Brot und Dividende: Konsumvereine in Deutschland und England vor 1914 9783666357756, 3525357753, 9783525357750

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Brot und Dividende: Konsumvereine in Deutschland und England vor 1914
 9783666357756, 3525357753, 9783525357750

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 112

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler

Band 112 Michael Prinz Brot und Dividende

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Brot und Dividende Konsumvereine in Deutschland und England vor 1914

von Michael Prinz

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Prinz, Michael: Brot und Dividende: Konsumvereine in Deutschland und England vor 1914 / von Michael Prinz. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 112) Zugl.: Bielefeld, Univ., Habil.-Schr., 1992 ISBN 3-525-35775-3 NE: GT

© 1996, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Pohle. Druck und Bindung: Guide-Druck G m b H , Tübingen.

Inhalt

Vorwort

11

Einleitung

13

1. 2. 3.

13 20 22

Gegenstand und Fragestellung Selbsthilfe als normativer Begriff und Forschungsgegenstand Quellenlage und Gliederung

Erstes Kapitel: Konsumentenlage, soziale Ungleichheit und Selbsthilfe - Grundstrukturen

25

Zweites Kapitel: Entstehung und Aufstieg der Konsumvereine in England 1770-1914

31

I.

Deutsche Vereine und das englische Modell - Aus dem Protokoll einer Versammlung

31

II. Wirtschaftliche Selbsthilfe in England: Der Rahmen

35

1. 2.

Mythos Rochdale Phasen der englischen Bewegung

40 41

a) b) c) d)

42 55 67 74

Anfänge Konsumvereine und der Owenismus Institutionalisierung des konsumgenossenschaftlichen Musters Selbsthilfe und Recht

III. Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg

78

1. 2.

Ausbreitung der Bewegung Grenzen

78 84

a) Soziale Basis b) Legitimationsprobleme von Selbsthilfe und der Aufstieg des englischen Sozialstaats

85

IV. Lockung und Zwang. Der Weg der Arbeiter zur Respektabilität

92

100

5

Drittes Kapitel: Individualisierung des Marktausgleichs und Anfange der Selbsthilfe. Konsumvereine in Deutschland I.

II.

106

Einige wirtschafte- und sozialstrukturelle Unterschiede zu England

106

Nahrungssicherung und behördliche Intervention bis 1 8 4 8

113

III. Die Liedkeschen Sparvereine

119

IV. Frühe Arbeiterbewegung und wirtschaftliche Selbsthilfe

130

Viertes Kapitel: Kontinuität und Diskontinuität in der Reaktionsära 1 8 5 0 - 1 8 6 3

138

I. II.

Der Anteil politischer Verfolgung am Zurückbleiben der deutschen Vereine

142

Aufstieg und Fall einer nachmärzlichen Konsumgenossenschaft: Die Eilenburger »Lebensmittel Association«

145

III. Selbsthilfe in den 1850er Jahren

156

Fünftes Kapitel: Der Liberalismus und die Lehrjahre der Selbsthilfe 1860-1890

166

I.

Hindernisse

167

II.

Rückfälligen - die Markenvereine

172

1. 2.

Verbreitung Das Markengeschäft als sozialer Kompromiß

173 178

III. Selbsthilfe und Rationalisierung

183

1. 2.

183 189

Die Herrschaft des Lagerhalters Strategien der Rationalisierung a) Verbesserung des Rechnungswesens

192

b) »Manko«

193

c) Barzahlung

198

d) Wachstum, Gewinne und Eigenkapital

204

IV. Grenzen der Rationalisierung

206

1. 2. 3.

206 214 221

6

Legitimationsfragen Selbst- oder Fremddisziplinierung? Das Ende der kleinbürgerlichen Phase

Sechstes Kapitel: Die Sozialdemokratisierung der Selbsthilfe 1890-1914

233

I.

233

Defizite der Massenkonsumgesellschaft

II. Zweiter Wind und langer Aufschwung der Vereine

236

1. 2.

236 241

Gründungsfieber Verschiebungen in der sozialen Basis

III. Arbeiterkonsumvereine

242

1. 2.

Primat der Politik und Selbsthilfe in der Entwicklung Etappen des Zusammenwachsens mit der Arbeiterbewegung

245 250

a) Sonderfall Sachsen b) Übernahmen und Neugründungen

250 254

Impulse der Arbeiterbewegung

263

a) Werbung und Erscheinungsbild

263

b) Produktionsbetriebe c) Eigenkapitalbildung und Barzahlung d) Vertikale Integration: Die Gründung der »Großeinkaufsgesellschaft deutscher Consumvereine«

264 267

»Ehernes Gesetz der Oligarchie«?

273

IV. Staat, Mittelstand und Selbsthilfe

280

V.

287

3.

4.

Trennung vom Allgemeinen Verband

271

Siebtes Kapitel: Konsum und Selbsthilfe: Gemeinsamkeiten und nationale Variation

292

I.

Grundzüge

292

II

Kontinuität und Innovation

298

III. Deutsch-englische Unterschiede

300

Abkürzungen

306

Anmerkungen

308

Quellen und Literatur

364

Register 1. Orte 2. Personen

401 401 403

7

Verzeichnis der Tabellen und Graphiken im Text

Tabellen Tabelle 1

Grundbedarf im Budget von Arbeitern in den deutschen Staaten

Tabelle 2

Urbanisierung in England/Wales und Preußen/Deutsches Reich 1801-1911

38

Tabelle 3

Jährliche Ausgaben englischer Arbeiter 1 7 9 0 - 1 8 1 0

63

Tabelle 4

Owenitische Konsumvereine 1 8 2 8 - 1 8 3 0

80

Tabelle 5

Konsumvereinsgründungen in Yorkshire 1 8 2 7 - 1 8 4 0

81

Tabelle 6

Sozialstruktur des Konsumvereins Kirkby in Furness

Tabelle 7

Dividende der Ripponden Co-operative Society Ltd.

Tabelle 8

Dividendenverteilung in englischen Konsumvereinen

Tabelle 9

Konsumvereine in England/Wales und den deutschen Staaten.

1810-1971

1863-1913 1860-1914 1895-1914 Anzahl und Mitglieder 1 8 3 5 - 1 9 1 4 Tabelle 10

27

88 95 102 107

Beschäftigte in Landwirtschaft und Gewerbe in England/Wales und den deutschen Staaten 1 7 7 0 - 1 9 1 1

108

Tabelle 11

Organisierte Konsumvereine und Kreditgenossenschaften 1860-1870

169

Tabelle 12

Barzahlung und Kredit beim Einkauf 1 8 6 4 - 1 8 9 0

201

Tabelle 13

Wirtschaftliche Entwicklung der Konsumvereine des Allgemei-

Tabelle 14

Sozialstruktur der Selbsthilfezusammenschlüsse im Allgemeinen

nen Verbandes 1 8 6 4 - 1 9 0 0 Verband 1875 Tabelle 15

228

Mitglieder von Fabrik- und Beamtenkonsumvereinen in Schlesien 1 9 0 4

Tabelle 17

226

Sozialstruktur und Leitungsorgane der Konsumvereine im Herzogtum Braunschweig 1899

Tabelle 16

205

229

Regionale Ausbreitung von Konsumvereinen 1863-1874—1900... 2 3 9

Tabelle 18

Sozialstruktur organisierter Konsumenten 1 8 7 6 - 1 9 1 3

Tabelle 19

Arbeiterbildungsvereine (VDAV) und Konsumvereine 1 8 6 7 / 6 8 .. 2 4 6

242

Tabelle 2 0

Geschäftsbeziehungen mit privaten Händlern 1 8 9 9 - 1 9 1 5

265

Tabelle 2 1

Barzahlung und Kreditnahme 1 8 9 0 - 1 9 1 3

268

Tabelle 2 2

Mitgliederbeteiligung an Generalversammlungen 1 8 9 0 - 1 9 2 3

276

Tabelle 2 3

Freie Berufe und Beamte unter den Mitgliedern der Konsumvereine des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine 1903-1914

8

281

Tabelle 24 Steuerliche Veranlagung von Konsumvereinen in den Bundesstaaten 1901 Tabelle 25 Bilanz des Konsumvereins Leipzig-Plagwitz von 1884—1908

284 286

Graphiken Graphik 1 Mitglieder von Konsumvereinen in Deutschland und England 1873-1966 Graphik 2 Einnahmeschwankungen bei Arbeitern im Jahreszyklus 1888 Graphik 3 Gewinnentwicklung der Fenwick Weaver Society 1770-1800 Graphik 4 Lieferantengeschäft des Allgemeinen Chemnitzer Konsumvereins 1866-1906

15 28 49 175

9

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1992 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld als Habilitationsschrift angenommen. Für Hinweise und Kritik in verschiedenen Stadien der Untersuchung danke ich Werner Abelshauser, John Breuilly, Karl Ditt, Dieter Dowe, Christiane Eisenberg, Heinz-Gerhard Haupt, Kurt Klotzbach, Jürgen Kocka, Ewald Linka, Josef Mooser, Sidney Pollard, Michael Schneider, Christine Schuckert, Klaus Tenfelde und Hans-Ulrich Wehler. Niemand verdankt die Studie mehr Anregungen als Klaus Novy, auch wenn der Verfasser an ihrem Ende manches anders sieht als zu Beginn eines produktiven Dialogs, den ein früher Tod unwiderruflich unterbrach. Forschungsvorhaben, die auf private Archive angewiesen sind, hängen in ihrem Erfolg wesentlich davon ab, daß Bibliothekare und Archivare bereit sind, enge Spielräume zugunsten des Historikers auszulegen und, wo sich Hindernisse auftun, sie mit persönlichem Einsatz aus dem Weg räumen. Der Verfasser hatte an verschiedenen Stellen dieses Glück. Dafür und für andere Hilfestellung danke ich Frau Seeler-Manns und Herrn Bockwoldt vom Bund der Konsumgenossenschaften, Ulrich Kurzer, Klaus Novy, der mir großzügig Materialien aus seiner umfangreichen privaten Sammlung zur Verfügung stellte, Karl Heinz Stanzick, Herrn Flegel vom Stadtarchiv Eilenburg, Frau Blindow vom Institut für Genossenschaftswesen (Münster), Mrs. Lonegan (Manchester Union Library), Mr. Wilson vom Cooperative College Stanford Hall/Loughborough sowie den Mitarbeitern des Bishopsgate Institute (London). Die Drucklegung der Arbeit wurde unterstützt durch Zuschüsse der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung. Angesichts eng gewordener Spielräume für die Arbeiterbewegung Anfang der 1990er Jahre war das nicht selbstverständlich. Auch der Preis der WestfälischLippischen Universitätsgesellschaft, den die Habilitationsschrift 1993 erhielt, erleichterte die Finanzierung der Drucklegung. Allen beteiligten Personen und Gremien sei dafür gedankt. Dies ist auch der richtige Ort, um meiner Frau zu danken. Ihr, Valerie und Michelle sei die Arbeit gewidmet. Michael Prinz

11

Einleitung

1. Gegenstand und Fragestellung Als der Heidelberger Historiker Werner Conze 1974 erstmals von einer »Sozialgeschichte in der Erweiterung« sprach, stand der Disziplin die eigentliche Ausdehnung ihres Gegenstandsbereichs noch bevor. Der seitdem entfaltete Pluralismus der Themen und Methoden verdeckt jedoch leicht, daß frühe Schwerpunktbildungen längst nicht abgetragen sind. Hierzu gehört die in ihrem Gewicht nur schwer zu überschätzende Tatsache, daß die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts bislang überwiegend aus dem Blickwinkel der Produktion und der Produzenten geschrieben wurde. Der Aufstieg der Konsumgesellschaft, die Herausbildung des modernen Konsumenten und der Konsum überhaupt wie auch die Voraussetzungen und Folgen dieser Prozesse in Handel und Dienstleistungssektor sind gerade hierzulande, von Ausnahmen abgesehen, am Rande der Forschung geblieben.1 Die vorliegende Studie kann zu den damit angesprochenen Problemen und Forschungsfeldern naturgemäß nur einen begrenzten Beitrag leisten. Für sie ist die Annahme zentral, daß zusammen mit Industrialisierung und Klassenbildung die Kommerzialisierung der Grundbedürfnisse zum inneren Kern jenes tiefgreifenden sozialen Wandels gehört, den die europäischen Gesellschaften zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und dem Ersten Weltkrieg durchliefen. Erstmals in der Geschichte wurden für die große Mehrheit der Bevölkerung die, wie es zeitgenössisch in charakteristischer Ineinssetzung von Bedarf und Erfüllung hieß, unverzichtbaren »Lebens-Bedürfnisse« auf Märkten verhandelt. Genausowenig wie die entstehende Lohnarbeiterschaft die Umwälzungen der Arbeitswelt lediglich passiv erlitt, sondern als Akteur mitgestaltete, blieb die Kommerzialisierung der Grundbedürfnisse ein von den Konsumenten anonym und schweigend hingenommener Vorgang. Aus dem Umkreis der Reaktionen auf diesen fundamentalen Wandel in den Reproduktionsbedingungen hat die Forschung bislang nur eine stärker beachtet. Es ist der in ganz Europa während des 18. Jahrhunderts verbreitete, in der Organisation lokale und oftmals gewaltsame Massenprotest gegen 13

Teuerungen der Grundnahrungsmittel. Bei dieser insbesondere von englischen und französischen Sozialhistorikern auf lokaler und regionaler Ebene erforschten Erscheinungsform des Konsumentenprotestes handelte es sich strenggenommen um ein Übergangsphänomen an der Nahtstelle von Anden Regime und moderner Welt, das mit der Durchsetzung der Konsumgesellschaft rasch sein Ende fand.2 Im Verlauf des 19. Jahrhunderts traten neue Organisationsformen an seine Stelle. Manche, wie der vorwiegend an den Wahlurnen und im Parlament ausgetragene Kampf um Freihandel und Schutzzoll für Grundnahrungsmittel, fanden überwiegend im politischen Raum statt. Andere, wie der Boykott einzelner Produkte als Teil von Arbeitskämpfen, blieben das Anhängsel von Protestformen der Produzenten. Zur mit Abstand bedeutendsten Form von Konsumentenselbsthilfe in bezug auf Mitgliederzahlen, internationale Verbreitung, national- wie haushaltsökonomisches Gewicht entwickelte sich die Konsumvereinsbewegung. Im Zentrum des einzelnen Konsumvereins stand ein Ladengeschäft mit angeschlossenem Lager, zu dem gelegentlich ein kleiner Fuhrpark, anfänglich oft nur ein Handkarren zum Transport der Güter, auf fortgeschrittener Stufe ein Pferdewagen und zu einem späten Zeitpunkt eine kleine Bäckerei gehörten. Alle wesentlichen mit der Führung des Geschäftes zusammenhängenden Angelegenheiten regelte ein aus den Reihen der Mitglieder auf einer Generalversammlung gewählter Vorstand. Das laufende Geschäft betrieb man in der Frühzeit häufig nebenamtlich am Abend mit kurzen Öffnungszeiten, später dann mit Hilfe eines angestellten Lagerhalters. Bis zum Ersten Weltkrieg blieb es üblich, daß einzelne Mitglieder wichtige Funktionen wie Qualitätskontrollen, Abrechnungen usw. unentgeltlich ausübten. Für alle Mitglieder galt, daß sie durch Einzahlungen einen Anteil am Geschäftskapital übernahmen. Daraus erwuchs ihnen das Recht, die en gros eingekauften Waren - überwiegend Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis, Bohnen - aus dem Laden zu beziehen. Peinlich genaue Kontrolle der Gewichte und der Warenqualität auf der einen Seite, Barzahlung der Mitglieder auf der anderen Seite gehörten zu den Maximen, denen sich die Statuten verschrieben. Der aus dem laufenden Geschäftsgang überschießende Gewinn (»Rückvergütung«, »dividend«) wurde periodisch, das hieß fast immer vierteljährlich, nach Maßgabe der eingekauften Waren an die Mitglieder ausgeschüttet. Dazu schlug der Vorstand einen Prozentsatz vor, den die Generalversammlung der Mitglieder in der Regel bestätigte. Nicht für jeden Gegenstand, auf den sich die Neugier des Sozialhistorikers richtet, gilt, daß er eine Untersuchung aus eigenem Recht verdienen würde. Obwohl bislang kaum untersucht, gehören die Konsumvereine eindeutig nicht zu dieser Kategorie. Von England ausgehend, verbreiteten sich in der zweiten Jahrhunderthälfte zunächst einige Dutzend, dann Hunderte 14

und am Ende Tausende solcher kleinen Handelsunternehmen über den ganzen Kontinent und schließlich auch nach Übersee. 3 Während der Gründungsprozeß in England und Deutschland bereits vor dem Ersten Weltkrieg weitgehend zum Stillstand kam, setzte sich das Größenwachstum der Vereine fort - in England kontinuierlich bis an die Schwelle der 1960er Jahre, in Deutschland eindeutig nur bis zur Mitte der 1920er Jahre, dann durch die für die deutsche Sozialgeschichte charakteristischen Zäsuren mehrfach gebrochen und umgebogen.

J«kr

—'— Englische Vereine

—t— Deutsche Vereine

Quellen: für England Report of the Co-op Union Central Executive to the 96th Co-operative Congress, Manchester 1965; fur Deutschland Jahrbücher des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine 1904ff.

In beiden Ländern, darüber hinaus in Italien, der Schweiz, Österreich und der Tschechoslowakei, Belgien, Frankreich und vor allem auch Skandinavien erfaßte die Bewegung der Konsumgenossenschaften auf ihrem jeweiligen Höhepunkt erhebliche Teile der Wohnbevölkerung: in England und Wales 1939 mit acht Millionen Einzelmitgliedern ca. die Hälfte aller Familien, in Deutschland Mitte der 1920er Jahre rund ein Fünftel aller Haushalte. 4 Die wichtigste Etappe, die eigentliche Gründungsphase, hatten deutsche und englische Konsumvereine bereits vor dem Ersten Weltkrieg hinter sich gebracht. Kaum vier Jahrzehnte, nachdem die sie tragen-

15

den Vereine bei Petroleumlicht in Hinterzimmern von Wirtshäusern entstanden waren, beherrschten ihre Großhandelszentralen Teile nationaler Märkte, kreuzten Handelsschiffe auf den Weltmeeren und landeten aus eigenen Plantagen Produkte an den Kais der großen Seehäfen an.5 Wer nach faszinierenden Gründergeschichten im Zeitalter von Industrialisierung und aufsteigender Konsumgesellschaft: abseits der bekannten und gepflegten Beispiele der Unternehmensgeschichte sucht, stößt hier auf selbst noch in den verblaßten Ablagerungen und lückenhaften Resten der Archivüberlieferung beeindruckende Zeugnisse. Eine Untersuchung der Entstehung und Entwicklung dieser Zusammenschlüsse wäre unter vielen denkbaren Gesichtspunkten aufschlußreich. Nicht nur aus methodischen Gründen, sondern auch im Blick auf die von einer Einzelstudie nicht entfernt ausschöpfbare quellenmäßige Hinterlassenschaft einer der großen Selbsthilfebewegungen des. 19. Jahrhunderts verlangt sie die Entscheidung fiir einen klaren Fokus. Die im folgenden aufgeführten Gesichtspunkte beschreiben das spezifische, diese Arbeit anleitende Erkenntnisinteresse. 1. An erster Stelle lenkt die Beschäftigung mit den Konsumvereinen den Blick auf wichtige Determinanten von Lage, Wahrnehmung und Reaktionen der Konsumenten wie der Qualität und der Preise des Grundbedarfs, damit zusammenhängende Probleme der Haushaltsführung, Form und Frequenz des Einkaufs, Vorratshaltung und nicht zuletzt die sie beeinflussenden Strukturen, Leistungen und Defizite des Handels unter dem Blickwinkel sozialer Ungleichheit. 2. Im Unterschied zur Geschichtswissenschaft, die sich in ihrem Verständnis von Sozialpolitik nach wie vor überwiegend an zentralisierten, staatlich-institutionellen Formen orientiert, hat sich die Soziologie im zurückliegenden Jahrzehnt intensiv mit informellen Selbsthilfestrategien und ihrer Bedeutung für die Bewältigung sozialer Probleme und Noüagen beschäftigt. Der moderne Wohlfahrtsstaat, kann man eines der wichtigsten Ergebnisse pointieren, gleicht einem Eisberg. Nur der kleinere Teil befindet sich über der Wasserlinie und ist auf den ersten Blick sichtbar. Unter der Oberfläche - übersetzt: unterhalb der Ebene zentralistisch-bürokratischer Sozialpolitik - trifft man auf ein weit gespanntes Netzwerk von Aktivitäten, welches den Sozialstaat erst komplettiert und voll funktionsfähig macht. Zu diesem größeren, nicht sichtbaren Teil gehören aktuelle Selbsthilfeinitiativen und die aus solchen Traditionen hervorgegangenen Einrichtungen. Sie übernehmen wichtige Entlastungsfunktionen für die behördlich administrierte Politik.6 Systematisch gesprochen fuhrt der Selbsthilfesektor - das ist jedenfalls eine zentrale Annahme der sozialpolitischen Diskussion als ein Hauptbestandteil des »unsichtbaren Sozialstaats« dem sichtbaren Teil notwendige Ressourcen zu, die dieser im Regelfall nur schwer erreicht 16

oder sogar verschüttet: Eigeninitiative, Solidarität und ehrenamtliches Engagement. Aus der Perspektive des Historikers ist unschwer erkennbar, daß die aktuell diskutierten symbiotischen Beziehungen zwischen verschiedenen Formen von Sozialpolitik kein modernes Phänomen sind. Beide haben in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen immer schon koexistiert und auch planmäßig kooperiert. 7 Ebenso deutlich ist in historischer Perspektive, daß es sich nicht um ein unproblematisches, statisches Verhältnis von zwei Größen handelt. Die Gewichte zwischen dem »visible« und »invisible welfare state« werden als Folge des sozialen Wandels, staatlicher Interventionen und organisierter Interessenpolitik ständig neu austariert.8 Vieles spricht dafür, daß man die Entwicklungsdynamik »informeller Sozialpolitik« in den großen Zeiträumen, die die Geschichtswissenschaft typischerweise untersucht, besser erkennen kann als durch noch so eingehende Feldstudien. 3. Mit der raschen Ausbreitung verschiedener Formen unternehmerischer Selbsthilfe von Unterschichten verband sich schon unter den Zeitgenossen die Hoffnung, auf diesem Weg werde sich ein Teil jener Lücken, welche Bevölkerungswachstum, Gewerbefreiheit und Industrialisierung in das überlieferte soziale Netz gerissen hatten, schließen lassen. Bis in die frühen 1870er Jahre hinein galt Selbsthilfe als Königsweg, danach immerhin noch als eine Hauptstraße, um soziale und politische Integration miteinander zu verknüpfen. Systematisch formuliert lauteten die dahinter stehenden Annahmen: - Wirtschaftliche Selbsthilfe von Arbeitnehmern als Konsumenten erweitert das Spektrum der Interessenvertretung über den Arbeitsplatz hinaus. Im Erfolgsfall sichert und stabilisiert sie die soziale Lage in verschiedenen Bereichen wie der des Mieters, Sparers, Versicherten und Käufers von Lebensmitteln. Damit verschafft sie ihren Nutznießern Ansehen und Selbstrespekt zumal in der Abgrenzung von fursorgeabhängigen Armen. -Anders als gewerkschaftliche Formen der Interessenvertretung bietet Konsumentenselbsthilfe die Möglichkeit, andere Gruppen als Arbeitnehmer einzubeziehen und die Klassenlinie zwischen abhängig und selbständig Beschäftigen zu überbrücken. - Die selbständige Führung von Geschäften vermittelt der Arbeiterschaft bürgerliche Tugenden und weckt dort Verständnis für die soziale Rolle des Bürgertums. Auch bringt die unternehmerische Praxis Arbeiter unvermeidlich in Kontakt mit anderen gesellschaftlichen Gruppen. - Da Selbsthilfe Staat, Gemeinden und steuerzahlende Bürger von kostspieligen Fürsorgeleistungen endastet, bildet sich bei diesen ein starkes Interesse, solche Anstrengungen ideell wie materiell zu unterstützen. Das unter Zeitgenossen oft zitierte Wort des bekanntesten Förderers 17

wirtschaftlicher Selbsthilfe in den deutschen Staaten, des Patrimonialrichters und liberalen Achtundvierzigers, Hermann Schulze-Delitzsch: »Die Genossenschaften, das ist der Frieden«, brachte diese Tendenz und die darauf gerichteten Erwartungen auf den Punkt. In der englischen Gesellschaft und ihrer politisch integrierten Arbeiterbewegung fand der deutsche Liberalismus des Reichsgründungsjahrzehnts die Hauptstütze seiner Hoffnungen. Die so außerordenüich breite Selbsthilfebewegung englischer Arbeiter mit ihren zahllosen freiwilligen Versicherungs- und Sparkassen und nicht zuletzt den in den 1860er Jahren überall entstehenden Konsumvereinen erschien ihm als Komplement und Ursache für den politischen Pragmatismus und die liberale Orientierung der großen Mehrheit englischer Arbeiter. Warum ging die Rechnung des deutschen Liberalismus in dieser Hinsicht offenbar so wenig auf? Schließlich bildete sich, wenngleich mit einiger Verspätung, in den deutschen Staaten eine an das englische Vorbild eng angelehnte Selbsthilfebewegung der Konsumenten. Weist das Beispiel der Konsumvereine vielleicht darauf hin, daß mehr Brücken zwischen den Klassen existierten, als man lange Zeit angesichts der Konzentration der Forschung auf Gewerkschaften und Arbeiterpartei wahrgenommen hat? Wie verhält es sich mit der sozialen Basis der deutschen Konsumvereine im zeitlichen Längsschnitt? Gab es hier vielleicht bedeutsame Verschiebungen? Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang der selbständige Mittelstand, dessen gewalttätige, haßerfüllte Kampagnen zwei Jahrzehnte später wesendichen Anteil an der Zerstörung der deutschen Konsumentenbewegung durch die Nationalsozialisten hatten? War das Verhältnis immer so, wie es von 1933 her bekannt ist? Wenn sich herausstellen sollte, daß die pazifizierende Wirkung von Selbsthilfe im deutschen Fall weitgehend ausblieb oder sich verzögerte, bedürfte dies offensichtlich zusätzlicher Erklärungen. 4. Die These vom »deutschen Sonderweg« in die Moderne, für den nicht nur frühe und erfolgreiche sozialstaatliche Intervention, sondern vor allem das Fortwirken obrigkeitsstaadich-autoritärer Strukturen und eine korrespondierende Schwäche liberaldemokratischer Traditionen kennzeichnend waren, hat in den letzten beiden Jahrzehnten wie keine zweite auch der sozialgeschichtlichen Forschung als Leitmotiv gedient. 9 Geschah das zunächst überwiegend zustimmend als Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des Arguments, bündelt das Theorem einen großen Teil der Forschung inzwischen negativ. Neue Forschungsrichtungen und -methoden grenzen sich mit Vorliebe gegenüber dem ab, was sie als Sonderwegsthese und ihr Instrumentarium ansehen. Zu den frühesten und nach wie vor wichtigsten Einwänden gehört das Argument, daß dieses Deutungsmuster die Stärke liberaler und demokratischer Traditionen in der deutschen Gesellschaft: unterschätze. Eine Fülle 18

von Einzelbelegen ist dafür ins Feld geführt worden: die Stellung des Bürgertums in der kommunalen Politik vor dem Ersten Weltkrieg, die relative Stärke sozialreformerischer Kräfte und Vereinigungen zwischen den Fronten von »Reaktion« und »Revolution« im Kaiserreich, Schwerpunktverschiebungen zugunsten des Reichstages im politischen System usw.10 Spiegelbildlich zum Nachweis weit zurückreichender obrigkeitsstaatlicher Traditionen und Prädispositionen für Untertanengeist und Servilität hat sich auch die Kritik an der Sonderwegsdeutung zeitlich immer weiter zurückorientiert. Am konsequentesten unternimmt dies ein 1981 erschienener Essay des Schweizer Historikers Peter Blickle »Deutsche Untertanen - Ein Widerspruch«.11 Der Autor macht darin den Versuch, genossenschaftlich-gemeinschaftliche Traditionen bäuerlichen und gemeindlichen Selbstbewußtseins wie auch der Renitenz und Selbstorganisation von Unterschichten gegen obrigkeidiche Bevormundung in Deutschland bis zum Bauernkrieg zurückzuverfolgen. Blickles Essay ist auch insofern bemerkenswert, als er den bislang deutlichsten Versuch darstellt, die breite durch französische und englische Vorbilder inspirierte, mit Methoden der Sozialund Kulturanthropologie arbeitende Forschung zur Gesellschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit gegen die Sonderwegsdeutung ins Feld zu fuhren. Die Einwände gegen diese Deutung gehen über einzelne Kritikpunkte weit hinaus. Aufs Korn genommen wird die vielen Studien zur politischen Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts implizite Annahme von der Wirkungsmächtigkeit und Prägekraft des Staates bzw. der weitreichenden Manipulationsfähigkeit der Eliten für Unterschichten und ihr Verhalten.12 Die Neigung, den Einfluß von Staat, Politik und Eliten auf die Unterschichten geringer als lange Zeit üblich zu veranschlagen und stattdessen deren Eigensinn und Fähigkeit zur Selbstorganisation zu betonen, ist in vielen neueren sozialgeschichtlichen Untersuchungen zum 19. Jahrhundert, insbesondere zur frühen Arbeiterbewegung, anzutreffen. In diesem Zusammenhang ist etwa der lange Zeit vorherrschenden Annahme, die Gründung der Gewerkschaften sei »von oben« durch die politischen Parteien, also Sozialdemokratie und Fortschrittsliberalismus, erfolgt, die These eines allmählichen Herauswachsens der gewerkschaftlichen Verbände aus lokalen Ansätzen und überlieferten berufsständischen Einrichtungen wie den Krankenkassen entgegengehalten worden. 13 Elemente dieser Position sind in der jüngsten Debatte um eine kulturalistische Wende der Sozialgeschichte noch einmal methodisch radikalisiert worden. 14 Die Vorschläge zu einer neuen spezifisch kulturgeschichdichen Methodologie laufen darauf hinaus, gesellschaftliche Entwicklung in erster Linie aus dem Handeln von Individuen und Gruppen zu verstehen und diesem in der Erklärung Vorrang vor objektiven gesamtgesellschaftlichen Strukturen, insbesondere jedoch ökonomischen Determinanten einzuräumen. Von dieser Position her 19

erhalten Normen und Deutungsmuster beim Auslösen und Strukturieren von Handlungen einen überragenden Stellenwert. Inhaltlich sind damit in den meisten Fällen ganzheitiich-gemeinschaftsorientierte Deutungsmuster gemeint, die - damit schließt sich der Kreis zum Sonderwegstheorem zumindest in einem Punkt - aus vorindustrieller Zeit stammen. Ist, so wäre vor diesem Hintergrund zu fragen, die Existenz einer breiten Selbsthilfebewegung der Konsumenten in den deutschen Staaten nicht für sich genommen bereits ein weiterer wichtiger Einwand gegen die These einer im wesentlichen »von oben« gelenkten Modernisierung? Oder muß diese Annahme angesichts der Tatsache relativiert werden, daß die spezifischen Bedingungen des »preußischen Wegs« in die Moderne auch der Selbsthilfebewegung ihren Stempel aufprägten? Schließlich grundsätzlich gefragt: Welchen Anteil hatten nicht-ökonomische Wertmuster an der Strukturierung der Selbsthilfeform Konsumverein? Welche Rolle spielte die oft zitierte »moralische Ökonomie« der Unterschichten in diesem Prozeß? Entsprang die Konsumgenossenschaft, kurz gesagt, direkt genossenschaftlich-gemeinschaftlichen vorindustriellen Traditionen?

2. Selbsthilfe als normativer Begriff und Forschungsgegenstand In einem 1971 erschienenen, inzwischen klassisch gewordenen Beitrag zur Geschichte der Lebensmittelunruhen im ausgehenden 18. Jahrhundert hat der englische Sozialhistoriker Ε. P. Thompson nachdrücklich davor gewarnt, in Revolten von Konsumenten nur »einfache Reflexe auf ökonomische Stimuli« zu sehen. Was für die auffällig geregelte Form solcher Aktionen gilt, dürfte um so mehr auf dauerhafte Unternehmensgründungen zutreffen. Die Voraussetzungen für die Errichtung von Konsumvereinen sind offensichtlich zu komplex, als daß sie sich als einfache, selbstverständliche Reaktion von Konsumentengruppen auf Benachteiligungen im Handel erklären lassen. Die sozialpolitische und sozialwissenschaftliche Literatur sowohl in Deutschland wie in England ordnet die Konsumvereine traditionell dem genossenschaftlichen Selbsthilfesektor zu. Sie rückt sie auf diese Weise in eine Reihe mit Vereinigungen von Wohnungssuchenden (Wohnungsbaugenossenschaften 15 ), den Zusammenschlüssen von Selbständigen zur Sicherung des Absatzes (Absatzgenossenschaften), zur Erleichterung der Kreditbeschaffung (»Volksbanken«) 16 bzw. überhaupt zur Produktion von Gütern (Produktivgenossenschaften 17 ). Die Zuordnung hat in der Literatur wie der einschlägigen Debatte eine dreifache Bedeutung. 20

1. Gemeint ist zunächst eine formale, gesetzlich festgelegte Struktur, deren Hauptmerkmal das Identitätsprinzip darstellt.18 Konkret bedeutet es, daß Träger und Nutznießer des Unternehmens in eins fallen. Wohnungssuchende organisieren sich die Beschaffung von Wohnungen, Kreditsuchende den dringend benötigten Kredit, Konsumenten Grundnahrungsmittel, indem sie sich zusammenschließen, Kapital vorstrecken und ein Unternehmen gründen. 2. Selbsthilfe meint darüber hinaus genetisch, daß die Ressourcen zur Gründung solcher Unternehmen überwiegend aus dem Kreis der Mitglieder stammen. Diese, wenn man so will, sozialgeschichtliche Interpretation des Phänomens durchzieht fast die gesamte einschlägige Literatur der letzten hundert Jahre zu diesem Thema. 19 3. Bei der Verwendung durch Sozialpolitiker erhält der Selbsthilfebegriff schließlich seinen charakteristischen appellativen Charakter. Die Mobilisierungsfunktion überlagert in diesen Fällen die analytische fast vollständig. Zwar spricht im Fall der Konsumvereine tatsächlich viel fur einen hohen Eigenanteil der Träger und damit - aus sozialgeschichtlicher Perspektive für die Zuordnung zum Selbsthilfesektor, doch läuft die übliche Gleichsetzung von formaler Rechtsstruktur und Genese als Untersuchungsstrategie auf einen unhaltbaren Kurzschluß hinaus, weil sie wesentliche Gründungsvoraussetzungen außerhalb des Gründerkreises von vornherein ausklammert. Das Problem wie auch die Folgen ähneln denen des hermeneutischen Zirkels. Der methodische Ausweg kann nur darin bestehen, die funktionalen Erfordernisse einer erfolgreichen Unternehmensgründung in dem jeweiligen Selbsthilfebereich möglichst konkret zu bestimmen.20 Diese einfach klingende Forderung hat weitreichende Konsequenzen. Sie verbietet es praktisch, verschiedene Formen von Selbsthilfe-Unternehmen parallel abzuhandeln. Die Errichtung von Wohnungen, die Gründung eines Kreditunternehmens, der Aufbau einer Pensionskasse, die Bildung eines Gesangskreises oder eben die Eröffnung eines Ladengeschäftes haben je spezifische und, vor allem, durch Selbsthilfe aus dem Gründerkreis in ganz verschiedenem Maße erreichbare Voraussetzungen. Die differenzierte Behandlung unterschiedlicher Selbsthilfeformen bedeutet nicht nur eine Einschränkung. Über die Frage nach den konkreten Chancen und der praktischen Reichweite personaler Selbsthilfe eröffnet sich der Sozialgeschichte ein systematischer Zugang zu neuen, wenig bearbeiteten Feldern wie dem Dienstleistungssektor, in dem viele der Konsumentenselbsthilfeinitiativen angesiedelt waren. Sowohl die Frage nach der Prägekraft nationaler Besonderheiten wie auch ein analytisches Konzept, mit dem Voraussetzungen von Konsumentenselbsthilfe nicht ausgeklammert werden, die weit außerhalb des Kreises der Gründer liegen, führen über den Rahmen der Nationalgeschichte hin21

aus. Für die Sozialpolitiker des 19. Jahrhunderts war die Orientierung an ausländischen Vorbildern selbstverständlich. Das galt nicht nur für die staatliche Sozialpolitik, sondern gerade auch für unternehmerische Selbsthilfe. Italienische, englische und französische Praktiker debattierten das »Raiffeisen-Modell« und Schulze-Delitzschs »Volksbanken«, Wohnungsbaureformer in den deutschen Staaten und anderswo die Bauten Mühlhausener Unternehmer und in den 1870er Jahren das dänische Vorbild gemeinnütziger Bauunternehmen; die französischen Nationalwerkstätten des Jahres 1848 blieben in ganz Europa ein Bezugsmodell produktivgenossenschaftlicher Forderungen. An der Auseinandersetzung mit dem »phalanstere« Charles Fouriers kam niemand vorbei, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Modelle der Wohnungsreform entwarf. 21 Im Fall unternehmerischer Selbsthilfe der Konsumenten lagen Labor und großes Vorbild eindeutig jenseits des Kanals. In der Doppelfünktion als Anstoß und Vorbild wie auch als Folie und Gradmesser nationalgeschichtlicher Besonderheiten soll die englische Entwicklung im folgenden ausführlich behandelt werden.

3. Quellenlage und Gliederung Verglichen mit den großen Problemen, vor denen die sozialhistorische Erforschung des Handelssektors in nahezu jeder Hinsicht steht, ist die Quellenlage bei den Konsumvereinen ausgesprochen zwiespältig. Auch hier sind die meisten Originalregistraturen, in Deutschland noch viel weitgehender als in England, verloren gegangen. Die schnellebige Natur des Handelsgeschäftes, bedingt durch die überragende Bedeutung des kurzfristigen Umschlags, Kontinuitätsbrüche als Folge von Liquidierungen und Zusammenlegungen, in Deutschland noch einmal verstärkt durch äußere Faktoren wie die politischen Brüche der Jahre 1933 und 1945 und die Folgen des Bombenkrieges, schließlich die schwere Existenzkrise sowohl der deutschen wie der englischen Bewegung seit den 1960er Jahren haben die Überlieferung der Primärquellen nachhaltig gestört. Anders als im deutschen Fall, wo kaum Originalregistraturen aus den Anfangen erhalten geblieben sind, existiert in englischen Archiven immerhin noch eine ganze Reihe solcher Bestände, von denen einige für die vorliegende Arbeit ausgewertet wurden. 22 Die günstigere Überlieferung hat wohl auch etwas mit dem persönlichen Interesse der jetzigen Generation englischer Archivare und Bibliothekare an einer Bewegung zu tun, die für sie noch aus eigener Erfahrung ein zentraler Bestandteil ihrer Lebenswelt war. Dem Verlust an Primärquellen steht auf der anderen Seite eine gedruckte

22

Überlieferung in einer Menge und Qualität gegenüber, die ihresgleichen nur an wenigen Stellen hat. Sie bildet die Hauptgrundlage der vorliegenden Untersuchung. Der hohe Vergesellschaftungsgrad des Konsumvereins erzwang von den ersten Anfängen her Öffentlichkeit in Verbindung mit Schriftlichkeit. Das Fehlen früher Protokollnotizen aus Vorstandsberatungen der Einzelvereine wird zum Teil dadurch ausgeglichen, daß sich die Gründergeneration von Beginn an auf regionalen und nationalen Treffen nahezu ohne taktische Rücksicht über Geschäftsprinzipien und Fehlentwicklungen austauschte.23 Diese Offenheit schwächte sich nach der Jahrhundertwende allmählich ab, erhielt sich aber grundsätzlich bis zum Ausbruch des Weltkrieges. Verbale Quellen werden durch eine gleichfalls frühe und detaillierte statistische Berichterstattung ergänzt. Sie ist in einzelnen Fällen vor 1 8 5 0 , seit Mitte der 1860er Jahre sowohl für die deutsche wie die englische Bewegung kontinuierlich verfügbar und läßt, nachdem sie sich voll entwickelt hatte, nicht viele Fragen offen. 24 Beide nationale Verbände, die »Co-operative Union« wie der »Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften« bzw. nach 1 9 0 0 der »Zentralverband deutscher Konsumvereine« publizierten in den Jahrbüchern die Geschäftsergebnisse der Bewegung nicht etwa nur als Durchschnitte, sondern für jeden einzelnen Verein gesondert. In diesem Zusammenhang schlüsselte der Allgemeine Verband allein die soziale Struktur der Einzelvereine nach zwölf Kategorien auf, so daß es für ältere Vereine möglich ist, den Wandel ihrer Binnenstruktur über vierzig Jahre bis zum Ersten Weltkrieg, im Prinzip sogar bis in die 1950er Jahre hinein zuverlässig zu verfolgen. 25 Für die Zeit um 1 9 0 0 existieren entsprechende Daten für 1.500 Einzelvereine! Eine wichtige ergänzende Quelle, welche den Verlust von Primärquellen an wichtigen Stellen ausgleichen kann, sind die zahlreichen noch verfügbaren frühen Festschriften. Sie setzen mit den 1890er Jahren ein, als das Interesse der Bewegung an ihren Anfängen eine systematische Form annahm. Man findet in ihnen typischerweise die ersten Statuten, nicht selten eine Liste der Gründer und Vorstände, manchmal mit Berufsangaben, sowie nicht selten Abdrucke der ersten, in der Regel verlorengegangenen, Geschäftsberichte und Protokolle. Günstig auf ihren Quellenwert wirkt sich der kompilatorisch-narrative Charakter der meisten Darstellungen aus. Für die Anfänge der deutschen Bewegung wurden in Einzelfällen lokale Zeitschriften und fur die 1850er Jahren Berichte der Polizei und Magistratsakten verwandt. Auf diesen Quellen fußt der Abschnitt über die Errichtung einer der wichtigsten frühen Konsumvereinsgründungen in den deutschen Staaten, der »Lebensmittel Association« im preußisch-sächsischen Eilenburg im Jahre 1850. Die nachstehende Untersuchung gliedert sich in drei große Abschnitte.

23

Der erste Teil fragt am Beispiel der englischen Entwicklung nach Entstehung, Entwicklungsmöglichkeiten und Grenzen von Konsumvereinen in einem durch frühe Kommerzialisierung, Urbanisierung und eine vorherrschende liberale Gesellschaftspolitik geprägten Kontext. Dabei geht es neben einer Folie für die anschließend darzustellende deutsche Entwicklung vor allem um die Beantwortung der Frage, woher jenes generalisierungsfähige Muster konsumgenossenschaftlicher Organisation stammte, das die englische Bewegung frühzeitig erfand und selbstbewußt exportierte. Der zweite Teil fragt nach der Implementierung dieses Musters unter den ganz anders gearteten deutschen Verhältnissen, nach Hemmnissen und fördernden Momenten wie nach Modifikationen bis an die Schwelle der 1890er Jahre. Der Wechsel der Konsumvereine aus dem Lager des Liberalismus in das der Arbeiterbewegung und die Konsequenzen fur Entfaltung und gesellschaftliche Stellung der Vereine stehen im Mittelpunkt des dritten Teils. Vor der vergleichenden Untersuchung der englischen und deutschen Entwicklung soll zunächst noch ein Blick auf einige Grundstrukturen im Verhältnis von gering und unstetig bezahlten Konsumenten zum Lebensmittelhandel geworfen werden, zumal sie den gemeinsamen Ausgangspunkt kollektiver Selbsthilfe darstellen.

24

Erstes Kapitel Konsumentenlage, soziale Ungleichheit und Selbsthilfe - Grundstrukturen

Die Entstehung einer Bewegung der Konsumvereine setzte die massenhafte Herausbildung von Konsumentenlagen voraus. In den Grundstrukturen und Hauptfolgen stimmte dieser Prozeß in England und Deutschland überein. Er war gleichbedeutend mit der Trennung des Konsumenten von seinen Reproduktionsmitteln, dem Abbau traditioneller, paternalistischer Regulative und Sicherungen, dem daraus resultierenden Zwang zur kontinuierlichen Beschaffung der Subsistenzmittel auf anonymen Märkten aus den Händen spezialisierter Vermitder unter Einsatz von Bargeld. Bevölkerungswachstum, Konzentration der Verfügungsrechte über den Boden, Kommerzialisierung und Verallgemeinerung der Geldwirtschaft, Urbanisierung und Fabrikindustrialisierung trieben die Ausbildung des modernen, formal freien Konsumenten voran. Das aus der Zerstörung traditioneller Versorgungsformen und Konsumentenschutzrechte entstandene Problem der Vermittlung zwischen Waren und Abnehmern unter den Bedingungen denkbar geringer ökonomischer Spielräume wurde zur Aufgabe einer sich stetig verlängernden, horizontal und vertikal differenzierenden Kette von Handelsgeschäften. Durch diesen Vorgang eröffneten sich auf der einen Seite historisch völlig neuartige Chancen der Bedürfnisbefriedigung. Sie vollzog sich direkter, schneller, individuell angepaßter als jemals zuvor. Dort, wo sich der äußere Horizont der Warenwelt öffnete und jene Disziplinierung, die in den Sachen und den Umständen selbst gelegen hatte, entfiel, waren auf der anderen Seite grundlegend neue Verhaltensweisen und Orientierungen erforderlich. Außen- mußte durch Innenleitung ersetzt werden, um den verführerisch weit geöffneten Horizont mit den eigenen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Der Handel tritt uns in der Sozialkritik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts indessen nicht nur als der geschickte, übermächtige Verführer des Konsumenten entgegen, der er zweifellos auch war, sondern zugleich in einer auf den ersten Blick entgegengesetzten Gestalt. Gewerbefreiheit und 25

fortschreitende Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Handelsstufen senkten die Gründungsanforderungen in weiten Bereichen der Verteilung so sehr, daß der Kleinhandel zum großen sozialen Lazarett wurde, in das die Gesellschaft ihre Versehrten und Stigmatisierten entließ: den wegen seiner Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit gemaßregelten Funktionär, den älteren oder invalide gewordenen Arbeiter, die unversorgte Witwe.1 Klagen über die »Übersetzung des Handels«, die unnötige Verteuerung der Waren und die Übervorteilung der Konsumenten als Folge einer halsabschneiderischen Konkurrenz entwickelten sich zu einem feststehenden Topos der Sozialkritik, der sich über anderthalb Jahrhunderte bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hielt. Ein großer Teil der genannten Probleme kumulierte bei bestimmten sozialen Gruppen. Die abrupten mit der Industrialisierung einhergehenden räumlichen Verschiebungen in den Produktionsstandorten, die von ihnen ausgelösten umfangreichen Wanderungsvorgänge, die allmähliche Konzentration der Arbeit in zentralisierten Fabriken und Verwaltungen, Prozesse, auf welche der Handelssektor in den Volkswirtschaften des 19. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Gründen nicht gleichmäßig, sondern erst mit stark verzögerten Anpassungsprozessen reagierte, trafen neben den Kleingewerbetreibenden vor allem die Gruppe der Lohnarbeiter. Die Ungleichmäßigkeit des ökonomischen Wandels produzierte Engpässe und ließ auf dem tatsächlich aus vielen kleinen Teilmärkten bestehenden Markt für Grundnahrungsmittel immer wieder vorübergehende Monopole entstehen, so daß die zusammengeballte Nachfrage gerade dieser rasch wachsenden Konsumentengruppe auf ein ungenügendes, überteuertes Angebot traf. Die wichtigste Determinante der Konsumentenlage bildeten das Einkommen, seine Höhe und Konstanz. Die Empfanger niedriger, unregelmäßiger Einkommen waren, wie angedeutet, keineswegs nur in der Lohnarbeiterschaft konzentriert. Handwerker, Händler und andere Gruppen litten mindestens ebenso darunter, daß ihre Einnahmen die Kosten zur Erfüllung der Grundbedürfnisse im Durchschnitt nur knapp überstiegen und sich - anders als bei den Festbesoldeten2 - zudem nicht mit ausreichender Sicherheit voraussehen ließen.3 Wie gering der Spielraum jenseits des Grundbedarfs trotz des Durchbruchs der Industrialisierung und des langfristigen Anstiegs der Realeinkommen bis zum Ersten Weltkrieg und, genaugenommen, noch Jahrzehnte darüber hinaus blieb, veranschaulicht die nachstehende Übersicht. 4 Sich auf dem Markt umzuschauen, die Freiheit der Wahl verständig zu nutzen, indem man Zwecke, Kosten und Mittel rational abwog, wie es die liberalen Theoretiker der Marktwirtschaft ihrem Publikum nahelegten, blieb auch eine Funktion des Zeitbudgets. Zeitknappheit wurde jedoch 26

Tabelle 1: Grundbedarf im Budget von Arbeitern in den deutschen Staaten 1810-1971 (in Prozent) 18 1 01

18491

1909 2

1950 3

I960 3

1971 3

70,0

65,0

52,0

46,4

38,3

28,6

Kleidung

8,0

8,0

11,2

13,6

13,5

10,6

Wohnung

8.6

8,7

17,0

10,5

10,4

15,0

Heizung und Beleuchtung

7.7

7,6

4,3

5,4

4,6

4,5

94,3

89,3

84,5

75,9

66,8

58,7

Nahrungsmittel

Gesamt

Legende: 1 Nürnberger Arbeiterfamilien 2 Arbeiterfamilien im Reich 3 Durchschnittlicher 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt in der Bundesrepublik mit mittlerem Einkommen Quellen: Gömmel, S. 211; Erhebung von Wirtschaftsrechnungen, S. 44f., 48, zusammengestellt in: Sozialgeschichdiches Arbeitsbuch I, S. 169£; Osterland, S. 138.

zum Signum jener lange arbeitenden, niedrig verdienenden Unterschichten, die in höherem Maße als andere Konsumentengruppen auf die Mitarbeit aller Familienangehörigen angewiesen waren und ihren Bedarf in der Regel in der unmittelbaren Nachbarschaft decken mußten. Auch die fehlende Möglichkeit zur Vorratshaltung in beengten Wohnungen vergrößerte die Abhängigkeit vom Händler. Die geringen Verdienstchancen, die sich dem Kleinhandel in homogenen Arbeiter- und Unterschichtenquartieren zu bieten schienen, trugen schließlich dazu bei, daß sich gerade dort in der Regel die weniger leistungsfähigen Geschäfte etablierten. Mit einem niedrigen, vor allem jedoch einem schwankenden Einkommen marktrational zu wirtschaften, lief aus der Perspektive der Empfänger niedriger, unsteter Einkommen auf die Quadratur des Kreises hinaus. Die nachstehende Graphik beruht auf einer der wenigen überlieferten zeitgenössischen Untersuchungen, aus der individuelle Einnahmezyklen über einen längeren Zeitraum erkennbar sind. Zwischen Minima und Maxima lagen 30 und 40, zum Teil sogar 100 Prozent. Das stete Auf und Ab der Einnahmen, das in seiner Bedeutung fur den Alltag der Lebenshaltung schwerlich zu überschätzen ist, wurde von Schwankungen im Geldbedarf verschärft. 27

Krankheiten und Unfälle, Mietzahlungen, Aufwendungen fur Familienfeiern und vor allem der Brennstoffbedarf für die Nahrungszubereitung und den Winter stellten Posten dar, die nur schwer aus dem laufenden Etat zu bewältigen waren.

Graphik 2: Einnahmeschwankungen bei Arbeitern im Jahreszyklus 1888 RM

1868 Elaenbahnartoltor

H— ChemlMrbeltor

Auahllfaarbelter

Quelle: Frankfurter Arbeiterbudgets, S. 3, 6 8 , 9 8 .

»Der Arme, welcher in den kleinsten Quantitäten kauft, muß eben deshalb die teuersten Preise bezahlen«, 5 klagte der westfälische Unternehmer und Politiker Friedrich Harkort 1844 in einer Schrift über die »Hindernisse der Civilisation und Emancipation der unteren Klassen« und beschrieb damit zugleich eine der Hauptstrategien von Unterschichten im 19. Jahrhundert zur Ausbalancierung ihres Budgets. Drei Jahrzehnte später stellte eine Untersuchung des Vereins fiir Sozialpolitik fest: »Der Arbeiter beansprucht und muß es beanspruchen, daß ihm sein Bedarf für den einzelnen Tag in den geringsten Quantitäten zugemessen wird.« 6 Haushaltsuntersuchungen englischer Sozialwissenschaftler kamen um die Jahrhundertwende zu ähnlichen Befunden. Konsterniert registrierten sie, wie sehr sich die Beschaffung von Waren in kleinsten Mengen zum Kaufhabitus der ärmeren Schichten entwickelt hatte.7 Auszählungen ergaben, daß Familien innerhalb des Be28

obachtungszeitraums von sieben Wochen ihren Bedarf an Tee mit 72 Einkäufen deckten. Die durchschnittliche Einkaufsrate belief sich immerhin noch auf 27 Einkäufe. Kohlen wurden mitunter in Einheiten von herab bis zu einem Pfund gekauft. 8 Noch schärfere Kritik als der »unrationelle« Kauf fand das Kreditnehmen, die zweite Hauptstrategie von Unterschichtsangehörigen zur Regulierung ihrer Haushaltsführung. 9 Nicht solche wohlmeinenden Einrichtungen bürgerlicher Sozialreform wie die Sparkassen, sondern der Detailhändler an der Ecke avancierte zur Volksbank des 19. Jahrhunderts. Unzählige Male gab der Laden die Bühne für zähe, erbitterte und demütigende Kreditverhandlungen ab. Ihr Rahmen war durch die wechselseitige Abhängigkeit abgesteckt, weshalb sie nach dem Ritual von Einschüchterung und Drohung in der Regel doch zu einem begrenzten Erfolg für den Käufer führten. Auf diese häufig kritisierte, aber wie es schien, kaum zu verhindernde Fehlentwicklung reagierte der Gesetzgeber, indem er die unzureichend dokumentierte, schwer einsehbare Schuldkontenführung des Handels prinzipiell einklagbar machte. Die Folgen der Kreditabhängigkeit lagen auf der Hand. Sie hob nahezu jede Sanktionsmöglichkeit des Konsumenten auf. Denn trotz hoher wechselseitiger Abhängigkeit blieb der Händler dem Käufer letztinstanzlich überlegen. Die Schulden waren, wenn auch mit geringer Aussicht, so doch im Prinzip einklagbar und die Drohung, den Kredit nicht zu verlängern, besaß schlechterdings existentielle Qualität. Sie rangierte gleich neben, in gewisser Weise sogar vor der Bedrohung aus dem Verlust des Arbeitsplatzes. Denn einer Arbeitslosigkeit ließ sich durch einen Umzug mit einiger Aussicht auf Erfolg entgehen, der unabgetragene Schuldenberg dagegen wanderte in Gestalt der Klagedrohung unsichtbar auf dem Karren mit den Habseligkeiten hinterdrein. Wo das Mobiliar keinen Gegenwert darstellte, widerstand der Händler selten der Versuchung, das Ansehen des säumigen Schuldners zu pfänden und es bis zu jenem Punkt zu belasten, wo er hinter dem Habitus einer aus der Not geborenen Gleichgültigkeit noch einen Zipfel des verbliebenen Selbstwertgefühls zu erfassen hoffte. Dabei kam ihm zugute, daß der durchweg nahe am Wohnsitz gelegene Laden einen zentralen Bestandteil der sozialen Welt seiner Klienten bildete10 und die Fähigkeit, die auflaufenden Schulden in akzeptablen Grenzen zu halten, auch innerhalb der klassenbewußten Arbeiterschaft ein Gradmesser für die Respektabilität einer Familie blieb. Selbst wenn die Kontrahenten die äußerste Zuspitzung vermieden, verteuerten die mit der extensiven Kreditvergabe verbundenen Zinskosten und Risikoprämien die Warenpreise und verengten den knappen Spielraum. Ließen sich Preiserhöhungen nicht durchsetzen, da ein bestimmtes Niveau fest in den Erwartungen verankert war, wich der Handel auf Manipulationen des Gewichts und der Qualität aus. Lebensmittelverfälschungen oder 29

fehlende Quantitäten durch falsche Gewichte, manipulierte Waagen, verdecktes Abwiegen, das Mitberechnen der Verpackung oder etwa die Zugabe übermäßiger Knochenanteile beim Fleischkauf gehörten zu den Schlüsselerfahrungen von Konsumenten im 19. Jahrhundert. 11 Die Kreditabhängigkeit vieler Konsumenten bildete ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur organisierten Selbsthilfe. Von daher gesehen war es kein Zufall, daß manche Verabredung zur Gründung eines eigenen Handelsgeschäftes mit der Frage begann, wie die notwendige Bewegungsfreiheit zurückzugewinnen war. Grundsätzlich gesehen bot der Handel, jedenfalls im Vergleich zu anderen Sektoren, vergleichsweise günstige Bedingungen fur die Betätigung von Laien und die Etablierung rationellerer Strukturen. Neuere Untersuchungen zum Konsumstil sozialer Gruppen vor dem Ersten Weltkrieg haben noch einmal unterstrichen, wie einförmig sich die große Mehrheit von Arbeitern bis zum Ersten Weltkrieg ernährte. 12 Geringe Variation in den Bedürfnissen und Massenhaftigkeit der Nachfrage, zumal dort, wo im Zuge der Urbanisierung typische Unterschichtenquartiere entstanden, bildeten grundsätzlich günstige Voraussetzungen für »economies o f scale«. Der wenig leistungsfähige, stark zersplitterte Kleinhandel verdankte seine Existenz im Grunde einer fortgeschrittenen Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Handelsstufen, die den Einstieg am Ende der Kette außerordentiich erleichterte. Es gab keinen Grund, warum sich nicht auch nebenberuflich agierende Laien dieser Strukturen erfolgreich bedienen sollten. 13

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Zweites Kapitel Entstehung und Aufstieg der Konsumvereine in England 1770-1914

I. Deutsche Vereine und das englische Modell Aus dem Protokoll einer Versammlung »Lässigkeit, Mangel an Waarenkenntniß, leichtsinnige Hintansetzung des gemeinsamen Vortheils hinter den eigenen, selbst Hang zu Betrügereien« klagte ein Zeitgenosse 1867, sind die »Schäden, woran die Konsumvereine vieler Städte kranken«, und ergänzte: Nur sich selbst habe die deutsche Bewegung ihre bislang nur »schwachen Erfolge« zuzuschreiben. 1 Der gereizte Ton, in dem der anonyme Autor im »Arbeiterfreund«, der Zeitschrift des »Centraivereins für das Wohl der arbeitenden Klassen«, den Zustand der deutschen Konsumvereine charakterisierte, war ganz und gar nicht typisch für das fuhrende Organ bürgerlicher Sozialreform seit dem Vormärz. Selbst den uneingeweihten Leser wies der provozierende Tonfall in einem für seine Moderation bekannten Blatt auf die Existenz eines bitteren Konfliktes hin. Es ging um eine Gretchenfrage des deutschen Liberalismus in diesem Jahrzehnt, seine Fähigkeit zur Vertretung und Integration von Arbeiterinteressen. 2 Der unmittelbare Anlaß für den Bericht war eine Tagung, die wenige Wochen vor dem Erscheinen des Artikels in Berlin stattgefunden hatte. Der Vorstand des Verbandes der Konsumvereine der Provinz Brandenburg hatte in einem dringlich gehaltenen Rundschreiben an die ihm bekannten »Vereine der umliegenden Provinzen und Länder« für den 24. November 1867 zu einer allgemeinen Versammlung eingeladen, welche »ein Normalstatut für diejenigen Konsumvereine berathen sollte, die sich unter das preussische Genossenschaftsgesetz stellen wollen.«3 Der prominenteste Teilnehmer des Treffens, mehr noch die Seele des ganzen Unternehmens, war der liberale Fortschrittsmann Hermann Schulze-Delitzsch. 4 Alt-1848er, als Steuerrebell politisch gemaßregelt, genoß er wegen seines sozialen Engagements, das ihn vom überwiegend sozialpolitisch desinter31-

essierten Liberalismus der 1860er Jahre auffällig abhob, unter seinen Zeitgenossen den schmeichelnden Ehrentitel »König im sozialen Reich«. Mehr noch als Raiffeisen und Haas verkörperte Schulze-Delitzsch den Motor unternehmerischer Selbsthilfegründungen von Unterschichten in den Staaten des Deutschen Bundes. Er war es auch, der vier Jahre zuvor die Dachorganisation aller Selbsthilfeunternehmen unter der umständlich-programmatischen Bezeichnung »Allgemeiner Verband der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften« ins Leben gerufen hatte. Außer Schulze-Delitzsch fanden sich nach Auskunft des anonymen Berichterstatters »etwa hundert oder mehr Vertreter von Konsumvereinen und Freunde der Sache zu der Versammlung ein«. Um jeden Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Hingabe der Teilnehmer auszuräumen, unterstrich der Protokollant, daß die Veranstaltung »mit einer kurzen Mittagspause von 11 Uhr Vormittags bis 10 Uhr Abends« gewährt habe. 5 Das Treffen fand vor dem Hintergrund des gerade erlassenen preußischen Genossenschaftsgesetzes statt. Es hatte viel Beifall bei den zahlreichen Kreditgenossenschaften der Handwerker, die zugleich die Mehrheit der Mitglieder des Allgemeinen Verbandes stellten,6 geerntet, nur geringe Resonanz dagegen bei den Konsumvereinen. Sie aber zählten weit mehr Arbeiter in ihren Reihen. Die Unzufriedenheit hatte sich auf dem Genossenschaftstag in ungewöhnlich scharfer Kritik an der Leitung des Allgemeinen Verbandes endaden. Die Sprecher der Konsumvereine hielten der Leitung eine einseitige Orientierung an den Interessen der Selbständigen bei Vernachlässigung der Arbeiterschaft vor. Vor dem Hintergrund der Diskussion in den Arbeiterbildungsvereinen, den Angriffen des lassalleanischen »Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins« (ADAV) auf Schulzes Person und der Bedeutung des Gegenstandes überhaupt trafen die Vorwürfe der Konsumvereinler einen blanken Nerv. Schulze antwortete auf seine Art: nüchtern-pragmatisch. Er bat den in Berlin beheimateten Brandenburgischen Verband der Konsumvereine um die Organisation einer nationalen Konferenz, um dort, so sein Plan, ein von der Anwaltschaft ausgearbeitetes Musterstatut verbindlich zu machen. Mit einem derartigen sorgfaltig ausgearbeiteten, eigene, vor allem aber auch ausländische Erfahrungen einbeziehenden Statut konnte man hoffen, die bis dahin wenig erfolgreichen deutschen Konsumvereine zu einer soliden Geschäftsführung zu veranlassen und - nicht nur im Nebeneffekt - den Widersachern im eigenen Verband den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Protokoll läßt erkennen, daß die Beratungen des Statuts im großen und ganzen den Erwartungen der Anwaltschaft entsprechend verliefen. Widerstand von Seiten der Vereinsvertreter kam kaum auf. Dennoch blieb der Gestus Schulzes und seiner jungen Männer während der Dauer der 32

Verhandlungen arrogant und vorwurfsvoll. Wann immer die Beratungen ins Stocken gerieten, überschüttete Schulze die Anwesenden mit Vorwürfen. Als rhetorischer Knüppel diente dabei das leuchtende Vorbild der englischen Konsumgenossenschaften. »Die englischen Konsumvereine«, sekundierte Ludolf Parisius, enger Mitstreiter Schulzes und Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, bei der Diskussion über das Barzahlungsprinzip, »haben von Anfang nur gegen baar verkauft, und unsere besten Vereine müssen noch lange Jahre arbeiten, ehe sie ihnen gleich kommen.« 7 Über weite Strecken hinweg trug die Veranstaltung den Charakter eines Einschwörens auf das englische Vorbild. Die Paragraphen des Musterstatuts selbst hielten sich eng an die englische Praxis oder zumindest das, was als diese Praxis galt. Auch im Kreis der versammelten Vereinsvertreter fand das Vorgehen keinen Widerspruch. England bildete in der Tat fur die deutsche Bewegung während des ganzen 19. Jahrhunderts das unbestrittene Vorbild, nicht einfach das Vergleichsobjekt, sondern auch die Legitimationsinstanz und den normativen Bezugspunkt in allen Fragen der Organisation. Nicht nur zeidich waren die englischen Vereine ihren deutschen Schwesterorganisationen weit voraus. Auch vom Umfang her stellte die Konsumenten-Selbsthilfebewegung der respektablen englischen Facharbeiter und Handwerker die Bemühungen der deutschen in den Schatten. Die Vorgeschichte der erwähnten Berliner Versammlung legte davon beredtes Zeugnis ab. Zu einer Zeit, als die englischen Genossenschaften bereits turnusmäßig fesdich umrahmte Tagungen abhielten, auf denen sie die Grußadressen prominenter Politiker, Wissenschaftler und ausländischer Schwesterorganisationen selbstbewußt entgegennahmen, hatten die allermeisten Vereine, die der Berliner Verband anschrieb, auf die Einladung erst gar nicht reagiert oder es unter Hinweis auf die knappen Mittel abgelehnt, Vertreter mit den notwendigen Reisemitteln auszustatten. Die Episode bestätigt, daß es nicht zwingend ist, die Ursprünge genossenschaftlicher Selbsthilfeformen in jedem Fall zuerst in kleinen überschaubaren Räumen zu suchen, wo die Prozesse der Kommerzialisierung und der Modernisierung auf das Normengeflecht einer überlieferten »moralischen Ökonomie« der Unterschichten stoßen. 8 Betrachtet man die Geschichte der Sozialreform und sozialer Bewegungen im 19. und 20. Jahrhundert aus größerem Abstand und fragt nach den Faktoren, die diese Bewegungen in Gang setzten und ihnen darüber hinaus Dynamik und Konsistenz verliehen, drängt sich vielmehr der Eindruck auf, daß in vielen Fällen räumlich weit entfernt liegende ausländische Vorbilder eine entscheidende Rolle spielten. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verhielten sich die europäischen Gesellschaften nicht nur, was den technologischen Fortschritt, sondern auch, was den Austausch von Informationen über sozial33

politische Innovationen anging, wie ein System kommunizierender Röhren. 9 Ausländische Vorbilder wurden auf mehreren Ebenen wirksam. Erstens demonstrierten sie die Realisierbarkeit theoretischer Entwürfe. Diese Tatsache war deshalb von so außerordentlicher Bedeutung, weil es im Bereich der Sozialreform an vielen Stellen nicht um das Fortschreiben älterer Entwicklungen, sondern um grundlegend neue Institutionen ging. Was in der Planung, in der abstrakten Diskussion sozial oder politisch höchst riskant erschien, konnte durch den Demonstrationseffekt der Praxis andernorts seinen Schrecken verlieren. Häufig waren es nicht einfach entgegenstehende soziale Interessen, sondern ihre Mischung mit Problemen der schieren Unüberschaubarkeit im Blick auf mögliche finanzielle und soziale Konsequenzen sowie kaum lösbar erscheinende organisatorische Schwierigkeiten, die hohe Hindernisse für die Sozialreform darstellten. Solchen Problemen begegneten in besonderer Weise die Versuche unternehmerischer Selbsthilfe von Unterschichten, die in ihren Anfängen nicht selten eine Kette von Mißerfolgen darstellten und gerade durch ihr Scheitern vor neuen verlustreichen Versuchen abschreckten.10 Schließlich wirkten ausländische Vorbilder bei geeignetem Resonanzboden als Herausforderung und Ansporn. Für das Muster des klassenunspezifischen Konsumvereins interessierten sich in den deutschen Staaten während der 1860er Jahren vor allem die Vertreter des linken, sozialpolitisch engagierten Flügels des Liberalismus, ergänzt um eine Handvoll protestantischer Sozialreformer wie Victor Aime Huber und Johannes Wichern. 11 Diese Gruppe sah in den Institutionen des Seif-Help - weniger in den streikverdächtigen Trade-Unions - einen faszinierenden Weg zur moralischen Erziehung und politischen Integration der Arbeiter in die bürgerliche Gesellschaft.12 Eine kleine Gruppe von Sozialreformern kannte die englischen Konsumvereine seit den Tagen des Vormärz, einige mehr wurden es in der Restaurationszeit. Vor allem der konservativ-christliche Publizist Victor Aime Huber, der frühzeitig auf Studienreisen nach England gekommen war, wurde so etwas wie die maßgebende Instanz in Sachen englischer Selbsthilfebewegung.13 Schulze bezog sein Wissen teils aus den Schriften, teils aus persönlichen Gesprächen mit Huber. 14 In den sechziger Jahren verbreiterte sich der Strom der Englandreisenden und -kenner unter den deutschen Sozialreformern so sehr, daß sich die Kontaktlinien nicht mehr im einzelnen verfolgen lassen. Max Hirsch, Lujo Brentano und Eduard Pfeiffer nahmen seit 1868 regelmäßig an den Kongressen der englischen Co-operative Union teil.15 Von der Insel ging die Initiative zu einer Internationale der Genossenschaften aus, die bald die wichtigsten europäischen Länder umfaßte. Erst allmählich wuchs die lange Zeit noch parochiale deutsche konsumgenossenschaftliche Bewegung aus diesem Status heraus. Dennoch blieb der englische Vorsprung auch in den nächsten Jahr34

zehnten so groß, daß sich die Träger des zweiten großen Aufschwungs in Deutschland seit den 1890er Jahren noch einmal durch direkten Augenschein vom Potential des übernommenen Selbsthilfemusters überzeugten.

II. Wirtschaftliche Selbsthilfe in England: Der Rahmen An keiner anderen Stelle im nachnapoleonischen Europa trafen Selbsthilfeanstrengungen von Unterschichten auf so günstige Voraussetzungen wie in der englischen Gesellschaft.16 Selbsthilfe von Konsumenten ist, wie immer man es betrachtet, von der Entstehung her eine kollektive Veranstaltung. Bei allen notwendigen Einschränkungen und der Einrechnung lokaler Unterschiede bleibt festzuhalten, daß fur die kollektive Bewegung von Unterschichten in England im 18. und im Verlauf des ganzen 19. Jahrhundert ungleich größere Freiräume als in irgendeinem der deutschen Staaten existierten. Während diesseits des Kanals in der gesamten ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus der Zensor regierte, entstanden in England in den späten 1820er Jahren die Anfänge einer Massen- und - mit Blättern wie dem »Poor Man's Guardian« oder dem »Northern Star« der Chartisten - auch die einer Arbeiterpresse.17 Wo anders in Europa ließen sich in den 1830er Jahren Millionenpetitionen zur Demokratisierung des Wahlrechts organisieren?18 Hält man sich lediglich an die Gesetzgebung und die lokal aufflackernde hohe Intensität einzelner Konflikte, erscheinen manche Unterschiede zu den hochrepressiven, Unterschichtenbewegungen in der Regel effektiv erstickenden Flächenstaaten des Deutschen Bundes geringer, als sie es tatsächlich waren. Die Koalitionsverbote für Arbeiter sind ein solches Beispiel. Obwohl bis in die zweite Jahrhunderhälfte hinein umstritten, wirkten sie schon lange vor ihrer ersten Aufhebung im Jahre 1824 keineswegs allgemein und effektiv.19 Um 1850, als die ersten schwachen Ansätze zu einer Gewerkschaftsbildung in den deutschen Staaten der behördlichen Unterdrückungspolitik zum Opfer fielen, verfugten die Trade Unions über einen festen, nur selten noch grundsätzlich in Frage gestellten Platz innerhalb der englischen Gesellschaft.20 Hinter der oft beträchtlichen Kluft zwischen Disziplinierungsanspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit stand die Schwäche des Staates, dessen Parlament und Verwaltung zwar manches dekretieren, aber vieles davon im gesellschaftlichen Bereich nicht konsequent und flächendeckend durchsetzen konnten und wollten. Aus Angst vor einer mächtigen Krone sorgte der Adel dafür, daß das stehende Heer klein und damit eine wichtige 35

Rekursmöglichkeit auf physische Gewalt gegenüber dem Unterschichtenprotest relativ unterentwickelt blieb. Es galt der Grundsatz, wie ihn der berühmte Jurist Sir William Blackstone klassisch formulierte, »daß die Soldaten mit dem Volk zusammen leben sollen; keine getrennten Lager, keine Kasernen, keine Festungen im Inland sollen erlaubt sein.«21 Eine moderne Polizeitruppe existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie bildete sich, beginnend mit dem Polizeigesetz Peels von 1829, erst allmählich in den größeren Städten.22 Bei der Erklärung, warum sich gerade in England Selbsthilfe von Unterschichten erfolgreich entfalten konnte, hat die neuere Forschung im Anschluß an ältere Deutungen die Besonderheit der Kirchenverfassung hervorgehoben. Die freien, selbstverwalteten Gemeinden drängten nicht nur die Staatskirche zurück und schufen religiöse Freiräume, sondern verkörperten zugleich Muster und Anker sozialer Selbstorganisation ihrer Mitglieder.23 Das wichtigste Bindeglied zwischen Dissent und Konsumentenorganisation waren die freien Hilfskassen. Seit 1793 durch eine spezielle Gesetzgebung (»Rose Act«) gefördert, verfugten die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit 1801 bereits über ca. 600.000 bis 700.000, 1815 über knapp eine Million und 1874 - unter Einschluß der Begräbniskostenvereine (»burial clubs«) - über rd. vier Millionen Mitglieder. Diese Zahlen entsprachen um 1800 mehr als zehn Prozent, siebzig Jahre später rd. 60 Prozent der männlichen Bevölkerung. Stellt man in Rechnung, daß in diesen Vereinigungen Arbeiter stark überrepräsentiert waren, bleibt zumindest für das letzte Jahrhunderdrittel nur der Schluß, daß der bei weitem überwiegende Teil gelernter und auch größere Gruppen ungelernter Arbeiter solchen Vereinigungen angehörten und dort Organisationserfahrungen sammeln konnten. 24 Bei der Bewegung wirtschaftlicher Selbsthilfe, die nach Anfängen im zweiten und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts vor allem nach 1840 in Gang kam, handelte es sich keineswegs nur um einen Emanzipationsvorgang, sondern auch um einen Teilaspekt jenes allgemeinen Domestizierungs- und Disziplinierungsprozesses, mit dem die viktorianische Gesellschaft ihre kulturelle Hegemonie gegenüber Teilen der Arbeiterschaft durchsetzte. 25 Dennoch blieb ein Überschuß, der die Selbsthilfeeinrichtungen nicht in den Disziplinierungs- und Moralisierungsabsichten der Oberschichten aufgehen ließ. Wesentlich trug dazu bei, daß die Praxis nur am Rande von den Vorgaben der Verwaltung und der entstehenden Sozialwissenschaften, viel mehr dagegen von den Erfordernissen des Geschäfts und den Bedürfnissen der Mitglieder bestimmt wurde. Vor allem jedoch erschien sie ihren Trägern nie als das einzige Schlupfloch, welches der Polizeistaat dem Bedürfnis nach Selbstorganisation und organisatorischer Autonomie ließ.26 36

Selbsthilfe und frühkapitalistische private Unternehmertätigkeit überschnitten sich breit in den Voraussetzungen ihrer Entfaltung. Wo immer sich auf der Insel Handwerker, Gesellen, Fabrik- und Landarbeiter seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und erst recht in den 1840er Jahren zu freien Hilfskassen, Produktivgenossenschaften, Konsumvereinen, Sparklubs und anderen wirtschaftlichen Unternehmungen zusammenschlossen, blieb ihnen die Auseinandersetzung mit traditionellen Beschränkungen der Gewerbefreiheit durch Staat und Zünfte erspart. Auch wenn der Absatz bei den lokalen Konsumvereinen mit ihrem festen Mitgliederstamm kein Problem darstellte, war es für sie von großer Bedeutung, daß um sie herum funktionierende Märkte, ein ausgebautes Verkehrsnetz und leistungsfähige Großhandelsstrukturen existierten.27 Denn nur bei einem Direktbezug der Waren und niedrigen Transportkosten ließen sich lokale Versorgungsmonopole wirksam brechen und ihr Hauptgeschäftsprinzip, der Einkauf im großen und die Abgabe im kleinen, umsetzen. Die Tatsache, daß das Parlament nach einer heftigen Debatte über Kosten und Nutzen des Freihandels in den Jahren 1767 bis 1772 die aus der Tudorzeit überlieferte Gesetzgebung gegen die Getreidespekulation und die entsprechenden Vorkaufsverbote abgeschafft hatte, begünstigte die Etablierung eines leistungsfähigen Lebensmittelgroßhandels. 28 Das Doppelgesicht des Fortschritts zeigte sich für viele Konsumenten indes darin, daß die neue Bewegungsfreiheit den leistungsfähiger gewordenen Handel instand setzte, mit langem Atem Marktchancen und Panikstimmungen wie während der Napoleonischen Kriege besser für sich auszunutzen. 29 Ohne kaufkräftige Nachfrage wären die verschiedenen Arten von Konsumentenzusammenschlüssen bei sonst günstigen Bedingungen Einzelerscheinungen geblieben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, wie erstaunlich weit - bis hin zu Kleidermoden der Mittel- und Unterschichten die englische Gesellschaft im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auf dem Weg zu einer Konsumgesellschaft gekommen war.30 Anders als auf dem Kontinent, wo landwirtschaftliche Tätigkeit und personale Abhängigkeitsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt noch absolut vorherrschten, verdienten um die Jahrhundertmitte in England bereits 40 bis 50 Prozent aller Familien ihren Lebensunterhalt mit Lohnarbeit. 31 Dank der frühen Urbanisierung - um 1800 lebten in England etwa ebensoviel Personen in Großstädten mit über 100.000 Einwohnern wie im Deutschen Reich um 1890, wobei sich der Abstand bis zum Ersten Weltkrieg erstaunlich wenig verringerte32 (vgl. Tab. 2) - verlor die häusliche Eigenproduktion vergleichsweise früh an Bedeutung. 33 In eine ähnliche Richtung wirkten das frühe breite Eindringen des Handelskapitals und des Verlagsprinzips in das Handwerk. Anders als in den deutschen Einzelstaaten, in denen Zunfttraditionen wie Kost und Logis große Teile der Gesellen bis weit in das 19. Jahrhundert 37

Tabelle 2: Urbanisierung in England/Wales und Preußen/Deutsches Reich 1801-1911 (in Prozent) Gemeindegroße in 1000 Einwohnern

England/Wales

1801

1851

unter 5

74,1

55

-

31,8

5-20

9,0

10

-

14,6

bis 20

83,1

65

58

46,4

20-100

7,2

12,4

16,2

über 100

9,7

22,6

Gesamt

100

100

1871

1891

Preußen

1911

Deutsches Reich

1816

1849

1871

1890

1910

-

89,9

83,4

76,3

65

51,2

-

4,2

8,5

11,2

13,1

14,1

37,9

94,1

91,9

87,5

78,1

65,3

21,8

18,3

4,1

4,8

7,7

9,8

13,4

25,8

31,8

43,8

1,8

3,3

4,8

12,1

21,3

100

100

100

100

100

100

100

100

Quellen: Zusammengestellt und berechnet nach den Angaben bei H. Schwabe, Über die Quellen fur das Wachstum der grossen Städte im preußischen Staate, in: Berliner Stadt und Gemeinde-Kalender und Statistisches Jahrbuch für 1867, 1. Jg.; Jannasch, Das Wachsthum und die Concentration der Bevölkerung des preußischen Staates, in: Zeitschrift des königlich preussischen statistischen Bureaus, 18, 1878, S. 2 6 3 - 2 8 4 ; Adna Ferrin Weber, The Growth of Cities in the Nineteenth Century. A Study in Statistics, Itahaca/New York 1899, N D 1967 3 , S. 46f., 80ff.; dies., Urban Growth in England and Wales in the Nineteenth Century, in: The Urbanization of European Society in the Nineteenth Century, hg. und eingeleitet von Andrew Lees u. Lynn Lees, Lexington 1976, S. 3 - 1 6 ; Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 4 3 , 52; Horst Matzerath, Grundstrukturen städtischer Bevölkerungsentwicklung in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert, in: W. Rausch ( H g . ) , Die Städte Mitteleuropas im 19. Jahrhundert, Linz 1983, S. 27f.; Jürgen Reulecke, Geschichte der Urbanisierung in Deutschland, Frankfurt 1985, S. 2 0 2 ; C. M. Law, The growth of urban population in England and Wales, 1801-1911, in: Transactions of the Institute of British Geography, 4 1 , 1967, S. 125-143, nach P. J. Waller, Town, City, and Nation. England 1 8 5 0 - 1 9 1 4 , Oxford 1983, S. 7. Es gibt geringe Abweichungen zwischen den Daten in den verschiedenen Quellen, die nicht aufzulösen waren.

hinein vom Lebensmittelmarkt fernhielten, 34 waren um 1800 englische Handwerker, gleich ob selbständig oder abhängig, zur Nahrungsbeschaffung in hohem Maße auf Handel und Märkte angewiesen. Daraus resultierten Marktabhängigkeit und eine frühzeitige massenhafte Ausbildung annähernd reiner Konsumentenlagen. Wie stark Zeitgenossen den Kontrast zwischen der englischen und den kontinentaleuropäischen Gesellschaften 38

in dieser Hinsicht noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts empfanden, läßt sich an Reiseberichten aus den 1840er Jahren ablesen, in denen sich englische Besucher am »Koch- und Linnenwahnsinn« bürgerlicher deutscher Hausfrauen ergötzten. 35 Die Konzentration von Konsumentenlagen in den Städten trug dazu bei, daß die Bedeutung primärer Märkte, auf denen Käufer und Produzenten direkt miteinander verkehrten, in den städtischen Zentren der Industrialisierung wie Manchester schon um 1800 erkennbar zurückging. 36 Dieser Prozeß vollzog sich nicht gleichmäßig, sondern abhängig von den jeweiligen Produkten, ihren besonderen Eigenschaften und den spezifischen Vermarktungschancen fur ihre Produzenten. Tatsächlich bestand der Lebensmittelmarkt aus einer großen Anzahl von Teilmärkten mit sehr unterschiedlichen Entwicklungstempi. Was sich in den Städten schrittweise durchsetzte, stellte sich dort, wo zentralisierte Fabriken auf dem Land errichtet und versorgungsbedürftige Massen von Konsumenten kurzfristig konzentriert wurden, als Problem buchstäblich über Nacht. Die vorhandenen Versorgungsstrukturen reichten nicht mehr aus, Bedarf und Angebot klafften weit auseinander. Die zentrale Erfahrung für große Teile der englischen Konsumenten seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts war das Dazwischentreten unterschiedlichster Gruppen von »Mittelsmännern« bei der Lebensmittelversorgung: als selbständige Klein- und Groß-, Spezialund Allgemein-, seßhafte und fliegende Händler oder durch die Anlagerung von Handelsfunktionen bei traditionellen Lebensmittelhandwerken.37 Zu den Knotenpunkten, an denen sich Kapital, unternehmerische Fähigkeiten, aber auch Marktmacht ansammelten, gehörten vor allem die Müller.38 Mit ihnen beschäftigten sich viele zeitgenössische Schriften, die nach Erklärungen für die »hohen Preise für die grundlegenden Lebensbedürfnisse« forschten. 39 Aufs Ganze und langfristig betrachtet, war es zweifellos ein notwendiger Vorgang, der sich hier durchsetzte. Ob er in dieser Form verlaufen mußte, ist heute so umstritten wie unter den Zeitgenossen.40 Fest steht, daß, von den Einhegungen der Allmende einmal abgesehen, der Kommerzialisierungsprozeß an keiner anderen Stelle so sehr auf fest verankerte entgegenstehende Erwartungen traf. Mit Grundnahrungsmitteln, lautete die Erwartung der Mehrheit zeitgenössischer Konsumenten, spekulierte man nicht. Wo es unter den Bedingungen von Knappheit und Krise dennoch geschah, entzündete sich der Zorn der Betroffenen, und die Suche nach Alternativen begann.

39

1. Mythos Rochdale Sehr viel häufiger als in der Entwickung von Parteien und Gewerkschaften finden sich in der Geschichte von Selbsthilfebewegungen regelrechte Ursprungsmythen. Die meisten dieser verklärenden Berichte sind nach einem ähnlichen Muster gewebt: Die Angabe eines bestimmten Ortes macht den Ursprung der Bewegung eindeutig lokalisierbar. Einem ähnlichen Zweck dient die Identifizierung einer einzelnen Person bzw. einer festumrissenen Personengruppe als Träger. Die Organisationsprinzipien erscheinen selten als das, was sie tatsächlich sind, nämlich eine Mischung aus Bekanntem und Übernommenem mit einem geringen eigenen Anteil, sondern als spontane Schöpfung und Erfindung. 41 Realität und Fiktion gehen dementsprechend fließend ineinander über. Nimmt man die Berge von Broschüren und Darstellungen mit den immer gleichen Geschichten nicht nur als belanglose Fußnoten und ideologischen Schutt, sondern akzeptiert die dahinter stehende Anstrengung als Faktum und fragt nach ihrer Funktion, liegt folgende Feststellung nahe: Der tausendfach vervielfältige Ursprungsmythos stellt eine eigene wirkungsmächtige Realität dar. Die Überhöhung und Verklärung des jeweiligen Ursprungs bewährte sich, darf man annehmen, an vielen Stellen erfolgreich als Mittel, um erprobte Satzungen zu popularisieren und von einem in einen anderen lokalen, regionalen oder kulturellen Kontext zu transportieren. 42 Innerhalb der konsumgenossenschaftlichen Bewegung, die sich seit der Mitte des Jahrhunderts von England her auf die meisten europäischen Staaten ausdehnte, übernahm ein 1847 in der nordenglischen Industriestadt Rochdale gegründeter Konsumverein, die Konsumgenossenschaft der sogenannten »redlichen Pioniere« (»equitable pioneers«), diese Rolle.43 In den Berichten über diesen Verein, vor allem jedoch in der berühmt gewordenen, in viele Sprachen übersetzten Darstellung George Holyoakes - eines prominenten Anhängers des Fabrikanten, Sozialreformers und Frühsozialisten Robert Owen - aus dem Jahre 1858 tauchen alle klassischen Metaphern der Legendenbildung auf.44 Rochdale und die sagenhaften Pioniere - »achtundzwanzig arme Flanellweber«45 - erscheinen hier als Beginn der konsumgenossenschaftlichen Selbsthilfe-Bewegung überhaupt. Die entscheidenden Bestandteile der internen Ordnung gingen seiner Darstellung nach nicht aus langen Diskussionen hervor, sondern wurden in angeblich spontanen, zum Teil nächtlichen Eingebungen einzelner zentraler Gründungsmitglieder »gefunden« .46 Auch hier ist deutlich: Die Angabe eines bestimmten Ortes machte den Ursprung der Bewegung eindeutig lokalisierbar. Durch die Verbindung mit einer festumrissenen Personengruppe, den »redlichen Pionieren« aus der »Krötengasse« (Toad Lane) - nach dem Ort des ersten Ladens - gewannen 40

abstrakte Geschäftsprinzipien faßbare Gestalt. Eine Anweisung aus dem Jahre 1883 zur Gründung von Vereinen in ländlichen Gemeinden empfahl den Interessenten, für einen Shilling zunächst eine oder zwei Ausgaben von Holyoakes »History of Cooperation« in Rochdale zu erwerben, und versah diese Empfehlung mit der Erläuterung: »Die einfache, anschauliche und humorvolle Erzählung des heldenhaften Kampfes der Rochdaler Pioniere wird sogleich jedes Mannes Herz ergreifen.«47 Zur Stiftung dieses Ursprungsmythos gehört auch, daß der erste Laden wenige Jahrzehnte nach der Gründung in ein Museum verwandelt wurde. Wie effektvoll diese Selbststilisierung war, läßt sich an der Rezeption und den Reaktionen anderer Vereine ablesen. »Das Licht des Glaubens«, beschrieben die Gründer eines nahegelegenen großstädtischen Konsumvereins 1863 die Bedeutung des Rochdaler Pionierunternehmens, das sie durch Holyoakes Darstellung wahrnahmen, »wurde plötzlich hell und leuchtend. Es war eine Botschaft der Inspiration.« Auch bei den Aktivisten der deutschen Bewegung galt das »Bethlehem des demokratischen Genossenschaftswesens« (B. Webb) lange Zeit als Synonym fur die englische Schwesterbewegung schlechthin. In der Außendarstellung der konsumgenossenschaftlichen Unternehmen lebt dieser Mythos noch heute an vielen Stellen fort, und selbst die Geschichtswissenschaft hat lange benötigt, um hinter jenen so überaus plastischen und schön erzählbaren Geschichten von den »redlichen Pionieren« und ihrem Laden in der Toad-Lane den historischen Kern auszumachen.48

2. Phasen der englischen Bewegung England unterschied sich von den kontinentaleuropäischen Ländern nicht nur darin, daß es über die früheste, sondern während des ganzen 19. Jahrhunderts auch über die am weitesten fortgeschrittene Selbsthilfebewegung von Konsumenten verfügte. Diese Bewegung entfaltete sich in vier deutlich voneinander abgrenzbaren Phasen: Einer ersten, die vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts über das Ende der Napoleonischen Kriege hinweg bis in die frühen 1820er Jahre reichte und in der vereinsmäßige Geschäftsbetriebe von Konsumenten isolierte Einzelunternehmen blieben; einer zweiten, die sich bis etwa zur Mitte der 1830er Jahre erstreckte, mithin ein Jahrzehnt und zugleich den ersten großen Aufschwung der Bewegung umfaßte. In dieser Phase erreichte die Zahl der Gründungen erstmals mehrere Hundert. In den fünfzehn Jahren bis zur Jahrhundertmitte, dem dritten Entwicklungsabschnitt, brach der spektakuläre Aufschwung ab, die Vereine verschwanden in regionalen Nischen, behaupteten sich dort aber mit großer Zähigkeit. Nach 1850 schließlich begann eine langgezogene, von der Rochdaler Gründung eingeleitete Expansionsphase, die bis zum 41

Ersten Weltkrieg, beim Mitgliederwachstum sogar bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hinein anhielt.

a)

Anfänge

Als erste Träger eines genossenschaftlich organisierten Geschäftes hat die Forschung eine Gruppe von Webern aus der nordenglischen Kleinstadt Fenwick in der Grafschaft Ayreshire identifiziert. Im Jahr 1769 gründeten diese eine Gesellschaft, welche laut Statut den Zweck verfolgte, Lebensrnittel im Großen< anzukaufen, um sie in kleinen Partien an die Mitglieder abzugeben.49 Acht Jahre später ist eine weitere Gründung in Govan belegt. Vier weitere Zusammenschlüsse - ein Lebensmittelgeschäft in Mongewell (Oxford), 50 die Bridgeton Society (1800) und die Lennoxtown Co-operative Society (1812) fallen in die Zeit der Napoleonische Kriege,51 während die Larkhall Victualling Society Anfang der zwanziger Jahre entstand, ohne sich, wie es scheint, mit dem Aufbruch der sozialen und politischen Bewegung des Owenismus zu berühren. Frühe Statuten. Es ist offensichdich, daß das Muster des Konsumvereins in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht entstand, um seinen Gründern leichteren Anschluß an die sich auftuende neue Welt der Genüsse und des Luxus zu verschaffen. Bezeichnungen wie »distribution« und »supply« in den Selbstbezeichnungen deuten an, daß es im Bewußtsein der Gründer nicht um ein kommerzielles Unternehmen im üblichen Sinne zur Erweiterung oder Differenzierung des vorhandenen Angebots ging, sondern um die »Versorgung« eines invariant gedachten Bedarfs.52 Als Unternehmenszwecke nannten die Präambeln übereinstimmend die Senkung der Lebenshaltungskosten durch Direkteinkauf (»first markets«) und die Abgabe der Waren zu den niedrigst möglichen Preisen (»lowest terms«) in Verbindung mit »gutem Gewicht« und »Qualität«. In dieser Akzentuierung artikulierte sich das verbreitete Unbehagen über einen in diesen Jahrzehnten rasch voranschreitenden Kommerzialisierungsprozeß wie auch die Erinnerung an den direkten Verkehr zwischen Erzeugern und Konsumenten über lokale Märkte als »Normalfall« angemessener Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Im übrigen wiesen die Unternehmen besonders im Vergleich zu privaten Handelsgeschäften eine ganze Reihe von Merkmalen auf, die deutlich die Herausbildung eines neuartigen Organisationsmusters erkennen ließen. Da war zunächst die kollektive Trägerschaft, die jedenfalls im Handel eine Ausnahme darstellte, und die Identität von Nutznießern und Trägern. Dieses Konstruktionsmerkmal Schloß, sofern es konsequent durchgehalten 42

wurde, anders als beim privaten Geschäft die Möglichkeit aus, mit Hilfe des Publikums die in den Geschäftsanteilen festliegenden Spargroschen hoch zu verzinsen. Aus der Festlegung ergab sich eine andere Besonderheit fast zwanglos: die Selbstverwaltung. Mit dieser fest verbunden war das Rotationsprinzip bei den Leitungsfunktionen. In Übereinstimmung mit später üblichen Bestimmungen begrenzten die Zusammenschlüsse fast immer die Zahl der zu erwerbenden Anteile nach oben hin. 53 Das Ziel einer Verbilligung der Lebenshaltung versuchten die Vereine dadurch zu erreichen, daß sie ihre Waren so dicht wie irgend möglich am Einkaufspreis (»Kostenpreise«) abgaben. Wo sich trotz dieser Praxis ein Überschuß ergab, sollte er entweder dazu dienen, den ältesten Mitgliedern der Gesellschaft einen Teil ihrer Einlagen zurückzuzahlen bzw. nach Maßgabe des eingelegten Kapitals verteilt werden (Kapitalverzinsung).54 Wer die Statuten der frühen Vereine mit der Erwartung in die Hand nimmt, auf eine geringe Zahl von Paragraphen zu treffen, die sich auf die vage Fixierung eines Rahmens beschränken und im übrigen in Ton und Ausführung erkennen lassen, daß sie auf soliden, der Gründung vorgelagerten Solidarstrukturen aufsattelten oder sich mit ihnen verbanden, dürfte vom Ergebnis enttäuscht, ja verblüfft sein. Dem ersten Eindruck nach wirken gerade die frühen Statuten in vielen Passagen formalisierter, kalkulierter und »rationaler« als spätere Entwürfe. Die Gründer der Larkhall Victualling Society verstanden ihr Unternehmen nicht als Resultat übereinstimmender traditioneller Werte, sondern ausdrücklich als Pakt »gemeinsamer Interessen« (»mutual interests«). Fast spielerisch-distanziert apostrophierten sie ihre Gründung als »fair trial«, den eine gute Sache verdiene.55 Die Lebenssphäre der Mitglieder und der gegründete Verband wurden sorgfältig geschieden, eine Mitgliedsrolle mit zahlreichen an ihr haftenden Rechten und Pflichten bis ins Detail definiert. 56 Über einen allgemeinen Vorspruch hinaus beinhalteten alle Statuten genaue Regeln für Ein- und Austritt, legten die Struktur der Leitungsorgane, ihre Befugnisse sowie die Art der Entschädigung fest und definierten unterschiedliche Quoren für Abstimmungen je nach der möglichen Auswirkung der Entscheidung auf den Geschäftsgang. Sie verpflichteten die Mitgliederversammlung nicht nur auf ein bestimmtes Procedere, sondern auch auf einen formalen Habitus, beschrieben die Art der Rechenschaftslegung, regelten die Höhe und Einzahlung der Anteile wie der Gewinnausschüttung usf. und trafen schließlich Vorkehrungen für Konfliktfälle, aber auch den Tod von Mitgliedern. Diejenigen, die kraft Funktion das Geld der anderen verwalteten, also Verkäufer und Kassierer im Vorstand, mußten finanzielle Bürgschaften beibringen. Von einem Handeln aus spontanem Einverständnis war das alles denkbar weit entfernt. Manche Statuten kamen mit 15 Einzelparagraphen 43

aus, andere benötigten bis zu 40 Abschnitte, um ein Geflecht von Regeln zu entwickeln, welches ihnen Sicherheit für ein risikovolles Unternehmen zu verbürgen schien.57 Studien zur frühen Arbeiterbewegung in Deutschland und England haben häufig den multifunktionalen Charakter von Organisationen in dieser Phase betont und damit die Nachrangigkeit des Organisationszwecks gegenüber dem ausgeprägten solidarischen Gruppenbewußtseins suggeriert. Bei dem sich ausbildenden Muster des Konsumvereins fällt dagegen auf, wie strikt die frühen Statuten auf ökonomische Zwecke bezogen waren. Geselligkeit etwa hatte, ganz anders als in späteren Regelwerken, keinen gesicherten Platz in den Bestimmungen. Weit entwickelt war auch die Differenzierung der Funktionen. Die Leitungsorgane gliederten sich typischerweise in einen Vorsitzenden und seinen Stellvertreter, einen Buchhalter und Kassierer, oft auch einen Einkäufer und gelegentlich sogar einen besonderen Preisfestsetzer (»Prizer«) sowie ein für die Überwachung der Kredite zuständiges Komitee.58 Fast ist man geneigt, angesichts der geringen Mitgliederzahl von einem schwer verständlichen Leitungsüberhang zu sprechen, der spätere Erfordernisse unzeitgemäß antizipierte.59 Um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten, verließen sich die wenigsten Statuten auf Appelle. Alle für den Unternehmenszweck wichtigen Regeln wurden durch scharfe Sanktionen wie Ausschlußdrohung und ζ. T. hohe Geldstrafen gesichert. Selbst Gefahren, die von der Spontaneität der Mitglieder für den Zusammenschluß ausgehen mochten, beugten entsprechende Vorschriften zur Affektfilterung vor.60 Die Veränderung einzelner Bestimmungen des Statuts in Larkhall setzte nicht nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit, sondern eine Bestätigung durch eine zweite Versammlung voraus, deren Mitglieder vorher ausdrücklich auf diesen Zweck hinzuweisen waren.61 Ein anschaulicher Beleg für die ausgeprägte Sphärentrennung sind vor allem die Regelungen über die Kreditnahme. Um zu verhindern, daß der jeweilige Schuldenstand im gemeinsamen Geschäft bekannt und zum Gegenstand allgemeiner Erörterung wurde, übertrug man die für notwendig erachtete laufende Kontrolle schlechter Schulden einem besonderen Komitee.62 Das gemeinsame Unternehmen wurde, mit anderen Worten, so eingerichtet, daß es mit dem nachdrücklich artikulierten Anspruch auf Schutz der Privatsphäre koexistieren konnte. Im übrigen läßt die Bestimmung ahnen, wie sehr Respektabilität und wechselseitige Schätzung einer Familie in den Unterschichten von der Fähigkeit bestimmt wurden, die auflaufenden Schulden beim Händler in akzeptablen Grenzen zu halten. Eine Durchbrechung der Sphärentrennung findet sich nur an einem bezeichnenden Punkt: der Kontrolle der Absatzsicherung. Die Verfasser der Statuten sprachen durchweg die Erwartung aus, ja forderten kategorisch, daß das Mitglied wie auch seine Familie den gesamten Bedarf aus dem 44

eigenen Laden entnehmen sollten.63 Entstand der Verdacht, daß dies nicht der Fall war, hatte der Verkäufer die Pflicht, aus den Büchern eine Bilanz aller Einkäufe zusammenzustellen, um sich ein Bild vom Kaufverhalten zu machen.64 War der Verdacht stark genug, sollte als Beweis gegebenfalls auch allein die »Meinung des Verkäufers« zählen. 65 Andere Bestimmungen schalteten fur die unterzeichnenden Mitglieder explizit den Rechtsweg aus. Entscheidungen der Generalversammlung bei Streitfragen sollten, hieß es, »bindend und verpflichtend fur alle Parteien seien.«66 Wie erklärt sich jenes auffällig dichte Regelwerk, welches das Selbsthilfemuster des Konsumvereins augenscheinlich so frühzeitig aus dem Geflecht informeller Verhaltensregelungen heraushob? An erster Stelle verraten die Statuten der frühen Vereine den intensiven Diskussionsprozeß unter den an der Gründung Beteiligten. Im Medium kontinuierlicher rationaler Diskussion einer größeren Gruppe wurden Interessen bewußter, verloren Konventionen an Bedeutung. Umfang und Natur der Regelungen verweisen zugleich darauf, daß die Betreffenden in ihren Diskussionen an Vorbilder und Organisationserfahrungen aus anderen Bereichen anknüpfen konnten. Dabei schimmert an einzelnen Stellen der zu diszipliniertem unternehmerischen Handeln disponierende Geist des Sektenswesen durch. Vorsprüche und Einzelparagraphen enthalten biblische Bezüge, verlangten von aufzunehmenden Mitgliedern ausdrücklich »Unbescholtenheit« (»good moral character«) und stellten gotteslästerliche Flüche unter Strafe.67 Dennoch wäre es problematisch, das neue Muster zu dicht an das Sektenwesen heranzurücken. Die Mitgliedschaftsanforderungen bei den Konsumentenzusammenschlüssen waren niedriger, leichter erwerbbar und blieben erheblich von jener fur die Sekten charakteristischen rigorosen »ethischen Prüfung« des Leumunds entfernt. 68 Alle wesentlichen Bestimmungen wiesen im Gegenteil den nicht-exklusiven Charakter des neuen Musters aus. Hierin ähnelten Konsumvereine den freiwilligen Hilfskassen (»Friendly Societies«). Beide funktionierten um so besser, je breiter und heterogener ihre Basis war, denn nur verschiedenartig strukturierte Risiken tarieren sich bekanntlich aus. Die Struktur eines Verbandes mit ökonomischem Zweck wird in hohem Maße durch seine Kreditbasis und das Risiko der Träger bestimmt.69 Dabei ist das Risiko nicht einfach eine Funktion der absoluten Höhe des eingesetzten Kapitals, sondern seines Verhältnisses zu den Mitteln der Investoren. Der Betrag von einem Pfund, den die meisten Konsumvereine dieser Phase als Geschäftsanteil forderten, entsprach etwa den Jahresausgaben einer Familie für Heiz- und Kochmaterial in Form von Holz oder Kohlen70 bzw. dem, was ein kontinuierlich beschäftigter, verheirateter Bergarbeiter aus Northumberland mit drei Kindern um 1820 in 16 Wochen sparen konnte. 71 Zwar war - soweit sich die Unternehmen unter der fur Friendly 45

Societies vorgesehenen Gesetzgebung registrieren ließen - das darüber hinausgehende finanzielle Risiko durch persönlich haftende Gesellschafter abgedeckt, doch erhöhte die Konzentration des Geschäftsvermögens bei einzelnen Personen die Chancen, den eingelegten Beitrag zu verlieren. Wenn es eine Art von »Manager-Schule« fur die frühen Konsumvereine gab, dann waren es die verschiedenen Formen der freiwilligen, selbstverwalteten Versicherungsgesellschaften.72 Zumal die Friendly Societies, welche Sterbekassen-Funktionen ausübten, verlangten ein überlegenes Ressourcenmanagement, dessen Aufgabe darin bestand, über einen langen Zeitraum Interessen verschiedener Generationen von Mitgliedern zu koordinieren. 73 Die Art der Finanzierung nicht etwa durch Kreditaufnahme, sondern durch die Verabredung eines Sparziels und das über einen längeren Zeitraum hingezogene Akkumulieren kleiner Beiträge, entstammten der Praxis der freien Hilfskassen. Da die Friendly Societies in der Regel über einen kleinen Kapitalstock verfugten, lag es für ihre Mitglieder nahe, unter bestimmten, besonders drängenden Umständen Teile des verfugbaren Geldes umzuwidmen und ihre Konsumenteninteressen zu schützen. 74 1 7 9 5 setzten die Mitglieder einer solchen Kasse in Rothley in Leicestershire 50 Pfund ihres Kapitals zum Ankauf von Getreide ein, um es nach dem Mahlen an die Mitglieder zum Selbstkostenpreis abzugeben. Der Vorgang war immerhin so neu und aufsehenerregend, daß die sozialreformerische »Society for Bettering the Conditions and Increasing the Comforts o f the Poor« einen Bericht anfertigte und bei der Gelegenheit feststellte, daß in der Nähe »ähnliche Verfahren zur Sicherung einer regelmäßigen Versorgung mit Mehl zu einem niedrigen Preis in Quorndon, Sileby, Mountsorrel and einigen anderen Plätzen in Leicestershire übernommen wurden«. 75 Auch in Schottland schlossen sich die Friendly Societies von Edinburgh und Umgebung vor dem Hintergrund der extremen Preishausse in diesen Jahren kurzfristig zusammen und importierten über den Hafen von Leith im Laufe von zwölf Monaten angeblich für 4 5 . 0 0 0 Pfund Getreide für ihre Mitglieder. Ähnlich verfuhren die Hilfskassen Sheffields, die in einer gemeinsamen Aktion 1795 eine Kornmühle kauften, um sich von den lokalen Müllern unabhängig zu machen und direkten Zugang zu den Bauern zu erhalten. 76 Dies war ein Schritt, der offensichtlich sehr dicht an die Gründung eigenständiger, in Selbsthilfe errichteter Konsumvereine heranführte. Der Exkurs zur Rolle der Friendly Societies als Träger von Handelsgeschäften erlaubt es, die oben zitierte These über den multifunktionalen Charakter früher Arbeiterunternehmen zu präzisieren. Belege für einen Nexus zwischen verschiedenen Unternehmenszwecken relativieren nicht die Annahme einer hohen Wirkungsmächtigkeit von Zweck und Funktion für Struktur und Selbstverständnis der Vereine, sondern verdeutlichen zu46

nächst einmal nur, wie sehr Selbsthilfe durch die Akkumulation von Gründungsressourcen in vorausgegangenen erfolgreichen Selbsthilfe-Unternehmen erleichtert werden kann. Andererseits blieb das Angliedern solcher Funktionen in der Regel ein kurzfristiges, transitorisches Phänomen, zumindest dann, wenn die Kassen eine bestimmte Größe und Bestandsdauer erreicht hatten. Das Funktionieren von Sterbe- und Krankenversicherungen verlangte besonders angepaßte Strukturen und Verhaltensweisen von Mitgliedern und Leitungen, die von denen der Konsumvereine wesentlich abwichen. Entsprechend früh differenzierten sich die Organisationsformen. Eine direkte Übertragung eines fremden Musters fand zu keinem Zeitpunkt statt. In den Statuten der Konsumvereine wurden einzelne bekannte Bausteine neu zusammengesetzt und um »Erfindungen« ergänzt. Die Verschiedenartigkeit der frühen Statuten, ihre Umständlichkeit und Überpräzision, belegen gleichermaßen die Unsicherheit der Gründer wie den innovativen Charakter ihrer Entwürfe. Hinter dem frühzeitigen Umschlag von informellen zu schriftlichen, rekursfähigen Paktierungen standen auch Zwänge, die sich aus der Durchsetzung von Konsumenteninteressen über den Handel ergaben. Das informelle Vorstadium konsumgenossenschaftlicher Organisation, die Übung, in Zeiten der Teuerung und einer sich bietenden günstigen Gelegenheit die Kosten der Brotherstellung im Haushalt durch den gemeinschaftlichen Ankauf von einigen Säcken Mehl zu senken, kam in der Regel noch mit einem spontanen Umlageverfahren aus. Jeder weitere Schritt in Richtung auf eine Verstetigung oder Erweiterung des Teilnehmerkreises machte den Übergang zu schriftlichen Fixierungen hochwahrscheinlich. Als Regel galt: Je weiter Zeit und Ort des Einkaufs auseinanderlagen, desto höher der potentielle Nutzen für die Teilnehmer der Aktion, desto drängender jedoch auch der Bedarf nach Sicherheiten für das kreditierte Kapital. Der Übergang vom kostensparenden Großeinkauf zum Detailverkauf verlangte selbst in der rudimentärsten Form Investitionen: in Schreibzeug, Papier und vor allem in eine ausreichend große und zuverlässige Waage und Gewichte. Hinzu kam das Pfand für die geborgten Behältnisse. Addiert man zu diesen Erfordernissen die dem Handelsgeschäft eigentümliche Notwendigkeit, eine hohe Umschlagsgeschwindigkeit der Waren zu erreichen schließlich konnte jede Bewegung der Preise dazu fuhren, den erzielten Vorteil aufzuheben - wird besser verständlich, warum die Träger solcher Zusammenschlüsse frühzeitig auf die Vereinbarung von »Statuten« mit klar umrissenen Pflichten drängten. Eine andere Determinante von hohem Gewicht bildete die Knappheit der Mittel bei den Trägergruppen. Die starke Funktionsteilung imitierte nicht etwa fortgeschrittene bürgerliche Unternehmungen, sondern repräsentierte, wie angedeutet, die praktische Kehrseite der Laienselbsthilfe. 47

Nur durch weitgehende Arbeitsteilung mithilfe eines vielköpfigen Vorstandes gelang es, das Unternehmen nebenberuflich zu fuhren. Die Vielzahl der Sanktionen, der Kaufzwang und der Ausschluß des Rechtsweges belegen in erster Linie die von knappen Mitteln und bedrohlich hohen persönlichen Risiken gesetzten Zwänge. Daß manche Kontrollformen die Überschaubarkeit kleiner Verhältnisse in Rechnung stellten, heißt nicht, daß die Gemeinschaft der Mitglieder dem abstrakten Unternehmen übergeordnet gewesen wäre.77 Das Prinzip, im Zweifel gegen Beschuldigte zu urteilen, und zwar auch da, wo letzte objektive Beweise nicht beizubringen waren, unterstreicht im Gegenteil die Priorität der Kapitalverwertung. Isoliert, ohne Vorbilder und ohne Kenntnis von der Bewährung des entwikelten Musters an anderer Stelle lebten diese kleinen lokalen Schöpfungen noch ganz in Gegenwart und Vergangenheit. Die Zukunft erschien ihnen als ein schwarzes Loch, in dem die investierten kleinen Ersparnisse leicht zu verschwinden drohten. Nur mit nahüos geschlossenen Reihen und strengster Disziplin hofften sie, den sich auftuenden Gefahren begegnen zu können. Diesem hohen Risikobewußtsein der Gründer entsprach auch die Kapitalverzinsung als Gewinnverteilungsprinzip.78 Zu den besonderen Wechselfällen und Gefährdungen, mit denen die Vereine aus der Sicht der Statutenverfasser fertig werden mußten, gehörte die Mobilität der Mitglieder. Die Vorkehrungen, die sie für den Fall der Abwanderung trafen, erscheinen auf den ersten Blick wie Diskriminierungen aus dem Horizont eines vorindustriellen Lokalismus. Man knüpfte die Rückzahlung der Anteile in der Regel an eine Reihe kleinlich und abschreckend wirkender Bedingungen. Betrachtet man die Bestimmungen indessen im einzelnen - die Rückzahlung setzte die Überprüfung der aufgelaufenen Schulden voraus, sie war nur nach dem Ablauf längerer Fristen und mit Abschlägen möglich u.ä.m. - schält sich auch hier das abstrakte Unternehmensinteresse als Motivationskern heraus. Auch Wenn die Statuten mithin grundsätzlich auf Freizügigkeit abstellten, hatten sie eindeutig nichts vom »sorglosen Leichtsinn«, den bürgerliche Mahner der neuen Klasse der Fabrik- und Heimarbeiter nachsagten. Ihr eigentümlicher Stil läßt die pauschalen Hinweise in zeitgenössischen Berichten auf die Weberklasse als Basis der frühen Zusammenschlüsse plausibel erscheinen.79 Gewerblich tätig, mit Wurzeln in der Landwirtschaft, selbständig und abhängig, dem Anspruch nach seßhaft, doch durch den tiefgreifenden technologischen Wandel zur Mobilität gezwungen, mit kommerziellen Praktiken vertraut und zugleich voller Ressentiment gegenüber dem Handelskapital, war diese Gruppe prädestiniert für die Gründung von Handelsunternehmen zur Selbstversorgung. Es spricht vieles dafür, daß die Zahl solcher Gründungen über die dokumentierten, bislang bekanntgewordenen Fälle weit hinausging. Einzelne 48

zeigten eine bemerkenswerte Zähigkeit, die ihnen zu einer - gemessen am dramatischen Wandel, der um sie herum stattfand - erstaunlich langen Lebensdauer verhalf. Auffällig ist selbst bei den wenigen überlebenden Vereinen das stets nur sehr mäßige Mitgliederwachstum.80 Keines der frühen Unternehmen entwickelte sich zu einem Stützpunkt der späteren Bewegung. Die meisten gingen, ohne Spuren zu hinterlassen, unter. Daran hatten die von ihnen geübten Geschäftspraktiken nicht geringen Anteil. Die Politik niedriger Preise, die sie verfolgten, verhinderte, daß sich innerhalb des Unternehmens schützende Puffer gegenüber den Fluktuationen der Preise bildeten. Hinzu kam, daß die Rohstoffpreise, welche die direkt beim Erzeuger kaufenden Vereine bezahlten, im allgemeinen noch heftiger ausschlugen als die Preise der verarbeiteten Lebensmittel. Dem korrespondierten weite Pendelausschläge bei Gewinnen und Verlusten, wie die nachstehende Übersicht fur die Fenwick Weaver Society belegt. Solche heftigen Bewegungen belasteten den Konsens unter den Mitglieder stets aufs neue und verhinderten, daß sich die entlastenden Wirkungen eines gleichmäßigen Geschäftsgangs einstellten.

