mit Schrade vereinbaren. Die NS -Wissenschafts- und Kulturpolitik eröffnete Hotz die Möglichkeit, doch noch eine akademische Laufbahn einzuschlagen, denn erstens gehörte er zu den förderungswürdigen Nachwuchswissenschaftlern, zweitens war ganz besonders in der Kunstgeschichte nach 1933 ein personeller Aderlass erfolgt.408 In diesem Zusammenhang wird auch seine NSDAP -Mitgliedschaft zu sehen sein, die eine akademische Karriere erleichtern sollte. Hotz hatte schon zuvor begonnen, an der Habilitation zu arbeiten, und sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, sie 1941/1942 abzuschließen.409 Das Thema war eine historische und kunsthistorische Untersuchung zum letzten Stauferkaiser Heinrich VII . Sicher wird dies seinem historischen Interesse an den Staufern entsprochen haben. Seine Themenwahl ist aber auch ein Indikator dafür, dass Burgen kein habilitationswürdiges Thema waren.

406 Hotz, Deutsche Kultur und Kunst, 1941, S. 397. 407 o. A.: Die Wildenburg im Kranze der Staufenzeit-Burgen. In: Frankfurter Volksblatt Nr. 68 vom 11.3.1938, S. 7. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 167. 408 Vgl. Hausmann, Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011, S. 303 – 304, 312 – 313. Vgl. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, 1999, S. 48, 397. 409 Böcher, Walter Hotz. Vortrag, 1992, S. 92. Vgl. Walter Hotz an Wilhelm Westecker vom 10.8.1953. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 110.

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Krieg und Wissenschaft

Als Wehrdienstfreiwilliger war Walter Hotz prädestiniert dafür, als einer der ersten in die Wehrmacht eingezogen zu werden, was am 26.8.1939 geschah.410 Der Zweite Weltkrieg stellte für Hotz eine Bewährungsprobe dar und versprach, einen neuen lebensgesetzlichen Erfahrungshorizont zu bieten. Hotz schrieb 1939, die Lehre, dass „der Kampf aller Dinge Vater sei“, entspreche dem griechisch-nordischen Geist. Nur im Kampf reifte für ihn „alles Große“, der „Mythos des deutschen Volkes lebt in der Tat. Er formt sich im Kampf.“411 Auch sein jüngerer Bruder Rudolf zog in den Krieg; er fiel 1941 vor St. Petersburg, dem damaligen Leningrad.412 Für Walter Hotz, der in einer Familie mit stark ausgeprägter Sippenbande aufgewachsen war, musste dies ein schwerer Schlag gewesen sein. Zugleich bestärkte ihn das traurige Ereignis in seiner Haltung, dass das Leben ein Kampf war und dieser Kampf im Weltkrieg seine Erfüllung fand: In diesem Krieg kämpften die Vertreter der großen Weltanschauungen um ihr Lebensrecht. Hotz hatte sich zunächst nicht um einen Posten in kulturpolitischen Abteilungen bemüht, sondern wollte NS-Deutschland als Frontsoldat dienen. Kurz nach seiner Einberufung zog er sich allerdings eine Schussverletzung an der linken Schulter zu. Hotz musste sich acht Monate in Lazaretten in Bromberg, Frankfurt an der Oder und Berlin erholen und wurde 1940 dann in Guben Ausbilder beim Ersatztruppenteil. Danach war er Ordonnanzoffizier im Kriegsgefangenenlager für französische Offiziere des Wehrkreises 21 (Posen), wo er mit Übersetzungsarbeiten beschäftigt war. Von 1941 – 1942 in der Propaganda-Abteilung beim Militärbefehlshaber in Frankreich der Staffel Nordwest sta­tio­niert, leistete er dann Dienst als Zensuroffizier und Sachbearbeiter für Kultur in St. Germain und Orléans. Schließlich kam er von 1942 – 1943 als Führer der Propagandastaffel Saloniki-Ägäis an die Südostfront.413 Zu seinen Aufgaben gehörten auch Führungen von Wehrmachtsoffizieren und Vertretern des NS-Regimes durch die Ruinen des antiken Saloniki und die Leitung von ­Kulturreisen für 410 Walter Hotz an Aule Hussong vom 17.2.1947. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. Vgl. Böcher, Walter Hotz. Vortrag, 1992, S. 92. 411 Hotz, Walter: Deutsche Kunst im alten Prag. In: Wartburg (1939) 5, S. 133 – 136, hier S. 133. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 4. 412 Leutnant Rudolf Hotz, S. 3. 413 Walter Hotz an Herr Burbat vom 8.7.1946. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 108; Walter Hotz an Karl Otto Leukefeld vom 24.9.1955. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 111.

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deutsche Soldaten (Abb. 22).414 Von 1944 – 1945 wurde er wieder zur kämpfenden Truppe versetzt und sollte eine Staffel nach Florenz führen. Als Staffelführer in Mailand „erlebte ich ab 25. April einige turbulente Tage und war schließlich der letzte am Einsatzort verbliebene Komp.-Chef der PA-Italien“. Im Rang eines Oberleutnants wurde Walter Hotz im Mai 1945 von den US-amerikanischen Truppen in Mailand festgenommen.415 Zwischen Juni 1942 und März 1943 schrieb Hotz Texte für eine Vortragsreihe im Wehrmachtsender Saloniki.416 Zwei dieser Texte, „Hella’s [sic] Geist und deutsche Art“ und „Neugriechische Weisheiten und Erkenntnisse“, geben Aufschluss über die Inhalte, die Hotz verbreitete. Die Griechen, so Hotz, waren ein von germanischem, byzantinischem, hellenischem und türkischem Blut durchmischtes Volk.417 Ihr gegenwärtiger ‚völkischer‘ Zustand beurteilte er als Resultat eines Degenerationsprozesses, ursprünglich waren sie nach Hotz von „nordischem Blut“. Er begründete die „brüderliche Verwandtschaft hellenischen und germanischen Geistes“ mit der vorgeblich gemeinsamen Formensprache der Akropolis, des Dombergs zu Bamberg und des Felsens des Heiligen Michael an der normannischen Küste. Auch die Tempelhallen der griechischen Antike waren laut Hotz mit den bäuerlichen Wohnbauten der „germanischen Völker“ vergleichbar.418 Die Inhalte dieser Propagandasendungen zeigen, dass es sich dabei nicht um Ideen handelte, die ihm von der Wehrmachts- oder der NS-Propaganda auf­ erlegt wurden, sondern um Walter Hotz’ eigene Erzeugnisse, die auch schon in seinen Schriften aus den 1930er-Jahren zu finden sind. Hotz aktualisierte bloß den Gedanken der abendländischen kulturellen Sendung des „germanischen Reichs“, indem er ihn auf den „byzantinisch-griechischen Raum“ bezog. Er sah den Zweiten Weltkrieg als Erneuerungsprozess, der auf die selbst konstatierte abendländische Degeneration folgte. Auf den Trümmern des alten Abendlands sollte eine neue Europaordnung unter deutscher Hegemonie entstehen. Wie 414 Walter Hotz, Mappe: „Südost 1942/43. Verschiedenes“, Propaganda-Abteilung „SO“ datiert auf 6./10.10.1943 (Belgrad). In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 128. 415 Böcher, Walter Hotz. Vortrag, 1992, S. 93. Vgl. auch Böcher, Walter Hotz, 1992/95, S. 29 – 30; Walter Hotz an Karl Behrens vom 28.12.1955. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111. Vgl. Walter Hotz an Karl Otto Leukefeld vom 24.9.1955. In: Ebd. 416 Hotz, Walter: Hella’s Geist und deutsche Art. Vortragsreihe im Wehrmachtsender Saloniki Juni-März 1943. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 131; Hotz, Walter: Neugriechische Weisheiten u. Erkenntnisse. Vortrag im Sender Saloniki vom 18.8.1943. In: Ebd. 417 Hotz, Neugriechische Weisheiten und Erkenntnisse, 1943, S. 1 – 2. 418 Hotz, Hella’s Geist und deutsche Art, 1943, 5. Sendung vom 25.2.1943, S. 2 – 4.

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Hotz sah eine Mehrzahl der deutschen Intellektuellen diese Europaordnung durch den christlichen Gedanken bestimmt. Der Historiker Karl Dietrich ­Erdmann entwickelte als Soldat während des Zweiten Weltkriegs ein Konzept des „Europäertums“, das er aus der christlichen Ordnung des Abendlands und der „Völkerführung“ durch die Deutschen ableitete. Nur ein „Europa unter deutscher Führung“ konnte für Erdmann zu einer dauerhaften Form finden, Deutschland musste „eine über den eigenen Nationalstaat hinaus wirkende Ordnungsmacht in Mitteleuropa“ darstellen.419 Solche Haltungen legitimierten letztlich den Aggressionskrieg des NS-Regimes. Es liegen keine Zeugnisse darüber vor, dass Walter Hotz direkt in den „Kriegseinsatz der deutschen Kunstgeschichte“ eingebunden war. Die erhaltenen Quellen deuten aber darauf hin, dass er aufgrund seiner Funktion als PropagandaOffizier mit dem Kunstschutz zu tun hatte. Anders lässt sich kaum erklären, dass Hotz so viel Zeit für eigene Forschungen fand.420 Der Krieg eröffnete ihm neue wissenschaftliche Möglichkeiten. Hotz konnte Länder besuchen, die er vorher noch nicht erforscht hatte und die er ohne den Krieg vielleicht niemals hätte bereisen können. Er sammelte in Frankreich, auf dem Balkan und in Italien Materialien zu Burgen, Pfalzen, Schlössern und anderen Kunstdenkmälern, zeichnete seine Beobachtung auf, erstellte Pläne von den Bauwerken, führte Notizbücher und schrieb Rohmanuskripte für neue Bücher.421 1943 schickte Hotz dem Rembrandt-Verlag in Berlin-Lichterfelde ein Manuskript mit dem Titel „Byzantinische Kunst in Saloniki und Makedonien“, weitere Publikationen hatte er schon vorher mit dem Verlag vereinbart.422 Zusätzlich veröffentlichte Hotz

419 Vgl. Blänsdorf, Agnes: Zur Biographie Karl Dietrich Erdmanns 1939 – 1945: Soldat im Zweiten Weltkrieg. In: GWU 61 (2010) 12, S.713 – 730, hier S. 728 – 729. Vgl. Jarausch, Vatersuche, 2008, S. 36. 420 Merkblatt für den deutschen Soldaten an den geschichtlichen Stätten Griechenlands (2. Aufl., einzelne Teile auch 3. Aufl.). Herausgegben von: Bih. Südgriechenland, Referat Kunstschutz: nicht datiert. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 164. Es darf vermutet werden, dass Hotz daran mitgearbeitet hatte. 421 Walter Hotz an Hubert Fillay vom 3.7.1942. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 107. Vgl. Notizbuch Walter Hotz: „Burgund 1942/46“. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 163; Walter Hotz, Mappe: „Südost 1942/43. Verschiedenes“, Propaganda-Abteilung „SO“ datiert auf 6./10.10.1943 (Belgrad), Auszüge aus dem Manuskript zu „Saloniki“. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 128. Vgl. StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 132. 422 Walter Hotz an Konrad Lemmer vom Rembrandt-Verlag vom 3.12.1943. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 130; Walter Hotz an Konrad Lemmer vom Rembrandt-Verlag vom 25.10.1943. In: Ebd.

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zahlreiche Artikel in den Kriegszeitungen der Wehrmacht und verfasste Kunstführer zu Burgen und anderen Kunstdenkmälern.423 Der Krieg bot ­Walter Hotz neue wissenschaftliche Ressourcen und eröffnete ihm eine gesamt­europäische Perspektive auf weltanschaulich-politischer Ebene. Wandel in der Laufbahn und weltanschauliche Neujustierungen

In den fünf Monaten, die Hotz in amerikanischen Durchgangs- und statio­ nären Lagern in Mailand, Florenz und Livorno zugebracht hatte, so schrieb er 1955 einem ehemaligen Kameraden, hätten die deutschen Soldaten „auf engstem Raum zusammengepfercht Elementarunterricht in alliierter Menschlichkeit genossen.“ Seinen Selbstaussagen nach war in dieser Zeit in ihm der Wunsch herangereift, Pfarrer zu werden.424 Hotz stellte seinen Entschluss, den Pfarrers­ beruf zu wählen, als Resultat eines weltanschaulichen Wandels dar. Dies ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Der Zusammenbruch des NS-Regimes und der Wehrmacht, das Ausmaß der Zerstörung Europas und vor allem Deutschlands und die erlebten Gräuel führten zu der Einsicht, dass in Deutschland eine Umkehr vom bisherigen Weg erfolgen musste. 1947, nachdem Hotz wieder nach Westdeutschland zurückgekehrt war, erhielt er Gelegenheit, an zwei Kursen des Ökumenischen Instituts im westschweizerischen Château de Bossey teilzunehmen.425 Das Zusammenleben mit Geistlichen aus ganz Europa bedeutete ihm viel: „Es ist doch wichtig, dass wir alle miteinander in Fühlung bleiben, gerade jetzt und in dieser besonderen Lage“. Auch mit Geistlichen aus den vormals verfeindeten Ländern wie den Vereinigten Staaten oder England baute er ein freundschaftliches Verhältnis auf. Noch im selben Jahr wurde Walter Hotz nach

423 Hotz, Walter: Auf der Tourelles-Brücke. In: Pariser Zeitung, Jg. 2, Nr. 177 vom 30.6.1944. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 4; Hotz, Walter: Die Stadt auf dem Berge. In: Pariser Zeitung vom 15.11.1942. In: Ebd.; Hotz, Walter: Am Prinz-Eugen-Tor. In: Pariser Zeitung vom 17.2.1943. In: Ebd.; Hotz, Walter: Das Reich der Kreuzritter in Saloniki. In: Wacht im Südosten vom 31.5.1943. In: Ebd. Vgl. Hotz, Walter: Das Münster zu Straßburg (Führer zu großen Baudenkmälern 17). Berlin 1944. 424 Walter Hotz an Herr Burbat vom 8.7.1946. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. Walter Hotz an Heinz Biehn vom 13.3.1948. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 109; Walter Hotz an Karl Behrens vom 28.12.1955. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111. 425 Walter Hotz an Olof Almquist vom 17.6.1947. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. Das Institut war als internationales Begegnungs- und Ausbildungszentrum des Ökumenischen Rates der Kirchen gegründet worden.

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einem Vikar-Kurs des Prediger-Seminars der hessischen Landeskirche Pfarrer in Reinheim (Hessen).426 Die Entscheidung, den Pfarrersberuf zu ergreifen, hatte jedoch noch einen anderen Grund gehabt als den selbst konstatierten Wandel von Wertvorstellungen, und dieser Grund scheint den Ausschlag gegeben zu haben. Hotz’ Berufswahl nach 1945 ist vor allem als strategische Entscheidung zu sehen, sich durch die Tätigkeit als Pfarrer die materielle Existenz zu sichern und einen Wandel seiner weltanschaulichen Haltung glaubwürdig darzulegen, um später wieder als Kunsthistoriker und Burgenforscher tätig sein zu können. Dass er bereits im September 1946 in kirchlichen Kreisen kunsthistorische Vorträge hielt,427 ist nur ein Hinweis darauf, dass er das Pfarramt als Ausweichmöglichkeit nutzte, um seiner eigentlichen Berufung nachzugehen. In Bezug auf Veröffentlichungen verhielt sich Hotz in den späten 1940erJahren zunächst zögernd. Auf Anfrage eines Verlegers zu einem neuen Buchmanuskript meinte Hotz, er „halte es zum gegenwärtigen Zeitpunkte nicht für richtig und weder in Ihrem noch in meinem Interesse, wenn ich mit einer prononcierten Veröffentlichung Ihres Verlages wieder in die Öffentlichkeit trete.“ Seiner Ansicht nach hatte er sich zwar nichts vorzuwerfen und war in seinem Gewissen völlig unbelastet, aber „dem Buchstaben des Gesetzes zufolge gelte ich nun einmal als ‚Nazi‘, wenn auch nur als ‚Mitläufer‘.“ Es sei vernünftiger, man lasse die Dinge sich etwas beruhigen.428 Die bloße Parteimitgliedschaft wird dabei nicht der eigentliche Grund für Hotz’ Zögern gewesen sein. Er befürchtete wohl eher, dass neue Veröffentlichungen seinerseits andere auf die Idee bringen könnten, sich die Inhalte seiner Publikationen vor 1945 genauer anzusehen. Gleichzeitig nahm Walter Hotz aber seine Kontakte im Wissenschaftsfeld, soweit möglich, wieder auf, so auch zu Vertretern der WFG, die zwischenzeitlich in Bonner Arbeitsgemeinschaft für westdeutsche Landes- und Volks­forschung umbenannt worden war.429 Durch weitere Verbindungen hielt er sich über die neuesten Entwicklungen in der Kunstgeschichte auf dem Laufenden.430 Hotz

426 Walter Hotz an Herrn und Frau Pfarrer William Clark vom 20.9.1947. In: Ebd.StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. 427 Walter Hotz an den Verlag Werner Alippi vom 25.9.1946. In: Ebd. 428 Ebd. 429 Vgl. Wallraff, Regional- und Landesgeschichte, 2008, S. 272. 430 A. Mertes an Walter Hotz vom 8.5.1952. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 110. Vgl. S ­ chöttler, Peter: Von der rheinischen Landesgeschichte zur nazistischen Volksgeschichte oder Die „unhörbare Stimme des Blutes“. In: Schulze, Winfried/Oexle, Otto Gerhard (Hg.):

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versuchte, „bei der Universität anzukommen“, jedoch ohne Erfolg, er wäre höchstens zur Immatrikulation zugelassen worden.431 Einen Fürsprecher, der ihm einen Persilschein ausgestellt hätte, konnte Walter Hotz nicht vorweisen, denn vor seinem Wehrmachtseinsatz war er noch kein voll akzeptiertes Mitglied eines Instituts geworden. Im Gegensatz zu Gotthard Neumann konnte Hotz nicht auf den akademischen Korpsgeist zählen. Außerdem war einer seiner einflussreichsten Gönner, Burkhard Meier, am 17. Februar 1946 an den Folgen einer Operation gestorben.432 1957 wagte Hotz einen weiteren Versuch, sich an der Universität Heidelberg zu habilitieren. Walter Paatz vom dortigen kunsthistorischen Institut lehnte jedoch mit der Begründung ab, dass Hotz zu alt für eine Habilitation sei und er keine Aussicht auf ein Ordinariat habe. Außerdem erschien Paatz die Ausrichtung auf den Westen Europas problematisch.433 Hotz sah sich in die Position eines Heimat- und Regionalforschers versetzt, was ihn vom akademischen Reputa­ tionssystem ausschloss. Er musste sein weiteres wissenschaftliches Schaffen nun auf die außerakademischen lokalen und regionalen Geschichtsvereine wie den Historischen Verein für Hessen ausrichten.434 In diesem Bereich am Rande des Wissenschaftsfelds galt er weiterhin als Autorität. In dieser Situation war es wichtig, andere Möglichkeiten für seine Publi­ kationen zu finden als die akademischen Zeitschriften und Buchreihen. Schon hatte Hotz die Absicht ins Auge gefasst, einen eigenen Verlag zu gründen, um die „Pflege unseres kulturellen Erbes und die Verbreitung guten Schrifttums aus der Vergangenheit und Gegenwart“ nicht „verkümmern“ zu lassen,435 da erfuhr er Mitte der 1950er-Jahre, dass bereits ein Verlag für solche Wissenschaftler bestand, die wegen ihrer Verstrickungen mit dem NS -Regime keine Stelle an den Universitäten mehr fanden, nämlich Ernst Anrichs Wissenschaftliche Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1999, S. 89 – 112, hier S. 95; Georg Biermann an Walter Hotz vom 7.7.1947. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108; Walter Hotz an den Deutschen Verein für Kunstwissenschaft vom 21.7.1947. In: Ebd. 431 Walter Hotz an Pfarrer Braun vom 30.7.1946. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108. 432 Trauerkarte um Burkhard Meier vom Februar 1946. In: Ebd. 433 Walter Paatz an Walter Hotz vom 14.10.1957. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111. 434 Einladungsschreiben von der Volkshochschule für den Landkreis Erbach i/Odw. zu einer Heimatforschertagung am 14.3.1953 an Walter Hotz vom 2.3.1953. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 110. Schriftleitung von Volk und Scholle. Hessische Heimatzeitschrift für Volkskunde, Geschichte, Natur, Kunst und Literatur an Walter Hotz vom 17.1.1950. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 109. 435 Walter Hotz an Herbert Mielenhausen vom 14.10.1947. In: StA Wo, Abt. 170/21, 108.

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Buchgemeinschaft, die spätere WBG. Anrich selbst gehörte als ehemaliger Rektor der Reichsuniversität Straßburg, SS-Offizier und SD-Mitarbeiter zu den Ausgeschlossenen und hatte die Buchgemeinschaft 1949 initiiert, aus strate­ gischen Gründen stand er ihr aber erst ab 1953 als geschäftsführender Direktor vor.436 Ähnlich Walter Hotz stellten auch die Gründungsmitglieder der Buchgemeinschaft ihre Arbeit ins Licht einer europäischen Völkerverständigung. Sie verlegten sowohl „unverdächtige“ Bücher als auch solche von Volks- und Kulturbodenforschern, deren Inhalte die Autoren meist nur geringfügig oder gar nicht umarbeiteten. Indem also neue Verbindungen eingegangen und neue semantische Verknüpfungen hergestellt wurden, konnten die alten Vernetzungen beibehalten und Inhalte aus den 1930er- und 1940er-Jahren weitergeführt werden.437 Spätestens 1956 nahm Anrich Kontakt mit Hotz auf und fragte nach Manuskripten über Burgen, denn „als Elsässer habe ich eine besondere Zu­neigung zu dem Band über die oberrheinischen Burgen“.438 1958 erschien Hotz’ erste Veröffentlichung bei der WBG.439 Am Beispiel des 1965 bei der WBG erschienenen „Handbuchs der Kunstdenkmäler im Elsass und in Lothringen“ von Walter Hotz wird deutlich, dass für die Neukonstitution der Volks- und Kulturbodenforscher nach 1945 sowohl Kontinuitäten als auch bestimmte Wandlungen ausschlaggebend waren.440 Alle Auf­lagen dieses Kunstführers wurden mit Unterstützung der Erwin-von-­Steinbach-Stiftung Frankfurt am Main gedruckt.441 Diese Stiftung verlieh Hotz zum ­60. Geburtstag 1972 auch den Erwin-von-Steinbach-Preis in Höhe von 3.000 DM.442 In der Preiskurkunde begründeten die Mitglieder 436 Hille, „Deutsche Kunstgeschichte“, 2008, S. 100 – 101. Vgl. Schöttler, Die historische „Westforschung“, 1997, S. 224. Vgl. Schott, René: Die WBG, ein Unikat der Verlagslandschaft. Eine kleine Geschichte der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Mit Fotografien von Klaus Mai. Darmstadt 2009, S. 16 – 18. 437 Vgl. Ash, Verordnete Umbrüche – Konstruierte Identitäten, 1995. 438 Ernst Anrich an Walter Hotz vom 15.1.1956. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111. Anrich bezieht sich auf das Buch Hotz, Walter: Burgen am Rhein und an der Mosel. München, Berlin 1956. 439 Vgl. Hotz, Walter: Die staufische Burg in Deutschland und Italien. Sondermappe. Darmstadt 1958. 440 Vgl. Hotz, Walter: Handbuch der Kunstdenkmäler im Elsass und in Lothringen. München, Berlin 1965/Darmstadt 1965; 2., verb. Aufl. Darmstadt 1970. 441 1968 publizierte Hotz auch in der hauseigenen Jahrbuch-Reihe jener Stiftung. Vgl. Hotz, Walter: Die romanischen Bauteile der Kirche von Hessen (Hesse) in Lothringen. In: Studien der Erwin von Steinbach-Stiftung 3 (1971), S. 165 – 173. 442 Vgl. Bericht über die siebente Verleihung des Erwin von Steinbach-Preises an Dr. Walter Hotz. In: Studien der Erwin von Steinbach-Stiftung 4 (1975), S. 207 – 216.

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des Stiftungsrats, dass sie Hotz zum Preisträger auserkoren hatten, weil sein „jahrzehntelanges wissen­schaftliches Bemühen um ein vertieftes Verständnis der elsässischen Kunstlandschaft“ das Elsass und Lothringen als Ergebnis eines „Zusammenwirkens des hier wurzelnden alemannischen Volkstums und der […] oberrheinischen Landschaft verstehen lehrt“.443 Es wird deutlich, welche Ansichten in dieser Stiftung vorherrschten: Das Elsass und Lothringen wurden in der Tradition der Volks- und Kulturbodenforschung der 1920er- und 1930er-Jahre als Kulturgebiet des „alemannischen Volkstums“ gesehen. Im Stiftungsgremium saßen denn auch Leute, die Walter Hotz vom Umfeld der Westforschung her kannte, so Christian Hallier, Friedrich Spieser oder Robert Ernst.444 Diese Akteure hatten sich in der Nachkriegszeit zur besagten Stiftung zusammengeschlossen und unterhielten enge Verbindungen zu Anrichs Buchgemeinschaft sowie zu revisionistischen Verbänden wie der Arbeits­ gemeinschaft der West- und Überseevertriebenen im Bundesgebiet ­e. V.445 Auf die revisionistische Haltung deutete schon der Name der Stiftung hin, denn der angeblich deutsche mittelalterliche Baumeister Erwin von ­Steinbach, der den Bau maßgeblicher Teile des Straßburger Münsters geplant hatte, war bereits von Spieser in den 1920er-Jahren für dessen Wanderbund Erwin von Steinbach, elsässische Jugendwanderer, kurz Erwinsbund, in Anspruch genommen worden.446 Und noch auf eine andere Figur in diesem Umfeld ging dieser Name zurück, nämlich auf den Mäzen ‚völkischer‘ Wissenschaften Alfred C. Toepfer, der 1935 seinen Erwin-von-Steinbach-Preis gegründet hatte und damit Wissenschaft und Kultur im „alemannischen Stammesbereich“ förderte. Im Gremium dieses Preises fanden sich bis auf wenige Ausnahmen dieselben Akteure, die in der nachkriegszeitlichen Stiftung wieder vertreten waren, außer Toepfer selbst, der mit der Organisation nach 1945 nichts mehr zu tun hatte. Er hatte bereits während des Zweiten Weltkriegs damit begonnen, sich von diesen Vernetzungen zu lösen.447

443 Urkunde der Erwin von Steinbach-Stiftung vom 30.5.1972. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 170. 444 Vgl. Strauss, Fritz Spieser, 1997, S. 164. 445 Lucie Kobisch an Walter Hotz vom 10.10.1968. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 117; Christian Hallier an Walter Hotz vom 28.10.1963. In: Ebd.; Christian Hallier an Walter Hotz vom 20.5.1964. In: Ebd. Vgl. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 34, Fussnote 110. 446 Kettenacker, Nationalsozialistische Volkstumspolitik, 1973, S. 24, 96; Strauss, Fritz Spieser, 1997, S. 127. 447 Vgl. Kreis, Alfred Toepfer und das Elsass, 2000, S. 98; Zimmermann, Die Kulturpreise der Stiftung F. V. S., 2000, S. 43, 187.

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Die Beständigkeit dieser personellen und wissenschaftlichen Verbindungen lag im gemeinsamen Sozialisationsrahmen der Akteure während der ­Weimarer Republik begründet, zu dem die radikale Ablehnung der Demokratie und das Forschungsinteresse am „deutsch bestimmten Westraum“ gehörten. Dieser Sozialisations- und Denkrahmen war ausschlaggebend für die nach 1945 beabsichtigte Absetzung vom Nationalsozialismus, mit dessen Kultur- und Wissen­ schaftspolitik die Westforscher ihrer Ansicht nach nicht übereinstimmten. Die Distanzierung vom NS-Regime konnte vor allem darüber erfolgen, dass alle erwähnten Akteure in der einen oder anderen Weise problematische Beziehungen entweder zu einzelnen Aspekten der NS -Weltanschauung oder zu bestimmten Organisationen und Exponenten des NS-Regimes hatten. Hallier hielt sich möglichst lange von einer Parteimitgliedschaft fern und wurde 1940 lediglich Parteianwärter.448 Anrich hatte sich 1931 die Gegnerschaft von Baldur von Schirach zugezogen und wurde von Hitler persönlich aus der NS-Partei ausgeschlossen.449 Spiesers eigenwillige Volkstumsideologie im Elsass befürworteten weder Hitler noch Gauleiter Robert Wagner,450 und Walter Hotz hatte sich im NS-Regime der „progressiven Entthronung Gottes“ erwehrt,451 indem er neopagane Ansichten offen kritisiert hatte. So wie diese Wissenschaftler und Kulturpolitiker durch mehrheitliche Übereinstimmung mit der NS-Politik das Regime stabilisiert hatten, so suchten sie ihre Verstrickungen mit dem National­ sozialismus durch die Hervorhebung ihrer Differenzen mit dem NS-Regime zu verdecken oder als vernachlässigbar darzustellen. Die Neuarrangements der ehemaligen Volks- und Kulturbodenforscher im Westen sind als realisierte Strategien aus einer durchaus beschränkten Auswahl an Möglichkeiten zu sehen. Für Walter Hotz handelte es sich dabei um keine Erfolgsgeschichte. Durch sein Engagement in diesem Umfeld manövrierte er sich weiter ins wissenschaftliche Abseits. Kurz nach dem Erscheinen seines 448 Freund, Volk, Reich und Westgrenze, 2006, S. 331. 449 Hausmann, Frank-Rutger: Reichsuniversität Straßburg. In: Haar/Fahlbusch (Hg.), Handbuch der völkischen Wissenschaften, 2008, S. 578 – 584, hier S. 579; Kettenacker, Lothar: Ernst Anrich und die Reichsuniversität Straßburg. In: Baechler, Christian/Igersheim, François/ Racin, Pierre (Hg.): Les Reichsuniversitäten de Strasbourg et de Poznan et les résistances universitaires 1941 – 1944. Strasbourg 2005, S. 83 – 96, hier S. 85 – 86, 93; Kettenacker, National­ sozialistische Volkstumspolitik, 1973, S. 185; Schöttler, Die historische „Westforschung“, 1997, S. 214. 450 Kettenacker, Nationalsozialistische Volkstumspolitik, 1973, S. 110 – 111; Strauss, Fritz Spieser, 1997, S.  142 – 144, 157 – 159. 451 D. Künneth an Walter Hotz vom 17.2.1950. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3.

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Handbuchs wurde Hotz von Vertretern der akademischen Kunstgeschichte heftig kritisiert. Sie warfen ihm vor, er folge mit seiner geografischen Fokussierung dem wilhelminischen Reichsland Elsass-Lothringen und suggeriere dadurch deutschen Revisionismus. Für den derzeitigen wissenschaftlichen Austausch zwischen deutschen und französischen Kunsthistorikern wirke dies ausgesprochen kontraproduktiv.452 Zudem sprachen die Akademiker Hotz’ Werk Originalitätswert ab, und auch methodisch sei das Buch veraltet.453 Walter Hotz sah sich in die Position eines nebenberuflichen kunsthistorischen Kompilators versetzt, der veraltete Methoden anwandte und Ideen nachhing, die noch aus dem letzten Jahrhundert stammten. Dennoch kann Hotz’ wissenschaftliche Laufbahn nach 1945 nur vom akademischen Standpunkt her als erfolglos beurteilt werden, immerhin publizierte er Werke, die heute noch neu aufgelegt werden. In der politisch rechtsgerichteten Wissenschaftskultur Westdeutschlands, die sich nach 1945 alternativ zur universitären Wissenschaft bildete, konnte er weiterhin Erfolge feiern. Die Isolation vom akademischen Wissenschaftsfeld begünstigte zweifelsohne gewisse Kontinuitäten weltanschaulicher Haltungen. Anson Rabinbach hat vier Hauptbegriffe herausgearbeitet, welche die Intellektuellendiskurse in Deutschland nach 1945 rahmten, nämlich ‚Schuld‘, ‚Geist‘, ‚Europa‘ und ‚Humanismus‘.454 Die letzten drei Begriffe finden sich auch bei Walter Hotz, ‚Schuld‘ dagegen gehörte nicht zu seinem Denken, auch wenn er die Verbrechen während des NS -Regimes keineswegs leugnete. Schuld daran hatten Hotz’ Meinung nach aber nicht die Deutschen, sondern die Nationalsozialisten, die „Verbrecher­ clique“. Walter Hotz trennte scharf zwischen Deutschen und National­sozialisten, ähnlich scharf, wie er in den 1930er-Jahren Deutsche und Juden voneinander geschieden hatte. Es stand für Hotz fest, dass die Nationalsozialisten ungeheure Verbrechen wie den Judenmord begangen hatten. Dies hatte aber seiner Meinung nach mit den Deutschen und dem deutschen Staat als Ganzes nichts zu tun gehabt.455 Die eigentlichen Opfer sowohl der Nationalsozialisten als auch

452 Walter Hotz an Ernst Hermann vom 8.3.1966. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 119. 453 Prof. Dr. J. A. Schmoll gen. Eisenwerth an Walter Hotz vom 15.5.1968. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 118. 454 Rabinbach, Anson: Restoring the German Spirit: Humanism and Guilt in Post-War Germany. In: Müller, Jan-Werner (Hg.): German Ideologies since 1945: Studies in the Political Thought and Culture of the Bonn Republic. New York 2003, S. 23 – 39, hier S. 29. 455 Hotz, Walter: Die Behauptung einer Kollektivschuld ist unhaltbar. In: FAZ vom 31.1.1985. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111.

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der Alliierten waren für ihn die Deutschen, und die ehemaligen Soldaten der Wehrmacht ganz besonders: „Ich gehöre der jüngeren Generation an […], der Generation also, die vielleicht am meisten von Menschen betrogen und missbraucht wurde – vor 1933, nach 1933 und nach 1945“.456 Die Begriffe ‚Geist‘, ‚Humanismus‘ und ‚Europa‘ zeigten sich bei Walter Hotz in Gestalt eines neuen Europas, in dem auf der Basis christlich-humanistischer Werte eine Verständigung unter den Völkern geschaffen werden sollte. Auch in dieser Beziehung folgte Hotz seinem Vorbild Ernst Jünger, der in seinem Buch „Der Friede“ von 1945 eine Rückkehr zu den christlich-abendländischen Werten gefordert hatte.457 Die Einsicht in die Notwendigkeit einer Völkerverständigung resultierte bei Hotz aus seiner Erfahrung als Kriegsgefangener: „[I]m Lager (es war ein sehr internationales Cage; Angehörige aller Nationen, die als Freiwillige in der deutschen Wehrmacht gekämpft hatten und zahlreiche SS-Angehörige waren darin) herrschte durchweg eine gute Kameradschaft und nachts […] lasen wir Homers Odyssee und Goethes Faust“. Die Gefangenen hatten „[i]nmitten aller Entbehrungen und Schikanen […] eine Lageruniversität“ aufgebaut, „an der ich über Kunstgeschichte Europas, dargestellt an ausgewählten Beispielen, las.“458 Die gefangenen Soldaten bildeten eine europäische Gemeinschaft, weil Angehörige verschiedener Länder in der Wehrmacht für eine neue Europaordnung gekämpft hatten. Dieser europäische Gedanke musste in der Nachkriegszeit durch das Hinzufügen von humanistischen Werten umgedeutet werden. Aber auch im nachkriegszeitlichen Europa sollte Hotz’ Ansicht nach Deutschland eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Führungsposition übernehmen. Denn die „Leistungen und Mitarbeit“ des deutschen Volkes seien nun einmal nötig, „wenn unser Erdteil Europa nicht ganz zugrunde gehen soll“.459 Es handelt sich hierbei um eine weltanschauliche Neuausrichtung, die aus alten ‚völkisch‘-nationalistischen Ideologemen und einem Rekurs auf einen christlichen Humanismus konstituiert war. Trotz des Zugeständnisses, „dass unser Weg ein grundsätzlich falscher war, und dass er darum auch grundsätzlich nicht wieder begangen werden darf“, wie Hotz einer Bekannten schrieb, 456 Walter Hotz an die Schriftleitung von Christ und Welt vom 10.8.1950. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 109. Vgl. Jarausch, Konrad H.: Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945 – 1995. München 2004, S. 19. 457 Jünger, Ernst: Der Friede. Ein Wort an die Jugend Europas und an die Jugend der Welt. Amsterdam 1946. 458 Walter Hotz an Karl Behrens vom 28.12.1955. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111. 459 Walter Hotz an Alwin E. Jaeggli vom 25.8.1947. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 108.

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hinderte ihn nichts daran, „die Dinge der Vergangenheit und Gegenwart sachlich zu sehen und sowohl das Gute wie das Böse beim Namen zu nennen.“460 Auf einen Bericht in der „Bunten Illustrierten“ über die Ermordung Hunderter von „Volksdeutschen“ durch polnische Freischärler am „Bromberger Blutsonntag“,461 dem zu entnehmen war, dass „4.850 deutsche Männer, Frauen und Kinder – davon allein am 3. September in Bromberg etwa 1.000“ – von Polen getötet worden waren, weil „Angehörige der deutschen Volksgruppen auf ein Zeichen Hitlers Kampfmaßnahmen gegen Polen unternommen hatten“, reagierte Hotz empört. Es stand für ihn fest, dass die „polnischen Grausamkeiten gegen die Volksdeutschen“ nicht Folge deutscher Provokationen gewesen waren, sondern „die Demonstration eines maßlosen Vernichtungswillens, der sich auch 1944 und 1945 in diesen Gebieten ausgetobt hat.“ In Bromberg waren seiner Meinung nach nicht 4.850, sondern 48.500 Deutsche ermordet worden.462 Auch berichte die offizielle Geschichtsschreibung nichts darüber, dass die Polen auch noch am 4. und 5. September „unter den Augen der sich in Straßenkämpfen langsam vorarbeitenden deutschen Soldaten – unter denen auch ich mich befand – Deutsche umgebracht“ hatten.463 Walter Hotz meinte, mit dem Argument, dass er Wehrmachtssoldat gewesen war und in Polen gekämpft hatte, die gesamte offizielle Geschichtsschreibung revidieren zu können. Dabei wird dem adressierten Chefredakteur der Zeitschrift nicht bekannt gewesen sein, dass Hotz nicht in Bromberg gekämpft hatte, sondern in Hopfengarten (Brzoza) verwundet worden war. In Bromberg war er lediglich als Verwundeter stationiert gewesen. Bromberg jedoch war für Walter Hotz zu einem Erinnerungsort geworden, bei dem sich tatsächliche Ereignisse, Mythos und Emotionen miteinander vermischten. Zwischenbilanz

Im Verlauf der 1930er-Jahre wurden Burgen als Thema und Burgenforschung als Subbereich wichtiger in der Kunstgeschichte. Noch 1939 reichte die Etablierung jedoch nicht so weit, dass sich Walter Hotz mit einem burgenkundlichen Thema hätte habilitieren können. Hubert Schrade, bei dem sich Hotz habilitieren wollte, 460 Walter Hotz an Margot Biedermann vom 24.6.1947. In: Ebd. 461 Herbert, Best, 1996, S. 240. 462 Walter Hotz an die Bunte Illustrierte, Herrn Chefredakteur Bernd Ruland vom 3.9.1956. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 111. 463 Walter Hotz an die Bunte Illustrierte z. Hd. Hans Schwalbe vom 8.9.1956. In: Ebd.

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folgte 1941 einem Ruf an die Reichsuniversität Straßburg.464 Walter Hotz hätte gegen eine Assistenz an Schrades Lehrstuhl in Straßburg am aller­wenigsten etwas einzuwenden gehabt, er kannte sich mit den Kunstdenkmälern im Elsass bestens aus und hätte gut ins Korps der Akademiker an dieser Universität gepasst: wissenschaftlich vielversprechend, mit „charakterliche[n] Stärken“ und national­sozialistischer Überzeugung, bei der die protestantische Grundhaltung wohl kein Hindernis gewesen wäre. Letztlich verhinderte derselbe Grund, der dazu führte, dass die Reichsuniversität Straßburg überhaupt erst gegründet werden konnte, Hotz’ akademische Karriere, nämlich der Zweite Weltkrieg. Der Karriereeinbruch nach 1945 führte zu einer Verschiebung von Hotz’ Position im Wissenschaftsfeld. Fortan war er von der akademischen Kunstgeschichte ausgeschlossen und agierte nur noch im Umfeld der ehemaligen Westforscher und in der außerakademischen Heimatforschung, womit auch eine Kontinuität von revisionistischen Haltungen zusammenhing. Es stellt sich nun die Frage, wie sich diese Wandlungen auf der Ebene der epistemischen Konstruktionen und der verwendeten Methoden auswirkten. 4.3.3 ‚REICH‘, ‚RAUM‘, ‚VOLK‘: WISSENSFIGUREN UND METHODEN

Für Walter Hotz’ wissenschaftliches Denken waren zwei Aspekte ausschlag­ gebend: Die kulturräumliche Ausrichtung der westdeutschen Kunst- und Landes­geschichte und die geistesgeschichtlich-hermeneutische, gleichzeitig auch gestaltpsychologische Methode, Kunstdenkmäler zu beschreiben und zu interpretieren, wie sie Wilhelm Pinder vertrat. Wie auf weltanschaulicher Ebene war für Hotz auch auf der wissenschaftlichen der Begriff des ‚Reichs‘ zentral. Wissensfiguren

Für Walter Hotz bildete der Reichsgedanke die feste Ordnung des mittel­ alterlichen Abendlands. Die Reichsidee war „Resultat des Bündnisses von germanischem und hellenisch-römischem Machtkreis“, konkret zwischen Karl dem Großen und seinem Volk und der spätantiken Kultur. Dabei hatten die Germanen „nicht nur kriegerisches Ungestüm, sondern auch eine entwickelte Kunstgesinnung, handwerkliche Tüchtigkeit, eine ehrfürchtige Haltung gegenüber allen Werten der Religion und der Kultur und eine schöpferische, nach 464 Vgl. Hille, „Deutsche Kunstgeschichte“, 2008.

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Tat drängende Begabung“ aus dem Norden mitgebracht. Sie schufen „auf den Resten des überalterten Römerreiches ein neues Europa“.465 Dieses Europa fasste Hotz als „Kunstraum“ auf, wonach sich der Reichsgedanke in den Kunstwerken manifestieren musste. Die karolingische Kunst war „die erste ausgesprochen repräsentative Germanenkunst großen Stils im christlichen Abendlande“,466 sie war laut Hotz eine „im wahrsten Sinne arteigene Formen- und Gedankenwelt, die ihr besonderes – nordisches – Schönheitsideal im Gegensatz zu dem mittelmeerischen hat.“467 Unter dem Begriff ‚Germanen‘ verstand Hotz eine ‚völ­ kische‘ Identität, die aus biologisch-‚rassischen‘ und künstlerisch-geistigen Charakteristiken bestand und die Essenz darstellte, die den Verlauf der Geschichte bestimmte: Bis ins 13. Jahrhundert hinein war die Kunst im Abendland seiner Meinung nach „fast ausschließlich Germanenkunst“. Der germanisch-abendländische Kunstraum differenzierte sich laut Hotz im Laufe des „ersten Reichs“ in weitere, ‚völkisch‘-tribalistisch determinierte räumliche Subeinheiten aus, die er „germanisch-deutsche, germanisch-skandinavische, germanisch-langobardische, germanisch-westfränkische, germanischnormannische, germanisch-burgundische und germanisch-provencalische [sic] Kunst“ nannte.468 Der germanisch-deutsche Subraum war für Hotz der „gesamtdeutsche Volks- und Kulturboden“.469 Über allen diesen Subräumen stand die Reichsidee als „völkerführende“ Kraft. Damit war auch die mittelalterliche Baukunst Englands, Frankreichs, Italiens und Spaniens für Hotz „durchaus germanisch geprägt“.470 Die Ausdifferenzierung des germanischdeutschen Raums, also die „Volkwerdung der Deutschen“, vollzog sich für Hotz in der Periode von der karolingischen bis zur spätstaufischen Epoche. Dabei war der „Volksraum“ der Deutschen in kultureller Hinsicht den ­anderen „Volksräumen“ überlegen.471 465 Hotz, Die Einheit Europas in der bildenden Kunst, 1942, S. 289, 292, 295. 466 Hotz, Walter: Der „katholische Mensch“ und die deutsche Kunst. In: Wartburg 35 (1936) 7, S. 230 – 240, hier S. 231, 233. In: StA Wo, Abt. 170/21 Nr. 3. 467 Ebd., S. 232. 468 Ebd., S. 233. 469 Hotz, Walter: Melk und die Wachau. Mit Bildern von Karl Christian Raulfs. Berlin 1938, S. 13. 470 Hotz, Walter: Die Reichsidee in der frühstaufischen Baukunst. In: Monatsschrift für das deutsche Geistesleben 41 (1939) Maiheft, S. 285 – 292, hier S. 286. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 4. 471 Ebd., S. 285; Hotz, Walter: Die staufischen Reichsburgen. In: Deutsches Volkstum (Oktober 1937), S. 713 – 718, hier S. 713. Vgl. Hotz, Wolframs Parzival, 1938, S. 86; Hotz, Von der guten Herkunft deutscher Kunst, 1939, S. 195.

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Als wissenschaftliche Konstruktion war ‚Volk‘ bei Hotz eine ständische und zugleich gemeinschaftliche Form sozialer Organisation. Sie bestand aus dem König oder Kaiser, den Ministerialen und Geistlichen und der Gefolgschaft, den Bauern, Handwerkern und Soldaten. Trotz des Standesunterschieds blieb der König mit den Bauern eng verbunden. Die Pfalzen Karls des Großen bezeichnete Hotz deshalb als „monumentale Bauernhöfe“.472 Überhaupt führte seiner Ansicht nach der künstlerische Stammbaum des Palas „zur altgermanischen Königshalle“ zurück,473 womit Hotz die Verbindung zum vermeintlich germanischen Ursprung deutscher mittelalterlicher Kunst und Kultur herstellte. Der abendländisch-christliche Kunstraum entsprach in Hotz’ Begriffs­ hierarchie dem Reich, das über den ‚völkischen‘ Raumeinheiten stand. An diesen „Großraum“ schlossen andere Kunsträume an, nämlich der byzantinische und der arabische. Der Hauptunterschied zwischen den Räumen lag für Hotz auf geistiger Ebene: Im Unterschied zum germanisch geprägten Abendland, in dem „Imperium und Sacerdotium […] trotz allen Gegensätzen eine fürwahr geistige Einheit“ gebildet hätten, sei bei den Byzantinern Christus abgetrennt gewesen von dem „germanischen Volksfürst“.474 Nur im abendländisch-germanischen Kunstraum bildeten ‚Volk‘, ‚Führer‘ und ‚Christus‘ eine Einheit. Die Kunsträume der Araber und der Byzantiner standen für Hotz künstlerisch zwar hinter dem der Germanen zurück, sie hatten aber trotzdem eine Daseinsberechtigung, weil Kunst immer der Ausdruck einer „konkreten Volksordnung“ war, und solange ein Volk nach seiner ihm eigenen Ordnung lebte, diese „volkhafte“ Ordnung also zu seinem Lebensgesetz machte, war seine Kunst wahrhaftig.475 In Hotz’ Vorstellung lebten die Bevölkerungsgruppen dieser Großräume auch nicht isoliert von, sondern in Kontakt miteinander. So hatten die Verbindungen zwischen dem Abendland und dem Vorderen Orient während der Kreuzzüge Hotz’ Meinung nach auf den abendländischen Burgenbau eine innovative ­Wirkung gehabt.476

472 Hotz, Walter: Staufische Reichsburgen am Mittelrhein. Aufnahmen von Karl Christian Raulfs (Deutsche Lande, deutsche Kunst). Berlin 1937, S. 7. 473 Ebd. 474 Hotz, Walter: MS Christentum und Heidentum im „Willehalm“ Wolframs von E ­ schenbach. 1938, S. 1. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 17. 475 Hotz, Melk und die Wachau, 1938, S. 10. 476 Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937, S. 7.

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Das „abendländische Reich unter germanischer Führung“ war für Hotz eine Idee, die in der Geschichte politisch handlungsleitend war.477 Die Kunst als ­„Träger und Mittler zeitgestaltender Ideen“ sah er deshalb vor allem als „Machtkunst“ oder „Hochkunst“.478 Die stärkste Ausprägung der Hochkunst erfolgte für Hotz im staufischen Zeitalter, da die Stauferkaiser die größte Macht im Abendland entfalteten. Ihnen gelang eine „Neuordnung der Welt“, und zwar deshalb, weil „sie sich als Führer eines Standes wussten, der eine ‚totale‘ Weltanschauung verfochten hatte. Dieser Stand war das Rittertum.“ Das Rittertum war für Hotz eine „Schwertgemeinschaft“, „die den ärmsten Ministerialen wie den höchsten Führer des Reiches mit einer Rasse, einem Ideal, einer Kultur und einer Bildung umspannte“. Als „weltanschauliche Gegenkraft“ betrachtete er das Papsttum. Der Papst war in Hotz Gedankenwelt der Vertreter einer falschen Auffassung des christlichen Gedankens, das Rittertum hingegen, ja das „deutsche Menschentum“ schlechthin waren die Träger der „wahren“ christ­ lichen Weltanschauung.479 Aus der epistemischen Trias von ‚Volksordnung‘, ‚germanischer Reichsidee‘ und ‚Kunst‘ als Ausdruck des politischen Willens der Herrscher leitete Hotz seine zentrale Fragestellung für die Kunstgeschichte und die Burgenforschung ab: Ihm ging es um die Analyse der „raumpolitischen Planungen altdeutscher Kaiserzeit.“480 Laut Hotz stand hinter dem Burgenbau der Kaiser, Könige, ­Grafen und Bischöfe der strategische Ausbau des zu beherrschenden Landes, also die herrschaftliche Strukturierung geografischer Räume. Der Raum, den Hotz konkret im Blickfeld hatte, war der „Westraum“, der für ihn das geopolitische Zentrum der karolingischen, der ottonischen und dann der staufischen Kaiser darstellte. Der „Westraum“ umfasste die Pfalz, das Saarland, ­Südwestdeutschland sowie das Elsass, Lothringen, das Burgund und die Nordwestschweiz. Dabei

477 Hotz, Walter: 1000 Jahre Reich der Deutschen. Das Kaisertum Otto’s des Großen. In: Evangelischer Volksbote. Kalender des Evangelischen Bundes 48 (1937), S. 34 – 38, hier S. 34. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 478 Hotz, Die Einheit Europas, 1942, S. 290. Den Begriff der Machtkunst wird Hotz Josef Strzygowski entlehnt haben, bei dem er in Wien studiert hatte. Vgl. Strzygowski, Josef: Europas Machtkunst im Rahmen des Erdkreises. Wien 1941. 479 Hotz, Christentum und Heidentum, 1938, S. 4. [Herv. i. Orig.)] Hotz zitierte hier den volkskundlich ausgerichteten Bonner Germanisten und Literaturwissenschaftler Hans Naumann. 480 Hotz, Walter: Staufische Palastbauten. In: Geistige Arbeit 19 (1938) (unpaginiert). In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 3.

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stellte die Region des Mittelrheins das Herz dieses Raums dar, denn „am Mittelrhein stießen alle Kraftlinien Süd- und Mitteldeutschlands zusammen“.481 Hotz’ Raumkonzept lag sowohl ein Geodeterminismus zugrunde als auch eine bestimmte Form von Organizismus, was an der Verwendung der Körper­ metaphern deutlich wird. Die Landschaft, ihre Flüsse, Hügel und Täler bestimmten die politischen Planungen der mittelalterlichen Herrscher und damit auch, wo sie ihre Burgen und Pfalzen anlegen und in welcher Gestalt sie diese bauen ließen. Zugleich waren Burgenbau und politische Planung auch biologisch‚rassisch‘ bestimmt, was sich dann wiederum in die Landschaft einschrieb. Diese biologistisch-räumliche Fundierung ging auf existenzialphilo­sophische Annahmen zurück. Beleg dafür ist die Charakterisierung der Reichsidee als „ewig“, was einer ‚rassischen‘ Blutsemantik entsprach. Hotz suchte daher nicht nach einem historischen Datum der Reichsgründung, für ihn war das Reich „Idee“ und „Schöpfung“, „Ursprung“ und „Gründung“, ein „Ereignis, aus dem sich erst der ‚Sinn vom Sein‘ […] bestimmt“.482 Durch diese ontologische Setzung konnten wissenschaftliche und weltanschaulich-politische Ebene miteinander verbunden werden, was eine Aktualisierung wissenschaftlicher Wahrheiten für Situationen in der eigenen Gegenwart ermöglichte. Insofern verwundert nicht, dass Hotz Denkfiguren entwickelte, die zwischen kunsthistorischem Wissen und einem angestrebten Soll-Zustand der deutschen Gesellschaft standen. Das Thema „Europa“ war ihm dabei besonders wichtig. Europa war für Hotz eine Losung, in der das „Leben und das Wesen der europäischen Nationen, ja des gesamten arischen Menschentums beschlossen ist. […] Und darum hat heute Deutschland, das sich den unerbittlichen Kampf wider den Bolschewismus auf die Fahnen geschrieben, seine besondere Berufung.“483 Während abendländische Mächte wie Frankreich oder England von Deutschland „geführt“ werden mussten, sollte der bolschewistische Osten bekämpft und dabei möglichst unschädlich gemacht werden.484 Infolge der Aktualisierbarkeit kunsthistorischen Wissens für die

481 Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937, S. 6. 482 Zitiert in: von Hermann, Friedrich-Wilhelm: Heideggers Philosophie der Kunst. Eine systematische Interpretation der Holzwege-Abhandlung „Der Ursprung des Kunstwerkes“. Frankfurt am Main 1980, S. xvii. [Herv. i. Orig.] 483 Hotz, Walter: Europas Schicksal. In: Deutsch-Evangelische Korrespondenz 47 (1937) (un­paginiert). In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 3. 484 Hotz, Walter: Schicksal und Sendung des Münsters zu Straßburg. In: Wartburg (1940) 9, S. 162. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 4.