Graphik 3: Gewinnentwicklung Fenwick Weaver Society 1770-1800

Quelle: Rechenschaftsberichte, abgedruckt bei Maxwell, History, S. 4 8

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Da der Umgang mit Geld überdies Versuchungen schaffte, denen die Moral einzelner Leitungsmitglieder nicht standhielt, gelangten die meisten Unternehmungen nur zu leicht an einen Punkt, an dem der Pakt zerbrach. 81 In der Zange zwischen Kommerzialisierung und Dauermobilisierung erschöpften sich die verfugbaren Ressourcen an gutem Willen und spontanem Vertrauensvorschuß. Kornmühlen und Brotproteste. Die genannten Handelsunternehmen ähnelten in ihrer Struktur und ihrem hohen Selbsthilfeanteil den späteren Konsumvereinen. Was ihnen fehlte, waren die Einbindung in eine Bewegung und deren Schwung. Ansätze dazu gab es auf einem verwandten Feld: dem der Mehlproduktion. 82 Unter den besonderen Bedingungen der Napoleonischen Kriege entstand eine ganze Reihe gemeinnütziger Mühlenunternehmen, darunter die Hull Anti-Mill Society (1795), 8 3 Mühlen in Chisleshurst, Kent ( 1 7 9 5 ) , Brentford, Newport Pagnell etwa zur gleichen Zeit, ein Betrieb in Barham Downs ( 1 7 9 6 ) , 8 4 die Mühle der »Good Intent Society« in Brentford (1800), 8 5 die »Union Mill« in Birmingham, 86 die Hull Subscription Mill ( 1 8 0 1 ) sowie Unternehmen in Beverley, Whitby ( 1 8 1 2 ) - letztere vor dem Hintergrund von Mißernten in den Jahren 1 8 0 9 bis 1 8 1 2 - und in Sheerness/Kent ( 1 8 1 6 ) sowie Devonport (1817). 8 7 Anders als bei den isoliert gebliebenen frühen Handelsunternehmen von Konsumenten ist hier der über Diffusion und Imitation gestifte Zusammenhang offensichdich. Der steile Anstieg der Lebensmittelpreise während der Kriege, in dessen Gefolge es zu einer nie gekannten, von günstigen Profitchancen angeregten Welle von Einhegungsakten und, besonders im Süden, zur Einfuhrung von Lohnzuschüssen als Teil der Armenversorgung kam,88 bildeten den unmittelbaren Anlaß der Gründungen. Die tieferen Ursachen aber reichten weiter zurück. Zu ihnen gehörten Veränderungen in den Versorgungsformen der breiten Masse städtischer Konsumenten, die sich nach außen oft als Differenzierung des traditionellen Handwerks in Gewinner und Verlierer äußerten. »Es gibt Müller«, machte der Verfasser einer preisgekrönten Schrift über die »Gründe für den gegenwärtigen Preisanstieg« im Jahre 1767 seiner Empörung Luft, »welche binnen weniger Jahre, mit unglaublicher Geschwindigkeit, ungeheure Vermögen aufgehäuft haben; und die Bäcker im allgemeinen gedeihen und werden reich ganz außer Verhältnis zu dem, was man in anderen Gewerben beobachten kann.« 89 Diese Schilderung bezog sich nicht mehr nur auf den traditionellen, an einzelne Jahre gebundenen Wucher.90 Besonders in Textilregionen existierte ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwischen der Ausbreitung des Fabrikwesens und nachteiligen Veränderungen in der Versorgung der Dorfbevölkerung. Die traditionellen Getreidemühlen mit ihrer günstigen Lage fur die Ener50

gienutzung zogen bis zum allgemeinen Vordringen der Dampfmaschine immer wieder Unternehmensgründungen an. Noch 1835, als Watts Patent schon 60 Jahre alt war, waren die Ufer der Flüsse in Lancashire und Yorkshire buchstäblich mit Textilfabriken übersät. Dieser Konkurrenz widerstanden die kleinen dezentralen Getreidemühlen und die von ihnen abhängigen überlieferten lokalen Versorgungsstrukturen nur selten.91 Zusätzlicher Druck in Richtung auf Zentralisierung und Konzentration ging seit Mitte des 18. Jahrhunderts vom Getreidegroßhandel aus, der in leistungsfähige Großmühlen investierte.92 Es spricht für solche Zusammenhänge als Hintergrund vieler Konsumenteninitiativen, daß in den Petitionen von neuen »Monopolen« der Bäcker und Müller die Rede ist. Wenn man so will, verkörperten die Gründungen embryonale Formen einer antimonopolistischen Strukturpolitik. 93 Längst nicht alle Mühlen, wahrscheinlich nicht einmal der größte Teil, wurden im strikten Sinne genossenschaftlich gefuhrt. Es ist zweifelhaft, ob auch nur eine einzige das Identitätsprinzip, also die Einheit von Kapitalgeber und Konsument, konsequent durchhielt. Vor allem auf lange Sicht ergab sich das Problem, daß die Unternehmen durch die Nachfrage der Mitglieder nicht voll ausgelastet werden konnten. Der Druck eines Produktionsunternehmens im Hintergrund sprengte leicht das Mitgliederprinzip und bedrohte damit auch die Steuervorteile dieser Konstruktion. »Um zu verkaufen, müssen wir das Gesetz brechen. Verkaufen wir nicht, brechen wir die Gesellschaft:«,94 pointierte der Vorstand der Leeds Flour Mill Association diesen Zielkonflikt. Während dieses Problem eher langfristiger Natur war, begegnete der Versuch, solche Unternehmen überhaupt in Selbsthilfe zu errichten, von vornherein großen Problemen. Der Appell der erwähnten Schrift Forsters richtete sich zunächst an Honoratioren und vermögende Angehörige des Bürgertums. Was dem Autor vorschwebte, ähnelte einem gemeinnützigen Unternehmen mit einem hohen Anteil von Stiftungskapital. Dessen Betrieb sollte, wie er pragmatisch zugestand, Gewinne nicht ausschließen. Als Vorbild empfahl er seiner Leserschaft »die Fabrikanten und andere hervorragende Bewohner Wolverhamptons«. Sie seien sich der Vorzüge einer Unternehmensgründung - gegenüber den traditionellen Formen der Armenpflege, wäre hinzuzufügen - so sehr bewußt gewesen, »daß sie neuerdings auf gemeinsame Kosten eine Kornmühle allein für die Armen erbaut haben; denn nach ihrer Berechnung können sie nicht nur leidliche Zinsen für ihr Kapital erzielen, sondern zugleich den Armen eine bedeutende Ersparnis gewähren.«95 Ein hoher Selbsthilfeanteil war an sehr spezifische Bedingungen geknüpft. Solche Voraussetzungen waren bei den Schiffszimmerern der Werften von Woolwich und Chatham gegeben, die zwei Kornmühlen auf genossenschaftlicher Basis gründeten. 96 Auch von dieser Aktion heißt es, 51

daß sie sich gegen die Preispolitik und das Monopol lokaler Müller richtete. Ihre besonderen handwerklichen Fähigkeiten erleichterten den Zimmerleuten das Unternehmen. Außerdem stand die Regierung als Eigentümerin der Werften den Gründungen wohl nicht ablehnend gegenüber. Dem Staat fiel es als Arbeitgeber wesentlich leichter als einem mittleren Unternehmer, sich über die Interessen lokaler Gruppen hinwegzusetzen. Dementsprechend neutral konnte er sich zur kollektiven Wahrnehmung von Konsumenteninteressen durch die Betriebsangehörigen stellen. Nichts stand einer Unternehmensgründung durch Unterschichten so sehr im Wege wie der Mangel an Kapital. Ε. P. Thompson hat auf die Bedeutung der Kollekte als einer Form populärer Einübung kollektiven Sparens fur soziale Zwecke hingewiesen.97 Für so kapitalintensive Unternehmen wie die Mühlen, bei denen der Geldbedarf noch um vieles höher lag als bei genossenschaftlichen Läden, reichten traditionelle Formen des »Volkssparens« nicht aus. Das zeigte sich besonders deutlich bei der Unternehmensgründung, die vielen anderen als Vorbild diente: der Errichtung der »Anti-Mill Society« in Hull. Eine Petition, die eine Gruppe von Bürgern im Jahr 1795 auf dem Höhepunkt einer allgemeinen Lebensmittelteuerung an den Magistrat richtete, umriß den Finanzierungsplan in folgender Weise: »Wir, die armen Einwohner der genannten Stadt, haben neuerdings infolge der unerhört hohen Mehlpreise viel Not und Trübsal an uns und unseren Familien zu erleiden gehabt. Infolgedessen haben wir eine Sammlung eröffnet; ein jeder unter uns soll vier Wochen hindurch 1 sh. 1 pence die Woche, ferner während vier weiterer Wochen 6 pence wöchendich zahlen - das ist 6 sh. 4 pence pro Mann - zur Erbauung einer Mühle, welche den Erbauern, deren Erben, Testamentsvollstreckern, Verwaltern oder Delegierten für alle Zeiten zu eigen gehören soll, um ihnen Mehl zu liefern. Da wir indes uns bewußt sind, daß diese Sammlung zur Ausführung unseres Vorhabens nicht genügen wird, erbitten wir uns in aller Demut den Rat und die Hilfe Euer Gnaden, auf daß wir nicht nur selbst, sondern auch unsere Kinder, selbst die noch ungeborenen, Ursache haben mögen, Euch zu segnen.« 98

Die organisierte Kollekte hatte im Bewußtsein der potentiellen Gründer von vornherein nicht den Zweck, selbständig und autonom Unternehmen ins Leben zu rufen. Daß die Decke, nach der man sich streckte, nicht zu erreichen war, stand den Handelnden klar vor Augen." Im Fall der ersten Kornmühle in Hull, deren Grundstein am 7.Juni 1795 gelegt wurde, betrugen die Fertigstellungskosten über 2.200 Pfund - eine Summe, die die Möglichkeiten der »ärmeren Klassen« bei weitem überstieg. Als Einzelbeträge (!) wurden u.a. eine Summe von 350 Pfund genannt, die aus einer Sammlung unter »der Sache sympathischen Leuten« stammte, sowie 100 Pfund eines »Sir Henry Etherington«, dem man daraufhin die Grundsteinlegung antrug. Auch die Einrahmung der Fesdichkeiten durch eine 52

Militärkapelle der gerade in der Stadt anwesenden Durham Bürgerwehr macht ein rein oder auch nur überwiegend von Unterschichten getragenes Unternehmen unwahrscheinlich. 100 Worum es ging, war vielmehr eine glaubwürdige Anstrengung zur Selbsthilfe. Die bis ins Detail gehende Beschreibung der Sammlung und ihres Ablaufs durch die ursprünglichen Antragsteller diente dem Zweck, die eigene Anstrengung gegenüber Dritten glaubwürdig zu demonstrieren. Immerhin entsprach der vorgeschlagene wöchentliche Beitrag von einem Shilling etwa zehn Prozent des Wocheneinkommens eines vollbeschäftigten Handwerkers. 101 So, wie sich der Finanzierungsplan in der Petition darbietet, hatte er große Ähnlichkeit mit dem Offenlegen der Bücher eines Kreditnehmers gegenüber einem einflußreichen Gläubiger. Im Ergebnis verbanden sich die traditionelle Petitionsform mit ihrem Appellcharakter und das Bekenntnis zu den neuen Werten von Leistung und Verdienst noch unter den Bedingungen der Not. 1 0 2 Stellt man die frühen unternehmerischen Selbsthilfeversuche von Konsumenten den beiden anderen Reaktionsformen gegenüber, mit denen die englische Gesellschaft auf der Gemeindeebene Teuerung und Lebensmittelknappheit entgegentrat, wird sofort klar, daß es sich bei ersteren zu diesem Zeitpunkt noch um ein Randphänomen handelte. Die häufigste Form kollektiver Selbsthilfe von Konsumenten unter den Bedingungen des Ancien Regime war seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in ganz Europa der Brotkrawall. 103 Im günstigsten Falle für die Teilnehmer endeten solche Aktionen in der »taxation populaire«, einem Euphemismus für den zwangsweisen Verkauf beschlagnahmter Vorräte zu einem von den Beteiligten der Aktion für »gerecht« erachteten Preis. Das unmittelbare Gegenstück zu den Lebensmittelunruhen war der Ankauf von Getreide durch Gemeinden oder staatliche Behörden und die Abgabe der Vorräte zu festen Preisen und in abgemessenen Mengen. Das genossenschaftliche Selbsthilfemuster übernahm Elemente aus beiden Traditionen, grenzte sich aber zugleich in charakteristischer Weise ab. 104 Nicht die Gesamtheit der Konsumenten, sondern die »Armen« bildeten in allen drei Fällen die typischen Adressaten. 105 Auch die Bedarfsorientierung gehörte zu den gemeinsamen Merkmalen. Mit der Reaktion der Behörden teilte die Genossenschaft Gewaltlosigkeit und Kapitalbedarf, während die stärkste Parallele zur »taxation populaire« in der kollektiven Selbsthilfe der Betroffenen lag. Von beiden unterschied sie sich durch die Langlebigkeit der angestrebten Lösung. Dabei wäre es allerdings zu einfach, Konsumenten-Unternehmen und Brotrevolte als einerseits pazifizierte, angepaßte, andererseits selbstbewußte und emanzipierte Organisationsform zu konfrontieren. Die Vorstellung einer »moralischen Ökonomie« der Unterschichten des 18. Jahrhunderts, also die von englischen und fran-

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zösischen Sozialhistorikern entwickelte Annahme, daß sich die Unterschichten in ihrem wirtschaftlichen Verhalten und ihren Erwartungen im Übergang zur modernen Marktwirtschaft lange Zeit noch an traditionellen Gerechtigkeitsvorstellungen orientierten, dürfte das Ausmaß der Unterordnung, das Gefalle an Ansehen und normativer Definitionsmacht zwischen den Klassen, welche die Gerechtigkeitsvorstellungen der Unterschichten penetrierten und mitprägten, unterschätzen. Zwar ist es außerordentlich schwierig, die Bedeutung von »Nicht-Entscheidungen« als Determinante sozialer Prozesse plausibel zu machen. Man wird dennoch davon ausgehen müssen, daß viele Selbsthilfeinitiativen einfach daran scheiterten bzw. ganz unterblieben, weil sie sich mit dem traditionellen Nahrungsanspruch der Müller und Bäcker nicht vertrugen. 106 Gerade Unternehmen von der Art wie Mühlen und selbständige Läden - also jener neue Typus von auf Dauer angelegten Selbsthilfeformen - verstießen in eminenter Weise gegen diesen traditionellen Erwartungshorizont. So ist die Geschichte dieser Gründungen von Beginn an auch die Geschichte des Widerstandes der davon betroffenen Konkurrenz und ihrer Gerechtigkeitsvorstellungen. Bei derartigen Gelegenheiten erwies und bewährte sich der formal-legale Charakter des neuartigen Musters organisierter Sozialpolitik von unten. Als eine der Mühlen abbrannte und der starke Verdacht bestand, daß lokale Handwerker hinter dieser Tat standen, eröffnete der Magistrat ein Verfahren und stellte eine Gruppe von Bäckern und Müllern unter Anklage. 107 Solchen Schutz der Gesetze konnten Protestformen des Tumults und der Einschüchterung, wie »diszipliniert« sie auch immer durchgeführt sein mochten, nicht beanspruchen. Entsprechend risikoreich blieben sie. 108 Und noch in anderer Hinsicht bedeutete das neue Muster einen Zugewinn an sozialer Gerechtigkeit. So breit die Basis der Brotkrawalle in kleinen Gemeinden auch gelegentlich sein mochte, so eng waren ihre Grundlage und Zielsetzung doch häufig in lokaler Hinsicht. Das Verhindern von Export zur Versorgung von Nachbarorten gehörte zur regelmäßigen Begleiterscheinung des Teuerungsprotestes. 109 Demgegenüber bewirkte die Gründung offener Handelsgesellschaften grundsätzlich keine Verlagerung der Handelsströme auf Kosten Dritter, sondern durch die Ausweitung und bessere Organisation des Marktes einen Gewinn, der über die Gruppe der Mitglieder hinausging. Gleichwohl steht fest, daß Konsumenten-Unternehmen bis zum Ende der Napoleonischen Kriege zahlenmäßig weit hinter den direkten Brotrevolten zurückblieben. John Bohstedt hat auf der Basis nationaler Quellen fur die Jahre 1 7 9 0 bis 1 8 1 0 6 1 7 lokale Protestaktionen, darunter allein etwa 2 4 0 Lebensmittelrevolten, ausgemacht.110 Folgt man den Ergebnissen lokaler und regionaler Untersuchungen, die an einzelnen Stellen das Dreifache der von Bohstedt erfaßten Proteste belegen, spricht viel für noch

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höhere Frequenzen. 111 Doch die Ära der Brotproteste ging mit dem Friedensschluß zu Ende, wobei zu fragen wäre, ob es sich bei ihrer starken Verbreitung in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende nicht überhaupt schon um eine an die Sonderbedingungen des Krieges geknüpfte Spätblüte dieser Protestformen handelte. Blockadekrieg und Getreidespekulation gingen im Bewußtsein großer Teile der Öffentlichkeit nicht zusammen. Sie delegitimierten den Handel, der daraus Kapital schlug, und schufen der offenen Gewaltanwendung ein günstiges Klima und im Einzelfall wohl auch gewogene Richter. Brotproteste erreichten ihre Ziele dort am wirksamsten, wo sie direkten Zugriff auf die physische Versorgung, also etwa die Korntransporte auf dem Markt, hatten. Doch war, wie angedeutet, die Bedeutung der Märkte an vielen Stellen bereits zurückgegangen und das Kaufen von Getreide auf der Grundlage von Warenproben in Übereinstimmung mit der - 1810 - immerhin schon vierzig Jahren alten Gesetzgebung üblich geworden. Organisation und erfolgreiche Durchsetzung von Konsumenteninteressen hingen in Zukunft von der Anpassung an die nicht mehr zu verändernden Spielregeln des Handels ab.

b) Konsumvereine

und der

Owenismus

Daß die erste große Gründungswelle von Konsumvereinen in die 1820er und 1830er Jahre fiel, ist vor dem Hintergrund der beherrschenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Probleme dieser Jahrzehnte durchaus nicht selbstverständlich. Nach einem langen, zuletzt steilen Anstieg fiel der Friedensschluß 1815 mit einem scharfen Trendbruch in der langfristigen Entwicklung der Nahrungsmittelpreise zusammen, die danach, von periodischen Erhöhungen unterbrochen, 112 bis zur Jahrhundertmitte deudich zurückgingen. Zugleich stellten sich nach Waterloo in der englischen Wirtschaft charakteristische Demobilmachungsfolgen ein. Die öffentlichen Ausgaben als Stütze der Konjunktur entfielen, und statt der hohen, die gesamte Bevölkerung treffenden und breit solidarisierenden Nahrungsmittelpreise und Verbrauchssteuern entwickelten sich Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen und die tiefgreifenden Umwälzungen im Produktionssektor mit ihren Auswirkungen auf die traditionelle Arbeitswelt zu den vordringlichen Themen der Debatte mit Rückwirkungen auf Politik und Organisationsverhalten. Diesen Stellenwert behielten die Themen auch, als die Konjunktur wieder Tritt faßte und die Arbeitslosigkeit allgemein abnahm, zumal rascher technologischer Wandel in der nach wie vor wichtigsten Branche - dem Textilsektor - und Überproduktionskrisen in einzelnen Jahren immer wieder zu periodischen Einbrüchen in der Beschäftigung führten. 113

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Der Wandel in den zentralen Themen vom Vorrang des Konsums zur Dominanz der Produktion fand seinen Niederschlag selbst in den Präambeln der Konsumvereinsstatuten dieser Jahrzehnte. Soweit sie explizit auf Konsumenteninteressen Bezug nahmen, geschah das sehr allgemein in Gestalt von Forderungen nach »gegenseitigem Schutz aller Mitglieder vor Armut und allen sie begleitenden Übeln« oder »Erreichung eines größeren Anteils an den Annehmlichkeiten des Lebens«. Gleichberechtigt neben solchen Zweckbestimmungen stand jetzt jedoch das »Erreichen von Selbständigkeit mit dem Mittel eines gemeinsamen Kapitals«, ein Hinweis auf einen grundsätzlichen Funktionswandel der Vereine in dieser Phase. Die Neuakzentuierung des Zweckes, die sich darin andeutet, ist nicht aus der Binnengeschichte des konsumgenossenschaftlichen Musters und seiner Weiterentwicklung durch praktisches >trial und error< zu erklären, sondern reflektiert Veränderungen des gesellschaftlichen Kontextes. »Selbständigkeit« als Ziel verweist über Trends in der Konjunkturentwicklung hinaus auf Strukturveränderungen wie den Übergang vom Kleinzum Großbetrieb, eine neue Art der Arbeitsteilung mit Konsequenzen für die Dispositionsspielräume am Arbeitsplatz, eine intensive Disziplinierung bei gleichzeitiger Abwertung von überliefertem Erfahrungswissen u.v.a.m. Unter diesen Bedingungen trat der Konsumverein sowohl quantitativ wie im Grad der Aufmerksamkeit hinter eine andere Form unternehmerischer Selbsthilfe, die von Handwerker-Arbeitern getragene Produktivgenossenschaft, in der die Funktionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenfielen, zurück. Die unter den spezifischen Bedingungen der Frühindustrialisierung noch realistisch erscheinende Möglichkeit zu kollektiv-selbständiger Produktion traf in der englischen Nachkriegsgesellschaft gleich auf mehrere kräftige Organisationsimpulse. Einzelne produktivgenossenschaftiiche Gründungen nahmen ihren Ausgang von kommunalen oder staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, 114 die die Behörden zur Linderung der Arbeitslosigkeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit unternahmen. Andere ergaben sich aus den mit der Aufhebung der »combination acts« (1824) erleichterten Gewerkschaftsbildung und Streiktätigkeit. In der Frühphase gewerkschaftlicher Entwicklung, in der noch keine oder nur geringe Kassenvermögen existierten, bildete der vorübergehende Wechsel in die kollektive Selbständigkeit bei vielen Berufen ein wichtiges Mittel, um einen Ausstand längere Zeit durchzuhalten. 115 Den dritten und wichtigsten Impuls zur Förderung produktivgenossenschaftlicher Ideen und Organisationen in den 1820er und 1830er Jahren gab jedoch die nach ihrem Begründer und führenden Kopf benannte Bewegung des Owenismus und ihr Programm autarker Landkommunen. 116

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Sparkassen der Revolution.117 Die englischen Konsumentenvereine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts knüpften ihr Selbstverständnis an diesen historischen Strang und interpretierten ihre Bewegung als legitimen Erben der auf den Textilunternehmer und Philanthropen Robert Owen zurückgehenden radikalen sozialen und politischen Reformbewegung aus den 1820er und 1830er Jahren. Die Bezeichnung als »Co-operative Societies« und ihrer Praxis als manifeste »Co-operation«, die Titel ihrer Zeitungen, Kongresse und Verbände, der Stil ihrer Rhetorik wie auch die Hochschätzung einzelner überlebender Persönlichkeiten des »Owenismus« in ihren Reihen wiesen unmittelbar auf diese Wurzel zurück. Hinter eine allzu gradlinige Ableitung sind aus der Perspektive des Historikers jedoch Fragezeichen zu machen. Das Verhältnis zwischen dem Owenismus und den Anfängen der englischen Konsumentenorganisation war vielschichtiger und widersprüchlicher, als es Mitgliedern und Funktionären aus der Retrospektive erscheinen mochte. Die gesellschaftspolitischen Reformvorstellungen Robert Owens spiegeln spezifische Bedingungen der englischen Frühindustrialisierung. Ihren Hintergrund bilden die Erfahrungen eines erfolgreichen Textilunternehmers, der mit Rücksicht auf Standortvorteile einen Großbetrieb abseits aller städtischen wie auch fast jeder anderen zivilisatorischen Infrastruktur errichtet hatte. Die treibende unternehmerische Persönlichkeit hinter einem solchen buchstäblich auf der »grünen Wiese« entstandenen Unternehmen faßte, von der Bestätigung der eigenen Leistung abgesehen, den Erfolg leicht als Beweis für die unbeschränkten Möglichkeiten systematisch-zweckrational geleiteten Handelns unter naturhaften Bedingungen auf.118 Die ausgesprochen technokratischen, auf rationale Kontrolle und Machbarkeit setzenden, in Owens Fall allerdings durch eine außergewöhnliche Menschenliebe moderierten Züge eines solchen Denkens wurzelten in dieser besonderen Konstellation. Produktivitätsreserven, die eine, gemessen an der Konkurrenz, ungleich humanere Behandlung der dort Beschäftigten ermöglichten, wurden nicht nur von Owen selbst, sondern auch von vielen Zeitgenossen wie dem russischen Zaren und anderen prominenten Besuchern seiner Fabrik in New Lanark als Beweis für die prinzipielle Auflösbarkeit von Interessengegensätzen in der neuen von der Industrialisierung bestimmten Gesellschaftsformation angesehen. Seiner inneren Organisation nach war »New Lanark«, das Modell aller weiteren von ihm angeregten sozialen Experimente, zunächst nichts anderes als ein vorbildlich geleiteter kapitalistischer Textilbetrieb mit einer die gesamte Person umfassenden innerbetrieblichen Sozialpolitik, nicht ohne scharf disziplinierende Züge - kein Einzelfall in der Geschichte der europäischen Fabrikindustrialisierung. Was Robert Owen von einem Alfried Krupp unterschied, war neben vielen anderen Momenten das Fehlen eines 57

bürgerlich-ständischen Selbstverständnisses oder, positiv ausgedrückt, die Überzeugung von der Erwerbbarkeit der eigenen unternehmerischen Fähigkeiten durch Teile der Arbeiterschaft unter bestimmten sozialen und politischen Bedingungen. Deren Herstellung machte Owen nach dem Rücktritt von der Fabrikleitung zu seiner Lebensaufgabe. Das von ihm entwickelte Lösungsmuster der sozialen Frage sah vor, daß eine in musterhaften Schulen erzogene Arbeiterschaft, unterstützt von massiven finanziellen Zuwendungen der Regierung und der organisatorischen Hilfestellung wohlgesonnener Bürger, auf dem Land selbstverwaltete Großunternehmen errichten sollte. Diese Betriebe würden mit ihren Uberschüssen, gleich New Lanark, die Versorgung der gesamten Familie in allen ihren materiellen und nichtmateriellen Bedürfnissen sicherstellen. Ganz den Erziehungstheorien der Aufklärung verhaftet, glaubte Owen an die unbegrenzte Formbarkeit der Menschennatur und räumte in seiner Vision einer friedlich und verständig kooperierenden Menschheit der Schule als Ansatzpunkt einer neuen Ordnung eine Schlüsselrolle ein. Von einem bestimmten Punkt ab sollten die verstreuten Unternehmungen damit beginnen, untereinander ihre Produkte direkt ohne den Umweg des Geldes auf »Arbeitsbörsen« nach ihrem »Arbeitswert« auszutauschen. Auf diese Weise werde es zum evolutionären Übergang in eine neue, auf »Cooperation« gegründete Gesellschaftsordnung kommen. Es half der Verbreitung des Owenschen Programms, daß er zu Beginn seiner Agitationstätigkeit bereits eine international bekannte Persönlichkeit darstellte, die mit Leichtigkeit Zugang zu Vertretern des Parlamentes und der Regierung erhielt. Ebenso wichtig war, daß Owens Ideen Antworten auf gravierende soziale und politische Probleme im Nachkriegsengland zu enthalten schienen. So stießen seine frühen Vorschläge zur Gründung von »Villages of Co-operation« zunächst dort auf besonderes Interesse, wo man erkannt hatte, daß das alte Fürsorgesystem der Lohn- und Brottaxen grundsätzlich überholungsbedürftig war. Die drei Grundprinzipien, auf denen das traditionelle System aufbaute - finanzielle Zuschüsse in Kombination mit moralischer Disziplinierung der Armen und Nahrungsorientierung - schienen in Owens Vorschlägen in neuartiger und einsichtiger Weise aufgehoben und zu einer marktkonformen Lösung weiterentwickelt.119 Man muß sich den politischen und sozialen Kontext des frühen Owenismus vergegenwärtigen - die Erbitterung der Massen über die »corn laws«,120 allgemeine Unruhen, die in einigen Gegenden an den Rand des Bürgerkriegs führten, die Außerkraftsetzung der Habeas-Corpus-Akte, Militäreinsätze, schließlich das »Peterloo«-Desaster in Manchester - um zu verstehen, warum ein in seinen theoretischen Konsequenzen so radikales gesellschaftspolitisches Programm wie das der Gründung genossenschaft58

licher Enklaven zunächst bei den Mittelschichten auf wohlwollendes Interesse stieß. In dem Maße, in dem sich der Owenismus während der zwanziger und frühen dreißiger Jahre dann zum Kernbestandteil eines »jakobinischen Arbeiterradikalismus« (Eric Hobsbawm) entwickelte, verlor sich der sozialfürsorgerische Kontext. Mitte der dreißiger Jahren galten die »Villages o f Co-operation« wenigstens in einem Teil der Öffentlichkeit als Fluchtpunkt eines radikalen Programms zur Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.121 Auf den Brücken, die die Genossenschaftsidee jetzt noch zwischen den Klassen schlug, wanderte nicht mehr das typische respektable Mitglied der gemeindlichen Armenkommission, sondern der radikale Intellektuelle vom Schlage eines William Cobbett, der sich in erster Linie für die gesellschaftspolitische Seite des Selbsthilfe-Projektes interessierte. 122 Strenggenommen standen Owens eigene Vorstellungen einer Verbindung von »Co-operation« und Selbsthilfe der Arbeiter eher entgegen. Er schätzte, in diesem Punkt wohl realistischer als viele Anhänger, den Kapitalbedarf einer Landkommune mit einem leistungsfähigen Großunternehmen als Kern so hoch ein, daß dessen Deckung aus kleinsten Sparbeträgen ausschied. Infolgedessen konzentrierte sich seine Werbung auf vermögende bürgerliche Individuen bzw. auf Appelle an Parlament und Regierung. 123 Alle bedeutenden in den nächsten Jahrzehnten unternommenen Kommunegründungen gingen auf großzügige Stiftungen einzelner bürgerlicher Individuen zurück. Auch bezweifelte Owen, wiederum nicht zu Unrecht, daß es möglich sein werde, die Geschäftsführung solcher Großunternehmen von Beginn an in die Hände von Arbeitern zu legen. Owens Idee selbstverwalteter autarker Landkommunen überspannte die oft profane Praxis der Produktivgenossenschaften in einem so großen, kühnen Bogen, daß sie aus deren Perspektive so unerreichbar schien wie die Gewölbe der Kathedrale dem Heer der Gläubigen. Die Verbindung von Arbeitgeberund Arbeitnehmerfunktionen in Gestalt der Produktivgenossenschaft erwies sich zudem in der Praxis fast immer als Überforderung der unternehmerischen Selbsthilfemöglichkeiten von Unterschichten - eine Erfahrung, die sich durch die lange Geschichte solcher Versuche bis zur Gegenwart hinzieht. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß sie trotz, oder vielleicht auch wegen, ihrer vagen, utopisch-mitreißenden Form den Wunsch vieler zeitgenössischer Handwerker-Arbeiter weckte, die von Konjunkturausschlägen und technischem Fortschritt bedrohte Arbeitsplatzsicherheit und Autonomie auf diesem Wege zurückzugewinnen. Der erste 1821 in London von Druckergesellen mit Unterstützung von Politikern und bürgerlichen Mäzenen unternommene Versuch, Owensche Ideen in Selbsthilfe umzusetzen, endete erwartungsgemäß mit einem Fehlschlag.124 Doch die Existenz einer politischen Bewegung, deren faszinie-

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rende Perspektiven isolierter Selbsthilfe sonst nicht zur Verfugung stehende Ressourcen an Zeit, Geld und langem Atem im weiteren Umfeld vermittelten, bedeutete an dieser Stelle einen wichtigen Unterschied. Deprimierende Enttäuschungen, die unter anderen Umständen für lange Zeit vor weiteren Experimenten abschreckten, ließen sich auffangen und dämpfen. Gemeinsame Analyse der Ursachen machte es möglich, selbst noch dem Scheitern einen praktischen Sinn abzugewinnen. Einer jener vielen zunächst oft sehr kleinen, auf Zuschüssen und freiwilligem Engagement beruhenden Kerne innerhalb der breiten heterogenen Bewegung des Owenismus war die 1824 aus Debattierzirkeln heraus gegründete London Cooperative Society.125 Selbst kein wirtschaftliches Unternehmen, setzte sie sich die Verbreitung und praktische Umsetzung Owenscher Ideen zum Ziel. Dieser Kreis diagnostizierte als eine der Hauptschwächen selbstverwalteter Arbeiterunternehmen die Sicherstellung eines kontinuierlichen Absatzes und schlug deshalb die Gründung von Läden als Austauschbörsen vor.126 Die ursprünglich in einer rein dienenden Funktion geplanten Läden127 erhielten dort, wo sie besoldete Verkäufer beschäftigten, rasch ein Eigengewicht. Reichte das Angebot der dem Laden assoziierten Handwerker nicht zur Befriedigung der Nachfrage aus, lag es für den Lagerhalter nahe, das Angebot durch den Zukauf anderer Produkte zu ergänzen. Nicht selten blieb nach der Auflösung der Produktivgenossenschaft der Laden als freigesetzter organisatorischer Rest zurück. Anknüpfend an diese Beobachtungen entstand aus der pragmatischeren zweiten Reihe von Owen-Anhängern im Bürgertum der Vorschlag, die organisatorischen Relationen umzukehren und selbstverwaltete Konsumvereine zur Kapitalbeschaffung für Landkommunen einzusetzen. Wie dieser Vorschlag zur Fusion von utopisch-religiösem Denken und Geist des Kapitalismus aussah, illustriert die nachstehende Passage. »Wir müssen uns«, hieß es in der ersten Nummer eines jener vielen aus dem Boden sprießenden Organe des Owenismus, dem Brightoner »Co-operator« vom Mai 1828, »zu einer Gesellschaft zu diesem speziellen Zweck zusammenschließen; wir müssen einen Fond aus wöchentlichen Ersparnissen bilden; sobald er groß genug ist, müssen wir ihn in allen möglichen Gütern des täglichen Bedarfs anlegen, die wir in einen gemeinsamen Laden bringen, aus dem alle Mitglieder gehalten sind, ihren üblichen Bedarf zu decken; und der Gewinn wird ein gemeinsames Kapital bilden, das wir wiederum in Bedarfsgütern anlegen werden. Auf diese Weise haben wir zwei Quellen der Akkumulation - die WÖCHENTLICHEN SUBKRIPTIONEN und den PROFIT aus den verkauften Artikeln.«128 Der Ort, von dem aus dieser Plan bekanntgemacht wurde, war Brighton, sein »Erfinder« und Hauptpropagandist der Arzt William King, der wie viele andere Owen-Anhänger aus den bürgerlichen Mittelschichten private 60

Mittel einsetzte, um die Bewegung publizistisch zu fördern.129 Was wie ein Zufall wirkt, nämlich die Entwicklung der entscheidenden Organisationsideen aus der politischen Provinz, gewinnt einen systematischen Stellenwert, wenn man sich vor Augen hält, daß die Londoner Bewegung von Handwerker-, also Produzenteninteressen, dominiert wurde.130 Eine Verlagerung der Organisationsgrundlagen von Produzenten- hin zu Konsumenteninteressen tangierte unmittelbar die Alltagsfunktion der »Cooperatives«, die in der laufenden Geschäftspraxis so nicht mehr - jedenfalls nicht mehr an erster Stelle - als Absatzorganisationen für Handwerksbetriebe funktionieren konnten. Auf ausgesprochene Ablehnung traf der Plan auch bei dem charismatischen Führer der Bewegung, Robert Owen, selbst. Handel repräsentierte fur ihn wie für die meisten seiner Zeitgenossen mehr als jede andere Tätigkeit die Schattenseite der neuen Gesellschaftsordnung: er stand für Kommerz, Eigennutz und parasitäre, durch keine schöpferische Leistung abgemilderte Ausbeutung, mithin fur den denkbar schroffsten Gegensatz zu den Anforderungen und Legitimitätsgründen einer von hohem freiwilligen Engagement getragenen Bewegung. 131 Ohne die Möglichkeit, die uneigennützige Hingabe aller Mitglieder für den fernen gemeinsamen Endzweck unterstellen zu können, drohte aus seiner Sicht das wichtigste Schwungrad zur Ausbreitung der von ihm gestifteten Sekte auszufallen. Konsumvereine zur Kapitalansammlung waren für ihn lange Zeit kein pragmatischer Weg, Selbsthilfe und Utopie zu verbinden, sie diskreditierten die leitende Idee und beschworen den inneren Zerfall der Bewegung herauf.132 Dennoch zündete der Plan. Auf den landesweiten Kongressen der Owenschen Co operatives Anfang der dreißiger Jahre dominierten de facto die Konsumvereine. Von den 1831 in Birmingham zu einem Kongreß versammelten Unternehmen gab lediglich ein Drittel an, neben dem laufenden Geschäft überhaupt Mitglieder zu beschäftigen. Nur in zwei Fällen deckten sich die Zahlen der Mitglieder und der Beschäftigten. In den meisten Fällen dagegen reduzierte sich die Produktionsfunktion auf ein unbedeutendes Anhängsel des Handelsgeschäftes.133 Auch in den folgenden Jahren änderte sich daran nur wenig. Dies Schloß, wie die Quellen für lokale Vereine dieser Phase belegen, eine pragmatische Kooperation mit einzelnen Handwerkern zur Befriedigung des Mitgliederbedarfs nicht aus. »Ich bin sicher«, begegnete ein Kongreßredner dem Einwand eines. Kritikers, die Konsumvereine verwässerten die Bewegung, »der ehrenwerte Herr (Mr. Cook) verurteilt nicht die Handelsgesellschaften; denn sie waren das einzige Mittel um die arbeitenden Klassen für die Idee der Co-operation zu gewinnen.«134 Eine wesentliche Ursache für den Erfolg des Konsumvereins lag darin, daß er sich mit den von King vorgeschlagenen Modifikationen ungleich 61

besser als stabile, finanziellen Erfolg ermöglichende Selbsthilfeform eignete. Das potentielle soziale Einzugsfeld war offener, 135 die kapitalmäßigen und qualifikatorischen Anforderungen und vor allem die Anfälligkeit gegenüber Schwankungen der Nachfrage wesentlich geringer als bei einer Produktivgenossenschaft. Zudem überwand das Kingsche Konzept eine Hauptschwäche der frühen Gründungen. Während die Vorläufer der owenitischen Konsumvereine in Anlehnung an die armenpflegerische Tradition die in großen Partien angekauften Lebensmittel so abgegeben hatten, daß sie gerade die Unkosten deckten, wurde hier im Blick auf die Kapitalakkumulation eine andere Lösung anvisiert. Der »Profit«, von dem King sprach, war nur möglich, wenn man zunächst höhere Preise akzeptierte, um am Ende der Rechnungsperiode einen Überschuß auswerfen zu können. 136 Der Verein verwandelte sich von einem instabilen, schwierig am Leben zu erhaltenden Zusammenschluß zu einem auf Dauer angelegten Unternehmen. Zudem dämpfte der Verzicht auf Kosten- und damit Kampfpreise die Intensität des Konfliktes mit den eingesessenen Händlern. Die Durchsetzung des Konsumvereins als Finanzierungsinstrument war jedoch nicht nur ein Produkt der betriebstechnisch-organisatorischen Überlegenheit dieses Musters unternehmerischer Selbsthilfe. In ihr spiegelt sich die Tatsache, daß fur große Teile der Unterschichten selbst unter den Bedingungen regelmäßiger Beschäftigung letztlich oft erst in der Konsumsphäre über die Möglichkeit physischer Reproduktion entschieden wurde. Dies ist an dem überragenden Gewicht ablesbar, welches Grundnahrungsmittel im Budget besser situierter Unterschichtsangehöriger - nur fur solche liegen entsprechende Haushaltsrechnungen vor - in den Jahrzehnten bis zur Jahrhundertmitte behielten. Bei Ersparnissen von im günstigsten Fall fünf Prozent, Mietkosten von fünf bis zehn und Kleidungsausgaben von höchstens fünfzehn Prozent beanspruchten die Nahrungsausgaben fast immer zwei Drittel und mehr der laufenden Einkommen, wobei die Ausgaben für Mehl und Brot in der Regel alle anderen überragten. 137 Da die Löhne dem Fall der Preise nach 1815 zumeist auf dem Fuße folgten, erweiterte sich der Spielraum für Lohnempfänger als Konsumenten im Durchschnitt nicht. Zweifellos gab es unter der Arbeiterschaft Gruppen, die man zu den »Gewinnern« dieser Epoche rechnen kann. Doch standen ihnen andere, zahlenmäßig stärkere Schichten wie die Landarbeiter und große Teile der Textilarbeiter und Textilhandwerkerschaft gegenüber, die zum Teil kraß verloren. Über alle schwierig zu konstruierenden Lebenshaltungsindexe und wenig aussagekräftigen Lohnsätze hinweg sprechen die pro Kopf umgerechneten Verbrauchsmengen eine eindeutige Sprache. Sie belegen, daß der breite Konsum zwischen 1815 und 1850 weitgehend stagnierte. 138 Satt zu werden war für die Mehrheit der engli62

sehen Arbeiterschaft selbst u n t e r d e n B e d i n g u n g e n relativ kontinuierlicher B e s c h ä f t i g u n g bis z u r J a h r h u n d e r t m i t t e keine Selbstverständlichkeit.

Tabelle 3 : Jährliche A u s g a b e n englischer Arbeiter 1 7 9 0 - 1 8 1 0 (in P r o z e n t )

Fleisch Butter Milch/Käse Bier Gewürze Gemüse Tee und Zucker

Bergarbeiter

Bergarbeiter

(Durham)

(Cumberland)

Steinmetz (Durham)

1790

1790

1790

1810

7,2

22,7 6,8

10,9 5,5

22,1

6,3

5,5

-

-

-

3,2 9,2

-

-

-

-

-

-

7,2 4,3

5,6

1,2 3,2

5,8

8,0

43,8

21,6

Kartoffeln Kerzen, Seife etc.

4,0 4,3

9,1 4,6

7,3

Zwischensumme

76,6

79,1

71,1

70,6

4,3

6,8

7,2

12,5

4,6 14,5

2,3

7,2 14,5

3,6 8,3

Getreide/ M e h l / Brot

Miete Heizmaterial Stiefel und Kleidung Schulgeld/Bücher

-

Versicherung



Gesamt

Gesamtausgaben Gesamteinkommen Sparen/Defizit

11,8 -

7,3 34,6

Buchdrucker (London)

6,8 14,3 -

5,0



3,2 1,8

100

100

100

100

£ 3 4 14s

£44

£ 2 7 10s

£ 1 2 3 l i s ld

£32 - 8,4%

£44 -

£28 + 1,8%

£ 1 0 1 18s lOd -21,2%

Quellen: Frederic Morton Eden, State of the Poor, 3 Bde., 1797, abgedruckt bei: Cole u. Postgate, S. 84f.; Ellic Howe (Hg.), The London Compositor. Documents relating to Wages, Working Conditions and Customs of the London Printing Trade 1 7 8 5 - 1 9 0 0 , 1 9 4 7 , S. 163, abgedruckt bei: Burnett, Plenty, S. 50f. Zusammengestellt und umgerechnet nach den Angaben ebd.

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An anderer Stelle verfolgte die Gründung eines Konsumvereins das elementare Ziel, die Rolle eines selbständigen, in seinen Entscheidungen zumindest formal freien Konsumenten gegenüber neofeudalen Bindungen überhaupt erst zu etablieren. Solche Bindungen gingen vom weit verbreiteten Truckwesen aus, das sich infolge hoher Nahrungsmittelpreise bei der Errichtung von Fabriken und Bergwerken in unterversorgten Gegenden stark ausgebreitet hatte und dem die dem Freihandelsdogma verpflichtete Gesetzgebung nicht wirksam begegnete. 139 Gemessen an der Frequenz der Klagen und ihrer Erwähnung in den Präambeln der Statuten, verstanden sich die Zusammenschlüsse nicht weniger selbstverständlich als Protest gegen das rapide Absinken der Standards in der Nahrungsmittelqualität während dieser Jahrzehnte. Lebensmittelfälschungen herrschten nach dem Urteil des wohl besten Kenners englischer Konsum- und Nahrungsmittelgeschichte, John Burnett, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts »in einem nie dagewesenen und schwer vorstellbaren Ausmaß« vor. 140 Die ungezählten zeitgenössischen Klagen, die das Phänomen und seine Dimension andeuteten, aber es eben doch nicht aus der Sphäre des Unbestimmten und daher Bestreitbaren herauszuheben vermochten, erfuhren im Jahre 1 8 2 0 mit der Veröffendichung von Frederick Accums »Treatise on Adulterations o f Food and Culinary Poisons« 141 eine zweifelsfreie wissenschaftliche Bestätigung. Diese auf zwanzigjährigen Vorarbeiten fußende Pionierstudie des Professors für Chemie am Surrey Institut enthüllte, daß nahezu alle über den Handel vertriebenen Lebensmittel und Getränke mehr oder weniger verfälscht waren. Man hat Accums Studie die am intensivsten besprochene chemische Schrift aller Zeiten genannt. 142 Tatsächlich gab es kaum eine Tageszeitung oder ein Periodikum, die in den Jahren 1 8 2 0 und 1 8 2 1 nicht an irgendeiner Stelle eine Notiz über das Buch brachten. Die derart belegten Fälschungen waren weniger ein Produkt der Charakterschwäche bestimmter Individuen oder ganzer Berufe als eine typische Begleiterscheinung des Urbanisierungsprozesses, der mit ihm einhergehenden Trennung des Konsumenten vom Lebensmittelproduzenten und einer radikalen Liberalisierungspolitik, die die schützenden Mauern des tradierten vorindustriellen Konsumentenschutzes schleifte, wobei auch in diesem Fall die Frankreich-Kriege mit ihren hohen Preisen und ihrer Mangelsituation zur Durchbruchsepoche der Lebensmittelfälschung wurden. Dort, wo Konsumenten ihre Interessen schriftlich artikulieren konnten wie in den Statuten ihrer Vereine, nahmen sie deshalb nicht zufällig immer wieder Bezug auf dieses Problem. 143 Betrachtet man die überlieferten Einkaufslisten früher Konsumvereine eingehender, wird schließlich deutlich, daß die Vereine über die Wahrnehmung von Konsumenteninteressen hinaus offenbar stillschweigend bestimmte produktivgenossenschaftliche Aufgaben weiterführten. Unter den

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angekauften Produkten befanden sich in solchem Umfang Rohstoffe für die Textilherstellung, daß der häusliche Bedarf zur Erklärung nicht ausreicht.144 Ein bestimmter Teil der Mitglieder bediente sich offensichtlich der Vereine, um Rohmaterialien für die heimgewerbliche Produktion von Textilien für den Markt anzukaufen. Diese Beobachtung ist insofern von großer Bedeutung, als sie einen von vielen Zeitgenossen hervorgehobenen strikten Unterschied zwischen englischer und deutscher Selbsthilfebewegung relativiert und in eine angemessene Perspektive rückt. Gemeint ist das häufig behauptete vollständige Fehlen einer Genossenschaftsbewegung der selbständigen Handwerker in England. Die Funktion, die in Frankreich und den deutschen Staaten besondere Rohstoffgenossenschaften als Ergänzung kleingewerblicher Handwerksbetriebe übernahmen, verschmolz in England offenbar zum Teil mit der frühen Konsumentenbewegung. Auf diese Weise flöß das ökonomische Interesse und das Organisationsvermögen kleingewerblich-selbständiger Handwerker in die Bewegung der Konsumvereine mit ein und verlieh ihr zusätzliche Stabilität. Missionarischer Eifer und organisatorischer Fortschritt. Gegenüber den Jahren vor 1815 markieren die nächsten beiden Jahrzehnte in der Entwicklung des konsumgenossenschaftlichen Organisationsmuster und seiner Ausbreitung einen ersten Durchbruch. Die schubweise Ausbreitung der Gründungsinitiativen gehört zu den Merkmalen, durch die sich diese Phase konsumgenossenschaftlicher Entwicklung klar von den Anfangen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts unterschied. Auf der Landkarte der englischen Grafschaften läßt sich verfolgen, wie das Selbsthilfeprinzip der Konsumenten die lokalen Grenzen übersprang. Außer Lancashire und Yorkshire als Kernland der genossenschafdichen Bewegung - unter dem Gesichtspunkt der Selbsthilfe im übrigen mit Abstand die am dichtesten organisierte Gegend des Königsreichs überhaupt145 - sowie in London kam es erstmals auch in Südengland zu einer größeren Zahl von Gründungsinitativen. Idee und Praxis konsumgenossenschafdicher Selbsthilfe lösten sich auf breiter Front aus der engen Verbindung mit der behördlichen Armenpflege und der philanthropischen Wohltätigkeit wie auch der Organisation nonkonformistischer Gemeinden.146 Die Veränderungen bedeuteten nicht, daß einzelne Konsumvereine nicht auch weiterhin auf lokaler Ebene die Unterstützung von Honoratioren und vermögenden Gemeindemitgliedern gefunden hätten. Im Gegenteil: Mäzene, owenitische Bewegung und Konsumverein bildeten gerade in der zentralen Finanzierungsfrage eine unzertrennliche Einheit. Es handelte sich bei allen diesen Entwicklungen um Tendenzen, die sich nicht überall in gleicher Weise durchsetzten, wie überhaupt Formen und Gründungsanlässe außerordentlich variierten. Vor allem

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aber gewannen die Vereine das, was sie im Einzelfall durch die Abstoßung traditionell karitativer Motive bei Angehörigen des Bürgertums verloren, durch den religiös-missionarischen Eifer der Anhänger des Owenismus wieder hinzu. 147 Die Institution owenitischer Missionare - darunter nicht wenige Prediger nonkonformistischer Sekten - , die in bewußter Imitation methodistischer Werbungsformen 1831 beschlossen worden war,148 hielt die Verbindung zwischen nahegelegenen Vereinen in kleinen Gemeinden aufrecht. Es waren Prediger der säkularen Religion der »Co operation«, die das Einsammeln des Geldes organisierten und Kredite zwischen gründungswilligen Anhängern und schon bestehenden Einrichtungen vermittelten, indem sie ihr Ansehen den entstehenden Wirtschaftsunternehmen borgten. Zeitgenössische Berichte lassen das außergewöhnliche Ausmaß des Engagements und missionarischen Eifers erahnen. Von einzelnen Personen heißt es, daß sie nach der Arbeit bis zu zehn Meilen zur nächsten Gemeinde zurücklegten, um anderswo das »Feuer der Begeisterung« fur die neue Idee zu wecken, und erst wieder im Morgengrauen zu Hause eintrafen.149 Für Personen wie den Priester der anglikanischen Kirche Dunn war die Idee der Genossenschaft »ihrer Natur nach grundsätzlich religiös ..., als eine praktische Entwicklung des ganzen Systems reiner und ursprünglicher Christenheit.«150 Und er ergänzte voller Begeisterung: »Ich danke meinem Gott, daß er mich aus der stolzen und eigensüchtigen Welt berufen hat, um ein Botschafter des allgemeinen Friedens, der Nächstenliebe und der Liebe zu werden.«151 Was über den Inhalt derartiger Predigten bekannt geworden ist, läßt darauf schließen, daß es die Vermittler der neuen säkularen Religion nicht beim Appell an die Bruderliebe beließen, sondern eindringlich bewährte Organisationsprinzipien empfahlen und die rudimentär entwickelte genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre gewissermaßen mit ins Gebet einschlossen.152 Im Hinblick auf Entwicklung und Verbreitung bewährter organisatorischer Prinzipien darf schließlich auch das von Anhängern Owens ins Leben gerufene, weitgehend durch privates Vermögen und Stiftungen getragene Pressewesen nicht übersehen werden, das zu keinem anderen Zeitpunkt so vielgestaltig war wie in den Jahren 1821 bis 1836. 153 Zur Bilanz dieser Jahre gehört neben dem großen quantitativen Aufschwung auch, daß mehr Vereine als früher das Identitätsprinzip wahrten, daß die Selbstverwaltung, vor allem aber die systematische Kapitalbildung innerhalb der Unternehmen einen neuen, politisch-moralisch überhöhten Stellenwert erhielten und sich von daher die Konsumvereine gegenüber den mit ihnen in der Arbeiterbewegung um knappe Ressourcen konkurrierenden Produktivgenossenschaften als die stabilere und zukunftsträchtigere Selbsthilfeform erwiesen. Einer der wichtigsten Bereiche des Alltagshandelns von Arbeitern, die Beschaffung preiswerter, unverfälschter Le66

bensmittel, wurde durch den Owenismus in den Kontext einer sozialen Emanzipationsbewegung gestellt und mit den Werten sozialer Gerechtigkeit und Brüderlichkeit dauerhaft verknüpft. Das beschleunigte ihre Verbreitung, erleichterte ihre Stabilisierung und führte dem neuen Muster wichtige Ressourcen aus dem gesellschaftlichen Raum zu. 154 Die älteren, an die Armenpflege erinnernden Bezeichnungen wie »Verteilungsverein« oder »Versorgungsgesellschaft« tauchten während der 1830er Jahre praktisch schon nicht mehr auf. An ihre Stelle trat jetzt der Begriff der »Cooperative« oder in ganz ähnlicher Bedeutung der der »Union«. Indem wichtige Protagonisten der von Owen ausgehenden Bewegung einer im technischen Sinn modernen, den existierenden privatwirtschaftlichen Verteilungsformen durchaus überlegenen Handelsorganisation die Aura eines quasi-religiösen Programms verliehen, leisteten sie einen kaum zu überschätzenden Beitrag zur Stabilisierung des neuen Organisationsmusters. Warum dieser Beitrag so wichtig war, wird deutlich, wenn man das Hauptproblem von Unterschichtenselbsthilfe in funktionalistischen Kategorien formuliert. Das zentrale strukturelle Erfordernis erfolgreicher Selbsthilfe - ähnlich im übrigen der Weberschen Frage nach dem Entstehen einer asketisch-bürgerlichen Investitionsmentalität - bestand darin, die auf Dauer und langlebigen Nutzen angelegte kapitalintensive Form von den drängenden kurzfristigen Bedürfnissen ihrer unmittelbaren Träger abzulösen. Dieser Ablösungs- und Verselbständigungsprozeß geschah in ständiger Diskussion zwischen den Aktivisten und der Basis - davon zeugen die überlieferten Bruchstücke der Diskussion und auch die des Widerstandes155 gegen eine Überforderung durch die Leitung. Die Überhöhung des Selbsthilfezusammenschlusses als Manifestation brüderlichen Zusammenlebens fixierte die Ergebnisse dieses kontinuierlichen Dialogs, indem sie an moralisch-religiöse Grundüberzeugungen anschloß, und nicht zuletzt motivierte sie die Führer, dieses Gespräch gegen den unendlich zähen Widerstand der Praxis durchzuhalten.

c) Institutionalisierung

des konsumgenossenschaftlichen

Musters

Es war alles andere als ein Zufall, daß der entscheidende Anstoß zur Wiederbelebung des konsumgenossenschaftlichen Selbsthilfemusters von der nordenglischen Textilstadt Rochdale ausging. Keine der anderen Regionen hatte sich in der ersten Phase so aufnahmebereit fur Genossenschaftsexperimente gezeigt wie Lancashire, Cheshire und das gesamte West-Riding. An einigen Stellen gab es direkte organisatorische Kontinuitäten aus der ersten Phase. Wo diese fehlten, hielt sich oft noch die Erinnerung an diese Versuche bzw., was noch wichtiger war, es lebten Debattierzirkel früherer Ak67

tivisten fort. Genau das traf auf Rochdale zu, wo bereits zwischen 1833 und 1835 eine erste Konsumgenossenschaft existiert hatte. Zudem gehörte Rochdale, was über Großbritannien hinaus wenig bekannt ist, neben Leeds und Manchester zu den wichtigsten Zentren der frühen Arbeiterbewegung im Norden. 1 5 6 Es hatte dort zu Beginn der dreißiger Jahre einige gut organisierte Streiks gegeben, eine starke Bewegung für die Parlamentsreform, eine Liga für die Abschaffung der Kornzölle und des Truckwesens u.a.m. 157 Genauere Untersuchungen haben gezeigt, daß die berufliche Basis des Rochdaler Konsumvereins wesentlich breiter war als die in der Literatur vielzitierten »ehrenwerten Flanellweber«. 158 Entscheidend aber für die Gründung selbst und ihren weiteren Verlauf waren nicht die berufliche Herkunft der Gründungsmitglieder, sondern die Tatsache, daß es sich beim eigentlichen Gründerkern, soweit sich dessen Sozialisation zurückverfolgen läßt, ausschließlich um politische Aktivisten handelte, von denen einige über nicht unbeträchtliche Geldsummen verfügten. 159 Praktisch alle hatten bereits an Genossenschaftsexperimenten, vor allem den großen Landkommuneprojekten, teilgenommen und sich dort finanziell engagiert. Kurz gesagt: die sogenannten Rochdaler Pioniere standen mit beiden Beinen in der Tradition des Owenismus, sie wollten ganz bewußt zum Ausgangspunkt einer Bewegung werden und sind es dank günstiger Umstände, wozu man insbesondere den in dieser Zeit einsetzenden und mit kurzen Unterbrechungen bis zum Ersten Weltkrieg anhaltenden Reallohnanstieg rechnen muß, auch tatsächlich geworden. 160 In gewisser Weise handelte es sich bei der 1 8 4 4 in Rochdale unternommenen Gründung um eine Art Renaissance, das heißt den Versuch, eine zeitweilig gegenüber anderen Bewegungen wie dem Chartismus in den Hintergrund getretene Reformidee mit neuem Leben zu erfüllen. Die Akzentverlagerung von der wirtschaftlichen zur politischen Bewegung wurde nach der sich abzeichnenden Niederlage des Chartismus und günstiger ökonomischer Bedingungen wieder revidiert mit dem wichtigen Unterschied, daß die Träger dieses Neuansatzes auf akkumuliertes Erfahrungswissen zurückgreifen konnten. 161 So lag der Anteil der »Rochdaler Pioniere« an der Expansion der Bewegung in der zweiten Jahrhunderhälfte vor allem in der Ausarbeitung, Fixierung und Propagierung eines tragfähigen Selbsthilfemusters zur Organisation von Unterschichten im Bereichs des Konsums. 162 Rochdale steht für eine entscheidende Etappe in der Institutionalisierung dieses Musters. Im einzelnen umfaßte das Statut des Vereins acht Hauptprinzipien: 1. Selbstverwaltung nach dem Grundsatz: eine Person - eine Stimme; 2. die offene Mitgliedschaft; 3. eine begrenzte, feste Verzinsung der eingezahlten Geschäftsanteile;

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4. die Verteilung des - nach Begleichung der Unkosten und der Zinszahlungen - verbleibenden Überschusses nach dem individuellen Verbrauch; 5. das Barzahlungsprinzip; 6. der Verkauf zu ortsüblichen Tagespreisen; 7. die Verpflichtung zum Verkauf reiner und unverdorbener Ware; 8. die Erziehung der Mitglieder im Sinne genossenschaftlicher Prinzipien; 9. politische und religiöse Neutralität. 1. Die Forderung »One man - one vote« war die politische Parole der Wahlrechtskampagne und des Chartismus. Darin hallten die Forderungen der politischen Bewegung eines großen Teils der englischen Arbeiterschaft aus den 1830er und 1840er Jahren nach. Zugleich distanzierten sich die Rochdaler von Vereinen, die die Anstrengung zur Aufbringung des Kapitals so stark honorierten, daß sie auf die Selbstverwaltung durchschlug. Auch die Abhängigkeit vieler Gründungen dieser Jahre von mäzenatisch eingeschossenem Kapital hatte Formen eines nach dem Kapitalbesitz gewichteten Stimmrechts begünstigt. 163 Die Neutralisierung des eingebrachten Kapitals durch ein strikt gleiches Wahlrecht, wie es die Pioniere vorsahen, bedeutete vor diesem Hintergrund einen bemerkenswerten Schritt, weil er bürgerliche Honoratioren zwang, sich im Konfliktfall einer Mehrheit der Habenichtse zu unterwerfen. Wer sich dem Ein-Stimmen-Grundsatz verschrieb, riskierte - bewußt oder unbewußt - daß selbst wohlmeinende Mäzene ihre Unterstützung zurückzogen. Eine wichtige traditionelle Brücke zwischen Bürgertum und Unterschichten im Kontext der Selbsthilfebewegung war danach schwerer passierbar. Das gleiche Wahlrecht in Genossenschaften akzentuierte - zunächst einmal programmatisch - die Selbsthilfe zu Lasten der Fremdhilfe. 2. In die gleiche Richtung zielte der Grundsatz der offenen Mitgliedschaft. Er unterstrich den demokratischen Anspruch des geplanten Unternehmens wie die Bereitschaft, Teil einer allgemeinen Bewegung zu werden. Hiermit reagierten die Pioniere auf Tendenzen mancher Vereine, die nach erfolgreichem Beginn - ähnlich wie die Produktivgenossenschaften ihren Mitgliederkreis geschlossen hatten, um das Erreichte nicht zu gefährden oder seine Vorzüge im kleinen Kreis zu halten. 164 Gerade die auf den Owenismus zurückgehende außerordentliche Akzentuierung der Kapitalbildung als Unternehmenszweck und die Akkumulation bedeutender Fonds hatte entsprechende Tendenzen gefördert. Selbstprivilegierung zu verhindern, dauerhaftes Wachstum zu ermöglichen und vielleicht mehr noch, die Legitimationsgrundlage als Teil einer allgemeinen, auf soziale und politische Emanzipation zielenden Bewegung zu erhalten, diente die Forderung nach einem Offenhalten des Zutritts für Jedermann. 69

Es spricht nicht gegen diese Interpretation, sondern unterstreicht eher die hinter solchen Forderungen steckende politisch-moralische Energie, daß das Rochdaler Unternehmen anfänglich selbst eine Begrenzung der Mitgliedschaft einführte, die es dann nach und nach lockerte. 165 Man muß diese Abweichung vom selbstgesetzten Anspruch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Owenschen Landkommunen sehen. Was politische Werbung an Personal anzog, erwies sich als viel zu heterogen und ließ die Projekte an innerem Streit zerbrechen. Auch wenn die Vereinsgründer Exklusivität aus politischen Gründen ablehnten, lag es nahe, vorsichtig zu expandieren, zumal unter den wirtschaftlichen Extrembedingungen der »hungry forties« in den Schwerpunkten der Baumwollindustrie. 3. Auch bei dem dritten Prinzip, der Begrenzung der maximalen Anteile, 166 handelte es sich um einen bereits seit langem etablierten Bestandteil des Organisationsmusters. Doch waren gerade während der Bewegungsund Expansionsphase der frühen 1830er Jahre Abweichungen vorgekommen. 167 Manche Konsumgenossenschaften hatten in dieser Phase ihr gesamtes Kapital auf dem Stiftungswege erhalten. Über wieviel Erfahrungswissen auf dem Gebiet unternehmerischer Selbsthilfe einzelne Gruppen von Aktivisten bereits in den vierziger Jahren verfugten, verdeutlichen die Übergangsregeln, die die Gründer des Rochdaler Konsumvereins für die erste Phase des geplanten Unternehmens vereinbarten. So lockerte man den Grundsatz, daß ein Mitglied nicht mehr als vier Anteile halten konnte, verabredete aber zugleich, die überschüssigen Anteile zum ursprünglichen Nennwert an die zukünftigen Mitglieder abzugeben. 168 4. Das wichtigste mit dem Rochdaler Namen verbundene Prinzip bildete der Grundsatz, die Gewinne nach Maßgabe der Einkäufe zu verteilen. Die spätere Bewegung hielt ihn für so wichtig, daß es zwischen überlebenden Konsumvereinen dieser Epoche zu einem historiographischen Wettstreit kam, um nachzuweisen, wo die Idee zuerst das Licht der Welt erblickte. Kein anderes Prinzip wurde von den Rochdalern in seiner Genese so verklärt und überhöht wie gerade dieses.169 Inzwischen ist eindeutig geklärt, daß es nicht in Rochdale entstand. Zumindest einzelne frühe Gesellschaften kannten bereits diese Gewinnverteilung. Ein Beleg weist auf das Jahr 1 8 1 2 , ein anderer auf die zwanziger Jahre hin. 170 Auch während der owenitischen Phase wurden die Vorteile einer Verteilung, die sich nach den Einkäufen richtete, schon erörtert und erkannt. Im Prinzip harmonierte der Grundsatz der »dividend on purchases« durchaus mit den Gleichheitsund Gerechtigkeitsidealen des Owenismus und seinem Bewegungscharakter. Im April 1 8 3 2 beschloß die Generalversammlung der Londoner Cooperative Society eine entsprechende Änderung des Gewinnverteilungsprinzips mit der Begründung, daß nur auf diese Weise »unmittelbar jene profitierten, die die stärksten Beziehungen zum Geschäft unterhalten und

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die Nachteile beseitigt werden, die bislang gerade die engagiertesten Genossenschafter erfahren haben.« 171 Daß sich der Grundsatz nicht weiter verbreitete und in den Kanon der owenitischen Betriebswirtschaftslehre aufgenommen wurde, lag zunächst daran, daß die Anhänger des Owenismus, wie angedeutet, in Dividendenzahlungen gleich welcher Art einen Defekt sahen und sie deshalb für die von ihnen dominierten Zusammenschlüsse ablehnten. 172 Es lag jedoch auch an der bereits angedeuteten inneren Logik des auf den Owenismus zurückgehenden Organisationsmusters. Bei denjenigen Vereinen, die sich zunächst strikt am Ziel der Kapitalbeschaffung für eine Landkommune orientierten, kumulierten bei erfolgreichem Geschäft hohe Fonds, die in der Regel nominal den einzelnen Geschäftsanteilen zugeschlagen wurden. Auf 11 Pfund, fast das halbe Jahreseinkommen eines Maschinenbauarbeiters, belief sich ein Anteil der 1830 von 66 Personen gegründeten und 1852 gerade 210 Mitglieder zählenden owenitischen Bannockburn Co-operative Society.173 Neueintritte wurden damit ungemein schwierig, was nicht nur die Vorteile des Geschäftes begrenzte, sondern durch den fehlenden Risikoausgleich das Unternehmen gegen Wechselfälle der Konjunktur besonders anfällig machte. Aus dieser Situation halfen sich ehemalige owenitische Vereinigungen auf zwei Wegen: zum einen, indem sie damit begannen, die anfallenden Gewinne nach Maßgabe des Kapitalanteils auszuschütten, zum anderen, indem sie das Geschäft fur Nichtmitglieder öffneten. 174 Diese Entwicklung führte an einen Punkt, an dem das verbale Bekenntnis zum Owenismus nurmehr als Schirm für private Akkumulation diente. Zuerst - berichtete der Vorstand der Bingley Industrial Co-operative Society über den Gang der inneren Debatte - sei man der Überzeugung gewesen, daß »unser ganzes soziales System geändert werden muß - der Boden muß zu Gemeineigentum gemacht werden und die Fabriken auch, oder wir werden auf Dauer Sklaven der Großgrundbesitzer und Kapitalisten sein; um ein wenig zur Lösung dieser Probleme beizutragen, wurde die industrial Co-operative Society< errichtet. Sie wurde zum Zweck errichtet, um Kapital für die eigene Verselbständigung zu sammeln. Als wir jedoch sahen, daß wir nicht so bald zu unserem Ziel kamen, beschlossen wir, ein Stück vorwegzunehmen, wir kamen überein, die Hälfte des Profits aufzuteilen und die andere Hälfte der Gesellschaft zu lassen für uns selbst und unsere Nachkommen, bis sich die Nation wieder erholt.«175 Demgegenüber signalisierte die Änderung des Gewinnverfahrens durch die Rochdaler nicht nur den Willen, gruppenegoistische und allgemeine Interessen besser miteinander zu vermitteln und wieder zu einer expandierenden Bewegung zu werden. Sie markierte auch den Abschied von der von handwerklichen Selbständigkeitsidealen geprägten Phase der Arbeiterbewegung. An die Stelle wirtschaftlicher Selbständigkeit trat das Leit71

bild des respektablen Arbeiters, der sein Ansehen und seine Autonomie in der Rolle des selbstbewußten, autonomen und diszipliniert wirtschaftenden Konsumenten gewann. Dazu verhalf ihm u.a. der periodische Einkommensausgleich durch fest einzukalkulierende Dividenden. 5. Barzahlung und Dividendenerzielung standen in direkter Beziehung zueinander. Soweit es ideologische Konnotationen bei der Begründung dieser Forderung durch die Pioniere gab, entstammten sie der SelbsthilfeRhetorik. Der entsprechende Appell hob auf den Selbstrespekt und das Unabhängigkeitsbedürfnis des ehrbaren Arbeiters ab, der alles daran setzte, um den Klauen des »Krämers« zu entkommen, einer in den schwärzesten Farben gemalten Gestalt, die den kreditabhängigen Kunden auspreßte und mit verfälschten Waren versorgte. Auch wenn hinter derartigen Bildern ein zutreffender Kern steckte mochte und sie fraglos weitverbreiteten Ressentiments entsprachen, lag die Hauptfunktion der Dramatisierung in der eindringlichen Vermittlung unabweisbarer geschäftspolitischer Notwendigkeiten. Extensive Kreditvergabe bildete die wichtigste einzelne Ursache für den Konkurs vieler früher Konsumvereine. Den Pionieren stand das Beispiel einer sieben Jahre zuvor am Ort liquidierten Genossenschaft vor Augen, die an übermäßiger Kreditgewährung zugrunde gegangen war.176 Auch hier blieb das Statut indessen pragmatisch genug, um den unabweisbaren Bedürfnissen der Mitglieder entgegenzukommen. Um eine Versorgung der Familien auch unter den Bedingungen von kurzfristiger Arbeitslosigkeit, Krankheit und anderen Formen des Einkommensausfalls sicherzustellen, eröffnete es die Möglichkeit, bereits eingezahlte Anteile bis auf einen Rest zu beleihen bzw. zu verkaufen. 6. Neben den sich zum Owenismus bekennenden Vereinen existierten immer noch viele andere, die die angekauften Lebensmittelvorräte weiterhin dicht an den Kostenpreisen abgaben, so daß kaum Überschüsse entstanden.177 Auf diese vor allem war die Forderung nach einem Verkauf zu Tagespreisen gemünzt. In der augenfälligen Stabilität der von ihrem Gründungsimpuls abgeschnittenen ehemaligen owenitischen Vereine hatte diese Vorschrift eine unübersehbare Bestätigung erhalten. Nicht der kurzfristige und notwendigerweise schwankende Gewinn durch den preiswerten Einkauf, sondern die turnusmäßig ausgezahlte Rückvergütung rückte seitdem ins Zentrum des Mitgliederinteresses. 7. Das Selbsthilfeziel »reine und unverfälschte Nahrungsmittel« war vielleicht der am wenigsten originelle Punkt des Rochdaler Programms. Er findet sich, wie angedeutet, gleichermaßen in den Statuten der frühen wie der nach 1850 gegründeten Vereine.178 Im Unterschied zu anderen Zweckbestimmungen wurde er fast nie besonders erläutert. Darin und in der Regelmäßigkeit, mit der er auftaucht, wird die Konfrontation mit minderwertigen Lebensmitteln als Alltagsproblem von Unterschichten erkennbar. Als 72

Frederick Accum seine epochemachende Studie veröffentiichte, hatte die Fälschungspraxis noch nicht einmal ihren Höhepunkt erreicht. Nachfolgende Untersuchungen aus den 1830er und 1840er Jahren belegen, daß die Praxis weiter um sich griff. In London arbeiteten um 1 8 4 0 nicht weniger als acht Fabriken, deren Tätigkeit allein in der Sammlung und Präparierung bereits gebrauchter Teeblätter für die Untermischung bestand. In den Kontrollsamples dieser Jahre fand sich oft nicht eine einzige alaunfreie Brotprobe. 1 7 9 Bestimmte Praktiken entsprachen dem übermächtigen Druck sich zuspitzender Geschmacksanforderungen wie der Nachfrage nach immer weisserem Brot, andere Zusatzstoffe sollten die Unvollkommenheiten zeitgenössischer Konservierungsmethoden geschmacklich kompensieren. Das meiste geschah jedoch in erster Linie mit dem Ziel, Handelsspannen zu erweitern oder, wie es Accum nannte, aus »dem gierigen, unstillbaren Durst nach Profit«. 180 Kaum eine Gruppe der Gesellschaft entging den Manipulationen. Die schädlichsten - gesundheitlich wie finanziell - kumulierten bei Angehörigen der Unterschichten. Nicht zu übersehen ist in dem Zusammenhang der enge Zusammenhang zwischen qualitativ unzureichenden Waren, oft nicht einmal Verfälschungen, sondern überlagerten Produkten und Kreditabhängigkeit. 181 Aus der Perspektive des Einzelhändlers war es nur konsequent, Kunden, die weit im Debit standen, entweder mit geringen Mengen oder schlechten, im Normalfall nicht mehr abzusetzenden Qualitäten abzuspeisen. So gesehen diente der Hinweis auf die Barzahlung in den Statuten dem Eigeninteresse des Mitgliedes ebenso wie dem Funktionieren des überpersönlichen Unternehmens. 8. Als Erbin des Owenismus und seiner »rationalen Religion« verstand sich die englische Genossenschaftsbewegung von Beginn an als Erziehungsbewegung. Die rationalistische Überzeugung von der unbegrenzten Plastizität der menschlichen Natur war die Hauptprämisse der Owenschen Lehre. Die »neue moralische Ordnung«, die der Herr von New Lanark hatte begründen wollen, sollte ihr Fundament in den Sonntagsschulen der Kinder erhalten. Erfahrungen aus dem Scheitern vieler Genossenschaftsexperimente in den 1820er und 1830er Jahre unterstrichen im Bewußtsein der verbliebenen Aktivisten noch einmal die Bedeutung moralischer Aufrüstung für eine Stabilisierung der neuen Vereinigungsform. 9. Zum Zeitpunkt der Rochdaler Gründung gehörte es bereits zu den Erfahrungen der englischen Arbeiterbewegung, daß ein Spannungsverhältnis zwischen wirtschaflicher Selbsthilfe und Politik existierte. Der Radikalisierungsprozeß, den der Owenismus durchlief, färbte auch auf die Genossenschaftsprojekte ab und kostete sie an vielen Stellen das Wohlwollen der Magistrate und die Unterstützung bürgerlicher Gruppen. Der militante Antiklerikalismus vertiefte den Gegensatz zur Staatskirche, und einige prominente Vertreter des Owenismus saßen wegen des Vorwurfs der Blas-

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phemie zeitweise im Gefängnis. 182 Überhaupt trug die Genossenschaftsbewegung im Bewußtsein der Öffentlichkeit den Stempel einer Organisation der Freikirchen. 183 Anderes kam hinzu: Auch wenn die englische Arbeiterbewegung der vierziger Jahre nicht im engen Sinne in politische Fraktionen gespalten war, existierten doch entsprechend den Themen, um die sie sich gruppierte, grundsätzliche Auffassungsunterschiede in Programmatik und Taktik. Demgegenüber war die Vereinigung zu genossenschaftlicher Selbsthilfe ein gemeinsames Thema, auf das sich, wie gerade das Rochdaler Beispiel zeigte, auch sehr unterschiedliche Gruppierungen und Zirkel einigen konnten. Der Neutralitätsappell signalisierte mithin nicht nur nach außen die Distanz zur politischen Bewegung. Er war auch die Basis für die Kooperation im Innern. 184 Es wäre eine Verengung, wenn man das Rochdaler Muster nur auf seinen zweifellos wichtigen technischen Gehalt reduzieren würde. Fast alle Regeln hatten eine pragmatische, dem Geschäft zugewandte Seite und eine andere, die sie als Verkörperung übergreifender Werthaltungen erscheinen ließ. Barzahlung und vollwertige Ware für die Selbstachtung und die geordnete Haushaltsführung des respektablen Arbeiters, Selbstverwaltung und der offene Zugang für die Demokratie im kleinen und den gesellschaftspolitischen Anspruch, Dividende nach dem Einkauf, begrenzte Zinsen und limitierte Geschäftsanteile für soziale Gerechtigkeit und die Zügelung des Erwerbsstrebens, der Zusammenschluß selbst schließlich als Zeichen von Selbsthilfe und die Macht der »Co-operation«. Die praktische Qualität der formulierten Grundsätze und die bewußte Verknüpfung mit den Werten, die auch die Arbeiterbewegung trugen und bis weit hinein in den bürgerlichen Mittelschichten eine Saite anschlugen, bildeten eine wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Institutionalisierung dieser Selbsthilfeform. Mit der rechtlichen Verankerung durch einen entsprechenden Parlamentsakt aus dem Jahre 1852 fand der Prozeß seinen vorläufigen Abschluß.

d) Selbsthilfe und Recht Die frühen Konsumvereine verfügten noch nicht über eine eigenständige Basis im Gesellschaftsrecht.185 Das war weniger unter dem Gesichtspunkt politischer Verfolgung von Bedeutung, als vielmehr hinsichtlich ihrer Fähigkeit, die Existenz des Vereins unabhängig von personeller Kontinuität und Verläßlichkeit zu sichern. Bei Veruntreuungen konnten die übrigen Mitglieder gegen ihre Partner keinen Prozeß anstrengen. Verträge ließen sich nur im Namen einzelner Mitglieder, nicht jedoch der Gesamtheit abschließen. Ohne Rechtspersönlichkeit funktionierten Selbsthilfeunterneh-

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men oft nur, wenn sie sich bei einzelnen angesehenen Personen, die sich durch politisches oder soziales Engagement, Amt, soziale Stellung und Vermögen oder persönliches Charisma hervorgetan hatten und auf diese Weise über einen Vertrauensvorschuß verfugten, anlehnen konnten. Die Schaffung einer besonderen Rechtsform für wirtschaftliche Selbsthilfeunternehmen warf für die englische Gesellschaft wie auch für alle anderen Probleme unter drei Aspekten auf: dem der Konkurrenz, dem des bürgerlichen Klasseninteresses und dem der Privilegierung. Mit ihrer großen Zahl von Anteilseignern ähnelten Selbsthilfeunternehmen in ihrer Verfassung Aktiengesellschaften und begegneten damit den allgemeinen, lange bestehenden Vorbehalten gegenüber dieser Rechtsform. Die Aktiengesellschaft durchbrach im zeitgenössischen Verständnis zentrale Sicherungen der Allgemeinheit vor Mißbrauch und Spekulation.186 Zu diesen Sicherungen gehörten die uneingeschränkte individuelle Veranwortlichkeit und Haftbarkeit des bürgerlichen Individuums als Geschäftsmann und Familienvorstand bzw. im Falle mehrerer Anteilseigner jedes einzelnen gegenüber den Gläubigern. Bis 1825 sah das englische Unternehmensgesellschaftsrecht die Verleihung einer eigenen Rechtspersönlichkeit und der damit zusammenhängenden begrenzten Haftpflicht als ein ausgesprochenes Privileg an, welches nur gewährt wurde, wo Unternehmen im öffentlichen Interesse handelten wie beim Eisenbahn- und Kanalbau und im Bereich der kommunalen Infrastruktur (Wasser, Kanalisation, Energieversorgung usw.). Das Verleihungsrecht lag beim Parlament selbst, das Körperschaftsrechte auf Antrag stets nur individuell vergab. Mehrere Gesetze - 1834, 1844, 1847 - verlagerten die Gewährung ergänzend auf die Krone bzw. das Handelsministerium. Doch erst 1855 gab das Parlament die Bahn für die Aktiengesellschaft allgemein frei und stellte die Bestimmung der Haftart in die Entscheidung ihrer Träger. Keiner der bis 1850 bestehenden Wege zur Erlangung einer eigenen Rechtspersönlichkeit bzw. unbeschränkter Haftpflicht eignete sich für die lokalen Selbsthilfeunternehmen, da sie an Beziehungen zu Abgeordneten, teuren juristischen Sachverstand und langen Atem auf dem komplizierten Instanzenweg gebunden waren. Die juristische Alternative lag in der Benutzung des seit 1793 für den ältesten Zweig der Selbsthilfebewegung, die Friendly Societies, sukzessive geschaffenen Rechtsrahmens. 187 Die frühe Selbsthilfegesetzgebung - insbesondere der George Rose's Act von 1793 spiegelte jedoch in ihren einzelnen Bestimmungen noch ganz den Schock und die antijakobinische Hysterie wider, die die revolutionären Ereignisse in Frankreich während der neunziger Jahre in der englischen Gesellschaft hinterlassen hatten. 188 Was die Friendly Societies aus der Herrschafts- und Klassenperspektive besonders verdächtig machte, war der häufige Übergang in Gewerkschaften. Abgesehen von »Trunkenheit« und »Betrug«,189 75

stellte ein Parlamentsausschuß 1818 fest, sei das Hauptproblem der Friendly Societies, daß sie einen »Geist des Widerstandes gegen alle, die uns als Autorität vorgesetzt« seien, produzierten und überdies »die meisten von ihnen die Mittel darstellten, welche die Arbeiter aller Berufe instandsetzten, sich gegen ihre Arbeitgeber zusammenzuschließen.«190 Dem trug das Parlament Rechnung, indem es die Friendly Society als Rechtsform so konstruierte, daß sie die Patronage von Angehörigen der Oberklasse als pazifizierendes Element enthielt. Die Anerkennung lag überdies bei den Strafgerichten, die die antragstellende Vereinigung in einem langwierigen Verfahren auch auf politische Tendenzen hin begutachteten. Als sich das Parlament 1815 erneut mit den Friendly Societies beschäftigte, stellte eine Untersuchung fest, daß es die große Mehrheit aller bestehenden Vereinigungen mit rd. einer Million Mitgliedern vorgezogen hatte, außerhalb des angebotenen Rahmens zu bleiben.191 In den folgenden beiden Jahrzehnten bestand die Politik der Regierungen darin, die diskriminierenden Einschränkungen zu lockern und materielle Anreize für eine Unterstellung der bestehenden Zusammenschlüsse unter das Gesetz zu schaffen. Dazu wurde der Patronagekonnex abgeschwächt, die Genehmigungsprozedur abgekürzt und von den Strafgerichten schrittweise auf eine spezielle Institution, einen staadichen Registrar mit hohem persönlichen Ermessensspielraum übertragen und die Möglichkeit geschaffen, die angesammelten Kapitalien zu einem subventionierten Zinssatz zentral bei der staadichen Schuldenverwaltung anzulegen. Wichtige sachliche Erweiterungen brachten die Novellen von 1834 und 1846. Die enge Umgrenzung der möglichen Tätigkeiten aufVersicherungsfunktionen entfiel. Erlaubt war seit 1834 der Einsatz dieser Form des Zusammenschlusses »for any purpose not contrary to law«. Damit trug das Gesetz der Ausdifferenzierung der Selbsthilfebewegung in den 1820er und 1830er Jahren Rechnung, was auch daran abzulesen ist, daß die Vereinigungen zum Einkauf von Lebensmitteln 1834 das erste Mal explizit genannt werden. Von den zugelassenen Vereinigungszwecken her waren damit aus der Sicht von Konsumvereinsgründern einige der wichtigsten Vorbehalte gegen die Rechtsform der Friendly Society beseitigt. In anderer Hinsicht bestanden allerdings Restriktionen fort, die nicht nur die Konsumvereine, sondern auch viele von Arbeitern ins Leben gerufene Versicherungskassen von einer Registrierung abhielten. Das waren 1. die Tatsache, daß registrierte Friendly Societies ihr Vermögen nur über Treuhänder verwalten konnten, daß ihnen 2. der Erwerb von Landbesitz verboten war, 3. ebenso das Recht zum überregionalen Zusammenschluß fehlte - eine Restriktion, die unmittelbar aus der Revolutionsfurcht abgeleitet war - und daß sie 4. Geschäftsverkehr nur mit ihren Mitgliedern treiben durften. 192 76

Die Lösung dieses Problems, das ja nicht nur auf seiten der unmittelbaren Träger von Selbsthilfe, sondern auch bei denjenigen bestand, die ein Interesse an ihrer Kanalisierung hatten und sehen mußten, wie sich die tatsächliche Bewegung andere Wege außerhalb der vorgegebenen Bahnen suchte, wurde nicht durch eine Erweiterung und Liberalisierung des bestehenden Rahmens, sondern über eine Ausdifferenzierung und Spezialisierung angestrebt und weitgehend erreicht. Die wichtigsten Schritte fielen in die Jahre von 1852 bis 1862. Der Industrial and Provident Societies Act von 1 8 5 2 war ein Gesetz, welches den spezifischen Bedürfnissen wirtschafdicher Unternehmen von Unterschichten Rechnung trug. Die liberalisierten Bestimmungen des Friendly Societies Act gingen in den neuen Rahmen ein. Zusätzlich gab das Parlament jedoch die Verfügung über das eigene Vermögen frei. Mit weiteren Bestimmungen über die maximale Höhe des zu zeichnenden Kapitals und über den Rückfall der Anteile auf das Unternehmen beim Austritt eines Mitgliedes, was einem Verbot des freien Aktienhandels gleichkam, grenzte der Industrial and Provident Societies Act den neuen Unternehmenstyp von der übrigen Wirtschaft ab und versuchte darüber hinaus auf diesem Weg, die Zweckbestimmung zugunsten von Unterschichten zu sichern. 193 1862 schließlich kamen zwei wichtige Erleichterungen hinzu: das Privileg der beschränkten Haftpflicht galt jetzt auch für Selbsthilfeunternehmen, nachdem drei Jahre zuvor die entsprechende Liberalisierung für private Unternehmen eingeführt worden war. Im Unterschied zu jenen jedoch stattete man die neue Vereinigungsform mit weitgehender Steuerfreiheit aus. In der Gesetzgebung lag die gesellschaftspolitische Funktion von Selbsthilfe offen. Die Absicht, Selbsthilfe allgemein zu fördern, ist evident. Das gilt auch für den Tauschcharakter der Regelung: Der Selbsthilfeanstrengung und der damit erreichten Endastung der bestehenden Fürsorgeeinrichtungen korrespondierte die Gewährung von Privilegien: in der Form von Zinssubventionen für das Anlagekapital der Friendly Societies, der Steuerfreiheit und der beschränkten Haftpflicht bei den genossenschaftlich verfaßten Unternehmen. Die Basis für eine derartige Förderung von Unterschichtenorganisation in der englischen Gesellschaft war breit und keineswegs nur auf den Liberalismus beschränkt. Während die ersten Gesetze fast alle auf die Initiative liberaler Parlamentsmitglieder zurückgingen, lag bei dem entscheidenden Industrial and Provident Societies Act die Initiative bei den Tories. 194 Die Gründung von Produktivgenossenschaften zur Streikfinanzierung bei einem großen Ausstand im Maschinenbau 1 8 5 1 hatte bei den Whigs zu Vorbehalten gefuhrt und den Konservativen die Möglichkeit eröffnet, ihre Reformbereitschaft zu demonstrieren. Dies war und blieb jedoch bis 1 9 1 4 nicht der einzige Fall, in dem sich die Selbsthilfeunternehmen der Arbeiterbewegung im Parlament auf eine breite parteienübergreifende Koalition 77

stützen konnten. Auf dieser Basis wurden bis 1914 auch alle Versuche zum Abbau der Steuerprivilegien, auf die der Kleinhandel petitionsweise drängte, abgewehrt. Andererseits verleugnete die Gesetzgebung zu keinem Zeitpunkt das Klassen- und Herrschaftsinteresse der politisch dominierenden Klassen der landbesitzenden Aristokratie und des Bürgertums. Der Grad der Bewegungsfreiheit, den die Selbsthilfegesetze ließen, variierte bis ins Detail mit den Organisationszwecken. Je dichter der Zusammenschluß an politischer und gewerkschaftlicher Tätigkeit, desto restriktiver der gesetzliche Rahmen, desto deutlicher wurden Lockung und Zwang kombiniert. Auch die Unterscheidung zwischen den den Gewerkschaften näher stehenden Friendly Societies und den Produktions- bzw. Verteilungszusammenschlüssen in zwei separaten Gesetzen machte in diesem Zusammenhang Sinn.

III. Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg 1. Ausbreitung der Bewegung Um 1850 war für den von Konsumenten getragenen Zweig der Selbsthilfebewegung die Erprobungsphase beendet, ein verallgemeinerungsfähiges Muster gefunden und mit Rochdale ein aktives Zentrum entstanden, welches den Rückhalt fur die weitere Organisations- und Verbandsbildung verkörperte. Der Beginn eines neuen Entwicklungsabschnittes zeigte sich an der Ausbreitung der Bewegung nach 1850, deren Tempo das aller vorherigen Expansionsphasen in den Schatten stellte. Bevor wir uns mit dieser Entwicklung eingehender beschäftigen, soll zunächst noch einmal ein kurzer Blick auf die zahlenmäßige Entwicklung der Vereine bis zur Rochdaler Gründung geworfen werden. Offizielle Zählungen liegen bis in die 1860er Jahre nicht vor. Von den frühen Vereinen sind zunächst diejenigen bekannt, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts überlebten und nachträglich von der Berichterstattung des Zentralverbandes, der Co-operative Union bzw. des Chief Registrars fur die Friendly Societies und verwandte Zusammenschlüsse erfaßt wurden. Ergänzende Hinweise auf frühe Vereine enthalten mitunter die Gründungsprotokolle lokaler Gesellschaften am gleichen Ort. Sie verweisen kurz auf vorangegangene Gründungsversuche, selten unter Nennung von Jahr und Namen. 195 Seit den 1890er Jahren, als die britischen Gesellschaften systematisch mit der Pflege ihrer Geschichte und einer brei78

ten Traditionsbildung begannen, erhielt besonders die Union gelegentlich Hinweise von Allgemein- und Lokalhistorikern, die bei ihren Studien auf die quellenmäßige Hinterlassenschaft früher Konsumvereine gestoßen waren. Was seit den 1890er Jahren an irgendeiner Stelle über die Frühgeschichte zutage gefördert wurde, konnte sicher sein, von der historisch stark interessierten und sich legitimierenden Bewegung registriert zu werden. Gleichwohl wird man davon ausgehen müssen, daß die wenigen für die Jahre 1760 bis 1820 bislang bekannt gewordenen selbständigen, das Identitätsprinzip wahrenden Konsumvereine nur die Spitze eines Eisbergs darstellen, und zwar auch dann, wenn man Übergangsformen wie jene Hilfskassen, die zeitweise Nahrungsmittel kauften, nicht berücksichtigt. Auch ist wenig zweifelhaft, daß erheblich mehr als die bislang bekannten zwölf Mühlengründungen unternommen wurden. Für die Jahre 1828 und 1834 existieren erste zeitgenössische Schätzungen und kleinere Erhebungen, bei deren Beurteilung die mit ihnen verbundene Werbeabsicht nicht außer acht gelassen werden darf. Über die detailliertesten und zuverlässigsten Kenntnisse verfugte Ende der 1820er Jahre wohl ein Owen-Sympathisant, der Brightoner Arzt William King. Der pragmatische King verkörperte mit seinen handfesten Ratschlägen und seiner ausgedehnten Korrespondenz so etwas wie das organisatorische Zentrum und die Nachrichtenbörse der sich ausweitenden Gründungsbewegung. Etwa ein Jahr lang, vom Mai 1828 bis Mai 1829, sind die von ihm im Brightoner »Co-operator« publizierten Angaben sehr um Präzision bemüht und mit Ortsangaben versehen. Danach nahm das Wachstum der Bewegung solche Ausmaße an, daß King seine Informationen zu Schätzungen zusammenfassen mußte. Die in der letzten Ausgabe der Zeitschrift vom August 1830 genannte Zahl von 300 ist kaum noch als genaue Angabe zu werten. 196 Eine Bewegung in dieser Größenordnung besteht aus florierenden, angekündigten, manchmal gar nicht erst zustande kommenden oder schon wieder in Liquidation befindlichen Unternehmen sowie vielen der Aufmerksamkeit einer einzelnen Person entgehenden Gründungen. Bewegung hieß in den Anfängen vor allem Gründen und wieder Aufgeben. Die wesentlich zuverlässigeren Zahlen aus den fünfziger Jahren legen ein beredtes Zeugnis vom Ausmaß der Fluktuation ab, wobei man davon ausgehen muß, daß die Schwierigkeiten, die sich einer Konsolidierung in den Weg stellten, in den wirtschaftlich ungünstigen 1820er und 1830er Jahren um ediches größer waren als am Beginn der trotz einzelner Abschwünge und Krisen viel stabileren hochviktorianischen Konjunkturperiode. Mit anderen Worten, man wird die in der Literatur allgemein genannte Zahl von 300 Konsumvereinen für das Jahr 1830 eher als Hinweis lesen müssen, daß die Bewegung über die im Dezember 1829 bekannten rd. 130 Unternehmen hinaus rasch weiterwuchs. 79

Tabelle 4: Owenitische Konsumvereine 1828-1830 Monat/Jahr Mai 1828 Juni Juli August September November Dezember

Gesamtzahl 4 4 4 4 5 7 8

Januar 1829

11

Februar

14

März

31

April Mai August September Oktober November Dezember August 1830

56 63 »über 70« »über 70« »über 120« »über 120« »ungefähr 130« »rd. 300«

Hinzu kommende Zusammenschlüsse London, 2 Brighton, Worthing

Greenwich Belper (Derbyshire), Birmingham Brighton Duffield (Derbyshire), Hoxton New Town, Canterbury, Kingstanley, Loughborough Manchester, Worcester, Derby, Leeds, Tunbridge, Uley, Congleton, Hampstead, Almondbury, High Royd Preston, Nottingham, Kidderminster, Bethnal Green, Stepney, Bristol, Kirk Heaton, White Chapel, Shadwell, Mary-le-bone k. A. (keine Angaben) k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A.

Quelle: Brighton Co-operator, 1828-1830.

Das Interesse an Umfang und Struktur der Bewegung bewog die Organisatoren der frühen, seit 1830 an verschiedenen Orten stattfindenden Kongresse, den ihnen bekannten Vereinigungen einen Fragebogen zu übersenden und die Ergebnisse als Anhang zu den Protokollen zu publizieren. Auf dem 1831 in Birmingham stattfinden Kongreß wiesen Vertreter von 60 anwesenden Gesellschaften auf weitere 80 Zusammenschlüsse in ihrer Umgebung hin. 1832 berichteten 65 Delegierte über mehr als 120 ihnen bekannte Gründungen. Stellt man den Ausschnittcharakter des Fragebogens in Rechnung - nicht jede Gründung einer Owenschen Ko80

Tabelle 5: Konsumvereinsgründungen in Yorkshire 1827-1840 Jahr

Zahl der Gründungen

Jahr

Zahl der Gründungen

1827

1 1 7 9 2 11 3

1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840

1

1828

1829 1830 1831 1832 1833

1 2 4

Quelle: Butler, Origins, S. 51; korrigiert und ergänzt durch die Angaben bei W. Henry Brown, Hepworth's Hundred Years of Co-operative Adventure, Manchester 1939, S. 18f.

operative war den Organisatoren tatsächlich bekannt und berichtete zur Statistik, nicht jeder in dieser Zeit gegründete Verein stand dem Owenschen Programm überhaupt nahe - mag eine Zahl von 300 Vereinen auf dem Höhepunkt der Bewegung Mitte der dreißiger Jahre der Wahrheit nahekommen. Kurzlebige Experimente mit genossenschaftlichen Formen wurden Anfang der dreißiger Jahre in fast allen größeren englischen Städten unternommen. Nirgendwo war das Netz der Konsumentenzusammenschlüsse jedoch enger geknüpft als in Industriedörfern und Kleinstädten der industrialisierten, dichtbevölkerten Grafschaften Lancashire und Yorkshire. »Auf fast allen Hügeln und in den Tälern dieser Region des West Riding«, beschrieb ein Zeitgenosse Mitte der dreißiger Jahre den Stand der Bewegung, »wimmelte es von Konsumläden«. 197 Doch selbst hier wirkte sich direkt aus, daß der Owenismus seit 1834 abrupt an politischer Bedeutung sowie innerer und äußerer Mobilisierungsfähigkeit verlor. Den letzten Kongreß dieser Phase in Halifax 1835 besuchten gerade zwölf Gesellschaften. Nur noch wenige Vereine entstanden danach neu, auch wenn die Gründungstätigkeit vielleicht nicht ganz so rasch nachließ, wie es die von Owens Anhängern geführte Statistik suggeriert. Immerhin belegen auch neuere regionale Untersuchungen einen heftigen Kontraktionsprozeß. Räumlich gesehen schrumpfte die Bewegung nach der Expansionsphase zwischen 1828 und 1832 bis in die vierziger Jahre hinein wieder auf ihren eigentlichen Ursprung im Nordwesten Englands, das textilindustrielle Hügelland Lancashires und Yorkshires, zusammen. 198 Von den rd. 190 1850 existierenden Gesellschaften waren 150 im Nordwesten und in Yorkshire konzentriert. 199 Weitere 13 operierten in London. Auf den Rest von England und Wales verteilten sich ca. 30 Gesellschaften. Die Zahlen bele81

gen, daß das Nachlassen des Bewegungsimpulses nicht mit einem Verschwinden gleichzusetzen ist. Das Prinzip des vereinsmäßigen Zusammenschlusses von Konsumenten als solches hatte Fuß gefaßt. Nach der Mitte des Jahrhunderts setzte ein zunächst zögernd verlaufender, nach 1 8 5 6 / 5 7 aber sprunghaft an Geschwindigkeit zulegender Expansionsprozeß ein, mit dem sich die britischen Vereine einen großen Vorsprung vor ihren Schwesterbewegungen in den übrigen europäischen Ländern verschafften. Er hatte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Bestand.200 Das auffälligste Merkmal an der Entfaltung der englische Verbraucherbewegung nach 1850 ist ihre Stetigkeit, genauer: die kontinuierliche Erhöhung der Mitgliederzahlen. Abgesehen von den beiden Depressionsjahren 1881 und 1922 wies die Mitgliederkurve mehr als ein halbes Jahrhundert lang kontinuierlich nach oben (Graphik 1). Mit knapp neun Millionen Mitgliedern erreichten die englischen Vereine kurz vor der Mitte des 20. Jahrhunderts im Konsumsektor einen Erfassungsgrad, den selbst in der organisationsfreudigen britischen Gesellschaft fast nur noch staatliche Zwangsorganisationen übertrafen. 201 Die Tatsache, daß die Mitgliederentwicklung der Co-ops von den Pendelausschlägen der politischen und ökonomischen Konjunktur wenig berührt blieb, erscheint als Faktum erstaunlich genug, auch wenn die Analyse anderer Aspekte durchaus solche Wechselwirkungen erkennen läßt.202 Den größten Aufschwung erlebten die Vereine in der mittviktorianischen Prosperitätsphase parallel zum allgemeinen, nur kurzfristig unterbrochenen Anstieg der Reallöhne.203 Von 1857 bis 1873 verfünffachte sich ihre Zahl von ursprünglich 200 auf 1000. Regelrechte Gründungsbooms fielen in die frühen sechziger, die frühen siebziger Jahre und das Jahr 1875. In den vier Jahren zwischen 1857 und 1861 entstanden in England und Wales 509 neue Konsumvereine, mehr als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt. Als Folge der Krisenjahre 1878/79 ließ die Gründungstätigkeit so weit nach, daß am Anfang der 1880er Jahre die absolute Zahl der Vereine zeitweise leicht zurückging. Allerdings geschah all das bereits auf einem so hohen Sockel, daß es die Gesamtbewegung nicht beeinträchtigte. Auf Prozesse ganz anderer Art deutet der Rückgang um die Jahrhundertwende hin. Als 1892 die Zahl von 1.400 einzelnen Vereinen überschritten wurde, signalisierte dieser Wert die äußere Grenze territorialer Expansion. Die magische Zahl von 1.500 haben die britischen Konsumvereine nie erreicht. Seit 1903 sank ihre Zahl. Dem korrespondierte auf der anderen Seite ein immer ausgeprägteres Größenwachstum der einzelnen Vereine. 1896 berechnete das Statistische Büro der Co-operative Union erstmals einen Durchschnitt von tausend Mitgliedern pro Verein. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren es 2.000 und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs schließlich mehr als 8.000. Auch die Konsumgenossenschaften 82

entgingen nicht dem Gesetz der Konzentration. Das galt auch in organisatorischer Hinsicht, wobei die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Verbandsbildung vorausging. 1863 entstand in Manchester nach fast einem Dutzend vergeblicher Anläufe eine besondere Großhandelsgesellschaft, deren Anteile von einer wachsenden Zahl von Vereinen gehalten wurden. 204 Sechs Jahre später, 1 8 6 9 , konstituierte sich ein zentrales Komitee zur Organisation jährlicher Konferenzen, aus dem sich allmählich ein nationaler Verband, die Co-operative Union, entwickelte.205 Es ist nicht ohne weiteres zwingend, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vor sich gehenden Rationalisierungs- und Zusammenschlußtendenzen von vorneherein als Einschränkung des Selbsthilfeprinzips zu interpretieren. Zum einen waren diese Tendenzen nicht neu. Seit den späten 1820er Jahren tauschten sich die lokalen Vereine regelmäßig auf jährlichen Konferenzen über ihre Erfahrungen aus und versuchten, Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen. Der Austausch brach in einzelnen Jahren ab, erneuerte sich aber immer wieder auf regionaler und nationaler Ebene. Außerdem existierte mit der für den gesamten Selbsthilfesektor wichtigen, 1829 von Anhängern Owens gegründeten British Association for the Promotion o f Co-operative Knowledge ohne Unterbrechung eine zentrale Clearing- und Vermittlungsstelle, die die Interessen der Vereine durch prominente Mitglieder und Förderer wie die Chrisdiche Sozialisten206 und John Stuart Mill direkt im Parlament vertrat. Die zwar voranschreitenden, durch den lokalen Charakter der Bewegung jedoch immer wieder gebremsten Rationalisierungs- und Professionalisierungsprozesse erleichterten in der Praxis die Gründung von Vereinen, indem sie die Gründer von schwierigen Aufgaben entlasteten. Den wichtigsten Beitrag dazu leistete ohne Frage die in Manchester operierende Großhandelsgesellschaft, die als Lieferantin und kapitalkräftige Stütze der gesamten Organisation die lokalen Initiativen bei Gründungen beriet und mit Waren ausstattete.207 Gegen das »Oügarchisierungs«-Argument spricht weiter, daß eine entwikelte Selbsthilfe-Bewegung wie die englischen Konsumvereine in der zweiten Jahrhunderthälfte interessierte Gruppen instand setzte, das notwendige Know-How über den Erfahrungsaustausch untereinander zu beschaffen. 208 Durch Besuche in Nachbargemeinden konnten Arbeiter bewährte Einrichtungen im direkten Augenschein bewundern und sich von ihrem Nutzen überzeugen. Auch verläßliche Bezugsquellen erfuhr man so. Der Zentralverband und die Großeinkaufsgesellschaft hatten preiswerte Handbücher in ihrem Repertoire, die, in hoher Auflage gedruckt, selbst fur noch unentschlossene potentielle Gründer keine nennenswerte Investition bedeuteten. Das Direktorium des Verbandes offerierte für wenige Pennies Mustersatzungen, die alle Organisationsfragen zuverlässig beantworteten. Zur Anpassung an die lokalen Bedürfnisse reichten im Regelfall »ein oder 83

zwei Seiten« aus, die man, wie die Empfehlung lautete, hinter die normierte Satzung heften sollte. 209 Die Ratschläge gingen so weit, den Gründern nahezulegen, sie möchten die losen Seiten des Statuts zwischen »festes braunes Papier« heften, um sie vor zu starker Abnutzung zu schützen. 210 Bemerkenswerterweise empfahlen die Leiter der Zentralorganisationen den potentiellen Mitgliedern vorbehaltlos, zur leichteren Konsolidierung der Vereine auch die bessergestellten Verbraucher des Ortes einzuschließen: »Es ist sehr wünschenswert, den Grundbesitzer, den Priester und die Bauern der Gemeinde in Eure Reihen aufzunehmen,« 211 lautete der offizielle Rat. Als handfeste Vorteile zählte man auf: den Karren des Bauern, der auf dem Rückweg von der Marktstadt oder der Eisenbahnstation die Bestellungen des Vereins kostenlos vorbeibringen könne. Auch beim Kohlentransport vom Bahnhof ins eigene Lager werde es weniger Verlust und Unterschleif geben. Außerdem helfe die Kaufkraft dieser wohlhabenderen Mitglieder, größere Vorräte und eine Vielfalt an Lebensmitteln im Laden zu halten. Umgekehrt zögen die kleinen Eigentümer und Arbeitgeber am Ort aus der Mitgliedschaft: im Verein den Vorteil, daß sie mit der anfallenden Dividende periodisch größere Summen an Bargeld erhielten, welches sie für die Zahlung von Löhnen verwenden könnten. 212 Die Unbefangenheit, mit der die leitenden Männer des Verbandes ihren Mitglieder nahelegten, sich der Ressourcen wohlhabender Einwohner zu bedienen, belegen, über welches Selbstbewußtsein die Bewegung Anfang der 1880er Jahre bereits verfugte. Die Empfehlung zur Zusammenarbeit aller Verbraucher war gerade kein Plädoyer für eine paternalistische Struktur der Genossenschaft, wie sie andernorts in Deutschland unter der Überschrift »aristokratische Genossenschaft« (V.A. Huber) befürwortet wurde 213 , sondern entsprang pragmatischen Nützlichkeitsüberlegungen auf der Basis eines klassenübergreifenden gemeinsamen Verbraucherbewußtseins.214 Im günstigsten Fall lagen die Gründungsvoraussetzungen dann so niedrig, daß sich die Selbsthilfeanstrengung auf den sozialen Kern, nämlich die Mobilisierung interessierter Konsumenten, beschränken konnte. 215 Zumindest, und diese Einschränkung ist wichtig, galt dies für jene Orte, an denen die Vereine auf keine kapitalkräftige Konkurrenz stießen. Das legt die Frage nahe, wo die Grenzen des scheinbar unwiderstehlichen Prinzips der Verbraucherorganisation lagen.

2.Grenzen Erste Grenzen der Expansion zeigen sich bei einem Blick auf die Landkarte. In den Großstädten, insbesondere in London selbst, blieb die Ausbreitung immer hinter dem Durchschnitt zurück. 216 Dabei fehlte es nicht 84

an Kenntnissen und Initiativen. Eine Bilanz aller zwischen 1852 und 1901 unternommenen Gründungsversuche zeigt, daß die Bezirke um die Hauptstadt mit Abstand die höchste Zahl, zugleich aber die niedrigste Erfolgsquote aufwiesen.217 Einerseits, läßt sich daraus folgern, war das Klima der Hauptstadt mit einem entwickelten Pressewesen und als Sitz der wichtigsten sozialreformerischen Gesellschaften besonders günstig für neue Ideen, andererseits aber standen der Konsolidierung auch besondere Hindernisse entgegen. Jene Bedingung, die den Konsumvereinen an vielen Stellen das Vordringen und die Durchsetzung erleichterte, nämlich ein zurückgebliebener Handel, der die Bedürfnisse der rasch wachsenden Industriegemeinden und -Städte nicht angemessen erfüllen konnte, entfiel in der Großstadt. In London als verkehrsgünstig gelegener Handelsmetropole existierten frühzeitig große, auf den Massenbedarf eingestellte Läden und Großmärkte (Smithfield, Billingsgate, Covent Garden) mit direktem Eisenbahnanschluß zu den Seehäfen. Damit verfugte der Londoner Handel über »economies of scale«, die den Rationalisierungsvorsprung der Konsumvereine leicht übertrafen. 218 Die große Lücke in der Versorgung der Hauptstadt, nämlich das Fehlen einer ausreichenden Anzahl von Wochenmärkten für die Versorgung mit Frischwaren, konnten gerade die Konsumvereine nicht schließen.219 Daneben spielte das Fehlen großer Konzentrationen von Industriebetrieben und -arbeitern eine wichtige Rolle. Ein überproportional hoher Prozentsatz der Londoner Arbeiter stand im Tagelohn mit stark fluktuierendem Einkommen. 220 Die stabilen Londoner Vereine wurden von Angestellten, Beamten und Offizieren gegründet. 221 Da bei diesen Gruppen das Interesse an einer hohen Dividende wegen ihrer festen Bezüge gering war, entwickelte sich unter ihnen in den 1880er Jahren ein eigenes »scheme«, das »Civil Service System«, als Alternative zu den Rochdaler Prinzipien, zu dem neben der sozial geschlossenen Mitgliedschaft auch niedrige Preise gehörten. Aus einzelnen dieser Vereinigungen entwickelten sich später Warenhäuser, während andere wegen des Mangels an Investitionskapital wieder eingingen. Hinter den räumlichen Grenzen verbargen sich, wie angedeutet, auch soziale Grenzen. Wo diese genau lagen, war nicht nur unter den Zeitgenossen umstritten.

a) Soziale Basis Die Debatte über die soziale Rekrutierung der Konsumentenunternehmen ist lange Zeit von zwei (Vor-)Urteilen bestimmt worden, die, obwohl gelegentlich angezweifelt, immer noch als nicht ausgeräumt gelten können: der aus der Bewegung selbst stammenden Behauptung, die Vereine seien 85

bis in die 1840er Jahre durchweg von »armen Webern« gegründet worden, und der gegenteiligen von Kritikern der Vereine vertretenen Auffassung, die Konsumvereine stellten ähnlich wie andere Institutionen des Self Help Gründungen einer wohlhabenden Arbeiteraristokratie dar. Die Diskussion in dieser Frage ist deshalb schwer zu fuhren, weil keine leicht greifbaren, sondern nur relativ wenige und vor allem stark verstreute Daten zur Sozialstruktur der Mitgliedschaft vorliegen. Wenn sie auch kein detailgenaues Bild im Zeitschnitt erlauben, ist es mit ihrer Hilfe doch möglich, einige Trends anzugeben und die genannten Urteile zu hinterfragen. Die Behauptung, daß die frühen Vereine überwiegend von Webern gegründet worden seien, kann sich auf eine Reihe von Indizien beziehen. Dort, wo Berufsangaben vorliegen, tauchen Angehörige von Weberberufen tatsächlich häufig als Mitunterzeichner von Statuten auf.222 Auch ist die Häufung der ersten Vereinsgründungen in Zentren der Textilindustrie so ausgeprägt, daß vor diesem Hintergrund etwas anderes als ein hoher Weberanteil eine Überraschung darstellen würde. 223 Spätestens im Blick auf die angeblich von 2 8 Flanellwebern vorgenommene Rochdaler Gründung enthüllt sich jedoch der hohe ideologische Anteil an solch eindeutigen Zuschreibungen, zumal zu diesem Zeitpunkt. Von den mehr als 30 Rochdaler Gründern bildeten Weber zwar die stärkste einzelne Gruppe, keineswegs aber die Mehrheit. 224 Eine Hauptquelle entsprechender Fehlschlüsse liegt darin, daß viele der Darstellungen das Ausmaß beruflicher und branchenmäßiger Differenzierung in textilindustriell dominierten Gegenden unterschätzen. Lancashire, die klassische Herkunftsgegend der Konsumvereine und Hilfskassen, verfügte in den 1820er Jahren nicht nur über zahlreiche Maschinenbauunternehmen, sondern im Süden auch über Bergbaubetriebe, und die Diversifizierung nahm zu. Auch darf nicht übersehen werden, daß Weben bei vielen Berufen eine Nebenbeschäftigung darstellte, auf die man zur Ergänzung seines Einkommens auswich. »Maurer und Weber«, »Zimmermann und Weber«, »Bergmann und Weber« als Angabe in den Zensuslisten sind keine Seltenheit. 225 Hinzu kommt, daß die allgemeine Disposition der großen heterogenen Webergruppe zu unternehmerischer Selbsthilfe nach dem Durchbruch der Mechanisierung in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre und infolge des langfristigen Strukturwandels zugunsten von Frauen- und Kinderarbeit stark abgeschwächt wurde. Zu den Antrieben hinter einer überberuflichen, Konsumenteninteressen in Rechnung stellenden sozialen Erweiterung wird man, trotz gewisser Einschränkungen, auch den Owenismus zählen müssen. Mit Ausnahme der Londoner Co-operatives der 1820er Jahre, die ihre »Trades« im Namen führten und sich als Gründungen einzelner Berufsgruppen zu erkennen gaben, wählten die übrigen owenitischen Gründungen durchweg ihre Her-

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kunftsorte als Bezeichnung und unterstrichen damit ihren berufsübergreifenden, universalistischen Anspruch. »Wir haben in unserer Gesellschaft Leineweber, Bleicher, Weber, Schuhmacher, Schneider, Maurer, Tischler, Färber, Maschinenbauer«,226 beschrieb ein Delegierter der 1832 gegründeten Barnsley Co-operative Society die Basis seines Unternehmens. Auch wenn der Owenismus an erster Stelle eine Bewegung der nach Selbständigkeit strebenden Handwerker-Arbeiter darstellte, drängten die meisten Vereine schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen über diesen Kreis hinaus. »... daß nicht zuviele [Mitglieder] aus einem Beruf sind«, mahnte die 18. von 25 Organisationsregeln, in denen der »Co-operator« die Anforderungen für eine solide Gründung zusammenfaßte. 227 Über so viel an Organisationserfahrung verfugten die Gründer schon von anderen verbreiteten Einrichtungen her, daß sie auf eine Risikostreuung achteten und die Bindung an einzelne Berufe und Gruppen im Interesse organisatorischer Stabilität zu vermeiden suchten. Der von der Owenschen Bewegung entfachte Enthusiasmus steckte andere Arbeitergruppen an. In Birmingham entstand nach der 1828 gegründeten owenitischen Birmingham Co-operative Society and Trading Fund Association zwei Jahre später die sich schon im Namen distanzierende Handsworth Economic Union, ein Zusammenschluß der Arbeiter des Maschinenbauunternehmens Boulton & Watt.228 Solche Belegschaftsvereine überspannten noch sehr viel leichter die Trennungslinien von Lehrzeit und Berufsstolz. Ihre typische Entstehungssituation bildete eine Fabrikgründung abseits einer ausreichenden Versorgungsinfrastruktur an der Peripherie der Städte oder - im Extremfall - in abgelegenen Tälern. Abgesehen von den Beschäftigten der Textil- und Maschinenbaubetriebe fanden vor allem die Bergleute solche Konstellationen vor. Sie lieferten den idealen Nährboden für ausbeuterische »Tommy-shops« und ihr Gegenmittel, den Konsumverein. Dort, wo die Besitzer die Selbsthilfeanstrengungen ihrer Belegschaften tolerierten, traten ihnen die Angestellten bei, wo sie gegen Widerstand durchgesetzt werden mußten, beschränkten sie sich typischerweise auf die Arbeiter. Zusätzliche Gründe, nämlich besonders günstige Voraussetzungen für die Beschaffung preiswerter Grundnahrungsmittel aus ersten Quellen wie die leichte Zugänglichkeit zu Informations- und Transportmitteln sorgten dafür, daß das Konsumvereinsprinzip frühzeitig, d.h. seit den 1830er Jahren, unter den Eisenbahnarbeitern und -bediensteten Fuß faßte.229 Es gehört zu den Besonderheiten des Konsumvereins im Vergleich zu anderen Selbsthilfeeinrichtungen der Arbeiterbewegung, daß in ihm die Ränder der Klasse erheblich ausfransen konnten. Am unschärfsten war der Klassencharakter bei dem sich verbreitenden »Gemeinde-Laden« auf fortgeschrittener Stufe. In ihm mischten sich typischerweise die Beleg87

Tabelle 6: Sozialstruktur des Konsumvereins Kirkby in Furness 1 8 6 3 - 1 9 1 3 (in Prozent) 1 Stellung

Frauen Steinbrecher Bergleute Landwirte/ Pächter Landarbeiter Männliche Dienstboten Andere Gesamt

1863-1873 (N=273)

1874-1883 (N=263)

1884-1893 (N=227)

12,1 38,1 6,2

26,2 36,9 8,4

28,6 22,5 5,3

30,7 25,7 6,6

37,3 14,5 2,4

3,0 5,5

4,6 4,2

4,9 2,2

6,2 2,1

7,7 2,1

5,7 30,8 100

5,0 23,7 100

36,0 100

-

-

35,1 100

19,7 100

1894-1903 1904-1913 (N=242) (N=321)

-

1 Kirkby-in-Furness ist der Sammelname für eine Reihe kleiner Ansiedlungen, die von der Schieferindustrie leben. Die Steinbrüche beschäftigten um 1 8 6 0 ca. 3 5 0 , 1 9 0 4 nur noch 2 5 0 Arbeiter. Der Kirkby Konsumverein wurde 1 8 6 1 gegründet, nachdem die nahegelegene Dalton Society kein Interesse an einer Filialgründung gezeigt hatte. Die Unterzeicher des ersten Statuts waren überwiegend in den Schieferbrüchen beschäftigt. Unter den vierzehn Personen befanden sich elf Steinbrucharbeiter, ein Schmied und zwei Hausfrauen. Vgl. Turnbull, S. 16fF. Quelle: Ebd., S. 2 8 .

schaft kleiner ortansässiger Betriebe mit der allgemeinen Bevölkerung (vgl. Tab. 6). Von vornherein sozialpluralistisch waren solche Dorfläden, wenn sie mithilfe der Protektion lokaler Honoratioren - Fabrikbesitzer und/oder von Angehörigen der Gentry - zustande kamen. Die zu einem solchen Typ gehörende, 1 8 7 5 in einer kleinen Gemeinde errichtete Sawrey Co-operative Society zählte zu ihren ersten Subskribenten einen Armee-Kapitän, einen Weinhändler, einen Vikar, den Schulvorsteher, mehrere Böttcher und Bauern, einen Zimmermann, einen Holzschläger, einen Forstverwalter sowie einen Gärtner. 230 In der Regel nivellierten sich die auf Unterschiede in der Gründungssituation zurückgehenden Abweichungen zwischen den Dorfläden im Laufe der Entwicklung. Nach einer gewissen Zeit nutzten bei einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung fast alle ortsansässigen Haushalte, einschließlich lokaler Händler, die Vorteile der Coops und hielten Anteile. 231 Das Schicksal der »halbverhungerten Weberklasse«, ihr Aufstieg und Fall in bitteres Elend, entwickelten sich in der englischen Sozialkritik der zwei-

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ten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem feststehenden Topos für das Doppelgesicht der Industrialisierung. 232 Hieran anknüpfend verschafften sich die Vereine nachträglich wichtige gesellschaftliche Legitimation als Vermächtnis der angeblich Ärmsten der Armen. Was die Zuordnung dieses Attributes zu den ersten Konsumvereinen angeht, wurde häufig übersehen, daß das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts die Zeit des Aufstiegs der Weber in die Spitzengruppe der Lohnarbeiter darstellte. Auch darüber hinaus kann von einem allgemeinen Abstieg der großen Gruppe der Weber nicht die Rede sein.233 Bei den Rochdalern selbst handelte es sich um eine relativ gut bezahlte Gruppe. Ein mit den Verhältnissen im einzelnen vertrauter Beobachter der Bewegung aus den 1880er Jahren sprach explizit von einer negativen Korrelation zwischen Armut und Konsumverein und illustrierte dies mit einer lange Liste von Beispielen auf einer Landkarte konsumgenossenschaftlicher Schwerpunkte.234 Handelte es sich mithin bei den Konsumvereinen um eine Organisation der politisch liberalen, ökonomisch saturierten Arbeiteraristokratie? Am ehesten trifft dies auf die Führung zu.235 Angesichts der Tatsache, daß die Aufstiegsroute über eine kaufmännische Tätigkeit verlief, blieb der Anteil professioneller Gruppen unter den leitenden Funktionären in diesem Zeitraum noch erstaunlich gering.236 Eindeutig als Arbeiter zu identifizieren sind 60 Prozent eines von Peter Guerney erhobenen Samples. Knapp die Hälfte aller Berufsangaben deutet auf Facharbeiter hin, nur oder, je nach Perspektive, immerhin acht Prozent auf Angehörige ungelernter Berufe. Schlüsselt man die Berufe im einzelnen auf, stellten Textilarbeiter neun Prozent der zwischen 1816 und 1904 geborenen Funktionäre. Damit lag diese Gruppe nur knapp vor den Eisenbahnern mit acht Prozent. Fünf Prozent bezeichneten sich als Bergleute. 29 Prozent verteilten sich ohne besonderen Schwerpunkt auf das ganze Spektrum gelernter Arbeiterberufe. Betrachtet man die um 1 8 2 0 / 3 0 Geborenen für sich, zeigt sich erwartungsgemäß eine starke Vertretung klassischer Textilarbeiterberufe zusammen mit relativ vielen Eisenbahnarbeitern. Den Konsumentencharakter der Bewegung unterstreicht die Tatsache, daß Bäcker, Händler, Gastwirte und Kaufleute in der Führungsgruppe zumindest in diesem Sample völlig ausfallen, während auf die Stadt als Gravitationszentrum die Tatsache hinweist, daß selbständige Bauern nicht vorkommen und Landarbeiter nur einen Vertreter stellten. Erstaunlicherweise fehlen auch die Beamten. Das mag seine Erklärung im gegenüber Deutschland lange Zeit zahlenmäßig noch sehr kleinen öffendichen Dienst und im Ausbau eines eigenen, von Rochdale abweichenden Musters der Beamten-Konsumentenorganisation haben. Obwohl Frauen in Großbritannien Konsumvereinen schon frühzeitig beitreten konnten 237 und ihr Anteil bei einzelnen Vereinen vor 1914 bis auf ein Drittel der Mitgliedschaft anstieg, blieb die 89

Leitung bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts eine nahezu exklusiv männliche Domäne. Die Führungsstruktur der Bewegung ist mit der Mitgliedschaft nicht in eins zu setzen, auch wenn sich bestimmte Merkmale in ihr abbildeten. Daß der Typus des ehrbaren, in der Gemeinde angesehenen, gleichzeitig der Temperenzlerorganisation, der freikirchlichen Gemeinde und dem Savings-Klub angehörenden Handwerker-Arbeiters bis 1914 der Prototyp des engagierten »Co-operators« blieb, steht außer Frage.238 Selbständige waren eher die stillen Teilhaber und Nutznießer als die treibenden Kräfte. Im Klima, in der Rhetorik, den Verhaltenserwartungen, dem inneren »Code«, die die Rekrutierung der Leitungsorgane bestimmten, wirkten die Tradition des Handwerkersozialismus Robert Owens und der Freikirchen noch am ehesten fort. Die langfristig bedeutungsvollste Veränderung in der Führungsstruktur, die bis 1914 weitgehend unbeachtet blieb, war ihr Professionalisierungsprozeß. Immerhin elf Prozent des gesamten Samples von Führungspersonen, und zwar vorzugsweise die jüngeren Jahrgänge, rekrutierten sich inzwischen aus der Bewegung selbst und ihren Bildungseinrichtungen. Außer in aktuellen Erfahrungen mit der sozialen Basis von Selbsthilfe in außereuropäischen Ländern liegen die wichtigsten Momente, die die Annahme eines selektiven Charakters der Vereine stützen, in ihrem Aufbau und ihrer Geschäftspolitik. Die Filter, die schlecht bezahlten, unregelmäßig verdienenden Arbeitergruppen die Teilnahme erschwerten, bestanden im Beharren auf der sonst unüblichen Barzahlung, der Einzahlung eines nicht ohne weiteres kündbaren Geschäftsanteils und der Politik der »Tagespreise«, wobei insbesondere die Kombination von hohen Preisen und Barzahlung stark selektiv wirken konnte. Auf diesen sozialen Filter zielte Sidney Webb, als er 1891 in einer Streitschrift prophezeite, dem Konsumverein werde es nur gelingen, die wirklich Armen und Bedürftigen zu erreichen, »wenn er sich zu einer attraktiveren Sache entwickle als einem weiteren Laden, der keinen Kredit gibt, selbst nicht im bittersten Winter.«239 Tatsächlich war Webbs Annahme in einem wichtigen Punkt schon überholt, als er sie formulierte. Zwischen 1888, dem Zeitpunkt, als der offizielle Londoner Registrar für die Konsumvereine das erste Mal entsprechende Daten erhob, und 1911 stieg der Anteil kreditgebender Vereine in England von rd. 56 auf 81,9 Prozent an. Von einer konsequenten Verweigerung des Kredits konnte also nicht die Rede sein.240 Als Antwort auf eine entsprechende Umfrage aus dem Jahre 1907 erklärten 72 von 224 Vereinen, sie schrieben im Fall von Krankheit und bei Arbeitslosigkeit an, 90 begründeten ihre Praxis mit langen Lohnintervallen, 76 mit der Konkurrenz des kreditgebenden Handels und 106 als Entgegenkommen für weit entfernt wohnende Mitglieder. 241 Versuche, dieser für die Stabilität der Vereine 90

gefährlichen Übung auf direktem Wege über Appelle und Verbote beizukommen, scheiterten. Auch das Niedrighalten der Anteile, wie es sich seit der Jahrhundermitte durchsetzte, und die üblich werdende Ratenzahlung aus den Dividenden schwächten die Filterwirkung der Organisationsprinzipien etwas ab. Die Aufbringung des Geschäftsanteils bei laufendem Geschäft stellte gering verdienende Arbeiter nicht mehr vor unüberwindliche Hindernisse, jedenfalls - diese Einschränkung ist wichtig - , solange sie kontinuierlich beschäftigt waren und das Einkommen nicht zu sehr ausschlug. Einige außerordendich aufwendige quantitative Rekonstruktionen von Mitgliederbeständen kleinerer Konsumvereine in Lancashire konnten in der Tat zeigen, daß sich diese in ihrer Struktur nicht weit vom Querschnitt der Bevölkerung entfernten und insbesondere auch die ungelernten Arbeiter mitumfaßten. Die bislang genaueste Untersuchung der Rolle der Ungelernten für einen dörflichen Konsumverein, John Butlers unveröffentlichte Dissertation von 1986, wies nach, daß bezogen auf den Anteil an der Erwerbsbevölkerung die gelernten Arbeiter unterrepräsentiert, die angelernten etwa entsprechend ihrem Anteil vertreten, und die ungelernten Arbeiter um mehr als das Vierfache überrepräsentiert waren.242 Entgegen der Erwartung stellte sich heraus, daß die Ungelernten mithilfe des Dividendenprinzips größere Sparbeträge ansammelten.243 Es wäre problematisch, diese Ergebnisse ohne weiteres auf die Gesamtbewegung hochzurechnen. In kleinen Dörfern wie auch bei den aus Unternehmen rekrutierten Belegschaftsvereinen spricht jedoch wenig gegen die Vermutung, daß die Vereine Ungelernte zumindest entsprechend ihrem Anteil an der Erwerbsbevölkerung anziehen konnten. Die nach 1850 häufiger werdenden, auf Haushaltsrechnungen basierenden Budgetuntersuchungen belegen, daß Verschuldung und ordentliche Haushaltsführung von der Einkommenshöhe nicht eindeutig determiniert wurden. Die apodiktischen Urteile über den sozialen »Elite«-Charakter der Konsumvereine spiegeln zum Teil die sozialen Vorurteile ihrer Verfechter. Höhe und vor allem Stetigkeit des Einkommens, Ausbildung und die jeweilige Umgebung spielten eine wichtige Rolle bei der Markierung der Grenzen des konsumgenossenschaftlichen Vormarsches bzw. der Entscheidung, die eigenen Konsumenteninteressen in organisierter Form wahrzunehmen. Zunehmend wurde dabei auch der Unterschied zwischen schwerer zu organisierenden kleinbetrieblich und den organisationsgeneigteren großbetrieblich beschäftigten Arbeitern wichtig.244 Neben der Sozialstruktur übten darüber hinaus Tradition und organisatorische Kontinuität einen nicht zu unterschätzenden Einfluß aus. Die Gründungssituation ließ sich nicht ohne weiteres auf fortgeschrittener Stufe reproduzieren, so daß der Wachstumsimpuls immer weniger von der Errichtung neuer Vereine als von 91

der Expansion schon vorhandener Zusammenschlüsse ausging. Rückblikkend betrachtet ist schließlich nicht zu übersehen, daß die Bewegung auch 1914 noch längst nicht an ihren Grenzen angekommen war. Der deutlichste Hinweis auf Erweiterungen und Umschichtungen war der vor dem Weltkrieg stark wachsende Frauenanteil, der nicht nur auf eine Abschwächung patriarchalischer Strukturen und des Prinzips der Haushaltsrepräsentation hindeutete, sondern auch auf eine Individualisierung und relative Entkoppelung von außerhäuslicher beruflicher und Konsumentenidentifikation. 245 b) Legitimationsprobleme

von Selbsthilfe und der Aufstieg des

englischen Sozialstaats Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts traten in Großbritannien Entwicklungen ein, die die bis dahin ausgebildeten Grundstrukturen der Sozialpolitik wie auch den Charakter des Staates, seiner Organe und der Politik überhaupt in nachhaltiger Weise veränderten. Zwar hatte es im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder direkte staadiche Eingriffe gegeben - England verfügte über eine relativ entwickelte Arbeiterschutzgesetzgebung, die Armenfursorge war mehrfach umgestaltet und den Verhältnissen angepaßt worden - insgesamt war der Grad direkter sozialstaatlicher Intervention in Großbritannien jedoch geringer als in den meisten kontinentaleuropäischen Staaten mit einer absolutistischen Tradition. Einige halbstaatliche Einrichtungen und Kommissionen, häufiger aber noch freiwillige gesellschaftliche Initiativen engagierter bürgerlicher Sozialreformer, die sich gelegentlich zu Bewegungen verdichteten, die Tätigkeit der Kirchen und vor allem der weite Bereich der Selbsthilfe bildeten das Fundament, auf dem die Absicherung sozialer Risiken von Unterschichten in Großbritannien ruhte. Der Charakter dieses Systems veränderte sich bis zum Ersten Weltkrieg in vielen einzelnen Schritten. Einer davon war der Education Act von 1870, mit dem der Staat erstmals eine Gesamtverantwortung für den Bereich des Elementarschulwesens übernahm. Seit der Jahrhundertwende, vor allem aber nach 1906, zog Großbritannien dann gegenüber anderen Staaten, insbesondere aber gegenüber dem Deutschen Reich nach und errichtete ein staatliches System der Sozialversicherung mit dem Workmen's Compensation Act von 1897, dem Old Age Pensions Act von 1908 und dem National Insurance Act von 1911. 2 4 6 Parallel zur Ausdehnung des Umkreises staatlicher Sozialintervention und zur Einbeziehung neuer Schichten vollzogen sich gleichgerichtete Veränderungen in der Gesellschaft. Nach 1 8 8 9 erweiterte die bis dahin im wesentlichen auf die Bergarbeiter, Textilarbeiter und die gelernte Facharbeiterschaft beschränkte Gewerkschaftsbewegung ihre Basis allmählich

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hin zu den Ungelernten. In Gestalt der Frauenbewegung und ihres militanten Flügels, der Suffragetten, sah sich das politische System mit neuen Partizipationsansprüchen konfrontiert. Die Veränderungen lassen sich nicht auf eine oder einzelne Ursachen zurückfuhren. Sie waren untereinander verbunden und neigten dazu, sich wechselseitig zu verstärken. Zu den Motoren der Entwicklung gehörte die schrittweise Ausweitung des Wahlrechts und die davon angefachte Parteienkonkurrenz. Beides beschleunigte die Modernisierung der politischen Formen und führte zu einem neuartigen Bedürfnis der Rückversicherung bei breiteren Schichten der Bevölkerung. An einzelnen Punkten bewirkten Sozialenqueten und ihre schockierenden Ergebnisse Schübe in der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Defizite des alten Systems.247 Dahinter stand der Aufstieg einer sozialpolitisch engagierten empirischen Sozialwissenschaft, die die behaupteten Lücken mit Zahlen und eindringlichem Anschauungsmaterial belegen konnte. Viele weitere Faktoren, die eine Herausforderung für das System und die Sozialpolitik bedeuteten, sind zu nennen: die großen Streikwellen Ende der 1880er Jahre, erste Schritte zur Formierung einer selbständigen Arbeiterpartei oder auch von einer ganz anderen Seite her die im Zusammenhang mit den Burenkriegen angeregte Diskussion um die »national efficiency«, in deren Gefolge die »Gesundheit der Nation« einen neuen allgemeinen politischen Stellenwert erhielt. Alle diese Entwicklungen trugen dazu bei, die bestehenden sozialpolitischen Institutionen unter Rechtfertigungsdruck zu setzen und ihre Funktionsweise sowie ihre Legitimation zu hinterfragen. Auch auf die Gefahr einer Über Vereinfachung hin, läßt sich diese Kritik zwei Mustern zuordnen: Sie rieb sich einerseits am Widerspruch zwischen dem Anspruch auf Mündigkeit und dem diskriminierenden Charakter traditioneller Sozialpolitik, wie ihn als Schreckbild immer noch das New Poor Law verkörperte, andererseits an der Selektivität der vorhandenen Einrichtungen. Mit dieser Stoßrichtung entwickelte sie sich zwangsläufig zur Kritik der bestehenden Selbsthilfeeinrichtungen. Das bekamen neben Gewerkschaften und Friendly Societies vor allem die saturierten Konsumvereine als eine der mitgliederund ressourcenstärksten Organisationen des Selbsthilfesektors zu spüren. Die Gefahr, die aus dieser Kritik unmittelbar für den Bestand der Konsumvereine ausging, lag im drohenden Verlust ideeller und materieller Begünstigungen, nicht zuletzt der Steuerprivilegien.248 In den 1880er und 1890er Jahren war im Grunde unübersehbar geworden, daß mit dem Wachstum und der Konsolidierung der Bewegung nicht nur Anspruch und Wirklichkeit an vielen Stellen auseinanderliefen. Das Selbstverständnis der Konsumgenossenschaften hatte sich weit von den Ursprüngen entfernt. 249 Die Emphase des ersten mit dem Owenismus eng verbundenen Aufbruchs und die Bekenntnisse zu dieser Wurzel waren zur 93

ritualisierten, nichtssagenden Formel verkommen, das Prinzip der »cooperation«, also der Solidarität und Brüderlichkeit, in der Außendarstellung verblaßt, ohne allerdings vollständig zu verschwinden. Die Recken des Owenismus, allen voran der ehemalige Missionar und Historiker der Bewegung, George Holyoake, genossen den Respekt Legende gewordener Galionsfiguren, aber sie bildeten nicht mehr die Mitte der Bewegung. 250 Virulenter und glaubwürdiger war das Bekenntnis zur klassischen, von Samuel Smiles popularisierten viktorianischen Wertetrias von Sparsamkeit, Fleiß und Ehrbarkeit, welches die Konsumvereine mit den anderen Ausformungen der Selbsthilfebewegung, den Sparbanken, den Building-Societies usw. teilten und das wohl auch am ehesten das Selbstverständnis ihrer sozialen Basis abbildete. 251 Genau hieran setzte in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verstärkt Kritik an. Nicht nur unter britischen Sozialpolitikern galt es zu diesem Zeitpunkt als ausgemacht, daß die Selbsthilfeinstitutionen lediglich Antworten für die Probleme der »respektablen« Arbeiter bereithielten, dagegen zur sozialen und politischen Integration der breiten, nicht zur »Arbeiteraristokratie« gehörenden Gruppen kaum etwas beitrugen. Grundsätzlich waren solche Vorwürfe nicht neu. Innerhalb der Bewegung gehörte Kritik an überhöhten Dividenden, die die Preise mehr als nötig hochhielten und den Mitgliederzufluß bremsten, zu den Dauerübungen. »Während die Mitglieder schrien: >Mehr Dividenden, machte der Autor eines Artikels in der Co-op News vom 16. Dezember 1871 seinem Ärger Luft, »habe es der private Händler leicht gehabt, die ohnehin schon exorbitanten Preise seiner Waren weiter zu erhöhen, und ein bißchen mehr Dividende in seine Börse zu stecken.« 252 Umfragen stellten fest, daß die relativ höchsten Preise bei in den Industriegebieten des Nordens angesiedelten Vereinen genommen wurden. 253 Dividenden von bis zu 2 0 Prozent waren dort keine Seltenheit. Bei ihnen handelte es sich nicht nur um die ältesten Zusammenschlüsse, sondern auch um die mit den höchsten Arbeiteranteilen. Wie man es auch drehte und wendete, die Praxis des leichten Sparens entsprach den Bedürfnissen und eingefleischten Erwartungen gerade der Arbeitermitglieder. Appelle vermochten hier nichts auszurichten, sondern fungierten bei Licht besehen als eine Art Abwehrideologie zu legitimatorischen Zwecken. Dieses Ritual zu durchbrechen, traten vor allem die seit den 1880er Jahren an vielen Stellen gegründeten konsumgenossenschaftlichen Frauenorganisationen an. In Verbindung mit der 1 8 8 4 gegründeten Frauengilde, der Women's Co-operative Guild, entwickelten sich die Vereinigungen zu den heftigsten Kritikern an der Selektivität der Konsumvereine. Sie forderten nachdrücklich eine »open-door«-Politik der ihrer Auffassung nach viel zu sehr auf die etablierten Arbeiter ausgerichteten Co-ops. 254 Das besonde -

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Tabelle 7: Dividende der Ripponden Co-operative Society Ltd. 1 8 6 0 - 1 9 1 4 (in Prozent) Jahr

Dividende

Jahr

Dividende

Jahr

Dividende

1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873

13,3 6,3 5,0 6,3 7,5 7,5 8,3 8,1 8,3 8,3 8,8 9,2 10,0 10,0

1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887

10,4 10,4 13,8 14,2 12,9 12,9 15,0 15,0 15,0 16,3 16,7 16,7 19,2 20,0

1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901

18,3 18,8 18,3 18,3 18,8 18,8 20,0 20,0 20,0 20,0 20,0 20,0 19,6 20,0

Jahr 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913

Dividende 20,0 17,5 17,5 17,5 17,5 17,5 17,5 17,5 17,5 18,3 17,5 18,3

Legende: Der Verein hatte 1 8 8 0 rd. 2 5 0 , 1 8 9 6 rd. 5 0 0 und 1913 genau 6 3 3 Mitglieder. Quelle: John H. Priestley, The History of the Ripponden Co-operative Society Limited. Founded November 10th, 1 8 3 2 , Halifax 1 9 3 2 , S. 151ff. Berechnet nach den Angaben ebd.

re Engagement von Frauen in dieser Frage hatte zwei Wurzeln. Zum einen bildete die Kritik die lange praktische Tradition des Engagements von Frauen in der Armenfursorge ab. Und unter kurzfristigem politischen Aspekt erleichterte das entschiedene Eintreten für die Ärmsten der Armen der Frauenbewegung, ihren eigenen Anspruch auf Teilhabe und Emanzipation überzeugend zu legitimieren. 255 Unterstützt wurden die Frauen von sozialreformerisch engagierten, der Arbeiterbewegung nahestehenden Intellektuellen wie den Webbs. Die Betroffenheit über die Lage der städtischen Armen, denen sie bei Hausbesuchen unmittelbar begegnet waren, wirkte bei ihnen wie bei zahlreichen anderen Intellektuellen als wichtiger Antrieb hinter den Bemühungen um eine soziale Öffnung der Selbsthilfeeinrichtungen nach unten. 256 Nicht zu übersehen war indessen auch das parteipolitische Motiv. Die Gründung einer eigenständigen Partei der sozialen Reform neben den Liberalen, für welche die Webbs und andere Angehörige der 1 8 8 4 gegründeten Fabian Society eintraten, setzte voraus, daß es gelang, die Schranken sozialer Exklusivität, auf die man in den Gewerkschaften wie bei den Konsumvereinen traf, möglichst vollständig niederzureißen. Während die Arbeiter- und Frauenbewegung vom Selbsthilfesektor eine

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stärkere Generalisierung seiner zum Teil auf Privilegien und Subventionen gestützten Leistungen forderte, machten andere Gruppen diese Privilegien selbst zum Gegenstand der Kritik. Die Organe des allmählich besser und schlagkräftiger organisierten Einzelhandels nahmen seit den 1880er Jahren die Steuerexemtion der Vereine verstärkt aufs Korn.257 Ihren Hebel bildete die Übernahme des Musters durch sozial bessergestellte Gruppen, wie sie vor allem in den erwähnten Genossenschaftsbildungen von Beamten und Offizieren in London zum Ausdruck kam.258 Dem organisiertem Handel boten die Läden ohne sozialreformerischen Anspruch und mit einer den Interessen der Festbesoldeten entsprechenden aggressiven Preispolitik den willkommenen Anlaß, um in der Presse gegen bestehende Steuerprivilegien der Konsumvereine überhaupt vorzugehen. Die Agitation zeigte so weit Wirkung, daß sich ein Parlamentsausschuß mit den Beschwerden befaßte. Im Ergebnis wurde es Beamten der Krone untersagt, leitende Funktionen in Handelsunternehmen auszuüben. 259 Immerhin bewies der Vorgang, daß die Basis genossenschaftlicher Privilegien auch in Großbritannien keine unbefragt weitergeltende Konvention war, sondern fortdauernder Legitimationsanstrengungen bedurfte. Die Konsumvereine registrierten die daraus für ihr Ansehen erwachsenden Gefahren sorgfältig und distanzierten sich vehement vom »Mißbrauch« ihrer Form. Im Interesse des eigenen Ansehens gingen sie so weit, eine Abspaltung des Beamtenflügels in Kauf zu nehmen. Gegenüber den Forderungen nach einer Veränderung ihrer tradierten Organisationsform im Interesse der in neuer Intensität vorgetragenen Forderungen nach Gleichheit und Gerechtigkeit blieben sie jedoch reserviert. Die Vertreter der neuen Richtung erhielten seit 1890 regelmäßig die Möglichkeit, ihre Forderungen auf den Kongressen vorzutragen.260 Der erstaunlichen inneren Liberalität entsprach aber kein entschlossener Kurswechsel. Was die Führung tat - was sie tun konnte, angesichts der Tatsache, daß jeder einzelne Verein in den angesprochenen Fragen letzdich autonom entschied - , war, den Weg für einzelne Versuche freizugeben, um in Armenbezirken Läden nach einem anderen Organisationsmuster u.a. mit niedrigen Preisen zu etablieren. Deren Scheitern bestätigte ihren Konservatismus.261 Von den übrigen Vereinen prallten die Forderungen nach einer sozial gerechteren Geschäftspolitik ohnehin ab. Die Kombination von hohen Tagespreisen und Dividenden war in einem halben Jahrhundert zu einem Stück britischer Arbeiterkultur geworden, welches moralischen Appellen beharrlich trotzte. Die Öffnung der Vereine erfolgte langfristig auf anderem Wege: durch Verbesserungen im Lebensstandard der unteren Arbeiterschichten, mehr jedoch noch dadurch, daß in den zwanziger Jahren die Rückvergütung durch den Druck der Konkurrenz an Bedeutung verlor und die Politik hoher Tagespreise aufgegeben werden mußte. 262 96

Ein anderer Punkt, in dem sich die Vereine gegen eine Vereinnahmung durch die sozialistische Opposition sperrten, betraf ihre Stellung zur Labour Party. Versuche, die Konsumvereine enger an die Arbeiterbewegung zu binden, um auf dieser Grundlage eigene Arbeiter- und Gewerkschaftskandidaten ins Parlament zu bringen, reichten bis in die frühen 1890er Jahre zurück.263 Nur eine Handvoll von Konsumvereinen gab den Appellen der politischen Führung der jungen Arbeiterpartei nach und trat der neuen Organisation bei. Die überwältigende Mehrheit hielt sich unter Hinweis auf den Neutralitätsgrundsatz zurück. Dabei spielte auch der aggressivere Charakter des »new unionism«, der die Gewerkschaftsbewegung seit den 1890er Jahren prägte und der in einem offensichtlichen Stil- und Interessenunterschied zu den Co-ops stand, eine wichtige Rolle. 264 Erst nach den Erfahrungen und gesellschaftlichen Veränderungen als Folge des Ersten Weltkriegs änderte sich die Haltung der Konsumvereine in diesem Punkt allerdings auch dann nicht durch einen direkten Eintritt in die Labour Party, sondern durch die Gründung einer eigenen »Co-operative Party«, die eine parlamentarische Allianz mit der Arbeiterpartei einging.265 Bei dieser Gelegenheit wie auch schon bei den wenigen der Labour Party inkorporierten Vereinen erwies sich, daß die Konsumentenrolle entgegen vielen Hoffnungen nicht als Basis für einen breiten, wirksamen politischen Mobilisierungsprozeß ausreichte. Das lag an der sozialen und politischen Heterogenität der als Käufer zusammengeschlossenen Mitgliedschaft, ein Faktor, der sich seit den 1890er Jahren auf den Kongressen als heftiger Widerstand gegen den Anschluß an die eine oder andere politische Partei bemerkbar machte.266 Es hatte jedoch auch, um es auf den Punkt zu bringen, etwas mit den guten historischen Erfahrungen der Konsumenten mit beiden großen Parteien zu tun. Die konsequente britische Freihandelspolitik seit dem Widerruf der Kornzölle im Jahre 1846 und die Senkung indirekter Steuern boten wenig Ansatzpunkte für eine politische Profilierung der Konsumentenrolle. Wenn der Handelspreis von Lebensmitteln in einem typischen Arbeiterhaushalt zwischen 1877 und 1887 um rd. 30 Prozent fiel, - im übrigen der mit Abstand größte Preis- und Kostensprung im ganzen 19. Jahrhundert - lag das unmittelbar am gestiegenen Import preiswerter Grundnahrungsmittel oder, anders ausgedrückt, in der Entscheidung der politischen Eliten des Königreichs, die Rationalisierungsgewinne aus einer verbesserten weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht durch Zollmauern auszusperren.267 Die politische Enthaltsamkeit der Konsumvereine sorgte bis 1914 dafür, daß ihr die ursprüngliche parteiübergreifende politische Basis im Parlament erhalten blieb.268 So konnte der parlamentarische Ausschuß der Co-operative Union im Zusammenhang mit der Debatte über das zentrale Verbraucherschutzgesetz der Vorkriegszeit, dem Food and Drugs Act von 97

1899, den Befürwortern einer direkten parlamentarischen Vertretung nicht ohne Stolz entgegenhalten, daß man auch so keine »Schwierigkeiten [gehabt habe], unsere Ideen in dem neuen Gesetz zu verankern.«269 Die Integration der Vereine in das politische System hielt letzdich auch die sich seit den 1880er Jahren - besonders in Schottland - organisiert formierende und zeitweise sehr lebhafte Agitation der Kleinhändler im Zaum bzw. begrenzte ihre Resonanz. Im Jahre 1913 berichtete das zur Abwehr von Boykott- und Einschüchterungsmaßnahmen des organisierten Handels eingerichtete »Co-operative Defence Committee« den versammelten 488 Delegierten des Kongresses in Aberdeen das erste Mal nach langer Zeit, daß es im Verlauf der letzten zwölf Monate nicht ein einziges Mal habe zusammentreten müssen.270 Es wäre einseitig, in der Kritik der Arbeiter- und Frauenbewegung an den Co-ops und dem Selbsthilfesektor insgesamt nur eine Belastung ihrer politischen Legitimation zu sehen. Die Vereine hatten durch ihren immensen Reichtum, ihr selbstbewußtes Führungskorps und ihre praktische Bedeutung ein solches Ansehen erworben, daß sich ihre alten Männer nicht nur angesichts der Kritik der jungen sozialistischen Heißsporne gelassen zurücklehnen und an ihre eigene Sturm- und Drangzeit erinnern konnten, sie zogen gerade wegen ihrer Ressourcen auch andere Strömungen an sich.271 Die Bewegung zur Ausdehnung des Universitätsstudiums auf Arbeiter in den 1880er Jahren nahm den noch von Owen her stammenden Erziehungsanspruch beim Wort und führte eine Reihe von Projekten gemeinsam durch.272 Am wichtigsten erwies sich unter diesem Aspekt die Arbeit der Frauengilde, die nicht nur in der Kritik, sondern auch in der praktischen Tätigkeit enorm dazu beitrug, den »Co-operative stores« weiterhin das Ansehen einer im weitesten Sinne sozialfürsorgerischen Institution zu sichern. 273 Innerhalb der Vereine übernahmen die lokalen Sektionen der Frauengilde fürsorgerische Funktionen bei der Betreuung älterer und kranker Mitglieder oder der Organisation von Festen und Basaren zur Finanzierung sozialer Aufgaben. 274 Mit all dem Selbstbewußtsein, das der Bedeutung ihrer Tätigkeit entsprach, forderten ihre Vertreterinnen auf nationalen Kongressen dann auch die Anpassung der Zuschüsse für ihre Organisation, denn schließlich - so ihr Argument - sei es »die Gilde, die konsumgenossenschaftliche Enthusiasten mache, und Enthusiasmus in einer Bewegung wie dem co-operative movement mache allen Unterschied der Welt.«275 Die erhaltenen Protokolle der lokalen Gilden lassen erkennen, über welchen Schatz an ausgefeilten vereinskulturellen Ritualen die britische Gesellschaft um die Jahrhundertwende verfügte, um freiwillige Zusammenschlüsse dauerhaft zu reproduzieren und von innen heraus soziales Engagement zu mobilisieren. Zu diesem Repertoire gehörten die Wahl von »officers«, die Organisation von »surprise nights« zur Auflockerung der 98

Sitzungsfolge, die Ehrung älterer Mitglieder, um die Institution an den Lebenszyklus anzulehnen und ihr eine eigene Geschichte zu vermitteln sowie die Ernennung von »Ehrenmitgliedern« - das letzte im übrigen eine typische Gelegenheit, um sich über das Tagesgeschäft hinaus mit den Grundprinzipien und letzten Zielen des eigenen Zusammenschlusses auseinanderzusetzen. Im übrigen aß und feierte man zusammen, schmückte gemeinsam Tannenbäume, besuchte Theatervorstellungen aus dem eigenen Kreis heraus oder organisierte Schwimmkurse für den Nachwuchs. 276 Aus diesen Binnenritualen entstanden die Voraussetzungen, um als Gruppe handeln zu können, und zwar nicht nur, weil man sich kannte und vertraute, sondern weil der Gruppenzusammenhang tendenziell den Hiatus zwischen den eigenen Interessen und altruistischem Engagement aufhob. 2 7 7 Das einzelne Mitglied profitierte von diesen Veranstaltungen so sehr, war so in sie eingebunden, daß es auf die Anforderungen zu eigenem Engagement bereitwillig reagierte. Derartige Muster und Techniken zur effektvollen Innengestaltung des Vereinslebens konnten viel dazu beitragen, Mobilisierungsprozesse auf kleiner Flamme lange Zeit am Leben zu erhalten. 278 In letzter Instanz war es die Frauengilde, die den als männliche Agitationsbewegung entstandenen englischen Konsumvereinen den Weg in die Familie öffnete, und sie - nicht ohne das Wohlwollen der überwiegend männlichen Funktionäre - zu hochverdichteten »Familienunternehmen« machte. Hinzu kam last but not least die bedeutsame Rolle floriender Co-ops als Anker und Mäzen für die in der englischen Sozialpolitik auf lokaler Ebene so wichtigen karitativen Initiativen. Kein Rechenschaftsbericht auf dem jährlichen nationalen Kongreß, kein »balance sheet«, keine Protokollnotizen lokaler Komitees um die Fest- und Weihnachtszeit, die nicht Hinweise auf Spenden fur fursorgerische Zwecke enthalten. 279 Auf dem Wege über die Allianz mit neu aufsteigenden Bewegungen erneuerten sich wenigstens partiell die Legitimationsgrundlagen einer schon saturiert erscheinenden Organisation, weil die alten Strukturen als Träger neuer Reformvorhaben auftraten. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß sich der gesellschaftliche Stellenwert von Selbsthilfeeinrichtungen wie den Konsumvereinen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu ihren Ungunsten veränderte. Die Entwicklung trat jedoch nicht abrupt und linear ein, sondern vertrug sich phasenweise durchaus mit einer partiellen Wiederbelebung des schon verlorengegangenen Bewegungscharakters.

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IV. Lockung und Zwang Der Weg der Arbeiter zur Respektabilität Zwischen der ersten großen Gründungswelle von Konsumentenzusammenschlüssen in den frühen 1830er Jahren und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges änderte sich vieles an der Situation der Mehrheit der Konsumenten aus der Arbeiterschaft und den übrigen gering und unstetig verdienenden Berufen. Ein dichter gewebtes Kontrollnetz von Ärzten und Gesundheitsbeamten dämmte seit den 1880er Jahren die Praxis der Lebensmittelfälschungen gegenüber früheren Perioden spürbar ein, wenn es sie auch längst nicht vollständig beseitigte. 280 Um die gleiche Zeit wichen nach zähem Widerstand die Ausläufer des frühindustriellen Truckwesens. Alle verfügbaren Statistiken über den Pro-Kopf-Verbrauch höherwertiger Lebensmittel zeigen spätestens seit den 1870er Jahren einen eindeutig, mitunter steil nach oben gerichteten Trend. Daß sich die große Mehrheit aller Konsumenten vor dem Ersten Weltkrieg ungleich besser und gesünder ernährte als ihre Großeltern, steht außer Frage. Der langfristige, nach der Jahrhundertmitte besonders stark ausgeprägte Anstieg der Reallöhne ließ für viele überhaupt erst einen Puffer zwischen den fur die Befriedigung der Grundbedürfnisse notwendigen Ausgaben und dem insgesamt verfügbaren Einkommen entstehen, einen Puffer, der bis dahin, so er überhaupt bestand, mit dem Verzicht auf ein Minimum an kulinarischer Vielfalt und ausgewogener Ernährung hatte bezahlt werden müssen. Doch die Entwicklung blieb begrenzt und prekär. Mit dem kräftigen Wiederansteigen der Lebensmittelpreise nach 1890 kam fur große Teile der Arbeiterschaft der Trend zu wachsenden Reallöhnen der Jahrzehnte davor fast zum Stillstand. Zwischen 1896 und 1912 sank die Kaufkraft des Pfundes um fast 20 Prozent. Seebohm Rowntrees berühmt gewordene Studie über die weite Verbreitung von Armut in York belegte, daß zwischen einem Viertel und einem Drittel der Bevölkerung um die Jahrhundertwende in einem Zustand lebte, in welchem das »Einkommen nicht ausreichte, um das Minimum an Grundnahrungsmitteln zur Erhaltung der bloßen physischen Leistungsfähigkeit« zu beschaffen. 281 Nur die bestbezahlten Arbeiter - Buchdrucker und Eisengießer - und selbständige Handwerker brachten in der Woche etwa zwei Pfund nach Hause. Zwei Drittel aller Arbeiter lagen mit ihrem Einkommen dagegen unter 25 Shilling. »Round about a pound«, der sprichwörtlich gewordene Titel einer 1913 durchgeführten Untersuchung über die Haushaltsführung von Arbeitern, traf mit großer Genauigkeit die Summe, mit der die Mehrheit britischer Arbeiterfamilien vor dem Ersten Weltkrieg während einer Woche zu wirtschaften hatte, und zugleich jenes Minimum, das eine funfköpfige Familie ohne gravierende, 100

i. e. gesundheitsschädliche Einschränkungen benötigte. 282 Einkommensausfall durch Arbeitslosigkeit, Krankheit des Mannes oder der mithelfenden Ehefrau, mit dem Alter nachlassende physische Leistungsfähigkeit, unvorhergesehene Aufwendungen fur Bestattung, Geburt, Krankheit, die schwächliche Konstitution eines der minderjährigen Kinder, der aus welchen Gründen auch immer erzwungene Wechsel in eine geringfügig teurere Wohnung durchschlugen leicht das schmale Polster, das sich zwischen laufende Einnahmen und Ausgaben geschoben haben mochte. Schließlich waren da noch neben der allmählich an Bedeutung verlierenden Droge des Alkohols die gegenüber früheren Epochen ungleich größer gewordenen Verlockungen der Urbanen Konsumgesellschaft, welche durch Massenproduktion, Rationalisierung und Preissenkungen Artikel des gehobenen Konsums in die Reichweite jener brachten, die sie bis dahin nur aus der Ferne als Attribute eines höheren Status wahrgenommen hatten. Der Versuchung, solche Käufe auf Abzahlungsbasis einzugehen, widerstritt die Tatsache, daß die große Mehrheit der zu Stunden- oder Tagelohnsätzen beschäftigten Arbeiter - nicht anders als viele kleine Selbständige - selbst bei kontinuierlicher Beschäftigung nicht genau wußten, was sie am Ende der wöchentlichen Lohn- bzw. Abrechnungsperiode in den Händen halten würden. »Das Problem, Einkommen und Ausgaben in Einklang zu bringen«, heißt es in der Einleitung zu einer 1985 publizierten Studie über die »Ökonomie der britschen Arbeiterklasse«, »ist allen Klassen und Gesellschaften gemeinsam.«283 Manchen falle es leichter, dort jedoch, wo das Einkommen unregelmäßig und klein sei und es wenig Manövrierspielraum gebe, seien die Kosten eines Versagens außergewöhnlich hoch. Die hier von dem Autor, dem englischen Wirtschafts- und Sozialhistoriker Paul Johnson, getroffene nüchterne Feststellung enthält ein wichtiges Korrektiv gegenüber einer Überschätzung spiritueller Motive und Bedürfnisse als Ferment von Selbsthilfezusammenschlüssen. Der Einkommensausgleich bildete in der Tat die wichtigste Achse, um die sich die gesamte Selbsthilfebewegung und viele andere arbeitertypische Institutionen drehten. Der Penny-Klub, der Anteil bei der Building Society und dem Konsumverein, die Police bei der Lebens-, Begräbnis- und Krankenversicherung, aber auch die Pfandleihe und das Konto bei der Postsparkasse variierten das gleiche Thema, Ausgabenhochs - die Mietzahlung, neue Kleidung, ein Möbelstück, Geschenke und das besondere Essen zu Weihnachten oder auch nur den Sonntagsstaat für den Kirchgang - und Einkommensausfälle zur Deckung zu bringen. Unter diesen Einrichtungen nahmen die Konsumvereine eine besondere Position ein. Nirgendwo vollzog sich der Prozeß des Sparens so schmerzlos wie hier. Die ingeniöse soziale Erfindung von Tagespreisen und vierteljährlicher Dividende verhalf oft Personen, die sonst nicht oder nur 101

schwer sparen konnten, zum ersten Mal zu einem größeren disponiblen Fond. Was in der Frühzeit der Bewegung gelegentlich als regelrechte Freudenprozession nach außen drang,284 vollzog sich später stiller, ohne weniger bedeutungsvoll zu sein: unzählige Male brachte die Auszahlung der »Divi« in Arbeiterhaushalten die sehnsüchtig erwartete Hilfe aus einer fatalen Liquiditätsklemme. Wählt man konsequent die Perspektive des Arbeiterhaushaltes, löst sich vieles, was von außen betrachtet als Widerspruch erscheint, zwangslos auf, wie etwa der Wunsch nach einer hohen Dividende und die hartnäckige Weigerung, die dafür erforderliche Barzahlungsdisziplin durchzuhalten. Wie spiegelten sich diese Entwicklungen in der Position der Vereine im Handel insgesamt? Der Anteil der Gesellschaften am Gesamtumsatz des Einzelhandels nahm seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts fortlaufend zu. Bei Lebensmitteln und Haushaltsgütern, die etwa drei Viertel des Umsatzes der Konsumvereine ausmachten, erreichten die Unternehmen 1914 insgesamt einen Anteil zwischen 10,5 und 12 Prozent. 285 Beschränkt man sich auf Lebensmittel im engeren Sinne, dann kaufte die britische Bevölkerung um die Jahrhundertwende bereits 14 bis 16 Prozent aller Grundnahrungsmittel in Konsumvereinen, ein Anteil, der bis 1915 auf 17 bis 19 Prozent stieg.286 Die etwas über drei Millionen Mitglieder der Vereine im Jahre 1914 entsprachen zusammengenommen 6,6 Prozent der Wohnbevölkerung bzw. ca. einem Viertel aller Haushalte. Der Konkurrenzdruck der sich seit 1890 rasch verbreitenden Kettenund Filialgeschäfte, deren Umsatzschwerpunkt ähnlich wie der der Co-ops im Lebensmittelsektor lag, trug dazu bei, daß die Höhe der Dividende seit diesem Zeitpunkt zusammenschrumpfte. Gleichwohl bleibt ihr Umfang erstaunlich genug und ein eindrucksvoller Beleg fur den nach wie vor bestehenden Rationalisierungsvorsprung der Zusammenschlüsse gegenüber

Tabelle 8: Dividendenverteilung in englischen Konsumvereinen 1895-1914 Prozentsatz der Dividende

bis 10 10-15 über 15 Gesamt

Anteil der Mitglieder, die eine Dividende erhalten (in Prozent) 1895

1905

1914

15,0 59,3 25,7

24,4 53,4 22,2

30,3 50,2 19,5

100

Quelle: Hough, Dividend, S. 78.

102

100

100

großen Teilen des Einzelhandels. Berücksichtigt man neben den Dividendensätzen die Summe von 15 Pfund Sterling, die das durchschnittliche Mitglied im Jahre 1912 an Anteilen angesammelt hatte,287 wird auch erklärbar, warum es den Vereinen offenbar gelang, einen so außerordentlich hohen Anteil aller Ausgaben ihrer Mitglieder auf sich zu ziehen. Nichtkäufer und Doppelmitgliedschaften von Haushalten nicht ausgeschlossen, setzte das durchschnittliche Mitglied jährlich in den beiden Jahrzehnten zwischen 1890 und 1914 etwa 30 Pfund in »seinem« Laden um.288 Wie sich diese Durchschnittszahlen aus der Perspektive eines gutsituierten Mitglieds eines schottischen Vereins darstellten, belegt eine von Charles Booth und anderen im Jahre 1896 editierte Haushaltsrechnung, die sich in einem Sample von 28 aufgenommenen Budgets findet. Der Betreffende, ein verheirateter, gut verdienender Handwerker mit drei kleinen Kindern bezog bei einem Jahreseinkommen von rd. 112 Pfund und Ausgaben von rd. 85 Pfund nach eigenen Angaben zwischen 12 und 14 Pfund Dividende - eine Summe, wie er ergänzte, »für die ich nichts zu tun habe, die der Gewinn aus den Käufen beim Co-op ist, bei dem wir alle Mitglieder sind und von dem wir alle unsere Waren beziehen.«289 Das Ensemble der Selbsthilfe-Institutionen, aus denen der um die Grundnahrungsmittel zentrierte Konsumverein wegen des überragenden Gewichts der entsprechenden Ausgaben im Arbeiterhaushalt deudich herausragte, bildete eines der tragenden Fundamente fur die Respektabilität und Integration der lange Zeit die Arbeiterbewegung dominierenden »Arbeiteraristokratie«290 in die britische Gesellschaft. Es liefert eine Teilantwort auf die aus deutscher Perspektive naheliegende Frage, warum der Klassengegensatz von bürgerlicher und sozialer Demokratie in England erst um die Jahrhundertwende und nicht wie in Deutschland vierzig Jahre zuvor politisch über formt wurde. Der Beitrag dieser Institutionen zur sozialen Integration beschränkte sich jedoch nicht nur auf die rein ökonomische Seite. Sie strahlten unmittelbar auf das Selbst- und Fremdbild der englischen Arbeiterschaft aus. Man kann das vielleicht am besten an der langen Liste ihrer gesellschaftlichen und politischen Verbündeten ablesen, die von Robert Owen über John Stuart Mill bis hin zu eigenen Kabinettsministern der Co-operative Party in den 1920er Jahren reichte. Den Weg zu diesem Ergebnis bahnten Lockung und Zwang. Als Lokkung dienten Versprechen wie das des Philosophen des »Self-Help« Samuel Smiles, mit Fleiß, Sparsamkeit und einem wohlanständigen Lebenswandel, mit anderen Worten, mit eigener Anstrengung einen respektablen Platz in der Gesellschaft erreichen zu können. 291 Unterstützt wurde Unterschichtenselbsthilfe seit den 1820er Jahren von einer breiten Infrastruktur sozialreformerischer Einrichtungen, die Kommunikation herstellte, Beratungsmöglichkeiten bot, Erfahrungen festhielt, an entscheidenden Stellen 103

politisch-parlamentarische Unterstützung beschaffte und, rückblickend betrachtet, den Gesprächsfaden nie abreißen ließ.292 Die Lockung konnte solche Formen annehmen wie den Besuch des Vizekönigs von Indien, der es sich nicht nehmen ließ, im Jahre 1888 dem Kongreß der Co-operative Union seine Referenz in einem Maßanzug aus der Schneiderwerkstatt eines Konsumvereins zu erweisen,293 oder wie die Grußadresse des Earl of Derby im Jahre 1881, in der er den anwesenden Repräsentanten der Konsumvereine mit der Bemerkung schmeichelte, »daß Kooperation eine wichtigere Frage für die Zukunft Englands [sei] als neun Zehntel der Tagesordnung im Parlament.«294 Sie konnte sich in klingender Münze als Zinssubvention, Steuerprivileg und günstige Rechtsform auszahlen wie schließlich auch in der Zurückhaltung des Parlaments gegenüber allen Forderungen des organisierten Einzelhandels, diese Subventionen als Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen.295 Mit ähnlicher Selbstverständlichkeit zögerten die englischen Co-ops offenbar schon in den 1890er Jahren nicht mehr, ihre leitenden Positionen dort, wo sich aus den eigenen Reihen kein qualifiziertes Personal fand, mit fremden Bewerbern zu besetzen.296 Daß die aus Spareinlagen, Beiträgen und Anteilen zusammengetragenen Fonds aus der Perspektive der Mitglieder als jederzeit und zu jedem Zweck disponibles Eigentum angesehen wurden, machte von der anderen Seite her gesehen zugleich das Hauptproblem aus. Ein durchgehender Strang in der Geschichte der Selbsthilfe bestand in der Synchronisierung der individuellen Hauswirtschaft und ihrer Logik mit den Funktionserfordernissen überindividueller Institutionen. An wenigen Stellen, scheint es, gelang dies so gut wie bei den Konsumvereinen. Die Ursache lag jedoch nicht im Haushalt allein, sondern auch in der politischen Bewegung: konkret in der Verwendung von Konsumvereinen als Ansparkassen für das langfristige Ziel der Landkommunen, ein Schritt, mit dem der Owenismus ein Vehikel sozialen Fortschritts in Gang gesetzt hatte, das sich mit vergleichsweise geringer Energiezufuhr weiterbewegte. Neben autonomen politischen Impulsen gehörte zur Selbsthilfegeschichte immer auch die zum Teil mit offener oder verdeckter Drohung erreichte Abschirmung der angesammelten Fonds gegenüber anderen als den statutenmäßig vorgesehenen und aus der Perspektive des Staates und der Gesellschaft erwünschten Zwecken. Mit Fonds aus Geschäftsanteilen und Versicherungskassen ließen sich ebenso Arbeitslosigkeit und Krankheit wie Lohnausfall als Folge von Streiks überbrücken. Um solchen »Mißbrauch« zu verhindern und die institutionelle Spezialisierung voranzutreiben, erließ das englische Parlament Rechtsvorschriften mit entsprechenden Sanktionen bis hin zur Auflösungsdrohung. 297 Bei den Konsumvereinen waren diese Restriktionen etwas schwächer als bei den Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, was mit der berechtigten Vermutung zusam104

menhing, der kontinuierliche Betrieb erschwere eine Verwendung der Mittel für andere Zwecke. Je weiter die Verhältnisse gediehen, desto mehr ersetzten - der Tendenz nach - die Eigendynamik, der Professionalisierungsbedarf, aber auch die erzieherischen Wirkungen der Institutionen und ihrer Regeln auf die Mitglieder den offenen Zwang. Eine genauere Untersuchung über die konkrete Wirkungsweise der verschiedenen Einrichtungen für den Arbeiterhaushalt könnte vielleicht zeigen, daß sich die verschiedenen Fonds in ihrer Funktion für den Einkommensausgleich auf einer fortgeschrittenen Stufe ergänzten und sich dementsprechend die Neigung zu ihrer Zweckentfremdung bzw. zu einem Kurzschluß verringerte. Wie verschlungen die Wege zu einem prekären Gleichgewicht aus alltäglichen Bedürfnissen, Selbsthilfe, gesellschaftlichen Vorgaben und geschäftlichen Erfordernissen tatsächlich sein konnten, dafür lieferte das aus früheren Sozialisten rekrutierte Leitungskorps der Konsumvereine lange Zeit ein anschauliches Beispiel. In keinem anderen Zweig der Selbsthilfebewegung war es in dieser Weise gelungen, millenarische Hoffnungen und praktischen Geschäftssinn so überzeugend miteinander zu vermitteln wie hier.

105

Drittes Kapitel Individualisierung des Marktausgleichs und Anfänge der Selbsthilfe. Konsumvereine in Deutschland I. Einige wirtschafts- und sozialstrukturelle Unterschiede zu England Der Eindruck geringer Unterschiede in der Verbreitung von Konsumentenzusammenschlüssen in Deutschland und England, den man von 1914 her gewinnen kann, relativiert sich, je weiter man zeitlich zurückgeht. Im Vergleich zum ersten Aufschwung der englischen Bewegung setzte eine bedeutende Gründungstätigkeit in den deutschen Staaten erst drei Jahrzehnte später Mitte der 1860er Jahre ein. Etwa ab 1880 lief die Aufwärtsentwicklung dem Trend nach, wenn auch noch auf einem sehr unterschiedlichen Sockel, parallel. Viel von dem, was die deutsche Bewegung bis dahin versäumt hatte, holte sie seit den 1890er Jahren nach. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs übertraf die absolute Zahl der Vereine erstmals die der englischen. Insgesamt blieben die englischen Konsumenten mit rd. drei Millionen gegenüber 2,25 Millionen Konsumvereinsmitgliedern in Deutschland jedoch deutlich organisationsfreudiger. Hinter den offensichtlich so verschiedenen Phasenverläufen verbergen sich weitreichende Unterschiede in Art und Tempo der Durchsetzung moderner konsumgesellschaftlicher Strukturen und ihres sozialen Substrats, dem formal freien, lediglich von Gütermarkt abhängigen, über Bargeld verfugenden Konsumenten. 1 Charakteristisch für die deutsche Entwicklung war u.a., daß der Druck der rasch wachsenden Bevölkerung zunächst noch überwiegend auf dem Land lastete, so daß sich der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen bis zur Jahrhundertmitte nur sehr zögernd reduzierte (vgl. Tab. 10). Erst mit der Reichsgründung wurde im Verhältnis von agrarisch und gewerblich Beschäftigten jenes Niveau erreicht, auf dem sich die englische Gesellschaft mit ihrer ungleich stärker großbetrieblichen und auf Lohnarbeit beruhenden Landwirtschaft schon hundert Jahre zuvor befunden hatte. 106

Tabelle 9: Konsumvereine in England/Wales und den deutschen Staaten. Anzahl und Mitglieder 1835-1914 Deutsche Staaten

England/Wales Jahr

Berichtende Vereine

Gesamt- Mitglieder zahl aller berich-

Berichtende GeVereine 4 schätzte

tenden Verei-

Gesamt-

tenden Verei-

ne (in 1 0 0 0 )

zahl 5

ne (in 1 0 0 0 )

1835

3001

1852 1857

1702 2003

1864

394

1865

417

815

149

38 34

1866 1867

436 577

839

46 49

111

906

175 172

1868 1870

670

956 969

209 250

75 111

318 354

1880 1890

1.177 1.240

1900 1914

1.439 1.385

749

Mitglieder aller berich-

30 -

129

8 7 -

14 19 34 46

-

554

195

-

94

-

962

263

-

215

-

1.707 3.054

568 1.5636

-

522 2.250

1 Vgl. oben S. 80. 2 Schätzung Thomas Hughes (Präsident der Co-operative Union), Cooperative Congress 1869, S. 10. 3 Ebd. 4 In der Zahl der berichtenden Vereine sind bis Mitte der 1870er Jahre auch eine Reihe (unter einem Dutzend) österreichischer Vereine enthalten. 5 Aus der Zahl der von Schulze-Delitzsch geschätzten Vereine wurden die österreichischen Vereine herausgerechnet. Grundsätzlich gilt, daß die Angaben über die Gesamtzahl existierender Vereine besonders im deutschen Fall nicht sehr zuverlässig sind. Auch wenn sich die Zahlenangaben nach 1867 stabilisierten, belegt das nicht unbedingt eine größere Zuverlässigkeit. Mit hoher Wahrscheinlichkeit schrieb Schulze-Delitzsch einmal erhaltene Angaben über Gründungsabsichten bis auf weiteres fort. Die hohe Fluktuation, überhaupt die Frage, wie groß der Bestand war, lassen sich aus diesen Angaben nicht ablesen. Hinzu kommt, daß sich hinter den Angaben entgegen dem programmatischen Verbandsnamen (»auf Selbsthülfe gegründet«) eine Reihe von Unternehmen getragene Konsumvereine verbergen. 6 Zusammenfassung der Daten für den liberalen Allgemeinen Verband, den christlich-katholischen Reichsverband deutscher Konsumvereine und den sozialdemokratisch-freigewerkschaftlichen Zentralverband deutscher Konsumvereine. Quellen: Für England, ab 1864 nach den Angaben der Co-operative Congress Reports, die wiederum auf der regelmäßigen Berichterstattung des Chief Registrars fur die Provident and Industrial Societies beruhen; für die deutschen Staaten Jahresberichte über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften 1866fF.; seit 1903 ergänzt durch Jahrbuch des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine; seit 1908 Jahrbuch des Reichsverbandes deutscher Konsumvereine.

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Tabelle 10: Beschäftigte in Landwirtschaft und Gewerbe in England/ Wales und den deutschen Staaten 1 7 7 0 - 1 9 1 1 (in Prozent aller Beschäftigten) Jahr

England/Wales Landwirtschaft

1770

Industrie und Handwerk

Deutsche Staaten Landwirtschaft

Industrie und Handwerk

_

ca. 4 2

1800 1821/25

35,9 28,4

29,7 38,4

61,8 59,0

21,3 22,0

1841/46 1861

22,2 18,7

40,5 43,6

56,8 51,7

23,3 27,3

1871

15,1

1891/95 1907/11

10,5

43,1 43,9

49,3 35,0

28,9 38,5

8,3

46,4

28,4

42,2

Quellen: Deane u. Cole, S. 142; Adna Ferrin Weber, The Growth of Cities in the Nineteenth Century. A Study in Statistics, Ithaca/New York 1899, ND 1967 3 , S. 166; Rowland E. Prothero, The Pioneers and Progress of English Farming, 1888,S. I l l ; Hoffmann, S. 204f.; Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch I, S. 52; Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 66.

Ähnliches gilt mit nur geringer Abschwächung für den Urbanisierungsgrad beider Gesellschaften. Die typische Wohnsituation in den deutschen Staaten trug von der vorindustriellen Zeit bis in die 1870er Jahre ausgeprägte Züge der traditionellen Ackerbürgergemeinde mit einem starken agrarischen Nexus. Drei Viertel der deutschen Bevölkerung wohnten bis zur Reichsgründung in Gemeinden unter 5 . 0 0 0 Einwohnern, was in England und Wales dem Stand von 1 8 0 0 entsprach (vgl. Tab. 2). Auch dort, wo es vor 1 8 5 0 zu einem ersten Industrialisierungsschub durch Fabrikengründungen kam, änderte sich zunächst oft wenig an den Verhältnissen, zumal Großbetriebe bis zu diesem Zeitpunkt Inseln im Meer kleingewerblicher Produktion blieben. Im Reichsgründungsjahrzehnt verwies ein Verwaltungsbeamter der westfälischen Textilstadt Rheine auf die weiterbestehende Abhängigkeit der Industriearbeiter und Tagelöhner von einem agrarischen Rückhalt: »Die Nahrungsmittel an Kartoffeln, Roggen und Gemüse werden überall selbst gezogen, die übrigen Bedürfnisse theils durch Tagelohn, theils durch Weben oder Fabrikarbeit beschafft.« 2 Noch um die Jahrhundertwende übten in einer Reihe klassischer Fabrikarbeiterberufe bis zu einem Drittel der Berufsangehörigen eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Nebenberuf aus.3 108

Ein wichtiges Motiv von Konsumvereinsgründungen, das Interesse, die überlang gewordene Kette der Vermittler im Detailhandel zu verkürzen und einen unmittelbaren Zugang zu Produzenten bzw. ersten Märkten zu suchen, fand trotz bis ins 18. Jahrhundert zurückreichender Klagen in den deutschen Staaten, wo vielerorts erst seit den 1830er Jahren über die alten Plätze hinaus neue Wochenmärkte entstanden, lange Zeit wenig Ansatzpunkte. 4 Dieser Rückstand wirkte sich zusammen mit anderen restriktiven Bedingungen rechdicher und transporttechnischer Art unmittelbar auf den Zustand des für die Entfaltung von Konsumentenselbsthilfe zentralen überörtlichen Handels mit Lebensmitteln aus. Abgesehen von den Küstenregionen, einigen anderen verkehrsgünstig gelegenen Gegenden und den wenigen größeren Städten blieb der Großhandel mit Nahrungsmitteln bis zur Jahrhundertmitte zurück und war für die alltägliche Versorgung in Nichtkrisenzeiten marginal.5 In normalen Zeiten lag der Vertrieb von Nahrungsmitteln überwiegend bei Landwirten, Gelegenheits- und Viktualienhändlern. Vor diesem Hintergrund war es denn auch kein Zufall, daß jene »Konsumvereine« für Industriearbeiter, zu deren Errichtung Friedrich Harkort Hagener Unternehmer in den 1850er Jahren aufforderte, von der Sache her gerade keine Konsumentenvereinigungen, sondern landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaften darstellten. Der Weg zur Verbilligung der Lebenshaltung von Industriearbeitern führte für Harkort, wenigstens zum Teil noch, über Produktivitätssteigerungen in der Selbstversorgung.6 Hindernisse des Kommerzialisierungsprozesses lagen nicht nur im vergleichsweise intensiven, langanhaltenden und oft unterschätzten agrarischen Nexus von gewerblich Tätigen, sondern auch in fortbestehenden paternalistischen Versorgungsstrukturen in Handwerk, Handel, privaten Haushalten und, in Gestalt des Truckwesens, der Industrie. 7 Für das in den deutschen Staaten verbreitete Institut von Kost und Logis im Handwerk gab es in England kein vergleichbar entwickeltes Gegenstück. Wie ausgeprägt die Differenzen auch im gewerblichen Sektor waren, illustrieren mehr noch als die verfugbaren Angaben über das Handwerk Zahlen für den Handelssektor. Wenige Jahre vor der Jahrhundertwende hatten fast die Hälfte aller männlichen Verkäufer und etwas mehr als ein Drittel aller Verkäuferinnen in Deutschland freie Station. Gruppen, die anderswo als Vorreiter der modernen Konsumgesellschaft galten, blieben zumindest im Bereich der Nahrungsmittelversorgung lange Zeit vom Zugang zum Markt abgeschnitten. 8 Unter den genannten Unterschieden sind einige, die der Kommentierung bedürfen, weil sie leicht die beschleunigte innere Umbildung der einzelnen Sektoren verdecken. Das gilt insbesondere für die außerordentlich differenzierte Entwicklung auf dem Lande. Zwar hielten gerade in protoindustriellen Regionen die unterbäuerlichen Schichten bis zur Jahr109

hundertmitte und zum Teil darüber hinaus zäh an der Eigenproduktion von Lebensmitteln durch Viehhaltung und, soweit möglich, auch mit Hilfe gepachteter kleinerer Flächen fest.9 Dem stehen naturgemäß grobe Schätzungen gegenüber, die besagen, daß bereits »am Ende des 18. Jahrhunderts etwa zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung nicht mehr eine ausreichende Absicherung der Nahrungsmittelversorgung aus den selbst bewirtschafteten Flächen erzielten.« 10 Die Linien zwischen Subsistenzund Marktwirtschaft verschoben sich nicht nur linear entlang der Zeitachse, sondern wurden vom Auf und Ab der Ernte- und Preisentwicklung zusätzlich überlagert. In Zeiten schlechter Ernte waren die für den Westen und Südwesten charakteristischen mittel- und kleinbäuerlichen Betriebe und Pächter grundsätzlich darauf angewiesen, in einigem Umfang Grundnahrungsmittel hinzuzukaufen. Neben symbiotischen Formen von abhängiger und selbständiger Tätigkeit, die Teilen der ländlichen Bevölkerung bis ins letzte Jahrhundertdrittel hinein unter günstigen Bedingungen ein kärgliches, von Konjunkturausschlägen einigermaßen geschütztes Dasein ermöglichten, entwickelten sich, beschleunigt durch die günstige Agrarkonjunktur seit den 1840er Jahren, an vielen Stellen Formen nackter marktgeprägter Lohnarbeitsverhältnisse, die in ihrer Unstetigkeit die Unsicherheit moderner Fabrikarbeit nicht nur erreichten, sondern durchaus übertreffen konnten. 11 Von 3,9 Millionen 1895 noch vorhandenen hauptund nebenberuflichen landwirtschaftlichen Arbeitern zählten 39 Prozent oder 1,5 Millionen zu den Tagelöhnern ohne Land,12 deren Einkommensquelle der gleichermaßen konjunktur- wie saisonabhängige Lohnverdienst bildete.13 Ein für die Nahrungssicherung außerordendich bedeutsamer Versorgungsnexus, den Kommerzialisierungsprozesse auf dem Land frühzeitig zerstörten, bestand in der Versorgung ländlicher Unterschichten mit dem notwendigen Feuerholz für Heizung und Nahrungszubereitung. Die allgemeine Holzverknappung in Verbindung mit der Durchsetzung marktwirtschaftlicher Strukturen unter den Bedingungen des Geldmangels und des Pauperismus führten dahin, daß sich, wie Josef Mooser in seiner Untersuchung der ostwestfalischen ländlichen Gesellschaft gezeigt hat, mit dem Auktionswesens schon im Vormärz Extremformen der Kommerzialisierung durchsetzten. 14 Wie drückend dieser Mangel war, wie sehr er in überlieferte Versorgungsstrukturen einschnitt, geht daraus hervor, daß in Preußen (ohne Rheinprovinz) »im Jahre 1850 rund 35 000 >gemeine< Diebstähle, aber 265 000 Holzdiebstähle registriert« wurden. 15 Ähnliche Einschränkungen sind für den agrarischen Rückhalt vieler Industriearbeiter zu machen. Dieser deckte regelmäßig nur einen Teil des Grundbedarfs und schon gar keine gehobenen Bedürfnisse ab. Mit dem Fortschritt des Urbanisierungsprozesses entwickelte sich die nebenberufli110

che Tätigkeit als Landwirt immer mehr zu einem Phänomen der Klein- und Landstädte. In Großstädten des Deutschen Reiches übten 1895 nur knapp vier Prozent aller Erwerbstätigen noch einen entsprechenden Nebenerwerb aus. Auch etwas anderes ist differenzierend in Rechnung zu stellen. Die Einrichtung von Kost und Logis in Handwerk und Handel fesselte das Konsumenteninteresse der abhängig Beschäftigten, doch bedeutete sie selbstredend nicht, daß die Bedürfnisse nach Lebensmitteln nicht auf dem Markt auftraten. Was bei den Handwerksgesellen und Kaufmannsgehilfen schwächer ausgeprägt war, dürfte sich bei den Meisterfrauen in besonderem Maße gefunden haben: eine hohe Vertrautheit mit dem Markt für Lebensmittel und eine Disposition, um sich bietende Rationalisierungschancen zu nutzen. So gesehen war der in den deutschen Staaten lange nachwirkende vorindustrielle Versorgungsnexus zwar ein Hemmnis in der vollen Ausprägung der Konsumentenrolle bei wichtigen Gruppen der abhängig Beschäftigten, doch spätestens seit der Jahrhundertmitte kein unüberwindliches Hindernis mehr für einen energischen Organisationswillen, zumal bei den die Versorgungsfunktion übernehmenden kleinen Gewerbetreibenden. Aus den angedeuteten wirtschafte- und sozialstrukturellen Unterschieden zwischen beiden Gesellschaften lassen sich zunächst hypothetisch einige Schlußfolgerungen ziehen. a) Bei wichtigen Gruppen wie den Handwerksgesellen, aus denen sich die entstehende Lohnarbeiterschaft in den deutschen Staaten wesentlich mitrekrutierte, bildeten sich Konsumenteninteressen vergleichsweise spät und gehemmt heraus. Dazu trug über die Haushaltseinbindung hinaus vor allem das englisches und deutsches Handwerk deudich voneinander unterscheidende Institut der Wanderschaft bei. Weniger bedeutsam war, daß hier eine gesellschaftliche Teilgruppe als Käufer ausfiel, als vielmehr, daß einer der wichtigsten potentiellen Träger von Organisation zunächst nur geringes Interesse an Selbsthilfeformen im Konsumbereich ausbildete. b) Gegenüber kleinen und Kleinstexistenzen wie den dörflichen Viktualienhändlern und den handeltreibenden Bauern stellte das neue Muster des Konsumvereins zwar eine außerordentliche Macht mit einem großen Rationalisierungspotential dar, doch fehlte ihm in Gestalt eines leistungsfähigen Großhandels lange Zeit der notwendige organisatorische Anknüpfungspunkt. c) Zu vermuten ist, daß die relative Verspätung des Kommerzialisierungsprozesses auf dem Land wie in der Stadt sowie der Urbanisierung die allgemeine Vertrautheit von Unterschichtenangehörigen mit kommerziellen Praktiken hintanhielt. d) Die fortdauernde und nur zögernd abgebaute Bindung der Lebens111

mittelhandwerker und der Händler an vorindustrielle Regulative wie überhaupt die Kontinuität vorindustriell-ständischer Regulative im Bereich des Handwerks dürften deren Bereitschaft, sich einem von den Konsumenten ausgehenden scharfen kommerziellen Rationalisierungsdruck zu stellen, kaum gefördert haben. Insofern ist hier besonderer Widerstand zu erwarten. Den hemmenden Faktoren standen fördernde gegenüber, wobei überdies zu berücksichtigen ist, daß es sich bei den genannten Hindernissen um Tendenzen in eine bestimmte Richtung handelte, mehr nicht. Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß einige der Hauptträger von Konsumvereinen in England wie Bergarbeiter und Weber keine städtischen Schichten darstellten. Konsumvereine waren nicht darauf angewiesen, eine bestehende Struktur zu rationalisieren. Sie konnten unter bestimmten Umständen der erste Schritt zum Aufbau einer Handelsorganisation sein. Darüber hinaus stand seit der Gründung des Rochdaler Konsumvereins im Jahre 1844 für einen weiteren Zweig der allenthalben an Kraft und Bedeutung gewinnenden Selbsthilfebewegung ein neues leistungsfähiges und generalisierbares Organisationsmuster zur Verfugung, mit dessen Hilfe sich Sackgassen der Entwicklung vermeiden und Lernkosten ersparen ließen. Gerade weil das Rochdaler Muster anders als andere Organisationsformen von Unterschichten Pazifizierung und beschleunigte soziale Integration versprach, hatte es gute Chancen vor dem Hintergrund der Pauperismusdebatte und der weit verbreiteten Revolutionsfurcht durch Bürgertum und Verwaltung in den deutschen Staaten rezipiert zu werden.16 Nicht eindeutig in das Schema von fördernden und hemmenden Faktoren läßt sich die für die Verbreitung und Durchsetzung von Selbsthilfeeinrichtungen an vielen Punkten ausschlaggebende Haltung des Staates einordnen. Dem entsprach eine tatsächliche Ambivalenz, nämlich das in der Revolutionsfurcht wurzelnde und für die Staaten des Deutschen Bundes charakteristische Hin- und Herschwanken zwischen wirtschaftlichem Liberalismus, sozialem Protektionismus und politischem Autoritarismus.

112

II. Nahrungssicherung und behördliche Intervention bis 1848 »Die im Volk weitverbreitete Angst vor dem Aufkauf des Getreides und vor einer Marktbeherrschung läßt sich mit dem ebenso verbreiteten Schreckgespenst der Hexerei vergleichen.« Adam Smith, Wohlstand der Nationen, 1776.

Nicht anders als ihr englisches Gegenstück nahmen die Präambeln deutscher Konsumvereine mit Forderungen nach »unverfälschten, wohlfeilen Lebensmitteln« zu »gutem Gewicht« Bezug auf vorindustrielle Traditionen des »Nahrungsschutzes« für Konsumenten. Bereits das englische Beispiel lieferte darüber hinaus jedoch wenig Anhaltspunkte für enge Beziehungen zwischen solchen Einrichtungen und kollektiver Selbsthilfe der Konsumenten. Das am ehesten diesen Traditionen zuzurechnende, mit Kostenpreisen operierende Muster des Konsumvereins erwies sich, wie gezeigt, als Sackgasse. Inwieweit, wird im folgenden gefragt, werden diese Befunde durch die deutsche Entwicklung bestätigt? Die soziale Funktion vorindustrieller Nahrungsregulative bestand in den deutschen Staaten nicht anders als in England oder Frankreich primär in der »Sicherung, Stetigkeit und Billigkeit der Massenernährung« und der »Stabilität der Erwerbschancen der Gewerbetreibenden und Händler ... [unter] den damals in weitgehendem Maß naturgegebenen Bedingungen.« 17 In der Praxis setzte sich dieser Strang mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Stadtwirtschaftspolitik aus zwei wesentlichen Komponenten zusammen: kurzfristigen Hilfen in Notzeiten und festen, in den vorindustriellen städtischen Alltag eingelassenen Regelungen zum Schutz des Konsumenten mit der wichtigen Einschränkung, daß der Vorrang des Konsums im Alltag mit den Interessen der zünftig organisierten Lebensmittelhandwerker und Händler austariert werden mußte. 18 Das geschah in der Regel durch das stillschweigende Eröffnen von Spielräumen und das Schleifenlassen einzelner besonders rigoroser Regulative in Zeiten ausreichender Versorgung. Es gehörte zu den Erfahrungsregeln der Verwaltung, aber eben auch zum Alltagswissen vorindustrieller Konsumenten, daß den Bäckern beim jährlichen öffentlichen Probebacken als Nachweis der tatsächlichen Betriebskosten bei wechselnder Getreidequalität erhebliche Manipulationsspielräume blieben. Einzelne Bestandteile dieses »paternalistischen Modells« (Ε. P. Thompson) kehrten in deutschen und englischen Städten in zum Teil frappierender Übereinstimmung wieder. Den Marktzugang zunächst für Konsumenten, dann für Händler und Lebensmittelhandwerker signalisierte hier wie dort Glockengeläut. Brottaxen (»assize of bread«) wurden in ähnlicher Weise durch öffentliches Schaubacken festgelegt. Den Probenkauf (»sale of 113

corn by sample«) fur Produzenten und Händler verboten englische und deutsche Magistrate mithilfe von Verordnungen, die in ihrer Diktion zum Teil wörtlich übereinstimmten. 19 Die unter englischen Wirtschaftshistorikern lange Zeit verbreitete Auffassung, die Praxis des Kaufs nach Proben habe sich bereits um die Mitte des 17. Jahrhunderts, spätestens jedoch in den 1720er Jahren allgemein durchgesetzt, ist in dieser strikten Form durch die neuere Forschung korrigiert worden. Traditionelle Marktordnungen in einzelnen Städten und Verordnungen der Krone gegen Spekulation mit Getreide finden sich das ganze 18. Jahrhundert hindurch. Auch die 1772 erfolgte offizielle Aufhebung der Gesetzgebung gegen Vorkäufer vor dem Hintergrund einer immer stärker zum Freihandel neigenden öffentlichen Meinung bildete in der Praxis nicht die endgültige Zäsur, als die sie vielleicht erscheinen mag. In Krisenzeiten nutzten »paternalistische« Magistrate noch Anfang des 19. Jahrhunderts Interpretationsspielräume, um entweder ältere Verordnungen in Kraft zu setzen oder aber, indem sie Protestaktionen von Unterschichten bei Teuerungen nicht in aller Schärfe ahndeten. Insgesamt gesehen handelte es sich jedoch um Rückzugsgefechte traditioneller Nahrungspolitik, auch wenn viel dafür spricht, daß die Erwartungen wesentlich länger und allgemeiner fortlebten als die entsprechende Praxis. Der entwickelte Getreidegroßhandel, günstige Transportmöglichkeiten und andere objektive Gegebenheiten wie die fehlenden Mauern der meisten englischen Städte machten effektive Einschränkungen der »Spekulation« kaum möglich. Demgegenüber blieb das traditionelle Instrumentarium nahrungsorientierter Politik in den deutschen Städten während des gesamten 18. Jahrhunderts mit der von altersher üblichen Variation entsprechend dem Ausfall der Ernte grundsätzlich in Kraft. Die wichtigste Veränderung bestand gerade nicht in der Lockerung, sondern in der Straffung und Zentralisierung der Nahrungspolitik. 20 Es waren die aufsteigenden spätabsolutistischen Territorialstaaten, die sich seit dem 17. Jahrhundert im Zuge ihrer inneren Konsolidierung verstärkt darum bemühten, die lokale Nahrungspolitik im Interesse des Landwirtschaftsschutzes zu einer allgemeinen Getreidehandelspolitik zu verzahnen. Kein Staat, scheint es, operierte in der Handhabung der Steuerungsinstrumente im europäischen Maßstab so erfolgreich wie der preußische. Der Erfolg war an besondere außenpolitische Voraussetzungen gebunden. Er beruhte entscheidend auf der politischen und ökonomischen Kontrolle über die leistungsfähige, auf den Absatz an ihren westlichen Nachbarn angewiesene polnische Landwirtschaft, die, seitdem Preußen nach der ersten polnischen Teilung von 1772 die Weichsel kontrollierte, erpreßbar geworden war. Insbesondere Friedrich II. zögerte nie, Polen konsequent als Geisel seiner inneren Nahrungspolitik zu benutzen, indem er entweder die Zufuhr voll114

ständig sperrte oder nach Bedarf staatliche Magazine mit preiswertem Getreide auffüllte. Mit riesigen zentralen Speichern, monatlichen Berichten und Statistiken über den Zustand der Ernte betrieb Preußen eine kontinuierliche Politik der Marktintervention, deren Ziel darin bestand, dafür zu sorgen, »daß die Lebensmittel nicht allzu wohlfeil und nicht allzu teuer sind.«21 Dazu reichte die Regulierung des auf dem Markt verfugbaren Getreidevolumens nicht aus. Sollte in Krisenzeiten die angestrebte Verbilligung der Lebenshaltung des breiteren Publikums nicht in erhöhten Gewinnmargen von Zwischenhändlern und Bäckern hängen bleiben, war es notwendig, in die Städte hineinzuregieren und die Höhe der Brottaxen zu beeinflussen, was tatsächlich auch geschah.22 Die Schwellen für die Intervention lagen insbesondere während der langen Kriegsperiode sehr niedrig. Eine Grundstimmung immer wachen Mißtrauens gegenüber »unerlaubte[n] Streiche[n]« der Bäcker und Müller führte sogar zeitweise zu Plänen, den gesamten Mehlhandel zu verstaadichen. 23 »Ich vermeinte«, schrieb Friedrich II. an den Leiter des Kriegsmagazinswesen, Retzow, »dadurch den Zweck zu erreichen, daß erstlich die hiesige Bäcker jedesmahl mit genügsamen Mehl versorget sein, daß zweitens dieselbe die sonst doppelten Transportkosten, nämlich des Getreides hieher und alsdann zur auswärtigen Mühle ersparen, mithin denen hiesigen Einwohnern zum Besten das Brot um so viel wohlfeiler verkaufen können.« 24 Während dieser Plan, der auf nichts weniger als eine Verwandlung der Bäcker in staatliche Angestellte hinausgelaufen wäre, unausgeführt blieb, führte das Mißtrauen gegenüber den Bäckern selbst dahin, in Berlin während der Kriegsjahre Mehl direkt an die Konsumenten abzugeben.25 In den Jahren 1770 bis 1772, der schwersten Teuerungskrise des 18. Jahrhunderts, bewährte sich die Interventionspolitik für die Untertanen ihrer preußischen Majestäten glänzend. Grundsätzlich bildete die in Preußen verfolgte Linie aber nur den Sonderfall einer Politik, die von anderen deutschen Staaten in ähnlicher Weise, wenngleich in der Regel unter ungünstigeren Bedingungen, praktiziert wurde. Vor diesem Hintergrund hatte es die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts breiter werdende freihändlerische Debatte in diesem Politikfeld besonders schwer. Forderungen, wie die des Osnabrücker Gelehrten und Politikers Justus Moser, der etwa zeitgleich mit dem Erscheinen von Adam Smiths »Wealth of Nations« den deutschen Regierungen nahelegte, »daß der Kornpreis, die Umstände mögten kommen, wie sie wollten, immer seinen freien Lauf behalten, nie die Ausfuhr verboten, nie die Kessel versiegelt, nie fremder Vorrat auf Unkosten des Staates angeschafft, nie der Speicher eines Privatmannes eröffnet und überhaupt nie etwas vorgenommen werden wollte, wodurch der ordendiche Lauf des Handels unterbrochen werden sollte«,26 weil nur so zu erwarten sei, daß jemand »sein Geld so115

dann wagen«27 werde, trafen anders als in England nicht nur auf eine noch relativ gefestigte traditionelle Praxis in vielen Städten. Sie hatten es, wie angedeutet, darüber hinaus mit einem partiell modernisierten, unter besonderen Bedingungen erfolgreichen und über die Landesgrenzen hinaus angesehenen Modell zu tun. Dies prägte die Erwartungen des Publikums ebenso wie die Maßstäbe einer »guten Policey«, an denen sich das Behördenhandeln auch weiterhin ausrichtete.28 So gesehen verwundert es kaum, daß die Einfuhrung der Gewerbefreiheit in Preußen und mit Verzögerung und Einschränkungen in den anderen deutschen Staaten keineswegs das vollständige Ende traditioneller Nahrungspolitik bedeutete, zumal nachdem sich die Folgen der beschleunigten gesellschaftlichen Dekorporierungsprozesse zum Pauperismus verdichteten. Im Marktalltag blieben, von Staat zu Staat unterschiedlich, bis in die 1860er Jahre hinein neben Maß- und Gewichtskontrollen einzelne Preistaxen bestehen bzw. wurden in Teuerungszeiten wieder eingeführt. 29 Elemente traditioneller Nahrungsorientierung reproduzierten sich in der Reaktion der Verwaltungen auf die Teuerungskrisen der Jahre 1 8 1 6 / 1 7 , 1 8 3 0 / 3 1 und 1846. Wenn auch nach längerem Zögern und mit abnehmender Intensität, griff die Verwaltung jedes Mal direkt in den Handel ein und setzte Teile der alten Antispekulationsgesetzgebung in Kraft.30 Die Wirksamkeit des friderizianisch-preußischen Modells des Konsumentenschutzes als Bezugsrahmen von Handeln und Reformvorstellungen läßt sich selbst noch im Vormärz bei Vertretern des gewerblichen Bürgertums nachweisen, die im Vorfeld der Revolution dafür eintraten, die Magazinierungspolitik im Interesse der pauperisierten Massen systematisch wiederzubeleben. »In früheren Zeiten,« erinnerte der westfälische Unternehmer Friedrich Harkort 1844 seine Zeitgenossen in einer kleinen Schrift über die »Hindernisse der Civilisation und Emancipation der unteren Klassen«, »war es Staatsmaxime, in Jahren des Überflusses Kornvorräthe aufzuspeichern; bei der ungemeinen Verbesserung der Communication hat man diese Sorge der Concurrenz überlassen, d.h. das Kind mit dem Bade ausgeschüttet ... Ein Staat wie Preußen ... kann eben wohl auf dichtbevölkerten oft bedrängten Punkten Magazine anlegen und, wenn die Mittelpreise überschritten werden, dem Nothleidenden in kleinen Spenden eröffnen. So nütze man den Producenten und Consumenten.« 31 Was sich unter diesen spezifischen Bedingungen an unternehmerischer Selbsthilfe zur Nahrungssicherung entwickelte, ging in der Regel nicht von den Unterschichten, sondern von der Verwaltung und den wohlhabenderen Bürgern aus. Tatsächlich gelang es fähigen Beamten in Zeiten akuter Not, für einzelne Regionen die ursprünglich flächendekende Politik der Marktintervention durch ein erstaunlich breites, von den Verwaltungen koordiniertes und subventioniertes Netz temporärer Handelsunternehmen 116

der Bürger, sogenannten »Korn-«, »Brod-« oder »Fruchtvereinen«, zu ersetzen.32 Typologisch gesehen handelte es sich um einen Zwitter. Durch einen gewissen Anteil privater Initiative, Regie, Kapitaleinsatz und -risiko trugen die Gründungen moderne marktwirtschaftliche Züge. In der Breite ihrer Entstehung, der durchgehenden Unterstützung durch die Magistrate, vor allem aber ihrem temporären Charakter fugten sich die meisten von ihnen jedoch noch ganz in den Rahmen einer traditionellen Ökonomie und der Rücksichtnahme auf die Nahrungsinteressen der Handwerker und ortsansässigen Kaufleute ein. Ansätze zu einer Verstetigung von Konsumentenselbsthilfe finden sich erst in den vierziger und den fünfziger Jahren. Ein Beispiel, das von seiner Struktur her relativ dicht an eine Konsumvereinsgründung heranführte, stellt das 1854 in Erlangen auf private Initiative hin errichtete »GetreideMagazin« dar. Es kombinierte die Idee des Marktausgleichs in Teuerungszeiten mit dem Sparkassenprinzip »für minderbemittelte Familien« und der Form des bürgerlichen Vereins. Anders als beim Konsumverein fielen in dieser Konstruktion Kapitalgeber und Nutznießer auseinander. Die Beiträge der ärmeren Mitglieder dienten lediglich zur Deckung der laufenden Geschäftskosten. Das erforderliche hohe Kapital zum Ankauf des Getreides brachten dagegen wohlhabendere Gruppen der Bevölkerung in der Erwartung auf, der potentielle Gewinn im Teuerungsfall falle so kräftig aus, daß er gleichzeitig die Kapitalinteressen befriedigen und eine verbilligte Abgabe an die Mitglieder ermöglichen werde.33 Daß es nicht zu einer weiteren Verbreitung dieses Typus kam, hatte entscheidend mit Schwächen der Konstruktion zu tun. Die Unternehmensform setzte Preissprünge nach oben hin voraus, die sich angesichts der hohen Getreidepreise der fünfziger Jahre nicht einstellen wollten und überhaupt schwer voraussehbar waren. So zögerte der Vorstand des Erlanger Magazins vier Jahre lang mit der Füllung des Magazins.34 Am Ende blieb von der aufwendigen Konstruktion nur eine kleine Sparkasse übrig. Bezeichnenderweise entstand der erste örtliche Konsumverein unter Beteiligung einiger Gründer des Magazins parallel zu diesem. Die Wechselwirkungen zwischen dem langen Überhang traditioneller Nahrungspolitik in den deutschen Staaten und der Entstehung von Selbsthilfeunternehmen geringverdienender Unterschichten scheinen grundsätzlich ambivalent. Eine einfache Gleichung zwischen der Stärke solcher Traditionen und der Ausbildung unternehmerischer Selbsthilfeformen geht offensichtlich nicht auf. Die Bedeutung der zahlreichen Frucht- und Kornvereine, denen im Vormärz an manchen Stellen Kohlen- und Holzvereine zur Seite traten, als Mittelglied zwischen Versorgungspolitik und kollektiver Selbsthilfe von Unterschichten dürfte wohl in erster Linie darin gelegen haben, daß sie den Nutzen des Großeinkaufs von Lebensmitteln 117

durch Private praktisch vorführten und im sozialreformerischen Denken des Bürgertums verankerten. Überdies konservierten und verstärkten diese Traditionen allgemein eine ausgeprägte antikommerzielle Grundstimmung, die bis in die Beamtenschaft und das Bildungsbürgertum, ja selbst bis in Teile des Wirtschaftsbürgertums hineinreichte und dort die Bereitschaft förderte, Selbsthilfeanstrengungen von Unterschichtenkonsumenten zur Abwehr von Teuerungen durch Mitarbeit und Kapitaleinschüsse zu unterstützen. Insgesamt betrachtet überwiegen jedoch auch im deutschen Fall eher die hemmenden Wirkungen. Daß die Regulierungspraxis und die sie begleitenden Entscheidungen und Unterlassungen die Entfaltung des überlokalen Handels lange Zeit beeinträchtigten und damit indirekt die Selbsthilfeanforderungen für Unterschichten anhoben, ist sehr wahrscheinlich. Diese Feststellung schließt nicht aus, daß punktuell, zumal in Krisenzeiten, angesichts eines wenig leistungsfähigen Getreidegroßhandels zu solchen Interventionen kaum eine praktikable und verantwortbare Alternative blieb. Die wenigen bekannt gewordenen Versuche, die schon in staatlicher Verwaltung aufwendigen und nach der Beseitigung der außenpolitischen Sonderbedingungen auch in Preußen von blamablen Fehlschlägen begleitete Magazinierungspolitik zu privatisieren und schließlich zu demokratisieren, scheiterten. Allein der hohe Kapitalaufwand blockierte effektiv den Übergang zur Selbsthilfe. Das wichtigste Handlungsmodell, welches das partielle Fortleben traditioneller Nahrungspolitik in den deutschen Staaten vorgab, war nicht das auf Dauer angelegte Unternehmen, sondern nicht anders als in England der unorganisierte Teuerungsprotest und die »taxation populaire«. Sie kristallisierten sich schubweise, mit allerdings sehr unterschiedlicher Intensität, um die Teuerungen von 1816/7, 1 8 3 0 / 1 und der frühen 1840er Jahre mit dem Kulminationspunkt 1846/7, dem Jahr der letzten großen Hungerkrise »alten Typs«. Überhaupt bildeten Lebensmittelkrawalle und Brotunruhen bis 1848 nicht nur die wichtigste Form des Konsumenten-, sondern neben »Ordnungs-« und »Zunftkonflikten« auch eine der häufigsten Formen des Unterschichtenprotestes überhaupt. 35 Mit großer Selbstverständlichkeit und, wie es scheint, häufig auch mit Erfolg richteten Konsumenten in Krisenzeiten ihre Forderungen an die Obrigkeit.36 Auch wenn die Effektivität in der Unterdrückung solcher Bewegungen unter den militärischen Verhältnissen der deutschen Staaten wesentlich höher als in England lag, reagierte die unter den Bedingungen politischer Rückständigkeit und manifester Revolutionsfurcht handelnde Obrigkeit doch umgekehrt oft erstaunlich sensibel auf Proteste, deren Reichweite sie schwer einschätzen konnte. Was durch die nüchterne, wissenschaftlich begründete Analyse volkswirtschaftlicher Güterströme an moralischer Verpflichtung 118

bei den Beamten geschwunden sein mochte, wurde von der nach 1789 und 1830 immer wieder hervorbrechenden Revolutionshysterie mehr als ausgeglichen. Das Beispiel des Herzogtums Braunschweig, dessen Regent sich 1830 trotz entsprechender Warnungen seiner Beamten geweigert hatte, beim Herannahen einer Mißernte die üblichen Vorkehrungen und Markteingriffe zu treffen, und den nicht zuletzt deshalb ein Aufstand aus dem Schloß gefegt hatte, 37 illustriert schlaglichtartig, wie schwer es war, sich den traditionellen Erwartungen zu entziehen.

III. Die Liedkeschen Sparvereine Der Hauptweg zur Nahrungssicherung lag für alle interessierten Zeitgenossen, von Disziplinierungsstrategien wie Heirats- und Zuzugsverboten einmal abgesehen, eindeutig in der Erhöhung der agrarischen Produktivität. Eingriffe von der Distributionsseite schienen zumal bei Teuerungen, wenn überhaupt, dann nur sehr kurzlebige Lösungen zu bieten und besaßen aus der Sicht der Verwaltung den entscheidenden Nachteil, daß sie gerade im Erfolgsfall überlieferte Schutzansprüche konservierten. Was die Produktionsseite anging, waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Weichen grundsätzlich gestellt. Auch der Zwischenhandel hatte durch erfolgreiche Spekulationen in der Krise von 1 8 4 6 / 7 seine Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt.38 Als Folge der davon bewirkten Zu- und Abflüsse zwischen agrarischen und gewerblichen Verdichtungszonen bildete sich in diesen Jahren erstmals ein annähernd einheitliches Preisniveau heraus. Was zu tun blieb und seit den 1820er Jahren zunehmend forciert wurde, war, das periodische Verteilungsdilemma komplementär durch die Steuerung des Konsumentenverhaltens zu bekämpfen. Denn selbst bei konsequenter Förderung der Produktion und einer Weiterentwicklung des Zwischenhandels blieb aus der Sicht der Verwaltung und des Bürgertums die Frage unbeantwortet, wie rational und verständig Unterschichten mit dem verfugbaren Einkommen umgingen. Dem Ziel einer Individualisierung des Marktausgleichs dienten vor allem die Propagierung der Sparidee und die Gründung von Sparkassen durch die Behörden und einzelne philanthropische Bürger seit den 1820er Jahren. Aus diesem eigenständigen, wenn auch im Vergleich zu England sehr schmalen Strang sozialer Reform entwickelten sich in den 1840er Jahren Einrichtungen, die Ähnlichkeit mit konsumgenossenschaftlichen Zusammenschlüssen aufwiesen, in ihren Abweichungen dagegen Besonderheiten der deutschen Situation widerspiegelten. Das wichtigste derartige Organisationsmuster waren die nach ihrem 119

Erfinder und Hauptpropagandisten, dem Berliner Generalstaatskassenbuchhalter und ehrenamdichen Mitglied der Armenkommission, Gotdieb Samuel Liedke, benannten »Liedkeschen Vereine«. Das Muster verbreitete sich seit 1845 von Berlin aus und wurde über Preußen hinaus in anderen Staaten, besonders intensiv in Württemberg, und ansatzweise selbst in Frankreich, Belgien und der Schweiz rezipiert.39 Der Entwurf kombinierte zwei bekannte und weitverbreitete Organisationsformen, die Sparkasse fur Unterschichten und den Lebensmittelankauf im großen aus der überkommenen Praxis städtischer Teuerungspolitik, mit einem neuen, gerade für die deutschen Verhältnisse ungewöhnlichen Prinzip, nämlich dem der Selbstverwaltung der Mitglieder. Der Organisationsentwurf verrät nicht nur ein Gespür dafür, was politisch an der Zeit war. Er zeugt auch von bemerkenswerten Einsichten in die Regeln der »sozialen Physik«. Daß die Bewegung dennoch relativ rasch nach kaum fünf Jahren der Euphorie auslief, lag gleichermaßen an inneren wie äußeren Gründen. Neben den üblichen sozialpädagogischen Absichtserklärungen - »Hebung des Sparsinns«, »Beförderung der Arbeitsamkeit« usf. - sah der Plan, den Liedke erstmals 1845 in einer Schrift mit dem Titel »Hebung der Not der arbeitenden Klassen durch Selbsthilfe«40 der Öffentlichkeit präsentierte, vor, einen saisonalen Einkommensausgleich für Unterschichten zu schaffen. Er trug der Tatsache Rechnung, daß im Verlauf des Winters durch steigende Preise fur Grundnahrungsmittel und einige unerläßliche größere Investitionen etwa in einen ausreichenden Vorrat an Brennstoffen (Holz, Torf) höhere Ausgaben als im Sommer anfielen. Diese außergewöhnlichen Aufwendungen ließen sich häufig nur dadurch bewältigen, daß die Familie für die entsprechende Zeit Teile der Haushaltseinrichtung oder andere persönliche Wertgegenstände in die Pfandleihe gab. Mit einigem Glück löste sie die Objekte unter Inkaufnahme entsprechender Abschläge im Frühjahr wieder aus. Die Abfolge der natürlichen Jahreszeiten und ihrer unterschiedlichen Anforderungen an das Budget prägten auch den inneren Rhythmus des Vereins. Im Frühjahr begannen die Mitglieder mit dem Einzahlen bestimmter Mindestbeträge. Diese lagen in Ulm und anderen württembergischen Städten bei niedrigen 6 Kreuzern. Einen späteren Sparbeginn gestatteten die Vereine nur unter der Voraussetzung, daß die Neuhinzutretenden die bis dahin von anderen geleisteten Einzahlungen nachholten. Im Verlauf des Sommers hielt man die Mitglieder frühzeitig an, ihren Winterbedarf anzumelden und feste Bestellungen einzugehen. Gemeinsam war Sparkassen und Liedkeschen Vereinen der Umstand, daß Einzahlungen nur zu bestimmten, statutenmäßig festgelegten Terminen - wöchendich, vierzehntätig und monatlich - entgegengenommen werden sollten.41 Hinter diesem Detail verbarg sich ein Grundproblem der Spar organisation für Unterschichten während des 19. Jahrhunderts. Die 120

Selektivität vieler Einrichtungen zur Absicherung sozialer Risiken für die ärmere Bevölkerung erklärte sich damit, daß das Einsammeln der Beiträge auf den für bürgerliche Gruppen entwickelten Wegen bei Unterschichten, die diese Beiträge nur in kleinen Einheiten und unregelmäßig leisten konnten, lange Zeit nicht die hohen Personalkosten abdeckte. So blieb nur die Alternative, die Öffnungszeiten von Spargesellschaften stark einzuschränken und sie auf das Wochenende oder die Abendstunden zu legen, Zeitpunkte also, an denen ehrenamtlich tätige Angehörige des Bürgertums diese Aufgabe mit ihrem Berufsleben vereinbaren konnten. 42 Für die Mitglieder bedeutete dies umgekehrt eine Fixierung auf feste Termine und das Bereithalten vergleichsweise hoher Summen. Mit anderen Worten, es stellte besondere Anforderungen an Planung und Haushaltung bei knappsten Mitteln. Bezeichnenderweise wich denn auch die Praxis der Sparannahme bei den Liedkeschen Vereinen von den Regeln des Statuts ab. Zum einen erwies sich, daß Arbeiter immer wieder entgegen der Vereinbarung ihre Löhnung nicht am Wochenende erhielten. Auf der anderen Seite, klagte Liedke, habe man die Erfahrung machen müssen, daß es »dem größeren Theile der Armen rein unmöglich ist, auch nur 24 Stunden lang baares Geld aufzubewahren«, weshalb man es jedem gestatten mußte, »so bald er eine Einnahme hat, [sie] sofort an die Sparkassen abzugeben.« 43 Da Sparkassen wie im übrigen auch die Versicherungen auf dem Prinzip des Einkommens- und Risikoausgleichs basieren, können sie in der Regel mit kontingentem Sparverhalten leben. Die Liedkeschen Vereine waren dagegen auf eine große Investition hin projektiert, die in der vorgesehenen Höhe am Jahresende in vollem Umfang abgerufen wurde. Um einen kontinuierlichen Betrieb aufrechtzuerhalten, setzte Liedke auf zwei Mittel. Wer von den Mitgliedern die Zahlungen nicht regelmäßig leistete, verlor seine Ansprüche auf Extraprämien und die Teilhabe an den en gros gekauften Gütern. Ergänzend zur Sanktionsandrohung enthielt bereits das Musterstatut den Vorschlag, wie beim Elberfelder System der Armenfürsorge ehrenamtlich tätige Sparpfleger einzusetzen, denen die schwierige Aufgabe zufiel, als »Moralagenten« des Vorstandes betriebswirtschaftliche Imperative an die Mitgliedschaft weiterzugeben und sie zur Ablieferung der nötigen Beiträge anzuhalten. Tatsächlich stellte sich heraus, daß es ohne kontinuierliche persönliche Betreuung und Beobachtung und das anspornend wie disziplinierend wirkende Prestige der durchweg sozial höhergestellten Pfleger nicht möglich war, das aufwendige und anfällige Räderwerk des Unternehmens in Gang zu halten. Der ursprüngliche Plan sah vor, die Rolle der Selbstverwaltung langfristig zu stärken. »Der Verein wird darnach streben«, versicherte Liedke, »das Geschäft der Sparpfleger ganz entbehrlich zu machen und die Verwaltung immer mehr den selbstgewählten Vorständen zu übertragen.« 44 In dieser 121

zweiten Phase sollten sich die Sparpfleger weitgehend, aber eben auch nicht vollständig, aus der bis dahin auf ihren Schultern ruhenden Verwaltung zurückziehen. Liedke sah ihre weitere Aufgabe in der Spezialisierung auf die Einkaufsfunktion, zumal die ersten Erfahrungen mit dem Großeinkauf größerer Mengen von Grundnahrungsmitteln und Brennstoffen gezeigt hatten, daß diese Tätigkeit die Kenntnisse unerfahrener Vorstände leicht überforderte. An den enormen praktischen Schwierigkeiten, die Ausschreibung, Qualitätssicherung und Transportorganisation größerer Mengen von Bedarfsartikeln den Vereinen und ihren ehrenamtlichen Vorständen in den deutschen Staaten unmittelbar vor der Jahrhundertmitte bereiteten, sind wie in einem Brennglas die praktischen Hindernisse erkennbar, die das Fehlen eines entwickelten Großhandels der Ausbreitung von Konsumentenzusammenschlüssen zu diesem Zeitpunkt entgegenstellte. Auf öffentliche Annoncen zur Ausschreibung des Bedarfs in zwei Tageszeitungen meldete sich beim Berliner Verein für einzelne Posten nur ein Händler als Bewerber, was dieser realisierte und zu erhöhten Forderungen ausnutzte. Wo mehrere Kaufleute ein Angebot abgaben, geschah es, daß sich deren Zahl wiederum auf einen reduzierte, wenn der Verein Mindestansprüche an die Qualität stellte.45 Für garantiert gute Kartoffeln, die der Vorstand »mit Rücksicht auf die herrschende Kartoffelkrankheit« forderte, verlangte der einzig übriggebliebene Anbieter, ein gewisser Mühlen- und Ackerbesitzer Scholz aus Marzahn, einen Aufschlag von 30 Prozent gegenüber der Ausschreibung, revanchierte sich dann allerdings zur allgemeinen Zufriedenheit mit »gutem Gewicht«, also großzügigem Abwiegen bei der Verteilung. 46 Die Entscheidung schien dem Vorstand so schwerwiegend, daß er den Ankauf erst wagte, nachdem er dafür auf einer Generalversammlung der Mitglieder die notwendige Rückendeckung erhalten hatte. An anderer Stelle übernahm der Vorstand persönlich die Aufgabe des Vörkostens und internalisierte damit buchstäblich die Kosten fehlender Erfahrungen und eines unzureichenden Marktangebots. Nach einer solchen Aktion berichteten die ausgewählten Mitglieder des Berliner Vereins am »folgenden Tage ..., daß die Erbsen zwar sehr dickhülsig, dennoch aber nothdürftig genießbar, die Linsen dagegen nicht weich zu kochen und daher ungenießbar, während die Bohnen mittelmäßig, die Hirse aber tadellos wären.«47 Trotz der hohen Kostenersparnis, die der improvisierte und bei der Transportorganisation von fremder Hilfe mitgetragene direkte Großeinkauf bei den Produzenten erbrachte, was den Preis für Brennholz und Hülsenfrüchte gegenüber dem Detailverkauf um 50 Prozent senkte, blieb die Beteiligung der Mitglieder hinter den Erwartungen zurück. Als Ursache stellte sich heraus, daß der Versuch einer Nutzenmaximierung durch den Verzicht auf Zwischenlager und die Abgabe in größeren Mengen die geringen Aufbe122

Wahrungsmöglichkeiten in den Haushalten der Mitglieder hoffnungslos überschätzt hatte. 48 Die Berichte über die Ausbreitung der Bewegung lassen erkennen, daß der äußerst agile Liedke an der Verbreitung seiner Idee, für die er in Publikationen und auf Vortragsreisen warb, hohen persönlichen Anteil hatte. Überzeugt, eine sozialpolitische Erfindung ersten Ranges gemacht zu haben, vertrat er sein Konzept äußerst selbstbewußt und scheute sich nicht, Minister und den preußischen H o f um Protektion anzugehen. Fernes Ziel seiner Anstrengungen, verkündete er auf einer am 11. Januar 1 8 4 6 einberufenen Generalversammlung des Berliner Stammvereins unter den Beifallsrufen der noch ganz von den spektakulären Anfangserfolgen beindruckten Mitglieder, sei es, durch eine Vernetzung der Konsumkraft der Unterschichten in Sparkassen »eine allgemeine Alters-Versorgungskasse für Bürgerliche [zu] bilden.« 49 Den eigentlichen Ausschlag für die zügige Verbreitung gaben die für ein derartiges Konzept außergewöhnlich günstigen Rezeptionsbedingungen. Der Schock des Weberaufstandes von 1844 verlieh der Suche nach Rezepten zur Lösung der sozialen Frage einen starken, an vielen Stellen wirksamen Impuls. In Gründungen wie der des Centraivereins für das Wohl der arbeitenden Klassen in Berlin und der Errichtung zahlreicher Zweigvereine fand ein für die deutschen Verhältnisse im Vormärz neuartiges Bemühen um die Entwicklung einer revolutionspräventiven bürgerlichen Sozialreform seinen Ausdruck. 50 Hierbei öffneten sich die beteiligten Vertreter von Regierung, Industrie und Wissenschaft im Vergleich zur Zeit nach 1 8 7 0 erstaunlich vorbehaltlos und ohne nationalistischen Dünkel gegenüber Entwicklungen in außerdeutschen Staaten. Als hierzu die schwere Hungerkrise der Jahre 1 8 4 5 / 6 trat, für deren Bewältigung abgesehen von allgemeinen Appellen nur das traditionelle Instrumentarium der Teuerungspolitik bereitzustehen schien, traf der originelle Plan bei städtischen Behörden, Unternehmern und anderen sozial engagierten Gruppen auf einen wohlbereiteten Boden, ohne daß diese davon eine kurzfristige Änderung der Situation erwartet hätten. 51 Im übrigen fanden die vorgestellten Ideen auch deshalb leicht Resonanz, weil sie vertraute und bewährte Prinzipien aufnahmen und in sehr moderater Form Partizipationsansprüchen der »arbeitenden Klassen« Rechnung trugen. Beruhigenderweise wurde Selbstverwaltung nicht von vornherein vorgesehen, sondern erst am Endpunkt eines allmählichen Erziehungsprozesses. Schließlich sprach für dieses Muster aus der Perspektive der Bürokratie, daß es in hohem Maße gesellschaftliche Ressourcen in Gestalt ehrenamtlicher Tätigkeit zu binden schien. In dieser widerspruchsvollen Mischung aus Aufsicht, Caritas und Selbsthilfe entsprachen die Liedkeschen Vereine ziemlich genau den obrigkeitlichen Strukturen Preußens und der meisten Staaten des Deutschen Bundes am Vorabend der Revolution. 123

Der Schwerpunkt der Gründungen lag in Berlin, wo Ende 1846 in den meisten Bezirken der Armenkommission eigene Spargesellschaften nach dem Liedkeschen Muster existierten.52 Auf dem Höhepunkt erfaßten die Berliner Gesellschaften rd. 8.600 Sparer. In einer zweiten Phase dehnte sich die Bewegung über Brandenburg auf andere Regionen und Großstädte wie Hamburg, Stettin, Frankfurt/Oder, Breslau aus.53 Am erfolgreichsten entwickelten sich die Vereine in Württemberg. Das auslösende Moment bildete nach dem Hinweis eines Zeitgenossen ein ausfuhrlicher Artikel über die Berliner Gründungen in der Stuttgarter Zeitung vom 19. und 20. September 1847 sowie die Tätigkeit eines aus Berlin versetzten Armeeoffiziers namens Prittwitz. In rascher Folge entstanden an verschiedenen Stellen (Gmünd, Ulm und Nehren) die inzwischen als »Liedkesche Vereine« firmierenden Gesellschaften.54 Die Gründungstätigkeit setzte sich über das Ende der Revolution hinweg fort. 1849,1850 und noch 1851 bildeten sich weitere Gesellschaften u.a. in Stuttgart, Ludwigsburg, Göppingen, Cannstadt, Sindelfingen. Die Informationen über die Praxis der Vereine in den einzelnen Städten lassen Varianten erkennen, wobei die wichtigste bereits 1846 in Hamburg entwickelt wurde. Im Unterschied zum Berliner Muster dehnten die Hamburger Gesellschaften die Spartätigkeit über die Winterbedürfnisse im engeren Sinne auf den zweiten großen Ausgabenposten im Haushaltsbudget der arbeitenden Klassen, die Mietzahlung im Frühjahr, aus. Mit Rücksicht auf die hohe Quote von Mitgliedern, die im Winter regelmäßig arbeitslos wurden, schrieb das Statut für das Frühjahr realistischerweise kein festes Sparziel vor, sondern ließ kontingentes Sparen zu. Im Hamburger Fall wird auch erkennbar, daß die Übernahme des Liedkeschen Konzeptes zum Teil eine Reaktion auf die Denaturierung bzw. den Mißerfolg älterer Einrichtungen der Armenpflege darstellte. Die Öffnung der lokalen Sparkasse für alle Schichten, klagte ein Bericht rückblickend, habe die psychologischen Schwellen so weit angehoben, daß sich der ursprüngliche Adressatenkreis in der ärmeren Bevölkerung inzwischen scheue, seine Pfennige in der Gemeinschaft mit Großanlegern zur Kasse zu tragen. Dies habe die Hamburger Bürgerschaft bewogen, nach neuen Rezepten zu suchen.55 Neben Liedke hatte der im April 1848 neu konstituierte Centraiverein für das Wohl der arbeitenden Klassen den größten Anteil an der Verbreitung des neuen Musters. Als dieser Verein, der in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren immer mehr in die Rolle einer Nachrichtenbörse und eines Umschlagsplatzes für sozialreformerisch interessante Konzepte hineinwuchs, im Frühjahr 1848 eine Bilanz der vorhandenen und bis dahin bewährten sozialpolitischen Einrichtungen erstellte, war er gewissermaßen vor der Haustür auf die in Berlin florierenden »Vereine zur Anschaffung von Winterbedürfnissen« gestoßen und hatte sie in sein Programm aufge124

nommen. 56 Bezeichnenderweise stellte der Centraiverein in seinen Berichten über die Ausbreitung der Gesellschaften im Jahre 1848 besonders auf deren pazifizierende Wirkung ab. »Dadurch, daß sie [die Arbeiter, M.P.] die Verwaltung dieser Kassen selbst übernehmen und beaufsichtigen, daß die geschicktesten und achtbarsten Männer in ihnen mit einem allgemeinen Vertrauen und einer Autorität über die Gesellschaft ausgestattet werden, ist für Aufrechterhaltung und Förderung von guter Sitte, Ordnung und Bildung unter den Beteiligten ein sehr wichtiger Schritt geschehen.«57 Mit welchen unausgesprochenen Kautelen dieses Urteil versehen war, zeigt sich u.a. daran, daß derselbe Autor vor der Bildung selbständiger Produktivgenossenschaften durch Weber, die auf eine Ausschaltung der Kaufleute abzielten, ausdrücklich warnte und unabhängige Arbeiterkoalitionen, sprich Gewerkschaften, scharf ablehnte.58 Nicht nur die Impulsgeber, auch die Rezeptoren lagen bei der Ausbreitung des Liedkeschen Musters in keinem Fall bei den Betroffenen selbst. In Berlin und Hamburg lehnte sich die ganze Organisation eng an das System der Armenkommissionen an und hatte dort den wichtigsten Rückhalt. Die Prämien und Zuschüsse für die Spareinlagen wurden zum Teil aus Spenden finanziert. Die Organisation des Einkaufs, der Lagerhaltung usw. lagen bei ehrenamdichen tätigen Honoratioren. Zur Ulmer Gründung hieß es lapidar: »Die Kosten für die Verwaltung werden aus Geschenken aufgebracht.«59 In Berlin stammte das verbilligte Brennholz aus den königlichen Forsten.60 Auch mit der Selbstverwaltung war es allem Anschein nach nicht überall weit her. Während im Hamburger Fall explizit von Wahlen der Vorstände durch die Mitglieder die Rede war, hielten an anderer Stelle die Gründer aus dem Kreis lokaler Honoratioren das Heft fest in der Hand. Einen Eindruck von dem Ausmaß, in dem sich die Gesellschaften in ihrer Tätigkeit de facto auf Fremdhilfe stützten, vermittelt der Bericht der Frankfurter Gesellschaft für das Jahr 1848: »Allerdings haben zur Erreichung auch dieses Resultates Unterstützungen mancherlei Art beigetragen, die der Verein um so dankbarer anzuerkennen hat, als ihm dadurch ansehnliche Verwaltungskosten erspart worden sind. Von der KöniglichenMilitär-Intendantur wurden dem Verein die nötigen Kellerräume zur Aufbewahrung der Kartoffeln überlassen und Herr Rendant Burow unterzog sich der mühevollen Funktion der Verausgabung derselben.«61 Ein Zimmermann habe die Aufbewahrung des Holzes auf seinem Grundstück gestattet und damit die Anmietung eines Lagers erspart. In einem Duktus, der das Außergewöhnliche der Anstrengung und deren absehbare Erschöpfung unschwer erkennen läßt, fuhr der Berichterstatter fort: »Überhaupt läßt sich nicht verschweigen, daß die Verwaltung des Spar-Instituts die Tätigkeit der dabei beteiligten Mitglieder des Vereins gar vielfach in Anspruch nimmt und daß es nur durch den uneigennützigen Eifer aller dazu mitwir125

kenden Personen gelingen kann, den Zweck des Unternehmens zu erreichen. Auch der fortwährenden Unterstützung kann das Institut nicht entbehren, und indem seine Grundsätze in diesem Bericht ausfuhrlich dargelegt worden, überlassen wir uns der Hoffnung, hierdurch das Institut am wirksamsten der allgemeinen Teilnahme empfohlen zu haben.«62 Die verfügbaren Angaben über die Mitgliedschaft machen es nur im Ausnahmefall möglich, genau zu identifizieren, welche Gruppen für solche paternalistischen Angebote ansprechbar waren. Eindeutig ist lediglich der Fall des Ulmer Vereins.63 Die Mitglieder waren Festungsbauarbeiter und Soldaten, der Organisator zugleich der Leiter dieser Arbeiten und überdies noch der militärische Vorgesetzte. Diese Situation enthielt trotz der singulären Konstellation einige typische Bedingungen früher Konsumorganisation. Die Regelmäßigkeit der Einkünfte, die Homogenität der Bedürfnisse, das Vorhandensein einer materiellen Infrastruktur und die Sicherung der Disziplin machten gerade die Kaserne zu einem günstigen Anknüpfungspunkt für Organisationen zur effektiveren Verwertung der Kaufkraft. Am besten läßt sich noch das Geschlechterverhältnis erfassen. Auffallig ist eine im Vergleich zu anderen Einrichtungen starke Vertretung von Frauen, insbesondere Witwen. So beteiligten sich in Stuttgart an einem Verein, der 1850 insgesamt 173 Mitglieder umfaßte, 41 Witwen und weitere 22 ledige Frauen. Ähnlich hoch lag der weibliche Anteil in Frankfurt. Frauen stellten dort mit 56 von 220 ein gutes Viertel der Mitglieder. Daneben beteiligten sich 70 »Handwerker« und 94 »Tagelöhner«. Die Angaben über das Sozialprofil, so pauschal und schwer ausdeutbar sie sind, lassen erkennen, daß es den Gründern immerhin gelang, das durch finanzielle Zuwendungen und ehrenamtliches Engagement hoch subventionierte soziale Unternehmen auf Angehörige der Unterschichten und damit auf tatsächlich Bedürftige zu begrenzen. 64 In anderer Hinsicht traten die Schwächen der von Liedke entwickelten Organisationsform dagegen mit der Zeit klar hervor. Ein erster Hinweis auf Probleme grundsätzlicher Art war die Tatsache, daß trotz weiterer Neugründungen in den Jahren 1 8 5 0 / 5 1 die Mitgliederzahlen bei den älteren Vereinen bereits zurückgingen. 65 Einen gewissen Anteil an diesen Schwierigkeiten muß man Erscheinungen zuschreiben, wie sie fur eine bewegungsartige Ausbreitung von Ideen typisch sind. Die anfängliche Euphorie hatte dazu gefuhrt, daß sich Spargesellschaften an Stellen ansiedelten, an denen die Voraussetzungen für einen längeren Bestand nicht gegeben waren. Zu Rückschlägen kam es besonders in kleineren Landstädten, in denen die Beschaffung von Brennholz und anderer »Winterbedürfnisse« in normalen Jahren nicht ein solches Problem wie in Großstädten darstellte und die Zusammenfassung des geringen Bedarfs auf 126

Dauer nicht jene Ersparnisse erlaubte, auf die das System der Prämienanreize abstellte.66 Weiterreichende Folgen als die Anwendung am ungeeigneten Ort hatten falsche Konstruktionsprinzipien. So einsichtig die Idee theoretisch erscheinen mochte, Ersparnisse aus saisonalen Preisfluktuationen zu gewinnen, so wenig bewährte sich das Prinzip in der Praxis. Da sich das Unternehmen auf diese Gewinnchance konzentrierte, band es sich in seinem Bestand an das tatsächliche Eintreten erheblicher Preisfluktuationen. Wo sie ausblieben, war es unmittelbar gefährdet. Die Verpflichtung der Teilnehmer auf eine frühzeitige Bestellung des Winterbedarfs als Basis der rechtzeitig vorzunehmenden Großeinkäufe bedeutete zugleich einen erheblichen Eingriff in die Konsumfreiheit. Im Grunde hatte die Konstruktion nicht geringe Ähnlichkeit mit einem Börsenterminhandel. Sie verwandelte Angehörige der Unterschichten in Spekulanten auf hohe Gewinne aus Marktschwankungen und belastete sie unmittelbar, ohne das Polster eines angesammelten Kapitalfonds, mit den Risiken einer solchen Operation. Tatsächlich führten unerwartet niedrige Holzpreise dazu, daß die Mitglieder mehrerer Württembergischer Vereine verlangten, ihnen statt des bestellten Brennstoffs das Bargeld auszuliefern. An anderer Stelle, an der die Leitungen mit Rücksicht auf die bekanntgewordenen Konflikte eine frühzeitige Festlegung der Mitglieder auf einen bestimmten Bedarf vermieden hatten, blieben sie auf größeren Lagerbeständen sitzen. Daß hierin eine der Hauptursachen für das Auslaufen der Bewegung bestand, läßt der Kommentar eines in die Bewegung involvierten Zeitgenossen erkennen. Die sinkenden Preise, führte er resignierend aus, »töteten die im übrigen Vaterlande entstandenen Sprossen nach den ersten Jahren.«67 Diese Konstruktionsmängel traten in vollem Umfang zutage, als der von der Revolution hervorgerufene hohe Mobilisierungsgrad abklang. Gerade am Ende der Revolution zeigte sich an vielen Stellen, daß die Bereitschaft zum sozialen Engagement nicht einfach von Philanthropie, sondern auch von bloßer Furcht mitbestimmt worden war.68 Ein größeres, von einer Filiale des Centraivereins in Berlin Mitte 1849 vorbereitetes Projekt zum Ankauf von Lebensmitteln für den Winter stieß in der Ausführungsphase auf einen für die Beteiligten überraschenden, hinhaltenden Widerstand. Vor der endgültigen Zustimmung schob der Berliner Magistrat immer mehr schikanöse Bedingungen nach, die den Ankauf und die Verteilung erschwerten. Am Ende verhinderte der Belagerungszustand den Zusammentritt der an der Verteilung beteiligten Zweigvereine.69 Mit dem weitgehenden Verlust der öffentlichen Unterstützung geriet einer der Hauptmotoren des Unternehmens ins Stocken. Nun wurde in ganzem Umfang fühlbar, daß sich der Aufbau wegen seiner konstruktiven Mängel nicht selbst trug und deshalb dazu neigte, die vorhandenen Kräfte 127

überzubeanspruchen. Schließlich ruhten nicht nur die Gründungsinitiative, sondern auch die zeitraubende Aufrechterhaltung der laufenden Organisation und die Geschäftsführung bis hin zum gewinnbringenden Piazieren der Ersparnisse auf den Schultern weniger lokaler bürgerlicher Honoratioren. In den kritisch bilanzierenden Berichten aus den frühen fünfziger Jahren stößt man auf jenes Urteil, das typisch für die Auslaufphase einer mit großen Aspirationen gestarteten Bewegung ist. Im Blick auf das frühere Zentrum der Bewegung, die Berliner Vereine, meinte ein zeitgenössischer Kommentar sarkastisch, daß man auch dort »nicht mehr den Anspruch [erhöbe], der Not der arbeitenden Klassen ein Ende zu machen; sie betrachten sich vielmehr nur als nützliche Unternehmen, wie es deren noch viele andere gibt, und wirken im Stillen fort.« 70 Ein Vergleich zwischen den deutschen Spargesellschaften für »Winterbedürfnisse« und den englischen Konsumvereinen unterstreicht in erster Linie den Abstand, der in der Entfaltung unternehmerischer Selbsthilfeformen von Unterschichten Ende der vierziger Jahren noch existierte. Während die englische Bewegung schon in der Frühphase auf einem hohen Selbsthilfeanteil beruhte - Teile des Kapitals wurden fast immer durch solidarische Selbstverpflichtung der Mitglieder zusammengebracht - , lief der gleiche Vorgang in Deutschland unter der kontinuierlichen Aufsicht bürgerlicher Sparpfleger ab. Da die deutschen Vereine kein Kapital bildeten, fehlten ihnen wichtige Entwicklungsmöglichkeiten. Weder waren sie in der Lage, Schwankungen der Konjunktur auch nur kurzzeitig zu widerstehen, noch verfügten sie über Mittel, die es ihnen erlaubt hätten, besoldetes Personal anzustellen und sich aus der Vormundschaft bürgerlicher Honoratioren zu lösen. Im Blick auf die Zweckbestimmung und den Kontext waren sie von vorneherein sehr viel enger und spezialisierter angelegt. Anders als die englischen Gesellschaften, die im Hauptstrom einer politischen und sozialen Emanzipationsbewegung standen und diesen Anspruch in wie verdünnter und pragmatisch gewendeter Form auch immer weitertrugen, diente das Liedkesche Muster explizit der Revolutionsprävention und schränkte unter den Bedingungen kontinuierlicher politischer Observation und Repression den Emanzipationsanspruch auf die ökonomische Funktion ein. Pragmatismus und Ökonomisierung standen in Deutschland am Anfang der Konsumentenbewegung und ergaben sich nicht als Erfahrungsresultat. Der paternalistische, eng auf den ökonomischen Zweck bezogene Charakter der Spargesellschaften färbte auf die Beziehungen zur entstehenden Arbeiterbewegung ab.71 Obwohl auch in England Gewerkschaften, Konsumvereine und Chartismus im Prinzip nebeneinander marschierten und sich zu bestimmten Zeitpunkten durchaus auf Kosten des jeweils anderen entwickelten, stützten sie sich zugleich an vielen Stellen. Demgegenüber sind in Deutschland keine Verbindungs128

linien zwischen der ersten nationalen Organisation der Arbeiter, der »Allgemeinen deutschen Arbeiterverbrüderung«, und den Spargesellschaften auszumachen. Letztere operierten im Zusammenhang einer bürgerlichen Reformbewegung, die sich zwar politisch von der konservativen Ministe rialbürokratie unterschied, eigenständigen Regungen der Arbeiterschaft aber selbst mißtrauisch gegenüberstand und, etwa in Gestalt der Idee der Fabrikvereine, paternalistische Ordungsvorstellungen favorisierte. Außer solchen Unterschieden existierten jedoch eine Reihe von grundsätzlichen Übereinstimmungen zwischen den ersten Organisationsentwürfen für Verbraucher in beiden Gesellschaften. In jedem Fall handelte es sich um Neuentwürfe und nicht etwa Fortschreibungen älterer, vorindustrieller Muster. Beide Organisationsmuster waren Konstrukte, an deren Weiterentwicklung ein an Zweck-Mittel-Relationen orientiertes, im Ansatz empirisch-sozialwissenschaftliches Denken ausschlaggebenden Anteil hatte. Die gewählten Formen standen im Prinzip jedermann offen und unterschieden sich somit von Zünften, Innungen, Kammern und anderen daran angelehnten Verbänden aus der korporativ-berufsständischen Tradition. Ihr gemeinsamer Zweck war die bessere, effektivere Verwertung der Konsum-, nicht der Arbeitskraft. Sie verbreiteten sich nicht durch Anordnung oder, was mit dem Hinweis auf ihren neuartigen Charakter schon angedeutet ist, auch nicht durch die Fortschreibung von Konventionen, sondern im Rahmen gesellschaftlicher und politischer Mobilisierungsprozesse. Ihre Durchsetzung hing wesentlich davon ab, daß sie sich nicht aus traditionellen Gerechtigkeitsvorstellungen spontan ergaben, sondern das neuartige »wunderbare elektrische Telegraphennetz des literarischen Verkehrs« (Riehl) und die dort entwickelten spezialisierten Strukturen wie die sozialreformerischen Vereine und ihre Organe nutzten. Beide Muster enthielten ferner, wenn eben auch in sehr unterschiedlichen Mischungsverhältnissen, Elemente von Selbst- und Fremdhilfe oder Selbstverwaltung und Fremdbestimmung. Diese grundsätzlichen Ähnlichkeiten belegen, daß sich beide Gesellschaften bei Zeitverschiebungen im einzelnen im gleichen Problemhorizont bewegten, eine wichtige Voraussetzung dafür, daß wechselseitige Herausforderungen und entwickelte Vorbilder überhaupt wirksam werden und Lernprozesse anstoßen konnten.

129

IV. Frühe Arbeiterbewegung und wirtschaftliche Selbsthilfe In den 1840er Jahren verbesserten sich die Voraussetzungen für Konsumvereinsgründungen durch Unterschichten dadurch, daß sich einzelne Gruppen, überwiegend Handwerksgesellen, ansatzweise auch Industriearbeiter, selbständig oder in Verbindung mit Teilen des Bürger- und Kleinbürgertums, zunehmend in freien Vereinen organisierten. Die Literatur unterscheidet drei Formen der Arbeiterorganisation im Vormärz. 72 Neben den zahlenmäßig geringen, fur die Ideologiebildung aber wichtigen Auslandsvereinen wandernder Handwerksgesellen 73 existierten an vielen Orten lokal begrenzte Hilfskassen und Unterstützungsvereine, die Gelder ansammelten und im Fall von Krankheit oder der als Wanderschaft getarnten Arbeitssuche Unterstützung zahlten.74 Diese ursprünglich überwiegend im Handwerk angesiedelten Kassen entstanden in den vierziger Jahren zunehmend auch in der Industrie. Neben Auslandsvereinen und Kasseneinrichtungen war der zumeist bürgerlich dominierte Arbeiter- und Bildungsverein die dritte wichtige Organisationsform, an der sich Arbeiter im Vormärz beteiligten.75 Die Ausbreitung der verschiedenen Arbeiterorganisationen verbesserte für Handwerksgesellen, Industrie- und Heimarbeiter die Möglichkeiten der Selbstverständigung, machte übereinstimmende Interessen bewußter und stärkte ihre Fähigkeit zu planmäßigem kollektiven Handeln. Der Höhepunkt dieses in den 1820er Jahren beginnenden und im Revolutionsjahrzehnt stark an Tempo gewinnenden Prozesses wurde im August 1848 mit der Gründung der ersten zentralen deutschen Arbeiterorganisation überhaupt, der Arbeiterverbrüderung in Berlin, erreicht. Bei der Verbrüderung handelte sich um einen mit Rücksicht auf die Vereinsgesetzgebung in den verschiedenen Bundesstaaten förderativ aufgebauten Verband, der gleichwohl den Anspruch erhob, als Dachorganisation die existierenden Arbeitervereine, Gewerkschaften und Genossenschaften zu repräsentieren. Der Mobilisierungsprozeß, aus dem die Arbeiterverbrüderung hervorging und an dessen Verstärkung sie einen wichtigen Anteil hatte, wirkte sich an vielen Stellen als organisationsstimulierender Impuls aus. Unter den Bedingungen der Revolution traten Arbeiter und Gesellen gewerkschaftsähnlichen Verbänden bei, errichteten weitere Kassen und politische Vereine, streikten, handelten Tarife aus und schlossen sich schließlich auch in ihrer Eigenschaft als Konsumenten zusammen. Angesichts des Schubes, den die Ausbreitung und Weiterentwicklung des konsumgenossenschaftlichen Musters in England durch die nationale Bewegung der Arbeiter in den späten 1820er und anfangdreißiger Jahren erfahren hatte, wie auch angesichts programmatischer Übereinstimmun130

gen zwischen früher englischer und deutscher Arbeiterbewegung76 liegt es nahe, den Beitrag der Arbeiterverbrüderung zur Konsumvereinsbildung genauer zu untersuchen. Dabei sind drei verschiedene Formen zu unterscheiden: 1. In Verbindung mit der Arbeiterverbrüderung gegründete Konsumvereine im engeren Sinne des Begriffs, also Vereinigungen zum Ankauf von Lebensmitteln im Großen, sind fur das Jahr 1848 nicht bekannt geworden. Angesichts der Chronologie ist das nicht sehr überraschend. Der »Allgemeine Arbeiter-Kongreß« in Berlin, der der Konstituierung der Verbrüderung vorausging, endete erst am 3. September 1848, und die Beratung und Verabschiedung der Grundstatuten zog sich bis Ende Februar 1 8 4 9 hin. Der erste Konsumverein der Verbrüderung entstand unmittelbar im Zentrum der Bewegung: es war die am 10. Januar 1 8 4 9 in Berlin gegründete »Association zur Beschaffung von Lebensbedürfnissen.«77 Ihr folgte an gleicher Stelle im Juli des Jahres eine weitere »Gesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Brod«. 78 Ende 1 8 4 9 oder Anfang 1 8 5 0 entstand in Kiel ein genossenschaftliches Mehlgeschäft, von dem es noch im Mai 1 8 5 0 hieß, es »erfreut sich des besten Fortganges und gewinnt immer mehr an Ausdehnung.« 79 Nähere Informationen über den Geschäftsgang liegen nur für die Berliner Unternehmen vor. Der Bericht des Berliner Bezirkskomitees nennt für Februar 6 7 und für März 1 8 4 9 108 Mitglieder.80 Im Mai, Juli, August, September 1849 gab die Brotbeschaffungsgesellschaft jeweils 1415, 1 2 5 4 Vi, 1170, 8 3 1 Brote ab.81 Dem Komitee der Berliner Verbrüderung stand das Beispiel der Liedkeschen Vereine unmittelbar vor Augen, und man wird wohl nicht fehlgehen in der Vermutung, daß es mit der Gründung einer eigenen Organisation auch darum ging, dem bürgerlichpaternalistischen Konzept eine selbstverwaltete Variante gegenüberzustellen.82 Die meisten konsumgenossenschaftlichen Gründungen der Arbeiterverbrüderung oder ihr nahestehender demokratischer Arbeitervereine fielen in die zweite Hälfte des Jahres 1849, also in eine Zeit, als die Revolution de facto beendet war. Die bedeutendste unter diesen Gründungen stellte die Ende Oktober 1 8 4 9 errichtete Chemnitzer »Allgemeine Association« dar. Sie zählte bereits nach drei Monaten rd. 5 0 0 und auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung 1 5 0 0 Mitglieder. Aus den Geschäftsberichten geht hervor, daß sie außer dem Laden auch über ein eigenes Lager und einen kleinen Produktionsbetrieb, eine Kaffeerösterei, verfügte. 83 Die Bedeutung des Chemnitzer Unternehmens lag vor allem in der Anregung weiterer Zusammenschlüsse in Gemeinden und Industriedörfern des Erzgebirges sowie in der ökonomischen Abstützung dieser Einrichtungen durch die Übernahme von Großhandelsfunktionen.84 Hinweise auf Gründungen gibt es u.a. für die sächsischen Gemeinden Adorf, Annaberg, Auerbach, Flöha, 131

Frankenberg, Gera, Glauchau, Limbach, Meerane, Mittweida, Oederan, Stollberg, Thalheim, Werdau, Zschopau. 85 In diesen textilindustriellen Zentren mit einer starken Weberbevölkerung lag der zahlenmäßige Schwerpunkt konsumgenossenschaftlicher Gründungen in der Revolutionszeit, eine Entwicklung, die sich in den 1860er Jahren fortsetzte. 2. Der zweite Typus von Konsumverein, der 1 8 4 8 / 9 in Verbindung mit der Arbeiterverbrüderung entstand, war eine Absatzorganisation für Produktivgenossenschaften. Um deren Hauptproblem, das Fehlen einer kontinuierlichen Nachfrage, zu beseitigen, regte die Verbrüderung an, daß sich komplementär zu den bereits existierenden und noch geplanten Produktivgenossenschaften Käufervereinigungen bildeten. Im Unterschied zu den Lebensmittelassociationen spezialisierten sich diese auf bestimmte Produkte. Die Existenz solcher Gesellschaften ist für Berlin und einige andere Plätze belegt.86 Die bekannteste unter ihnen war die im Oktober 1848 ins Leben gerufene »Berliner Arbeitergesellschaft zur gemeinschaftlichen Beschaffung von Hemden«. 87 Anfang der fünfziger Jahre bildeten sich ähnliche Ankaufvereinigungen für selbstverwaltete Zigarrenarbeiterbetriebe in Ulm und Altenburg. 88 3. Einen eigenständigen Typus unter den Konsumentenzusammenschlüssen der frühen Arbeiterbewegung verkörperte die genossenschaftlich organisierte Speisewirtschaft oder »Kostanstalt«.89 Als Forderung reichte sie am weitesten in den Vormärz zurück. Aus ihr sprach das Bedürfnis von Handwerksgesellen, die zunehmend als Gängelung und Bedrückung empfundene Einbindung in die patriarchalische Hauswirtschaft des Meisters abzuschütteln. 90 Der Schneidergeselle Weitling hatte mit dem Projekt der Kostanstalt unter den politisierten wandernden Handwerksgesellen und ihren Vereinen in der Schweiz und offenbar auch in Frankreich Anklang gefunden und den Anstoß zu einigen Gründungsversuchen gegeben. 91 In der Revolution kehrte diese Forderung an verschiedenen Stellen wieder.92 Wie wenig Kenntnisse und Erfahrungen mit der Konsumorganisation unter den Arbeitern zu diesem Zeitpunkte existierten und wie groß dementsprechend das Austauschbedürfnis war, läßt sich daran ablesen, daß die meisten im Organ der Verbrüderung überhaupt abgedruckten Organisationsstatuten von solchen Gesellschaften stammten. Vergleichbar der Rezeption des Liedkeschen Plans in der organisierten bürgerlichen Sozialreform verhalf die Revolution dem Konsumverein innerhalb der Arbeiterbewegung zu einem ersten Durchbruch. Die wichtigsten Übereinstimmungen zwischen beiden Mustern lagen darin, daß sie die Möglichkeiten des Großeinkaufs nutzten, um individuelle Ersparnisse zu ermöglichen. 93 Dahinter stand in beiden Fällen die Überzeugung, daß die bestehende Handelsstruktur, wenn nicht ganz überflüssig, so doch stark reformbedürftig sei; eine Auffassung, die sich besonders bei den Arbeitern, aber nicht nur 132

dort, zu einem handfesten produzententypischen Ressentiment verdichtete.94 Die Konsumvereine hielten sich mehr an das allgemeine Vereinsmuster, vermieden die Praxis der halbjährlichen Vorbestellung und verzichteten insbesondere auf die Verkoppelung des Konsums mit der im Geruch von Fürsorge und Paternalismus stehenden Sparkassenidee. Der Hauptunterschied lag in der Selbstverwaltung. Laufende Mitbestimmung und freie Wahl der leitenden Personen auf offenen Generalversammlungen besaßen im Selbstverständnis der Arbeiterverbrüderung und ihrer sozialen Basis einen hohen Stellenwert und waren zugleich unter langfristigem Aspekt die wichtigste Zutat zur Weiterentwicklung des Musters.95 Bei aller Elaboriertheit der Binnenkonstruktion stießen gerade die hierarchischen Elemente der Liedkeschen Vereine die aktivsten Elemente der Arbeiterbewegung entschieden zurück und verhinderten ein Zusammenfließen beider Bewegungen. Betrachtet man die Rolle der Konsumvereine in Programm und Praxis der Arbeiterverbrüderung im größeren Zusammenhang, wird sofort deutlich, daß sie weit hinter der der Produktivgenossenschaften zurückblieb.96 Die Hauptforderung der Arbeiterverbrüderung unter wirtschafts- und sozialpolitischem Aspekt bildete eindeutig die Errichtung von selbstverwalteten Produktionsunternehmen. In der Verbindung von demokratischen Prinzipien und wirtschaftlicher Selbständigkeit sprach diese Vorstellung die Bedürfnisse von Handwerker-Arbeitern wie keine zweite an. Sie verschaffte der Arbeiterbewegung eine Basis bei Gruppen, die, wie die Handwerksgesellen und Heimgewerbetreibenden, um ihre bedrohte oder bereits verlorengegangene Selbständigkeit kämpften, ohne dabei tatsächlich in die herrschaftlichen Strukturen des alten Handwerks zurückkehren zu wollen.97 Die Unterordnung des Konsums unter die Produktion war keine Besonderheit der Verbrüderung. In England und Frankreich setzte die frühe Arbeiterbewegung zwischen 1830 und 1848 ihre Prioritäten nicht anders.98 Nicht in der Reihenfolge, sondern im Grad der Aufmerksamkeit und der Gründungsanstrengungen, die Konsumvereinen zugewandt wurden, unterschied sich der erste Aufbruch der deutschen von dem der englischen Arbeiter. Betrachtet man die aus vielen Quellen adaptierten programmatischen Vorstellungen des Leipziger Zentralkomitees näher, fallen neben frappierenden und durchaus nicht zufälligen Ähnlichkeiten mit den Ideen Owens und des Chartismus - ein charakteristisches Detail ist etwa der Plan, die von Arbeitern zusammengetragenen Gelder zum Ankauf von Ländereien zu verwenden - einige Unterschiede auf, die insbesondere die Funktion der Konsumvereine betreffen. 99 Die englische Bewegung der dreißiger Jahre hatte die Konsumentenorganisation als Zwischenstufe und Kapitalsammeistelle für den allmählichen Übergang zu Produktionsunternehmen und 133

Landkommunen eingeplant. Dieser Zusammenhang förderte ihre Verbreitung, erleichterte die Emanzipation aus der Armenfürsorge und trug erheblich zur Weiterentwicklung des Musters von einem Modus kurzlebiger, instabiler Umverteilung zu einem kapitalbildenden Unternehmen bei. Die Arbeiterverbrüderung dagegen setzte nicht durchgehend und vor allem nicht an erster Stelle auf Selbsthilfe. Die Vorstellungen, wie die Mittel für die Errichtung selbstverwalteteter Werkstätten aufzubringen seien, veränderten sich mehrfach. Das erste »Statut für die Organisation der Arbeiter« sah vor, die eigene Organisation als Instrument zur Einziehung der notwendigen Gelder zu verwenden.100 Die Löhne der Mitglieder, so der Plan, sollten von den Arbeitgebern nicht mehr an die Arbeiter selbst, sondern an die Lokalkomitees der Verbrüderung ausgezahlt werden. Neben der Lohnzahlung in vierzehntägigem Turnus bestand die Aufgabe der Komitees darin, regelmäßig »7-10 Prozent« der laufenden Einkommen für die Assoziationskasse abzuzweigen.101 Den Platz von Selbsthilfe und moralischem Appell nahm in diesem Plan eine straff geführte, fast behördenähnlich aufgebaute Organisation ein. Die Lokalkomitees erschienen demnach weniger als politische Einrichtungen denn als nüchterne Finanzämter der Selbsthilfe. Für diese Konstruktion gab es Vorbilder in der Betrauung der Innungen und anderer sozialer und wirtschaftlicher Verbände mit staatlichen Funktionen und delegierter Disziplinargewalt. In der späteren Diskussion trat die Idee der Lohnsteuer hinter die Forderung nach direktem Staatskredit zurück.102 Diese Akzentverlagerung war, scheint es, ein Resultat der zunehmenden Spannung zwischen den ambitionierten Plänen - die Verbrüderung betonte von Beginn an, keine partikularen Selbsthilfeversuche für einzelne Arbeitergruppen, sondern allgemeine Lösungen durchführen zu wollen - und der wachsenden Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten. Vor allem erwies sich die vorgesehene zehnjährige Ansparphase als eine hoffnungslose Überforderung der auf konkrete Lösungen drängenden Basis, zumal der stärkste Antrieb hinter der Assoziationsidee vor Ort in den Vereinen immer noch die Arbeitslosigkeit war.103 Die Idee eines reinen Co-operative Commonwealth, also eines Systems sich gegenseitig stützender Selbsthilfevereinigungen, das der englischen Arbeiterbewegung lange Zeit als Orientierung diente, konnte sich zumindest im Hauptstrom der frühen deutschen wie im übrigen auch der französischen Arbeiterbewegung nicht durchsetzen. 104 Zu stark wirkte die Gewöhnung an staatliche Fürsorge nach, zu naheliegend war die Idee, den verfügbaren Apparat der Verwaltung, seine Macht- und Finanzressourcen in Selbsthilfevorstellungen zu integrieren, als daß die Verbrüderung der darin liegenden Versuchung widerstehen wollte und konnte. Ein potentieller Antrieb für Konsumvereinsgründungen fiel daher von vornherein aus. 134

Erst in der letzten Phase der Revolution, als sich der Sieg der Reaktion abzeichnete und klar wurde, wie illusorisch der Appell an diesen Staat war, kamen Vorschläge auf, über eine Organisation des Konsums auf breiter Basis, unabhängig von jeder äußeren Subvention, finanzielle Ressourcen für eine Gesellschaftsreform freizumachen. 105 Die Art des Plädoyers läßt vermuten, daß der Erfolg einzelner konsumgenossenschaftlicher Projekte in Kiel und besonders in Berlin solche Hoffnungen nährte. Auch die erwähnten sächsischen Gründungen vom Ende des Jahres 1849 verdankten sich offenbar der Einsicht, daß die Arbeiter auf absehbare Zeit auf sich gestellt sein würden. 106 Ein starker selbständiger Zweig mit eigenem Personal und Programm entwickelte sich daraus bis zur Unterdrückung der Verbrüderung nicht mehr. Daß sich von den geplanten Ankaufsassoziationen nur wenige tatsächlich bildeten, war dagegen ein allgemeines Phänomen. Auch in England erwies sich dieser Typus rasch als Sackgasse und wurde zur Randerscheinung. Von ihrer Konstruktion her blieben Absatzvereinigungen immer Zuschußgeschäfte. Sie hoben die Konsumfreiheit bei einer Gruppe auf, die ohnehin nur über geringste Einkommen und finanzielle Spielräume verfugte, und überbeanspruchte die Solidarität. Die Neigung, bei konkurrierenden und preiswerteren Angeboten nur die Hemden eines bestimmten genossenschaftlich geführten Unternehmens zu tragen, überstand selten den Abklang der ersten Euphorie. Die Forderung nach genossenschaftlichen Kostanstalten gehörten zu den Besonderheiten der deutschen Arbeiterbewegung. Sie verweisen auf Eigenheiten der handwerklichen Tradition und damit auf ein weiteres Hindernis fur die Entfaltung von Konsumvereinen. Im Falle der Kostanstalten stand der propagandistische Erfolg schon im Vormärz in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem praktischen Erfolg. Als selbständige Unternehmen scheiterten sie daran, daß die Situation, aus der das Bedürfnis entstand, nämlich die Hausgemeinschaft mit den Meistern und die Wanderschaft, zugleich seine Befriedigung erschwerte. Die durch lange Wander- und Lehrjahre erzwungene Familienlosigkeit vieler Handwerksgesellen beinträchtigte nicht nur deren Interesse, sondern auch ihre Fähigkeit, Konsumentenzusammenschlüsse zu organisieren. Erst der Abbau dieser Traditionen durch das zunehmende Gewicht fabrikindustrieller Lohnarbeit verbreiterte die Grundlage für Einrichtungen zur Stabilisierung der Kaufkraft. 107 In der Wahrnehmung der Beamtenschaft und erheblicher Teile des Bürgertums in den fünfziger Jahren gehörten nach der Erfahrung der Revolution Selbsthilfe, selbständige Arbeiterorganisation und radikale Demokratie noch enger zusammen als ohnehin schon im Vormärz. Was die Verbrüderung anging, war diese Einschätzung nicht unzutreffend. Hinter 135

mancher Übereinstimmung im Sprachgebrauch zwischen früher bürgerlicher Sozialreform und demokratischer Arbeiterbewegung verbargen sich eklatante inhaltliche Differenzen. Während Selbsthilfe im Verständnis bürgerlicher Reformer fast immer nur wirtschaftliche Unternehmen meinte, die überdies zumeist mit bürgerlicher Patronage und Kontrolle zusammengedacht wurden 108 - ein wichtiges Beispiel für eine entsprechende Konzeption war Hubers »aristokratische Genossenschaft«109 verstanden Stephan Born und seine Mitstreiter unter Selbsthilfe primär das, was Arbeiter »selbst« als eine vom Bürgertum unterschiedene Klasse taten. Ihnen kam es nicht auf bestimmte Formen und Aktionsbereiche, sondern auf die kollektive, von anderen Gruppen unterschiedene Identität ihrer Träger an. An keinem Punkt trat die unterschiedliche Interpretation deutlicher hervor, als bei der Forderung nach der Ausweitung des Wahlrechts, mit der sich die Verbrüderung in offenen Gegensatz zu den politischen Vorstellungen der überwältigenden Mehrheit der Nationalversammlung stellte. Dabei machte diese Forderung nicht nur unter politischem Aspekt Sinn. Die zentrale Bedeutung, die die Verbrüderung dem Staat und seinen Ressourcen fur die Ankurbelung von Arbeiterselbsthilfe zuschrieb, verwies die »Association der Arbeit« zwingend auf den Weg des allgemeinen Wahlrechts, auch wenn Born selbst diese Implikation und die in ihr steckenden propagandistischen Möglichkeiten noch nicht so scharf wie anderthalb Jahrzehnte nach ihm Lassalle sah.110 Indem die Verbrüderung zeitweise Staats- und Selbsthilfe eng verband, grenzte sie sich zugleich gegenüber ihrem wichtigsten potentiellen Verbündeten, dem Liberalismus, ab. Auch im Kernbereich möglicher Kooperation von Bürgern und Arbeitern, der wirtschaftlichen Selbsthilfe, zeichneten sich mithin frühzeitig wichtige Auffassungsunterschiede ab. Selbst da, wo schließlich die Auffassungen von Selbsthilfe in eine sehr ähnliche Richtung gingen wie bei Gesellen und Meistern, tendierte allein ihre Ankündigung dahin, bestehende Konflikte zu verschärfen. Das in produktivgenossenschaftlichen Ideen enthaltene Selbständigkeitsideal überbrückte nicht etwa den Meister-Gesellen-Gegensatz, sondern trug, wie das Beispiel des Leipziger Innungs-Meister-Vereins und seiner Resolution an das sächische Innenministerium wegen des zu befürchtenden »völligen Umsturzes] der bestehenden Verhältnisse« zeigt, eher zu seiner Vertiefung bei.111 Nicht alle kleinen Meister reagierten auf die genossenschaftlichen Vorstellungen der Verbrüderung in ähnlich panikartiger Weise. 1848 war eine Kooperation von Meistern und Gesellen unter dem Dach der Verbrüderung und der Assoziationsparole noch an einigen Stellen möglich, etwa, wenn aus selbständigen Handwerkern bestehende Arbeitervereine die Assoziationsidee auf die Kreditbeschaffung übertrugen. Die GesellenProduktivgenossenschaft jedoch wurde von den Meistern, die mehrheidich 136

an der Verteidigung ihres mit hohem Prestige besetzten Selbständigenstatus interessiert waren, unter Status- und Konkurrenzgesichtspunkten fast überall, wo sie auftrat, scharf abgelehnt.112 Vor die Entscheidung gestellt, welcher Gruppe sie die Hand zur Verteidigung der Selbständigkeit reichen sollte, entschieden sich im übrigen auch die einzelstaatlichen Verwaltungen und wichtige Gruppen des Bürgertums bei im übrigen realistischer Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung nicht fur die Gesellen, sondern die kleinen Selbständigen. Klassenbewußte autonome Selbsthilfeanstrengungen, unabhängig davon, ob sie in Richtung Selbständigkeit oder Konsumorganisation gingen, stießen auf wenig Gegenliebe. Die Ängste, die diese Politik steuerten, äußerten sich in der Antwort eines Beamten des bayerischen Innenministeriums auf eine Beschwerde des Münchener Arbeitervereins von Anfang Mai 1851: »Wenn die Arbeiter selbst die Verbesserung der sie zunächst berührenden sozialen Verhältnisse in die Hand nehmen, so wird dies immer nur in demokratischem Sinne erfolgen (was vom Standpunkt der Arbeiter aus wohl natürlich erscheint).«113 Mochten die 48er-Gesellenarbeiter auch noch so viele Zunftzöpfe mit sich schleppen, die enge Verbindung von Selbsthilfe mit Demokratie und Selbstverwaltung war mit fortexistierenden obrigkeidich-hierarchischen Traditionen in Gesellschaft und Politik unvereinbar, so sehr der Staat auch nach Möglichkeiten zur Entlastung seiner Ressourcen suchte.

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Viertes Kapitel Kontinuität und Diskontinuität in der Reaktionsära 1850-1863

Die rückblickende Feststellung eines Autors in den Mittheilungen des Centraivereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, man habe bei den Liedkeschen Vereinen »das seltene Glück, daß man ihre Ausbreitung Schritt für Schritt verfolgen kann«, 1 läßt sich auf die Konsumvereine der Reaktionszeit nicht übertragen. Die fünfziger Jahre sind das Jahrzehnt, für welches es am schwierigsten ist, sich ein zuverlässiges Bild von der Entwicklung der Konsumvereine zu verschaffen. Einerseits war diese Form der Organisation zumindest für die Sozialpolitiker nicht mehr so neu, daß jede einzelne Gründung unbedingt die Aufmerksamkeit der einschlägigen Organen auf sich zog. Andererseits war sie noch so wenig entwickelt, so sehr zersplittert, daß an eine Verbandsbildung und eine von den Vereinen selbst getragene Berichterstattung nicht zu denken war. Auch der Staat trat in diese Lücke anders als in England zu diesem Zeitpunkt nicht ein, es sei denn, daß die Vereine in den Verdacht politischer Betätigung gerieten. Neben den Polizeiakten sind am aufschlußreichsten für diese Zeit Publikationen aus den sechziger Jahren von Veteranen der frühen Gründungen, die im Einzelfall selbst liquidierte Gründungen verzeichnen. Dennoch wird man damit rechnen müssen, daß auch bei diesen Berichten Vereine in größeren Städten zuverlässiger registriert wurden als solche in kleinen Gemeinden. Genauere Informationen liegen lediglich für rd. zwanzig Gründungen vor, die sich über das ganze Jahrzehnt verteilen. Allein fünf davon - 1850, 1851/52, 1854, 1855, 1856 - konzentrierten sich auf Hamburg. Zu zwei weiteren Zusammenschlüssen kam es 1852 und 1855 im benachbarten Altona. Weitere Hinweise auf die Errichtung von Lebensmittel-Associationen gibt es für einzelne sächsische Gemeinden und Städte wie Glauchau (1850) und Delitzsch (1850), Eilenburg (1850), Leipzig (1854), 2 daneben Kiel (1850), Stuttgart (1851 und 1855), Esslingen (1855), 3 Erlangen (1855), 4 Frankfurt (1855), Erfurt (1856), Niederwürschnitz (1857), Augsburg (1858), Elberfeld (1859). Zu den Neugründungen der fünfziger 138

Jahren trat noch eine größere Anzahl von Vereinen, die in der zweiten Jahreshälfte 1 8 4 9 errichtet wurde und zum Teil mehrere Jahre Bestand hatten. Der Umfang des Geschäftsbetriebes schwankte stark. Die Art der Organisation und die Stadtgröße bildeten die entscheidenden Determinanten. Die höchsten Umsätze und Mitgliederzahlen erreichten die Hamburger Vereinigungen. Ein kurzlebiges, am 2 0 . 1 2 . 1 8 5 1 gegründetes »WaarenMagazin auf Aktien« registrierte nach sieben Monaten 1 0 0 0 Familien als Mitglieder.5 Die einzige, das ganze Jahrzehnt überlebende Einrichtung, die »Hamburger Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852« umfaßte 1 8 6 0 ca. 3 8 0 0 Haushalte. 6 Am besten läßt sich die Entwicklung der 1 8 5 0 im sächsischen Eilenburg errichteten »Lebensmittel Association« nachzeichnen. Drei Wochen nach der Gründung organisierten sich in ihr 3 1 7 Personen. Nach einem Jahr Mitte 1851 - erreichte sie die größte Ausdehnung mit etwa 5 0 0 Mitgliedern. 7 Bei 1 0 . 2 5 4 Einwohnern im Jahre 1852 8 und einer Kopfzahl von vier bis fünf Personen pro Familie dürfte der Verein zeitweilig ein Viertel der Bevölkerung erfaßt haben. Hohe Organisationsgrade wie Eilenburg erreichten zu diesem Zeitpunkt nur Vereine in kleinen Gemeinden. Auch dort bildeten sie nicht die Regel, wie das Beispiel der Delitzscher Gründung zeigt. Das Statut der dort im September 1 8 5 2 von selbständigen Handwerkern ins Leben gerufenen »Association zur Anschaffung nöthiger Lebensmittel« trug die Namen von 36 männlichen Personen. Sechs Jahre später auf dem Höhepunkt der Entwicklung hatte der Verein lediglich 9 0 Mitglieder. 9 Mit den langfristig angelegten Konsumvereinen nicht zu vergleichen sind die Beteiligungen und Einschreibungen bei den ad hoc gegründeten und oft nur wenige Monate bestehenden Hilfsvereinen. Der Hamburger »Hülfsverein von 1 8 5 4 « berichtete Ende Januar 1 8 5 4 über 3 . 8 0 0 Anmeldungen fur Grundnahrungsmittel. Seine Schlußbilanz von Mitte Mai 1854 sprach von 7 0 . 0 0 0 abgegebenen Broten und 8 6 . 0 0 0 verteilten Spint Kartoffeln. 10 1855 und 1 8 5 6 wurden ähnliche Einrichtungen als kurzfristiges Hilfsmittel gegen Teuerungsschübe am Ende der Wintersaison ins Leben gerufen. 11 Die in den fünfziger Jahren bestehenden oder neugegründeten Konsumentenzusammenschlüsse standen in verschiedenen Traditionen. Bei einer Reihe von Vereinen ist der ursprüngliche Zusammenhang mit der politischen Arbeiterbewegung offensichtlich. An einigen Stellen wichen die Arbeiterverbrüderung und andere demokratische Arbeitervereine in wirtschaftliche Organisationsformen aus, um der zunehmend rigoroseren und effektiveren Verfolgung durch die Behörden zu entgehen. Dafür eigneten sich die Produktivgenossenschaften als Symbole einer selbständigen de139

mokratischen Arbeiterpolitik sehr viel weniger als die in diesem Sinne nicht eindeutig besetzten Konsumvereine. Die Hamburger »Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852«, indirekt auch eine gleichnamige im Jahre 1856 gegründete Vereinigung, verdankten ihren Ursprung dieser Strategie. Bei dem oben erwähnten Chemnitzer Unternehmen und der im Jahre 1850 gegründeten Lebensmittel Association im sächsischen Eilenburg sind ähnliche Überlegungen nicht auszuschließen. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß bei ihnen das Motiv, die Assoziationsidee in einem anderen Bereich auszuprobieren und fortzusetzen, ebensolches Gewicht hatte. Der Delitzscher Verein war dagegen ein Ableger und Nebenprodukt des innerhalb der Handwerkerschaft um sich greifenden Assoziationsfiebers.12 Zu Übergängen zwischen Liedkeschen Spargesellschaften und auf Dauer angelegten Konsumvereinen kam es in Hamburg und Altona. Beim Kristallisationskern einer im Februar 1855 gegründeten »Handels-Association« handelte es sich um den Einlegerkreis einer Liedkeschen Spargesellschaft.13 Die Esslinger Gründung wurde dagegen offenbar von einer angekündigten und dann nicht realisierten Initiative der lokalen Maschinenbaufabrik zur Errichtung von Backöfen als Gegenmittel zu einer Preishausse für Brot angeregt. Etwa 100 Arbeiter setzten die Idee zwei Jahre später - typischerweise nach dem Abflauen des Preishochs - in die Tat um. 14 Demgegenüber handelte es sich bei der Erlanger Gründung aus dem Jahre 1855 um die Initiative lokaler Honoratioren, 15 nachdem sich der Versuch, die traditionelle Magazinpolitik in lokaler Privatinitiative weiterzuführen, als Fehlschlag erwiesen hatte. Etwas besser als in quantitativer Hinsicht fällt die Bilanz der 1850er Jahre aus, wenn man die Organisationsform und ihre Entwicklung betrachtet. Die Zusammenschlüsse waren nun in ihrer großen Mehrheit auf Dauer angelegt, was auch daran lag, daß, von lokalen Ausnahmen abgesehen, die Zeit der Hungerkrisen und damit auch die Ära der Brot- und Kornvereine weitgehend vorbei waren. Großeinkauf und Mitgliederbezug bildeten die wichtigsten Grundsätze. Die Zweckbestimmung lautete fast überall wie im Statut der Hamburger »Neuen Gesellschaft« von 1856: »Lebensbedürfnisse im Großen einzukaufen« und »je nach dem Bedürfniß der einzelnen Mitglieder, an dieselben zu verteilen.«16 Zumindest auf dem Papier wurde eine demokratische Wahl zur Regel. Die am weitesten ausgearbeiteten Statuten enthalten explizite Hinweise auf das Ein-Stimmen-Prinzip. Der Paragraph 17 des Statuts der Hamburger Gesellschaft von 1852 bestimmte kategorisch: »Der Besitz mehrerer Antheilsscheine berechtigt nicht zu mehr als einer Stimme«.17 Die Absicht, eine möglichst breite Beteiligung der Mitglieder zu ermöglichen, sprach aus den zum Teil außerordentlich großen Vorständen und Leitungsorganen, die bei der »Neuen Gesellschaft« von 1856 immerhin 37 Personen umfaßten. 18 An anderer Stelle 140

verlagerte sich die Mitwirkung der Mitglieder auf Revisionskommissionen zur Kontrolle der laufenden Geschäfte.19 Der Grad der Formalisierung durch das Statut war nicht überall gleich. Er variierte mit der Vereins- und Stadtgröße. Besonders deutlich zeigte sich das an den Bestimmungen über die Aufbringung und Sicherstellung des Betriebskapitals. Während die großen Hamburger Gesellschaften unkündbare und unverzinsliche Anteile vorschrieben, von denen jedes Mitglied mindestens einen zu erwerben hatte, gelangten kleine Vereine zum Teil auf dem Wege über ein spontanes Umlageverfahren zu ihrem Kapitalstock, ohne weitergehende Regelungen zu treffen, oder sie liehen sich ihr Kapital auf der Basis unbeschränkter Haftpflicht wie die Delitzscher Handwerker.20 Trotz der enormen Größenunterschiede und der möglicherweise unzureichenden Erfassung lokaler Gründungen scheint der Trend dennoch eindeutig. Bezogen auf die Revolutionszeit waren die fünfziger Jahre in quantitativer Hinsicht keine eindeutige Aufschwungphase unternehmerischer Selbsthilfe der Konsumenten. Nur wenige der in diesem Zeitraum gegründeten Konsumgenossenschaften betrieben ihr Geschäft bis in die frühen sechziger Jahren hinein. Als Schulze-Delitzsch im Jahre 1864 den »Allgemeinen Verband deutscher Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften« ins Leben rief, meldeten von allen zwischen 1848 und 1859 gegründeten Konsumvereinen gerade noch vier zur Statistik. Nicht nur die fehlende Expansion spricht dagegen, in den Vereinen dieses Zeitraums eine Bewegung zu sehen. Eine einheidiche Ideologie oder ein bekanntes und akzeptiertes Vorbild ist in den Grenzen des Deutschen Bundes nicht auszumachen. Soweit Zusammenhänge zwischen einzelnen Gründungen bestanden, waren sie auf die lokale oder regionale Ebene beschränkt. Keiner der bestehenden Vereine unternahm von sich aus Anstrengungen, diese Verhältnisse zu verändern und sich in ähnlicher Weise wie Rochdale zum Mittelpunkt eines Neuaufbruchs zu machen. Die Idee des Konsumvereins als solche hatte sich verbreitet. Daß es anderswo innerhalb und außerhalb der deutschen Staaten diesen Typus von Organisation gegeben hatte und gab - in der Schweiz, in Paris, in England - war bekannt. Nur im Einzelfall ging diese allgemeine Kenntnis weiter. Die erkennbare Entwicklung der Form beruhte primär auf der Übertragung von Elementen aus anderen Organisationstraditionen und praktischen Erfahrungen, wobei im Hamburger Fall neben der fur einen Lernprozeß günstigten Kontinuität nicht auszuschließen ist, daß Kenntnisse über die englische Bewegung in die Gründungen eingingen. 21 Auf die übrigen Vereine strahlte das nicht aus.