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Interpretation zeitgenössischer Ereignisse war das „gewaltige Ereignis“ vom 12. März 1938 die Rückkehr zur einstmaligen mittelalterlichen Wirklichkeit der Reichsidee.485 Den Überfall auf die Tschechoslowakei und die Einverleibung des Sudetenlandes ins ‚Dritte Reich‘ bezog Hotz auf die Pfalz Eger, den „völkischen Vorposten […] wider das anbrandende Tschechentum […], dessen weltgeschichtliches siegreiches Ende durch die Tat unseres Führers Adolf Hitler wir erleben durften!“486 Wie Bodo Ebhardt vertrat Hotz die Annahme, dass sich eine germanische Herrenschicht während der Völkerwanderungszeit in ganz Europa etabliert und die anderen Völker beherrscht hatte. Nur in Deutschland aber waren „die Burgen aus den Kräften des Volkes geformt und gehören unlösbar zum Bild des deutschen Kulturraumes“.487 In Ländern wie Frankreich und England dagegen waren sie von den germanischen Herrengeschlechtern zum Zweck der Beherrschung der ortsansässigen Untertanen errichtet worden. Im „deutsch-germanischen Raum“ waren die Burgen demnach Symbole von Kultur und Ästhetik, in Frankreich und England dagegen waren sie rein funktional („mechanistisch“). Bei Hotz’ wissenschaftlichen Grundlegungen handelte es sich um eine eigentümliche Mischung älterer rassenaristokratischer Theorien und jüngerer ‚völkisch‘-räumlich orientierter Ideen. Konzeptioneller Wandel und epistemische Kontinuitäten nach 1945

Hotz publizierte ab den späten 1950er-Jahren wieder vermehrt über Burgen, Pfalzen und Schlösser, allerdings nahmen sie in seinen Publikationen nach 1945 nicht mehr eine so prominente Stellung ein wie davor. Dome, Kirchen, Schnitzereien und Malereien waren nun gleichrangige Forschungsobjekte. Hotz war sich bewusst, dass Burgen in der nun akademisch größtenteils kompro­ mittierten Volks- und Kulturbodenforschung wichtige Forschungsobjekte gewesen waren. Er selbst hatte mit seinen Arbeiten über Burgen und Pfalzen dazu beigetragen, einen ‚völkisch‘ begründeten Revisionismus und später einen 485 Hotz, Walter: Ostmark – Land der Deutschen. In: Germania Nr. 117 vom 29.4.1938. In: Sta Wo, Abt. 170/21, Nr. 152; Hotz, Melk und die Wachau, 1938, S. 11. 486 Hotz, Walter: Die Kaiserpfalz Eger (Hohenstaufenburgen VII). In: Das Bild (1938) 10, S. 1 – 3, hier S. 1; Hotz, Walter: Die Stauferburgen im Elsass. Geopolitische Gliederung – Bau­geschichtliche Übersicht (Hohenstaufenburgen VIII). In: Das Bild (1939) 2, S. 34 – 43, hier S. 34. 487 Hotz, Walter: Kunstwerk und Landschaft im Elsass. Bilder von Theodor Seeger (Die Kunstbücher des Volkes 37). Berlin, Köln 1941, S. 11.

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Imperialismus wissenschaftlich zu legitimieren. Hotz rekurrierte nun auch stärker auf eine rein kunsthistorische Burgenforschung. Im Vorwort einer WBG Publikation von 1965 schrieb er, dass seine Herangehensweise „sowohl von der Burgenkunde als auch von der Burgengeschichte“ differieren würde. Ausschlag­ gebend dafür war die „Anwendung kunstwissenschaftlicher Methoden auf die deutsche Burg als historisches Phänomen“, was zu einer „neuen Systematik“ führen sollte.488 Hotz unterstellte das Objekt ‚Burg‘ der kunstgeschichtlichen Methodik und machte es dadurch zu einem von vielen Forschungsobjekten der Kunstgeschichte des Mittelalters. Gleichzeitig versuchte er sich gegenüber der außerakademischen Burgenforschung zu distanzieren, und zwar deshalb, weil er selbst in diesen Bereich gehörte, jedoch nicht mit einem Laienforscher verwechselt werden wollte. Seine epistemischen Grundannahmen führte Walter Hotz dabei fort: „Beherrschung eines Raumes und Behauptung eines Platzes sind die Aufgaben der Burg als Wehrbau.“489 Wie vor 1945 meinte er damit die Anlage von „geopolitisch und strategisch begründete[n] Systeme[n].“490 Die oberste Ordnungskategorie für den abendländischen Raum blieb für Hotz das Reich; Kaiser, Könige und Adlige ließen die Burgen als geopolitische Symbole mit dem Ziel der „planmäßige[n] Befestigung des Reichsraums“ errichten.491 Raum als geografisch-ethnische Einheit und Reich als politische Idee blieben miteinander verbunden, die vielgestaltige landschaft­liche Form Europas hatte „die politische Lebensform des Reiches erhalten.“492 Auf einer Karte in seinem Buch über staufische Pfalzen und Burgen zeichnete Hotz das staufische Reich so, dass jene Grenzen und Grenzräume mit eingeschlossen waren, die er vormals als „deutschen Volksund Kulturboden“ bezeichnet hatte. Der Unterschied zu den Konstruktionen vor 1945 bestand darin, dass nun auch Italien und die Schweiz als Ganzes dazugehörten.493 Hotz warf nicht das alte ­Wissen um oder veränderte es, sondern universalisierte die Reichsidee, indem er den Reichsraum auf ganz Europa ausdehnte. Das Zentrum des Reichs blieb für ihn weiterhin der südwestdeutsche, elsässische und lothringische Raum. 488 Hotz, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Burg, 1965. 489 Ebd. S. 64. 490 Hotz, Walter: Pfalzen und Burgen der Stauferzeit. Geschichte und Gestalt. Darmstadt 1981, S. 18. 491 Hotz, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Burg. 1965, S. 105. 492 Hotz, Pfalzen und Burgen der Stauferzeit, 1981, S. 1. 493 Vgl. Karte Abb. Z 1. In: Ebd., S. 2.

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Den abendländisch-europäischen Raum nannte Hotz nun nicht mehr „Volksund Kulturboden“, sondern „Sprach- und Volksgebiet“.494 Diese Wandlung ist deshalb wichtig, weil Sprache als den „Volksboden“ definierender Faktor vor 1933 bei Hotz keine Rolle gespielt hatte. Wie andere Westforscher war auch Hotz davon ausgegangen, dass die „Reichweite der Sprache“ im Westen nicht mit der Ausdehnung deutschen Volks- und Kulturbodens zusammenfiel.495 Der Rekurs auf die Sprache als bestimmender Faktor verweist auf Wissensf­iguren, die vermeintlich frei von ‚völkischen‘ Bezügen waren. Auf privater Ebene hielt Hotz allerdings an seinen alten ‚völkischen‘ Raumordnungsbegriffen fest. ­Böhmen und Mähren gehörten für ihn ebenso zum deutschen Burgenbau, wie er das Südtirol als „halbverlorene[s] Stück deutschen Volks- und Kulturraums“ betrachtete.496 Methoden: „Geopolitische Hermeneutik“

In diesem Abschnitt geht es darum zu klären, ob Walter Hotz’ Methoden in der kunsthistorischen Burgenforschung als potenziell innovativ anzusehen sind. Mit „innovativ“ sind hier methodische Ansätze gemeint, die im Verhältnis zu den vorherrschenden Methoden in der Burgenforschung neu und originell waren.497 Dabei wird vor allem der oberrheinische Raum betrachtet, da diese Region für Hotz die „Herzkammer des Reiches“ bildete. Für Hotz’ Ansatz waren zwar die epistemischen Annahmen der Volks- und Kulturbodenforscher wichtig, die für Burgenforscher in diesem Umfeld typische Verbindung von Burgen mit Siedlungen verfolgte er jedoch nicht, und er wandte auch keine seriellen Methoden an.498 494 Hotz, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Burg, 1965, S. 4. Vgl. Hotz, Walter: Kleine Kunstgeschichte der Deutschen Schlösser. Darmstadt 1970, S. 1. 495 Vgl. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 13. Vgl. Steinbach, Franz: Die westdeutsche Volksgrenze und Forschungsaufgabe der politischen Geschichte. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 1 (1937), S. 25 – 36, hier S. 26. 496 Walter Hotz an Konrad Lemmer vom 10.1.1952. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 110. 497 „Innovation“ ist kein zeitgenössischer Begriff, sondern stammt aus der Wirtschaftstheorie der 1960er Jahre und bedeutet die technische und auch organisatorische Umsetzung einer neuen Idee. Vgl. Schumpeter, Joseph A.: Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses. 2 Bde. (Grundriss der Sozialwissen­ schaft 1, 2). Göttingen 1961, S. 94 – 110. 498 Knapp, Der Burgentypus in der Steiermark, 1942, S. 867. Vgl. Knapp, Werner: Burgen um Innsbruck. Ausschnitt aus dem Werden der Innsbrucker Kulturlandschaft. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 4 (1940), S. 110 – 129, hier S. 123.

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Hotz’ Forschungen über die Burgen im „Westraum“ lag die Maxime zugrunde, dass das gesamte Oberrheingebiet ein homogenes „Kultur- und Volksgebiet“ war. Um dies plausibel darlegen zu können, musste er die unlösbare „Zusammen­ gehörigkeit des Elsass mit dem alemannischen und darüber hinaus mit dem großdeutschen Volksraum“ herausstellen, wozu ihm besonders die Mittelalterburgen dienten.499 Wenn möglich, besuchte Hotz die Baudenkmäler selbst, um sich vor Ort einen Eindruck von ihnen zu machen. Das Betrachten der Forschungsobjekte war ein wissenschaftlich-analytischer und zugleich ein ästhetischer Vorgang: ‚Gestalt‘ und ‚Wesen‘ der Burgen mussten verstanden und ganzheitlich erfasst werden, indem der Kunsthistoriker Form und Ästhetik der Bauwerke auf sich wirken ließ.500 Seine Beobachtungen, Zeichnungen von Steinmetzzeichen oder von stilistischen Besonderheiten sowie Exzerpte und Verweise auf archivalische Quellen hielt Hotz in Notizbüchern fest und ordnete seine Aufzeichnungen darin den „Landschaften des staufischen Reiches“ zu.501 Zu diesen Landschaften gehörten für ihn „Schwaben-Elsass, Bayern-Niedersachsen, Österreich, Tirol, Burgund, Lothringen, Lützelburg, Thüringen, Böhmen, Bayern, Franken, Pfalz, Wetterau.“502 Dabei interessierten Hotz vor allem Stil und Motivik; steingerechte, technische Aufnahmen fertigte er nicht an. Grundrisse oder Maueraufrisse entlieh er vielmehr Technikern wie Bodo Ebhardt. Methoden der Archäologie, so die Typologie, waren für Hotz nur in Bezug auf die Bauplastik wichtig, über die Anwendung technischer Verfahren wie Mörtelproben oder Fotogrammetrie liegen keine Informationen vor.503 Neben der Eisenbahn bewirkte die Fotografie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einschneidende Veränderungen in der kunsthistorischen Forschungspraxis.504 Sie ermöglichte sowohl die Reproduktion von Forschungs­ objekten, die auf die Sammlungen Europas verteilt waren, als auch die Wieder­ gabe und Vermittlung des individuellen Blicks des Kunsthistorikers auf die

499 Hotz, Kunstwerk und Landschaft, 1941, Vorwort. Vgl. Hotz, Die Stauferburgen im Elsass, 1939, S. 43. 500 Vgl. Bushart, Magdalena: ‚Form‘ und ‚Gestalt‘. Zur Psychologisierung der Kunstgeschichte um 1900. In: Oexle (Hg.), Krise des Historismus, 2007, S. 147 – 179. 501 Notizbuch Walter Hotz: „Hohenstaufenburgen in Italien 1936“. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 156. 502 Notizbuch Walter Hotz „Wildenburg 1934“. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 76. 503 Hotz, Burg Wildenberg, 1934, S. 14 – 15. 504 Vgl. Rössler, Das Notizbuch als Werkzeug, 2008, S. 73.

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Kunsterzeugnisse. Dies ist schon bei Ebhardt deutlich geworden. Bei Hotz aber hatten die Fotografien einen noch prominenteren Rang. Die ästhetische Wirkung der fotografierten Burgen war zentral in seinen Publikationen, fast alle von Hotz’ Büchern sind mit einem umfangreichen Bildanhang ausgestattet, wobei jede Fotografie eine ganze Druckseite einnahm. Hotz achtete dabei auf höchste Qualität und fertigte die Bilder daher nicht selbst an, sondern arbeitete mit professionellen Fotografen zusammen.505 Dabei ging es ihm nicht darum, durch die Fotografie bloße Formschönheit darzulegen, vielmehr waren die Fotografien Medien seiner Wissensfiguren, sie dienten der Vermittlung von „staufischer Hochkunst“ oder „Machtkunst“. In zwei Büchern verwendete Hotz Karten (Abb. 23 u. Abb. 24).506 Zunächst fällt ihre plastische zeichnerische Struktur auf: Wälder sind mit angedeuteten Bäumen gekennzeichnet, Hügelland wird durch symbolische Berge konturiert. Die Karten sind nicht eine abstrakte, Objektivität suggerierende, grafische Anordnung von Fakten, sie sind expressiv und scheinen auszudrücken, dass die Beschaffenheit der Landschaft für die räumliche Anordnung der Burgen ausschlaggebend war. Sie zeigen keine Details, sondern vermitteln Dynamik und Bewegung. Der Raum erhält auf diese Weise eine Steuerungsfunktion kulturhistorischer Phäno­mene. Diese Karten hatten eine ganz andere Funktion als die Kartenwerke der Volks- und Kulturbodenforscher im Westen. Im Vergleich zum 1926 publi­zierten „Geschichtlichen Handatlas der Rheinprovinz“ (Abb. 25) machen Hotz’ Karten einen ausgesprochen rudimentären Eindruck. Der Handatlas baut auf 56 Kartentafeln auf (Städte, Dörfer, wirtschaftshistorische Zusammenhänge), der Text ist an den Karten orientiert.507 Bei Hotz dagegen diente die Karte als visuelle Untermalung des Geschriebenen. In die Landschaften gliederte Hotz die Burgensysteme ein, die er „­Kyff­häuser-Block“ oder „Vogesenlinie“ nannte. Hotz ordnete die Burgen nicht primär nach Bautypen und Ländern, sondern stellte einen strukturellen Zusammenhang zwischen den Wehrbauten durch landschaftliche Gegebenheiten oder durch geopolitische, manchmal auch wirtschaftshistorische Überlegungen her. Struktureller Zusammenhang meint in diesem Fall vor allem 505 Vgl. Hotz, Burgen am Rhein, 1956; Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937. 506 Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937, S. 35; Hotz, Kaiserpfalzen und Ritter­ burgen, 1940, 42. 507 Vgl. Geschichtlicher Handatlas der Rheinprovinz. Im Auftrag des Instituts für geschicht­ liche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn. Herausgegeben von: Hermann Aubin. Bearbeitet von: Josef Niessen. Köln 1926.

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herrschaftliche Geopolitik, die für Hotz immer im Kontext des staufischen Reichs­gedankens stand. Im Sinne des hermeneutischen Verfahrens unterstellte er den ­Stauferkaisern die Absicht, sie hätten ihre Burgen nach geopolitischen Grundsätzen anlegen lassen.508 Ein solches methodisches Vorgehen verlangte zunächst, der „Frage nach der Lage, Geländebeschaffenheit, Aufgabe und Wehrstärke der Burgen“ nachzugehen und das „Verhältnis der einzelnen Burgen zueinander“ zu analysieren sowie die „besonderen politischen Bedingungen“ im Raum zu eruieren.509 Für die Gliederung des „Westraums“ nach Ordnungsschemen der Geopolitik und der Landesgeschichte war laut Hotz die „pfälzische Vogesen­linie“ ausschlaggebend, denn von „ihren Bergen konnte man sowohl Lothringen wie das weite und fruchtbare Tiefland bis zum Kaiserstuhl und Schwarzwald übersehen und beherrschen“. Innerhalb der Burgensysteme existierten für Hotz Zentren und Peripherien. So bildete die Kaiserpfalz von Hagenau, die „erste Reichspfalz, die Barbarossa im Jahre 1153 in Angriff nahm“, in der „Vogesen­linie“ das Zentrum, die umliegenden Burgen, die Peripherie, wurden zum Schutz der Kaiserpfalz angelegt, um den „umliegenden Raum festungstechnisch“ zu beherrschen. Verwaltet wurden sie von Reichsministerialen, die den „kampf­harten Stand“ der „Dienstmannen“ in der mittelalterlichen Gesellschaft darstellten. Die Idee der ständischen Gesellschaftsform des Mittelalters spiegelte Hotz also an der Struktur seiner geopolitischen Burgensysteme.510 Die Burgensysteme konnten weiter unterteilt oder miteinander in Beziehung gesetzt werden. An die „Vogesenlinie“ im Elsass gliederte Hotz „fünf große Kraftfelder“ an, wobei die „pfälzischen Reichsburgen“ die direkte „Fortsetzung dieses Burgensystems [der Vogesenlinie, F. L.] bilden […], deren Mittelpunkt der Ring um die Pfalz Kaisers­lautern darstellt.“511 Damit war der Zusammenhang des Elsass mit dem „alemannischen Raum“ hergestellt, wobei der Reichsgedanke den Kitt bildete, der diese Subräume zusammenhielt, weil er für die Ministerialen politische Wirkungskraft besaß, solange „eine einheitliche Führung über ihnen stand.“512 Ein weiteres Kriterium für die Zusammenfassung der Burgen zu Burgensystemen war für Hotz die Ähnlichkeit der Baustile, die er auf einheitliche 508 Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937, S. 32. 509 Hotz, Die Stauferburgen im Elsass, 1939, S. 35. 510 Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937, S. 10, 12. 511 Hotz, Die Stauferburgen im Elsass, 1939, S. 39 – 40; Hotz, Pfalzen und Burgen der Hohen­ staufenzeit, 1940, S. 90. 512 Hotz, Staufische Reichsburgen am Mittelrhein, 1937, S. 29, 10.

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Baumannschaften zurückführte. Die elsässischen Burgen, die für ihn „durchweg staufische Neubauten“ waren, setzten eine „umfassende Planung einer einheitlich gegliederten Bauhütte voraus.“513 Für diese Konstruktion waren fast ausschließlich stilistische Kriterien und Steinmetzzeichen ausschlaggebend, da für das hohe Mittelalter nur in wenigen Fällen archivalische Quellen vorlagen, auf denen Namen von Handwerksmeistern standen.514 Die Wanderungen der Bauleute im Mittelalter gingen über die späteren staatlichen Grenzen hinaus, wodurch die Subräume im „Westraum“ miteinander verbunden werden konnten. Außerdem stellte Hotz die Baumannschaften implizit als ethnisch „deutsch“ dar, die der Staufer ganz besonders, was letztlich auf die Deutschbestimmtheit des „Herzraums“ staufischer Herrschaft im Westen hinauslief. Auf die Frage, ob Walter Hotz’ Methode originell war, muss vor allem der analytische Wert des ‚Raums‘ näher betrachtet werden. Denn das Wissen um die Existenz von Bauhütten war seit dem 19. Jahrhundert in der Kunstgeschichte etabliert, besonders in Frankreich, wo Kunsthistoriker an den Kathedralen und Klöstern verschiedene Bau- und Steinmetzschulen festmachen konnten.515 Hotz verwendete hierbei eine Methode, die an Kirchen, Domen und Klöstern entwickelt worden war, für die Erforschung der Burgen. Auch die räumliche Perspektive war zunächst nicht neu. Schon der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Georg Dehio hatte sein Großunternehmen, das „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“ (1905 – 1912), nach Landschaften aufgeteilt, so Mitteldeutschland, Nordostdeutschland, Süddeutschland oder Elsass-Lothringen.516 Und auch Paul Clemen gab Bände über die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz heraus, die er nach den verschiedenen Verwaltungskreisen ordnete.517 Der Unterschied zwischen diesen räumlichen Orientierungen zum Raumkonzept von Walter Hotz lag darin, dass Hotz die Aufteilungen Dehios und Clemens, die mehrheitlich der staatlichen Territorialgliederung folgten, mit seinen Burgensystemen durchbrach. Im Sinne einer ‚völkischen‘ Geopolitik begründete Hotz seine Konstruktion von Räumen und Subräumen epistemologisch, wohingegen

513 Hotz, Die Stauferburgen im Elsass, 1939, S. 39 – 40. 514 Vgl. Hotz, Walter: Die Hartenburg im 16. Jh. In: Mannheimer Geschichtsblätter (1937) 1 – 2, S.  3 – 14, hier S.  5 – 6. 515 Vgl. Kubach, Hans Erich: Die deutsche Westgrenze und die Baukunst des Mittelalters. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 2 (1938), S. 326 – 351, hier S. 328. 516 Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. 5 Bde. Berlin 1905 – 1912. 517 Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. 20 Bde. Im Auftrag des Provinzialverbandes. Heraus­gegeben von: Paul Clemen. Düsseldorf 1891 – 1937.

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Clemen und Dehio ihre Aufteilungen an der zeitgenössischen territorialpoli­ tischen Ordnung orientierten. Zwischenbilanz

Originell an Walter Hotz’ methodischem Ansatz war vor allem das Raumkonzept, wie es auch andere junge Burgenforscher wie Werner Knapp oder Herbert Weinelt vertraten. Die räumliche Herangehensweise stellte eine wichtige Neuerung dar, denn sie ermöglichte die Erforschung struktureller Zusammenhänge von Burgen. Dieser Ansatz löste die ältere historistische Denkart der Fixierung auf die Burg als Einzelobjekt ab und blieb auch nach 1945 in der landes- und kunsthistorischen Burgenforschung bestehen. Die struktural-‚völkisch‘-geopolitische Sichtweise der Burgen markierte eine deutliche Absetzung zur älteren Burgenforschung eines Bodo Ebhardt und kann daher als Modernisierung in der Burgenforschung gesehen werden. Die Frage nach Innovationen in der deutschen Burgenforschung in den 1930erJahren war allerdings inhärent verknüpft mit ‚völkischen‘ und ‚rassischen‘ Denkfiguren. Hotz’ Vorgehen war zwar durchaus originell, die Geopolitik fungierte aber auch als Perspektive, mit welcher die Burgen in eine bestimmte Ordnung gebracht werden konnten, um letztlich die Reichsidee als teleo­ logisches Prinzip zu fundieren. Wie gezeigt war Hotz’ Vorstellung vom Reich mehr Ausdruck einer irrational-eschatologischen Erwartungshaltung denn ein rational-wissenschaftliches Konzept. 4.3.4 KONKLUSION: MODERNISIERUNGEN UND ‚VÖLKISCH-RASSISCHE‘ KONSTRUKTIONEN IN DER KUNSTHISTORISCHEN BURGENFORSCHUNG

Walter Hotz’ kunsthistorisch-räumlicher Ansatz wirkte auf die Burgen­forschung modernisierend, seine Verbindung von geopolitischer Perspektive mit ethnischkulturell definierten Regionen war neu in der Burgenforschung. Methoden wie die Großbildfotografie waren in der Kunstgeschichte zwar nicht avantgardistisch, sondern im klassischen Sinne modern, für die Burgen­forschung jedoch wirkten auch sie modernisierend, weil dadurch kunsthistorische Standards in diesen Wissenschaftsbereich eingeführt werden konnten. Hierzu gehört auch die Fokussierung auf Baumannschaften und deren Analyse im Hinblick auf regionale Kunstlandschaften, was in der Kunstgeschichte zwar zu den Standards gehörte, für die Burgenforschung jedoch neu war. Hotz gehörte damit zu einer Generation, die den landes- und kunsthisto­rischen Ansatz der Volks- und

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Kulturbodenforschung in der Burgenforschung etablierte und damit die ältere, auf einzelne Bauwerke fokussierte Richtung eines Bodo Ebhardt ablöste. In methodischer Hinsicht hat sich gezeigt, dass er vor allem die in der Kunstgeschichte etablierte hermeneutisch-holistische Heran­gehensweise wählte, während der geopolitische Ansatz mehr theore­tische Perspektive als Methode war. Festzuhalten ist aber, dass Hotz’ Denk­figuren heteronom bestimmt waren. Die Heteronomie ist daran zu sehen, dass er weltanschauliches und wissenschaft­ liches Denken miteinander vermengte; er verwissenschaftlichte geradezu seine politisch-weltanschaulichen Ansichten, die er vor allem während der Zeit bei der CP entwickelt hatte. D ­ arüber hinaus folgte Hotz in seinen Grundannahmen zur Geschichte Europas den rassenaristokratischen Ansichten Bodo Ebhardts, die ihrerseits heteronome Erzeugnisse waren. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Hotz’ Konstruk­tionen den im Wissenschaftsfeld legitimen Ideen entsprachen, denn das Feld selbst war in den 1930er-Jahren vom heteronomen Pol bestimmt. In diesem Rahmen produzierte Hotz legitimes Wissen, seine ‚völkisch‘-räumlichen Konstruktionen wurden als plausibel angesehen. Damit trieb er, ob bewusst oder nicht, den fortschreitenden Umbau der Regeln und legitimen Symbolformen zugunsten nationalsozialistisch-völkischer Prinzipien im Feld voran. 4.4 BILANZ

Wie Lutz Raphael schlüssig gezeigt hat, war die NS-Weltanschauung so wenig determiniert, dass Wissenschaftlern und Intellektuellen Raum blieb, fehlende oder diffus formulierte Inhalte nicht nur auf ganz eigene Weise zu interpretieren, sondern nationalistische, völkische und rassistische Ideologeme aktiv mit- und auszugestalten.518 In diesem Sinne waren ideologisch-politische Differenzen zwischen NS-Politikern und Wissenschaftlern in Bezug auf die weltanschaulichen Grundelemente des Nationalsozialismus kein Hindernis für die Partizipation dieser Wissenschaftler am NS-Regime, sondern vielmehr die Regel und geradezu das Grundprinzip der integrierenden Kraft der NS-Weltanschauung. Auch wenn die drei behandelten Wissenschaftler in vielen Punkten von den NS-Ideologemen und der NS-Realpolitik ab­wichen, stabilisierten sie dadurch, dass sie sich mit dem NS-Staat letztlich doch arrangierten, das Regime. 518 Raphael, Radikales Ordnungsdenken, 2001, S. 28 – 29.

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Die drei Laufbahnen zeigen aber, dass schematische Interpretationen den Intentionen und Handlungen der Wissenschaftler nicht gerecht werden. Ihre Abneigung gegenüber bestimmten Aspekten des NS-Regimes und ihr Eigensinn standen einer erfolgreichen Karriere im Weg. Sie beteiligten sich zwar am Aufbau der NS-Volksgemeinschaft, distanzierten sich aber auch von der Mitgliedschaft in bedeutenden NS-Organisationen. Ebhardt, Neumann und Hotz waren keine überzeugten Nationalsozialisten. Dies wurde allerdings von NS-Politikern auch gar nicht verlangt. Gotthard Neumann wies laut der NSGauleitung Thüringens den „richtigen“ Habitus auf, um im NS-Regime ein potenziell erfolgreicher Wissenschaftler zu werden. Er hatte aber in den 1920erJahren eigene Vorstellungen von Volk und Heimat entwickelt und vertrat einen wissenschaftlichen Wahrheitsbegriff, der mit NS-Ideologemen nicht zu vereinbaren war und von dem er nicht abzurücken gedachte. Insofern verdeutlichen die drei Wissenschaftler-Biografien, dass Bourdieus Feld- und Habitustheorie auf empirisch-historischer Basis an die Grenzen ihrer analytischen Aussagekraft stößt. Kontingenzen einerseits, emotionale und irrationale Entscheidungen andererseits lassen sich damit nur unzureichend fassen. Solche Aspekte können jedoch nicht wegdiskutiert werden, sondern sind historisch wirkungsmächtig. Es ist im Einzelnen kritisch danach zu fragen, wie Strategie und Laufbahn im Sinne einer auf rationellem Kalkül basierenden Abfolge von Entscheidungen der Akteure, die sie aufgrund objekti­vierbarer, durch die Machtverhältnisse im Wissenschaftsfeld struk­turell vorgegebener Situationen fällten, zu definieren sind. Historische Akteure haben Eigensinn, der nicht vollends determiniert werden kann. Walter Hotz fällte seine Entscheidungen nicht nur aufgrund von Überlegungen darüber, wie er am schnellsten und effizientesten wissenschaftliches Kapital anreichern konnte. Vielmehr spielten die weltanschauliche Prägung in der CP und der evangelisch-lutherische Glaube eine ebenso große Rolle für den gewählten Weg. Für Gotthard Neumann stellte die Vor- und Frühgeschichte sicher seinen Lebensinhalt dar, mindestens ebenso wichtig war ihm aber, in seiner thüringischen Heimat zu wirken und mit den Menschen dort zusammenzu­arbeiten. Ob dies als Ausdruck einer reinen Machtstrategie interpretiert werden kann, ist zu bezweifeln. Auch Bodo Ebhardt wird nicht nur aufgrund einer spezi­fischen Strategie keine Zusammenarbeit mit akademischen Forschern gesucht haben, sondern auch, weil ihm die Kultur seiner Burgenvereinigung, zu der bestimmte Umgangsformen, ästhetische Vorstellungen und elitäre Rituale gehörten, zusagte und er diese nicht verändern wollte.

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Die Burgenforschung als Thema (Hotz), Praxis (Neumann) und als eigenständiger Forschungsbereich (Ebhardt) blieb letztlich in einem prekären Status im wissenschaftlichen und kulturellen Feld während des NS-­Regimes. Nur im außerakademischen Bereich konnte sie als eine spezifische Wissen­schaftskultur gefestigt werden. Diese Form der Burgenforschung oder Burgenkunde war von Beginn an heteronom bestimmt. Am Beispiel Bodo Ebhardts wurde deutlich, dass er keine relative wissenschaftliche Autonomie ausbildete. Hinsichtlich der disziplinären Entwicklung bewirkte dies für das Gesamt­phänomen Burgen­ forschung keinerlei Veränderungen im Vergleich zur Lage der Burgen­forschung vor 1933. Eine Stärkung der Burgenforschung im akademischen Feld ist nicht zu beobachten, und genauso wenig kann behauptet werden, dass die Heimatund Burgenvereine Methoden der akademischen Wissenschaft übernommen oder eigene innovative Methoden entwickelt hätten. Die relative Heteronomie der außerakademischen Burgenforschung zeigt sich besonders deutlich an den epistemischen Figuren, die Ebhardt produzierte. Wissenschaftliche Konstruktionen folgten bei ihm gewissermaßen den zeit­ politischen Umständen, zwischen ideologischen Überzeugungen und wissen­ schaftlichen Annahmen bestanden nahezu keine Differenzen. Allerdings waren auch die Wissensfiguren von Hotz heteronom bestimmt. Bei Neumann erfolgte eine Heteronomisierung vor allem ab dem Zeitpunkt, als er Tauschverhältnisse mit NS -Politikern einging. Diese Elemente konnten dann nach 1945 in die Wissens­ordnungen in der SBZ und der späteren DDR umgewandelt werden. Bei den ‚völkisch‘-ethnischen und räumlichen Wissens­figuren von Neumann und Hotz wurde deutlich, dass sie den legitimen Symbolformen im Wissenschaftsfeld der 1930er- und 1940er-Jahre entsprachen. Demnach hat sich bereits im Verlauf der 1920er-Jahre der Pol im Wissenschaftsfeld in Richtung einer zunehmenden Akzeptanz ‚völkischer‘ und ‚rassischer‘ Ideen verschoben, was durch die sogenannte Machtergreifung der Nationalsozialisten katalysiert wurde. Selbst diese weit fortgeschrittene Heteronomisierung jedoch veränderte die disziplinären Strukturen im deutschen Wissenschaftsfeld nicht grundlegend. Zwar wurden neue Forschungsbereiche wie die Volks- und Kulturbodenforschung wichtiger, letztlich waren Organisationen wie die VFG aber nur innerhalb einer politischen und gesellschaftlichen Ordnung lebensfähig, die auf Revisionismus und großdeutschen Nationalismus abzielte. Die Burgenforschung als schwach konturierter Forschungsbereich ging innerhalb dieser Machtverhältnisse unter. Auf den prekären Status der Burgenforschung weist auch die Tatsache hin, dass innovative Methoden und Theorien nicht aus der Burgenforschung selbst heraus entstanden, sondern ausschließlich durch methodologischen und theo­retischen

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Import aus anderen Forschungsbereichen wie der Landesgeschichte oder der Geografie Eingang fanden. Dies zeigte sich an der Etablierung der Burgen­ geografie als prosperierender Zweig der Volks- und Kulturboden­forschung. Erst durch einen Methoden- und Perspektiventransfer konnte sich die jüngere Forscher­generation von der älteren, von Bodo Ebhardt vertretenen Burgenforschung absetzen. Burgenforschung als solche war wissenschaftlich nicht überlebensfähig. Diese Kopplung der Burgenforschung mit Methoden und theoretischen Grundlegungen anderer Fächer war auch für die Formierung der Mittelalterarchäologie in den 1960er-Jahren ausschlaggebend. In Kapitel 5 (S. 297) wird daher der Frage nachgegangen, ob im NS -Regime auf Ebene der Forschungspraxis eine Art Mittelalterarchäologie avant la lettre existierte.

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5 WISSENSCHAFTSPRAKTIKEN 5.1 METHODEN UND PRAXIS DER BURGENFORSCHUNG IM NS-REGIME: ZWEI BURGENUNTERNEHMEN

Im vorliegenden Kapitel geht es um die Analyse der Burgenforschung als wissen­ schaftliche Praxis. Im Gelände wurden Burgen in der Regel nicht nur von einem einzigen Wissenschaftler untersucht, sondern von einer Gruppe von Forschern. Ich werde zwei Beispiele solcher Burgenunternehmen behandeln, an denen über eine längere Zeit hinweg Archäologen, Kunsthistoriker und Burgengelehrte, am Rande auch Volkskundler und Landeshistoriker, Unter­ suchungen vorgenommen hatten. Es handelt sich dabei um die Burg Trifels in der Pfalz und die sogenannte Reichsburg Kyffhausen in Thüringen, die beide in den 1930er-Jahren erforscht, wiederaufgebaut oder konserviert wurden. Beide Unternehmen gingen auf die Initiative von NS-Politikern und NS-Ideologen zurück, in deren Folge erst Wissenschaftler und Denkmalpfleger mobilisiert wurden. Beide Burgen waren reichsweit, ja europaweit bekannt. Eine erfolgreiche Umsetzung der wissenschaftlichen Untersuchungen und der Restaurierungen versprach sowohl den NS-Politikern als auch den Wissenschaftlern ein hohes Maß an Prestige im politischen und im wissenschaftlichen Feld. Voraussetzung dafür musste allerdings eine konstruktive Zusammenarbeit der Akteure sein. Am Beispiel dieser beiden Burgenunternehmen sollen daher folgende zwei Aspekte behandelt werden: 1 |  Die beiden Burgen stellten Prestigeobjekte dar, weshalb den Wissenschaftlern wahrscheinlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung standen als bei kleineren Burgenuntersuchungen, bei denen die ökonomischen Mittel in der Regel knapp bemessen waren. Im Hinblick auf die Anwendung neuerer Methoden lässt sich daraus die Arbeitshypothese ableiten, dass die Forscher mehr oder weniger uneingeschränkt arbeiten konnten. Insofern dürfte eine innovative Forschungspraxis zu erwarten sein. 2 |  In beiden Fällen waren mehrere Wissenschaftler unterschiedlicher Fächer und Forschungsbereiche beteiligt. Es ist also zu fragen, ob bei den beiden Burgen­ unternehmen interdisziplinär und kooperativ gearbeitet wurde. Zunächst muss der Begriff ‚Interdisziplinarität‘ definiert werden, da er in Studien zur methodischen Entwicklung in den Geistes- und Kulturwissenschaften

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im Nationalsozialismus verwendet wird,1 jedoch kein zeitgenössischer Begriff ist. Nach Hans Derks bedeutet Interdisziplinarität „eine wachsende Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Disziplinen oder Fächern […], wobei […] die partizipierenden Disziplinen vorübergehend oder auf Dauer in einer neuen, aber komplexeren Konstellation aufgehoben werden.“2 Die von Hermann Aubin erhobene Forderung nach einer „Zusammenarbeit aller geschichtlich gerichteten Fächer, der Archäologie und Kunstgeschichte, Sprachwissenschaft und Volkskunde, selbstredend auch der Kirchen, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte samt der historischen Soziologie“3 zur Erforschung kulturgeografischer Räume wäre im heutigen Sinne demnach als interdisziplinär zu bezeichnen. Die Problematik einer solchen Sichtweise ergibt sich daraus, dass sich die Volks- und Kulturbodenforscher konzeptionell gegen die zunehmende Ausdifferenzierung der Wissen­schaften richteten und dafür einen vitalistischen, oft ‚rassischen‘ Holismus propagierten. Bei ihrer Arbeitsweise könnte es sich also auch um einen Rückgriff auf einen ganzheitlich-vormodernen Wissenschaftsbegriff gehandelt haben, der allenfalls Effekte zeitigte, die aus heutiger Sicht als interdisziplinär gelten könnten. Noch komplexer wird die Sachlage dadurch, dass Holismus sowohl antimodern als auch modern sein konnte. Anne Harrington und Mitchell G. Ash haben gezeigt, dass Holismus als Denkweise und Wissenschaftskonzept je nach Wissenschaftlergruppe durchaus modern war und weiterführende und neue Fragen aufwarf.4 Die Frage nach Interdisziplinarität, potenzieller Inno­vation und antimoderner Konzeptualisierung wirft im Zusammenspiel mit den politischen Implikationen daher vielschichtige Problemstellungen auf. Besonders ausgeprägt zeigt sich diese Problematik in der Vor- und Frühgeschichte. Der Archäologe Bolko von Richthofen, der seine Wissenschaft 1 2 3

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So bei Oberkrome, Volkgsgeschichte, 1993. Derks, Hans: Deutsche Westforschung. Ideologie und Praxis im 20. Jahrhundert (Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur im 20. Jahrhundert 4). Leipzig 2001, S. 51. Krieg, Heinz: Zur Geschichte des Begriffs ‚Historische Landschaft‘ und der Landschaftsbezeichnung ‚Oberrhein‘ in der Kunstgeschichte. In: Kurmann, Peter/Zotz, Thomas (Hg.): Historische Landschaft – Kunstlandschaft? Der Oberrhein im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen 68). Ostfildern 2008, S. 31 – 64, hier S. 44. Vgl. Harrington, Reenchanted Science, 1996; Ash, Gestalt Psychology in German Culture, 1998. Vgl. Ash, Mitchell G.: Krise der Moderne oder Modernität der Krise? Stimmen aus der Akademie. In: Fischer, Wolfram/Nötzoldt, Peter (Hg.): Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914 – 1945 (Forschungsberichte/Interdisziplinäre Arbeitsgruppen 8). Berlin 2000, S. 121 – 142.

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völkisch-revisionistischen Zielsetzungen im Osten unterstellte, hatte im Sinne einer „technokratischen Moderne“ (Herbert Mehrtens) eine Vorstellung von einer „Archäologie des Mittelalters“,5 die dem heutigen Verständnis von Mittel­ alterarchäologie nicht ganz unähnlich ist. Der „Germanomane“ Hans Reinerth galt als technisch begabter und kreativer Ausgräber, und auch Herbert Jankuhns Ausgrabungstechnik galt im Fach als ausgesprochen weit entwickelt, wobei festzuhalten ist, dass Jankuhns Interpretationen und Theorien in der Vor- und Frühgeschichte mehrheitlich als plausibel angesehen wurden.6 Dies muss als Hinweis darauf interpretiert werden, dass sich die inhaltliche Ausrichtung in der Vor- und Frühgeschichte der 1930er- und 1940er-Jahre hinsichtlich einer breiten Akzeptanz solcher Denkfiguren verschoben hatte. Innovative Elemente im Kontext einer ‚völkisch-rassischen‘ Wissenschaftskonzeption sind auch auf organisatorischer Ebene festzumachen. Hausmann bemerkt zur Organisation der Reichsuniversität Straßburg durch den NS Wissenschaftler Ernst Anrich, dass Anrichs Konzept eines „gemeinschaftlichen“ Universitätsbetriebs „durchaus auch innovative Züge“ aufgewiesen habe, „insbesondere was die Zusammenarbeit zwischen den beiden geistesund den beiden naturwissenschaftlich orientierten Fakultäten“ anbelangt.7 Auf der einen Seite standen moderne Infrastruktur und Ausstattung sowie qualifizierte Dozenten und Großseminare, an denen Vertreter verschiedener Disziplinen beteiligt waren. Auf der anderen Seite handelte es sich bei der Reichsuniversität Straßburg um eine Wissenschaftseinrichtung, deren Existenz nur durch einen Aggressionskrieg des NS -Regimes ermöglicht worden war, deren Professoren mit „völkischen Fantasten“ wie Friedrich Spieser zusammenarbeiteten und die holistisch-antimoderne Konzepte einer Wiedervereinigung von Natur- und Geisteswissenschaften verfolgten,8 im Geiste nationalsozialistischer „Germani­sierungspolitik“ im Elsass wirkten und „überzeugte Nationalsozialisten“ sein mussten, um überhaupt an der Reichsuniversität Straßburg zu lehren. Solche Phänomene können nur mit einer deskriptiven Definition von Moderne als „modern“ bezeichnet werden,

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Vortrag Bolko von Richthofen (Hamburg): Die Slawen in Schlesien, anlässlich der XVI. Tagung der Stiftung für Volks- und Kulturbodenforschung in Bad Salzbrunn vom 18.20.10.1929, S. 506 – 508, hier S. 506. In: PAAA Kult VI A, 2, Nr. 11, 6. Vgl. Steuer, Herbert Jankuhn, 2004, S. 516 – 517. Hausmann, Hans Bender, 2006, S. 29. Ebd., S. 33, 39, 104.

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mit einem normativen Modernitätsbegriff, der Menschenrechte und Liberalismus als für die Moderne konstitutiv impliziert, erscheinen sie dagegen als antimodern.9 Ein weiterer Aspekt dieser Problemlage ist, dass wissenschaftliche Modernität auch als Waffe im Kampf um „deutschen Kultur- und Volksboden“ eingesetzt wurde, nämlich um Wissenschaftler anderer Nationen zu dominieren. Hier zeigt sich, dass die „interdisziplinär-holistischen“ Methoden der Volks- und Kultur­bodenforscher bei der Frage nach modernisierenden Elementen nicht vom Kontext dieser Forschungen getrennt werden können. Bestes Beispiel dafür ist die „Aktion Ritterbusch“ während des Zweiten Weltkriegs. Die Verbindung der Forderung nach methodischem Fortschritt mit nationalistisch-revisionistischer Zielsetzung zeigte sich aber schon in den 1930er-Jahren bei den VFG . An der Tagung der WFG im Oktober 1935 behandelten die Teilnehmer die Auseinandersetzungen zwischen franzö­sischer und deutscher Geschichtsschreibung. F ­ riedrich Metz griff in seinem Vortrag „Der Rhein in der Auffassung der deutschen und französischen Geographie“ Lucien Febvres und Albert ­Demangeons Werk „Le Rhin“ (1935) zwar als französische Wissenschaftspropaganda an, musste sich aber eingestehen, dass in der Zusammenarbeit eines Geografen und eines Historikers hier neue Wege beschritten worden waren.10 Metz sah die Kooperation zweier Fachvertreter als neue und damit auch bedrohliche Waffe der französischen Kulturwissenschaften an, gegen welche die Deutschen ihrerseits mit einer gesteigerten gemeinschaftlichen Arbeitsweise vorgehen sollten. Insofern wäre zu vermuten, dass Objekte wie die Burg Trifels, die im Grenzgebiet zu Frankreich lagen, prädestiniert dafür waren, dass revisionis­tische Wissenschaftler an ihnen wissenschaftliche Modernität gegenüber den Franzosen demonstrieren wollten. Für die Diskussion um Interdisziplinarität, Holismus und methodische Innovation im Nationalsozialismus sind die drei zeitgenössischen Begriffe ‚Gemeinschaftsforschung‘, ‚Forschungsgemeinschaft‘ und ‚Arbeitsgemeinschaft‘ zentral. Gemeinschaftsforschung war eine in den Natur- und Technikwissenschaften vor 9

Vgl. Frei, Norbert: Wie modern war der Nationalsozialismus? In: Geschichte und Gesellschaft 19 (1993), S. 367 – 387. 10 Niederschrift der Verhandlungen bei der Tagung der Westdeutschen Forschungsgemeinschaft am 19. und 20. Oktober 1935 in Bad Dürkheim. Metz, Friedrich: Der Rhein in der Auffassung der deutschen und französischen Geographie, S. 1 – 4. In: PAAA Kult VI A 2-FOG.

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und während, in den Geistes- und Kulturwissenschaften eher nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte neuartige Form wissenschaftlichen Arbeitens.11 Damit waren entweder institutionalisierte oder nur lose Organisationen von Wissenschaftlern gemeint, die zu einer übergreifenden Fragestellung oder zu einem Thema forschten. Eine solche Organisationsform war die Arbeits­gemeinschaft. In den 1920er- und 1930er-Jahren existierten viele solcher Arbeitsgemeinschaften, nach 1933 dann in Reichsarbeitsgemeinschaften unbenannt, so für Volksforschung, Raumforschung oder für Pfalzenforschung. Auch die VFG und ihre Unterabteilungen waren Arbeitsgemeinschaften. Diese Form gemeinsamen Zusammenwirkens von Wissenschaftlern hatte deswegen neuartigen Charakter, weil sie sich gegen die älteren Arbeitsweisen absetzten, bei denen es vornehmlich darum ging, als geistes- und kulturwissenschaftlicher Einzelgänger an einem Lebenswerk zu arbeiten. „Individualismus“ sollte durch „Gemeinschaft“ ersetzt werden. Eine Arbeitsgemeinschaft für hochmittelalterliche Burgen existierte allerdings nicht. 1933 und 1934 initiierten jedoch zwei NS-Politiker, der NS-Minister­ präsident Bayerns Ludwig Siebert und der „Führer“ des Deutschen Reichs­ kriegerbunds „Kyffhäuser“ Wilhelm Reinhard je eine Großkampagne zur Sanierung respektive Konservierung von je einer bedeutenden Burg, der Burg Trifels in der Pfalz (Siebert) und der sogenannten Reichsburg Kyffhausen im NS-Gau Thüringen (Reinhard). Bei beiden Unternehmen waren wissenschaftliche Untersuchungen zunächst nicht eingeplant. Dass Wissenschaft trotzdem stattfand, ist darauf zurückzuführen, dass es in Thüringen ein Bodendenkmalschutzgesetz gab und in Bayern Richtlinien zum Denkmalschutz, was die betreffenden Akteure zur Mitarbeit an den Unternehmen veranlasste. Weil Burgen keine „disziplinären“ Forschungsobjekte waren, beteiligte sich bei beiden Unternehmen eine ganze Truppe von Wissenschaftlern und Kulturarbeitern. Die Wissenschaftler waren also dazu gezwungen, an Ort und Stelle sowohl mit anderen Wissenschaftlern als auch mit NS-Politikern zusammenzu­arbeiten – sie mussten eine Arbeitsgemeinschaft bilden.

11 Vgl. Hausmann, Frank-Rutger: „Termitenwahn“ – Die Bedeutung der Gemeinschafts­ forschung für die NS-Wissenschaft. In: Bollenbeck/Knobloch (Hg.), Semantischer Umbau der Geisteswissenschaften, 2001, S. 58 – 79. Für die Natur- und Technikwissenschaften vgl. Maier, Forschung als Waffe, 2007.

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5.1.1 GEMEINSCHAFTSFORSCHUNG OHNE GEMEINSCHAFT: BURG TRIFELS

Der Neubau der Burg Trifels in der Pfalz war eines der Prestigeunternehmen in Ludwig Sieberts Burgensanierungsprogramm. Siebert verstand sein Programm als bedeutende Kultur- und Sozialleistung des ‚Dritten Reiches‘, was ganz besonders der Pfalz einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung bringen sollte. Er war nicht der Einzige, der am touristischen „Aufbau“ der „Pfälzer Heimat“ arbeitete. Auch Josef Bürckel, Gauleiter der Rheinpfalz und Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlands, initiierte kulturpolitische Unternehmen, wie z. B. die „Deutsche Weinstraße“. Dabei handelte es sich um eine Route, an der restaurierte Dörfer mit mittelalterlichem Ambiente und besonders eindrucksvolle Kulturdenkmäler lagen und die zu Fuß erwandert oder mit dem Auto bereist werden konnte. In diesem Zusammenhang sollte die berühmteste der Pfälzer Burgen, der Trifels bei Annweiler, eine der Hauptattraktionen der Weinstraße werden. Im August 1937 veranstaltete die Gauleitung die jährlich abgehaltenen Annweiler Heimattage, ein „Hochfest der Heimat“, wie es in der Regionalpresse hieß. Es fand ein Festzug von Menschen in Mittelalter­kostümen statt, dem angeblich 30.000 Besucher beiwohnten (Abb. 26). „Den eindrucksvollen Abschluss des Festes bildete der Vorbeimarsch sämtlicher Partei­formationen. SA , Politische Leiter, HJ , Jungvolk, Flieger, mehrere Abteilungen des RAD und die SS marschierten in tadelloser Disziplin an Ministerpräsident Siebert und Gauleiter Bürckel vorbei. […] Als Abschluss der Heimattage fand am Abend eine großartige Beleuchtung des Trifels in Form einer Verteidigung und Beschießung statt.“12 Solche Inszenierungen der „mittelalterlichen Heimat“ waren ausgesprochen populär und konnten mit NS -Aufmärschen kombiniert werden. Dies lag vor allem darin begründet, dass diese Feiern eine lange Tradition hatten. Der oft von ortsansässigen Vereinen organisierte historische Festzug gehörte bereits im 19. Jahrhundert in Deutschland, Österreich und in der Schweiz zur bürgerlichen Festkultur.13 12 o. A.: Das Hochfest der Heimat. In: NSZ Rheinfront vom 2.8.1937. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl. 157. 13 Hartmann, Wolfgang: Der historische Festzug. Seine Entstehung und Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert (Studien zur Kunst des neunzehnten Jahrhunderts 35). Passau 1976, S. 7. Vgl. Schweizer, Stefan: „Unserer Weltanschauung sichtbaren Ausdruck geben“: National­ sozialistische Geschichtsbilder in historischen Festzügen zum „Tag der Deutschen Kunst“. Göttingen 2007.

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In diesem Kontext fanden die wissenschaftlichen Untersuchungen der Burg Trifels statt. Wiederherstellungsversuche der Burg und baugeschichtliche Forschungen hatten dabei eine ähnlich lange Geschichte wie die Festumzüge der Bewohner Annweilers. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren mehrere kleinere Instandsetzungsarbeiten durchgeführt worden und namhafte Burgen­ forscher hatten von den Behörden die vollständige Sanierung der Burg gefordert, allerdings ohne Erfolg.14 Der gesetzliche Denkmalschutz im Freistaat Bayern, zu dem die Pfalz seit 1815 gehörte, war bis zur Weimarer Republik im Wesentlichen in den Bestimmungen der Baupolizei- und Gemeindeordnungen verankert. Verbindlichere gesetzliche Strukturen wurden erst in den 1920er- und 1930er-Jahren festgelegt. Das Interesse von Burgenforschern und Denkmalpflegern an einer umfassenden Untersuchung und Sanierung des Trifels war also ausgesprochen hoch. Hier zu nennen sind insbesondere lokale und regionale Akteure wie der Trifels­verein, ein Annweiler Gelehrtenverein,15 und der Pfälzer Geschichtsverein, der mit dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer eng verbunden war. Nachdem das Historische Museum bereits 1932/1933 mit Hilfe des Freiwilligen Arbeitsdiensts (FAD, ab 1935 RAD) andere Burgen der Pfälzer Heimat ausgegraben hatte,16 gelang es 1935 zwei Vertretern dieser Lokal- und Regionalvereine, Pfarrer Georg Biundo (Trifelsverein) und dem Archäologen und Historiker Friedrich Sprater (Pfälzer Geschichtsverein, Direktor des Historischen Museums), mithilfe einer kleinen finanziellen Unterstützung vonseiten der DFG eine erste Ausgrabung auf dem Gelände der Burg durchzuführen.17 Der Trifelsverein debattierte 1934/1935 über die Errichtung eines Museums auf dem Trifels und über den Bau einer Höhenstraße, um von Annweiler die Burg mit dem Auto bequem erreichen zu können. Im Rahmen der Annweiler Ausstellung „Trifels – Symbol deutscher Macht“ von 1935 wurden diese Pläne konkretisiert.18 Sieberts 14 Glatz, Rudolf Esterer, 2005, S. 142. Vgl. Meyer, Burg Trifels, 2001, S. 115 – 131. 15 Vgl. Glatz, Rudolf Esterer, 2005, S. 142. Der Trifelsverein verfolgte laut Satzung die „Erhaltung, Aufräumung und Zugänglichmachung der Ruine“. 16 Friedrich Sprater an den Volksbildungsverband Pfalz-Saar im Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark Neustadt a. H. vom 15.7.1933. In: LASp, V 154, Nr. 4. 17 Gesuch Friedrich Sprater an die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 2.4.1937. In: Bay HStA, StK 7516. 18 Burkhardt, Benjamin: Der Trifels und die nationalsozialistische Erinnerungskultur: Architektur als Medium des kollektiven Gedächtnisses. In: Erll, Astrid/Nünning, Ansgar (Hg.): Medien des kollektiven Gedächtnisses. Konstruktivität – Historizität – Kulturspezifität (Media and Cultural Memory 1). Berlin 2004, S. 237 – 254, hier S. 249; Biundo, Georg:

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Absicht, den Trifels touristisch zu erschließen, war also von lokalen Akteuren bereits vorgedacht worden. Tatsächlich griff Siebert auf diese Ideen zurück und ließ eine solche Straße von Annweiler zum Trifels mit Hilfe des RAD bauen, die er anlässlich der Annweiler Heimattage 1937 eröffnete (Abb. 27). Der NS-Ministerpräsident Bayerns hielt am Fest eine Rede, in der er verkündete, dass die weitere Existenz des Trifels auf Jahrhunderte gesichert werde, „weil die neue Zeit alle Burgen der Pfalz und des Reiches neu gestalten wird“. Sein Plan war, die Burg Trifels umfassend zu sanieren. Mit dem Trifelsausbau sollte dem Gau Saarpfalz eine „nationale Weihestätte“, ein „Reichsehrenmal“ geschenkt und auf der Burg eine „Ehrenwache“ eingerichtet werden, denn der Trifels war für Siebert „der allergrößte Zeuge deutscher Geschichte.“19 Als Leiter seines 1933 begonnenen Burgen- und Schlössersanierungs­ programms hatte Siebert den Architekten und Heimatschützer Rudolf Esterer beauftragt. Esterer war seit 1924 Oberregierungsbaurat des ehemaligen Kronguts Bayern, der späteren Bayerischen Verwaltung der staat­lichen Schlösser, Gärten und Seen in München.20 Bei allen Sanierungen, die im Rahmen des Ludwig-Siebert-Programms bis dahin durchgeführt wurden, hatten Forschungen nicht im Vordergrund gestanden, und auch beim ­Trifels vergaß der bayerische NS -Ministerpräsident zunächst die Wissenschaft. Erst im März 1937, als Siebert eine Sitzung mit den beteiligten baye­rischen Denkmalpflegern und den lokalen Vertretern Sprater und Biundo in München einberief, wurde festgelegt, dass „in der ganzen Umgebung des obersten Bergkegels allen Spuren der ehemaligen Anlage, Befestigung, Wegzugänge durch Grabungen nachgegangen [werden soll].“ Für die Leitung dieser Arbeiten war Museumsdirektor Sprater zuständig, wobei auch „Bodo Ebhardt zur Besprechung der archäologisch-wissenschaft­lichen Ergebnisse beigezogen werden“ sollte.21

­ rifels und Trifelsverein. Ein Beitrag zur Baugeschichte des Trifels. Sonderdruck aus dem T Annweiler Tageblatt. Annweiler 1935. In: LASp, H 3, Nr. 1906 II, Bl.  125 – 137. 19 Zitiert in: Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 388, und in: Backes, Klaus: „Der Führer wünscht eine große Jugendherberge am Trifels“. Adolf Hitlers Rolle als Mäzen beim Teil-Aufbau der Reichsburg (Heimat-Jahrbuch des Landkreises Südliche Weinstraße 22). Otterbach 2000, S. 117 – 121, hier S. 118. 20 Fleischner, „Schöpferische Denkmalpflege“, 1999, S. 4. 21 Georg Lill/Rudolf Pfister, Niederschrift über die Sitzung wegen der Burgruine Trifels am 30. März 1937, S. 1. In: Bay HStA, StK 7516.