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I. Der Anteil politischer Verfolgung am Zurückbleiben der deutschen Vereine Es fällt schwer, diesen Befund allein von den wirtschaftlichen und sozialstrukturellen Voraussetzungen her überzeugend zu erklären. Jene Randbedingungen von Selbsthilfe, die ihre Wurzeln im Rückstand des Industrialisierungs- und Kommerzialisierungsprozesses der deutschen Staaten gegenüber England hatten, waren zwar weit von einer allgemeinen Angleichung entfernt. Daß die Tendenz gerade in den fünfziger Jahren in eine solche Richtung ging, steht außer Frage. Die Ausbildung eines überregionalen Lebensmittelgroßhandels machte Fortschritte, die Revolution des Verkehrswesens ging weiter, die Anreize durch heftige Preisschwankungen auf dem Lebensmittelmarkt waren nicht geringer geworden. Vor allem aber verbesserte sich infolge des nur kurzzeitig unterbrochenen langfristigen Wachstumspfades die durchschnittliche Einkommenssituation und damit eine der wichtigsten materiellen Voraussetzungen für wirtschaftliche Selbsthilfe. An der abnehmenden Bedeutung zünftlerisch orientierter Gesellenverbindungen seit dem Ende der fünfziger Jahren schließlich läßt sich auch das allmähliche Vordringen eines neuen Typus von Lohnarbeiter ablesen, für den Familienorientierung und Konsumenteninteressen frühzeitiger einen hohen Stellenwert besaßen. Zur Erklärung von relativer Stagnation und partieller Trendumkehr muß man daher noch andere als ökonomische Bedingungen in Betracht ziehen. Ein Faktor, die nachrevolutionäre Unterdrückungspolitik des Staates, liegt dabei auf der Hand. Die fundierteste Studie zur Entwicklung der Arbeiterbewegung in den fünfziger Jahren, Toni Offermanns Untersuchung von 1979, hat den Anteil des Staates und seiner entwickelten Unterdrükkungsmaschinerie an dem zwar nicht vollständigen, in organisatorischer Hinsicht aber doch sehr weitgehenden Kontinuitätsbruch detailliert und überzeugend herausgearbeitet.22 Im direkten polizeilichen Zugriff macht Offermann auch den entscheidenden Faktor für das Ende der von der Arbeiterverbrüderung entscheidend verstärkten bzw. sogar ausgelösten sächsischen Konsumvereinsbewegung der Jahre 1849 bis 1852 aus. »Die Assoziationen als letzte, zum Teil in enger Verbindung mit der Demokratie stehende Organisation der Arbeiter in Sachsen, gingen nicht an der Unzulänglichkeit ihrer Konzeption, sondern eindeutig an den Vorschriften der Behörden und dem gezielten administrativen Einschreiten zugrunde.« 23 Diese These hat insbesondere für Sachsen eine hohe Plausibilität. Das sächsische Innenministerium beobachtete nach der Niederschlagung der Revolution mit Argwohn, daß Arbeitergruppen mit Hilfe von Konsumvereinsgründungen finanzielle Mittel zusammentrugen und sich durch häu142

fige Generalversammlungen eine Gelegenheit zum Austausch und zur Selbstverständigung verschafften. Direkte Eingriffe in die Geschäftspraxis zur Senkung der Versammlungsfrequenz folgten. Im zweiten Schritt zwang die Verwaltung die Vereine, nurmehr an Mitglieder zu verkaufen. Im Mai 1851 schließlich erging ein förmliches Verbot.24 Im sächsischen Fall wird eine Strategie besonders deutlich, die als Tendenz auch in der Verfolgungspraxis der übrigen Staaten zu finden ist. Man kann sie als Umkehrung oder Spiegelbild des Selbsthilfeverständnisses der klassenbewußten Arbeiterschaft interpretieren: Verboten war demnach das, was Arbeiter selbständig ohne staatliche oder bürgerliche Aufsicht taten, ohne Rücksicht auf den Inhalt der Tätigkeit. Dieser nicht überall in voller Schärfe ausgeprägten Linie entsprach das Verbot selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit ebenso wie die Verfolgung und Überwachung der unpolitischen Aktivität von Gesangsvereinen.25 Auch die Landkarte der Konsumvereinsgründungen scheint die Vermutung über eine hohe Bedeutung des politischen Momentes zu unterstützen. Die Schwerpunktbildung in Hamburg und der weitgehende Abbruch der ursprünglich stärkeren Bewegung in Sachsen stimmten mit der Intensität der Verfolgung überein. Das politisch liberalere Hamburger Klima erleichterte die Bildung von Konsumvereinen überdies dadurch, daß hier demokratische Arbeiter und liberale Bürger im Vereinswesen weiterhin kooperieren konnten. Selbst in den Fällen, in denen die Behörden wirtschaftliche Selbsthilfe von der politisch motivierten Verbotspraxis aussparten, übte diese Praxis doch starken indirekten Einfluß auf die Entwicklung von Einrichtungen wie den Konsumvereinen aus. Indem die Verwaltung beinahe jede selbständige Regung von Arbeiterinteressen überwachte und unterdrückte, fehlte es an jenen vorgelagerten organisatorischen Kristallisationskernen, die das für wirtschaftliche Selbsthilfe unerläßliche Geld und Vertrauen in konzentrierter Form enthielten. Diese verschiedenen Momente sprechen dafür, politischen Einflüssen bei der Behinderung kollektiver wirtschaftlicher Selbsthilfe hohes Gewicht beizumessen. Ob die weitergehende Vermutung, die bei Offermann anklingt, daß nämlich die in den fünfziger Jahren entwickelten Formen der Konsumentenselbsthilfe für den Mißerfolg der Bewegung keine Rolle spielten, zutrifft, ist damit jedoch noch nicht belegt. Um die Wirkungen der polizeilichen Unterdrückungspraxis auf die Entwicklung unternehmerischer Selbsthilfe der Arbeiter wie der organisierten Arbeiterbewegung überhaupt angemessen beurteilen zu können, ist die Wahl des richtigen Maßstabes von ausschlaggebender Bedeutung. Daß das nicht die Sonderbedingungen der Revolutionszeit mit ihrem hohen, auf Dauer nicht durchzuhaltenden Mobilisierungsgrad sein können, versteht sich im Grunde von selbst. In der Revolution handelte auch eine bestimmte Erlebnis- und 143

Erfahrungsgeneration, deren Lebenszyklus voranschritt und eine Rückorientierung auf den Beruf und die Erwerbsarbeit erzwang. Mit anderen Worten: Auch ohne obrigkeitlichen Eingriff wäre mit einer Deeskalation und einem mehr oder weniger ausgeprägten organisatorischen Schrumpfungsprozeß zu rechnen gewesen. Stellt man 1845 und 1855 gegenüber, erscheint mancher Einbruch viel weniger tief. Das gilt auch fur die Weiterentwicklung und Ausbreitung der wirtschaftlichen Selbsthilfe von Unterschichten. Für diese These kann die Geschichte der englischen Arbeiterbewegung in den frühen 1830er Jahren einen modellhaften Charakter beanspruchen. Das Owensche Projekt der Arbeitsbörse wie im übrigen auch das der französischen Nationalwerkstätten brachen nicht in erster Linie aufgrund des Widerstandes der Unternehmer, sondern wegen gravierender konstruktiver Schwächen zusammen. Der Mißerfolg entließ einen großen Teil der daran beteiligten Aktivisten der frühen Arbeiterbewegung fiir eine Reihe von Jahren in die Ratlosigkeit. Alles spricht dafür, daß der Arbeiterverbrüderung mit ihren Plänen einer genossenschaftlichen Wirtschaft mit Staatskredit kein anderes Schicksal bevorgestanden hätte. Vergleichbare prinzipielle Schwächen wies der Konsumverein gerade nicht auf. Während die Produktivgenossenschaft in der Regel am Wachstum zugrunde ging, weil sie nicht so viele Anteilseigner wie Arbeitnehmer aufnehmen konnte, stand die konsumgenossenschaftliche Form künftigen Wachstums- und Rationalisierungsprozessen nicht im Wege. Mit der Vergrößerung des Vereins stieg in der Regel auch der individuelle Nutzen für das einzelne Mitglied. Um dauerhafte Stabilität zu sichern, bedurfte es jedoch einiger zusätzlicher Bedingungen. Die wichtigste war der Grundsatz, nicht zu Kosten-, sondern zu ortsüblichen Tagespreisen zu verkaufen. Nur so bildete sich Kapital, ließ sich hauptberufliches Personal finanzieren und durch die Rückvergütung zwangsloses Sparen erreichen. Genau in diesem Punkt lag noch die Schwäche aller in den fünfziger Jahren operierenden Vereine. »Sämmtliche Waren«, bestimmte das Statut der Hamburger »Neuen Gesellschaft« von 1856, »kommen nur mit Aufschlag der Handels-Unkosten und Geschäftsverwaltungsgebühren zur Vertheilung«.26 Der Versuch, den erwünschten Zweck einer Entlastung des Budgets auf direktem Wege zu erreichen, erschwerte die Stabilisierung des Unternehmens, es sei denn, es herrschten spezifische Bedingungen oder die Möglichkeit zu einer dauerhaften Beanspruchung zusätzlicher Ressourcen vor. Ein anderer Faktor, der in der einschlägigen Literatur gelegentlich genannt wird, dort aber eher als Begleiterscheinung wirkt, ist der Protest von Handwerkern und Kleinhändlern. Wie beide Faktoren, Mängel der Organisationsform und Widerstand von außen, auf die Entfaltung konsumgenossenschaftlicher Selbsthilfe einwirkten, soll im folgenden an einem 144

außergewöhnlich gut dokumentierten Fall, der Vereinsgründung im sächsischen Eilenburg untersucht werden. 27

II. Aufstieg und Fall einer nachmärzlichen Konsumgenossenschaft: Die Eilenburger »Lebensmittel Association« Der Eilenburger Fall weist einige bemerkenswerte Parallelen zur Rochdaler Gründung auf. Sie liegen zum einen in der Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Stadt. Der Schwerpunkt der gewerblichen Produktion hatte sich in Eilenburg bereits seit den 1830er Jahren immer stärker weg von dem in der Innenstadt konzentrierten Handwerk hin zur zentralisierten textilindustriellen Fabrikation in der Vorstadt verlagert. Die Fabrikgebäude - es handelte es sich um ein Dutzend Betriebe mit zum Teil mehreren hundert Beschäftigten - standen zumeist entlang des für Antrieb und Wässerung wichtigen Mühlengrabens, eines Seitenarms der Mulde. In der frühen Industrialisierung wirkten sich die Aufhebung der innerpreußischen Zollschranken - Eilenburg gehörte seit 1815 zu Preußen - die Grenzlage zu Sachsen und natürliche Standortvorteile aus. Sächsische Unternehmer und Kaufleute hatten die günstige Lage genutzt und das verschlafene Landstädtchen zu einem der frühen Zentren der preußischen Textilindustrie gemacht. 1848 lagen Handwerk und Fabrik mit ihrem Anteil an den Erwerbspersonen gleichauf: Etwa 1000 Personen arbeiteten in der Industrie, es gab 450 selbständige Handwerksmeister, die 400 bis 500 Gesellen beschäftigten. Ca. 300 bis 400 Personen gehörten landwirtschaftlichen Betrieben in der Stadt und der näheren Umgebung an.28 Die Versorgung der Bevölkerung geschah zu diesem Zeitpunkt bereits zu einem erheblichen Teil über den Markt. Abgesehen vom festen Wochenmarkt lag das Lebensmittelgeschäft bei Viktualienhändlern und Lebensmittelhandwerkern. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1850 nennt allein dreißig Bäcker und zwei Brothändler.29 Daneben gab es innerhalb und im näheren Umkreis der Stadt ca. ein halbes Dutzend Restaurationsbetriebe, die regelmäßig in der wöchentlich erscheinenden Tageszeitung - dem Eilenburger Wochenblatt - mit Anzeigen und Produktwerbungen vertreten waren. Abgesehen von relativ ausgebildeten konsumgesellschaftlichen Strukturen konnte der Konsumverein an länger zurückreichende Selbsthilfetraditionen und Organisationserfahrungen der Arbeiterschaft anknüpfen, darunter eine Krankenkasse der Webergesellen, die bereits um 1830 existierte, vier weitere Kranken-, Invaliden- und Sterbekassen verschiedener Gruppen von Textilarbeitern, unterschieden nach Gesellen und Tagelöhnern. Den vorläufigen Höhepunkt in der Politisierung und Organisationsgeschichte 145

der Arbeiterschaft markierte auch in Eilenburg das Jahr 1848. In den Revolutionsmonaten entstand neben einem Bürgerverein 30 (Oktober 1848, 200 Mitglieder), einem Handwerkerverein (Oktober 1848, fast alle 500 Handwerker des Ortes erfassend) und einem Gesellenverein31 (1849, 150 Mitglieder) am 17. November 1848 auch ein Arbeiterverein (rund 300 Mitglieder), der engen Kontakt zum Leipziger Zentralkomitee der Arbeiterverbrüderung hielt.32 Das belegt nicht nur ein reger Schriftwechsel, sondern auch der Umstand, daß das führende Mitglied der Verbrüderung und der Mitherausgeber ihres Organs, der Schriftsetzer Karl Gangloff, den Eilenburger Verein im Zentralkomitee repräsentierte.33 Auf lokaler Ebene läßt sich verfolgen, wie das Scheitern des Versuchs der Verbrüderung, staatliche Unterstützung für die eigenen Assoziationsprojekte zu gewinnen, die Antragsteller auf Selbsthilfe als letzten Ausweg zurückwarf. Aus dem Arbeiterverein heraus entstand am 29.11.1849 eine »Gesellschaft Verbrüderung«, in der sich beschäftigungslose Kattundrucker und Lohnweber zusammenschlossen, um eine produktivgenossenschaftliche Vereinsweberei ins Leben zu rufen. 34 Als sich die Behörden weigerten, bei der Finanzierung zu helfen, unternahmen die Drucker und Weber einen vergeblichen Anlauf, das Unternehmen aus eigenen zusammengesparten Mitteln auf die Beine zu stellen. Bei ihrer Auflösung wählten der Arbeiterverein und die lokale »Gesellschaft Verbrüderung« auf den Rat von Gangloff hin eine Krankenkasse als Auffangorganisation. 35 Für eine Krankenkasse sprach der vorhandene legale Rahmen, eine Verständigungsmöglichkeiten bietende Selbstverwaltung, die praktische Bewährung und Vertrautheit mit dieser Organisationsform wie überhaupt die Tatsache, daß sie in ihrer Wirkungsweise unmittelbar an Arbeiterinteressen im engeren Sinne anknüpfte. Der Konsumverein dagegen entfernte sich von diesen Interessen: Er überspannte ganz im Sinne der Verbrüderungsidee die immer noch starken berufsständischen Traditionen und sprach darüber hinaus andere Schichten an, begab sich dabei aber auf das riskante, politisch besetzte Feld der allgemeinen Assoziation. Es verwundert daher nicht, daß der Gründungskreis der Lebensmittel Association erheblich kleiner war als der der Krankenkasse. Während die personellen, ideologischen und organisatorischen Verbindungen zwischen Eilenburger Konsumverein und früher Arbeiterbewegung evident sind, ist ein direkter Zusammenhang mit den Lebensmittelunruhen, die in Eilenburg im April 1847 ausgebrochen waren und sich nur durch den Einsatz von Militär hatten unterdrücken lassen, nicht nachweisbar.36 Angesichts der grundverschiedenen Struktur der Protestorganisation wäre eine direkte Verbindung auch wenig wahrscheinlich. Der Zusammenhang lag eher in den Ursachen. Die Versuche des preußischen Staates, eine Liberalisierung der Marktordnungen, des Warenverkehrs und der Handels146

formen durchzusetzen, erzeugten, wie die Akten des Magistrats belegen, unter dem kaufenden Publikum seit den dreißiger Jahren ein Reizklima. Immer wieder gab es Beschwerden über Gewichtsbetrug auf dem Markt. Ob Brottaxen durch festes Gewicht bei flexiblen Preisen ersetzt werden sollten, war nicht nur in Eilenburg, sondern auch in Berlin und anderswo noch 1848 ein heftig umstrittenes Thema. Die Merseburger und Berliner Bürokratie waren sich in diesem Punkt so wenig einig, daß eine Zusage der Regierung an den Magistrat, den Verkauf von Getreide weiterhin streng im Rahmen der Marktordnung regulieren zu können, nach kurzer Zeit widerrufen werden mußte. 37 Im zähen Ringen mit den Berliner Beamten behauptete sich der Magistrat dagegen mit seiner Position, daß sich die liberalen Maximen nur auf den Getreidehandel, nicht auf den übrigen Lebensmittelhandel beziehen sollten.38 Der langgezogene Prozeß der Freigabe des Lebensmittelmarktes bildete als solcher nicht den Anlaß einer einzelnen Gründung, wohl aber war er ein wichtiger Resonanzboden der Assoziationsidee auf diesem Feld und verhalf ihr neben den niedrigen Preisen rasch zu großer Sympathie. Das im Juli 1850 gegründete Eilenburger Unternehmen gehörte von seiner Struktur her zu den entwickeltsten Konsumvereinen der fünfziger Jahre. Es kannte eine formelle Mitgliedschaft, die durch ein niedriges Einschreibegeld von wenigen Silbergroschen erworben wurde. Den Ort der Selbstverwaltung bildeten vierteljährliche Generalversammlungen, die der Vorstand satzungsgemäß in der lokalen Tageszeitung ankündigen ließ. Dort legte er Rechenschaft ab und mußte sich alljährlich im Amt bestätigen lassen. Formalisierung und Spezialisierung waren nicht nur im Ansatz ausgebildet. Selbst innerhalb dieses kleinen Vereins teilte sich der dreiköpfige nach Prozenten des Umsatzes besoldete - Vorstand die Arbeit strikt nach Funktionsbereichen. 39 Neben dem Vorsitzenden gab es den eigentlichen Geschäftsführer (»Kassirer«) und einen mit Buchhaltungsaufgaben betrauten Schriftführer. Es scheint, daß der Vorstand geschlossen, wahrscheinlich auf Vorschlag des Geschäftsführers, über die Festsetzung der Preise entschied. Bei letzterem lagen Einkauf und Verkauf. Die Arbeit des Vorstandes ergänzte eine besondere Revisionskommission, die sich aus Mitgliedern rekrutierte und die Tätigkeit unentgeltlich versah. Ihre Aufgabe bestand in der laufenden Überwachung der Geschäfte. Das umschloß jeden zweiten Tag die Kontrolle der Kassenabrechnung sowie Qualitätsproben der verkauften Waren.40 Berichte des Vorstandes gegenüber dem Magistrat lassen erkennen, daß Barzahlung angestrebt wurde. Den Gegenstand des Geschäfts bildeten in der Anfangsphase die unmittelbaren »Lebensbedürfnisse«, sprich Grundnahrungsmittel und Heizmaterial. An Lebensmitteln werden an verschiedenen Stellen erwähnt Mehl, Graupen, Bohnen, Kaffee, Zucker, zeitweise Branntwein, wie auch, 147

von den Behörden kritisch bemerkt, weil zu den Luxuswaren gerechnet, Rosinen, Zigarren und der Verkauf von »Spezerei«.41 Hinzu kamen Rohstoffe für die Textilproduktion, die erkennen lassen, daß diese frühe Konsumgenossenschaft für einzelne Handwerker die Funktion einer Rohstoffgenossenschaft übernahm. 42 Da Mitgliederlisten fehlen, muß die soziale Zusammensetzung des Trägerkreises aus verstreuten Bemerkungen im Briefwechsel zwischen Vorstand, Behörden und Händlern wie auch aus dem Warensortiment rekonstruiert werden. Der Vorstand selbst beschrieb die Struktur der Mitgliedschaft in einem Schreiben an die Behörden mit der wohl nicht zufällig gewählten Formel »arme Handwerker und Tagelöhner«, einer Formulierung, die ganz im Sinne der Arbeiterverbrüderung eine Absage an berufsständisches Sonderbewußtsein signalisieren sollte. In der Tat gelang es, kleine Selbständige und Arbeiter unter einem Dach zu vereinen. Gründer und Vorsitzender waren ein Buchbinder- und ein Färbermeister. Die Ankündigung eines Sortiments preiswert erworbener Farben läßt nur den Schluß zu, daß es dafür auch innerhalb der Mitgliedschaft einen größeren, eben gewerblichen, Bedarf gab. 43 Außer Färbern werden als weitere Selbständige Schuhmacher und der Barbier genannt. In einer Auseinandersetzung mit Magistrat und Händlern wegen der enormen Nachfrage nach Branntwein und das Recht zum Verkauf ohne Konzession rechtfertigte der Vorstand den Verkauf mit dem Hinweis, daß »die Mitglieder der Association für Lebensmittel größtentheils Arbeiter aus den hiesigen Kattunfabriken« seien.44 Aus den Reihen der Textilarbeiter und unter diesen wiederum der Gesellen, nicht der Tagelöhner, rekrutierten sich die selbstbewußteren Sprecher auf den Generalversammlungen. So verkörperte das Unternehmen eine neue Form der Organisation, die berufliche und Klassengrenzen überspannte, deren Führung jedoch immer noch bei den Selbständigen lag. Die Eilenburger Lebensmittel Association betrieb ihr Geschäft drei Jahre vom Juli 1850 bis Mai 1853. Ihre Gründung fiel mit dem Höhepunkt der behördlichen Unterdrückungspolitik in Preußen gegenüber den »Arbeitervereinen«, in der Behördensprache einem Terminus technicus für die Arbeiterverbrüderung, die Zigarrenarbeiterassoziation und den Gutenbergbund, zusammen. 45 Auch das zeitliche Ende legt einen Zusammenhang mit der Verfolgungspraxis nahe. Ausläufer der Arbeiter Verbrüderung konnten sich in den Jahren 1851 und 1852 noch in einzelnen lokalen Ausweichgründungen und Tarnorganisationen halten. Bis zum Jahre 1853 waren jedoch praktisch alle noch existierenden personellen und ideologischen Verbindungen zur Verbrüderung aufgedeckt, die laufende Überwachung nahezu lückenlos organisiert und vor allem, anders als in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahren, die Aufmerksamkeit noch voll angespannt. Alles deu148

tet auf den typischen Fall einer von den Behörden zur Strecke gebrachten Nachfolgeorganisation der Arbeiter Verbrüderung hin. Die einzigen Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Verfolgung finden sich unmittelbar nach der Gründung. Als eine Petition von Eilenburger Einzelhändlern die Behörden auf die Gründung der Assoziation aufmerksam machte, stellte die Abteilung des Innern der Regierung Merseburg sofort die Verbindung her. In einem Schreiben an den Magistrat vom August 1850 belehrte der Regierungsvertreter diesen über den naheliegenden Verdacht: Es sei bekannt, »daß die Arbeiter Vereine nach Inhalt des in Leipzig erschienenen Organs derselben >die Verbrüderung< zugleich solche Ankaufsgesellschaften zu bilden pflegen und daß es den Anschein gewinnt (der außerdem durch die Zeitschrift: Prometheus bestätigt wird) als ob auch unter dieser Bezeichnung eine politische und soziale Wirksamkeit beabsichtigt werde.«46 Das Schreiben endete mit der Aufforderung, »diesem Treiben die größte Aufmerksamkeit [zu] widmen«.47 Der Briefwechsel vom August 1850 beendete jedoch zugleich auch das Thema der politischen Affinität der Assoziation, obwohl es von der Zusammensetzung ihrer Leitungsorgane her durchaus nahegelegen hätte. Immerhin hatten sowohl der Geschäftsführer als auch der Vorsitzende der Assoziation auf den Listen der »demokratischen Partei« bei den preußischen Wahlen im Januar 1849 kandidiert. Das Ende der Assoziation wurde nicht durch den harten Schnitt eines Verbotes, sondern durch eine Kombination von anderen Faktoren herbeigeführt und zwar: wirtschaftliche Schwierigkeiten, die teils aus der Entwicklung des lokalen Marktes, teils aus dem Entzug von Steuerprivilegien resultierten, sowie innerem Streit. Der enorme Anfangserfolg des Unternehmens hatte zwei Ursachen. Die erste war das Prinzip des Großeinkaufs. Wenn sich die Träger der Arbeiterverbrüderung die Revolutionierung der bestehenden Gesellschaftsordnung vorgenommen hatten, schienen sie hier und nicht in der gemeinschaftlichen Produktion auf das geeignete Mittel gestoßen zu sein. Entscheidende Schützenhilfe gab der Magdeburger Großhandel, von dem ein erheblicher Teil der weiterverkauften Waren stammte.48 Die Wirkungen des Großeinkaufs schlugen dank der Praxis des Vereins, die Waren nur »zu einem gegen den Einkauf um etwas erhöhten Preiße« weiterzuverkaufen,49 unmittelbar auf dem Markt durch. Die Nachricht von den billigen Waren verbreitete sich wie ein Lauffeuer über die Schaltkreise der Stadt - die Läden der Barbiere, Gastwirte und über den Einkauf auf dem Markt - bis in die umliegenden Dörfer hinein.50 Die Preisunterschiede zwischen den en gros eingekauften Waren und den Angeboten der Einzelhändler waren in Eilenburg und anderswo fast immer so groß, daß die Mitgliederzahlen unmittelbar nach der Eröffnung des Geschäftes sprunghaft in die Höhe schnellten. »Der billige Verkauf der Waren«, klagten ortsansässige Händler in einer 149

Eingabe, »zieht nun das gesamte Publikum so ungemein zu dieser Gesellschaft, daß die erst bereits seit 3 Wochen bestehende Association jetzt ca. 400 Familien zählt, welche sich durch ihre Unterschrift beteiligen und ihre Einkäufe von dort machen.«51 Die niedrigen Preise lohnten den Anmarschweg aus benachbarten Gemeinden und führten dort zu Überlegungen, das Assoziationsprinzip für die eigene Versorgung zu übernehmen. Für die privilegierten Mitglieder der ersten Stunde lohnte es sich sogar zeitweise, die preiswert erworbenen Nahrungsmitteln weiterzukaufen. 52 Kurzfristig schien es, als werde das gesamte etablierte System des Lebensmittelhandels am Ort aus den Fugen geraten. Diese Entwicklung zeigt, welch enormes Rationalisierungspotential und welche Verbreitungschancen im konsumgenossenschaftlichen Prinzip steckten und unter günstigen Bedingungen bereits in den frühen 1850er Jahren auch in den deutschen Staaten realisierbar waren. Hinter dem formellen Statut standen als zweite reale Verfassung des Vereins das Gewicht und Engagement ihres Gründers und Trägers, des Buchbindermeisters August Fritzsche. Sein persönlicher Anteil war die andere Hauptstütze der Assoziation. Das Anfangskapital stammte nicht aus einer Sammlung unter den zukünftigen Mitgliedern, sondern aus einer größeren Anleihe von 200 Talern, für die Fritzsche mit einer Hypothek auf seinem Haus gutstand. Ein Kapitaldienst fiel daher für das junge Unternehmen in der Bilanz nicht an. Darüber hinaus stellte er zunächst unentgeltlich, dann für einen geringen Mietzins sein früheres Ladengeschäft als Lokal zur Verfügung und spannte die Arbeitskraft der Familie für den laufenden Betrieb ein. Außerdem unterwarf er sich einer rigorosen Fremdkontrolle durch die Revisionskommission. Der Möglichkeit, sein überdurchschnittliches Engagement dadurch zu kompensieren, daß er Ressourcen aus dem laufenden Geschäft abzweigte, waren damit enge Grenzen gesetzt. Dennoch verweigerte ihm die Generalversammlung der Mitglieder trotz des sichtbaren geschäftlichen Erfolgs hartnäckig eine Erhöhung des Einkommens. 53 Die beiden beschriebenen Quellen des Erfolges enthielten, auf lange Sicht gesehen, auch erhebliche destabilisierende Elemente. Die enge Verquickung eines weit überproportionalen persönlichen Engagements mit den formalen Strukturen einer selbstverwalteten, unpersönlichen Assoziation erzeugte starke latente Spannungen, die sich auf die Dauer unvermeidlich nach den raschen Anfangserfolgen in sich zuspitzenden internen Konflikten enduden. Der Ausgangspunkt des Streites spiegelt genau diesen scharfen Gegensatz wieder. Im Kern ging es um eine der klassischen Streitfragen zwischen Händlern und Käufern, nämlich die des Abwiegens der Waren des täglichen Bedarfs mit oder ohne Verpackung. Fritzsche berief sich auf die übliche Praxis, die jedoch gerade hier, wo die Käufer in der Lage waren, die Bedingungen vorzugeben, auf entschiedenen Widerspruch 150

traf.54 Die starke Stellung Fritzsches erschwerte eine Disziplinierung und ließ die Meinungen heftig aufeinanderprallen. Einzelne Versammlungen wurden nicht etwa wegen verbotener politischer Äußerungen, sondern wegen drohender handgreiflicher Konflikte zwischen Vorstand und Mitgliedern vom anwesenden Polizeidiener aufgelöst. Knapp anderthalb Jahre nach der Gründung des Vereins sagte jener in seinem Bericht an den Magistrat der Assoziation das nahe Ende voraus. Sie werde, »da das Mißtrauen gegen den Vertheiler Fritzsche sichtbar zunimmt u. von vielen Mitgliedern der Association unverhohlen, sogar mit harten Worten ausgesprochen wurde, bald in sich selbst zusammenzufallen.«55 Der Bruch erfolgte Anfang 1852. Im Streit erwies sich zwar das Funktionieren der Selbstverwaltung. Die Mitglieder setzten sich durch, Lager und Geschäft wurden überhastet in das Haus eines Schneidermeisters verlegt. Das alles geschah jedoch um den Preis, daß die Verbindung mit der politischen Bewegung und den daher stammenden Ressourcen an Idealismus und indirekter Subvention verlorengingen. Der alte, politisch homogene Vorstand trat geschlossen zurück. In der Folge sanken Umsätze und Mitgliederzahlen. Ein ernsthafter Versuch, dieser Entwicklung gegenzusteuern, wurde vom neuen Geschäftsführer nicht mehr unternommen, zumal dieser, anders als Fritzsche, sein Handwerk nicht aufgab und den Lebensmittelhandel nur im Nebengeschäft weiter betrieb. Die De-facto-Übernahme des Unternehmens war noch nicht der letzte Schritt in der Auseinandersetzung des Handels mit der Assoziation. Im August 1853 gelang es Lebensmittelhandwerkern und Händlern, eine Mehrheit für die freiwillige Liquidation innerhalb der Generalversammlung zu gewinnen. 56 In dem zu keinem Zeitpunkt nachlassenden verbissenen Kampf hatten die ortsansässigen Händler auch schon vorher wichtige Erfolge errungen. Primär führten sie ihren Kampf, was angesichts der Aktenüberlieferung, die in erster Linie auf den politischen Protest hinweist, leicht zu übersehen ist, ökonomisch durch eine Mischung aus Preissenkung und negativer Werbung, sprich, Verrufserklärungen.57 Wie die Kaufleute die Phase plötzlich reduzierter Nachfrage und schrumpfender Gewinne überstanden, läßt sich nur ahnen. Was ihrem Geschäft eine gewisse Stabilität verlieh, waren die Buchkunden, die vor einer Verlagerung ihrer Kaufentscheidungen erst Kredite abzutragen hatten. Die Drohung der Kaufleute auf einer Sitzung des Gewerberates, selbst zur Bildung einer Einkaufsassoziation überzugehen, wurde zwar nicht realisiert, sie beschrieb aber deutlich die Richtung, in die die Überlegungen der Händler gingen. Die besseren Konditionen, die die Assoziation bei Bauern und Müllern herausgehandelt hatte, gaben auch den übrigen Einzelhändlern Berufungsmöglichkeiten. Ein anderer Teil des Konkurrenzdrucks ging in Richtung des städtischen, insbesondere des Leipziger Großhandels. Der 151

Preisdruck, den die Assoziation auf die Händler ausübte, setzte sich bei diesen als Rationalisierung des eigenen Marktverhaltens fort. Da der Druck als Folge der Niedrigpreispolitik außerordentlich stark und kurzfristig wirkte, ließ er ein Ausweichen nicht zu. Er erzwang eine Anpassung in ebenso kurzer Frist und führte dahin, daß der Wettbewerbsvorsprung der Assoziation, ohne ganz zu schrumpfen, schnell an Gewicht verlor und dort vorhandene Konstruktionsmängel bloßlegte. Die Eilenburger Assoziation unterhielt anfänglich Geschäftsbeziehungen auch mit einzelnen, insbesondere den leistungsfähigsten ortsansässigen Kaufleuten zum Bezug solcher Waren, die bei längerem Transport verdorben wären, und dividierte den Handel nicht ohne Erfolg auseinander. Wie schwer es der Händlerschaft fiel, eine einheitliche Linie zu finden, deutet die Tatsache an, daß sich die Unterschriften unter den mehr als einem halben Dutzend Petitionen kaum wiederholen. Den Kampf um das wirtschaftliche Überleben an der Front der Preise führten viele Kaufleute zunächst für sich. In dieser Tatsache lag eine Chance der Konsumgenossenschaften, hier und anderswo. Daß die Händlerschaft auf Konsumvereine allergisch reagierte, war keine Besonderheit, daß sie es geschlossen, mit breiter Unterstützung und erfolgreich tat, sehr wohl. Ein wichtiges Element, um die Front der Händler zu schließen, bildete auch hier die Niedrigpreispolitik. Wer dem Konsumverein als Eilenburger Kaufmann Mengenrabatt gewährte, machte sich unweigerlich damit selbst die schärfste Konkurrenz. Hinzu trat der Sogeffekt auf dem Markt durch das sprunghafte Anschwellen der Mitgliederzahlen. Was die Assoziation tat, betrachtete der eingesessene Handel als Vernichtungsfeldzug. Einzelne Kaufleute, die aus den eigenen Reihen aus ökonomischem Antrieb ausgeschieden waren, ließen öffentlich ein mea culpa verlauten und distanzierten sich mit Anzeigen in der lokalen Tageszeitung von der Assoziation. 58 Selbstfindung, interner Interessenausgleich und geschlossenes Handeln, kurz die kollektive Selbsthilfe der Kaufleute, wurden diesen wesentlich durch überlieferte oder neugeschaffene wirtschaftliche Zweckverbände wie die Kramerämter bzw. in Preußen die Gewerberäte, in denen neben Handwerkern und Fabrikanten auch Kaufleute vertreten waren, erleichtert. Der Kampf um die Legitimation und damit den Bestand der Assoziation in Eilenburg begann bei den Einzelhändlern mit einer Eingabe an den Magistrat und zwei darin enthaltenen »ernsten Fragen« nach Grenzen und Dauer des Unternehmens. »Wie weit kann die Association ausgedehnt werden und sind die Grenzen derselben festgesetzt und wie ist es zu controlliren, daß man dieselbe nicht, mit Umgehung der Gewerbesteuer, als Handelsgeschäft benutzt?« 59 Den impliziten Bezugspunkt dieser Fragen bildeten der vorindustrielle Nahrungsanspruch des Handels und die überlieferte Form der Armenpflege. Ein Eingriff in die Verteilung im Interesse 152

der Konsumenten war danach legitim als punktuelle, auf außergewöhnliche Notsituationen, den nötigsten Bedarf und die ärmere, fürsorgebedürftige Bevölkerung eingeschränkte Unternehmung, mit anderen Worten, als vormärzlicher Brotverein. Alle einzelnen Rechtfertigungen kreisten um diese Vorstellung: die Beteuerung, keine überhöhten Preise genommen und die Not der Armen nicht ausgenutzt zu haben, die Kritik am Verkauf von »Spezereien« durch die Assoziation und die Ausweitung ihres Mitgliederkreises weit über die »wirklich Bedürftigen« hinaus. Im Alltag des Geschäftslebens hatte diesem Denken in den Kategorien einer einfachen Marktgesellschaft zufolge eine dauerhafte unternehmerische Selbsthilfe von Konsumenten keine Legitimation. Ihre Praxis drohte im Gegenteil jene Ausnahmesituation der Not, die sie abzustellen vorgab, herbeizuführen, indem sie, wie es in der erwähnten Eingabe weiter hieß, dem eingesessenen Handel »den gänzlichen Ruin« brachte. 60 Ein kritisches Gutachten des Eilenburger Gewerberates zur Frage der Lebensmittel Association belegt, daß es den Händlern gelang, die Mehrheit der Selbständigen auf ihre Seite zu ziehen. 61 Ausführlicher, reflektierter als die einzelnen Petitionen, im Kern aber übereinstimmend, erläuterte der Gewerberat in seinem Gutachten für die Verwaltung seine ablehnende Einstellung zu einem Zusammenschluß der Konsumenten. Dieser sei seiner Natur nach »schrankenlos« und könne daher »als eine gewerbliche Association garnicht betrachtet werden«. Vielmehr sei von einem solchen Betrieb »eine Störung der ganzen gewerblichen Ortsverhältnisse ... zu befurchten.« 62 Es ist nicht zu verkennen, daß das scharf ablehnende, letzdich auf eine Auflösung abzielende Gutachten zu den Konsumvereinen für den Eilenburger Gewerberat enorme Abgrenzungs- und Rechtfertigungsprobleme aufwarf, zumal sich die Eilenburger Handwerkerschaft unter dem Einfluß Schulze-Delitzschs - das Städtchen Delitzsch lag kaum vierzig Kilometer von Eilenburg entfernt - zum gleichen Zeitpunkt fur den Assoziationsgedanken zu erwärmen begann. So waren parallel zur Lebensmittel Association im Jahre 1850 in Eilenburg auch die ersten drei Handwerkergenossenschaften entstanden. Der Kern der argumentativen Differenzierung zwischen Handwerker- und Konsumentenvereinigung, wie sie der Gewerberat bei dieser Gelegenheit entwickelte, war sozialmoralischer Art. Die Garantie für eine Beschränkung der Genossenschaften auf ihre eigentlichen Zwecke, nämlich die Unterstützung des notleidenden Handwerks und keine darüber hinausgehende Konkurrenz für die Industrie, sah das Gutachten in der Verwurzelung in der moralischen Ökonomie des Handwerks gegeben. Während Selbsthilfezusammenschlüsse von Handwerkern, so das Argument, auf tatsächliche vorausliegende gemeinschaftlich-genossenschaftliche Strukturen zurückgreifen konnten und sie durch ihre Tätig153

keit befestigten, porträtierte das Gutachten die Gruppe der Konsumenten als eine traditionslose, atomisierte, ihrer Natur nach unmoralische Entität, welche nicht in der Lage sei, verantwortliche Selbsthilfe zu tragen und Widerstand gegen Mißbräuche zu leisten. »Die Handwerker-Vereinigungen beschränken sich auf die Genossen eines Gewerbes, die alle bekannt sind, sich selbst leicht kontrollieren können und ein Mißbrauch des Vertrauens daher nicht so leicht zu befurchten ist.« Die Mitglieder eines Konsumvereins seien dagegen nicht in der Lage, »die Geschäftsführer ... [zu] controllieren. Verwirrung und Unfrieden müssen die Regel sein.«63 Das Leitbild einer vorindustriellen Ökonomie und die Idee der Nahrungssicherung bildeten deutlich erkennbar die Grundlage für den Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Gruppen des Kleinbürgertums. Sichtbar wird zugleich, daß in die Konstruktion dieses Bildes nicht nur Erinnerungen, sondern auch erhebliche ideologische und interessenpolitisch motivierte Vorurteile eingingen. Nur durch eine rigorose Perhorreszierung des Gegenübers als atomisiert, unmoralisch und destruktiv ließen sich die erheblichen Interessenunterschiede zwischen Händlern und Handwerkern, von denen ein Teil als Konsumenten an der Assoziation durchaus interessiert war, überbrücken. Beeindruckt von der geschlossenen Phalanx des Gewerbes, schlug sich der Magistrat zuletzt auf die Seite der Assoziationsgegner. Zweifellos verfehlte die Ankündigung der Kleinhändler, bei einer Fortexistenz des Unternehmens in naher Zukunft keine Steuern mehr entrichten zu können, nicht ihre Wirkung, zumal sich der Konsumverein unter Hinweis auf seinen Mitgliederbezug zunächst erfolgreich geweigert hatte, Abgaben zu entrichten.64 Die Bereitschaft des Magistrats, sich auf die Nahrungsvorstellungen des Handels einzulassen, wäre als Resultat von Einschüchterung oder als blanke Klassenpolitik zu einseitig beschrieben. Die Auseinandersetzung um die Assoziation fand, wie vorne angedeutet, in einer Zeit des Übergangs und der Liberalisierung des Lebensmittelmarktes statt. Die Akten lassen erkennen, daß Bürgermeister und lokale Verwaltung unter diesen Bedingungen eine Politik verfolgten, die so lange wie möglich traditionelle Regulative bestehen ließ und jedes Zögern der Regierung und der Berliner Ministerien, jede Doppeldeutigkeit in der Formulierung von Anordnungen zu einer Fortschreibung der tradierten Nahrungssicherungen bei Konsumenten wie bei Produzenten und Händlern nutzte. 65 Insofern war die Ablehnung des »Spekulationsgeschäftes« mit Lebensmitteln, als das der Verwaltung die Vereinstätigkeit erschien, Bestandteil einer insgesamt an sozialer Stabilität interessierten Politik. Wie verhielt sich vor diesem Hintergrund die Berliner Bürokratie, an die sich die Eilenburger Kaufleute im eskalierenden Streit mit der Bitte um Auflösung der Assoziation wandten? Soweit der geschlossene Vorstoß von 154

Kleinhändlern, Handwerkern, Fabrikanten und Magistrat auf ein förmliches Verbot des Konsumvereins abhob, scheiterte er am Damm der Gewerbefreiheit. Dagegen erfüllte das Finanzministerium eine zweite zentrale Forderung der Eilenburger Bürgerschaft, nämlich die nach Aufhebung des Steuerprivilegs für die Assoziation.66 Das folgenreiche, die Politik der preußischen Behörden in den nächsten Jahren bestimmende Gutachten des preußischen Finanzministers erkannte zwar die Konsumvereine grundsätzlich als gewöhnliche, konzessionsfreie Gewerbebetriebe an, bürdete ihnen jedoch alle üblichen steuerlichen Lasten auf.67 Weder die scharfsinnige Ableitung der Ministerialbeamten, daß es sich bei der Assoziation um ein Geschäft handele, noch das Beharren des Assoziationsvorstandes auf der Haushaltsähnlichkeit des Betriebes waren zwingend. Nicht leugnen ließ sich der Mitgliederbezug und die Tatsache, daß er eine Einschränkung des Geschäftsbetriebes bedeutete - mehr nicht. Wie man ihn wertete, stellte eine Ermessenssache, eine politische Entscheidung dar, die in ihrem dezisionistischen Charakter durch die langatmigen, pseudoobjektiven Gutachten nur verdeckt wurde. Die Ausführungen des ministeriellen Gutachtens zeigen die zuständigen Beamten durchaus nicht als verlängerten Arm der politischen Polizei, sondern als Juristen, die den Grundsatz der Gewerbefreiheit folgerichtig auf einen Fall anwandten. Dem Sinn nach lief der Entzug des Steuerprivilegs jedoch auf eine klare Absage an die sozialpolitische Wünschbarkeit von Konsumentenzusammenschlüssen hinaus. Die Folgen waren abzusehen, und sie stellten sich in Eilenburg mit voraussehbarer Konsequenz ein. Der Verlust des Steuerprivilegs entzog der Konsumgenossenschaft eine zentrale finanzielle Ressource und minderte ihre Attraktivität. Darüber hinaus setzte die Gleichbehandlung mit dem übrigen Handel das Assoziationsprinzip unter starken Auflösungsdruck. Eine weitere Beschränkung des Geschäftsbetriebes auf die Mitglieder machte danach ökonomisch keinen Sinn mehr. Entsprechend reagierte der Vorstand unmittelbar nach der Nachricht des Magistrats über die Veranlagung zur Gewerbesteuer mit der Ankündigung, in Zukunft an jedermann zu verkaufen.68 Schon vor ihrer formellen Auflösung hörte die Assoziation damit praktisch auf zu existieren. Unter diesen Bedingungen verkehrten sich die noch fortbestehenden Selbstverwaltungsstrukturen nur zu leicht in einen Wettbewerbsnachteil, der sich von einer gutorganisierten Konkurrenz bis hin zu Fremdbestimmung und Übernahme ausnutzen ließ.

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III. Selbsthilfe in den 1850er Jahren Das Beispiel der Eilenburger Assoziation legt die Vermutung nahe, daß es in den fünfziger Jahren mehr Gelegenheiten zur Konsumentenselbsthilfe als tatsächliche Gründungen gab. Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in der 12.000 Einwohner umfassenden preußischen Gemeinde waren günstig, aber nicht singulär. In den 50er Jahren existierten, von wenigen Regionen abgesehen, überall nahegelegene Getreide- und Fruchtmärkte, um Geschäftskontakte anzuknüpfen. Wo sich lokale Produzenten oder Händler verweigerten, bot sich fast immer die Möglichkeit, einen Boykott durch ein Ausweichen auf entferntere Märkte und Anbieter zu unterlaufen. Selbst dem kleinen Delitzscher Konsumverein gelang es, der Lieferungsverweigerung lokaler Müller wirksam zu begegnen. 69 Von der Angebotsseite her war die Situation in größeren Städten für Selbsthilfeanstrengungen der Verbraucher eher günstiger. Warenbörsen, Notierungen in den Tageszeitungen und konkurrierende Großhändler erleichterten es mehr als auf dem Land, sich Informationen über das Marktgeschehen und Geschäftskontakte jenseits des Einzelhandels zu verschaffen. Sicher wäre es falsch, die Schwierigkeiten und das Ausmaß der notwendigen Anstrengungen neben der Berufsarbeit besonders in der Gründungsphase zu unterschätzen. Die Hindernisse, die sich bei der Marktumschau vor dem Einkäufer auftürmten, waren in den 50er Jahren jedoch prinzipiell überwindbar, zumal dann, wenn man sich, was die meisten Vereine in der Tat praktizierten, auf eine Handvoll Grundnahrungsmittel, Heiz- bzw. Beleuchtungsmaterial konzentrierte. Auch Lagerhaltung und Verkauf erforderten bei kleinen Vereinen und überschaubaren Verhältnissen keine besonderen Fachkenntnisse. Was fehlte, ließ sich im laufenden Betrieb aneignen. Die Voraussetzungen für eine sachgemäße Lagerung von Holz, Petroleum, Getreide, Mehl, Graupen, Reis waren wenigstens im Prinzip bekannt, und der Verkauf unterschied sich wenig von der Verteilungspraxis in den Brot- und Fruchtvereinen. Zwar gingen die Konsumvereine im Unterschied zu den Spargesellschaften frühzeitig dazu über, ihre Waren nicht mehr direkt auf individuelle Bestellung der Mitglieder anzukaufen. Doch war der Umkreis der geführten Waren durch die Erwartungen der Mitglieder klar umrissen, und überdies sahen viele der frühen Statuten vor, daß Ausweitungen des Sortiments wie überhaupt Einkäufe, die eine bestimmte Höhe überschritten, durch die Generalversammlung der Mitglieder ausdrücklich genehmigt werden mußten. Die Erwartungen an Gewandtheit und Überzeugungskraft des Verkäufers lagen zunächst denkbar niedrig. Statt von Verkauf sprachen die frühen Statuten von »Ablassen«, »Abgeben« oder »Verteilen«. Dem korrespon156

dierte das äußere Erscheinungsbild des Tauschvorgangs. Schaufenster galten noch viele Jahrzehnte lang als Luxus. Manches wohlklingende Etikett, das sich der kleine Kreis von Genossen zulegte, täuschte etwas anderes vor. In kleinen Vereinen war es üblich, daß Vorstandsmitglieder die Waren abwogen und herausgaben.70 In den fünfziger Jahren umschloß die Praxis der Verteilung oft nicht einmal die Bereitstellung von Verpackungsmaterial. Die Ware ging unmittelbar aus dem Lager über die Waage in die Behälter, die die Mitglieder mitbrachten, wenn sie nicht gleich für entsprechendes Pfand in ganzen Säcken abgegeben wurde. Das Hauptwerbemittel des frühen Konsumvereins, welches die zumeist überaus karge Einrichtung der Verteilungsstelle und die hohe Schranke der geforderten Barzahlung kompensierte, war die relative Sicherheit im Hinblick auf Qualität, Gewicht und niedrigen Preis. Was für Einkauf, Lagerung und Verkauf galt, traf mit gewissen Einschränkungen auch auf die Buchhaltung zu. In der Tat bildete eine korrekte Buchführung das Rückgrat der gesamten Geschäftsführung. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß die Anforderungen, die das Führen der Bücher an die Leitung eines frühen Vereins stellte, über das hinausgingen, was in einem kleinen Handwerksbetrieb zu leisten war. Der eine oder andere Handwerksmeister, Wirt oder Rechtsanwaltsgehilfe, die sich zumeist an den Gründungen beteiligten, konnten brauchbare Vorschläge für den Kontenrahmen beisteuern. Nicht im Schwierigkeitsgrad, sondern im Umfang lag der Hauptunterschied. Alle Vereine, so klein sie auch sein mochten, kannten die Funktion des Kassierers oder Buchführers und besetzten sie separat.71 Die wenigsten nahmen Abschreibungen auf das Inventar vor. Waage und Hauptbuch betrachtete man im Augenblick der Gründung noch als einmalige Anschaffungen. Die Gehälter der hauptamtlich beschäftigten Personen ließen sich gleichfalls leicht bilanzieren, da sie anfangs was die deutschen Vereine zunächst als Verbesserung gegenüber dem englischen Vorbild ansahen72 - als fester Prozentsatz vom Umsatz gewährt wurden. 73 Schließlich geschah es in kleineren Orten, daß man größere Anschaffungen an der laufenden Buchführung vorbei durch ein spontanes Umlageverfahren unter den Mitgliedern finanzierte. Auf diese Weise kauften die Mitglieder des Delitzscher Vereins für den gemeinsamen Bedarf einen Ochsen auf dem Viehmarkt, um ihn einem der lokalen Fleischer zum Schlachten zu überlassen.74 Unter den verschiedenen Funktionsbereichen gehörte die Buchhaltung zu denjenigen, in denen sich die gefahrlicheren Klippen erst nach einer längeren Anlaufphase zeigten, wenn der Erwerb von Häusern, Grundstücken oder der Übergang zur Fabrikation in eigener Regie anstanden. Die meisten Vereine der fünfziger Jahre waren davon weit entfernt. Uber den Gründerkreis hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad zu 157

erringen und potentielle Mitglieder zu erreichen, überforderte gleichfalls nicht das Selbsthilfepotential. Ob in einer Klein-, Mittel- oder Großstadt, ob in den frühen oder späten 1850er Jahren, Zusammenschlüsse von Verbrauchern zum Einkauf ihrer »Lebensbedürfnisse« en gros stellten im Jahrzehnt nach der Revolution auf lokaler Ebene immer noch ein so neuartiges und außergewöhnliches Phänomen dar, daß sie die Aufmerksamkeit rasch auf sich zogen. Ähnlich wie die etwas größeren Einzelhändler nutzten einige Konsumvereine frühzeitig die Möglichkeiten der Presse zur Ankündigung preiswert eingekaufter Partien und zur statuarisch vorgeschriebenen öffentlichen Ankündigung der vierteljährlichen Generalversammlung, 75 wobei der Werbeeffekt einer solchen Ankündigung durchaus einberechnet war. Ein zentrales Problem und hohes Hindernis lag dagegen in der Beschaffung des Startkapitals. 200 bis 300 Taler setzten Zeitgenossen für die Errichtung eines funktionierenden Konsumvereins an.76 Im Prinzip standen bei der Kapitalbeschaffung drei Möglichkeiten offen: verlorene Zuschüsse, Kredite oder die Sammlung von Sparkapital durch die Gründungsmitglieder. Dem angestrebten Selbsthilfecharakter entsprach am ehesten eine Kapitalbeschaffung auf dem Weg über Geschäftsanteile der Mitglieder, doch standen diesem naheliegenden Weg gleich mehrere Umstände entgegen. Konsumvereine stellten zu diesem Zeitpunkt noch kein bewährtes Muster dar. Es fehlte an beispielgebenden, mitreißenden Vorbildern ebenso wie an einer starken Bewegung, die die Gründung entsprechender Vereinigungen in den Mittelpunkt ihrer Aktivität und Propaganda gerückt hätte. Von daher war es wenig wahrscheinlich und - aus der Perspektive eines einzelnen Konsumenten - nur unter besonderen Umständen rational, größere Summen im Verein mit Gleichgesinnten über einen längeren Zeitraum für eine Lebensmittel-Assoziation anzusparen. 77 Daß produktivgenossenschaftliche Projekte in jenen Jahren mehr Geld, ja für die Verhältnisse ihrer Gründer zum Teil ganz erstaunliche Summen aufbringen konnten, erklärt sich u.a. damit, daß sich hinter ihnen nicht selten der Versuch verbarg, ein vor dem Konkurs stehendes Unternehmen in selbstverwalteter Form weiterzuführen. Um einen solchen die lokale Wirtschaft insgesamt beeinträchtigenden Konkurs abzuwenden, waren auch außenstehende Personen bereit, Solidaritätsbeiträge zu leisten.78 Vorbehalte gegenüber einem weitgehend uneingeführten Selbsthilfemuster wirkten im übrigen nicht nur vor der eigentlichen Gründung. Es war unter solchen Bedingungen auch in der Phase danach wenig wahrscheinlich, schnell viele Mitglieder zu gewinnen, wenn man die Schwellen durch hohe Geschäftsanteile anhob. Allerdings konnten, muß man an diesem Punkt einschränkend hinzufügen, einmal errichtete Konsumvereine unter der Voraussetzung, daß sie ihr Geschäft auf die reine Verteilung von 158

Lebensmitteln einschränkten, durchaus sehr lange mit niedrigen Geschäftsanteilen leben, da die Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals hoch lag.79 In der Klemme zwischen niedrigem Mobilisierungsgrad und geringem Kapitalstock wählten die Gründungen der fünfziger Jahre durchweg einen anderen Weg als ihre englischen Schwesterorganisationen: Sie beschafften sich ihr Anfangskapital durch eine Kombination von Kreditaufnahme und sehr niedrigen Geschäftsanteilen von einem Taler oder weniger.80 Damit rückte das Problem der Kreditaufnahme ins Zentrum der Gründung. Da Kreditwürdigkeit und Bürgerlichkeit nahezu Synonyme darstellten, hielten über die Kapitalbeschaffung nur zu leicht hierarchische Strukturen Einzug in den Zusammenschluß und hebelten die Selbstverwaltung der Mitglieder aus. In der Tat scheinen in den mitgliederstarken großstädtischen Vereinen Angehörige des Bürgertums, die mit ihrem Ansehen fur den Kredit bürgten, einen überproportionalen Einfluß ausgeübt zu haben. 81 Zu den Ausnahmen von dieser Regel gehörte die Eilenburger Lebensmittelassoziation. Es war das politische Motiv, welches den einfachen und keinesfalls wohlhabenden Buchbindermeister August Fritzsche als treibende Kraft des neuen Unternehmens dazu brachte, sein Haus als Bürgschaft eintragen zu lassen und es zudem als Lager und Ladenlokal zur Verfugung zu stellen.82 Die Bereitschaft, ein solches existentielles Risiko für ein Unternehmen mit sehr ungewissem Ausgang und geringem Prestige auf sich zu nehmen - Fritzsche hatte tatsächlich schwere persönliche Verluste und stieg sozial ab83 - , war naturgemäß selten. Eine andere Ausnahme stellte die bescheidene Delitzscher Gründung dar. Im Grunde handelte es sich bei diesem im Herbst 1852 gegründeten Verein um den Nebenzweig der am Ort ansässigen Handwerkergenossenschaften.84 Die Mitglieder der Delitzscher Lebensmittelassoziation, fast ausschließlich Handwerker, bürgten für den von ihnen aufgenommenen Kredit in unbeschränkter Solidarhaft. Damit beschritten sie genau den Weg, den Schulze als den Königsweg zur Selbsthilfe des Handwerks und der Arbeiter überhaupt empfohlen hatte. Was die Rochdaler Prinzipien für die englische Genossenschaftsbewegung darstellten, sollte nach Schulzes Willen die unbeschränkte Haftpflicht fur die deutsche Bewegung werden. Der Kredit auf der Grundlage der solidarischen, unbeschränkten Bürgschaft armer Handwerker, die nicht wie bürgerliche Investoren oder Spekulanten mit begrenztem Engagement, sondern mit dem Einsatz der ganzen Person, und das hieß auch der ganzen Familie, gemeinsam um eine bessere wirtschaftliche Zukunft spielten, sollte den Schritt aus Abhängigkeit und Proletarisierung in bürgerliche Sicherheit ermöglichen. Die vollkommenene Entäußerung des Armen, der nichts zurückhielt und sich dem von ihm ins Leben gerufenen Unternehmen unbedingt verpflichtete, predigte Schulze, werde zum Sprung aus dem Teufelskreis fehlenden Investitions159

kapitals und mangelnder Kreditwürdigkeit fuhren. Mit dieser radikalen Konstruktion, die man eher in revolutionären Verschwörungen von Habenichtsen als im selbständigen Mittelstand vermuten würde, legte der ehemalige Patrimonialrichter und Achtundvierziger Schulze das Fundament für den stärksten und bedeutungsvollsten Zweig der Selbsthilfebewegung in den deutschen Staaten: die Kredit-, Material- und Absatzgenossenschaften der Handwerker und Landwirte. Die genauere Betrachtung des Delitzscher Konsumvereins macht aber deutlich, daß die Praxis des unbeschränkten Haftungsprinzips als Kreditbasis zumindest in diesem Fall von einigen günstigen Bedingungen unterstützt wurde. Da war zum einen das Umfeld einer überschaubaren Ackerbürgerstadt wie Delitzsch, in der ein Kreditgeber die Zahlungsfähigkeit seines Schuldners sehr wohl ohne dazwischentretenden Bürgen beurteilen konnte. Dann verfugten selbst pauperisierte Handwerker in Gestalt ihrer Arbeitsmittel meist über größere Sicherheiten als etwa die Arbeiter der Kattundruckerei im benachbarten textilindustriellen Eilenburg. Und schließlich stammte mindestens die Hälfte des Kredits aus dem Fonds der Krankenkasse des Handwerkerhilfsvereins: es handelte sich bei den aufgenommenen Geldern mithin um einen Vorschuß unter Standesgenossen.85 Hier wird an einem Einzelbeispiel die Bedeutung tradierter vorindustrieller Solidarstrukturen für die Ausbildung und Entwicklung des Genossenschaftswesens der Kleingewerbetreibenden erkennbar. Über solchen ständischen Rückhalt verfügte die moderne Gruppe der Konsumenten nicht. Die Kreditwürdigkeit dieser wesentlich heterogeneren Gruppe war, auch wenn sie sich statuarisch gemeinsam zur Bürgschaft verpflichtete, in der Regel geringer als die eines überschaubaren Kreises von Handwerkern, zumal dann, wenn das Vorhaben nicht auf bewährte Vorbilder oder laufenden Geschäftserfolg verweisen konnte. Unter solchen Bedingungen mußte man die Finanziers unter der sehr viel selteneren Species wohlhabender Philanthropen oder anderer Individuen suchen, denen es nicht in erster Linie auf Rendite und Sicherheit des Geldes ankam. Es war ein deutliches Indiz für Veränderungen im Bekanntheitsgrad und der allgemeinen Einschätzung der Konsumvereine, daß Berliner Vereine im Jahre 1863 ihren Schwestervereinen empfehlen konnten, fehlendes Kapital durch Warenkredit bei den Großhändlern zu ersetzen.86 Eine andere Klippe, an der viele der frühen Vereine in den fünfziger Jahren und auch später noch scheiterten, bildete der fehlende innere Zusammenhalt der Mitgliedschaft oder genauer, Probleme bei der Übertragung der informellen Kooperation innerhalb des Gründungskerns auf die Beziehungen zwischen Leitung und Mitgliedschaft. Soweit sich die Gründungsumstände im einzelnen nachvollziehen lassen, sind sie ausnahmslos als Bestätigung der Kristallisationstheorie zu lesen. Die Zusammenschlüsse 160

erwuchsen nicht aus unmittelbaren Primärbeziehungen wie Nachbarschaft oder Verwandschaft, sondern aus vorgelagerten Organisationsverhältnissen. Reststrukturen der Arbeiterverbrüderung, Bürgervereine, Spargesellschaften, Innungen und Handwerkergenossenschaften bildeten die Kreise, aus denen sich die frühen Gründungskerne der Konsumentenzusammenschlüsse kristallisierten. Zwischen den Individuen, die die Initiativen trugen, entwickelten sich während der Planungs- und Vorbereitungsphase in der Regel informelle Loyalitätsbeziehungen, eine wichtige Voraussetzung für die unerläßliche Arbeitsteilung während des Gründungsvorgangs. Eines der Hauptprobleme in der weiteren Entwicklung bestand darin, wie weit es der strategischen Clique, die über einen enormen Vorsprung an Einsicht und Kompetenz verfugte, gelang, diesen Vorsprung für eine gewisse Zeit gegenüber neuhinzutretenden Mitgliedern zu sichern bzw. aus deren Kreis Gleichgesinnte und -befähigte zu kooptieren. Da Kredite, Lieferverbindungen und Vertrauen in die Sicherheit der als Geschäftsanteile investierten Ersparnisse lange Zeit an der Integrität der Gründer hingen, bedeuteten frühzeitige Mißtrauensvoten und Abwählen einen existenzgefährdenden Kontinuitätsbruch. Fast alle Statuten trafen besondere Vorkehrungen, um die Bedürfnisse des Unternehmens nach Kontinuität und Kompetenz mit dem Postulat einer Kontrolle der Leitung durch die Mitglieder zu verbinden. Häufig bestimmten sie, daß nach einer längeren Amtsperiode des Vorstandes zunächst nur einzelne - in manchen Vereinen durch Los bestimmte - Mitglieder der Leitung abwählbar waren. 87 Auch für den Ablauf der Generalversammlung schrieben bereits die frühen Satzungen Regeln vor, die Berechenbarkeit und Affektkontrolle garantieren sollten. Anträge waren manchmal nur schriftlich zulässig und Tage im voraus einzureichen. Das Stimmenquorum variierte entsprechend der Bedeutung des Gegenstandes. Ein Beschluß über die Auflösung setzte regelmäßig eine größere als die einfache Mehrheit voraus. Mitunter scheint es, als hofften die Verfasser der Statuten, Spontaneität und Furor der Mitglieder durch den engen Filter bürgerlich-parlamentarischer Diskussionsvorschriften möglichst fein zu sieben. 88 Die großstädtischen Hamburger Vereine schrieben für Wortmeldungen auf Generalversammlungen außerordentlich detaillierte und weitgehende Regeln vor, die fast die Qualität eines Ehrenkodexes für die Mitglieder erreichten. In der »Geschäftsordnung der Vorstands- und Hauptversammlungen« hieß es kategorisch: »Ist ein Antrag zur Diskussion gebracht und wird Schluß der Debatte, Abstimmung oder Vertagung verlangt und angenommen, so hat der Antragsteller das letzte Wort. Haben sich indeß noch mehrere Redner zum Wort gemeldet, so haben dieselben vor dem letzten Wort des Antragstellers zu sprechen. Nach ihm darf sich keiner mehr eine Bemerkung über die Sache erlauben, und ist es alsdann 161

Sache des Vorsitzenden, die Frage richtig zu stellen und darüber abstimmen zu lassen.«89 All diese Vorkehrungen verhinderten nicht, daß eine ganze Reihe von durchaus lebensfähigen Gründungen an innerem Streit zugrundegingen. Zudem zeigten sich die Vereine anfällig fur demagogische Manipulation. Der Hamburger Verein von 1852 spaltete sich, die Eilenburger Genossenschaft wurde durch ihren letzten Vorstand freiwillig liquidiert. Nun ist innerer Streit in der Frühphase von Selbsthilfeinitiativen an sich nichts Außergewöhnliches. Die Erwartungen sind hoch gespannt, das Vertrauen ist knapp. Die englischen Vereine der dreißiger und vierziger Jahre litten unter ähnlichen Problemen. Das Abklingen des ersten Interesses bei den Gründungsmitgliedern und die Akkumulation von Vertrauen durch eine erfolgreiche Geschäftsführung trugen im allgemeinen dazu bei, derartige Konflikte auf einer entwickelteren Stufe zu entschärfen. Dem korrespondierte typischerweise in der begleitenden Publizistik der fünfziger und sechziger Jahre der Rat, langsam zu expandieren, um nicht durch die rasche Anwerbung zu vieler neuer Mitglieder ohne inneren Bezug und Verpflichtung gegenüber der Idee des Unternehmens bzw. seiner Leitung die unerläßliche personelle und sachliche Kontinuität zu gefährden. Es erleichterte das Umschiffen dieser Klippen, wenn sich wirtschaftliche Unternehmen von Unterschichten in der Frühphase ihrer Entwicklung die Ressourcen des Vertrauens und der Autorität von außen borgen konnten: von einem lokal bekannten und angesehenen Rechtsanwalt, Pfarrer, Bürgermeister oder, verknüpft mit Klientelverhältnissen, vom Guts- oder Fabrikbesitzer. Fast alle diese Quellen hatten den Nachteil, daß sie den Selbsthilfecharakter gefährdeten und das Gewicht der Selbstverwaltung leicht einschränken konnten. Zudem entfaltete das aus traditionellen Klientelstrukturen stammende Vertrauenskapital seine Wirkung oft nur bei bestimmten, relativ begrenzten Gruppen. Die Konsumentenrolle dagegen war so umfassend, daß sie in der Praxis von Klientelverhältnissen meist nur gestreift, nicht aber breit überlagert wurde. Zum Anschluß von Gründungen an das traditionelle Macht- und Ansehensgefälle sind zwei Alternativen denkbar, die beide in den fünfziger Jahren noch nicht zur Verfügung standen. Die erste ist eine Versachlichung des Vertrauens auf Seiten der Mitglieder. Sie machte sich, wie erwähnt, typischerweise an der bekannten Form und der dazu gehörigen Bewegung selbst fest. Ihr entspricht etwa die Überzeugung, daß man es bei der angestrebten Vereinigungsform mit einem »richtigen« Muster zu tun hat, bei dem es nicht entscheidend darauf ankommt, welche Personen die vielfach bewährte Idee exekutieren. Die zweite Alternative besteht darin, daß die Gründer des Unternehmens ihre Stellung aus der Zugehörigkeit zu einer breiten sozialen Bewegung ableiten können, die den einzelnen Verein in 162

der Art umfaßt, wie der Strom ein Flußinsel umspült. Gehören Mitglieder und Vorstand der gleichen sozialen, kulturellen und politischen Bewegung an, ist die Leitung durch eine doppelte Loyalität gegenüber demagogischer Manipulation geschützt. Ein solch allgemeiner für Konsumentenunternehmen geeigneter Rahmen war in den fünfziger Jahren jedoch weit und breit noch nicht in Sicht. Darin lag das Typische der Eilenburger Initiative und ihres Scheiterns, daß sie nur von Individuen ausging, die nicht ersetzbar waren, und persönliche mit hochvergesellschafteten Strukturen kaum vermittelbar aufeinanderprallten. All das wurde wesentlich verschärft durch einige Besonderheiten der Konstruktionsprinzipien, durch die sich die deutschen Vereine der fünfziger Jahre vom Rochdaler Muster unterschieden. An erster Stelle gehört hierher die Politik niedriger Preise.90 Sie bewirkte das Gegenteil eines organischen Aufbaus und einer vorsichtigen Konsolidierung. In ihrer Wirkung glich sie einem Strohfeuer. Sie brachte die schnellsten Erfolge, führte aber häufig zur Überschätzung der eigenen Kräfte und verhinderte fast immer eine Konsolidierung. Der rein ökonomische Mobilisierungsprozeß, den die niedrigen Preise bewirkten, tendierte dazu, außer den Mitgliedern auch den Gründerkreis in seinen fachlichen und gelegentlich seinen moralischen Ressourcen zu überfordern. Die eingehenden, für die Verhältnisse der Vorstände durchaus riesenhaften Summen stellten ihre Ehrlichkeit auf eine harte Probe. Zu den Belastungen der Binnenmoral durch eine überstürzte Expansion trat der auf diese Weise besonders leicht hervorgerufene Widerstand der Umwelt. Betrachtet man die Entwicklung der Lebensmittelvereine während der fünfziger Jahre im Überblick, wird deudich, daß es ihnen, selbst wenn sie die Klippen der Vereinsgesetzgebung und der einschlägigen Bundesgesetzgebung erfolgreich umschifft hatten, schwerfiel oder oft nicht gelang, sich in ihrer sozialen und politischen Umwelt einen geschützten, anerkannten Raum zu verschaffen. Sie verfehlten nicht nur häufig ihr Maximalziel, als sozialpolitische Veranstaltung allgemein akzeptiert zu werden und Ressourcen an unbezahlter Arbeit und Steuerprivilegien auf sich zu ziehen, sondern gelegentlich auch ihr Minimalziel, im Rahmen der Gewerbefreiheit als wirtschaftliches Unternehmen unbehelligt zu bleiben. Das 1 8 4 9 / 5 0 in Hamburg gegründete »Waren-Magazin auf Aktien« wurde auf Intervention des Krameramtes wegen Verstoßes gegen die Zunftregeln geschlossen.91 Seinen Nachfolger, das »Warenmagazin« des Bürgervereins, ließ der Magistrat Anfang Oktober 1852 nach heftigen inneren Auseinandersetzungen durch die Polizei zwangsweise schließen und verweigerte die Wiederöffnung. 92 Zusammenschlüsse im nahegelegenen Altona wurden gleichfalls durch die Behörden behindert und in ihrem Betätigungsfeld eingeschränkt.93 163

Im Einzelhandel begegneten die Konsumvereine einem Gegner, der sich nicht einfach zu Paaren treiben ließ. Anders als die kaum organisierten, zersplitterten englischen Kleinkaufleute verfugte der Einzelhandel in den deutschen Staaten immer noch über einen gewissen organisatorischen Rückhalt in tradierten oder an Traditionen anknüpfenden wirtschaftlichen Vertretungen. Darüber hinaus konnte er auf eine Allianz mit Teilen des handeltreibenden Handwerks rechnen. Das selbständige Handwerk jedoch gehörte im Vergleich zu fast allen anderen Schichten, insbesondere auch zur Arbeiterschaft, zu den bestorganisierten Gruppen überhaupt. Der politische Verdacht, unter dem gerade die Konsumvereine standen, förderte, wo er nicht den Ausschlag gab, die Bereitschaft der Behörden, den Forderungen der Händlerschaft nachzugeben. Man würde es sich dennoch zu einfach machen, wenn man in den Bürgermeistern, Deputierten und Verwaltungsbeamten, die sich in dieser Frage auf die Seite von Einzelhändlern und Handwerkern schlugen, in jedem Fall nur engherzige Vertreter mittelständischer Interessen sehen würde. Um den ideologischen, interessebestimmten Charakter ihres Verhaltens zu beurteilen, sind gerade in den fünfziger Jahren Zeit und Ort noch von ausschlaggebendem Gewicht. Dem Eilenburger Bürgermeister Brunner stand, als er öffentlich dafür eintrat, die Gründung von Konsumvereinen von der Bedürfnisfrage abhängig zu machen, aus unmittelbarer Anschauung der knappe Nahrungsspielraum der lokalen Händler vor Augen. Er sah, wie schwer den allermeisten von ihnen das Überleben fiel, wenn sie wochenlang durch die Angebote der »Lebensmittel Association« großen Verdienstausfall erlitten. Sprach vor seinem Erfahrungshintergrund, zumal angesichts des eigentümlichen Webmusters der Vereine, nicht alles dafür, daß diese neuen wie ein Strohfeuer aufflackernden und wieder erlöschenden Konsumentenvereinigungen lediglich die bestehende soziale Ordnung und ihre prekäres Gleichgewicht zerstören würden, ohne irgend jemandem dauerhaft von Nutzen zu sein? In dem an vielen Stellen noch vorherrschenden traditional geprägten Horizont lokaler Magistrate hatten ein nichtproletarisiertes Handwerk und ein eingesessener Handel einen festen legitimen Platz. Daran dachte jener, wenn er die Regierung mahnte, daß ein Zusammenschluß der Konsumenten »für das Gewerbswesen des Orts nur höchst verderblich werden müsse und daher zu wünschen sei, daß durch die Gesetzgebung die nötigen Schranken gezogen werden.«94 Daß zwischen der Behandlung der Vereine als normal zu besteuernder Wirtschaftsunternehmen und einer sozialpolitisch motivierten Regulierung ein unaufhebbarer Hiatus bestand, ging ihm als Widerspruch noch nicht auf. Dem korrespondierte auf der anderen Seite die Bereitschaft, traditionelle Schutzrechte der Konsumenten hartnäckig gegen den Wirtschaftsliberalismus der preußischen Zentralverwaltung zu verteidigen. 164

Deren Einstellung schließlich bestimmten bis in die zweite Hälfte der fünfziger Jahre das Interesse an der prinzipiellen Aufrechterhaltung der Gewerbefreiheit auch in Grenzfällen und die Furcht vor einem Weiterleben des »Umsturzes« hinter der Fassade unpolitischer Vereinigungen. Eine besondere Förderung konsumgenossenschaftlicher Zusammenschlüsse stand nicht ernsthaft zur Debatte. Die davon unterschiedene und positivere Einstellung gegenüber anderen Selbsthilfeformen wie den Krankenkassen erklärt sich damit, daß diese sich ungleich besser als Auffanginstitutionen für die rasch wachsende und potentiell politisch gefährliche Gruppe der Fabrikarbeiter eigneten und - wichtiger noch - direkt der Aufsicht von Behörden und Arbeitgebern unterstanden. Im übrigen stellten sie, anders als die Formen unternehmerischer Selbsthilfe von Unterschichten, keine massive Konkurrenz und Bedrohung für den Ordnungsträger »Mittelstand« dar.95 Die Kassen paßten mithin in jene nachrevolutionäre Stabilisierungspolitik, die durch ein Anknüpfen an korporative Strukturen Desintegrationsprozesse verhindern wollte - die Konsumvereine jedoch drohten, solche Prozesse zu beschleunigen.

165

Fünftes Kapitel Der Liberalismus und die Lehrjahre der Selbsthilfe

1860-1890

Der außerordentlich starke Einfluß politischer Faktoren auf die Entfaltung der verschiedenen Selbsthilfeformen in den deutschen Staaten zeigte sich schlagartig, als die Reaktionszeit endete. Quantitativ gesehen standen die Konsumvereine zu Beginn der sechziger Jahre praktisch auf dem Nullpunkt, 1 zehn Jahre später existierten mehr als hundert florierende Vereine, die immerhin so weit konsolidiert waren, daß sie ausführliche Rechenschaftsberichte zur Statistik des Allgemeinen Verbandes der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften einreichen konnten. Die Zahl der Mitglieder überschritt im Jahre 1869 erstmals die Grenze von 40.000. Nominell verfügten die Konsumvereine damit über einen etwas geringeren Anhang als die verschiedenen Richtungsgewerkschaften zusammen, doch ist bei einer Gegenüberstellung der Daten in Rechnung zu stellen, daß die Mitgliedschaft der Konsumvereine weniger fluktuierte. 2 Nach einer weiteren Verdoppelung der Mitgliederzahlen zwischen 1 8 6 9 / 7 0 und 1 8 7 3 / 4 markierten die Wirtschaftskrise von 1873 und die nachfolgende Stockungsphase mit Unternehmenszusammenbrüchen und steigender Arbeitslosigkeit bei den Konsumvereinen nicht anders als bei vielen anderen sozialen Verbänden einen deudichen Trendumbruch. In der sich anschließenden langgezogenen konjunkturellen Deflationsphase bis Mitte der neunziger Jahre fielen die Zuwachsraten stark zurück. Im Unterschied wiederum zu den Gewerkschaften, die als Folge des Sozialistengesetzes und der Lage auf dem Arbeitsmarkt einen großen Teil ihres Mitgliederbestandes einbüßten und Anfang der achtziger Jahre weitgehend neu beginnen mußten, blieb ein ähnlicher Rückschlag bei den Konsumvereinen aus.3 1890 registrierte der Allgemeine Verband 263 Vereine mit rd. 215.000 Mitgliedern gegenüber 111 und 45.000 im Jahre 1870. Die Konsolidierung der bestehenden Gründungen ist äußerlich ablesbar am Anstieg der Mitgliederzahl pro Verein. Gegenüber der ausgeprägten Zäsur um die Wende der 1880er zu den 1890er Jahren und dem beginnenden Übergang der Konsumvereine zu einer Massenbewegung relativieren sich die Abschnitte und Umbrüche da166

vor. Trotz einzelner Beschleunigungen wirkt die Zeit bis 1890 im ganzen betrachtet wie eine langgezogene Anlaufphase im Prozeß der Etablierung und Ausbreitung der konsumgenossenschaftlichen Selbsthilfeform. Ein anderer Grundzug der Entwicklung zwischen 1860 und 1890, der es nahelegt, diesen Abschnitt als eine zusammenhängende Epoche zu betrachten, bestand in der Nähe der Konsumvereine zur liberalen Bewegung und ihrer Mitgliedschaft in den aus dieser Bewegung hervorgehenden Interessen verbänden. Hierbei handelte es sich von Beginn an um ein Zweckbündnis ohne große Gegenliebe auf beiden Seiten, dessen Bewahrung von der liberalen Leitung (»Anwaltschaft«) der wichtigsten genossenschaftlichen Verbandsorganisation, des von Schulze-Delitzsch geführten »Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden Wirthschafts- und Erwerbsgenossenschaften«, eine ständige Vermittlungsaufgabe verlangte. Doch hielt das Bündnis äußerlich bis an die Schwelle des zwanzigsten Jahrhunderts. Erst im Jahre 1902 führte der Konflikt zwischen den beiden wichtigsten Ausprägungen unternehmerischer Selbsthilfe im Deutschen Reich und den hinter ihnen stehenden Gruppen, Interessen und Mentalitäten die überwältigende Mehrheit aller Konsumentenzusammenschlüsse weg vom liberalen Dach unter ein anderes: das der Sozialdemokratie und, zu einem kleinen Prozentsatz, in das Sozialmilieu des reichsdeutschen Katholizismus. Vor dem Hintergrund der frühen Trennung von sozialer und bürgerlicher Demokratie im Reichsgründungsjahrzehnt und der gleichfalls bereits in den siebziger Jahren eintretenden Gewichtsverschiebung zugunsten der sozialdemokratischen Richtungsgewerkschaften erscheint die »verspätete« Trennung der konsumgenossenschaftlichen Selbsthilfevereine vom Allgemeinen Verband als das am meisten erklärungsbedürftige Phänomen in diesem Entwicklungsabschnitt.

I. Hindernisse Im Jahrgang 1864 ließ Schulze-Delitzsch in der von ihm herausgegebenen »Innung der Zukunft« unter der Überschrift »Aus dem Consum- und Sparverein zu Elberfeld« einen Artikel abdrucken, der wenige Monate zuvor in der Rheinischen Zeitung erschienen war.4 Der Beitrag begann mit einem charakteristischen Vorspruch, welcher unschwer erkennen ließ, daß im folgenden ein liberales Lehrstück aufgeführt werden sollte. »Es wird wohl nicht uninteressant erscheinen«, leitete der Berichterstatter seine Ausführungen mit unverhohlener Befriedigung ein, »wenn wir die Entstehungsgeschichte einer Arbeitervereinigung zur socialen Selbsthülfe, nämlich des »Elberfelder Consum- und Sparvereins«, im Einzelnen vorfuh167

ren und dabei die äußersten Wurzel-Fäden seines Entstehens mit aufnehmen, um so am klarsten den Gang der Entwicklung zur wirklichen Selbsthülfe zu zeichnen.« 5 Der dann folgende, ins einzelne gehende Bericht enthielt in idealtypischer Reinheit alle Elemente des liberalen Selbsthilfecredos: - Eine zurückgewiesene Petition um Staatshilfe, die zuvor von 81 Posamentierern des Kreises Elberfeld an das preußische Abgeordnetenhaus gerichtet worden war. - Die Rückbildung der größeren Gruppe von Petitionisten zu einem verschworenen Kern, welcher nach diesem Rückschlag das Verlangen nach staatlichen Wohltaten als »Irrweg« erkannte und mit »Muth und Vertrauen« den Weg der Selbsthilfe beschritt. - Die vorsichtige Erweiterung des Kerns, wobei nach der Darstellung gerade nicht gemeinschaftliche Interessen und organisatorische Vorstruktierungen, sondern allein Idee und Diskurs, manifestiert im Statut, die notwendige Binnenmoral und Disziplin schufen. - Das Ansparen des Startkapitals, indem die Gruppe über Monate hinweg Groschen auf Groschen legte. - Die Reverenz gegenüber den liberalen Autoritäten, allen voran Schulze, dem die biederen Arbeiter ihr »nach 21 maligem Durchgehen und Umschreiben der einzelnen Paragraphen« erstelltes Statut zu Feinschliff und wohlwollender Begutachtung vorlegten.6 - Und schließlich vor allem der Hinweis auf die Wirkung, die vom »herrlichen Beispiele der Engländer« ausgegangen sei.7 Es liegen nicht genügend Informationen vor, um die Schilderung im einzelnen zu kontrollieren. Einige unbeholfen eingeflochtene Details wie die Erwähnung von Handgreiflichkeiten bei der ersten Beratung des Statuts machen die Darstellung durchaus glaubwürdig. 8 Wie wenig diese Gründungsbeschreibung, deren politische Absicht offenkundig darin lag, die direkte Übertragung des englischen Selbsthilfemusters auf die deutschen Verhältnisse plausibel zu machen, repräsentativ war, geht daraus hervor, daß Schulze den Bericht zum Anlaß nahm, das Thema Konsumvereine erstmals ausführlich auf die Tagesordnung der Jahresversammlung des Allgemeinen Genossenschaftsverbandes zu setzen und über Möglichkeiten zu ihrer Förderung zu beraten. Sehr viel typischer fur die Situation der frühen sechziger Jahre als das liberale Selbsthilfevorstellungen in nuce reproduzierende Beispiel der Elberfelder waren die Erfahrungen eines Magdeburger Arbeiters, dessen Schreiben die Coburger Allgemeine Deutsche Arbeiter-Zeitung Feodor Streits im Gegenzug abdruckte. In nüchterner Prosa hieß es dort: »Ich kaufte mir sein [gemeint war Schulze-Delitzsch, d. Verf.] Associations168

Tabelle 11: Organisierte Konsumvereine und Kreditgenossenschaften 1860-1870 1 Jahr

1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870

Konsumvereine

13

38 34 46 49 75 109 111

(2)2 (4) (9) (17)

Kredit- und Rohstoffgenossenschaften 133 188 243 339 455 498 532 570 666 735 740

1

Basis: Vereine, die Angaben zur Statistik machten. Die Angaben in Klammern beziehen sich auf Vereine, die 1864 erstmals von der Statistik des Allgemeinen Verbandes erfaßt wurden, deren Gründungsdatum jedoch vor 1864 lag. 2

Quelle: Jahresberichte des Allgemeinen Verbandes 1863ff.

buch, entwarf darnach Statuten zu einem Spar- und Consumverein und hoffte bei meinen Arbeitsgenossen in unserer Fabrik damit durchzudringen; mein Vorhaben scheiterte aber leider an ihrer Zaghaftigkeit und Uneinigkeit. Ich gab meinen Plan vorläufig auf, indem ich mir vornahm, ihn, wenn vielleicht die Verhältnisse günstiger geworden, zur Ausführung zu bringen.« 9 Tatsächlich relativiert sich insbesondere in vergleichender Perspektive der Eindruck eines mit den 1860er Jahren einsetzenden durchgreifenden Aufschwungs von Konsumentenselbsthilfe beträchtlich. Jenem Dutzend Realisierungen des konsumgenossenschaftlichen Organisationsmusters, die in den deutschen Staaten die Reaktionszeit überdauert hatten und Ende der fünfziger Jahre den Rest des nachmärzlichen Assoziationsimpulses bildeten, standen in England zum gleichen Zeitpunkt mehr als dreihundert über das Land verteilte Konsumvereine gegenüber. Ein neuer Aufschwung ließ die Zahl der englischen Vereine bis 1865 auf knapp 500 und bis zum Ende des Jahrzehnts auf 740 gegenüber etwas mehr als 100 Zusammenschlüssen deutscher Konsumenten zum gleichen Zeitpunkt ansteigen. In den Grenzen des (Nord-)Deutschen Bundes machte vor allem der Aufschwung der mittelständischen Genossenschaftsbewegung Rückstand und Schwäche der Konsumvereine offenbar. 169

Die Schwierigkeiten, denen die Ausbreitung des Prinzips der Konsumentenselbsthilfe im Reichsgründungsjahrzehnt begegnete, waren unterschiedlicher Art. Fördernden Faktoren wie dem allgemein liberaleren politischen Klima, einer sich organisatorisch festigenden und ausdifferenzierenden liberalen Bewegung, der Entstehung einer selbständigen Arbeiterbewegung, dem beschleunigten Fortschritt von Kommerzialisierung und Industrialisierung, der Abschaffung gewerbe- und vereinsrechdicher Hindernisse und der Schaffung eines spezifischen rechdichen Rahmens durch das preußische Genossenschaftsgesetz von 1863 standen neue und alte Hindernisse entgegen. Im Grad der Industrialisierung und vor allem der Urbanisierung existierten nach wie vor außerordendich große Unterschiede zur englischen Gesellschaft. Auch war nicht zu erwarten, daß die an vielen Stellen jetzt erst in vollem Umfang erfolgende Durchsetzung der Gewerbefreiheit in kurzer Frist auf Mentalitäten und Verhaltensweisen durchschlagen würde - zumal nicht unter den Bedingungen eines weiterhin vergleichsweise rückständigen Urbanisierungsprozesses. In dieser fur große Teile der Bevölkerung trotz Reichsgründung und Industrialisierung lange Zeit noch klein bleibenden Welt mit ihrem Geflecht von gegenseitigen Erwartungen und zugeschriebenen Rollen, effektiver sozialer Kontrolle und wirksamen informellen Sanktionen erschien der auf Rollendifferenzierung und Marktwirtschaft setzende Konsumentenzusammenschluß fast zwangsläufig als illegitime Bedrohung. Das gilt vor allem für den sozialen Kern dieser Welt, das selbständige Kleinbürgertum. Diese Spannungen manifestierten sich auch innerhalb des Konsumenten und Produzenten dem Anspruch nach gemeinsam umfassenden und versöhnenden Selbsthilfesektors. Was sich innerhalb dieses Sektors in den Jahrzehnten nach 1860 allmählich vollzog, war nicht nur die sich friedlicharbeitsteilig vollziehende Herausdifferenzierung spezialisierter Unternehmenstypen mit eigener Ideologie, eigenem Personal, besonderen Regeln und Märkten, sondern auch ein Kampf um die Besetzung jener großen, für Erfolg und Durchsetzung des jeweiligen Selbsthilfemusters hochbedeutsamen vakanten Schnittflächen, in denen sich Arbeiter-, Handwerker- und Konsumenteninteressen überlagerten. Am folgenreichsten war in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die sich parallel, zum Teil mit einem Vorlauf zu den Konsumvereinen etablierende und zunächst wesentlich erfolgreichere Selbsthilfebewegung der Kleingewerbetreibenden mit ihren drei Hauptzweigen - den Absatz-, Spar- und Kredit- und Rohstoffgenossenschaften - Funktionen besetzte, die sich auch an Konsumvereine angliedern ließen und, wie die Spar- und zum Teil auch die Rohstoffbeschaffungsfunktion, von den englischen Vereinen auch wahrgenommen wurden. Nicht zuletzt der Angliederung von Sparkassen mit hohen Einlagen verdankte die englische Bewegung über lange Zeit ihr preiswertes Investi170

tionskapital. Daß eine Integration der Rohstoffbeschaffung für das Kleingewerbe in die Käufervereinigungen in den deutschen Staaten für manche Zeitgenossen eine denkbare Option war, läßt sich daran ablesen, daß die Zusammenschlüsse von Handwerkern und Bauern zum gemeinschaftlichen Ankauf von Rohstoffen in den 1860er Jahren gelegentlich noch als handwerkliche oder landwirtschaftliche »Konsumvereine« apostrophiert wurden. Dieses Potential an Selbsthilfebedürfnissen und -fähigkeiten wurde jedoch von der mittelständischen Bewegung besetzt und absorbiert und stand damit für den Aufbau von Konsumentenvereinigungen nur in Residuen zur Verfügung. Auf einer anderen Ebene, in der Sache jedoch eher noch schärfer, existierte dieses Konkurrenzverhältnis im übrigen auch zwischen der Konsumenten- und der entstehenden Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Angesichts ihrer hohen strukturellen Affinität mußten beide potentiell aus dem gleichen Reservoir an Personen und finanziellen Ressourcen schöpfen, was angesichts der eklatanten organisatorischen Schwäche der Arbeiterbewegung zu bitterer Konkurrenz führte und wechselseitige Hilfestellung nur in Ausnahmefällen zuließ. Die Entfaltungschancen von Konsumentenselbsthilfe in den deutschen Staaten wurden darüber hinaus durch das Hinzutreten einer dritten Kraft auf lange Sicht nachhaltig beschnitten, die gewissermaßen aus dem Hintergrund wirkte und mit überlegenen Ressourcen offenes Terrain okkupierte. Anknüpfend an Ansätze aus den fünfziger Jahren, in denen Industriebetriebe zur besseren Versorgung ihrer Belegschaften Lebensmittel beschafft und teils in verarbeiteter Form, teils als Rohstoff abgegeben hatten, erfolgte in den sechziger Jahren eine regelrechte Gründungswelle von betrieblich gebundenen Konsumvereinen. Einzelne entstanden aus der Übernahme gescheiterter und nicht lebensfähiger Selbsthilfegründungen. Zum Prototyp eines Vereins, der nach dem Scheitern eines Selbsthilfeversuchs in die Obhut eines Werkes genommen wurde, entwickelte sich der mit dem Jahr 1868 als Kruppsche Werkskonsumanstalt geführte »Essener Consumverein«. Welches Ausmaß diese Bewegung im Bereich der Industrie nahm, offenbarte eine im Jahre 1875 im Auftrage des preußischen Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten unter Mittel- und Großbetrieben veranstaltete Umfrage. Sie belegte für ganz Preußen mehrere hundert Konsumanstalten, die teils direkt von einem Unternehmen betrieben oder von ihm abhängig waren.10 Die Abrundung der Betriebe durch die Übernahme der Lebensmittelversorgung war insbesondere im Ruhrgebiet ein wichtiger Schritt zur Entstehung jener sozialen Festungen der schwerindustriellen Unternehmerschaft, die gleichermaßen der Ausbreitung der Gewerkschafts- wie der Konsumvereinsbewegung bis nach der Jahrhundertwende hohe Schranken entgegensetzte. 171

II. Rückfallinien - die Markenvereine Die Wahrnehmung, daß zwischen »dem herrlichen Vorbild der Engländer« (Parisius) und der stockenden Rezeption in den deutschen Staaten eine weite Kluft blieb, führte unter den interessierten Zeitgenossen zu einer Debatte über notwendige Modifikationen des an anderer Stelle so erfolgreichen Musters. So trat der Liberale Eugen Richter, sonst ein entschiedener Befürworter der engen Anlehnung an das englische Vorbild, nachdrücklich für den Verkauf zu möglichst niedrigen Preisen mit der Begründung ein. »Auf eine Jahresdividende rechnet nämlich in neuen Vereinen noch Niemand; dazu vertraut man dem genossenschaftlichen Principe und dem Vorstand des Vereins gewöhnlich noch zu wenig. Man will daher den Vortheil der Mitgliedschaft gleich handgreiflich sehen und liebt es, sich beim Besuch des Vereinsladens vorzurechnen, wie viel man durch Vermeidung des Krämers erspart habe.« 11 Noch problematischere Wege ging der 1863 ins Leben gerufene Wittener Konsumverein. Die Barzahlung wurde hier so weit vernachlässigt, daß dieser Stammverein der westfälischen Bewegung schon zwei Jahre nach seiner Gründung um Unterstützung von außen nachsuchen mußte. In einem Rechenschaftsbericht mit stark distanzierender Tendenz gab der Initiator und ursprünglich fuhrende Kopf des Vereins, der politische Schriftsteller und Liberale Friedrich Spiethoff, als Gründe fur das exzessive Kreditgeben die Auffassung des Vorstandes an, das Kreditieren sei angesichts der abwartenden Haltung des Publikums ein notwendiges Werbemittel. »Es wurden daher die Mitglieder eingeschätzt, wieviel Kredit ein jedes erhalten dürfe«. 12 Auch eines der Schlüsselprinzipien der Rochdaler Weber, der Grundsatz, den Gewinn nach dem Einkauf zu verteilen, setzte sich bei den Vereinen in den 1860er Jahren nicht allgemein durch. 13 All diese - bewußten - Abweichungen von den Rochdaler Prinzipien boten jedoch, wie die Instabilität vieler Gründungen belegt, nur kurzfristige Lösungen. In dieser Situation schlugen Vorstandsmitglieder und Leiter einiger großstädtischer Gesellschaften - führend waren die Berliner Vereine - eine grundsätzliche Modifizierung des englischen Vorbildes vor. Das groschenweise Ansparen des Startkapitals, hieß es bei ihnen, entspreche zwar in nuce der liberalen Theorie und ihrem Sparideal, verlangsame jedoch die Ausbreitung der Bewegung über Gebühr. An vielen Beispielen in der Praxis sei abzulesen, daß ein solcher Spartopf die typischen Wechsellagen und Unsicherheiten proletarischer Existenz nicht überstehe. Darüber hinaus berge ein gemeinschaftlich verwalteter großer Betrag das hohe Risiko des Verlustes durch Veruntreuung in sich. Die bisher übliche Alternative, das Vorschießen des Kapitals durch Honoratioren, schwäche das Selbsthilfe172

moment und mache die Ausbreitung der Vereine von der knappen Ressource bürgerliche Philanthropie abhängig. 14 Hinzu komme, daß es eine solche Konstruktion erschwere, bestimmte selbstbewußte Arbeitergruppen zu erreichen. Im einzelnen sah der Plan vor, daß die Zusammenschlüsse der Konsumenten, statt sofort mit der Errichtung eines eigenen Ladengeschäftes zu beginnen, zunächst Verträge mit den am Ort ansässigen Händlern abschließen sollten. Entscheidend für die langfristig geplante, selbständige Unternehmensgründung war, daß die Einkäufe bei den Händlern nicht bar, sondern mithilfe von Marken abgewickelt wurden. An der Kasse des Vereins, so der Plan, erwarben die Mitglieder Gutscheine - in Norddeutschland entstanden daraus Wertmarken aus Papier, im Süden in Metall geschlagene Münzen - , um sie bei Vertragshändlern gegen Waren einzutauschen. Die Kaufleute wiederum konnten die angesammelten Wertmarken zu festen Terminen beim Vorstand des »Markenvereins« in Bargeld zurücktauschen. Erst bei dieser Gelegenheit, und nicht etwa schon beim Einkauf der einzelnen Mitglieder, hielt der Verein von der Gesamtsumme der eingelieferten Marken den vereinbarten Abschlag auf den Verkaufspreis ab. Ein Teil des ersparten Geldes wanderte nach diesem Plan am Ende der Rechnungsperiode als Dividende in die Geldbörsen der Mitglieder zurück, wobei sich die Höhe der Rückvergütung für den einzelnen - entsprechend den Rochdaler Grundsätzen - nach dem Anteil der individuell bezogenen Wertmarken am Gesamtumsatz bemaß. Ein anderer Teil ließ sich zum Aufbau eines eigenen Ladengeschäftes verwenden. Der Plan lief, mit anderen Worten, darauf hinaus, die für die Geschäftsgründung notwendigen Ressourcen nicht primär im Sparsäckel von Fabrikarbeitern und auch nicht im Wohlwollen des Großbürgertums, sondern im Kleinbürgertum zu suchen. Zwar bedeutete auch dies, streng genommen, eine Abschwächung des Selbsthilfemomentes. Doch sprach einiges für die Annahme, solche Abhängigkeit werde sich auf Dauer leichter abschütteln lassen.

1. Verbreitung Das Prinzip der Markenkonsumvereine verbreitete sich erstaunlich rasch. Insbesondere in den an Zahl und Gewicht nach 1870 rasch zunehmenden Mittel- und Großstädten mit einem funktionierenden Zwischenhandel lag es nahe, sich im ersten Schritt auf eine reine Zusammenfassung der Konsumenten, also eine Organisation der Kaufkraft im engeren Sinne, zu beschränken und erst im zweiten an die komplexere Errichtung eines eigenen Handelsunternehmens zu gehen. Das Verhältnis der Vereine zum privaten Handel entwickelte sich unter 173

diesen Bedingungen nicht überall gleich. Bei einigen Vereinen hatte die Kooperation mit dem lokalen Handel offensichtlich nur die Funktion eines Trittbretts für den Aufbau und die Konsolidierung des eigenen Geschäftes. Der Verein Neustadt bei Magdeburg, bis in die 80er Jahre hinein einer der größten Vereine, begann den Betrieb im Jahre 1864 damit, daß er für seine Mitglieder Verträge mit Fleischern und Bäckern in Magdeburg abschloß. Aus dem Gewinn des ersten Geschäftsjahres zahlte er bei rund 17.000 Mark Umsatz zehn Prozent Dividende. Satzungsgemäß blieb ein Teil davon - etwa die Hälfte des Betrages - stehen, um die Geschäftsanteile aufzufüllen. Die auf diese Weise zusammengebrachten 800 Reichsmark reichten aus, um im folgenden Jahr Verkäufe auf eigene Rechnung zu organisieren. Zwölf Monate später überstiegen diese erstmals das Volumen der Vermittlungstätigkeit. Nach weiteren zehn Jahren machte der Anteil des Markengeschäftes nur noch 13 Prozent des Gesamtumsatzes aus. 15 Eine andere Politik verfolgte der etwa gleich große Allgemeine Chemnitzer Konsumverein. Auch hier diente das Markengeschäft zur Ansammlung von Kapital für den eigenen Betrieb, behielt jedoch trotz des expandierenden Ladens bis in die 1890er Jahre eine zentrale Bedeutung für die Versorgung der Mitglieder (vgl. Graphik 4). Zwischen 1866, dem Gründungsjahr des Chemnitzer Vereins, und 1890 lag der Anteil des Markengeschäftes stets über dem Umsatz in den vereinseigenen Läden. 16 Die meisten Zusammenschlüsse bewegten sich zwischen beiden Extremen. Nur eine Handvoll unter den großstädtischen Vereinen konnte es sich bis 1890 leisten, ganz auf diese Form der Zusammenarbeit mit dem privaten Handel zu verzichten. Besonders in süddeutschen Städten wie Stuttgart und München, zum Teil selbst in den stark auf ihre Unabhängigkeit bedachten sächsischen Großstadtvereinen, verband seit den 1860er Jahren ein dicht geknüpftes Netz von Verträgen Konsumentenzusammenschlüsse und Einzelhandel miteinander. Der Geschäftsbericht des Münchener Konsumvereins listete für das Jahr 1874 91 Kontrakte mit »zum Teil sehr bedeutenden Privatgeschäften« 17 auf, der nächstgrößere süddeutsche Verein, der Stuttgarter, 76. 18 Die Regel bei diesen Vereinen war, daß der Anteil des Markengeschäftes nach dem ersten oder zweiten Geschäftsjahr deutlich zurückging und sich, bei großen regionalen Differenzen, im Verlauf der siebziger und achtziger Jahre auf einen Anteil zwischen 10 und 20 Prozent einpendelte. 19 Zu den Bastionen des Lieferantengeschäftes gehörten die süddeutschen Vereine, bei denen der Umsatz mit dem Handel im Durchschnitt konstant bei einem Drittel des Gesamtumsatzes lag, 20 während er zur gleichen Zeit in der preußischen Provinz Sachsen nur knapp 14 Prozent erreichte.21 Erst im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende begannen sich die Verhältnisse deutlich zu verändern. 174

Graphik 4:

Lieferantengeschäft des Allgemeinen Chemnitzer Konsumvereins 1866-1906

Tausender

1866

1870

1880 Auf eigene Rechnung

1890

1900

1908

Markengeschäft

Der Plan, das Markengeschäft als Absprung für ein eigenes Unternehmen zu verwenden, setzte als erste und wichtigste Bedingung einen funktionierenden Handel voraus. Aus vielerlei Gründen konnten sich die Vereine selbst nicht als sozialpolitische Institutionen gegenüber den weniger leistungsfähigen Kolonialwarenhändlern betätigen, sondern waren darauf angewiesen, mit großen und soliden Geschäften zu kooperieren. Die in Frage kommenden Lieferanten mußten in der Lage sein, mit ihren Möglichkeiten - Umfang des Lagers, Größe des Verkaufsraumes, Zahl der Angestellten, aber auch der Qualität ihrer Buchführung - innerhalb kurzer Zeit einen zusätzlichen und dann konstant hohen Bedarf zuverlässig zu befriedigen. In den neuen, stürmisch wachsenden Industriestädten, zumal in den infrastrukturell ohnehin benachteiligten Wohnquartieren der Arbeiter, waren solche Voraussetzungen selten gegeben. Eine gewisse kritische Masse an Einzelhändlern gehörte außerdem dazu, um die Verhandlungsposition des Vereins zu stärken bzw. sie überhaupt aufbauen zu können. Auch ließ sich diese Art des Geschäftsanfangs dort leichter praktizieren, wo die sozialen und politischen Gegensätze nicht zu scharf ausgeprägt waren. Die meisten dieser Voraussetzungen existierten eher in Mittel- und Groß- als in

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Kleinstädten und, geographisch gesehen, eher südlich als nördlich der Mainlinie. Die Form des Markenvereins reduzierte die Gründungsanforderungen erheblich. Zwar blieben die Vereine bei der Ausfüllung ihrer Leitungsfunktionen in hohem Maße auf die Ressource »Respektabilität« und »Vertrauenswürdigkeit« angewiesen. Andererseits senkte dieses Prinzip die Anforderungen an die Räumlichkeiten so weit, daß es möglich wurde, den Markenverkauf in Privatwohnungen abzuwickeln.22 Von den Vorständen der Berliner Vereine, die sich Anfang der sechziger Jahre besonders fur die Konzeption stark gemacht hatten und sie als ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der Selbsthilfeform Konsumgenossenschaft ansahen, hieß es im Bericht eines Zeitgenossen, daß sie nicht nur »unentgeldich die Last der Markenausgabe und der Buchführung übernommen« hätten. Der dortige Leiter habe »seine Wohnung in ein öffendiches Comptoir [verwandelt], welches jeder Zeit den Markenkäufern offensteht.« 23 Ähnliche Subventionen kamen zwar auch bei den Vereinen vor, die von vornherein ein eigenes Geschäft unterhielten, doch wurden in ihrem Fall die Kapazitätsgrenzen einer privaten Wohnung sehr viel schneller erreicht. Für die Mitglieder erschien der Nutzen des Zusammenschlusses bei den Markenvereinen sehr früh greifbar, da die lange Ansparphase entfiel. Das hohe Anfangsrisiko, bei noch nicht konsolidiertem Kundenstamm die Kapazitäten - Vorräte, Verkaufsraum, Lager usw. - zu groß zu wählen, wurde erheblich eingeschränkt oder zunächst ganz auf den Handel verlagert. Nicht zu unterschätzen war darüber hinaus der Umstand, daß das geplante Unternehmen durch den Abschluß der Verträge und den Austausch der eigenen Währung gegen Güter des täglichen Bedarfs schnell einen hohen Bekanntheitsgrad innerhalb des Ortes erwarb. Zwar bedurfte auch der Markenverein einer gewissen Homogenität in seiner primären Trägergruppe, doch lagen die Anforderungen im Vergleich zu einem Ladengeschäft niedriger. Vor allem erleichterte die Praxis des Markenkonsumvereins den ersten Mitgliedern die Akkumulation des für den eigenen Laden benötigten Gründungskapitals. Über den Verkauf der Wertcoupons nahm der Verein betriebswirtschaftlich gesehen einen doppelten Kredit bei seinen Mitgliedern und den Vertragshändlern auf. Aus dem zeitlichen Abstand zwischen Ankauf und Absatz der Marken sowie zwischen Annahme und Einlösung seitens des Händlers flössen ihm kontinuierlich beachtliche Zinsgewinne zu. Was an disponiblen Mitteln überschoß, ließ sich beim Einkauf im Großhandel darüber hinaus dazu verwenden, beträchtliche Skontogewinne zu erzielen. Man würde erwarten, daß sich der Einzelhandel gegen den Versuch, ihn als Geburtshelfer einer gefurchteten Konkurrenz zu mißbrauchen, vehement zur Wehr setzte. Diese Vermutung ist nicht unberechtigt und mit 176

einer Vielzahl einzelner Beispiele zu belegen. 24 Doch was dem Einzelhandel als Ganzes Sorge bereitete, konnte dem einzelnen Lebensmittelhändler von Nutzen sein. Dem Zinsverlust durch die Annahme von Marken standen jene durchweg größeren Verluste gegenüber, welche der Händler im normalen Geschäft durch den dort üblichen Warenkredit erlitt. Nicht nur, daß die Kreditfristen bei einem Vertragsabschluß mit dem Markenverein wesentlich kürzer waren als beim normalen Anschreiben. Hier bürgte der Verein für jeden einzelnen Kredit, dort blieb das Risiko der Abschätzung und der Schuldeneintreibung allein beim Detaillisten. Es lag in der Natur des Markengeschäftes, daß es dort, wo es sich festsetzen konnte, die ortsansässigen Handwerker und Lebensmittelhändler auseinanderdividierte. Im allgemeinen bevorzugte es die Handwerker (Schlachter, Bäcker) gegenüber den Kaufleuten und brachte wiederum einzelnen unter ihnen erhebliche Konkurrenzvorteile gegenüber anderen, da der Vertragsabschluß den bis dahin verzweigt fließenden Kundenstrom kanalisierte. Wie unprosaisch und richtig die liberalen Erfinder dieses Prinzips in den 1860er Jahren die Wirkungen voraussahen, drückt das nachstehende Urteil aus: »Die hierdurch bei den Händlern bewirkte Konzentration der Nachfrage macht dieselben nämlich geneigt, dem Vereine einen gewissen Anteil an dem von seinen Mitgliedern erzielten Bruttoerlös gleichsam als Prämie für seine Empfehlung zu bewilligen.«25 Am erfolgreichsten waren die Vereine dort, wo sie es mit »Newcomern« unter den Händlern zu tun hatten. Jüngeren, nichtetablierten Kaufleuten boten solche Verträge eine günstige Chance zum raschen und sicheren Aufbau eines eigenen Geschäftes. Natürlich war der Verhandlungsspielraum für den Verein im Normalfall nicht unbegrenzt. Die entscheidende Determinante lag in der Nähe zum Wohnort der Mitglieder. Dies schränkte die Auswahl und das Gewicht der Kündigungsdrohung etwas ein und zwang gelegendich zu Kompromissen. Immerhin meldeten große etablierte Vereine wie der Stuttgarter bereits 1876, daß sie regelmäßig unaufgefordert »Offerten von neuen Marken-Lieferanten« erhielten.26 Wirklich bedrohlich wurde der Widerstand des Handels erst, wenn er flächendeckend organisiert war und zugleich bei laufendem Geschäftsbetrieb erfolgte. Versuche in dieser Richtung häuften sich seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahre. Lokale Fleischer und Bäcker unternahmen seit dieser Zeit verstärkt Anläufe, durch die abrupte Kündigung von Lieferantenverträgen den Geschäftsgang von Konsumvereinen empfindlich zu stören und durch Verrüfe der Vorstände so viel Mißtrauen zu säen, daß die Vereine auseinanderfielen.27 Die meisten Versuche, auf diesem Wege zum Ziele zu kommen, scheiterten. Einerseits erzeugten Angriffe im Einzelfall das, was bis dahin weitgehend fehlte, nämlich ein »Wir«-Gefuhl der Mitgliedschaft und die Bereitschaft, vorübergehende Nachteile zum Erhalt des 177

Geschäftes hinzunehmen. 28 Zum anderen lernten die Vereine in dieser Phase den Schutz des Handels- und Gewerberechts schätzen. In mehreren Musterprozessen, die die betroffenen Genossenschaften aus eigener Initiative oder mit Unterstützung der Anwaltschaft anstrengten, klagten sie erfolgreich auf Vertragsbruch und erreichten schmerzhaft hohe Konventionalstrafen für die Händler und Handwerker von - im Einzelfall - mehreren Tausend Reichsmark.29 Seit über die Chancen von Konsumentenselbsthilfe in der Hauptsache auf wirtschaftlichen Märkten entschieden wurde, also seit Beginn der 1860er Jahre, reichte der Organisationsvorsprung einer größeren Gruppe von Interessenten, Enschlossenheit und Kohärenz vorausgesetzt, aus, um sich gegenüber lokalen Organisationsversuchen der Kleingewerbetreibenden durchzusetzen. Allerdings läßt sich nicht übersehen, daß die lange Kette der Niederlagen, die diese erlitten, Lernprozesse in Gang setzte und die Organisationsbildung auf neuer Stufe vorantrieb.

2. Das Markengeschäft als sozialer Kompromiß Es fehlte im Verlauf der sechziger Jahre nicht an Stimmen, welche die Verbindung zwischen einer Organisation der Kaufkraft und privatem Unternehmergeist als ideale Kombination zum allseitigen Nutzen priesen. Ein führendes Mitglied des »Centraivereins fiir das Wohl der arbeitenden Klassen«, der schon an der Gründung Liedkescher Vereine beteiligte Offizier Prittwitz, trat noch 1873 in einer längeren Abhandlung nachdrücklich für ein Festhalten an dieser Verbindungsform ein: »Wenn man übrigens vorurteilsfrei berechnet, wie viel Zeit und Mühe die damit beauftragten Mitglieder oder Verwalter der Konsumvereine erster Art (mit eigener Verwaltung der Vorräte) auf deren Ankauf, Kontrolle und Verwahrung verwenden müssen, und daß dabei, wie die Erfahrung schon häufig genug gelehrt hat, Verluste verschiedener Art nicht ausbleiben können, - während ein Kaufmann, der auf eigene Rechnung und Gefahr seine Vorräte verwaltet, in der Regel besser mit Kapital, so wie mit geeigneten Lokalen versehen ist, auch meistens mehr Erfahrung besitzt, als ein Verwalter, der die Sache nur als Nebengeschäft, vielleicht gratis betreibt: so ist - Alles in Betracht gezogen - mit ziemlicher Gewißheit anzunehmen, daß die Mitglieder der Konsumund RohstoffVereine bei der Entnahme von Großhändlern gegen Marken oder Barzahlung ... am besten fahren. Auch nötigt ja die Konkurrenz schon den Kaufmann, mit dem der Konsumverein kontrahiert, möglichst billige Preise zu stellen, und er kann dies um so mehr, je mehr ihm ein bestimmter ausgedehnter Absatz durch den Konsumverein gesichert ist.«30 1864 hatte es in Mainz auf dem Vereinstag des Allgemeinen Verbandes 178

zwischen Handwerker- und Konsumentenvertretern in dieser Frage eine heftige kontroverse Debatte gegeben, die die Anwaltschaft bewog, auf eine förmliche Abstimmung zu verzichten.31 Für das Zögern der Leitung fiel schwer ins Gewicht, daß die mehrheitlich auf dem Kongreß vertretenen Selbsthilfezusammenschlüsse der Selbständigen - also die Kredit- und Rohstoffvereinigungen der Handwerker - aus durchsichtigen Gründen an einem Festschreiben der ungeliebten Verbraucherzusammenschlüsse gewissermaßen in statu nascendi interessiert waren. Im Hinblick auf den erheblichen Anteil, den die Ausbreitung der Konsumvereine an der Verhärtung der Fronten zwischen »altem Mittelstand« und Arbeiterbewegung in den folgenden Jahrzehnten hatte, liegt es nahe zu fragen, ob an dieser Stelle nicht die Chance zur Implementierung einer entwicklungsfähigen Kompromißform der Verbraucherorganisation verpaßt wurde. Gegen diese Vermutung spricht, daß die entschiedenen Befürworter reiner Markenvereine - verstanden hier als eine Organisationsform, die Konsumenteninteressen dadurch vertrat, daß sie Kaufkraft bündelte und deren Befriedigung dauerhaft dem privaten Handel überließ - unter den Aktivisten der Bewegung selbst in der Frühzeit nur eine Minderheit ausmachten. Zu ihnen gehörten außer den Berliner Unternehmen die Vertreter des 1864 gegründeten Krefelder Konsumvereins, die sich auf dem 2. Vereinstag der rheinisch-westfälischen Konsumvereine »wegen vieler Schwierigkeiten in der Kontrolle, der hohen Mieten und der weiten Entfernung der Vereinsmitglieder vom Laden« gegen »das Halten eines eigenen Warenlagers« aussprachen.32 In der anschließenden Diskussion mußten sie sich aber vorhalten lassen, daß es an vielen Orten offenbar schon möglich war, die bezeichneten Schwierigkeiten zu überwinden. 33 Betrachtet man die Argumente fur eine Weiterentwicklung näher, stößt man meist auf zwei Begründungszusammenhänge. Einer davon war gesellschaftspolitischer Art. Die Vereine hätten nur dann eine Chance, ihr großes englisches Vorbild zu erreichen und eine selbsttragende Bewegung zu entwickeln, wenn sie über einen festen Rückhalt in eigenen Läden verfugten. Die entschiedensten Vertreter dieser Position kamen aus den Reihen besonders engagierter sozialliberaler Politiker, die in den Konsumvereinen potentiell bedeutsame, weil in besonderem Maße offene und klassenunspezifische Instrumente der Sozialreform sahen - im zeitgenössischen Sprachgebrauch - »Einrichtungen, welche im Übrigen Allen und damit dem ganzen Gemeinwohle frommen.« 34 Dieses Argument enthielt eine leicht erkennbare Spitze gegen die einseitige Bevorzugung des kleingewerblichen Mittelstandes und seiner Selbsthilfeunternehmen als Sockel liberaler Sozialpolitik, wie man sie mit einigem Recht Schulze-Delitzsch vorwerfen konnte. Doch wie sympathisch der Einwand auch wirken mochte, spricht doch wenig dafür, daß er den Ausschlag gab. 179

Schulze hatte mit seiner Schwerpunktsetzung unübersehbaren Erfolg, dem gegenüber sich der Aufschwung von Konsumvereinen im Reichsgründungsjahrzehnt noch sehr bescheiden ausnahm. So war es eben auch kein Zufall, sondern eine Widerspiegelung der noch deutlich unterschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für Konsumentenselbsthilfe in Großbritannien und den deutschen Staaten, daß die entschiedenen Anwälte der Konsumvereine wie Eduard Pfeiffer in Süddeutschland, Eugen Richter, F. A. Lange in Duisburg oder der führende Kopf des Wittener Vereins, der politische Schriftsteller Friedrich Spiethoff, 35 eine Minderheit innerhalb einer Minderheit sozial engagierter Liberaler blieben. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang auch an jene aus verarmten Kleinmeistern und Handwerksgesellen bestehende Minderheit der Arbeiterschaft in den 1860er Jahren, die sich vor dem Hintergrund der Konjunkturperiode von Niederlassungs- und Gewerbefreiheit den (Rück-)Weg in die Selbständigkeit versprach. Sie setzte auf die Gründung von Produktivgenossenschaften, welche im übrigen tatsächlich zeitweise wie Pilze aus dem Boden sprossen, und kam nicht anders als ihre englischen Klassengenossen drei Jahrzehnte zuvor auf die Idee, durch Ersparnisse beim Einkauf das notwendige Kapital freizumachen. Doch wird man den Einfluß auch dieser insgesamt eben doch relativ kleinen Gruppe in der Praxis wie auf die programmatische Debatte nicht hoch veranschlagen dürfen, zumal sie, wenn in diesem Punkt auch zu Unrecht, Schulze mißtraute und sich eher vom Allgemeinen Verband fernhielt.36 Die entscheidenden Impulse zur Weiterentwicklung der Bewegung kamen aus der Praxis der bestehenden Vereine, wenn man so will, der inneren Logik des einmal in Gang gesetzten Prozesses folgend. Ein erstes Indiz dafür, daß hier andere Kräfte als nur Kongreßbeschlüsse am Werke waren, bedeutete die Tatsache, daß kaum ein Verein auf der scheinbar bequemen Stufe des Markenvereins stehenblieb. Das zeichnete sich schon früh ab. Von den 75 Vereinen, die 1868 ihre Abschlüsse einreichten, bezeichneten sich nur zwei nach dem Ablauf des ersten Geschäftsjahres als reine Markenvereine.37 Beim Aufbau eines eigenen Ladens und der Bilanzierung der Transaktionen machten viele Vereine die Erfahrung, daß auf diesem Wege langfristig gesehen sehr viel höhere Gewinne möglich waren. Wie früh sich dieser Eindruck bildete, ist daran abzulesen, daß der Allgemeine Verband auf Anregung einzelner Konsumvereine schon in den 1860er Jahren begann, in seinem statistischen Fragebogen die Ergebnisse und den Reingewinn für das Marken- und das Ladengeschäft separat auszuwerfen. 38 Die Wahrnehmung stark unterschiedlicher Ersparnismöglichkeiten in beiden Geschäftsarten verstärkte sich während der siebziger und achtziger Jahren. Sie führte dazu, daß unter dem Druck der Mitgliedschaft auf den Unterverbandstagen der Konsumvereinsvertreter öffentlich über 180

eine Dividendenspaltung diskutiert wurde. 39 War es zu rechtfertigen, lautete die Frage an die Delegierten, daß diejenigen unter den Mitgliedern, welche ihren Bedarf weitgehend im eigenen Laden deckten und damit dem Verein zu einem höheren Reingewinn verhalfen, die Rückvergütung derjenigen subventionierten, die überwiegend in fremden Geschäften kauften? Die Debatte verschärfte sich dadurch, daß sie unter innerem und äußerem Druck rasch in Zusammenhang mit dem Problem sozialer Gerechtigkeit geriet. Damit aber tangierte sie nicht nur das Selbstbild der Vereine, sondern auch ihre gesellschaftspolitische Legitimation. Tatsächlich diente das Markengeschäft im entwickelten Stadium der Vereine kaum noch dem Zweck der Kapitalansammlung als vielmehr der Abdeckung derjenigen Bedürfnisse, zu deren Befriedigung die Vereine aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in der Lage waren oder die sie aus ^anderen Gründen nicht aufnehmen wollten. Das wichtigste Beispiel fiir einen Bereich, in welchem es den Vereinen bis in die 1890er Jahre an Kompetenz mangelte, um Grundbedürfnisse zu befriedigen, war die Erfüllung der langsam wachsenden Mitgliedernachfrage nach frischem Fleisch.40 Verschiedene Anläufe zur Errichtung eigener Fleischereien, von einzelnen größeren Vereinen unternommen, waren trotz gegenseitiger Hilfestellung und Beratung hartnäckig fehlgeschlagen und mußten unter Verlusten liquidiert werden, so daß sich während der 1880er Jahre die Überzeugung festsetzte, das Fleischgeschäft werde auf Dauer außerhalb der Reichweite konsumgenossenschaftlicher Selbsthilfe liegen.41 Die Kontrakte mit Fleischern waren deshalb auch der Bereich des Markengeschäftes, der sich am längsten, nicht selten bis nach der Jahrhundertwende, hielt. Obwohl es an detaillierten statistischen Daten über die Nachfragestruktur verschiedener Mitgliedergruppen in den Vereinen fehlt, ist davon auszugehen, daß das Markengeschäft auf einer fortgeschrittenen Stufe der Vereinsentwicklung besonders im Interesse der wohlhabenderen Mitglieder fortgeführt und zum Teil noch ausgebaut wurde. Mitglieder, Vorstände und Kritiker von außen waren sich darin jedenfalls einig, wenn sie auf Verbandstagen diskutierten. Was die eine Seite als förderlich für die soziale Integrationsfunktion der Konsumvereine interpretierte, erschien der anderen als Variante sozialer Ausbeutung, ja überhaupt als Ausdruck der Tatsache, daß die Konsumvereine ihre Bestimmung, Ungleichheit zu bekämpfen und Grundbedürfnisse abzudecken, verfehlten. Die Beobachtung bedeutete Wasser auf die Mühlen derjenigen, in deren Vorstellungswelt die Zusammenschlüsse als temporäre Notwehrmaßnahme zur Abwehr von Teuerungen und moralisch anstößigen Regelverletzungen von Händlern und Lebensmittelhandwerkern einen begrenzten Platz hatten, mit ihrer Stabilisierung aber degeneriert und delegitimiert erschienen.42 Die Kritik am Lieferantengeschäft machte sich daneben immer wieder an 181

handgreiflichem Ärger fest, den die Mitglieder im Alltag als Konsumenten erfuhren. Schon früh tauchte der Verdacht auf, daß Teile der Händlerschaft versuchten, die in den Verhandlungen mit den Konsumentenvertretern gewährten Preisabschläge wieder hereinzuholen, indem sie sich mit Waren in schlechterer Qualität oder mit minderem Gewicht revanchierten. 43 Bereits im Jahre 1 8 6 9 berichtete Schulze von einer wachsenden Zahl von Vereinen, »welche meinen, daß der ihnen aus den Markenverträgen mit Lieferanten erwachsende Nutzen wenigstens zum Teil auf Selbsttäuschung beruhe, indem eine genaue Kontrolle darüber, ob nicht die Lieferanten den mit Konsumvereinsmarken bezahlenden Kunden geringere Ware oder geringeres Gewicht lieferten und so den bewilligten Rabatt wieder einbrächten, unmöglich sei.« 44 Mit einer ähnlichen Begründung zog der 1 8 6 4 gegründete Neustädter Verein (bei Magdeburg) schon nach wenigen Monaten seines Geschäftsbetriebes die Konsequenzen und ermäßigte den Rabatt im Lieferantengeschäft freiwillig von 16 2/z auf 1 3 / 3 Prozent (sie!). 45 In den siebziger Jahren schlug sich die gleiche Erfahrung wiederholt als Empfehlung an junge Vereine nieder, in den Verhandlungen mit den Händlern die eigene Nachfragemacht nicht zu sehr auszuspielen und extrem hohe Abschläge zu vermeiden, da solche in der Regel in schwer kontrollierbarer Weise auf die Mitglieder zurückschlügen. Wie sehr sich die Beurteilung änderte, illustriert ein Vorfall im Süddeutschen Verband. Als im Jahre 1 8 7 4 der Waldshuter Verein darüber klagte, er habe gegenüber den Fleischern nicht einmal sechs Prozent Rabatt durchsetzen können, mahnte ihn der Verband, daß dieser Betrag in der Tat zu hoch sei für ein seriöses Geschäft. 46 Andere in den Quellen schwerer faßbare Umstände dürften zusätzlich dazu beigetragen haben, das Lieferantengeschäft im Bewußtsein der Mitglieder zu belasten. Der bargeldlose Einkauf durch Marken oder besondere Münzen stempelte die Mitglieder in den fremden Läden doch zu Kunden zweiter Klasse. Schließlich hing an den Marken für den Kolonialwarenhändler, der sie entgegennahm, nicht nur der Abschlag, sondern auch die zusätzliche Arbeit des Berechnens, Ablieferns und der Verlust an Zinsen. Das schlug sich, wo nicht in der Qualität der Waren, doch im Ansehen des Kunden und der Art der Bedienung nieder. Entsprechend klagte der Ulmer Verein 1 8 7 4 gegenüber der Anwaltschaft darüber, daß man in »jenen Geschäftshäusern der Stadt, welche Marken an Zahlungsstatt nehmen ... den Mitgliedern gegenüber nicht immer das liebenswürdigste Benehmen« übe. 47 Die Erfahrung lehre, warnte ähnlich auch der Allgemeine Konsumverein Basel, »daß der den Mitgliedern hierdurch verschaffte Vorteil durch teilweise Bedienung zweiter Qualität kein großer war.« 48 Der wohlhabendere Teil der Mitglieder konnte das auffangen, indem er - was auch bei der Frage der Integrationsfunktion der Vereine nicht übersehen werden 182

darf - Dienstboten zum Einkauf schickte.49 Der andere größere Teil der Mitgliedschaft bekam die Benachteiligung dagegen unmittelbar zu spüren, und zwar selbst dort, wo sich, wie in Süddeutschland an einzelnen Orten, die Konsumvereinsmünzen zu einer zweiten Währung entwickelten.