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Dass der „deutsche Burgenvater“ am Unternehmen beteiligt war, ist darauf zurückzuführen, dass Siebert 1936 Ebhardt um ein Gutachten zur Wiederherstellung der Burg Trifels gebeten hatte. Die Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V. hatte ja 1934 bekanntgegeben, sie würde solche Gutachten kostenlos erstellen, und Ebhardt galt nach wie vor als Spezialist für Wiederaufbauten von Mittelalterburgen. Ebhardt hatte darin die Chance auf ein großes Wiederaufbauunternehmen gesehen, das „Tausenden und Abertausenden unserer Volksgenossen eine Stunde ernster Einkehr und tiefster Bewegung“ ermöglichen würde und das als Mahnmal „im Westen des deutschen Reiches“ die Deutschen an „die großzügige Gestaltung des dritten Reiches [sic] unter der klaren und heldenmütigen Führung durch Adolf Hitler“ erinnern sollte.22 In seinem Vorschlag folgte Ebhardt den Prinzipien, die er beim Wiederaufbau der Hohkönigsburg angewendet hatte. Siebert jedoch entschied sich nicht für Ebhardt, sondern für Esterer, worin er vom bayerischen Denkmalpfleger Georg Lill unterstützt wurde, der 1934 geschrieben hatte, dass Ebhardts Hohkönigsburg eine „unglückselige Rekonstruktion“ und ein „warnendes Beispiel“ für falsches denkmalpflegerisches Vorgehen sei.23 Esterer verfügte sicher über ein höheres Maß an sozialem Kapital bei Siebert als Ebhardt, immerhin hatte er sich bei den vorangehenden Sanierungen verdient gemacht. Sieberts Wahl zeigt aber auch, dass sich die Positionen innerhalb der Denkmalpflege verschoben hatten. Esterer vertrat denkmalpflegerische Ansätze („Schöpferische Denkmalpflege“), die konträr zu den Vorstellungen Ebhardts standen. Er war ein Vertreter des Heimatschutzes und der „neuen Baugesinnung“ im Umkreis des rechten Flügels des Werkbunds.24 Esterers ästhetische Sicht dessen, wie ein historisches Bauwerk zu behandeln war, richtete sich einerseits gegen die „funktional-rationalistische“, als „kalt“ empfundene Bauweise von Vertretern der Neuen Sachlichkeit, andererseits gegen den rekonstruierenden Historismus eines Ebhardt, den Esterer als „eine längst überlebte Auswirkung des künstlerisch unschöpferischen 19. Jahrhunderts“ betrachtete. Neue gestalterische Kräfte suchte Esterer im ‚Volk‘, ‚Stamm‘ und im ‚Boden‘. Kunst musste wieder „zum Volk“ geführt werden und „aus dem Volk“ entstehen, „auf dass sich Volk 22 Ebhardt, Bodo: Burg Trifels. Untersuchungen zur Baugeschichte. Braubach 1938, S. 8. 23 Georg Lill an Paul Clemen und an den Stadtrat in Kaiserslautern vom 9.7.1934. In: BAR, R 73/16338, Bl. 6 – 7. 24 Zum Werkbund und dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus vgl. Betts, Paul: The Authority of Everyday Objects: A Cultural History of West German Industrial Design. Berkeley 2004, S.  25 – 39.

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und Kunst gegenseitig wieder brauchen und verstehen, […] damit der Künstler wieder Sprecher des Volkes, das Volk wieder Resonanzboden für die Sprache der Kunst wird“. Zu diesem Konzept gehörte, dass zur Sanierung einer Burg Baumaterialien verwendet werden sollten, die aus der regionalen Umgebung des Bauwerks stammten, und dass die Arbeiten in „mittelalterlicher“ Bau- und Steinmetztechnik ausgeführt werden sollten. Es ging nicht mehr um Stiltreue wie bei Ebhardt, sondern um die Belebung der „gestalterischen Kraft“, welche die mittelalterlichen Menschen angeblich dazu bewegt hatte, eine Burg oder eine Kirche zu bauen.25 Für den Trifels bedeutete dies, dass die Burg nicht wieder­ hergestellt werden sollte, wie sie zur Zeit der Staufer angeblich ausge­sehen hatte, sondern dass sie in der „Baugesinnung der Stauferzeit“ („wesenhaft“) neu gebaut werden musste, wobei die bestehenden Überreste in den Neubau integriert werden sollten.26 Esterer argumentierte damit, dass wissenschaftliche Evidenzen für eine Rekonstruktion ohnehin nicht existierten, denn historische Abbildungen, auf denen die Burg im unzerstörten Zustand eindeutig zu erkennen war, gab es nicht. Sein Konzept war also anschlussfähig an das nationalsozialistische Ewigkeitsideologem. Ebhardts Vorschlag gehörte dagegen einer vergangenen und als überwunden geglaubten Zeit an, mit ihm ließ sich die Modernität des NS-Regimes der Welt gegenüber nicht glaubhaft demonstrieren. In wissenschaftlicher Hinsicht hingegen befanden Siebert, Esterer und Lill Ebhardts Gutachten als plausibel. Er sollte deshalb die Aufgabe übernehmen, das aufgehende Mauerwerk zu dokumentieren. Trotz Ablehnung seines Wieder­ aufbauvorschlags stimmte Ebhardt diesem Plan zu;27 an einer wissenschaft­ lichen Untersuchung einer der berühmtesten Burgen Deutschlands wollte er teil­haben, unter anderem deshalb, weil er sich schon früher für die Burg interessiert hatte.28 Parallel zu Ebhardts Untersuchungen sollte Friedrich Sprater die Ausgrabungsarbeiten leiten. Als Vertreter des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in Fragen der Vor- und Frühgeschichte und des Ausgrabungswesens in der Pfalz galt Sprater als respektabler Wissenschaftler, der zudem

25 Esterer, Heimatschutz und neue Baugesinnung, 1929, S. 15, 5 – 6. Vgl. Schuster, Carl: Rudolf Esterers Ideal: Staufische Baugesinnung. In: Die Rheinpfalz vom 13.11.1965. In: LASp, V 154, Nr. 4. 26 Sprater, Friedrich: Der Trifels, ein Führer durch die Reichsfeste bei Annweiler. Speyer 1949, S. 2. 27 Rudolf Esterer an Friedrich Sprater vom 3.5.1937. In: LASp, V 154, Nr. 4. 28 o. A.: Burgenbesichtigung. In: Der Rheinpfälzer Nr. 195 vom 23.8.1909. In: LAS p, H 3, Nr. 1906 II, Bl. 49.

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gut in die regionalen Wissenschaftlernetzwerke eingebunden war. Er war auch Mitglied der 1926 gegründeten Saarforschungsgemeinschaft, die zusammen mit dem Saarpfäl­zischen Institut für Landes- und Volksforschung in Kaiserlautern zur deutschen Westforschung gehörte.29 Am Trifels-Unternehmen waren also Ludwig Siebert als Initiator und Geldgeber, der Archäologe Sprater, Burgenexperte Ebhardt, Rudolf Esterer als leitender Architekt des Neubaus und Vertreter Sieberts vor Ort, Denkmalpfleger Georg Lill und Georg Biundo als Vertreter des Trifelsvereins beteiligt. Neben Baumannschaft, Baufirmen, RAD -Männern und den regionalen und lokalen Beamten sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter von Ebhardt und Sprater zu nennen, da sich die beiden Wissenschaftler nicht über eine längere Zeit hinweg auf dem Trifels aufhalten konnten, sondern das jeweils anstehende Vorgehen aus der Ferne dirigieren mussten. Siebert behielt sich die „endgültige Entscheidung in allen Punkten“ vor, auch in solchen Belangen, welche die wissenschaftlichen Untersuchungen betrafen. „Herr Ministerpräsident Siebert ist ständig durch kurze Berichte, Durchschläge usw. auf dem Laufenden zu halten. […] Zeitungs­notizen werden nur durch den Herrn Ministerpräsidenten ausgegeben.“30 Dabei legte Siebert vor allem Wert auf den Neubau des Trifels und weniger auf die wissenschaftlichen Untersuchungen. Auch für Georg Lill war es nicht gerechtfertigt, die Wissenschaft mit den Geldern für die Denkmalpflege aus dem Ludwig-Siebert-Programm zu unterstützen.31 Erstes Ziel im Unternehmen war, „aus geschichtlichen, vaterländischen und heimatlich-wirtschaftlichen Gründen […] eine monumentale Gedenkstätte des deutschen Kaisertums und deutschen Verteidigungswillens in der Westmark“ zu errichten.32 Sprater sah sich noch im April 1937 dazu veranlasst, die DFG um die Finanzierung der Ausgrabungen anzugehen.33 Seine Bemühungen blieben jedoch ohne Erfolg, 29 Friedrich Sprater an den Reichspropagandaleiter des Gaues Saarpfalz, R. Trampler, vom 30.8.1940. In: LASp, V 154, Nr. 4; Georg Hager, Generalkonservator der Kunstdenkmale & Altertümer Bayerns, Landesamt für Denkmalpflege, München, vom 24.2.1926. In: LASp, H 3, Nr. 8010, Bl. 18. Vgl. Freund, Volk, Reich und Westgrenze, 2006, S. 237 – 238, 244. 30 Georg Lill, R. Pfister: Niederschrift über die Sitzung wegen der Burgruine Trifels am 30. März 1937, S. 4. In: Bay HStA, StK 7516. 31 Georg Lill an die Regierung der Pfalz in Speyer vom 24.2.1937. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl. 25. 32 Dossier Der Bayerische Ministerpräsident an die Kreisregierung der Pfalz in Speyer zur gefl. vertraulichen Kenntnisnahme vom 6.4.1937. In: Ebd., Bl. 48 – 54, hier Bl. 50. 33 Friedrich Sprater an Ludwig Siebert vom 2.4.1937. In: Bay HStA, StK 7516.

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was nicht weiter erstaunt, da sich die Förderprioritäten der DFG zwischenzeitlich verschoben hatten. Siebert musste wohl oder übel die wissenschaft­lichen Untersuchungen selbst bezahlen. Dafür stellte er einen Betrag von 18.000 RM zur Verfügung.34 Ablauf der Untersuchungen und Methoden

Im Falle der Burg Trifels handelte es sich um ein wissenschaftliches und denkmalpflegerisches Großunternehmen. Die Burgruine war auf einem 500 Meter hohen Felsen angelegt, in nordsüdlicher Ausdehnung maß sie etwa eine Länge von 145 Metern, im Norden betrug die Felsbreite fast 40 Meter.35 Das Gelände auf dem Trifels war unwegsam, der Platz für das Lagern von Materialien knapp. Eine Burg ist nicht mit Wissenschaftsorten wie dem Labor oder dem Archiv zu vergleichen. Das Objekt ‚Burg‘ war nicht von vorneweg als Ort der Wissen­schaft definiert, sondern musste erst in einen solchen umgewandelt werden. Außerdem waren Archäologen und Bauforscher der Willkür des Wetters ausgesetzt, was mitunter zu Verzögerungen führen konnte.36 Auch bei den Arbeiten an der Burg Trifels hatten die „überaus schlechten Witterungsverhältnisse“ Verzögerungen bei der Aufmessung der Ruine zur Folge.37 Zunächst wurde das gesamte Gelände von Gestrüpp und Bäumen befreit. Dann mussten Gerüste für die Dokumentation des aufgehenden Mauerwerks gestellt und eine Material­hütte sowie ein lokales Büro für die Bauleitung und die Wissenschaftler errichtet werden. Zudem wurde ein Kran für das Heben der schweren Bau- und Gerüstmaterialien im Burgareal aufgebaut (Abb. 28 – Abb. 30), eine Wasser­leitung verlegt (Abb. 31) und Vermessungsgeräte wurden installiert. Im nächsten Schritt vermaßen die Techniker das gesamte Gelände, sodass es in einzelne, lokalisierbare Ausgrabungssektoren unterteilt werden konnte, die im Anschluss in Pläne übertragen wurden. Die Erdmassen und Steine mussten von der Burg abtransportiert oder, falls sie noch gebraucht wurden, zwischengelagert werden. Zu diesem Zweck baute die Mannschaft auf Vorschlag Ebhardts ein spezielles Gerüst zum Ab­karren 34 Georg Lill an Ludwig Siebert vom 6.10.1937. In: Ebd. 35 Meyer, Burg Trifels, 2001, S. 23. 36 Vgl. Kohler, Robert E.: Landscapes and Labscapes: Exploring the Lab-Field-Border in Biology. Chicago 2002. 37 Landbauamt Speyer an die Regierung der Pfalz in Speyer vom 17.12.1936. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl. 5.

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des Schutts (Abb. 32 u. Abb. 33).38 Zusätzlich verlegten die Arbeiter im unteren Bereich der Burg ein Schienensystem, auf dem die schweren Steine mit Loren nach oben befördert werden konnten. Nicht zu vergessen ist die Organisation der täglichen Verpflegung von Grabungsmannschaft und Wissenschaftlern. Das alles war aufwendig, das ganze Unternehmen ausgesprochen teuer. Ebhardts und Spraters Ziel war, zunächst die gesamten archäologischen Artefakte, welche die Bau- und Ausgrabungsmannschaft zutage förderte, zu bergen und zu dokumentieren, um sie anschließend als Museumsstücke aufzubewahren und wissenschaftlich auszuwerten. Besonderes Augenmerk musste auf solche Funde gelegt werden, auf denen Hinweise auf Datierungen zu finden waren. In seinem Gutachten hatte Ebhardt konkrete Fragestellungen formuliert, nämlich a) den ursprünglichen, im gegenwärtigen Zustand aber verdeckten Zugangsweg in die Burg und die Zugänge innerhalb des Burgareals in die Türme, Wohnbauten und Wirtschaftsgebäude zu finden, b) die bislang unbekannte tatsächliche Ausdehnung der Burg freizulegen. Aufgrund von Spraters früheren Sondierungen und der bisherigen Forschungsliteratur zum Trifels erwarteten die Wissen­schaftler mindestens zwei große mittelalterliche Bauund Ausbauphasen, die erste unter den Saliern (etwa 10.–12. Jahrhundert), die andere unter den S ­ taufern im 13. Jahrhundert.39 In der Niederschrift einer Besprechung zum methodischen Vorgehen hieß es, dass die Arbeiten „unter Aufsicht eines hierzu besonders ausgebildeten Vor­ arbeiters“ vorgenommen werden sollten. Diese Aufgabe übernahm der Polier Wilhelm Gollwitzer (Abb. 30). Die Fundstücke müssten „nummeriert werden mit Bezeichnung der Fundstelle, Datum usw., wichtige Stücke sind photographisch und zeichnerisch aufzunehmen (durch hist. Museum). Die Fundstellen sind in die Pläne einzutragen.“40 Das Fundgut musste also so dokumentiert werden, dass es den verschiedenen Ausgrabungssektoren zugeordnet werden konnte: „Zur Sicherung sind während der Arbeiten auf die verschiedenen Grabstellen [sic] handliche Kästen zu stellen, die abends eingesammelt und

38 Friedrich Sprater, Bericht: Trifels. Ausgrabungen vom 16.-31.5.1937, den 4.6.1937, Bl. 1. In: HMP Speyer, Ortsakten Annweiler, Trifels. 39 Burg Trifels. Ein Gutachten von Bodo Ebhardt vom 28.11.1936, S. 10. In: A DBV , Akte „Trifels. Ruine, b. Annweiler, w. Landau/Rheinpfalz“; Regierung der Pfalz an das Landesamt für Denkmalpflege in München vom 3.2.1937. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl.  23 – 24, Bl. 23. 40 Niederschrift über die Besprechung am 26.5.37 in Annweiler hinsichtlich der Arbeiten am Trifels vom 31.5.1937. In: Ebd., Bl. 70 – 71, hier Bl. 70.

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mit Zettelangabe über die Fundstellen versehen aufbewahrt werden. Je nach Bedarf sollten 50 – 100 einfache Kästen […] beschafft werden, so dass die Funde einer Ausgrabungsstelle in den Kästen möglichst dauernd beisammenbleiben können.“ Die Grabungs­sektoren auf dem Gelände des Trifels mussten laut Ebhardt auf den zuvor erstellten Grundrissplänen der Burg eingezeichnet und mit Buchstaben versehen werden. Zusätzlich forderten Ebhardt und Sprater das Führen eines Fundverzeichnisses und eines Bautagebuchs.41 Die Wissenschaftler waren darum bemüht, die Funde bereits an Ort und Stelle in eine wissenschaftliche Ordnung zu bringen, da dies im Nachhinein kaum mehr möglich war. Bereits nach einer ersten Ausgrabungsphase konnten Erfolge erzielt werden: Verschiedene Mauerreste von Gebäuden waren zum Vorschein gekommen (vgl. Abb. 35). Später fanden die Ausgräber auch das Tor, das von der Vorburg in die Hauptburg führte, und eine Treppe, welche die Wissenschaftler zur ältesten Burganlage rechneten.42 Sprater und Ebhardt fanden also mehr oder weniger das, was sie in ihrer Fragestellung formuliert hatten. Ihr archäologischer Blick war durch die langjährige Erfahrung darauf gerichtet, die Zugangswege zu finden und die ursprüngliche Ausdehnung der Burganlage festzustellen: „An der vermuteten Stelle wurde das Tor gefunden, das von der Vorburg zur Hauptburg führt.“43 Daher ließ Sprater mehrheitlich nicht flächig nach Schichten ausgraben, wie dies bei der Ausgrabung einer prähistorischen Siedlung üblich gewesen wäre, sondern Sondierungsschnitte, so genannte Suchschnitte, an denjenigen Stellen anlegen, an denen er entsprechende Aufschlüsse vermutete.44 Der pragmatische Charakter der Ausgrabungspraxis wird hierbei deutlich. Da die Wissenschaftler über Sieberts Geld nicht einfach frei verfügen konnten, mussten sie so vorgehen, dass möglichst bald Erfolge verzeichnet werden konnten, um diese an den Ministerpräsidenten weiterzuleiten. So berichtete Sprater,

41 Bodo Ebhardt, Vorschläge für eine Arbeitsanweisung des örtlichen Bauleiters bei den Ausgrabungen usw. auf dem Trifels. In: Ebd., Bl. 152 – 156, hier Bl. 152 – 153. 42 Friedrich Sprater, Bericht: Trifels. Ausgrabungen vom 5.-16.4.1937, den 18.4.1937. In: HMP Speyer, Ortsakten Annweiler, Trifels, Bl. 1; Friedrich Sprater, Bericht: Trifels. Aus­grabungen vom 17.-30.4.1937, den 2.5.1937. In: Ebd. 43 Ebd. Vgl. Goodwin, Charles: Professional Vision. In: American Anthropologist 96 (1994) 3, S. 606 – 633, hier S. 610 – 620. 44 Friedrich Sprater, Bericht: Trifels. Ergebnis der Ausgrabungen vom 15.7.-31.8.1937, den 1.9.1937. In: HMP Speyer, Ortsakten Annweiler, Trifels, Bl. 1.

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die Ausgrabungen hätten „vollständig neue Erkenntnisse über den Umfang der Burg und über ihre Baugeschichte erbracht.“ Es seien nicht nur zwei große Bauphasen festzustellen, sondern drei, und zwar eine salische, eine hohenstaufische und eine frühneuzeitliche, die aufgrund von eingravierten Jahreszahlen im 16. Jahrhundert erfolgt sein musste (Abb. 36). Außerdem vermutete Sprater eine noch ältere Burganlage, die mehrheitlich aus Holz erbaut worden sei, die er aber noch nicht datieren könne. In den Fels gehauene viereckige Löcher gaben Anlass zu dieser Vermutung (Abb. 37).45 Sprater hob in seinem Bericht die bisherigen Leistungen und Ergebnisse hervor, um weitere Untersuchungen zu legitimieren, die Siebert finanzieren sollte. Denn bereits Anfang Oktober 1937 war der Betrag von 18.000 RM für die Ausgrabungen aufgebraucht,46 ohne dass die wissenschaftlichen Arbeiten abgeschlossen waren. Noch nicht geklärt sei, wo der Zugang zur Vorburg lag und „wie der Weg in der Hohenstaufenzeit durch die Vorburg führte.“47 Sprater musste um einen weiteren Kredit bei Siebert bitten, „um ein abschließendes Bild über den ehem. Umfang der Burg zu gewinnen.“48 Dies war ein stichhaltiges Argument, denn ohne diesen Aufschluss konnte der Neubau in der geplanten Weise nicht erfolgen. Siebert stellte weitere 5.000 RM für die Ausgrabungen zur Verfügung, allerdings eher widerwillig.49 Dabei war dieser Betrag im Vergleich mit den Ausgaben Sieberts für den Trifels-Neubau gering: Im Januar 1940 wurden 173.000 RM, im August desselben Jahrs nochmals 130.000 RM für den Neubau ausgegeben. Bis Kriegsende verbaute Esterer etwa 1,25 Mio. RM allein für die Errichtung eines einzigen Gebäudes.50 Für den Erfolg eines Ausgrabungsunternehmens war die Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftler, Bauführer und Arbeiter Voraussetzung. Beim TrifelsUnternehmen ergaben sich in dieser Hinsicht Probleme. Zunächst ist festzuhalten, 45 Friedrich Sprater, Trifels. Ergebnis der Ausgrabungen in der Zeit von Anfang April bis Ende November 1937. In: Ebd. 46 Rudolf Esterer an Ludwig Siebert vom 12.10.1937. In: Bay HStA, StK 7518. 47 Friedrich Sprater, Trifels. Ergebnis der Ausgrabungen in der Zeit von Anfang April bis Ende November 1937. In: HMP Speyer, Ortsakten Annweiler, Trifels, Bl. 6. 48 Georg Lill an Ludwig Siebert vom 6.10.1937. In: Bay HStA, StK 7516; Friedrich Sprater an das Landbauamt Speyer vom 3.9.1937. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl. 180. 49 Landbauamt Speyer an die Regierung der Pfalz vom 20.9.1937. In: Ebd. 50 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen an den Regierungspräsidenten in Speyer vom 17.1.1940. In: Ebd., Bl. 287; Bayerisches Staatsministerium der Finanzen an den Reichskommissar für die Saarpfalz, Dienststelle Speyer, vom 13.8.1940. In: Ebd., Bl. 288. Vgl. Fleischner, „Schöpferische Denkmalpflege“, 1999, S. 84; Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 394.

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dass die Arbeiten nicht in der Weise abliefen, dass zuerst die Wissen­schaftler die Burg in aller Ruhe untersuchen konnten und erst danach mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Im Gegenteil forcierten Siebert und Esterer den Neubau und setzten die Wissenschaftler dadurch unter Druck, was auch ihre pragmatische Vorgehensweise erklärt. Dies wirkte sich auf die Ausgrabungsarbeiten so aus, dass keine klaren Richtlinien über die Prioritäten für die Mannschaft vor Ort existierten. Ebhardt beschwerte sich bei ­Sprater bei mehreren Gelegenheiten über die mangelnde Zusammenarbeit mit ­Esterer. „Ich habe im Gegenteil von Anfang an den Eindruck gehabt, dass er sich bemühte, mich so fern wie möglich zu halten und verhältnismäßig wenig Verständnis der burgenkundlichen Bedeutung der ganzen Frage, namentlich auch den Aus­grabungen entgegenbrachte.“51 Sicher spiegeln diese Worte auch die Frustration Ebhardts darüber wider, den Auftrag für den Ausbau der Burg nicht erhalten zu haben. Sie sind jedoch auch als Hinweis darauf zu interpretieren, dass E ­ sterer im Grunde nicht an den wissenschaftlichen Untersuchungen interessiert war. Tatsächlich hatten Esterer, Lill und das Landbauamt Speyer schon bei Spraters Anfrage für weitere Gelder für die Ausgrabungen Siebert empfohlen, den Antrag des Archäologen abzulehnen;52 vermutlich befürchteten sie, dass dadurch weniger Mittel für die Denkmalpflege zur Verfügung stehen würden.53 Es scheint, dass die am Unternehmen beteiligten Denkmalpfleger und Wissenschaftler nur um die eigene Profitmaximierung besorgt waren und sich nicht um eine Zusammenarbeit bemühten. Nach Abschluss der Arbeiten verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Ebhardt, Esterer und Siebert weiter. Im Frühjahr 1938 publizierte Ebhardt im Eigenverlag eine Monografie über die Ergebnisse der Ausgrabungen, ohne sich mit Esterer und dem bayerischen Ministerpräsidenten darüber abgesprochen zu haben. Ebhardt druckte darin seine eigenen Vorschläge zur Wiederherstellung der Burg ab, obwohl in Wirklichkeit sein Konzept beim Neubau nicht berücksichtigt wurde.54 Siebert und Esterer störten sich insbesondere daran, dass im „Völkischen Beobachter“ ein Artikel erschien, in dem verkündet wurde, dass der „Nestor der deutschen Burgenforschung“ in seiner Schrift „alles Wissenswerte über diese Burg erschöpfend“ dargestellt und darauf verwiesen 51 Bodo Ebhardt an Friedrich Sprater vom 9.6.1938. In: LASp, V 154, Nr. 4. 52 Ludwig Siebert an die Kreisregierung der Pfalz in Speyer vom 23.10.1937. In: Bay HStA, StK 7518; Rudolf Esterer an Ludwig Siebert und das Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 19.7.1938. In: Ebd. 53 Burkhardt, Der Trifels, 2004, S. 253. 54 Ebhardt, Burg Trifels, 1938, S. 7.

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habe, dass „ein wirklich eindrucksvolles Baudenkmal“ nur durch die „Wiedererrichtung eines der alten Burg in Umriss und Raumgestaltung gleichwertigen Werkes ent­stehen kann.“55 Im Gegensatz zur Burgenforschung, die als nicht kriegswichtig galt, wurde der Neubau des Trifels während des Zweiten Weltkriegs weitergeführt. ­Siebert wollte bei „der Besonderheit der Arbeiten am Trifels“ das Unternehmen unbedingt fortsetzen „bis etwaige kriegerische Unmöglichkeit gegeben ist.“56 Sieberts Drängen lag vor allem darin begründet, dass er bereits in fortgeschrittenem Alter war und das Unternehmen noch vor seinem Tod vollendet sehen wollte. Das „Trifels-Werk“

Ein zentraler Aspekt für Ludwig Siebert war die Popularisierung seines Unternehmens. Daran musste auch Esterer und den Wissenschaftlern gelegen sein, denn dadurch ließ sich ihre Arbeit sowohl auf lokaler und regionaler als auch auf Reichsebene legitimieren. Neben einer Vielzahl von Zeitungsartikeln, die vor allem Friedrich Sprater verfasst hatte, führten die Wissenschaftler Interessierte durch das Ausgrabungsgelände und organisierten in Annweiler Ausstellungen zum Trifels.57 Auch die Mitarbeiter des Saarpfälzischen Instituts für Landes- und Volksforschung, zu denen Sprater gehörte, beabsichtigten im Frühjahr 1939, eine populäre Trifels-Publikation anlässlich „der voraussichtlich im Herbst dieses Jahres stattfindenden Einweihung der Trifelsgedenkstätte auf der alten Reichsfeste“ herauszugeben. In diesem Buch sollten nicht nur die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse zusammengefasst werden, es sollte „darüber hinaus nach Form und Inhalt ein repräsentatives Buchwerk sein, das geeignet ist, für den Westen und für die besondere Lage des Westraumes in der Gegenwart auch im Reich werbend zu wirken.“58 In einer Spezialnummer der Reihe „Völkische Wissenschaft“ in der Zeitschrift „Die Westmark“ war bereits eine erste Darstellung der Bedeutung des Trifels für den „Westraum“ publiziert worden, 55 o. A.: Die Burg Trifels. Untersuchungen zur Baugeschichte. In: Völkischer Beobachter Nr. 67 vom 8.3.1939, S. 12. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl. 235. 56 Ludwig Siebert an das Haushaltsreferat (Referat 6) vom 14.11.1939. In: Bay HStA, MF 68412. 57 Entwurf: Niederschrift über die Besprechung am 9. Juli 1937 hinsichtlich der Arbeiten an der Ruine Trifels, Speyer, 10.7.1937. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl.  8 – 9. 58 Rembert Ramsauer an die Regierung der Pfalz in Speyer vom 24.1.1939. In: Ebd., Bl. 228.

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in der historische und volkskundliche Beiträge von mehrheitlich pfälzischen Laienforschern sowie die neuesten Ergebnisse der Ausgrabungen abgedruckt wurden.59 Nun aber planten Rembert Ramsauer, Ernst Christmann, der ­Leiter des Instituts, und Hermann Emrich, Regierungsrat in Saarbrücken und Präsident der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, ein Gemeinschaftswerk, an dem Politiker (Siebert), Denkmalpfleger (Esterer, Lill), Wissenschaftler (Sprater, Ebhardt, Saarpfälzisches Institut) und Heimatforscher (Biundo und andere) beteiligt sein sollten. Der Plan dieses „Trifels-Werks“, wie die Initiatoren es nannten, sah folgendermaßen aus: Im Zentrum stand der Grundgedanke, „dass die Bedeutung des ­Trifels nur aus den großen Zusammenhängen der deutschen Geschichte verstanden werden kann.“ Besonders wichtig war den Herausgebern herauszustellen, dass der Trifels „einstmals nicht nur seiner Bedeutung, sondern auch seiner geographischen Lage nach, mitten im Reich lag.“60 Angestrebt wurde eine Ver­ei­ nigung der „Gesamtheit der Einzeluntersuchungen“ in einem einzigen Buch, um für „die Zukunft eine geistige Grundlage für weitere Wissenschaftsarbeit über den Trifels“ zu schaffen. Je ein Kapitel wurde einem Wissenschaftler zugeteilt. Der Pfalzenforscher Gottfried Schlag sollte einen Beitrag zur Burgen­politik der Salier und Staufer als Mittel zur Durchsetzung der Reichsgewalt schreiben, ­Sprater eine Synthese der archäologischen Ergebnisse erstellen. Weiter waren Kapitel zur „Baukunst der Staufer“ oder zu „Reichsinsignien auf dem Trifels“ geplant. Teil A des „Trifels-Werks“ sollte demnach insgesamt elf K ­ apitel umfassen,61 die zusammen eine geopolitisch orientierte Darstellung der großen Entwicklungslinien des mittelalterlichen Reichs bildeten. Teil B war dann der eigentlichen „Trifelsforschung“ gewidmet, was Ausgrabungen, Genealogie, Heraldik oder die Neukonzeption der Burg als „Ehrenstätte“ (Esterer) umfasste.62 Die Kosten des Buchs wurden bei einer Auflage von 3.000 Exemplaren auf 26.500 RM beziffert, wovon der größte Teil von Siebert getragen werden

59 Vgl. Die Westmark 3 (1937) 10. Beilage „Völkische Wissenschaft: Reichsfeste Trifels“. 60 Trifels-Veröffentlichung des Saarpfälzischen Instituts für Landes- und Volksforschung, Kaiserslautern, Juni 1939. In: LASp, V 154, Nr. 4, Bl. 3. 61 Inhaltsplan für des Trifelswerk (2. Fassung vom 1.6.1939). In: Ebd., Bl. 1, 4 – 8; Dr. Zint, Saarpfälzisches Institut für Landes- und Volksforschung, an Oberregierungsrat Born in Speyer vom 27.6.1939: Verzeichnis der verschiedenen Mitarbeiter in der Anlage und eine Niederschrift von Prof. Ernst Christmann zur Frage des Namens „Trifels“. In: LASp, H 3, Nr. 1906 III, Bl.  237 – 244. 62 Inhaltsplan für des Trifelswerk (2. Fassung vom 1.6.1939). In: LASp, V 154, Nr. 4, Bl. 9.

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sollte. Der Restbetrag sollte durch „Spenden von behördlicher oder privater Seite sichergestellt“ werden.63 Es stellt sich die Frage, ob die Konzeption dieses Werks als interdiszi­plinär im Sinne einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit und einer inhaltlichen Synthese gewertet werden kann. Hierbei ist zwischen Akteurs- und analy­tischer Perspektive zu unterscheiden. Die Mitarbeiter des Saarpfälzischen ­Instituts verstanden ihre Institution als Anlaufstelle, in der die wissenschaftlichen Ergebnisse der regionalen Laiengelehrten und Heimatforscher in der Pfalz zusammengeführt werden sollten.64 Im Saarpfälzischen Institut sollten diese „bodenständigen“ und „heimatlichen“ Forschungen „aus dem Volk“ vereint und zusammenfassend dargestellt werden. Interdisziplinarität stand dabei nicht im Vordergrund, vielmehr ging es darum, aus akademischen Wissenschaftlern und Heimatforschern eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden, die allerdings unter der Deutungshoheit der Wissenschaftler stehen sollte.65 Aus analytischer Perspektive handelte es sich dabei um ein Gegenkonzept zur sozialen Ausdifferenzierung der Wissenschaft. Außerdem war das Ins­ ti­tut eine Mischung aus Wissenschaft, Öffentlichkeit und Kulturpolitik. Es war nicht direkt an eine Universität angebunden, seine Mitarbeiter kooperierten aber mit akademischen Volksforschungsinstituten, vor allem mit dem Institut für Fränkisch-Pfälzische Volks- und Landesforschung in Heidelberg (Eugen Fehrle). Die formale Unabhängigkeit von der Universität erleichterte die Zusammenarbeit mit den Heimatforschern, weil dem Institut kein elitärer Geruch anhaftete. Ungleich den Landesdenkmalämtern unterstand es nicht einem Kultusministerium, sondern der neu geschaffenen Gaukulturleitung, repräsentiert von Gaukulturwart Kurt Kölsch und vom Kulturreferenten des Reichskommissars ­Hermann Emrich.66 Kölsch hatte bereits 1933 das Ziel einer „Zusammenfassung aller wissenschaftlichen Vereine der Pfalz und die Umwandlung des Vereins Histo­risches Museum der Pfalz e. V. […] in die 63 Saarpfälzisches Institut für Landes- und Volksforschung, Dr. Hermann Emrich, an Ludwig Siebert vom 2.5.1939. In: Bay HStA, StK 7516. 64 Ernst Christmann an Hermann Emrich vom 17.12.1941. In: HMP Speyer, Akte „XG/M Historisches Museum Allgemein 1941 – 1942“. 65 Johannes Postius an Hermann Emrich vom 14.1.1938. In: HMP Speyer, Akte „X M. Postius. Hist. Museum IV, 1938“; Hermann Emrich an Johannes Postius vom 4.11.1938. In: Ebd. 66 Protokoll zur Versammlung der ordentlichen Mitglieder (Führerratsmitglieder) des Volksbildungsverbandes Saarpfalz e. V. am Freitag, 22.4.1938, nachmittags 17 Uhr im Rathaussaal zu Neustadt a. d. Weinstraße, vom 28.4.1938. In: HMP Speyer, Akte „XG/M Historisches Museum, Volksbildungsverband, Pfalz-Saar, V. D. A., Briefwechsel G. Dell, 1934 – 39“.

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Arbeits­gemeinschaft der völkischen Wissenschaft im Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark“ verfolgt, was Ende Mai gleichen Jahres umgesetzt wurde. Diese Arbeitsgemeinschaft der völkischen Wissenschaft war damit in den „Neubau des national­sozialistischen Staates einbezogen und […] auf die tiefe Aufgabe verpflichtet, die Zusammenhänge zwischen Blut und Boden, Rasse und Volkstum, Wissenschaft und Politik aufzuzeigen.“67 Damit überwog im Saarpfälzischen Institut der heteronome Pol, es unterstand eindeutig politischen Zielsetzungen. Dies bedeutet nicht, dass einzelne, am Unternehmen beteiligte Wissenschaftler das Institut nicht als Ressource genutzt haben könnten, um ihre Arbeiten zu finanzieren, und dabei wichtige Forschungsergebnisse erzielten. Das „TrifelsWerk“ selbst war überaus ambitioniert, die Herangehensweise multidisziplinär und multiperspektivisch angelegt, was den zeitgenössischen Gemeinschaftsarbeiten in der Volks- und Kulturbodenforschung entsprach. Es wäre also zu erwarten gewesen, dass die ‚völkisch‘-holistisch-multidisziplinäre Konzeption, die dem „Trifels-Werk“ zugrunde lag, innovative Ergebnisse zumindest potenziell erbracht hätte. Aber davon abgesehen, dass sich Herausgeber und Autoren nicht über den Stil des Buchs – rein populär oder wissenschaftlich – einigen konnten,68 geriet das Unternehmen bereits im Herbst 1939 ins Stocken. Aufgrund der politischen Spannungen im Westen wurden die Herausgeber angewiesen, ihren Plan vorerst zurückzustellen. Nach dem erfolgten Westfeldzug durch das NS-Regime wurden dann zahlreiche Mitarbeiter am „Trifels-Werk“ in die Wehrmacht eingezogen. Auch „die finanziellen Grundlagen der Herausgabe [sind] inzwischen andere geworden […]. Der Zeitpunkt des Erscheinens des Werkes musste auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden“, wie Rembert Ramsauer die Autoren wissen ließ.69 Tatsächlich konnte das Saarpfälzische Institut die Finanzierung bis zum Kriegsausbruch nicht sichern.70

67 Arbeitsgemeinschaft der völkischen Wissenschaft im Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark (Historischer Verein der Pfalz) an das Bürgermeisteramt vom 15.7.1933. In: HMP Speyer, Akte „Trifels: Fotografien, ungeordnet, und sonstige Dokumente“. 68 Carl W. Scherer an Johannes Postius vom 31.12.1938. In: HMP Speyer, Akte „XG/M. ­Postius, Hist. Museum V, 1938“. 69 Rundschreiben Rembert Ramsauer an die Mitarbeiter vom 24.11.1939. In: LAS p, H 3, Nr. 1906 III, Bl. 283 – 284, hier Bl. 283. 70 Saarpfälzisches Institut für Landes- und Volksforschung, Dr. Hermann Emrich, an Ludwig Siebert vom 24.3.1939, No. III 518. In: Bay HStA, StK 7516, Bl. 1 – 2.

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Verwendete Methoden und praktische Umsetzung

Auf methodisch-technischer Ebene könnte erwartet werden, dass bei einem Großunternehmen wie der Ausgrabung des Trifels neben den etablierten Verfahren wie der fotografischen und zeichnerischen Dokumentation der Befunde z. B. archäozoologische und archäobotanische Methoden, die in der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie im Laufe der 1930er-Jahre wichtiger wurden, zur Anwendung kamen. In der Bauforschung existierten neben der detailgetreuen Aufnahme des vorhandenen Mauerwerks technisch-naturwissenschaftliche Verfahren, wie die Analyse von Mörtelproben.71 Obgleich das beabsichtigte methodische Vorgehen sehr professionell klang, kamen solche Methoden nicht zum Einsatz. Es findet sich auch kein einziger publizierter oder unpubliziert gebliebener Versuch, die Funde nach den Standards der archäologischen Typologie auszuwerten. Zwar unterteilten Sprater und Ebhardt das Gelände in Sektoren, die Fundobjekte konnten aber trotzdem nur grob den einzelnen Grabungssektoren zugewiesen werden, was im Hinblick auf die daraus hervorgehende Erkenntnis nahezu wertlos war. Auch hatte sich offenbar niemand dazu geäußert, wie grabungstechnisch vorgegangen werden sollte. Gemessen an innovativen Ausgräbern in der Archäologie, so z. B. Jankuhn (Ausgrabung Haithabu) oder Reinerth (Ausgrabung Federseemoor), wären die Flächen nach der stratigrafischen Methode unter Verwendung eines Positionsnummern­ systems auszugraben gewesen. Dies bedeutet, dass jeder Fund und Befund mit einer Nummer zu bezeichnen war und so dokumentiert werden musste, dass ein Zusammenhang mit der jeweiligen Kulturschicht, in der sich das betreffende Artefakt befunden hatte, hergestellt werden konnte. Es ging in der Archäologie vor allem um die Rekonstruktion dessen, wie Befunde und Funde in den Boden gekommen waren, was das Erstellen des relativchronologischen Ablaufs von Besiedlungs- und Bauphasen ermöglichte. Zusätzlich mussten in ein solches System im Fall einer Burg noch die Mauern eingepasst werden. Dieses Vor­ gehen ist theoretisch-ideal gedacht, in Wirklichkeit hing die Anwendung dieser Methode von vielerlei Aspekten ab, z. B. von einem ausgefeilten Messsystem, ausreichend Zeit, einem erfahrenen Ausgrabungsteam etc., da die Methode sehr aufwendig war.72 71 Bericht des Kantons-Chemikers Dr. R. Viollier an Carl Roth vom 21.4.1932. In: Schweiz. Burgenarchiv, Akte „Ausstellung Burgen von Basel und Umgebung“. 72 Dies gilt bereits für das späte 19. Jahrhundert. Vgl. Eberhardt, Spurensuche in der Vergangenheit, 2011, S. 38 – 40, 150 – 152. Vgl. Jankuhn, Herbert: Die Ausgrabungen in Haithabu

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Die erhaltene fotografische Dokumentation aus dem Trifels-Unternehmen zeigt, dass Sprater ein Positionsnummernsystem anwandte. Auf Abb. 34 sind zwei mit roter Tinte auf der Fotografie eingezeichnete Nummern zu erkennen, die eine bezeichnet die „Türe“ (Nr. 30), die andere das Erdgeschoss des Palas, des Hauptgebäudes der Burg (Nr. 29). Dadurch konnten die Befunde voneinander getrennt und aufgrund relativchronologischer Überlegungen und Datierungshinweisen miteinander verknüpft und zu Bauphasen zusammengefasst werden. Sprater kennzeichnete aber lediglich die Befunde am aufgehenden Mauerwerk oder im Boden aufgefundene Mauerreste mit diesen Nummern, nicht aber Kultur­schichten und die Lage von Fundstücken darin.73 Ein Zusammenhang von Befund und Fundobjekt konnte deshalb nicht hergestellt werden. Es ist aus heutiger Sicht unmöglich zu sagen, ob bestimmte Dokumentations­ unterlagen im Laufe der Zeit verloren gingen oder ob die Dokumentation nie so detailliert erfolgte wie geplant. Es finden sich zwar Grundrisspläne und Seiten­ansichten der vermessenen Burg sowie steingerechte Aufnahmen des Mauerwerks und architektonischer Details von Bodo Ebhardts Mitarbeiter und ihm selbst. Sprater ließ eine Reihe von Fotografien von Befunden und Fundobjekten anfertigen – allerdings ohne Maßangabe und Standortverzeichnis 74 – und schrieb auf Grundlage der Berichte des örtlichen Grabungsleiters regelmäßig Rapporte zum Stand der wissenschaftlichen Arbeiten. Ein detailliertes Verzeichnis der Funde und eine Auswertungen der Fundgegenstände im Zusammenhang mit den einzelnen Bauphasen der Burg liegen jedoch nicht vor. Vereinzelte Hinweise deuten darauf hin, dass eine Dokumentation in dieser Qualität nie existiert hatte. Gründe dafür sind im Zeitdruck und der mangelnden Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Denkmalpflegern zu sehen. Ein weiterer Grund ist, dass die Mehrzahl der archäologischen Methoden an Forschungsobjekten wie Feuchtbodensiedlungen (Hans Reinerth), römischen Villen, vorzeitlichen Grabhügeln (Gerard Bersu), an Pfalzen sowie vorzeit­ lichen Befestigungen oder mittelalterlichen Siedlungen (Herbert Jankuhn) (1937 – 1939). Vorläufiger Grabungsbericht (Deutsches Ahnenerbe B 3). Berlin-Dahlem 1943; Reinerth, Hans: Das Federseemoor als Siedlungsland des Vorzeitmenschen. 4., völlig umgearb. und stark erw. Aufl. (Führer zur Urgeschichte 9). Augsburg 1929. 73 Regierung der Pfalz an Bayerischer Ministerpräsidenten vom 1.4.1937. In: HMP Speyer, Ortsakten Annweiler, Trifels. 74 Meyer, Burg Trifels, 2001, S. 162 – 163.

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ent­wickelt worden waren.75 Auch die Mörtelanalyse entstand im Zusammenhang mit Forschungen an Kirchen, Domen oder antiken Bauten und nicht bei der Untersuchung hochmittelalterlicher Burgen. Methoden für die Erforschung von Objekten im Gelände scheinen stark von der spezifischen Materialität des jeweiligen Objekts abhängig gewesen zu sein. Eine fruchtbare Anwendung dieser Methoden für die Erforschung einer Mittelalterburg hätte daher einer Anpassung an dieses Wissenschaftsobjekt bedurft. Beim Trifels-Unternehmen scheint dies nur in unzureichendem Maße geschehen zu sein. Während in der heutigen Mittelalterarchäologie idealerweise die stratigrafische Methode für das aufgehende Mauerwerk und für die Kulturschichten angewendet wird, gingen der Bauforscher und der Archäologe am Trifels methodisch getrennt voneinander vor, auch wenn beide zur selben Zeit am selben Objekt arbeiteten. Dies führte dazu, dass nicht nur beide Dokumentationen in unterschiedlicher Qualität ausgeführt wurden, sondern dass sie auch nicht miteinander harmonisiert werden konnten. Im Gegensatz zu Sprater wendete Ebhardt kein Positionsnummernsystem an und unterließ auch eine Beschreibung der Befunde. Die steingerechten Aufnahmen des Mauerbestands scheinen für ihn aussagekräftig genug gewesen zu sein, um die Befunde ent­ sprechend interpretieren zu können (vgl. Abb. 38). Eine Synthese auf methodischer Ebene kam nicht zustande. Ertrag für Wissenschaft, Denkmalpflege und NS-Politik

Die wissenschaftlichen Untersuchungen der Burg Trifels dauerten über ein halbes Jahr. Insofern darf vermutet werden, dass das Unternehmen für die Wissenschaftler gewinnbringend war. Der Ertrag eines solchen Projekts für die Wissen­schaft kann einerseits am Ausstoß an Artikeln in Fachzeitschriften oder an wissenschaftlichen Monografien gemessen werden, muss andererseits aber auch im Zusammenhang mit der Frage diskutiert werden, inwiefern die publizierten Inhalte den Standards der Archäologie und der Bauforschung entsprachen. Alle Publikationen, die dem Trifels-Unternehmen erwuchsen, waren entweder populärwissenschaftlich gehalten oder für Lokal-, Regional- oder

75 Vgl. Bentz, Emma: ‚More than a Village‘: On the Medieval Countryside as an Archaeological Field of Study. In: Schlanger, Nathan/Nordbladh, Jarl (Hg.): Archives, Ancestors, Practices: Archaeology in the Light of its History. New York, Oxford 2008, S. 97 – 107.

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Reichs­zeitungen bestimmt.76 Publikationen in Fachzeitschriften liegen nicht vor, ebenso wenig Monografien, die an ein Fachpublikum adressiert waren. Gründe dafür sind in Sieberts Anspruch auf unbedingtes Mitspracherecht zu sehen. Siebert war nicht primär an der Wissenschaftlichkeit der Artikel interessiert, sondern an deren Popularitätseffekt. Der NS -Politiker beschnitt damit die wissenschaftliche Autonomie massiv, womit alle diese Publikationen über den Trifels als tendenziell heteronome Erzeugnisse gewertet werden müssen. Der Einzige, der diese Zensur umging, war Bodo Ebhardt, der 1938 seine Trifels-­Monografie im Eigenverlag veröffentlichte. Die Popularisierung konnte Friedrich ­Sprater allerdings gewinnbringend für sich nutzen, was mit seiner Position innerhalb der regionalen Wissenschaftskultur der Pfalz zusammenhing. Sprater sah das Trifels-Unternehmen als Möglichkeit, auf lokaler und regionaler Ebene seine wissenschaftliche Autorität zu stärken. Ähnlich wie Gotthard Neumann befand sich auch der Pfälzer Archäologe und Museumsmann in der Situation, seine Autorität als Bodendenkmalpfleger und Museumsdirektor gegenüber den Heimat­forschern und Laienvereinen durchsetzen zu müssen, was er seit den 1920er-Jahren kontinuierlich verfolgt hatte. Wie in Thüringen herrschte auch in der Pfalz kein Mangel an Heimat- und Burgenbegeisterten. Im Gegensatz zu Thüringen existierte in der Pfalz jedoch kein verbindliches Denkmalschutz­gesetz, was zur Folge hatte, dass Sprater mehr noch als Neumann durch populäre Wissenschaft und Vorträge seine Position festigen musste.77 Für die Denkmalpfleger war das Trifels-Unternehmen gewinnbringend. Rudolf Esterer sah im Neubau der Burg ein weiteres Prestigeobjekt in der Reihe bedeutender Aufträge, die ihm Ludwig Siebert verschafft hatte, angefangen mit der Restaurierung der Nürnberger Kaiserburg. Esterer machte Karriere im NSRegime: Am 1. April 1937 war er noch in der Position eines Oberregierungsrats, am 14. Dezember 1937 ernannte ihn Siebert zum Ministerialrat im bayerischen Staatsministerium für Finanzen und 1939 erhielt er den Titel eines Professors an der Technischen Hochschule in München.78 Auch nach 1945 konnte E ­ sterer 76 Vgl. Sprater, Friedrich: Der Trifels. Ein Denkmal deutscher Macht im ersten Reich. In: Germanen-Erbe 2 (1937) 6, S. 178 – 186; Sprater, Friedrich: Der Trifels. Die deutsche Gralsburg. Speyer 1945. 77 Vgl. Friedrich Sprater an das Bezirksamt Neustadt a. d. H. vom 15.2.1926. In: LAS p H 3, Nr. 8010, Bl. 4. Vgl. Friedrich Sprater an die Vorstandschaft des Vereins Historisches Museum der Pfalz (Historischer Verein der Pfalz) vom 21.4.1926. In: Ebd., Bl. 32. 78 Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 390.

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seine Karriere als Präsident der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen fortsetzen.79 Eine ähnlich erfolgreiche Laufbahn legte auch Georg Lill zurück, der auf die Denkmalpflege der Nachkriegszeit maßgebenden Einfluss hatte. Für Ludwig Siebert war das Burgenunternehmen auf den ersten Blick ein großer Erfolg. Seine Leistung fand Anerkennung bei der NS-Führungselite,80 insbesondere aufgrund eines Prachtbuchs, in dem die Arbeiten aus dem ­Ludwig-­Siebert-Programm dargestellt wurden und das Siebert exklusiv für die NS-Elite drucken ließ.81 Darüber hinaus gewann Siebert an Popularität bei der pfäl­zischen und bayerischen Bevölkerung.82 Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Position im politischen Feld keine sehr mächtige war. Bereits 1933 war er in der Machtverteilung in Bayern übergangen worden. Der promovierte Jurist wurde auf den Posten des NS -Ministerpräsidenten berufen, wurde also Repräsentant des alten Verwaltungsstaats und nicht der neuen Gauleitung, die stärkeres Durchsetzungsvermögen bewies. Dies hatte unter anderem damit zu tun, dass Siebert, der erst 1931 der NSDAP beigetreten war, nicht zu den „Alten Kämpfern“ zählte. Im Kampf um die Macht in Bayern sollte er dem Gauleiter und bayerischen Innenminister, späteren Kultusminister (ab 1936) und Reichsverteidigungskommissar (ab 1939) Adolf Wagner unterliegen.83 1936 wurde ­Siebert das Finanzministerium unterstellt, was eine zusätz­liche Belastung bedeutete. Gleichzeitig bot ihm dieser Posten die Möglichkeit, sein Sanierungsprogramm der pfälzischen Burgen finanziell abzu­ sichern. Dass Siebert sich überhaupt so intensiv um die Rettung der Burgen und ­Schlösser kümmern konnte, ist zu einem Gutteil seiner dominierten Position in der bayerischen NS-Regierung zuzuschreiben. Sein Kulturprogramm erwies 79 Fleischner, „Schöpferische Denkmalpflege“, 1999, S. 35; Kaiser, Fassaden einer Diktatur, S. 385. 80 o. A.: Der Führer verleiht Ludwig Siebert das Goldene Parteiabzeichen. In: Völkischer Beobachter Nr. 102 vom 12.4.1938. In: Bay HStA, Reichsstatthalter, Nr. 8741. 81 Siebert, Ludwig: Vorwort. In: Siebert (Hg.), Wiedererstandene Baudenkmale, 1941 (unpaginiert). Vgl. Rudolf Esterer an A. Dreher vom 14.11.1941. In: Bay HStA, NL Esterer 262. 82 So erhielt Siebert am 30.7.1936 von der Stadt Annweiler die Ehrenbürger-Urkunde. Vgl. Museum unterm Trifels, Akte „Trifels 70 Jahre „Wiederaufbau“ 2008/09“. 83 Vgl. Raumschöttel, Hermann: Ministerrat, Ministerpräsident und Staatskanzlei. In: Raumschöttel, Hermann/Ziegler, Walter (Hg.): Staat und Gaue in der NS-Zeit. Bayern 1933 – 1945. München 2004, S. 41 – 75, hier S. 64 – 66; Ziegler, Walter: Bayern – ein Land, sechs Gaue. In: John, Jürgen/Möller, Horst/Saarschmidt, Thomas (Hg.): Die NS-Gaue. Regionale Mittelinstanzen im zentralistischen „Führerstaat“. München 2007, S. 254 – 262.

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sich allerdings als konsistent. Nach seinem Tod am 1. November 194284 führte Josef Bürckel, der mittlerweile zum Reichsstatthalter der Westmark aufgestiegen war, das Trifels-Unternehmen fort, da er „das Unternehmen für die Pfalz und für das ganze Reich für sehr wichtig“ hielt.85 Erst im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden die Arbeiten eingestellt. Zwischenbilanz

Statt der propagierten Gemeinschaftsforschung fanden am Trifels eher Einzelforschungen statt. Die Wissenschaftler strebten weder eine einheitliche Methode noch eine Zusammenarbeit mit den anderen Forschern an, zudem gingen die wissenschaftlichen Interessen und diejenigen der Denkmalpfleger stark auseinander, was durch die Präferenz der Denkmalpflege durch Ludwig Siebert verstärkt wurde. Dies zeugt vom heteronomen Charakter des Unternehmens. Die abschließende Publikation war zwar multi- und interdisziplinär konzipiert, Herausgeber und Mitarbeiter konnten sich jedoch nicht darüber einigen, an wen sich das Buch richten sollte – an Wissenschaftler oder ausschließlich an Laien –, was damit zusammenhing, dass das Saarpfälzische Institut selbst zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik stand. Aufgrund der starken Gewichtung der Popularisierungsarbeit und der touristischen Aspekte setzte sich im kollektiven Gedächtnis vor allem der Neubau des Trifels fest, als gewichtiger Beitrag für die Wissenschaft ist das Unternehmen dagegen kaum anzusehen. So verwundert es nicht, dass die Idee des Ausbaus der Burg das NS -Regime überdauerte. Die „Pfälzer Heimatidee“ konnte in die westdeutsche Nachkriegsordnung überführt werden. Hitler und der Nationalsozialismus standen für die Pfälzer Heimatfreunde nun gegen all das, was die Heimat für sie ausmachte. Friedrich Sprater arbeitete aktiv an der Restitution der Heimatidee, indem er in der Nachkriegszeit mehrere Heimatblätter gründete, bis der Historische Verein 1953 wieder sein eigenes Nachrichtenblatt herausgeben konnte.86 Obwohl Sprater Parteimitglied gewesen war, konnte er seine Karriere nach 1945 – bis auf eine Kürzung

84 Giesler, Paul: Ludwig Siebert. In: Völkischer Beobachter süddeutsche Ausgabe, Jg. 55, Nr. 306 vom 2.11.1942, S. 1. In: Bay HStA, NL Esterer 273. 85 Briefentwurf Rudolf Esterer an den Reichsschatzmeister Schwarz, Verwaltung der NSDAP, vom 22.4.1943. In: Bay HStA, MF 68412, Bl. 1 – 2. 86 Applegate, A Nation of Provincials, 1990, S. 220, 231.

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von 30 Prozent des Gehalts auf sechs Jahre – unmittelbar fortführen.87 1948 wurde ein Ausschuss zur Fertigstellung des Trifels-Neubaus gegründet, der in der Folge die Finanzierung gewährleisten sollte.88 Die für das Unternehmen mobilisierten Summen erstaunen: Standen 1946/1947 noch 30.000 DM zur Verfügung, konnte 1955 ein Betrag von 500.000 DM aufgebracht werden. Die Bereitschaft der Bevölkerung und der regionalen Behörden zur finanziellen Unterstützung war auch auf den 1952 neu gegründeten Trifelsverein zurückzuführen, der das Unternehmen vorantrieb. Rudolf Esterer übernahm wieder die Leitung des Neubaus und stellte den Palas und den daran anschließenden Turm 1966 schließlich fertig.89 5.1.2 ERZWUNGENE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT: „REICHSBURG“ KYFFHAUSEN

Spraters Ausgrabungsmethode musste aus Sicht eines zeitgenössischen Prä­ historikers als unbefriedigend gewertet werden. Insofern müsste zu erwarten sein, dass ein archäologischer Fachmann, der fast 20 Jahre jünger war als Sprater und daher andere methodische Standards gelernt hatte und bei den besten Ausgräbern seiner Zeit gearbeitet hatte, bei einem solchen oder ähnlichen Unternehmen anders vorgegangen wäre. Beim zweiten Beispiel, den Aus­grabungen der sogenannten Reichsburg Kyffhausen, war ein solch methodisch versierter Fachmann beteiligt, nämlich Gotthard Neumann. Zudem stand Neumann und seinen Mitarbeitern für die wissenschaftliche Untersuchung mehr Zeit zur Verfügung als den Wissenschaftlern bei der Trifels-Ausgrabung. Die Burgruine auf dem Kyffhäuser wurde in zwei Etappen ausgegraben und konserviert, von Ende 1934 – 1936 und von 1937 – 1938. Damit waren die Kyffhäuser-Ausgrabungen die wohl umfangreichste wissenschaftliche Untersuchung einer hochmittelalter­ lichen Burg während der NS-Herrschaft. Auch dieses Unternehmen ging auf die Initiative eines NS -Politikers zurück. Wilhelm Reinhard, ehemaliger „Führer“ des Freikorps Reinhard

87 Vgl. Auszug gez. Dr. Eichenlaub, Oberregierungspräsidium Hessen-Pfalz, Der Ober­ regierungspräsident, an die Französische Militärregierung z. Hd. Herrn Oberst Magniez vom 31.1.1946. In: LASp, H 4, Nr. 4252. 88 Stein, Trifels und Hohkönigsburg, 1975, S. 394. 89 Fleischner, „Schöpferische Denkmalpflege“, 1999, S. 55; Glatz, Rudolf Esterer, 2005, S. 143 – 145. Vgl. Kaiser, Fassaden einer Diktatur, 1994, S. 395.

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und Bundesführer des Deutschen Reichskriegerbunds „Kyffhäuser“,90 fasste 1934 den Entschluss, die Ruinen der mittelalterlichen Stauferburg auf dem Kyffhäuser ausgraben und konservieren zu lassen. Ähnlich Siebert begriff Reinhard dieses Unternehmen sowohl als Kulturleistung des ‚Dritten Reichs‘ als auch als Objekt zur ­persönlichen Anreicherung von Prestige im politischen Feld. ­W ilhelm ­Reinhard war erst seit Ende Januar 1934 Bundesführer der Reichskrieger und hatte sich im neuen Staat, besonders aber in der SS , zu bewähren.91 Nach der sogenannten Machtergreifung wurde er Mitglied in dieser Organisation und zunächst zum Standartenführer, später dann zum Obergruppenführer-SS befördert. 1935 gliederte er den gesamten Reichskriegerbund in die SS ein.92 Hitler hatte sich schon in „Mein Kampf“ negativ über alte „Kriegervereins- und Kyffhäusertendenzen“ geäußert, und noch 1934 waren Äußerungen von NS -Politikern laut geworden, der Bund habe sich nur äußerlich an den neuen Staat angepasst. Insofern musste Reinhard daran gelegen sein, aktiv für die Integration der Reichskrieger in die NS Volksgemeinschaft einzutreten.93 In diesem Kontext stand Reinhards Plan, die Burgruine auf dem Kyffhäuser zu einem nationalen Kultursymbol zu gestalten. Der Ort war lange davor politisch, kulturell und touristisch bedeutend. Von 1890 – 1898 hatte der Kriegerbund sein berühmtes Denkmal in die mittlere Partie der Burgruine hineingebaut und diese dabei größtenteils zerstört. Damals existierte noch kein Interesse an der Erhaltung der archäologischen Reste. In der Folgezeit wurden Denkmal und Burgruine zu einem beliebten Ausflugsort, was den Reichskriegerbund dazu veranlasst hatte, Parkplätze für Besucher und eine Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Burgberg errichten

90 Vgl. Führer, Karl: Der Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser 1930 – 1934. Politik, Ideologie und Funktion eines „unpolitischen“ Verbandes. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen 36 (1984) 2, S. 57 – 76, hier S. 57. 91 o. A.: v. Horn zurückgetreten. In: Niedersächsische Zeitung Nr. 287 vom 28.1.1934. In: BAR , ZS g. 103/1427. Der Wechsel der Führerschaft im Kyffhäuserbund erfolgte Ende Januar 1934. 92 Heinrich Himmler an das SS-Personalbüro vom 31.10.1935. In: BAR, NS 19/999, Bl. 2. Vgl. Malinowski, Stephan/Reichardt, Sven: Die Reihen fest geschlossen? Adelige im Führerkorps der SA bis 1934. In: Conze/Wienfort (Hg.), Adel und Moderne, 2004, S. 119 – 150, hier S.  128 – 129. 93 Hitler, Mein Kampf, Zweiter Band, 1934, S. 597. Vgl. Führer, Der Deutsche Reichskriegerbund, 1984, S. 70.

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zu lassen (Abb. 39). Die Popularität des Barbarossa-Mythos und der Denkmalkult des 19. Jahrhunderts machten den Kyffhäuser zu einem deutschen Erinnerungsort.94 Zunächst stand Reinhard vor dem Problem, wie die ihrer Ausdehnung nach wohl größte hochmittelalterliche Burgruine Deutschlands – die Fläche der Kyffhäuserburg misst über 600 Meter in der Länge und bis zu 60 Meter in der Breite – in vernünftiger Zeit ausgegraben und konserviert werden konnte. Ein solches Unternehmen war nicht mit einigen wenigen Hilfsarbeitern zu leisten. Zu diesem Zweck bot sich Reinhard eine Organisation an, deren Ziele sich mit denen des Bundesführers abgleichen ließen, nämlich der FAD . Zum Programm des FAD gehörte bereits vor 1933, aktiv zum „wirtschaft­ lichen Aufschwung der deutschen Volksgemeinschaft“ beizutragen und damit vor allem gegen die moralischen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf arbeitslose Jugendliche anzugehen, indem diese durch Arbeitsprogramme vor der Verwahrlosung bewahrt werden sollten.95 Dass der Arbeitsdienst bei Ausgrabungen zum Einsatz kam, war nicht ganz selbstverständlich, seine Aufgaben umfassten eher Trockenlegungs- oder Kanalisierungsarbeiten, die der gesamten „Volksgemeinschaft“ zugutekommen sollten. Die Mobilisierung des Arbeitsdienstes durch Reinhard dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Bundesführer – ähnlich Ludwig Siebert – im politischen Feld über gute Verbindungen verfügte. Ende Oktober 1934 fragte der Feldmeister des örtlichen Arbeitsdiensts die Beamten des Kreisamts Sondershausen, in deren Zuständigkeitsbereich der ­Kyffhäuser lag, um die Erlaubnis für die Ausgrabung der Burgruine. Dabei zeigte sich der Feldmeister selbstbewusst und verdeutlichte den Beamten, dass der FAD bereits zwei Tage später mit den Arbeiten beginnen wollte, der Reichskriegerbund würde „großen Wert auf die rasche Durchführung der Arbeiten“ legen. Er bezog sich dabei explizit auf das Ausgrabungsgesetz in Thüringen, interpretierte es aber so, als ob es lediglich dazu verpflichtete, die Ausgrabungen den Behörden zu melden.96 Weder Reinhard noch dem FAD

94 Vgl. Mai, Gunther: „Für Kaiser und Reich“. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem ­Kyffhäuser. In: Mai (Hg.), Das Kyffhäuser-Denkmal, 1997, 149 – 177. 95 Vgl. Patel, „Soldaten der Arbeit“, 2003, S. 35 – 36, 39, 41 – 45, 51 – 60. 96 Feldmeister König vom Arbeitsdienst der NSDAP an das Thüringische Kreisamt Eisenach [sic, richtig ist: Kreisamt Sondershausen, F. L.]. In: ThHStAR, Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 1.

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war der genaue Inhalt des Gesetzes offenbar bekannt,97 sonst wäre ihnen bewusst gewesen, dass sie vor dem Beginn solcher Arbeiten den Staatlichen Vertrauens­mann für vor- und frühgeschichtliche Bodenaltertümer in Thüringen um seine Meinung hätten fragen müssen. Der FAD begann die Spatenarbeit auf dem Kyffhäuser zwei Tage nach Eingang des Schreibens, und zwar auf der Fläche des niedriger gelegenen Bereichs der Burg, der sogenannten Unterburg. Die Antwort der Kreisbeamten wurde gar nicht erst abgewartet. Doch die Beamten reagierten nicht wie vom FAD und Wilhelm Reinhard erwartet. Mitte November 1934 sendeten sie ein Schreiben an das A ­ rbeitsdienstlager auf dem Kyffhäuserburgberg und verlangten, die Arbeiten müssten mit sofortiger Wirkung eingestellt werden. Die Begründung war, dass gemäß § 1 des thüringischen Ausgrabungsgesetzes ausschließlich Ausgrabungen einer bestimmten Stelle des Geländes erlaubt werden könnten, für die restlichen Partien müssten zuerst Abklärungen durch den Staatlichen Vertrauensmann Gotthard Neumann getroffen werden.98 Durch die Intervention der Behörden sah sich Neumann zur Beteiligung an den Ausgrabungen auf dem Kyffhäuser veranlasst. Der FAD reagierte unmittel­ bar und schrieb dem Archäologen einen Brief, in dem von allerlei archäolo­ gischen Entdeckungen berichtet und darauf hingewiesen wurde, dass die „örtliche Leitung eine wenig sachverständige“ sei, den Leitern des Arbeitsdienstes sei es „als Laien unmöglich“, sich ein „Bild von dem Gefundenen zu machen“.99 Neumann kam damit die Rolle des wissenschaftlichen Experten zu, was seiner Strategie entsprach, sich in Thüringen als Fachmann für die Bodendenkmalpflege zu etablieren. Daher reagierte er auf das Schreiben sehr positiv.100 Es darf nicht vergessen werden, dass Neumann seit dem 1. April 1934 außerordent­ licher Professor für Vor- und Frühgeschichte an der FSU war, und dies unter anderem mit der Unterstützung der thüringischen NS -Regierung. Er musste daran interessiert sein, kulturpolitischen Bestrebungen von NS -Politikern ent-

97 Vgl. Baurat Hesse vom Reichskriegerbund „Kyffhäuser“ an Gotthard Neumann vom 15.1.1935. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 98 Thüringisches Kreisamt an den Arbeitsdienst der NSDAP vom 11.11.1934. In: ThHStAR, Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 2; Feldmeister König an Gotthard Neumann vom 7.11.1934. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 99 Der Arbeitsführer des FAD an Gotthard Neumann vom 23.11.1934. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 100 Gotthard Neumann an den NS -Arbeitsdienst vom 27.11.1934. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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gegenzukommen, denn er fühlte sich ihnen gegenüber verpflichtet und musste sich ihre Unterstützung für das weitere berufliche Vorankommen sichern. Zwar bedeutete die Leitung der Ausgrabung einer der größten mittelalter­ lichen Burgen Deutschlands eine immense Arbeitsbelastung für Neumann – ihm oblagen schließlich noch vielerlei andere Aufgaben –, das Unternehmen stellte aber auch eine einmalige Gelegenheit zur Steigerung von Prestige und wissenschaftlicher Autorität dar. Es lag also die Situation vor, dass Wilhelm Reinhard die Burgruine auf dem Kyffhäuser ausgraben und konservieren wollte, jedoch aufgrund der juris­ tischen Lage dazu gezwungen war, mit Wissenschaft und Denkmalpflege zu kooperieren. Neumann musste sich ebenfalls aus juristischen Gründen um das Unternehmen kümmern, zudem sah er sich aus Karrieregründen dazu verpflichtet, mit Reinhard zusammenzuarbeiten. Neben Neumann wurde auch der Landeskonservator in Thüringen Albert Mundt mobilisiert, der für die Kunstdenkmäler über dem Boden zuständig war. Zwischen dem Reichskriegerbund, dem FAD, den lokalen Behörden, Neumann und Mundt musste ein Übereinkommen ausgehandelt werden, das allen Interessen am Unternehmen gerecht wurde. Tatsächlich einigten sich die Akteure auf einen Konsens, ein offizieller Vertrag zwischen den Beteiligten wurde im Dezember 1934 abgesegnet.101 Wie beim Trifels-Unter­nehmen verfügte ausschließlich der NS-Politiker über das ökonomische Kapital, der Reichs­kriegerbund hatte alle Arbeiten zu bezahlen, auch die wissenschaftlichen. Neumann und Mundt kamen Reinhard entgegen, indem sie im Vertrag nicht nur die wissenschaftliche Seite des Unternehmens, sondern auch dessen symbolischen und ideologischen Wert für die NS-Volksgemeinschaft hervorhoben. Mundt meinte, es müsse „als eine nationale Tat des Reichskriegerbundes unter Herrn Oberst Reinhard bezeichnet werden, dass von ihm für diese Grabungen in so hochherziger Weise […] die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden.“102

101 Vertrag zwischen dem Bundesführer des Reichskriegerbunds „Kyffhäuser“ und dem Staat­ lichen Vertrauensmann für die vor- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer vom 2.12.1934. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 102 Begründung der Ausgrabungen von Albert Mundt (undatiert, vermutlich Spätjahr 1934): Die Ausgrabungen des Reichskriegerbundes auf dem Kyffhäuser oder: Warum Ausgrabungen in den Kyffhäuser Burgen?, S. 5; Gutachten von Gotthard Neumann vom 3.1.1935. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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Ablauf der wissenschaftlichen Arbeiten

Die Burgruine Kyffhausen bestand aus drei Teilen, einem oberen, einem mittleren und einem unteren. In der ersten Ausgrabungsetappe wurde unter der Leitung Erwin Schirmers, der 1934 bei Neumann promoviert hatte, der untere Burgbereich ausgegraben, also die Partie, in der die Arbeitsdienstmänner bereits mit der Spatenarbeit begonnen hatten. Die Leitung der zweiten Etappe auf dem Gelände des oberen Burgteils übernahm der frisch promovierte Anthro­ pologe und Prähistoriker Gottfried Kurth. Der mittlere Bereich war durch den Bau des Denkmals weitgehend zerstört worden. Neumann besuchte das Grabungsgelände regelmäßig und betreute seine Ausgrabungsleiter, so gut es sein Terminplan zuließ. Neumann, Schirmer und Kurth waren die einzigen Wissenschaftler, welche die Arbeiten der Arbeitsdienstmänner beaufsichtigten und Befunde und Funde wissenschaftlich dokumentierten. Erst bei der zweiten Etappe wurde noch ein Kunsthistoriker hinzugezogen, der sich um das aufgehende Mauerwerk kümmerte, mit den Archäologen aber wenig Kontakt hatte. Bei der ersten Etappe unterstand Erwin Schirmer auch Albert Mundt, da der Landeskonservator selbst keine Vertretung vor Ort hatte. Ausgrabungsetappe 1

Erwin Schirmer sah seine Aufgabe trotz der schwierigen Umstände als Gelegen­ heit, an einem bedeutenden NS-Kulturunternehmen in leitender Position mitzuwirken. Es war ihm daran gelegen, zu Wilhelm Reinhard ein gutes Verhältnis aufzubauen, was seine Mitgliedschaft in der SS sicher begünstigte (vgl. Abb. 40).103 Tatsächlich unterhielten Schirmer und Reinhard eine freundschaftliche Beziehung zueinander,104 die vor allem darauf beruhte, dass Schirmer den Anliegen und Anordnungen des Bundesführers Folge leistete. Dazu gehörte unter anderem die Mithilfe an der Einrichtung eines Museums inmitten des Burggeländes, das der Reichskriegerbund bauen ließ. Schirmer kam Reinhards Absicht nach, 103 Gotthard Neumann an die Dozentenschaft der FSU vom 28.11.1935. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Museum 1.8.1935 – 30.4.1936“. Vgl. Gotthard Neumann an Hans Reinerth vom 27.8.1937. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Museum 1.8.1937 – 28.2.1938“. 104 Vgl. z. B. Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 14.12.1936. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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die wissenschaftlichen Arbeiten so schnell wie möglich zu beenden und sich auf die Konservierung der imposanten Burgmauern zu konzentrieren, sodass diese der NS -Volksgemeinschaft und vor allem der NS -Elite demonstriert werden konnten. Probleme ergaben sich dagegen zwischen Schirmer und Konservator Mundt. Schirmer beklagte sich bei Neumann, dass Mundt nahezu nie auf dem Grabungsgelände erschien, sich um nichts kümmerte und auch nicht mit ihm die weiteren Schritte absprach. Vielmehr würde der Konservator nur mit Reinhard über den „guten Erfolg“ der Ausgrabungen sprechen, aber nicht erwähnen, dass es Schirmer war, der diesen Erfolg durch seinen auch physischen Einsatz zustande brachte.105 Eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler und Denkmalpfleger existierte offenbar nicht. Neumann musste hier als Vermittler auftreten, um das Unternehmen nicht zu gefährden, denn ein Scheitern wäre ausgesprochen ungünstig gewesen, schließlich genossen die Arbeiten auch auf Reichsebene große Aufmerksamkeit. Adolf Hitler persönlich besuchte zusammen mit anderen hohen NS-Funktionären das Kyffhäuser-Ausgrabungsgelände bei mehreren Gelegenheiten (Abb. 41).106 Nach etwa eineinhalbjähriger Ausgrabungszeit und Konservierung der ausgegrabenen Mauerreste endeten die Arbeiten im unteren Burgbereich im September 1936. Diese erste Etappe hatte den Reichskriegerbund 120.000 RM gekostet.107 Aus Wilhelm Reinhards Sicht war das Projekt ein großer Erfolg. Seiner Freude über das gute Gelingen und über die „ausgezeichnete Zusammenarbeit“ mit den Wissenschaftlern und Denkmalpflegern gab er in einem Dankesschreiben an Neumann und Mundt Ausdruck und überwies Neumanns Institut sogar 2.000 RM zur freien Verfügung.108 Reinhard konnte nicht nur das Gelingen eines Kulturwerks für das NS-Regime verbuchen, sondern sich auch als fähiger „Führer“ im Reichskriegerbund und als Mäzen der Wissenschaft darstellen. 105 Erwin Schirmer an Gotthard Neumann vom 24.2.1935. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 106 Vgl. Bericht über den Besuch des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler der Ausgrabungen des Germ. Mus. Jena auf dem Kyffhäuser am 17.7.1935, Dr. Erwin Schirmer, Wissen­ schaftlicher Leiter der Ausgrabungen. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Museum 1.8.1935 bis 30.4.1936“. 107 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 19.9.1936. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 108 Wilhelm Reinhard an die Thüringische Regierung vom 5.9.1936. In: ThHStAR, Thürin­ gisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 10; Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 22.11.1935. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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Für die Wissenschaft dagegen waren die Ergebnisse eher unbefriedigend. Auf der einen Seite ist festzuhalten, dass ein einziger Wissenschaftler, der eine Mannschaft von bis zu 60 Arbeitsdienstmännern leiten musste und alles wissen­schaftlich Relevante aufzuzeichnen hatte, keine detaillierte archäolo­ gische Dokumentation erstellen konnte (Abb. 42). Schirmer war es nicht möglich, jeden einzelnen Befund zu dokumentierten und die Fundobjekte genau einzu­messen, denn ein solches Vorgehen hätte das Arbeitstempo des RAD verlangsamt. Da sich Schirmer nach den Vorgaben Reinhards richtete, war ihm an einer Verzögerung der Arbeiten jedoch nicht gelegen. Daher beschränkte sich der Archäologe auf das Beschreiben von Suchgräben, Mauerresten und von einzelnen Fundobjekten. Aufgabe der Arbeitsdienstmänner war, die Ruine möglichst effi­zient zu „entschutten“, sodass unter den Schuttmassen verborgene Mauerreste dokumentiert werden konnten. Über ein Schienensystem mit Loren führte die Arbeitsmannschaft dann den Schutt ab und beförderte den Abraum den Berg hinunter. Zudem wandten die Arbeitsdienstmänner auch grobe Methoden an, wie z. B. das Gelände durch Sprengungen von Schutt und Wurzeln zu befreien (Abb. 43). Dass ein solches Vorgehen für das sensible archäologische Terrain nicht optimal war, braucht nicht näher erläutert zu werden. Es wundert daher nicht, dass die Dokumentation unsystematisch und lückenhaft ist. Allerdings kann auch in diesem Fall nicht sicher gesagt werden, welche Aufzeichnungen im Laufe der Zeit verschwunden sind. Ein Grabungstage­ buch ist nicht vorhanden, die erhaltenen Aufzeichnungen der Befunde und Funde bestehen aus unsystematisch angelegten Notizen.109 Schirmer publizierte lediglich populärwissenschaftliche Artikel zu den Ausgrabungsergebnissen in Tageszeitungen und im „Spatenforscher“.110 Neben einigen Daten aus den Chroniken berichtete er von Gebäuden innerhalb der Unterburg und von drei Kulturschichten, wobei er die unterste aufgrund von Kohle- und Ascherückständen als Brandschicht interpretierte, die der Zerstörung der Burg 1118 entspreche. Ansonsten blieb er bei Andeutungen und endete seinen Artikel im 109 Vgl. Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Kyffhäuser“. 110 Vgl. Schirmer, Erwin: Die Barbarossaburgen auf dem Kyffhäuser. In: Potsdamer Tages­ zeitung vom 8.9.1935. In: EBI , Akte „Kyffhäuser n. Frankenhausen“; Schirmer, Erwin: ­Mehrere Zentner Scherben und drei Burgen. In: DAZ vom 8.11.1935. In: Ebd.; Schirmer, Erwin: Wissenschaft und Spaten in der Barbarossa-Burg. Die Ausgrabungen auf dem Kyffhäuser. In: Kyffhäuser Wochenblatt vom 7.12.1935. In: Ebd.

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„Spatenforscher“ mit dem Hinweis, dass, obwohl „die Ausgrabungen ihrem Ende entgegengehen, […] endgültige Schlüsse noch nicht möglich [sind].“111 Neumann hatte erst später einen zusammenfassenden Schlussbericht über die Ergebnisse dieser ersten Ausgrabungsetappe verfasst, der erhalten geblieben ist. Darin brachte er die Funde in den Zusammenhang mit den Kulturschichten und den Gebäuderesten und erstellte damit einen Ablauf der Besiedlung und Bebauung der Unterburg-Fläche.112 Diese Erkenntnisse sind auch auf einer groben Grundrissskizze zeichnerisch dargestellt: Die Grundmauern der ausgegrabenen Gebäude, Wehr- und Zwischenmauern oder Brunnenschächte sind durch farbige Markierung den einzelnen Phasen zugeteilt. Ganze vier Bau- und Besiedlungsphasen konnten herausgearbeitet werden (Abb. 44). Mit der Genauigkeit von Bodo Ebhardts Grundrisszeichnung des Trifels ist diese Skizze allerdings nicht vergleichbar. Auch die Suchschnitte wurden nicht darauf eingetragen. Es bleibt also ein gemischter Eindruck von den wissenschaftlichen Ergebnissen. Auf der einen Seite konnten Neumann und Schirmer neues Wissen über Besiedlung und Bebauung des Burgplatzes generieren, auf der anderen Seite ist die Dokumentation unsystematisch und entsprach nicht den zeitgenös­sischen methodischen Standards der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie. Ausgrabungsetappe 2

Das gute Gelingen des Kyffhäuser-Unternehmens veranlasste Wilhelm ­Reinhard dazu, auch noch die Ruinen des oberen Burgteils ausgraben und konservieren zu lassen. Als Symbol des ‚Dritten Reichs‘ sollte die ganze Burganlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.113 Reinhard fragte die Behörden des Kreisamts Sondershausen sowie Mundt und Neumann direkt an, ihm die Erlaubnis zur Fortführung des Projekts zu erteilen und ihn darin zu unterstützen.114 Die Wissen­schaftler und Beamten reagierten auf Reinhards ­Ansinnen zuvorkommend.

111 Schirmer, Erwin: Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen auf dem Kyffhäuser. In: Der Spatenforscher 1 (1936) 2, S. 9 – 13. 112 Aufzeichnung, Manuskript Gotthard Neumann, undatiert, S. 1 – 43. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „Kyffhäuser“. 113 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 16.9.1936. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 114 Albert Mundt an das Thüringische Kreisamt Sondershausen vom 30.9.1936. In: ThHStAR, Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 9.

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Zwischenzeitlich hatte sich jedoch die personelle Situation bei den Wissen­ schaftlern verändert. Erwin Schirmer war zum Assistenten des Museums für Urgeschichte in Weimar aufgestiegen und stand deshalb für die Leitung der Ausgrabungen nicht mehr zur Verfügung. Zudem stellten Wissenschaftler und Denkmalpfleger nun andere Bedingungen für den Ablauf der Ausgrabungs- und Konservierungsarbeiten. Besonders Albert Mundt war mit den wissenschaft­lichen Ergebnissen der ersten Untersuchungsetappe nicht zufrieden: „Ich möchte dieses Mal nicht wieder das Gleiche erleben wie mit Herrn Dr. Schirmer.“115 Schirmer hatte bei der ersten Kampagne offenbar nicht oder nur in ungenügender Weise das aufgehende Mauerwerk berücksichtigt. Mundt verlangte daher die Anstellung eines Kunsthistorikers, der die Ausgrabungsarbeiten begleiten und das Mauerwerk dokumentieren sollte. Diese Aufgabe übernahm Karl Nothnagel, späterer Referent beim Konservator der Kunstdenkmäler im REM . Zusätzlich forderte Mundt die Einsetzung von zwei weiteren Experten, nämlich eines Sachverständigen für Naturschutz und eines Fachmanns für Gartenarchitektur.116 Neumann schloss sich dieser Haltung grundsätzlich an, da er sich eingestehen musste, dass Schirmer die wissenschaftlichen Interessen unzureichend vertreten hatte. Bevor er Gottfried Kurth, den er als Ersatz für Schirmer gewinnen konnte, ins Gelände schickte, wies er ihn an, er solle dieses Mal „alle Kleinfunde sorgfältig lokalisieren“.117 Das waren Anliegen aus dem wissenschaftlichen und kulturellen Feld, die den Interessen Wilhelm Reinhards und des Reichskriegerbunds, die das alles bezahlen sollten, nicht entsprachen. Reinhard reagierte auf diese Forderungen verstimmt und machte die Kreisbeamten darauf aufmerksam, dass es „dem Deutschen Reichskriegerbund […] zu teuer wird, wenn er alle möglichen Persönlichkeiten sonst noch hinzuziehen und sie besolden muss.“ Trotz des angeblich großen Interesses Hitlers würde es Reinhard vor­ziehen, „die Aus­grabungen einzustellen,

115 Albert Mundt an Gotthard Neumann vom 25.11.1936. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 116 Vertrag zwischen Wilhelm Reinhard, Gotthard Neumann, Albert Mundt, dem Kreisamt Sondershausen und dem RAD vom 10.1.1937. In: Ebd.; Der Provinzialkonservator von Pommern an Karl Nothnagel vom 26.2.1944. In: BAR, R 4901/12270, Bl. 1; Albert Mundt an das Thüringische Kreisamt Sondershausen vom 30.12.1936. In: ThHStAR, Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 22. 117 Gotthard Neumann an Gottfried Kurth vom 15.1.1937. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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wenn ich zu viele Persönlichkeiten als Vertrauensmänner“ bezahlen müsste.118 Zudem plante Reinhard parallel dazu die Untersuchung und Konservierung der Rothenburg, einer in der Nähe des Kyffhäusers gelegenen Burgruine, was auf die Kyffhäuser-Ausgrabungen zusätzlich belastend wirkte. Bei diesem Unternehmen fiel die wissenschaftliche Leitung nicht Neumann zu, sondern Mundt, da offenbar keine Ausgrabungen geplant waren.119 Zwei Burgenunternehmen gleichzeitig zu führen bedeutete eine organisatorische Herausforderung und eine starke finanzielle Belastung. Im Januar 1937 begannen die Arbeiten auf dem Ausgrabungsgelände. Sogleich stellte sich das Problem, dass der Boden gefroren war, was Grabungsleiter Kurth dazu veranlasste, die Arbeiten einzustellen.120 Reinhard wollte allerdings keine Arbeitsdienstmänner und Wissenschaftler bezahlen, die keine Leistung erbrachten. Aus diesem Grund veranlasste er eigenmächtig, die Konservierung der Mauern vorab auszuführen. Gegen ein solches Vorgehen intervenierten jedoch Neumann und Mundt mit der Begründung, Konservierungsarbeiten könnten erst dann vorgenommen werden, wenn die Mauerreste vollständig ausge­graben und dokumentiert worden waren. Die Wissenschaftler machten Reinhard deutlich, dass er seine Kompetenzen überschritt, wenn er denkmal­pflegerische Anweisungen geben wollte.121 Reinhard gab nach und ließ die Arbeiten erst wieder aufnehmen, als der Boden aufgetaut war. Nicht nur das Verhältnis von Wissenschaftlern und NS -Politikern war während der zweiten Ausgrabungsetappe anders gelagert, auch die generellen politischen Umstände hatten sich verändert. Im Frühjahr 1937 wurden die RAD -Männer von der Ausgrabung abgezogen und für Arbeiten am „Westwall“ eingesetzt.122 Die Verschiebung der Prioritäten in der NS -Politik durch Görings „Vierjahresplan“ wirkte sich in direkter Weise auf das Kyffhäuser118 Wilhelm Reinhard an Landrat Vogt vom 22.12.1936. In: ThHStAR, Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 18. 119 Vgl. Kyffhäuser-Kalender 1938 des Deutschen Reichskriegerbundes. Zum Besten der Deutschen Krieger-Wohlfahrtsgemeinschaft 61. Berlin, S. 62. In: BAR-Militärarchiv, MSG 3/573; Oberst Sulimma vom NS-Reichskriegerbund an Landrat Vogt vom 20.6.1937. In: ThHStAR, Thüringisches Kreisamt Sondershausen, Nr. 607, Bl. 33. 120 Gottfried Kurth an Gotthard Neumann vom 20.1.1937. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 121 Gotthard Neumann an Gottfried Kurth vom 2.2.1937. In: Ebd. 122 Vgl. o. A.: Der Weg eines Gedankens. Aus der Organisationsgeschichte des Arbeitsdienstes. In: Berliner Börsen-Zeitung vom 18.9.1943. In: BAR, ZSg. 119/48. Vgl. Ramsauer, Rembert:

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Unternehmen aus. Reinhard ließ die Ausgrabungen aber nicht etwa einstellen, sondern heuerte zivile Arbeitskräfte an. Dieser Maßnahme widersetzte sich Gottfried Kurth, da er nicht dazu bereit war, erneut archäologisch unerfahrene Arbeiter anzulernen. Als Argument führte er an, der RAD werde bald wieder zur Verfügung stehen.123 Kurth wollte offenbar Zeit gewinnen, um seine wissenschaftliche Dokumen­tation während der Arbeitspause der Arbeitsdienstmänner zu vervollständigen. Aus Reinhards Perspektive hatte nun Kurth seine Kompetenzen überschritten. Der Bundesführer beschwerte sich bei Neumann und meinte, er solle seinen Assistenten anweisen, Reinhards Anweisungen Folge zu leisten. Auch fügte er an, dass Kurth unfähig zur Zusammenarbeit mit den anderen Sachverstän­ digen und Wissenschaftlern sei. Reinhard versuchte seinerseits, Grenzen zu ziehen und seine Interessen zu wahren. Die Folge davon war, dass das Verhältnis zwischen Reinhard und Kurth fortan von gegenseitigem Misstrauen geprägt war. Diese ungünstige persönliche Konstellation wurde dadurch verstärkt, dass sich der Bundesführer ausgesprochen häufig auf dem Grabungsgelände aufhielt und die Arbeiten Kurths überwachte, im Unterschied zu Siebert, der nur bei Zusammen­künften und Feiertagen auf dem Trifels erschien. Je größer das Misstrauen zwischen dem Wissenschaftler und dem NS -Politiker wurde, umso mehr versuchte Reinhard Einfluss auf die Arbeitsweise des Archäologen zu nehmen. Er verlangte gar, Kurth sollte ihm alle acht Tage einen Grabungs­rapport zukommen lassen.124 Solchem An­sinnen leistete der Grabungsleiter jedoch keine Folge. Auch Kurth wehrte sich mit Unterstützung seines Vorgesetzten Neumann gegen die Versuche des Bundesführers, seine Arbeit zu beeinträchtigen. Er sah keinen Gewinn darin, ­Reinhards Anliegen entgegenzukommen, sondern wollte die Grabungsbefunde so detailliert wie möglich dokumentieren. Neumann befand sich in einer delikaten Situation, denn er wollte das Projekt nicht am Fehlverhalten der Wissenschaftler scheitern lassen und zudem den größtmöglichen wissenschaftlichen Ertrag aus dem Unternehmen ziehen. Lediglich den Zielen Reinhards nachzukommen brachte ihm zu wenig Nutzen ein, wie die erste Ausgrabungsetappe gezeigt hatte. Daher ergaben sich auch Die Westmark und das Reich. In: Westmärkische Abhandlungen zur Landes- und Volksforschung 4 (1940), S. 5 – 8, hier S. 5. Vgl. Patel, „Soldaten der Arbeit“, 2003, S. 363. 123 Wilhelm Reinhard an Gottfried Kurth vom 13.4.1937. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 124 Wilhelm Reinhard an Gottfried Kurth vom 13.4.1937. In: Ebd.

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Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesführer und Neumann selbst. Der Archäologe akzeptierte z. B. nicht, dass Reinhard über die archäologischen Funde verfügte, wie es ihm beliebte, und sie nach ganz eigenen Vorstellungen im Museum auf dem Kyffhäuser aufstellte. Neumann wollte hierbei streng wissenschaftliche Kriterien gewahrt wissen, wohingegen es Reinhard um die Symbolkraft der Artefakte ging.125 Die Konflikte zwischen den Wissenschaftlern und dem NS -Politiker verschärften sich, als die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse feststanden. Neumann und Kurth interpretierten die archäologischen Reste auf dem oberen Bereich der Burg zwar als vorzeitlich, ihrer Meinung nach waren sie aber nicht germanisch, sondern keltisch, der Burgberg war Neumanns Ansicht nach von „illyro-keltischen“ Gruppen besiedelt gewesen.126 Diese Interpretation der archäologischen Funde und Befunde entsprach nicht den Erwartungen Reinhards. Er hatte die Vorstellung, der Kyffhäuserberg sei in grauer Vorzeit von den Germanen besiedelt und im Frühmittelalter immer noch von germanischen Stämmen bewohnt gewesen. In der Zeit der Sachsenkönige habe der Kyffhäuser dann ein „germanisches Bollwerk“ gegen den „Ansturm der slawischen Horden“ dargestellt. Von da führte im Denken Reinhards ein direkter Weg zu den Stauferkaisern, womit der Bezug zum Nationaldenkmal hergestellt war. Dieses mythische Geschichtsbild kommt in einem UFA -Dokumentar- und Propagandafilm deutlich zum Ausdruck, der während der zweiten Grabungsetappe gedreht wurde. Darin ist von einer „altgermanischen Kultstätte“ die Rede und von der Idee, in der Kyffhäuserburg spiegle sich „die Macht des ersten Reiches“ wider.127 Neumann echauffierte sich über solcherlei Darstellungen, zumal die Filmleute ihn, den Fachmann, erst um Rat fragten, nachdem sie den Film bereits gedreht hatten.128 Immerhin wurde der „Dokumentarfilm“ in der Öffentlichkeit gezeigt, wofür letztlich Neumann als staatlicher Vertrauensmann die Verantwortung 125 Gotthard Neumann an Gottfried Kurth vom 19.2.1937. In: Ebd. 126 Gottfried Kurth an Gotthard Neumann vom 16.7.1934. In: Ebd. 127 Reichsburg Kyffhausen, 17 Min., 30 S., 1938(39): Ein Filmbericht von den Ausgrabungen auf dem Kyffhäuser, Regie: Ernst Kochel, Manuskript: Ernst Dahle, UFA-Film. In: BAR-Filmarchiv. BVK/50255. Vgl. Das Kyffhäusergebirge mit Nationaldenkmal, Reichsfeste Kyffhausen und Rothenburg. Herausgegeben von: Deutscher Reichskriegerbund (­Kyffhäuserbund) e. V. Berlin 1936. In: EBI, Akte „Kyffhäuser n. Frankenhausen“. 128 Gotthard Neumann an die Universum-Film Aktiengesellschaft, Abteilung Ufa-Werbefilm, vom 3.12.1938. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte an der Friedrich-SchillerUniversität Jena, Akte „Museum 1.9.1938 – 30.4.1939“.

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auch gegenüber seiner Wissenschaftlergemeinschaft zu tragen hatte. Neumann war nicht im Mindesten daran interessiert, dass falsche Interpretationen und fantastische Ideen, die sich auf die Ergebnisse seiner Ausgrabung bezogen, verbreitet wurden. Es verwundert daher nicht, dass die Interpretationen der Wissenschaftler Reinhard unzufrieden machten, denn er hatte ganz offensichtlich an die Existenz von „germanischen Funden“ geglaubt. Reinhard wandte sich mit diesem Problem an Heinrich Himmler, dem solche Fragen ein großes Anliegen waren. Um sich der „germanischen Frage“ anzunehmen, stattete Himmler dem K ­ yffhäuser einen Besuch ab (Abb. 45)129 und wies Kurth dabei an, er solle sich verstärkt auf die „germanische Frage“ konzentrieren. Im Anschluss des Besuchs besichtigte ein Vertreter des SS-Ahnenerbes die Ausgrabung und fotografierte die wichtigsten Funde. Ein solches Vorgehen war ein grober Verstoß gegen das Prinzip der Integrität im Wissenschaftsfeld. Als Neumann von diesen Vorgängen erfuhr, wandte er sich unmittelbar an Hans Reinerth und beschwerte sich über das Verhalten Himmlers und dessen Vertreters: Himmler habe „in außerordentlich selbstherr­licher Weise versucht, meinem Assistenten ‚dienstliche Anweisungen‘ zu er­teilen.“ Neumann monierte, dass damit seine wissenschaftliche Autorität untergraben wurde, außerdem hatte er „keine Lust, mir eine Unternehmung, in die ich seit Jahren viel Zeit und Kraft hineingesteckt habe [,] aus der Hand nehmen zu lassen“.130 Neumanns Intervention bewirkte, dass Himmler und das SS -Ahnenerbe aus der Kyffhäuser-Ausgrabung herausgehalten wurden. ­Rosenbergs Macht in der NS-Wissenschaftspolitik war um 1937/1938 also noch nicht ganz gebrochen. In der Zwischenzeit wurde auf dem Grabungsgelände weitergearbeitet. Trotz der schwierigen Lage hatte Neumann zwischen Kurth und Reinhard einen Konsens erzielt. Doch schon im März 1938 bahnten sich neue Probleme an. Dieses Mal beschwerte sich Neumann beim Bundesführer. Ein Mitarbeiter des Reichskriegerbunds, der die Arbeiten an der benachbarten Rothenburg überwachte, hatte Schutt auf dem Grabungsgelände der „Reichsburg“ Kyffhausen deponiert, und zwar just an der Stelle, an der die Archäologen einen

129 Kyffhäuser-Kalender 1938, S. 63. 130 Gotthard Neumann an Hans Reinerth vom 15.7.1937. In: APM /Korrespondenz Reinerth; Hans Reinerth an Gotthard Neumann vom 4.8.1937. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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vorzeit­lichen Wall auszumachen glaubten.131 Reinhard reagierte jedoch nicht zuvorkommend, sondern stellte seinerseits die Forderung, Kurth solle besser und schneller arbeiten. Der junge Wissenschaftler habe es bis dahin nicht als nötig erachtet, die geborgenen archäologischen Funde zu ordnen und sie zur Ausstellung im Museum auf dem Burgberg vorzubereiten. Reinhard meinte, dass damit ein Vertragsbruch zwischen dem Reichskriegerbund und den Archäologen vorlag.132 Zudem ereiferte sich Reinhard über das Betragen Gottfried Kurths. Denn dieser habe ihm erklärt, dass „er Befehlsbefugnis auf dem Kyffhäuser hätte und Anweisungen geben könnte und nicht jemand anderes.“ Als Reinhard ihm erwiderte, er „hätte doch auch ein Wort mitzureden, stritt er es mir ab, und zwar nach jeder Richtung und erklärte nur den Professor ­Neumann und seine Wenigkeit für zuständig“.133 Reinhard empfand Kurths Betragen einem „Alten Kämpfer“ und mittlerweile zum SS -Gruppenführer aufgestiegenen Offizier als respektlos und war nun entschlossen, Kurth seines Postens zu ent­heben.134 Ein Auskommen mit dem Grabungsleiter sei „nicht mehr möglich und so muss ich Ihnen [Neumann, F. L.] […] zu meinem größten Leidwesen gestehen, dass es dem NS Deutschen Reichskriegerbund nicht möglich ist, mit Herrn Dr. K. zu arbeiten.“ Reinhard beabsichtigte, „keine Gelder für Ausgrabungen des ­Kyffhäuserberges mehr zu geben, solange Dr. Kurth dort diese Arbeiten“ leitete und solange die Wissenschaftler glaubten, „mit dem Geld des Bundes schalten und walten zu können, wie Ihnen das passt. […] Ich bemerke ferner, dass es für ältere Menschen außerordentlich verletzend ist, wenn ihnen als Geldgeber von vielen 100.000 RM für wissenschaftliche Ausgrabungen vorgeworfen wird, letzte [sic] zu stören.“135 Reinhard ließ die Arbeiten einstellen. Es muss verdeutlicht werden, was diese Entscheidung für die Wissenschaftler bedeutete. Ohne die finanziellen Mittel des Reichskriegerbunds konnten die Ausgrabungen nicht abgeschlossen werden, und Neumann würde weder einen vollständigen Grabungsbericht noch eine repräsentative Fundauswertung in irgend­einer archäologischen Fachzeitschrift publizieren können. 131 Gotthard Neumann an Wilhelm Reinhard vom 28.3.1938. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“. 132 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 1.4.1938. In: Ebd. 133 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 6.4.1938. In: Ebd. 134 Kyffhäuser-Kalender 1938, S. 55. 135 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 16.4.1936. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“.

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Die investierte Zeit und Energie wären dahin. Die Schuld am Scheitern des Unternehmens würde er tragen, wovon die NS -Führung auf Reichsebene und die Gauleitung auf regionaler Ebene erfahren mussten. Gegen eine solche Bestimmungsgewalt des Machtfelds über die Archäologie konnte in Thüringen zu jener Zeit nicht gesetzlich vorgegangen werden. Das thüringische Ausgrabungsgesetz besagte lediglich, dass die Funde nicht widerrechtlich entwendet werden durften und die bereits ausgegrabenen Mauern konserviert werden mussten, sodass sie nicht einstürzten. Es besagte nicht, dass eine angefangene Ausgrabung unter allen Umständen zu Ende geführt werden musste.136 Um diese Situation abzuwenden, gab es für Neumann nur die Option, Wilhelm Reinhard umzustimmen.137 Gleichzeitig durfte er sich nicht zu sehr anbiedern, denn dies hätte eine Aufgabe seiner Position als p ­ rofessioneller Bodendenkmalpfleger bedeutet. Neumann versuchte daher, Reinhard seine Si­tuation als Wissenschaftler zu erklären, und lud ihn ein, einmal in seinem Institut vorbeizukommen und mit eigenen Augen zu sehen, wie mühsam und langwierig das archäologische Tagesgeschäft sein konnte: „Ich könnte Sie dann leicht mit den zahllosen kleineren Schwierigkeiten bekannt machen, die eine Bearbeitung von Funden, wie es die in Frage stehenden sind, mit sich bringt. Da geht einfach nicht immer alles programmgemäß von statten, zumal in so hochgespannten Zeiten wie heute.“138 Reinhard ging jedoch nicht auf dieses Angebot ein. Vermutlich war es die Ankündigung, Hitler wolle den Kyffhäuser zum dritten Mal besuchen, dass der Bundesführer sich doch noch bereit erklärte, Kurth bis zum Abschluss der Arbeiten einzustellen.139 Kaum war mit den Arbeiten wieder begonnen worden, traten neue Probleme auf. In der Zwischenzeit hatte nämlich Reinhard einen Vermesser beauftragt, die archäologischen Funde zu ordnen und für das Museum bereitzustellen. Aus Sicht der Archäologen hatte der Vermesser die Funde jedoch vollends durcheinander136 Vgl. Neumann, Das neue thüringische Ausgrabungsgesetz, 1932, S. 196 – 198. 137 Gotthard Neumann an Wilhelm Reinhard vom 14.4.1938. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“; Gotthard Neumann an von Schlick vom 2.5.1938. In: Ebd. 138 Gotthard Neumann an Wilhelm Reinhard vom 14.10.1938. In: Ebd. 139 Gotthard Neumann an Gottfried Kurth vom 5.5.1938. In: Ebd.; Wilhelm Reinhard an ­Gotthard Neumann vom 23.5.1938. In: Ebd.; Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 5.7.1938. In: Ebd. Vgl. Kyffhäuser-Kalender 1940 des NS-Reichskriegerbundes. Zum Besten der Deutschen Krieger-Wohlfahrtsgemeinschaft 63. Berlin, S. 37. In: BAR-Militärarchiv, MSG 3/575.

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gebracht.140 Neumann und Kurth sahen sich dazu veranlasst, die Unordnung wieder in eine fachmännische Ordnung zu bringen, wozu die Artefakte vom Kyffhäuser ins Jenaer Institut verbracht, bestimmt und restauriert werden mussten.141 In Reinhards Augen jedoch war das Ganze auf die Verfehlungen Kurths zurückzuführen, schließlich habe er „schon vor Jahr und Tag gebeten […], das Museum vordringlich zu ordnen.“142 Neumann reagierte darauf brüsk: „Die ‚Selbsthilfemaßnahmen‘ im Museum sind leider doch nicht so harmlos, wie Ihnen gesagt worden ist, und unter Gelehrten ist schwer ein gröberer Verstoß gegen die gute Sitte zu denken als der, in das Material eines anderen einzudringen und die Ordnung zu stören. Allein ich lerne allmählich einsehen, dass es für Außenstehende sehr schwer sein muss, die Notwendigkeiten ernster Wissen­schaft zu begreifen [,] und werde mich künftig danach richten.“143 Daraufhin endete Reinhards Bereitschaft, weitere finanzielle Mittel für die Wissenschaftler aufzuwenden. Bis Ende September 1938 wurde ­Gottfried Kurth für seine Arbeiten noch bezahlt, die wissenschaftlichen Arbeiten konnte er jedoch nicht abschließen. Das „Kyffhäuser-Opus“

Nach Abschluss der Konservierungsarbeiten beabsichtigte Reinhard, eine Publikation herauszugeben, in der die geleisteten Arbeiten in populärer Form dargestellt werden sollten. Vor allem war ihm daran gelegen, das „KyffhäuserOpus“, wie er es nannte, Adolf Hitler als Geschenk zu dessen 51. Geburtstag am 20. April 1940 zu überreichen.144 Dieses Vorhaben erinnert stark an ­Sieberts ­Prachtbuch über sein Burgensanierungsprogramm. Aufgrund der großen Popularität des Siebert’schen Unternehmens lässt sich vermuten, dass Reinhard bekannt war, welche Kulturleistungen der NS -Ministerpräsident Bayerns für das ‚Dritte Reich‘ erbrachte, womit eine Konkurrenzsituation im politischen Feld vorlag.

140 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 16.9.1938. In: NL Neumann, Akte ­„Kyffhäuser – Grabungen und Werk“; Gotthard Neumann an Wilhelm Reinhard vom 8.9.1938. In: Ebd. 141 Der Abteilungsleiter des NS-Reichskriegerbunds an Gotthard Neumann vom 21.10.1938. in: Ebd. 142 Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 14.9.1938. In: Ebd. 143 Gotthard Neumann an Wilhelm Reinhard vom 30.9.1938. In: Ebd. 144 Kapitän a. D. von Schlick an Gotthard Neumann vom 30.5.1939. In: Ebd.

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Den Wissenschaftlern kam Reinhards Vorhaben entgegen, da sie darum bemüht sein mussten, die wissenschaftlichen Ergebnisse zu publizieren, um sie der Fachwelt einerseits, der Öffentlichkeit andererseits zu vermitteln. Aufgrund seiner Popularisierungsstrategie stieß das Vorhaben auf Widerhall bei N ­ eumann. Als Vorbild für das „Kyffhäuser-Opus“ schwebte ihm dabei die Gemeinschaftspublikation Brackmanns und Unverzagts über die Unter­suchungen an der Zantocher Schanze vor:145 Die Geschichte der ­Kyffhäuserburg sollte multidisziplinär dargestellt werden. Vertreten sein sollten die Archäologen und die Kunsthistoriker mit ihren Ergebnissen von den Ausgrabungen und Bauuntersuchungen, ein Historiker (Hans Eberhardt) sowie ein Volkskundler (Bernhard Kummer), wobei die Ausgrabungsberichte Schirmers und Kurths die Basis für alle anderen Arbeiten bilden sollten.146 Doch diese Dokumente waren noch nicht fertig, Schirmer war wissenschaftlicher Assistent am Weimarer Museum und Kurth konnte wegen den ganzen oben beschriebenen Widrigkeiten in Sachen Fundsystematik seinen Bericht nicht zu Ende bringen. 1939 wurde er dann in die Wehrmacht eingezogen,147 für ihn war an das Erstellen des archäologischen Schlussberichts nicht zu denken. Auch Neumanns andere Mitarbeiter wurden bald zum Kriegsdienst verpflichtet, im Winter 1940/1941 ereilte ihn dasselbe Schicksal.148 Ein Weiter­arbeiten am „Kyffhäuser-Opus“ war nicht möglich. Wilhelm Reinhard jedoch verfolgte seinen Plan mit großem Ehrgeiz weiter. Zwar hatte er seine ursprüngliche Absicht, das Werk 1940 Hitler zum Geburtstag zu schenken, fallen gelassen, das Vorhaben an sich gab er jedoch nicht auf. Zum endgültigen Scheitern des Unternehmens führte ein nochmaliger Verstoß Reinhards gegen die Regeln der Wissenschaft. Der Bundesführer nutzte die Abwesenheit Neumanns, um Wilhelm Unverzagt, Direktor des Germanischen Museums in Berlin, um eine Expertise zu den Kyffhäuser-Funden zu bitten. Reinhard misstraute den Interpretationen Neumanns nach wie vor, der die vorzeitlichen Funde auf dem Kyffhäuser für „illyro-keltisch“ hielt. Unverzagt

145 Vgl. Brackmann, Albert/Unverzagt, Wilhelm (Hg.): Zantoch. Eine Burg im deutschen Osten. Bd. 1: Zantoch in der schriftlichen Überlieferung und die Ausgrabungen 1932/33 (Deutschland und der Osten 1). Leipzig 1936. 146 Kapitän a. D. von Schlick an Gotthard Neumann vom 11.1.1939. In: NL Neumann, Akte „Kyffhäuser – Grabungen und Werk“; Wilhelm Reinhard an Gotthard Neumann vom 9.3.1939. In: Ebd.; Gotthard Neumann an von Schlick vom 26.1.1938. In: Ebd. 147 Gotthard Neumann an Wilhelm Reinhard vom 13.3.1939. In: Ebd. 148 Gotthard Neumann an Kapitän a. D. von Schlick vom 6.2.1940. In: Ebd.