III. Selbsthilfe und Rationalisierung 1. Die Herrschaft des Lagerhalters Geschäftsbeziehungen mit privaten Händlern und Lebensmittelhandwerkern waren nicht der einzige Weg, auf dem sich die neuen Konsumentenunternehmen Ressourcen von außen borgten. Die Berichte dieser Jahre enthalten Belege dafür, daß die Beziehungen zum Großhandel nicht so belastet waren, wie es die zornigen Pamphlete und anklagenden Petitionen eines Teils der Händlerschaft suggerierten. Von 73 Vereinen, die 1868 ihren Rechenschaftsbericht einsandten, hatten lediglich 18 keine Warenschulden. Dreiviertel bezogen einen Teil ihrer Waren auf Kredit von Großhändlern. 50 Ähnliche Verhältnisse zeigt der Jahresbericht für 1871. 136 von 170 Vereinen wiesen beim jährlichen Abschluß Warenschulden aus.51 Eine Analyse der Bilanzen läßt erkennen, daß viele Vereine diesem Kredit nur geringe Sicherheiten entgegenzusetzen hatten. 3269 Talern Warenschulden standen beim 1863 ins Leben gerufenen Arbeiter-Consum- und Sparverein Barmen Geschäftsanteile der Mitglieder in Höhe von 758 Talern und ein Reservefond von ganzen 155 Talern als Sicherheit gegenüber. Von einer vorsichtigen oder restriktiven Kreditpraxis seitens der Großhändler läßt sich also kaum sprechen.52 Viele frühe Vereine galten dadurch, daß sie angesehene Persönlichkeiten in ihrer Leitung hatten, als kreditwürdig. Anders ist schwerlich zu erklären, daß ihnen Großhändler ohne weiteres, wie auch sonst bei soliden Geschäften weithin üblich, regelmäßig Waren auf Kredit lieferten. Überhaupt scheint es, daß Ansehen und Kreditwürdigkeit der Bewegung seit den sechziger Jahren allmählich zunahmen, so daß die Vereinsgründungen von dieser Seite leichter wurden. Im Verhältnis zu den Konsumvereinen gab es für den Großhandel lange Zeit kaum wirtschaftliche Gegensätze, sondern überwiegend verbindende Interessen. Dazu trug nicht unwesentlich bei, daß die Vereine aus dem Grundsatz, möglichst dicht an der Quelle und der Urproduktion zu kaufen, kein Dogma machten. Der Kredit, den sie im Handel problemlos erlangten, erleichterte die Abwicklung der Geschäfte und wog häufig den Preisvorteil des Direkteinkaufs beim Müller oder Landwirt vor den Toren 183

der Gemeinde auf. Überdies waren die Aufschläge des Einzelhandels in der Regel so hoch, daß es den en gros einkaufenden Vereinen nicht schwerfiel, aus der Differenz von Ein- und ortsüblichem Verkaufspreis eine hohe Dividende zu erwirtschaften. Die Anlehnung an den etablierten Groß- und Kleinhandel beim Aufbau und laufenden Betrieb hatte ihr Äquivalent im Innern der Vereine. In der zeitgenössischen Auffassung der Genossenschaft, die ihren Weg auch in die juristischen und behördlichen Definitionen fand, galt der Konsumverein als eine Erweiterung des Mitgliederhaushalts. In sozialgeschichtlicher Perspektive ist diese letztlich aus steuertechnischen und gesellschaftspolitischen Gründen entwickelte und verfochtene Deutung kaum haltbar. Nicht auf einer einfachen Erweiterung des Mitgliederhaushalts und seiner Ressourcen ruhten die meisten Verein in ihren Anfängen, sondern viel häufiger auf einer Erweiterung des Vorstandshaushalts. Darin glichen sie, vom traditionellen Gewerbe einmal abgesehen, im übrigen ziemlich genau jenen zahlreichen privaten Eigentümerunternehmen, bei denen sich die Trennung von Wohnung, Kontor und Werkstatt gleichfalls erst allmählich herausbildete.53 Besonders bei den Markenvereinen war es, wie angedeutet, relativ leicht und lange möglich, den Geschäftsverkehr, der sich zunächst auf den Verkauf der Coupons und die wöchentliche Abrechnung mit den Händlern beschränkte, in der Wohnung eines Vorstandsmitgliedes abzuwickeln. Auch bei den Gesellschaften, die sofort mit der Errichtung eines Ladengeschäftes begannen, existierten enge Verbindungen zur Privatsphäre der Gründer und frühen Vorstände, sei es, daß das Unternehmen, wie im Fall der Eilenburger »Lebensmittel Association«, das Ladenlokal zunächst umsonst oder gegen eine nicht marktgerechte Miete erhielt, sei es, daß die Vorräte in einer Privatwohnung, auf dem Fabrikgelände, in der Werkstatt oder im Schuppen eines Vorstandsmitgliedes lagerten. Der erste Schritt zur Ablösung dieser Zuschüsse erfolgte in der Regel, wenn die Vereine besoldetes Personal anstellten. Das geschah durchaus schon in den 1860er Jahren. Einige Vereine, die von Anfang an wohlsituiert waren, begannen mit diesem Schritt. Dabei reproduzierten sich Elemente der Anfangskonstellation, also der Inkorporierung des Geschäftes in die Struktur eines privaten Haushaltes. Oft ging der Grad der Verschmelzung sogar noch über das hinaus, was in der Phase paternalistischer Unternehmerpraxis üblich gewesen war. Zur strategischen Figur der ersten Jahrzehnte konsumgenossenschaftlicher Entwicklung in Deutschland avancierte die Person des Lagerhalters. Dieser erste und wichtigste Angestellte des Vereins war in den Anfängen weit mehr als ein einfacher Arbeitnehmer. Immer wieder kam es vor, daß sich die Mitglieder durch die Einstellung des Lagerhalters den ersten Laden verschafften. Oft handelte es sich bei den Bewerbern um Einzelhändler, die das gesicherte Einkommen und den fe184

sten Kundenstamm, welche ihnen ein fest organisierter Mitgliederstamm versprach, den unsicheren Verhältnissen einer selbständigen Existenz vorzogen. Für die angestrebte Sicherheit zahlten die Lagerhalter oft einen beachtlichen Preis in Gestalt einer hohen, gelegentlich exorbitant hohen Kaution,54 die nicht nur die Aufgabe erfüllte, den Mitgliedern Sicherheit gegen Unzuverlässigkeit und den gefürchteten Betrug zu bieten, sondern vor allem fest in den Finanzierungsplan eingerechnet war. »Die Caution des Lagerhalters und des Rendanten (500 Thlr.)«, erläuterte der Leiter des Lüdenscheider Konsumvereins 1864 während eines Erfahrungsaustausche mit anderen seine Praxis, werde ohne Bedenken »gegen 4 % Zinsen zum Betriebsfond mit benutzt.« 55 Tatsächlich bildete unter den Passiva der frühen Bilanzen die Lagerhalterkaution regelmäßig einen der größten Posten. Sie hatte im Unterschied zur Finanzierung durch Spareinlagen oder andere Anleihen den Vorteil, daß sie normalerweise in Krisenzeiten nicht abgerufen wurde, im Unterschied zu Krediten und Zuschüssen also nicht prozyklisch reagierte. Trat tatsächlich der allerdings nicht gerade seltene Fall ein, daß der Verein den Lagerhalter wegen Mißwirtschaft oder Betrugs davonjagte, war es möglich, die Rückzahlung der Summe ganz verweigern, mindestens aber so weit hinauszuzögern, bis ein neuer Bewerber gefunden war, der mit einem entsprechenden Betrag einsprang. Gehörte ein eingerichteter Laden als Mitgift des Lagerhalters beim Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis noch zu den seltenen Glücksfällen, bildete der Anspruch des Vereins auf Einbeziehung der Lagerhalterfamilie die Regel. Fast immer umfaßten die Anstellungsverträge nicht nur die Arbeitsleistung einer einzelnen - meist männlichen - Person, sondern auch die seiner Ehefrau. Einzelne Vereine gingen so weit, nicht zusammengehörende Funktionen des Geschäftes durch die Beschäftigung eines entsprechend doppelt qualifizierten Ehepaares abzudecken. Ähnlich wie dem Werkmeister im frühen Industrieunternehmen oblag dem Lagerhalter durchgängig die Einstellung und Bezahlung der Verkäuferinnen und des anderen Verkaufspersonals.56 Damit rückte er für einen Teil der Beschäftigten in die Funktion des Arbeitgebers und einer letzten Instanz. Wie weit die Delegation von Funktionen an den Lagerhalter ging, erhellt aus dem Umstand, daß die meisten auch das Verpackungsmaterial (»die Düden«) stellten.57 Neben dem Finanzierungsbedarf spiegelte sich in der hohen Kautionsstellung ein anderes Schlüsselproblem der Vereine, das den Schwierigkeiten früher industrieller Unternehmensverwaltung ähnelte. Einzelne abhängig Beschäftigte insbesondere aus dem Angestelltenbereich hatten eine hohe Bedeutung für den laufenden Betrieb und den geschäftlichen Erfolg, waren aber in ihrer unmittelbaren Funktionsausübung wegen des individuellen Zuschnitts des Tätigkeitsprofils nicht effektiv zu kontrollieren. Mit der Be185

fähigung und noch mehr mit der Ehrlichkeit des Lagerhalters stand und fiel in den Anfängen das Schicksal des ganzen Unternehmens. Unter den Ursachen fur Verluste und Rückschläge bis hin zur Auflösung, die die Vertreter der Vereine auf ihren Treffen diskutierten, rangierte die »Mißwirtschaft des Lagerhalters« obenan. 58 Anders als Boykottversuche durch Händlergruppen, die die Mitglieder zusammenschweißten, führten Probleme mit dem Lagerhalter zu innerem Streit und setzten leicht existenzbedrohende zentrifugale Kräfte frei. Da die Verträge den Lagerhalter für fast alle Arten von Verlusten haftbar machten, fiel ihm auch eine der schwierigsten Aufgaben, die Durchsetzung der Barzahlung gegenüber den Mitgliedern, zu. Aus dieser Position konnte durchaus besondere Stärke erwachsen, und zwar vor allem dort, wo die Vereine das Prinzip des Anschreibens nicht kategorisch verboten, sondern sich damit abfanden, daß ihr Geschäftsleiter entstehende Risiken abdeckte. Die Geschäftsberichte lassen erkennen, daß sich die Aufgabe des Lagerhalters lange Zeit nicht auf den Umkreis von Funktionen beschränkte, die die Berufsbezeichnung suggerierte. In vielen Vereinen nahm er Einfluß auf die Auswahl der Waren und organisierte die Einkäufe. Bei größeren Anschaffungen hatte seine Stimme erhebliches Gewicht. Aus der fachlichen Überlegenheit ergaben sich Veränderungen in seiner Stellung. Gelegendich stieg er in den Vorstand auf, was dann, wenn es auf Verbandstagen bekannt wurde, heftige Vorhaltungen nach sich zog. Wo die Spielräume groß und die Instrumente zur Kontrolle gering entwickelt waren, blieb als Mittel der Wahl zu dauerhafter Loyalitätssicherung und Motivation im Prinzip nur die direkte Koppelung des Einkommens an den Unternehmenserfolg in Entsprechung zur Tantieme leitender Angestellter in der Privatwirtschaft. In den sechziger und siebziger Jahren enthielten die Verträge durchweg Bestimmungen, die das Gehalt an Umsatz oder Reingewinn banden. 59 Einzelne Vereine gingen am Anfang so weit, auf feste Einkommensbestandteile ganz zu verzichten. Gerechtfertigt wurde das Verfahren mit dem Argument, der Verein laufe bei einer reinen Erfolgshonorierung kein eigenes Risiko. Die Nachteile dieser scheinbar so einleuchtenden, das Risiko minimierenden Praxis wurden rasch deutlich. Stellte sich der Erfolg ein, konnte das Gehalt des umsatzbeteiligten Lagerhalters von einer bestimmten Stufe ab leicht unvertretbar hoch steigen. Dann aber waren Vereine wie der Allgemeine Konsumverein Chemnitz, der sein Geschäft mit einem solchen Vertrag begonnen hatte, dazu gezwungen, in schwierigen, das Arbeitsklima belastenden Verhandlungen Abschläge durchsetzen zu müssen. 60 Ein anderes Ergebnis schmerzhafter Lernprozesse bestand darin, daß die Vereine es allmählich vermieden, den Umsatz als Bezugsgröße zu wählen und sich stattdessen am Reingewinn orientierten. Die innerbetriebliche Rolle dieses Personenkreises wuchs auch im Zu186

sammenhang mit sozialpsychischen Faktoren und typischen Abläufen während des Gründungs- und Konsolidierungsprozesses des Vereins. Fast immer beschleunigte die Anstellung die Demobilisierung der hohen, von einer Handvoll Idealisten in den Verein gesteckten Energien. Im rasch ablaufenden Prozeß der Veralltäglichung und Zurücknahme außergewöhnlicher Verausgabung, verbunden mit dem Rückzug der Personen, die bis dahin den besten Überblick über die laufenden Geschäfte hatten, stieß der Geschäftsführer leicht in ein Vakuum. Von dort bis zu einer starken, nicht selten übermächtigen Stellung gegenüber dem aufsichtsführenden Ausschuß der Mitglieder, dem Vorstand, war der Schritt nicht groß. Eine Anzahl von Vereinen ging den Weg, der in der Herrschaft des Lagerhalters als Gefahr für ein Selbsthilfeunternehmen angelegt war. Sie privatisierten sich. Besonders häufig geschah das nach inneren Konflikten, wenn die Autorität des bisherigen Vorstandes gegenüber den Mitgliedern geschwächt war. Je nachdem, welchen Punkt der Konflikt erreicht hatte, konnte es aus der Interessenlage der Mitglieder geboten erscheinen, Reservefonds und Mitgliedereinlagen aufzuteilen, das angesparte Geld zu sichern und den Laden dem Angesteilen zu überlassen. Schließlich hatte dieser ein starkes Eigeninteresse daran, nicht brotlos zu werden. Eine hohe angesparte Summe war plötzlich verfügbar. Wo einzelne Kolonialwarenhändler das Feld beherrscht hatten, bestand nun ein verläßliches Geschäft mit niedrigen Preisen. Was sprach überhaupt dagegen, nicht immer so zu verfahren? Tatsächlich dürften viele Konsumgenossenschaften im Verlauf der 1870er und 1880er Jahre diesen Weg gegangen sein. Besonders nahe lag ein solches Ende dort, wo die Initiative von Wirten ausging, die auch die Geschäftsführung übernahmen. Diese gesellschaftspolitisch ganz und gar unambitionierten Unternehmen dienten in erster Linie dem Zweck, einen laufenden Geschäftsbetrieb zu erweitern und ihn durch formale Mitgliedschaftsstrukturen auf sichere Füße zu stellen. Sie bemühten sich nicht um Mitgliedschaft im Allgemeinen Verband. Ein Teil der großen anonymen Masse von Vereinen entstand auf solche Weise aus privatem Motiv und verschwand wieder. Überall war die Stellung des Geschäftsführers im täglichen Geschäft mehr oder weniger einflußreich und konnte sich bei kleinen Vereinen einem Pachtverhältnis nähern. Dennoch gingen längst nicht alle Gründungen den Weg zurück in die Privatwirtschaft. Parallel zum Ende der »Meisterherrschaft« im industriellen Großbetrieb neigte sich auch die Ära des Lagerhalters in den neunziger Jahren, zumal in größeren Vereinen, allmählich dem Ende zu.61 In der Industrie waren es der Ingenieur, der technische Fortschritt, die Verwissenschaftlichung und Bürokratisierung der Unternehmensfiihrung, welche die Stellung des Werkmeisters bedrohten. Wo sa187

ßen die mächtigen Verbündeten der Selbsthilfe? Auf welche Weise widerstanden die Vereine dem mächtigen Druck der kleingewerblichen Struktur in ihrem Innern, wo doch die Ressourcen, über die sie verfugten, augenscheinlich nur schwach entwickelt waren? Der Begriff des Widerstandes und der Gegenwehr trifft durchaus die Natur des Konfliktes. Herausgefordert waren durch den innerbetrieblichen Aufstieg des ersten Angestellten zunächst weniger die Mitglieder als die Leitungsorgane. Eine der wichtigsten und in ihrer Bedeutung schwerlich zu überschätzenden Maßnahmen bestand darin, dem Lagerhalter den Rekurs auf die Basis zu erschweren. Kraft seines SachVerstandes, kraft aber auch seines Einflusses durch eine feindosierte Politik der Kreditvergabe auf eigenes Risiko, verfugte er über einen beträchtlichen Einfluß innerhalb der Mitgliederschaft. Für den Vorstand bedeutete es deshalb ein hohes Risiko, dem mächtigen Angestellten während einer stürmischen Generalversammlung in offener Feldschlacht entgegenzutreten. 62 Um eine solche Konstellation zu vermeiden, führten die Vereine Bestimmungen ein, die dem Lagerhalter die Teilnahme an der Generalversammlung der Mitglieder untersagten. Ohne die Möglichkeit zum plebiszitären Appell an die oberste Instanz der Aktionäre und Mitglieder blieb ihm im Konfliktfall lediglich das Ausstreuen von Informationen und Gerüchten an einzelne Käufer beim täglichen Geschäftsbetrieb. Diese mochten provozierend und mobilisierend wirken und taten es zweifellos auch. Doch an dem Ort, an dem letztlich entschieden wurde, in der Generalversammlung, war ein geschlossen agierender Vorstand den einfachen Mitgliedern an Information und Sachverstand überlegen. Der ungekrönte König der Konsumentenselbsthilfe wurde damit auf die Position zurückgeworfen, die er formal immer eingenommen hatte, nämlich die eines weisungsgebundenen, lohnabhängigen Arbeitnehmers. Mochte er auch aus der laufenden Praxis des Betriebes beträchtliches Kontenwissen angesammelt haben, unersetzbar war er nicht, zumal der Druck aus dem Arbeitsmarkt in diesen Jahrzehnten nicht nachließ. Bei der Handvoll größerer Vereine wie dem Breslauer, dem Stuttgarter, Münchener, Leipziger und Chemnitzer Verein zeichneten sich bereits im Verlauf der siebziger Jahre Veränderungen in der Stellung dieser Angestelltengruppe ab. Großen Anteil hatten daran Rationalisierungsprozesse, die mit dem Wachstum und der Ausdehnung der Vereine an Bedeutung gewannen. Die eigentliche Antwort auf die oben gestellte Frage liegt deshalb nicht in disziplinarischen, die Hierarchie bekräftigenden Aktionen der Vorstände, sondern im inneren Ausbau der Vereine und in der Rationalisierungsgeschichte dieses Zweiges des Selbsthilfesektors.

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2. Strategien der Rationalisierung Auf der Suche nach den treibenden Kräften, welche den Rationalisierungsprozeß der Konsumvereine seit der Reichsgründung vorantrieben, stößt man auf sechs verschiedene Momente. An erster Stelle stand beim Konsumverein nicht anders als bei jedem anderen Unternehmen die Gewinnerwartung seiner Eigentümer. Unter welchen Begriffen er auch immer auftauchte, »Ersparnis«, »Rückvergütung«, jener Betrag, den das einzelne Mitglied nach drei Monaten als Prozentsatz seiner Einkäufe ausgezahlt erhielt, entsprach der Dividende des Aktionärs - alles andere war Wortkosmetik, waren steuerpolitisch motivierte Verbalstrategien, die freilich von zwei Generationen Sozialreformern offenbar geglaubt und tradiert wurden. Bezeichnenderweise vermieden die englischen Konsumgenossenschafter solche Umwege. Bei ihnen signalisierte die »divi« ein Stück selbstbewußter Arbeiterkultur - gewissermaßen den proletarischen Gegenbegriff zum Profit. Dahin hat es die »Rückvergütung« in Deutschland nie gebracht. Die Erwartungen an die Dividende oder Rückvergütung waren gleichwohl in beiden Ländern hoch, so hoch, daß die Idealisten hier wie dort ungerechterweise von der Basis behaupteten, sie interessiere eigentlich nichts anderes. Gleichwohl zeigen solche stereotypen Klagen, wie sehr die jeweiligen Leitungsorgane die Gewinnerwartung in ihrem Verhalten in Rechnung stellten. An zweiter Stelle stand die Konkurrenz. Einige Umstände dämpften aber ihre Wirkungen. Im allgemeinen waren die entstehenden Konsumvereine ihren privatwirtschaftlichen Mitbewerbern von Beginn an bis zum Aufkommen der Warenhäuser und Filialgeschäfte um die Jahrhundertwende weit überlegen. Die Konzentration auf den unelastischen Grundbedarf wie Mehl, Reis, Graupen, Hülsenfrüchte, Butter, Petroleum als Leucht- und Heizmittel, das Ganze in wenigen Sorten, verbilligten Einkauf und Transport beträchtlich gegenüber dem Detaillisten. Ein massiver Druck in Richtung auf eine Verbesserung des Verhältnisses von Kosten und Umsatz bestand aus dieser Richtung zunächst jedenfalls nicht. Hinzu kam, daß die meisten Vereine in den siebziger Jahren bereits zu Tagespreisen verkauften, sich also in ihrem Preisgebaren in etwa am übrigen Handel orientierten. Es wäre jedoch übertrieben, wollte man behaupten, daß sich die Vereine kraft ihrer »economies of scale« außerhalb des Marktgeschehens befunden hätten. So forderten sie, wie Untersuchungen des »Vereins für Sozialpolitik« aus den achtziger Jahren zeigen, zumeist Preise, die am unteren Rand des Ortsüblichen lagen, was wohl auch am ehesten den Erwartungen der Mitglieder entsprach.63 Allein die Sogwirkung einer Konsumgenossenschaft, mochte sie nun »auf Dividende« oder mit niedrigen Preisen arbeiten, stellte die Konkurrenz unter Zugzwang. Da diesem Sog von Seiten der 189

Einzelhändler letztlich nur mit Preisabschlägen zu begegnen war, entwickelte sich das Preisniveau, wie aus vielen einzelnen Berichten und Bemerkungen abzulesen ist, mit der Eröffnung eines Konsumvereins in der Regel nach unten. 64 Aus dieser Wechselwirkung zwischen Konsumverein und privater Konkurrenz in Verbindung mit der Dividendenerwartung der Mitgieder ergaben sich für den Verein Anreize, seine Kosten weiter zu senken. Fast so nachhaltig wie die wirtschaftliche Konkurrenz beeinflußte der konstant hohe Grad des öffentlichen Interesses die Vereine und ihre Geschäftspolitik. Anders als das Ladengeschäft des einzelnen Hökers oder Kolonialwarenhändlers verkörperten die Konsumvereine seit ihrem ersten Auftreten eine öffentliche Einrichtung. Ihr sozialreformerischer Entstehungskontext, der Erziehungs- und Förderungsanspruch als legitimatorische Basis, spezielle Reichsgesetze, eine eigene Presse und vor allem die konstanten Angriffe der Kleingewerbetreibenden trugen dazu bei, daß allmählich, auf lange Sicht aber deutlich fortschreitend, ein Gemeinsamkeitsbewußtsein und das Äquivalent zu einer Standesehre entstanden. Dieser »Ehre« entsprach ein Kodex, der sich an Strukturmerkmalen, einer bestimmten Geschäftspolitik und vor allem der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festmachte.65 An der Einhaltung dieses Kodexes hatten alle einzelnen Mitglieder, mochen sie wirtschaftlich auch vollständig selbständig sein, ein eminentes Interesse. Auf dieser Grundlage entwickelten sich allmählich Ansätze zu einer Selbstdisziplinierung, bei der die Verbände als Transmissionsriemen fungierten. Ein augenfälliges Anzeichen fur diesen Prozeß war der schroffe Ton, in dem die Leitung des Allgemeinen Verbandes die Vorstände bankrott gegangener Vereine moralisch geißelte.66 Man argumentierte ganz im Bewußtsein der Tatsache, daß man unter schärfster Beaufsichtigung in einem zunehmend selbsthilfeskeptischen Klima handelte.67 Es ist einigermaßen erstaunlich, daß den zahlreichen kritisch beobachtenden Gegnern der Konsumvereine ein Merkmal entging, welches fur die anhaltende betriebswirtschaftliche Überlegenheit dieses Zweigs der Selbsthilfebewegung von großer Bedeutung war. Einer der wenigen Aspekte, für den der Begriff der »Genossenschaft« bzw. der »Co-operation« tatsächlich zutraf, war in England wie in den deutschen Staaten das Verhältnis der Vereine untereinander. In der Tat ist es schwer, aus dem Bereich der Privatwirtschaft eine Analogie für diese eigentümliche Verhaltensweise zu finden. Von Beginn an tauschten sich die Vereine bei ihren Zusammenkünften fast ohne jede Rücksicht, es sei denn, um eigenes Unvermögen oder Verstöße gegen das »Ethos« zu tarnen, über jeden nur denkbaren Aspekt ihrer betriebswirtschaftlichen Entwicklung aus. Sie verhielten sich der Tendenz nach wie ein hochintegriertes, in einer Hand befindliches Unternehmen oder, um ein Beispiel aus einem anderen Bereich zu wählen, wie un190

abhängige Wissenschaftler, die in Arbeitsgruppen technischen Fortschritt ohne Rücksicht auf Eigentums- und privatwirtschaftliche Verwertungsinteressen vorantreiben können. Was sich zwischen 1860 und 1900 in den verschiedenen Zweigen des Genossenschaftswesens herausbildete, war eine Struktur, wie sie industrielle Großunternehmen in den 1920er Jahren zu simulieren versuchten: selbständig operierende Firmenteile mit eigener Gewinn- und Verlustrechnung bei gleichzeitigem Erfahrungsaustausch. Diese Verbindung dezentraler Einheiten mit der Fähigkeit, lokalen Besonderheiten gerecht zu werden, bei statistisch unterstützter, wechselseitiger Information, trug entscheidend dazu bei, daß aus den vielen tausend kleinen Selbsthilfe-Unternehmen nach der Jahrhundertwende Banken, Großhandelsgesellschaften und Konzernzentralen werden konnten. Eine Voraussetzung der Kooperation bildete das Territorialprinzip: die stillschweigende und weitgehend eingehaltene Verabredung, nur jeweils eine Gründung am Ort vorzunehmen und damit interne Konkurrenz auszuschließen.68 Auf dieser Basis gereichten weitestgehende Offenheit und die Bereitschaft zur Vermittlung eigener wertvoller Erfahrungen keinem Mitglied der Bewegung zum Nachteil. Zu den genannten Umständen traten zwei weitere, die dazu beitrugen, daß die Jahrzehnte nach der Reichsgründung in erster Linie eine Phase des inneren Ausbaus wurden. Der eine lag in den lange Zeit ungünstigen, nur von kurzen Aufschwüngen unterbrochenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie behinderten die Ausbreitung und bedrohten, da Liquidationen nicht ausblieben, die gesellschaftliche Geltung des Genossenschaftsprinzips. Um so näher lag das Bemühen um innere Konsolidierung. Ambivalent waren schließlich auch die Wirkungen der staatlichen Rechtsetzung. Im Unterschied zu England galt in Deutschland bis 1889 das ganz auf die Bedürfnisse der Kreditgenossenschaften zugeschnittene Prinzip der unbeschränkten persönlichen Haftung. Ohne jede Frage war dieser von liberaler Seite vehement verteidigte Rechtsgrundsatz einer der wichtigsten Gründe für die geringe Verbreitung von Konsumentenzusammenschlüssen im Deutschen Reich. Er stand der sozialen Durchmischung der Vereine strikt entgegen, denn schließlich bot die Haftungsgemeinschaft mit Habenichtsen kaum eine attraktive Perspektive für Angehörige der Mittel- und Oberschichten. Andererseits gilt auch hier, daß die Drohung der unbeschränkten persönlichen Haftung die Selbsthilfevereinigungen nachdrücklich auf den Weg der Rationalisierung und Absicherung ihrer Binnenstruktur verwies.

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α) Verbesserung des

Rechnungswesens

Einige Gründungen hatten sich in den 1860er Jahren abweichend vom englischen Vorbild zunächst an der Praxis der jährlich bilanzierenden Aktiengesellschaften orientiert. Dafür ließ sich geltend machen, daß längere Abrechnungszeiträume den Aufwand in der Buchhaltung verringerten und der Leitung eine Politik auf lange Sicht erleichterten. Außerdem schien es so leichter, das Kapital für die Gründung etwa einer Produktivgenossenschaft zusammenzuhalten. Demgegenüber drängte das Interesse der meisten Mitglieder an einem periodischen Einkommensausgleich ähnlich wie in England sehr schnell und nachdrücklich zu kürzeren Fristen der Gewinnausschüttung. Seit Ende der sechziger Jahre finden sich keine Hinweise mehr auf andere Verfahren. Von der kurzfristigen Gewinnorientierung ging tatsächlich ein nicht zu unterschätzender betriebswirtschaftlicher Rationalisierungsimpuls aus. Jährliche Abrechnungszeiträume führten leicht dahin, daß auf Fehlentwicklungen nicht reagiert werden konnte. Angesichts der knappen Eigenmittel bedeutete das eine sehr ernstzunehmende Gefahr. Demgegenüber zwang der vierteljährliche Rhythmus dazu, daß die gewählten Organe immerhin viermal im Jahr der Generalversammlung der Mitglieder eine vollständige Bilanz vorlegten, die alle wesendichen Daten - Mitgliederentwicklung, Umsatz, Reingewinn und vor allem den Dividendensatz - enthielt. Der periodische Berichtszwang erhöhte den Verwaltungsaufwand und bildete einen starken Antrieb für die Einrichtung einer ordentlichen Buchhaltung. Nicht zufälligerweise war der Buchhalter oder Kassierer oft der erste hauptamdich beschäftigte Angestellte.69 Überhaupt gehörten eine relativ entwickelte Buchhaltung und ein eigenständiges Rechnungswesen zu den Merkmalen, durch welche sich die Vereine von der Mehrheit ihrer privaten Mitkonkurrenten unterschieden. Ihrem inneren Aufbau nach verkörperte die Konsumgenossenschaft mit dem System von Geschäftsanteilen, Dividenden, von Generalversammlung und Vorstand im Prinzip die embryonale Form einer Aktiengesellschaft. Die komplizierte Art der Gewinnausschüttung als Prozentsatz der Summe aller Einkäufe verlangte von Beginn an eine absolut verläßliche kontinuierliche Bilanzierung. Das Ausrechnen Dutzender, später Hunderter und Tausender Rechnungsbücher zu vier Zeitpunkten im Jahr erforderten einen periodisch auftretenden riesigen Arbeitsaufwand, der die vorhandenen, auf das Tagesgeschäft abgestellten Kapazitäten immer wieder bis an die Grenzen belastete und über viele Jahrzehnte nur durch ergänzende freiwillige und unbezahlte Arbeit zu bewältigen blieb. Auf der anderen Seite funktionierten diese Berechnungen in der Summe wie eine alle Aspekte der Vereinswirtschaft umfassende doppelte Buchhaltung - schließlich muß192

ten nicht nur Ausgaben und Einnahmen auf Seiten des Unternehmens, sondern auch die Einkäufe der Mitglieder in den Summen übereinstimmen. Aus dieser Tatsache wie überhaupt aus der allgemeinen Vertrautheit mit statistischer Arbeit erwuchs den Vereinen ein beachtlicher Rationalisierungsvorsprung gegenüber der privaten Konkurrenz. Mit großer Leichtigkeit verschafften sie sich einen Überblick über Verlustquellen und erschlossen sich genaue Einblicke in eigene Funktions- und Erfolgsvoraussetzungen. Hieran anknüpfend entwickelte der Allgemeine Verband seit 1864 seine jährlichen Berichte. In der deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sucht dieses Jahrbuch seinesgleichen. Immer feiner definierte der Verband die Einzelposten des Erhebungsbogens. Außer dem allgemeinen Teil, der Durchschnitte bildete und Entwicklungstrends über Jahrzehnte verfolgte, druckte die Anwaltschaft in einem langen Anhang die Ergebnisse füir jeden einzelnen Verein ab. Man gewinnt eine Idee von der Menge des dort zusammengetragenen Materials, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Jahrbuch 1901 1000 Einzelvereine mit preußisch zu nennender Disziplin lückenlose Angaben zu insgesamt 45 Einzelposten lieferten. Die Statistik auf freiwilliger Basis durchleuchtete und verortete jeden Verein in einem weiten Koordinatensystem und ermöglichte eine sachverständige Beratungstätigkeit des Verbandes. Die Bereitschaft zur uneingeschränkten öffenüichen Rechenschaftslegung war »Ehrensache«. Sie gehörte in den Umkreis jener ausgesprochenen-unausgesprochenen Anforderungen, die sich aus dem Selbstverständnis der Bewegung ergaben. Im übrigen war sie der beredte Ausdruck eines nicht geringen Selbstbewußtseins und Überlegenheitsgefiihls gegenüber der privaten Konkurrenz, der man nicht zutraute, aus solchen Einblicken bedeutsame Vorteile zu ziehen. b) »Manko« Ein anderes inneres Problem, für dessen Lösung die Vereine annähernd zwei Jahrzehnte benötigten, war die Kontrolle des sogenannten Mankos. Um seine Bedeutung zu verstehen, ist es notwendig, sich näher auf die Praxis des Händler- und Verbraucheralltags im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einzulassen. Zu den laufenden Kosten des Lebensmittelhandels, die der Konsument als letztes Glied in der Kette bezahlte oder in anderer Weise hinzunehmen hatte, gehörten Verluste an Gewicht und Qualität, die durch Transport und wiederholte Verteilung, Umschichtung und Lagerung auftraten. Im Großhandel waren solche Probleme seit Jahrhunderten bekannt und durch bestimmte Usancen wie etwa großzügiges Abwiegen (»gutes Gewicht«) geregelt. An den einzelnen Handelsplätzen, in Hafen- und Messestädten bil193

deten sich dafür feste Begriffe und Kaufmannsregeln heraus. Ähnliche Praktiken existierten im Verhältnis von Großhandel und alteingesessenen angesehenen Handelshäusern und kapitalkräftigen Geschäften in den einzelnen Städten. Hiermit hatte es der ärmere Teil der Bevölkerung jedoch in den seltensten Fällen zu tun. Die Art des Handels, die sich in den Quartieren der Unterschichten einnistete und ausbreitete, kaufte in aller Regel aus zweiter und dritter Hand. Die Verluste, die bei der Verteilung in kleinsten Mengen auftraten oder während der Lagerung entstanden, wurden oft nicht auf den sichtbaren Preis geschlagen, sondern traten an Stellen auf, die die Konkurrenzfähigkeit weniger beeinträchtigten. Der Käufer spürte sie als Minderung des Gewichts oder als Vermischung guter und schlechter Qualitäten. Eine der wichtigsten Formen des Verlustausgleichs auf Kosten des Kunden bestand im Mitwiegen der Verpackung. In einem anderen Fall, beim Fleischverkauf, war es üblich, Knochen und Fleisch in einem bestimmten Verhältnis zu mischen. Die Fähigkeit des Fleischers, hier ein gerade noch akzeptiertes Maß zu finden, war schlechterdings entscheidend für sein Einkommen und geschäftliches Überleben. 70 In der zeitgenössischen Literatur der 1870er und 1880er Jahre stößt man häufiger als in den Jahren zuvor auf Klagen über Nahrungsmittelverfälschung und Gewichtsbetrug. 71 In ihnen spiegeln sich indirekt Folgen des Urbanisierungsschubs, der zunehmenden Vermittlung des Bedarfs über eine länger werdende Handelskette und der Rückgang der häuslichen Eigenproduktion. Auch die Aufhebung der Taxen und traditionellen Kontrollen, die in manchen Staaten bis in die sechziger Jahre hinein eine - wenn auch zunehmend untergeordnete - Rolle gespielt hatten, wirkte als allgemeines Unbehagen und Mißtrauen gegenüber dem Handel nach und förderten die Neigung, die im einzelnen durchaus nicht neuen Mißstände und Benachteiligungen als Folge der Liberalisierung zu deuten. 72 Die Gravamina der Konsumenten schlugen sich in den Statuten ihrer Zusammenschlüsse nieder wie auch darin, daß Konsumvereine nach Erlaß des Reichsnahrungsmittelgesetzes am 17. Mai 1879 zu den ersten Unternehmen des Lebensmittelhandels gehörten, die mit den neugeschaffenen städtischen Ämtern kooperierten. 73 Die Vereine artikulierten jedoch nicht nur ein geschärftes Käuferbewußtsein und hohe Erwartungen an eine korrekte Praxis, sondern erbten auch einen Teil der objektiven Probleme, die den inkriminierten Mißbräuchen des Handels zugrunde lagen. Beides traf in verschärfter Form aufeinander. Wie wurden sie vermittelt? Da die Zusammenschlüsse von vornherein über eine vergleichsweise entwickelte und zuverlässige Buchhaltung verfügten und große Mengen gleichartiger Lebensmittel lagerten, wundert es wenig, daß sie Lücken zwischen Eingang und Abgang bei den Mengen bzw. in den Erlösen frühzeitig bemerkten. Das Protokoll der erwähnten Tagung rheinisch-west194

fälischer Konsumvereine aus dem Jahre 1864 verzeichnete als längeren Diskussionspunkt den Austausch von »Erfahrungen über den Verlust beim Wiegen u.s.w. und durch Eintrocknen.« 74 Einzelne Vereine wurden mit der Mankofrage auch bei Einstellungsverhandlungen konfrontiert, und zwar vor allem, wenn es sich um im Handel erfahrenes Personal handelte. Sie begegneten dann der aus dem Großhandel geläufigen Forderung, Lagerhalter und Verkäufer einen bestimmten Anteil des Umsatzes als sogenannten Mankosatz zu gewähren. Es scheint, daß die Vereinsgründer und ersten Vorstände zunächst die Hoffnung hegten, die Verlustquellen durch Beobachtung und Erfahrungsaustausch rasch zu verstopfen. Doch die Quellen genau zu identifizieren und verallgemeinerbare Regelungen zu entwickeln, erwies sich als schwierig. Bei vielen Grundnahrungsmitteln waren die Aufbewahrungsbedingungen - ein trockenes oder feuchtes Lager - in Rechnung zu stellen. Sehr schnell wurde klar, daß auch Temperaturen und Jahreszeiten einen großen Einfluß hatten. Einige Produkte wurden in Gefäßen und anderen Verpackungsformen angeliefert. Sie ließen sich bis zum endgültigen Verkauf nicht separieren und machten eine genaue Gewichtsbestimmung unmöglich. Andere Waren erhielt man literweise - Branntwein, Essig, Petroleum - , gab sie aber nach Gewicht ab. Folglich bedurfte es gewisser Erfahrungswerte, wie Volumen und Gewicht nach Lagerung und Umfüllen korrespondierten. 75 Das Grundprinzip der Konsumvereinswirtschaft und ihr Erfolgsgeheimnis, nämlich der Einkauf en gros und die Abgabe en detail, führten rasch dahin, daß sich Verluste durch ungenaues Wiegen zu größeren Fehlbeträgen summierten. Jenseits des ersten spektakulären Erfolgs durch das einmalige gewaltige Unterbieten des lokalen Handels mit waggonweise beschafften preiswerten Kartoffeln oder Mehlvorräten erwies sich der Alltag der Laienselbsthilfe als ein mühsames Geschäft auf einem Terrain, das nur wenige andere Detaillisten und schon gar keines der vielen kleineren Viktualien- oder Kolonialwarengeschäfte bis dahin betreten hatte. So bestand der erste Schritt zur Lösung des Mankoproblems auch weniger darin, Erfahrungssätze aufzustellen, als es überhaupt als Problem anzuerkennen und in seinen Folgen einzudämmen. Die Übung entwickelte und verallgemeinerte sich rasch, dem verantwordichen Lagerhalter einen bestimmten Fehlbetrag zuzugestehen. Bei Überschreitungen haftete der Angestellte persönlich. Diese Übereinkunft ermöglichte es, an Stelle von Ad-hoc-Lösungen feste Daten in die Kalkulation einsetzen zu können. Auch verringerte die Übereinkunft die Gefahr, daß der Lagerhalter Verluste verdeckt an die Käufer weitergab. Es versteht sich von selbst, daß dem Angestellten daraus große Spielräume erwuchsen. Seiner Behauptung, die entsprechende Ware sei schon bei der Anlieferung untergewichtig gewesen, 195

Klagen über unvorhersehbare Lagerverluste, über Probleme einzelner Sorten, über die Unzuverlässigkeit neuer Lieferanten usw. ließ sich ohne weiteres nichts entgegensetzen. Die Unsicherheit auf seiten der unerfahrenen, fast immer aus Laien zusammengesetzten Vorstände spiegelte sich sowohl in der Höhe wie in starken Abweichungen der von Fall zu Fall vereinbarten Mankosätze. Überhöhte Margen bargen, wie die Vereine schon bald feststellen mußten, nicht nur die Gefahr, daß sie den Reingewinn schmälerten. Sie verführten leicht zur Unehrlichkeit, da es nahelag, sie auf eigene Rechnung zu veräußern. Auf diesem Wege verselbständigte sich leicht das Interesse des Verkäufers. Seit Mitte der 1860er Jahre verging kaum ein Zusammentreffen der Vorstände, auf dem sie nicht Erfahrungen über Warenverluste und Wiegeprobleme austauschten. 1869 verpflichteten sich die Vereinsvertreter in einer formellen Übereinkunft, die sporadischen Informationen zu systematisieren und eine Statistik anzulegen. 76 Das dabei entstehende, regelmäßig ausgetauschte Zahlenmaterial hatte wesentlichen Anteil daran, daß sich die Verlustquoten, die die Vereine ihren Lagerhaltern zugestanden, erkennbar annäherten. 77 Am besten hatten es jene Unternehmen, die über eigene Filialen verfugten und die notwendigen Vergleiche innerhalb des Vereins durchführen konnten, während fur die kleineren der Erfahrungsaustausch auf Vereinstagen und anderen Zusammentreffen ausschlaggebend war.78 Da die Sachverhalte, um die es ging, sich im Bereich von Bruchteilen von Prozenten bewegten, bildeten genaueste Abrechnungen die Grundlage für dauerhafte Fortschritte. 1884 bilanzierten mehrere Umfragen, darunter auch eine fur den Bereich der durchweg kleinen Thüringer Vereine, die Praxis der Mankogewährung. Von 19 Vereinen, die sich an der Umfrage beteiligten, setzten inzwischen 14 das Manko einheitlich bei einem Prozent fest. Zwei lagen noch darunter mit 0,75 v. H., zwei darüber mit 1,5 v. H. 79 Bei einem fehlten die Angaben. Auch an anderen Punkten den Umrechnungsfaktoren fur das Verhältnis von Volumen und Gewicht etwa - , die für jeden einzelnen Verein und jedes einzelne Produkt erfragt wurden, läßt sich im Detail erkennen, wie stark inzwischen die Praxis konvergierte und wie erfolgreich der selbstorganisierte Erfahrungsaustausch verlaufen war.80 Der nachvollziehbare Erfolg in der Vereinheitlichung und Reduzierung der Fehlbeträge wirft die Frage auf, wie die Vereine es verhinderten, daß dieser Fortschritt nicht auf die Käufer in einer dem Einzelhandel ähnlichen Praxis des Betrugs zurückschlug, zumal die gleiche Statistik dokumentierte, daß 13 von 19 Vereinen im Interesse der Mitglieder die Praxis des Nettowiegens übten?81 Ein Weg, den die Vereine erwogen, bestand in der Schaffung von Einrichtungen, die den Zweck hatten, strukturelle Schwächen der Konsumentenrolle auszugleichen. Wie solche Überlegungen aussahen, veran196

schaulichen die Ausführungen des Leiters des Rüdersdorfers Konsumvereins aus dem Jahre 1877: »Was ferner die Kontrolle in Betreff des knappen Gewichts beim Verkauf an die Mitglieder betrifft, so sind die letzern vom Vorstande dahin instruiert, und wird dies wiederholentlich in den Generalversammlungen bekannt gemacht, daß die Mitglieder jederzeit bei einigen Vorstandsmitgliedern (welche im Besitz von Waagen sind) sich von der Richtigkeit des Gewichts überzeugen können. Es ist von mir der Vorschlag gemacht worden, regelmäßige Kontrollstationen einzurichten und zwar in der Weise, daß jedes einzelne Vorstands- und Verwaltungsratsmitglied (welches nicht bereits im Privatbesitze einer Waage ist) vom Vereine eine Waage erhält, alsdann können die in der Nähe oder an demselben Orte wohnenden Vereinsmitglieder jederzeit sich selbst überzeugen, sowie das betreffende Verwaltungsratsmitglied von seiner Stube aus eine wirksame Kontrolle über das ganze Verkaufsgeschäft üben.« 82 Die Konstruktion verrät ernsthaftes Bemühen, war aber viel zu aufwendig, um Chancen als allgemeines Modell zu haben. Schon die begleitenden Appelle an die Mitglieder machen deutlich, daß hier außeralltägliche, auf Dauer nicht zu garantierende Bemühungen gefordert wurden. Welche Schwierigkeiten eine wirksame Kontrolle des Verkäufers durch die Mitglieder aufwarf, enthüllt ein scheinbar beiläufiger Nachsatz. Beweisprobleme vorwegnehmend, empfahl der Vereinsvorsitzende: »Der Verschluß der Tüten läßt sich mit Leichtigkeit so einrichten, daß von einem Entwenden der Waren unterwegs nicht gut die Rede sein kann.« 83 Er machte damit auf Schwächen der Käuferposition aufmerksam, die auch die Konsumvereine nicht direkt beheben konnten. Sie bestanden u.a. darin, daß es Käufern bei Klagen gegen Händler - zumindest bis zur allgemeinen Einführung von Registrierkassen - zumeist nicht möglich war, nachzuweisen, woher die Ware stammte. Ähnlich verhielt es sich häufig mit Klagen über unzureichendes Gewicht. Lediglich dann, wenn der Kaufmann falsche Gewichte benutzte, konnte der Käufer mit einiger Aussicht auf Erfolg und mit Hilfe der Aufsichtsbehörden Beweise beschaffen und erfolgreich Klage erheben. Entscheidend für die Probleme in der Beweisführung und damit die konstitutionelle Schwäche der Konsumentenposition war und ist zum Teil bis heute, daß der Konsument anders als der Arbeiter den Ort des Tauschs sofort verläßt und darüber hinaus seine Ware zum Teil unversiegelt erhält. Erst die Einführung der Fabrikverpackung, der Markenartikel um die Jahrhundertwende und der damit zum Teil verbundenen Herstellerhaftung verringerten diesen Nachteil.84 Wenn es im Konsumverein dennoch erheblich bessere Chancen zur Interessenwahrnehmung gab, dann letzdich deshalb, weil a) das einzelne Mitglied dem Verein nicht nur als Käufer, sondern auch als Eigentümer/Aktionär angehörte und b) der Verkäufer sich anders als der Ladenbesitzer in einer abhängigen, kündbaren Stellung befand. Das 197

hob die Probleme der Beweisführung nicht auf, aber es ist anzunehmen, daß für eine Entlassung oder einen strengen Verweis des Lagerhalters geringere Beweisanforderungen notwendig waren als bei einer polizeilichen Anzeige gegen einen Einzelhändler. Der Hauptweg zur Verringerung des Betrugsrisikos verlief über die Ausweitung der Revisionen. »Peinlichste Kontrolle bei Anlieferung der Waren« und regelmäßige Inventuren dienten fortan dem Zweck, das Verlustrisiko klein zu halten und den Lagerhalter tatsächlich »nur mit dem wirklichen Netto« zu belasten. 85 Aus solchen Vorgaben entwickelte sich ein umfangreiches Bündel von Überwachungsaufgaben. Wenn etwas die »konsumgenossenschaftliche Wirtschaft« vor dem Ersten Weltkrieg vom privaten Detaillisten unterschied, war es das außerordendich dichtgeknüpfte Netz ständiger Kontrollen. Daraus entstand frühzeitig als dritte Funktion innerhalb der Leitung der Vereine neben Vorsitzendem und Buchhalter/ Kassierer der Kontrolleur.86 Sein Auftauchen signalisierte zugleich den Angriff auf die einflußreiche Stellung des Lagerhalters, zu dessen unmittelbarem Antipoden er sich entwickelte. Die direkte persönliche Aufsicht und genaue Aufzeichnungen lieferten die Instrumente, um die pachtähnlichen Strukturen im Innern anzugehen und den Lagerhalter im Laufe eines langwierigen Prozesses in einen Arbeitnehmer zu verwandeln. Äußerlich wurde dieser Prozeß durch die Umwandlung des zunächst vollkommen flexiblen, da umsatzabhängigen Einkommens in feste Gehaltszahlungen mit einem geringen Tantiemeanteil signalisiert.87

c) Barzahlung Wenn englische und deutsche Konsumvereine den »Kampf gegen den Borg« auf ihre Fahnen schrieben, entsprachen sie damit ziemlich genau den Forderungen bürgerlicher Sozialreformer und Unterschichtenkritiker, die wesendiche Quellen von Armut in der Unfähigkeit der Armen zu vorausschauender, geordneter Haushaltsführung ausmachten. Auf der Annahme, die Vereine leisteten in dieser Hinsicht einen wesentlichen Beitrag zur Haushaltserziehung und Ausgabendisziplin der ärmeren Bevölkerungsteile, beruhte zu einen guten Teil ihr Ansehen in der Gesellschaft. Die Vereine selbst begründeten das Bemühen, Barzahlung durchzusetzen, mit dem Kampf gegen den »Handelsfeudalismus«, das heißt die eminente Schwächung der Käuferposition durch die Verschuldung und Bindung an einen Händler. Darin sekundierten ihnen liberale Ökonomen, wenn sie argumentierten, daß sich beide Teile mit dem Kredit in ihrer miserablen Stellung wechselseitig festhielten: Der Händler strecke seine knappes Kapital durch den umlaufenden zinslosen Kredit, vermindere seinen eigenen Nahrungs198

Spielraum und wisse sich nur durch den Kundenbetrug über Wasser zu halten. Umgekehrt sehe sich der Käufer seiner Wahlfreiheit beraubt und deshalb auch nicht in der Lage, durch bewußte Präferenzen preis- und qualitätsregulierend zu wirken. Es spricht auf den ersten Blick nicht viel dafür, daß die Vereine, allein weil es den an sie gerichteten Erwartungen entsprach oder weil sie damit ein soziales Problem zutreffend diagnostizierten, diese Forderung auch in die Praxis umsetzten. Man muß im Gegenteil davon ausgehen, daß die Zwänge, die auf die Detaillisten wirkten, auch bei den Konsumvereinen auftraten. Mit einiger Plausibilität ließe sich argumentieren, daß die Eigentumsverfassung, die Tatsache also, daß sich die Besitztitel in den Händen von Unterschichtenangehörigen befanden, die Vereine fur den »Borg« geradezu prädestinierte. Belege für das Erheben von Ansprüchen auf der Basis der erworbenen Anteile finden sich zuhauf. Es sei schwer, erläuterten die Delegierten des Rosenheimer Konsumvereins ihre Schwierigkeiten auf einem Vereinstag, den Mitgliedern klarzumachen, daß sie nicht »das natürliche Recht hätten, bis zur Höhe desselben [gemeint war der eingezahlte Geschäftsanteil, M.P.] für entnommene Waren Kredit zu beanspruchen.« 88 Dieser Hinweis deutete aber bereits eine wichtige Eingrenzung des »Rechts auf den Kredit« an. Was hier noch beklagt wurde, war an anderer Stelle gängige Praxis, nämlich die Bindung des gewährten Kreditrahmens an die Höhe des eingezahlten Geschäftsanteils. Diese Übung entsprach nicht den Forderungen beamteter bürgerlicher Nationalökonomen mit festem auskömmlichem Monatseinkommen und auch nicht dem Bild, welches die Bewegung im Kampf um soziale Geltung von sich in der Öffentlichkeit zeichnete, aber sie verkörperte, gemessen an dem, was sonst üblich war, einen bemerkenswerten Fortschritt. Im Grundsatz lief er darauf hinaus, den Geschäftsanteil als eine stillschweigend oder statutenmäßig vereinbarte Form der Kreditversicherung zu betrachten. Auch wenn der Zinsverlust blieb, gab die Regelung dem Verein immerhin die Sicherheit, aufgelaufene Schulden nie vollständig abschreiben zu müssen, während sie es dem Mitglied nahelegte, sein Konto in guten Zeiten nicht übermäßig zu belasten und den Spielraum für Notzeiten zu erhalten. Die Abkommen zwischen Verein und Basis konnten sehr unterschiedlich ausfallen: manche Vereine gewährten Kredit bis zur Hälfte, andere bis zum vollen Betrag des Anteils.89 Der Breslauer Verein, lange Zeit der größte überhaupt, löste das Problem, indem er im Widerspruch zu allen Grundsätzen einer soliden Eigenkapitalbildung sehr kurze Kündigungsfristen für die Auszahlung der Anteile einräumte. Er zahlte für diese Bestimmung, mit der er den Arbeitermitgliedern entgegenkam, mit einer vergleichsweise hohen Fluktuation, nicht jedoch mit dauerhaften Mitgliedereinbußen. »Die ausgeschiedenen Mitglieder«, erläuterte der Geschäftsführer das Verfahren, 199

»bewirken meist sofort ihren Wiedereintritt und der Verein verdankt namentlich diesen entgegenkommenden Verfahren sein Aufblühen und stetiges Wachstum.«90 Eine andere Übung bestand darin, die Kreditgewährung auf bestimmte Waren einzugrenzen, von denen plausiblerweise nicht zu erwarten war, daß Angehörige der ärmeren Schichten sie bar bezahlen konnten. Im Kohlen- und Holzverkauf, die viele Vereine alljährlich im Herbst aufnahmen, war es üblich, Zahlungen nach einem festen Abzahlungsplan bis ins Frühjahr hinein zu strecken. Hier erwies sich, wie wichtig es war, daß die Vereine im übrigen Geschäft hohe Gewinne erwirtschafteten und Zinseinbußen hinnehmen konnten. Die letzte und entwickeltste Variante im Umgang mit dem für die Arbeiterschaft charakteristischen Kreditbedürfnis bildete die Schaffung spezieller Fonds für Notfälle, auf deren Inanspruchnahme bezeichnenderweise kein Rechtsanspruch bestand. Hier gab es kein Gutdünken und keine stillschweigende Duldung mehr, sondern ein formelles Verfahren, in dem auf der einen Seite eine gewählte Kommission und auf der anderen Seite ein schriftlich begründeter Antrag stand. Nicht alle Vereine, die Kredit gaben, dämmten ihn durch den Bezug auf den Geschäftsanteil, die Spezifizierung der Waren oder einen festen Abzahlungsmodus ein. Besonders in den Anfangen der Bewegung und immer wieder bei kleineren Zusammenschlüssen war die Neigung groß, keine formalen Regelungen zu treffen und die ganze brisante Frage dem Fingerspitzengefühl und Risiko des Lagerhalters zu überlassen. Das führt zur Frage nach der Größenordnung, in der sich das Anschreiben bei den Konsumvereinen bewegte. 1864 und 1865, den ersten beiden Jahren einer systematischen Berichterstattung, gewährte die Hälfte aller Vereine Kredit. Nach dieser Anlaufphase sank der Anteil der Vereine, die die Barzahlungsdisziplin nicht durchzuhalten vermochten, auf ein Drittel, langfristig sogar bis auf ein Viertel ab. Anders ausgedrückt: knapp drei Viertel aller Vereine erlaubten am Ende der Periode keinen Kredit mehr. Auch die Höhe der geschuldeten Summen ging zwischen 1864 und 1890 um mehr als die Hälfte zurück. Bemerkenswert scheint das Absinken der Kreditsumme pro Mitglied in den späten 1880er Jahren trotz deutlich anziehender Mitgliederzahlen. Die Werte für die einzelnen Jahren belegen mit ihren Auf- und Abschwüngen, daß es sich bei Barzahlung und Kreditnahme um dynamische Faktoren handelte. Eine lineare Korrelation etwa mit der Preis- oder Konjunkturentwicklung zur Erklärung der Schwankungen ist in den aggregierten Daten nicht zu erkennen. Auf einzelne Teuerungsjahre wie 1867, 1873 oder 1880, 1881 und 1882 folgte entgegen der Erwartung eine Verbesserung der Barzahlungsdisziplin im darauf folgenden Geschäftsjahr. Es ist davon auszugehen, daß der Trend die Resultante unterschiedlicher Kräfte 200

Tabelle 12: Jahr

1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890

Barzahlung und Kredit beim Einkauf 1 8 6 4 - 1 8 9 0

Vereine insgesamt

38 34 46 49 75 109 111 143 170 189 178 179 180 202 202 191 195 185 182 172 163 162 164 171 198 238 263

Mitglieder insgesamt

7.709 6.647 14.083 18.884 33.656 42.286 45.761 64.517 72.622 87.504 90.088 98.055 101.727 99.862 109.515 130.777 94.366 116.510 130.089 110.433 114.423 120.150 144.504 154.460 172.931 192.486 215.420

Kredit pro Mitglied (in RM) 2,24 2,36 1,98 1,73 1,02 1,00 1,32 1,51 0,96 0,80 0,89 1,27 1,40 1,58 1,50 0,76 1,50 1,05 0,82 1,18 1,17 1,23 1,23 1,30 0,96 0,89 0,96

Kredit pro Verein (in RM) 454 461 605 667 457 388 543 681 409 372 452 695 793 783 815 520 726 664 586 757 823 914 1.082 1.172 841 718 787

Kreditgebende Vereine Summe absolut in % aller pro Verein Vereine (in RM) 19 17 14 14 24 30 27 51 57 53 53 56 49 54 51 46 49 48 47 48 46 47 46 49 55 60 66

50 50 30 29 32 28 24 36 34 28 30 31 27 27 25 24 25 26 26 28 28 29 28 29 28 25 25

908 922 1.988 2.335 1.428 1.411 2.231 1.901 1.220 1.326 1.517 2.222 2.913 2.928 3.229 2.159 2.891 2.557 2.271 2.713 2.916 3.149 3.859 4.091 3.029 2.849 3.137

Quelle: Jahrbuch des Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs* und Wirtschaftsgenossenschaften fur 1897 (39. Folge), 1. Jg. N.F. Berlin 1898, S. XXIV, berechnet nach den Angaben ebd.

bildete: d e m bei Teuerung und Arbeitslosigkeit gesteigerten Kreditbedürfnis der Mitglieder, einer direkt entgegenlaufenden Politik der Vorstände, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten darauf drängen mußten, die risikoreiche Kreditvergabe einzudämmen, und schließlich bei der Liquidation überschuldeter Vereine in Krisenzeiten, was sich statistisch als insge201

samt verbesserte Barzahlungsbilanz niederschlug. Letzteres traf besonders auf die Entwicklung Anfang der 1880er Jahre zu. Das in der Statistik nur grob bilanzierte Ergebnis dieser unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen schwankte von Jahr zu Jahr. Offenbar sahen sich viele Vereine, so läßt sich der Eindruck resümieren, in der ersten Findungs- und Konsolidierungsphase nicht in der Lage, den Erwartungen der Mitgliedschaft auf Fortsetzung der Anschreibepraxis zu widerstehen. Das läßt ahnen, unter welch schwierigen Bedingungen unternehmerische Selbsthilfe von Konsumenten in diesem Bereich antrat. Jedoch scheint das überindividuelle Regelsystem »Konsumverein« mit seinen spezifischen Verhaltenserwartungen und Sanktionen relativ rasch an Gewicht für die Praxis gewonnen zu haben. Das deutlichste Ergebnis, das die Statistik belegt, ist die Veränderung des importierten Kaufhabitus bei den Mitgliedern. Insbesondere seit der zweiten Hälfte der siebziger und im Verlauf der achtziger Jahre waren die Erwartungen auf Kreditvergabe offenbar erfolgreich zurückdrängt, wenn auch nicht unwesentlich von der Normvorgabe enfernt. Um diese Entwicklung angemessen zu beurteilen, muß man sich vor Augen halten, daß es vor der Entstehung der Kaufhäuser und Filialgeschäfte keinen anderen Unternehmenstypus in der Lebensmittelbranche gab, der nicht anschrieb. Befragungen aus dem Jahre 1 8 8 6 , die der »Verein für Sozialpolitik« im Zusammenhang mit einer Kontroverse über die Preispolitik im Lebensmitteleinzelhandel vornehmen ließ, zeigten, daß selbst gutsituierte Händler in größtem Umfange das »Buchgeschäft« pflegten. Ein in Aachen ansässiges Kolonialwarengeschäft mit einem geschätzten Käuferstamm von 1 0 0 0 Haushaltungen machte Angaben, die auf ein Verhältnis barzahlender zu Buchkunden von 1 : 1 schließen lassen.91 Diese Zahlen beziehen sich, um es noch einmal zu betonen, auf ein großes, etabliertes Geschäft für den wohlhabenderen Teil der Bevölkerung. Die Konsumvereine nahmen mithin eindeutig eine Sonderstellung ein, die sie nicht nur von Hökern und Viktualienhändlern, sondern auch vom übrigen Lebensmitteleinzelhandel abhob. Historisch gesehen etablierten sie sich damit zwischen dem traditionellen Detaillisten und den modernen Verteilungsformen des Handels. Warum gelang den Vereinen, woran die meisten Detaillisten scheiterten? Eine Ursache lag sicher in der sozialen Zusammensetzung der Mitgliedschaft. Der Arbeiteranteil lag zwar stets hoch - im Jahre 1 8 7 6 betrug er 4 3 Prozent - , doch dominierten Gesellen und Industriearbeiter keineswegs die Vereine. Mindestens ein Drittel aller Mitglieder stellten im Durchschnitt selbständige Händler und Handwerker. Weitere knapp 2 0 Prozent kamen aus den Reihen der Beamten und Freien Berufe. Selbst wenn man unter den Beamten und Selbständigen hohe Anteile schlechtergestellter Gruppen vermutet, spricht viel dafür, daß sich die große Mehrheit der Ver-

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eine hinsichtlich des Käuferstammes nicht in einer so schlechten Situation befand wie die kleinen Läden in den entstehenden innerstädtischen Wohnbezirken mit hohem Arbeiteranteil. Einen wichtigen Filter bildete die Eintrittsprozedur. Man sei sich darüber im klaren, erläuterte ein Vertreter des Pforzheimer Arbeiterbildungsvereins 1 8 6 9 auf einem Treffen von Konsumvereinsvertretern die Zusammensetzung seines Vereins, daß »zuerst diejenigen Arbeiter dafür gewonnen wurden, welche Verständiß und Sinn fur die Sache voraussetzen ließen, und welche natürlich solche waren, die ihren Haushalt ordendich eingerichtet hatten, nirgends gebunden waren, sich sofort anschließen und den Bestrebungen des Vereins thatkräftige Mitwirkung leisten konnten. Es waren wenige, aber die besten.« 92 Besonders galt das, wenn der Verein mit dem Markengeschäft begann, da es ganz auf strikter Barzahlung beruhte. Eine andere Hürde bildete der Erwerb des Geschäftsanteils. Zwar war das vor dem Kauf zu entrichtende »Eintrittsgeld« niedrig, es entsprach in der Regel nur 10 Prozent des vollen Anteils. Aber selbst dieser Betrag schreckte Gruppen mit unstetem niedrigen Einkommen wirkungsvoll ab. Vor allem jedoch setzte der Eintritt in den Konsumverein voraus, daß man sich aus der »Borgknechtschaft« eines oder mehrerer anderer Händler überhaupt befreien konnte. Es war kein Zufall, daß die Vereine darüber nachdachten, ihren Mitgliedern Kredit zu gewähren, um vorhandene Schulden abzuzahlen und so die Auslastung des eigenen Lokals zu verbessern.93 Von einem bestimmten Zeitpunkt ab wirkte auch das Image des Konsumvereins als einer auf Barzahlung gegründeten Einrichtung nach außen und hielt besonders benachteiligte Gruppen vom Eintritt ab. Diese vorgängige Selektionspraxis erleichterte die Disziplinierungsarbeit der Verwaltung. Andererseits war die Praxis des Anschreibenlassens nicht nur auf die ärmeren ungelernten Arbeiter und Tagelöhner beschränkt. Beamte waren dafür bekannt, daß sie das Borgen als Mittel des Budgetausgleichs allgemein nutzten, was sich auch daran ablesen läßt, daß zu den kreditgebenden Unternehmen viele reine Beamtenvereine gehörten. Die Sozialstruktur kann daher nur ein Erklärungsfaktor für die Durchsetzung der Barzahlung sein. Die eigentliche Ursache wird man im hochgradig vergesellschafteten Charakter des Zusammenschlusses suchen müssen. In seiner Logik lag die Ausschaltung aller persönlichen Elemente. Spielräume, über die der Einzelhändler verfügte: die individuelle Schätzung des Kunden und seiner Kreditwürdigkeit, seines Leumundes, seiner Treue - im Grenzfall, wenn der Kredit lange überzogen und die Rückzahlungschancen nur gering erschienen - die Abgabe überlagerter, sonst nicht mehr verkäuflicher Waren, diese im Kontext einer Ökonomie des Notbehelfs entwickelten feindifferenzierten Instrumente standen dem Konsumverein nicht zur Verfugung. Da er allen und niemand gehörte, konnte er nur nach generalisier-

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baren Regeln verfahren, die ihrerseits ein Höchstmaß an Gleichbehandlung verlangten. Gerade weil die Konsumvereine in ihrer Mehrheit heterogen zusammengesetzt waren, ließen sich in ihnen weniger als in anderen Selbsthilfeeinrichtungen Praktiken entwickeln, die auf stillschweigendem Übereinkommen beruhten. Im Wettbewerb mit dem privaten Handel bildete die Zurückdämmung des Buchkredits damit einen wichtigen Aktivposten in der betriebswirtschaftlichen Bilanz der Konsumvereine.

d) Wachstum, Gewinne und

Eigenkapital

Warenkredite des Großhandels, Kooperationsverträge mit dem Einzelhandel, die Überlassung von Verkaufs- und Lagerräumen durch Arbeitgeber hatten allesamt gemeinsam, daß es fremde Ressourcen waren, die in die Selbsthilfe eingespeist wurden. Gemessen daran erscheint der Beitrag, den ein Mitglied zu leisten hatte, welches auf einer späteren Stufe der Organisation beitrat, relativ gering. Das Eintrittsgeld betrug immer nur wenige Mark und reichte selbst in der Summe nur in Ausnahmefällen zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes aus. Die Hauptstützen zur Stabilisierung der genossenschaftlichen Form kamen langfristig weder von außen noch direkt von den Mitgliedern, sondern aus den »Ersparnissen«, die der Verein erwirtschaftete. Es wäre indes zu einfach, eine gerade Linie von den Ersparnissen zur Konsolidierung zu ziehen. Dazwischen stand die Gewinnerwartung der Mitglieder. Für eine hohe Dividende nahmen sie hin, daß die Waren in den Regalen des Vereins nicht erheblich billiger waren als die des privaten Händlers, jedenfalls nicht so viel billiger, wie sie es offensichtlich hätten sein können. Der Vorteil des Vereins wurde beim Einkauf weniger deudich als in der erwarteten, festeingeplanten vierteljährlichen Dividendenzahlung. In diesem Punkt unterschied sich der Zusammenschluß eben doch von einer beliebigen Aktiengesellschaft, weil die Aktionäre zugleich die Hauptkunden des Unternehmens waren und die Zahlung größerer Summen so häufig erfolgte, daß sie als disponible Größe kontinuierlich eingerechnet werden konnte. Gleichwohl zeigen die Bilanzen, daß es den Vereinen langfristig gelang, in ausreichendem Maße Eigenkapital zu bilden. Dabei half ihnen die statuarisch fixierte Unterscheidung zwischen Eintrittsgeld und Geschäftsanteil. Mit dem Beitritt erklärte das Mitglied seine Bereitschaft, für eine gewisse Zeit auf den vollen Dividendensatz zu verzichten. In dieser Periode sollte das Eintrittsgeld auf den vollen Geschäftsanteil aufgestockt werden. In der Regel waren diese Bestimmungen Teil des Statuts und nicht Gegenstand der laufenden Beratungen in der vierteljährlichen Generalversammlung. Allerdings ging von den neueintretenden Mit204

gliedern ein starker Druck in Richtung auf eine hohe Dividende aus, um die Wartezeit abzukürzen oder - da immer nur ein Teil abgezogen wurde noch einen spürbaren Nutzen zu erhalten. Um diesen Druck abzumildern und um überhaupt die Vereine möglichst rasch auf sicheren Grund zu stellen, gingen auch die deutschen Vereine dazu über, ein kapitalistisches Element einzuführen, indem sie die Geschäftsanteile verzinsten. Eine Rendite von vier Prozent, auf die sich meisten Vereine einstellten, entsprach in etwa dem, was bei den öffendichen Sparkassen für kleinere Anlagen zu erhalten war. Unter dem Druck des Kapitalmangels verteilten einige Vereine zeitweise den gesamten Gewinn entsprechend der Höhe der Kapitalbeteiligung. Sie nahmen damit aber in Kauf, daß sich die Mitgliedschaft scharf entlang der Vermögensgrenze spaltete. Je weiter die Zeit fortschritt, desto seltener wurde solche Übung. Das Bild, welches die statistischen Durchschnittsdaten der Jahrzehnte zwischen den Einigungskriegen und dem großen Aufschwung um die Jahrhundertwende zeigen, ist das einer sich bei mäßigem, von gelegendichen Rückschlägen begleitetem Wachstum innerlich konsolidierenden Bewegung. Gut geführte Vereine wie der Neustadt-Magdeburger erwirtschafteten im Verlauf der achtziger Jahre für ihre Mitglieder Ausschüttungen von etwa zehn Prozent. 94 Ein für diese Jahrzehnte typisches Ergebnis trug der Verbandsdirektor der schlesischen Vereine auf der Jahrestagung 1885 vor. Die Schwankungsbreite der Dividenden betrug, alle Vereine zusammenge-

Tabelle 13: Wirtschaftliche Entwicklung der Konsumvereine des Allgemeinen Verbandes 1 8 6 4 - 1 9 0 0 Jahr

Zahl der Vereine

Mitglieder

Mitglieder pro Verein

Umsatz pro Mitglied (in RM)

1864 1870 1875 1880 1885 1890 1895 1900

38 111 179 195 162 263 460 568

7.709 45.761 98.055 94.366 120.150 215.420 292.077 522.116

203 412 548 484 742 819 635 919

104 197 232 322 292 265 283 243

GeschäftsReingewinn guthaben pro Mitglied pro Mitglied (in RM) (in RM) 8 18 30 34 28 20 24 21

3 10 13 22 25 24 28 24

Quelle: Jahrbuch des Zentralverbandes, 1, 1 9 2 8 , S. 330f., eigene Berechnungen.

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nommen, zwischen fünf und elf Prozent. Nichtkäufer und schlecht geführte Vereine eingerechnet, erhielt das durchschnittliche Mitglied immerhin über 25 Reichsmark auf vier Termine verteilt zurück. 95 Hinter dem Ersparnissatz stand ein gegenüber dem Durchschnitt etwas zurückbleibender Warenumsatz des einzelnen Mitgliedes von 243 Reichsmark, was - grob gerechnet - mindestens 50, unter Umständen sogar 100 Prozent der Nahrungsmittelausgaben eines Arbeiterhaushaltes in diesen Jahren entsprach. 96 Die relativ konstanten Gewinne, die die Selbsthilfeanstrengungen erbrachten, erleichterten die Vermittlung konfligierender Ansprüche. Kaum ein Verein kam ohne Schrammen und gelegentliche Krisen über die schweren wirtschaftlichen Zeiten bis zum Ende der »Großen Depression«. Eine einfache Korrelation zwischen Stockungen des produzierenden Gewerbes und der Entwicklung der Konsumvereine und ihren Geschäftsergebnissen existierte jedoch nicht. So sucht man in den Bilanzen vieler Vereine vergeblich nach eindeutigen Zeichen für den Niederschlag des »Gründerkrachs« von 1873. Auch in späteren Jahren schlugen Krisenentwicklungen des gewerblichen Sektors oft nicht auf die konsumgenossenschaftliche Verteilungsform durch. Die Konzentration auf den unelastischen Bedarf, ihr Größen- und Rationalisierungsvorsprung gegenüber den meisten Konkurrenten wirkten wie ein Schirm.

IV. Grenzen der Rationalisierung 1. Legitimationsfragen »Gelingen oder Mißlingen, gute oder schlechte Wirtschaft eines Vereins ist den übrigen keineswegs gleichgültig, denn das eine nützt, das Andere schadet allen Vereinen, empfiehlt oder diskreditiert die neue Gesellschaftsform überhaupt dem Publikum.« 9 7

Das wichtigste Ergebnis der Jahrzehnte zwischen Reichsgründung und Jahrhundertwende für die Weiterentwicklung der Selbsthilfeform Konsumverein bestand darin, daß sich die Vereine weitgehend aus der Abhängigkeit vom Einzelhandel und analogen Strukturen in ihrem Innern lösten. Dieser Prozeß vollzog sich nur sehr allmählich begleitet von vielen Fehlschlägen. Nichts von dem, was Vereins- und regionale Unterverbandstage mit großer Mehrheit oder gar einstimmig beschlossen, hatte für den Vorstand und die Generalversammlung der einzelnen Genossenschaft vor Ort tatsächlich verbindlichen Charakter. Wie monolithisch die Zusammenschlüsse in späteren Phasen ihrer Entwicklung von außen betrachtet auch immer wirken moch206

ten, in letzter Instanz lagen die Eigentumstitel jedes einzelnen Unternehmens bei den Mitgliedern. Fremdbeteiligungen, die Zentralorganen Einflußmöglichkeiten eröffnet hätten, gab es grundsätzlich nicht. Das bei ihnen im Unterschied zu den mittelständischen Genossenschaften übliche Ein-Stimmen-Prinzip in der Generalversammlung verbürgte die Neutralisierung fremden Kapitals und decouragierte jeden Versuch, sich über den Erwerb von Eigentumstiteln garantierten Einfluß zu verschaffen. In den 1860er Jahren erschwerte eine hohe Fluktuation der Vereine die Weiterentwicklung. Innerhalb eines Jahrzehnts tauschte sich der ursprünglich vorhandene Bestand der Berliner Gründungen fast vollständig aus. Anderes kam hinzu: In dieser Phase waren die Vereine nicht so zahlreich, daß Arbeiter, Handwerker, Bauern, Fabrikbesitzer, die sich zu einer Gründung zusammenfanden, in jedem Falle Rat bei einem nahegelegenen Zweigverein einholen konnten oder auch nur von den Handreichungen des Verbandes mit ihren Musterstatuten erfuhren. Objektiv betrachtet wäre das zwar durchaus möglich gewesen, dazu hatte die Bewegung in den 1880er Jahren bereits die notwendige Dichte erreicht, doch die kritische Schwelle, an der das Netz so engmaschig wurde, daß es den Rückgriff auf bereit liegendes Erfahrungswissen zur Selbstverständlichkeit gemacht hätte, erreichte man bis in die 1890er Jahre noch nicht. Bei dem, was als Erfahrungswissen in Neugründungen einging, handelte es sich oft nur um Bruchstücke, gelegendich einmal Musterstatuten, den einem Gespräch am Rande einer kleinen Verbandstagung entnommenen Hinweis auf eine günstige Einkaufmöglichkeit usf. Vieles blieb dagegen selbstgestrickt, ganz auf die lokalen Verhältnisse zugeschnitten. Die Schwäche des Zusammengehörigkeitsgefühls unter den Vereinen spiegelte sich an vielen Stellen wider. Eine davon war die geringe finanzielle Alimentierung der regionalen Verbände, die, allesamt ehrenamtlich geführt, nur unter größten Schwierigkeiten die Reisegelder für die Delegierten zum jährlichen Allgemeinen Vereinstag aufbrachten. Einzelne Unterverbände sahen sich noch nicht einmal in der Lage, das zur allgemeinen Verfügung und Information bereitgestellte statistische Material zu vervielfältigen. Das Protokoll des Thüringer Verbandstages im Mai 1880 notierte den Verbandsdirektor mit der deprimierenden Bemerkung: »Eine Zusammenstellung der einzelnen an ... [ihn] gelangten Warenstatistiken, eine Vervielfältigung und Versendung derselben an die Verbandsvereine sei der damit verbundenen größeren Kosten halber unterlassen worden, und empfiehlt derselbe, sich recht häufig mit Anfragen an solche Vereine zu wenden, welche in einzelnen Artikeln einen entsprechend höheren Umsatz hätten, um auf solche Weise dem Zweck der Statistik gerecht zu werden.« 98 Bei den Gründern und den Aufsichtsräten handelte es sich bis ins letzte 207

Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende hinein noch durchweg um Laien. Unter den 2 2 Vorsitzenden von Verwaltungs- resp. Aufsichtsräten im allgemein als vorbildlich geltenden sächsischen Verband befanden sich zehn Lehrer, drei Handwerker, ein Garnisons-Oberinspektor und ein Privatier, dagegen nicht ein gelernter Kaufmann und lediglich vier hauptamtliche Geschäftsführer." Der heimliche Lehrplan dieser Gruppe bestand im wesendichen aus Alltags- und langsam akkumuliertem Erfahrungswissen. Wo berufliches Wissen genutzt werden konnte, fand es sich in der notwendigen Kombination selten bei einer Person allein, sondern ergab sich unter günstigen Umständen aus dem Zusammenfugen einzelner Teilqualifikationen. Anfang der siebziger Jahre erklärte sich Allgemeine Verband bereit, die Sektionen des Verbandstages, bei denen es um die Konsumvereine ging, auf das Wochenende zu legen. Dahinter verbarg sich das Problem, daß die Delegierten der Konsumvereine wegen ihrer hauptberuflichen Verpflichtungen nicht in der Lage waren, an einem Wochentag eine größere Reise anzutreten. So gesehen verwundert es wenig, daß viele der neu beitretenden Vereine in ihrer inneren Organisation nach wie vor Merkmale aufwiesen, die aus der Binnenperspektive des Allgemeinen Verbandes einer längst überwundenen Stufe angehörten. Immer neue, fast unbehauene Steine schienen sich der inneren Fortentwicklung in den Weg zu legen. Die einzige scharfe Sanktion, die den Vertretern der Anwaltschaft vor diesem Hintergrund zur Verfügung stand, war das zweischneidige und deshalb nur äußerst selten gehandhabte Instrument des Ausschlusses. Es blieb im wesenüichen nur der Appell. Vieles hing bis zu Schulze-Delitzschs Tod am persönlichen Charisma des »Völksmannes«. Es bedeutete etwas, wenn der ehemalige Steuerrebell, Reichstagsabgeordnete, Schöpfer des Genossenschaftsgesetzes und Anwalt des von ihm ins Leben gerufenen Verbandes zu einem einfachen Tagungslokal in die Provinz reiste, wo ein Dutzend nebenberuflicher Konsumvereinsvertreter zusammensaß, um Rechenschaft über den Stand ihrer Vereine abzulegen, und Schulze dann polternd »Gesetzeswidrigkeit«, »Unverstand«, »grenzenlosen Leichtsinn« dieser oder jener Bestimmung in den Statuten angriff. Eine typische Strategie, die außer Schulze besonders auch seine Gehilfen Parisius und Schenck anwandten, bestand in der Warnung vor drohenden Eingriffen der Behörden. Hier half es, daß alle drei dem Reichstag bzw. dem Preußischen Abgeordnetenhaus angehörten und damit nicht nur über einen Prestige-, sondern auch über einen wichtigen Informationsvorsprung verfügten. Längst nicht immer wirkte diese Strategie. Die guten Vorsätze einer Handvoll Delegierter, denen einige Stunden lang die Luft der hohen Politik und der fernen Berliner Welt um die Nase geweht war, verflogen nur zu rasch vor den Problemen des Alltags inmitten von Graupen und stinkenden Petroleumfässern.

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Weitgehende Selbständigkeit der Einzelvereine entsprach in nuce liberalen Programmschriften. Nur wenn die Vereine große Autonomie genossen, in Schulzes Worten, »der freien geschäftlichen Bewegung der möglichste Spielraum«100 gesichert war, sie darüber hinaus fur ihre Tätigkeit uneingeschränkt verantwortlich zeichneten und schließlich - in notwendiger Verbindung damit - die Mitglieder direkten Einblick in die Geschäftstätigkeit erhielten, konnte unternehmerische Selbsthilfe von Unterschichten nach liberaler Vorstellung ihren wirtschafts- und sozialpädagogischen Erziehungsauftrag erfüllen. Seit den frühen siebziger Jahren mehrten sich die Anzeichen dafür, daß die Führung des Verbandes wie auch ein Teil der Vereine von dem Ideal wirtschaftlicher Selbstaufklärung, das eine direkte Beteiligung der Basis an der Geschäftsführung und eine hohe Selbständigkeit des Einzelvereins implizierte, abrückten. Ein Indiz für den Gesinnungswandel war die Empfehlung des Vertreters der Anwaltschaft, F. Schneider, an die Berliner Vereine, ihre Vorstandswahlen möglichst so vorzubereiten, »daß die General-Versammlung nur mit ja oder nein über jeden Vorschlag abzustimmen habe. Hierdurch sei die beste Bürgschaft dafür geschaffen, daß Personen, die sich in ihren Funktionen als gut erweisen, stets vom Verwaltungsrat wieder vorgeschlagen, und nicht durch solche verdrängt würden, die durch Machinationen etc. eine Stellung zu erlangen strebten.«101 In gewisser Weise stellte sich der Liberalismus damit einem Problem, daß die bis dahin vorherrschende ökonomisch-individualistische Interpretation der Selbsthilfe lediglich verdeckt hatte. Die verschiedenen Ausprägungen bildeten und verbreiteten sich erfolgreich nur im Kontext sozialer und politischer Bewegung. Ohne solche Verbündete wäre ihre gesetzliche Absicherung nicht zu erreichen gewesen. Und auch der laufende alltägliche Betrieb beanspruchte über lange Zeit unentgeltliche oder nicht marktgerecht entlohnte Ressourcen. Dafür war erforderlich, daß es der Selbsthilfeform und ihren Trägern gelang, gesellschaftliche Schlüsselwerte darzustellen. Über diesen Nexus waren lokale Initiativen und gesamtgesellschaftliche Prozesse eng aneinander gekoppelt. Der hier gemeinte Sachverhalt wird in der sozialwissenschaftlichen Theorie in aller Regel an der Berufspolitik der Professionen festgemacht.102 Es ist offensichtlich, daß die Bereitschaft der Gesellschaft, die Appropriation monopolistischer Chancen durch Berufsangehörige hinzunehmen und rechtlich zu sanktionieren, etwas mit der Akzeptanz und Hochschätzung jener Normen zu tun hat - Sicherheit, Gesundheit, Gerechtigkeit - , in deren Dienst sich diese Gruppen sehen. Fester Bestandteil von Berufspolitik ist das Bemühen, diesen Werten einen festen und möglichst hohen Rang in den allgemeinen Ordnungsvorstellungen zu verschaffen, kurz gesagt, ihnen soziale Geltung zu sichern. Ehre und Berufsprestige lassen sich davon ableiten. Zur Sicherung der Glaubwürdigkeit bilden sich typischer209

weise Einrichtungen wie Standesgerichte, die der Öffentlichkeit freiwillige Selbstkontrolle und eine doppelte Bindung der Moral zusichern. Was für die Freien Berufe gilt, läßt sich mutatis mutandis auch auf Unternehmens- und Verbandsformen übertragen. Viele dieser Formen, das bekannteste Beispiel ist die Aktiengesellschaft, wurden, wie am englischen Beispiel bereits ausgeführt, zum Zeitpunkt ihrer Durchsetzung von Staat und Öffentlichkeit als Privilegien bestimmter Gruppen angesehen. In der Tat scheint diese Auffassung von der Marktlogik her - nämlich dem Informationsgefälle zwischen den Eigentümern und den schlechter informierten Gläubigern - begründbar. 103 Noch mehr galt das für die Organisationsformen der Selbsthilfe, an die besondere Bevorrechtigungen geknüpft waren wie Steuererleichterungen, eine höhere Gestaltungsfreiheit für ihre Träger und niedrige kapitalmäßige Voraussetzungen, so daß ihre Gläubiger im Unterschied zur Aktiengesellschaft im Prinzip nur über eine geringe Sicherung gegen Verluste verfügten. Zur Erringung solcher Privilegien reichte die Darstellung gesellschaftlicher Werte durch die praktische Tätigkeit in lokalen Zusammenhängen allein nicht aus. Die eigentliche Durchsetzung trug stets alle Züge eines Kampfes mit konkurrierenden Ansprüchen um soziale Geltung auf dem politischen Meinungsmarkt. Im Jahrzehnt nach der Reichsgründung strukturierte sich dieser Markt neu, nicht zuletzt aufgrund der Entstehung der ersten modernen Interessenverbände, deren Haupttätigkeitsfeld Öffentlichkeit und Parlament waren.104 Charakteristisch für den neuen Typus von Organisation war, daß der Streit um Zölle, Steuern, finanzielle Subventionen, die rechtliche Absicherung monopolistischer Chancen und Berechtigungen nicht mehr nur als direkte Einwirkung auf Staat und Parlament, sondern gerade auf dem Feld der Selbst- und Fremdbilder ausgetragen wurde. Zumeist anknüpfend an ältere Ordnungsvorstellungen, begründeten die sich organisierenden Interessengruppen die gesellschaftliche Relevanz bestimmter Normen. Das Spektrum reichte vom Nationalismus über die gesellschaftliche Bedeutung der Industrie bis zur sozialen Hygiene oder etwa dem Stellenwert der Lebensmittelreinheit, einem Ziel, dem sich die aufsteigende Gruppe der Nahrungsmittelchemiker verschrieb. Innerhalb dieses weiten Feldes mußte wie viele neue Organisationstypen und Berufe auch der Selbsthilfesektor seine Position erobern und behaupten. Zur Veränderung des politischen Marktes und der Intensivierung des Kampfes um knappe Ressourcen traten Entwicklungen in den Zusammenschlüssen selbst, die dafür sorgten, daß über den Rang von Selbsthilfe als Wert und Instrument von Sozialpolitik seit den 1870er Jahren neu nachgedacht und gestritten wurde. Die Statistiken über die Ausbreitung der verschiedenen Genossenschaftstypen, die der Allgemeine Verband seit 1864 regelmäßig publizierte, unterstreichen, daß sich aus den lokalen Selbsthilfeinitiativen von Handwerkern, 210

Bauern und Konsumenten innerhalb eines Jahrzehnts ein volkswirtschaftlich und sozialpolitisch bedeutsamer Sektor entwickelt hatte. Nachdem ein kräftiges wirtschaftliches Wachstum in den sechziger Jahren die Konsolidierung der Selbsthilfe begünstigt hatte, lenkte der Umschlag der Konjunktur in den siebziger Jahren den kritischen Blick der Öffenüichkeit verstärkt auf innere Schwächen und Fehlentwicklungen. Unter den gewandelten Bedingungen erwies sich insbesondere ein Merkmal, durch welches sich die deutsche Selbsthilfe-Gesetzgebung von der der meisten anderen Länder unterschied, als außergewöhnliche Belastung und Schwäche: es war der im ersten Genossenschaftsgesetz verankerte Grundsatz unbeschränkter Haftpflicht. Ihr entschiedener, ja doktrinärer Verfechter, Hermann Schulze-Delitzsch, sah in ihr, wie angedeutet, den Kern seines liberalen Genossenschaftsprogramms. 105 Nur so, wies er alle Angriffe hartnäckig zurück, seien Handwerker und andere Träger von Selbsthilfe trotz geringer eigener Mittel in der Lage, das Vertrauen des Publikums zu gewinnen. An den Bedürfnissen der Konsumvereine, deren Kapitalbedarf um vieles niedriger lag, ging diese Bestimmung vorbei. Sie sorgte im übrigen dafür, daß ein hoher Prozentsatz von Konsumvereinen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Rechtsform stand. Eine Erhebung von Anfang der siebziger Jahre ergab, daß lediglich 11 Prozent aller Vorschußvereine, aber rd. ein Drittel aller erfaßten Konsumvereine - einschließlich der nichterfaßten dürfte die Zahl noch wesentlich höher gelegen haben - nicht die genossenschaftliche Rechtsform gewählt hatten. 106 Überhaupt akzentuierte die unbeschränkte Solidarhaftung die Selbsthilfeidee einseitig zu Lasten des sozialen Prinzips. Unter Konjunkturbedingungen fiel diese Differenz nicht sehr ins Gewicht. Ganz anders dagegen, als nach 1873 die wirtschaftliche Entwicklung umschlug und der unbarmherzige Grundsatz unbeschränkter Haftung in einer Reihe von Fällen nach spektakulären Zusammenbrüchen von Kreditvereinen tatsächlich praktiziert werden mußte. Die von den Gegnern der Genossenschaftsbewegung ausfuhrlich berichteten Details der dabei vorgenommenen »Einzelangriffe« auf das Vermögen von Vereinsmitgliedern, wie der Terminus technicus in der spröden Juristensprache lautete, übten eine langanhaltende abschreckende Wirkung aus und strahlten an den Orten, an denen es zu derartigen Liquidationen gekommen war, auf alle anderen Selbsthilfezweige aus. Durch die Verbindung unbeschränkter individueller Haftpflicht und konjunktureller Krise drohte die Genossenschaftsbewegung selbst zur Quelle von sozialen Problemen zu werden, welche die von ihr gelösten an Schärfe erheblich übertrafen. Während sich die Kritik am mittelständischen Selbsthilfesektor in der Hauptsache an mangelnder Solidität oder einer Überspitzung des Haftungsprinzips festmachte, war es im Falle der Konsumvereine paradoxerweise ihr Fortschritt, der einzelnen Gruppen Anlaß zu heftiger Kritik bot. 211

Drei Jahrzehnte nach der Entstehung der ersten Vereine konfrontierten Interessenvertreter von Handwerk und Handel den konsumgenossenschaftlichen Teil des Selbsthilfesektors immer noch mit dem sozialpolitischen Leitbild des zur Abwehr offenen Hungers ins Leben gerufenen temporären vormärzlichen Brotvereins. Dem hielten die Konsumvereinsvertreter bei jeder möglichen Gelegenheit entgegen, daß die Ausdehnung der »Vereinswarenlager über den engsten Kreis der allernotwendigsten Lebensbedürfnisse hinaus, durch den Eintritt von Mitgliedern aus allen Berufsklassen, durch den Abschluß von Markenverträgen, durch den Verkauf an Nichtmitglieder, durch Festhalten an dem Prinzip der Steuerfreiheit für den Umsatz der Mitglieder usw.« weder »Gesetz und Recht« noch »die Grundidee der genossenschaftlichen Verbindung« verletze.107 Ein anderer Versuch, die soziale und politische Legitimation der Selbsthilfeform Konsumverein in Frage zu stellen, bestand im Nachweis von »Mißbräuchen«, wobei sich die Definition wiederum stark mit den Vorstellungen legitimer Selbsthilfe änderte. Auf einen breiten Konsensus konnten sich die Interessenvertreter von Handel und Handwerk und die ihnen nahestehenden Politiker stützen, als sie das Thema des Alkoholausschanks hochspielten.108 Vor diesem Hintergrund brachten Erscheinungen Anfang der 1880er Jahre die Vereine in einige Verlegenheit. In dieser Zeit entstanden auf Initiative von Schankwirten in Bergarbeitergebieten wellenartig mehrere Dutzend Vereinigungen (»Schnapskonsumvereine«), die sich die Gestaltungsfreiräume der Genossenschaftsform zunutze machten, um Schänk- und Konzessionsauflagen zu umgehen. 109 Der Angriffspunkt war insofern geschickt gewählt, da er nicht nur einen traditionellen Reibungspunkt zwischen bürgerlicher und Arbeitermoral in Deutschland berührte, sondern Auffassungsunterschiede zwischen den Vereinen bloßlegte. Aus unmittelbarer Kenntnis der Situation vieler Arbeiter argumentierten Leiter regulärer Konsumvereine, »daß der Branntwein für die anstrengend beschäftigte Arbeiterklasse zu einem unentbehrlichen Lebensbedürfniß geworden« sei und verteidigten deshalb den Vertrieb, während eine Minderheit ganz im Stil der bürgerlichen Mäßigkeitsbewegung die Gefahr von »Irrsinn ..., Selbstmord und Verbrechen« durch den Alkoholgenuß von Arbeitern an die Wand malte.110 Wie ernst der Allgemeine Verband dieses Thema nahm, ohne daß er im übrigen klar Partei ergriff, zeigte seine dringende Warnung an die Vereine, »alles [zu] vermeiden ..., um nicht in Mißkredit zu kommen, auch den Schein, als ob dieselben [die Konsumvereine, M.P.] irgend etwas täten, was die Rohheit und Völlerei befördere.« 111 Da nicht alle Vereine bereit waren, dieser Empfehlung zu folgen und die Lokalbehörden unterschiedlich reagierten, blieb der Alkoholverkauf ein dauerhafter Angriffspunkt für den Handel. Ein großer Teil des Streits um das Ansehen von Selbsthilfe hatte seinen 212

Hintergrund in der Steuerfrage. Im Unterschied zu England, wo die Selbsthilfevereinigungen frühzeitig Steuervorteile genossen, konnten die Konsumvereine in deutschen Staaten, darunter gerade auch in Preußen die Kreditvereine waren hier erfolgreicher - in den Anfängen nicht ohne weiteres mit einer Abgabenreduzierung rechnen. So hatte sich aus Anlaß der Auseinandersetzungen um den Eilenburger Verein in Preußen zunächst die Auffassung gebildet, die bis Ende der fünfziger Jahre durchgehalten wurde, daß Konsumvereine als Gewerbebetriebe steuerpflichtig seien.112 Die Einstellung änderte sich nur allmählich und setzte sich allgemein erst mit dem Erlaß des Genossenschaftsgesetzes vom März 1867 durch. Parallel dazu setzten die liberalen Anwälte in einer Reihe von Musterprozessen in verschiedenen Staaten für die Kreditvereine ihre Auffassung durch, daß der genossenschaftliche Betrieb durch den Mitgliederbezug einen inneren Kreislauf der privaten Haushalte bilde und kein Gewerbe darstelle. Im Fall der Konsumvereine traf die Interpretation allerdings auf besondere Schwierigkeiten, weil die Handelsunternehmen im täglichen Geschäft die Legitimation der einzelnen Käufer nur schwer zuverlässig überprüfen oder eine Überprüfüng glaubwürdig machen konnten und das Mitglied in der Regel nicht vor dem ersten Kauf beitrat, sondern nach Probekäufen und aus einer sich langsam entwickelnden Gewohnheit heraus. Die Tendenz war eindeutig. Seit den frühen 1860er Jahren steuerten die Konsumvereine in vielen kleinen Schritten und langjährigen Musterprozessen auf eine begrenzte, nie vollständige und angesichts des Spielraums der Gemeinden in diesen Fragen auch nie flächendeckende Steuerexemtion hin. 113 Die Frage der Steuervorteile der Konsumvereine regte bei den Einzelhändlern Zusammenschlußtendenzen an und trieb sie Schritt für Schritt von der lokalen Ebene in den 1870er Jahren, über die regionale in den 1880ern bis auf die nationale Ebene in den 1890er Jahren.114 Die dichtere und dauerhaftere Organisation versetzte den Handel in die Lage, besser vorbereitete Aktionen gegen die Konsumentenzusammenschlüsse zu verabreden. Auf die Steuervorteile zielte vor allem die Anwerbung von Agents provocateurs ab, die als Nichtmitglieder Waren in Konsumvereinen erstanden und als Beleg für die Führung eines normalen Handelsbetriebs zur Polizei brachten.115 Anders als Boykottaktionen, die sich durch eine einmalige Mobilisierung verstreuter Kräfte abwehren ließen, verlangte die Abwehr von Scheinkäufen, daß jeder einzelne Verein die Einhaltung bestimmter Prinzipien durch eine interne Reorganisation und Disziplinierung der Verkaufskräfte auf Dauer stellte. Überdies ging von der ständigen Drohung des Einbruchs Privater in den Kreis der Mitglieder ein hoher Druck auf die Gesamtheit der Vereine aus, sich wechselseitig auf eine sorgfältig an der Konstruktion des Haushaltskreislaufs orientierte Praxis zu verpflichten. Dieser starke äußere Druck regte auch die genossenschaftliche Theoriebil213

dung an und lieferte einen starken Anreiz, die eigene Vereinsform in die Nähe nichtkommerzieller, vorindustrieller Gemeinschaftsbeziehungen zu rücken. Längst nicht alle Veränderungen in der Einschätzung der Vereine in der Depressionszeit waren das Produkt einer irrationalen, von bornierten Interessen eines rückständigen Handels vorangetriebenen und einem konservativen politischen Regime qua Mittelstandspolitik angeheizten Kampagne. Die Konsumvereine verdankten ihre Unterstützung in vielen sich industrialisierenden Gesellschaften des 19. Jahrhunderts einer produzententypischen Ignoranz gegenüber den Leistungen des Handels. Antikommerzielle Impulse waren im Bürgertum weit verbreitet und damit auch die Illusion, durch eine rationale Organisation der Verteilung, für die man vielerorts die Konsumvereine hielt, den Zwischenhandel überflüssig machen zu können. Insofern war es auch ein Stück Aufklärung, wenn der Verein für Sozialpolitik in den 1880er Jahren durch eine Reihe von Untersuchungen über das Funktionieren und den Geschäftsbetrieb von Einzelund Großhandel einem breiteren Publikum demonstrativ die unternehmerische Leistung und volkswirtschaftliche Funktion des Handels vor Augen führte. 116 Es nahm auch den Konsumvereinen ein Stück ihres gesellschaftspolitischen Anspruchs, der allerdings ohnehin bis 1890 nur vergleichsweise schwach ausgeprägt war.117 Ein Teil des Ansehensgewinns, den der Handel mit diesen wissenschaftlichen Publikationen erfuhr, ging im übrigen dadurch wieder verloren, daß Klein- und Kleinsthandel in diesen Jahren überproportional wuchsen, so daß das volkswirtschaftliche Rationalisierungsargument, wenn auch diesmal auf einen bestimmten Teil des Handels eingegrenzt, neue Plausibilität erhielt.

2. Selbst- oder Fremddisziplinierung? Es war mithin ein Bündel von Kräften und Motiven, das, in Ansätzen schon früh, verstärkt aber seit den 1880er Jahren daraufhindrängte, das auf Autonomie und Selbstaufklärung gegründete liberale Selbsthilfeideal fallenzulassen und die ohnehin nie diesem Ideal entsprechenden Strukturen von oben her effektiver zu gestalten. Der Begriff »von oben« mag den Eindruck erwecken, daß es hier um ein Oktroi durch Verbandsleitungen, Magistrate und Behörden ging. Dieser Eindruck wäre indessen einseitig. Die geschilderten Entwicklungen machen deutlich, warum eine effektivere Selbstkontrolle im Interesse der Zusammenschlüsse selbst lag. Den Ansatzpunkt dafür bildete die zunehmende Differenzierung zwischen den Vereinen. Seit dem Ende der 60er Jahre hatten sich in einzelnen Großstädten grö214

ßere Vereine gebildet, die den kleineren, neugegründeten das Bild der eigenen Zukunft zeigten. Der größte unter ihnen, der Breslauer Verein, versorgte nach zeitgenössischen Schätzungen um 1880 ein Drittel aller lokalen Haushalte. Über ihn hieß es in einer Flugschrift aus dem Jahre 1885: Der Verein »eroberte sich Straße auf Straße, Stadtviertel auf Stadtviertel, den Spezeristen tatsächlich auf den Aussterbeetat setzend.«118 Anderswo handele es sich um Zusammenschlüsse der Armen. In Breslau dagegen sei es »eine Lawine«, die den »Kleinhandel zermalmt«.119 Eine ähnliche Größe erreichten der Warenverteilungsverein in Görlitz, der Münchener Konsumverein, der Neue Konsumverein Neustadt bei Magdeburg und der Stuttgarter Verein. Als sich Anfang der achtziger Jahre die Selbsthilfeform in Gestalt der »Schnapskonsumvereine« das erste Mal aus dem sozialreformerischen Kontext löste und das schwierige Grundsatzproblem aufwarf, wie die Verbindung von äußerer Form und sozialem Inhalt gesichert werden konnte, während zugleich der Druck des organisierten Einzelhandels wuchs und in Gestalt eines intensiven Streits um die Steuervorteile der Konsumvereine fühlbar wurde,120 bildeten die größeren Vereine und ihre Vertreter den Anker für den Vorschlag der Anwaltschaft, die interne Aufsicht zu verschärfen.121 Belege fur einen »Korpsgeist« dieser Kerngruppe finden sich in der Depressionszeit zuhauf. Von ihnen ging die Initiative zum Austausch von Bezugsquellen aus, sie organisierten die sogenannten Börsentage und verbesserten die Statistik, verfaßten die vom Allgemeinen Verband herausgegebenen Musterstatuten und die Ratgeberliteratur und identifizierten sich überhaupt in Anlehnung an das englische Vorbild mit der Idee der Konsumentenorganisation als einem eigenständigen gesellschaftspolitischen Programm. Da diese Vereine in der Lage waren, hauptamtliches Personal zu halten, entstand bei ihnen auch jene Gruppe, die man als Vorläufer konsumgenossenschaftlicher Funktionäre ansprechen kann und aus der sich die Direktoren der Regionalverbände rekrutierten. Größere Vereine waren es schließlich auch, die zu Beginn der 1880er Jahre erstmals Patenschaften für andere Gründungen übernahmen. Im Jahre 1882 entschloß sich die Leitung des Münchener Vereins, einem Gründungsversuch in Rosenheim auf die Beine zu helfen, freilich nur unter der allgemein bekanntgemachten Prämisse, im Gegenzug alle Bücher einsehen zu können. 122 Kurz zuvor war der große Görlitzer Verein noch mit einem Antrag gescheitert, in welchem der Verbandsdirektor aufgefordert wurde, jährlich jeden Verein einmal zur »Belehrung über geschäftliche Angelegenheiten« zu besuchen. 123 Zwei Jahre später gewann die Bewegung unter dem Eindruck eines von der Anwaltschaft geschickt hochgespielten Antrags im Reichstag, der die Unterstellung der Genossenschaften unter kommunale Aufsicht forderte, an Durchschlagskraft. 124 Im Laufe des Jahres 1882 faßten verschiedene Regionalverbände, darunter Brandenburg, das 215

Königreich Sachsen, Thüringen und die süddeutschen Vereine Beschlüsse, die auf die Einrichtung einer regelmäßigen verbandsinternen Revision hinausliefen.125 Nicht alle Verbände zogen sofort mit. Die schlesischen Vereine etwa erklärten gegenüber den Vertretern der Anwaltschaft, sie sähen sich »nicht in der Lage, einen festen Beschluß darüber fassen zu können«, wollten aber noch einmal für sich tagen, um der Leitung, in der sie offenbar etwas Fremdes sahen, eine Erklärung zu übermitteln. 126 Entscheidend für den Durchbruch wurde ein Treffen von Vereinsvertretern der preußischen Provinz Sachsen.127 Der große Magdeburger Verein, in dessen Leitung sich mit dem Kaufmann Gustav Oppermann einer der profilierten frühen konsumgenossenschaftlichen Theoretiker befand, gab mit seinen Anträgen den Ausschlag für die Verankerung einer regelrechten Revisionsordnung, die über die bisherige Verabredung zur kollegialen Beratung weit hinausging.128 Auch hier verhalf der Hinweis, daß man mit der freiwilligen Übereinkunft gesetzlichen Zwang antizipieren und unterlaufen könne, dem Antrag zu einer deudichen Mehrheit. 129 Als in den folgenden Jahren die Praxis der Revision zögernd anlief, sah sich die Anwaltschaft sogar gezwungen, Ausschlußforderungen, die von den größeren, um ihre Reputation besorgten Vereinen ausgingen, zu bremsen. Die Praxis, auf die man sich schließlich verständigte, sah vor, zunächst keine neue Einrichtung zu schaffen, sondern die Durchführung der Revision dem gewählten Direktor des Unter Verbandes anzuvertrauen. Da dieser, wie man abzuschätzen versuchte, binnen eines Jahres nur die Hälfte der vorhandenen Vereine besuchen konnte, wurden die Prüfungsintervalle pragmatisch auf zwei Jahre festgelegt. Um die nicht geringen finanziellen Vorbehalte bei den kleineren Vereinen zu besänftigen, übernahm der Verband die Reisekosten, während die Aufenthaltskosten und ein geringes Honorar von 30 Reichsmark vom revidierten Verein zu tragen waren.130 Die nach und nach von den meisten Verbänden akzeptierte Revisionsordnung formulierte einen umfassenden Auftrag für den Revisor und beschränkte sich keinesfalls nur auf eine Bilanzprüfüng. Zu kontrollieren waren außer der Übereinstimmung der Geschäftspraxis mit den gesetzlichen Bestimmungen und mit den selbstgegebenen Statuten ausdrücklich auch, »ob und inwieweit die Ratschläge des Anwalts und die Beschlüsse der allgemeinen Vereinstage ... Berücksichtigung gefunden haben.« 131 Diese Formulierung bedeutete ihrem Sinn nach nichts anderes, als daß die zahlreichen im Laufe der Zeit von der Anwaltschaft formulierten und gepredigten Grundsätze des »richtigen«, »soliden« inneren Aufbaus zum Programm der Revision erhoben wurden. Um die Berücksichtigung angemahnter Fehler zu erreichen, setzte die Revisionsordnung in erster Instanz auf die vereinsinterne Veröffentlichung. Das Protokoll war Vorstand und Aufsichtsrat in gemeinsamer Sitzung vorzulegen und sollte dann vom 216

Vorsitzenden des Aufsichtsrates der nächsten Generalversammlung vorgetragen werden.132 Bei schweren Mißständen hatte der Revisor die Pflicht, nacheinander die Leitung des Regionalverbandes und in letzter Instanz die Anwaltschaft zu unterrichten. Das potentiell schärfste und letzte Disziplinierungsinstrument, die Ausschlußdrohung, sah die Ordnung nur bei Verweigerung der Revisionsunterlagen und bemerkenswerterweise nicht fxir das Ignorieren von Kritik vor. Tatsächlich war die verbandseigene Selbstkontrolle also schon ausgebildet, als die Reichsregierung am 27. November 1888 nach einem positiven Votum des Bundesrates ihren »Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erwerbs· und Wirthschaftsgenossenschaften« vorlegte und darin die Einführung einer allgemeinen Revision für jeden wirtschaftlichen Selbsthilfezusammenschluß unter dieser Firma obligatorisch machte.133 Auf den ersten Blick mochte es deshalb überraschend erscheinen, daß der Allgemeine Verband den Regierungsentwurf scharf angriff, sich vom ihm distanzierte und die Notwendigkeit einer obligatorischen Revision überhaupt in Zweifel zog. Die nähere Betrachtung der einschlägigen Bestimmungen macht jedoch leicht verständlich, woran sich der Protest entzündete. Was die Vereine freiwillig vereinbart hatten, war nur ein schwacher Abglanz jener umfassenden Aufsicht, die ihnen die Ministerialbürokratie mit dem Entwurf zu verordnen beabsichtigte. Zwar legte der Gesetzentwurf die Verantwortung für die Kontrolle in die Hände der Verbände, doch schrieb der Paragraph 57 des Entwurfes dem zu konstituierenden Verband vor, seine Sitzungen unter Einreichung der Tagesordnung bei den Behörden anzumelden und räumte diesen das Recht ein, nach Belieben einen Vertreter in die Sitzung zu entsenden. Die Regelung entsprach so unmittelbar, ja unverblümt, einer polizeilichen Überwachungspraxis, daß sie bei den Liberalen tiefsitzende Ressentiments und Erinnerungen an die Reaktionszeit wachrief. An anderer Stelle drohte das Gesetz dem Revisionsverband ausdrücklich mit der Möglichkeit, das Revisionsrecht bei Mißbräuchen abzuerkennen, ohne daß dagegen Rekursmöglichkeiten erkennbar waren. Der wichtigste Unterschied zu den Vorstellungen der Vereine selbst lag in den drakonischen Strafandrohungen des Entwurfs. In einem eigenen, dem neunten Abschnitt, der mit »Strafbestimmungen« überschrieben war, bestimmte der Gesetzgeber lapidar: »Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats und Liquidatoren werden, wenn sie absichtlich zum Nachteile der Genossenschaft handeln, mit Gefängnis und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Zugleich kann der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.« 134 Falsche Angaben vor dem Registergericht selbst in Details wie Angaben zum Kreis der Mitgliedschaft, falsche Darstellungen »in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen« bedrohte das Gesetz mit Gefängnis bis zu einem Jahr. Strafbar 217

machte sich der Vorstand auch, wenn es ihm nicht gelang, die Erörterung von Anträgen in der Generalversammlung über politische Fragen zu verhindern! Der Umkreis der von Strafen bedrohten Personen erstreckte sich ausdrücklich auch auf jedes einzelne Mitglied. Der Schlußparagraph dieses Abschnitts wandte sich an die Mitglieder mit der Warnung: »Wer sich besondere Vorteile dafür hat gewähren oder versprechen lassen, daß er bei einer Abstimmung in der Generalversammlung in einem gewissen Sinne stimmte, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.« 135 Die klaren Grenzen zwischen standesähnlicher Selbstkontrolle, die der Allgemeine Verband und seine Mitglieder angestrebt hatten, und staatlicher Auftragsverwaltung wurden durch die Strafbestimmungen praktisch aufgehoben, zumal sie ausdrücklich auch den Revisor bedrohten. Hatte sich das erste Genossenschaftsgesetz von 1863 - wenigstens für deutsche Verhältnisse - noch stark zurückgehalten und es bei einer Handvoll äußerer Bestimmungen der Selbsthilfeform Genossenschaft belassen, so schrieb das Gesetz von 1889 an vielen Stellen Details der inneren Struktur, der Art der Geschäftsführung usw. fest. Hierbei schloß es dem Inhalt wie den Institutionen nach sehr eng an die von den Vereinen entwickelte Praxis an. Die Revision fand in zweijährigem Turnus statt und lag bei Angestellten der anerkannten Verbände. Schulze-Delitzschs Forderung nach der Schaffung eines Reservefonds erhielt ebenso Gesetzesrang wie das Einstimmen-Prinzip in der Mitgliederversammlung. Vorstand und Aufsichtsrat wurden nicht mehr nur formal auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, sondern auch inhaltlich auf die »Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes« festgelegt.136 Ausdrücklich verbot das Gesetz, Aufsichtsratsmitglieder mit nach dem Geschäftsergebnis bemessenen Vergütungen zu honorieren. Charakteristisch für die Intensität des Regulierungsanspruchs war, daß die Mindesthöhe der Anteile und des Eintrittsgeldes auf eine Mark genau festschrieben wurden. 137 Gegenüber dem ersten Genossenschaftsgesetz von 1867 bedeutete das Gesetz von 1889 insofern eine scharfe Kehrtwendung. Der ins einzelne gehende Katalog der Normativbestimmungen, die staatlich sanktionierte und überwachte Revision in Verbindung mit drakonischen Strafandrohungen veränderten die Bedingungen für wirtschaftliche Selbsthilfe im Deutschen Reich grundlegend. Das Gesetz nahm der Selbsthilfe einen großen Teil ihres Freiraums und ihres experimentellen Charakters, erleichterte zugleich aber ihre betriebswirtschaftliche Weiterentwicklung. Zweifellos ging das Gesetz weit über das hinaus, was als Regelungsbedürfnis von den Vereinen und der Anwaltschaft gewünscht worden war. Aktuelle Anlässe wie die Zusammenbrüche von Kreditvereinen in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren und ihre durch die unbeschränk218

te Haftpflicht drastisch verschärften sozialen Folgen138 sowie traditionelle Dispositionen wie der festverwurzelte Paternalismus, an dem preußischdeutsche Sozialpolitiker ihr Handeln weiterhin ausrichteten, wirkten an diesem Punkt zusammen. Die Fürsorgeidee machte die Beamten gegenüber freibestimmter Selbsthilfe grundsätzlich skeptisch und ließ sie, auch das muß man ihnen zugestehen, manche Schwächen und ideologisch überdeckte Unwahrhaftigkeiten der Selbsthilfeideologie schärfer und realistischer als etwa der Liberalismus wahrnehmen. Auf dem erreichten Entwicklungsstand der Unternehmen sahen sich Staat und Reichstag in der Pflicht zur Intervention, da man, wie es der Kommissionsvorsitzende von BuolBerenburg stellvertretend formulierte, »bei dem verhältnismäßig geringen Einfluß, den die Einzelnen auf die Geschäftsleitung haben, ... man in der Tat mit Recht [sagen müsse], daß seitens der Geschäftsführung fremde Haut zu Markte getragen wird.«139 Das Gesetz von 1889 hatte nicht nur die Funktion der Einhegung oder gar Abwehr von Selbsthilfe. Soweit sie sich in disziplinierten Formen bewegte, ließen sich seine in der Kommission von allen Parteivertretern einstimmig verabschiedeten Bestimmungen auch lesen, waren Regierung und Reichstag durchaus an einer Förderung interessiert. Hierzu gehörte, daß das Gesetz - und darin lag aus der Perspektive des Reichstags zugleich die Ratio der verschärften Aufsicht - den bestehenden und noch zu gründenden Selbsthilfeunternehmen das Privileg begrenzter Haftpflicht zugestand, wohlwissend, daß dieser Schritt in seiner Wirkung ambivalent war, weil er zwar die sozialen Risiken wirtschaftlicher Selbsthilfe für die Träger eindämmte, gleichzeitig aber auch vermehrte Gründungen anregen mußte. Im Falle der Konsumvereine erreichten mit mittelständischen Interessen sympathisierende Abgeordnete allerdings, daß eine explizite Beschränkung ihrer Tätigkeit auf den Mitgliederkreis als Normativbestimmung in das Gesetz aufgenommen wurde. Der Sinn dieses Passus lag eindeutig darin, vorhandene Interpretationsspielräume zu beseitigen und die Expansion der Vereine zu drosseln.140 Das Gesetz von 1889 hatte in erster Linie die bis dahin zahlenmäßig weit dominierenden Selbsthilfevereinigungen der Kleingewerbetreibenden im Blickfeld. Für die Konsumvereine war dieser Rahmen viel zu groß. Vor dem Hintergrund des experimentellen, unfertigen Charakters vieler Neugründungen, ihres offenkundigen Dilettantismus, wirkten die Strafbestimmungen maßlos. Manche Gründung stand nach der Verabschiedung des Gesetzes hart an der Grenze zur Strafverfolgung oder sogar jenseits davon. Allein die Tatsache, daß die Prüfung aus dem eigenen verständnisvollen Milieu heraus vorgenommen wurde, milderte die Drohung etwas ab. In der Summe bedeutete das Gesetz für die organisierte Selbsthilfe insgesamt dennoch einen erheblichen Fortschritt und Gewinn, am eindeutigsten in betriebs219

wirtschaftlicher Hinsicht. Die Weichen fur eine zügige Weiterentwicklung unternehmerischer Selbsthilfe von Unterschichten waren, insbesondere von der ökonomischen Seite her, gestellt. Indem der Gesetzgeber noch einmal das Verbot politischer Betätigung wie überhaupt jedweder Verknüpfung mit anderen nicht unmittelbar dem Geschäftszweck entsprechenden Tätigkeiten in das Gesetz hineinschrieb, lenkte er alle freiwerdenden Ressourcen zurück in den ökonomischen Kreislauf. Es war sicher kein autoritäres Entwicklungsregime, welches die Behörden bezogen auf das Verhältnis von Verbänden und Einzelvereinen mit der Revisionsverordnung installierten, wohl aber eine strenge Erziehungsvormundschaft, die die Stabilität dieses Sektors und seines Ansehens sichern half. Widerstand gegen Decouvrierungsansprüche des Verbandes war den Einzelvereinen nur noch schwer möglich. Der intensive inhaltliche Austausch über Fragen des inneren Aufbaus und seiner Zweckmäßigkeit, der die Frühphase charakterisiert hatte, verschwand aus den öffentlichen Verbandstagungen. Er wurde, wenn er überhaupt noch stattfand, unter sehr viel ungünstigeren Bedingungen in das Gespräch zwischen Revisor und Einzelverein verlegt. Dementsprechend fielen auch die Protokolle der Verbandstage jetzt wesendich kürzer aus. Der Widerstand, die Diskussion ums Prinzip, die unkalkulierbaren Abstimmungen und die Niederlagen der Anwaltschaft gehörten der Vergangenheit an, da sich einer Solidarisierung unter den Vereinen in Grundsatzfragen kaum noch Angriffspunkte boten. Die Gesprächsfuhrung lag ganz beim Verbandsdirektor, der mit seinem Bericht, auch wenn er auf die direkte Namensnennung verzichtete, jeden Verein auf die Anklagebank setzen konnte. Wie ein Rasenmäher ging die Revision über gewachsene, lokale Strukturen hinweg. Den Berichten der folgenden Jahren ist zu entnehmen, wie viel die Vereine der Anwaltschaft an Besonderheiten ihrer inneren Struktur verschwiegen hatten. Eine Abschirmung war in dem Augenblick, wo alles offenlag, nur noch schwer möglich. Hinzu kam, daß die gesetzliche Revision jetzt auch viele bis dahin nichtorganisierte Vereine erfaßte, die die Verbandsaufsicht einer behördlich verordneten vorzogen. In Analogie zu Handwerk, Industrie und vielen freien Berufen erhielt der Selbsthilfesektor mit dem Gesetz von 1889 eine quasi-korporative Struktur. Ob das Gesetz in dieser Form zustande gekommen wäre, wenn Reichstag und Verwaltung die Ablösung der liberalen durch eine sozialdemokratische Vormundschaft bei den Konsumentenorganisationen vorausgesehen hätten, mag man mit guten Gründen bezweifeln.

220

3. Das Ende der kleinbürgerlichen Phase In der historischen Selbstinterpretation der eigenen Bewegung und ihrer Ursprünge, die sich bei den Konsumgenossenschaften nach der Jahrhundertwende in ungezählten Festschriften und anderen Darstellungen niederschlug, trugen die Jahre vor 1890 das Etikett »kleinbürgerlich«. Die verächtliche Apostrophierung bezog sich noch nicht einmal so sehr auf die soziale Basis als auf eine lokalistische Geschäftspolitik, die jede Wachstumsdynamik und den Willen zur sozialen Bewegung vermissen ließ. Bis hierher ist uns der liberal geführte Allgemeine Verband als konsequenter Motor ökonomischer Modernisierung entgegengetreten, der den organisatorischen Rationalisierungsprozeß des Selbsthilfesektors pragmatisch vorantrieb. Dieser Eindruck trifft nur eine Seite der Medaille. Die Spaltung der Selbsthilfebewegung nach der Jahrhundertwende hatte auch damit zu tun, daß sich aus der Sicht der Vereine die Allianz mit dem Liberalismus wie überhaupt die große Bedeutung kleinbürgerlicher Interessen von einem bestimmten Zeitpunkt ab immer mehr zur Fessel weiteren Fortschritts entwickelt hatte. Neben Feldern, auf denen die betriebswirtschaftliche Entwicklung vorankam, existierten andere, auf welchen der Ausbau der Vereine auffällig zurückblieb. Für keinen Aspekt gilt das mehr als für die Verbesserung des Einkaufs. Die Organisation der ersten Einkäufe hatte für die Mitglieder neugegründeter Vereinen oft besonderen Reiz und konnte das Interesse am gemeinsamen Unternehmen nachhaltig wecken. Oft weit von einer strikten Bedürfnisorientierung entfernt, erschlossen sich besonders die von Mittelschichtenangehörigen errichteten Vereine in den 1870er und 1880er Jahren die entstehende Konsumwelt mit ihren vielen neuartigen ausländischen und überseeischen Produkten. Man empfehle »den übrigen Vereine Marseiller Gries«, meldete der 1874 gerade gegründete Donaueschinger Konsumverein auf einem Verbandstag, halte »dagegen Proben mit französischem Mehle als mißlungen«. 141 Andere lobten die Vorzüge des neu eingeführten australischen Fleisches, süßer Allgäuer Butter, brasilianischen oder javanischen Kaffees und ließen sich über die Nachteile der letzten Neuheit, des amerikanischen Corned beefs, aus.142 Diese erste Phase, in der der Einkauf bei kleineren Vereinen ein abenteuerliches Unternehmen sein konnte, in der aus Sorge vor Boykott oder sonstiger Behinderung geheime Verabredungen mit Lieferanten aus dem nächsten Dorf oder der nahegelegenen Stadt getroffen wurden, in der das Erschließen billiger Bezugsquellen nicht nur Sache der Leitung war, sondern den Ehrgeiz von Mitgliedern anstachelte, ging im allgemeinen rasch vorbei. Damit verlor sich die Langmut gegenüber Unvollkommenheiten und Fehlern in der Einkaufspolitik. In einem Artikel aus dem Jahre 1875 221

mit dem beziehungsreichen Titel »Klippen der Konsumvereine« beschrieb ein Zeitgenosse aus eigener Anschauung den idealtypischen Ablauf einer Gründung und die Gefahren, die einem jungen Verein durch den Mangel an kaufmännischen Kenntnissen drohten. »Er [der Geschäftsführer, d. Verf.] setzt sich hin und kalkuliert: der Verein besteht aus 100 Mitgliedern, wenn jeder wöchendich 1 Pfd Reis kauft, gibt die Woche einen Zentner. Nach diesem Prinzip werden die Bestellungen gemacht, und doch hat sich der Mann verrechnet, es kaufen nicht alle Mitglieder, die bestellte Ware schmeckt nicht allen, es werden, um alle Mitglieder befriedigen zu wollen, verschiedene Qualitäten angeschafft und wehe, wenn der Vorstand oder der Geschäftsführer Ehrgeiz besitzt und sich gleich als großer Kaufmann dünkt und denkt, jedem Grossisten, der etwas anbietet, auch etwas abkaufen zu müssen, oder es unter seiner Würde hält, in kleinen Partien einzukaufen und für seine 4 Tischler, die er im Vereine hat, 2 0 0 Pfund Leim auf einmal bestellt oder weil 2 - 3 Mal Nachfrage geschehen, gleich 100 Pfund Wachholderbeeren anschafft ... Nicht allein muß man wissen, wie viel man einzukaufen hat, man soll auch wissen, wann und wo die Einkäufe zu machen sind. Es gibt Waren, die sind im Winter billiger als im Sommer und umgekehrt, es gibt andere Artikel, die im südlichen Deutschland andere Preise haben wie im nördlichen, es gibt Handelsartikel, die nur bei einer gewissen Behandlung sich länger auf Lager halten und bei unrichtiger Behandlung unbrauchbar werden, mit einem Wort, man muß auch etwas von der Warenkunde verstehen und das geht der Mehrzahl der Verwaltungen der Konsumvereine mehr oder weniger wohl ab.« 143 Was den autodidaktischen Kaufleuten an der Spitze der Vereine das Geschäft zusätzlich erschwerte, war, daß sich in Deutschland - Indiz der Rückständigkeit in der Ausbildung einer modernen Konsumgesellschaft geschützte Warenmarken, die relative Sicherheit hinsichtlich Preis und Qualität boten, erst spät durchsetzten. Bis zum Erlaß des ersten Markenschutzgesetzes am 30. November 1 8 7 4 ließen sich in vielen deutschen Staaten Warenzeichen frei nachmachen und firmierten ungestraft als Original. Zur gleichen Zeit waren in Großbritannien die Londoner »Trade Mark Protection Society« und in Frankreich die Pariser »Union des fabricants pour la protection internationale des Marques fabriquees et de la Repression de la Contrefa9on« bereits mächtige Organisationen, die den Markt strukturierten und damit, bei aller Problematik fester Preise und anbietergesteuerter Bedürfnisweckung, die Käuferorientierung erheblich erleichterten. 144 Je weiter sich die Vereine entwickelten, desto deutlicher trat der Zusammenhang zwischen den »Ersparnissen« und einer sachverständigen Einkaufspolitik hervor. Im Interesse der inneren Stabilität des Vereins kam es nicht nur auf eine gute, sondern vor allem auf eine gleichbleibende Waren-

222

qualität an. In keinem anderen Punkt mit Ausnahme der Dividendenhöhe erhielt sich dem Verein die Aufmerksamkeit der Mitglieder so dauerhaft wie bei der Warenqualität. An ihr entzündete sich leicht allgemeine Unzufriedenheit, die sich als lautstarker Protest auf den Generalversammlungen oder, weniger faßbar und noch schädlicher, als Fluktuation und Nachfragerückgang niederschlug. 145 Es war jedoch nicht allein das Interesse an der Sicherung einer gleichmäßigen und preiswerten Versorgung mit Waren, welches die deutschen Vereine schon früh zu Überlegungen führte, eine überbetriebliche Einkaufszentrale zu gründen. Eine solche Organisation, hoffte man, werde der Bewegung neue Impulse verleihen und ihre Ausbreitung fördern. Diese Überlegungen orientierten sich am Vorbild der 1 8 6 3 in Manchester gegründeten Co-operative Wholesale Society (CWS). Während in Deutschland die erste Gründungswelle von Konsumvereinen Ende der 1860er Jahre auslief, entwickelte sich die Wholesale Society im gleichen Zeitraum binnen weniger Jahre zum eigentlichen Rückhalt und Motor hinter der Ausbreitung der englischen Bewegung. Ihre Ressourcen alimentierten nicht nur die später entstehende Verbandsorganisation. Die Großhandelsgesellschaft finanzierte auch die Drucklegung von Flugschriften, Musterstatuten, Ratgebern und leistete in vielfältiger Weise Starthilfe bei Neugründungen. Es verwundert deshalb wenig, daß die wichtigsten Vertreter konsumgenossenschaftlicher Ideen in Süddeutschland und in Preußen auf eine Nachahmung dieser Gründung drängten. Einen ersten Versuch startete man Anfang der siebziger Jahre von Süddeutschland aus mit einer »Waaren-Einkaufsgesellschaft« in Mannheim. 146 Das Unternehmen stand von Beginn an unter einem schlechten Stern. Von seinem englischen Gegenstück unterschied es sich schon dadurch, daß sein Eigenkapital nur zum Teil von Vereinen, hauptsächlich jedoch von einzelnen vermögenden Personen stammte. Die Anlaufschwierigkeiten waren immens, das Interesse der Vereine bzw. deren absolute Masse nicht so groß, wie man es berechnet oder, besser wohl, gehofft hatte. Hinzu kam, daß sich die Gesellschaft unmittelbar in der Gründungsphase mit den Folgen des tiefen Konjunktureinbruchs von 1 8 7 3 und der davon ausgelösten Vertrauenskrise konfrontiert sah. Am 7. November 1875 liquidierte sie. 147 Über den materiellen Schaden und den Ansehensverlust hinaus hatte der Zusammenbruch die Folge, daß sich mit Eduard Pfeiffer nicht nur der Spiritus rector und Hauptkapitalgeber dieses Unternehmens, sondern der wichtigste liberale Anwalt der Konsumvereine in den 1860er Jahren aus weiterem Engagement zurückzog. 148 In den 1870er und 1880er Jahren wagte sich niemand mehr an ein ähnlich ambitioniertes Projekt. Einzelne größere Vereine organisierten gelegentliche Zusammentreffen, sogenannte Börsentage, die dem Informationsaustausch über Waren und Bezugsquellen dienten. 1 4 9 Nutzen und

223

Aufwand - Anreise am Wochenende, meist auf eigene Kosten - scheinen jedoch in keinem Verhältnis zum Wert der erhaltenen Informationen gestanden zu haben. Jedenfalls waren Klagen über mangelnde Beteiligung an der Tagesordnung. Auf der anderen Seite fragten immer wieder kleinere Vereine nach, ob die Unterverbände und der Allgemeine Verband nicht bereit seien, eine Organisation zum gemeinsamen Einkauf ins Leben zu rufen. 150 Anders als bei der Reform der inneren Struktur weigerte sich der Verband jedoch kategorisch, Hilfestellung zu leisten. »Entschieden«, vermerkte das Protokoll des 1869 in Magdeburg abgehaltenen Vereinstages, wandte sich Schulze-Delitzsch gegen Vorschläge von Konsumvereinen, eine Handelszentrale ins Leben zu rufen. Die Handvoll Delegierter der Konsumvereine unterlag bei dieser Gelegenheit einer breiten Mehrheit mittelständischer Kreditgenossenschaften, die den Antrag auf die Empfehlung eines gelegentlichen Erfahrungsaustausche zurückschnitt. 151 Einen Moment lang schien es zu diesem frühen Zeitpunkt, als werde der Verband als Folge dieser Majorisierung auseinanderbrechen und die Empörung der Konsumvereine zur Entstehung einer eigenen Organisation fuhren. Die politischen Ereignisse, die Bereitschaft der Anwaltschaft, den Konsumvereinen eine - wie sich rückblickend herausstellte - einmalige Gelegenheit zu separater Tagung im Herbst des gleichen Jahres zu geben, und wohl auch die innere Schwäche der Vereine verhinderten einen Bruch. Als fünf Jahre später das Mannheimer Experiment fehlschlug, nutzte der Allgemeine Verband unmittelbar die Gelegenheit, um in den Unterverbandsstatuten alle Bestimmungen, die auf eine zentrale Handelsgesellschaft hindeuteten, streichen zu lassen.152 Es wäre unangemessen, die Erklärung fur den ausbleibenden überlokalen Zusammenschluß der deutschen Vereine nur in den Vorbehalten des Allgemeinen Verbandes zu suchen. Daß deutsche Konsumenten dreißig Jahre lang nicht zustande brachten, was der englischen Bewegung frühzeitig gelang, hatte zweifellos auch mit ihrem allgemeinen Entwicklungsrückstand zu tun. Die relativ geringe Zahl potentieller Abnehmer beeinträchtigte indirekt auch die Großhandelsfunktion. Blieb das Unternehmen klein, war es nicht in der Lage, dezentrale Lager zu unterhalten. Dann jedoch ließen die hohen Frachtkosten die Gewinne aus einer Bestellung im fernen Mannheim leicht zusammenschrumpfen. 153 Auch die soziale Heterogenität der Vereine und die großen Unterschiede zwischen ihnen erschwerten die Zusammenfassung des Bedarfs auf der nächsten Handelsstufe. In der Praxis zogen es viele Vereine vor, sich des rasch ausbreitenden Vertreterwesens als Konnex zu den nationalen und internationalen Warenströmen zu bedienen. Jeder Selbstorganisationsversuch im Bereich des Großhandels begegnete überdies von vornherein ernstzunehmender Konkurrenz. Keiner der genannten Gründe scheint jedoch gewichtig genug, um den 224

Befund hinreichend zu erklären, zumal wenn man sie in eine vergleichende Perspektive rückt. Auch die englische Großhandelszentrale wurde zunächst nur von einzelnen Vereinen getragen und unterstützt. Und auch sie mußte sich mit einem überaus leistungsfähigen privaten Großhandel auseinandersetzen. Außerdem ist nicht ohne weiteres einsichtig, warum in den zwanzig Jahren, die auf den möglicherweise verfrühten Versuch in Mannheim folgten, kein zweiter erfolgreicher Anlauf unternommen werden konnte. 154 Schließlich existierten um 1880 in Deutschland annähernd so viele Vereine wie 1863 in England. Daß der Lebensmittelmarkt in Deutschland relativ rückständig war und den Einkäufer in besonderer Weise vor das Problem eines zuverlässigen Überblicks stellte, konnte auch als Anreiz für die frühzeitige Errichtung einer zentralen Einkaufsgesellschaft wirken. Die Anwaltschaft rechtfertigte ihre ablehnende Haltung tatsächlich denn auch weniger mit dem unentwickelten Zustand der Bewegung als mit grundsätzlichen Vorstellungen über die gesellschaftspolitische Funktion von Selbsthilfe. Bei den Konsumvereinen müsse das Hauptgewicht »auf die Tätigkeit der Vereine an den einzelnen Orten« gelegt werden. »... nur aushilfsweise, um diese zu unterstützen, namentiich gegenüber noch unerfahrenen Leitern, und so lange die Vereine für selbständige Engros-Einkäufe noch nicht entwickelt genug sind, erscheinen uns die gemeinsamen Einkäufe mit größeren und erfahreneren Vereinen von großem Wert, mit fortschreitender Entwicklung der Vereine bedürfen dieselben ihrer umsoweniger und werden sich um so leichter selbst die rechten Bezugsquellen aussuchen: jeder Verein für sich abgeschlossen, soll das Risiko für seine Geschäfte tragen und andererseits auch den Gewinn aus denselben ziehen; denn nur so, wenn die Verantwordichkeit der Verwaltung und der einzelnen Mitglieder sich auf das leichte überschaubare Geschäft des Vereins beschränkt, ... tragen die Konsumvereine die Garantie ihres Gedeihens in sich und können auch die wirtschaftliche erziehende Aufgabe lösen, die ihnen gestellt ist.«155 Die hier entwickelte Position wirkt auf den ersten Blick wie eine lineare Fortschreibung des frühindustriellen gesellschaftlichen Erwartungsmodells des deutschen Liberalismus (Gall).156 Man darf jedoch mit guten Gründen daran zweifeln, daß hier ein vormärzliches Liberalismusverständnis ungebrochen weiterwirkte. Nicht nur war der von Schulze-Delitzsch repräsentierte Flügel des Liberalismus - ganz im Gegensatz zu Raiffeisen, der an der Begrenzung seiner Kassen auf den Bereich der Gemeinde dogmatisch festhielt, um abbröckelnde primäre Gemeinschaftsbeziehungen gegen den Modernisierungsprozeß zu sichern157 - für seinen ökonomischen Pragmatismus bekannt. Mit der Gründung einer zentralen Ausgleichskasse für die Kreditgenossenschaften, der 1864 errichteten Deutschen Genossenschaftsbank, hatte er auch gewissermaßen unter den Augen der Konsum225

vereine eine beeindruckende Kostprobe dieses Pragmatismus gegeben. 158 Die tieferen Beweggründe für die Entschlossenheit der liberalen Verbandsföhrung, die Konsumentenzusammenschlüsse im lokalen Rahmen zu halten, wie andererseits fur die relativ schwachen Initiativen der Vereine selbst lagen nicht in ideologischen Vorstellungen, sondern auch in der Struktur und der sozialen Basis des Selbsthilfesektors insgesamt und den davon mitgeprägten Rahmenbedingungen. Diese Struktur war von Beginn an durch ein starkes Übergewicht der Selbständigen gekennzeichnet. Nicht nur ging die Ausbreitung der von Kleingewerbetreibenden - also Bauern, Händlern und vor allem Handwerkern (vgl. Tab. 5) - getragenen Rohstoff- und Kreditgenossenschaften dem Aufschwung der Konsumvereine zeidich in den 1850er Jahren voran. Auch in den Jahrzehnten bis zum Ende der Depressionszeit blieb die Selbsthilfebewegung der kleinen Selbständigen den Zusammenschlüssen der Konsumenten an innerem Zusammenhang und äußerer Stärke zunächst weit überlegen.

Tabelle 14: Sozialstruktur der Selbsthilfezusammenschlüsse im Allgemeinen Verband 1 8 7 5 (in Prozent) Beruf

Vorschußvereine (N=817)

Konsumvereine (N=179)

Selbständige Handwerker

33,6

18,3

Landwirte

21,8

4,0

3,8

1,8

Fabrikanten Wirte, Fuhrherren Kaufleute

5,5

2,2

10,0

3,6

8,7

41,8

16,6

28,3

Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen, Landarbeiter Übrige Gesamt

100

100

Quellen: Jahresbericht für 1 8 7 5 über die auf Selbsthilfe gegründeten Deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, hg. von H. Schulze-Delitzsch, Leipzig 1 8 7 6 , S. 7 4 , 1 2 9 und eigene Berechnungen.

226

Innerhalb des Allgemeinen Verbandes betrug ihr Verhältnis 4 : 1 . Der klaren Mehrheit kleingewerblicher Interessen, in der, um es noch einmal zu betonen, vor allem die überlegenen wirtschaftlichen Selbsthilfefähigkeiten dieser Gruppen zum Ausdruck kamen, trug die Politik der liberalen Anwaltschaft mit ihrem Widerstand gegen ein Ausgreifen der Konsumvereine auf die vorgelagerte Handelsstufe Rechnung. Die Leitung des Verbandes handelte dabei in dem klaren Bewußtsein, daß der Verzicht auf die Errichtung einer Großhandelsgesellschaft die Ausdehnung der Konsumentenselbsthilfe wesentlich erschweren, möglicherweise dauerhaft beeinträchtigen würde. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Einwände der Anwälte gegen reine Markenvereine in den frühen 1860er Jahren gesehen werden. Sie bedeuteten keinesfalls ein Plädoyer fur das Abschneiden aller Verbindungen zur Privatwirtschaft: und schon gar nicht für eine Entwicklung zu einer unabhängigen konsumgenossenschaftlichen Bewegung nach englischem Muster. Noch der Jahresbericht 1898 kommentierte eine kurzfristige Zunahme des Handwerkeranteils unter den Mitgliedern von Konsumvereinen mit der Bemerkung: »Zu wünschen wäre es, daß zwischen den Handwerkern und Konsumvereinen auch noch weitere geschäftliche Beziehungen entstehen würden, dahin nämlich, daß der Konsumverein für die Handwerker zum Absatzgebiet ihrer Erzeugnisse wird.«159 Was in den Vorbehalten der Führung zum Ausdruck kam, läßt sich auch auf der Ebene der Einzelvereine bei dem Versuch, zur Eigenproduktion oder Angliederung neuer Geschäftszweige überzugehen, beobachten. Als der Rostocker Konsumverein 1876 plante, ein Schuhwarenlager zu errichten, reichten zwanzig seiner Mitglieder auf der folgenden Generalversammlung eine Resolution ein, die den Vorstand aufforderte, »das eingerichtete Schuh- und Stiefellager des Vereins wieder aufzugeben und weiter dem Statut einen Zusatz zu geben, daß derartige Handelsgeschäfte, welche den Vereins-Handwerker schädigen, vom Consumverein nicht betrieben werden dürfen.« 160 Selbst in mitderen und größeren Städten begegneten Versuche, sich durch die Errichtung von Eigenbetrieben von lokalen Handwerkern zu lösen oder diesen auf andere Weise Konkurrenz zu machen, von innen heraus hartnäckigem Widerstand. »So oft wir auch einen neuen Geschäftszweig eröffneten«, klagte der Magedeburger Verein 1873 anläßlich der Errichtung einer eigenen Schlächterei, »begegneten wir dem Neid und der Mißgunst, die uns in unseren Bestrebungen jedoch niemals aufhalten konnten noch hindern werden.«161 Tatsächlich verfugten 1875 von 146 Konsumvereinen lediglich zehn über eine eigene Bäckerei und gerade zwei über eine eigene Fleischerei.162 Die Ursachen der Zurückhaltung wird man zunächst in den heterogenen wirtschaftlichen Interessen der organisierten Konsumenten suchen müssen.163 Ein knappes Drittel aller Mitglieder, genau 29,9 Prozent, rekrutierte 227

Tabelle 15: Sozialstruktur und Leitungsorgane der Konsumvereine im Herzogtum Braunschweig 1899 (in Prozent) Beruf

Mitglieder

Vorstände

Geschäftsführung

14,9 15,8

30,4

34,9

keine

keine

Kaufleute, Wirte

2,9

9,4

14,5

kaufm. Angestellte

1,8

keine

keine

Arbeiter

38.5

9,6

Handwerker

11.6

13,0 29,7

25,3

höhere Beamte, Pfarrer

5.5

keine

keine

Untere Beamte

8.6

12,3

12,0

0,4

5,2

3,7

Landwirte, Pensionäre Landarbeiter

Freie Berufe,

Übrige Gesamt

100

100

100

Quellen: Kolonialwaaren-Kleinhandel, S. 38, 39, berechnet nach den Angaben ebd. sowie Jahresbericht fur 1899 über die auf Selbsthilfe gegründeten Deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, hg. von Hans Crüger, Leipzig 1900.

sich im Jahre 1875 aus den Reihen der Kleingewerbetreibenden, wobei die selbständigen Handwerker nach Fabrikarbeitern und Gesellen mit rd. 18 Prozent das stärkste Kontingent stellten. Zwar ging ihr Anteil bis 1898 um sechs Prozent auf ein knappes Viertel zurück. Dem stand jedoch ihr enormer Einfluß in den Leitungsorganen der Vereine gegenüber, in denen sie im Verhältnis zur Arbeiterschaft stark überrepräsentiert blieben. Die Abnahme von Produkten vor Ort überwand, was Schulze-Delitzsch im Jahre 1858 in einer Rede vor dem Volkswirtschaftlichen Kongreß als eines der wichtigsten Hindernisse ftir die Entwicklung von Konsumvereinen in kleineren Gemeinden anschaulich beschrieben hatte: »Hier hat der Bäcker, Schuhmacher, Klempner etc. seine bestimmten Kunden, von denen er selbst wieder seinen Bedarf nehmen muß, will er sie nicht verlieren. Der Bäcker hat einen Fleischer zum Kunden und umgekehrt. Wenn der Fleischer sein Brot nicht vom Bäcker nimmt, so nimmt der Bäcker sein Fleisch nicht vom ersteren. Es ist dies ein bemerkenswertes Verhältnis, welches im kleinstädtischen Verkehr, wo sich die Leute sozusagen in den Magen sehen, den Konsumvereinen hemmend entgegentritt.« 164 Direkte und indirekte Bindungen an die Interessen der Selbständigen des Handwerks und des Handels waren das wichtigste, aber beileibe nicht das 228

Tabelle 16:

Mitglieder von Fabrik- u n d Beamtenkonsumvereinen in Schlesien 1 9 0 4 (in Prozent)

Berufs Borsigwerk gruppe 1 m w I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII

Hohenlohehütte m w

0,6

_

_

_

-

-

-

-

0,7 1,9 67,6 0,5 -

0,9 1,4 -

2,8 23,6

Gesamt 100

-

50,0 5,0 -

45,0 100

9,8 1,8 82,3 0,4 0,3 1,1 0,8

-

2,4 -

1,2 1,9 1,2 1,6 95,2

-

100

100

Laurahütte

Kattowitz

Gleiwitz

m

m

m

w

_

_

0,7

-

-

0,5 1,2 3,1 74,4 0,6 -

0,7 2,6 1,4 14,8 0,7 100

1,1 3,8 -

0,5 -

0,5 6,5 87,6 100

w -

-

-

1,1 5,2 16,7 7,8 2,4 0,2 5,2 59,2 -

-

1,0 2,5 1,0 0,3

-

-

91,2

-

-

15,9 4,2 2,3 79,1 100

0,3

w

100

3,3 0,4 100 100

100

1 Berufsgruppen: I. Selbständige Landwirte, Gärtner, Förster, Fischer; II. Gehilfen und Arbeiter bei der Land- und Forstwirtschaft, Gärtnerei und Fischfang; III. Fabrikanten, Bergwerksbesitzer, Bauunternehmer; IV. Selbständige Handwerker; V. Fabrikarbeiter, Bergarbeiter, Handwerksgesellen; VI. Selbständige Kaufleute und Händler; VII. Handlungs-, Kommis- und sonstige kaufmännische Gehilfen; VIII. Fuhrherren, Schiffseigentümer, Gast- und Schankwirte; IX. Briefträger, untere Eisenbahn-, Telegraphen- oder Postbeamte, Eisenbahnarbeiter, unselbständige Schiffer, Kellner; X. Dienstmänner, Dienstboten; XI. Ärzte, Apotheker, Lehrer, Künsder, Schriftsteller, Kirchen-, Staats- und Gemeindebeamte; XII. Rentiers, Pensionäre und andere Personen ohne Berufsausübung.

Quelle: Jahresbericht 1904, berechnet nach den Angaben ebd.

einzige innere soziale Hindernis für eine z ü g i g e A u s w e i t u n g der Mitgliederbasis. Betrachtet man die Struktur der Einzelvereine vor 1 8 9 0 , hat man ein außerordentlich großes Spektrum an Varianten vor sich, aus dem zwei klar konturierte u n d verbreitete Typen d e u d i c h hervortreten: der Selbsthilfe-Fabrikkonsumverein u n d der Zusammenschluß von Beamten. Der erste Typus lehnte sich stark an eine Fabrik an, ohne allerdings direkter Bestandteil des Unternehmens zu sein - solche Vereine g a b es zwar auch in großer Zahl, 1 6 5 sie wurden aber, da sie selbst bei großzügigster Interpretation nichts mit Selbsthilfe zu tun hatten, selten in den Allgemeinen Verband a u f g e n o m m e n . Auch der Selbsthilfe-Fabrikkonsumverein erhielt

229

bei seiner Gründung und im laufenden Geschäft indirekte Subventionen durch die Firmenleitung. Letztere stellte besonders zu Beginn oft die Räumlichkeiten, Teile des Leitungspersonals und reservierte für sich im Gegenzug einen Stammplatz im Aufsichtsrat. 166 Verbreitet war dieser Typus bei mittleren Betrieben im Bergischen Land und in montanindustriellen Gebieten: im Saarland und in Schlesien, während im Ruhrgebiet die direkt an die Unternehmen angeschlossenen Konsumanstalten dominierten. Das Interesse an einer Förderung von Selbsthilfe und unternehmerischen Tugenden in der Arbeiterschaft, an einer Erziehung zu planmäßiger Wirtschaft durch Barzahlung, an stabilen Lohnkosten durch eine Senkung der Aufwendungen für die Lebenshaltung und besonders im Bergbau, das Mißtrauen gegenüber einem nicht eingesessenen Handel motivierten die Verwaltungen und Unternehmensleitungen zu solcher Unterstützung. Er halte, rechtfertigte der preußische Handelsminister Delbrück im März 1905 im Preußischen Abgeordnetenhaus die Subventionen energisch gegenüber Kritik aus den Reihen der Mittelstandsvertreter, »die Konsumvereine unter allen Umständen da für notwendig, wo große Arbeitermengen außerhalb der Städte angesiedelt werden, und wo Vorsorge getroffen werden muß, daß sie sich ihre Bedürfnisse gut und billig ohne weite Wege beschaffen können«, und ergänzte: »In diesen Fällen halte ich es auch fur geboten, daß sich die Beamten an der Verwaltung der Vereine beteiligen, und für selbstverständlich, daß die Zechenverwaltung fur eine Kolonie u. dgl. auch das Lokal für den Konsumverein, Beleuchtung usw. zur Verfügung stellt.« 167 Selbsthilfe und innerbetriebliche Sozialpolitik überlagerten sich auch in der Eisenbahnverwaltung, einem anderen ausgesprochenen Schwerpunkt der Konsumvereinsbildung - nicht nur in Deutschland. 168 Staadiche Angestellte, Beamte und Arbeitergruppen waren Träger dieser Gründungen. Die Verwaltung behandelte auch diese Aktivität bis zur Jahrhundertwende, als der Druck des organisierten Mittelstandes über die Parlamente immer stärker wurde, mit ausgesprochenem Wohlwollen, da sie nicht verkannte, welchen positiven Einfluß die Senkung der Lebenshaltungskosten auf die Gehaltsforderungen ihrer Beschäftigten hatte. 169 Beamtenkonsumvereine entwickelten sich auch in anderen Zweigen der öffendichen Verwaltung wie etwa der Reichspost. Die günstigen Bedingungen bei den Gehaltsempfängern und Beschäftigen des öffendichen Dienstes - ein stetiges, berechenbares Einkommen der Beamten, ein relativ sicherer Arbeitsplatz der Arbeiter, materielle Hilfestellung durch die Arbeitgeber, ein wohlwollendes Umfeld, im Falle der Beschäftigten bei der Eisenbahn vor allem leichter Zugang und Vertrautheit mit den für die Heranschaffung preiswerter Lebensmittel zentralen Transportmitteln - trugen dazu bei, daß die öffentliche Verwaltung zu den am stärksten organisierten Bereichen gehörte.

230

Die an vielen Stellen bestehenden Verbindungen zwischen Betrieben und Konsumvereinen mochten lose sein und die Selbsthilfepraxis sonst nur wenig beeinflussen. Sie sorgten aber dafür, daß der Zutritt für Nichtbetriebsangehörige stark erschwert wurde und verhinderten die Verbreiterung der Mitgliederbasis. Die Gehaltsform der Einkommen bei den Beamten, davon ausgehend eine andere Bedürfnisstruktur und eine abweichende Geschäfts- und Einkaufspolitik, die eher auf niedrigere Preise als auf hohe Dividenden setzte, sowie schließlich eine ausgeprägte soziale Distanz gegenüber der Arbeiterschaft trugen dazu bei, daß es organisierte Beamte auch dort, wo es keine direkte Bindung an Subventionen durch die Verwaltung gab, zumeist vorzogen, unter sich zu bleiben. Konsumvereine mit einem Drittel Arbeitern und einem Drittel Beamten unter ihren Mitgliedern blieben die Ausnahme.170 Längst nicht alle in den 1880er Jahren bestehenden Konsumvereine waren informell geschlossene Gesellschaften. Die dörflichen oder in kleineren Gemeinden angesiedelten Vereine kannten solche Abgrenzungen nicht, sondern bildeten in ihrer Struktur den Mikrokosmos des Dorfes ohne Verzerrungen zugunsten einer besonderen Gruppe ab. Die dichteste Verbreitung fand dieser Vereinstypus in den textilindustriellen Zentren des Erzgebirges, des Vogtlandes bzw. den um Chemnitz und Leipzig herum angesiedelten Industriedörfern des Königreichs Sachsen.171 Viele dieser Zusammenschlüsse standen der Arbeiterbewegung nahe und hielten auf Distanz zum Allgemeinen Verband. Doch aufgrund der begrenzten Rekrutierungsmöglichkeiten waren ihr Wachstums- und Verbreitungspotential nicht sehr hoch. Lokale Orientierung, Konzentration auf die Vermittlung von Lebensmitteln zumeist aus zweiter Hand und ein relativ hoher Grad der Abhängigkeit von paternalistischen Strukturen bezeichneten die Hauptzüge der Bewegung vor 1890. Da die Arbeiterbewegung aus ideologischen, sozialstrukturellen und politischen Gründen in den Depressionsjahrzehnten als Träger von Konsumvereinen weitgehend ausfiel, bedeutete diese Beschränkung wahrscheinlich die wichtigste einzelne Existenzvoraussetzung der Vereine überhaupt. 172 Außer den begrenzenden, das Wachstum hemmenden Faktoren wiesen die Mitte der 1880er Jahre bestehenden Zusammenschlüsse auch Tendenzen auf, die über den bisherigen Rahmen hinauswiesen und ihn zu sprengen begannen. Die Möglichkeiten, die eine innerbetriebliche Rationalisierung bot, hatten die am meisten entwickelten Vereinen jedenfalls im Vergleich zur privaten Konkurrenz in hohem Maße genutzt. Die Einfuhrung der obligatorischen Revision im Jahre 1889 machte wahrscheinlich, daß der erreichte Standard bald auch auf die übrigen Vereine übertragen wurde. Die vertikale und horizontale Integration von Funktionen drängte sich als näch231

ster Rationalisierungsschritt förmlich auf. Das Rochdaler Muster war akzeptiert und entwickelt, aber, wie die regelmäßige Berichterstattung über die Kongresse der englischen Vereine jedem Interessierten vor Augen führte, in seinem Potential noch nicht annähernd ausgeschöpft. Der wichtigste einzelne Impuls ging neben der Einfuhrung der Revision von der Gewährung beschränkter Haftpflicht aus. Dieser Schritt hob die gesetzliche Blokkade auf, die wie keine andere den Konsumvereinen geschadet hatte. So stand die Entwicklung in den 1890er Jahren im Zeichen immer stärkerer Spannungen zwischen vorwärtsdrängenden und hemmenden Tendenzen.

232

Sechstes Kapitel Die Sozialdemokratisierung der Selbsthilfe 1890-1914

I. Defizite der Massenkonsumgesellschaft In den 1890er Jahren befand sich das Kaiserreich mit großen Schritten auf dem Weg zur Massenkonsumgesellschaft. Die absolute Zahl der im primären Sektor Beschäftigten und ihrer Angehörigen stagnierte, während ihr Anteil zwischen den Berufszählungen von 1882 und 1907 von über 40 auf deutlich unter 30 Prozent sank. 1 Unmittelbar von der Industrie lebten 1907 zehn Millionen Personen mehr als fünfundzwanzig Jahre zuvor. Die Einbindung und Versorgung erwachsener Arbeitnehmer in den Haushalt ihrer Arbeitgeber ging absolut und relativ zurück. 1882 beschäftigten die dafür in der Hauptsache in Frage kommenden Kleinbetriebe bis zehn Personen noch zwei Drittel aller Arbeitnehmer. 1914 war es noch rd. ein Drittel.2 Der häusliche Dienst setzte verstärkt Konsumenten frei, und auch auf dem Land reduzierte sich der Naturalanteil an den Löhnen deutlich, ohne zu verschwinden.3 Für den Grad der Angewiesenheit auf die Versorgung über den Markt und vorfabrizierte Lebensmittel war darüber hinaus von großer Bedeutung, daß die weibliche Erwerbsarbeit kontinuierlich zunahm. Alle verfügbaren Handels- und Konsumstatistiken für diesen Zeitraum zeigen das Bild eines sich ausdifferenzierenden Angebots. Wegen der auf lange Sicht real steigenden Einkommen - der durchschnitdiche Jahresverdienst von Arbeitnehmern in Industrie, Handel und Verkehr erhöhte sich von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg um 30 Prozent - boten sich für Lebensmittelindustrie und -Verteilung neue Expansionschancen. Trotz eines gewachsenen Spielraums wogen die Grundnahrungsmittel im Budget der Unter- und unteren Mittelschichten jedoch nach wie vor schwer. Die zahlreichen Erhebungen über die Ausgabenstruktur von Arbeiter-, Angestellten· und Beamtenhaushalten, welche die statistischen Ämter und die Gewerkschaften im Vorkriegsjahrzehnt durchführten, konvergierten darin, 233

daß selbst bei bessergestellten Arbeiterfamilien der Anteil der Lebensmittel fast nie unter 5 0 Prozent aller Ausgaben sank.4 Handel, Industrie, städtische Verwaltung und Staat reagierten mehr oder weniger rasch auf die wachsenden und sich verändernden neuen Bedürfnisse: der Staat, indem er die Sicherung der Lebensmittelqualität und der Hygienestandards aus dem Zuständigkeitsbereich gemeindlicher und einzelstaatlicher Verantwortung herausnahm und Rahmengesetze wie das Reichs-Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1 8 7 9 erließ;5 die Kommunen, indem sie mit der Einrichtung von Lebensmittelämtern zur Durchsetzung der Standards begannen und durch Anstellung von wissenschaftlich vorgebildetem Personal auf die neuartigen Formen der Verfälschung von Nahrungsmitteln reagierten. Um den Konsumenten einen möglichst direkten Zugang zu frischen Lebensmitteln zu ermöglichen, wurden, beginnend in den 1880er Jahren und verstärkt in den 1890er Jahren, in Berlin und anderswo große Markthallen mit Gleisanschlüssen errichtet, die wie hochgezogene Schleusentore wirkten. 6 Ein Zeitgenosse berechnete, daß die in Berlin täglich umgeschlagene Menge der Transportleistung von 4 0 . 0 0 0 zweispännigen Pferdefuhrwerken entsprach. 7 Auch Lebensmittelhandel und -Industrie expandierten. Die Erhöhung des Lebensstandards schlug sich im überproportionalen Wachstum der spezialisierten Lebensmittelbetriebe nieder. Die Produktion von Eis- und Mineralwasser - typische Produkte einer fortgeschrittenen Konsumgesellschaft - belief sich um 1905 auf ein Vielfaches des Standes von 1870. 8 Sowohl im Lebensmittelhandel als auch in der Industrie dominierten selbst nach der Jahrhundertwende noch die Kleinbetriebe. 1 9 0 7 lag die durchschnitdiche Beschäftigtenzahl in Bäckereien bei 2 , 9 , in Mühlen bei 2,7. 9 Auch Kaffeeröstereien, Kakao- und Schokoladen- und die seit 1 8 9 5 aufkommenden »Kunstbutter«-, sprich Margarinefabriken, gehörten zu den Mittelbetrieben an der Grenze zum Kleinbetrieb. Handel und Vertrieb waren oft nicht getrennt: der Limonadenhändler an der Ecke stellte seine Brause in der Regel noch selbst her. Alles in allem handelte es sich um eine stark dezentralisierte, gering maschinisierte Branche mit schwierig zu sichernden Qualitätsstandards. In der zeitgenössischen Presse breiteten sich Klagen über Verfälschungen und Mißbräuche schubartig aus. Ihr Schwerpunkt verlagerte sich vom Gewicht zu den mit bloßem Auge und der Waage nicht mehr eindeutig auszumachenden Manipulationen an der Zusammensetzung der Produkte durch die übermäßige Beigabe der - wegen der verlängerten Wege - notwendig gewordenen Konservierungsstoffe, der künstlichen Farben usw.10 Hierbei fiel nachteilig ins Gewicht, daß die Praxis der Kontrollen und Qualitätssicherung über drei Jahrzehnte hinweg auf Grund mangelnder Initiative der Behörden und der Interessenpolitik der Nahrungsmittelindustrie hintangehalten worden war. Dieser gelang es zeit-

234

weise beinahe, die staatlich vereidigten Nahrungsmittelchemiker zugunsten gewerblicher Prüfer zurückzudrängen. 11 Die regional geprägten Verbrauchsgewohnheiten und die Hygienestandards in den einzelnen Bundesstaaten lieferten wichtige Argumente, um eine reichs- einheidiche Festlegung zu blockieren. Erst 1910 vollzog Preußen unter wachsendem öffentlichem und wissenschaftlichem Druck eine radikale Kehrtwendung. Ein Ministerialerlaß vom 24. August 1910 sicherte die Vorrangstellung vereidigter Chemiker rechdich ab und beschränkte die Zulässigkeit gewerblicher Prüfer auf wenige Ausnahmen. 12 1907, also fast drei Jahrzehnte nach dem Erlaß des Nahrungsmittelgesetzes, zählte der preußische Städtetag unter seinen Mitgliedern nur 23 Gemeinden mit einem eigenen chemischen Untersuchungsamt. 13 Ganze sechs davon waren älter als zwanzig Jahre. Das Gefalle in der Kontrolldichte zwischen den Bundesstaaten war riesig. Die Zahl der Kontrollen pro Einwohner lag in Bayern 1903 mehr als sechsmal höher als in Preußen und mehr als funfzehnmal höher als im benachbarten Württemberg. 14 Von einer effektiven und vor allem allgemeinen Sicherung der Mindeststandards fur Lebensmittel durch die öffendiche Verwaltung konnte bis zum Ersten Weltkrieg im Deutschen Reich nicht die Rede sein - und während des Krieges schon gar nicht.15 Bezogen auf den einzelnen Konsumenten bedeutete das, wer besonders preiswert einkaufen wollte und mußte, lief ein weit überproportionales Risiko, schlechte und gesundheitsschädigende Waren zu erhalten.16 Doch nicht nur die Verfälschung von Lebensmitteln erhielt sich als Problem des Konsumenten. Steigende Preise der wichtigsten Grundnahrungsmittel stoppten seit der Jahrhundertwende langfristige Trends zur Verbesserung der Lebenshaltung. Die Brot- und vor allem die Fleischpreise stiegen seit Mitte der neunziger Jahre kontinuierlich, nach der Jahrhundertwende sprunghaft an. Der durchschnittliche Fleischverbrauch pro Kopf im Jahre 1913 entsprach annähernd dem Stand von 1896. Das waren immerhin mehr als anderthalb Jahrzehnte ohne Fortschritt. 17 Nach 1910 spitzte sich die Situation zu. Arbeiter- und Angestelltengewerkschaften wie auch die Verbände der Beamten protestierten mit besonderen »Teuerungsversammlungen« gegen die Folgen dessen, was man weithin als »Junkerpolitik« ansah.18 Unter dem Druck der öffendichen Meinung ging der Städtetag so weit, über direkte Eingriffe in den Lebensmittelhandel nach dem Muster vorindustrieller Teuerungspolitik zu beraten. Einzelne Importbeschränkungen wurden gelockert. Im Ruhrgebiet gaben Kommunen wie Essen, Buer, Wattenscheid Kartoffeln, Gemüse, vereinzelt auch Fleisch und Seefische zum Selbstkostenpreis an die ärmere Bevölkerung ab.19 Insgesamt 78 Städte im ganzen Reich beteiligten sich an der Aktion. Die Teuerungserscheinungen entsprachen einem internationalen Trend, der jedoch, so jedenfalls die eindeutige und allgemein verbreitete Wahrneh235

mung der Zeitgenossen, durch Einfuhrbeschränkungen im einseitigen Interesse des ostelbischen Großgrundbesitzes unerträglich zugespitzt wurde. »Deutschland habe die teuersten Lebensmittelpreise der Welt, das Fleisch sei fur die Massen zum Leckerbissen geworden«, hielt der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Philipp Scheidemann der Reichsregierung vor.20 Teuerung verwies auf Zölle, und Zölle auf Parlamentarisierung und Grundfragen der inneren Ordnung des Kaiserreichs. Das auf diese Weise geweckte Konsumentenbewußtsein schuf neue Frontlinien in der deutschen Gesellschaft am Vorabend des Weltkrieges. Es verlieh einer sich zuspitzenden Sozialkritik und dem weit verbreiteten Gefühl, daß sich die bestehende Ordnung auf eine Krise zubewege, große Schubkraft. Gerade diejenigen Teile der Arbeitnehmerbewegung, die der Sozialdemokratie fernstanden oder sich, wie Angestellte und Beamte, noch mehrheidich wirtschaftsfriedlich organisierten, fanden in der Figur des »Konsumenten« einen neutralen, aus ihrer Sicht nicht politisch stigmatisierten Bezugspunkt des Protestes. Charakteristisch für den Konsumentenprotest des späten Kaiserreichs war jedoch auch, daß es ihm nur in einigen Ansätzen gelang, berufsständische und politische Fesseln abzustreifen. Die sozial- und weltanschaulich scharf gespaltene Arbeitnehmerbewegung, ganz zu schweigen von den Vereinigungen der Selbständigen, die gegen die Teuerung protestierten, marschierten und schlugen im großen und ganzen gesehen weiterhin getrennt.

II. Zweiter Wind und langer Aufschwung der Vereine 1. Gründungsfieber Betrachtet man die Entwicklung der deutschen Konsumentenzusammenschlüsse zwischen dem Ende der Depressionszeit und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Spiegel ihrer englischen Schwesterbewegung, entsteht der Eindruck einer gleichzeitigen Annäherung und Entfernung. Im Grad der Ausbreitung, der wirtschaftlichen Stärke holten die deutschen Vereine mit Riesenschritten einen großen Teil des ursprünglichen Rückstandes auf. Während sich jedoch die englische Bewegung im Zuge ihres Wachstums, dem Schwergewicht einer klassenübergreifenden heterogenen sozialen Basis folgend, immer weiter entpolitisierte und alle Appelle zu einem neuen Aufbruch mit der Arbeiterbewegung unter dem Dach der Labour Party aufgrund ihrer starken unabhängigen Position zurückweisen konnte, gewann die deutsche Bewegung parallel zur Ausdehnung eher 236

schärfere politisch-weltanschauliche Konturen. Darüber zerbrach ihre Einheit. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs verteilten sich die Konsumvereine ähnlich wie die Gewerkschaften auf die drei großen Lager des Liberalismus, des politischen Katholizismus und der Sozialdemokratie. Der scharfen politischen Markierung der Selbsthilfebewegung der Konsumenten und der Verschmelzung mit weltanschaulich-politischen Lagern korrespondierte, wiederum im Unterschied zu Großbritannien, ein weitgehender Verlust an gesamtgesellschaftlicher Unterstützung. Kollektive Selbsthilfe als Rezeptur der Sozialreform schien nach Reichsgründung und Gründerkrach weitgehend abgeschrieben. Nicht nur radikale Sozialkritiker wie Friedrich Engels, der von »Almosenvereinen« sprach, sondern auch die große Mehrheit bürgerlicher Sozialpolitiker und -Wissenschaftler zweifelte an der Tragfähigkeit dieser Lösungsform. Das Zurücktreten des älteren Centraivereins für das Wohl der arbeitenden Klassen als Clearingstelle sozialer Reform hinter dem neugegründeten, staatsorientierten Verein für Sozialpolitik signalisierte die Umorientierung nach außen hin. 21 Tatsächlich datierten die ersten genossenschaftlichen Gründungen im Jahrzehnt der Reichsgründung bereits ein Vierteljahrhundert zurück, und im Blick auf diese lange Zeitspanne schien ein apodiktisch-kritisches Urteil nicht unberechtigt. Wie Fossile einer untergegangenen Epoche ragten Altliberale wie Schulze-Delitzsch und seine Jünger in eine neue Zeit, die von mächtigen Organisationen und Rufen nach dem Staat geprägt war. Um so näher liegt vor diesem Hintergrund die Frage, woher der »zweite Wind« stammte, der die in einem ganz anderen Kontext entwickelten Selbsthilfeformen entgegen allen Prognosen noch einmal weit voranbrachte und dabei zu einer Größe trieb, die ihre Kritiker nicht geahnt und ihre Förderer zum Teil nicht einmal gewollt hatten. Wieweit veränderten sich dabei die tradierten Formen bzw., unter der Oberfläche, ihr konkreter Inhalt? Wie verhielt sich unternehmerische Selbsthilfe von Unterschichten überhaupt zu den neuen aufsteigenden Mächten des Staates und der Verbände? Daß der Platz von Selbsthilfe in den Ordnungsvorstellungen der Jahrzehnte um die Jahrhundertwende nicht mehr der des Vormärz sein konnte, war klar. Andererseits war sie nun allein vom äußeren Umfang her so groß, daß sie sich schwerlich ignorieren ließ. Welchen Stellenwert gewann sie in der Gesellschaftspolitik des späten Kaiserreichs? Das genossenschaftliche Gründungsfieber, welches die Wilhelminische Gesellschaft kurz vor der Jahrhundertwende erfaßte, hinterließ seine Spuren, das sei ausdrücklich hinzugefugt, nicht nur bei den Konsumenten. Keine Stadt, keine Landgemeinde, keine Berufsgruppe von Arbeitnehmern und kleinen Selbständigen, die nicht heftig davon geschüttelt wurde. In den zwanzig Jahren zwischen 1 8 9 0 und 1 9 0 9 entstanden im Deutschen Reich an jedem Werktag fast vier (3,8) neue Genossenschaften, die geschei-

237

terten Gründungen nicht gerechnet. 6.777 existierten am 31. Mai 1890, 29.497 Ende Mai 1909, 22 Allein in Berlin zählte der Allgemeine Verband 1905 nicht weniger als 40 Kreditvereine, in deren Aufsichtsräten Fabrikanten, Stadträte, Klempnermeister, Architekten, Biergroßhändler, Dachdekker und Gutsbesitzer einträchtig nebeneinander saßen.23 Niemand war von dieser Entwicklung mehr überrascht als die traditionellen Förderer der genossenschaftlichen Unternehmensform. »Dieses Wettrennen ... um die Höchstzahl von Neugründungen«, orakelte der Allgemeine Verband 1905 sichtlich konsterniert, müsse »zu einer Gefahr für die solide Entwicklung des Genossenschaftswesens« werden. 24 Ein Bedenken, welches sich zumindest bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs als unbegründet erweisen sollte. Vor diesem Hintergrund setzte auch der Aufschwung bei den Konsumvereinen ein und führte in wenigen Jahren zu einer Verdoppelung, nach der Jahrhundertwende zu einer Vervielfachung der Gründungen. Allein im Jahr 1900 kletterte die Zahl neuer Konsumvereine um 70 und übertraf damit den gesamten Zuwachs der achtziger Jahre von 53 Vereinen. Zwischen 1900 und 1914 lag die Zahl der Neugründungen in einer Reihe einzelner Jahre annähernd so hoch wie der Gesamtbestand des Jahres 1885. Vor dem Ausbruch des Weltkrieges gehörten den drei großen Verbänden - dem liberalen »Allgemeinen Verband der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften«, dem sozialdemokratischen »Zentralverband deutscher Konsumvereine« und dem christlich-katholischen »Reichsverband deutscher Konsumvereine« - zusammen 1.563 Einzelvereine an, gegenüber 1870 111, 1880 195, 1890 263 und 1900 568. Zum selben Zeitpunkt registrierten die Behörden unter Einschluß der unorganisierten Vereine 2.415 eingetragene Konsumgenossenschaften. Parallel zu den Neugründungen nahm die Mitgliederzahl zu. Bis zum Ersten Weltkrieg verzehnfachte sie sich gegenüber dem Ausgangsstand und überschritt die Zwei-Millionen-Grenze. Während der Wachstumssprung auf einen Entwicklungsbruch schließen läßt, liefert eine Landkarte der Neugründungen dagegen Belege fur Kontinuität, darunter vor allem auch für das Weiterwirken von Organisationstraditionen. Eine deutliche Verschiebung in den regionalen Schwerpunkten von Konsumvereinsgründungen fand bereits in den 1860er Jahren statt. Nachdem zunächst die meisten Vereine im Rheinland, in norddeutschen Küstenstädten und Berlin entstanden waren, schälten sich bis zum Ende der 1860er Jahre das Königreich und die Provinz Sachsen sowie die süddeutschen Staaten als die eigentlichen Kernlande der Konsumvereine heraus. Um 1900 operierte wie schon um 1875 mehr als die Hälfte aller Konsumvereine in diesen drei Gebieten - mit leicht fallender Tendenz im Kö238

Tabelle 17: Regionale Ausbreitung von Konsumvereinen 1 8 6 3 - 1 8 7 4 - 1900 Zahl der berichtenden Vereine in Prozent absolut 1863

1874

1900

1863

1874

1900

Kgr. Sachsen

4

132

267

6

22

19

Prov. Sachsen

3

69

253

5

11

18

Süddeutschland

2

108

210

3

18

15

Rheinland/Westf.

20

61

43

30

10

3

Nordwestdeutschland

11

35

164

17

6

12

5

59

84

7

9

6

Region

Schlesien Brandenburg

10

37

73

15

6

5

Übrige

11

109

299

17

18

22

Gesamt

66

610

1.393

100

100

100

Quelle: Jahresberichte des Allgemeinen Verbandes 1863ff., eigene Berechnungen

nigreich Sachsen und in Süddeutschland, ansteigend dagegen in der Provinz Sachsen. Die bedeutsamsten Verschiebungen im Zusammenhang mit der großen Gründungswelle nach 1890 fanden zunächst im Nordwesten statt. In den norddeutschen Küstenstädten und ihrem Hinterland verfünffachten sich zwischen 1875 und 1900 die Vereine. Die dort seit 1890 entstehende, am dynamischsten wachsende »Hamburger Richtung« entwickelte sich ökonomisch wie politisch zum tonangebenden Zweig. Erst nach der Jahrhundertwende holten die Vereine im Rheinland und in Westfalen stark auf. Ursprünglich das Schlußlicht noch hinter Bayern, verbesserten sich die preußischen Westprovinzen bis zum Ersten Weltkrieg mit 12,5 Prozent aller Mitglieder auf den dritten Platz hinter Sachsen (19,5), Nordwestdeutschland (15,1) und vor Mitteldeutschland (7,4). 25 Erleichtert wurde diese Entwicklung durch eine veränderte Einstellung der katholischen Kirche gegenüber den Vereinen und die Folgen des raschen Urbanisierungsprozesses, die dazu beitrugen, daß die soziale Herrschaft der schwerindustriellen Arbeitgeber über ihre Werke und das städtische Vorfeld abzubröckeln begann. Den Zusammenhang von Urbanisierung und Konsumvereinsgründung beleuchtete eine ausfuhrliche Untersuchung der statistischen Abteilung der 239

Preußischen Genossenschaftskasse aus dem Jahr 1911. 26 Rd. 27 Prozent aller Stadtgemeinden, doch nur 1,8 Prozent aller Landgemeinden in Preußen verfügten zu diesem Zeitpunkt über mindestens einen Konsumverein. Dort, wo Urbanisierung und Industrialisierung weit zurückgeblieben waren, wie in Ost- und Westpreußen, Posen und Pommern blieben auch Konsumentenzusammenschlüsse gleichermaßen in Stadt- und Landgemeinden eine Ausnahme. Innerhalb der Ortsgrößenklassen wiesen die Gemeinden zwischen 75.000 und 100.000 Einwohnern den höchsten Organisationsgrad auf. Läßt man die Extremwerte außer acht, erscheinen die Klassen zwischen 10.000 und 300.000 Einwohnern relativ gleichmäßig hoch besetzt. Ahnlich wie in Großbritannien blieben die Metropolen, das heißt die Städte über 500.000 Einwohner, ein steiniges Pflaster unternehmerischer Selbsthilfe von Konsumenten. 27 Die Zuwachsraten bei der Mitgliedschaft übertrafen seit den 1890er Jahren die des Bevölkerungswachstums, eine Voraussetzung dafür, daß der Organisationsgrad der Konsumenten anstieg. Grundsätzlich repräsentierte um die Jahrhundertwende im allgemeinen noch ein Mitglied einen ganzen Haushalt. Daran änderte auch die nach der Jahrhundertwende langsam einsetzendende Feminisierung der Mitgliedschaft wenig.28 In den Augen vieler Vorstände lief der Erwerb von zwei oder mehr verzinsten Geschäftsanteilen pro Familie auf eine ungerechtfertigte Selbstprivilegierung hinaus, die man durch die Aufnahme nur eines Haushaltsmitgliedes zu unterbinden suchte. Die meisten zeitgenössischen Berechnungen multiplizieren die Mitgliederzahlen der Vereine mit dem Faktor vier, legten also theoretisch eine unterdurchschnittliche Familiengröße zugrunde 29 Der niedrige Ansatz sollte den Anteil nichtproletarischer Mitglieder mit kleineren Familien sowie den schwer bestimmbaren Prozentsatz von Einpersonenhaushalten kompensieren. Auf dieser vorsichtigen, die Reichweite der Vereine eher untertreibenden Grundlage kommt man für Preußen Anfang 1911 auf einen durchschnittlichen Organisationsgrad in Stadt- und Landgemeinden von acht Prozent. Läßt man die Landgemeinden außer acht, erhöht sich der Wert auf rd. dreizehn Prozent und steigt in der am dichtesten organisierten Größenklasse, den Gemeinden zwischen 75.000 und 100.000 Einwohnern, auf rd. 28,5 Prozent. 30 Die preußischen Werte waren in den für die sächsische Industrialisierung typischen kleineren Städten und Landgemeinden zum Teil schon um die Jahrhundertwende erreicht worden. Um 1900 betrug, um ein Beispiel aus der Amtshauptmannschaft Plauen zu wählen, der Erfassungsgrad in der Kreisstadt Plauen bereits 23,9 Prozent, das benachbarte Netschkau erreichte 42,4 Prozent, Mylau kam auf 51,7 Prozent, und in der Kleinstadt Reichenbach gehörten wahrscheinlich fast alle ortsansässigen Familien (97 Prozent) dem Konsumverein als Mitglieder an.31 Auch wenn eine solche 240

hundertprozentige Erfassung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs die absolute Ausnahme blieb, verkörperten die sächsischen Verhältnisse doch so etwas wie die Zukunft: unternehmerischer Konsumentenselbsthilfe im Kaiserreich bis zum Ersten Weltkrieg. Tatsächlich organisierte sich 1914 rechnerisch bereits jeder achte Deutsche über die Mitgliedschaft eines Haushaltsangehörigen in einem Konsumverein, während einzelne mittlere Industriestädte auf Organisationsgrade von 60 Prozent und mehr kamen. 32

2. Verschiebungen in der sozialen Basis Ausbreitung und Mitgliederwachstum der Vereine wurden von auffälligen Verschiebungen in der sozialen Basis begleitet, die über die gleichzeitig ablaufenden Veränderungen in der Erwerbsstruktur weit hinausgingen. Obwohl sich etwa die Zahl der Beamten und Angestellten absolut und relativ stark vermehrte, fiel ihr Anteil unter den organisierten Konsumenten gegenüber den 1870er Jahren erheblich zurück. Am auffälligsten wirkt der Rückgang bei den Kleingewerbetreibenden. Ihre Bereitschaft, Konsumentenzusammenschlüssen beizutreten, ließ so sehr nach, daß sich die ursprüngliche Überrepräsentation ins Gegenteil verkehrte. Sozialstrukturelle und ideologische Abstoßungsprozesse korrelierten offensichtlich eng. Daß Kommerzialisierungsprozesse zunehmend auf dem Land vordrangen, belegte das Wachstum der Landarbeiterschaft unter den Mitgliedern, auch wenn die Unterrepräsentation nach wie vor stark ausgeprägt blieb.33 Zum Hauptrekrutierungsfeld der Konsumvereine wurde nach der Jahrhundertwende die stark wachsende Gruppe der Lohn- und Gehaltsempfänger, und das hieß, wie die differenzierte Statistik des Allgemeinen Verbandes erkennen läßt, vor allem der industriellen Lohnarbeiterschaft. In vielen großstädtischen Vereinen waren nach der Jahrhundertwende Arbeiter praktisch unter sich. Unter den 35.098 Mitgliedern der Hamburger »Produktion«, des mit einigem Abstand größten deutschen Konsumvereins vor 1914, befanden sich gerade noch 1044 Händler und Gewerbetreibende (= 3 %), 390 Wirte (= 1,1%) und lediglich 255 (!) (= 0,7%) Angestellte - ein zusätzlicher Hinweis auf die große soziale Distanz zwischen Arbeitern und Angestellten im kaiserlichen Deutschland. 34 Die Mitgliederstruktur der »Produktion« deutet zusammen mit den Angaben anderer Vereine darauf hin, daß die deutsche Konsumvereinsbewegung weit bis in die un- und angelernte Arbeiterschaft hineinreichte. Unter den genannten rd. 35.000 Mitgliedern befanden sich 8.009 »Arbeiter ohne Berufsangabe«, 491 »Fabrikarbeiter«, 1.607 »Handels- und 241

Tabelle 18: Sozialstruktur organisierter Konsumenten 1 8 7 6 - 1 9 1 3 (in Prozent) Beruf

Selbständige Landwirte

1876 Mitglieder Erwerbsper(N=72.800) sonen 18822

3,6

11,3

Selbständige Gewerbetreibende

25,8

Freie Berufe u. Beamte

18,1

1913 Mitglieder Erwerbs (N=2.004.600) personen 1907

2,1

8,0

14,3

7,6

9,5

5,1

9,8

5,5

42,2

33,4

69,7

42,8

Landarbeiter

3,2

28,9

2,9

23,1

ohne bestimmten Beruf

7,1

7,0

7,9

11,1

Gehalts- u. Lohnempfänger in gewerblichen Betrieben u. Haushalten

Gesamt

100

100

100

100

1 U m die Zahlen vergleichbar zu machen, wurden folgende Gruppen aus der Tabelle von 1 8 7 6 zusammengefaßt, und zwar III, IV, VI und VIII zu den selbständigen Gewerbetreibenden, V, VII und X zu den Gehalts- und Lohnempfängern, IX und XI zu den Freien Berufen und Beamten. 2 Die Angaben über die Erwerbsstruktur sind nicht direkt mit denen der Mitgliederstatistik vergleichbar. U.a. fehlt die Gruppe o. best. Beruf. Quellen: Jahresberichte des Allgemeinen Verbandes 1 8 7 6 , 1 9 1 3 ; Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 66ff. Berechnet nach den Angaben ebd.

Transportarbeiter«. 35 Auch wenn eine sichere Zuordnung solcher Berufsangaben zu Qualifikationen nicht möglich ist, scheint es plausibel, hinter den aufgeführten Bezeichnungen überwiegend Angehörige von NichtFacharbeiterberufen zu vermuten, zumal die Statistik daneben über vierzig einzelne handwerkliche Berufsbezeichnungen ausweist. Demnach befanden sich unter den Mitgliedern der Hamburger »Produktion« immerhin ein Drittel un- und angelernte Arbeiter.36 Daß es sicherlich auch im Hamburger Fall Typen von Arbeitern gab, die von der konsumgenossenschaftlichen Organisationsform des »leichten Sparens« durch relativ hohe Preise und dreimonatige Dividendenausschüttungen ausgeschlossen blieben,

242

wird man ohne weiteres annehmen dürfen. Immerhin scheint es bemerkenswert, daß sich in der deutschen Arbeiterbewegung, die sonst in der Frage selektiver, die Solidaritätsnorm bedrohender Organisation hochempfindlich reagierte, keine vergleichbare Debatte über den elitären Charakter der Konsumvereine entspann wie in England. Die Verschiebungen in der Basis der Konsumentenbewegung ratifizierten gleichsam langfristig angelegte wirtschafte- und sozialstrukturelle Veränderungen, die dazu beitrugen, daß sich die als Schnittmengen gedachten Lagen von Lohnarbeitern und Konsumenten breit überschnitten. So war der Prozeß der Umwandlung der Natural- in Geldlöhne im letzten Viertel des 19. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen, 37 abgesehen von begrenzten Deputaten, die die Herausbildung von Konsumenteninteressen aber nicht mehr wirksam hemmten. 38 Verknappung und Verteuerung des Bodens machten den Erwerb genügend großer Ackerstücke, um auf ihnen den Bedarf der nötigsten Lebensmittel zu produzieren, selbst fur ländliche Arbeitnehmer zur Seltenheit. 39 Als Ergänzung des Haushalts lebten die Landwirtschaft und die Kleintierhaltung bei Teilen der Arbeiterschaft: und der Mittelschichten außerhalb der Großstädte in nicht unbeträchtlichem Ausmaß fort, und einzelne Konsumvereine erläuterten jahreszeidiche Umsatzschwankungen mit dem Einfluß der Zusatzversorgung vieler Haushalte aus eigenen Gärten. 40 Zugleich gewannen Familienorientierung und überindividuelles Versorgungskalkül bei vielen jüngeren, organisationsbereiten Arbeitern einen festen Stellenwert. Ortsfest im strikten Sinne war allerdings die Arbeiterschaft auch um die Jahrhundertwende noch lange nicht. Zwar spielte sich, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, ein Großteil des kurzfristigen Wechsels innerhalb der Städte zwischen verschiedenen Wohnquartieren ab, 41 doch ergaben sich daraus nach wie vor besondere Probleme für den Betrieb eines Konsumvereins, der nur als Nachbarschaftsverein mit kurzen Anmarschwegen effektiv florierte. Wichtig war ferner, daß sich paternalistische Versorgungsverhältnisse, die Arbeiternehmer vom Lebensmittelmarkt fernhalten konnten, bis zur Jahrhundertwende stark zurückgebildet hatten. Dies gilt mit der Einschränkung, daß im Schlafgängerwesen für einen Teil der jungen unverheirateten Arbeitnehmer Haushaltseinbindung und Fremdversorgung fortlebten 4 2 und daß, auf einer anderen Ebene, etwa der flächendeckende Aufbau fabrikeigener Konsumanstalten in der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie dafür sorgte, daß ähnlich wie bei den Gewerkschaften die Konsumvereinsbewegung in diesem industriellen Ballungsraum bis 1 9 0 0 kaum vorankam. 43 Gründungsbeschreibungen, in denen arme Weber beim Schein von Kerzen oder Petroleumlampen monatelang Pfennig auf Pfennig legten, an Sta-

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tuten feilten, um nach Jahresfrist zur Errichtung eines Vereins zu schreiten, wirkten um die Jahrhundertwende im allgemeinen bereits wie Sagen aus ferner Zeit. Der durchschnittliche Facharbeiterhaushalt um 1900 war weit davon entfernt, hohe Überschüsse zu erwirtschaften. Blickt man jedoch auf das weitverzweigte Vereinswesen und die zweifellos vorhandenen, mit Aufwendungen verbundene Mehrfachmitgliedschaft in Organisationen, an die in die Millionen gehenden Abonnements der Arbeiter- und Massenpresse überhaupt, an die vielen neben der Sozialversicherung existierenden, auf Angehörige der unteren Mittelschichten und der Arbeiterschaft als Nachfragemarkt zugeschnittenen privaten Versicherungsangeboten, bleibt nur der Schluß übrig, daß für Teile dieser Gruppen die Finanzierung eines Genossenschaftsanteils weniger ein Problem der Askese als eines der Auswahl unter konkurrierenden Angeboten war. Der Anstieg der Realeinkommen bildete dafür die wichtigste einzelne Ursache.44 Hinzu kam, daß der Genossenschaftsanteil fast nie auf einmal erworben werden mußte. Die Regel war, daß das beitretende Mitglied ein »Eintrittsgeld« - zwischen 1 und 5 Reichsmark - entrichtete, und den Geschäftsanteil - zwischen 15 und 30 Reichsmark - aus den Rückvergütungen bezahlte. Überdies fehlte es nicht an Beitrittsanreizen. Nach wie vor belastete das heftige Schwanken der Einkommen bei fast allen Arbeitern die vorausschauende Haushaltsführung und die Erhaltung eines Mindestmaßes an bürgerlicher »Respektabilität«. Bei Dividenden von zehn Prozent, gelegentlich auch mehr, sprach das individuelle Nutzenkalkül nachdrücklich für den Konsumverein. Eine regelmäßige Beteiligung vorausgesetzt, ließen sich im Laufe eines Jahres auf diesem Wege etwa zwei Wochenlöhne ersparen.45 Die wachsende Neigung der industriellen Arbeiterschaft, sich als Konsumenten zu organisieren, und der damit einhergehende Wandel in der sozialen Basis der Vereine hinterließen ihre Spuren zuletzt in der Politik. Im Jahre 1910 zog die sozialdemokratische Partei ihre Konsequenzen aus dieser Entwicklung. Auf dem Magdeburger Parteitag akzeptierten die Delegierten in einer Resolution »die genossenschaftliche Tätigkeit [als] eine wirksame Ergänzung des politischen und gewerkschaftlichen Kampfes für die Hebung der Lage der Arbeiterklasse« und sagten ihre Verteidigung »in der Presse und in den parlamentarischen Körperschaften wider die Angriffe ihrer Gegner« zu.46 Das grundsätzliche Bekenntnis der Sozialdemokratie zu den Konsumentenvereinigungen schwächte wesentliche Spannungen im Verhältnis von organisierter Selbsthilfe und organisierter Arbeiterbewegung ab, ohne daß dies, wie man annehmen könnte, eine »Normalisierung« i. S. eines Einpendeins der Entwicklung auf einen ohnehin fiktiven mittleren Pfad bedeutet hätte. Auch im Zeichen des sozialdemokratischen Revisionismus reproduzierten sich in den Beziehungen beider Bewegungen langfristig 244

angelegte Weichenstellungen mit deutlichen Auswirkungen auf die innere und äußere Entwicklung der Konsumentenbewegung im späten Kaiserreich.

III. Arbeiterkonsumvereine 1. Primat der Politik u n d Selbsthilfe in der Entwicklung Die organisierte Selbsthilfe von Konsumenten war mit der frühen Bewegung der Lohnarbeiterschaft ursprünglich in dreifacher Weise verbunden: ideell über die kollektive anti-paternalistische Stoßrichtung von Selbsthilfe, praktisch-emanzipatorisch durch das Interesse an der Herauslösung aus patriarchalischen, die Bewegungsfreiheit hemmenden Versorgungsstrukturen in Meisterhaushalt und Betrieb und gesellschaftspolitisch durch die offenkundige Eignung des Konsumvereins als Mittel zur Ansammlung von Gründungskapital für eine Verselbständigung. In allen drei Funktionen hatten sich Arbeiter bereits 1848 für das Prinzip der Konsumentenorganisation interessiert und es aufgegriffen. Dies fand seine Fortsetzung im Reichsgründungsjahrzehnt, als sich die liberalen Arbeiterbildungsvereine zu den wichtigsten Kristallisationskernen für Konsumvereinsgründungen entwickelten und ihre Organe die Plattform für die Verständigung über alle Fragen der zweckmäßigen Organisation und gesellschaftspolitischen Funktion abgaben. 47 In diesen Einrichtungen, zumeist auf Anregung, mit praktischer Unterstützung und unter der Vormundschaft bürgerlicher Liberaler lernte jene noch sehr kleine aktive Minderheit organisierter Arbeiter die Selbsthilfeform Konsumverein das erste Mal kennen. Die 1860er Jahre brachten zugleich eine erste folgenreiche Zäsur im Verhältnis von Konsumenten- und Arbeiterbewegung. Die Arbeiter-Produktivgenossenschaft, also jene für die handwerkliche Phase der Arbeiterbewegung charakteristische Leitvorstellung, in der die vorindustrielle Hoffnung auf beruflichen Aufstieg durch Verselbständigung mit den neuartigen Erfahrungen und Erwartungen des Industriezeitalters zusammenflössen, überschritt im Reichsgründungsjahrzehnt ihren Zenith. 48 In der Praxis kaum vermittelbare innere Widersprüche, der weitere Fortschritt der Industrialisierung und das abrupte Wechselbad von Hochkonjunktur und tiefer Wirtschaftskrise Anfang der 1870er Jahre beendeten die Konjunktur dieses Modells schlagartig. Damit entfiel aus der Lohnarbeiterperspektive das Interesse an der Kapitalsammeifunktion des Konsumvereins. Ohnehin war diese Verknüpfung immer nur von einem Teil der organisierten Arbeiterbewegung favorisiert worden. Schon 1848, vor allem jedoch in den 245

Tabelle 19: Arbeiterbildungsvereine (VDAV) und Konsumvereine 1 8 6 7 / 6 8 nach der Statistik des VDAV Land

Zahl der Arbeiterbildungsvereine angeschlossene insgesamt Konsumvereine

Baden Württemberg Bayern Sachsen Alte preußische Provinzen Thüringen Beide Hessen/ Nassau Hannover Oldenburg Hamburg, Schleswig-Holstein Braunschweig Zusammen

1

Bekannte Kon- Der Anwaltsumvereine in Schaft bekannte der Umgebung Konsumvereine 1868

9 17 9 19

2 6 2 4

2 2 2 9

14 6

5

5

-

-

-

-

9 9 2

3 1 1

4 2 1

10 6 1

1 1 29

8 7 175

2 2 98

-

1 25

11 19 12 91

Zur Statistik der Anwaltschaft berichtende Vereine.

Quellen: Auszählung nach der Statistik der deutschen Arbeitervereine, in: Flugblatt, S. 63ff.; Jahresbericht 1 8 6 8 .

1860er Jahren bestritten einflußreiche Stimmen energisch ihren Sinn. Ferdinand Lassalles rhetorische Fragen an seine Zuhörer in Arbeiterversammlungen der frühen 1860er Jahre, ob sie sich denn vorstellen könnten, das Kapital für die neu entstehenden Großbetriebe aus den eigenen leeren Taschen zusammenzusparen, fanden vor allem deshalb großen Anklang, weil sie mit der zeitgenössischen Erfahrungswelt der Lohn- und Heimarbeiter und proletarisierten Meister unmittelbar übereinstimmten. In diesem Punkt jedenfalls vertrat der radikale lassalleanische ADAV gegenüber den liberalen Arbeiterpolitikern und den zunächst in ihrem Fahrwasser steuernden Arbeiterbildungsvereinen eindeutig die realistischere und zukunftsträchtigere Position. Die Vorbehalte, die die organisierte Arbeiterbewegung gegenüber den 246

Konsumvereinen seit den späten 1860er Jahren der Tendenz nach zunehmend und sich verallgemeinernd, keineswegs jedoch schon überall und zu jeder Zeit, entwickelte, waren in der Regel eingebettet in vehemente Kritik am »Palliativmittel« unternehmerischer Selbsthilfe überhaupt. Daß dies geschah, hatte zweifellos mit der spezifischen Gründungssituation von Partei und Gewerkschaften in diesen Jahren zu tun. Vor dem Hintergrund knapper Mittel und ungewisser Zukunftsaussichten lag es nahe, die funktionsspezifischen Interessen der eigenen Organisationsform besonders nachhaltig und zugespitzt gegenüber potentiellen Konkurrenzeinrichtungen zu artikulieren. Es hatte jedoch auch mit der Schlüsselbedeutung von Politik überhaupt in der selbständigen Emanzipationsbewegung der deutschen Arbeiterschaft zu tun. Ausschlaggebend dafür war nicht nur die besondere Konstellation der 1860er Jahre: die neuartigen Chancen, die das allgemeine Männerwahlrecht eröffnete, die Spaltung des Liberalismus über der konstitutionellen und nationalen Frage u.a.m. Die organisierte Arbeiterbewegung in Deutschland entstand und handelte frühzeitig im Bewußtsein, daß die Haupthindernisse ihrer Entfaltung auf politischem Feld lagen und in erster Linie dort beseitigt werden mußten. In dieser Ausrichtung spiegelte sich in letzter Instanz der in den Staaten des Deutschen Bundes weit fortgeschrittene Prozeß militärisch gestützter, bürokratischer Durchdringung der Gesellschaft und die frühe Konzentration wesentlicher Machtressourcen im Zentrum wider. Verstärkt wurde die Neigung der Arbeiterbewegung, als Instrumente zur Verwirklichung ihrer Forderungen Staat und Politik in den Vordergrund zu rücken, durch ihre langanhaltende Schwäche und Zersplitterung. Diese war ihrerseits, und damit schloß sich der Kreis, zum Teil das Ergebnis einer Politik, die viele überlieferte korporativ-ständische Traditionen so umformte, daß sie sich aus möglichen Ansatzpunkten für kollektive Selbsthilfe in Kontroll- und Disziplinierungseinrichtungen verwandelten. Unter diesen Bedingungen schien Selbsthilfe, wo überhaupt, so in erster Linie mit starker staatlicher Unterstützung denkbar. Vorbehalte gegenüber Selbsthilfe förderte auch die Haltung des Liberalismus. Konnte die Arbeiterbewegung die Forderung nach genossenschaftlicher Selbsthilfe 1848 noch als »ihr« Projekt ansehen, trat ihr diese Parole in den sechziger Jahren bereits als parteipolitisches Instrument und Strategie eines in großen Teilen sozialpolitisch desinteressierten oder reaktionären Liberalismus gegenüber. Da die liberale Bewegung Selbsthilfe, Koalitionsfreiheit und allgemeines Wahlrecht lange Zeit nicht verknüpfte, sondern gegenüberstellte, erscheint es wenig überraschend, daß viele politisch aktive Arbeiter Selbsthilfe als offensichtliches Ablenkungs- und Entmündigungsprogramm wahrnahmen. 49 Das Gewicht von Politik in Praxis und Theorie erhöhte sich entscheidend 247

unter dem Sozialistengesetz, als sozialdemokratische Wählerzahlen zum wichtigsten Indiz für den Vormarsch der Arbeiterbewegung und des Sozialismus wurden. Man hätte vermuten können, daß es in dieser Situation ein starkes Interesse an einer wechselseitigen Stützung von Partei, Gewerkschaften und Konsumvereinen gab. An der Basis stellte sich das Problem auch in dieser Phase noch anders dar. Waren Kasse, Gewerkschaft, Parteiorganisation klein, instabil und vom Verbot bedroht, bedeutete die Geldanlage in Gestalt von Beiträgen und Anteilen ein hohes Risiko, welches sich durch eine zweite Investition nicht reduzierte, sondern addierte und damit endgültig untragbar werden konnte. Die Repression trieb die verschiedenen politischen, gewerkschaftlichen und unternehmerischen Selbsthilfeformen, an denen Arbeiter beteiligt waren, nicht unbedingt zusammen.50 Aus verschiedenen Gründen eigneten sich die Konsumvereine zudem besonders schlecht als Tarnorganisationen. Einmal untersagten die gesetzlichen Rahmenbedingungen jede politische Indienstnahme, 51 und dann erschwerte die strukturelle Heterogenität der Konsumentenzusammenschlüsse geschlossene Ausweich- und Täuschungsmanöver. Für Konsumvereine besaßen deshalb staadiche Vorgaben zu politischer Enthaltsamkeit einen viel höheren Grad an Verbindlichkeit als für Gewerkschaften und andere reine Arbeiterzusammenschlüsse. Was »von unten« galt, war auch »von oben« betrachtet nicht falsch. Die Arbeiterbewegung der 1880er Jahre war weit davon entfernt, personell aus einem unbegrenzten Reservoir schöpfen zu können. Ausweisungen einzelner Personen bedeuteten fast immer eine nachhaltige Schwächung der lokalen Organisation. 52 Der enorme Außendruck verstärkte bei den Führungen das Bewußtsein, mit knappen Ressourcen zu wirtschaften, und intensivierte den Konkurrenzkampf mit anderen Vertretungsformen. Unter der Herrschaft des Sozialistengesetzes entfaltete der politische Kampf zunehmend seine eigene Gesetzmäßigkeit. Seine Bedürfnisse prägten die Ideologie, das Personal und die Formen der Organisation. Der Zwang, kontinuierliche Organisationsarbeit unter den Bedingungen der Halblegalität zu betreiben, verhalf besonders jungen, unverheirateten Männern auf exponierte Posten. 53 Bei ihnen meinte eine Polizeibericht aus dem Jahre 1 8 8 7 die Neigung zu erkennen, durch schroffe Positionen und hohe persönliche Risikobereitschaft »als Märtyrer der guten Sache Recht auf Teilnahme und dauernde Unterstützung [zu] erwerben«. 54 Mit Hingabe, Mut, Konfliktbereitschaft, Idealismus forderte der politische Kampf Tugenden, die zum Teil in scharfer Spannung zu den Erfordernissen kommerzieller Selbsthilfe standen und von dieser sogar in gewisser Weise bedroht wurden. Als materialistische und ihrer Natur nach selektive Unternehmen diskreditierten Selbsthilfeunternehmen leicht die Solidaritätsnorm als tragenden Bogen der Organisation in der Phase offener Repression. 55 Mit der 248

Übernahme des Marxismus als Parteidoktrin erhielt der angelegte und durch die langen Phasen der Repression bekräftigte Primat der Politik eine ausgearbeitete programmatische Form mit eigenem Gewicht. Es hat wenig Sinn, die Kopflastigkeit der deutschen Arbeiterbewegung als ihren »Geburtsfehler« zu beklagen. Kontrafaktische Fragen nach Alternativen sind hilfreich bei der Lösung schwieriger Gewichtungsfragen, sie im nachhinein zu vertanen Chancen zu stilisieren, macht gerade in diesem Fall keinen Sinn. Die spezifische Form einer politisch dominierten Arbeiterbewegung bildete die Voraussetzung dafür, daß sich unter den deutschen Verhältnissen überhaupt frühzeitig eine starke Arbeiterbewegung entwickeln konnte. Und auch die Selbsthilfebewegung zog daraus schließlich, wie noch zu zeigen ist, beträchtlichen Nutzen. Betrachtet man die Organisationspraxis der Arbeiterbewegung unter dem Sozialistengesetz im einzelnen, wird rasch deutlich, daß die Arbeiterbewegung hier auch lernte, mit einigen ihrer wichtigsten inneren und äußeren Problemen fertig zu werden und damit das Rüstzeug für den Durchbruch nach der Jahrhundertwende erwarb. In der Situation der Halblegalität gelang es ihr, einen neuen Typus von Organisation zu entwickeln, der im Ansatz die innere Dichte eines Geheimbundes mit den Elementen einer Massenbewegung kombinierte. 56 So entstand eine informelle, stark von Vertrauensleuten getragene Organisation, die in ihrer Leistungsfähigkeit selbst die an Präzision gewöhnte staatliche Verwaltung und ihren Polizeiapparat verblüffte. Wie groß das Zutrauen der Parteiführung in die Loyalität der Mitglieder war, geht aus einer dem Kongreß-Protokoll von 1 8 8 0 beigegebenen »Abonnements-Einladung« für das Organ »Der Sozialdemokrat« hervor. Die »Genossen eines Ortes« möchten sich, lautete die Empfehlung der Parteileitung, »zum Bezug im Großen vereinigen. Wenn unverdächtige Empfangsadressen gewählt werden und damit stets gewechselt wird, wenn ferner die geheime Vertheilung an die abonnierten Genossen vorsichtig geschieht: dann ist die Gefahr der Entdeckung beim Gesammtbezug weit geringer wie bei den Briefsendungen.« 57 So sicher war man sich offensichtlich der Loyalität und wechselseitigen Verpflichtung der Genossen, daß man sich zutraute, größere Absatzgenossenschaften im Mitgliederkreis mit den Erfordernissen konspirativer Arbeit zu kombinieren. Die in dieser Zeit entwickelten, ganz auf ideologisch-politische Mobilisierung abgestellten Strukturen erhielten sich bis weit nach der Jahrhundertwende. Die Kader der Vertrauensleute etwa, auf die sich die illegale Arbeit an vielen Orten gestützt hatte, wurden in Berlin im Jahre 1 9 0 6 und auch dann noch gegen Widerstand abgeschafft. 58 Erst das Jenaer Statut von 1 9 0 5 verfügte überhaupt die Organisationspflicht jedes Sozialdemokraten. 59 Bis dahin galten die Bestimmungen des noch ganz von der Repressionserfahrung und den Bedingungen konspirativer Arbeit geprägten Partei-

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statuts von 1890, demzufolge nicht die formale Mitgliedschaft, sondern das Bekenntnis zum Parteiprogramm den Sozialdemokraten identifizierte. 60 Schließlich blieb auch der Mitgliedsbeitrag bis weit nach der Jahrhundertwende eine Bringschuld, zu deren Ableistung man sich auf regelmäßigen Zahlabenden traf. Die Einfuhrung der Hauskassierung zur Reduzierung der Fluktuation und Sicherung der Finanzen wurde erst unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg erwogen.61 Auf dem Weg über die Politik überwand die Arbeiterbewegung den Horizont des Lokalismus und der berufsständischen Sonderinteressen. Sie lernte, allgemeine soziale und demokratische Interessen zu vertreten, und übte schließlich auch Verhaltensweisen ein, mit denen sich wirtschaftliche Selbsthilfe organisieren ließ. Die Moralisierung größerer Teile der Unterschichten, den langem Atem, die Spardisziplin, die Fähigkeit zu vorausschauendem zweckrationalem Handeln, deren Erlernung sich der Liberalismus vom Versprechen bürgerlicher Respektabilität erwartet hatte, dazu verhalf der Arbeiterschaft auch die politische Praxis. Für die Selbsthilfe bedeutete das nicht einen einfachen Austausch des Antriebes bei sonst gleichen Bedingungen. Sie bildete und legitimierte sich in einem ganz anderen Kontext als der englische Selbsthilfesektor. Was das im einzelnen bedeutete, soll uns im folgenden beschäftigen.

2 . Etappen des Zusammenwachsens mit der Arbeiterbewegung a) Sonderfall Sachsen Das weitgehende Verschmelzen von Arbeiter- und Konsumentenbewegung vollzog sich nach 1890 in einer Breite und Schnelligkeit, die für viele Zeitgenossen vergessen machte, daß beide Organisationen mehrere Jahrzehnte mit nur wenig Berührung und gegenseitiger Sympathie nebeneinander existiert hatten. Eine Sonder- und in gewisser Weise auch eine Vorreiterrolle im Verhältnis von Konsumvereinen und Arbeiterbewegung spielte das Königreich Sachsen.62 Im Fortschritt von Urbanisierung und Industrialisierung glich Sachsen am ehesten dem englischen Nordwesten. Der Anteil landwirtschaftlicher Bevölkerung lag niedrig wie sonst nirgendwo. 1849 betrug er 32,3 Prozent, 1861 25,1 Prozent, 1882 2 0 , 0 Prozent, 1895 15,1 und 1907 gerade noch 10,7 Prozent gegenüber gut einem Drittel im Reich. 63 Von den als selbständige Landwirte ausgewiesenen Personen verfugten um 1850 knapp die Hälfte (45,4 Prozent) über Grundstücke von weniger als drei sächsischen Ackern. Da diese Flächen zur Selbstversorgung nicht ausreichten, machten sie den Zukauf von Nahrungsmitteln unerläß-

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lieh. Sechzig Prozent aller Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe übten eine gewerbliche Nebentätigkeit aus.64 Seit den 1830er Jahren hatte der Bevökerungsdruck dafür gesorgt, daß Sachsen zum Getreideeinfuhrland wurde - eine Entwicklung, die die Verlegung der Eisenbahntrassen seit den späten 1840er Jahren (Leipzig-Dresden) vorantrieb. Dem Handel boten sich dank der frühzeitigen, massenhaften Herausbildung von Konsumentenlagen und einer kaufkräftigen Nachfrage größere Chancen als anderswo. Auch gegenüber den Erzeugern befand sich der in den größeren Städten konzentrierte Großhandel in einer günstigen Lage. Erschwerten es die besonderen topographischen Bedingungen des Landes doch den Bauern, ihre Produkte direkt zu vermarkten. »Tausende von kleinen Mühlen, die früher die gegebenen Abnehmer für das in ihrer Umgebung produzierte Getreide gewesen waren,« klagte 1914 der Autor einer bauernfreundlichen Untersuchung, seien »zugrunde gerichtet« worden 65 und mit ihnen viele der traditionellen dezentralen Kornmärkte in kleinen und mittleren Städten. Das handelskritische Resümee der Studie - »Kleinhändler, Großhändler, Großmühlen, Mehlhändler, Bäcker stehen zwischen Produzent und Konsument, die oft in allernächster Nachbarschaft leben«66 - ähnelte auffällig den oben zitierten Klagen aus dem frühindustriellen Lancashire über das Eindringen des Handelskapitals in traditionelle Versorgungsstrukturen. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, daß der Großhandel mit seinem Kreditvermögen, seiner Marktübersicht und -organisation den Unterschichten in der Regel erst den Weg für erfolgreiche unternehmerische Selbsthilfe eröffnete. Ausgangspunkt und Grundstock der Bewegung bildete in Sachsen nicht anders als in Lancashire die Weberbevölkerung mit ihrem kommerziellen Sinn, ihrem sprichwörtlichen asketisch-disziplinierten Sparwillen und dem ebenso charakteristischen hohen inneren Zusammenhalt. 67 Zentren der frühen Spargesellschaften und der späteren Konsumvereine waren die Industriestädte, besonders Leipzig und Chemnitz, und die gerade für die sächsische Industrialisierung typischen Industriedörfer im westlichen Erzgebirge. Am weitesten verbreitet war über lange Zeit der Sparverein in seinen verschiedenen Varianten. Für 1892 berechnete eine Untersuchung auf der Grundlage von Adreßbüchern Zahlen von 169 bis 270 Sparvereinen an insgesamt 110 verschiedenen Orten. 68 Die Mitgliederzahlen schwankten »zwischen 10 und 400«. 69 Einzelne dieser nicht offiziell registrierten und deshalb schwer im Überblick zu fassenden Bildungen reichten bis in den Vormärz zurück. Der Hauptgründungsschub erfolgte offenbar in den sechziger Jahren, hielt jedoch auch in den folgenden Jahrzehnten an. Die Sparpraxis sah so aus, daß sich die Mitglieder eines Vereins zu einer - gelegentlich, nicht immer - statuarisch festgelegten Sparsumme verpflichteten, die sie bei wöchendichen Treffen in Privathäusern 251

oder Wirtschaften in eine gemeinsame Kasse einzahlten. Eine Vertrauensperson trug die Summe zu einem lokalen Sparinstitut, wo sie zinsbringend bis zum Winter angelegt wurde. Die Vereine nahmen Elemente der Liedkeschen Spargesellschaften auf, doch unterschieden sie sich zugleich von diesen, und ihr Florieren dürfte vor allem mit den Unterschieden zusammenhängen. So verzichteten sie darauf, die Konsumfreiheit ähnlich einzuengen, wie es der Liedkesche Entwurf tat. Die Auszahlung der Sparsummen geschah grundsätzlich in Verbindung mit einem Festakt, der auch insofern ein öffendiches Ereignis darstellte, als zu diesem Zeitpunkt die »Händler sich schon in den Saal drängten«. 70 Die erhaltene Summe diente der Finanzierung neuer Gerätschaften und Möbel, aber auch neuer Kleider zu Weihnachten, was bürgerliche Beobachter immerhin noch Anfang der 1890er Jahre zu einem Lamento über die »Vergnügungs- und Putzsucht« der Unterschichten veranlaßte.71 Weiterhin unterschieden sie sich durch die Verbindung des Unternehmens mit geselligen Zwecken wie der Finanzierung von Tanzvergnügen und kleinen Reisen. Auch Elemente gegenseitiger Hilfeleistung bei unverschuldeten Unfällen und Todesfällen wurden in den Vereinen mit der ökonomischen Funktion kombiniert. Die Organisationsprinzipien ähnelten denen der Arbeiterbewegung darin, daß die Vereine konsequent selbstverwaltet und demokratisch waren und sich nicht bei Honoratioren abstützten. Mit Bedauern konstatierte ein bürgerlicher Sozialpolitiker, »daß selbst diese Arbeiter die >Reichen< und >Gebildeten< wie die Angehörigen einer fremden Kaste ansehen, mit denen sie nichts gemein haben können oder wollen.« 72 Andererseits blieben die Vereine über Jahrzehnte dem lokalen Milieu, dem sie entstammten, verhaftet. Um die Klammer der Geselligkeit wie auch die Sicherheit der Gelder zu erhalten, wählten sie ihre Mitglieder sorgfaltig aus und kooptierten sie erst nach einer längeren Prüfung. Überhaupt sperrten sich die Vereine gegen die Öffentlichkeit und das Ausleuchten ihrer Finanzverhältnisse mit der entwaffnenden Begründung, daß »die Fabrikherren« bei Kenntnis der Sparsummen den Reichtum der Arbeiter leicht überschätzten. 73 Eine Bewegung mit übergreifendem Anspruch entstand auf diese Weise nicht. In abgeschwächter Form galt etwas Ähnliches auch für die sächsischen Konsumvereine, von denen eine schwer zu beziffernde Zahl direkt aus Sparvereinigungen entstand. 74 Die Statistik des Allgemeinen Verbandes wies 1869 für Sachsen mit 9 8 Vereinen die höchste Zahl an konsumgenossenschaftlichen Gründungsversuchen überhaupt auf. 75 Das entsprach annähernd der Gesamtzahl aller zur Verbandsstatistik berichtenden Vereine. Auch bei den tatsächlich über einen längeren Zeitraum existierenden Zusammenschlüssen lag das Königreich lange Zeit an der Spitze. 76 Das Sonderbewußtsein der sächsischen Vereine war jedoch frühzeitig so ausge252

prägt, daß sich ein Teil von ihnen noch in den 1870er Jahren vom liberalen Dachverband abspaltete. Schuld daran trug neben sozial- und allgemeinpolitischen Differenzen vor allem der Streit über rechtliche Fragen. So war das sächsische Recht für Konsumvereine lange Zeit günstiger als das preußische und eröffnete ihnen sehr zum Unwillen Schulze-Delitzschs Möglichkeiten zur Umgehung der unbeschränkten Haftpflicht. 77 Dadurch, daß die Vereine vielfach in Industriedörfern und kleinen Ortschaften angesiedelt waren,78 besaß fur sie die Kooperation mit dem Mittelstand von vorneherein nicht jene Bedeutung wie für die süddeutschen und großstädtischen Vereine. Das Markengeschäft als Starthilfe spielte in Sachsen nur eine untergeordnete Rolle. Andererseits ergab sich aus dieser Lage frühzeitig das Bedürfnis nach begrenzter Kooperation beim Einkauf. So war es kein Zufall, daß gerade in Sachsen schon in den 1890er Jahren die entwickeltsten Einkaufsvereinigungen im Reich bestanden. 79 Dem entsprach von vornherein ein stark aufgeheiztes Klima des Konfliktes im Verhältnis von Kleingewerbetreibenden und Konsumvereinen. Mehrere »Kampfbünde« des gewerblichen Mittelstandes, die sich zu nationalen Organisationen weiterentwickelten, nahmen in Sachsen ihren Ursprung. Die extrem konsumvereinsfeindliche Grundstimmung spiegelte sich auch im sächsischen Landtag, der frühzeitig Steuernovellen und Ausnahmegesetze gegen die Vereine verabschiedete, damit zum Teil jedoch am Veto der Regierung scheiterte. Unter den sächsischen Vereinen befanden sich schließlich auch einige wenige, die unmittelbar von gewerkschaftlich und sozialdemokratisch organisierten Arbeitern ins Leben gerufen worden waren. Den Prototyp dieses Unternehmens verkörperte der 1884 gegründete Leipzig-Plagwitzer Verein. Er entwickelte sich bis zur Jahrhundertwende zum größten deutschen Konsumentenzusammenschluß überhaupt. Den unmittelbaren Anstoß zu seiner Gründung, ein deutlicher Unterschied zu den anderen Vereinen, gab ein politischer Anlaß. Die Tatsache, daß eine Reihe von Kaufleuten aus Arbeiterwohnbezirken, darunter besonders aus Plagwitz, bei den Reichstagswahlen von 1881 einen Aufruf gegen die Sozialdemokratie unterschrieben hatte, bewog die dort ansässigen Arbeiter zu einem Protest, der in die Gründung eines genossenschaftlichen Konkurrenzunternehmens mündete. 80 Trotz dieser Besonderheiten lassen sich die sächsischen Vereine in ihrer großen Mehrheit nicht als direkte Vorläufer der neuen Generation von Arbeiterkonsumvereinen nach 1890 ansprechen. Vieles an ihnen verkörperte genuine Arbeiterselbsthilfe. Die Zusammenschlüsse waren im Durchschnitt klein, überschaubar und wurden, ähnlich den Spargesellschaften, ohne Abhängigkeit von patriarchalischen Klientelstrukturen im Ehrenamt verwaltet. Der Stolz darauf verband sich auch hier mit einem ausgeprägten Lokalismus. Die große Mehrheit gehörte überhaupt keinem Verband an. Innerhalb der konsumgenossenschaftlichen Bewegung nach 253

der Jahrhundertwende genossen die sächsischen Vereine den Ruf, extrem hohe Dividenden von gelegentlich über 2 0 Prozent auszuschütten. Der Hauptzweck bestand in fast idealtypischer Verwirklichung des liberalen Selbsthilfeideals: in der Versorgung der Haushalte mit notwendigsten Gütern des täglichen Bedarfs und im schmerzlosen Ansparen kleinerer Geldbeträge zur Überbrückung von Verdienstminderungen und -ausfällen. Expansion und Auslösung einer überregionalen Gründungswelle lagen nicht in ihrem Horizont. Im Gegenteil erwies sich bei der Umformung der konsumgenossenschaftlichen Bewegung seit den 1890er Jahren die Existenz einer lange ausgebildeten, eigenwilligen Tradition an einigen Stellen als Hindernis einer Vereinheitlichung. Die Funktion der sächsischen Vereine für das Verhältnis von Arbeiterbewegung und Konsumvereinen und seine Weiterentwicklung lag in zwei Momenten: zum einen darin, daß es hier ein Reservoir zuverlässiger Funktionäre gab, auf welches sich die eigenständige Verbandsbildung nach der Jahrhundertwende stützen konnte, und zum anderen darin, daß die bestehenden Einkaufsvereinigungen einen tragfähigen Unterbau für die in den 1890er Jahren entstehende reichsweite Großhandelsgesellschaft: bildeten. 81

b) Übernahmen

und

Neugründungen

Die ersten Organisationen der Arbeiterbewegung, die ihre Einstellung gegenüber den Konsumvereinen Anfang der 1890er Jahren modifizierten, waren die Gewerkschaften. Dieser Wandel hatte zwei Ursachen: das zunehmende Gewicht der Industriearbeiterschaft innerhalb der gewerkschaftlichen Basis und das organisatorische Problem der Streikfinanzierung. Beide Aspekte waren eng miteinander verknüpft. Sowohl während des großen Bergarbeiterstreiks von 1889 im Ruhrgebiet wie bei dem Massenausstand der Hamburger Arbeiter 1890 8 2 machten die Gewerkschaftsorganisationen die Erfahrung, welche entscheidende Bedeutung die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln für eine Aufrechterhaltung der Streikbereitschaft hatte, zumal die begrenzten Kampffonds noch in keiner Weise der neuen Konfliktdimension entsprachen.83 Umrisse einer neuen umfassenden Arbeitskampfstrategie zeichneten sich auch in Berlin 1 8 9 2 während eines Brauerstreiks ab, der durch einen umfassenden Konsumentenstreik (»Bierboykott«) ergänzt und zu einem Teilerfolg gefuhrt worden war.84 In diesem Kontext entstanden Überlegungen, nicht mehr nur durch Ad-hocLösungen, sondern durch eine planmäßige Organisation der Kaufkraft die gewerkschaftliche Organisation zu stützen. Was hier diskutiert wurde, war in der Qualität, weniger von der Idee her, neu. Der Konsumverein trat damit gewissermaßen in die Fußstapfen der Produktivgenossenschaft, die

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in den 1860er Jahren unter handwerklich-kleinbetrieblichen Bedingungen häufig die Funktion einer Streikersatzkasse übernommen hatte. Während die Hamburger Gewerkschaften auf ein direktes Engagement bei der Konsumvereinsgründung verzichteten und lediglich indirekte Hilfestellung leisteten,85 entschloß sich die Leitung des Alten Verbandes der Bergarbeiter, im Jahre 1890 in unmittelbarer Verbindung mit der Gewerkschaftsorganisation einen großen Konsumverein - den »Konsumverein rheinischwestfälischer Bergleute Glückauf, e.G.m.b.H.« - mit Filialen in allen größeren Städten des Reviers zu errichten. 86 Dieser Versuch, hinter dem auch das Motiv stand, in die industriefeudalistischen Strukturen der Schwerindustrie und die weiterlebenden Elemente des Truckwesens einzubrechen, scheiterte jedoch. 87 Daß Gewerkschaften wie im Falle des Bergarbeiterverbandes direkt als Gründer auftraten, blieb eine Ausnahme. Gravierende Gründe sprachen dagegen. Es stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, daß wohl eine Gewerkschaft, nicht jedoch eine Konsumgenossenschaft mit einer stark ungleichgewichtigen Verteilung der Mitglieder leben konnte. Eine Gewerkschaft wurde durch einen niedrigen Organisationsgrad geschwächt, ein Konsumverein, der sich täglich reproduzieren mußte, ging daran zugrunde. Hinzu kam, daß die hohe Fluktuation der Gewerkschaft auch auf den Konsumverein durchschlug. Und schließlich zeigten sich die starken Unternehmer nicht bereit, in ihrem Kampf gegen die Gewerkschaftsorganisation den Konsumverein zu schonen, und zwangen deshalb die bei ihnen beschäftigten Arbeiter zum Austritt. Von der anderen Seite her sperrte sich der rechtliche Rahmen, in den Selbsthilfe in Deutschland eingespannt war, gegen jede direkte Vereinnahmung der Genossenschaften fur andere als wirtschaftliche, unternehmensbezogene Zwecke. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit zwischen zwei Organisationen, wie es etwa in Belgien die unmittelbar mit der sozialistischen Partei verbundenen Konsumvereine praktizierten,88 stand in Deutschland unter strenger Strafe. Noch seltener als die Gewerkschaften beteiligte sich unter diesen Umständen die Partei. Auch finanzielle Subventionen von Gewerkschaften für Konsumvereine blieben eine Ausnahme. In den 1890er Jahren fehlte es dafür ganz einfach noch an Geld.89 Und abgesehen davon warf solche Unterstützung für die Gewerkschaftsleitungen schwerwiegende Legitimationsprobleme auf, »privatisierten« die um Geld petitionierenden Vereinsmitglieder doch letztlich allgemeine Mittel für gruppenegoistische Zwecke. Die Ausbreitung der konsumgenossenschaftlichen Bewegung seit den 1890er Jahren geschah ganz überwiegend auf dem Wege der Arbeiterselbsthilfe, und zwar in zwei Richtungen: durch das Einströmen der Arbeiter in bestehende Vereine, die dann regelmäßig von unten übernommen wurden, oder - der häufigste Fall - durch Neugründungen. Ein Beispiel für 255

den ersten Fall war der 1891 ins Leben gerufene Bielefelder Konsumverein. Den Anlaß für seine Gründung gab eine vorübergehende Verteuerung von Grundnahrungsmitteln, insbesondere Kartoffeln, im Jahre 1891. Unter den Belegschaften zweier Bielefelder Unternehmen, den beiden Nähmaschinenfabriken Hengstenberg und Dürkopp, entstand daraufhin der Gedanke, sich »für gemeinschaftliche Rechnung einige Waggons Kartoffeln aus Sachsen kommen zu lassen.«90 Der Erfolg ermunterte knapp drei Dutzend Arbeitnehmer zur Gründung eines Konsumvereins. Von seiner sozialen Zusammensetzung her gehörte das Bielefelder Unternehmen bereits zum neuen Typus der von Arbeitern dominierten Vereine. Unter den 35 ins Genossenschaftsregister als Gründer eingetragenen Personen befanden sich 29 Arbeiter - 25 Facharbeiter, vier ungelernte Arbeiter - ein Kommis, vier Meister und ein Wirt. 91 Honoratioren als Träger sind nicht auszumachen. Auch das erste Lager - eine Kegelbahn - wurde offenbar nicht von den Firmenleitungen gestellt. Andererseits bildete die Selbstverwaltung fast ungebrochen die soziale Hierarchie der Fabrik ab. Der einzige Kommis übernahm die Geschäftsführung und ein Meister seine Stellvertretung. Alle anderen Meister waren im Aufsichtsrat vertreten. Ungelernte Arbeiter fehlten dort und im Vorstand ganz.92 Die Funktion des ersten Lagerhalters übernahm der Wirt, der neben dem Restaurationsbetrieb, den er weiterführte, im Nebenamt auch die Waren für den Verein abgab. Auseinandersetzungen um den Kurs der Geschäfts- und insbesondere der Dividendenpolitik führten um die Jahrhundertwende eine grundlegende Veränderung in diesem Verhältnis herbei. Nach Beratungen innerhalb des Gewerkschaftskartells veranlaßte die Leitung einen »Masseneintritt gewerkschaftlich organisierter Arbeiter«.93 Mit ihrer Disziplin majorisierten diese ohne Schwierigkeiten die übrigen in der Generalversammlung anwesenden Mitglieder und sorgten für die Wahl gewerkschaftlicher Arbeiter in den Vorstand und Aufsichtsrat.94 In der Folge kam es zu einer Abspaltung von Mitgliedern, die sich zu einem »Haushaltsverein« zusammenschlossen und damit den betont unpolitischen Charakter ihres Zusammenschlusses nach außen zu markieren versuchten. Der Bielefelder Fall war symptomatisch für die Art von Übernahme, wie sie sich um die Jahrhundertwende in vielen Konsumvereinen mit breiten Arbeitermehrheiten abspielte.95 Was die Gewerkschaften praktizierten, hatte sein historisches Vorbild in der politischen Bewegung.96 Die diesem Vorgehen unterliegenden Voraussetzungen waren eine hohe, organisatorisch abgestützte Disziplin, die geschlossene Aktionen erlaubte, und ausreichende Geldmittel bei den einzelnen Arbeitern, denn schließlich setzte das Überstimmen auf der Generalversammlung die Zahlung von Eintrittsgeldern voraus. Solcher Praxis gegenüber konnte die heterogene, als Ganzes schwer mobilisierbare Gruppe der übrigen Mitglieder nur mit Unter256

werfung oder Auszug reagieren. Erleichtert und beschleunigt wurde die Übernahme von Konsumvereinen ungewollt von Behörden und Mittelstandsvertretern. Auf ihren Druck hin verlangten immer mehr Stadtverwaltungen, später auch Landes- und Reichsministerien von ihren Beamten, sich aus leitenden Funktionen bei Konsumvereinen zurückzuziehen. Besonders folgenreich war in diesem Zusammenhang der Rückzug der Lehrer.97 Ein anderer Organisationstypus, der durch eine Übernahme überhaupt erst in einen Konsumverein verwandelt wurde, war der von Einzelhändlern organisierte Rabattsparverein. 98 Die Rabattsparvereine ähnelten in ihrer Konstruktion den Markenkonsumvereinen mit dem Unterschied, daß die Gründungsinitiative bei den Händlern lag. In den späten 1880er Jahren kamen sie auf und erlebten ihre Blütezeit um die Jahrhundertwende. 99 Sie funktionierten in folgender Weise: die dem Verein angehörenden Händler (»Lieferanten«) erhielten von diesem Marken, die bar bezahlt und an die Kunden weitergegeben wurden. Einmal im Jahr, in der Regel vor Weihnachten, konnten die Käufer ihre Rabattbücher, sofern sie einen bestimmten Mindestbetrag - in Berlin zeitweilig 20 Reichsmark - enthielten, beim Verein in Bargeld umtauschen. Die Unkosten fur die Verwaltung, Abrechnung und Markenbeschaffung deckten sich bei diesem System dadurch, daß erfahrungsgemäß nie alle gekauften und bezahlten Marken tatsächlich eingelöst wurden. Den beteiligten Händlern sicherte die Konstruktion außer einem festen Kundenstamm vor allem die Vorteile der Barzahlung, denn nur bei solcher wurden die Marken auch tatsächlich gewährt. Den Käufern dagegen blieben der Rabatt und eine im Vergleich zum Konsumverein größere Auswahl der möglichen Geschäfte. Die Rabattsparvereine waren von ihrer Konstruktion her ganz auf großstädtische Verhältnisse zugeschnitten, wo sie auch am besten florierten. Einer der größten, der 1891 gegründete Berliner Rabattsparverein SüdOst, erreichte 1897 rd. 8.000 und nach einer Statutenänderung 1898 zuletzt 40.000 Mitglieder. Damit übertraf allein dieser Zusammenschluß, neben dem noch andere existierten, zu diesem Zeitpunkt die Mitgliederzahl aller Berliner Konsumvereine zusammen. Genauere statistische Informationen über den Rekrutierungskreis der Rabattvereine liegen nicht vor, aber alle Zeitgenossen stimmten darin überein, daß sich die Einrichtung des Markensystems der größten Sympathie in Arbeiterkreisen erfreute. 100 Unter den lange Zeit von Vertretern der Selbständigen organisierten Konsumenten wirkte der Eintritt gewerkschaftlich und sozialdemokratisch organisierter Arbeitergruppen als Ferment. Im Jahre 1898 setzten diese auf einer Generalversammlung durch, daß der bis dahin ausschließlich von Händlern gestellte neunköpfige Vorstand durch eigene Vertrauensleute besetzt wurde. Darüber hinaus erzwangen sie eine Neufassung der Sat257

zung, die den Käufern unter den Mitgliedern grundsätzlich eine Mehrheit im Vorstand zusicherte. Im Jahre 1902 einigten sich die Vorstände, in Zukunft jede Mitwirkung der Händler in der Selbstverwaltung auszuschließen. Dahinter stand die Besorgnis, daß die großen Generalversammlungen nicht dauerhaft gegen eine Manipulation der Selbständigen zu sichern waren. Einen zusätzlichen Schutz bedeutete die Einführung eines Repräsentativsystems. Seit 1902 setzte sich die Generalversammlung nur noch aus Vertretern zusammen. 101 Der Widerstand der Händler äußerte sich auch hier in einem »Exit«. Als der demokratisierte Verein neue Konditionen durchsetzen wollte, kündigte ein großer Teil der Lieferanten die bestehenden Verträge auf. Anders als die übernommenen Konsumvereine wiesen die demokratisierten Rabattvereinigungen nur wenig innere Kohärenz auf und zerfielen im Konflikt. Erst aus der Konkursmasse bildeten sich stabilere kleine Vereine. Im ganzen gesehen wuchs jedoch die Konsumvereinsbewegung nach 1890 nicht durch die Umwandlung anderer Konsumentenzusammenschlüsse und auch nicht durch den Anschluß neuer Mitglieder an bestehende Vereine, sondern primär durch Neugründungen. Das geschah in unzähligen Varianten: mit oder ohne Kenntnis und indirekte Hilfestellung des lokalen Gewerkschaftskartells, aus einer Gewerkschaftsversammlung, einem Arbeiterbildungsverein, einer Krankenkasse, einem Arbeiter-Radsportverein heraus, lange vorbereitet und planmäßig oder - gemessen an den Erfordernissen - spontan und überstürzt, unter Einsatz von Zehntausenden von Flugblättern wie in Hamburg bei der Gründung der »Produktion« durch Adolph von Elm und andere fuhrende Gewerkschafter102 oder durch die Beschränkung auf einen kleinen Kreis Bekannter, dementsprechend manchmal grundsolide oder von vornherein zu einem raschen Scheitern verurteilt. Die Zahl der tatsächlich unternommenen Gründungsversuche lag um ein Vielfaches höher, als es die offizielle Statistik des Allgemeinen Verbandes registrierte. Nicht wenige Zusammenschlüsse brachten es in den anderthalb, zwei oder drei Jahren ihres Bestehens nie zu einer ordendichen Bilanz oder gar zu einer Einsendung an die zentralen Organisationen. Längst nicht alle Gründungen wählten die mit hohen Auflagen und Restriktionen versehene offizielle genossenschaftliche Rechtsform. Kein Zweifel besteht, daß der Konsumverein als Organisationsmuster im Laufe der neunziger Jahren weithin bekannt war. Während sich die Gründungsanstrengungen in Norddeutschland und in Hamburg stark an England orientierten und von Besuchsreisen bei der Großhandelsgesellschaft in Manchester, die die Deutschen auf eigenen Schiffen anreisen ließ, wichtige Impulse empfingen, hatten in Berlin auch bürgerliche lebens- und sozialreformerische Gruppen einen großen Anteil an der Revitalisierung der konsumgenossenschaftlichen Idee. Sie stellten sich in die Tradition Victor 258

Aime Hubers, dessen Werke sie neu editierten. Dabei grenzten sie sich nachdrücklich von Schulze-Delitzsch und seinen Epigonen im Allgemeinen Verband ab. Es war vom Ansatz her ein Versuch, die nach Auffassung dieser Gruppen in den 1860er Jahren vertane Chance zur Gewinnung der Arbeiterschaft durch das Bürgertum ein Vierteljahrhundert danach auf der Basis von Gleichberechtigung und gerade nicht Bevormundung mit Hilfe der Konsumgenossenschaft noch einmal zu ergreifen. Im 1896 gegründeten Berliner »Verein für soziales Genossenschaftswesen« diskutierten Eduard Bernstein, Leo Arons, Gertrud David, Heinrich Braun mit Franz Oppenheimer und anderen Vertretern der sozialreformerischen Richtung. Ihr Organ, der »Genossenschafts-Pionier«, erschien zwischen 1896 und 1908 mit einer Auflage von 4.000 bis 5.000 und bot allen, zum Teil heftig streitenden Berliner Fraktionen eine gemeinsame Diskussionsplattform. Unterhalb der Ebene offizieller Parteibeschlüsse gab es lange vor dem Magdeburger Beschluß der Sozialdemokratie aus dem Jahre 1910 eine intensive und in der Tendenz positive Debatte über die Rolle der Konsumvereine in der Arbeiterbewegung. 103 Unter dem Eindruck dieser Beiträge schwächte die SPD ihre ablehnende Position auf dem Parteitag in Hannover im Jahre 1899 immerhin schon zu einer blassen Neutralitätserklärung ab. Eines der wichtigsten Bedenken, daß nämlich die Gründung von Konsumvereinen den Aufstieg der übrigen Organisationen der Arbeiterbewegung schwächen und zur Zersplitterung fuhren könne, widerlegte die parallele Aufwärtsentwicklung aller drei Säulen überzeugend. Aus der Perspektive von Arbeitern, die sich an die Gründung eines Konsumvereins machten, bereitete die Beschaffung geeigneter Statuten das geringste Problem. Interessierte Gruppen stießen in den Bibliotheken auf die einschlägige Literatur des Allgemeinen Verbandes wie den »Oppermann«, eine Veröffentlichung aus den 1880er Jahren aus der Feder des Leiters des Magdeburger Konsumvereins. Neben den einschlägigen Gesetzesbestimmungen enthielten die Schriften Musterstatuten, vorläufige Kontenrahmen, Hinweise zum Aufbau des Lagers, zur Anknüpfung von Geschäftsbeziehungen etc. Mit diesem Wissen ausgestattet, ging eine Gründung fast immer leichter über den Tisch des Richters, zumal die Gesetzgebung mit ihren rigiden Vorgaben das Feld für Rechtsvarianten stark einschränkte. Selbst anarchistische Gruppen um Gustav Landauer, die in Berlin hinter einigen Vereinen standen, ließen es sich im Moment der Gründung nicht nehmen, den bürgerlichen Direktor des brandenburgischen Unterverbandes direkt um Rat anzugehen. 104 Größere Vereine, bei Arbeitergründungen insbesondere die sächsischen, allen voran Leipzig-Plagwitz, halfen den Neulingen bereitwillig mit Informationen aus. Auf Anfrage übersandten sie den gedruckten Geschäftsbericht und nicht ohne einen gewissen Erfinderstolz die eigenen Statuten. 259

In einigen Fällen dienten ältere Vereine den Neugründungen als Quelle fur qualifiziertes Personal. Mitglieder des ehrenamdichen Aufsichtsrates zeigten leicht Interesse an einer festen, besoldeten Stellung als Geschäftsführer oder Lagerhalter eines benachbarten Vereins - einen guten Eindruck von der Solidität und Ernsthaftigkeit der Neugründung vorausgesetzt. Zum typischen Gründungsablauf in diesen Jahren gehörte, daß die Initiatoren, um Mitglieder zu werben und das allgemeine Vertrauen in die Aussicht des Projektes zu festigen, Vertreter eines bestehenden erfolgreichen Vereins als Redner verpflichteten. Das Kardinalproblem blieb das Geld. Woher stammte es? Eine Ad-hocFinanzierung, die in der Regel so aussah, daß sich ein Gründungskomitee bildete, welches Listen auslegte und zur Einzahlung eines halben Geschäftsanteils, 15 Reichsmark waren ein typischer Betrag, aufforderte, ist an vielen Stellen belegt. Der ganze Vorgang wurde wesendich erleichtert, wenn es gelang, in der Ursprungszelle der Gründung - also beispielsweise an einem gewerkschaftlichen Zahlabend - einen entsprechenden Beschluß herbeizuführen. 105 In einem solchen Fall, für den etwa der 1888 von Hirsch-Dunckerschen Arbeitern gegründete Schweidnitzer Konsumverein steht, lagen zwischen der ersten Ankündigung in einem Presseartikel und der Eröffnung des Ladens fünf Monate. 106 Bei einem Konsumverein in Berlin-Moabit, der 1899 entstand, zog sich die Ansparphase anderthalb Jahre hin. Beide Vereine stabilisierten sich und florierten auf Dauer. Ganz falsch waren die altväterlich klingenden Ermahnungen des Allgemeinen Verbandes, daß ein besonnener Aufbau die höheren Erfolgschancen verbürgte, nicht. Das extreme Gegenbeispiel dazu verkörperte die Berliner Bewegung. Sie bestand aus einer Abfolge von Streitigkeiten und prägte nicht unwesentlich das Bild, das sich die Mitglieder des Reichstages und der sozialdemokratischen Fraktion von den Konsumvereinen machten. Die Finanzierung geschah hier, pointiert gesagt, als kontinuierliche Akkumulation der Überreste fehlgeschlagener Versuche. Praktisch muß man sich das so vorstellen, daß interessierte Gruppen das Mobiliar nach Konkursen zu reduzierten Preisen erwarben und sich auf diese Weise der erforderliche Kapitalaufwand verringerte. Dennoch reichten jene etwa 1000 bis 1500 Reichsmark, die Gründungsgruppen von Arbeitern in Berlin zusammenbringen konnten, nur unter sehr spezifischen Umständen für eine Geschäftseröffnung aus. Steckte man die Ziele weiter, überhastete man den Aufbau, was in Berlin an vielen Stellen geschah, ließen sich Konkurse kaum vermeiden. Angesichts der engen Fesseln, die das Genossenschaftsgesetz den Vereinen anlegte, verwundert es nicht, daß es in der neu entstehenden Bewegung zum Streit über die Rechtsform kam. In der Praxis erwies sich aber, daß eine alternative praktikable und ökonomisch tragfähige Rechtskon260

struktion nur schwer möglich war. Nur die Genossenschaft, nicht jedoch der Verein, verfugte in wirtschaftlichen Fragen über die immens wichtige selbständige Rechtspersönlichkeit. Der Preis für die Umgehung der Genossenschaftsform bestand in komplizierten rechtlichen Konstruktionen, die ohne den Sachverstand von Rechtsanwälten nicht zu errichten waren und deshalb in Spannung zum Selbsthilfeanspruch standen.107 Die entscheidende Voraussetzung dafür, daß die Arbeiter die offizielle Genossenschaftsform trotz vieler Bedenken akzeptierten, lag in der seit 1889 bestehenden Möglichkeit, die beschränkte Haftpflicht zu wählen. Jene Unbekümmertheit, mit der Arbeiter seit den 1890er Jahren Vereine gründeten, auflösten, wieder gründeten, dabei die notwendigen Erfahrungen sammelten und, wenn sich kein Erfolg einstellte, den Großhändler als Hauptverlierer zurückließen, wäre auf dem Boden unbeschränkter Haftpflicht für die aufgelaufenen Schulden undenkbar gewesen. Ein anderes zentrales Problem von Arbeitergründungen, das sich in Berlin wegen der großstädtischen Bedingungen und des hinzutretenden höheren politischen Erregungsgrades in besonderer Weise stellte, bestand in der Vermittlung zwischen den Gründungskernen mit dem für einen florierenden Konsumverein notwendigen Nachbarschaftsverband. Die Organisationen politischer Gesinnungen und Bildungsinteressen, aus denen heraus die Gründungsidee entstanden, deckten sich nur im Ausnahmefall mit dem Nachbarschaftsverband. Parteiversammlungen und Fortbildungsveranstaltungen fanden nur selten statt. Für ihren Besuch nahm man längere Wege hin als für den täglichen Einkauf. Der Konsumverein war aber auf ein plebiscite de tous les jours im Kontenrahmen eines knappen Zeitbudgets angewiesen. In gewisser Weise ging es hierbei auch um die Synchronisierung von Männer- und Frauenwelt. Wie die Verhältnisse aussahen, wenn eine solche Synchronisation nicht gelang, läßt sich einer Glosse im »Genossenschaftspionier« aus dem Jahre 1895 entnehmen, die sich mit einem von freiheitlichen Sozialisten gegründeten Berliner Verein (»Befreiung«) befaßte. »Statt der Frauen kamen die Männer und kauften und wollten sich manchmal schier totlachen über ihre neue Hausvaterrolle. Freilich, die Frauen hätten sich auch wohl bedankt für diese Einkauferei, denn aus weiter Ferne kamen sie her: aus Schöneberg, Adlershof, Rummelsburg, Gesundbrunnen, Moabit, Wedding erschienen sie mit ihren Markttaschen und warteten stundenlang, denn nur nach Feierabend, meistens Sonntage, konnten sie kommen.« 108 In ähnlicher Weise klagte der Geschäftsbericht des Rixdorfer Vereins von 1901, daß der Verein zwar einen großen Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichnen habe, diese sich aber »auf ein sehr großes Terrain verteilen«.109 Die Bedeutung des Wohnortes für das Kaufverhalten der Mitglieder unterstrich positiv das Beispiel der großen Hamburger Konsumgenossenschaft »Produktion«, die auch baugenossenschaft261

liehe Funktionen übernahm. Während die Durchschnittsumsätze aller Mitglieder in Hamburg 1907 bei 205 RM und 1908 bei 204 RM lagen, erreichten die in einer Genossenschaftssiedlung mit eigenem Laden wohnenden Mitglieder Umsätze von 772 RM bzw. 808 RM.110 Der schlechteste Weg, diesem Problem zu begegnen, bestand in der frühzeitigen Eröffnung vieler Verteilungsstellen, um die verstreuten Mitglieder zu erreichen. Der Rixdorfer Verein und andere Arbeitervereine gingen daran zugrunde. Gelegentlich unternahm man den Versuch, den aus einem anderen Zusammenhang hervorgegangenen Gründerkreises mit den vertrauten Methoden des Wahlkampfes in einen Nachbarschaftsverband zu verwandeln. 111 Doch lagen die finanziellen Schwellen eines Konsumvereinsbeitritts für viele Arbeiter noch zu hoch, als daß sie sich mit einer einmaligen Mobilisierung überwinden ließen, und außerdem verlangte der Beitritt zum Verein das Ablösen vertrauter Geschäftsbeziehungen zum Lebensmittelhändler, dessen Kredit über so manche schwierige Zeit hinweggeholfen hatte. Darin eben lag die Ratio eines langsamen Aufbaus aus kleinem Kreis, daß sich auf diese Weise ein Stamm von Personen herauskristallisierte, der zusammen wohnte und nicht nur die Finanzierung, sondern den laufenden Geschäftsbetrieb aufrechterhalten konnte. Je kleiner die Stadt, desto größer die Chance, daß beide Kreise nicht zu weit auseinanderfielen. Es gab sogar skeptische Stimmen, die argwöhnten, daß sich Großstädte wie Berlin überhaupt nicht für Konsumvereinsgründungen eigneten. Diese Befürchtungen waren übertrieben, wie der Aufschwung der Berliner Bewegung nach 1905 zeigte. Grundsätzlich stellte sich das Problem auch in vielen anderen Städten. Es verbarg sich hinter der immer wieder auf Generalversammlungen erhobenen Forderung nach Errichtung neuer Verteilungsstellen durch einzelne Mitgliedergruppen. Diese wurden häufig von kurzfristigen Gewinnmöglichkeiten angezogen, machten aber bald die Erfahrung, daß die Ersparnisse auf Dauer nicht die Mühe der langen Wege kompensierten. Die Lösung, die sich hierfür einspielte, bestand darin, daß die Verwaltung an die Selbsthilfe der Antragsteller appellierte und dazu aufforderte, eine bestimmte Mindestquote von neuen in der Nachbarschaft wohnenden Mitgliedern beizubringen. 112 Die Gründungsbewegung zwischen der Mitte der 1890er Jahre und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs bediente sich all jener Krücken, mit denen die Selbsthilfebewegung seit den sechziger Jahren laufen gelernt hatte: der Kreditnahme beim Großhandel, dem Lieferantengeschäft, der Beleihung der Lagerhalterkaution und selbst Zuschüssen bürgerlicher Mäzene. Insgesamt gesehen jedoch kam die konsumgenossenschaftliche Bewegung dem ursprünglichen liberalen Selbsthilfeideal zu keinem Zeitpunkt näher als in diesen beiden Jahrzehnten, in denen sie sich bei der politisch und gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft abstützen konnte. 262

3. Impulse der Arbeiterbewegung In wirtschaftlicher Hinsicht hoben sich die Vereine dieser Phase durch vier Merkmale von ihren Vorgängern ab: die außerordendiche Steigerung des Umsatzes, der am Vorabend des Ersten Weltkrieges die imposante Größe von mehr als einer halben Milliarde Reichsmark erreichte und den Anteil der Konsumvereine am Gesamtumsatz der Kolonial- und Lebensmittelgeschäfte auf 5,6 Prozent erhöhte, 113 verstärkte Eigenkapitalbildung und hohe finanzielle Autonomie, dichte vertikale und horizontale Integration und ein einheiüiches Image. An allen vier Entwicklungen hatte die Arbeiterbewegung direkten und indirekten Anteil.

a) Werbung und

Erscheinungsbild

In seiner 1910 veröffendichten Studie über die »Arbeiterkonsumvereine« setzte sich der ehemalige Pfarrer und Sozialdemokrat Paul Göhre mit der verbreiteten Behauptung der konsumgenossenschaftlichen Ideologie auseinander, daß dieses Wachstum ohne Werbung erreicht worden sei - eine Behauptung, mit der die Vereine im übrigen auch die »Theorie der Bedarfsdeckung« verbanden.114 Göhres Kritik hatte den Anteil der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung und ihrer Agitation für die Konsumgenossenschaften im Blick. So konnte er auf die zahlreichen Beitrittsappelle wie überhaupt die wohlwollende Behandlung der Vereine in Gewerkschaftsund Parteiversammlungen verweisen. Göhres Kritik ging jedoch am Kern vorbei, was damit zusammenhing, daß er die Werbefunktion des angeblichen Werbeverzichts nicht durchschaute. Was die Konsumvereine entwickelten, war von außen betrachtet keine Produktreklame im üblichen Sinne, obwohl auch diese im Zusammenhang mit der Errichtung von Fabriken durch die Hamburger Großeinkaufsgesellschaft langsam aufkam, sondern, in Antizipation moderner Formen der Werbung, der Aufbau eines »Images«, welches sich auf die Ladenkette insgesamt bezog.115 Seine hauptsächlichen Bestandteile bildeten Kargheit, Nüchternheit, ergänzt um den alles andere noch überragenden Wert der Hygiene. Daß man weiterhin von »Verteilung« und »Bedarfsdeckung« statt von »Verkauf«, möglichst von »Rückvergütung« statt von »Dividende« sprach, diente der bewußten Pflege von Illusionen über die Natur des Handels und war dabei selbst Teil einer rationalen Verkaufsstrategie. Ideologisch trat die Arbeiterbewegung damit das Erbe frühbürgerlicher Kapitalismuskritik an. Der Verzicht auf die in der Privatwirtschaft üblichen Formen der Reklame signalisierte dem Mitglied auch ohne Lektüre der Bilanz, daß die Verwaltung sparsam wirtschaftete und die Waren so preiswert wie möglich »abgegeben« wurden. 263

Das war mehr als jede Produktreklame vermocht hätte. Die Art der Selbstdarstellung, zu der auch gehörte, daß man auf Schaufenster möglichst verzichtete, spiegelte die außerordentliche Popularität bedarfswirtschaftlicher Vorstellungen in der Arbeiterschaft wider. Der Preis eines solchen auf das Unternehmen bezogenen Bildes bestand darin, daß es bestimmte Innovationen in der Geschäftspolitik erschwerte. Als der Verein Leipzig-Plagwitz in den 1880er Jahren zur Entlastung seines Lagers von Ladenhütern den ersten Ausverkauf veranstaltete, hagelte es Proteste aufgebrachter Arbeiterfrauen, die darin einen Betrug sahen. Und als nach der Jahrhundertwende einzelne Läden des Vereins dazu übergingen, Schaufenster einzurichten, in denen Waren sichtbar vor aller Augen verdarben (!), nahmen Mitglieder solche »Verschwendung« zum Anlaß, in der Generalversammlung eine kräftige Dividendenerhöhung zu fordern. 116

b) Produktionsbetriebe Nach 1 9 0 0 begannen die Konsumentenunternehmen verstärkt mit der Herstellung von Lebensmitteln auf lokaler Ebene und in gemeinsam finanzierten zentralen Fabriken unter Aufsicht der Hamburger Großeinkaufsgesellschaft.117 Zwischen 1903 und 1914 stieg der Wert der Eigenproduktion um das Zehnfache und erreichte bei Kriegsausbruch zwanzig Prozent des Gesamtumsatzes.118 Zugleich sank der Anteil des Lieferantengeschäftes kontinuierlich ab. Für den großflächigen Aufbau eigener Fabrikationsbetriebe gab es mehrere Motive. Zum einen reagierten die Vereine damit auf sich wandelnde Bedürfnisse der eigenen Mitglieder, unter denen sich das Konsumenteninteresse in zunehmend reinerer Form ausprägte. Die Nachfrage verlagerte sich weg von Rohstoffen wie Mehl und Hülsenfrüchten hin zu wenig Vorbereitungszeit beanspruchenden Fertigwaren wie vorfabrizierten Suppen und Konserven. Je nachdem, um welche Produkte es sich handelte, stellten sich fur die Vereine unterschiedliche Probleme. Zum Teil war der Markt nicht in der Lage, jene konstant hohe und kostengünstige Qualität zu liefern, die die in den Konsumvereinen gebündelte, geschmacksnivellierte großstädtische Nachfrage verlangte. In diesen Fällen hatte der Aufbau eigener Fabrikationsbetriebe primär die Aufgabe der Qualitätssicherung. Dabei waren viele dieser Einrichtungen nicht einmal besonders groß. 119 Gegenüber ihrer handwerklichen Konkurrenz verfugten sie dennoch fast immer über einen ausreichenden Größen- und Rationalisierungsvorsprung, so daß sie sich einen Maschineneinsatz leisten konnten. Dies und die gesicherte Nachfrage machten den Ausbau zu einem geringen Risiko - mit Ausnahme 264

Tabelle 2 0 : Geschäftsbeziehungen mit privaten Händlern 1 8 9 9 - 1 9 1 5 Jahr Anteil des Lieferantengeschäftes am Gesamtumsatz (in Prozent) 1899 1903 1904 1905 1906 1907 1908

17,2 12,4 12,4 12,0 10,3 9,9 9,3

Jahr

Anteil des Lieferantengeschäftes am Gesamtumsatz (in Prozent)

1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915

9,1 8,4 8,4 7,4 7,0 6,8 4,1

Die Angaben ab 1 9 0 3 beziehen sich lediglich auf die Mitgliedergenossenschaften des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine. Quellen: Jahrbücher des Zentralverbandes 1903ff., eigene Berechnungen.

der Fleisch- und Wurstwarenfabrikation, deren spezifische Anforderungen auch jetzt noch die Fähigkeiten der meisten Vereine überstiegen. 120 In anderen Bereichen diente der Ausbau der Eigenproduktion der Sicherung von Preisen und unternehmerischer Autonomie. Die Abhängigkeit von lokalen Zulieferern warf neuartige Probleme auf, seit der Zusammenschluß von Lebensmittelhandwerkern und -händlern große Fortschritte machte. Anders als in den 1880er Jahren, in denen Boykottaktionen lokaler Händlergruppen eher Verzweiflungstaten mit geringer Erfolgsaussicht darstellten, griffen nach der Jahrhundertwende bei insgesamt sehr viel höherer Organisationsdichte Absprachen in Einzelfallen durchaus. 121 Selbst Großhändler lernten, das Protestpotential und die Marktmacht der Detaillisten furchten. Auch wenn selten dauerhafte Schädigungen der Vereine zurückblieben, stießen sie bei den Leitungen Überlegungen an, wie die Unabhängigkeit zu sichern sei. Eine nachhaltige Bestätigung dieses Kurses und ein Impuls zur weiteren Beschleunigung der vertikalen Integration entwickelten sich aus einem längeren Konflikt mit den im Verband deutscher Markenartikelfabrikanten zusammengeschlossenen Großunternehmen der Lebensmittelbranche. 122 Dieser Konflikt, der sich um die gleiche Zeit in England reproduzierte, erhielt seine besondere Bedeutung vor dem Hintergrund eines weitreichenden, mit dem Aufstieg der Konsumgesellschaft einhergehenden Wandels. Zwischen Jahrhundertwende und Weltkrieg begann sich das Kaufverhalten breiter Massen von Konsumenten im Bereich der Grundversorgung erstmals allgemein an festen Marken zu orientieren. Von dieser

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mächtigen, Traditionen erodierenden, Verhaltensnormen und Leitvorstellungen umprägenden und die Gesellschaft neu stratifizierenden Tendenz gingen intensive Bindungen zwischen Produzenten und Konsumenten aus, die den Handel stark in die Defensive drängen konnten. Die Konsumvereine spürten dies als energische Nachfrage ihrer Mitglieder nach bestimmten Produkten 123 bei gleichzeitigen, die Autonomie der Preisgestaltung einschränkenden Vorschriften der Markenartikelproduzenten. Als die Produzenten den Versuch unternahmen, mit partiellem Boykott feste Verkaufspreise durchzusetzen, reagierten die Vereine ihrerseits geschlossen mit monatelanger Kaufzurückhaltung. Für die neue Struktur der konsumgenossenschaftlichen Bewegung, die seit Mitte der neunziger Jahre in der GEG eine eigene Stütze im Großhandel hatte, wurde der Konflikt, ähnlich den Massenstreiks der Gewerkschaften, zu einer regelrechten Feuerprobe. Als die Fabrikanten die Auseinandersetzung abbrachen und einlenkten, bedeutete der Ausgang einen enormen Prestigegewinn fur jene Gruppe sozialdemokratisch-freigewerkschaftlicher Funktionäre, die hinter dem neuen Kurs standen. Die Klassensolidarität triumphierte jedoch nur scheinbar über die Produktloyalität. Tatsächlich begann die Großeinkaufsgesellschaft als Antwort auf diese Erfahrung damit, spiegelbildlich zu den etablierten Markenartikeln - Seifen, Waschpulver, Margarine, Suppenwürfeln - eigene Handelsmarken herzustellen.124 Zu dem mit Abstand wichtigsten Zweig der Eigenproduktion entwickelte sich die Herstellung von Backwaren.125 Welche Anreize dem zugrunde lagen, verdeutlicht ein Blick auf die Ausgabenschwerpunkte einer durchschnittlichen Arbeiterfamilie. Unter allen Verbrauchsgütern besaß das tägliche Brot nach wie vor eine überragende Bedeutung. 126 Wer dem Ziel einer möglichst umfassenden Organisation der Kaufkraft nahekommen wollte, fiir den führte am Brot kein Weg vorbei. In der Regel deckten die Vereine den Bedarf über Lieferantenverträge mit lokalen Bäckern ab. Eine Beschaffung durch den Großhandel stellte die absolute Ausnahme dar. Es gab zu wenig große Lieferanten, und außerdem genoß das mit Wagen herangeschaffte, über mehrere Stunden gelagerte Fabrikbrot selbst noch in den zwanziger Jahren einen schlechten Ruf. Die Anforderungen für die Einrichtung eigener Backbetriebe lagen bei weitem nicht so hoch wie bei der Fleisch- und Wurstfabrikation. Einige Konsumvereine hatten deshalb schon in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren mit der Angliederung von Bäckereien begonnen (Lüdenscheid 1865; Pforzheim 1868; Iserlohn 1870). Die hohe Aufmerksamkeit, die solche Initiativen damals auf sich zogen, und die entsprechend ausführliche Berichterstattung in den Organen der Genossenschaftsverbände entsprachen bei weitem nicht ihrer tatsächlichen Bedeutung. Hält man sich an die nackten Zahlen, wird deutlich, daß noch um 1900, als der Ausbau bereits in Gang gekommen war, 266

nur ein verschwindend kleiner Teil der Vereine über derartige Bäckereien verfugte. Dabei spielte das Selbstverständnis der Konsumvereine und ihrer Leitungen eine wichtige Rolle. Solange die Mehrheit den lokalen Rahmen als Bezug akzeptierte und ihre sozialpolitische Aufgabe innerhalb dieses Rahmens definierte, blieb sie auch an dessen moralische Ökonomie gebunden. Mit der Errichtung eigener Produktionsbetriebe überschritt gerade der Kleinstadtverein weithin sichtbar eine soziale Grenze. Er signalisierte dem Handwerk, daß er auf Wachstum und Verdrängung setzte. Der Weg in die Produktion auf möglichst hoher Stufe war umgekehrt das gegebene Mittel, um die Unterstützung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zu gewinnen. So embryonal vieles auf diesem Gebiet blieb, das Ineinandergreifen von organisiertem Konsum und Produktion wirkte auf alle Zeitgenossen, Befürworter und Gegner, als ein Prinzip von ungeheurer Dynamik, dessen Grenze nicht absehbar schien. Dem korrespondierten extreme Befürchtungen und weit überzogene Hoffnungen. An dieser Stelle machten sich die Veränderungen in der sozialen Basis der Vereine entscheidend bemerkbar. Die Interessen der Lohnarbeiterschaft überschnitten sich, ohne völlig deckungsgleich zu sein, mit Verbraucherinteressen sehr viel breiter als die der kleinen Selbständigen. Ständische Rücksichten, die Handwerker und Händler bei der Wahrnehmung latenter Konsumenteninteressen stark beeinträchtigten, fehlten bei Arbeitnehmern fast völlig.

c) Eigenkapitalbildung

und

Barzahlung

Der Ausbau von Produktionsanlagen, höhere Ansprüche an die Ausstattung der Läden und günstigere Standorte verlangten nach mehr Kapital.127 Bei seiner Beschaffung und Sicherung sahen sich die Leitungen der neugegründeten Arbeitervereine mit dem Problem konfrontiert, daß die bereits erreichte Barzahlungsdisziplin verlorenzugehen drohte. In den Jahren zwischen 1890 und 1 8 9 7 nahm der Anteil kreditgebender Vereine von ursprünglich einem Viertel auf über 4 0 Prozent zu. Als der sozialdemokratische Zentralverband 1903 seine erste Bilanz vorlegte, meldeten mehr als 56 Prozent aller Vereine Außenstände für entnommene Waren. 128 Von den Erklärungen, die die Zeitgenossen für dieses Phänomen entwikkelten, überzeugte am wenigsten die Behauptung des Allgemeinen Verbandes, die »neue Richtung« nehme es mit den Grundsätzen der Solidität nicht mehr so genau. Die Hauptursache dürfte vielmehr in der Gründungstätigkeit selbst gelegen haben. Die Durchsetzung der Barzahlungsdisziplin war stets ein längerer Prozeß, der das Abschleifen »importierter« Gewohnheiten und eine Konsolidierung der Leitungsorgane und ihrer

267

Tabelle 2 1 :

Barzahlung und Kreditnahme 1 8 9 0 - 1 9 1 3

Jahr

Zahl der Vereine

1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913

263 302 344 377 417 460 468 489 512 534 568 627 710 787 865 939 1.021 1.068 1.103 1.134 1.128 1.129

Mitglieder

215.420 229.126 243.529 264.185 268.380 292.077 321.186 403.872 431.439 468.992 522.116 573.085 646.175 715.929 776.999 879.221 966.904 1.171.763 1.313.422 1.483.811 1.621.195 1.717.519

Außenstände (in Mk.)