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sagte zu und besuchte zusammen mit seinem älteren Kollegen Martin Schede, Präsident des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, das Museum auf dem Kyffhäuser. Die beiden Wissenschaftler sahen sich die S ­ tücke an, verglichen sie mit anderen und kamen zu dem Schluss, dass die Funde tatsächlich keltisch waren. Als guter Kollege setzte Unverzagt Neumann von den Vorgängen in Kenntnis und berichtete ihm, dass Reinhard „über meine Ansicht etwas enttäuscht“ gewesen sei, „da er lieber Germanen gesehen hätte, doch scheint mir der Kyffhäuser in die Reihe der keltischen Höhenburgen zu gehören“. Unverzagt hielt es für angebracht, Neumann darauf hinzuweisen, er solle mit dem Bundesführer besser kooperieren. Während des Besuchs habe sich Reinhard bei ihm darüber beklagt, dass die Archäologen den Bundesführer bei „der geplanten Veröffentlichung mit den […] zugesagten Berichten hätten sitzen lassen.“149 Dies war eine krasse Verletzung von Neumanns wissenschaftlicher Integrität, vor allem weil diese Vorgänge hinter seinem Rücken stattfanden. Im letzten Brief, den Neumann an den NS-Reichskriegerbund richtete, schrieb er erzürnt, er habe „soeben in Erfahrung gebracht, dass er [Wilhelm R ­ einhard, F. L.] meine beiden Kollegen Dr. Schede und Dr. Unverzagt auf dem Kyffhäuser zu Gaste gehabt und mich bei ihnen schlecht gemacht hat, ja anscheinend weitergehend mit ihnen konspiriert in der Absicht, mich um die Früchte jahrelanger entgegenkommender Arbeit zu bringen, gewiss ein eigenar­tiges Verfahren!“ Neumann ging sogar so weit, eine Drohung auszusprechen: Hoffent­lich sei der General „klug genug die Sache nicht weiterzutreiben! Denn ich würde mir eine solche Ausnutzung meiner gebundenen Lage als Soldat natürlich nicht gefallen lassen und, wie Sie sich entsinnen werden, hat er sich schon einmal sagen lassen müssen, dass meine Arbeit unter dem Schutze von ­Alfred Rosenberg steht. Es ist doch alles in allem zu traurig, was man so erleben muss!“150 Das „KyffhäuserOpus“ wurde nie zu Ende gebracht. Nutzen für Wissenschaft und NS-Politik

Methodisch entsprach die Dokumentation Gottfried Kurths mehr oder weniger den fortschrittlicheren und neueren Standards der vor- und frühgeschichtlichen

149 Wilhelm Unverzagt an Gotthard Neumann vom 13.11.1942. In: Ebd. 150 Gotthard Neumann an Kapitän a. D. von Schlick vom 17.1.1943. In: Ebd.

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Archäologie der 1930er-Jahre.151 Er führte ein Tagebuch, in dem er Beobachtungen, Skizzen oder Interpretationsansätze zu einzelnen Befunden und Funden festhielt (Abb. 46), und eine Fundkartei. Im Tagebuch verzeichnete er auch die Wetterlage und alle sonstigen Vorgänge, die für die Rekonstruktion der Fundsituation wichtig waren. Außerdem fertigte Kurth Profilzeichnungen der Suchschnitte an, ließ sie fotografieren und trug sie zur Lokalisierung in einen Grundrissplan ein (Abb. 47  – Abb. 48). Dabei verwendete er das Positionsnummernsystem und beschrieb auf den Zeichnungen den Charakter der betreffenden Schicht. Festzuhalten ist, dass nicht von jedem Schnitt eine solche Zeichnung vorliegt; vermutlich musste sich Kurth aufgrund des Zeitdrucks einschränken und sich pragmatisch entscheiden, welches Profil den höchstmöglichen Informationsgehalt hatte. Auffällig ist, dass sich Kurth vor allem auf die prähistorischen Befunde und Funde konzentrierte, die mittelalterlichen Ruinen und Fundschichten innerhalb der Kernburg aber kaum dokumentierte. Die Dokumentation des aufgehenden Mauerwerks von Mundt und Nothnagel ist nicht auffindbar, entweder sind die Unterlagen verschollen oder haben nie existiert. Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen Kunsthistorikern und Archäologen liegen nicht vor. Neumann veröffentlichte 1940 in einer wissenschaftlichen, regional auf die Thüringer Geschichte und Altertumskunde ausgerichteten Zeitschrift einen längeren Aufsatz über die archäologischen Ergebnisse.152 Unter Mithilfe von Schirmer und Kurth wertete er vor allem die vorgeschichtlichen Funde und Befunde aus und verwies nur vereinzelt auf die mittelalterlichen. Das mittel­ alterliche Mauerwerk blieb unerwähnt. Die Auswertung erfolgte sorgfältig nach typologischen Gesichtspunkten und durch Vergleiche mit den Fundbeständen aus anderen Ausgrabungen der mitteldeutschen Region. Die Besprechung der Ergebnisse der ersten Ausgrabungsetappe nahm nur ein paar wenige Seiten ein, detailliert beschrieben wurden die Erkenntnisse, welche die Archäologen aus der zweiten Etappe gewonnen hatten. Neumann hatte gute Gründe, die vorgeschichtlichen Funde und Befunde so detailliert und empirisch fundiert zu präsentieren. 1937 und 1939 hatte er 151 Vgl. z. B. den Eintrag im Grabungstagebuch von Gerhard Bersu. Vgl. Krämer, Werner: Gerhard Bersu, ein deutscher Prähistoriker 1889 – 1964 (Vorsonderabdruck aus Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82). Mainz am Rhein 2002, S. 29. 152 Neumann, Gotthard: Kyffhäuserstudien I. Die vorgeschichtliche Besiedlung des Baugrundes der Reichsburg Kyffhausen (Unter- und Oberburg). In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 34 (1940), S. 318 – 371.

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nämlich bereits kurze Abhandlungen über die Kyffhäuser-Ausgrabungen in populärwissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Im ersten Aufsatz diskutierte er die „germanische Mythologie“, die sich seit dem Mittelalter um den Kyffhäuser entsponnen hatte,153 im zweiten schrieb er, dass die „völkische Zuordnung noch auf Schwierigkeiten [stößt]. Als Erbauer kommen Germanen und Kelten in Frage.“154 Die beiden Artikel sind als Eingeständnisse an die von Wilhelm ­Reinhard und Heinrich Himmler geforderte Fokussierung auf die „Germanenfrage“ zu interpretieren. Neumann hatte damit versucht, die schwierige wissenschaft­liche und zwischenmenschliche Situation bei der zweiten Ausgrabungsetappe zu entschärfen. Er hielt sich in beiden Artikeln unbestimmt und behauptete nichts, was er nicht ansatzweise beweisen konnte. Im Wissenschaftsfeld waren die Artikel jedoch unbrauchbar. Es erstaunt nicht, dass Neumann in den beiden populären Schriften keine vorgeschichtlichen Funde abgebildet hatte, denn im Fach wäre bald aufgefallen, dass die Artefakte nicht als germanisch interpretiert werden konnten. Mit dem wissenschaftlichen Aufsatz beabsichtigte er also, der Prähistoriker-Zunft zu beweisen, dass er die Funde richtig und nach den zeitgenössischen Standards der Vor- und Frühgeschichte analysiert und interpretiert hatte. Damit erklärt sich auch, warum er den Fundstücken aus der mittelalterlichen Zeit zunächst keine Aufmerksamkeit schenkte. Gemessen an dem Aufwand, etwas mehr als drei Jahre lang die wohl größte Burgruine Deutschlands ausgegraben zu haben, blieb der Ertrag für die Wissen­ schaft gering. Immerhin hatte Neumann eine gemeinschaftliche Publikation angestrebt, die ihrer Konzeption nach an den methodisch neueren Arbeiten von Jankuhn (Haithabu) oder Brackmann/Unverzagt (Zantoch) orien­tiert sein sollte. Zustande gekommen ist das „Kyffhäuser-Opus“ allerdings nicht. Als Erklärung dieser spärlichen Ergebnisse für die Wissenschaft sind drei Gründe anzuführen. Erstens waren die Umstände der Untersuchungen prekär: Zu wenige Wissenschaftler waren vor Ort, das Gelände war zu groß und die Arbeitsdienstmänner zu zahlreich, um bei ihren Arbeiten wissenschaftlich ausreichend betreut zu werden. Vor allem übte Wilhelm Reinhard starken Druck auf die Wissenschaftler aus und störte sie dadurch bei ihrer Arbeit. Zweitens war das Forschungsobjekt für Gotthard Neumann und seine Grabungsleiter 153 Neumann, Gotthard: Die Reichsfeste Kiffhausen, ein wiedergewonnenes Nationaldenkmal. In: Der Thüringer Erzieher 5 (1937) 17, S. 489 – 492. 154 Neumann, Gotthard: Die Ausgrabungen der Reichsburgen auf dem Kyffhäuser. In: Das Bild 7 (1939), S. 193 – 195, hier S. 193.

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Neuland. Neumann hatte mit solch großflächigen Burgruinen keine Erfahrung, bis dahin hatte er eher kleinere Ausgrabungen durchgeführt. Zudem war die archäologische Situation ausgesprochen komplex, die Kultur­schichten konnten nicht eindeutig interpretiert werden, da die Funde aus dem Mittelalter z. T. mit denen aus vorgeschichtlichen Perioden aufgrund von Umlagerungen vermischt waren. Durch Suchgräben und Profilschnitte war der archäologischen Situation nur unzureichend beizukommen, ein flächiges Abtragen der Kulturschichten war jedoch aufgrund des Zeitdrucks und des wissenschaftlichen Personalmangels nicht möglich. Neumann, Schirmer und Kurth stießen an die Grenzen ihrer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Daher ist für Neumann keine positive Bilanz zu ziehen, die Auseinandersetzungen mit Reinhard hatten seiner wissenschaftlichen Laufbahn eher geschadet als genützt. Drittens verhinderte letztlich der Zweite Weltkrieg die Fertigstellung des „Kyffhäuser-Opus“, womit dieselbe Situation vorliegt wie beim „Trifels-Werk“. Die Frage, ob das Unternehmen Wilhelm Reinhards Absichten gedient hatte, ist zunächst zu bejahen. Reinhards Laufbahn verlief erfolgreich, in der SS stieg er bis zum Obergruppenführer-SS auf. 1936 wurde er Mitglied des NSReichstags und Hitler besuchte sein Burgenunternehmen mehrere Male. Auch Heinrich Himmler war sehr am Unternehmen interessiert und setzte sich persönlich für die „Klärung der Germanenfrage“ ein, und Soldaten­legenden wie Generalfeldmarschall August von Mackensen ließen sich von Reinhard und Neumann durch die Burgruine Kyffhausen führen (Abb. 49). Dieser Erfolg war jedoch nur vordergründig, denn Reinhard geriet in den späten 1930er-Jahren innerhalb der SS unter Druck. Der Reichskriegsopferführer Hans Oberlindober wandte sich im Oktober 1939 an Himmler mit dem Hinweis, Reinhard missbrauche die SS, um seinen Führungsanspruch über die anderen Soldatenverbände durchzusetzen: „Die vielen Ehrungen, die Reinhard in der Folge zuteil geworden sind, seine Berufung in den Reichstag, die Verleihung des goldenen Ehrenzeichens und die Ernennung zum General der Infanterie haben ihn in ihrer schnellen Folge jede Selbstkritik verlieren lassen.“155 1941 beschwerte sich auch Martin Bormann bei Himmler über ­Reinhard, da dieser einen Nachruf auf Kaiser Wilhelm II. publiziert hatte. Auch innerhalb des Reichskriegerbunds war von einem „byzantinischen Nachruf“ die Rede.156 Der Erlass Hitlers zur

155 Der Reichskriegsopferführer an den Reichsführer-SS vom 18.10.1939. In: BAR, NS 19/999, Bl. 29. 156 Martin Bormann an Heinrich Himmler vom 26.6.1941. In: Ebd., Bl. 83 – 85.

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Auflösung des Reichskriegerbunds im März 1943 setzte Reinhards Laufbahn im politischen Feld dann ein Ende.157 Zwischenbilanz

Je autonomer die Archäologen arbeiten konnten, desto bessere wissenschaftliche Ergebnisse erzielten sie. Je mehr sich die Wissenschaftler nach den politischen Vorgaben richteten, umso schneller konnte Wilhelm Reinhard die Konservierungsarbeiten der Burgruine, um die es ihm letztlich ging, zum Abschluss bringen. Es ist deutlich geworden, dass sich bei den Ausgrabungen der Burgruine Kyffhausen die politischen und wissenschaftlichen Interessen nicht in Einklang bringen ließen. Bei den Auseinandersetzungen ging es keineswegs um politische Differenzen. Gottfried Kurth, sozialisiert im rechtsradikalen Studentenmilieu Jenas, war seinen überlieferten schriftlichen Äußerungen nach überzeugter Nationalsozialist.158 Die Akteure stritten sich vielmehr um Zuständigkeiten und Deutungshoheit, wobei der eigentliche Auslöser Wilhelm Reinhard war, der den Archäologen keine Autonomie zugestehen wollte. Die Opposition der Wissenschaftler gegen die Maßnahmen des NS -Politikers ist also keineswegs mit widerständigem Handeln gegenüber den NS -Prinzipien zu verwechseln. 5.1.3 KONKLUSION: ABGRENZUNGEN STATT GEMEINSCHAFTSARBEIT

Aus der Analyse der beiden Burgenunternehmen lassen sich für die Frage nach interdisziplinären, gemeinschaftlichen Arbeitsformen und der Anwendung von neuen, innovativen Methoden drei Schlüsse ziehen: 1 |  Die Wissenschaftler und die Denkmalpfleger strebten keine gemeinschaftliche Arbeitsweise an, weder auf methodischer noch auf inhaltlicher Ebene. Obwohl sich Archäologe Sprater und Burgenexperte Ebhardt die Arbeiten am Trifels teilten und an Ort und Stelle miteinander kooperierten, richtete sich 157 Reichsverfügungsblatt der NSDAP Partei-Kanzlei, Ausgabe C, vom 2.7.1943. Anordnung A 40/43, Betrifft: Auflösung des NS-Reichskriegerbunds. In: ThHStAW, Thüringisches Finanzministerium, Nr. 6630, Bl. 1. 158 Vgl. Thüringische Landesuniversität Jena. Vorlesungsverzeichnis Sommerhalbjahr 1934, 30. April bis 31. Juli, S. 33. In: UAJ; Kurth, Gottfried. Mitgliedsnr. 1182867, Ortsgruppe Jena, Gau Thüringen. Ehemals Ortsgruppe Frankenhausen, gewechselt am 3.1939, eingetreten am 1.3.1932. In: BAR, Ortsgruppenkartei, 3200/M0058, Bl. 304.

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jeder nach seinen eigenen methodischen Standards. Bei den anderen Wissenschaftlern und Kulturarbeitern ergab sich überhaupt keine Zusammenarbeit, vielmehr ignorierten sie sich gegenseitig oder arbeiteten aufgrund ihrer unterschiedlichen Interessen gegeneinander. 2 |  Was das Verhältnis von Wissenschaftlern und NS -Politikern betrifft, ist festzuhalten, dass die Wissenschaftler umso weniger gute Ergebnisse erbrachten, je stärker die NS -Politiker sie in ihrem Sinne zu steuern suchten. Das Überwiegen des heteronomen Pols führte jedoch auch dazu, dass bestimmte Ziele der NS -Politiker nicht erreicht wurden. Wilhelm Reinhards „Kyffhäuser-Opus“ konnte nicht beendet werden, weil seine Beeinflussung der Ausgrabungen die Fertigstellung der Grabungsberichte verzögerte. Mehr wissenschaftliche Autonomie hätte demnach zu einer effizienteren Erfüllung seiner Absichten geführt. Durch die vollständige finanzielle Abhängigkeit der Wissenschaftler von den NSPolitikern mussten sich die Forscher an den von den Politikern gesetzten Rahmen halten. Sie waren dadurch gezwungen, pragmatisch vorzugehen. Dabei entsprach dieser Sachverhalt dem archäologischen Tagesgeschäft. Schon im 19. Jahrhundert waren die Gründe dafür, dass bei vielen Ausgrabungen gerade nicht die neuesten und als „wissenschaftlich produktiv erkannten Methoden“ eingesetzt wurden, „primär ökonomischer Natur.“159 Es muss allerdings festgehalten werden, dass weder Wilhelm Reinhard noch Ludwig Siebert auf die Expertisen der Wissenschaftler tatsächlich angewiesen waren. Die Burgen auszugraben, zu konservieren oder zu sanieren und die Funde der Öffentlichkeit zu präsentieren, wäre ihrer Ansicht nach auch ohne die Wissenschaftler möglich gewesen. Ihre Absicht war, bedeutende Kulturunternehmen für das ‚Dritte Reich‘ zu leisten und sich dabei selbst ein Denkmal zu setzen. Wissen­schaft erschien ihnen eher als lästiges Beiwerk, vor allem wenn sie nicht die erwarteten Ergebnisse lieferte. 3 |  Auf methodischer Ebene lagen Transferprobleme grundsätzlicher Art vor. Die Methoden der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie wurden nur in unzureichendem Maße auf die Mittelalterburgen übertragen, gleichzeitig schienen die Methoden der Kunsthistoriker für die Archäologen keine Rolle gespielt zu haben. Dabei war ein solcher Methodentransfer durchaus möglich. Im Kontext des Aufschwungs des Mittelalters als Motiv und Thema in den Geistes- und Kulturwissenschaften in den 1920er-Jahren hatte Rudolf Borchardt bereits 1928 das Programm einer neuen Mittelalterforschung formuliert, einer „[m]ittelalterlichen 159 Vgl. Eberhardt, Spurensuche in der Vergangenheit, 2011, S. 47.

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Altertumswissenschaft“, die aus Ansätzen der „Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Sprach- und Literaturgeschichte“ bestehen sollte. Sein Vorschlag fand allerdings wenig Resonanz, vermutlich auch deshalb, weil Borchardt Schriftsteller war und im akademischen Feld nicht ernst genommen wurde.160 Ähnliche Ansätze wurden jedoch auch umgesetzt. Herbert Jankuhn konstatierte 1939, dass bei den Ausgrabungen der Kaiserpfalz Werla „die immer mehr zu wünschende enge Zusammen­arbeit zwischen Vorgeschichts- und Bauforscher verwirklicht worden“ sei. Die Publikation der Forschungsergebnisse erweckt tatsächlich den Eindruck, dass bei dieser Ausgrabung interdisziplinär gearbeitet wurde. Der Jahresbericht der wissenschaftlichen Aktivitäten des SS-Ahnenerbes von 1939 zeigt, dass die Kaiserpfalz Werla keine Ausnahme war, sondern dass eine solche Forschungspraxis auch bei der Untersuchung anderer Objekte angewendet wurde.161 Schon Albert Brackmann hatte mit Blick auf die Untersuchungen der Burg Zantoch berichtet, dass dort „zum ersten Male Vorgeschichtler und Geschichtsforscher in ständiger Zusammenarbeit zusammen wirkten“.162 Bei beiden Objekten handelte es sich aber nicht um hochmittelalterliche Burgen, sondern um eine Kaiserpfalz und um eine ehemals hölzerne Burg, von der keine Reste über dem Boden mehr vorhanden waren. Für eine Burg aus dem hohen Mittelalter ist eine solch „interdisziplinärholistische“ Wissen­schaftspraxis nicht überliefert. Interdisziplinarität in den historischen Wissen­schaften scheint gewissermaßen epochengebunden gewesen zu sein und endete mit dem Ende des Frühmittelalters. Bei den abschließenden Publikationen der Trifels- und Kyffhäuser-Untersuchungen wurde zwar versucht, die wissen­schaftlichen Ergebnisse multidisziplinär zusammenzuführen, zustande gekommen waren diese Synthesen jedoch nicht. Eines der wenigen Beispiele für ein solches methodisches Vorgehen ist die Untersuchung des Schlosses Hallwyl in der Schweiz von 1910 – 1916, deren Ergebnisse der Ausgräber Nils Lithberg, ein schwedischer Prähistoriker und

160 Oexle, Otto Gerhard: ‚Staat‘ – ‚Kultur‘ – ‚Volk‘. Deutsche Mittelalterhistoriker auf der Suche nach der historischen Wirklichkeit 1918 – 1945. In: Moraw, Peter/Schieffer, Rudolf (Hg.): Die deutschsprachige Mediävistik im 20. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen 62). Ostfildern 2005, S. 63 – 101, S. 81 – 82. 161 Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“, Jahrestagungen, Bericht über die Kieler Tagung 1939. Herausgegeben von: Herbert Jankuhn. Neumünster 1944. In: BAR, NS 21/827. 162 Brackmann, Albert: Die Ausgrabungen in Zantoch. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 1 (1937), S. 174 – 179, hier S. 174.

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Volkskundler, in mehreren Bänden vorlegte. Lithberg vereinte die Untersuchung von Bodenstrukturen, aufgehendem Mauerwerk sowie historischen und bildlichen Quellen, obwohl er dies nicht von Beginn an beabsichtigt hatte.163 Offenbar konnte er aber die archäologischen Methoden dem Untersuchungsobjekt anpassen. Die bei zeitgenössischen, potenziell vergleichbaren Unternehmen in der Schweiz verwendeten Methoden zeigen, dass Lithbergs Ansatz nicht aufgegriffen wurde; Untersuchungen am Mauerwerk und Ausgrabungen blieben bis weit nach 1945 methodisch voneinander getrennt.164 Das Vorgehen beim Trifels und bei der Burg­ruine Kyffhausen entsprach demnach der zeitgenössischen Forschungs­praxis an hochmittelalterlichen Burgen. Archäologen, Kunsthistoriker oder Historiker orientierten sich bei der Untersuchung einer Mittelalterburg an ihren „disziplinären Objekten“, also an vorzeitlichen Siedlungen und Befestigungen oder an hochmittelalterlichen Kirchen, und suchten nach Objekten, die sie von jenen Wissenschaftsorten her kannten. Erwin Schirmer hatte seine Dissertation zur mittelalterlichen Keramik geschrieben, galt also neben Neumann oder Paul Grimm als einer der wenigen Archäologen, die das Mittelalter erforschten. Mit der Erforschung aufgehenden Mauer­ werks hatte er sich aber nie beschäftigt, genauso wenig wie sein Doktorvater Neumann. Mittelalterarchäologie bedeutete in diesem Fall die Erforschung solcher Gegenstände des Mittelalters, die in der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie als Forschungsgegenstände etabliert waren. Bei den KyffhäuserAusgrabungen kam hinzu, dass auch das thüringische Ausgrabungsgesetz nach den Fächergrenzen und den diesen Fächern zuzuordnenden Forschungsobjekten definiert war – der Archäologe und der Kunst­historiker hatten juristisch gesehen getrennte Aufgabenbereiche, die mit ihren jeweiligen Untersuchungsgegenständen korrespondierten. Ein Blick auf die Formierung der Biochemie in den 1960er- und 1970er-­Jahren bietet einen Erklärungsansatz dieses Sachverhalts. Nach Carsten ­Reinhardt lag das Aufkommen der Biochemie darin begründet, dass Chemiker Methoden

163 Motschi, Andreas: Eine Pioniergrabung auf Schloss Hallwyl (1910 – 1916). In: Mittelalter 5 (2000) 3, S. 84 – 90, hier S. 84 – 85. 164 Vgl. Motschi, Eine Pioniergrabung, 2000, S. 89. Vgl. Dubler, Reto u. a.: Vom Dübelstein zur Waldmannsburg. Adelssitz, Gedächtnisort und Forschungsprojekt (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 33). Basel 2006. Vgl. am Beispiel einer Burgenuntersuchung im Kanton Aargau Heid, Karl: Grabungsbericht. In Argovia 50 (1939). In: StAAG, NL.A 0016, Akte 3 „Burganlagen im Kanton Aargau A-H: Akte: Hasenburg (Gwinden)“.

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der Biologie und der Physik in die Chemie importierten, um damit chemische Forschungsgegenstände zu untersuchen. Hinter diesem „bridging the boundaries“ standen handfeste ökonomische Interessen der Wissenschaftler oder die Absicht, ein höheres Maß an Kredibilität im Wissenschaftsfeld zu schaffen. Denn die bis dahin gängigen chemischen Methoden drohten zu jener Zeit ihren Universalitätsanspruch zu verlieren. In der Chemie war also eine „methodische Krise“ eingetreten.165 „To make instruments chemical – in ­devising useful methods for chemists – was […] a strategy of chemists for creating disciplinary space.“166 Für die Chemie wirkte diese Methodenübernahme disziplinär konsolidierend. Für die Burgenforschung und Mittelalterarchäologie der 1930er- und 1940erJahre waren dagegen andere disziplinäre Strukturen bestimmend. Vor- und frühgeschichtliche Archäologen waren nicht mit dem Problem eines Kredibilitätsverlusts ihrer Methoden konfrontiert, im Gegenteil, Prähisto­riker wollten die Kredibilität ihres Fachs gerade durch die „harten“ naturwissen­schaftlichen und technischen Methoden steigern und ihre Wissenschaft dadurch akademisch institutionalisieren. Sie waren nicht um eine Koope­ration auf metho­discher Ebene mit Historikern und Kunsthistorikern bemüht, sondern um eine „Prähistorisierung“ kunsthistorischer und historischer Forschungsobjekte. Die daraus hervorgehenden Strategien der Wissenschaftler zielten auf eine verstärkte Grenzziehung durch ebenjene Methoden ab und nicht auf eine Überwindung dieser Grenzen. Kunstgeschichte dagegen war ein akademisches Fach, in das Burgen als Thema eingebettet waren. Kunst­historiker hatten kein Bedürfnis danach, ihre bewährten Methoden zugunsten derer eines anderen Faches umzuwandeln oder sie durch Interdisziplinarität zu erweitern. Und außerakademische Forscher wie Ebhardt waren methodisch nicht an einer Kooperation mit Akademikern interessiert, sondern verfolgten eigene Ziele. Zudem hatte Ebhardt seit 1900 seine Methoden nicht mehr verändert, was eine Kooperation mit anderen Forschern, die über eine rein mechanische Arbeitsteilung hinausging, erschwerte. Die Etablierung einer aus unterschiedlichen Disziplinen abgeleiteten metho­ dischen Standardisierung gelang aus diesen Gründen nicht. Die neue Arbeitsform der Gemeinschaftsforschung setzte sich in der Burgenforschung nicht durch. In anderen Disziplinen, vor allem in der mittelalterlichen Landesgeschichte, war 165 Vgl. Reinhardt, Carsten: Disciplines, Research Fields, and their Boundaries. In: Reinhardt, Carsten (Hg.): Chemical Sciences in the 20th Century: Bridging Boundaries. With a Preface by Roald Hoffmann. Weinheim u. a. 2001, S. 1 – 13. 166 Reinhardt, Carsten: Shifting and Rearranging: Physical Methods and the Transformation of Modern Chemistry. Sagamore Beach, MA, 2006, S. 1 – 27, Zitat: S. 1.

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dieses Prinzip dagegen auch für die Nachkriegszeit richtungsweisend. Es lässt sich hier die These aufstellen, dass die Auswirkungen der „Krise des Historismus“ (Ernst Troeltsch) auf epistemologischer und methodologischer Ebene zusammen mit der ideologisch-politischen Neuausrichtung der jungkonservativen Volksforscher auf ‚Volk‘ und ‚Raum‘ einen profunden Wandel bewirkten, der bei einzelnen Wissenschaftlergruppen interdisziplinäres Arbeiten in der Nachkriegszeit zur Folge hatte. Dies wird am Beispiel des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte deutlich, der maßgebend auf die Initiative des ehemaligen führenden VFG-Mitglieds Theodor Mayer und vor allem auf die disziplinenübergreifende Arbeitspraxis der VFG von den 1920er-Jahren bis in die 1940er-Jahre zurückging. Walter Schlesinger sah Mayer als „eigentlichen Begründer geschichtswissenschaftlichen Teamworks“.167

167 Heinzel, Von der Volkstumswissenschaft zum Konstanzer Arbeitskreis, 2008, S. 43 – 45.

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Abb. 1  Einladung zur Eröffnung der Gauschulungsburg Hohenwerfen bei Salzburg, datiert auf Anfang März 1939. Die Fahnenstange des Burgjunkers symbolisiert die Trennung zwischen den nationalsozialistischen Tugenden – ­‚völkische‘ Behauptung im „Grenzland“, Wehrhaftigkeit, Ritterlichkeit, Schutz der deutschen „Volksgemeinschaft“ vor „Verunreinigungen“ – und solchen Elementen, die es zu vernichten und „auszutreiben“ galt. Zu Letzteren gehörten das als dämonisch gekennzeichnete Judentum und der christliche Glaube. Die hellen und dunklen Flächen unterstreichen die klare Scheidung zwischen „gut“ und „schlecht“: Das Dämonische ist dem unteren linken, vollkommen schwarzen Rand zugewiesen, die Burg als Symbol für das Heldische ist überstrahlt von Licht. Das Bild suggeriert, dass jeden Moment die Sonne am Horizont aufgehen wird. Dies verweist auf die Vorstellung, dass der Nationalsozialismus einen radikalen gesellschaftlichen Neuanfang darstellte.

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Abb. 2  Feier der Hitlerjugend auf der Jugendburg Stahleck, 20.11.1934. Burgen dienten als Kulissen für NS-Feiern. Auf diesem Bild wird deutlich, dass solche Unterhaltungen und Zerstreuungen vom Alltag die Mitglieder der HJ und des DJ begeisterten. Diese Feiern gehörten auch in den Kontext der nationalsozialistischen Leistungsschau. NS-Medien brachten zum Ausdruck, dass es sich bei der entsprechenden Leistung um eine genuin nationalsozialistische handelte, auch wenn dies von jeder Realität weit entfernt war. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz hatte bereits 1925 den Architekten Ernst Stahl mit dem Ausbau der Burg Stahleck zur Jugendherberge beauftragt. Die hier zu sehende Feier zur Grundsteinlegung war lediglich der Auftakt zu weiteren Ausbaumaßnahmen, nachdem die HJ die Burg übernommen hatte. Nach der Fertigstellung der Bauarbeiten 1938 nutzten die NS-Politiker Stahleck zunächst als Schulungsstätte für Jugendliche und junge Erwachsene. In den ersten Kriegsjahren diente sie als Wehrmachtlazarett, dann wurde sie in ein Jugendumerziehungslager umgewandelt, bevor zum Schluss ein Straflager für deutsche Jugendliche darin eingerichtet wurde.

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Abb. 3  „Deutsches Ehrenmal Quero (Oberitalien)“, 1936 und 1937 ausgebaut. Die schlichte Form des burgähnlichen Ehrenmals für die gefallenen deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg erinnert weniger an den staufischen Baustil, obwohl die Errichtung des Soldatendenkmals in der Nähe einer Stauferburg die Verbindung mit den Staufern suggerierte. Vielmehr kommt hier eine bestimmte Bauformenlehre zum Ausdruck, die Architekten und Denkmalpfleger des Heimatschutzes, so die Stuttgarter Schule und die sogenannte Schöpferische Denkmalpflege, vertraten. Es ging bei diesem Konzept nicht darum, einen staufischen Baustil zu imitieren, sondern „im heroischen Geist“ der Staufer zu bauen. Die schlichten, klaren Formen sollten das Heldische betonen, die Verwendung örtlicher Baumate­ rialien symbolisierte die Bodenverbundenheit.

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Abb. 4  Werbung für ein Volksfest von Robert Leys KdF-Organisation, das im Rahmen des Reichsparteitags der NSDAP 1936 stattfand. Seit 1927 hielt die NSDAP ihre Reichsparteitage in Nürnberg ab. Die Wahl der mittelfränkischen Stadt als Veranstaltungsort war nicht zufällig. Einerseits war Nürnberg ein bedeutender Ort für den Tourismus, andererseits bot sich die historische Kulisse Nürnbergs mit seiner Kaiserburg für die Inszenierung des politischen Mythos an. Mit dem mittelalterlichen Ambiente der Stadt ließ sich eine historische Legitimation der NS-Politik konstruieren und der „Volksgemeinschaft“ vermitteln. Es erstaunt daher nicht, dass sich NS-Politiker kurz nach dem Machtwechsel um die Restauration der Nürnberger Burg bemühten, damit die Stadt ihre charakteristische mittelalterliche Kulisse beibehielt.

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Abb. 5  „Am Westwall wacht die Ehre“, Adolf Kessler, 1939. Die Burgenkette von Trifels, Anebos und Scharfenberg wird hier visuell mit dem Westwall in Verbindung gebracht. In der NS-Mythologie spielte das chronologisch-historische Konzept von aufeinander folgenden Zeitschichten keine Rolle, zentral war vielmehr die Vorstellung, dass Objekten und Subjekten substanzielle Eigenschaften eingeschrieben waren. Burgenkette und Westwall symbolisierten Ehre, ewiges Heldentum, Wehrhaftigkeit und Kriegswille. Deutlich wird auch die Betonung der Landschaft, des Raums. Die landschaftlichen Gegebenheiten strukturierten in der Vorstellung von NS-Ideologen sowohl den strategischen Bau der drei Burgen als auch die Errichtung des Westwalls, sodass die Grenze zwischen deutschem und französischem Boden als eine natürlich gewachsene erschien.

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Abb. 6  Hans Lohbeck, Entwurf für ein Tryptichon 1, Gouache, um 1939. Die Wewelsburg ist hier als Ausgangspunkt dargestellt, von dem die gewaltsame Eroberung von „Lebensraum im Osten“ durch die SS ausgeht. Den Mittelpunkt des Bilds bildet eine Bauernfamilie. Die Männer bearbeiten den Acker, machen das Land urbar, pflanzen Eichenbäume und bauen wehrhafte Höfe, die Kinder hüten das Vieh und die Frau erscheint als „Hüterin des Lebens“. Die Motive auf diesem Bild entsprechen der Vorstellung Himmlers von der SS als „Sippenorden“ und seiner Idee einer Besiedlung eroberter Gebiete im Osten durch „germanische Bauern“. Es ist darauf zu achten, dass nur eine einzige Frau dargestellt ist. Sie ist zwar auf die Funktion der Mutter reduziert, symbolisiert zugleich aber Heiligkeit. Die Männer hingegen sind Arbeitende und Schöpfende. Zur Ideenwelt des faschistischen Mannes gehörte die Vorstellung von der ehrbaren Frau als einer Heiligen und Mutter, der Mann dagegen erobert, baut, kultiviert, schafft. Im Hintergrund ist ein großes Herrschafts- und Repräsentationsgebäude zu sehen, der Akropolis ähnlich, daneben Schornsteine von Fabriken. In der utopischen Ideenwelt Himmlers zur Gestaltung des „Ostraums“ spielten sowohl die rückwärtsgewandte und rassistische Bauernromantik eine zentrale Rolle als auch modern-industrielle Elemente.

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Abb. 7  Hans Lohbeck, Entwurf für ein Tryptichon 2, Gouache, um 1939. Eine weitere Variante des Motivs zeigt die Wewelsburg im Hintergrund. Die Bauern und Siedler sowie die Frau mit Kind sind unverändert. Die SS und die Wehrmacht hingegen sind in einen Kampf verwickelt, sie erobern entweder neuen Boden für die „Wehrbauern“ oder verteidigen Volk und „Lebensraum“ gegen Angriffe von außen. Dass ein Wehrmachtssoldat sein Maschinengewehr auf ein Flugzeug richtet, bekräftigt letztere Interpretation. Die Wewelsburg fungiert als schützendes Element, in Analogie zur Vorstellung, dass im Mittelalter der Burgherr mit seiner Burg den Bauern „Schutz und Schirm“ geboten habe. Die beiden SS-Männer mit ihrer Standarte symbolisieren den Behauptungswillen des „deutschen Volks“ im eroberten „Ostraum“.

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Abb. 8  Wasserburg Hagenwyl. Tintenzeichnung, Otto Piper, 1898. Pipers Zeichnungen von Burgen beruhten auf zwar durchaus scharfsinnigen, letztlich aber doch subjektiven, weil nicht durch technische Methoden objektivierten Beobachtungen. Auch perspektivisch ist diese Zeichnung der Wasserburg Hagenwyl (Schloss Hagenwil bei Amriswil im Kanton Thurgau, Schweiz) richtig, wissenschaftliche Aussagen zur Baugeschichte konnten damit jedoch keine getroffen werden. Die Zeichnung diente Piper daher eher zur Illustration seiner Geschichte der Burgen, bei der er sich hauptsächlich auf historische Quellen stützte. Für Bodo Ebhardt waren Pipers Zeichnungen Zeugnis von Dilettantismus.

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Abb. 9  Fotografie der Burg Cesena, Emilia-Romagna, Bodo Ebhardt, 1909. Besser als eine Zeichnung einer Burg aus der Vogelperspektive konnten für Bodo Ebhardt Fotografien das Beobachtete dokumentieren. Die Gefahr des Subjektivismus war damit gebannt, zumal Ebhardt die jeweilige Burg zusammen mit Helfern auch vermaß und seine Daten auf Plänen maßstabsgetreu festhielt. Bei dieser Herstellung von Objektivität, eine Entwicklung, die im späten 19. Jahrhundert vor allem in den Naturwissenschaften einsetzte und in deren Folge der Zeichenstift nach und nach verdrängt wurde, handelte es sich jedoch nicht um eine „mechanische Objektivität“. Die Fotografie der Burg Cesena spiegelt gleichermaßen Ebhardts ästhetischen Sinn in Bezug auf die Inszenierung eines mittelalterlichen Wehrbaus. Dies jedoch trübte weder Ebhardts wissenschaftlichen Blick noch war diese Ästhetik seiner Reputation als wohl bedeutendster Burgenexperte Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abträglich.

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Abb. 10  Burg Trifels, Bodo Ebhardt, 1938. Bodo Ebhardts wissenschaftliche Waffe im Kampf gegen seine Konkurrenten in der Burgenkunde waren standardisierte Methoden der Vermessung von Gelände und aufgehendem Mauerwerk der Burgen und Ruinen. Auf dem Grundriss der 1937 von Ebhardt und anderen Wissenschaftlern untersuchten Burg Trifels sind die vor der Ausgrabung vorgefundenen Reste von Umfassungsmauern und Gebäuden eingezeichnet. Die gestrichelten Linien zeigen die hypothetisch zu erwartenden Befunde an, die durch die Ausgrabungen aufgedeckt werden sollten. Der Grundriss und die Seitenansicht der Burg Trifels, die Ebhardt zusammen mit den Vermessern angefertigt hatte, sind auch Zeugnis seines spezifischen Zeichenstils. Ästhetische Vorstellungen und technisch genaue Befundaufnahme gingen bei Bodo Ebhardt ineinander über.

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Abb. 11  Titelblatt „Der Burgwart“ 15 (1914) 6, Bodo Ebhardt, 1909. Ebhardt hielt auf dieser Handzeichnung ein Bedrohungsszenario fest. Deutsche Burg und Deutsches Reich wurden von außen, symbolisiert durch den Drachen, angegriffen. Für das Titelblatt der Ausgabe des „Burgwart“ kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs passte die Zeichnung bestens, wenngleich Ebhardt sie bereits 1909 angefertigt hatte. In der Entstehungszeit der Zeichnung wollte Ebhardt wohl auf den drohenden Verfall vieler Burgen hinweisen, die ohne Denkmalschutz nicht gerettet werden konnten. Im Kontext des Ersten Weltkriegs stand die Zeichnung für Ebhardts Einschätzung der Lage des Deutschen Reichs, nämlich eines territorial-politischen Gebildes, das von den europäischen Mächten angegriffen wurde. Damit erschienen die Deutschen nicht als Aggressoren, sondern als Verteidiger der gerechten mittelalterlichen Ordnung Europas, die nur das Deutsche Reich gewährleisten konnte.

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Abb. 12  Maueransicht des noch vorhandenen Bestands an der Nordseite des sogenannten Kapellenturms der Burg Trifels, Maßstab 1 : 50, Bodo Ebhardt, 1937. Die Befunde an den Mauern und die Messdaten sind auf der Zeichnung eingetragen, Stoßfugen – das sind Fugen, die durch das Zusammenstoßen zweier Mauern entstehen und daher als Indikatoren für eine unterschiedliche Bauzeit der beiden Mauern gelten – sind deutlich gekennzeichnet. Mit seinem zeichnerischen Stil hob Ebhardt den besonderen Charakter dieses Mauerwerks hervor, das Buckelquadermauerwerk genannt wird, da die Schauseiten der Bausteine so bearbeitet wurden, dass sie wie Buckel herausstehen. Im Gegensatz zur archäologischen Zeichnung werden die Befunde und Beobachtungen aber nicht beschrieben.

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Abb. 13  Grundrissskizze der Burg Trifels mit farbig markierten Bauphasen der einzelnen Bauteile, Bodo Ebhardt, 1937. Hierbei handelt es sich um dieselbe Grundrissskizze wie Abb. 10, allerdings in einem späteren Stadium der Untersuchungen. Weitere Mauerteile sind in der Zwischenzeit ausgegraben und auf der Skizze eingetragen worden. Ebhardt und die anderen Wissenschaftler haben damit begonnen, die Bauteile aufgrund der vor Ort gemachten Beobachtungen einzelnen Bauphasen zuzuweisen, die sie mit unterschiedlichen Farben kennzeichneten. Die rot gefärbten Mauerteile und Gebäude stellen die erste und damit älteste Phase dar.

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Abb. 14  Titelblatt des ersten Bands der „Burgen Italiens“, Bodo Ebhardt, 1909. Die ästhetischen Vorstellungen Ebhardts sind auf diesem Bild vereint mit seiner pangermanischen Weltanschauung und der Ansicht, dass Kaiser Wilhelm der legitime Nachfolger der großen Stauferherrscher sein sollte. Die Art des Zeichenstils entspricht Ebhardts Vorstellung von „altdeutschem Geschmack“, mit dem er den „guten Stil“ mittelalterlicher Kunst assoziierte.

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Abb. 15 – 17  Karte I–III: Fundstellen von Objekten der „(böhmisch )sächsischen“ und „(hessisch )thüringischen“ Gruppe innerhalb der Glockenbecherkultur (I), Fundstellen, bei denen Objekte der „(böhmisch )sächsischen“ und „(hessisch )thüringischen“ Gruppen innerhalb der Glockenbecherkultur zusammengefasst sind (II), und Fundstellen der „thüringisch-sächsischen“ Mischgruppe (III). Die Verkopplung von archäologischem Objekt und Menschengruppe im Raum wird auf den Karten deutlich. Gotthard Neumann, der diese Karten vor 1929 angefertigt hatte, beabsichtigte, die vor- und frühgeschichtliche Archäologie Mitteldeutschlands durch die Fundinventarisation und die Kartierung der Funde neu zu ordnen. Als Objekte bestimmte er „Einzelfunde“ und „Depotfunde“, die ethnische Rückkoppelung ergibt sich durch die Verbindung der materiellen Objekte mit „Siedlung“ und „Grabstellen“. Diese epistemische Grundlage erlaubte es, Siedlungsbewegungen (Wanderungen, Ausbreitungen) von Menschengruppen, Völkern oder Stämmen historisch zu verfolgen.

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Abb. 18  Der junge Walter Hotz auf einer Wanderung durch die „deutsche Heimat“, undatiert. Mit ernster Miene demonstriert Walter Hotz dem Fotografen sein Interesse an der Kultur der Heimatregion, hier an der Architektur eines historischen Bauernhauses. Von Kindesbeinen an wurde dieser Habitus des wissenschaftlich und kulturell an der Heimat interessierten Gelehrten, der Werte wie Stolz auf das Vaterland oder Verbundenheit mit dem Heimatraum vertrat, in der Familie Hotz durch Wanderungen eingeübt. Hervorzuheben ist die Ernsthaftigkeit, mit der Hotz bereits als Junge seine Leidenschaft betrieb. Man gewinnt den Eindruck, als ob Walter Hotz’ Laufbahn als Kunsthistoriker schon zu diesem Zeitpunkt vorgezeichnet war. Das Notizbuch sollte auch für den späteren Kunsthistoriker das wichtigste Aufschreibsystem sein.

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Abb. 19  Walter Hotz in Pfadfinderuniform, um 1930. Auch auf dieser Fotografie ließ sich Walter Hotz mit strenger Miene abbilden. Seine weltanschaulichen Ansichten verkörperte in seinen Augen vor allem die CP. Zum militärischen Habitus der Pfadfinder gehörten Werte und Haltungen wie Stolz auf Volk, Heimat und deutsche Kultur, der „Abwehrkampf“ gegen den Einfluss der Franzosen im Westen Deutschlands, die hierarchische Sozialordnung, die als organische Gemeinschaft von „Führer“ und „Gefolgschaft“ verstanden wurde, und die Bereitschaft zur Verteidigung der Pfadfindergemeinschaft. Deutlich werden auf der Fotografie aber auch Walter Hotz’ intellektualistische Züge, wofür der eher feine Körperbau und die Brille kennzeichnend sind. Das Bild symbolisiert gewissermaßen das Konzept der „kämpferischen Wissenschaft“.

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Abb. 20  Walter Hotz und seine CP-Gruppe halten eine nächtliche Sonnenwendfeier ab, undatiert. Mit solchen ­Ritualen stärkten die Pfadfinder den Gemeinschaftssinn ihrer Gruppe. Diese Feiern germanisch-heidnischen Ursprungs waren in den 1920er-Jahren nicht nur in neuheidnischen oder alternativreligiösen Gruppen verbreitet, sondern gehörten generell zu den Praktiken der Jugendbewegung und von lebensphilosophisch orientierten Strömungen. Auch die protestantisch-lutherisch ausgerichtete CP sah darin keine Abweichung von ihrer christlichen Haltung. Vielmehr, so belegen sowohl die Jugendschriften als auch die späteren wissenschaftlichen Erzeugnisse von Walter Hotz, verstanden die Pfadfinder unter Christentum ein „germanisches Christentum“, bei dem die christlichen Tugenden nur für bestimmte, ‚völkisch‘ definierte Gruppen galten.

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Abb. 21  Walter Hotz, in der Mitte mit Hut, und seine CP-Gruppe auf einer Burg, undatiert. Das Bild zeigt Hotz eindeutig als Anführer der Gruppe. Als solcher und als kunst- und geschichtskundiger Jüngling führte er seine Pfadfinder auf die Burgen und zu den Ruinen der Heimatregion. Die mittelalterlichen Wehrbauten gehörten zur Gesellschaftsutopie der Bündischen Jugend. Sie waren Symbole für die „völkische Erneuerung“ und die Sehnsucht nach einem „kommenden Reich“, einem „geheimen Deutschland“ (Stefan George). Burgen galten den Jugendlichen als besondere Kraftorte. Dieses Gedankengut verdichtete sich in der Idee von der sogenannten Jugendburg. Dabei handelte es sich um Burgen und Ruinen, die bestimmte Gruppen der Bündischen Jugend als Treffpunkte oder Zentren in Beschlag nahmen und in denen dann meist eine Jugendherberge eingebaut wurde.

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Abb. 22  Walter Hotz, in der Mitte auf der Säulenbasis stehend, führt deutsche Offiziere durch die Ruinen des antiken Saloniki, Griechenland, 1942/1943. In Saloniki betätigte sich Hotz in der deutschen Kulturpolitik. Als Kunsthistoriker verfügte er über Wissen über die griechischen Kunst- und Kulturschätze und brachte Wehrmachtsoffizieren die wichtigsten kunsthistorischen Kenntnisse nahe. Gemäß seinen Radiovorträgen für den Wehrmachtsender Saloniki ging es ihm aber auch darum, den deutschen Besatzern darzulegen, dass die Kunst- und Kulturwelt Griechenlands mit derjenigen des deutschen Reiches in einem inneren Zusammenhang stand, was auf die wissenschaftliche Legitimation der deutschen Aggressionspolitik in Europa hinauslief.

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Abb. 23  Karte des „mittelrheinischen Burgensystems“, Walter Hotz, 1937. Hotz’ Karte des Mittelrheins zeichnet sich durch die plastische Darstellung von Raum/Landschaft und den darin angelegten „Reichsburgen 1. und 2. Ordnung“ aus, womit Hotz „staufisches Eigengut“ oder „Ministerialsitze“ respektive „Reichslehen“ oder „grundherrliches Allod“ meinte. Der Raum determiniert die strategische Planung der Burgensysteme, die ihrerseits nach Mittelpunkten und umliegenden Burgen geordnet sind. Dadurch ließen sich wehrbauliche Subräume konstruieren, die zusammengenommen das „mittelrheinische Burgensystem“ darstellten. Die expressiv gezeichnete Karte soll verdeutlichen, dass ‚Raum‘ und ‚Burg‘ in einer symbiotischen Beziehung zueinander stehen.

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Abb. 24  Fränkische und thüringische Burgenlandschaften, Walter Hotz, 1940. Diese Burgenkarte ist stilistisch gleich gestaltet wie die Karte in Abb. 23. Es wird allerdings deutlich, dass Hotz hier scheinbar größere Mühe hatte, die räumliche Anordnung der Burgen wissenschaftlich zu erfassen und darzustellen. Der „Main-Saale-Bogen“ oder der „Regnitz-Abschnitt“ sind nicht durch Linien zu „Burgensystemen“ zusammengefasst, sondern sind eher als lose räumlich-strategische Einteilungen zu verstehen, die durch Flüsse oder Wälder voneinander getrennt werden. Es wird deutlich, dass Hotz mit seinen expressiv gezeichneten Karten darzulegen versuchte, dass die Strukturen zwischen den Burgen und den Kaiserpfalzen sowie zwischen den Wehrbauten und dem Raum für das Verstehen der Inten­ tionen entscheidend waren, die hinter dem mittelalterlichen Burgenbau standen.

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Abb. 25  Karte Nr. 7 „Die mittelalterlichen Gaue“ aus dem „Geschichtlichen Handatlas der Rheinprovinz“, 1926. Diese Karte ist von ganz anderem Charakter als die Karten von Walter Hotz. Es geht um eine möglichst sachliche Darstellung empirisch ermittelter Daten, die dann allerdings in einem ‚völkischen‘ Sinne interpretiert werden konnten. Die Autoren des Handatlas waren darum bemüht, in den Karten keine politischen Tendenzen sichtbar werden zu lassen. So erscheint die spätere wissenschaftshistorische Ansicht, die ‚völkischen‘ Denkfiguren in den Texten der Autoren von den neuen und empirischen Methoden zu trennen, durchaus plausibel. De facto lässt sich das eine vom anderen nicht abkoppeln, da hinter der Erstellung dieser Karte ‚völkisch‘-revisionistische Absichten steckten.

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Abb. 26  Historischer Umzug an den Annweiler Heimattagen, August 1937. Zur Popularität von Mittelalterkultur im NS-Regime trug die lokale und regionale Bevölkerung aktiv bei. In der Pfalz mit ihren mittelalterlich anmutenden Dörfern war eine solche Mittelalterbegeisterung besonders ausgeprägt. NS-Politiker und NS-Ideologen konnten durch die Organisation solcher Feiern ihre ideologischen Inhalte der Bevölkerung leicht vermitteln, insbesondere deshalb, weil Heimatstolz und Wehrbereitschaft bereits vor 1933 bei solchen Festzügen zentrale Elemente waren. Darüber ergaben sich vielfältige Anschlüsse an die NS-Weltanschauung. Auch Burgenforscher und Burgendenkmalpfleger unterstützten solch populäre Veranstaltungen, denn dadurch ließ sich die eigene kulturelle und wissenschaftliche Praxis gesellschaftlich legitimieren und finanziell absichern.

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Abb. 27  Ludwig Siebert eröffnet die Trifelsstraße anlässlich der Annweiler Heimattage, August 1937. Neben der Offenheit der Annweiler Bevölkerung für mittelalterliche Kultur und Burgensanierungen spielten für das Gelingen und die Popularität des Trifels-Unternehmens die Charakterzüge desjenigen NS-Politikers eine wichtige Rolle, der die Idee einer umfassenden Sanierung der Burg umsetzte, nämlich Ludwig Siebert. Siebert war gebürtiger Pfälzer und zeigte sich heimatverbunden. Sein Versprechen, der Pfalz kulturell zu helfen, indem Ruinen saniert und touristisch mit Straßen und Wegen erschlossen würden, setzte er in die Tat um, was die Popularität seiner Person massiv steigerte. Davon profitierten auch Denkmalpfleger und Wissenschaftler.

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Abb. 28  Gerüst an der Vorburg des Trifels, Winter 1937 oder Frühjahr 1938. Im unwegsamen Gelände Gerüste zu stellen, war ein aufwendiges Unternehmen. Solche Arbeiten nahmen Zeit in Anspruch, die eigentlich für die wissenschaftlichen Untersuchungen eingerechnet war. Verzögerungen bei Ausgrabungen waren daher die Regel, die Organisation und der Ablauf einer Ausgrabung waren oft nicht bis ins Detail planbar. Auf dieser Fotografie wird deutlich, dass Friedrich Sprater die wissenschaftlichen Befunde, in diesem Fall Mauerreste und Gebäude, mit Nummern kennzeichnete, um sich bei der Auswertung der Dokumentation später zurechtzufinden.

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Abb. 29  „Trifels, Felsplatte im Süden des Hauptturmes, vom Hauptturm aus gesehen.“ Lagerung der Bau- und Gerüstmaterialien auf engstem Raum, zwischen und auf archäologischen Befunden, vermutlich Sommer 1937. Dieses Bild verdeutlicht nicht nur die Enge des Ausgrabungsgeländes, sondern auch, dass die Bauarbeiten parallel zu den wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt wurden. Den wissenschaftlichen Untersuchungen wurde zwar Wichtigkeit eingeräumt, das bedeutete jedoch nicht, dass die Wissenschaftler in Ruhe forschen konnten und die Ausbaumaßnahmen erst danach erfolgten. Durch dieses Vorgehen erhöhte sich der Druck auf die Forscher, was die Qualität der wissenschaftlichen Dokumentation beeinträchtigte.

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Abb. 30  Bauassessor Dipl.-Ing. Wilhelm Gollwitzer, der die Ausgrabungsarbeiten überwachte und den Neubau leitete, in seinem Baubüro auf dem Trifels, undatiert. Der Arbeitsplatz des Wissenschaftlers und Technikers musste auf das Grabungsgelände oder in dessen Nähe verlegt werden, um die fortwährende Dokumentation, Schreib- und Zeichenarbeit im Verlauf der Grabungsarbeiten gewährleisten zu können. In diesem mobilen Arbeitsraum wurden Funde, Zeichnungen, Notizen, Vermessungsdaten und Pläne in eine wissenschaftliche Ordnung gebracht, die erste Interpretationen des Beobachteten erlaubte. Dabei war es wichtig, Beobachtungen, die auf dem Grabungsgelände gemacht wurden, unmittelbar festzuhalten, sodass sie nicht verloren gingen.

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Abb. 31  „Trifels. Nordseite“. Improvisierte Wasserleitung, gestützt durch Balken, vermutlich Winter 1937. Metho­ dische Standardisierungen in der Archäologie waren zwar entscheidend für deren Professionalisierung, auf der Ebene der konkreten Forschungspraxis wurden jedoch ihrer Anwendbarkeit durch die Unabwägbarkeiten des Geländes oft enge Grenzen gesetzt. Methodisches Vorgehen und die Verlegung von Infrastruktur mussten dem jeweiligen Grabungsplatz angepasst werden. Archäologische Praxis war immer auch eine Praxis der Improvisation, wie hier an dieser notdürftig verlegten Wasserleitung zu sehen ist.

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Abb. 32  „Vorburg unterhalb des Palas“. Bodo Ebhardts Gerüst zum Abkarren des Schutts, undatiert. Wie bei Abb. 31 beschrieben, gehörte zu einer erfolgreichen archäologischen Ausgrabung Improvisationstalent. Ebhardts ­Einfall, ein spezielles Gerüst zu konstruieren, um Schutt und Geröll vom Ausgrabungsgelände nach unten zu befördern, erleichterte die Arbeiten erheblich. Gleichzeitig erforderte dies aber auch Zeit, die gerade bei den wissenschaftlichen Arbeiten am Trifels knapp bemessen war. Friedrich Sprater musste daher mit rhetorischem Geschick den Geldgebern der Ausgrabungen verständlich machen, dass die Wissenschaftler mehr Zeit als geplant für bestimmte Arbeiten benötigten. Misslang diese Strategie, war der wissenschaftliche Ertrag einer Ausgrabung gefährdet.