207.048 209.834 237.118 272.600 367.983 449.402 485.819 568.042 576.392 658.830 1.103.655 1.022.016 1.226.755 1.503.320 1.549.474 1.898.762 1.972.144 2.201.288 2.447.087 2.424.531 2.891.683 2.960.952

Außenstände pro Mitglied (in Mk.) 0,96 0,92 0,97 1,03 1,37 1,54 1,51 1,41 1,34 1,40 2,11 1,78 1,90 2,10 1,99 2,16 2,04 1,88 1,86 1,63 1,78 1,72

Außen; pro Vc (in Ml 787 695 689 723 882 977 1.038 1.162 1.126 1.234 1.943 1.630 1.728 1.910 1.791 2.022 1.932 2.061 2.219 2.138 2.564 2.623

Quellen: Jahrbuch des Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften für 1 8 9 7 ( 3 9 . Folge), 1. Jg. N.F. Berlin 1 8 9 8 , S. XXIV; sowie Kaufmann, Festschrift, S. 330ff.; berechnet nach den Angaben ebd.

Autorität voraussetzte. Wann immer in den Vereinen die Bestimmungen über die Abschaffung der Kreditvergabe auf der Tagesordnung standen, schnellte die Beteiligungsziffer in den Generalversammlungen steil nach oben. 129 Solange viele wichtige Funktionen im Verein auf unbezahlter Arbeit beruhten, erwarteten die Gründer von »ihrem« Verein das gleiche Entgegenkommen, das sie auch bei den Händlern fanden. 130 Der Allgemeine Verband, der den Anstieg der Kreditsummen bei den im sozialdemokratischen Zentralverband organisierten Vereinen zunächst schadenfroh kommentiert hatte, mußte zusehen, wie sich auch unter seinen Vereinen, sofern sie neugegründet waren oder stark wuchsen, die Übung des Borgs 268

wieder ausbreitete. Daß die im Allgemeinen Verband organisierten Vereine dennoch im Durchschnitt besser abschnitten, weist auf einen anderen Faktor hin. In den Arbeitervereinen fand sich jetzt erstmals ein größerer Anteil ungelernter Arbeiter, mithin eine soziale Gruppe, die bis dahin in der Selbsthilfebewegung weitgehend gefehlt hatte und von der geringen Stetigkeit der Einkommen her am wenigsten in der Lage war, die Barzahlung durchzuhalten. 131 Der erste Schritt der Verwaltungen zur Eindämmung des Kapitalabflusses bestand wie schon nach der ersten Gründungswelle in den 1860er Jahren darin, die Kreditvergabe in irgendeiner Form an den Geschäftsanteil zu binden. Diese sich bei vielen Vereinen einspielende Lösung hatte den Nachteil, daß das Mitglied seinen Kapitaleinsatz nicht »abschrieb«, sondern als jederzeit abrufbares Guthaben behandelte. Die Verwandlung von sicherem Eigenkapital als Basis von Kredit und Investitionen in kurzfristig kündbare Spareinlagen vertrug sich jedoch immer weniger mit der Größe und den steigenden Anforderungen an die Berechenbarkeit und langfristige Dispositionssicherheit auf Seiten der Unternehmen. Die Hauptlösung, die die Vereine favorisierten und für die es ebenfalls schon Vorbilder in den 1880er Jahren gab, bestand in der Schaffung sogenannter Dispositionsfonds ohne Rechtsanspruch. Sie schufen Puffer gegenüber den Pendelausschlägen der Konjunktur und sammelten innerhalb des Unternehmens Kapitalmengen an, die sich bis zu einem gewissen Grade fur andere Finanzierungszwecke verwenden ließen. Tatsächlich wurden auf diese Weise mit einer plausiblen sozialen Begründung »Ersparnisse« kapitalisiert und der Verfugung der Mitgliedschaft langfristig entzogen. 132 Dennoch gelang es trotz intensiver Appelle bis 1914 nicht, den früheren Barzahlungsstand zu erreichen. Das erscheint um so bemerkenswerter, als objektive Faktoren die Durchsetzung der Barzahlung im Prinzip begünstigten. Vor 1890 hatten die Vereine den Schnitt eines Kreditverbots oft schon deshalb nicht riskiert, weil ihnen die Auswirkungen auf den Mitgliederbestand unabsehbar schienen. Die nur kurzzeitig unterbrochene Aufwärtsentwicklung der Konjunktur und der stete Zustrom neuer Mitglieder brachten die Führungen jetzt im Prinzip in eine wesentlich günstigere Position zur Durchsetzung des schmerzhaften Kreditverbots. Außerdem entfiel mit der fortschreitenden Arbeitsteilung in den Vereinen ein immer größerer Teil des gesamten Verkaufsgeschäftes auf ausführende Angestellte ohne Dispositionsspielraum, die anders als der Lagerhalter früherer Zeiten, selbst wenn sie es wollten, kein Entgegenkommen mehr zeigen konnten. Diese Faktoren wirkten sich jedoch nur langfristig aus. Erst auf dem Höhepunkt der Weimarer Konjunktur ging das Ausmaß der Kreditnahme wieder auf den Stand von 1890 zurück.133 Gegenüber der Macht der Gewohnheit versagte auch die Disziplin der Arbeiterbewegung. 269

Als wichtigstes Mittel zur Sicherung und Erweiterung der Eigenkapitalbasis erwies sich nicht die Eingrenzung des Warenkredits, sondern nach englischem Vorbild - die allgemeine Angliederung von Sparkassen fur die Mitglieder.134 Auch in diesem Punkt hatte die Nähe zum selbständigen Mittelstand und seinen Interessen die Reichweite der Arbeiterselbsthilfe bis dahin erheblich beschnitten. Was in England von Beginn an eine Selbstverständlichkeit gewesen war und den Konsumvereinen zu preiswertem Eigenkapital für die Investitionsfinanzierung verholfen hatte, war in Deutschland mit Rücksicht auf die Interessen der Kreditgenossenschaften unterblieben. 135 Hinzu kam wohl auch, daß wegen des weitgehenden Verzichts auf einen Ausbau eigener Produktionsstätten der Kapitalbedarf lange Zeit nicht so unabweisbar war, daß er die Schaffung zusätzlicher Finanzierungsinstrumente erfordert hätte. Unter der Parole »Mobilisierung der Sparkraft« machten sich die von Arbeitern getragenenen Vereine nach der Jahrhundertwende an die Errichtung eigener Kassen. Die Zahlen erwecken den Eindruck, daß es den Konsumvereinen gelang, mit ihren neugeschaffenen Einrichtungen von den gestiegenen Realeinkommen zu profitieren und nicht unbeträchtliche Anteile der jetzt bei besserverdienenden Arbeitermitgliedern freiwerdenden Überschüsse an sich zu ziehen. Einen Eindruck vom Umfang des Spargeschäftes vermitteln die Geschäftsberichte des Chemnitzer Allgemeinen Konsumvereins, dessen Mitgliedschaft 1904 zu 9 4 Prozent Prozent aus Arbeitern und Angestellten bestand. Fünf Jahre nach der Errichtung der Sparkasse im Jahre 1910 sparte ein Viertel (23,5%), 1914 die Hälfte seiner Mitglieder.136 Die Höhe des durchschnitüichen Betrags pro Konto lag mit 2 1 1 , 5 0 RM bei knapp zwei Monatslöhnen. Die Sparbereitschaft der Mitglieder schlug sich in einer drastisch gewandelten Kapitalstruktur der Gesamtbewegung nieder. Noch 1897 stammten rd. 71 Prozent des Kapitals, mit dem die Vereine wirtschafteten, aus fremden Quellen. Elf Jahre später war der Satz trotz eines enorm gestiegenen Bedarfs auf 25 Prozent abgesunken. 137

d) Vertikale Integration: Die »Großeinkaufsgesellschaft

deutscher

Consumvereine«

Die folgenreichste Neuentwicklung der Jahre bis zum Ersten Weltkrieg war 1893 die Errichtung eines Großhandelsunternehmens mit Sitz in Hamburg, dem sich bis zum Ersten Weltkrieg die große Mehrheit aller bestehenden Konsumvereine anschloß. Die »Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine«, kurz GEG, bildete das Gegenstück zur 1868 in Manchester gegründeten Co-operative Wholesale Society. Zusammen mit den staatlich sanktionierten Revisionsverbänden entwickelte sich das Unter-

270

nehmen zum entscheidenden Hebel, um die Richtung der neuen Bewegung zu steuern.138 Der Gründungsverlauf war typisch fur die Übergangszeit, in der sich die Vereine zu Beginn der 1890er Jahre noch befanden. 139 Der ursprüngliche Anstoß ging 1891 von einem privaten Kaufmann aus, der an Geschäften mit den Konsumvereinen interessiert war. Als Person repräsentierte er jenen Teil des Handels, vornehmlich des Großhandels, der die Vereine nicht als Konkurrenz fürchtete, sondern als schnellzahlende Großabnehmer schätzte. Um das Unternehmen abzustützen, entschloß sich der Betreffende, Kursblätter herauszugeben, die vor allem Preislisten und sonstige Sachinformationen zur Lagerhaltung und ähnlichen Fragen enthielten. Innerhalb der rasch expandierenden Bewegung trafen die laufenden Informationen auf ein breites Orientierungsbedürfnis und bildeten den Ausgangspunkt eines großen Teils der späteren konsumgenossenschaftlichen Presse.140 Daß die mit sehr geringem Kapitaleinsatz gestartete Gründung tatsächlich gelang - es handelte sich bei der »GEG« anfangs um wenig mehr als ein auf Provisionsbasis arbeitendes Büro - , erklärt sich daraus, daß ihr »von unten« in Gestalt der sächsischen Einkaufsvereinigungen stabile Einrichtungen entgegengewachsen waren. Einige der größeren sächsischen Konsumvereine stellten anfangs die notwendigen Zwischenlager und das Personal zu Verfügung. Die starke Abhängigkeit des Vermittlungsbüros von den Vereinen war es, die nach einem Konflikt umgekehrt als Hebel diente, um das Unternehmen 1894 de facto zu übernehmen. Was die Aufgabe des Markengeschäftes und der Ausbau von Bäckereien und anderer Produktionsbetriebe fur das Verhältnis von Konsumgenossenschaften und ortsansässigem Einzelhandel bedeuteten, signalisierte die Gründung der GEG für die Beziehungen zum Großhandel. Bis dahin hatte zwischen Groß- und Einzelhandel eine klare Differenzierung in Interessenlage und Stellung zu den Konsumvereinen bestanden. In den seltenen Fällen, in denen sich der Großhandel Boykottaktionen anschloß, geschah es unter massivem Druck organisierter Kleinkaufleute. Mit dem Schwung des Newcomers, gestützt auf ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein, das den Selbsthilfeanspruch als Begründung, ja als Antrieb für einen verstärkten vertikalen Integrationsprozeß nahm, drängte das Hamburger Unternehmen mit Macht in die etablierten Austauschbeziehungen hinein. Dies geschah im Einzelfall so schroff, daß sich die Auseinandersetzung politisierte und zur Absplitterung aus der bestehenden Verbandsorganisation führte. Wie in allen anderen Bereichen lag die Basis des Integrationsfortschritts nicht in der Ideologie, sondern in der Leistungsfähigkeit des Unternehmens begründet. Die Konstruktion der GEG ließ tatsächlich eine Ausschaltung der Konkurrenz im Verhältnis zu den Einzelvereinen nicht zu. Die Gesellschaft konnte in Maßen wie jeder andere Großhändler wirtschaft271

liehen Druck auf den Einzelabnehmer ausüben, auf die Dauer blieb sie aus dessen Perspektive nur ein großer Anbieter unter vielen anderen. Ihr Leistungsvorsprung ruhte auf drei Säulen: der relativen Homogenität des Bedarfs, ihrem Größenvorsprung, dem nur wenige andere Organisationen und Ketten des Handels um die Jahrhundertwende nahekamen, und der fachlichen Qualität ihrer Leitung. Das Unternehmen profitierte in diesem letzten Punkt von der langen Anlaufphase der Konsumgenossenschaften in Deutschland, die zu einem Mobilitätsstau für qualifizierte Kräfte gefuhrt hatte. Eine Reihe der fähigsten lokalen Geschäftsführer, die der Selbsthilfetradition entsprechend in ihren Vereinen lange Zeit stark unterbezahlt gewesen war, nutzte um die Jahrhundertwende die Chance zur Karriere in einem offenen, reizvollen Arbeitsfeld.141 Unter fast allen Aspekten des Geschäftsbetriebes bildete die GEG nach ihrer 1904/05 abgeschlossenen Konsolidierungsphase ein Reservoir fachlicher Kompetenz für lokale Initiativen. Die Errichtung der Sparkassen bei den Einzelvereinen geschah nicht mehr als tastender Versuch mit demotivierenden, lange nachwirkenden Fehlschlägen, sondern in unmittelbarer Abstimmung mit anreisenden Beratern der GEG, die die Statuten und den Organisationsplan lieferten. Die schwierige Frage der Geldanlage und des Zahlungsausgleichs löste die GEG direkt, indem sie die Funktion einer Zentralkasse übernahm. Seit 1906 schaltete sich das Unternehmen auch in die lokalen Gründungsvorgänge ein. In Rundschreiben an die Einzelvereine forderte die Leitung die Geschäftsführer auf, Initiativen umgehend zu melden. Das Hamburger Unternehmen entsandte Berater, die die Ernsthaftigkeit des Versuchs begutachteten, zentral verfertigte Musterstatuten anboten, Vorschläge für die Bestückung des Lagers unterbreiteten und dem Unternehmen auch sonst über die ersten rechtlichen und geschäftlichen Klippen hinweghalfen. Ein wesentliches Ziel dieser Berater war es, eine übermäßige Zersplitterung zu vermeiden. Manches, was als eigenständiger Gründungsversuch begann, endete als Filiale eines bereits existierenden Vereins. Die GEG war auch die treibende Kraft hinter einer Zentralisierungskampagne, die ebenfalls seit 1906 unter der Überschrift »Bezirkskonsumvereine« die Städte- und, bei kleineren Gemeinden, bezirksweise Zusammenfassung von Einzelvereinen forderte. Diese Kampagne schritt aber wesentlich langsamer als geplant voran. Ob ein Vorortverein seine Selbständigkeit aufgab, hing vor allem von der Frage ab, wie es um die Dividendenverteilung im aufnehmenden Verein bestellt war. Nur wenn gesichert schien, daß die nahegelegenen Verteilungsstellen erhalten blieben und keine Dividendensenkung zu erwarten war, konnte mit dem Einverständnis der dann zumeist gut besuchten Generalversammlung der Mitglieder gerechnet werden. Da jedoch gerade viele der kleinen Vereine ihre Aufgaben im Ehrenamt erle272

digten und sehr niedrige Kosten hatten, erwirtschafteten sie hohe Überschüsse, die sie zu einer Fusion oft wenig geneigt machten. So konnte der Anwalt des Allgemeinen Verbandes 1908 denn auch triumphierend berichten, daß die »Bewegung zur Gründung von Bezirkskonsumvereinen« weitgehend zum Stillstand gekommen sei.142 In vergleichender Perspektive wird deudich, daß die Vereine mit der Gründung der GEG einen wichtigen, bis dahin noch vorhandenen Rückstand gegenüber der englischen Bewegung wettmachten. Auch gegenüber den Kreditgenossenschaften, die immerhin seit 1860 über eine zentrale Ausgleichskasse verfugten, zogen die Konsumvereine jetzt nach. Der Preis für die Behinderung von Zentralisierungsprozessen bei den Konsumvereinen durch den liberalen Verband bestand darin, daß das Eindringen der Arbeiterbewegung auf dieser Stufe um so leichter und allgemeiner erfolgen konnte.

4. »Ehernes Gesetz der Oligarchie«? In seiner 1911 erschienenen Untersuchung über die »Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie« beschrieb Robert Michels die Konsumvereine als ein besonders krasses Beispiel für das eherne Gesetz der Oligarchie und die Vertauschung von Organisationszwecken und -mittein. »Im allgemeinen«, führte Michels im Anschluß an Kautsky aus, »liegen die Leitungen der Konsumgenossenschaften in festen Händen und sind von autokratischem Geiste beseelt.«143 Michels lieferte auch gleich die Erklärung für diese Feststellung. »Wenn man nicht das Kaufen als Mitarbeit betrachten will - in diesem Falle wären die Kunden eines Kaufmanns auch seine Mitarbeiter - , dann haben die Mitglieder eines Konsumvereins nicht mehr dabei zu tun, als die Aktionäre einer Aktiengesellschaft; sie wählen ihre Vertrauensmänner und lassen dann die Sache laufen, wie sie laufen will«.144 Was Michels in scharfe wissenschaftliche Begriffe und dennoch nicht ohne Sympathie fur die von ihm bloßgelegten Strukturen faßte, klang aus dem Munde von Mittelstandsvertretern etwa so: Die Konsumvereine sind Instrumente einer Klasse von Funktionären zu deren eigener Bereicherung. Sie sind weder demokratisch, noch dienen sie den Interessen der Arbeiter. Der dahinterstehende Vorwurf der Vertauschung von Zwecken und Mitteln zielte auf den politischen und gesellschaftlichen Kredit von Selbsthilfe und, da Selbsthilfe als breite Bewegung ohne Subventionen schwer zu denken war, letztlich auf ihre Existenz. Was traf an dem Vorwurf zu? Wie weit war der Prozeß der Oligarchisierung bis zum Ersten Weltkrieg tatsächlich fortgeschritten? Die Plausibilität der Kritik lebte wesendich vom Kon273

trast zwischen einem besseren »Früher« und einer denaturierten Spätphase. Trifft dieser im Michelsschen Modell unterstellte Ablauf auf die deutsche Entwicklung zu? 145 Es ist wichtig, bei der Frage nach der Oligarchisierung Gründung und laufendes Geschäft auseinanderzuhalten und darüber hinaus zwischen einzelnen funktionalen Erfordernissen zu unterscheiden. Alle Indizien sprechen dafür, daß die Kapitalbeschaffung vor 1 8 9 0 bei vergleichbaren Vereinen sehr viel weniger demokratisch ablief als danach. Der Anteil von Zusammenschlüssen, der in der Gründungsphase durch die unentgeldiche Stellung von Lagerräumen, direkte Kapitalvorschüsse etc. Hilfestellung von außen erhielt, lag vor 1 8 9 0 wesentlich höher als in den Vorkriegsjahrzehnten, nachdem sich die Arbeiterbewegung den Vereinen zugewandt hatte. Doch scheinen größere Geldbeträge der Arbeiterorganisationen für Konsumvereine nicht geflossen zu sein. Ein zuverlässiges Indiz dafür ist die Tatsache, daß dieser Vorwurf in der mittelständischen Agitation, die sonst jede Verbindung sorgfältig registrierte, nur sehr selten auftaucht. Von einem verschwindend geringen Bruchteil abgesehen, stammte das Gründungskapital jetzt im Unterschied zu früher von den Mitgliedern selbst und unter diesen wiederum vor allem von den Arbeitern. In einem zentralen Punkt war die Bewegung um die Jahrhundertwende mithin näher am Selbsthilfeideal als ihre Vorläuferin. Das lag auch daran, daß die Infrastruktur, auf die die Gründungen zurückgreifen konnten, wesentlich entwickelter als in den 1880er Jahren war. Der Markt war transparenter, die Verkehrs- und Kommunikationsbedingungen fortgeschrittener. Bis dahin bildeten die Beschaffung preisgünstiger Waren und die ersten Verabredungen mit Händlern oft hohe Klippen, die der Gründungskern auf sich gestellt überwinden mußte. Die Hamburger Großeinkaufsgesellschaft stellte nach einer Anlaufs- und Konsolidierungsphase viele dieser funktionalen Erfordernisse als Dienstleistung in gebündelter Form zur Verfügung. Die ausgeprägteste, am meisten entlastete Form von Selbsthilfe war die oben beschriebene innere Gründungstätigkeit bei der Errichtung von Filialen. Sie beschränkte sich darauf, daß Mitglieder eines schon bestehenden Vereins eine genügend große Zahl von Nachbarn warben, um die Eröffnung einer Verkaufsstelle in ihrer Nähe zu rechtfertigen. Der wichtigste Einwand gegen einen pauschalen Oligarchieverdacht ergibt sich aus der Art der Expansion in den Vorkriegsjahrzehnten, die sich überwiegend nicht als Mitgliederzulauf zu bestehenden Zusammenschlüssen, sondern als Neugründungsprozeß vollzog. Während in England das Schwergewicht der Gründungen in den 1860er Jahren lag und in dieser Intensität bis zum Ersten Weltkrieg nicht mehr erreicht wurde, verhielt es sich in Deutschland umgekehrt. Die Entwicklung der Jahre zwischen 1895 und 1 9 1 4 stellte alle früheren und späteren Gründungsschübe in den

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Schatten. Als unmittelbare Konsequenz dieses Prozesses wandelte sich die Zusammensetzung der Leitungsgremien tiefgreifend. Vor 1890 saß in den Vorständen und Aufsichtsräten oft, nicht immer, eine Minderheit von Vorzeige· und Alibi-Arbeitern. Die Jahre nach 1890 brachten dagegen einen gewaltigen sozialen Demokratisierungsschub, der Arbeiter überall in Leitungsorgane einrücken ließ. Im Hinblick auf den Gründungsvorgang läßt sich also mit einigem Recht behaupten, daß offenbar gerade in Deutschland das Gesetz der Oligarchie nicht zutraf. Der Befund widerlegt, strenggenommen, nicht das Gesetz, doch macht er darauf aufmerksam, daß die Michels-These zu sehr von den besonderen historischen Bedingungen, unter denen sich die Arbeiterbewegung in Deutschland entfaltete, absah. Ein ganz ähnlicher Einwand läßt sich im übrigen auch aus der Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung herleiten, die ihre Organisationsentwicklung in den 1860er Jahren mit einem starken Übergewicht des »Apparates« gegenüber der Basis begann und dieses Ungleichgewicht nach 1890 abbaute.146 Wie verhielt es sich mit der Beteiligung der Mitglieder am laufenden Geschäft? Für die Wirksamkeit des ehernen Gesetzes der Oligarchie liefert die Selbstverwaltungspraxis der Konsumvereine einige schlagende Beweise. Parallel zum Wachstum der Vereine sanken die direkten Einwirkungschancen des durchschnittlichen Mitglieds auf die Geschäftsführung. Auch wenn die absoluten Zahlen der Besucher von Generalversammlungen nicht in jedem Fall zurückgingen, wie die nachstehende Übersicht belegt, bezogen auf die Mitgliedschaft insgesamt, schrumpfte der Anteil der Generalversammlungsteilnehmer in jedem Fall zusammen. In einigen Fällen, der Chemnitzer Verein steht hierfür, sank die Beteiligung nicht nur relativ, auch die absoluten Zahlen gingen zurück und signalisierten damit nachlassendes Interesse und schleichende »Oligarchisierung«. Außer dem Rückgang der Teilnehmerfreqenz finden sich andere Indizien, die die These Michels' stützen. Vor dem Hintergrund des stürmischen Wachstums der Mitgliederzahlen und steigender Anforderungen an die Beweglichkeit der Geschäftspolitik sahen sich die Vorstände großer Vereine nach 1900 in rascher Folge gezwungen, die Spielregeln der Selbstverwaltung zu verändern: etwa dadurch, daß die Summen, über die die Vorstände ohne Rückfrage bei der Generalversammlung disponieren konnten, erhöht wurden, durch die Verlängerung der Amtsperioden, selbst durch eine Beschneidung der Mitwirkungs- und Kontrollansprüche des Aufsichtsrates und eine Erschwerung der Einberufung außerordenüicher Generalversammlungen durch die Mitglieder mit dem vielsagenden Argument, »weil es sich doch sehr schwer denken läßt, daß ein Vorstand und Aufsichtsrat bei wirklich vorhandenem Bedürfnisse sich gegen eine notwendige Generalversammlung wehrt.« 147 2 75

Tabelle 2 2 : Mitgliederbeteiligung an Generalversammlungen 1 8 9 0 - 1 9 2 3 Jahr

1890 1891 1892 1893 1894 1894 1895 1895 1896 1896 1897 1897 1898 1898 1899 1900 1900 1900 1901

1

Leipzig-Plagwitz absolut in Prozent 611 863 571 1.099 594 975 1.093 1.203 534 1.201 890 971 849 943 1.343 1.321 1.761 881 701

16 19 13 20 1 7 11,5 10 11 4 9 5,5 6 4,5 5 5 4,5 6 3 2,25

Jahr

Chemnitz absolut in Prozent

1905 1906 1907 1908 1909 1909 1910 1910 1911 1912 1913 1913 1914 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1919 1920 1921 1922 1923 1923

958 986 969 621 170 961 1.160 828 823 810 253 858 302 629 510 330 287 262 335 254 538 951 680 461 425

7,7 7,93 7,52 5,05 1,29 7,31 8,7 6,21 6,13 5,85 1,7 5,74 1,7 3,43 2,71 1,56 1,21 1,05 1,26 0,95 1,95 3,37 2,33 1,58 1,42

Abschaffung der Kreditgewährung.

Quellen: Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 3 5 1 ; Müller, Konsumverein, S. 2 8 ; eigene Berechnungen.

Auch hier muß einschränkend betont werden, daß die Abwertung der Generalversammlung zu einem überwiegend ratifizierenden Organ keine ganz neue Entwicklung darstellte. Die Skepsis gegenüber direkten Einwirkungsmöglichkeiten der Basis auf die Geschäftsführung läßt sich, wie oben angedeutet, geradezu als Axiom des deutschen Liberalismus im Umgang mit der genossenschaftlichen Selbsthilfe von Unterschichten bezeichnen. Auf nichts drängten die liberalen Anwälte von Beginn an so sehr wie auf eine klare Trennung von Verwaltung und Aufsicht. Ganz im Unter-

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schied zu England, wo bei den Konsumvereinen große Vorstände die Geschäfte führten, waren die deutschen Vorstände von Beginn an klein und wurden in ihrer Tätigkeit durch einen besonderen Aufsichtsrat überwacht.148 Den Ausschlag für diese Konstruktion gaben, erstens, die Tatsache, daß in der deutschen Selbsthilfebewegung die Kreditvereine mit ihren hohen Anforderungen an die laufende Geschäftsaufsicht (Selbstprivilegierung bei der Kreditvergabe!) dominierten, sowie, zweitens, das denkbar scharfe Schwert der unbeschränkten Haftpflicht. Daraus erklärt sich, daß die deutsche Genossenschaftsbewegung in ihrer Binnenstruktur so auffällig nach dem Muster der Aktiengesellschaft konstruiert wurde. Äußerlich Schloß diese Entwicklung mit dem Genossenschaftsgesetz von 1889 ab, das, anders als sein Vorgänger, den Aufsichtsrat für die deutschen Vereine endgültig obligatorisch machte. Praxis und Gesetzgebung fielen aber nie in eins - besonders nicht bei den Konsumvereinen. Das Bestehen besonderer Aufsichtsräte verhinderte nicht, daß hier von einer scharfen Trennung zwischen Ausführung und Kontrolle oft bis 1914 nicht die Rede sein konnte. Der interne Sieg über den Lagerhalter war nur möglich, weil der Aufsichtsrat weit über eine periodische Überwachung der Bilanzen hinaus kontinuierlich Kontrollaufgaben im geschäftlichen Alltag übernahm. 149 Schon in den siebziger Jahren tauchten Forderungen auf, die Aufsichtsräte angesichts ihrer Dauerbelastung materiell zu kompensieren. »Schwerlich«, klagte ein Betroffener, werde ihm wohl »jemand widersprechen, daß in großen Konsumvereinen die sämdichen Mitglieder des Aufsichtsrates, ... namhafte Opfer an Zeit und Mühe zu bringen haben, abwechselnd an den zahlreichen Kommissionen sich beteiligen müssen, die das vielgestaltige Geschäftsleben notwendig macht, durch Teilnahme an Revisionsarbeiten, an Überwachung der Verkaufsstellen, an den ordendichen und außerordendichen Inventuren etc. oft und andauernd in Anspruch genommen sind.«150 Die Gründe, die zur Einspannung der Aufsichtsräte in die laufende Geschäftsführung beitrugen, verschwanden nach 1890 nicht - im Gegenteil. Gerade in der Gründungsphase waren die Vereine gegenüber Veruntreuung hoch anfällig, insbesondere wenn, wie bei den Arbeitervereinen, frühzeitig Verkaufsstellen errichtet wurden. 151 Im Unterschied zum Werkmeister im Industrieunternehmen hatten der Lagerhalter und die Angestellten im laufenden Betrieb direkten Zugang zu Geld und waren damit ganz anderen Versuchungen ausgesetzt. Darüber hinaus verlangte das Dividendensystem bei den rasch wachsenden Vereinen ein perfektionistisches, enorm aufwendiges Abrechnungswesen. All das und die Sicherung der Mitgliederbasis oblag den größtenteils ehrenamtlich oder nur für geringe Aufwandsentschädigung tätigen Aufsichtsräten. Hier war buchstäblich der Platz für Idealismus. Statt die Kontrollaufgaben auf Angestellte zu übertragen, engagier277

ten sich Gruppen von Mitgliedern, die dem Verein auf diese Weise hohe Personalkosten ersparten. Unter dem Eindruck einer nicht mehr tragbaren Überlastung der Aufsichtsräte begann die Hamburger »Produktion« als erstes Unternehmen im Jahre 1902 damit, ein System von Mitgliederausschüssen zu errichten, die in enger Anbindung an die einzelnen Verkaufsstellen wesentliche Funktionen des Aufsichtsrates übernahmen. Nach und nach eigneten sich die meisten größeren Vereine dieses System an, das einen fortlaufend wachsenden Kreis von aktiven Mitgliedern einbezog und zu ehrenamtlichen Funktionsträgern machte. 152 Die Konsumvereine beschritten mit diesem Aufbau einen Weg, »der ihnen mit dem Werkstattvertrauensmann der Gewerkschaft und mit dem politischen Organisationsapparat vorgezeichnet war.«153 Von seiner Wirkung her lief er auf die endgültige Entmachtung der Generalversammlung hinaus. Er beschleunigte und vollendete den Oligarchisierungsprozeß im Sinne einer Ausschaltung der direkten Beteiligung des durchschnittlichen Mitglieds an der Geschäftsführung. Andererseits mobilisierte er Ressourcen an unbezahlter Arbeit, legitimierte die Konsumvereine damit auch im Kontext einer Bewegung, die sich geradezu durch solches Engagement definierte und wirkte vor allem als Aufstiegsschleuse für Arbeitermitglieder in leitende Positionen, die die deutsche Bewegung im Unterschied zur englischen bis 1914 grundsätzlich nur aus den eigenen Reihen besetzte.154 Wie verhält es sich mit der Unterstellung, daß sich in der konsumgenossenschaftlichen Bewegung nach der Jahrhundertwende Mittel und Zwecke verkehrten? Zunächst einmal ist daran zu erinnern, daß die Gesetzgebung jede Indienstnahme und direkte Abzweigung von Geldern fur andere Arbeiterorganisationen verbot. Es war bis in die zwanziger Jahre hinein, als vor dem Hintergrund fallender Zuwachsraten bei Mitgliedern und Umsätzen Überlegungen zu einer Gehaltsreform einsetzten, ein verbreiteter und zutreffender Topos, daß Konsumvereine ihre Leitungen erheblich schlechter bezahlten als die Privatwirtschaft. Entsprechend konnten es sich die Vereine auch leisten, die Gehälter ihrer leitenden Angestellten in den Rechenschaftsberichten zu publizieren.155 Dies hatte jedoch Kompensationen. Die relative Sicherheit des Arbeitsplatzes etwa, und, gar nicht zu überschätzen, die Tatsache, daß es sich um eine enorm erfolgreiche, expandierende Bewegung handelte, die durch die allmonadich ablesbaren Erfolge, durch den Prestigegewinn, die hohen Gestaltungsfreiräume und die davon ausgehende Arbeitszufriedenheit die relativ niedrige, gleichwohl auskömmliche Bezahlung ausglichen.156 Die Flut von Broschüren, Festschriften und Selbstdarstellungen dieser Jahre bildeten den beredten Ausdruck dieser Zufriedenheit und zugleich eine wichtige immaterielle Gratifikation der Leitungen. Nicht zu unterschätzen ist, daß Freistellungen und die Finanzierung von Reisen zu festlichen Kongressen und zahlreichen ande278

ren Aussprachen bei den größeren Vereinen um 1910 ganz im Unterschied zu früher kein Problem mehr darstellten. Hinzu kam, daß durch die scharfe Distanzierung von der Privatwirtschaft die dort gezahlten Gehälter in der Regel außerhalb des normativen Bezugsrahmens blieben. Der Vorstandsvorsitzende eines Konsumvereins hätte es vor 1914 schwerlich gewagt, unter Hinweis auf das Salär eines Warenhausdirektors eine Aufbesserung seiner Bezüge zu beantragen. Die Beaufsichtigung und unternehmerische Leitung eigener Fabrikationsstätten und großer Lager erforderten betriebswirtschafdichen Sachverstand und ließen sich nur noch im Ausnahmefall von ehrenamtlichen Leitungen bewältigen. Gleichwohl, so stark sich diese Tendenzen auch im Vergleich zu früher durchsetzten, die Verhältnisse bei einer deutlichen Mehrheit von Vereinen sahen im Jahre 1904, als der Zentralverband eine große repräsentative Umfrage über die »Lohn- und Arbeitsverhältnisse genossenschaftlicher Angestellter und Arbeiter« durchführen ließ, immer noch anders aus. Die Umfrage förderte zutage, daß knapp zwei Drittel aller Konsumvereine zu diesem Zeitpunkt weder über Vorstände im Hauptberuf noch über festangestellte Buchhalter oder Kontoristen verfugten. 157 Auch wenn es sich hierbei durchweg um die kleineren, umsatzschwächeren Zusammenschlüsse handelte, unterstreichen die Ergebnisse, wie wenig die den Vereinen pauschal nachgesagte Verkehrung von Zielen und Mitteln mit der Realität zu tun hatte. Wer nach einer Indienstnahme für fremde Zwecke und nach dem Abfluß zumindest eines Teils der aus der Arbeiterbewegung bezogenen Ressourcen sucht, wird weniger bei der Leitung als bei den Angestellten und Arbeitern der Konsumvereine fundig. Darin bestand die Besonderheit und gewissermaßen auch der Preis fur jene Erneuerungsimpulse, die die konsumgenossenschaftliche Bewegung nach 1890 aus der Arbeiterbewegung empfing, daß sie sich dazu verstand, überdurchschnitdich hohes Entgelt fur ihr wachsendes kaufmännisches und Büropersonal zu zahlen. Die Durchsetzung dieser Vorgabe von seiten der Gewerkschaften erfolgte in den Jahren nach 1906. Während die englischen Konsumvereine die Schaffung modellhafter Einkommensverhältnisse unter Hinweis auf die allgemeineren und deshalb vorrangigen Konsumenteninteressen ablehnten und sich damit auch durchsetzten, spiegelt sich im Einverständnis der deutschen Vereine letzdich die größere Abhängigkeit von außen und damit der spezifische Preis der Nachzüglerschaft.158 Und noch an einer anderen Stelle ist die im Vergleich zu England ausgeprägtere Abhängigkeit der deutschen Selbsthilfeorganisationen der Konsumenten von der Arbeiterbewegung erkennbar. Zwischen 1903 und 1914 gelang es Gewerkschaften und Partei, im Interesse von Investitionen und Wachstum die durchschnittliche Dividende bei den Konsumvereinen des 279

Zentralverbandes von zehn (1903) auf rd. sieben Prozent (1914) zu senken. 159 Damit schütteten die deutschen Vereine zu diesem Zeitpunkt nur noch etwas mehr als die Hälfte jenes Prozentsatzes wieder aus, den die englischen Zusammenschlüsse im Durchschnitt zahlten. 160 Diese imponierende Fähigkeit der deutschen Arbeiterbewegung zu diszipliniertem Handeln auch dort, wo keinerlei formalisierte Befehlsstrukturen existierten weder Gewerkschaften noch Parteiorganisation hatten durch Kapitalbeteiligungen irgendeine direkte Zugriffsmöglichkeit auf die Zusammenschlüsse - , begünstigte den raschen Aufholprozeß gegenüber England. Darüber hinaus beeindruckte sie jedoch vor allem die zeitgenössischen konservativen Gegner der Konsumvereine und der Arbeiterbewegung und schürten Überwältigungsängste angesichts einer offenbar unaufhaltsam wachsenden, politische und wirtschaftliche Macht vereinigenden Bewegung.

IV. Staat, Mittelstand und Selbsthilfe Dem Zugewinn von Ressourcen an ehrenamdicher oder nicht marktgerecht bezahlter Arbeit aus der organisierten Arbeiterbewegung entsprachen Einbußen und Verluste an Unterstützung durch andere gesellschaftliche Gruppen. Unter dem anhaltenden Druck mittelständischer Gruppen erließ die Reichsregierung im April 1897 eine allgemeine Verfugung, die die indirekte Unterstützung von Beamtenkonsumvereinen durch Reichsbehörden auf Fälle eingrenzte, in denen sich besondere »diensdiche Interessen« geltend machen ließen.161 Um den Forderungen der Lebensmittelhandwerker entgegenzukommen, galten nur noch solche Zusammenschlüsse als förderungswürdig, die »Gegenstände des alsbaldigen täglichen Verbrauchs« verkauften und keine Eigenproduktion betrieben. Eine direkte Beteiligung von Beamten als Verkäufer und Buchhalter wurde verboten. Man wies die Vereine an, für diese ausfuhrenden Tätigkeiten unmittelbar privates Personal einzustellen. Damit entfiel die für den Aufbau von Konsumvereinen charakteristische und wichtige Möglichkeit, in der ersten Phase alle wesendichen Funktionen durch ehrenamdiche Tätigkeit auszufüllen. 162 In einer Erklärung vom März 1904 vor dem preußischen Abgeordnetenhaus präzisierte der Eisenbahnminister Budde den Begriff des dienstlichen Interesses durch a) »unverhältnismäßige Teuerungsverhältnisse nicht nur vorübergehender Natur«, b) die Konkurrenz freier Konsumvereine und c) eine weite Entfernung der »Wohnstätten von den geschäftlichen Mittelpunkten.« 163 Schwerer noch als diese Eingrenzung wog die 280

Vorschrift, daß die Vereine ihre Waren nicht aus überregionalen Quellen, sondern über den Handel bzw. die Produzenten vor Ort zu beschaffen hatten. 164 Damit bewegte sich der offiziell überhaupt noch geförderte und geduldete Beamtenkonsumverein genau im Umkreis jener engen Vorgaben, die auch der Allgemeine Verband seinen Konsumvereinsmitgliedern mit Rücksicht auf die Interessen des Kleingewerbes machte. Vervollständigt wurden die einschlägigen Erlasse durch Vorschriften, die den Beamten und selbst ihren Angehörigen die Mitgliedschaft in von Sozialdemokraten geführten Vereinen bei Strafe der Entlassung untersagten. Zwischen 1904 und 1908 übernahmen nahezu alle einzelstaatlichen Verwaltungen die von Preußen ausgehenden Richtlinien.165 Daß dieser Erlaß in den Eisenbahnverwaltungen besonders konsequent umgesetzt wurde, hatte damit zu tun, daß hier die Furcht vor den Wirkungen des gefürchteten Generalstreiks am größten war. Auch auf die Gemeindeebene strahlte die Angst aus. Während einzelne Städte und Gemeinden ihren Beamten gegenüber liberaler als das Reich verfuhren, versuchten andere, die entsprechenden Bestimmungen ausdrücklich auf öffentliche Arbeiter und Angestellte zu übertragen. 166 Die Politik der Behörden zielte im allgemeinen nicht auf ein völliges Verbot von Konsumentenzusammenschlüssen, insbesondere dann nicht,

Tabelle 23: Freie Berufe und Beamte unter den Mitgliedern der Konsumvereine des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine 1903-1914 (in Prozent) Region

1904

1909

1914

Bayern

7,1

5,3

6,1

Mitteldeutschland

2,0

1,9

1,5

Nordwestde utschland

7,9

3,6

3,5

Ostdeutschland

3,6

2,1

1,4

Westfalen

6,0

2,1

2,4

Sachsen

2,9

1,7

14,5

4,3

1,1 4,4

5,9

3,7

2,6

17,9

15,7

13,9

6,1

4,0

3,4

Rheinland

Südwestdeutschland Thüringen Württemberg Zentralverband

Quelle: Jahresberichte des Zentralverbandes 1903ff.; berechnet nach den Angaben ebd.

281

wenn es sich um reine Beamtenvereine handelte. Entsprechenden Forderungen trat die Regierung immer wieder entgegen. Die Bedeutung der Erlasse lag, abgesehen von der Einschüchterung, vor allem darin, daß sie die Verbandsbildung der Einzelhändler anregte und ihnen eine polizeiähnliche Aufgabenstellung ermöglichte. Lokale Zusammenschlüsse, Schutzverbände und ähnliche Organisationen des gewerblichen Mittelstandes beteiligten sich überall an der Aufspürung von Beamtenmitgliedern in freien Konsumvereinen und von Sozialdemokraten in Leitungsorganen. Ließ sich das nachweisen, war es mit dem Langmut der Verwaltung vorbei. Als die Vereine einen der angesehensten bürgerlichen Sozialpolitiker, Ernst Francke, um eine Intervention gegen die Willkürpraxis baten, erklärte dieser »ein solches Beginnen bei der geistigen Struktur des Ministeriums von vorneherein für völlig aussichtslos.«167 »Sobald ein Sozialdemokrat im Aufsichtsrat saß«, charakterisierte Theodor Cassau die Sozialistenfurcht der kaiserlichen Bürokratie, »war jede Beschwerde aussichtslos.«168 Die Aktionen der Handwerker und Kleinhändler gegen eine Unterstützung der Vereine durch die Staatsverwaltung waren so erfolgreich, daß die Kolonialwarenzeitung im Juli 1901 ihre Leser mit dem Hinweis beruhigen konnte, die Hergabe billiger Räume durch die Verwaltung gehöre »im Allgemeinen einer vergangenen Epoche« an.169 Das Beitrittsverbot für Beamte entzog den Konsumvereinen zahlungskräftige Mitglieder, nicht selten auch Teile des Leitungspersonals und verengte ihre soziale Basis. Insbesondere in den Konsumvereinen des Zentralverbandes bröckelte der Beamtenanteil fortlaufend ab. Gravierender noch als diese Einschränkungen wirkten sich die Erfolge der mittelständischen Steuerkampagne aus. Wie oben angedeutet, hat es eine vollständige Steuerfreiheit fur Konsumvereine entgegen den Stereotypen der mittelständischen Agitation zu keinem Zeitpunkt gegeben, weder in Deutschland, noch, wie es umgekehrt die Konsumvereine behaupteten, im Mutterland der Konsumentenselbsthilfe, in Großbritannien. 170 In England war die Durchsetzung eines weitgehenden Steuerprivilegs stufenweise erfolgt und auch dort immer an bestimmte Voraussetzungen wie den offenen Zutritt geknüpft. Diese Auflage machte Sinn, weil sie der natürlichen Tendenz von Selbsthilfeeinrichtungen zur Selbstprivilegierung entgegenwirkte und sie mit den Gerechtigkeitsanforderungen einer modernen nachständischen und zentralisierten Sozialpolitik in Einklang zu bringen suchte. Darüber hinaus besteuerten die englischen Behörden in Übereinstimmung mit der Empfehlung eines Parlamentsausschusses aus dem Jahre 1880 den Teil des Reingewinns, den die Vereine durch den Geschäftsverkehr mit Nichtmitgliedern erwirtschafteten. 171 Die Bestimmung sicherte letzdich die Genossenschaftsform und verhinderte, daß sich unter ihrer Firma andere Unternehmen etablierten. Für diese Debatten finden sich auch in 282

Deutschland Parallelen, allerdings mit einigen typischen Unterschieden. Während der Mitgliederbezug in England durch materielle Anreize gesichert wurde - man ging plausiblerweise davon aus, daß ein regelmäßiger Käufer ein starkes eigenes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft und des Rechtes auf eine volle Dividende entwickelte - , erledigte der Reichstag dieses Problem durch ein direktes Verbot des Nichtmitgliedergeschäftes im Genossenschaftsgesetz von 1889. Da sich gerade die Konsumvereine wegen ihres dichten Kundenverkehrs mit der Einhaltung dieser Vorschrift im Alltag schwertaten, erhöhten einzelne Verordnungen in den 1890er Jahren die bei Übertretung angedrohten Strafen. Auf eine partielle Besteuerung lediglich des Nichtmitgliedergeschäftes ließen sich in Deutschland die Behörden grundsätzlich nicht ein. Konsumvereine, die auch nur im Einzelfall an Nichtmitglieder Waren abgaben, wurden als normale steuerpflichtige Gewerbetreibende angesehen. Diese zunächst noch geringen Unterschiede deuten jedoch bereits an, daß sich die deutschen Vereine von ihrem ersten Auftreten an in einem grundsätzlich anderen Umfeld bewegten, in welchem das ungleich stärker auf Zwang und formale Einheidichkeit ausgerichtete bürokratische Prinzip und der hochwirksame Druck kleingewerblicher Interessen den Ton angaben. In der ersten Besteuerungsphase wirkte sich die Verbindung beider Elemente als besonders rigide Anforderung an die Verallgemeinerungsfähigkeit und den Verzicht auf Selbstprivilegierung im Rahmen der konsumgenossenschaftlichen Rechtsform u n d Praxis aus. In der zweiten Phase schlug die Gesetzgebung eine andere, im Prinzip entgegengesetzte Richtung ein. Statt auf eine weitere Verallgemeinerung des Selbsthilfeprinzips und seine demokratische Legitimation durch konsequente Ö f f n u n g zu drängen, tendierte die Steuergesetzgebung dahin, das Wachstum der Vereine über den lokalen Rahmen hinaus durch entsprechende Abgaben zu erschweren. Mit einer Bewahrung des Selbsthilfecharakters hatte diese Politik nichts zu tun. Wie weit die konsumgenossenschaftliche Bewegung von einer Konzern- oder Monopolbildung entfernt war, illustriert die Tatsache, daß die als kommerzieller Moloch perhorreszierte Einkaufszentrale in Hamburg kurz vor der Jahrhundertwende noch aus einem Büro mit gerade einmal drei, für ihre Leistung mäßig bezahlten Angestellten bestand. U m eine differenzierende Behandlung von Genossenschaften, denn um diese ging es den weiter an der Entlastung ihrer Selbsthilfeeinrichtungen interessierten Kleingewerbetreibenden, zu erreichen, hoben die einschlägigen Steuerverordnungen auf spezifische Merkmale von Konsumvereinen, wie etwa offene Ladengeschäfte, ab. 172 Eine Umfrage unter den Genossenschaften des Allgemeinen Verbandes aus dem Jahre 1901 ermittelte, daß der Abbau der steuerlichen Sonderstellung der Konsumvereine große Fortschritte gemacht hatte. 173 Bei den we283

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Os NO daß es stets liebte, seine eigenen Angelegenheiten nach seinem eigenen Kopfe zu verwaltend« Webb (Beatrice Potter), Britische Genossenschaftsbewegung, S. 32; vgl. auch schon Bernstein, S. 325ff.; sowie Müller, Geburt. Zum Zusammenhang von Sektenwesen und Organisationsbildung bei den Arbeitern auch Pollard, Arbeiterkultur, S. 157, ebd. Anm. 21 mit ausführlichen Literaturangaben. 24 Zu den Zahlen neben Gosden, Societies und ders., Self-Help; Thompson, Rise, S. 200ff.; Angaben zur Beschäftigungsstruktur bei Mathias, S. 2 2 4 und S. 237ff. 25 Bailey; Best, Mid-Victorian; Crossick, Artisan; Gillespie; zur »Nüchternheit«: Harrison, Drink; zusammenfassend mit der wichtigsten Literatur Pollard, Arbeiterkultur, S. 163ff. 26 Eine zentrale Studie zum Zusammenhang von ökonomischer, gewerkschaftlicher und politischer Organisation ist Prothero.

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Anmerkungen zu S. 37-40 27 Aus der umfangreichen Literatur am wichtigsten: Eversley, Home Market, S. 2 0 6 - 2 5 9 ; Fräser, Coming; Alexander, Retailing; zu Transport und Verkehr mit vielen Details Knowles, S. 232ff. Mit Einschränkungen hinsichtlich der Rolle des Großhandels mit Lebensmitteln Scola, S. 214. 28 Vgl. Thompson, Economy, bes. S. 200ff. Thompson relativiert ebd. das Gesetz mit dem Hinweis auf die Fortgeltung traditioneller Erwartungen auf lokaler Ebene - nicht nur bei den Unterschichten, sondern auch bei Friedensrichtern und Beamten der Krone. Zur Debatte insgesamt vgl. jetzt vor allem auch Wells. 29 Thompson, Economy, S. 205f. 30 Plumb, Commercialization; Thirsk; Weatherill·, Robinson; Breen; Fisher; Jones, fashion; Lemire; Cole, Factors; die entsprechenden Kapitel in Davis, bes. S. 181ff.; zur Kleidermode auch Eisenberg, Gewerkschaften, S. 36f. passim. 31 Porter; auf den - umstrittenen - Zusammenhang zwischen entstehender Konsumgesellschaft und Kaufkraft geht ein McKendrick, >Home demand and economic growth: a new view of the role o f women and children in the Industrial Revolution^ in: ders. (Hg.). 32 Weitere Zahlen zum internationalen Vergleich bei de Vries. 33 Bei den Angaben von Scola, Feeding, S. 221, die auf einen relativ hohen Anteil von häuslich gebackenem Brot hindeuten, ist in Rechnung zu stellen, daß sich die Angaben auf ganz Manchester, also nicht nur die Arbeiterbevölkerung, beziehen. In Arbeiterfamilien dürfte solche Übung aufgrund der höheren Erwerbsquote der Ehefrauen wesentiich seltener gewesen sein. Allgemein Perkin, S. 154; zum Anteil der Eigenversorgung bei Landarbeitern vgl. Rowntree u. Kendall, Labourer, die Budgets im Anhang. Zu englisch-deutschen Unterschieden Borchardt, S. 139. 34 Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 330ff.; Ehmer, S. 179ff. 35 Sombart, Kapitalismus, Bd. II, S. 678f. 36 Vgl. hierfür die Pionierstudie von Sola, Feeding, bes. S. 169ff. 37 Es sei daran erinnert, daß Bäcker und Schlachter ihr Handwerk in vorindustrieller Zeit häufig im Nebengewerbe und nur auf Anforderung hin ausübten. - Zur Entwicklung des Handels mit Brot und Mehl vgl. besonders das Kapitel 9 bei Scola, Feeding, S. 202. Zur Entwicklung in Manchester heißt es ebd. »However, in the late eighteenth century most of the trade in meal and flour, like that in corn, was already being conducted illegally outside the markets.« 38 Vgl. Feinstein u. Pollard; Hinweise auf die Zerstörung von Mühlen bei Nahrungsmittelrevolten Thompson, Economy Reviewed, S. 312. 39 Vgl. Forster; Zahlreiche Belege bei Thompson, Economy Reviewed, S. 277 et passim. 4 0 Um den Beweis des Gegenteils bemüht sich Thompson in seinem Beitrag ders., Economy Reviewed, S. 259ff. Einen Eindruck von den Leistungen zeitgenössischer Lebensmittelgroßhändler vermittelt die exzellente Studie von Scola, Feeding, S. 218ff. 41 Für Parallelen bei der Rechtsschöpfung bzw. Rechts«findung« im »common law«, Weber, Wirtschaft, S. 446f. 42 Das Letztere läßt sich exemplarisch an der in den 1930er Jahren in den Vereinigten Staaten von Angehörigen der oberen Mittelschichten gegründeten Selbsthilfeorganisation der Anonymen Alkoholiker verfolgen, die sich inzwischen über Amerika, Europa und Australien ausgedehnt hat. Ihre leitenden Organisationsprinzipien - die sogenannten »12 Gebote« wurden in gleicherweise durch eine Verklärung leichter transportabel gemacht, ein glänzende Analyse ist Mäkelä; Madsen. 43 Cole, Story; Reeves; eine typische Propagandaschrift: in Gestalt eines »historischen Abrisses« ist Fay; Doyle; als Beispiel fur die Rezeption des Rochdale-Mythos in Deutschland:

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Anmerkungen zu S. 40-44 Cassau, Großbritannien; Grünfeld; Elm; sehr viel distanzierter bezeichnenderweise der liberale Schulze-Delitzsch-Adept und Nachfolger als Anwalt des Allgemeinen Verbandes Hans Criiger in: ders., Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften; ein Beispiel aus den dreißiger Jahren ist Klepzig. - Einen knappen Überblick zu diesen Fragen gibt Pollard, Century; eine sehr nützliche Bibliographie zum Auffinden schwer zugänglicher Darstellungen ist Smethurst. 44 Holyoake, Rochdale; zu Holyoake selbst vgl. Grugel. Holyoake hat die Darstellung der Rochdaler Gründung in zahllosen Publikationen variiert. Von den zahllosen Darstellungen der Rochdaler Gründung noch am besten Doyle. Wichtig auch, da von einem frühen Mitglied verfaßt: Kershaw. 45 So die Formulierung - aus dritter und vierter Hand - bei von Ompteda, S. 452ff. 46 »Holyoake«, beschrieb einer mit desseen zahlreichen Schriften gut vertrauter Angestellter der Co-operative Union deren Quellenwert gegenüber dem Verfasser, »would never let the truth get into the way of a good story.« 47 Zit. nach Morrison, S. 1. Zu Holyoake vgl. auch Cassau, Großbritannien, S. 7. 48 Eine der besten frühen Untersuchungen ist die von Carr-Saunders, während etwa die der Webbs den Rochdaler Mythos weitgehend unkritisch tradiert. Zu den besten neueren Untersuchungen gehört die unveröffentlichte Dissertation von John Buder. - Ich habe John Butler, Manchester, für die Möglichkeit zur Einsichtnahme in das Manuskript zu danken. 4 9 Das Statut datiert vom 9. November 1769. Es ist zusammen mit den Geschäftsergebnissen der Jahre 1770 bis 1800 abgedruckt bei Maxwell, S. 47f.; Maxwell standen für seine Studie viel inzwischen verlorengegangenes Quellenmaterial und mündliche Auskünfte zur Verfugung; vgl. auch Holyoake, History, S. 53; ders., S. 4 5 ; Flanagan, S. 27. 50 Extract from an account of a village shop at Mongewell, in the county of Oxford, by the Bishop of Durham, in: The Reports of the Society, Vol. I., S. 27ff., vgl. auch Hall u. Watkins, S. 44. 51 Vgl. Maxwell, History, S. 50ff. 52 Die Fenwicker Weber beschrieben den Unternehmenszweck so: »to take what money we have in our Box and buy what Victwal may be thought Necessar«, in: Maxwell, History, S. 47. 53 Vgl. Paragraph 1 der »Articles of the Larkhall Victualling Society Instituted in the Year 1821«, in: Bulloch, S. 189. 54 Paragraph 12, ebd. Vgl. auch Article VI, in: Articles of the Lennoxtown Victualling Society, in: Maxwell, S. 52. 55 Vgl. »Preamble«, in: ebd.; vgl. auch den Vorspruch des Lennoxtown Statuts, abgedruckt in: Maxwell, S. 51. 56 Vgl. Weber, Wirtschaft, S. 424: »Die rationalste Durchführung des Gedankens der Rechtspersönlichkeit von Verbänden ist die völlige Scheidung der Rechtssphäre der Mitglieder von einer gesondert konstituierten Rechtssphäre des Verbandes.« 57 Vgl. Skelmanthorpe, S. 15ff. 58 Vgl. Articles, Paragraph 5, in: Bulloch, Century, S. 190; Article I in: Articles of the Lennoxtown Victualling Society, in: Maxwell, S. 51. 59 Die Larkhall Society organisierte 1831 58 und 1841 72 Mitglieder, verfugte aber von Beginn an über zwölf »Manager«: zur Mitgliedschaftsentwicklung vgl. Zahlen im Anhang, Bulloch, S. 200. 60 Paragraph 7 der »Articles« in Larkhall lautete: »That peace and good order may be preserved in the Society at all general Meetings of Managers. Only one Member shall speak a a time, who shall respectfully direct his discourse to the preses only. At such Meetings

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Anmerkungen zu S. 44r-49 Members shall... on no account be guilty of cursing, swearing, using intemperate or offensive language«, ebd., S. 191. 61 Vgl. Artikel 17 in »Articles«: »These Articles shall not be recalled or altered except by the majority of two general Meetings, the second Meeting to be specially warned for that purpose«, in: ebd. 62 »In order that the Debts of those purchasing Goods from the Society may be kept private, there shall be a Sub-Committee, consisting of the Preses, Purchaser, Clerk, and two other Members appointed by the Managers, whose duty shall be to investigate the accounts«, Article 5, ebd. 63 Diese Bestimmung spricht fur eine starke Stellung der männlichen Haushaitsvorstände, da die Regeln auf nichts weniger als die Bewegungsfreiheit der Frau als Käuferin zielten. Vgl. auch das Fenwicker Statut, in: Maxwell, S. 47. 64 Ebd., Paragraph 9. 65 Ebd. 66 Paragraph 16, ebd. 67 Vgl. Weber, Ethik, Bd. I., S. 350f. 68 Vgl. Weber, Ethik, I, S. 282. 69 Weber, Wirtschaft, S. 432. 70 Vgl. Cole, Postgate, S. 80ff. Ebd. S. 68ff. zu Lohnen und Budgets verschiedener Arbeitergruppen um 1800. 71 Vgl. Mrs. Rundell, Α System of Practical Domestic Economy, New edition 1824, zit. nach Burnett, S. 63; sowie Anonym, A Voice from the Coal Mines, 1825, abgedruckt in: Hammond, S. 34f. 72 In Larkhall entstanden vor der Gründung des Selbsthilfe-Handelsunternehmens (1821) die »Larkhall and Millheugh Friendly Society« (1809) und eine »Building Society« (1816), vgl. Bulloch, Century, S. 7. 73 Vgl. den interessanten Bericht eines Mitgliedes über die Struktur- und Rekrutierungsprobleme der Leeds Co-operative Society, in: Co-operator No. 10, February 1, 1829, S. 87. 74 Auch die Formulierung des Fenwicker Statuts: »It is agreed upon by the members of our society to take what money we have in our box« deutet darauf hin, daß es einen Kapitalstock gab, der bei anderer Gelegenheit - mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Versicherungszwecken - angesammelt worden war, in: Maxwell, S. 47. 75 The Reports of the Society for Bettering the Condition and Increasing the Comforts of the Poor, Vol. I. The Fifth Edition, London 1811. Zitiert nach Hall u. Watkins, S. 43. Das Zitat war im Orginal nicht aufzufinden. Hinweise auf die Gründung von Konsumvereinen durch Friendly Societies auch bei Maxwell, History, S. 44f. 76 Ebd., S. 43f. 77 Die Verselbständigung der Gesellschaft als Subjekt mit eigenen Interessen und Bedürfnissen im Bewußtsein der Handelnden ist noch im kürzesten und »informellsten« aller überlieferten Statuten, dem der Fenwicker Weber, zu erkennen. Man kaufe und verkaufe, heißt es in dem von zwölf Gründern (darunter drei Kreuze!) unterzeichneten Text, notwendige Lebensmittel »for the benefit of our society. And the mannagers of our society may borrow what money They think Proper for that End and purpose.« In: Maxwell, S. 47. 78 Vgl. Taylor, S. 109. 79 Vgl. auch die Liste der Gründungsbeschreibungen schottischer Konsumvereine bei Maxwell, S. 69. 80 Vgl. die Mitgliederzahlen bei Bulloch, im Anhang, S. 200. Ein deutsches Beispiel ist beschrieben bei Hasselmann, Geschichte, S. 47ff.

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Anmerkungen

zu S. 50-53

81 Zur Entwicklung des Unternehmens in Oldham vgl. den Hinweis bei Hall u. Watkins, S. 44. 82 Vgl. Jones, Production, S. 171; Hall u. Watkins, S. 42ff.; Marshall, Kingston-upon-Hull; Brown, Hepworth's; Davis, Royal Arsenal; William Lovett, »Notes and Observations on Cooperative Societies«, Add. MSS: Place Collection in the British Museum, 27.791ff., S. 245, 2 5 8 , zit. nach Thompson, Entstehung. Als Beleg für das Interesse an den Ursprüngen der Bewegung in Deutschland und die Aufnahme englischer Forschungen vgl. Müller, Beiträge, S. 3 3 Iff. 83 Vgl. Marshall, D e v e l o p m e n t s . 130. 84 Extract from an account of a parish windmill on Barham Downs, in the county of Kent, by Sir Thomas Bernard, in: The Reports of the Society for Bettering the Condition and increasing the comforts of the Poor, Vol. I., the Fifth Edition, L o n d o n 1811, S. 66ff. 85 Hinweis bei Hall u. Watkins, S. 43. 86 Vgl. Tann, S. 52; ein Hinweis auf das U n t e r n e h m e n findet sich auch in einer entlegenen lokalen Notiz, die Ε. P. Thompson ausgegraben hat. Der Beleg ist Anon., A Record of the Staff of Life from 1976 to 1900; at the Old Mill of the City, in: Birmingham Magazine of Arts and Industries, III (1899); ders., Economy Reviewed, S. 290f. 87 Hinweise auf weitere Gründungen bei Brown, H u n d r e d Years, S. 18f.; Webb, Genossenschaftsbewegung, S. 38; Cole, Century, S. 14. 88 Nach dem Beratungsort als »Speenhamland«-System bekanntgeworden. 89 Aus Forster, S. 138. 90 Bezeichnenderweise fand die oben zitierte, erste bekanntgewordene G r ü n d u n g eines Konsumentenzusammenschlusses - 1769 - vor dem Hintergrund wieder fallender Getreidepreise statt. Vorausgegangen waren schwere Teuerungen in den Jahren 1 7 6 5 / 7 . 9 1 Vgl. Hall u. Watkins, S. 28f. 92 Vgl. John Orbeil, in: Feinstein u. Pollard, S. 162; Bennett, Elton. 9 3 Vgl. Forster, Enquiry, S. 140: »We have not, I fear, an open market for flour. In the country it is in the hands of a few millers.« 94 Transactions, S. 100. 95 Forster, Enquiry, S. 37* 96 Vgl. den Abschnitt Early Co-operative Experiments in Woolwich, in: Davis, History, S. 3ff. 97 Es ist davon auszugehen, daß das Einsammeln der Beträge an vielen Stellen im Zusammenhang mit dem Gemeindeleben organisiert und von den Predigern unterstützt wurde, vgl. Butler, S. 35f. 98 Das Dokument ist abgedruckt bei Marshall, Development, S. 130. 99 Ebd., S. 130ff. 100 Zu den Details vgl. die Darstellung von Marshall, Development, der gleichwohl an der D e u t u n g festhält, die Mühle sei von den »Armen« der Stadt errichtet worden. Ebd., besondersS. 131. «... one can imagine the pride in which the original poor members saw their own Flour mill opened.« Die Teilnehmerzahl betrug 1435. Das waren bei einer Einwohnerschaft Hulls um 1800 von rd. 30.000 Einwohnern etwa ein Viertel aller Haushalte. Zahlen nach Porter, Society, S. 363. 101 Für ein Familien-Budget aus den 1820er Jahren vgl. Hammond, S. 34f.; sowie A Manchester Housewife's Weekly Budget. P. P. 1833, XX, abgedruckt in: Pike, Documents, S. 52ff. 102 Z u m hohen Anteil von Fremdhilfe in dieser Phase - auch durch Unternehmer - vgl. auch Butler, bes. S. 139f.

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Anmerkungen zu S. 53-59 103 Louise Tilly·, Stevenson; Tilly, Hauptformen, S. 1 5 3 - 1 6 3 . 104 Direkte Zusammenhänge zwischen solchen Zwangsverkäufen und der Gründung von Konsumvereinen sind nicht nachweisbar, auch wenn sich die Konsumvereine in ihren späteren Festschriften gerne in solche Traditionen stellten, vgl. Lockwood, S. 12. 105 Vgl. Rude, Volksmassen, S. 46. Ebd. zur sozialen Zusammensetzung der englischen Brotproteste im Unterschied zu den französischen. 106 Beispiele für Konflikte bei Webb, Genossenschaftsbewegung, S. 37. 107 Das Verfahren gab den Anlaß für einen Zeitungsbericht in der Whitehall Evening Post, Ausgabe vom 2 2 . - 2 5 . März, 1760. Er ist die einzige überlieferte Quelle zur Geschichte der Gründungen, zit. nach Cole, Century, S. 14. 108 Erst vor dem Hintergrund der Revolutionsfurcht in den 1790er Jahren, so scheint es, lernten Beamte der Regierung im Einzelfall das konservative, unpolitische Element dieser Selbsthilfeversuche von Konsumenten schätzen, vgl. den Bericht eines Korrespondenten des Innenministeriums über die Verhinderung von Kornexporten durch Zinnbergleute und die vergeblichen Versuche von radikalen »Jakobinern«, diesen Protest zu politisieren, wiedergegeben in: Lottes, Aufklärung, S. 180. 109 Tilly, Hauptformen, S. 162f. 110 Vgl. Bohstedt, Riots, Table 1. 111 Zu Bohstedts Zahlen Wells, riots, S. 68ff. 112 Zur Entwicklung der Getreidepreise in Lancashire 1 8 1 5 - 1 8 3 3 in Relation zu den Webereinkommen vgl. Bythell, S. 278f. 113 Zum Problem periodischer Beschäftigungslosigkeit aus der Perspektive eines zeitgenössischen Arbeiters vgl. den Artikel »Staffordshire Potteries«, in: The Co-operator, No. 2., June 1, 1828. Ebd. heißt es u.a.: »In most manufactories, there are from seven to ten weeks' play or holiday, in the course of a year ... Those who keep holiday, not more than four or five weeks in the year, are considered fortunate. One large manufactory has kept holiday ten weeks, since Christmas.« 114 Dieser Zusammenhang zwischen Notstandsmaßnahmen (vor dem Hintergrund der tiefen nachnapoleonischen Depression) und Genossenschaftsprojekten ist vor allem in den frühen Schriften Robert Owens sehr deudich, vgl. ders., Development, S. 1 3 6 - 1 6 9 . 115 Zu den Schneidern Eisenberg, Gewerkschaften, S. 90. Zur Frühphase der englischen Gewerkschaftsbewegung vgl. die in mancher Wertung umstrittene, von der detaillierten Darstellung und dem klaren, unbefangenen Urteil her immer noch sehr lesenswerten Studie Webb, Trade Unionism. 116 Zu Owen vgl. die Beiträge des Bandes von Pollard u. Salt. 117 Zu Owens Genossenschaftstheorien Engelhardt, Owen; wichtig als Bibliographie Harrison·, Butt-, Pollard u. Salt; Cole, Life; Simon-, Robert Owen, Α Development; vgl. im übrigen auch Bernstein, Sozialismus, S. 2 7 4 zu den Vorläufern der Genossenschaftstheorie; Liefmann. 118 »The combination, which Co-operation inculcates, is not one of the poor against the rich, nor o f workmen against masters; but a rational application of the principle upon which every man acts, and is directed to act.« Zit. »Objections answered«, in: Co-operator No. 24, April 1 , 1 8 3 0 , S. 144. 119 Vgl. Reports from the Select Committee on the Poor Laws, July 1817, March 1818, in: The Quarterly Review, January 1818, vol. XVIII., No., XXXVI., S. 259ff. 120 McCord, Ludlow, Jones. 121 Vgl. Manifesto of Robert Owen (5th edn, 1840), auszugsweise abgedruckt in: Robert Owen, View, S. 358ff.

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Anmerkungen zu S. 59-62 122 Zu Cobbett und zur Klassenrhetorik allgemein vgl. Briggs, Language, S. 45. Ein Beispiel fur die Art von Konflikten, die in diesem Zusammenhang entstanden, sind die Auseinandersetzungen zwischen Lady Byron und einem Geisdichen in Yorkshire. Byron hatte für eine gewisse Zeit einzelne Konsumvereine in Yorkshire unterstützt, sich dann aber mit dem Geistlichen, der dies vermittelt hatte, überworfen, weil sie zu der Auffassung gekommen war, die Vereine verwendeten das Geld für politische Zwecke. Zu den Vorgängen vgl. Butler, S. 80ff. 123 Owen schätzte den Kapitalbedarf für eine einzelne Siedlung auf 240.000 Pfund, vgl. Proceedings of the Third Co-operative Congress, London April 1832. Zu den Auseinandersetzungen um die damit zusammenhängende Frage nach der Abhängigkeit der Selbsthilfeanstrengungen von« fremden Kapitalisten« bei Musson, S. 177f. 124 Brown, London. 125 Vgl. Brown, London, S. 2Iff. 126 Im berühmten Projekt des »London Exchange Bazaars« von 1834 liefen die einzelnen produktivgenossenschaftlichen Stränge zusammen. Das Scheitern der Arbeitsbörse kaum ein Jahr nach ihrer Errichtung diskreditierte die Idee der Produktivgenossenschaft als Königsweg zur Lösung der Arbeiterfrage zwar nicht endgültig, wohl aber für lange Zeit. Zu den Ursachen vgl. Cole, Owen, S. 190ff.; Simon, Owen, S. 2 0 8 , S. u. B. Webb, History, S. 140ff. 127 In der ersten Ausgabe des Co-operative Magazine and Monthly Herald vom Januar 1827 hieß es zum Status des Ladens und seines Personals: »The storekeepers, whom you will choose from yourselves, and change as often as you think proper, must have their accounts prepared for your inspection as often as you wish.« Vgl. Brown, Century, bes. S. 2Iff. Die Darstellung dieser Vorgänge in London durch einen der wichtigsten Historiker der konsumgenossenschaftlichen Bewegung aus den 1920er Jahren ist ein typisches Beispiel dafür, wie der Lokalpatriotismus die Darstellung überformt und die Idealkonkurrenz mit Rochdale dazu führt, den tatsächlichen Entwicklungsprozeß des Organisationsmusters zu verdecken. Zwar ist die Darstellung nicht falsch, doch ist sie von den Formulierungen her so suggestiv und an den entscheidenden Stellen undeudich gehalten, daß die Unterschiede zwischen den Londoner Plänen und dem späteren Rochdaler Muster dem mit den Details nicht vertrauten Leser kaum deudich werden dürften. 128 Co-operator No. 1, May 1, 1828. 129 Zur Person vgl. King, Co-operator; T. W. Mercer, Pollard, William; Müller, King, S. 4 7 7 - 4 8 1 ; Dent; Cole, Century, S. 22f. Zum Brightoner Verein die Jubiläumsschrift: Brighton's Advance. 130 Vgl. Co-operative Congress 1831, A list o f . . . . 131 Zur Ablehnung der Konsumvereine durch Owen vgl. Brown, London, S. 19. Siehe auch Max Webers Ausführungen zum Verhältnis von Charisma und Kommerz: »Immer aber das ist das Entscheidende - lehnt Charisma den planvollen rationalen Geldgewinn, überhaupt alles rationale Wirtschaften, als würdelos ab.« In: ders., Wirtschaft, S. 655. 132 Zu Owens skeptischer Einstellung gegenüber den Konsumvereinen vgl. Lovett, S. 4 1 - 4 4 . Die Opposition wurde u.a. in die Forderung gekleidet, direkt zur Gründung von Landkommunen überzugehen. »The establishment of one community would do more good than a hundred thousand grocer's shops.« Im übrigen führe die Eröffnung solcher Läden zum Widerstand in den Mittelklassen, die so ihre Interessen bedroht sähen, vgl. Proceedings of the second Co-operative Congress, 1831, S. 13. 133 Vgl. Co-operative Congress 1831, A list o f . . . . 134 Proceedings of the second Co-operative Congress 1831, S. 14. 135 Die 1832 gegründete Barnsley Co-operative Society nannte als Mitglieder: »Leine-

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Anmerkungen zu S. 62-66 weber, Bleicher, Weber, Schuhmacher, Schneider, Maurer, Tischler, Färber, Maschinenbauer.« Vgl. Proceedings of the third Co-operative congress, S. 124. 136 Der Modus ist idealtypisch in einem Brief des fuhrenden schottischen Oweniten Alexander Campbell an die Parlamentsabgeordneten Joseph Hume und Littleton beschrieben. Ziel der Vereine sei, heißt es ebd. »the purchasing at wholesale prices such articles of daily consumption as the members require, and retailing out to them and others at the usual retail prices«; Brief Alexander Campbell an Mr. Littleton, M. P. (for Staffordshire), London, den 26. Januar 1831, wiedergegeben nach Maxwell, S. 58f. 137 Vgl. die Zusammenstellung der Budgets bei Burnett, S.53ff. 138 Vgl. ebd., S. 18ff. 139 Vgl. den Bericht eines Zeitgenossen über die Verbreitung und den Anteil der Warenabgabe am Lohn »Staffordshire Potteries«, in: The Co-operator, No. 2., June 1, 1828, S. 55ff, ebd. S. 56. 140 Burnett, S. 86. 141 Accum. 142 Burnett, S. 88. 143 Vgl. auch den Abdruck einer Rede bei der Gründung des Konsumvereins von Leeds: »Mr. Carson alludes to the goodness of articles which a club or union would naturally sell in their own shop ... It is quite notorious, that every article capable of being adulterated, is adulterated. There are persons who live by carrying in trades expressly for the purpose. The generality of people cannot possibly distinguish genuine articles from counterfeits. Whoever buys the counterfeit for the genuine, cheats himself out so much of health and strength. This is particularly the case with the workman. To him it is of the utmost consequence to have his food pure, and the most nourishment in the least compass. This he will never attain to without a shop of his own, and this shop he can never possess without co-operation.«, aus: Leeds Cooperative Society, in: The Co-operator No. 10., February 1, 1829. 144 Vgl. die Vorratsliste der Ripponden Co-operative Society vom 3. Oktober 1842, in: Priestley, S. 55ff. 145 Zur Rolle Lancashires bei der Ausbildung von Selbsthilfe-Einrichtungen vgl. vor allem Gosden, Societies, S. 35ff.; sowie ders., Seif-Help. - Grundsätzlich auch Birke, Associations, S. 79ff. 146 Dabei ist allerdings nicht zu übersehen, daß es eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Spannung zwischen der Kirche als Institution - auch in ihrer nonkonformistischen Form - und der genossenschaftlichen Bewegung gab. Owens vehemente Kirchenkritik wurde zwar von vielen seiner Anhänger in dieser Schärfe nicht geteilt, vgl. etwa die Ausführungen des Oweniten John Finch, eines fuhrenden Exponenten der Bewegung aus Liverpool in einem Brief an Owen vom 29. Juni 1831, zitiert bei Musson, Ideology, S. 187 (das Original, auf das sich Musson bezieht, war in der Union-Library nicht aufzufinden) - , je länger, desto deutlicher wurde die genossenschaftliche Idee auf der anderen Seite jedoch als Appell an alle Gruppen und Individuen, unabhängig von Stand, Beruf und Religion gedeutet. Jedenfalls sind die bei Thompson herausgestrichenen positiven Wirkungen des Sektenwesens für die Genossenschaften nur ein Aspekt einer komplizierten Wechselwirkung. Zum Verhältnis von Kirchen und Genossenschaften vgl. Elsässer, Pioniere, bes. S. 46ff. 147 Vgl. Claeys, S. 12ff. 148 Vgl. Proceedings of the Second Co-operative Congress S. 5. 149 Vgl. Proceedings of the Second Co-operative Congress, S. 6. 150 Zit. nach Butler, S. 42. 151 Ebd.

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Anmerkungen zu S. 66-68 152 Ein Beispiel fur die Verbindung von weltanschaulicher Mission und praktischem Sinn stellen die auf dem 3. Kongreß im März 1832 verabschiedeten Prinzipien dar. Neben millenarischen Visionen findet sich dort der praktische Hinweis, keine Waren auf Kredit abzugeben, weil dies der Grund für den Schiffbruch vieler Gesellschaften sei. Stattdessen solle man im Falle von Arbeitslosigkeit nach Möglichkeit selbst für Arbeitsgelegenheiten sorgen. Vgl. Regulations for Co-operative Societies, in: Proceedings of the Third Co-operative Congress, S. 102. 153 Zeitungen, die sich in dieser Periode intensiv mit genossenschaftlichen Fragen beschäftigten, waren: »The Poor Man's Guardian«; »The Economist« ( 1 8 2 1 / 2 ) ; »The Political Economist and Universal Philantropist«; »The Co-operator« ( 1 8 2 8 / 9 ) ; »The Co-operative Magazine«, London 1 8 2 6 / 7 ; »The Birmingham Co-operative Herald« (1829); »The British Co-operator«; »The Associate«, (1829 resp. 1830); »The Co-operative Miscellany«, London; »The Chester Co-operator«; »The United Trades Co-operative Journal« (Manchester); »Herald to the Trades Advocate«, Glasgow; »The Trades Advocate« 1831; »The Lancashire Co-operator« , später »The Lancashire and Yorkshire Co-operator«, 1832; »The Union Pilot and Co-operative Intelligencer«; »The Poor Man's Advocate«; »Gazette of Labour Exchanges«; Owens eigenes Blatt: »The Crisis«; »The Pioneer«, ein Periodikum des Owen Anhängers und Gewerkschaftsführers der Bauarbeiter James Morrison. Vor allem das Blatt »The Poor Man's Guardian« enthält die wichtigsten Überblicke über das Genossenschaftswesen dieser Jahre. Einzelne Artikel finden sich auch in Cobbetts berühmten »Political Register«, vgl. Flanagan, Entwicklung. 154 Einige Überlegungen zur Mobilisierung altruistischen Engagements aus der Perspektive von Mäzenen finden sich bei Hirschman. Neuartigkeit und Offenheit des Konsumvereins im Vergleich zu den Gewerkschaften dürften wichtige Voraussetzungen für ihre besondere Magnetwirkung auf mäzenatische Gruppen dargestellt haben. Beispiele für die Rolle solcher Gönner für die Entfaltung der Bewgung auf regionaler und lokaler Ebene bei Butler, S. 80ff. 155 Der »Unverstand der Mitglieder«, die die Idee der Co-operation in ein Instrument kollektiver oder persönlicher Bereicherung verwandelten, bildete zusammen mit anderen Entwicklungen ein zentrales Thema der seit 1830 stattfindenden Kongresse und gab dort den Ausschlag für ein System von »Missionaren« zur Schulung, vgl. Proceedings o f the Second Cooperative Congress 1831, S. 9ff. 156 Doyle, S. 31ff.; sowie die Bände der Lokalgeschichte von William Robertson ders., Rochdale. 157 Zur Bewegung der Weber gegen das Truckwesen vgl, den Bericht im Rochdale Recorder vom 3. Februar 1827, zitiert nach Doyle, S. 40ff.; vgl. auch den Hinweis bei Rude, Volksmassen, S. 172f. und die Karte ebd., S. 173. 158 Vgl. unten S. 85ff. Siehe dagegen die Darstellung »Die redlichen Pioniere von Rochdale« in: Faust, Ursprung, S. 73ff., wo es heißt »An einem kalten regenfeuchten Novemberabend des Jahres 1843 traf sich in Rochdale in der Wohnung eines Arbeiters ein kleines Häuflein von Gesinnungsfreunden; die Not, bitteres Elend hatte sie zusammengeführt ... Die meisten von denen, die sich an jenem Abend zusammengefunden hatten und ratschlagten, was in ihrer desperaten Lage zu tun sei, waren arme Flanellweber.« Ebd. S, 73f. 159 Zum sozialen und religiösen Hintergrund der Rochdaler Gründung vgl. Elsässer, bes. S. 46; ebd. S. 82 eine Liste mit der Beteiligung der Gründungsmitglieder an früheren genossenschaftlichen Aktivitäten. Allgemein auch Frow. Die Bedeutung des sozialen Moments betont demgegenüber Bonner, bes. S. 41. Die Owenschen Tradition ist deutlich im ersten Statut zu greifen, das als Endziel noch die Errichtung einer »self-supporting home colony o f united interests, or assistance to other societies in establishing such colonies« beschrieb.

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Anmerkungen zu S. 68-71 160 Deane, Cole, S. 329f.; Bowley; Pollard, Hintergründe. 161 Zur Geschichte des Chartismus vgl. zuletzt zusammenfassend die Beiträge von Epstein, Thompson; Jenkin; vergleichend Breuilly, Arbeiterbewegung. Zum Problem der Zyklen politischer und wirtschaftlicher Bewegung Vester, Entstehung. Eine konzise Zusammenfassung des Forschungsstandes ist Langewiesche, Europa, S. 147ff. 162 Die Orginalstatuten befinden sich im Toad Lane Museum, Rochdale; vgl. Rochdale Society of Equitable Pioneers Minute Book, Rochdale 1844, ebd., sowie Rochdale Society of Equitable Pioneers Register Book, Rochdale 1844, ebd. Ein Abdruck auf deutsch ist enthalten bei Schloesser, Grundsätze. 163 Vgl. Maxwell, S. 72. 164 Vgl. Priestley, S. 162f. 165 Protokoll des Treffens vom 17. Oktober 1844, Selections from the original minute books of the Rochdale Equitable Pioneers society - 1844 - 1882 (Manchester Union Library, Archive); sowie ebd. 24. Oktober 1844. Zur Interpretation Cole, Century, S. 65. In der Praxis wurde die Begrenzung der Mitgliedschaft durch eine Begrenzung der maximal auszugebenden Anteile erreicht. 166 Vgl. Meeting, August 29th, 1844, nach: Selections. 167 Vgl. Proceedings of the Second Co-operative Congress, S. 6. Ebd. der Hinweis eines Redners auf die Praxis von Vereinen, den Kapitalbesitz nicht zu begrenzen. 168 Hierzu im Detail am besten Cole, Century, S. 39ff. Auch diese Bestimmung war keine Selbstverständlichkeit. Sie wandte sich indirekt gegen die auch bei Teilen der englischen Arbeiterschaft übliche Praxis, mit Aktien zu spekulieren. 169 Die auf Holyoake zurückgehende Legende kreist um eines der Gründungsmitglieder, Charles Howarth, von dem es heißt, er habe nach einer plötzlichen nächtlichen Eingebung seine Frau wachgerüttelt, um ihr von seiner Idee zu berichten, und sei dann aufgesprungen, um zur frühen Morgenstunde auch die anderen Gründer zu informieren. Die Geschichte wird kommentiert bei Cole, Century, S. 63ff.; in einer Umfrage aus dem Jahre 1852, welche die Society for Promoting Working Men's Associations organisierte, wird die Co-operative Provision Store Company von Galashiels, Ν. B., genannt »as being the first established on the new principle of dividing profits according to dealings«, zit. nach First Report 1852, S. 95. Ebd.,S. 95f. auch der Abdruck der Statuten. Die nachfolgenden Ausführungen über die Praxis der Vereine beziehen sich, soweit nichts anderes angegeben ist, auf die Ergebnisse einer ebd. veröffentlichten Umfrage unter den existierenden Vereinen über die Praxis ihrer Organisation. 170 Das Verdienst wurde u.a. von dem 1812 gegründeten schottischen Verein in Lennoxtown beansprucht. 1827 ist es bei der genossenschaftlichen Mühle in Meltham/Yorkshire nachgewiesen, vgl. Butler, S. 99. Einer der Owenschen Missionare, Alexander Campbell behauptete, das System 1822 erstmals bei einer Bäckerei in Glasgow eingeführt zu haben; ausführlich zu dieser Diskussion Cole, Century, S. 57ff. 171 »As it would confer immediate benefit upon all those who dealt extensively at the store, and remove the discouragements which the most zealous and persevering Co-operators had hitherto experienced.« Zit. aus: The Poor Man's Guardian, 7th April 1832. 172 Mit ihrer Ausschlußforderung für dividendenzahlende Vereine konnten sie sich allerdings schon Anfang der 1830er Jahre auf den Tagungen nicht durchsetzen. So blieb die Drohung, »rein kapitalistischen« Unternehmen den Zutritt »into the great social family which is now rapidly advancing to a state of independent and equalized community« zu verweigern, reine Deklaration, Proceedings of Third Co-operative Congress, S. 102f. 173 Vgl. Fragebogen Bannockburn Co-operative Society, in: Transactions of the cooperative League, S. 104.

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Anmerkungen zu S. 71-76 174 Der Fragebogen der Co-operative League aus dem Jahre 1852 belegt, daß von 14 ausfuhrlich antwortenden Unternehmen fünf nur an Mitglieder und neun mit dem allgemeinen Publikum Handel trieben. Auszählung nach den Angaben ebd. »Distributive Societies«, S. 102ff. 175 Fragebogen des Bingley Co-operative Store, ebd., S. 105f. 176 Vgl. auch die Ergebnisse der obengenannten Umfrage der Society for Promoting Working Men's Associations, S. 95ff. Vgl. den Bericht James Rigby aus Manchester über die Ursachen für Fehlschläge von Zusammenschlüssen im Owenschen Organ: The Crisis, 19. Oktober 1833, S. 58f., 61. 177 Das galt für die meisten schottischen Vereine, vgl. die Darstellung der einzelnen Gründungen bei Maxwell, History, S. 43ff. 178 Vgl. den Beschluß der Co-operative Conference vom 26. u. 27. Juli 1852 »that this conference entreats all Co-operative Establishments for the sake of the general good, to sell all articles exactly for what they know them to be, and abstain, as much as possible, from the sale of alle articles publicly known to be adulterated, even if demanded by customers.«, in: First Report of the Society for Promoting Working Men's, S. 53. Als Beispiel aus der großen Zahl zeitgenössischer Abhandlungen über die Nahrungsmittelverfälschung Accum. Konkrete Hinweise auf Lebensmittel verfälschungen - allerdings in einer Großstadt - in Mayhew, Volume I, S. 183ff., passim. 179 Burnett, S 90f. 180 Zitiert nach ebd., S. 93. 181 Vgl. Die Resultate der Consumvereine in Jahre 1873, in: Β GW 22 (1875), S. 69ff. 182 Das traf im übrigen auch für Holyoake selbst zu, dessen Nimbus in der späteren Bewegung auch von seinem Märtyrerschicksal lebte. Zu Holyoakes Entwicklung vor 1840 vgl. bes. Barnsby, S. 127ff. 183 Vgl. Elsässer, S. 84 ff. Tatsächlich rekrutierte sich das Führungspersonal ganz überwiegend aus den Freikirchen, vgl. unten S. 90. 184 Daß die Konsumvereine von Beginn an »unpolitisch« waren, trifft dagegen nicht zu. Auch kam es immer wieder zu einzelnen Gründungen etwa aus der chartistischen Bewegung heraus. Zu diesen Gründungen gehört die 1840 errichtete Birmingham Co-operative Society for the Better Distribution of the Necessities of Life among the Working Classes«, vgl. Barnsby, S. 88. 185 Ein guter Überblick ist Cole, Century, S. 114ff.; zur Wechselwirkung zwischen Praxis, parlamentarischer Beobachtung und Gesetzgebung am Beispiel der Versicherungskassen (Friendly Societies) vgl. auch die nach wie vor lohnende Studie von Hasbach. 186 Vgl. Engel, S. 469. 187 Vgl. Gosden, Self-Help; zur gut dokumentierten zahlenmäßigen Entwicklung für die Frühzeit vgl. die Statistik in: Return to an Address of the Honourable House of Commons dated 31. July 1833 for a return of Friendly Societies ... newly enrolled and reenrolled. Accounts and papers. XLI. 1834; später die regelmäßigen Berichte des Chief Registrar. 188 Zu Parallelen in Frankreich vgl. Stieda; ebd. im Anhang der Text der einschlägigen Gesetze; Roberts; Schmidt, Gesetzgebung, S. 53ff. 189 Bestandteil der Kassengesetzgebung war u.a. auch das Verbot des Tagens in Wirtshäusern - wie überhaupt Wirte eine große und stark unterschätzte Rolle beim Aufbau der wirtschaftlichen Selbsthilfebewegung gespielt haben dürften, auch in Deutschland, vgl. Hasbach, S. 121, S. 155. 190 Zit. nach Reports from the Select Committee on the Poor Laws, July 1817, March 1818, in: The Quarterly Review, January 1818, vol. XVIII., No., XXXVI., S. 259ff., S. 278.

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Anmerkungen zu S. 76-84 191 Vgl. List of the Friendly Societies; Hasbach, S. 116f. 192 Am stärksten waren von dieser Restriktion - naheliegenderweise- die selbstverwalteten Produktivgenossenschaften betroffen, die eben nicht die Rolle von Einkäufer und Käufer, sondern von Arbeitnehmer und Kapitalbesitzer kurzschlossen, ihre Güter sonst aber wie jedes andere Unternehmen über den Markt absetzten. 193 Erschwert war den Gesellschaften dagegen der Erwerb von Grundgesitz und Häusern. Dies war weniger relevant für das ohnehin nur noch symbolische Fernziel einer Landkommune als für den inneren Ausbau der einzelnen Vereine; vgl. den Redebeitrag J. M. Ludlows, The Amendment of the Law relating to Co-operative Societies, in: Proceedings of the Cooperative Congress 1870, S. 51, ebd. auch mit der Forderung nach der Einstellung eines besoldeten Rechtsexperten bei der Union angesichts der Kompliziertheit und Bedeutung rechtlicher Fragen. 194 Vgl. Cole, Century, S. 118ff. 195 Vgl. etwa The Rise, S. 5, ebd. der Hinweis auf eine Gründung im Jahr 1830; Smith, Enfield, S. 10, ebd. der Hinweis auf eine vorausgegangene Gründung 1860 etc. etc. 196 Das gilt auch fur die später von den Oweniten genannte Zahl von 500 Konsumvereinen 1832. Zur Kolportierung dieser Zahl in der Literatur vgl. Thompson, Entstehung, 2. Band, S. 897 unter Berufung auf Pollard, Century, S. 86. 197 Zitat Brown, Hepworth's. 198 John Butler, S. 89, hat fur Yorkshire 1833 906 Mitglieder ermittelt, das entsprach einem Organisationsgrad von lediglich 0,09 % der Bevölkerung in West Riding; für die Bevölkerungszahlen siehe Mitchell, Deane, S. 20. 199 Zur Frage der Kontinuität vgl. auch Brown, Hepworth's, S. 19. 200 Vgl. Wünschmann; zu Frankreich bes. Gaumont; Furlough. 201 Dokumentiert ist diese Entwicklung in den seit 1862 zur Verfügung stehenden jährlichen Berichten des Chief Registrar fur die Friendly Societies, die seit den 1870er Jahren durch die laufende Bericherstatung der Co-operative Union ergänzt wurden. Die Berichte eröffnen Möglichkeiten zur Feinanalyse des Ausbreitungsprozesses, die von der neueren Literatur erst ansatzweise ausgeschöpft worden sind. Sie bilden auch die Basis der nachstehenden Ausführungen. 202 Ähnlich auf der Basis von Korrelationsrechnungen, A. Foyne, S. 16. 203 Treble, S. 185. 204 Die Entwicklung ist im einzelnen zu verfolgen im Organ der Gesellschaft: Cooperative Wholesale Society's Almanack and Diary, 1880ff.; zu den Anfängen der Organisation First Report 1852, S. 54 205 Vgl. Cole, Century, S. 197ff. 206 Vgl. Christensen. 207 Ganz ließ sich das Problem des selbständigen Warenankaufs allerdings nicht umgehen, da die hohen Transportkosten es nahelegten, einen gewissen Teil des notwendigen Bedarfs von lokalen Großhändlern oder Erzeugern zu beschaffen. Als Beispiel fur systematische Gründungsanstöße der CWS zur Füllung »weißer Flecken« History Leith, S. 9ff. 208 Tatsächlich zeigen sozialgeographische Analysen, daß sich das Muster der konsumgenossenschaftlichen Selbsthilfe nicht als hierarchischer Diffusionsprozeß (von den größten zu den kleineren Städten), sondern als »Ansteckungsprozeß« von bestimmten Kerngebieten aus fortpflanzte, vgl. Foyne, Conclusion. 209 Vgl. Morrison, S. 2f. 210 Ebd., S. 2. 211 Ebd., S. 2.

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Anmerkungen zu S. 84-88 212 Ebd. 213 Vgl. als Kontrast dazu die Empfehlung Victor Aime Hubers: »Die Association proletarischer Kräfte bedarf in der Regel zu ihrer vollen Entwicklung im Großen bis zur Erzeugung eines den festen Besitz bedingenden Überschusses eines verzinslichen Vorschusses, eines Anhaltspunktes und einer Leitung und Vermittlung - des Mittelpunktes, mit einem Wort, der kurzweg als ein aristokratischer bezeichnet werden kann.« Zit. ders., Bruch, S. 44. 214 Als Beleg für das Ausmaß der Kooperation mit lokalen Honoratioren vgl den detaillierten Bericht über die Gründung eines Coops im Jahre 1889 von Muir, S. 4ff. Zur Ausprägung des Klassenbewußtseins in der englischen Arbeiterschaft allgemein Pollard, England, S. 34f.; Briggs, language, S. 43-73; Neale. 215 Auch hierzu enthält der erwähnte Artikel lebensnahe Empfehlungen: »The next step will probably be to bring together half-a-dozen labourers, those who, from intelligence, character, or other causes, are most likely to have weight with their fellow-workmen, to discuss the scheme; encourage them to talk, to ask questions, to raise objections, to look round your proposal from every point of view; distribute among them the tracts and the history of the Rochdale Pioneers, and ask them to read them to and with their neighbours; and to talk the matter over with them, and with yourself.«, Morrison, S. 1. 216 Brown, Century, S. 114-151; Puwis, Development, S. 324f.; Quelle: Annual Return of the Funds of Industrial & Provident Societies for 1862-67, 1870-1901. 217 Ganz anders lagen die Verhältnisse im Norden. Hier betrug die Rate von Gründungsversuchen und 1901 noch existierenden Gesellenschaften 2 : 1. M.a.W. : die Hälfte aller unternommenen Versuche war auch tatsächlich erfolgreich und stabil. Die Zahlen nach der Zusammenstellung bei Purvis, S. 324. 218 Eberty, bes. S. 47ff. 219 Das Fehlen hing unmittelbar mit der Politik der City of London zusammen, die auf der Grundlage traditioneller Marktprivilegien die Entstehung solcher Märkte verhinderte, ebd. 220 Jones, Outcast. 221 Vgl. Ompteda, S. 480ff. 222 Die Hinweise sind in den verschiedenen Darstellungen verstreut; vgl. etwa Brown, Hepworth's, S. 18ff.; Gough-, History Hawick, S. 17f., sowie die Reihe der Gründungsdarstellungen bei Maxwell, S. 46ff. 223 Vgl. Bythell; Bohstedt, Riots, Kapitel 6. 224 Der erste Vorstand der Rochdaler bestand aus acht Flannel-Webern, einem Wollsortierer, einem Wollstapler, einem Kettler/Anscherer, einem Holzschuhmacher, einem Tischler, einem Schuhmacher, einem Bandwirker, einem Hutmacher, einem Möbelschreiner und einem Schneider, Liste bei Brown, Rochdale, S. 20f.; vgl. auch Varney. 225 Bythell, S. 60. 226 Proceedings of the third Co-operative congress, S. 124. 227 Vgl. die Regel 18, II: »The members should all be good and skilful workmen; ... and that there should not be too many of the same trade.« Co-operative Society; or Working Union. Its Principles, Rules and Manner of Formation, in: The Co-operator No. 6, October 1, 1828, S. 73. 228 Barnsby, S. 59. 229 Ein Beispiel ist die in Birmingham errichtet Victoria Co-operative Society der Midland Railway Workers; zum Schicksal der Gesellschaft Barnsby, S. 178f. 230 Turnbull, S. 22. 231 In Kirkby-in-Furness waren 1911 33,6 %, im nahegelegenen Hawkshead 52,3%, in

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Anmerkungen zu S. 88-91 Coniston 26,4 % der Bevölkerung organisiert (Zahlen nach Turnbull, S. 26). Die hohe Zahl von Mitgliedern im Verhältnis zur Bevölkerungszahl besonders im zweiten Fall ist nur so zu erklären, daß die Vereine eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern außerhalb der Gemeindegrenzen hatten. Eine Gesellschaft, die von Händlern mitgegründet wurde, war die 1870 errichtete Gesellschaft in Greenock, vgl. Swan, S. 4f. 232 Das Schicksal der Handspindel-Weber ist regelmäßiger Gegenstand von Parlamentsausschüssen, vgl. etwa Parliamentary Papers 1 8 1 0 / 1 1 (232) II. Report of the Committee on the Petitions of Several Weavers etc.; ebd. 1835 (341) XIII. Report of the Select Committee on Handloom Weavers' Petitions; ebd. 1839 XLII; ebd. 1840 XXIII, XXIV, ebd. 1841, Χ. Reports of the Royal Commissions on the Handloom Weavers. 233 Gut zur inneren Differenzierung der Gruppe Bollstedt, Riots, Kap. 6. 234 Vgl. den Beitrag The best means of propagating Co-operation in large towns, Papers by Mr. J. M'Nair and Mr. Nutall, in: The Fifteenth Annual Co-operative Congress 1883: held in the Oddfellows' Hall, Edinburgh, Manchester 1883 S. 55ff. 235 Das Folgende auf der Basis einer Liste von 99 zwischen 1816 und 1904 geborenen fuhrenden Funktionären der Bewegung. Die Auszählung findet sich im Anhang der unveröffentlichen Diss, von Guerney, S. 441^447. Die Berufe wurden mit Hilfe des Dictionary of Labour Biography (Vol. 1-11) ermittelt. Guerney verzichtet auf eine systematische Auswertung. Mit weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen Acland, Jones, S. 116 zur Zusammensetzung der Leitungsorgane des Zentralverbandes 1884. Vom 53 Mitgliedern waren 31 gelernte Arbeiter. 236 Von den leitenden Funktionären waren 20 Prozent Lehrer oder als Angestellte in der Privatwirtschaft tätig. Mit zehn Prozent relativ hoch erscheint der Anteil der »Ingenieure«. Das englische Verständnis dieser Berufsbezeichnung ist nicht so exklusiv wie das deutsche. Hinter diesem Titel dürften sich einzelne untere technische Angestellte bzw. in Leitungsfunktionen aufgestiegene Facharbeiter verbergen. 237 Die Rochdaler nahmen schon zwei Jahre nach ihrer Gründung die ersten Frauen auf, was ihnen dadurch erleichtert wurde, daß die ersten beiden Kandidatinnen den Anteil von vier ganzen Pfund nicht »abstotterten«, sondern ihn auf einmal bezahlten. 238 Von den 99 ermittelten Funktionären waren ganze vier Anglikaner. 239 Webb, Means, S. 7; die Debatte über das Verhältnis von Armen und Coops wurde zu einem der Schwerpunkt der internen Debatte; vgl. Co-operation and the Poor. 240 Credit among Co-operative Societies, in: 21. Co-operative Congress 1889, Upswich, June 10-12th, Manchester o. J., S. 43; vgl. auch Gray; Johnson, S. 133. 241 Thirty-ninth Co-operative Congress, Preston, 1907, Report, Manchester 1908, S. 115; Johnson, S. 134, vgl. ferner Returns of the General Statements of the funds and effects of Industrial und Provident Societies registered under the act 25 and 26, for years ending 31st December 1862 and 31st December 1865, sowie das Paperon Credit Trading in Co-operative Societies read by James Deans, Glasgow 1903, ebd., S. 4. 242 Vgl. Butler, S. 200ff. Mit ähnlicher Tendenz auch die Ergebnisse bei Turnbull, S. 28. 243 Die Studie von Paul Johnson scheint vor dieser naheliegenden Schlußfolgerung zurückzuschrecken, vgl. ders., S. 140; wie kompliziert die Verhältnisse tatsächlich sein konnten, zeigt Butlers minutiöse Auszählung, ebd., S. 212. Die ungelernten Arbeiter hielten die meisten Anteile, offenbar, weil auch der gewährte Kreditrahmen daran hing. 244 »The difficulties will be greater in such places as Birmingham, where many people are self-employed, or where the workshops are small and very numerous, than where they are larger and less numerous. Co-operation thrives best where there are large numbers work together, as in cotton and woollen mills, iron foundries, engineering and machine shops, gas

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Anmerkungen zu S. 92-96 works, collieries, and great railway centres, simply because the workpeople employed can organise and manage their own store.« Zit aus Best means, in: Fifteenth Annual Congress, S. 56. 245 Der steigende Frauenanteil legt die Vermutung nahe, daß innerhalb der Familien die Kontrolle über die hohe periodische Dividende an die Frauen überging und damit in den Familien fur Frauen ein größerer Handlungsspielraum entstand. 246 Ritter, Sozialversicherung, S. 76ff.; Gilbert; Hasbach; Hay; Pelling; wichtig zum Vergleich Köhler u. Zacher; zum Funktionswandel von Selbsthilfeeinrichtungen vor diesem Hintergrund Treble, Attitude. 247 Die bekannteste ist die Untersuchung von Booth·, Beatrice Webb gehörte zu den Mitarbeiterinnen dieses Projektes. Aus den Ergebnissen der Untersuchung entstand jene berühmte, später sprichwörtliche Formel vom Drittel der Bevölkerung, welches am Rande oder außerhalb der offiziellen Gesellschaft dahinvegetierte. 248 Vgl. Cassau, Großbritannien, S. 61ff. 249 Vgl. auch den aufcchlußreichen kritischen Bericht des stellvertretenden Leiters eines schottischen Vereins um die Jahrhundertwende; Smith, Members. 250 Die Bedeutung dieser Tradition und ihrer Exponenten fur den Alltag der Bewegung ist dennoch nicht geringzuschätzen. Auch in den 1870er und 80er Jahren waren die zentralen Institutionen der Konsumgenossenschaften immer noch schwach, eher Honoratiorenparlamente und lockere Assoziationen als schlagkräftige Organisationen oder straffe Bürokratien. Ehrenamtliche Tätigkeit blieb eine zentrale Ressource bei der Ausbreitung und selbst der Leitung der Gesellschaften. Wie ideologisch der Anspruch, allgemeine Verbraucher- und Arbeiterinteressen zu vertreten oder »urbritische« Selbstverwaltungs- und Demokratieprinzipien zu repräsentieren, auch sein mochte, als Selbstverständnis und Motivation derjenigen, die die Bewegung trugen, waren sie eben doch nicht belanglos, und wohl auch nicht ganz für das Ansehen der Bewegung. 251 Smiles; Fielden; Harrison, Gospel; Morris, Smiles. 252 Zit. nach aus Wiedergabe der Co-operative Conference at Luddendenfoot, in: The Co-operative News. A Record o f Industrial, Political, Humanitarian, and Educational Progress, Vol. I, No 16, Dec. 16th, 1871, S. 172f. 253 Hough, S. 112; im Einzelfall lagen die »Tagespreise« der Konsumvereine dabei über denen der Konkurrenz. In keinem einzigen Fall allerdings so weit, daß sie etwa der Höhe der Dividende entsprachen, vgl. auch Butler, S. 195. 254 Vgl. Cardiff Co-op Congress Report 1900, S. 167f. sowie den Abschnitt »Taking Cooperation to the Poor«, in: Gaffin, S. 62ff.; das Kapitel »Co-operation in poor Neighbourhoods«, in: Webb, Woman, S. 88ff. Zur Geschichte der Organisation vgl. weiter die Darstellung einer ihrer frühen Leiterinnen Davies, Guild, sowie die Sammlung von Erlebnisberichten aus der Frühzeit Life. Die Entwicklung im Ersten Weltkrieg ist beschrieben bei Scott. - Das Problem hinter den Vorschlägen der Frauengilde bestand darin, daß sie eines der Rochdaler Prinzipien, den Verkauf zu Tagespreisen, aufgeben wollten, um durch eine Niedrig-PreisPolitik auch die ärmeren Arbeiterschichten zu erreichen. 255 Zum Verhältnis von Frauenbewegung und Coops vgl. allgemein auch Pugh, Women, S. 230ff. sowie den detaillierten Bericht »Report of Women's Guild« in: The 37th Annual Cooperative Congress, held in Paisley, June 12-14th, 1905, Manchester 1905, bes. S. 174ff. Ebd. auch Hinweise auf die Gründung besonderer Fonds von Sektionen der Gilde zur Unterstützung der Wahlrechtsbewegung. 256 Vgl. Davies, Co-operation; Davies, Relief. 257 Der Konflikt zwischen Handel und Konsumvereinen nahm in England und Schottland

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Anmerkungen zu S. 96-98 seit den 1880er Jahren an Schärfe zu, als sich Händler zunächst auf lokaler Ebene zu »Schutzgemeinschaften« zusammenschlössen; vgl. als Beispiel den Bericht mit Protokollnotizen Co-operation versus Private Trading sowie die Stellungnahme »The Scottish Trader's Defence Association again«, in: Co-operative News, February 16th, 1889; zu den gleichen Vorgängen auch Swan, S. 49ff.; vgl. auch den Bericht der wesdichen Sektion über die Aktivitäten der Händler: »Our opponents, the Traders' League, have been more than usually active, in some parts of this section, in the past year; at Gloucester especially so, a newspaper having been established, supported by the tradesman of the town, to oppose the movement, and pressure brought to bear upon individuals, where possible, who are taking active part in the proceedings of the society.«, in: The Sixteenth Annual Co-operative Congress 1884, held in Derby, June 2 - 4 , Manchester 1884, S. 39. Zur Entwicklung der Einzelhändler in England allgemein Crossick, bourgeoisie, S. 62-94; ders., Emergence, S. 11-60. 258 1887 existierten in London u.a. die Civil Service Supply Association mit 4.764 Mitgliedern, ein Haymarket Store mit 10.992 Mitgliedern, eine New Civil Service Society mit 3609 Mitgliedern sowie zwei Army and Navy Societies, deren Mitgliederzahl, da sie sich nicht registrieren ließen, unbekannt ist. Vgl. den Bericht Holyoake, Growth, S. 14f. 259 Vgl. 21. Annual Co-operative Congress 1889, held in Ipswich, June 10-12th, Manchester o. J., S. 52. 260 Vgl. die Rede von Davies, Relations, S. 12 ff. 261 Johnson, S. 126ff. 262 Vgl. Hough sowie Hornsby. 263 Zur Vorgeschichte vgl. Report of Conference, in: Report of the First Annual Conference, S. 7ff. Ebd. S. 8 der Hinweis auf den für diese Entwicklung zentralen Londoner Dockerstreik. 264 »After considerable observation, I believe there is a prevailing opinion which should not be ignored, among many who wish well to the Trades Unions, that this >New Unionism< is too pugnacious and too arbitrary«, zit. nach The Relationship between Trades. 265 Pollard, foundation, S. 185ff. Die Gründung ging auf einen Beschluß des Cooperative Congress aus dem Jahre 1897 zurück. Der Kongreß erklärte »That this congress feels that the time has arrived for the direct representation of the Co-operative Movement in Parliament and other councils of the United Kingdom, and instructs the Co-operative Union, with the cooperation of the English and Scottish Wholesale Societies, to take steps for that purpose.« zit. bei Bailey, Party. Es dauerte allerdings bis zum Jahr 1917, bis dieser Beschluß umgesetzt wurde. 266 Eine spätere Umfrage aus dem Jahre 1939 (?) ergab, daß sich die politischen Präferenzen der Konsumvereinsmitglieder ziemlich genau mit dem allgemeinen Wahlverhalten deckten, Lambert, S. 4. 267 Zu den Zahlen Bumett, S. 115. 268 Der Bruch mit dieser Tradition ging auf die negativen Erfahrungen der Kriegszeit zurück; zur Geschichte der Partei am besten Carberry, Consumer. 269 Zitat aus dem Protokoll des 33. Annual Co-operative Congress 1900, held in Cardiff, on June 4-6th, Manchester 1900, S. 152. 270 Vgl. Co-operative Defence Committee, Report, in: 45th Annual Co-operative Congress 1913, held in Aberdeen, 12-14th May 1913, Manchester 1913, S. 98. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch die bislang vorliegenden Regional- und Lokalstudien, vgl. Turnbull, S. 59ff.; Laker. 271 Davies, Relations, S. 12 ff. 272 Vgl. Cole, Century, S. 227 ff. In der Sache handelte es sich um Weiterbildungsmög-

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Anmerkungen zu S. 98-103 lichkeiten flir Arbeiter neben ihrer Arbeit, die von Dozenten aus Oxford und Cambridge in Zusammenarbeit mit den Erziehungskomitees der lokalen Coops angeboten wurden. Die Kosten wurden durch Stipendien der Vereine getragen. Zu den praktischen Ergebnissen siehe den Erfahrungsbericht eines Stipendiaten: »University Education - The Hughes and Neale Scholarships«, in: The Thirty-Second Annual Co-operative Congress 1900 held in Cardiff, June 4 - 6 t h , Manchester 1900, S. 156ff. 273 Vgl. Womens Cooperative Guild, Berkhamstedt, 1 9 0 9 / 1 0 , opt. cit.; vgl. Neal. 274 Beispiele fur solche Tätigkeiten sind enthalten in: Womens Cooperative Guild, Minute Book, December 14th 1909 aus: BI; ebd. das Protokoll der Sitzung vom 31. Mai 1909; vgl. auch Gaffin. 275 Vgl den Abschnitt »The Grant to the Women's Guild«, in: The 45th Annual Cooperative Congress 1913, 12-14th May, 1913, Manchester 1913, S. 8. 276 Vgl. Reports of Sections and Districts, 37th Annual Congress, held in Paisley, June 12-14th, 1905, Manchester 1905, S. 331. 277 Zum Verhältnis individualistischer und altruistischer Orientierungen in Gruppen vgl. bes. auch Olson. 278 Dies auf der Basis der im Bishopsgate Institute erhaltenen Protokolle von Frauengilden der Londoner Konsumgenossenschaften, vgl. Anm. 274. 279 Zum Umfang solcher Zahlungen vgl. als Beispiel die Angaben bei Muir, S. 14. Ein Überblick für die schottischen Vereine bei Dytes, S. 14f.; sowie Report of the Sixteenth Annual Congress of Delegates from Co-operative Societies in Great Britain and Ireland, held at Derby, 2-4 June, 1884, S. 41. Vgl. auch das Protokoll der vierteljährlichen Sitzung der Rochdale Equitable Pioneers Society am 1. Oktober 1866, in: Selections (Manchester Union Library). 280 Vgl. die Übersicht über die Untersuchungsergebnisse bei Burnett, S. 233. 281 Rowntree, Poverty; zu langfristigen Tendenzen vgl. auch die Nachfolgestudie Rowntree, Poverty and Progress. 282 Pember Reeves, S. 104ff. 283 Johnson, S. 1. 284 Aus dem Jahre 1828 wird folgende Episode beim ersten Auszahlen einer Dividende berichtet: »A spontaneous and hearty demonstration was held in honour of Mr. Redfearn, his home being visited by the crowd singing a few lines in his praise.« In: Handbook of the 27th Co-op Congress, Huddersfield 1895, S. 104, zit. nach Butler, S. 105. 285 Diese wie auch die nachfolgenden Zahlen beruhen auf Schätzungen. Zur Grundlage Jeffereys, S. 18f. 286 Deutlich niedriger lag der Umsatzanteil der Vereine bei Kleidung und Schuhen mit 5 bis 6 Prozent im Jahre 1915, vgl. ebd. 287 Vgl. Hough, S. 31ff. 288 Der Umsatz schwankte zwischen rd. 39 Pfund Sterling bei den schottischen Vereinen und 18 Pfund bei den Vereinen im Südwesten. Zahlen nach Hough, S. 55 und 106. Den Anteil kaufender Nichtmitglieder am Umsatz schätzte die CWS in Manchester auf weniger als ein halbes Prozent, vgl. ebd., S. 137 289 Zitat aus Family Budgets, S. 41. 290 Zur genaueren Charakterisierung der Basis vgl. oben S. 85ff. 291 Zur Bedeutung dieses über England hinaus wenig bekannten Klassikers schreibt A. Briggs in der Einleitung: »There are few books in history which have reflected the spirit of their age more faithfully and successfully than Smiles's Self-Help.« In: Briggs (Hg.), Self-Help, S. 7.

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Anmerkungen zu S. 104-109 292 Die wichtigste davon war die Society for Promoting Working Men's Associations, vgl. The First Report. 293 »Der Stolz des früheren Vice-Königs von Indien, Ripon, der zu Ehren des Tages einen Anzug genossenschaftlichen Fabrikates trug,... ist ein charakteristisches und schönes Zeichen für das Ansehen, welches die englischen Genossenschafts-Arbeiter genießen, für das Verhältnis, welches in England zwischen Genossenschaftern der arbeitenden Klassen und ihren Freunden in den Kreisen der Bessergestellten besteht.«, zit. nach dem Bericht des deutschen Verbandssekretärs Häntschke beim 20. englischen Konsumgenossenschafts-Kongreß, in: BGW, 35 (1888), S. 191. 2 9 4 Co-operative Congress Report (Leeds 7. Juni 1881), Manchester 1882, S. 13. Die Grußadressen der Bürgermeister der jeweiligen Orte, in denen der Co-operative Congress seine jährlichen Treffen abhielt, sind unter diesem Aspekt sehr aufschlußreich. Vgl. etwa das Grußwort des Bürgermeisters von Aberdeens, Lord Provosts, an die Delegierten des 45. Kongresses 1913. Seitens des Magistrates sei man zwar »always glad to welcome strangers within their gates, particularly when they were respectable strangers; and from what he had seen and heard of them, he had no hesitation in classing their Congress in the respectable class. They represented a very great movement, which was wielding an enormous influence upon the trade and commerce o f the land.« Zitat aus 45th Annual Co-operative Congress 1913, held in Aberdeen, 12-14th May 1913, Manchester 1913, S. 34. 295 Ohne Frage wurde das gesellschaftspolitische Klima fur die Konsumvereine seit den 1890er Jahren rauher. Dazu trugen die sich besser organisierenden und artikulierenden Einzelhändler wie auch die Konkurrenz der Kettenläden, die aggressivere und erfolgreichere Werbung etc. bei. Die gesellschaftspolitische Kritik an den Coops richtete sich nur selten gegen den Bestand - obwohl solche Stimmen nicht fehlten - , sondern gegen die steuerlichen und sonstigen Privilegien der Bewegung. Man darf allerdings nicht übersehen, daß die Bewegung im Interesse ihrer Homogenität und der Ressourcenmobilisierung eine Interesse hatte, die Existenz bestehender Gefahren zu überzeichnen, vgl. als Beispiel die Lagebeschreibung Co operation, Competition. 2 9 6 Vgl. den Bericht in Ayrshire, Co-operative Conference. 297 Als Registrar amtierten jedoch durchweg Personen, die der Self-Help-Bewegung wohlwollend gegenüber standen bzw. selbst zu ihren Vertretern gehörten wie der chrisdiche Sozialist Ludlow.

Drittes Kapitel: Individualisierung des Marktausgleichs und Anfänge der Selbsthilfe. Konsumvereine in Deutschland 1 Unter dem Aspekt der Konsumgesellschaft vgl. Gellately. 2 Zit. nach Kaiser, Handwerk, S. 266. 3 Zu dieser Frage auch Seraphim, S. 23ff., S. 32 zu den einigen Entwicklungstendenzen im 20. Jahrhundert; Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 85. Für das 20. Jahrhundert vgl. Fehn-, Rolfes-, Aistleitner, S. 147. 4 Die genauere Klärung dieser Entwicklung gehört zu den vielen offenen Forschungsfeldern einer Geschichte der Konsumgesellschaft in Deutschland. Hinweise zur Ausbildung von Wochenmärkten für Westdeutschland bei Müller, Wandlungen; Blotevogel, S. 79; Trende\ für Detmold Bast, Wirtschaftsleben, S. 345; für Bielefeld Mooser, S. 133f., 4 0 2 ; Potthoff, S.

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Anmerkungen zu S. 109-115 186f. - fur Süddeutschland u.a. Lamping, S. 7; Hellwig; Höhl; fur Norddeutschland Spiff«; Vogt, S. 76ff. 5 Fischer, Strukturen, S. 176ff.; Franz, Abe/, Cascorbi; eine gute Übersicht über den Forschungsstand ist Hans-Jürgen Teuteberg, Zum Problemfeld Urbanisierung und Ernährung im 19. Jahrhundert, in: ders., Durchbruch, S. 1-36; für eine Region Fischer, Strukturen. 6 Harkort, Proletariat, S. 41. Grundsätzlich zum hohen Selbstversorgungsgrad auch Borscheid, Textilarbeiterschaft. 7 Zum Handwerk Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 329ff. Ebd. wird der Anteil von Gesellen, die im Haus des Meister Kost und Logis erhielten, um 1800 auf 80 Prozent geschätzt; sowie vor allem auch Lenger, Kleinbürgertum; ders., Sozialgeschichte. Zur Einbindung der Dienstboten in den Haushalt jetzt Schubert, Lage, bes. S. 112. Das Truckwesen, dessen quantitativer Umfang schwer zu schätzen ist, blieb in beiden Staaten bis in die 1870er Jahre ein Problem. Zu Deutschland Puppke, S. 43f., 49f., 60, 203, 206f., 234, 249f. 8 Nach der Reichserhebung der Kommission für Arbeiterstatistik im Herbst 1892 hatten in 16.845 Fällen noch 45,1 % der männlichen und 34,3 % der weiblichen Verkäufer freie Station, nach Speier, S. 22 und 172. 9 Es ist wichtig, zwischen Vollbauern, die aus der Landarbeit genügend Subsistenzmittel und Geld erwirtschafteten, um alle Bedürfnisse, also etwa Kleidung, Einrichtungsgegenstände, Betriebsmitel einschließlich der Lebensmittel im engeren Sinne zu befriedigen, und den zahlenmäßig überwiegenden Mischexistenzen, bei denen sich Subsistenzwirtschaft und gewerbliche Tätigkeit ergänzten, zu unterscheiden. Zu den Größenverhältnissen am Beispiel einer protoindustriellen Region vgl. Mooser, S. 39ff. Zur Differenzierung in der Weber- und Spinnerbevölkerung vgl. auch die zeitgenössische Beschreibung von von Schwerz, S. 109ff. 10 Zit. Henning, S. 285f. 11 Vgl. Plaul, S. 192ff., 212, 321. 12 Vgl. Roscher, S. 420. 13 Plaul, S. 21 Off.; Most, S. 52ff. 14 Vgl. Mooser, Klassengesellschaft, S. 274ff.; ders., Furcht. 15 Blasius, Kriminalität, S. 81; zit. nach Mooser, Furcht, S. 43. 16 Zur Rezeption des Rochdaler Modells in anderen deutschsprachigen Ländern vgl. den Bericht über »Die Lebensmittelvereine in der Schweiz«, in: MCWK, 3, Berlin 1852,13. Heft (6. April 1852), S. 1671ff. 17 Weber, Wirtschaft, S. 732. 18 Naude u. Skalweit, Getreidehandelspolitik, S. 99: »Es ist einleuchtend, daß diese und ähnliche polizeilichen Bestimmungen zu kompliziert waren, um in jedem Falle durchgeführt werden zu können.« 19 Für Beispiele Thompson, Economy, bes. S. 193ff. Für die deutschen Staaten vgl. die Liste bei Huhn, S. 39f. Huhns Studie ist die beste neuere Untersuchung zu Fragen der Teuerungspolitik im Übergang vom Ancien Regime zur Reformära in Preußen. 20 Vgl. Naude, Getreidehandelspolitik; ders., Die Getreidehandelspolitik der europäischen Staaten; Naude u. Skalweit, bes. S. 83ff.; Adler; Sasse; von Rundstedt. Eine gute neuere regionale Fallstudie ist Wischermann. 21 Ein unbekannter zeitgenössischer sächsischer Schriftsteller, zit. nach Naude, Getreidehandelspolitik, S. 173. 22 »Wenn Friedrich Wilhelm [I. von Preußen] an die städtischen Bäcker Magazinkorn wohlfeil verkaufen ließ, so achtete er streng darauf, daß auch die Brottaxe, welcher die Bäcker unterworfen waren, entsprechend herabgesetzt wurde, damit der Gewinn aus dem billigeren

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Anmerkungen zu S. 115-118 Einkauf nicht in den Taschen der Bäcker verschwand, sondern dem Publikum zugute kam«, zit. ebd., S. 168. 23 Zu entsprechenden Plänen Friedrichs II. vgl. die Cabinetsordre an den Oberst von Retzow, Berlin, 9. Januar 1748, in: Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, 3. Band, S. 438. 24 Ebd., S. 438f. 25 Ebd., S. 299f. 26 Vgl. Moser, Gedanken, S. 4ff.; sowie ders., Fruchtsperre. 27 Zit. nach Justus Moser, Vorschlag, wie der Teurung des Korns am besten auszuweichen, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 5, S. 31. 28 Vgl. die Behandlung der Beschwerden der Anklamer Kaufmannschaft anläßlich eines Besuchs des preußischen Kammerpräsidenten von Aschersleben im September 1751, in: Acta Borussica, Getreidepolitik, Dritter Band, S. 487ff., die mit dem Hinweis abgeschmettert wurden, die Verwaltung habe nicht vor, »zum Nachtheil Unserer nothleidenden Unterthanen Uns hierunter die Hände binden zu lassen.« Schreiben vom 9. März 1752, in: ebd., S. 489. Die Untersuchung der Magazinpolitik und ihrer Rückwirkung auf die Entfaltung des Handels wie auch ihrer Bindung an kommerzielle Interessen des Militärs und des grundbesitzenden Adels wäre eine eigene Untersuchung wert. 29 Wie lange solche Traditionen im Einzelfall fortleben konnten, mag der Fall der Osnabrücker Brottaxe illustrieren. Erst 1851 verzichtete der Magistrat auf das Instrument der Brottaxe zur Festsetzung von Brotgewicht und -preis im Interesse der Konsumenten. Doch noch 1884 (sie!) verlangte eine von 1200 Personen unterschriebene Petition ihre Wiedereinführung, um sich gegen die Übervorteilung durch die Bäcker zu schützen. Nach Chronik, S. 327. 30 Vgl. Wischermann, Hungerkrisen, S. 126ff. Zur Einrichtung von Getreidemagazinen in Westfalen nach 1830 STAM 24. Rep. B. 120,1, Oberpräsidum Münster Nr. 368. In einzelnen Städten, die wie Hamburg nach dem Ende der napoleonischen Kriege aus fiskalpolitischen Gründen die Politik der Bevorratung aufgegeben hatten, kehrte man 1830 unter dem Druck der Krise und der Proteste zu ihr zurück oder ordnete wie in Minden-Ravensberg die Wiedereinführung der Taxen für Grundnahrungsmittel an. Zur Wiedereinführung der Polizeitaxen der ersten Lebensbedürfnisse, STAD Reg. Minden Μ 11 U Handels- und Gewerbeaufsicht Nr. 242 und Nr. 243; als Beispiel für die Zurücknahme einer liberalisierten Marktordnung der Erlaß des Magistrats von Eilenburg vom 25. April 1847, in: STAE Abt. XXXVIII b, Nr. 2. Anderswo - Münster ist ein Beispiel - zogen sich die Bemühungen um eine Revision der Marktordnung bis in die frühen vierziger Jahre hin, vgl. Huhn, S. 83f. Für MindenRavensberg vgl. die Generalakten der Handels- und Gewerbeaufsicht betreffend die Regelung der Märkte. STAD Reg. Minden Μ 1 I U Nr. 178. für die Zeit bis zur Reichsgründung - für die Zeit danach ebd. Nr. 179. 31 Vgl. Harkort, Bemerkungen, S. 54. Hinweis auf das Zitat bei Wischermann, Hungerkrisen, S. 147. 32 Wischermann, Hungerkrisen; Hinweise auf Holz- und Kohlenvereine bei Mooser, Klassengesellschaft, S. 275f. 33 »Getreide-Magazin betreffend«, in: Intelligenz-Blatt der Stadt Erlangen, Nro. 60, Donnerstag den 27. Juli 1854, zit. nach dem Abdruck in: Bericht ERLANGEN, S. 8f. 34 Vgl. »Anzeigen: Getreide-Magazin betreffend«, in: Intelligenz-Blatt der Stadt Erlangen, Nro. 88, Donnerstag den 2. November 1854, zit. nach ebd., S. 10f.; sowie »Anzeigen«, in: Intelligenz-Blatt vom 3. Februar 1858, zit. nach ebd. S. l l f . 35 Vgl. Husung, Protest, S. 97 und bes. S. 197ff.; Blessing, »Theuerungsexcesse«; als Beispiel für Widerstand zur Subsistenzsicherung Husung, Eisenbahnarbeiter. Zur Frage der

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Anmerkungen zu S. 118-124 Quantifizierung Tilly, Protest, bes. S. 187f.; Einen Überblick über die Hungerrevolten in den mitteleuropäischen Staaten 1 8 4 6 / 7 bietet Gailus, Straße, S. 138ff und S. 210ff. passim. - Zur Weiterentwicklung des kollektiven Konsumentenprotestes als organisierter Boykott vgl. Struve. Ein gut dokumentiertes Beispiel aus der Revolutionszeit für eine sächsische Gemeinde findet sich im STAE Abt. XXXVIIIb, Nr. 2; Bericht des Magistrats an Landrat und Regierung vom 23. April 1847. Vgl. auch unten Kap. 3, II. 36 Zur Reaktion der Behörden in Bayern Blessing, Theuerungsexcesse, S. 373. Ebd., S. 379f. auch zum Auftreten solcher Brotproteste nach 1848, die sich danach immer schneller am Gewaltmonopol des Staates und den funktionierenden Marktprinzipien festrannten. 37 Der Vorfall ist ausfuhrlich dargestellt bei Husung, Protest und Repression im Vormärz, S. 97. 38 Vgl. die Berechnungen bei Wischermann, Hungerkrisen, S. 140f.; sowie Blessing, »Theuerungsexcesse«, S. 362. 39 Hinweise auf die Rezeption in Belgien in dem Bericht »Die Gesellschaften zur gegenseitigen Unterstützung. Verhandlungen der Belgischen Kammer über dieselben. Gesetzentwurf über die Gesellschaften zur gegenseitigen Unterstützung, in: MCWK, 3, Berlin 1852, 12. Heft (10. Februar 1852), S. 1378ff.; aus der Sekundärliteratur zu Liedke vgl. bes. Zeidler. 40 Liedke, Hebung. Die Schrift fand eine solche Resonanz, daß bereits zwei Jahre später eine zweite Auflage erschien. 41 Die Praxis wich davon ab. Vgl. Liedke, Rechnungs-Abschluss, S. 18. 42 In Hamburg etwa waren die »Sparläden« am Sonntag zwischen 7 und 8 Uhr abends geöffnet, vgl. Bericht: Die Ersparungslade von 1846 in Hamburg, in: MCWK, 2, Berlin 1 8 5 0 / 5 1 , 10. Heft (9. April 1851), S. 1102. 43 Zit. Liedke, Rechnungsabschluß, S. 18. 4 4 Zit. MCWK, 2, Berlin 1 8 5 0 / 5 1 , 10. Heft (9. April 1851), S. 1635. 45 Liedke, Rechnungsabschluß, S. 22. 46 Ebd. 47 Zit. ebd., S. 23. 48 »Zum Bezüge dieses eben so zweckmäßigen als billigen Materials haben sich, im Verhältnis zu der Zahl der Gesellschafts-Mitglieder, nur wenig Sparer verstanden. Der Grund hiervon liegt darin, daß es an Aufbewahrungsräumen mangelt«, ebd., S. 22. 49 Liedke, Rechnungsabschluß, S. 9. 50 Reulecke, Frieden; ders., Anfänge. 51 So schränkte ein Teilnehmer der konstituierenden Sitzung des Centraivereins im April 1848 die Bedeutung der Sparvereine mit der Bemerkung ein: »Das Bestreben, die wirtschaftliche Lage der arbeitenden Klassen durch Spar- und Prämienkassen und Winterversorgungsvereine zu verbessern, scheitert für jetzt an der Nahrungslosigkeit, an dem Mißtrauen der Mehrzahl ihrer Mitglieder. Auf der anderen Seite ist das Bedürfnis direkter Beihilfen um so dringender«, zit. nach »Verhandlungen der Generalversammlung vom 2. Juni 1848« in: MCWK, 1, Berlin 1 8 4 8 / 4 9 , 1 . Lieferung (25. August 1848), S. 16; zur wirtschaftlichen Lage der Unterschichten in der Revolution vgl. Bergmann, S. 59ff. 52 Faust, Ursprung, S. 4 3 , nennt die Zahl 29, ohne sie zu belegen; Gailus, Straße, S. 324ff. mit einigen Hinweisen zum Umfeld der Gründungen. 53 Vgl. die Berichte, »Der Hilfsverein für die arbeitenden Klassen zu Grüneberg in Niederschlesien«, in: MCWK, 1 , 1 . Lieferung (25. August 1848), S. 45ff.; »Der Verein für das Wohl des Arbeiterstandes zu Frankfurt a. O.«, S. 55ff.; »Spargesellschaften, Hülfsvereine, Arbeits-Nachweisungs-Anstalt und Bürgerrettungsinstitut zu Stettin«, ebd., 3. Lieferung (15.