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Abb. 33  „Ostseite. Vorburg“, Schienensystem zum Abführen der Schuttmassen, undatiert. Auch auf diesem Bild wird deutlich, wie aufwendig das Erstellen der nötigen Infrastruktur bei der Ausgrabung des Trifels war. Bei archäologischen Arbeiten an mittelalterlichen Burgen kommt allerdings ein Aspekt hinzu, der bei anderen Grabungsplätzen nicht ins Gewicht fiel: Die Mehrzahl der Burgen ist auf Hügeln oder Felsvorsprüngen angelegt. Die Installation der Infrastruktur ist aufgrund des oft steilen und unwegsamen Geländes erschwert, manchmal gar unmöglich, was ein systematisches Vorgehen bei den Ausgrabungsarbeiten erschwert. Im Fall der Ausgrabungen der Burg Trifels mussten künstlich aufgeschüttete Gehhorizonte, also Ebenen, die als Zugangswege dienten, angelegt werden, was wiederum die archäologischen Befunde beeinträchtigte.

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Abb. 34  „Trifels: Palas, Erdgeschoss, Verbindung, Türe zum Schacht“. Die mit roter Tinte auf die Fotografie eingetragene Positionsnummer 30 bezeichnet die „Türe zum Schacht“, Nr. 29 steht für das Erdgeschoss des Palas, undatiert. Besonders in einem so komplexen Gelände wie einer Burg muss der Archäologe darauf bedacht sein, den Überblick über die Befunde zu behalten. Das Positionsnummernsystem gewährleistet, die Befunde voneinander trennen zu können und sie dann in eine relativchronologische Beziehung zueinander zu setzen. Durch Hinweise, die eine absolute Datierung eines Befunds erlauben, kann im Anschluss eine historische Abfolge der verschiedenen, zu Bauphasen zusammengefassten Befunde erstellt werden.

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Abb. 35  „Trifels. Vorburg unterhalb des Hauptturmes“. Solche Mauerreste (wie Nr. 19) zeichneten die Wissenschaftler auf einem Grundrissplan ein und verbanden sie miteinander zu Gebäuden, undatiert. Ohne die Methode des Positionsnummernsystems wäre der Zusammenhang dieses Mauerstücks mit anderen Mauerresten auf dem Gelände der Burg nicht herzustellen gewesen. Darüber hinaus verdeutlicht die Fotografie, dass beim Trifels-Unternehmen nicht stratigrafisch, also den Kulturschichten folgend, gegraben wurde. Unterhalb der Steinplatten, auf denen der Ausgräber steht, zeichnet sich ein archäologisches Profil ab, das aber offensichtlich weder eingemessen noch dokumentiert wurde. Die Ausgräber der Burg Trifels interessierten sich mehr für Mauerreste und die ursprüngliche Ausdehnung der Burg, weniger für die materielle mittelalterliche Kultur. Die Analyse der Kulturschichten und der darin befindlichen Befunde und Funde hätte jedoch Zusammenhänge mit dem Baubestand aufzeigen können. Dies wurde am Trifels nicht vorgenommen, vielmehr erhielten Sprater und Ebhardt mehr oder weniger diejenigen Informationen, die sie im Vorhinein erwartet hatten.

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Abb. 36  „Trifels. Jahreszahl am unteren Tor des Torweges“, undatiert. Hierbei handelt es sich um einen absolutchronologischen Aufschluss. Findet sich ein solches Indiz an einem Befund, der im relativchronologischen Zusammenhang steht, hier also am unteren Tor des Torwegs, so können anhand dieses chronologischen Ankers die anderen Befunde, von denen man im Idealfall weiß, in welcher Abfolge sie zueinander stehen, in ein absolut datiertes Raster eingehängt werden. Solche Befunde schützen aber nicht vor Analogieschlüssen. In diesem Fall musste zunächst geklärt werden, ob die eingravierte Zahl „1569“ tatsächlich auf die Konstruktion des Tors verweist.

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Abb. 37  „Einarbeitungen auf der Südspitze des Felsens“, undatiert. Solche Befunde wurden oft als Hinweise auf eine hölzerne Vorgängerkonstruktion gedeutet und damit auf eine erste, meist frühmittelalterliche oder noch frühere Besiedlungsphase des Platzes. Auch Friedrich Sprater neigte zu solchen Deutungen. Dabei erwiesen sich diese Interpretationen in vielen Fällen als Analogieschlüsse, die weniger auf an den Befunden orientierten Überlegungen basierten, sondern vielmehr von der theoretischen Annahme geleitet waren, von jeder Burg müsse es eine frühmittelalterliche oder noch frühere Vorgängerkonstruktion gegeben haben.

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Abb. 38  „Mauerwerk an der Ostseite unter dem Palas“, Bodo Ebhardt, 8. August 1937. Ebhardts Aufzeichnungssystem unterschied sich frappant von demjenigen Friedrich Spraters. Während Sprater befundorientiert arbeitete, interessierte sich Ebhardt als Architekt und Burgenbauer vor allem für die Beschaffenheit und Machart der Mauern. Ebhardt beobachtete und zeichnete zwar Befunde, die für die Bestimmung der Bauphasen wichtig waren, eine Interpretation ist auf seinen Plänen und Maueransichten jedoch nicht zu finden. Auf dieser Maueransicht war ihm vor allem wichtig darzulegen, dass das vordere und das hintere Mauerwerk von völlig anderem Charakter waren (hinteres Mauerwerk: salische Zeit, vorderes Mauerwerk: staufisch).

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Abb. 39  Kyffhäuser-Denkmal und Gaststätte, die ebenfalls dem NS-Reichskriegerbund gehörte, undatiert. Foto: P. Bark. Der Kyffhäuser ist mit dem Bau des Denkmals 1890–1896 nicht nur zu einem Ort nationaler und nationalistischer deutscher Erinnerung geworden, sondern auch zu einem einträglichen Touristenzentrum, das reichsweit bekannt war. Auf dem Bild sind die Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeiten und das Denkmal zu sehen. Beide Elemente stehen für die Charakteristik der nationalen Erinnerungskultur des Kaiserreichs, bei der bürgerliche „Innerlichkeit“ und „Verrummelung“ ineinander übergingen. Auch bei den wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Arbeiten auf dem Kyffhäuserburgberg, die vom Reichskriegerbund „Kyffhäuser“ in den 1930er-Jahren initiiert und bezahlt wurden, stand der touristische und symbolische Wert im Vordergrund.

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Abb. 40  „Stabsbesprechung im Innenhof“ der Kyffhäuser-Unterburg, 1935/1936. Erwin Schirmer in SS-Uniform, der zweite von links ist Wilhelm Reinhard. Foto: P. Bark. Bei der ersten Ausgrabungsetappe auf der „Reichsburg“ Kyffhäuser stand eindeutig der Wille Wilhelm Reinhards im Vordergrund, Ausgrabungsleiter Erwin Schirmer richtete sich nach den Wünschen und Absichten des Reichskriegerführers. Dies wird auf dem Bild durch das Auftreten Schirmers in SS-Uniform symbolisiert. Da Reinhard ein hoher Offizier in der SS war, erhoffte sich Schirmer wohl durch sein Verhalten eine positive Wirkung für die eigene Karriere.

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Abb. 41  Adolf Hitler und Entourage mit Wilhelm Reinhard (in zivil) auf dem Kyffhäuserburgberg, 1939. Foto: P. Bark. Das Kyffhäuser-Unternehmen genoss großen Symbolwert im NS-Regime. Dies wurde durch die Besuche Hitlers, hier 1939 anlässlich des Reichskriegertags, untermauert. Die Unterstützung von Burgenrestaurationen und Ausgrabungen gehörte zur innenpolitischen Kulturpolitik des NS-Regimes, was von der NS-Elite tatkräftig unterstützt wurde. Im Hinblick auf die Karriere Reinhards hatte sich sein Einsatz jedoch nicht ausgezahlt, da der Reichskriegerbund von Hitler letztlich aufgelöst wurde.

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Abb. 42  „Unterburg 1935/1936, Vorhof mit Haupttor von Osten“. Foto: P. Bark. Die Arbeitsdienstmänner sind fleißig bei der Arbeit auf dem Gelände der Unterburg. Sie waren für die mechanischen und körperlichen Arbeiten zuständig, durch die sie im Sinne der Arbeitsdienstidee zu guten „Volksgenossen“ mit einem Sinn für nationale deutsche Kultur erzogen werden sollten. Die Abbildung macht deutlich, dass es für einen einzelnen Archäologen unmöglich war, die verrichteten Arbeiten wissenschaftlich adäquat zu dokumentieren.

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Abb. 43  „Sprengung im Innenhof, von Südost“, 1935/1936. Foto: P. Bark. Bei der ersten Grabungsetappe wurde mit groben Mitteln vorgegangen. Sprengungen dienten gewöhnlich zur Entfernung von Wurzelstöcken. Dass hierbei Kulturschichten, Befunde und Funde zerstört wurden, braucht nicht eigens hervorgehoben zu werden, ist aber ein Indiz dafür, dass die wissenschaftliche Dokumentation bei dieser ersten Etappe des Grabungsunternehmens auf dem Kyffhäuser nicht im Vordergrund stand.

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Abb. 44  Grundrissskizze, vermutlich von Erwin Schirmer, auf der die Befunde verschiedenen Bauphasen zugeteilt sind, undatiert. Auf der oberen Zeichnung ist dasjenige Mauerwerk eingezeichnet, das vor der Grabung erkennbar war. Auf der unteren Zeichnung sind zusätzlich alle Partien ersichtlich, die ausgegraben wurden. Aufgrund relativchronologischer Überlegungen und durch die Analyse der Kulturschichten, Befunde und Funde konnten die einzelnen Teile unterschiedlichen Bauphasen, hier als „Anlagen“ bezeichnet, zugeordnet werden.

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Abb. 45  „Reichsführer SS auf dem Kyffhäuser“. Heinrich Himmler und Wilhelm Reinhard in SS-Uniformen, Gottfried Kurth in zivil, 1938. Fotos: P. Bark. Auf dem unteren Bild teilt Himmler seine Beobachtungen zu den KyffhäuserFunden Kurth und Reinhard mit. Bezeichnend für das Verhältnis zwischen Gottfried Kurth und Wilhelm Reinhard ist die mittlere Fotografie. Kurth scheint gerade eine Konversation mit Himmler über die Befundinterpretation geführt zu haben, sozusagen eine Diskussion unter „Fachleuten“. Reinhard ist Kurths Ausführungen gegenüber wohl skeptisch, was er durch seine väterlich-herablassende Miene zum Ausdruck bringt.

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Abb. 46  Grabungstagebuch von Gottfried Kurth. Links sind die verschiedenen Suchschnitte verzeichnet, die Kurth vor allem außerhalb der eigentlichen Kernburg anlegen ließ, 1938. Das Grabungstagebuch als archäo­logisches Aufschreibsystem hat den Vorteil, Beobachtungen an Ort und Stelle festhalten zu können. Gleichzeitig dient es auch der Kontrolle und Rechtfertigung, denn auf diese Weise kann über die Fortschritte oder über die Gründe eventueller Verzögerungen bei der Ausgrabung Aufschluss gegeben werden. Die Notizen zu Schnitten, Profilen und sonstigen Befunden sowie die Beschreibung von Fundstücken sind in diesem Fall ziemlich ausführlich und lassen auf die akribisch-systematische Art von Kurths wissenschaftlichem Stil schließen. Ein solches Vorgehen bedurfte der eingehenden Beobachtung der freigelegten Flächen und der Profile, was Zeit in Anspruch nahm.

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Abb. 47  Skizze eines Profils an der Südostmauer der Oberburg im Maßstab 1 : 20, Gottfried Kurth, 1938. Die beobachteten Kulturschichten und ihr Verhältnis zueinander sind schematisch dargestellt und mit Positionsnummern versehen, die mit den Befundbeschreibungen am Rand der Skizze korrespondieren. In Wirklichkeit verhält es sich mit dem Schichtaufbau keineswegs so klar, wie hier dargestellt. Die Profilskizze ist in diesem Sinne kein Abbild einer beobachteten Realität, sondern bereits eine Form der Interpretation einer archäologischen Situation durch den Zeichner. Ähnlich wie bei den Mauern und Gebäuderesten geht es auch hier darum, zunächst eine relativchronologische Abfolge zu bestimmen. Im nächsten Schritt wird versucht, diese Abfolge mit absolutchronologischen Aufschlüssen zu verbinden, um ein Datierungsraster zu erhalten.

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Abb. 48  „Westwand/Suchgraben 2 mit Brandschicht 1118 und Germanenschicht. Südmauer außen, Flucht Westseite, Turm“, 1938. Foto: P. Bark. Wie diese Fotografie zeigt, ist die reale Situation der Schichtabfolge bei Profilen wesentlich komplexer als in der schematischen Skizze dargestellt. Der archäologische Blick muss geübt und geschult sein, um die Befunde „richtig“ zu deuten. Was der Archäologe an Profilschnitten sieht und erkennt, hängt entscheidend davon ab, wie groß seine Erfahrung als Ausgräber ist und bei wem er die archäologische Praxis erlernt hat.

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Abb. 49  „Generalfeldmarschall von Mackensen auf dem Kyffhäuser.“ Von rechts nach links: Gotthard Neumann, August von Mackensen, Gottfried Kurth, Wilhelm Reinhard, 1938. Foto: P. Bark. Das Kyffhäuser-Unternehmen war ausgesprochen prestigeträchtig. Sowohl Hitler als auch bekannte Persönlichkeiten wie Generalfeldmarschall von Mackensen besuchten die Ausgrabungsstätte. Dies kam nicht nur Wilhelm Reinhard als Legitimation seines Unternehmens zugute, sondern auch den Archäologen. Neumann verfolgte eine Popularisierungsstrategie, um Relevanz der Vor- und Frühgeschichte in der Öffentlichkeit zu schaffen und die Bodendenkmalpflege auszubauen. Obwohl die Ausgrabungsarbeiten auf dem Kyffhäuser für ihn ausgesprochen aufreibend waren, wissenschaftlich wie zwischenmenschlich, verband er damit doch auch die Absicht, seine Position in Thüringen zu festigen.

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6 SCHLUSSFOLGERUNGEN In diesem Teil werden die Hauptergebnisse der Untersuchung zusammengeführt. Auf der Ebene der historischen Wissenschaftssoziologie gilt es zum Ersten die Faktoren zu benennen, die dazu geführt haben, dass es zu keiner Autonomisierung der Burgenforschung während der NS -Herrschaft kam. Was den historischen Kontext der Burgenforschung im NS -Regime betrifft, muss zum Zweiten gefragt werden, welche Rolle und Funktion das ‚Völkische‘ und ‚Rassische‘ in der Burgenforschung spielte und wie dies mit deren nicht erfolgter Homogenisierung und akademischer Etablierung zusammenhing. Darauf basierend werden zum Dritten die methodischen und theoretischen Modernisierungseffekte in der Burgenforschung, die sich in den 1930er- und 1940er-Jahren festsetzten, und die damit zusammenhängende Problematik diskutiert. 6.1 KEINE AUTONOMISIERUNG DER BURGENFORSCHUNG IM NS-REGIME

Burgenforschung war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weder ein Fach noch eine etablierte Hilfswissenschaft, und in der Kunstgeschichte waren Burgen als Thema marginaler als vor 1933. Burgenforschung ist auch heute kein festgefügter Forschungsbereich. Burgen sind jedoch wichtiges Thema innerhalb der interdisziplinären Mittelalterarchäologie, einer archäologischen Subdisziplin, die als eigenständiges Fach ab den 1960er-Jahren an den europäischen Universitäten etabliert werden konnte.1 Mit der Formierung der Mittelalterarchäologie war auch die neuerliche Fokussierung auf Burgen und Schlösser in den Disziplinen Kunst- und Landesgeschichte verbunden.2

1 2

Vgl. Steuer, Entstehung und Entwicklung, 1997/1998, S. 20 – 21. Vgl. Fehring, Günter P.: Die Archäologie des Mittelalters. Eine Einführung. 3., verb. und aktual. Aufl. Darmstadt, Stuttgart 2000. Vgl. Biller, Thomas: Die Adelsburg in Deutschland. Entstehung, Gestalt, Bedeutung. München 1998; Biller, Thomas/Großmann, G. Ulrich: Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum. Regensburg 2002; Böhme, Horst Wolfgang/Friedrich, ­Reinhard/ Schock-Werner, Barbara (Hg.): Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. Stuttgart 2004; Böhme u. a. (Hg.): Burgen in Mitteleuropa. Bd. 1, Bd. 2: Geschichte der Burgenlandschaften, 1999.

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|  Schlussfolgerungen

In diesem Kapitel werden die Mechanismen der Nichtautonomisierung der Burgenforschung während des NS-Regimes zusammenfassend dargestellt, die aus dem oben Dargelegten ersichtlich geworden sind. Zunächst müssen die Elemente aufgezeigt werden, die zu einem Fach oder einer Disziplin gehörten, wobei ‚Disziplin‘ die größere Einheit eines Fachs bezeichnet. ‚Fach‘ wird als stabile soziale Organisation der Wissensproduktion im Wissenschaftsfeld mit sozialen Identitäten und Abgrenzungen Laien und anderen Fächern gegenüber aufgefasst.3 Zu einem Fach gehören die folgenden Faktoren: 1 |  Eine wissenschaftliche Kommunikationsgemeinschaft, die sich über Form und Inhalt ihrer Forschung verständigt.4 2 |  Definierte Forschungsgegenstände und spezifische Fragestellungen sowie Ansätze zu deren Beantwortung. Eigene Methoden wirken dabei oft, aber nicht zwingend, identitätsstiftend.5 3 |  Ein Reputationssystem, das Laien vom Ressourcenzugriff ausschließt. Dazu gehören Konsekrationsinstanzen wie Fachgesellschaften, Institute und Fakultäten, die Diplome und Doktortitel verleihen können.6 4 |  Kanonisierte Literatur wie Lexika und Lehrbücher, Zeitschriften und Bibliografien, also ein standardisiertes Wissensinventar, auf das zurückge­griffen werden kann.7 Wichtig sind auch Gründermythen und „Vaterfiguren“, die Tradition und Geschichte einer Disziplin symbolisieren. 5 |  Wissenschaftler, die aktiv die Konsolidierung und Institutionalisierung des eigenen Forschungsbereichs vorantreiben.8 3 4 5

6 7 8

Laitko, Disziplinengeschichte und Disziplinverständnis, 1999, S. 31. Ich fasse Fächer als die kleineren sozialen und institutionellen Einheiten im Wissenschaftsfeld auf, sie sind aber von ähnlichen Elementen geprägt wie die Disziplinen. Vgl. Weingart/Carrier/Krohn, Nachrichten aus der Wissensgesellschaft, 2007, S. 41. Krohn, Wolfgang/Küppers, Günter: Die Selbstorganisation der Wissenschaft. Frankfurt am Main 1989, S. 26. Vgl. Clark, Terry N.: Die Stadien wissenschaftlicher Institutionalisierung. In: Weingart, Peter: (Hg.): Wissenschaftsoziologie II. Determinanten wissenschaftlicher Entwicklung. Frankfurt am Main 1974, S. 105 – 122, hier S. 105. Vgl. Guntau, Martin/Laitko, Hubert: Entstehung und Wesen wissenschaftlicher Disziplinen. In: Guntau, Martin/Laitko, Hubert (Hg.): Der Ursprung der modernen Wissenschaften. Studien zur Entstehung wissen­schaftlicher Disziplinen. Berlin 1987, S. 17 – 89, hier S. 22. Vgl. Reinhardt, Shifting and Rearranging, 2006, S. 386 – 388. Guntau/Laitko, Entstehung und Wesen, 1987, S. 40. Vgl. Whitley, Richard: The Intellectual and Social Organization of the Sciences. Oxford 1984, S. 29. Vgl. Weingart/Carrier/Krohn, Nachrichten aus der Wissensgesellschaft, 2007, S. 183 – 184. Vgl. Lenoir, Timothy: Instituting Science: The Cultural Production of Scientific Disciplines. Stanford 1997, S. 46 – 47, 51 – 53.

Keine Autonomisierung der Burgenforschung im NS-Regime  |

Alle diese Elemente bilden ein Fach als autonomisiertes, stabiles soziales und symbolisches Gebilde im Wissenschaftsfeld. Die Burgenforschung wies diese Eigenschaften nicht oder nur ansatzweise auf. Kommunikationsgemeinschaft

Auf sozialer Ebene ist in der Burgenforschung keine mehr oder weniger homogene soziale Gruppe gleichgesinnter Wissenschaftler auszumachen, die über die Gelehrtenvereine hinaus eine im Wissenschaftsfeld breiter verankerte Diskursgemeinschaft gebildet hätte. Dafür waren folgende Gründe ausschlaggebend: Burgenforschung war besonders im deutschsprachigen Gebiet, also Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz, eine ausgeprägte Wissen­ schaftspraxis. Für die Schweiz wird dies an der unterschiedlich hohen Mitgliederzahl deutsch- und französischsprachiger Schweizer im SBV deutlich: Deutschsprachige Schweizer waren im Verein deutlich mehr vertreten.9 Tatsächlich finden sich im französischsprachigen Raum weder Burgen als akademisches Thema noch Burgenforschung als außeruniversitärer, vereinsmäßig organisierter Forschungsbereich. Burgen erforschten dort entweder einzelne adlige Gelehrte in den Sociétés savantes (Gelehrtenvereinen) oder sie gehörten als Monuments classés zur Denkmalpflege.10 Burgenforschung und Burgenvereine gab es da­gegen in England, in Italien erforschten einzelne Wissen­schaftler, Laienforscher und Fachgesellschaften die mittelalterlichen Wehrbauten und in Polen oder Tschechien kümmerten sich mehr die Altertumsvereine um die Burgen.11 Trotz der Existenz von Burgenforschung in verschiedenen europäischen Ländern erfolgte aber keine Bildung einer internationalen Diskursgemeinschaft. Dabei lässt sich das Argument, die Burgenforscher hätten als kollektive weltanschauliche Disposition allesamt nationalistische Haltungen vertreten und wären deshalb nicht an einem Austausch mit ihren Kollegen aus anderen Ländern 9

Vgl. 13. Vorstandssitzung im Schweizerischen Landesmuseum, Zürich, vom 24.1.1931, III. Bericht über die Geschäftsleitung, gez. Dr. S. Hüppy, S. 2. In: Archiv Schweizerischer Burgen­verein, Akte „Burgenverein. Protokolle der Vorstandssitzungen 1927 – 1942“. 10 Vgl. Link, Fabian: Castle Studies in Germany and France: From the “Struggle for the Rhine” to a European Scientific Community. In: Robin, Emilia/Osmont, Matthieu/Seidel, Katja/ Wenkel, Christian (Hg.): Pour une approche historique de l’européanisation (Euroclio, Études et Documents). Brussels 2012, S. 95 – 110. 11 Vgl. Mercer, David: The Trouble with Paradigms. A Historiographical Study on the Development of Ideas in the Discipline of Castle Studies. In: Archaeological Dialogues 13 (2006) 1, S.  93 – 109.

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interessiert gewesen, kaum anführen. Auch Prähistoriker vertraten mehrheitlich eine nationalkonservative bis radikalkonservativ-‚völkische‘ Haltung, bei ihnen gab es jedoch einen internationalen Wissenschaftsaustausch auch in den 1920er- und 1930er-Jahren. Seit dem mittleren 19. Jahrhundert besuchten Prähisto­riker Museen in anderen Ländern und tauschten sich über briefliche Kontakte miteinander aus. Arbeiten von Kollegen wurden übersetzt und internationale Prähistoriker-Kongresse regelmäßig abgehalten.12 In der Burgenforschung unterhielt Bodo Ebhardt zwar internationale Kontakte, seine Verbindungen dienten aber lediglich der Materialbeschaffung und nicht dazu, gemeinsam über Burgen zu diskutieren. In den späten 1940er-Jahren beabsichtigten der Präsident des SBV, Eugen Probst, und andere Denkmalpfleger die Gründung eines Europäischen, später Internationalen BurgenforschungsInstituts (EBI /IBI ). Dieses Vorhaben stand im Zeichen eines europäischen Versöhnungsgedankens, Burgenforscher und Denkmalpfleger aus ganz Europa sollten am Institut beteiligt sein.13 Doch Probsts hochtrabende Pläne scheiterten, das IBI endete in einem Streit der Beteiligten und sank in die wissenschaftliche Bedeutungslosigkeit ab, bis das Unternehmen schließlich aufgegeben wurde. Es scheint, dass die lokale und regionale Gebundenheit der Burgenforschung zu stark ausgeprägt war, um erfolgreich internationalisiert und europäisiert zu werden. Wenig erstaunt, dass in den späten 1930er-Jahren innerhalb der interdisziplinär von Fachvertretern geführten Volks- und Kulturbodenforschung eine soziale Verdichtung der Burgenforschung erfolgte. Neben der in hohem Maße zentral von Berlin in sechs Forschungsgemeinschaften organisierten Struktur war hier die kleinräumige Gebundenheit von Vorteil, weil Regional- und Landes­ geschichte die Hauptelemente in diesem Wissenschaftsbereich darstellten. Bei den Burgenforschern handelte es sich in diesem Umfeld nahezu ausschließlich um deutschvölkische Revisionisten. In der Nachkriegszeit wurden diese Forscher sanktioniert, eine Weiterführung ihrer Ansätze war nur durch eine semantische

12 Eberhardt, Spurensuche in der Vergangenheit, 2011, S. 66. Vgl. Kaeser, On the Inter­na­ tional Roots of Prehistory, 2008. Vgl. Rey, Toni: Über die Landesgrenzen. Die SGU und das Ausland zwischen den Weltkriegen im Spiegel der Jahresberichte. In: Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 85 (2002), S. 231 – 253. 13 Alwin E. Jaeggli-Leppin an Walter Hotz vom 9.9.1947. In: Sta Wo, Abt. 170/21 Nr. 108; Alwin E. Jaeggli-Leppin an Walter Hotz vom 11.5.1947. In: Ebd.; Walter Hotz an Eugen Probst vom 1.4.1947. In: Ebd.; Eugen Probst an Walter Hotz vom 19.4.1947. In: Ebd.; E. Lüscher an Walter Hotz vom 1.8.1955. In: Ebd., Nr. 111. Vgl. Akte „IBI“. In: Archiv Schweizerischer Burgenverein.

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Umcodierung möglich. Diese war in der Burgenforschung jedoch nicht erfolgt, vielmehr wurde das Thema Burgen in die Heimatforschung abgedrängt, die ihrerseits im Wissenschaftsfeld unattraktiv geworden war. Semantische Umbauten, wie sie für die Begriffe ‚Volk‘ (in ‚Struktur‘ oder ‚Soziales‘) oder ‚Großraum‘ (in ‚Abendland‘ oder ‚Europa‘) festzustellen sind, konnte für ‚Burg‘ deshalb nicht erfolgen, weil die Bedeutung des Begriffs auf ein materielles Objekt festgelegt und damit zu wenig dehnbar war, auch wenn eine eindeutige Bestimmung des Begriffs innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses keineswegs vorlag. Definierte Forschungsgegenstände, spezifische Fragestellungen

In der Burgenforschung gab es keine eigenen, als kanonisch angesehenen Methoden. Vielmehr waren die Methoden der Vor- und Frühgeschichte, der Kunstgeschichte oder der Landesgeschichte ausschlaggebend für die Erforschung der Burgen. Dadurch konnten keine eigenen Forschungsinstrumente und Techniken in der Burgenforschung entwickelt werden. Die Burgenforschung hatte aber auch keine scharf definierten Forschungsgegenstände und dadurch keine spezifisch auf solche Gegenstände ausgerichtete Fragestellungen. Dies mutet auf den ersten Blick paradox an, impliziert doch Burgenforschung, dass die Forschungsgegenstände dieser Wissenschaftspraxis Burgen waren. Bei näherem Hinsehen jedoch löst sich dieser vorgeblich eindeutig umrissene Forschungsgegenstand auf. Bodo Ebhardt hatte um 1900 eine begriffliche Schärfung des Terminus ‚Burg‘ formuliert, indem er damit eine ritterliche Wehrbehausung aus der Zeit des gesamten Mittelalters bezeichnete. Landeshistoriker und Raumforscher im Umfeld von Martin Spahn teilten diese Begriffsbestimmung, auch sie verstanden unter Burgenforschung die Erforschung des „Burgenbau[s] im ritter­ lichen Sinne“.14 Diese begriffliche Übereinstimmung war allerdings eher die Ausnahme als die Regel. Schon in Bezug auf das Forschungsobjekt ‚Pfalz‘, das eine frühmittelalterliche Königsresidenz meinte, war unklar, ob es sich bei der Erforschung der Pfalzen um Burgenforschung handelte oder ob Pfalzen­ forschung als eigene Forschungspraxis anzusehen war. Obwohl Carl Schuchhardt in seiner Weltgeschichte der Burg die Pfalz als einen spezifischen Burgentypus unter vielen anderen kategorisiert hatte,15 konzentrierten sich die betreffenden

14 Bericht des Stipendiaten Dr. Kurt Wefelscheid vom 7.2.1939. In: BAR, R 73/15542, Bl. 34 – 37. 15 Vgl. Schuchhardt, Carl: Die Burg im Wandel der Weltgeschichte (Museum der Welt­ geschichte 6). Potsdam 1931, Inhaltsverzeichnis.

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Forschungsgemeinschaften innerhalb der deutschen West- und Ostforschung exklusiv auf diese Forschungsobjekte, nicht aber auf andere Burgentypen. In der Vor- und Frühgeschichte war die Unbestimmtheit von Begriff und Forschungspraxis noch ausgeprägter. Mit Burgenarchäologie und Burgwallarchäologie 16 war entweder die Erforschung von frühmittelalterlichen Holzund Erdburgen (Motten) gemeint oder dann von vorzeitlichen Befestigungen, die aufgrund ihres oft beträchtlichen Umfangs „Volksburgen“, „Fluchtburgen“ oder „Gauburgen“ genannt wurden.17 Die archäologische Erforschung von hochmittelalterlichen Burgen stellte dabei eher die Ausnahme dar. Wenn aber solche Objekte ausgegraben wurden, dann wandten Archäologen Methoden und Fragestellungen an, die sie bei den Ausgrabungen vorzeitlicher oder frühmittelalterlicher Wall- und Erdanlagen entwickelt hatten. Für Gotthard Neumann beinhaltete das Ausgraben hochmittelalterlicher Burgen die Bergung, Dokumentation und Auswertung mittelalterzeitlichen Sachguts und nicht die Erforschung des aufgehenden Mauerwerks.18 Der Burgenbegriff in der Vorund Frühgeschichte war also abhängig von den Methoden, über die sich vorund frühgeschichtliche Archäologen definierten, und diese Methoden standen ihrerseits im Zusammenhang mit der Institutionalisierungsstrategie der Prähistoriker. Ihnen ging es in den 1920er- und 1930er-Jahren um die Stärkung der eigenen Disziplin durch bestimmte Methoden und durch die Eingliederung bestimmter Objekte in den archäologischen Forschungsbereich, zu denen auch Hochmittelalterburgen gehörten. Prähistoriker fokussierten dadurch auf diejenigen Forschungsobjekte, die sie mit ihren Methoden erforschen konnten oder an denen die jeweilige Methode entwickelt wurde, wozu Keramikscherben, Pfostenlöcher, Fragmente von Waffen etc. gehörten. Aufgehendes Mauerwerk war davon ausgeschlossen und gehörte zur Kunstgeschichte. Auch bei Kunsthistorikern, die Burgen zu ihren Forschungsgegen­ständen machten, sind solche Mechanismen festzustellen. Um als kunsthisto­rischer Forschungsgegenstand erkannt zu werden, musste eine Burg Mauerwerk aufweisen. Falls ein solches nicht mehr vorhanden war, wie bei einer 16 Bewilligung von Sachbeihilfen vom April 1943. In: BAR, R 73/50, Bl. 19, 157. 17 Vgl. Schuchhardt, Carl: Volksburgen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Herausgegeben von: Johannes Hoops. Bd. 4. Straßburg 1918, S. 434 – 441. Vgl. Grunwald, Potentiale der Burgwallforschung, 2009. 18 Vgl. Neumann, Gotthard: Vortrag, Deutsches Mittelalter, undatiert. In: A Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Akte „G. Neumann, Unver­ öffentlichte Manuskripte und Vorträge (Verschiedenes)“.

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frühmittel­alterlichen Holzburg oder einer abgegangenen, völlig verschütteten Ruine, geriet dieses Objekt aus dem kunsthistorischen Blick und wurde den Archäologen zugewiesen. Auch hier war die Konstituierung des Forschungsobjekts Burg von der Anwendbarkeit bestimmter Methoden abhängig, nämlich der Analyse der Kunst- und Baustile und dem Gestaltsehen.19 Das Objekt musste in seiner Erscheinung durch den Kunsthistoriker „erfahrbar“ sein, was ohne das Vorhandensein von Mauern, Türmen und Gebäuden nicht möglich war. Der Burgengeograf Carl Storm stellte 1941 fest, es sei in der Vergangenheit zwar „verschiedentlich versucht worden, diesen Begriff [‚Burg‘, F. L.] festzu­ legen. Aber bis zur Stunde versteht der Burgenkundler etwas anderes unter der Burg als der Namensforscher, und der Siedlungshistoriker und Vorgeschichtler pflegt ihn wesentlich weiter zu fassen, als der Geograph ihn gerne festgelegt haben möchte.“ Laut Storm lag dies daran, „dass das Gebiet der Burgenkunde und Geographie eben von den verschiedenen Wissenschaftszweigen her angefasst wurde, die aber erst jetzt zu ahnen beginnen, wo hinaus und zu welchen Untersuchungskreisen und Zielen der Weg führt.“20 Diese Aussage ist als Evidenz dafür zu werten, dass die geografisch oder geopolitisch ausgerichteten Burgenforscher abermals versuchten, diesem Wissenschaftsbereich innerhalb der Volks- und Kulturbodenforschung einen klareren Umriss zu geben. Der neuerliche Versuch einer Definition des Burgenbegriffs, nun unter Einbeziehung von Aspekten aus Geografie, Siedlungsforschung und Landesgeschichte, sollte sich innerhalb der Mediävistik längerfristig festsetzen, nach 1945 zunächst nur in der Heimatforschung und der Regionalgeschichte, später aber auch in der Landesgeschichte und der Mittelalterarchäologie. Konsekrationsmechanismen

Konsekrationsinstanzen dienen dazu, im Wissenschaftsfeld zwischen Wissenschaftler und Laie einerseits, innerhalb der Disziplinen und Fachbereiche zwischen z. B. Prähistorikern und Kunsthistorikern andererseits zu unterscheiden. Konsekrationsinstanzen sind institutionalisierte und deshalb objektivierende Mechanismen sozialer und symbolischer Abgrenzung. Für die akademische Etablierung der Vor- und Frühgeschichte war die Einrichtung solcher Instanzen

19 Vgl. Walter Hotz an Friedrich Sprater vom 7.7.1952. In: StA Wo, Abt. 170/21, Nr. 110. 20 Storm, Zur deutschen Burgenforschung, 1941, S. 119.

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grundlegend. Prähistoriker waren darum bemüht, „Schwarmgeister“ und „völkische Fantasten“ vom Ressourcenzugriff in der Prähistorie auszuschließen, indem sie ihnen das Publizieren in Fachzeitschriften verwehrten oder ihnen durch staatliche Ausgrabungsgesetze die Kompetenz entzogen, Ausgrabungen zu leiten.21 Archäologen wie Hans Reinerth versuchten zwar nach dem Machtwechsel, mit Germanenkundlern wie Wilhelm Teudt zusammenzuarbeiten, distanzierten sich aber schon in den späten 1930er-Jahren wieder von ihnen.22 Die Prähistoriker sahen ihr Fach und dessen Reputation im Wissenschaftsfeld durch solche Akteure in Gefahr. In der Burgenforschung im engeren Sinne, womit jene Institutionen gemeint sind, die ausschließlich der Burgenforschung gewidmet waren, lag die Situation gerade umgekehrt. Alle seit etwa 1900 gegründeten Fachgesellschaften und Zeitschriften waren außerhalb des engeren akademischen Felds angesiedelt. Die unzähligen kleineren, lokalen oder regionalen Burgenvereine einmal beiseitegelassen, gilt dies für Ebhardts Burgenvereinigung, für den SBV (1927), die Burgenfreunde beider Basel (1934) oder das Niederöster­ reichische Burgenarchiv Felix Halmers, das im Rahmen der Bibliothek des Reichsgaus Niederdonau unter Mitwirkung des Reichsstatthalters ab Ende 1941 entstand.23 Diese Organisationen und Institutionen überdauerten zwar das NS-Regime, blieben jedoch auch nach 1945 auf den außerakademischen Bereich beschränkt. Die dort tätigen Burgenforscher betrieben ihre Leidenschaft nicht als Broterwerb, sondern als Freizeit- oder Nebenbeschäftigung. Ausschlusskriterien waren nicht in institutionalisierter Form vorhanden, sondern waren vor allem informell festgesetzt. Nochmals anders verhält es sich bei den Instituten im Umfeld der Volksund Kulturbodenforschung. Am Beispiel des Saarpfälzischen Instituts für Landes- und Volksforschung ist deutlich geworden, dass dessen Mitarbeiter die Laien nicht aus, sondern in den Wissenschafts- und Kulturbetrieb des Instituts einschließen wollten. Die symbolischen Differenzen zwischen Laienforschern und akademischen Wissenschaftlern sollten zwar bewahrt werden, die Inklusion der Laien war aber Teil der epistemologischen und konzeptionellen Neuauslegung der deutschen Wissenschaft durch die Volks- und 21 Rundschreiben an die Berufsvereinigung deutscher Vorgeschichtsforscher an die Mit­ glieder vom 29.11.1934. In: Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-­ Universität, Akte „Museum 1.7.1934, 31.7.1935“. 22 Halle, Ur- und Frühgeschichte, 2008, S. 134. 23 Steininger, Die Burgenkundliche Sammlung, 1988, S. 58.

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Kulturbodenforscher, nach der eine „Wissenschaft aus dem Volk“ heraus entstehen und an jenes gerichtet sein sollte. Normalbevölkerung und Wissenschaftler sollten in einer gemeinschaftlichen („volkhaften“) Forschung vereint sein. Dieses Konzept lief zwar nicht auf eine Entdifferenzierung der Wissenschaft als soziales Feld in der Gesellschaft hinaus, die Zugangsschranken zur Wissenschaft wurden dadurch aber doch erheblich aufgelockert. Burgenforschung auch innerhalb dieser Institute blieb demnach heteronom bestimmt. Kanonisierte Literatur und „Gründerväter“

Kanonisierte Literatur wie Zeitschriften, Bibliografien oder Standardwerke existierten in der Burgenforschung durchaus. „Der Burgwart“, die „Nachrichten der Schweizerischen Vereinigung zur Erhaltung der Burgen und Ruinen“, Pipers „Burgenkunde“ oder Ebhardts „Der Wehrbau Europas im Mittelalter“ galten im Wissenschaftsfeld als kanonische Literatur, und zwar weit über 1945 hinaus.24 Auch an sogenannten Pionieren mangelte es in der Burgenforschung nicht. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts galten Altertumsforscher wie Krieg von Hochfelden, Cohausen, Naeher, Essenwein oder G. T. Clark in England als Forscherlegenden, Ebhardt oder Piper hatten spätestens in den 1930erJahren den Rang von Ikonen.25 Burgenforscher behandelten ihre Pioniere und die kanonisierte Literatur jedoch anders als z. B. vor- und frühgeschichtliche Archäologen dies taten. In den 1920er- und 1930er-Jahren war es in der Vorund Frühgeschichte üblich, dass die Nachrückenden den Altgedienten in den etablierten Zeitschriften regelmäßig zum Geburtstag gratulierten, sie hoch­ leben ließen oder ihre Todestage anzeigten.26 Auch in ihren wissenschaftlichen Beiträgen nahmen die Jungen Bezug auf die Arbeiten der älteren Generation. Dies ist ein generelles Merkmal vor allem naturwissenschaftlicher Fächer: Wer einen wissenschaftlichen Beitrag leisten will, muss die Arbeiten der in diesem Fach mächtigen Forscher zumindest kondensiert in seinen eigenen Beiträgen verarbeitet haben. Wie Wolfgang Krohn und Günter Küppers feststellen, leistet 24 Walter Hotz an Ernst Anrich vom 9.11.1959. In: StA Wo Abt. 170/21, Nr. 120. 25 Zu Clark vgl. Mercer, The Trouble with Paradigms, 2006, S. 95 – 96. Vgl. Hotz, Bespr. Ebhardt, 1940. Vgl. Riedberg, Lothar: Deutsche Burgengeographie. Leipzig 1939, S. V. 26 Vgl. Neumann, Alfred Auerbach, 1938; Neumann, Gotthard: Georg Florschütz 80 Jahre. In: Der Spatenforscher 4 (1939) 1, S. 1 – 2; Neumann, Gotthard: Dr. Friedrich Klopfleisch, Professor der Kunstgeschichte an der Universität Jena. Begründer der thüringischen Ur­geschichtsforschung. In: Mannus 24 (1932) 1 – 3, S. 135 – 146.

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„[j]ede Veröffentlichung […] damit ein gewisses Minimum an ‚historiographischer‘ Tätigkeit: sie rekonstruiert die eigene Fachgeschichte.“27 In der Burgenforschung dagegen wurden die Forschungen der Pioniere eher zerlegt, ihre Leistungen würdigten die Nachrückenden nur partiell. Die Alten wurden zwar als verdiente Wissenschaftler hingestellt, die jüngeren Burgenforscher oder solche mit anderen Ansichten führten jedoch eher ihre „Irr­tümer“ als ihre Verdienste auf. Burgenforscher sahen in der „Richtigstellung“ der „Fehler“ ihrer Vorgänger und Kollegen anscheinend eine starke Motivation für ihr eigenes Schaffen. Sie bauten viel weniger stark auf­einander auf und nutzten die Erkenntnisse und Werke der vorhergehenden Forschergeneration nicht im Sinne von Traditionsbildung, sondern definierten Fragestellungen und dafür anzuwendende Methoden jeweils neu. Dies verhinderte die Herausbildung einer symbolischen Selbstreferenzialität und machte damit die Objektivierung wissenschaftlichen Kapitals unmöglich.28 Otto Pipers Feststellung, dass „kritiklose[s] Nachschreiben“ in der Burgenforschung „besonders beliebt“ sei,29 steht geradezu paradigmatisch für eine Kultur des Misstrauens gegenüber den Forschungs­ ergebnissen anderer. Wenn dies auch als ein Merkmal gelten kann, das eher für geisteswissenschaftliche Fächer zutrifft, scheint es in der Burgenforschung doch sehr ausgeprägt gewesen zu sein. 1951, im Kontext eines Kongresses des IBI in der Schweiz, waren sich Burgenforscher nicht einmal darüber einig, ob ihre Tätigkeit ­„Castellogie“ oder „Castellologie“ heißen sollte.30 Dies ist bis in jüngste Zeit zu be­obachten. Galt Ebhardts Wiederaufbau der Hohkönigsburg lange als Beispiel einer verfehlten Denkmalpflege-Konzeption, meinte Monique Fuchs 1999, dass das Unternehmen, was die wissenschaft­liche Aufnahme und die darauf basierende Rekonstruktion betraf, als innovative Leistung anzusehen sei.31 In etablierten und konsolidierten Wissenschaften fanden immer wieder kognitive und konzeptionelle Umwälzungen statt, die zu inhaltlichen oder metho­ dischen Neuausrichtungen führten. Für einen nicht konsolidierten Forschungsbereich wie die Burgenforschung waren die fortlaufenden Neuerfindungen jedoch nicht traditionsbildend, sondern traditionshemmend. 27 28 29 30

Krohn/Küppers, Die Selbstorganisation der Wissenschaft, 1989, S. 84 [Herv. i. Orig.]. Vgl. Clark, Die Stadien wissenschaftlicher Institutionalisierung, 1974, S. 109 – 111. Piper, Burgenkunde, 1912, S. VII. Ein Burgenfreund (anonym): Castellogie oder Castellologie? In Basler Nachrichten vom 14.9.1951. In: Archiv Schweizerischer Burgenverein, Akte „E. Schwabe. Schweizerischer Burgenverein 1945 – 1962, sowie Protokolle 1963 – 1979“. 31 Vgl. Fuchs, Die Hohkönigsburg, 1999.

Keine Autonomisierung der Burgenforschung im NS-Regime  |

„Discipline builders“

Als Wissenschaftsmanager, die an der Schaffung eines spezifischen Forschungsbereichs im Wissenschaftsfeld interessiert waren, betätigten sich in der Burgenforschung ausschließlich Bodo Ebhardt, Eugen Probst und dann die burgen­ forschenden Volks- und Kulturbodenforscher, wobei Letztere auf die „organische“ Eingliederung der Burgenforschung in die Volks- und Kulturbodenforschung hinarbeiteten. Archäologen und Kunsthistoriker dagegen intendierten mehrheitlich, das Thema Burgen in ihre Fächer einzubauen. Ansonsten konzentrierten sich Burgenforscher ausschließlich auf ihre eigene wissenschaftliche Tätigkeit und nicht auf die Organisation und Binnenstrukturierung ihres Forschungsbereichs. Burgenforschung blieb stark vom jeweiligen Akteur abhängig und konnte nur in ungenügender Weise auf Institutionen transferiert werden. Auch Ebhardts Burgenvereinigung hing unmittelbar von seiner Schaffenskraft und seinem Engagement für den Verein ab. Burgenforscher betätigten sich also vor allem im außeruniversitären Bereich als „discipline builders“. Walter Hotz allerdings war ins akademische Feld eingebunden. Wäre seine Habilitation in Heidelberg oder an der Reichsuniver­sität Straßburg zustande gekommen, hätte er wohl, so lässt sich im kontrafak­tischen Sinne durchaus vermuten, daran gedacht, eine kunsthistorische Schule zu gründen, die verstärkt auf die Erforschung der Mittelalterburgen fokussiert hätte. In seinem Fall verhinderten die gesellschaftspolitischen Umstände eine solche Entwicklung. Schlussfolgerung

Die soziale Identität ‚Burgenforscher‘ veränderte sich auch während des NSRegimes nicht, sondern blieb auf den außerakademischen Bereich beschränkt. Burgenforscher waren mehrheitlich Einzelkämpfer, denen es um die Schaffung eines Lebenswerks ging. Anders verhält es sich mit der archäologischen Burgenforschung. Gotthard Neumann und andere sahen sich als Archäologen oder Prähistoriker, deren Identität infolge des Kapitalsortenaustauschs mit NSPolitikern gestärkt wurde, ein Prozess, zu dem auch der Einbau der Burgen als Forschungsobjekte der Vor- und Frühgeschichte gehörte. Vergleichbar damit sind die Volks- und Kulturbodenforscher, die Burgenforschung als Zweig der geografisch oder geopolitisch ausgerichteten Siedlungsforschung zu etablieren gedachten. Infolge der Heteronomie der außerakademischen Burgenforscher verstärkten die Förderungen durch NS-Politiker ihre heteronome Position, wirkten sich auf eine Konsolidierung also geradezu kontraproduktiv aus. Krohn und

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Küppers haben aus systemtheoretischer Sicht dargelegt, dass Heteronomie nicht unbedingt ein Argument für die Nichtformierung und Nichtinstitutiona­lisierung eines Wissenschaftsbereichs sein muss: „Wissenschaft […] kann ihre Autonomie durch ihre Heteronomie steigern oder schwächen.“32 Diese Sichtweise ist insofern zu bestätigen, als in der Burgenforschung vor allem im Rahmen der Volks- und Kulturbodenforschung, die selber heteronom war, eine Homogenisierung erfolgte. Kontrafaktisch gesprochen kann die Möglichkeit, dass Burgenforschung innerhalb des NS-Regimes als einer von vielen Wissenschaftsbereichen hätte etabliert werden können, deshalb nicht ausgeschlossen werden. Faktisch muss jedoch die Möglichkeit einer systematischen Stabilisierung des Wissenschaftsfelds im NSRegime überhaupt als unmöglich erscheinen, da der Nationalsozialismus in jedem Fall auf Krieg hinauslief, denn Krieg und Kampf, Neuanfang durch radikale Zerstörung, waren konstitutive Elemente in der NS-Bewegung.33 Ein faschistisches, dazu derart gewalttätiges Regime wie das nationalsozialistische konnte nur kurzfristig auf gesellschaftliche Felder und Subfelder wie die Wissenschaft stabilisierend wirken, was sich im Zweiten Weltkrieg dann nochmals zuspitzte. 6.2 DAS ‚VÖLKISCHE‘ UND ‚RASSISCHE‘ IN DER BURGENFORSCHUNG

Eine Definition ‚völkischer‘ und ‚rassischer‘ Elemente in der Burgenforschung ist ausgesprochen komplex. Denn eine solche Definition verweist auf zwei unterschiedliche Aspekte: zum einen auf die Sachlage, dass diese Denkfiguren zur Herausbildung der Burgenforschung gehörten und damit im Wissenschaftsfeld legitime Symbolformen waren, zum anderen auf die Tatsache, dass Aspekte ‚völkischen‘ und ‚rassischen‘ Denkens existierten, die als genuin politisch und damit im Wissenschaftsfeld als illegitim angesehen werden müssen. Die Komplexität einer Definition des ‚Völkischen‘ und ‚Rassischen‘ besteht also darin, zu erkennen, was nun als legitim und was als illegitim beurteilt werden kann, zumal der Umbau der Regeln und Symbolformen im deutschen Wissenschaftsfeld nach dem Machtwechsel 1933 laufend vorangetrieben wurde. Auf der Basis der Theorie sozialer Felder lassen sich drei Ansätze für eine Definition finden: 1 |  ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ waren genuine Bestandteile der Geistes- und Kulturwissenschaften, sie gehörten zu den legitimen Symbolformen im deutschen 32 Vgl. Krohn/Küppers, Die Selbstorganisation der Wissenschaft, 1989, S. 19. 33 Vgl. Paxton, The Anatomy of Fascism, 2005, S. 148 – 171. Vgl. Friedländer, Nazi Germany and the Jews. Bd. 1, 1997.

Das ‚Völkische‘ und ‚Rassische‘ in der Burgenforschung  |

Wissenschaftsfeld. Bei diesem Punkt ist zu bedenken, dass ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ nicht nur auf epistemischer Ebene gelagert waren, sondern auch Elemente einer Wissenschaftskritik, ja einer Gesellschaftskritik waren und darüber hinaus im Zusammenhang mit persönlich-emotionalen Krisensituationen bestimmter Wissenschaftler standen. 2 |  Auf dieser Grundlage konnten ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ Distinktionswerkzeuge für die Herausbildung spezifischer Forschungsbereiche sein. Dies gilt mehrheitlich für jüngere, auf der Analyse materieller Kulturen basierende Wissenschaften wie die Vor- und Frühgeschichte, die Burgenforschung oder die Volkskunde, die gegen die Fächer humanistisch-klassischer Prägung abgegrenzt werden sollten. Gleiches gilt für die Volkshistoriker, die sich von der älteren Diplomatie- und Politikgeschichte distanzierten. 3 |  ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ waren auch heteronome Elemente, die aufgrund des Kapitalsortenaustauschs zwischen Wissenschaftlern und NS -Politikern ins Wissen­schaftsfeld importiert wurden. Dies trifft vor allem für solche Forschungsbereiche zu, die entweder noch keine relativ autonomisierte symbolische Textur ausgebildet hatten (Vor- und Frühgeschichte, Volkskunde) oder die gar keine Autonomisierung erfuhren (Burgenforschung), deren Vertreter jedoch mit NSPolitikern Tauschverhältnisse unterhielten. ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ als legitime Symbolformen im Wissenschaftsfeld

Begriffsgeschichtlich geht der Terminus ‚Volk‘ auf die griechische und römische Antike zurück. Damit waren in erster Linie politische Größen gemeint, also Staaten und keine Ethnien. Infolge der Ausbreitung des römischen Konzepts der Bürgerschaft als Personenverband wurden laut dem „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ mit dem Begriff dann die barbarischen Völkerschaften bezeichnet, die am Rande oder außerhalb des Römischen Reichs lebten. Für das späte 11. Jahrhundert lässt sich eine Verknüpfung des Terminus mit ‚deutsch‘ respektive ‚theodiscus‘ feststellen, womit bestimmte Menschengruppen und Terri­torien bezeichnet wurden. Die Differenz zwischen Volk als „niederes Volk“ oder „gewöhnliche Menschen“ und den Herrschenden oder Wissenden war durch das ganze Mittelalter und die Frühe Neuzeit hindurch beibehalten worden.34 ‚Volk‘ hatte eine lange Zeit über eine sozial abwertende Konnotation. 34 Brandt, P.: „Volk.“ In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 11. Basel 2001, Sp. 1079 – 1090, hier Sp. 1081; Koselleck, Reinhart u. a.: Volk, Nation, Nationalismus, Masse. In: Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe.

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Für den d ­ eutschen Sprachraum kehrte erst Johann Gottfried Herder ‚Volk‘ ins Positive und vereinte den Begriff mit ‚Kultur‘ und ‚Nation‘. Dieses Begriffsgefüge beschrieb er als eine Art kollektive Persönlichkeit, der er mit den Begriffen ‚Volksgeist‘ oder ‚Volksseele‘ spezifische Eigenschaften wie gemeinsame Sprache, Kultur und Geschichte zuschrieb.35 Der Volksbegriff als Konstruktion einer Identität der Deutschen, die auf einer gemeinsamen Ursprünglichkeit basierte, war also ein Gelehrtenkonzept.36 Eine Politisierung des Volksbegriffs erfolgte mit den Revolutionen in Frankreich und Nordamerika, die ein Auseinandergehen „westlichen“ und „deutschen“ Denkens über das Volk anzeigten, und zwar auf außen- wie auf innenpolitischer Ebene. In Frankreich setzte sich mit der Politisierung des Begriffs ­‚peuple‘ eine semantische Verbindung mit republikanisch-liberalen Werten durch, indem der Volksbegriff in der ‚Nation‘ aufging, die als Träger der politischen Souveränität konzipiert war.37 Die Revolution wurde anfänglich von vielen deutschen Denkern begrüßt, bald wandten sie sich jedoch vom jakobinischen Terror ab und bildeten besonders im Umfeld nationalistischer Gelehrter wie Johann Gottlieb Fichte, Ernst Moritz Arndt oder Friedrich Ludwig Jahn einen Volksund Nationsbegriff, der eine Alternative zum französischen Volksbegriff darstellte.38 Diese Denker entwickelten einen holistischen und überhistorischen Volksbegriff und machten die Deutschen zum „Volk schlichtweg“, zu einem „Urvolk“, wobei der Begriff ‚Volkstum‘ einen „natürlichen Volksorganismus“ bezeichnete.39

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Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 7. Stuttgart 1978, S.  141 – 431, hier 151 – 171. Vgl. Koselleck u. a., Volk, Nation, Nationalismus, Masse, 1978, S. 283, 316 – 319. Vgl. Bialas, Wolfgang: Politischer Humanismus und „verspätete Nation“. Helmuth ­Plessners Auseinandersetzung mit Deutschland und dem Nationalsozialismus (Schriften des H ­ annah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 42). Göttingen 2010, S. 54. Vgl. Weber, Wolfgang: Völkische Tendenzen in der Geschichtswissenschaft. In: Puschner, Uwe/Schmitz, Walter/Ulbricht, Justus H. (Hg.): Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871 – 1918. München, New Providence, London, Paris 1996, S. 834 – 858, hier S. 838. Vgl. Koselleck u. a., Volk, Nation, Nationalismus, Masse, 1978, S. 321 – 325. Vgl. Muller, The Other God That Failed, 1987, S. 9 – 10. Müller, Imaginierter Westen, 2009, S. 68. Vgl. Brandt, „Volk“, 2001, Sp. 1081 – 1083. Vgl. Bialas, Politischer Humanismus, 2010, S. 77. Vgl. Hagemann, Karen: „Mannlicher Muth und Teutsche Ehre“. Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der Antinapoleonischen Kriege Preußens. Paderborn u. a. 2002.

Das ‚Völkische‘ und ‚Rassische‘ in der Burgenforschung  |

Damit ist noch nicht gesagt, dass diese Begrifflichkeiten ‚völkisch‘ waren. ‚Völkisch‘ leitet sich von der sogenannten völkischen Bewegung ab, einer Sammel­ bezeichnung für politische Gruppen rechter Provenienz mit sozialutopischen Ideen seit etwa den 1880er-Jahren, die den Volksbegriff ins Zentrum ihrer Weltanschauung stellten. Die Völkischen waren zwar eine antibürgerlich ausgerichtete, sozialstrukturell jedoch bürgerliche Bewegung. In diesem Milieu war ‚Volk‘ vor allem ein politischer und kulturpolitischer, immer aber bio­logisch grundierter Begriff im Sinne einer Kulturkritik von rechts außen.40 Ziel der Mehrzahl dieser Bewegungen war, den Nations- und Staatsbegriff neu zu justieren, nämlich die Staatsnation durch eine Volksnation zu ersetzen, die nicht über Staatsbürgerschaft, sondern über ethnische Gemeinschaftsbeziehungen definiert war.41 Im völkischen Denken bildeten ‚Volk‘, ‚Bauerntum‘ und ‚Boden‘ („Blut und Boden“) daher die Hauptelemente einer Abstammungsideologie, die auf ein überzeitliches, ursprüngliches Sein verwies.42 Dazu gehörte auch ein ausgeprägter Nationalismus, was zu einer „Ausbildung eines nationalen Selbstbildes jenseits des Politischen“, zu einem missionarischen Selbstverständnis „als zu Höherem auserwählte Nation zum Wohle der Menschheit“, einem „Anspruch auf eine herausragende Stellung im Ensemble der Völker“ aufgrund von Deutschlands geografischer Mittellage und schließlich zu der Idee von der verspäteten Nations­bildung führte, die „Deutschland in rasanter Beschleunigung an die Spitze menschheitlicher Entwicklung“ setzen würde.43 Im Anschluss an Fichte, Arndt oder Jahn standen für völkische Denker ‚Kultur‘, ‚Volk‘ und ‚Gemeinschaft‘ konträr zur Französischen Revolution, die sie als den Beginn eines Auflösungsprozesses der alten Ordnung und damit völkischer Werte begriffen.44 Völkisches Denken war also konservativ und stand in einem Gegensatz zur Idee von ‚Gesellschaft‘, die sowohl mit einem Werte­zerfall als auch mit humanistischen Werten verbunden wurde. Der humanistisch-­konservativ gesinnte Ernst Robert Curtius hatte 1932 geschrieben, dass sich im Gegensatz zu England, Frankreich und Italien in der deutschen Bildungstradition die na­tionale nicht mit der humanistischen Idee verbunden hatte.45 ­Burgen­forscher 40 Vgl. Breuer, Stefan: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik. Darmstadt 2008. 41 Breuer, Ordnungen der Ungleichheit, 2001, S. 84. 42 Koselleck u. a., Volk, Nation, Nationalismus, Masse, 1978, S. 382 – 383. 43 Bialas, Politischer Humanismus, 2010, S. 73 – 74. 44 Vgl. Oexle, Krise des Historismus, 2007, S. 29 – 30. 45 Oexle, Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus, 1996, S. 145, 153, 181.

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und Konservatoren kritisierten den selbst konstatierten Wertezerfall ganz besonders. Ihre Aufgabe war die Bewahrung des historischen Kulturguts, die Revolutionäre dagegen lösten europaweit eine Welle der Zerstörung feudaler und religiöser Kultursymbole aus, wodurch Burgen und Schlösser stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Viele deutsche Burgenforscher assoziierten daher ‚Liberalismus‘, ‚Brüderlichkeit‘ und ‚Gleichheit‘ mit ‚Kulturzerfall‘. Im deutschen Wissenschaftsfeld zählten nur wenige legitime Positionsinhaber zur engeren völkischen Bewegung, sie verstanden sich meist als unabhängige Gelehrte, die allerdings völkisch-nationale Haltungen vertraten. Die Grenzen zwischen politischem und wissenschaftlichem Feld waren im Hinblick auf völkische Ideen verwischt, weil Geisteswissenschaftler sich in der Regel auch als „hommes publics“ verstanden und sich als Steuermänner von Volk, Staat und Nation gebärdeten. Wenn Wissenschaftler wie Friedrich Brunstäd, Professor an der Universität Erlangen, am dritten Parteitag der DNVP 1921 da­rüber referierten, was ‚Volk‘ und ‚Nation‘ bedeuteten, zeigte sich bald, dass auch ihm eine Definition dieser Begriffe schwerfiel. Zunächst bestimmte er, wie die Mehrheit der Konservativen und Völkischen, die Begriffe dadurch, dass er ihre Gegenbegriffe benannte. Zu diesen gehörte für ihn vor allem ‚Masse‘. Masse war nach Brunstäd „die bloße Summe, das äußerliche Nebeneinander, der Haufen, das Aggregat der isolierten Einzelwesen, der losgelösten für sich bestehenden Individuen.“ Masse würde dann entstehen, wenn „die Menschen isoliert, aus tieferen Lebenszusammenhängen gelöst, entwurzelt werden.“ ‚Volk‘ dagegen sei die „Vielheit der Einzelnen in ihrer ursprünglichen Verbundenheit, der in ihnen wirksame Lebenszusammenhang, […], der die innere Bildungskraft ihres Daseins ist.“ Dieser Lebenszusammenhang war begründet „in der Blutsverwandtschaft, in der Abstammung, in der Artgemeinschaft, in der Schicksalsgemeinschaft der Geschichte, in der Einheitlichkeit der Lebensbedingungen“: Der übergreifende, „gestaltende Lebensgrund in den Einzelnen […] ist das Volkstum.“ Erst dieses ‚Volkstum‘ mache „den Einzelnen zur Persönlichkeit“, das Volk sei daher „eine gegliederte Ganzheit.“46 Der Rekurs auf das ‚Leben‘ zeigt, dass zum völkischen Volksbegriff das biologistische Abstammungsprinzip gehörte, das im Rassebegriff begründet war. Der Begriff ‚Rasse‘ war wenig determiniert und konnte m ­ ehrere Bedeu­ tungen haben: Erstens war er im naturgeschichtlich und naturwissenschaftlichanthropologischen Sinne ein deskriptiver Begriff für biologisch klassifizierte 46 Völkisch-nationale Erneuerung, Rede von Dr. Friedrich Brunstäd, Professor an der Universität Erlangen auf dem dritten Parteitage der Deutschnationalen Volkspartei in München am 2.9.1921. In: BAR, R 8048/656, Bl. 5.

Das ‚Völkische‘ und ‚Rassische‘ in der Burgenforschung  |

Menschentypen. Zweitens bezeichnete er auf sprachgeschichtlicher Ebene soziale Gruppen wie „Germanen“ oder „Slawen“. Drittens war er ein politisch wertender Begriff, der mit ‚Volk‘ und ‚Nation‘ verbunden war.47 Der Rassebegriff des Anthropologen Rudolf Martin ist ein Beispiel der ersten Bedeutung, der Rassebegriff Gustaf Kossinnas ein Beispiel der zweiten. Es ist allerdings festzuhalten, dass der naturwissenschaftliche Rassebegriff schon bei Linné oder Buffon ein nicht nur deskriptiver, sondern auch ein wertender war, der die Europäer ‚rassisch‘ als besonders hoch, die Afrikaner dagegen als besonders tiefstehend kennzeichnete.48 Wissenschaftliches Ordnungsdenken und weltanschauliche Wertungen können de facto nicht voneinander getrennt werden, auch wenn Wissenschaftler wie Max Weber die Trennung der beiden Ebenen anstrebten. Besonders die dritte, wertende Verwendung ist komplex, aber gerade für die Definition ‚völkisch-rassischer‘ Denkfiguren in der Burgenforschung signifikant. Wie Werner Conze dargelegt hat, bezeichnete ‚razza‘ (ital.), ‚raza‘ (span.) oder ‚race‘ (franz.) im Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts „die Zugehörigkeit zu und Abstammung von einer Familie im Sinne von ‚edlem Geschlecht‘“.49 ‚Rasse‘ war mit Adel verbunden, was sich am deutlichsten in der sprachlichen Verbindung von ‚edel‘ und ‚Blut‘ zeigt. Die Betonung der familiären Abstammung durch den alten Adel Spaniens oder Frankreichs zielte auf das Bewahren des eigenen Stands und auf die Abwehr der sozialen Aufsteiger (Amtsadel, jü­dische Familien).50 Auch dieser Begriff war also mit Konservatismus verknüpft und wurde später von Denkern wie Gobineau zu einem Rassenkonservatismus und Rassenaristokratismus ausgebaut, mit dem Gobineau eine scharfe Kritik an der modernen sogenannten Massengesellschaft formulierte.51 Dabei war ‚Rasse‘ sowohl sozial als auch ethnisch codiert. Das Germanische stand für Denker wie Gobineau oder Boulainvilliers für ‚race‘, also für die Herrenschicht, das KeltischGallische dagegen für ‚peuple‘, für den „dritten Stand“. Bei der älteren Generation von Burgenforschern, für die Bodo Ebhardt exemplarisch steht, zeigte sich das Überwiegen des ständischen Prinzips darin, dass Ebhardts ‚rassische‘ Konstruktionen immer mit einem Aristokratismus verbunden waren, den er, obwohl darum bemüht, auch nach 1918 nicht ablegte. 47 Conze, Werner/Sommer, Antje: Rasse. In: Brunner/Conze/Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 5. 1984, S. 135 – 178, hier S. 135 – 136. 48 Vgl. Ebd., S. 145, 147. 49 Ebd., S. 137. 50 Vgl. Ebd., S. 140 – 141. 51 Kale, Gobineau, Racism, and Legitimism, 2010.

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Es ist wichtig festzuhalten, dass für deutsche Philosophen wie Herder ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ aufgrund der aristokratischen Konnotation von ‚Rasse‘ unvereinbar waren.52 Eine Verbindung des Volks- mit dem Rassebegriff im sozialdarwinistisch-rassenbiologischen Sinn ist in Deutschland erst im späten 19. Jahrhundert auszumachen. Motivation dafür war eine Gesellschaftskritik, die aus einem Krisenbewusstsein resultierte, nämlich aus der Befürchtung einer biologischen Degeneration der Deutschen. Die eugenische und rassenhygienische Bewegung zielte auf die Verbesserung des biologisch-‚rassischen‘ Zustands der Gesellschaft mit wissenschaftlichen Mitteln ab und kann demnach als eine Verwissenschaftlichung von Gobineaus Theorien gesehen werden. Biologisch als minderwertig kategorisierte Menschen sollten „unschädlich“ gemacht (negative Eugenik) und biologisch als wertvoll beurteilte Menschen in ihrem Vermehrungsverhalten „gefördert“ werden (positive Eugenik).53 Es ging um eine Optimierung der ‚Rasse‘ durch Ausleseverfahren. Rassismus musste nicht unbedingt mit völkischem Denken zusammengehen, was bei Ebhardt deutlich wurde. Für Völkische war vor allem der Antisemi­tismus konstitutiv, der für Rassisten unbedeutend sein konnte. Die völkische Verbindung von ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ als Bezeichnung einer Gemeinschaft biologisch Exklusiver schloss die Juden radikal von der Volkszugehörigkeit aus. Schon der frühe völkische Nationalismus war antijüdisch untermalt, da er durchwegs von der Semantik des Christlich-Abendländischen bestimmt war. Für die jüngeren Nationalisten dagegen war die Religionszugehörigkeit sekundär oder völlig unwichtig. „Jüdischsein“ verstanden sie als kulturelle „Lebensäußerung“, wobei die starke biologische Substanziierung dieser Denkfigur die Juden als „undeutsch“ definierte und damit von der deutschen „Volksgemeinschaft“ ausschloss.54 In diesem Sinne waren ‚völkische‘ und ‚rassische‘ Denkfiguren zu einem Gutteil Äußerungen bestimmter Gruppen, die sich auf einer allgemeinen gesellschaftlichen Ebene gegen liberale, demokratische, egalitäre Werte richteten. Kritik durch den Rekurs auf ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ wurde aber nicht nur an der Gesellschaft geübt, sondern vermehrt ab etwa 1900 auch an der Wissenschaft.55 Die 52 Vgl. Conze/Sommer, Rasse, 1984, S. 152, 156, 157. 53 Vgl. Ebd., S. 166. Vgl. Peukert, Detlev: The Genesis of the ‚Final Solution‘ from the Spirit of Science. In: Childers, Thomas/Caplan, Jane (Hg.): Reevaluating the Third Reich. New York 1994, S. 234 – 252. 54 Vgl. Herbert, Best, 1996, S. 53 – 54, 57 – 63. 55 Vgl. Jansen, Christian: Völkische und rassistische Tendenzen in den deutschen Wissen­ schaften 1900 – 1940. In: Schulte (Hg.), Die SS , Himmler und die Wewelsburg, 2009,

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Niederlage im Ersten Weltkrieg verstärkte die Suche nach neuen Seins- und Wesensmöglichkeiten auf wissenschaftlicher und weltanschaulicher Ebene. Darüber hinaus empfanden jüngere Wissenschaftler das gesellschaftlich-soziale Krisenmoment aufgrund ihrer prekären sozialen Lage oft als persönlich-emotionale Krise. ‚Volk‘ stellte daher eine „menschliche Grund- und Wesensmöglichkeit“ dar, die eine neue Ganzheit und neue Ideologien begründete. Hierfür rekurrierten völkisch und jungkonservativ gesinnte Denker in den 1920er-Jahren auf die gegenrevolutionären Volksbegriffe Fichtes, Arndts oder Jahns, wie dies Paul Hermann Ruth deutlich machte. Ruth meinte, dass die Bemühungen in den 1920er- und 1930er-Jahren „um eine Vertiefung und Neubegründung der Geisteswissenschaften […] seit längerer Zeit das Bewusstsein geweckt [haben], dass für diese Aufgabe die Gedanken über Volksgeist und Volkstum, wie sie um 1800 in Deutschland entstanden, von besonderer Bedeutung sind“, denn in „jenen Jahrzehnten um 1800 vollzog sich der Durchbruch des deutschen Geists zum Volk, und damit waren zum ersten Mal seit Jahrhunderten die großen Genien in Deutschland wieder nicht mehr isoliert Einzelne, sondern volkhafte Menschen. Hier zum ersten Mal seit dem Ausgang des Mittelalters gibt es wieder deutsche Volksgeschichte […].“56 Gerade weil jungkonservative Denker bei ihrer Neuausrichtung auf bereits vorhandene semantische Inventare zurückgriffen, müssen ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ als legitime Elemente im deutschen Wissenschafts- und Intellektuellenfeld angesehen werden, wenn auch die radikale, völkisch wertende Auslegung dieser Begriffe eine Position darstellte, die im Wissenschaftsfeld noch marginal war. Volks- und Kulturbodenforscher in den 1920er-Jahren kämpften simultan gegen die als enttäuschend erlebte wilhelminisch-bürgerliche und als dem deutschen „Volkswesen“ fremd betrachtete liberale Sozialordnung der Republik sowie gegen das vorherrschende, als alt und überholt empfundene Denken in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Hier nun zeigt sich, dass ‚völkisches‘ und ‚rassisches‘ Denken auch auf einer epistemologischen Ebene gelagert war und ontologisch begründet sein konnte im Sinne der biologischen Fundierung menschlichen Seins. Gesellschafts- und Wissenschaftskritik sowie erkenntnistheoretische Neuauslegung waren nicht voneinander getrennt, sondern bedingten sich gegenseitig. Der Historiker Kurt von Raumer meinte 1938, dass „das S.  141 – 160, hier S.  141 – 142. 56 Ruth, Paul Hermann: Die Idee der deutschen Volkwerdung und die Volkstheorie der Gegenwart. In: Deutsche Hefte für Volks- und Kulturbodenforschung 4 (1934) 1, S. 3 – 19, hier S. 3, 5 – 6.

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Volk die Grundlage ist, wie die Rasse die Grundlage ist. Auf sie müssen wir immer wieder zurück. Ohne sie gibt es keine Erneuerung.“57 ‚Rasse‘ stand bei von Raumer für biologische Erneuerung, wie sie Nietzsche – freilich ohne nationalistische Konnotation – gefordert hatte. Auf dieser Fundamentalkritik sollte die erkenntnistheoretisch neu ausgerichtete Wissenschaft der Volks- und Kulturbodenforschung gründen. Die Verschränktheit der Ebenen wird auch bei Martin Heideggers existenzial­ ontologischem Konzept deutlich, in dem Weltanschauung und Epistemologie nicht mehr getrennt voneinander waren, denn Wirklichkeit war für ihn wissenschaftlich und weltanschaulich zugleich begründet.58 In diesem Wissenssystem stand anstelle von „objektivem Wissen“ das ‚Leben‘ als eine wissenschaftlich nicht vollends ergründbare Entität, das Stellvertreterfunktion haben konnte für ‚Rasse‘, ‚Volk‘, aber auch für einen neuen und ganzheitlichen Glauben: „‚Wahrheit‘ wird durch ‚Nation‘, ja durch ‚Deutschheit‘ geschaffen“.59 ‚Volk‘ als Ordnungsbegriff bezeichnete dabei eine hinter den historischen Abläufen stehende Struktur, die durch den Begriff ‚Blut‘ biologistisch-‚rassisch‘ substanziiert sein konnte.60 Die Zusammenlegung von Weltanschauung und Epistemologie war zunächst keine Heteronomie, sondern eine heterodoxe Position, die sich gegen die Auslegungen der Neu-Kantianer der Marburger Schule Hermann Cohens richtete. Allerdings konnte sie leicht mit heteronomen Elementen vermengt werden, weil dieses Denken eine Öffnung gegenüber politischen Denkfiguren prinzipiell ermöglichte. Der Rückgriff auf das Mittelalter war dabei ein beliebter Topos, das Mittelalter stellte eine „Ganzheit und Lebensordnung des deutschen Volkes“ dar. Neumann, Hotz und Volkshistoriker wie Werner Conze sahen das Mittelalter als Periode der „Volkwerdung der Deutschen“ an.61 Die ethnohistorische Entwicklung der Germanenvölker bewegte sich für diese Wissenschaftler von der Völkerwanderungszeit auf die Formierung der „Deutschen“ im hohen ­Mittelalter zu, indem

57 von Raumer, Kurt: Der politische Sinn der Landesgeschichte. Vortrag, gehalten im Saarländischen Institut für Landes- und Volksforschung in Kaiserslautern am 27. August 1938 (Beihefte zu den Saarpfälzischen Abhandlungen zur Landes- und Volksforschung 1). Kaisers­lautern 1938, S. 21. 58 Gordon, Continental Divide, 2010, S. 56 – 58. Vgl. Oexle, ‚Staat‘ – ‚Kultur‘ – ‚Volk‘, 2005, S. 76. 59 Oexle, Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus, 1996, S. 203. 60 Vgl. Ebd., S. 141 – 145. 61 Vgl. Dunkhase, Werner Conze, 2010, S. 176 – 177.

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während des Frühmittelalters ‚Rasse‘ (Germanen) und ‚Volk‘ (Deutsche) auf gemeinsamem ‚Kulturboden‘ miteinander verschmolzen. ­Dieser Prozess erfolgte nur im „deutschen Kulturraum“, worin die Wissenschaftler die Überlegenheit der Deutschen und damit das Anrecht auf ihre „Sendung“ im Abendland auch in der Gegenwart sahen. Dabei war ‚Volk‘ eine Finalität inhärent. Diese Finalität wird durch die Begriffe „Gemeinwesen“ oder „Reich“ angezeigt, „wahrhaft volkhaftes Dasein“ lief auf das Wiederkommen des mittelalterlichen Reiches hinaus. Walter Hotz schrieb: „Das Reich muss sein!“62 Viele jung- und auch altkonservative Denker sahen diese „mittelalterliche Ordnung“ mit der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten an­brechen. Dass dies so verstanden werden konnte, war durch die Neukonfiguration geistes­ wissenschaftlicher erkenntnistheoretischer Grundlegung bedingt, durch die Substitution historistischen Denkens durch essenzialistische Elemente. Der Glaube an die Sendung, an die historische, anthropologisch-philosophische Wirklichkeit des Volkes stellte das neue „imperative Weltbild“ dar, das viele Intellektuelle, von Martin Heidegger bis Gottfried Benn, anfänglich im National­sozialismus verwirklicht sahen. Der auf „Führung und Gefolgschaft“ basierende NS-Staat erschien als Äquivalent zum mittelalterlichen Friedensverband als die „deutschgermanische Volksordnung“ z. B. eines Otto Brunner.63 Der gemeinschaftliche Volksbegriff der Volks- und Kulturbodenforscher war immer auch reaktionär-ständisch konzipiert. Die jüngere Generation baute das rassenaristokratische Prinzip im Sinne einer stärkeren Inklusion von „Volksteilen“ aus, brach es aber keineswegs um. Das Reaktionäre dieses Denkens zeigt sich an der Angst vor der sogenannten Massenkultur, vor der „Vermassung“, was mit „Proletariat“, „Demokratie“, „Bolschewismus“ und „Amerikanismus“ verbunden war.64 Brunstäds Rede ist hier nur eines von vielen Beispielen. Auf die Juden bezogen wirkte sich dieses Denken so aus, dass traditionellere, vor allem in den slawischen Ländern im Schtetl wohnende Juden als „Rassenfeinde“, konvertierte „assimilierte Juden“ wie Hans ­Rothfels oder Nikolaus Pevsner dagegen als Deutsche angesehen wurden. Dies zeigte sich im Fall Gotthard Neumanns deutlich, der bei Gelehrten ehemals mosaischen Glaubens studiert hatte. Die Juden, mit denen er während seines 62 Hotz, Deutsche Kultur und Kunst, 1941, S. 391. 63 Oexle, Krise des Historismus, 2007, S. 62, 48, 105. Vgl. Algazi, Gadi: Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch (Historische Studien 17). Frankfurt am Main, New York 1996. 64 Vgl. Bourdieu, Die politische Ontologie Martin Heideggers, 1988, S. 103.

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Einsatzes an der Ostfront konfrontiert war, standen für ihn jedoch auf einer völlig anderen ‚völkischen‘ Stufe. Im Volks- und Rassebegriff zeigen sich Differenzen zwischen den Konstruktionen jungkonservativ-rechtsradikaler und altkonservativer Denker. Insbesondere Angehörigen der „Generation des Unbedingten“ wie Werner Best schwebte ein anderes ‚völkisch-rassisches‘ Konzept vor als Ebhardt. Best lehnte es ab, in einem neuen, deutsch beherrschten Europa eine Herren­schicht etablieren zu wollen, schließlich sei am Beispiel des Römischen Reichs zu sehen, dass dies nicht funktioniert habe.65 Zwar gibt es in den Denkmodellen eines Ebhardt und eines Best insofern Übereinstimmungen, als der stärkste Volksverband angeblich im deutschsprachigen Raum zu finden war, da dort „germanische Führerschicht“ und „germanisches Volk“ auf „germanischem Boden“ zusammengefunden hätten. Im Gegensatz zu Ebhardt vertrat Best jedoch die Meinung, dass jedes Volk seine völkische Eigenart entwickeln müsse. Der völkische Gedanke war für Best also auch auf nicht deutsche Völker anwendbar. Dies galt aber nur dann, wenn ein Volk als solches definierbar war, wovon Best sowohl die Amerikaner als auch die Juden ausnahm. In diesem Sinne stand Walter Hotz gewissermaßen zwischen dem älteren und dem jüngeren Volks- und Rassekonzept. Diese Differenz ist vor allem auf den Raumbegriff zurückzuführen. Mit ‚Raum‘ war ein weit über die territorialen Grenzen des deutschen Staats hinausführendes Gebiet gemeint. Raum bezeichnete die Zusammenfassung des biologisch-kulturell definierten „deutschen Volkstums“ in Europa,66 was infolge der Versailler Ordnung, durch welche nun in mehreren Regionen Europas deutsche „Siedlungs- und Sprachinseln“ bestanden, bekräftigt wurde. Ernst Curtius hatte in seiner Kritik der „konservativen Revolutionäre“, für welche ‚Raum‘ der entscheidende Faktor ihres Neuentwurfs der deutschen Gesellschaft war, darauf hingewiesen, dass Raum gewissermaßen die Abläufe menschlicher Gesellschaften in der Geschichte entzeitlichen und damit eine Ewigkeitssemantik befördern würde, die existenzialphilosophisch mit Sein verbunden werden konnte.67 Der Raum war epistemologisch und zugleich weltanschaulich begründet. Walter Hotz’ Raumkonzept war nicht nur ein wissenschaftliches, sondern auch ein 65 Herbert, Best, 1996, S. 287. 66 Brandt, „Volk“, 2001, Sp. 1083. 67 Köster, Werner: Die Rede über den „Raum“. Zur semantischen Karriere eines deutschen Konzepts (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 1). Heidelberg 2002, S.  180 – 181.

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politisch-weltanschauliches, das eine anwendungsbezogene, handlungsorientierte Stoßrichtung in den Geistes- und Kulturwissenschaften anzeigen sollte. Dies wiederum war mit der konzeptionellen Neuausrichtung verbunden, über die sich Volks- und Kulturbodenforscher konstituierten. „Rein wissenschaftlich“ begriffen sie als wertneutrales Gegenkonzept zu ihrer Neuauffassung von Wissenschaft.68 Werner Köster sieht die Metapher des Raums in den Wissenschaften denn auch mehr als epistemologischen Überbau einer Ideologie vom Raum, verstanden nach Friedrich Ratzel als Schicksal Deutschlands in der Weltgeschichte und der Weltpolitik.69 ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ waren genuine Bestandteile des Wissenschaftsfelds, weil sie von Gelehrten selbst konzipiert worden waren. Sie waren daher legitime Instrumente im Prozess der epistemologischen Umbrüche und im Kampf der Positionsinhaber um wissenschaftliche Plausibilität, da eine allgemein im Feld verständliche Codierung existierte, deren Ursprünge letztlich auf das späte 18. Jahrhundert zurückgingen. Dennoch standen diese Figuren immerzu an der Schwelle zur Heteronomie, besonders deshalb, weil ihre Bedeutungen mehrschichtig gelagert waren und Übertretungen vom einen ins andere Feld ermöglichten. ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ konnten daher besonders in den 1920er- und 1930er-Jahren als Werkzeuge zur Schärfung spezifischer oder neuer Forschungsbereiche dienen. ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ als Distinktionselemente

In bestimmten Wissenschaftsbereichen und Forschungszweigen waren ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ Elemente der Distinktion gegenüber anderen, bereits etablierten Fächern. Aus dieser Perspektive waren die Begriffe auf epistemologischer und konzeptioneller Ebene gelagert, ohne dass dabei zwischen weltanschaulichwertbezogener und epistemologischer Ebene klar getrennt werden könnte. Zu jenen Forschungsbereichen zählten die Vor- und Frühgeschichte, die Volkskunde, Bodo Ebhardts Burgenforschung sowie die Volks- und Kulturbodenforschung. In allen Fällen handelte es sich um Abgrenzungsprozesse innerhalb bereits bestehender wissenschaftlicher Kommunikationsgemeinschaften. Ebhardt und die vor- und frühgeschichtlichen Archäologen distinguierten sich gegenüber den allgemeinen Altertumswissenschaften, die

68 Ebd., S. 89, 107 – 108, 117. 69 Vgl. Ebd., S.  7 – 33, 116 – 128, 179 – 183.

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Volkskunde bildete sich aus der sprachwissenschaftlichen Tradition heraus, und die Volks- und Kultur­bodenforscher stellten sich als holistisch-inter-, trans- und multidisziplinär arbei­tender Forscherverbund dar, der eine alternative Wissenschaftsform und einen alternativen Wissensbegriff zur bisherigen Wissensordnung und Arbeitsweise in den Geistes- und Kulturwissenschaften begründen sollte. Dieser Prozess ist in der Vor- und Frühgeschichte auszumachen. Die Prähisto­ riker konturierten ihre Forschungsobjekte und Betrachtungsweisen durch ethnisch-‚völkische‘ Deutungsmuster und schufen dadurch eine disziplinäre Identität, um sich gegen die klassischen Philologien, insbesondere gegen die Klassische Archäologie, abzugrenzen und die Vor- und Frühgeschichte als eigenständiges Fach zu etablieren. Die Vor- und Frühgeschichte sollte eigene Objekte und Bezugs­größen haben, und eine der wichtigsten davon war ‚Volk‘, konkretisiert in Begriffen wie „Wanderung“ oder „Siedlung“. Innerhalb der vor- und frühgeschichtlichen Diskursgemeinschaft gab es eine Vielzahl von Gruppen, die sich gegeneinander abgrenzten, indem sie z. B. anderen Archäologen vorwarfen, diese würden sich zu sehr auf provinzial­römische Forschungsobjekte konzentrieren, statt auf das „Erbe der Germanen“, sie würden also auf das „falsche Volk“ fokussieren. Dass innerhalb eines Fachs darüber diskutiert wurde, welches Volkskonzept das plausibelste war und welches Volk erforscht werden sollte, ist ein Beleg für die substanzielle Bedeutung der ‚völkisch‘-ethnischen Wissensordnung im Fach. Bodo Ebhardt spezifizierte die Burgenforschung auf die Weise, dass der Begriff ‚Burg‘ nun exklusiv mittelalterliche Wehrbauten meinte und durch den Rekurs auf ‚Rasse‘ und Germanen vom römischen und frühneuzeitlichen Festungsbau abgehoben werden konnte. ‚Rassische‘ Denkfiguren dienten ihm dazu, die Burg begrifflich aus dem humanistisch-universalistischen Verständnis der Altertümer herauszulösen. Sein Burgenbegriff erfuhr dabei eine weitgehende Rezeption, noch Walter Hotz und andere bezogen sich auf die Begriffsbildung Ebhardts. Die Volks- und Kulturbodenforscher grenzten sich mit ‚Volk‘ und ‚Rasse‘ gegen das historistische Wissens- und Theoriengebäude ab. Über den Ordnungsbegriff ‚Volk‘ ließ sich die ins Mittelalter verlegte Sehnsucht nach Ganzheit, Gemeinschaft, organischem Dasein in der Gegenwart auf die Weise in wissenschaftliche Denkfiguren transferieren, dass das Mittelalter als Weltanschauung und als Erfahrungszeitraum wissenschaftlicher Wirklichkeiten erschien sowie als Konzept gegen den Universalismus stand. Dabei können die oben skizzierten Ebenen nicht scharf voneinander getrennt werden. Otto Brunner wandte sich gleichzeitig gegen die Orthodoxie der Politik- und Diplomatiegeschichte in

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der Geschichtswissenschaft und gegen den bürgerlich-liberalen Rechtsstaat der Weimarer Republik.70 ‚Völkische‘ und ‚rassische‘ Elemente als Heteronomisierungseffekte

Bourdieu beobachtete, dass die relativ Beherrschten zweiten Grades im Feld, die „nach den spezifischen Kriterien des intellektuellen Felds zu einem bestimmten Zeitpunkt als zweitrangig gelten, zu reformistischen und revolutionären Bewegungen [neigen], einschließlich der nicht seltenen Tendenz“, hierbei auf einen Antiintellektualismus zu rekurrieren, wie er „im Schdanowismus, aber auch in der völkischen Gestimmtheit der ‚konservativen Revolutionäre‘ exemplarisch Gestalt gewonnen hat“.71 Dies wird durch die oben getroffenen Feststellungen grundsätzlich bestätigt. Allerdings kann Antiintellektualismus im deutschen Wissenschaftsfeld nicht als signifikant für Heteronomie gelten, denn Antiintellektualismus war nicht eine Abweichung von der Norm, sondern gehörte eher zum Regelkanon im deutschen Wissenschaftsfeld, wie Dietz Bering schlüssig gezeigt hat. „Intellektualismus“ war lange vor 1933 mehrheitlich eine Invektive, um jüdische, liberale und linksliberale Denker zu diffamieren.72 Die Heteronomie äußerte sich vielmehr in der Art der Verhältnisse der Wissenschaftler zur NSPolitik, was auch durch die Lage des jeweiligen Forschungsbereichs bedingt war. Für die Burgenforschung ist festzuhalten, dass Bodo Ebhardt von Beginn seiner Karriere an eine heteronome Strategie gewählt hatte, indem er durch das Machtfeld der kaiserlichen Politik sein Wissenschaftskonzept herausbilden wollte. Bei Ebhardt zeigte sich deutlich, dass ‚rassische‘ und ‚völkische‘ Denkfiguren erst mit seinen Aktivitäten in Berlin und vor allem mit der kliente­lis­ tischen Beziehung zu Kaiser Wilhelm II. Eingang in seine Publikationen fanden. Dies muss nicht bedeuten, dass er zuvor solche Ansichten nicht vertreten hatte. Auffällig ist aber, dass sich in seiner ersten monografischen Veröffent­lichung in der Reihe „Deutsche Burgen“ (1898) keine ‚rassischen‘ Denk­figuren finden.73 Mit dem sozialen Aufstieg Ebhardts und der damit verbundenen erfolg­reichen 70 Vgl. Oexle, Otto Gerhard: Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Wissenschaftsgeschichte. Anmerkungen zum Werk Otto Brunners. In: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 71 (1984), S. 305 – 341, hier S. 318 – 319. 71 Bourdieu, Homo academicus, 1988, S. 281. 72 Vgl. Bering, Dietz: Die Epoche der Intellektuellen 1898 – 2001. Geburt – Begriff – Grabmal. Berlin 2010. 73 Vgl. Ebhardt, Deutsche Burgen, Bd. 1, 1898.

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Herausbildung der Burgenforschung als ein eigenständiger Forschungsbereich ging eine Durchdringung seiner wissenschaftlichen Denk­figuren mit ‚rassischen‘ und nationalistischen Elementen einher. Auch wenn die enge Bindung an das Machtfeld nach 1918 nicht mehr möglich war, fielen die heteronomen Elemente in Ebhardts Publikationen nicht etwa weg, vielmehr erfolgte ein Radikalisierungsprozess dieser Denkfiguren. Der anfänglich erfolgreiche Kapital­sortenaustausch mit NS-Politikern verstärkte diese Wissensfiguren, da die mobilisierten Kapitalsorten nicht in eine autonome symbolische Form umgewandelt werden konnten. In Gotthard Neumanns Fall ist die Frage nach der Heteronomie in Bezug auf ‚Rasse‘ und ‚Volk‘ komplexer. Die Vor- und Frühgeschichte war bereits vor der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten auf dem Weg, akademisch institutionalisiert zu werden. Der Kapitalsortenaustausch zwischen Prähistorikern und NS-Politikern, der retrospektiv erfolgreich war, ermöglichte den Prähistorikern, den Institutionalisierungsprozess voranzutreiben, gleichzeitig importierten sie völkisch-politische Elemente, da der autonome Pol im Fach noch nicht überwog. Außerdem hatten viele Prähistoriker bereits vor 1933 einen Kapitalsortenaustausch mit völkischen Gruppierungen unterhalten, was einer Heteronomisierung nach der sogenannten Machtergreifung Vorschub leistete. An Indikatoren wie der Germanenfrage, der unbedingten Gültigkeit der „Nordischen Theorie“, der Verbindung von wertender Rassenkunde und Rassenpsychologie mit vor- und frühgeschichtlichen Inhalten und Frages­tellungen ist zu sehen, dass während der NS-Herrschaft heteronome Elemente aufgenommen wurden. Der Grund, warum die Vor- und Früh­ geschichte nach 1945 nicht diskreditiert war, ist darin zu sehen, dass es bereits vor 1933 mehr oder weniger eigenständige Symbolformen innerhalb einer relativ großen Diskursgemeinschaft gab, was ein Abstreifen der heteronomen Elemente nach 1945 ermöglichte. Walter Hotz hatte eine heterodoxe Strategie innerhalb der Kunstgeschichte gewählt. Er positionierte sich im Wissenschaftsfeld zwar als Kunsthisto­riker und nicht als Exponent der fächerübergreifenden Volks- und Kulturbodenforschung. Mit der Wahl des sogenannten geopolitischen Ansatzes für die Analyse von Kunstwerken im Allgemeinen, von Burgen als marginalem kunsthistorischem Thema im Besonderen positionierte sich Hotz jedoch in einem Grenzbereich zwischen Heterodoxie und Heteronomie, denn die Westforschung folgte mehrheitlich politischen Zielsetzungen. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass die Volksforscher die Burgenforschung mit wissenschaftlicher Relevanz ausstatteten und zur Hilfswissenschaft der Siedlungsforschung umfunktionierten. Wenn davon ausgegangen werden muss, dass die Volks- und Kulturbodenforschung

Neue Perspektiven im Kontext von ‚Volk‘ und ‚Rasse‘  |

schon vor 1933 stark heteronomisiert war, dann wurde die Burgenforschung als ein heteronomes Wissenschaftsgebilde während des NS -Regimes gewisser­ maßen mit weiteren heteronomen Inhalten angereichert. Schlussfolgerung: ‚Volk‘, ‚Rasse‘ und keine Autonomisierung

Weil bestimmte Spielarten des ‚Völkischen‘ und ‚Rassischen‘ Tradition und Legitimität im deutschen Wissenschaftsfeld hatten, konnten sich Vertreter neuerer, dominierter Wissenschaften wie der Vor- und Frühgeschichte darüber artikulieren und damit ihrer Wissenschaft eine Kontur geben. Das NS-Regime hatte auf diese Entwicklung Schubwirkung. Es existierten dabei verschiedene ethnisch-‚völkische‘ Konzepte, die zwischen wissenschaftlich plausibleren und weniger plausiblen Ideen schwankten, was unter anderem auf habituelle Unterschiede zurückzuführen ist. Wenig plausible Konstruktionen vertraten Wissenschaftler wie Ernst Krieck (*1882), Alfred Baeumler (*1887), Johannes Stark (*1874) oder Philipp Lenard (*1862), plausiblere Theorien propagierten dagegen Angehörige der jüngeren Generationen, wie Günther Franz, G ­ otthard Neumann oder H ­ erbert Jankuhn. Vertreter der doch eindeutig jüngeren zweiten Gruppe konnten ihre Karriere in der Nachkriegszeit oft erfolgreich weiterführen. In ihren Inhalten bezogen sich die Vertreter der zweiten Gruppe entweder auf eine legitime Variante des Volksbegriffs oder sie waren wendig genug, ethnische Begriffe in demokratietaugliche Konzepte umzubauen. Bezeichnend ist aber, dass alle diese Akteure bereits vor 1933 existierenden und etablierten Fächern angehört hatten. In der Burgenforschung erfolgte jedoch eine Heteronomisierung eines vor dem Machtwechsel nicht autonomisierten Wissenschaftsbereichs. Nach 1945 war die Burgenforschung daher mehrheitlich diskreditiert und wurde in den außerakademischen, aus Perspektive der Akademiker un- oder vorprofessionellen Wissenschafts­ bereich abgeschoben. 6.3 MODERNE METHODEN UND NEUE PERSPEKTIVEN IM KONTEXT VON ‚VOLK‘ UND ‚RASSE‘

Auf die Frage nach modernen und innovativen Methoden und neuen theoretischen Perspektiven in der Burgenforschung im Kontext ‚völkischen‘ und ‚rassischen‘ Denkens während des NS-Regimes können vier Ergebnisse festgehalten werden:

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|  Schlussfolgerungen

1 |  Die aus heutiger Sicht inter, multi- und transdisziplinären Konzepte lassen sich nicht funktional von ‚völkisch‘-vitalistisch-holistischem Denken trennen. Vielmehr ist festzuhalten, dass Letzteres in Gestalt der Gemeinschaftsforschung die Basis dafür war, dass Effekte entstehen konnten, die lediglich retrospektiv als inter-, multi- oder transdisziplinär verstanden werden können. 2 |  Die neue und im Hinblick auf die landeskundlich-geografische Burgenforschung durchaus modernisierend wirkende räumliche Perspektive war verschränkt mit einer ‚völkischen‘ epistemischen Fundierung. ‚Volk‘ und ‚Raum‘ bildeten als Blut-und-Boden-Theorem eine analytische Einheit. Dies bedeutet, dass das Konzept ‚Raum‘ nicht von ‚Volk‘ abgetrennt werden kann, weshalb es sich beim Raumdenken ‚völkischer‘ Wissenschaftler nicht um einen „spatial turn“ avant la lettre handelte, sondern um eine wissenschaftliche Kategorie, die mit organizistischem und ‚völkischem‘ Denken inhärent verschränkt war. 3 |  Die Frage nach modernen Methoden und neuen theoretischen Perspektiven in der Wissenschaft im Nationalsozialismus muss in den zeithistorischen Kontext des NS-Regimes eingebunden werden, der auf Destruktivität, Eschatologie und einem ‚rassisch‘-exklusiven Gesellschaftsmodell, letztlich also auf irrational-utopischen Vorstellungen basierte. Besonders deutlich zeigen sich diese Charakteristiken im fortwährenden Aktionismus der Nationalsozia­ listen. In den Geistes- und Kulturwissenschaften schlug sich dies darin nieder, dass die neuartigen Konzepte gemeinschaftlicher Arbeit und Publikation der Forschungsergebnisse oft idealistisches Programm blieben und nicht oder nur ansatzweise umgesetzt wurden. 4 |  Die oft wenig erfolgreiche Umsetzung solcher Konzepte hatte auch epis­ temologische Gründe. Wird davon ausgegangen, dass die moderne Wissenschaft auf Rationalität und Logik aufbaut, konnten Konzepte und Annahmen, die irrationalistisch respektive antirationalistisch begründet waren, in einem solch rational-logischen System nicht stabilisiert werden.

‚Völkisch‘-vitalistischer Holismus und Interdisziplinarität

Inter-, trans- und multidisziplinäre Wissenschaftspraktiken zeigten sich vor allem bei den Gemeinschaftsforschungen. Diese Art der kollektiven Forschung war gegen „Atomisierung“ und „Individualismus“ in den Wissenschaften gerichtet und entsprach vom Konzept her einem vitalistischen Holismus, der explizit offen für ‚rassische‘ Auslegungen war. Dabei ist dieses Konzept nicht als vormodern oder antimodern zu bezeichnen, vielmehr war es Teil einer spezifischen „organischen Moderne“ ‚völkisch‘ gesinnter Denker und beinhaltete moderne wie

Neue Perspektiven im Kontext von ‚Volk‘ und ‚Rasse‘  |

antimoderne Elemente. Denn Holismus war kein Konzept, das nur Wissen­ schaftler mit politisch rechter Haltung vertraten, sondern ‒ wie das Beispiel der Gestaltpsychologie zeigt ‒ auch von liberalen und linksliberalen Forschern vertreten wurde, allerdings ohne ‚rassische‘ Grundierung.74 Frank-Rutger Hausmann betont zu Recht, dass das Ziel der ‚völkisch-rassisch‘ ausgerichteten Wissen­schaftler die Schaffung einer nationalsozialistischen Wissenschaft war, die sich als eine „spezifisch völkisch-rassische Ausrichtung“ vom „humanis­ tischen Gedanken, dass Wissenschaft universell ist und keine Grenzen kennt“, abheben sollte.75 Die Gemeinschaftsforschungen der Volks- und Kulturbodenforscher waren zudem revisionistisch-nationalistisch motiviert, wurden also von Wissenschaftlern betrieben, die politisch radikalkonservative oder rechtsradikale Haltungen vertraten. Beim ‚völkisch‘-vitalistischen Holismus, der auf irrationalen Annahmen im Sinne einer Gegenposition zum wissenschaftlichen „Rationalismus“ westlichen Denkens beruhte, konnten Effekte entstehen, die im heutigen Verständnis als inter-, trans- und multidisziplinär und als potenziell innovativ bezeichnet werden können. In der Burgenforschung zeigten sich diese Modernisierungseffekte darin, dass die als alt und überholt empfundene Burgenforschung eines Bodo Ebhardt überwunden wurde, indem jüngere Wissenschaftler die Erforschung der ­Burgen einer wissenschaftlich und politisch relevanten Fragestellung – Siedlungsbewegungen und Landesausbau im Mittelalter – unterstellten. Die holistische Herangehensweise hatte hier also den Effekt, dass diese Forscher über ihren Forschungsbereich hinausschauten und dadurch die Burgenforschung inhaltlich und methodisch erneuerten. Landeshistoriker, die in den 1960erJahren oder später auf Burgen fokussierten, verfolgten solche Fragestellungen weiter, freilich ohne revisionistische Absichten. ‚Raum‘ und ‚Volk‘

Diese neue Burgenforschung war durchwegs räumlich ausgerichtet. Als metho­ dische Neuerung ist die Verbindung von Raum und Ethnos auszumachen. ­Jüngere Burgenforscher wie Walter Hotz fokussierten auf mittelalterliche Baumannschaften, die regional gebunden waren und von den mittelalterlichen Herrschern für den Burgenbau angeheuert wurden, was sich kunsthistorisch in Steinmetz­zeichen

74 Vgl. Ash, Gestalt Psychology in German Culture, 1998. 75 Hausmann, Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011, S. 71.

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und Spezifika in den Baustilen der Burgen niederschlug. Diese Erkenntnis gehört auch heute noch zu den Standards in der Burgenforschung.76 Walter Hotz’ Denkfiguren zeigen aber auch, dass er wie Bodo Ebhardt die Annahme vertrat, eine germa­nische Herrenschicht hätte sich während der Völkerwanderungszeit in ganz Europa etabliert und die autochthonen Völker fortan beherrscht. Ihm zufolge waren nur in Deutschland „die Burgen aus den Kräften des Volkes geformt und gehören unlösbar zum Bild des deutschen Kulturraumes“.77 In Ländern wie Frankreich und England dagegen seien sie von den germanischen Herrengeschlechtern zum Zweck der Beherrschung der ortsansässigen Untertanen errichtet worden. Mit diesen Denkfiguren stand Hotz keineswegs allein da. Sowohl Volk­ forscher wie Hermann Aubin als auch der Burgengeograf Carl Storm vertraten solche Ansichten.78 Storm ging noch in den 1940er-Jahren von der Richtigkeit von Ebhardts Grundthese aus. Der Burgenbau hatte für Storm im 6. Jahrhundert begonnen, als in „allen Ländern Europas“ eine „germanische Herren- und Oberschicht die maßgebende Macht“ dargestellt hatte. Dabei ging er noch einen Schritt weiter, indem er meinte, dass „das Sippen- und Genossenschaftswesen, wie es im germanischen Mitteleuropa bestand“, ausschlaggebend war für die „Entstehung einer typischen deutschen Burg als Genossenschaftssiedlung großen oder kleinen Umfangs.“79 Das „mittelalterlich-deutsche Bauwesen“ hatte laut Storm seinen Ursprung in frühgeschichtlicher Zeit, in der die „Volksburg“ die übliche Befestigung darstellte. Mit der „Wandlung der sozialen Struktur“ war zwar eine „Wandlung der Anlagen von der Volksburg zum Herrensitz“ erfolgt,80 die im „germanischen Blut“ liegende Fähigkeit zum Burgenbau wandelte sich jedoch nicht, was vor allem Hotz existenzphilosophisch-vitalistisch begründete.81 Damit waren Ebhardts Annahmen vom Burgenbau als einer exklusiv „germanischen Eigenschaft“ wissenschaftlich bestätigt, Ebhardts Rassenaristokratismus gewissermaßen verwissenschaftlicht, denn die Existenzphilosophie 76 Schock-Werner, Barbara: „Bauorganisation.“ In: Böhme u. a. (Hg.), Burgen in Mitteleuropa. Bd. 1, S. 196 – 204, hier S. 196. 77 Hotz, Kunstwerk und Landschaft, 1941, S. 11. 78 Aubin, Hermann: Geschichte. In: Aubin, Hermann/Frings, Theodor/Müller, Josef: Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden. Geschichte, Sprache, Volkskunde. Bonn 1926, S. 1 – 89, hier S. 77. 79 Storm, Zur deutschen Burgenforschung, 1941, S. 122 – 123. 80 Knapp, Der Burgentypus in der Steiermark, 1942, S. 867, 879. 81 Vgl. Halbertsma, Wilhelm Pinder, 1992, S. 88; Papenbrock, Martin: Kurt Bauch in Freiburg 1933 – 1945. In: Held/Papenbrock (Hg.), Kunstgeschichte an den Universitäten, 2003, S. 195 – 215, hier S. 197, 201.

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galt als legitime Denkart im Wissenschaftsfeld, auch wenn sie in den frühen 1930er-Jahren noch nicht dominant war. Solche und ähnliche Wissensfiguren waren nicht bloß auf kleine G ­ ruppen germanenzentrierter Wissenschaftler beschränkt, sondern bei deutschen Geistes- und Kulturwissenschaftlern durchaus gängig. Der Historiker ­Heinrich Dannenbauer sah die aristokratische Ordnung mit monarchischer Spitze im mittelalterlichen Abendland als die „den Germanen eigene Staatsform“.82 Er wich jedoch in einem Punkt von den Konstruktionen Ebhardts und Hotz’ ab: Er konzipierte die Burgen als Materialisierungen einer klientelistischen und gleichzeitig hierarchischen Herrschaftsordnung zwischen Herr, Gefolgsmann (Ministeriale) und Bauer/Knecht. Diese Sozialordnung war für Dannenbauer den Germanen zwar eigen, sie hatten ihr Herrschaftsprinzip im Mittelalter aber „von Spanien bis zu den schottischen Bergen und bis an die Ostseeküste“ verbreitet: „Adel, Burg und Herrschaft gehören zusammen. Das ist die Keimzelle der öffentlichen Ordnung bei den Griechen und Römern und auch bei den Germanen.“83 Dannenbauer universalisierte also eine Idee, die Hotz und Ebhardt als exklusiv germanisches Charakteristikum auswiesen und nur auf den deutschen „Volksraum“ bezogen wissen wollten. Zudem war D ­ annenbauers Konstruktion nicht von einem chauvinistischen Ethnozentrismus unterlegt, vielmehr interessierten ihn die Strukturen herrschaftlichen Gefüges, die er zwar für germanischen Ursprungs hielt – die Germanen waren Kulturbringer –, jedoch nicht auf die Germanen beschränkte. Instabilität des NS-Regimes und Tat-Ideologie

Interdisziplinär-holistische Ansätze blieben oft nur Vorschläge und wurden nicht umgesetzt. Die Forderungen nach Gemeinschaftsarbeit in räumlicher Ausrichtung, wie sie Kurt von Raumer formulierte,84 blieben mehrheitlich programmatische Äußerungen. Dies lag vor allem an den wechselhaften gesellschaftspoli­ tischen Umständen im NS-Regime. Die Publikation der potenziell als inter- oder multidisziplinär angelegten Bücher im Rahmen der beiden hier betrachteten Burgenunternehmen – des „Trifels-Werks“ und des „Kyffhäuser-Opus“ – wurde 82 Vgl. Dannenbauer, Heinrich: Adel, Burg und Herrschaft bei den Germanen. Grundlagen der deutschen Verfassungsentwicklung. In: Historisches Jahrbuch 61 (1941), S. 1 – 50, hier S. 2. 83 Ebd., S.  19 – 22. 84 Raumer, Der politische Sinn der Landesgeschichte, 1938, S. 14 – 15.

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|  Schlussfolgerungen

letztlich durch den Zweiten Weltkrieg verhindert. Das NS-Regime, in dessen Kontext diese Forschungen stattfanden, war darauf angelegt, eine Erlösung des „deutschen Volkes“ und der „arischen Rasse“ durch einen apokalyptisch anmutenden Weltkrieg herbeizuführen.85 Auch wenn Aufbruchsstimmung und Tatbegeisterung in der deutschen Wissenschaft, die durch die NS-Politik beflügelt wurden, in einigen Aspekten zu methodisch und inhaltlich moder­ nisierenden Effekten führten, konnten umfassendere Registereintrag durch den auf Destruktivität abzielenden Aktionismus im Machtfeld der NS-Politik nicht stabilisiert werden. Wissenschaftliche Rationalität und völkischer Irrationalismus

Die nicht erfolgte Stabilisierung ‚völkisch-rassischer‘ Forschungskonzepte hatte auch epistemologische Gründe. Wird Wissenschaft im Sinne Bourdieus als ein System betrachtet, das auf Rationalität und Logik beruht,86 so müssen die Konzepte der Volks- und Kulturbodenforscher und anderer ‚völkischer‘ Forscher generell als wissenschaftsfeindlich angesehen werden, da sie gegen rationa­ listisches Denken gerichtet waren und infolge ihrer „Philosophie der Destruktion“ (Ulrich Herbert) auf eine Destabilisierung der etablierten Wissenschaft abzielten. Da sich jene Wissenschaftler aber nach den Regeln des deutschen Wissenschaftsfelds richteten und weil diese Regeln seit etwa den späten 1920erJahren mehr und mehr zugunsten einer allgemeinen Akzeptanz ‚völkischer‘ und ‚rassischer‘ Denkfiguren verändert wurden, führten ihre methodischen und theo­retischen Konzepte zu Ergebnissen, die im heutigen Sinne als modern und innovativ beurteilt werden können. Verfehlt wäre es allerdings, von einer von innen angestoßenen innovativen methodischen und theoretischen Entwicklung auszugehen, die dann erst nachträglich mit ‚völkischen‘ und rassistischen Ideologemen angereichert worden wäre. Innovationen und modernisierende Elemente waren lediglich Effekte einer durchwegs politisierten Wissenschaftskultur, die auf irrational-mystifizierten Annahmen beruhte, und nicht Folge einer genuin wissenschaftlichen, auf epistemologischen Grundprinzipien beruhenden Modernisierungsleistung.

85 Vgl. Gumbrecht, I redentori della vittoria, 1996. 86 Vgl. Bourdieu, Science of Science and Reflexivity, 2004.

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ANHANG

7.1 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1, 4: Bundesarchiv, NS 21/99, NS 26/425. Abb. 2: Strickhausen-Bode, Gabriele Nina: Stahls Stahleck. Ernst Stahl (1882 – 1957) und der Neuaufbau von Burg Stahleck am Rhein – eine Jugendherberge der Rheinprovinz im Kontext von Historismus und Heimatschutz, Jugendbewegung und Jugendburgidee (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung e. V A 12). Braubach 2007, mit Erlaubnis von M. Holdorf. Abb. 3: Kriegsgräberfürsorge 22 (1942) 5/6. Abb. 5: Die Westmark 7 (1939). Abb. 6, 7: Kreismuseum Wewelsburg, Büren-Wewelsburg. Abb. 8: Piper, Otto: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen zunächst innerhalb des Deutschen Sprachgebietes. 3., vielfach verb. Aufl. München 1912. (c) 2011, Anaconda Verlag GmbH, Köln, Burgenkunde, ISBN 978 – 3 – 86647 – 674 – 5). Abb. 9, 14: Ebhardt, Bodo: Die Burgen Italiens. Baugeschichtliche Untersuchungen über die Entwicklung des mittelalterlichen Wehrbaues und die Bedeutung der Burgenreste für die Kenntnis der Wohnbaukunst im Mittelalter. Bd. I. Berlin 1909. Abb. 10, 11, 38: Europäisches Burgeninstitut. Abb. 11: Der Burgwart 15 (1914) 6. Abb. 12, 13: Deutsche Burgenvereinigung. Abb. 15 – 17: Neumann, Gotthard: Die Entwicklung der Aunjetitzer Keramik in Mitteldeutschland. In: Prähistorische Zeitschrift 20 (1929) 1 – 2, S. 70 – 144. Abb. 18 – 22: Stadtarchiv Worms, Abt. 170/21. Abb. 23: Hotz, Walter: Staufische Reichsburgen am Mittelrhein. Aufnahmen von Karl Christian Raulfs (Deutsche Lande, deutsche Kunst). Berlin 1937. Abb. 24: Hotz, Walter: Kaiserpfalzen und Ritterburgen in Franken und Thüringen. Aufnahmen von Karl Christian Raulfs (Deutsche Lande, deutsche Kunst). Berlin 1940. Abb. 25: Geschichtlicher Handatlas der Rheinprovinz. Im Auftrag des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn. Herausgegeben von: Hermann Aubin. Bearbeitet von: Josef Niessen. Köln 1926. Abb. 26, 27: Landesarchiv Speyer, H 3, Nr. 1906 III. Abb. 28, 29, 31 – 37: Historisches Museum der Pfalz in Speyer. Abb. 30: Museum unterm Trifels Annweiler. Abb. 39, 41, 45: Bundesarchiv-Militärarchiv, MSG 3/574, MSG 3/575, MSG 3/573. Abb. 40, 42 – 44, 46 – 48: Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Abb. 49 Peschel, Karl: Gotthard Neumann und die Bodendenkmalpflege in Thüringen 1930 bis 1947. In: 100 Jahre – Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens. Beiträge zur Geschichte der archäologischen Denkmalpflege in Thüringen. Herausgegeben von: Archäologische Gesellschaft in Thüringen e. V. (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mittel­europas 59). Altenburg 2010, S. 69 – 116, mit Erlaubnis des Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

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|  Anhang

7.2 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS A DBV

Archiv der Deutschen Burgenvereinigung e. V.

AFG

Alpenländische Forschungsgemeinschaft

APM

Archiv des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen/Bodensee

BAR

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Bundesarchiv Koblenz, Bundesarchiv-Militärarchiv ­Freiburg i. Br., Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin

Bay HStA

Bayerisches Hauptstaatsarchiv

CP

Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands

DAF

Deutsche Arbeitsfront

DDP

Deutsche Demokratische Partei

DDR

Deutsche Demokratische Republik

DJ

Deutsches Jungvolk

DNVP

Deutschnationale Volkspartei

DVFP

Deutschvölkische Freiheitspartei

DVP

Deutsche Volkspartei

EBI

Europäisches Burgeninstitut

ELI

Wissenschaftliches Institut der Elsass-Lothringer im Reich (Elsass-Lothringen-Institut)

ERR

Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg

FAD/RAD

Freiwilliger Arbeitsdienst/Reichsarbeitsdienst

FSU Jena

Friedrich-Schiller-Universität Jena

HJ

Hitlerjugend

HMP Speyer

Historisches Museum der Pfalz in Speyer

IBI

Internationales Burgenforschungs-Institut

KdF

Kraft durch Freude

KfdK

Kampfbund für deutsche Kultur

KWI

Kaiser-Wilhelm-Institute

LASp

Landesarchiv Speyer

LDP

Liberal-Demokratische Partei Deutschlands

LHA Koblenz

Landeshauptarchiv Koblenz

NDW/DFG

Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft/Deutsche Forschungsgemeinschaft

NL Neumann

Nachlass von Gotthard Neumann, im Besitz von Karl Peschel

NOFG

Nordostdeutsche Forschungsgemeinschaft

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NSDDB

Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund

NSDStB

Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund

NSLB

Nationalsozialistischer Lehrerbund

NSV

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

Abkürzungsverzeichnis  |

o. A.

ohne Autor

PAAA

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes

REM

Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung

RGK

Römisch-Germanische Kommission

RMdI

Reichsministerium des Innern

RMO

Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete / „Ostministerium“

RSHA

SS-Rasse- und Siedlungshauptamt

SA

Sturmabteilung

SBV

Schweizerischer Burgenverein

SBZ

Sowjetische Besatzungszone

Schweiz. Burgenarchiv

Schweizerisches Burgenarchiv der Burgenfreunde beider Basel

SD

Sicherheitsdienst

SchlV

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

SLA

Salzburger Landesarchiv

SS

Schutzstaffel

WVHA

SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt

StAAG

Staatsarchiv des Kantons Aargau

StABL

Staatsarchiv Kanton Basel-Landschaft

StA Wo

Stadtarchiv Worms

ThHStAR

Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt ß

ThHStAW

Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

UAJ

Universitätsarchiv Jena

VDA

Verein für das Deutschtum im Ausland

VFG

Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften

WBG

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

WFG

Westdeutsche Forschungsgemeinschaft

ZBS

Zentralbibliothek Solothurn

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440

|  Anhang

7.3 BIBLIOGRAFIE Archivquellen A DBV: Nr. 1002; Nr. 2020; Nr. 2021; Nr. 2023; Nr. 2025; Nr. 2060; Nr. 2061; Nr. 2200; Nr. 2228; Nr. 2285/3; Nr. 2400; Nr. 2402; Nr. 2500; Nr. 3003; Nr. 3004; Nr. 3015; Nr. 3610; Nr. 3612; Nr. 4263; Nr. 6030; Nr. 7737. APM: Reichsbund; Korrespondenz Reinerth. Archiv Lehrstuhl f. Ur- & Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena: Akte „G. Neumann, Unveröffentlichte Manuskripte und Vorträge (Verschiedenes)“; Akte ­„Kyffhäuser“; Akte „Museum 16.1.1932 – 30.8.1933“; Akte „Museum 1.7.1934 – 31.7.1935“; Akte „Museum 1.8.1935 – 30.4.1936“; Akte „Museum 1.8.1937 – 28.2.1938“; Akte „Museum 1.9.1938 – 30.4.1939“; Akte „Museum 1.11.1940 – 31.12.1942“; Akte „Persönliches IV“. Archiv Schweizerischer Burgenverein: Akte „Burgenverein. Protokolle der Vorstandssitzungen 1927 – 1942“; Akte „E. Schwabe. Schweizerischer Burgenverein 1945 – 1962, sowie Protokolle 1963 – 1979“. Bay HStA: NL Esterer 4; NL Esterer 63; NL Esterer 64; NL Esterer 69; NL Esterer 262; NL Esterer 273; MF 68412; MK 40905; Reichsstatthalter, Nr. 8741; StK 7516; StK 7518. BAR: NS 3/81; NS 3/1218; NS 5/VI 344; NS 5/VI 19504; NS 19/66; NS 19/556; NS 19/999; NS 19/1017; NS 19/1307; NS 19/1850; NS 19/2741; NS 19/2948; NS 21/19; NS 21/90; NS 21/99; NS 21/164; NS 21/211; NS 21/639; NS 21/676; NS 21/827; NS 21/833; NS 21/845; NS 30/2; NS 30/5; NS 31/420; Ortsgruppenkartei, 3200/M0058; R 26/III 1; R 43/4249; R 43 I/818; R 43 II/1022; R 43 II/1029a; R 43 II/1226a; R 43 II/1235a; R 43 II/1260; R 73/1; R 73/2; R 73/43; R 73/50; R 73/51; R 73/138; R 73/161; R 73/278; R 73/323; R 73/10854; R 73/10922; R 73/10957; R 73/11814; R 73/12200; R 73/13235; R 73/13627; R 73/13767; R 73/13844; R 73/13847; R 73/13886; R 73/14308; R 73/15452; R 73/15542; R 73/16267; R 73/16338; R 73/16551; R 73/16563; R 73/16634; R 73/16866; R 153/170; R 4901/12270; R 4901/12272; R 4901/12280; R 4901/12283; R 4901/12292; R 4901/13272; R 4901/14150; R 8048/272; R 8048/656; Reichskartei NSDAP 3IXX/J0087; ZSg. 103/1427; ZSg. 103/1650; ZSg. 103/3156; ZSg. 119/1; ZSg. 119/46; ZSg. 119/48; ZSg. 119/64; ZSg. 119/175; ZSg. 119/182. BAR-Filmarchiv: BVK/50255. BAR-Militärarchiv: MSG 3/573; MSG 3/575; MSG 3/765; MSG 3/767. EBI: Akte „Kyffhäuser n. Frankenhausen“; Akte „Marksburg/Bodo Ebhardt“; Akte „Rheinfels b. St. Goar/Rhein 2) Ausarbeitungen/Artikel“; Akte „Stahleck üb. Bacharach/Rhein. Ehemalige Burg, jetzt Jugendherberge/Rheinland-Pfalz“; Akte „Trifels. Ruine, b. Annweiler, w. Landau/ Rheinpfalz“; Akte „Waldeck, 5449 Dorweiler/Hunsrück“.

Bibliografie  |

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Sachregister  |

7.4 SACHREGISTER A Abendland, abendländisch  90, 172, 184, 251, 261, 266, 268, 269, 277, 279 – 283, 285, 286, 409, 422, 425, 435 Agrarforschung, Agrarwissenschaft  10, 115, 128 „Aktion Ritterbusch“ (Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften)  128, 129, 300 Alemannisches Institut an der Universität Freiburg im Breisgau  255 Alldeutscher Verband  158, 159, 211 Alpenländische Forschungsgemeinschaft (AFG)  137 Altertumsverein  34, 239, 407 Amorbach  264 Amt für Denkmalpflege  177 Amt Rosenberg (Dienststelle Rosenberg)  19, 87, 111, 119, 120, 124, 136, 147, 224, 236 Amt Wissenschaft  19, 87, 113, 115, 120, 126 Anebos (Burg)  61 Annweiler  302 – 304, 313 Annweiler Heimattage  302, 304 Antibolschewismus  171, 256 Antiintellektualismus, antiintellektuell  172, 211, 220, 429 Antisemitismus, antisemitische Haltung, antisemitische Politik  90, 91, 93, 94, 100, 109, 171, 174, 203, 205, 211, 213, 231, 256, 257, 258, 422 Antisemitismusstreit  90, 91 Arbeitsdienst, Freiwilliger Arbeitsdienst, Reichsarbeitsdienst (RAD)  72, 75, 76, 101, 220, 236, 302 – 304, 307, 325, 326, 330, 332, 333, 334, 438 Arbeitsgemeinschaft, Arbeitsgemeinschaft der völkischen Wissenschaft  72, 147, 148, 300, 301, 315, 316 Archäoanthropologie  121 Archäologisches Institut des Deutschen Reiches  120, 149, 210 Archäozoologie  209

Arierparagraph  92 „Arische Physik“, „Deutsche Physik“  105, 110 Aristokratismus, Rassenaristokratismus  185, 189, 190, 191, 421, 434 Ästhetik  59, 83, 156, 193, 261, 284, 287 Atomisierung  105, 432 Aufriss, Aufrisszeichnung  192, 287 Aunjetitzer Kultur  229, 231 Ausgrabung, Ausgrabungsetappe, Ausgrabungssektor  30, 45, 81, 120, 124, 126, 144, 147, 155, 202, 204, 206, 232, 234, 236, 239, 240, 253, 303, 306 – 314, 317, 323, 325 – 329, 331 – 334, 336 – 338, 340, 342 – 348, 410, 412 Autarkie  50, 77, 106 Auto, Autobahnen  59, 60, 79, 191, 207, 302, 303 Autonomie, Autonomisierung, Autonomisierungsprozess  11, 14, 40, 41, 81, 82, 85, 88, 95, 96, 113, 115, 119, 150, 201, 212, 225, 294, 320, 345, 346, 405, 416, 417, 431 Avantgarde, avantgardistisch  79, 87, 172, 189, 243, 249, 291 B Bamberg  268 Baugeschichte, Bauforschung, Bauuntersuchung  131, 163, 260, 311, 317, 319, 340 Bayerische Motorenwerke  126 Belgien  60, 139, 163, 194, 250 Bergfried  182, 187 Berlin, Berlin-Grunewald, BerlinLichterfelde  157, 158, 160, 210, 236, 240, 264, 265, 267, 269, 340, 408, 429 Bertholdstein (Schloss)  51 Blut und Boden  316, 419 Bodenaltertümer, vor- und frühgeschichtliche  217, 326 Bodendenkmalpflege  205, 215, – 217, 219, 220, 224, 236, 238 – 240, 326

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|  Anhang

Böhmen  286, 287 Bollwerk  77, 189, 335 Bolschewismus, Kulturbolschewismus  87, 90, 91, 95, 172, 283, 425 Bonn  253, 254 Brandenburg  148 Brest-Litowsk (Separatfrieden)  189 Bromberg  267, 278 Bromberger Blutsonntag  278 Bund Deutscher Westen  64 Burgareal  308, 309 Burgendenkmalpflege  10, 71, 155, 156, 166 Burgenfreunde beider Basel  256, 412 Burgengeografie, Burgenkunde  12, 20, 164, 167, 285, 294, 295, 411, 413 Burgensanierungsprogramm  302, 339 Burgensystem  34, 288, 289, 290 Burgund  142, 282, 287 Burgwall-Arbeitsgemeinschaft  149, 236 Busau (Burg)  65, 66 C Castel del Monte  74 Château de Bossey  270 Christliche Pfadfinderschaft (CP)  242, 247 – 249, 251, 252, 259, 292, 293 Civilian Conservation Corps  76 D Daimler-Benz AG  126 Danzig  48, 138 Der Burgwart  133, 154, 159, 166, 171, 413 Der Spatenforscher  219 Deutsch-Akademische Gildenschaft  215 Deutschbund  211 Deutsche Christen  257, 258, 265 Deutsche Demokratische Republik (DDR)  225, 242, 294 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)  11, 22, 23, 44, 109 – 111, 113, 117, 120 – 123, 125, 126, 128, 134 – 136, 140, 141, 148, 149, 236, 303, 307, 308 Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte  211

Deutsche Kolonialgesellschaft  158 Deutsche Kunst und Denkmalpflege (Die Denkmalpflege)  254, 261 Deutscher Bund Heimatschutz Thüringen  239 Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt  126 Deutscher Kunstverlag  141, 254 Deutscher Orden  63, 138, 189 Deutscher Soldatenbund e. V.  137 Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung  146 Deutsches Auslands-Institut  126 Deutsches Jungvolk (DJ)  242, 243, 248 Deutsche Volkspartei (DVP)  201, 206, 215 Deutsche Weinstraße  302 Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH  71 Deutschnationale Volkspartei (DNVP)  168, 420 Deutschordensburg  64, 263 Deutschvölkische Freiheitspartei (DVFP)  211 Diluvialgeologie  202 Dome (Worms, Speyer, Mainz)  60, 129, 144, 164, 252, 261, 262, 266, 284, 290, 319 Dresden  202 E Eger (Pfalz)  284 Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR)  231 Elsass  60, 64, 76, 161, 162, 188, 191, 254, 255, 274, 275, 279, 282, 287, 289, 290, 299 England  21, 185, 280 Erster Weltkrieg  56, 90, 92, 96, 100, 103 – 106, 115, 117, 118, 163, 187, 188, 205, 209, 211, 247, 259, 261, 301, 423 Erwin-von-Steinbach-Preis  273, 274 Essenzialismus, essenzialistisch  182, 191, 200, 230, 425 Estland  194 Ethnokratie  78, 102, 114 Ethnos, ethnische Deutung materieller Kultur  187, 210, 225, 227, 238, 241, 242, 433 Eupen-Malmédy  60 Evangelischer Bund  264, 265

Sachregister  |

F Fichte-Hochschulgemeinde  74 Florenz  268, 270 Forschungsgemeinschaft  11, 19, 137, 142, 148, 254, 255, 263, 300, 323, 408, 410 Fotografie, Fotoausrüstung, Fotogrammetrie  167, 192 – 195, 245, 250, 287, 288, 318 Franken, Frankenreich  238, 287 Frankfurt am Main  255, 273 Frankfurt an der Oder  267 Frankreich  21, 60, 64, 140, 141, 163, 185, 189, 250, 267, 269, 280, 283, 284, 290, 300, 418, 419, 421, 434 Französische Revolution  16, 107, 186, 419 Freikorps  100, 323 Freimaurer, Freimaurerei, Freimaurer-Logen  90, 95, 174 Freundeskreis Reichsführer SS  71 Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU)  198, 203, 218, 219, 221 – 224, 326 Frontgeneration  123 Frühmittelalter  149, 183, 229, 234, 335, 347, 425 „Führerauftrag Monumentalmalerei“  129 Führerprinzip, Führertum  52, 89, 109, 171, 172, 220, 249 G Gaudozentenbund  202 Gauleiter, Gauleitung  56, 59, 66, 67, 70, 77, 114, 130, 176, 220, 275, 293, 302, 321, 338 Gelnhausen (Kaiserpfalz)  57 Gemeinschaftsforschung  17, 21, 23, 33, 300, 302, 322, 349, 432 Geopolitik  53, 289, 290, 291 Germanenforscher, Germanenforschung  111, 125, 230 Germanisches Museum an der Universität Jena (Anstalt für Vor- und Frühgeschichte)  204, 214, 240 Germanisierung, Germanisierungspolitik  77, 86, 161, 299 „Germanomanen“  124, 199, 213, 230

germanophil  195, 255 Geschichtlicher Handatlas der Rheinprovinz  288 Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e. V.  64, 71 Gießen  253, 254 Gleichschaltung  155, 217, 218 Glockenbecherkultur  225, 226, 229 Gobineau-Gesellschaft  211 Goslar (Pfalz)  148 Grabungstechniker, Grabungsmannschaft  209, 309 Grenzlandkampf  77, 245, 248, 250, 255 Grenz- und Auslandsdeutschtum  121 – 123, 126, 149 Griechenland  129 Großbritannien  119 Großraum  118, 281, 409 Grundriss, Grundrisszeichnung  182, 192, 193, 287, 331 Guben  267 H Hagenau (Kaiserpfalz)  289 Haithabu  30, 317, 343 Hallwyl (Schloss)  347 Hambacher Fest  74 Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler  290 Handbuch der Kunstdenkmäler im Elsass und in Lothringenim Elsass und in Lothringen  273 Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums  121, 126 Hartheim (Schloss)  51 Hegehöfe  62, 63 Heidelberg  13, 272, 315, 415 Heiliges Römisches Reich  251 Heimatforschung  121, 132, 169, 215, 279, 409, 411 Heimatschutz  26, 75, 166, 178, 214, 239, 240, 254, 305 Helden, heldisch  56, 75, 154, 185, 190, 191, 250 Hessen-Nassau (Gau)  246

483

484

|  Anhang

Heteronomie, Heteronomisierung  16, 83 – 85, 88, 119, 120, 150, 188, 196, 225, 228, 231, 244, 292, 294, 415, 416, 424, 427, 429, 430, 431 Historischer Verein für Hessen  272 Historisches Museum der Pfalz in Speyer  303 Historismus, „Krise des Historismus“  17, 178, 305, 350 Hitlerjugend (HJ)  54, 55, 75, 88, 248, 302 Hochkultur  172, 184, 190, 193, 205, 214, 261, 262, 266 Hochmittelalter  141, 163, 234 Hochschulkommission der NSDAP  87 Hochschulring Deutscher Art  92, 118 Hohenstaufen, Hohenstaufenzeit, Hohenstaufer  137, 183, 311 Hohenwerfen (Gauschulungsburg)  53 Hohenzollern  161 Hohkönigsburg  76, 77, 161 – 163, 167, 305, 414 Holismus, holistisch, ganzheitlich  17, 32, 83, 104, 105, 122, 146, 205, 235, 287, 292, 298, 300, 347, 418, 424, 432, 433, 435 Hopfengarten (Brzoza)  278 Humanismus, humanistisch  93, 114, 184, 209, 260, 276, 277, 417, 419, 428, 433 Hünenburg (Hunebourg)  64 I I. G. Farben  71 illyro-keltisch  335, 340 Indogermanen, indogermanisch  125, 211, 228, 232 Wissenschaftliche Innovation  436 Institut für Fränkisch-Pfälzische Volks- und Landesforschung  315 Interdisziplinarität, interdisziplinär (Wissenschaftspraxis)  12, 14, 17, 21, 31, 32, 34, 235, 236, 297, 298, 300, 315, 322, 345, 347, 349, 350, 405, 408, 432, 435 Internationales Burgenforschungs-Institut (IBI)  408, 414 Internationalismus  92, 106, 122, 194, 196 Irrationalismus, irrational  9, 10, 17, 32, 71, 111, 126, 178, 291, 293, 432, 433, 436

Italien  135, 136, 163, 177, 183, 191, 193, 268, 269, 280, 285, 407, 419 J Jena  13, 198, 201 – 204, 214, 216, 218, 223, 224, 237, 240, 253, 345 Jugendbewegung  75, 154, 244, 247, 248 Jugendburg  75, 252 Jungdeutscher Orden  215 Jungnationaler Bund (Freischar junger Nation)  247 K Kainbach (Schloss)  51 Kaiserlautern  307 Kaiserreich  21, 22, 60, 86, 105, 108, 160, 169, 171, 177, 188, 190, 198 Kaiserslautern  54, 107, 144, 289 Kaiserswerth (Pfalz)  56 Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG)  20 Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI)  20, 84 Kaiser-Wilhelm-Universität  255 Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK, ab 1934 NS-Kulturgemeinde)  111, 173, 217, 316 Karinhall  66 Karl der Große  281 Kärnten  130, 188 Karolinger, karolingisch  148, 237, 238, 253, 280, 282 Kelten, Keltentum  228, 229, 234, 343 Keppler-Kreis  71 Klassische Archäologie  202, 204, 208, 209, 212, 260, 428 Kölner Institut für Raumpolitik  139, 179 Kommunismus, kommunistisch  78, 100, 106, 251, 258 „Konservative Revolution“, jungkonservativ  32, 77, 96, 100, 110, 207, 248, 256, 259, 350, 423, 426 Korpsgeist  98, 111, 272 Kraft durch Freude (KdF)  58, 74, 175 Kriegsjugendgeneration  11, 38, 89, 114, 153, 206, 259

Sachregister  |

Krössinsee (NS-Ordensburg)  47, 48, 53 Kulturkreis, Kulturraum  35, 139, 183, 231, 237, 242, 284, 286, 425, 434 Kulturpolitik  9, 10, 22, 44, 73, 76, 80, 81, 86, 87, 121, 161, 163, 216, 220, 239, 264, 266, 315 Kulturraumforschung  254 Kunstlandschaft, Kunstraum  274, 280, 281, 291 Kyffhausen (Reichsburg), Kyffhäuser (Berg)  13, 14, 234, 288, 297, 301, 323 – 329, 331, 333, 335 – 341, 343 – 348, 435 L Laien, Laienforschung  12, 13, 121, 132, 134, 213, 239, 240, 241, 322, 326, 406, 412 Landesanstalt für Volkheitskunde  223 Landesgeschichte, mittelalterliche  120, 122, 349 Lauenstein (Burg)  74, 143 Lebensgebiet  28 Lebensreformbewegung  73, 75, 100 Lehrstuhlinhaber, Lehrstühle  20, 90, 110, 125, 205, 208, 211, 217, 221, 225, 260, 265, 279 Leipziger Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung  145, 212 Lettland  194 Livland  194 Livorno  270 Lothringen  60, 188, 254, 274, 282, 287, 289, 290 M „Machtergreifung“, Machtübernahme, Machtwechsel  10, 12, 22, 25, 33, 58, 92, 95, 101, 108, 109, 118, 124, 131, 133, 150, 153, 154, 198, 200, 201, 211, 216, 217, 220, 228, 294, 324, 412, 416, 425, 430, 431 Magdeburg  157 „Maikäfer“  88 Mailand  268, 270 Mainz  252 Makedonien  269 Männerbund  100, 245, 248 Marburg  202, 204, 206, 253 Marienburg  48, 57, 73, 76, 77, 161

Marksburg  176, 179, 181, 196 Marxisten, marxistisch  230, 242, 251, 253 „Märzgefallene“  88 Masseninszenierung, Massenkultur  58, 425 Massentourismus, Massenunterhaltung  58, 59, 74 Mauterndorf (Burg)  66 Mediävistik  236, 411 Ministeriale  139, 281, 282, 289, 435 Mitteilungsblatt der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V.  197 Mittelalterarchäologie  14, 34, 234, 235, 241, 242, 295, 299, 319, 348, 349, 405, 411 Mitteleuropa  21, 190, 269, 434 Mittelrhein  283 Mörtelanalyse, Mörtelprobe  195, 287, 317, 319 multidisziplinär  19, 148, 316, 340, 347, 428, 432, 433, 435 Mystifizierung, Mystik  49, 61, 104 Mythologie, Mythos  73, 75, 163, 250, 252, 267, 278, 343 N Nachkriegsgeneration  11, 38, 248, 259 „Nacht der langen Messer“  110 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)  47, 64, 67, 78, 86 – 88, 111, 112, 114, 123, 137, 138, 170, 175, 211, 215, 216, 220, 224, 246, 256, 266, 321 Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB)  87, 101, 219, 220 Nationalsozialistischer Bund Deutscher Techniker (NSBDT)  173 Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund (NSDDB)  87, 97, 99, 111, 113, 126, 134, 221 Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund (NSDStB; ab 1936 Reichsstudentenführung)  87, 137 Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)  175, 219 Naturschutz, Naturschutzverein  132, 332 Nerother Bund  75

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486

|  Anhang

Niederösterreich  188 Niederösterreichisches Burgenarchiv  197, 412 Nordischer Ring  211 „Nordische Theorie“  214, 228, 430 Norditalien  74 Nordostdeutsche Forschungsgemeinschaft (NOFG)  123, 212, 236 Nordwestschweiz  254, 282 Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft (NDW)  11, 20, 97, 121, 169, 177 NS-Dozentenschaft  97, 99 NS-Erziehungssystem  51 NS-Fest- und Feierkultur  50 NS-Führungselite  48, 50, 51, 66, 134, 142, 321 NS-Ideologie, NS-Weltanschauung  9, 10, 13, 17, 27, 48, 53, 80, 89, 119, 122, 153, 171, 200, 233, 245, 258, 260, 275, 292 NS-Kultur, NS-Kulturkonzept, NS-Kulturorganisation, NS-Kulturpolitik  9, 55, 57 – 59, 86, 87, 172, 256, 265 NS-Ministerpräsident  14, 58, 301, 304, 321, 339 NS-Monatshefte  265 NS-Ordensburgen  9, 48, 49, 50, 52, 54, 55, 59, 77 NS-Propaganda  50, 60, 173, 268 NS-Staatsminister für Inneres und Volksbildung im Land Thüringen  214 NS-Volksbildungsministerium Thüringens  217, 221 NS-Volksgemeinschaft, NS-Volksgenossen  52, 59, 60, 68, 80, 88, 97, 171, 175, 220, 243, 293, 324, 327, 329 Nürnberg  58, 74 Nürnberger Kaiserburg  58, 320 O Oberitalien  56 Odenwald  56, 143, 242, 252 Olympia  202 Ordnung, Ordnungsdenken  17, 25, 61, 128, 172, 179, 187, 188, 202, 225, 237, 251, 253, 256, 269, 279, 281, 291, 294, 310, 339, 419, 421, 425, 426, 435

Orient  124, 184, 281 Orléans  267 Österreich  58, 75, 159, 163, 172, 208, 216, 287, 302, 407 Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe  117, 121, 138 Ostforschung  33, 123, 138, 146, 148, 149, 178, 212, 231, 263, 410 Ostgebiete  9, 62 – 66, 85, 136, 147, 188 Ostpreußen  74, 76 Ottonen, ottonisch  148, 237, 238, 282 P Pangermanismus  22 Papst  282 Parzival, Parzival-Mythos  252 Pfälzer Geschichtsverein  303 Pfälzische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften  314 Pfalz, Pfalzenforschung  13, 56, 58, 61, 68, 142, 145, 146, 148, 195, 236, 252 – 254, 262, 263, 269, 281 – 285, 287, 289, 297, 301 – 304, 306, 315, 316, 318, 320, 322, 409 Philologen, Philologie  202, 209, 210, 428 Philosophie  25, 93, 104, 202, 417, 436 Physik  10, 349 Physikalisch-Technische Reichsanstalt  110 Polen, polnisch  48, 233, 278, 407 Popularisierung  21, 29, 107, 162, 265, 313, 320 Posener Schloss  66, 67, 77, 144 Prähistorie, Prähistoriker  12, 17, 111, 120, 122, 131, 200, 201, 205, 208 – 210, 220, 221, 227, 228, 235, 236, 323, 328, 343, 347, 349, 408, 410 – 412, 415, 428, 430 Preußen  159 Professionalisierung, Professionalisierungsprozess  164, 167, 168, 241 Profil, Profilschnitt  214, 342, 344 Pseudowissenschaft, Pseudowissenschaftler  20, 21, 29, 30

Sachregister  |

R Rassenkunde, Rassentheorie  17, 154, 430 ‚Rasse‘, ‚rassisch‘, biologistisch  11, 15 – 17, 21, 30 – 33, 45, 52, 61 – 64, 77, 79, 82, 85, 90, 91, 93, 96, 100, 102, 104, 105, 108, 111, 113, 114, 119, 123 – 126, 134, 140, 151, 163, 179, 181 – 183, 185 – 191, 196, 204, 216, 223, 228 – 230, 233, 234, 237, 241, 280, 282, 283, 291, 294, 298, 299, 316, 405, 416, 417, 420 – 433, 436 Rationalisierung, Rationalisierungsprozess  104, 115, 119, 120, 124, 126, 127, 148 Raumpolitik  77 Raum, Raumordnung  15, 39, 40, 55, 60, 62, 67, 108, 132, 134, 138, 178, 183, 197, 226, 237, 243, 244, 252, 254, 268, 270, 279 – 286, 288 – 290, 292, 298, 350, 407, 426, 427, 432, 433 Reichsarbeitsgemeinschaft, Reichsarbeitsgemeinschaft für deutsche Volksforschung  124, 301 Reichsbauernführer  52 Reichsbeamtengesetz  246 Reichsfinanzministerium  130 Reichsforschungsrat  24, 115, 117, 119, 126, 127, 147 Reichsführer SS  52, 176 Reichsgau Niederdonau  176, 412 Reichsgau Wartheland  66 Reichskleinodien  58 Reichskriegerbund „Kyffhäuser“  14, 301, 324, 325, 327 – 329, 332, 336, 337, 341, 344, 345 Reichsland Elsass-Lothringen  162, 276 Reichsministerium des Inneren (RMdI)  61, 85, 87, 117 Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, „Ostministerium“ (RMO)  85 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM)  87, 109, 110, 112, 113, 115 – 117, 120, 123, 124, 126, 144, 177, 332 Reichsorganisationsleitung  50 Reichsparteitag  57, 67 Reichspropagandaministerium  87, 129 Reichsschulungsburgen, Gauschulungsburgen, Kreisschulungsburgen  48, 52, 53

Reichsstatthalter  64, 66, 67, 69, 70, 176, 219, 322, 412 Reichsverband für deutsche Jugendherbergen  75 Reinheim (Hessen)  271 Relativchronologie  192 Religionswissenschaft, Religionsgeschichte  202 Rembrandt-Verlag  269 Revisionismus  211, 212, 254, 259, 276, 284, 294 Rheinfels (Burg)  175 Rheinland, Rheinprovinz  56, 170, 196, 254, 290 Ritterkultur, Ritterorden, Rittertum  74, 133, 139, 143, 188, 193, 252, 282 Romantik, romantisch  32, 87, 172, 178, 210 Römisches Reich  182, 417, 426 Römisch-Germanische Kommission (RGK)  113, 149, 210, 211 „Römlinge“  210, 213, 230 Rothenburg (Burgruine)  333, 336 Rüstungsforschung (Wehrforschung, Wehrgeografie, Wehrwissenschaft)  10, 128, 221 S Saarbrücken  314 Saarforschungsgemeinschaft  121, 307 Saarpfalz (Gau)  59, 304 Saarpfälzisches Institut für Landes- und Volksforschung  54, 107, 307, 313 – 316, 412 Sachlichkeit, sachlich  11, 114, 155, 206, 278, 305 Sachsen  148, 216, 238 Sakralbauten  261 Salier  309, 314 Saloniki-Ägäis  267 Scharfenberg (Burg)  61 Schweiz  75, 76, 113, 159, 163, 188, 285, 302, 347, 348, 407, 414 Schweizerischer Burgenverein (SBV)  75, 76, 197, 407, 408, 412 Selbstmobilisierung  21, 27, 28, 103 Sicherheitsdienst der SS (SD)  30, 87, 114, 125, 126, 273

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488

|  Anhang

Siedlung, Siedlungsgebiet, Siedlungskunde  34, 63, 145, 146, 286, 310, 318, 348, 428 Skandinavien  184 Slawen  62, 227 – 229, 238, 421 Sondierungsschnitt  310 Sonthofen (NS-Ordensburg)  47, 48 Sowjetische Besatzungszone (SBZ)  224, 242, 294 Spangenberg (Burg)  56 Spanien  135, 280, 421, 435 Speyer  252, 312 SS-Ahnenerbe (Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e. V.)  19, 30, 31, 87, 120, 124 – 126, 128, 130, 136, 142, 147, 148, 213, 224, 336, 347 SS-Rasse- und Siedlungshauptamt (RSHA)  85, 87, 114, 125, 130, 220 Staufer, Stauferburg  34, 51, 56, 74, 136, 290, 306, 314, 324 Steiermark  188 St. Germain  267 St. Goarshausen  157, 175, 176 St. Petersburg (Leningrad)  62, 267 Straßburg  64, 255, 273, 279, 299, 415 Stratigrafie  235 Sturmabteilung (SA)  75, 88, 137, 175, 221, 302 Stuttgarter Schloss  143 Sudetenland  64, 172, 284 Süditalien  56, 74 Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft (SOFG)  137 Südostfront  267 Südost-Institut  126 Südtirol  130, 131, 286 T Tage für Denkmalpflege und Heimatschutz  158, 166 Tannenberg-Denkmal  74 Technische SS- und Polizei-Akademie  70 Technokratie, technokratisch  27, 299 Thing, Thingspielbewegung, Thingstätten  57

Thüringen  13, 57, 69, 70, 148, 201, 207, 214 – 217, 219, 220, 225, 229, 231, 236 – 239, 287, 293, 297, 301, 320, 325 – 327, 338 Tilleda (Pfalz)  148 Toepfer-Stiftung F.V.S.  85, 117 Totenburg  56, 74 transdisziplinär  432 Trifels (Burg)  13, 61, 192, 297, 300 – 314, 317 – 320, 322, 323, 327, 331, 334, 345, 347, 348 Trifelsverein  303, 307, 323 Trifels-Werk  313, 314, 316, 344, 435 Troja  202 Tschechien  407 Tschechoslowakei  284 Typologie  235, 241, 287, 317 U Ukraine  231, 232, 233 Universalismus  93, 107, 428 V Vaterland, vaterländisch  177, 198, 209, 218, 248, 307 Veldenstein (Burg)  66 Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA)  246 Vereinigte Staaten von Amerika  24, 67, 75, 76, 119, 270 Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen e. V.  144, 154, 155, 159, 196, 305 Vermessung, Vermessungsgeräte  167, 308 Verputz, Mauerverputz  192, 194 Versailler Vertrag  108, 121, 188, 250 „Vierjahresplan“  10, 115, 117, 333 vitalistisch  104, 105, 190, 191, 298, 432 – 434 Vogelsang (NS-Ordensburg)  47, 48, 54 Vogesenlinie  288, 289 Völkerwanderung, Völkerwanderungszeit  140, 141, 145, 182, 183, 185, 251, 284, 424, 434 Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften (VFG)  11, 12, 33, 34, 85, 117, 130, 138, 141, 145, 146, 178, 195, 255, 294, 300, 301, 350 Volkserziehung  26

Personenregister  |

Volksgeschichte  31, 32, 223, 242, 423 Volkskunde  16, 34, 50, 80, 120 – 122, 125 – 127, 147, 155, 159, 223, 262, 298, 417, 427, 428 Volks- und Kulturbodenforschung, Volksforschung  33, 54, 85, 116, 121, 126, 127, 131, 137, 145, 146, 147, 149, 151, 153, 223, 240, 244, 262, 271, 274, 284, 292, 294, 295, 301, 316, 408, 411, 412, 415, 416, 424, 427, 430 Vor- und Frühgeschichte, Urgeschichte, Vorgeschichte  12, 13, 16, 17, 24, 29, 30, 80, 104, 111, 120, 122, 125, 147, 148, 160, 184, 198, 199 – 202, 204, 205, 207 – 213, 215 – 218, 220, 222, 223, 225, 227, 228, 230 – 237, 240, 241, 260, 262, 293, 298, 299, 306, 326, 332, 343, 409 – 411, 413, 415, 417, 427, 428, 430, 431 W Waldeck (Jugendburg)  75 Wall- und Wehranlagen  149 Wanderbund Erwin von Steinbach  274 Wandervogelbewegung  72 Wartburg-Stiftung (Wartburg-Gesellschaft)  69 Wartburg, Wartburgfest  57, 69, 70, 74 Wehrbau, Wehrsystem  9, 12, 73, 132, 134, 138, 141, 144, 148, 159, 175, 177, 178, 180, 185, 195, 244, 262, 264, 285, 288, 407, 413, 428 Weimarer Republik  50, 72, 77, 78, 92, 97, 109, 116, 120, 168 – 171, 189, 190, 202, 203, 208, 215, 247, 275, 303, 429 Werla (Pfalz)  148, 236, 347 Westdeutsche Forschungsgemeinschaft (WFG)  255, 256, 271, 300

Westforschung  15, 33, 34, 138, 139, 253, 254, 259, 266, 274, 307, 430 Westmark, Westraum  54, 60 – 62, 76, 142, 275, 282, 287 – 290, 307, 313, 314, 316, 322 Westwall  61, 333 Wetterau  287 Wewelsburg (Schloss)  55, 63, 66, 68, 71 Wildenberg (Burg)  56, 57, 143, 242, 252, 253, 264 Wilhelminisches Zeitalter, Wilhelminismus  22, 77, 196 Wissenschaftliche Buchgemeinschaft (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, WBG)  244, 273, 274, 285 Wissenschaftliches Institut der ElsassLothringer im Reich (ELI)  255 Wissenschaftsorganisation  11, 19, 30, 120, 124, 125, 221 Wissenschaftspolitik  23, 28, 47, 86 – 88, 109, 111 – 113, 115, 116, 118 – 120, 124 – 128, 132, 133, 136, 140, 142, 145, 148, 150, 173, 214, 221, 224, 275, 336 Wolfram-von-Eschenbach-Bund  264 Worms  245, 246, 252 Z Zantocher Schanze  236, 340 Zeitschrift für Kunstgeschichte  254, 263 Zweiter Weltkrieg  10, 13, 24, 51, 53, 60, 61, 91, 119, 120, 127, 132, 197, 224, 233, 246, 267 – 269, 274, 279, 300, 313, 322, 344, 405, 416, 436

7.5 PERSONENREGISTER A Aly, Götz  116 Anrich, Ernst  272 – 275, 299 Arndt, Ernst Moritz  16, 17, 418, 419, 423 Ash, Mitchell G.  27, 28, 298 Astel, Karl  221, 222 Aubin, Hermann  33, 145, 298, 434

B Barbarossa, Friedrich  289, 325 Bartels, Adolf  62 Bartels, Hermann  68 Barth, Médard  255 Bauch, Bruno  203 Behrens, Gustav  202

489

490

|  Anhang

Benn, Gottfried  425 Bering, Dietz  429 Bernegg, Gero Merhart von  205 Bersu, Gerhard  113, 206, 209, 213, 214, 230, 318 Best, Werner  106, 426 Birkner, Ferdinand  204 Biundo, Georg  303, 304, 307, 314 Blüher, Hans  100 Böcher, Otto  246 Bodo, Fritz  138 Boehm, Max Hildebert  27, 223, 251 Bohmers, Assien  147 Borchardt, Rudolf  346, 347 Boulainvilliers, Henri de  188, 421 Bourdieu, Pierre  38 Brackmann, Albert  212, 236, 340, 343, 347 Brand, Hans  147 Brandt, Rudolf  71 Bremer, Walther  205 Bruhns, Leo  263 Brunner, Otto  242, 425, 428 Brunstäd, Friedrich  420, 425 Bürckel, Josef  302, 322 Burg, Abbé  256 Bütefisch, Heinrich  71 C Cartellieri, Alexander  202, 214 Cassirer, Ernst  93 Chamberlain, Houston Stewart  188 Christmann, Ernst  54, 314 Clark, G. T.  413 Clasen, Karl-Heinz  135, 136, 264 Clemen, Paul  148, 166, 178, 254, 259, 290, 291 Cohausen, August von  164, 413 Cohen, Hermann  93, 424 Conze, Werner  233, 242, 421, 424 Crawford, Elisabeth  194 Curtius, Ernst Robert  419, 426 D d’Almeida, Fabrice  70, 79 Daluege, Kurt  176

Dannenbauer, Heinrich  435 Darré, Richard Walther  52, 125, 213 Dehio, Georg  136, 165 – 167, 290, 291 Demangeons, Albert  300 Derks, Hans  298 Droysen, Johann Gustav  91 Du Bois-Reymond, Emil  99, 160 Dürer, Albrecht  263 E Eberhardt, Hans  340 Ebhardt, Bodo (Heinrich Justus)  12, 38, 44, 135, 136, 139 – 141, 144, 153 – 200, 284, 287, 288, 291 – 295, 304 – 310, 312, 314, 317 – 320, 331, 345, 349, 408, 409, 412 – 415, 421, 422, 426 – 430, 433 – 435 Ebhardt, Fritz  197 Ebhardt, Karl Emil Christoph  156 Eckart, Dietrich  69 Eckhardt, Paul  59 Eichhorn, Gustav  204, 214, 215 Einstein, Albert  104 Emrich, Hermann  314, 315 Ernst, Robert  64, 255, 274 Esau, Abraham  218, 221 Eschenbach, Wolfram von  57, 252, 264 Essenwein, August von  413 Esterer, Rudolf  178, 304 – 307, 311 – 314, 320, 323 F Febvre, Lucien  300 Fegers, Hans  137, 139, 140, 141 Fehrle, Eugen  315 Fichte, Johann Gottlieb  16, 17, 92, 118, 418, 419, 423 Flachowsky, Sören  111 Fraenkel, Ernst  86 Frank, Hans  66 Freyer, Hans  27, 103, 107, 223 Frick, Wilhelm  87, 144, 176, 177, 180, 214, 215, 219, 223 Friedrich II.  183, 190

Personenregister  |

Frodl, Walter  130, 131 Fuchs, Monique  414 G Gerstenberg, Kurt  261 Gobineau, Joseph Arthur de  17, 185, 422 Goebbels, Joseph  87, 172, 174, 258 Gollwitzer, Wilhelm  309 Greiser, Arthur  66 – 68 Grimm, Paul  231, 234, 348 Gründel, Günther  206 Günther, Hans F. K.  105, 190, 191, 223 H Hachtmann, Rüdiger  86 Hager, Georg  166 Hallier, Christian  274, 275 Halmer, Felix  197, 412 Hanfstaengl, Ernst  69 Harmjanz, Heinrich  127, 147 Harrington, Anne  298 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  261 Heidegger, Martin  25, 27, 28, 93, 424, 425 Heiland, Hermann  246 Heinrich I.  238, 258 Heinrich VII.  266 Hellmuth, Otto  56 Helm, Karl  202 Henlein, Konrad  64, 176 Herbert, Ulrich  250, 436 Herder, Johann Gottfried  210, 418, 422 Herf, Jeffrey  32 Hiecke, Robert  144, 166 Himmler, Heinrich  30, 31, 50, 52, 53, 55, 56, 59, 61 – 64, 66, 68, 71, 125, 126, 130, 176, 177, 180, 213, 336, 343, 344 Hindenburg, Paul von  74 Hirsch, Hans  138 Hitler, Adolf  25, 47, 48, 54, 55, 58, 59, 66 – 69, 77, 87, 112, 115, 118, 130, 142 – 144, 154, 170 – 174, 177, 180, 190, 202, 246, 264, 275, 278, 284, 305, 322, 324, 329, 332, 338, 339, 340, 344

Hochfelden, G. H. Krieg von  164, 184, 413 Holst, Heinrich von  158 Hotz, Lothar  245 Hotz, Philipp  245, 246 Hotz, Rudolf  245, 247, 267 Hotz, Walter  12, 13, 15, 38, 44, 134, 137, 138, 141, 153, 154, 179 – 181, 242 – 260, 262 – 294, 415, 424, 425, 426, 428, 430, 433 – 435 Hundeshagen, Helfrich Bernhardt von  164 I Ipsen, Gunther  27, 223 J Jacob-Friesen, Karl Hermann  213 Jacobsthal, Paul  202, 204, 205 Jahn, Friedrich Ludwig  17, 99, 418, 419, 423 Jahn, Martin  213 Jankuhn, Herbert  30, 31, 126, 147, 227, 234, 317, 318, 343, 347, 431 Judeich, Walther  202 Jünger, Ernst  277 Jury, Hugo  176 K Keppler, Wilhelm  71 Kessler, Adolf  61 Knapp, Werner  137, 138, 141, 142, 178, 179, 291 Koch, Fritz  239 Koetschau, Karl  141 Konrad I.  238 Koshar, Rudy  78, 79 Kossinna, Gustaf  160, 210 – 215, 225, 421 Köster, Werner  427 Krieck, Ernst  100, 431 Krohn, Wolfgang  413, 415 Krollmann, Anton  156 Krollmann, Christian A.  178 Kummer, Bernhard  340 Küppers, Günter  413, 416 Kurth, Gottfried  328, 332 – 345

491

492

|  Anhang

L Leers, Johann von  223 Lenard, Philipp  105, 431 Ley, Robert  47 – 50, 77, 175, 222 Lill, Georg  143, 148, 305 – 307, 312, 314, 321 Lithberg, Nils  347, 348 Ludwig XIV.  70 Lützeler, Heinrich  99 M Mackensen, August von  344 Martin, Rudolf  204, 421 Maschke, Erich  54, 223 Mayer, Theodor  350 Mehrtens, Herbert  299 Meier, Burkhard  141, 254, 272 Mentzel, Rudolf  114, 115, 123 – 125, 128 Mertens, Lothar  111 Metz, Friedrich  108, 138, 255, 300 Meyer, Konrad  62, 63 Modrijan, Walter  231 Moller, Georg  164 Mommsen, Theodor  91 Mosse, George L.  74 Mundt, Albert  327 – 329, 331 – 333, 342 Mussolini, Benito  177 N Naeher, Julius  164 Naumann, Hans  203 Neumann, Arno  201 Neumann, Gotthard (Arno Ernst)  12, 13, 38, 44, 153, 154, 198 – 208, 213 – 242, 244, 272, 293, 294, 320, 323, 326 – 329, 331 – 344, 348, 410, 415, 424, 425, 430, 431 Nothnagel, Karl  332, 342 O Oberkrome, Willi  31, 32, 34, 111 Oberlindober, Hans  344 Ohlendorf, Otto  71

P Parsons, Talcott  79 Petersen, Peter  213 Peukert, Detlev  78, 215 Pevsner, Niklaus  133, 174, 425 Phleps, Hermann  138 Pinder, Wilhelm  25, 133, 263, 265, 279 Piper, Otto  164, 166, 167, 196, 413, 414 Plassmann, Joseph Otto  147 Pohl, Oswald  71 Preußen, Prinz Oskar von  170, 177 Probst, Eugen  408, 415 Q Quidde, Ludwig  94 R Rabinbach, Anson  276 Radig, Werner  213, 226 Rahn, Otto Wilhelm  111 Ramsauer, Rembert  107, 314, 316 Raphael, Lutz  292 Raschke, Georg  213 Ratzel, Friedrich  427 Raumer, Kurt von  423, 424, 435 Reinerth, Hans  24, 111, 122, 124, 213, 217, 224, 230, 299, 317, 318, 336, 412 Reinhardt, Carsten  348 Reinhard, Wilhelm  14, 15, 301, 323 – 341, 343 – 346 Richthofen, Bolko von  213, 235, 238, 298 Riegel, Alois  73 Riehl, Wilhelm Heinrich  207 Ringer, Fritz  83 Ritterbusch, Paul  128 Roos, Karl  255 Rosenberg, Alfred  50, 110, 111, 113, 122, 123, 126, 173, 175, 203, 217, 258, 336, 341 Rothfels, Hans  92, 425 Rudolph, Martin  147 Rust, Bernhard  110, 112, 115, 144

Personenregister  |

S Sachsen, Feodora von  70 Salomon, Ernst von  250 Sauckel, Fritz  69, 70, 216, 219, 222 Schede, Martin  341 Schemm, Hans  101 Schirach, Baldur von  56, 275 Schirmer, Erich  328 – 332, 340, 342, 344, 348 Schlageter, Albert Leo  56, 250 Schleswig-Holstein, Herzog Ernst Günther von  159 Schmidt-Ott, Friedrich  109, 110, 120, 122, 148, 149 Schmitt, Carl  93, 107, 251 Schmoll, Friedemann  148 Scholtz, Harald  52 Schöttler, Peter  32, 34 Schrade, Hubert  139, 279 Schröder, Kurt Freiherr von  71 Schuchhardt, Carl  122, 148, 209, 212, 213, 230, 409 Schultze-Naumburg, Paul  216 Schulz, Walther  213 Schütz, Alexander  158 Schwantes, Gustav  213 Seldte, Franz  170 Siebert, Ludwig  14, 15, 58, 59, 61, 143, 145, 173, 301 – 308, 310 – 315, 320 – 322, 324, 325, 334, 339, 346 Sievers, Wolfram  125 Spahn, Martin  139, 179, 409 Spann, Othmar  251 Speer, Albert  67, 143, 177 Spengler, Oswald  186, 188 Spieser, Friedrich  64, 255, 274, 275, 299 Sprater, Friedrich  303, 304, 306, 307, 309 – 314, 317 – 320, 322, 323, 345 Sprockhoff, Ernst  213 Stampfuss, Rudolf  231 Stange, Alfred  148 Stark, Johannes  105, 110 – 115, 122, 123, 149, 431 Stengel, Edmund Ernst  202, 203 Stengel-von Rutkowski, Lothar  203

Sthamer, Eduard  196 Stintzi, Paul  255 Storm, Carl  411, 434 Streicher, Julius  174 Struck, Bernhard  222 Stuckart, Wilhelm  61 Sybel, Heinrich von  95 T Teudt, Wilhelm  111, 213, 230, 412 Toepfer, Alfred C.  85, 274 Treitschke, Heinrich von  90, 91, 93, 187 Troeltsch, Ernst  350 U Unverzagt, Wilhelm  148, 213, 214, 234, 236, 340, 341, 343 V Valentin, Veit  94 Virchow, Rudolf  209 Vogel, Walter  141, 178 W Wagner, Robert  275 Weber, Max  104, 421 Wefelscheid, Kurt  139, 142, 179 Weinelt, Herbert  145, 147, 178, 179, 291 Weingart, Peter  28 Wiese, Georg  263 Wildhagen, Eduard  113 Wildt, Michael  89 Wilhelm I.  73, 76 Wilhelm II.  22, 76, 110, 121, 135, 159, 160 – 164, 168, 169, 173, 177, 180, 187, 344, 429 Wiligut, Karl Maria  125 Wirth, Herman  125, 213, 230 Wolfram, Richard  147 Worringer, Wilhelm  261 Wundt, Max  203 Wüst, Walther  125

493

Vogelsang IP (Hg.)

»Fackeltr äger der natIon« elItebIldung In den ns-ordensburgen

Aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven wird in diesem Buch das Thema der Elitenerziehung im Dritten Reich erörtert. Das Spektrum umfasst historische Voraussetzungen, Kontinuitäten und Brüche im NSErziehungs- und Schulungswesen, Karriereverläufe von Absolventen wie auch das rassistische Leitbild des »neuen deutschen Menschen«. Im Fokus der aktuellen Beiträge steht dabei die »Ordensburg« Vogelsang in der Eifel, eine der drei realisierten Schulungseinrichtungen für den Führernachwuchs der NSDAP. Die erhaltene monumentale Architekturanlage mit ihrem für die NS-Ideologie repräsentativen Zeichencharakter wird heute als Erinnerungsort erschlossen. Dieses Buch soll zur historischen Aufarbeitung Vogelsangs sowie allgemein zu einem kritischen Diskurs über Erinnerungskultur beitragen. Es enthält Beiträge von Dieter Bartetzko, Jost Dülffer, Franz Albert Heinen, Freerk Huisken, Wolfgang Keim, Wendy Lower, Thomas Roth, Christian Schneider, Hans-Ulrich Thamer, Christina Threuter und Stefan Wunsch. 2010. 249 S. 49 S/w-Abb. br. 145 x 230 mm. ISbN 978-3-412-20554-6

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TIMO NÜSSLEIN

PAUL LUDWIG TROOST (1878–1934) (HITLERS ARCHITEKTEN: HISTORISCH-KRITISCHE MONOGRAPHIEN ZUR REGIMEARCHITEKTUR IM NATIONALSOZIALISMUS, BAND 1)

In den 1910er-/20er-Jahren ist Paul Ludwig Troost (1878–1934) im Bereich des konservativen Luxusinterieurs einer der gefragtesten Innenarchitekten Deutschlands. So auch im großbürgerlichen Umfeld Hitlers, der ihn 1930 mit dem Umbau der Münchner Parteizentrale der NSDAP betraut. Für den Parteiführer entwirft Troost in der Folge weitere Einrichtungen und vor allem Bauten, deren strenger Reduktionsklassizismus, bedingt durch den Willen Hitlers, für die offi zielle Repräsentationsarchitektur des Nationalsozialismus bestimmend wird. Troosts bemerkenswerte Karriere, seine Zusammenarbeit mit Hitler und sein Nachwirken im „Dritten Reich“ werden im vorliegenden Buch erstmals eingehend dargestellt und untersucht, sein architektonisches Gesamtwerk in einem Katalog zugänglich gemacht. 2012. X, 314 S. 156 S/W- UND 16 FARB. ABB. GB. MIT SU. 210 X 280 MM. ISBN 978-3-205-78865-2

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