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Anmerkungen zu S. 124-127 August 1849), S. 307ff.; »Die Ersparungslade von 1846 in Hamburg«, in: ebd., 2, Berlin 1 8 5 0 / 5 1 , 10. Heft (9. April 1851), S. 44ff.; »Die Sparkasse des Spar- und UnterstützungsVereins für Arbeiter in der Stadt Brandenburg (Mark Brandenburg, Preußen), in: ebd., 11. Heft (10. August 1851), S. 1215ff. 54 Die Sparvereine in Württemberg, in: MCWK, 3, Berlin 1 8 5 2 , 1 3 . Heft (6. April 1852), S. 49ff. 55 Ersparungslade, in: MCWK, 2, Berlin 1 8 5 0 / 5 1 , 10. Heft (9. April 1851), S. 44. 56 Vgl. »Einladung zur örtlichen Wirksamkeit und zum Beitritt vom 14. April 1848«, in: MCWK, 1, Berlin 1 8 4 8 / 4 9 , 1. Lieferung (25. August 1848), S. 22. 57 Zitiert nach Summarischer Bericht über die Wirksamkeit des Centraivereins zur Erläuterung der vorstehenden Rechnung, in: MCWK, 1, Berlin 1 8 4 8 / 4 9 , 3 . Lieferung (15. August 1849), S. 419. 58 Ebd., S. 4 2 0 und 422. 59 Die Sparvereine in Württemberg, in: MCWK, 3, Berlin 1 8 5 2 , 1 3 . Heft (6. April 1852), S. 49. 60 Liedke, Rechnungsabschluß, S. 20. 61 Rechenschaftsbericht des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen zu Frankfurt a. d. O. fur das Jahr 1848, in: MCWK, 2, Berlin 1 8 5 0 / 5 1 , 7 . Heft (25. September 1850), S. 92f. 62 Ebd. Das läßt auch der von Liedke erstellte Rechnungsabschluß fur das Jahr 1845 erkennen. Die kgl. Forsten lieferten verbilligtes Holz, der preußische Kronprinz spendete Geld, auch der Torf stammte aus kgl. Betrieb, es gab Empfehlungsschreiben von König und Königin usf., Liedke, Rechnungsabschluß, S. 16f. 63 Die Sparvereine in Württemberg, in: MCWK, 3, Berlin 1 8 5 2 , 1 3 . Heft (6. April 1852), S. 53. 6 4 Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Appell des Stuttgarter Vereins, der sich der Reihe nach an »Arbeiter und Arbeiterinnen, Angestellte mit geringem Gehalt, Handwerker und Gehilfen, Landleute, Weingärtner, Tagelöhner, Witwen« wandte, zit. nach: Die Sparvereine in Württemberg, in: MCWK, 3, Berlin 1852, 13. Heft (6. April 1852), S. 55. Liedkes Rechenschaftsbericht von 1845 nennt an einzelnen Stellen als Berufe von Vereinsangehörigen »Krankenwärter« (ebd., S. 10), »Kattundrucker« (S. 10), »Witwe« (S. 11), »Schneidermeister« (S. 13), »ehemaliger Tischlergeselle und Mustercolorirer« (S. 14), »Tuchmacher« (S. 26), »Töpfergeselle« (S. 27). 65 Vgl. ebd., S. 55, wo es heißt: »Die Resultate aller Vereine namentlich der älteren waren nicht sehr ermunternd.« (Die Seitenangaben im Inhaltsverzeichnis des Bandes sind nicht korrekt.) 66 Ebd., S. 55f. »Ländliche Gemeinden und kleine Städte haben das Bedürfnis nicht, das Herr Liedke in Berlin vorfand, wo tausende und aber tausende alles, was sie brauchen, in Quantitäten zu 1 Silbergroschen vom Kleinhändler mit wenigsten 50 % Verlust einkaufen müssen«, dagegen könnten große Spargesellschaften »außerordendiche Vorteile erlangen«. 67 Ebd., S. 53. 68 Wie umfangreich die behördliche und private Hilfstätigkeit in den Hungerjahren 1 8 4 6 - 1 8 4 7 tatsächlich gewesen ist, überhaupt wie sorgfältig die Obrigkeiten das Problem der Teuerung im Vormärz beobachtet hatten, geht aus der umfangreichen Aktenüberlieferung des Münsteraner Oberpräsidums eindrucksvoll hervor. Vgl. STAM 24. Rep. B. 120, 1, I., lfde Nummern 365 betr. Verbot des Ankaufs der Früchte auf dem Halm, Ansetzung der Ernte, Vorschüsse auf zukünftige Ernte; 117 betr. Getreide - Ein- und Ausfuhr der Provinz Westfalen; 367 betr. Notstände und Maßnahmen dagegen; 366, betr. Fruchtmangel und Getreideteuerung; 368, betr. Einrichtung von Getreidemagazinen; 371, 372, 373, 374, 376,

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Anmerkungen zu S. 127-132 alle betr. Fruchtmangel und Getreideteuerung; 377, betr. Ankauf von 500 Zentnern Reis zur Linderung des Notstandes in der Provinz Westfalen; 380, betr. Verteilung von Salz an Hilfebedürftige; 381, betr. Nachweisung der Überweisung, Verteilung und Bezahlung von Roggen zur Linderung des Notstandes; 382, betr. Unterstützung der Hilfsbedürftigen im Notjahr 1846-1847 in Westfalen; 375, betr. Früchtemangel und Getreideteuerung; 378, betr. Der Ankauf von Roggen in Bremen durch den Kommerzienrat Delius in Versmold zur Versorgung der Provinz Westfalen. - Auf die Frage der Getreideteuerung nach 1848 beziehen sich in der Behörde dagegen lediglich fünf Akten, ausschließlich sogar nur drei! 69 Bericht des Berliner Lokalvereins für das Wohl der arbeitenden Massen über seine bisherige Thätigkeit, in: MCWK, 1, Berlin 1 8 4 8 / 4 9 , 3 . Lieferung (15. August 1849), S. 415. 70 Zit. nach: Die Sparvereine in Württemberg, in: MCWK, 3, Berlin 1852, 13. Heft (6. April 1852), S. 57. 71 Zur Diskussion innerhalb des Bürgertums über den Stellenwert von Selbsthilfe in der Arbeiterpolitik vgl. bes. auch den Beitrag von Fehrenbach. 72 Vgl. Kocka, Lohnarbeit, S. 167ff.; Geary, Arbeiterprotest, S. 38ff. 73 Vgl. Schieder, Anfänge; Büsch u. Herzfeld; Schraepler. 74 Reininghaus, Vereinigungen; ders., Gesellenladen; Frevert, Krankheit. 75 Birker; auch Tenfelde, Lesegesellschaften. 76 Vgl. die Beiträge in: Hahn; sowie die Quellensammlung Höppner. 77 Vgl. Auszug aus den Protokollen der Generalversammlung deutscher Arbeiter am 20. Febr. in Leipzig, in: Die Verbrüderung, 1850, Nr. 37, S. 181ff., S. 182; Frolinde Baiser, S. 618, S. 621; Die Darstellung bei Bernstein, Geschichte, S. 82ff., enthält einige wichtige Details, ist im Ganzen aber etwas freihändig. So verwechselt Bernstein Konsumvereine und Absatzorganisationen für Produktivgenossenschaften miteinander, ebd. S. 82f. Zur »Brotfrage« in Berlin während der Revolution - allerdings ohne Bezüge zu den Lebensmittelassociationen - Gailus, Straße, S. 369ff. 78 Vgl. Statuten der Gesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Brod, datiert vom 10. Januar 1849, in: Die Arbeiterverbrüderung, 1849, Nr. 41, S. 154f.; sowie Baiser, S. 621. 79 Zit. nach Korrespondenz, Bericht über die Arbeiter-Vereine in Schleswig-Holstein, in: Die Verbrüderung, 1850, Nr. 35, S. 168f., S. 169. 80 Geschäftsbericht des Berliner Bezirks der deutschen Arbeiter-Verbrüderung, Februar 1849, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr.86, S. 345. 81 Vgl. Geschäftsbericht der Berliner Bezirke der deutschen Arbeiter-Verbrüderung, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 87, S. 349; ebd., Nr. 89, S. 357; ebd., Nr. 129, S. 517. 82 Das Motiv scheint durch im LX. Bericht des Berliner Lokal-Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, in: MCWK, 1, Berlin 1848/49, 3. Lieferung (15. August 1849), S. 423ff., bes. S. 418. 83 Baiser, S. 621; Offermann, Arbeiterbewegung, S. 87f.; Lüdecke, S. 153ff. 84 Die bei Offermann zitierte zeitgenössische Schätzung von 70 Arbeitervereinen und Konsumvereinen allein im Bereich Zwickau scheint außerordentlich hoch, ders., Arbeiterbewegung, S. 58f. 85 Lüdecke, S. 219; die Berichte der Kreisdirektion Zwickau enthalten u.a. den Hinweis auf eine »Assoziation für Lebensbedürfnisse« in Glauchau. Hinweis bei Benser, S. 26. 86 Vgl. Entwurf zu einem Statut der Berliner Arbeitergesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Hemden, in: Die Verbrüderung, 1848, Nr. 6, S. 23f.; die Behauptung des Vorsitzenden der Generalversammlung, Bisky, ein Jahr später in der Sitzung des Centralkomites am 20. Februar 1850: »In allen Assoziationen [gemeint waren die selbstverwalteten Produktionsgenossenschaften, M. P.] ist der Grundsatz befolgt, die Consumtion zu assoziie-

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Anmerkungen zu S. 132-134 ren und den Einzelnen gegen den Nachtheil von Seiten der Produzenten zu sichern.«, war eine starke Übertreibung, zit. Auszug aus den Protokollen, S. 182. 87 Vgl. Entwurf zu einem Statut der Berliner Arbeitergesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Hemden, in: Die Verbrüderung 1848, Nr. 6, S. 23f.; Baiser, S. 513. 88 Vgl. Grundstatut der Altenburger Arbeitergesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Kleidungsstücken, in: Die Arbeiterverbrüderung, 1849, Nr. 41, S. 163f. 89 Vgl. Schieder, Anfänge, S. 77f. und S. 141. 90 Vgl. Kocka, Lohnarbeit, S. 98f. 91 Vgl. Schieder, Anfänge, S. 70. 92 Vgl. Grundstatut eines Assoziations-Speisehauses für die Arbeiter Altenburgs, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 41, S. 163; einen der wenigen erfolgreichen Realisierungsversuche unternahm der Stuttgarter Arbeiterverein, der seinen 1851 gegründeten Konsumverein mit einer solchen Herberge auf Selbsthilfebasis verband, vgl. Baiser, S. 618ff. 93 An diesem Grundsatz orientierten sich auch die Absatzvereinigungen der Verbrüderung. Vgl. Paragraph 3 des »Entwurf zu einem Statut der Berliner Arbeitergesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Hemden«, S. 23. 94 »Der Kommerzmann ist ein Zwischenschieber, welcher die allgemeine Unordnung und die Nichtorganisation der Industrie zu seinem eigenen Vortheil nutzt ... Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch die Verfälschung der Produkte, Verfälschung, die in unseren Tagen mit einer Wuth betrieben wird, die weit über alle Grenzen geht.«, zit. Der Handel in Bezug auf die sozialen Verhältnisse, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 120, S. 479ff., S. 479. 95 Vgl. als Beispiel das Grundstatut für die Gesellschaft zur gemeinsamen Beschaffung von Brod, zur Zeit für die Mitglieder der assoziirten Arbeiter der Eisengießerei-Obermeißen, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 46, S. 182f., bes. S. 183; Lüdecke, S. 119. - Das Recht zur Selbstverwaltung stand nach den Vorstellungen der Arbeiterverbrüderung jedoch nur den ehrbaren Handwerksgesellen zu, nicht dem arbeitslosen Lumpenproletariat, vgl. den Artikel, Die Barbaren des 19. Jahrhunderts, in: Das Volk, Nr. 15, 1848, S. 57 sowie Friedensburg, S. 78f. Dieser Unterschied, der die Stärke handwerklicher Ehrvorstellungen in der Verbrüderung anzeigt, ist bei Quarck, S. 97, wohl aus Sympathie für Born verwischt. 96 So berichtete der Braunschweiger Arbeiterverein im Mai 1850, daß die Statuten, die sich der Verein am 2. Juni 1848 gegeben habe und die sich u.a. auf die »Anschaffung billiger und guter Lebensmittel« erstreckt hätten, »bis heute noch nicht so durchgeführt werden [konnten], weil die Betheiligung zu schwach war.«, in: Auszug aus den Protokollen der Generalversammlung deutscher Arbeiter am 20. Febr. in Leipzig, in: Die Verbrüderung, 1850, Nr. 34, S. 158. 97 Vgl. Anträge des Centralkomites für Arbeiter, in: Das Volk, Nr. 13 1848, S. 48f.; jetzt auch Mooser, Maschinensturm. 98 Ein knappe Übersicht zur Bedeutung produktivgenossenschaftlicher Ideen in der frühen europäischen Arbeiterbewegung gibt Geary, S. 41ff. 99 Vgl. die Beschreibung bei Oskar Skrobek, Ist der allgemeine Zustand der Industrie im Fortschreiten begriffen oder nicht, oder gar im Rückgange, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 20, S. 78ff. 100 Vgl. den Artikel von Stephan Born, Wie ist zu helfen?, in: Die Verbrüderung, Correspondenzblatt aller deutschen Arbeiter, No. 1.2., Leipzig, den 3. Oktober 1848. 101 Quarck, S. 166. 102 Vgl. »Zehn Millionen Thaler«, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 51, S. 202f. Der Artikel nahm Bezug auf eine in Preußen zirkulierende »Petition für Unterstützung der Arbeiter-Assoziationen aus Staatsmitteln«.

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Anmerkungen zu S. 134-138 103 Zur Diskussion über den Zehn-Jahres-Zeitraum und die Einwände dagegen: Schwenningen Die Assoziationskassen, Die Verbrüderung, 1849, Nr., 122, S. 487ff., S. 488; Mooser, Maschinensturm; ders., Klassengesellschaft, S. 358ff. 104 Der Appell an den Staat durchzieht die einzelnen Programmpunkt der Verbrüderung und ist neben dem Assoziationsgedanken das wichtigste Merkmal der Pläne, vgl. Quarck, Arbeiterbewegung, S. 148, zur Verpflegung der Kranken auf Staatskosten bzw. Versorgung der Arbeitslosen auf mit Staatskredit, ebd., S. 97. Vgl. auch die Anträge des Centralkomites, in: Das Volk Nr. 16, 1848, S. 61. 105 Vgl. Über Ankaufegesellschaften, in: Die Verbrüderung, 1850, Nr. 31, S. 133ff. 106 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ermahnung des Centralkomites an die Arbeitervereine, sich unbedingt mit der Errichtung von Kreditkassen zu beschäftigen, in: Das Centralkomite an die Vereine der deutschen Arbeiterverbrüderung, 1850, Nr. 29, S. 127. 107 Die Stärke der Mobilitätsinteressen spiegelt sich darin, daß die der Verbrüderung verbundenen Arbeitervereine 1 8 4 9 / 5 0 neben Krankenkassen vor allem Wanderunterstützungskassen errichteten. In der letzten Phase der Verbrüderung setzten sich die spezifischen Bedürfnisse der Handwerksgesellen gegenüber dem Assoziationsprogramm immer stärker durch. Vgl. Auszug aus den Protokollen der Generalversammlung deutscher Arbeiter am 20. Febr. in Leipzig, in: Die Verbrüderung, 1850, Nr. 38, S. 189ff., S. 190. 108 Vgl. Fehrenbach, S. 290ff. 109 Vgl. auch den Abschnitt Die praktische Frage, >Selbsthilfe< durch Baugenossenschaften oder >gemeinnützige< Baugesellschaften?, in: Zimmermann, Wohnungsfrage, S. 55ff. 110 Zur Herkunft bzw. Beeinflussung der Bornschen Associationsvorstellungen durch seine Schweizer Erfahrungen vgl. den Hinweis bei Stadelmann, S. 163. 111 Zit. nach Ausschußbericht, in: Die Verbrüderung 1849, Nr. 59, S. 233f., S. 233. 112 Zu diesem Konflikt Assoziationen und Innungen, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 70, S. 379ff.; Schwenniger, Assoziationswerkstätten, in: ebd., 1850, Nr. 11, S. 41ff. »Die Assoziationswerkstätten«, bestätigte Schwenniger demonstrativ das Mißtrauen der Meister, »heben allerdings den Meistergrad als Privilegium auf, welches man sich, ohne irgend etwas von der Arbeit zu verstehen, fur Geld erwerben kann, und bringen dafür den wahren Meistergrad zur Geltung.«, ebd., S. 42.; versöhnlicher gegenüber den Selbständigen: Assoziationskassen, in: ebd., 1850, Nr. 6, S. 22. 113 Bayerisches Innenministerium am 9. 5. 1851 auf Beschwerde des Arbeitervereins München, in: Hauptstaatsarchiv München, MInn 45720 Bl. 2, zitiert nach Offermann, Arbeiterbewegung, S. 42.

Viertes Kapitel: Kontinuität und Diskontinuität in der Reaktionsära 1850-1863 1 Zit. Die Sparvereine in Württemberg, in: MCWK, 3, Berlin 1852, 13. Heft (6. April 1852), S. 49. 2 Der Leipziger Verein hatte in den nächsten drei Jahren 162,191 und 200 Mitglieder und setzte fur 8.000, 11.000 und 19.600 Mark Waren um. In den drei Jahren erzielte er zusammen einen Überschuß von 91 Talern, 25 Groschen und 17 Pfennigen. Angaben nach Staudinger, Konsumgenossenschaft. 3 Hinweis bei Schomerus, S.139f.

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Anmerkungen zu S. 138-139 4 Dem Consum-Verein Erlangen ging ein Getreidemagazin im Jahre 1854 voraus, vgl. Bericht Erlangen mit Abdruck der ersten Statuten, Mitgliederliste und Protokollauszügen. 5 Die Entwicklung ist im einzelnen dokumentiert in mehreren Berichten der HamburgerNachrichten, Tagesbericht, No. 306, Freitag, den 26.12.1851; Tagesbericht, in: ebd., Dienstag, den 30. 3. 1852; Tagesbericht, in: ebd., No 242, Montag, den 11. 10. 1852 sowie »Associations-Waaren-Magazin zur Vertheilung von Lebensbedürfnissen. Anzeige.« 6 Zur Schätzung dieser Zahlen auf der Basis der Anteilsscheine vgl. Hasselmann, Geschichte, S. 114. 7 Zu den Zahlen für Eilenburg vgl. Schloesser u. Ruhmer, S. 58. Schloesser und Ruhmer nennen eine Zahl von 700, beziehen sich bei dieser Zahlenangabe auf einen Brief des Vereinsvorstehers, der jedoch nicht direkt, sondern nur als Zitat in einem Schreiben an den Magistrat überliefert ist. Das Schreiben war in den Akten des Stadtarchivs Eilenburg nicht mehr aufzufinden und ist wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Recherchen Schloessers und Ruhmers in den zwanziger Jahren verlorengegangen. Abgesehen von den Überlieferungsproblemen ist der ursprüngliche Kontext der Zahlenangabe in Rechnung zu stellen - der Vorsteher wandte sich in dem Brief an einen Großhändler, um Rabatte zu erlangen. Das macht eine Übertreibung wahrscheinlich. Zimmermann, Lebensmittel Association, S. 35ff. geht auf der Grundlage der Umsatzzahlen von der im Text genannten niedrigeren Zahl aus; sie scheint in der Tat plausibler, ist aber selbst nur eine Schätzung. Die höchste gesicherte Zahl beträgt 399. Sie ist im Protokoll einer Mitgliederversammlung genannt und mit der Erläuterung versehen, daß der Mitgliederbestand gegenüber früher zurückgegangen sei. In den Akten finden sich im übrigen auch Hinweise darauf, daß die Bewohner umliegender Ortschaften als Käufer auftraten. Es scheint jedoch, daß nur eine Handvoll als Mitglieder eingeschrieben waren; vgl. Anotatio & Anzeige vom 1. August 1850, unterz. Ε. E. Baumann, in: XXXIIc STAE. 8 Die Einwohnerzahlen nach Geschichte Eilenburg, S. 37, das in einem Exemplar im Stadtarchiv Eilenburg vorhanden ist. Die Angaben der Einwohnerzahl Eilenburgs bei Schloesser u. Ruhmer und Zimmermann beziehen sich auf das Jahr 1849, übertreiben damit den Prozentsatz der erfaßten Haushalte etwas. 9 Vgl. MCWK, 4 (= l.Band der Neuen Folge, Berlin 1853/54, 2. Heft, S. 191f.). Der Delitzscher Verein finanziert sich durch ein geringes Eintrittsgeld von nur 1 Taler und einem Kredit von 100 Talern. Er beschränkte sich in der ersten Zeit auf den Einkauf von Roggen, Weizen, Brennöl, Butter. Wegen des bereits nahenden Winter und der hohen Preise beklagte der Berichterstatter, sei eine Ausdehnung auf den Holzbedarf der Mitglieder nicht mehr möglich gewesen. 10 Vgl. die Berichte in: Hamburger Nachrichten vom 11. 1. 1854; ebd. 13. 1. 1854; ebd., 16.1. 1854; ebd., 18.1.1854; ebd., 23.1.1854; ebd., 30.1.1854; ebd., 9.2.1854; ebd., 13.5. 1854; ebd., 21.6. 1856. Die Hamburger »Hülfsvereine« von 1854 und 1855 entwickelten sich zu Massenveranstaltungen. Der letzte Bericht vom 21. Juni 1856, der sich auf den 1855er Verein bezieht, nennt die extrem hohe Zahl von 19.955 eingeschriebenen Personen. Dieses wäre ein Achtel aller Einwohner - und bezogen auf die Familien - grob geschätzt fast die Hälfte aller Familien Hamburgs gewesen. Zur Einwohnerzahl Hamburgs vgl. Viebahn, S. 299; sowie Schloesser u. Ruhmer, S. 119ff. 11 Vgl. Tagesbericht, Hamburger Nachrichten, No. 15, Donnerstag, den 17.1.1856, ebd., No 20, Mittwoch, den 23.1.1856; ebd., No. 38, Mittwoch den 13.2.1856; ebd., N o 4 7 , 23.2.1856; ebd., No 48, Montag, den 25.2.1856. In 6 Wochen Tätigkeit hatte die Gesellschaft nach ihrem Abschlußbericht 31.773 Brote und 42.252 Spint Kartoffeln verteilt. So spektakulär diese Zahlen erscheinen, so bedeuteten sie doch, auf die einzelne Familie bzw.

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Anmerkungen zu S. 139-145 Person hochgerechnet, nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Die Zahl der angemeldeten Familien betrug zuletzt 5130. Das entsprach etwa 25.000 Personen. Man wird also davon ausgehen müssen, daß die angemeldeten Familien pro Woche ein Brot und einen Spint Kartoffeln erhielten. Mit der dauerhaften Wirkung eines Konsumvereins konnten solche mildtätigen Aktionen nicht konkurrieren. Zu den Zahlen vgl. die laufende Berichterstattung in den Hamburger Nachrichten, bes. den Tagesbericht No 48 vom Montag, den 25.2.1856. 12 Belege für Hamburg in den Hamburger Nachrichten No 2 4 6 , Freitag, den 15. Oktober 1852; ebd. der Artikel »Vorschußanstalt fur Betriebskapital«. 13 Vgl. Hasselmann, Geschichte, S. 64. 14 Schomerus, S. 140. 15 Das Gründungskomitee bestand aus einem Mitglied des lokalen Gustav-Adolf-Zweigvereins, einem städtischen Verwaltungsbeamten, einem Kreis- und Stadtgerichtsarzt, zwei Brauereibesitzern, dem Stellvertreter des Magistrats der Universität, einem promovierten Juristen, einem Angehörigen des Stadtkommissariats, schließlich einem ehemaligen Abgeordneten des Frankfurter Parlaments, dem Professor fur Nationalökonomie Franz Makowiczka, vgl. Bericht zum 50jährigen Jubiläum, S. 17. 16 Vgl. Auszug aus den Statuten der »Neuen Gesellschaft zur Vertheilung von Lebensbedürfnissen von 1856« zu Hamburg, abgedruckt in: Schloesser u. Ruhmer, S. 153. 17 Vgl. Statuten der Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852 in Hamburg, revidiert 1862, Hamburg, in: Schloesser u. Ruhmer, S. 148. 18 Auszug, S. 153. 19 Vgl. Statut der [Eilenburger] Association für Lebensmittel, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10, Bl. 53. 20 Vgl. ebd., S. 108ff.; sowie Schulze-Delitzsch, Associationsbuch, S. lOlff. 21 Hierzu Hasselmann, Geschichte, S. 59ff. 22 Offermann, Arbeiterbewegung. 23 Ebd., S. 88; ähnlich auch schon Frolinde Baiser: »Daß die deutsche Arbeiterbewegung sich von 1848 an nicht ohne Bruch weiterentwickeln konnte, ist allein ein Werk der deutschen Regierungen und ihrer politischen Polizei, die in Verkennung der politischen Auswirkung gerade die Kräfte unterdrückten, deren Förderung oder wenigstens Gewährenlassen zur inneren Beruhigung hätte ebenso beitragen können, wie zur Milderung sozialer Spannungen.« Zit. Baiser, I, S. 241. 2 4 Zu den Vorgängen im einzelnen Offermann, Arbeiterbewegung, S. 57f. und 87f. 25 Ebd., S. 145f. 26 Auszug, S. 153. 27 Die Geschichte der Eilenburger Association wurde erstmals in den zwanziger Jahren dokumentiert von Robert Schloesser und Otto Ruhmer. Bei den Autoren handelt es sich um Funktionäre des christlichen Reichsverbandes deutscher Konsumvereine (RdK), die seit Anfang der zwanziger Jahre systematisch durch Methoden der Befragung von Zeitzeugen aus den Anfängen der konsumgenossenschaftlichen Bewegung und ausgedehnte archivarische Forschungen unschätzbares Quellenmaterial zusammentrugen. Schloesser wanderte Ende der zwanziger Jahre - nicht 1933! - in die Vereinigten Staaten aus und kooperierte weiterhin mit seinem ehemaligen Koautor Otto Ruhmer bei der Publikation von Dokumenten aus der Frühzeit der Bewegung. Beide planten eine historische Reihe, von der jedoch bis 1939 nur zwei Bände erscheinen konnten. Um insbesondere die Publikation des Bandes über die Konsumvereine zu ermöglichen, wurde der Text an gut einem Dutzend Stellen demonstrativ mit Verbeugungen vor den braunen Machthabern gespickt. Es ist jedoch unschwer zu erkennen, daß hier ein Buch »umgebogen« wurde, das von seiner Anlage und seinen

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Anmerkungen zu S. 145-148 Hauptthesen her nicht der Einstellung des Nationalsozialismus gegenüber den Konsumvereinen entsprach. Es reproduzierte im Gegenteil eine Geschichtsinterpretation, die für das konsumgenossenschaftliche Selbstverständnis vor 1933 typisch war und die sich mit nur leichten Abwandlungen auch beim sozialdemokratischen Zentralverband der Konsumgenossenschaften fand. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich genug, daß das Buch überhaupt erscheinen konnte, und es wäre interessant, den Umständen der Publikation weiter nachzugehen. Der besondere Wert der Arbeit liegt abgesehen von der im einzelnen problematischen Interpretation vor allem darin, daß etwa drei Viertel des Textes aus abgedruckten Originalquellen - Statuten, Polizeiberichten, Schriftverkehr der Behörden, Protokollen u. ä. bestehen die inzwischen zum Teil nicht mehr auffindbar sind. Am ausfuhrlichsten ist dabei die Gründungsgeschichte des Eilenburger Unternehmens dokumentiert. Zur Eilenburger Association vgl. auch die Hinweise in MCWK, 4 (= 1. Band der Neuen Folge, Berlin 1853/54, 2. Heft, S. 191f.). Die von Schloesser und Ruhmer abgedruckten Quellenstücke wurden vom Verf. im Eilenburger Stadtarchiv im einzelnen verglichen. Abgesehen von kleineren Übertragungsfehlern ist der Abdruck zuverlässig. Die Zitate sind im folgenden mit der Originalsignatur belegt. 28 Angaben nach Zimmermann, Lebensmittel Association, S. 14. 29 Vgl. die Liste in Eilenburger Wochenblatt, 15, 1850, Nr. 9. 30 Vettermann, Proletariat, S. 16. 31 Ebd., S. 23. 32 Ebd., S. 20ff. Rechnet man die in landwirtschaftlichen Betrieben tätigen Erwerbspersonen und eine sicher nicht sehr hohe Zahl von Doppelmitgliedschaften ab, kommt man auf der Grundlage dieser Zahlen für die Revolution auf einen Organisationsgrad männlicher Erwerbspersonen von 40 bis 50 Prozent. 33 Zu Gangloff Baiser, S. 189. 34 Vgl. auch den Bericht unter der Rubrik »Correspondenz« Eilenburg, den 2. September, in: Die Verbrüderung, 1849, Nr. 98, S. 393; sowie den Artikel Verbrüderung in Eilenburg, 1850, Nr. 15, S. 57ff. 35 Berichte des Magistrats über die Tätigkeit der Krankenkasse an die Regierung in: STAE, Abt. XXXVf, Nr. 9. 36 Die Unruhen brachen in Eilenburg um den 20 April 1847 aus. Vgl. Schreiben des Magistrats vom 24.4.1847 an den Kgl. Obersten Commandeur des Kgl. Husarenregiments und Ritter des Hohen Ordens Herrn von der Goltz, in: in: STAE, Abt. XXXVIIIb, Nr. 2, Bl. 5. Der Prozeß gegen die 139 Hauptbeteiligten fand am 15. 11. 1847 in Naumburg statt. Die Urteile lauteten auf Zuchthausstrafen und Peitschenhiebe. 37 Auf die Unruhen 1847 hatte der Magistrat noch unmittelbar mit einem Aufkaufverbot reagiert, vgl. Verfugung vom 25. April 1847, in: STAE, Abt. XXXVIIIb, Nr. 2. 38 Vgl. als Ausdruck dieses Klimas auch die Anzeige der Association im Eilenburger Wochenblatt, 17, 1852, 12. März 1852, in der es u.a. hieß: »Das unbarmherzige Handelsinteresse hat zwar auch die wohlgeratensten Gemüse-Waaren vertheuert, dennoch wollen wir diese ... zu solchen Preisen hiermit offerieren, wie sie Niemand außer uns gewähren kann.« 39 Vgl. Statut der Lebensmittel=Association zu Eilenburg, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10, Bl. 38b. 40 Vgl. den Hinweis auf die »Commission des Vereines« und ihre Tätigkeit im mündlichen Bericht A. Fritzsches an den Magistrat vom 5. 8. 1850, Protokoll 5. 8. 1850, unterzeichnet von Fritzsche in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10. 41 Zum letzteren Hinweise im Schreiben des Magistrats vom 8.1. 1851 an den Kgl. Landrath Herrn von Pfannenberg in Delitzsch, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10.

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Anmerkungen zu S. 148-152 42 Vgl. Anzeige der Lebensmittel Association, 24. April 1852, in: Eilenburger Wochenblatt, 17,1852, Nr. 17. 43 Vgl. Anzeige in Eilenburger Wochenblatt, 17, 1852, Nr. 17,24. April 1852. 44 Zit. aus Schreiben des Vorstandes der Association an die Regierung Merseburg vom 8. August 1850, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10. 45 Vgl. Offermann, Arbeiterbewegung, S. 49ff. 46 Zit. nach Schreiben der Kgl. Regierung. Abtheilung des Innern an den Magistrat von Eilenburg vom 2.8.50, in: STAE XXXVIIIc, Nr. 10. 47 Zit. nach ebd. 48 Vgl. STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10, Blatt 35 und 38. 49 Vernehmung August Fritzsches durch den Magistrat vom 5. 8. 1850, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 8. 50 Zum Kundenkreis der Association heißt es in einer Beschwerde der Kleinhändler vom August 1850: »Allein nicht blos diese Gesellschaftsmitglieder, sondern man kann behaupten das sämmtliche hiesige, ja sogar theilweise auswärtige Publikum entnimmt seine Waaren indirect durch Gesellschaftsmitglieder von dieser Association, u. unsere Geschäfte sind dadurch plötzlich so sehr ruiniert, daß wir seit Errichtung der Association nicht einmal die schuldigen Steuern u. Abgaben einzunehmen vermögen.« Zit. aus der Petition Fried. Wilh. Kouschützky et alii an die Kgl. Regierung Abthlg. des Innern zu Merseburg, datiert vom 9. August 1850, als Abs. in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10. 51 Zit. ebd. 52 Vgl. »Anotatio & Anzeige« an den Magistrat der Stadt Eilenburg vom 1. August 1850, gez. Ε. E. Baumann, aus: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 8. 53 Vgl. Protokoll der Generalversammlung vom 16. Januar 1852, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10. 54 Vgl. die Anzeige der Lebensmittel Association vom 21. August 1852, in: Eilenburger Wochenblatt, 17,1852, Nr. 34, in der die Verlegung des Geschäftes aus dem Hause Fritzsches bekanntgegeben und mit der folgenden Erläuterung versehen wird: »Von heute ab haben wir noch billigere Preise eintreten lassen. Außerdem erhält Jedermann seinen Warenbedarf mit vollem, richtigen Gewicht, also, das Papier eingerechnet, mit einem Übergewicht, da die Kosten für das beizugebende Papier von der Gesellschaftskasse getragen werden.« 55 Vgl.den Bericht Hanischs, des lokalen Polizeisekretärs, vom 24. Oktober 1851 in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10; siehe auch die Notiz über ein Beleidigungsverfahren beim Kreisgericht in Eilenburg am 20. Februar 1852, in: Eilenburger Wochenblatt, 17,1852, Nr. 9. 56 Da am Ende noch Geld und Waren auf die Mitglieder zu verteilen blieben, ist eine ökonomische Notwendigkeit fur die Auflösung nicht zu erkennen. Vgl. STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10, Bl. 76. 57 Vgl. als Beispiel für die Kombination von Preiskampf und Verruf die Anzeige eines der größten Eilenburger Einzelhändlers in: Eilenburger Wochenblatt, 15,1850, vom 28. Dezember, der seinen Kunden mit einem Seitenhieb auf die Konflikte innerhalb der Association versicherte, »daß von mir für geeichnetes Gewicht und Maaß Garantie geleistet wird, und ich jederzeit in den Stand gesetzt bin, so billig zu verkaufen wie die Association.« 58 Vgl. Anzeige des Gemüsehändlers Koutschützky, in: Eilenburger Wochenblatt, 15, 1850, v. 28. Dezember: »Obgleich ich bis dato Gemüsewaaren für die hiesige Association lieferte, so hat sich doch das Gerücht verbreitet, als verkaufe ich meine Waren im Einzelnen zu einem weit höheren Preise wie die Association; um dem geehrten Publikum dieß nun widersprechen zu können, so erlaube ich mir hiermit meine Verkaufspreise zu Jedermanns Ansicht zu bringen«.

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Anmerkungen zu S. 152-158 59 Eingabe an den Magistrat vom 16. 7. 1850, in: STAE, Abt. XXXVIII c, Nr. 10. 60 Ebd. 61 Der Eilenburger Gewerberat setzte sich zusammen: »I. Handwerkerstand« 10 Meister, 8 Gesellen; »II. Vom Fabrikantenstande«, sechs Arbeitgeber, vier Arbeitnehmer (3 Kattundrucker, 1 Formstecher); »III. Vom Handelsstande« 10 Kaufleute, Angaben nach Eilenburger Wochenblatt, 15, 1850, Nr. 1. 62 Gutachten des Gewerberates an den Magistrat vom 1. Oktober 1850, in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10, Bl. 16ff. sowie ebd. XXXVb, Nr. 20. 63 Vgl. Gutachten des Gewerberates vom 1. Oktober 1850, in: STAE XXXVIIIc, Nr. 10. 64 Vgl. die Petition Fried. Wilh. Kouschützky et alii an die Kgl. Regierung Abthlg. des Innern zu Merseburg, datiert vom 9. August 1850, als Abs. in: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10. 65 Bis in die späten 1860er Jahre hinein wurden auf amtliche Anweisung hin die Brotpreise einzelner Händler und Bäcker in der Tageszeitung veröffentlicht und mit dem Zusatz versehen »Beschwerden wegen etwaiger Übertretung der bei sämtlichen Bäckern und Brothändlern aushängenden Taxen sind bei uns anzubringen.«. Vgl. Eilenburger Wochenblatt, 15, 1850, Nr. 9; 25, 1860, Nr. 20; 30, 1865. 66 Vgl. Schreiben Regierung an Magistrat (Abschrift o. Datum), Eingang am 12. 11. 1851, betr. Steuerpflichtigkeit der Association. 67 Vgl. das Gutachten des preußischen Finanzministers vom 29. August 1851, als Abschrift beiliegend dem Schreiben der Merseburger Regierung, Abtheilung für die Verwaltung der directen Steuern, Domänen und Forsten, gez. Binne (?), datiert vom 8. September 1851; in: STAE, Abt. XXXVIII c, Nr. 10, Bl. 65. 68 Vgl. Anzeige im Eilenburger Wochenblatt, 16, 1851, 29. November 1851. »Nachdem die Lebensmittel-Association vor Kurzem zur Gewerbesteuer verpflichtet worden ist, dient auf die vielen Anfragen zur Nachricht, daß außer unsern Mitgliedern auch das übrige geehrte Publikum seine Bedürfnisse aus unserem Magazine entnehmen kann. Der Vorstand.« 69 Vgl. Schulze-Delitzsch, Associationsbuch, S. 102ff.; sowie Schloesser u. Ruhmer, S. 110. 70 Vgl. den Bericht der Rheinischen Zeitung über den Gründungsablauf des 1 8 6 3 / 4 gegründeten Elberfelder Konsumvereins, abgedruckt: IdZ, 1864, S. 93f. 71 Vgl. Statuten der Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852 in Hamburg, § 15, »Funktion des Rendanten«, abgedruckt in: Schloesser u. Ruhmer, S. 101. 72 Vgl. Pfeiffer, Consumvereine, S. 4 9 / 5 0 . 73 Vgl. § 37 der Eilenburger Satzung »Der Vorsteher wird remunerirt mit 1 / 2 pro C e n t , der Rendant mit 1 / 2 %, der Kassirer mit 2 1 / 2 %, und der Controlleur mit 1 % vom WaarenSoll-Erlöse.« In: STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10; sowie den Abschnitt »Von den Pflichten der Besoldeten«, in: Statuten der Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852 in Hamburg, abgedruckt in: Schloesser u. Ruhmer, S. 147. 74 Schulze, Associationsbuch, S. 105. 75 Vgl. Statuten der Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852 in Hamburg, Paragraph 19, abgedruckt in: Schloesser u. Ruhmer, S. 148. 76 Vgl. den Artikel von Eugen Richter, Statuten, in: Deutsche Gewerbezeitung/IdZ, 1865, Nr. 6, S. 41—43. 77 In England genossen einzelne Konsumvereine um diese Zeit - bei Rochdale läßt sich das im einzelnen verfolgen - bereits den Ruf, rentable, gewinnbringende, sichere Investitionsformen zu sein. So profitiere Rochdale etwa vom Zusammenbruch der lokalen savings bank. 78 Vgl. Eisenberg, Arbeiterbewegung, bes. S. 67ff.

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Anmerkungen zu S. 159-163 79 Florierende Vereine setzten ihr Kapital 12 bis 15 Mal während eines Geschäftsjahres um. 80 Vgl. Statuten der Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852 in Hamburg, Paragraph 3, in: Schloesser u. Ruhmer, S. 146. Entsprechend auch die Statuten der »Neuen Gesellschaft«, Einleitung, 2. Absatz, abgedruckt in: ebd., S. 153; sowie § II der Statuten der Oberstädter Association I zu Glauchau, in: ebd., S. 157. In Eilenburg lag das Eintrittsgeld lediglich bei 10 Sgr. Statut, in: STAE, XXXVIIIc, Nr. 10. Die englischen Vereine setzten zur gleichen Zeit die Schwellen bereits sehr viel höher an. Hier lag der Betrag in der Regel bei einem Pfund und mehr. 81 Dies ist sehr offensichtlich bei den beiden großen Hamburger Gesellschaften; vgl. Statuten der Gesellschaft zur Verteilung von Lebensbedürfnissen von 1852 in Hamburg, Paragraph 2, in: Schloesser u. Ruhmer, S. 146. Zum Teil resultiert dies auch aus der Tatsache, daß die Vereine keine eigenen Rechtspersönlichkeit hatten und deshalb unter der Firma einzelner Vorstandsmitglieder laufen mußten - was offensichtlich in Hamburg der Fall war. 82 Zu den Details der Bürgschaft die abgedruckten Dokumente bei Schloesser u. Ruhmer, S. 80ff. 83 Zur Biographie vgl. die bei Schloesser u. Ruhmer, zusammengetragenen Daten S. 39ff. u. 80ff. 84 Zum Delitzscher Verein sehr detailliert Schloesser u. Ruhmer, S. 108ff. - Zu den frühen Handwerkergenossenschaften vgl. Ruhmer u. Schloesser; daneben besonders auch die Berichte Schulzes, der die Unternehmen durchweg aus erster Hand kannte. Sie sind enthalten in den Jahrgängen 1855ff. der Deutschen Gewerbezeitung bzw. ihrer Beilage Innung der Zukunft, Jg. 1855, S. 133; 1856, S. 173ff.; 1857, S. 113ff.; 1858, S. 233ff.; 1860, S. 49ff. Der Bericht fur 1858 fuhrt 45 Vorschuß-Vereine mit immerhin schon mehr als 11.000 Mitgliedern auf. 85 Vgl. den Hinweis darauf in dem Protokoll der Vorstandssitzung des KrankenkassenVereins vom 31. Jan. 1855, in: Akten des Krankenkassen-Vereins, geführt vom Vorstand, 1849, Delitzscher Stadtarchiv, I. D. 92. Abgedruckt bei Schloesser u. Ruhmer, S. 114. Die Kreditpraxis der frühen mittelständischen Genossenschaften wäre eine eigene Untersuchung wert. 86 Vgl. Eugen Richter, Statuten. Die englischen Vereine lehnten solche Formen der Kreditaufnahme scharf ab. Ihre Statuten enthielten fast immer Bestimmungen, die nicht nur das Barzahlungsprinzip für die Mitglieder, sondern zur Vermeidung jeder Abhängigkeit auch gegenüber den Lieferanten vorschrieben. Es ist bemerkenswert, daß die deutschen Vereine weniger auf die Akzeptanz des Musters bei den eigenen Mitgliedern, als auf den ökonomischen Pragmatismus ihrer privaten Geschäftspartner setzten, 87 Vgl. Richter, Statuten, S. 146. 88 Zur Frage der Organisation vereinsinterner Kommunikation unter dem Aspekt der Disziplinierung der »plebejischen« Basis Lottes, Aufklärung, S. 21 Iff. 89 Zit. Statuten, Paragraph 5, in: Schloesser u. Ruhmer, S. 151. 90 Vgl. auch den Vorspann des Statuts der »Neuen Gesellschaft zur Vertheilung von Lebensbedürfnissen von 1856« zu Hamburg, in dem es hieß: »Sämmtliche Waaren kommen nur mit Aufschlag der Handels-Unkosten und Geschäftsverwaltungsgebühren zur Vertheilung. Die Kosten der Geschäftsverwaltung dürfen durchschnittlich nur 4 % der gesammten Einkaufsumme betragen.« Schloesser u. Ruhmer, S. 153. 91 Vgl. Vieth, Geschichte; sowie Schloesser u. Ruhmer, S. 131. 92 Vgl. die Berichterstattung in den Hamburger Nachrichten, Ausgaben vom 14.10.1852 und 30.10.1852. 93 Vgl. die Berichte in der Altonaer Nachrichten, Ausgabe vom 2. August 1853; ebd.,

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Anmerkungen zu S. 164r-173 Ausgabe vom 3. Januar 1854; ebd., Ausgabe vom 13. April 1854; ebd., Ausgabe vom 4. Februar 1855; ebd., Ausgabe vom 7. Februar 1855; ebd., Ausgabe vom 20. Januar 1856. 94 STAE, Abt. XXXVIIIc, Nr. 10. 95 Vgl. Frevert, S. 162ff.

Fünftes Kapitel: Der Liberalismus und die Lehrjahre der Selbsthilfe 1 8 6 0 - 1 8 9 0 1 Im Jahre 1861 waren folgende 13 Konsumvereine bekannt: 1. Consum-Verein zu Apolda; 2. Spar-Verein »Die Zukunft« in Breslau; 3. Consum-Verein des Handwerker-Vereins in Köln; 4. Consum-Verein der Weber in Krefeld; 5. Association zur Anschaffung nöthiger Lebens-Bedürfnisse in Delitzsch; 6. Verein zur Beschaffung billiger Lebensmittel in Elgersburg; 7. Association für Mitglieder des Bürger-Vereins in Gera; 8. Verein zur Anschaffung nothweniger Lebens-Bedürfnisse in Gotha; 9. Ältere Gesellschaft zur Vertheilung von LebensBedürfnissen in Hamburg; 10. Neue Gesellschaft von 1856 in Hamburg; 11. Consum-Verein in Königsberg; 12. Association zur gemeinschaftlichen Anschaffung der nöthigen Lebensbedürfnisse in Leipzig; 13. Consum-Verein in Pösneck, nach der Zusammenstellung bei Bittel, Anhang. 2 Zu den Gewerkschaften Ritter u. Tenfelde, Durchbruch, S. 6 1 - 1 2 0 ; Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 135; Jahrbücher des Allgemeinen Verbandes 1869ff. 3 Zu den Mitgliederzahlen der Gewerkschaften: Albrecht, Fachverein, S. 529ff.; Ritter u. Tenfelde, Durchbruch, S . 6 1 - 1 2 0 . 4 Vgl. IdZ, 1864, S. 9 3 - 9 4 . 5 Ebd., S. 93. 6 Ebd., S. 94. 7 Gerade dieser Hinweis in der Gründungsversammlung, so der Bericht, »zündete; eine Begeisterung, es diesen gleich zu tun, erfüllte den kleinen Kreis.« Ebd. 8 »Leider sollte dieser Abend nicht ganz ungetrübt vorübergehen. Eine Person, welche ihre Interessen durch dieses Projekt beeinträchtigt glaubte, veranlaßte Streit, der zuletzt noch in Thätlichkeiten ausartete.« Zit. nach ebd. 9 AAZ Nr. 10, 8. 3. 1863, S. 52; vgl. auch die Ausführungen des Gründers des Wittener Konsumvereins, des Liberalen und politischen Schriftstellers Friedrich Spiethoff, in: Mitteilungen über den 6. Vereinstag, S. 66. 10 Vgl. Einrichtungen für die Wohlfahrt; Huck, Arbeiterkonsumverein, S. 229ff.; Tenfelde, Sozialgeschichte, S. 360.; Konsumverein rheinisch-westfälischer Bergleute; Adikes; Hirsch, Handel, S. 261; Becker, Werkskonsumanstalten sowie Puppke, S. 214. 11 Zit. nach Eugen Richter, Berechnung der Waarenpreise in Consumvereinen, in: IdZ, 1864, Nr. 9, S. 89f. 12 Tigges, S. 40f. 13 Vgl. als Beleg die Bilanz des Wittener Vereins, abgedruckt, bei Tigges, S. 44. Sicher belegt ist die Rückvergütung nach den Einkäufen nur für den Konsumverein P. C. Turck Witwe in Lüdenscheid, vgl. ebd., S. 42. 14 Vgl. den Artikel des Redakteurs der Berliner Börsenzeitung im Organ des Centraivereins, »Der Arbeiterfreund«, 2, Heft VII, 1864, unter der Überschrift »Allgemeiner Konsumverein Berlin«. Zur Auseinandersetzung mit diesen Plänen Eugen Richter, Die Markenkonsumvereine, ihre Vor- und Nachtheile im Vergleich mit den Consumvereinen mit eigenem

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Anmerkungen zu S. 174-179 Lager, in: IdZ, 1864, S. 99ff. Richter setzt sich dabei kritisch mit Tendenzen auseinander, den Markenverkauf zu einer eigenständigen Alternative zum Rochdaler Modell zu erheben. Vgl. auch ders., Consumvereine; siehe ferner die Bemerkungen Eduard Pfeiffers über die Praxis in den Vereinen, ders., Die Consumvereine, bes. S. 73 ff. 15 Siehe die vergleichende Übersicht der Geschäftsergebnisse in den Jahren 1864 bis 1876, aus: Geschäftsbericht des Consum-Vereins Neustadt, eingetragene Genossenschaft zu Neustadt-Magdeburg für 1876, abgedruckt in: BGW, 24, 1877, S. 188. 16 Vgl. Müller, Konsumverein, die Zusammenstellung aus den Geschäftsberichten ebd, S. 11 Of. 17 Vgl. Aus dem süddeutschen Consumvereins-Verband, in: BGW, 2 1 , 1 8 7 4 , S. 6 1 - 6 4 , S. 64. 18 Ebd., S. 64. Vgl. [Esslingen] Denkschrift, S. 6ff. zur Praxis der Beziehungen. 19 Vgl. auch die statistische Übersicht zum Umfang des Lieferantengeschäftes der Vereine in der preußischen Provinz Sachsen fur das Jahr 1874, in: BGW, 2 2 , 1875, S. 139f. 20 Vgl. als Beispiel den Bericht über den 16. Unterverbandstag des Verbandes Süddeutscher Consumvereine 1882 (nach den offiziellen Protokollen). Dort werden für das zurückliegende Geschäftsjahr 32,6 Prozent Umsatz im Markengeschäft angegeben, in: BGW, 2 9 , 1 8 8 2 , S. 122f., ebd., S. 122. 21 Vgl. Bericht über den Unterverbandstag der Konsumvereine der Provinz Sachsen am 20. Juni 1884, in: BGW, 32, 1885, S. 89. 22 Vgl. Denkschrift Stuttgart, Archiv des BdK. 23 Zitiert nach Eugen Richter, Markenconsumvereine, S. 100. 24 Vgl. den Bericht über eine geschlossene Boykottaktion der Metzger im Jahre 1879 in: [Esslingen] Denkschrift, S. 18f. 25 Richter, Markenkonsumvereine, S. 99. 26 Vgl. den Bericht in: BGW, 2 2 , 1875, S. 184. 27 Vgl. als Beispiel einer solchen Aktion den Boykottversuch von Metzgern und Bäckern in Schwäbisch Gmünd sowie - offenbar parallel - in Freiburg, in: BGW, 2 9 , 1 8 8 2 , S. 52, sowie ebd., S. 68; vgl. [Freiburg] Festschrift, S. 10. 28 Vgl. als Beispiel den seltenen, im Ton geradezu emphatischen Dank des Vorstandes des Neustädter (b. Magdeburg) Vereins an die Mitglieder nach dem Überstehen einer von außen bewirkten Krise: »Unsere Generalversammlungen geben uns immerhin ein Bild von der steigenden Einsicht der besuchenden Mitglieder; man hat erkannt, mit welch finsteren Mächten wir zu kämpfen haben und überall bemerken wir die moralische Unterstützung, welche uns seitens unserer Mitglieder zuteil wird und die wir um so lieber anerkennen, als wir nur dadurch unser schweres Amt erfolgreich zu fuhren in der Lage sind.« Zitiert nach Neuer Consum-Verein, eingetragene Genossenschaft, zu Magdeburg fur 1873, in: BGW, 21, 1874, S. 90. 29 Die Freiburger Metzger und Händler, die 1882 einen solchen Boykott organisiert hatten, wurden nach einem langen Prozeß zu 10000 (!) Reichsmark Schadenersatz plus Zinsen verurteilt, in: BGW, 29, 1882, S. 69. 30 Prittwitz, Arbeiterfrage, S. 2 4 - 8 1 / 2 . 31 Vgl. auch den Bericht von Parisius, Die Consumvereine auf den allgemeinen Vereinstagen, in: BGW, 2 2 , 1875, S. 1 7 - 1 9 , der im übrigen nicht zuletzt die Absicht verfolgte, den Vorwurf mangelnder Interessenvertretung der Konsumgenossenschaften seitens des Allgemeinen Verbandes und seiner Leitung zu entkräften. 32 Zit. nach ebd., in: IdZ, 1864, S. 39. 33 Ebd.

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Anmerkungen zu S. 179-183 34 Zit. aus Der Consumverein zu Rostock, in: IdZ, 1864, S. 4 0 - 4 1 , ebd. S. 41. 35 Zu Spiethoff Tigges, Konsumvereine, S. 40f. 36 Es herrsche, gab der Berichterstatter die Stimmung in den - angeblich - mehrheidich aus Arbeitern bestehenden Konsumvereinen im Rheinland und in Westfalen wieder, bei den Arbeitern »eine entschiedene Abneigung gegen eine Centralisation, deren Zwecke ... ihnen unklar seien, von denen sie sich wenigstens keinen praktischen Erfolg versprächen, wohl aber fürchteten, daß sie ihre selbständige Entwicklung und den Übergang zur Produktion hemmen könnten.« Zit. Vereinstag, in: IdZ, 1864, S. 39. 37 Vgl. die »Tabelle, enthaltend die Rechnungsabschlüsse von 75 Consumvereinen«, in: JbAV 1868, S. 80f. Auf dem erwähnten Vereinstag rheinisch-westfälischer Konsumvereine war es lediglich der im März 1864 gegründete und bis dahin nur 55 Mitglieder umfassende Krefelder Verein, der sich nach eigenen Angaben »einstweilen« darauf beschränkte »nur den Bezug billigen Brodes und Fleisches durch Marken« zu vermitteln. Vgl. Vereinstag, in: IdZ, 1864, S. 39. 38 Im Kommentar zu den Abschlüssen fur 1868 findet sich bereits ein entsprechender Hinweis Schulzes: »Da bei manchen Vereinen Bedenken darüber entstanden sich, ob nicht der von ihnen aus den Markenverträgen mit Lieferanten erwachsende Nutzen wenigstens zum Teil auf Selbsttäuschung beruhe, indem eine genaue Kontrolle geringere Ware oder geringeres Gewicht lieferten und so den bewilligten Rabatt wieder einbrächten, unmöglich sei, so ist in den Abschlüssen der Tabelle K... der Verlauferlös... und Geschäftsertrag ... aus dem Lagergeschäft besonders in erster Linie aufgeführt ...«, zit. nach: JbAV 1868, S. 80/1. 39 Vgl. die Diskussion auf dem Verbandstag der süddeutschen Konsumvereine 1877, abgedruckt in: »Aus dem Süddeutschen Consumvereinsverbande«, in: BGW, 24, 1877, S. 135f., S. 136. 40 Zur Verbrauchsentwicklung Hoffmann, Wachstum, S. 626ff.; Teuteberg u. Wiegelmann, Wandel, S. 121f. 41 Vgl. etwa den Bericht des Stuttgarter Konsumvereins in: BGW, 21, 1874, S. 141 über das Scheitern seines Fleischereibetriebes; andere Vereine traten daraufhin entsprechenden Mitgliederwünschen entgegen. Vgl. die Erklärung des Vorstands des Konsum-Vereins in Donaueschingen, ebd., S. 127. Auf seinem 8. Vereinstag faßte der süddeutsche Verband einen entsprechenden Beschluß, in Zukunft alle derartigen Experimente zu unterlassen, vgl. VIII. Verbandstag der süddeutschen Konsumvereine, in: ebd., S. 155, vgl. ferner den Bericht des Berliner Vereins »Biene« auf dem Verbandstag der Brandenburger Konsumvereine in Bernau, in: BGW, 22, 1875, S. 116 sowie [Esslingen] Denkschrift, S. 18f. 42 Vgl. den Redebeitrag von v. Buol-Berenburg in: Zweite Berathung des Entwurfes eines Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirthschafsgenossenschaften, Nr. 28 der Drucksachen, auf Grund des Berichtes der VII. Kommission (Nr. 132 der Drucksachen), vom 23., 26. 3. 1889, in: RT, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/89, 2. Band, S. 660. 43 [Esslingen] Denkschrift, S. 18f. 4 4 Zit. aus JbAV 1869, S. 90. 45 Vgl. den Bericht des Vorsitzenden F. Pechau, datiert vom 5. Juli 1864, abgedruckt in: IdZ, 1864, S. 87. 4 6 Vgl. Aus dem süddeutschen Consumvereins-Verbande, in: BGW, 21, 1874, S. 1 4 1 - 1 4 3 , ebd. S. 143. 47 Zitiert nach Aus dem süddeutschen Konsumvereinsverbande, in: ebd., S. 4 1 - 4 4 , S. 42. 48 Vgl. Allgemeine Konsumverein Basel, S. 89. 49 Konsumvereine waren gerade bei Dienstboten nicht sehr beliebt, da sie sich auf die Zugaben, mit denen viele Dienstboten ihr Einkommen aufbesserten, nicht einließen. Einer

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Anmerkungen zu S. 183-190 der ersten Geschäftsberichte des im August 1863 gegründeten Düsseldorfer Konsumvereins klagte: »Die Dienstmägde, die vom Verein keine Neujahrsgeschenke bekommen, sind dessen geschworene Gegner.« Zit. Zweiter Vereinstag der rhein.-westfälischen Consumvereine, in: IdZ, 1864, S. 38. - Wie überhaupt auch das System der Metallmarken eine Möglichkeit zur besseren Kontrolle der Boten bei wohlhabenderen Vereinsmitgliedern war, vgl. die Ausführungen eines Redners auf dem Verbandstag der Süddeutschen Konsumvereine in: BGW, 22, 1875, S. 162. Zur Rolle der Dienstboten bei der Festlegung von Einkaufepräferenzen vgl. die Bemerkungen bei Faucherre, Vereine, S. 76. 50 Vgl. JbAV 1868, S. 76-81. 51 Ausgezählt nach den Angaben in JbAV 1871, S. 36ff. 52 Ebd., S. 76f. 53 Vgl. Kocka, Unternehmensverwaltung; Siegrist, Familienbetrieb, S. 29. 54 Ein Beispiel dafür ist die 1874 in den Blättern erschiene Anzeige des Cannstädter Konsumvereins, der einem Lagerhalter für das Versprechen einer »sicheren Zukunft« die horrende Summe von 2000 Gulden Kaution abverlangte. 55 Zitiert IdZ, 1864, S. 39. 56 Vgl. Ausschreibung einer Lagerhalter-Stelle durch den Consumverein Mathildenhütte zu Harzburg, in: BGW, 21,1874, S.12. Ebd. heißt es: »Für die Beschaffung der nötigen und geeigneten Hilfe zur prompten Verwaltung seines Amtes muß der Lagerhalter sorgen, und trägt die Kosten dieser Hilfe zur Hälfte der Verein und zur Hälfte der Lagerhalter.« - Zur Stellung der Meister im Industrieunternehmen Vetterli, Industriearbeit, S. 73ff.; Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 431, S. 503f. 57 Vgl. Bericht über den 7. ordentlichen Verbandstag der Consumvereine der Provinz Sachsen usw. zu Braunschweig den 23. u. 24. Mai 1874, in: BGW, 21, 1874, S. 190f. 58 Vgl. die Klagen auf dem Verbandstag der rheinisch-westfälischen Vereine 1864, in: Berichte über den Verbandstag der rheinisch-westfälischen Vereine, in: IdZ, 1864, S. 39. 59 Vgl. Rechnungsabschluß für das zweite Geschäftsjahr (1867), in: Konsum-Verein Göttingen, S. 24, Archiv des BdK. 60 Müller, Konsumverein, S. 162f. 61 Vgl. Konsum-Verein Göttingen, S. 28. 62 Vgl. den Entwurf eines Musterstatuts für Konsumvereine durch die Leitung des Allgemeinen Verbandes und die Erläuterung dazu: »Noch bedenklicher aber kann es sein, die Verfolgung von Rechtsansprüchen gegen einen Lagerhalter erst der Generalversammlung zu unterbreiten, wenn man erwägt, welche Mittel ein unredlicher Lagerhalter in der Hand hat, um sich durch Begünstigungen einflußreicher Mitglieder beim Warenverkauf eine Partei zu bilden und Vorstand und Verwaltungsrat bei den Mitgliedern zu verdächtigen.« In: Einige Verbesserungen des >Neuen Muster Statuts< für eingetragene Konsumvereine, in: BGW, 22, 1875, S. 53-58, S. 53; Aus dem Gebiete der Consumvereine, in: BGW, 32, 1885, S. 219f. 63 Lexis, Konsumverein S. 18Iff. 64 Ebd. 65 Vgl. als Beispiel für diese Tendenz einen Beschluß der Berliner Vereine aus dem Jahre 1879. Unter Punkt 8 des Tagesordnung »Stellung der Vereine zu unsoliden genossenschaftlichen Gründungen« einigten sich die Vereine auf folgende Empfehlung: »Es ist den Genossenschaften anzurathen, auf die bestehenden und neuentstehenden Genossenschaften in ihrem Bezirk zu achten und event, auf unsolide Unternehmungen die Anwaltschaft oder ihren Unterverbandsdirektor aufmerksam zu machen.« Bericht über den Verbandstag der Consumvereine der Provinz Brandenburg zu Luckenwalde den 27. Juli 1879, in: BGW, 26, 1879, S. 31f., S. 32.

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Anmerkungen zu S. 190-198 66 Vgl. als Beispiel die Kritik der Anwaltschaft auf dem 3. Verbandstag der nordwestdeutschen Consumvereine zu Harburg a. d. Elbe am 15. Juli 1888, in: BGW, 35, 1888, S. 270ff. 67 Rosenberg, Depression. 68 Auf dem Vereinstag in München 1873 wurde der Grundsatz, nur einen Verein pro Ort zu gründen, formal zum Beschluß erhoben. Vgl. Die Consumvereine auf Allgemeinen Vereinstagen, in: BGW, 22, 1875, S. 1 7 - 1 9 , S. 18. 69 Zur Stellung des Buchhalters/Kassierers vgl. auch »Revidirtes Musterstatut für Consumvereine, welche nur an Mitglieder verkaufen und sich unter das Deutsche Genossenschaftsgesetz stellen wollen.« In: BGW, 2 7 , 1880, S. 1 4 - 2 0 , ebd. S. 15. 70 Über Exzesse dieser Praxis klagte 1873 ein Zeitgenosse im Organ des Centraivereins für das Wohl der arbeitenden Klassen: »Ochsenschiachter kaufen von Wurstlern Schweineknochen vielleicht zu 1 1 / 2 Kreuzer pro Pfd und legen sie dem schon mit eigenen Knochen behafteten Ochsenfleischstück in beliebigen Quantitäten bei, so daß der Käufer auch sie mit 25 Kreuzer pro Pfund mitzahlen muß.« Vgl. Emminghaus, Löhne, S. 1 0 - 2 3 . 71 Ein guter neuerer Überblick ist Ellerbrock, Lebensmittelqualität, S. 1 2 7 - 1 8 8 . 72 Vgl. Schmauderer, Beziehungen, S. 131ff.; Fincke, Geschichte, S. 2 8 3 - 2 8 5 ; Behre, Entwicklung, S. 1229ff.; ders., Geschichte; Pappe, Geschichte. 73 Vgl. Denkschrift über die Aufgaben. 74 Zweiter Vereinstag rheinisch-westfälischer Consumvereine, in: IdZ, 1864, S. 38ff., S 39. 75 Vgl. die Übersicht Die Mankofrage der Lagerhalter der Consumvereine des süddeutschen Consumvereinsverbandes, in: BGW, 32, 1885, S. 2 3 3 - 2 3 5 . 76 Vgl. Die Consumvereine auf den allgemeinen Vereinstagen, BGW, 22, 1875, S. 18f., ebd., S. 18. 77 Hinzu kam die Berichterstattung in den Blättern für Genossenschaftswesen, vgl. den Kommentar von F. Schneider, »Geschäftsergebnisse des Clausthal-Zellerfelder Consumvereins , e. G.«, in: BGW, 27, 1880, S. 3 8 / 9 , ebd. bes. S. 38: Der Bruttoüberschuß habe sich »zum Theil deshalb so günstig gestaltet..., weil der Verlust durch Einwiegen, Eintrocknen u. s. w. nur 0,36%, also erheblich weniger, als von vielen Consumvereinen den Lagerhaltern zugestanden wird, betrug.« 78 Als Beispiel für einen solchen detaillierten internen Vergleich vgl. Bildliche Darstellungen, S. 49. 79 Verband Thüringer Consumvereine, Mankostatistik fiir 1884, in: BGW, 32, 1885, S. 151f. 80 Ebd., S. 151. 81 Ebd., S. 150. 82 Vgl. Schreiben des Direktors des Consumvereins Tiefbau vom 2. Dezember 1877, in: BGW, 25, 1878, S. 2f., ebd. S. 2. 83 Ebd. ' 84 Vgl. Bericht, in: Ausschuß, S. 32. 85 Ebd. 86 Vgl. Ein Muster-Statut für Consumvereine, in: BGW, 2 7 , 1 8 8 0 , S. 14 sowie »Revidirtes Musterstatut für Consumvereine, welche nur an Mitglieder verkaufen und sich unter das Deutsche Genossenschaftsgesetz stellen wollen.« ebd., S. 1 4 - 2 0 . 87 Vgl. die Ausführungen des Leiters des Berliner Consumvereins »Biene« im Juli 1879: »Der Lagerhalter, welcher früher auf 3pCt. des Einkaufs gestellt war, erhält jetzt 1200 Mk. festes Gehalt und 1 Vi pCt. Tantieme vom Verkaufserlös.« Zit. nach Berichte der Vereinsdeputierten, in: Bericht über den Verbandstag der Consumvereine der Provinz Bran-

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Anmerkungen zu S. 199-212 denburg zu Luckenwalde den 27. Juli 1879 (Mit Benutzung des Protocolls.), in: BGW, 27, 1880, S. 2 7 - 2 8 , S. 27. 88 Zit. 7. Verbandstag Thüringischer Consumvereine in Lausitz Sonneberg, 14. u. 15. Juli 1883, in: BGW, 30, 1884. 89 Vgl. als Beispiel die Erklärung des Konsumvereins von Altwasser, in: Der 12. ordentliche Verbandstag des Unterverbandes der Consumvereine Schlesiens, in: BGW, 28, 1881, S. 1 1 4 - 1 1 6 , S. 114. 9 0 Zu Breslau, 1881, ebd., S. 114. Das Musterstatut, das der Allgemeinen Verband in Abstimmung mit den Vereinen im Jahre 1880 publizierte, sah dagegen eine längere Kündigungsfrist vor. Paragraph 4 9 lautete: »Die Auszahlung der Geschäftsanteile (Guthaben) an die Ausgeschiedenen erfolgt 6 Wochen nach Ablauf desjenigen Kalenderquartals, in welchem oder mit Ablauf dessen die Mitgliedschaft ihr Ende erreicht.« Zit. nach Revidirtes Musterstatut für Consumvereine, welche nur an Mitglieder verkaufen und sich unter das Deutsche Genossenschaftsgesetz gestellt haben, in: BGW, 27, 1880, S. 18. 91 Borght, Einfluß, S. 7. 92 Zit. Bericht über den dritten Verbandstag, S. 24. 93 Ebd., S. 24. 94 Aus dem Geschäftsbericht des Consumvereins Neustadt E. G., zu Neustadt-Magdeburg fur 1882, in: BGW, 30, 1883, S. 74ff., 80ff. 95 Bericht über den 16. ordentlichen Verbandstag der Consumvereine der Provinz Schlesien in Wüstegiersdorf am 18. und 19. Mai 1885, in: BGW, 32, 1885, S. 156f. 96 Diese Schätzung geht davon aus, daß das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeiters zu diesem Zeitpunkt selbst in den am besten zahlenden Branchen kaum 1000 RM erreichte. In der Textilindustrie lag es 1890 gerade bei 500 Reichsmark, im Bergbau, nach den Buchdruckern die am besten zahlende Branche, bei 9 6 6 RM. Die Nahrungsmittelausgaben wiederum sind mit mindestens der Hälfte aller Ausgaben veranschlagt. In Rechnung zu stellen ist ferner, daß ein erheblicher Prozentsatz nomineller, nichtkaufender Mitglieder die Durchschnittswerte stark drückte. Die Zahlen nach Hoffmann, Wachstum, S. 4 6 1 , 468^171; Zusammenstellung bei Ritter u. Tenfelde, Arbeiter, S. 476. 97 H. Schulze-Delitzsch, Zum Neujahr, BGW, 21, 1874, S. 1 0 - 1 1 , S. 11. 98 Zit. nach Bericht über den 4. Verbandstag Thüringer Consumvereine zu Meiningen am 17. und 18. Mai 1880, in: BGW, 27, 1880, S. 1 2 3 - 1 2 7 , S. 124. 99 Nach der Übersicht in: Der 15. Verbandstag der Consumvereine der Provinz Sachsen am 22. u. 23. Juli 1882 in Seesen a. H., in: BGW, 2 9 , 1882, S. 224ff. 100 Schulze-Delitzsch, Gesetzgebung, S. 35. 101 Zit. nach Verbandstag der Consum-Vereine Brandenburg in Bernau 18. Mai 1875, in: BGW, 22, 1875, S. 116ff., S. 117. 102 Rüschemeier, Professionalisierung. 103 Vgl. Weber, Wirtschaft, S. 410. 104 Zu Abgrenzungs- und Periodisierungsfragen Puhle, Interessen, S. 28ff. 105 vgl. Schulze-Delitzsch, Gesetzgebung, S. 28ff. und die weltanschauliche Ableitung ebd. 106 Zit. Die Vortheile, welche die Unterstellung unter das deutsche Genossenschaftsgesetz gewährt, in: BGW, 21, 1874, S. 4 5 ^ 7 , ebd., S. 45. 107 Zit. Die Agitationen gegen die Consumvereine, in: BGW, 2 6 , 1879, S. 216. 108 Vgl. auch den Artikel Consumvereine und der Vertrieb geistiger Getränke, in: BGW, 2 7 , 1880, S. 25. Der Artikel wies daraufhin, daß das Preußische Abgeordnetenhaus zur

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Anmerkungen zu S. 212-215 Disziplinierung der Vereine eine Sondersteuer für Branntweinhandel treibende Konsumvereine plane. 109 Vgl. F. Schenck, Die Schnaps-Consumvereine wollen noch immer nicht aussterben, in: BGW, 29, 1882, S. 144. 110 Zit. nach Bericht über den 4. Verbandstag Thüringer Consumvereine zu Meiningen am 17. und 18. Mai 1880, in: BGW, 27, 1880, S. 123-127, S. 124. Eine enge Allianz zwischen Mäßigkeitsbewegung und Konsumvereinen, wie sie in England existierte - eine ganze Reihe von Vereinen waren aus dieser Bewegung heraus gegründet worden - hat es in Deutschland zu keinem Zeitpunkt gegeben. 111 Zit. nach ebd.,S. 124. - Immerhin: Parisius' Kompromißvorschlag, auf Bier auszuweichen, wäre im puritanischen England undenkbar gewesen. Zum Zusammenhang mit der Steuerfrage: »Treiben nach Preußischem Recht Consumvereine ein Gewerbe und dürfen sie insbesondere auch geistige Getränke an ihre Mitglieder verkaufen?«, in: Blätter, 1866, S. 35. 112 Vgl. oben S. 155f. und unten S. 282ff. 113 Einen wichtigen Schritt dazu markierte eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. Oktober 1881, in dem die Dividende nicht als ein Gewinn, sondern nur »alseine Rückzahlung des von den einzelnen Mitgliedern in Gestalt des Preisaufschlages zuviel bezahlten Beitrages zu den Geschäftsunkosten« definiert und damit von Steuern freigestellt wurde. Ausführlich Wygodzinski, Genossenschaftswesen, S. 219. 114 Zur Entwicklung der Händlerbewegung gegen die Vereine vgl. die aufschlußreichen Bemerkungen in: Kurzer Abriß der Geschichte des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine, in: Jahrbuch des Zentralverbandes 26,1928, Η . 1, S. 1-324. Grundsätzlich Winkler, Der rückversicherte Mittelstand, S. 85ff.; Wein, Verbandsbildung; Gellately, Politics, S. 58ff. Gellatelys Arbeit unterschätzt die Bedeutung und den Einfluß des Handels und seiner Organisation vor den 1890er Jahren. Diese Unterschätzung hängt u.a. damit zusammen, daß in seinem Verständnis nationale Organisation und Einfluß synonym sind. Diese Annahme wird den Verhältnissen in Klein- und Mittelstädten in keiner Weise gerecht. 115 Vgl. Wygodzinski, Genossenschaftswesen, S. 189ff. mit vielen anschaulichen Details zu dieser Praxis und den einschlägigen Urteilen der Gerichte nebst Begründungen. 116 Borght, Einfluß; Untersuchungen über den Einfluß; Verhandlungen 1888. 117 Vgl. den Beitrag Miquels in der Reichstagsdebatte über das Genossenschaftsgesetz von 1889 sowie den Hinweis auf die Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik, die bewiesen hätten »wie sehr auch diese Dinge übertrieben werden.« In: Stenographische Berichte über die Verhandlungendes Reichstages, 7. Legislaturperiode, IV. Session, 1888/89, 2. Band, S. 1019-1056, S. 1058-1086, S. 703 bzw. S. 653. 118 Aus dem Jahresbericht der Breslauer Handelskammer für das Jahr 1884, wiedergegeben in: BGW, 29, 1885, S. 194. 119 Ebd. 120 Das Preußische Abgeordnetenhaus verabschiedete am 30. Januar 1885 ein Kommunalsteuerergänzungsgesetz, das in seinem ersten Abschnitt ausdrücklich auch die an Nichtmitglieder verkaufenden Konsumvereine steuerpflichtig machte und damit eine lange schwebende Frage definitiv entschied, vgl. BGW, 32, 1885, S. 33. 121 Eine wichtige Rolle spielte der Zusammenbruch der Stuttgarter Volksbank in diesem Jahr, der im übrigen auch den Hintergrund für Vorstöße zur verbesserten Aufsicht über die Genossenschaften im Reichstag bildete; zu den Auswirkungen auf die Konsumvereine vgl. den Artikel »Aus dem Spar- und Consumverein Stuttgart, eingetr. Gen.«, in: BGW, 29, 1882, S. 95f., bes. S. 95. 122 Vgl.ebd., S. 118ff. den Bericht auf dem Verbandstag der süddeutschen Vereine. »Der

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Anmerkungen zu S. 215-217 Münchener Verein lieferte zunächst unter der Bedingung, daß ihm ständige Kontrolle und die Einsicht aller Bücher jederzeit gestattet würde, den größten Teil der Waren, und besorgte eine tüchtige Lagerhalterin.« 123 Der Vorstoß scheiterte daran, daß sich die Vereine nicht über die Finanzierungsfrage einigen konnten. Vgl. Schwanitz, Verbandsdirektor, Bericht über den zehnten ordentlichen Verbandstag Lausitzer Consumvereine, abgehalten in Groß-Schönau am 8. u. 9. Mai 1880, in: Β GW 27, 1880, S. 1 0 6 - 1 0 8 , S. 108. 124 Gemeint ist der »Antrag Ackermann's, daß über die Ursachen der bei den nach dem Gesetz vom 04. Juli 1868 gebildeten Genossenschaften erkennbar gewordenen Mißstände Erörterungen angestellt werden und dieselben beseitigt werden« vom 29.04.1881, in: RT, 4. Legislaturperiode - IV. Session 1 8 8 1 - 4 . Band (Anlagenband), Nr. 109, S. 647. - Beispiele für eine neue schärfere Sprache der Anwaltschaft gegenüber den Vereinen besonders in dem Bericht über den 14. Unterverbandstag der Consumvereine der Provinz Sachsen in Bernburg am 29. und 30. Mai 1881, in: BGW, 28, 1881, S. 123: »Bei der Berichterstattung der Vertreter der Vereine wird seitens des Verbandsdirektoriums, sowie der Vertreter scharfe und rücksichtslose Kritik über das geschäftliche Gebaren der Einzelvereine geübt und manche Einrichtung derselben, welche eine genügende Begründung in den genossenschaftlichen Grundsätzen nicht aufweisen konnte, der Abänderung empfohlen und solche bereitwillig zugesagt.« 125 Schulze-Delitzsch, Zur Revisorenfrage, in: BGW, 2 9 , 1882, S. 117. 126 Vgl. Der 13. ordentliche Verbandstag des Unterverbandes der Schlesischen Consumvereine, in: BGW, 29, 1882, S. 117f., ebd., S. 118. 127 Vgl. Vereinstag der Consumvereine der Provinz Sachsen am 22. und 23. Juli 1882 in Seesen a. H., in: ebd., S. 2 2 4 - 2 2 7 . 128 Im einzelnen sah die Ordnung vor zu überprüfen, ob 1. die Funktionen des Vorstandes und des Aufsichtsrates getrennt waren; 2. die verabschiedeten Verbands-Instruktionen fur beide Gremien auch von diesen unterzeichnet waren; 3. ob der Aufsichtsrat den Vorstand in jeder Beziehung sorgfältig kontrollierte; 4. die Aufnahmeverfahren für die Mitgliedschaft gerichtsfest seien; 5. die Protokolle über die Wahlen ordnungsgemäß angefertigt seien; 6. der Verein über eine ordnungsgemäße Buchführung verfugte; 7. ob diese in Einklang mit dem vom Verband entwickelten Kontenrahmen stand; 8. die Inventuren vollständig vorgenommen wurden; 9. die Bilanz korrekt erstellt war; 10. die Vorschriften des Handelgesetzbuches beachtet wurden; 11. die Kassenbestände sicher verwahrt wurden; 12. die überschüssigen Gelder auch sicher angelegt waren; 13. desgl. fur die Lagerhalterkautionen; 14. die Lagerhalterkontrakte auch die Interessen des Vereins sicherten; 15. das Warenlager im Verhältnis zum Umsatz nicht zu groß war; 16. ob das Lager keine Ladenhüter beherbergte. Ebd. 129 Als Vertreter der Anwaltschaft wies Ludolf Parisius die Delegierten warnend auf sehr viel schärfere »Vorlagen im Reichstage [hin], die bei Erledigung der Novelle zum Genossenschaftsgesetze wohl zur Verhandlung kommen würden«, und ergänzte das mit Hinweis: »Im Reichstage mache sich eine feindselige Strömung gegen die Genossenschaften bemerkbar.« Zit. ebd., S. 227. 130 Vgl. auch den Bericht über den 16. Unterverbandstag des Verbandes Süddeutscher Consumvereine, in: BGW, 29, 1882, S. 1 2 2 - 1 2 3 , S. 122. 131 Ebd., S. 226. 132 Ebd., Paragraph 7. 133 Vgl. Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, Entwurf nebst Begründung vom 27. 1. 1888, in: RT, 7. Legislaturperiode - IV. Session 1 8 8 8 / 8 9 - 4. Band (1. Anlagenband), Nr. 28, S. 1 8 3 - 2 5 9 .

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Anmerkungen zu S. 217-223 134 Ebd., Paragraph 140. 135 Ebd., Paragraph 145. 136 Ebd., Paragraph 39. 137 Vgl. Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889, bes. der vierte Abschnitt »Revision«, in: RGBl., 1889, No. 11 (Nr. 1856). 138 »Verluste, die zu Kalamitäten, zu Katastrophen geführt haben,« hieß es von Regierungsseite dazu. Vgl. die Debattenbeiträge des Staatssekretärs des Reichsjustizamtes, von Oehlschläger, sowie des Kommissars des Bundesrates Hagens, in: RT, 7. Legislaturperiode, IV. Session, 1888/89, 2. Band, S. 1071f. 139 Vgl. den Redebeitrag von Buol-Berenburgs, in: RT, 7. Legislaturperiode, IV. Session, 1888/89, 2. Band, S. 1036 sowie auch die Begründung Oehlschägers: »Das öffentliche Interesse [an einer Beaufsichtigung der Selbsthilfe] liegt hier darin, daß diejenigen Kreise der Bevölkerung, aus welchen sich die Genossenschaften zusammensetzen, nicht das genügende Maß von Geschäftskenntniß und Geschäftsgewandtheit haben, um selbständig die Geschäftsführung der Genossenschaften kontroliren zu können, ebd., S. 1071. 140 Ausschlaggebend war dafür der Antrag Kulemanns in der Reichstags-Debatte vom 23. bis 26. 3. 1889; vgl. auch dessen Sorge um die Konsumvereine heuchelnde und wohl nicht von allen Abgeordneten durchschaute Begründung, in: RT, 7. Legislaturperiode, IV. Session, 1 8 8 8 / 8 9 , 2 . Band, S. 1019-1056, S. 1058-1086. 141 Zit. nach: Aus dem Süddeutschen Consumvereins-Verbande, in: BGW, 21, 1874, S. 126. 142 Vgl. Aus dem süddeutschen Konsumvereinsverbande, in: ebd., S. 41-44. Das Protokoll verzeichnete ausfuhrlich die Pläne des Frankfurter Lebensmittelvereins, »frischgeschlachtetes Fleisch in Eiskisten verpackt aus Wien, wo dieser Artikel um 25 Prozent billiger als in Frankfurt und von vorzüglicher Qualität sein soll, einzuführen«. Daneben verwiesen die anwesenden Delegierten mit einigem Stolz darauf, »das australische Fleisch« in Frankfurts besseren Kreisen eingebürgert zu haben, und kündigten schließlich einen ersten Versuch an, »frische, süße Butter aus dem bayerischen Hochgebirge zu beziehen.« Ebd. S. 42. 143 Klippen der Konsumvereine. Material für die nächsten Verbandstage, in: BGW, 22, 1875, S. 49. 144 Vgl. den Bericht über die Praxis in England und Frankreich im Unterschied zum Deutschen Reich, in: BGW, 23,1876, S. 176; die beste neuere Studie ist Strasser, Satisfaction. Zum Problem der modernen Nahrungsmittelkontrolle Ellerbrock, Lebensmittelqualität, S. 127-188. 145 Vgl. die Klage des Geschäftsführers eines Berliner Konsumvereins um die Jahrhundertwende, der u.a. äußerte, »in Konsumvereinen beschweren sich die Mitglieder viel eher über Waren- und Warenpreise als bei den Händlern deren Käufer, da die Genossenschaftsmitglieder im allgemeinen ein anspruchvolleres Publikum« sind. Zit. Lange, Konsum-Genossenschaft, S. 67. 146 Hauptaktionär war Eduard Pfeiffer, vgl. Hasselmann, Geschichte, S. 158ff.; Details zum Geschäftsgang in: Aus dem süddeutschen Konsumvereinsverbande BGW, 21, 1874, S. 41-44, bes. S. 43. 147 Zu den Gründen fur die Auflösung der Waaren-Einkaufsgesellschaft siehe im einzelnen ebd., S. 136f.; sowie BGW, 22, 1875, S. 223f. 148 Zur Person Pfeiffers vgl. die Untersuchung Bitteis, Pfeiffer, bei der Pfeiffer selbst noch mit Auskünften zur Verfügung stand. 149 Vgl. das Protokoll des Unterverbandstags der Consum-Vereine der Provinz Brandenburg zu Luckenwalde den 21. Juni 1874, auszugsweise abgedruckt in: BGW, 21, 1874, S.

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Anmerkungen zu S. 224-230 187f. sowie den Bericht über den 8. ordentlichen Verbandstag der Consumvereine der Provinz Sachsen zu Gera am 8. und 9. Mai 1875, auszugsweise abgedruckt in: BGW, 22, 1875, S. 163f. 150 Hinweise auf entsprechende Beratungen bei den thüringischen Vereinen in: BGW, 32, 1885, S. 219. 151 Börsentage und Waarenbericht, in: BGW, 22, 1875, S. 218f. 152 Vgl. Unterverbandstag der schlesischen Consumvereine, in: ebd., S. 91ff. 153 Zum Problem der Frachtkosten als Hindernis für den Aufbau einer zentralen Einkaufsgesellschaft vgl. F. Schneider, in: BGW, 21, 1874, S. 214-216. 154 Vgl. das Referat unter Punkt 4 der Tagesordnung »Organisation des gemeinschaftlichen Waarenbezugs«, in: Bericht über den dritten Verbandstag, S. 1 Iff. 155 Ebd. S. 215. Noch sehr viel zugespitzter ist diese Auffassung entwickelt in der Besprechung einer Flugschrift, »Kuntz, Vorschlag zur Gründung des deutschen Consumvereinsverbandes mit Production für eigenen Bedarf, Berlin 1874«, durch F. Schneider, in: BGW, 21, 1874, S. 214-216; ebd. hieß es: »Sofern übrigens bei den Leitern kleinerer Vereine der Hintergedanke bestehen möchte, daß sie bei Einkäufen in Gemeinschaft mit größeren Vereinen an der praktischen Erfahrung der letzteren zur eigenen Bequemlichkeit Nutzen ziehen wollen, würde eine Förderung solcher Absichten dem genossenschaftlichen Grundsatze der Selbsthilfe zuwiderlaufen.« Ebd., S. 218. 156 Gall, Liberalismus, S. 162-186; Sedatis, Liberalismus; als kritischer Kommentar Langewiesche, Europa, bes. S. 133.; vgl. ferner die Beiträge in: Schieder, Liberalismus. 157 Peal, Self-Help, S. 244-266. 158 Zur Vorbereitung des Unternehmens vgl. Die deutsche Genossenschaftsbank, in: IdZ, 1864, S. 19ff.; ebd, S. 45; ebd., 1865, S. 1 - Die Geschäftsberichte sind abgedruckt, in: Schulze-Delitzsch, Entwicklung, S. 208ff. 159 Zit. nach JbAV fur 1897 (Ν.F. 1. Band), S. XXV. 160 Der Schuhwaren-Betrieb des Consum-Vereins zu Rostock, in: BGW, 23,1876, S. 46. 161 Zitiert nach dem Rechenschaftsbericht »Neuer Consum-Verein, eingetragene Genossenschaft, zu Magdeburg für 1873«, abgedruckt in: BGW, 21, 1874, S. 89. 162 Nach »Die Resultate der Consumvereine in Jahre 1873«, in: BGW, 22, 1875, S. 69ff. 163 Vgl. Tabelle 18. 164 Schulze-Delitzsch, Associationswesen, S. 277. Die Ausführungen Schulzes lassen im übrigen gut erkennen, unter welchen spezifischen Bedingungen Konsumenteninteressen bei Handwerkern organisier- und vertretbar sind. 165 Vgl. Einrichtungen für die Wohlfahrt; Huck, Arbeiterkonsumverein, S. 229ff.; Tenfelde, Sozialgeschichte, S. 360.; Konsumverein rheinisch-westfälischer Bergleute, Sp. 821f.; Adikes; Hirsch, S. 261; Becker, Werkskonsumanstalten, S. 133ff. 166 1883 entspann sich über diesen Fragen eine heftige Kontroverse zwischen der Handelskammer Saarbrücken und den dortigen Vereinen. In ihrer »Gegendarstellung« führten die Vertreter der Vereine u.a. aus: »Die Bergmännischen Consumvereine des Saar-Reviers sind aus der Anregung und Initiative der Königlichen Bergverwaltung hervorgegangen und gehören zu den von den letzteren zum Nutzen und im Interesse ihrer Arbeiter und Beamten getroffenen Wohlfahrtseinrichtungen. Sie sind von den Verwaltungen der fiskalischen Bergwerke vollständig unabhängig und werden geleitet und vertreten durch besondere Vorstände.« Die Lokale befänden sich teils auf dem Zechengelände in nicht genutzten Gebäuden, teils in den Kolonien der Arbeiter. Man miete sie zu üblichen Preisen. In den Vorständen befänden sich Beamte, die das Vertrauen der Mitglieder besäßen. »Ohne die Beteiligung der Beamten würde es vielfach an dem zur Verwaltung geeigneten Personale fehlen. Zur Zeit

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Anmerkungen zu S. 230-235 stehen an der Spitze der unterzeichneten 6 Consumvereine die Direktoren der gleichnamigen Gruben.« Die »Gegendarstellung« ist abgedruckt in: BGW, 30, 1883, S. 1 Iff. 167 Zit. aus der Rede vor dem Abgeordnetenhaus in: PrAbg, 20. Legislaturperiode, I. Session 1 9 0 4 / 5 , Bd. II, S. 2450. 168 Über die große Bedeutung der englischen Eisenbahnarbeiter für die Vereine referierte der Arbeiterbewegungshistoriker Theodor Cassau folgendes Gespräch mit einem englischen Konsumvereinsvertreter: »Als ich mit einem Genossenschafter davon sprach, daß in Deutschland den Eisenbahnern große Schwierigkeiten gemacht werden bei der Zugehörigkeit zum Konsumverein, antwortete er mir ganz erstaunt: Und hier kann man beinahe sagen, daß die Konsumgenossenschaftsbewegung von den Eisenbahnern lebt.« Vgl. ders., Großbritannien, S. 34. 169 Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 639. 170 Vgl. oben Tabelle 16. 171 Die Vermutung über einen engen Zusammenhang zwischen Familienorientierung und Ausbreitung konsumgenossenschaftlicher Organisation wird durch die Untersuchung Josef Ehmers bestätigt. Sachsen fiel hinsichtlich der niedrigen Ledigenquoten ganz aus dem Durchschnitt der deutschen Staaten heraus und ähnelte damit England; vgl. ders., Heiratsverhalten, S. 97, 114, 150. 172 Vgl. etwa Offermann, Arbeiterbewegung, bes. S. 210.

Sechstes Kapitel: Die Sozialdemokratisierung der Selbsthilfe

1890-1914 1 Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 70f. 2 Ebd., S. 75. 3 Zahlen zusammengestellt bei Nipperdey, Geschichte, I, S. 198. 4 Vgl. Ritter u. Tenfelde, Arbeiter, S. 507ff. 5 Am besten Ellerbrock, S. 127ff. 6 Burgholz, S. 119.; Spieker; Lange, Versorgung, S. 16. 7 Nach Burgholz, S. 121f.; zu England Shaw, Development, S. 241. 8 Die Zahlen nach der Tabelle bei Ellerbrock, »Die Entwicklung des Nahrungs- und Genußmittelgewerbes im Deutschen Reich 1875-1907«; sie beruht auf der Statistik des Deutschen Reiches, Bde. 34,2; N.F. 7,1.2.; 113; 220,1. 9 Vgl. die Übersicht über die Betriebsgrößen im Nahrungs- und Genußmittelsektor 18751907 zusammengestellt auf der Basis der Reichsstatistik bei Ellerbrock, S. 128. Ellerbrocks Studie ist die beste neuere Untersuchung zur Frage der Lebensmittelstandards im Kaiserreich; zu Struktur und Organisationsgrad der Lebensmittelhandwerke Schönhoven, Expansion, S. 37. 10 Vgl. Hilger; Beythien; Dietzsch. 11 Vgl. Ellerbrock, S. 142ff. 12 Ebd., S. 141. 13 Burgholz, S. 122; Lindemann, S. 151. 14 Nach den Angaben der Tabelle bei Ellerbrock, S. 136, zusammengestellt nach den Jahresberichten der öffentlichen Anstalten zur technischen Untersuchung von Nahrungs- und Genußmitteln im Deutschen Reiche. Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheitsamte, Berlin 1904ff.

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Anmerkungen zu S. 235-241 15 Zwischen 1914und 1918 bestand die Funktion der Lebensmittelchemiker vor allem im Ausstellen von Unbedenklichkeitsbescheinigungen fur immer ausgefallenere Ersatzstoffe. 16 Eine gute zeitgenössische Fallstudie über die Versorgung mit Nahrungsmitteln in Großstädten, über Qualitäts- und Preisprobleme ist Crenzbauer. 17 Teuteberg u. Wiegelmann, Wandel, S. 121f. Zu positiv die Darstellung bei Nipperdey, Arbeitswelt, S. 200. 18 Vgl. Protokolle der Sozialdemokratischen Partei, Berlin 1913, S. 19, 121, 132. 19 Vgl. [Essen] Zehn Jahre, S. 31ff. 20 Zitiert nach Protokolle der Sozialdemokratischen Partei, Berlin 1913, S. 121.; vgl. auch ebd., Berlin 1912, S. 1 4 , 2 1 , 1 9 0 , 2 8 9 . Zur Agitation unter den Frauen, ebd., Berlin 1911, S. 20. Vgl. auch die pessimistische Voraussage >einer Art Hungersnot bei den ärmeren Bevölkerungsschichten für den kommenden Winter bei Bebel, ebd., S. 172 sowie die drastischen Ausführung Südekums, ebd., S. 291ff. 21 Vgl. Bruch, Weder Kommunismus, S. 75. 22 Vgl. die Übersicht in Jahrbuch des Allgemeinen Verbandes für 1904, Berlin 1905, S. V. 23 Vgl. die Rubrik Vorstände und Aufsichtsräte im Jahrbuch des Allgemeinen Verbandes. Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Kreditgenossenschaften und ihrem seit den 1860er Jahren stark steigenden Anteil an der Finanzierung der Investitionstätigkeit insgesamt Fischer, Rolle. 24 Zit. Jahrbuch Allgemeiner Verband, 1904, S. V. 25 Vgl. Prinz, Konsumvereine, S. 103f. 26 Vgl. Die Verbreitung der Konsumvereine und deren Verkaufsstellen in Preussen nach Gemeindegruppen am 1. Januar 1911, in: Preußische Central-GenossenschaftsKasse, Mitteilungen zur deutschen Genossenschaftsstatistik für 1910, bearbeitet von A. Petersilie, Berlin 1912, S. 5Off. 27 Ebd., S. 52. 28 Die Verhältnisse wandelten sich erst mit der starken Vergrößerung der Vereine nach der Jahrhundertwende. Zwischen 1903 und 1914 verdoppelte sich der Frauenanteil unter den Mitgliedern der im Zentralverband zusammengeschlossenen Vereine von acht auf sechzehn Prozent. Betrachtet man die Geschlechterrelationen bei den einzelnen Berufen, fällt auf, daß die Industriearbeiterschaft in der Praxis kaum Vorreiter von Frauenemanzipation war. Eher scheint es, als wären kleine Selbständige, insbesondere Handwerker, bereit, ihren Ehefrauen den notwendigen Dispens zu geben. Vgl. Jb ZdK 1 9 2 8 , 1 , Hamburg 1929, S. 682. Übersicht ebd. 29 Statt ausfuhrlicher Belege siehe jetzt den erschöpfenden Überblick bei Ritter u. Tenfelde, Arbeiter, S. 562ff. Als Beispiel einer zeitgenössischen Umrechnung Müller, Konsumverein, S. 18ff. 30 Preußische Central-Genossenschafts-Kasse, Mitteilungen 1910, S. 52. 31 Ermittel und errechnet mithilfe der Reichsstatistik sowie von Ortsverzeichnissen und Atlanten und der für diese Zwecke sehr nützlichen Angaben in: Lohn- und Arbeitsverhältnisse. 32 Darunter befanden sich - in Preußen 1911 - Bielefeld mit rechnerisch über 100%, Görlitz mit rd. 85%, Mühlheim mit rechnerisch über 100%, Iserlohn mit knapp 80%, Rheydt mit 63%, Ohligs mit 85%, Luckenwalde mit 65%. Nach Preußische Central-GenossenschaftsKasse, Mitteilungen 1910, S. 57f. 33 Zur sozialen Basis der Vereine vgl. auch die Bemerkungen bei Hasselmann, S. 247ff. 34 Vgl. Berufstatistik der Mitglieder, am 1. Januar 1909, in: Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« zu Hamburg, Geschäftsbericht 1908, S. 33.

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Anmerkungen

zu S. 242-247

35 Nach den Angaben ebd.; eine detaillierte Berufsstatistik enthält auch die Jubiläumsschrift des Essener Konsumvereins »Eintracht«, [Essen] Zehn Jahre, S. 91. 36 Bei rd. 39.000 Mitgliedern 1912 lag in Essen die Zahl von Arbeitern, deren Berufsangabe in der Statistik nicht aufgeschlüsselt wurde, bei 6.000 (»Arbeiter«, »Fabrikarbeiter«), unter Einschluß der »Handels- und Transportarbeiter« sogar bei rd. 7.000, was 18 Prozent entsprach. Angestellte und Beamte waren hier mit 5 Prozent vertreten. Angaben nach ebd. 37 Plaid, S. 210. 38 Ein Beispiel sind die Bergarbeiter, die die Heizmittel zwar als Deputat bezogen, aber aufgrund der in anderer Hinsicht meist ungünstigeren Versorgungsverhältnisse überproportional an der Gründung von Konsumvereinen beteiligt waren. 39 Ebd., S. 189f. 4 0 Zur Nebenerwerbstätigkeit jetzt der Überblick bei Ritter u. Tenfelde, Arbeiter, S. 497ff. 4 1 Vgl. Bleek, bes. S. 32. 42 Ritter u. Tenfelde, Arbeiter, S. 582ff., bes. die Literaturangaben in Anmerkung 9 3 , ebd. S. 582f. 4 3 Zur unternehmerischen Sozialpolitik und der Rolle der Konsumanstalten auch Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 500. 4 4 Vgl. Sozialgeschichdiches Arbeitsbuch I, S. 155f.; Budgets sind abgedruckt in: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 122. 45 Hinzu kamen noch die Zinsen für den Geschäftsanteil. 1903 betrug die Kapitaldividende bei den Vereinen des Allgemeinen Verbandes 2,5 Prozent der Rückvergütung. Da es in der Regel länger dauerte, bis das einzelne Mitglied den Anteil voll angespart hatte, geben allerdings auch in diesem Fall die Durchschnittswerte die tatsächlichen Verhältnisse nicht sehr gut wieder. Eine ausfuhrliche Untersuchung ist Kolonialwaaren-Kleinhandel und Konsumvereine. Z u den Löhnen als Bezugsgröße Tabelle 33 bei Ritter u. Tenfelde, Arbeiter, S. 476. 46 Zit. nach Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, 1910, S.489. 4 7 Vgl. etwa Die Landesversammlung der Württembergischen Arbeitervereine, in: Flugbl. N o 2 , 1 . 6 . 1 8 6 5 ; Die Sitzung des ständigen Ausschusses, in: ebd. N o . 3 , 1 5 . 6 . 1 8 6 3 ; Versammlung des Magdeburger Arbeiter-Bildungs-Vereins, in: ebd.; Kleine Mittheilungen, in: ebd. No. 5, 30. 6. 1865; Ein offnes Wort über Laden- und Markensystem bei Konsumvereinen, in: ebd., N o . 6, 7.7.1865; Correspondenz »Magdeburg«, in: ebd., No. 7, 14.7.1865; Α. Bebel, Bericht über Speisegenossenschaften für den 3. Vereinstag der deutschen Arbeitervereine in Stuttgart, in: ebd., No. 8, 23.7.1865; Correspondenz »Duisburg«, in: ebd.; Correspondenz »Schönborn«, in: ebd., N o . 9, 30.7.1865; Die Vorschußvereine in ihren Beziehungen zu dem übrigen Genossenschaftswesen, in: ebd., N o . 10, 6.8.1865; Correspondenz »Eßlingen«, in: ebd.; Correspondenz »Hildburghausen«, in: ebd., No. 11, 13.8.1865; Correspondenz, »Mainz«, »Wiesbaden«, »Nürnberg«, in: No. 12, 20.8.1865. 4 8 Eisenberg, Arbeiterbewegung und Genossenschaften, S. 52f. 49 Z u den Vorbehalten gegenüber Streik und Gewerkschaften selbst bei ausgesprochen arbeiterfreundlichen Liberalen vgl. L. Sonnemann, Die Lohnerhöhungen, in: Flugbl. No. 2, 1. 6. 1865. Diese Wahrnehmung konnte sich auch auf das Genossenschaftsgesetz von 1867 selbst berufen, das im Paragraphen 26 die unter dieser Firma gegründeten U n t e r n e h m e n streng auf rein ökonomische Funktionen festlegte und jede Zweckentfremdung nicht nur untersagte - was im übrigen auch für England galt - , sondern darüber hinaus unter schärfste Strafandrohnung stellte, wofür es in England keine Parallele gab. So drohte der § 2 6 des Genossenschaftsgesetzes vom 27. März 1867 den Mitgliedern des Vorstandes persönlich Strafe an, »wenn sie in der Generalversammlung die Erörterung von Anträgen gestatten, oder

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Anmerkungen zu S. 247-252 nicht verhindern, welche auf keinen geschäftlichen Zweck, sondern auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet sind«, in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1867 (Nr. 6617). Zu dieser Problematik auch Na'aman, Lassalle, S. 548. Zur Verknüpfung von genossenschaftlichen und antigewerkschaftlichen Vorstellungen bei Schulze vgl. Volkmann, S. 138ff. Vgl. besonders auch John Breuillys vergleichenden Beitrag: ders., Liberalismus, dessen Position in diesem Punkt allerdings nicht eindeutig ist, ebd., S. Höf. dagegen S. 151. 50 Dem widerspricht nicht die Übernahme der städtischen Zwangskrankenkassen durch die Arbeiterbewegung in den siebziger Jahren. Hier handelte es sich nicht um noch aufzubauende Selbsthilfeorganisationen, sondern um stabile, staatlich sanktionierte Einrichtungen, deren Übernahme eine Stärkung und Erweiterung der Organisation versprach, vgl. Eisenberg, Gewerkschaften, S. 211. 51 Schon der geringste Vorwurf, in der Nähe »sozialistischer Anschauungen« zu stehen, provozierte entschiedene Dementis. Vgl. das Referat Schulzes auf dem Vereinstag 1874, in: BGW, 21, 1874, S. 189. 52 Hertz-Eichenrode; anschauliche Beispiele für Schwierigkeiten bei der Rekrutierung geeigneter Persönlichkeiten für die Leitung von Konsumvereinen in der Arbeiterbewegung bei Vieth, Geschichte. 53 Dieser Typus ähnelte in seinen Merkmalen - jung, unverheiratet - den Handwerksgesellen der Frühzeit. 54 Bericht vom 15. 11. 1887, aus: Dokumente aus geheimen Archiven, S. 326, nach Hertz-Eichenrode, Parteiorganisation, S. 226. 55 Vgl. Bebels Resümee, in: Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1899, S. 235. 56 Vgl. Herkner, II, S. 898ff. Die Form der Organisation wurde von Zeitgenossen mit einer Molluske verglichen, die sich jedem Zugriff entzieht, dabei aber immer unbeschädigt bleibt vgl. Dittmann, S. 382. 57 »Abonnements-Einladung«, Anlage zum Protokoll des Kongresses der Deutschen Sozialdemokratie 1880. 58 Erst ab 1908 beschäftigte die Berliner Parteiorganisation Teilzeitangestellte in den Organisationsbüros. 59 Protokoll über die Verhandlungen der SPD, Berlin 1905, S. 6ff. und S. 15ff. Zur Relativierung den kritischen Kassen-Bericht, ebd., Berlin 1906, S. 169ff. 60 Vgl. Fricke, Entwicklung, S. 154. 61 Vgl. Hertz-Eichenrode, S. 235. 62 Zu den sächsischen Vereinen vgl. Müller, Konsumverein; Göhre, Arbeiter-Konsumvereine, bes. S. 122ff.; Launer·, Bode. Neben den Konsumvereinen existierten in Sachsen auch sog. »Sparvereine für Konfirmanden«, vgl. dazu den Artikel in: SP, 6, 1896, Sp. 441. 63 Vgl. Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen 1910, S. 13; Statistisches Bundesamt, S. 142; Vergleichszahlen für England bei Deane u. Cole, S. 142. 64 Statistisches Jahrbuch, ebd. 65 Zitiert Kretzschmar, S. 50. 66 Ebd., S. 76. 67 Benser, S. 30ff. Hinweise auf Konsumvereinsgründungen ebd., S. 39. 68 Vgl. die Liste bei Bode im Anhang, S. 337ff. 69 Zit. ebd., S. 328. 70 Zit. ebd., S. 334. 71 Ebd., S. 334f.

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Anmerkungen zu S. 252-257 72 Ebd., S. 328f. Bode fuhr fort: »Man haßt sie nicht gerade, aber man liebt sie auch nicht, man traut ihnen nicht. >Der Arbeiter, gleichviel welcher Partei er angehören mag, ist mißtrauisch gewordene lese ich in dem Briefe eines Chemnitzer Arbeiters.« 73 Nach dem Brief eines ungenannten sächsischen Arbeiters, zitiert ebd., S. 329. 74 Der Prototyp eines solchen Vereins war die Chemnitzer »Ermunterung«, vgl. ausführlich dazu Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 32ff.; zur Verbindung mehrerer Funktionen innerhalb eines Vereins Benser, S. 40f. 75 Als solche, nämlich als Gründungsversuche und nicht als stabile Gründungen, wird man diese Angaben wohl zu bewerten haben, vgl. dagegen Launer, S. 20ff. 76 Vgl. oben Tab. 9. Die Zahl der berichtenden Vereine lag genau bei 109, vgl. Jahresbericht für 1869, Leipzig 1870. 77 Vgl. zu dieser wichtigen, langfristige Weichen stellenden Debatte den Bericht über den dritten Verbandstag deutscher Consumvereine 1869, S.9. 78 Zur Wirtschaftsgeographie des Königreiches vgl. Röllig. 79 Launer, S. 66ff.; Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 366ff. 80 Zur Geschichte des Leipzig-Plagwitzer Vereins am besten Göhre, Arbeiterkonsumvereine. Göhre hielt sich längere Zeit in Leipzig auf, nahm an Generalversammlungen teil, fertigte wortgetreue Protokolle an, die ebd. abgedruckt und sonst an keiner Stelle überliefert sind. Abgesehen vom Aktenstudium befragte er die noch lebenden Gründer, S. 122ff. 81 Vgl. unten S. 270f. 82 Für Hamburg vgl. Grüttner, S. 132ff.; zu den Bergarbeitern Tenfelde, Sozialgeschichte, S. 357ff. und 573ff. 83 Grüttner, S. 136. 84 Zur Geschichte des Berliner Streiks vgl. Bernstein, Geschichte, III, S. 324ff. 85 Die größte deutsche Konsumgenossenschaft, die 1899 gegründete Hamburger »Produktion« verdankte diesen Überlegungen den entscheidenden Anstoß. Zur »Produktion« vgl. Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 424; Hasselmann, Geschichte, S. 249ff.; Vieth. 86 Huck, S. 229ff. 87 Vgl. Huck; Tenfelde, Sozialgeschichte, S. 360.; Konsumverein rheinisch-westfälischer Bergleute, in: SP, 4, 1894/95, Sp. 821f.; Adikes; Hirsch, Handel, S. 261; Becker, Werkskonsumanstalten. 88 Vandervelde. 89 Zur finanziellen und organisatorischen Entwicklung der Gewerkschaften vgl. Schönhoven, Expansion. 90 Zit. aus: Fr. Behrmann, Geschichte des Bielefelder Konsum-Vereins, e.G.m.b.H., in Wort und Bild, in: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bielefelder Konsum-Vereins, S. 5. 91 Auszählung nach der Liste bei Behrmann, Geschichte, in: ebd., S. 6 und 9. 92 Nach der Liste bei Behrmann, Geschichte, in: ebd., S. 6. 93 Karl Severing, Waffenbrüder. Gewerkschaften und Genossenschaften, in: ebd., S. 4 9 - 5 4 , zit. S. 53. 9 4 Zu den Bielefelder Gewerkschaften und ihren Beziehungen zum Konsumverein Ditt; allgemein auch Cassau, Konsumvereinsbewegung, S. 19. 95 Ein Beispiel ist der 1892 gegründete »Konsumverein zu Charlottenburg«. Hier wurde der alte Aufsichtsrat im Sommer 1900 durch Sozialdemokraten ersetzt, ein Jahr später auch der Vorstand, vgl. Lange, Konsum-Genossenschaft, S. 32. 96 Hertz-Eichenrode, S. 224. 97 Müller, Konsumverein, S. 22f. 98 Vgl. Lange, Konsum-Genossenschaft, S. 79; vgl. S. Vogt, Zur Gründung des Rabattspar-

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Anmerkungen zu S. 257-264 Vereins Ludwigshafen, in: KR 1904, S. 1143; Max May, Lieferantengeschäft - Rabattverein Konsumverein, in: ebd., 1906, S. 325; Die Rabattvereine in der Entwicklung zu preissteigernden Händlerringen, in: ebd., 1908, S. 254; F. Staudinger, Rabattsparvereine, in: ebd., 1912, S. 622; Stedtfeld, zur Berliner Bewegung vgl. Landwers. Die beste Überblicksdarstelung ist Faucherre. Bei einem Rabattsparverein handelte es sich um einen freiwilligen Zusammenschluß von Einzelhändlern verschiedener Branchen, die ihren Käufern bei Barzahlung in der Form von Sparmarken einen bestimmten einheitlichen Rabatt gewährten. Hauptziele dieser Gründung waren »Anreiz zur Barzahlung, ... 2. Vereinheitlichung des Rabattes und damit Kampf gegen das Rabattunwesen in jeder Form; 3. Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs im Kleinhandel; 4. Kampf gegen die Konkurrenz der Konsum- und Beamtenvereine und der Warenhäuser; 5. Heranziehung eines festen Kundenkreises«; zit. nach Faucherre, S. 1. 99 Zur Bedeutung ausländischer Vorbilder vgl. Faucherre, S. 20ff. 100 Ebd., S. 83. 101 Ebd., S. 82. 102 Vgl. Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« zu Hamburg, Geschäftsbericht fur das 10. Geschäftsjahr 1908, S. 12. 103 Vgl. Gerhard, Konsumgenossenschaft; halb-ablehnend, halb-zustimmend Kautsky, Konsumvereine; Bernstein, Voraussetzungen. 104 Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 74. 105 Vgl. den Artikel »Wie der Schweidnitzer CV entstand, sich entwickelte und heute dasteht«, in: BGW, S. 108. 106 Vgl. Schweidnitzer CV, S. 108. 107 Vgl. Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 108 und 120. 108 Zit. nach dem Abdruck bei Lange, Konsum-Genossenschaft, S. 51. 109 Konsum-und Produktiv-Genossenschaft Berlin Rixdorf, Geschäftsbericht fur 1900 bis 1901, Berlin 1902, zit. nach Lange, Konsum-Genossenschaft, S. 63; vgl. auch Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 81. 110 Vgl. Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« zu Hamburg, Geschäftsbericht fur das 10. Geschäftsjahr 1908, S. 92; in Rixdorf lag der Umsatz bei 114 RM, vgl. Geschäftsbericht fur 1900 bis 1901. 111 Für Bielefeld vgl. Behrmann, Geschichte, S. 34; für Hamburg, wo das Unternehmen mit der Verteilung von 30.000 Flugblättern begann, siehe Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« zu Hamburg, Geschäftsbericht für das 10. Geschäftsjahr 1908, S. 10. Vgl. dagegen den Bericht von Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 11 Iff. 112 Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 104, bes. S. 112. 113 Vgl. Jahrbuch des Zentralverbandes deutschen Konsumgenossenschaften, 1908, Hamburg 1909, S. 112. 114 Cassau, Konsumgenossenschaft, S. 187ff. 115 Zur Frage der Reklame vgl. Geschäftsbericht Leipzig-Plagwitz 1 9 0 8 / 0 9 , S. 47f. Viele Konsumvereine begannen in ihren lokalen Organen um diese Zeit mit umfangreicherer Werbung; vgl. Die Genossenschaft, Organ der Konsumgenossenschaft Hoffnung bei Köln, 1, 1911, Nr. 10. 116 Die Vorfälle sind berichtet bei Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 3 3 8 , 3 6 4 und S. 353, ebd. auch der Abdruck eines von Göhre angefertigten Protokolls einer Generalversammlung. 117 Die GEG beschäftigte 1913 in Handel und Fabrikation etwas über 2.000 Personen, vgl. Kaufmann, Festschrift, S. 351. Vgl. bes. auch Hasselmann, S. 314ff. 118 Berechnet nach den Daten aus: Kaufmann, Festschrift, S. 334ff.

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Anmerkungen zu S. 264-270 119 Vgl. als Beispiel die Liste der Betriebe eines der entwickeltsten Vereine in: Geschäftsbericht Leipzig-Plagwitz und Umgebung, 23. Geschäftsjahr 1906/07, ebd. der Abschnitt Eigenbetriebe. 120 Ein wesendicher Unterschied zwischen der Back- und der Fleischwarenherstellung besteht in der Beschaffung der Rohstoffe. Der Bäcker hat es mit einem homogenen, vielseitig verwendungsfähigen Werkstoff, dem Mehl, zu tun, überdies läßt sich das Rohmaterial dem Bedarf genau anpassen. Besondere Fähigkeiten beim Einkauf sind nicht erforderlich. Bei der Fleischfabrikation dagegen entscheidet die Auswahl des Viehs bereits über Gewinn und Verlust. Das Ausgangsmaterial ist inhomogen, dem Bedarf nur schwer anpaßbar. Nur dann, wenn es gelingt, das Tier in allen Bereichen auszuwerten, stellen sich Gewinnmargen ein. Vgl. auch den Abschnitt »Ist die Errichtung von Fleischereibetrieben den Konsumvereinen zu empfehlen?«, in: Jahrbuch des ZdK, 1911, II, S. 583. 121 Vgl. Boykottierung von Konsumgenossenschaften vor 30 Jahren, in: KR, 1927, S. 543. 122 Vgl. den Abschnitt Produzentenkartelle - Konsumentenkartelle, in: Jahrbuch des ZdK, 1901,1, S. 320f. 123 Verhandlungen und Berichte, S. 32ff. 124 Ebd. 125 207 Bäckereien bei Zentralverband und Reichsverband standen 1908 26 Schlächtereien, 19 Mineral- und Limonadefabriken, 7 Destillationen und 7 Kaffeeröstereien gegenüber, vgl. Wygodzinski, Genossenschaftswesen, S. 213. 126 Vgl. die Übersicht über die Verteilung von Lebensmitteln im Budget zweier Arbeiterfamilien in: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II, S. 118f. Im ersten Fall lag der Anteil von Brot, Brötchen, Semmeln an allen Nahrungsmitteln bei 24,8%, im zweiten Fall bei 30,1 %. 127 Vgl. Jb des ZdK, 26, 1928,1, S. 105ff. 128 Jb des ZdK, 1, 1903, S. 161 und der Tabellenanhang, S. 168ff. 129 Vgl. Müller, Konsumverein, S. 28, die Statistik ebd. 130 Eine Untersuchung für das rheinisch-westfälische Industrierevier über die Zahlungsgewohnheiten für Brot ermittelte, daß zwei Drittel der Backwaren auf Kredit abgegeben wurden - einen Kredit, den der Bäcker meist am Zahltag wieder eintrieb und ansonsten durch Untergewicht ausglich, vgl. Oexmann, S. l l f f . 131 Die Verbandsstatistiken sind mit ihren Kategorien zu grob, um solche Unterscheidungen zu treffen. Einzelne Vereine warfen in den Geschäftsberichten jedoch praktisch alle Berufe getrennt aus. So etwa der Geschäftsbericht der Produktion, Hamburg 1908/9. 132 Besonders die Hamburger »Produktion« verfuhr in dieser Weise und wirkte dadurch als Vorbild, vgl. Protokolle der Versammlung des Vorstandes des ... ZdK 1913, S. 97. 133 Vgl. Die Posten in der Bilanzstatistik »Forderungen aus dem Warenverkehr« und »Sonstige Forderungen«, in: Jb des ZdK, 26, 1928,1, S. 338f. 134 Vgl. Versammlung, 1913, S. 88ff. 135 Theodor Cassau, Sparkassen und Konsumvereine, in: KR, 1910, S. 928; Genossenschaftliche Sparkassen, in: ebd., 1911, S. 579. 136 Berechnet nach den Angaben bei Müller, Konsumverein, S. 62 sowie dem Jb des ZdK für 1914. 137 Absolut stiegen die Spareinlagen bis 1914 auf 80 Millionen Reichsmark an. Bemerkenswert ist auch die folgende Relation: 1903 standen 6.2 Mio. RM Spareinlagen 1.3 Mio. RM an Kautionen gegenüber, 1914 waren es 80 Mio. RM gegen 3 Mio. RM. Nach Jb des ZdK für 1914, Anhang. Berechnet nach den Angaben ebd. Vgl. auch Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 553.

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Anmerkungen zu S. 271-279 138 Hasselmann, Geschichte, S. 314ff. 139 Die Gründungsgeschichte ist an vielen Stellen dargestellt, vgl. Hasselmann, Geschichte, S. 256ff. 140 Die wichtigsten Organe der sozialdemokratisch-freigewerkschaftlichen Richtung vor 1914 waren die Konsumgenossenschaftliche Rundschau, ein Fachorgan für Funktionäre, Auflage: 1904: 6.000, 1910: 9 . 3 0 0 , 1914 14.900; das Frauen-Genossenschafts-Blatt, 1908 fortgeführt als Konsumgenossenschaftliches Volksblatt, Auflage: 1902 1 2 0 . 0 0 0 , 1907 210.000; 1908 220.000, 1910 302.000; 1914 695.549, Angaben nach Kaufmann, Festschrift, S. 386. - Zum Vergleich: Der »Vorwärts« hatte 1914 146.120 Abonnenten; vgl. Fricke, Handbuch, 1, S. 559. Alle Organe zusammengenommen, belief sich die Abonnentenzahl sozialdemokratischer Organe 1912 knapp auf 1,5 Mio. Zahlen nach ebd., S. 545; Kantorowicz, Presse, S. 28. 141 Ein Beispiel ist der frühere Geschäftsführer des Leipzig-Plagwitzer Vereins Georg Fell, dem Goehre in seiner Darstellung, Arbeiterkonsumvereine, S. 124ff. ein literarisches Denkmal gesetzt hat. 142 Hermann Fleißner, Zur Frage der Vereinigung der Dresdner Konsumvereine, in: KR 1906, S. 1197; Bezirkskonsumvereine in Rheinland-Westfalen, in: ebd. 1912, S. 191. P. Köhler, Konsumgenossenschaftliche Zentralisationsbestrebungen in Schlesien, in: ebd., 1912, S. 311. 143 Michels, S. 146. 144 Ebd. 145 Empirische Untersuchungen zu diesem Thema gibt es erst für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. Lilienthal; aus den zwanziger Jahren, plausibel, aber überwiegend theoretisch Oppenheimer, Funktionäre. 146 Vgl. Eisenberg, Basisdemokratie. 147 Zit. aus Verhandlung des Vorstandes ... ZdK 1914, S. 4 5 ; vgl. für Bielefeld Behrmann, Geschichte, S. 11; für Leipzig das Wortprotokoll einer Generalversammlung abgedruckt bei Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 356. 148 Diejenigen englischen Konsumvereine, die über besondere Aufsichtsräte verfügten, verfuhren häufig nach dem Rotationsprinzip. Mitglieder des Aufsichtsrates waren nur drei bis vier Jahre lang nacheinander wählbar, um dann anderen Platz zu machen, vgl. Cassau, Großbritannien, S. 53; Esche, S. 34f. 149 Vgl. den Bericht über die Kontrollpraxis in: Protokolle über die gemeinschaftliche Sitzung des ... ZdK 1921, S. 6ff.; vgl. Cassau, Konsumgenossenschaften, S. 110. 150 Die Schadloshaltung der Aufsichtsrathsmitglieder in Consumvereinen, in: BGW, 22, 1875, S. 239. 151 Vgl. die Ausführungen des Hamburger Vorstandsmitgliedes Paul Hoffmann, in: Protokolle über die gemeinschaftliche Sitzung des ... ZdK 1921, S. 12. 152 Vgl. die Beschreibung der Aufgaben in: Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion«, S. 92ff.; den Abschnitt »Die besondere Tätigkeit des Aufsichtsrates« in: Konsum-Verein Leipzig-Plagwitz 1 9 2 1 / 2 2 , S. 38. 153 Zit. Cassau, Konsumgenossenschaftten, S. 136. 154 Zur Rekrutierungspraxis der englischen Vereine vgl. ebd., S. 143. 155 Vgl. Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« 1908, S. 87. 156 Vgl. dazu auch die Bemerkungen bei Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 418. 157 Lohn- und Arbeitsverhältnisse, S. 38. 158 Vgl. Heinrich Kaufmann, Der kollektive Arbeitsvertrag als Voraussetzung des genos-

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Anmerkungen zu S. 280-283 senschaftlichen Arbeitsverhältnisses, in: KR, 1904, S.116; A. v. Elm, Sozialreform und Konsumvereine, in: ebd., 1907, S. 788. 159 Berechnet nach den Angaben Jb ZdK, 1 9 2 8 , 1 , S. 677ff. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die deutschen Vereine seit 1909 aus steuerlichen Gründen einen wachsenden Teil der Dividende als festen Rabatt auszahlten. Die entsprechenden Spalten über Dividende und Rabatt wurden deshalb addiert. 160 Die Durchschnittsdividende der englischen Vereine lag 1912 bei 13,3 Prozent. Zahlen nach Hough, S. 106. 161 Reichsbehörden und Beamtenkonsumvereine, in: BGW 1902, S. 246; ebd. Abdruck des Erlasses; umfangreiches Material zur Stellung der Konsumvereine findet sich in den Jahrbüchern des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine, eine kurze Übersicht enthält Cassau, Deutschland, S. 126ff. 162 Ebd. Einzelne Vereine, selbst relativ große wie der Wittener Beamtenverein, lösten sich aufgrund dieses Erlasses auf, vgl. Der Konsumverein der Beamten und Arbeiter in der Haupteisenbahnwerkstätte in Witten (Rheinprovinz), in: Wochen-Bericht der GroßeinkaufsGesellschaft Deutscher Consumvereine, 8, 1901, Nr. 5, S. 99. 163 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses, 20. Legislaturperiode, I. Session 1904/5, Bd. II, S. 2 4 5 0 . 164 Göhre, Arbeiterkonsumvereine, S. 640f. 165 Wie stark der Druck des organisierten Mittelstandes in diesen Jahren auf die Parlamente in der Frage der Beamtenkonsumvereine war, spiegelt sich im Debattenregister des preußischen Abgeordnetenhauses, das allein für die Session 1904/5 27 (!) entsprechende Interventionen und Anfragen von Parlamentariern an die Regierung verzeichnete. Im einzelnen handelte es sich um die 21. Sitzung, Bd. I, S. 1288f.; ebd., S. 1323, S. 1325f.; 22. Sitzung, Bd. I , S . 1386; ebd.,S. 1 3 9 8 , 1 4 0 6 ; 30. Sitzung, Bd. II, S. 1964; 36. Sitzung, Bd. II, S. 2 4 3 1 ; ebd., S. 2 4 3 1 , 2 4 3 2 , S. 2449f.; ebd., S. 2 4 4 7 , 2 4 5 0 ; ebd., S. 2 4 4 8 ; ebd., S. 2 4 5 7 ; 37. Sitzung, Bd. II, S. 2 5 3 3 ; 38. Sitzung, Bd. II, S. 2 5 8 9 , 2 6 0 3 ; 136. Sitzung, Bd. VII, S. 9757f., 9 7 6 9 ; 136. Sitzung, Bd. VIII, S. 9 7 5 6 ; 143. Sitzung, Bd. VII, S. 10224; 157. Sitzung, Bd. VIII, S. 11397; 158. Sitzung, Bd. VIII, S. 11457, S. 11460; 164. Sitzung, Bd. VIII, S. 11855; 178. Sitzung, Bd. IX, S. 12765f., S. 12791; ebd., S. 12808f.; 181. Sitzung, Bd. IX, S. 13035, 13041f.; ebd., S. 13041f.; 192. Sitzung, Bd. IX, S. 13713, 28. Bericht der Handelsund Gewerbekommission; 192. Sitzung, Bd. IX, S. 13711; ebd., S. 13710; ebd., S. 13709, 25. Bericht der Handels- und Gewerbekommission, Drucksache Nr. 937; 192. Sitzung, Bd. VII, S. 13710, 26. Bericht der Handels- und Gewerbekommission. 166 Die Arbeitsordnung für Gemeindearbeiter in Dresden von 1903 untersagte diesen ausdrücklich den Beitritt zu Konsumvereinen. Nachdem es sich jedoch als schwierig erwies, den Beschluß, der mit einer Fristsetzung verbunden war, auch tatsächlich durchzusetzen, wurde er 1905 wieder aufgehoben, vgl. Cassau, Konsumvereinsbewegung, S. 128; vgl. auch das Konsumvereins-Verbot für städtische Beamten und Arbeiter in Chemnitz, SP, 6 , 1 8 9 7 , Sp. 776. 167 Cassau, Konsumvereinsbewegung, S. 129. 168 Ebd. 169 Zit. Zur Lage des Kleinhandels, in: BGW, 1901, S. 280f., S. 281. 170 Göhres entsprechende Behauptung trifft nicht zu. Vgl. ders., Arbeiterkonsumvereine, S. 644. 171 Zu dieser ganzen Frage außerordentlich aufschlußreich das Protokoll der Allgemeinen Konferenz des ZdK 1911, S. 4ff. 172 Vgl. Stodte, S. 17ff. - Die Initiative zu einer konsequenteren Besteuerung der

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Anmerkungen zu S. 283-290 Kreditvereine ging von den Gemeinden aus. Vgl. Zum Kommunalabgabengesetz, in: Nachrichten des preußischen Städtetages, Nr.6, Beilage zum Preußischen Verwaltungs-Blatt, XXXV. Jg., Nr. 24; vgl. den Bericht über einen Steuerantrag: Antrag im sächsischen Landtag vom 30. 1. 1896 zur Belastung mit kommunalen Angaben, in: SP, 5, 1895/96, S. 1309. 173 Das Folgende auf der Grundlage der Statistik in: BGW, 1902, S. 452f. 174 Vgl. die Tabelle in BGW, 1902, S. 452f. 175 Ebd. 176 Vgl. hierzu auch die Denkschrift der sächsischen Regierung aus dem Jahre 1902, zusammengefaßt in: Urtheil der sächsischen Regierung über die Konsumvereine, in: SP, 12, 1902, Nr. 24, Sp. 629. 177 So kam es wieder wie in der Reaktionsära zu polizeilichen Verboten von Gründungsund Generalversammlungen, vgl. Der Allgemeine Konsumverein fur Geithain, in: WochenBericht der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine, 8, 1901, Nr. 5, S. 100. 178 Der Warenhaussteuerentwurf in Baden vom Mai 1902 ließ die Konsumvereine steuerfrei, vgl. BGW, 1902, S. 266. 179 Die Definition von »Warenhaus« hob auf bestimmte Warengruppen ab, was Konsumvereine dazu zwang, ihr Sortiment zu durchforsten und wichtige Teile aufzugeben. Selbst wenn sie die entsprechenden Waren im »Ausverkauf« verschleuderten, ersparte ihnen dies im übrigen nicht die Steuerveranlagung als Warenhaus. Zu solchen und ähnlichen Schikanen vgl. »Aus einer Oberverwaltungsgerichtsentscheidung betreffend die Waarenhaussteuer«, in: BGW, 1902, S. 234. 180 Die Vorgänge sind an vielen Stellen dargestellt worden. Informativ bleibt die Lektüre der Blätter fur das Genossenschaftswesen, in denen die Diskussionen breit dokumentiert sind. Zum Ablauf der Spaltung in Kreuznach vgl. ebd., 1902, die gesamte Nr. 38 mit langen Protokollauszügen, die an anderer Stelle nicht veröffentlicht sind. Eine kurze Darstellung aus der Perspektive des Zentralverbandes ist Heinrich Kaufmann, Eine neue Gruppierung der deutschen Genossenschaften, in: SP, 12, 1902, Nr. 9, Sp. 217-222. Kaufmann suchte bei der Gelegenheit bewußt, die politischen Gegensätze herunterzuspielen. 181 Zu den Beratungen vgl. Der Gesamt-Ausschuß, in: BGW, 1902, S. 410ff. 182 Zur Vorgeschichte der chrisdichen Konsumvereine vgl. Konsumvereine in den christlichen Gewerkschaften, in: SP, 12,1902, Nr. 21, Sp. 564f. 183 Vgl. Launer, S. 48; sowie die Hinweise in: Wochen-Bericht der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine, 7,1900, Nr. 51, S. 6; sowie ebd., 8,1901, Nr. 1, S. 8. Vgl. ebd. den Abdruck eines Rundschreibens des Oberfriederdorfer Militärverein vom 20. August 1900; Kriegerverein gegen Konsumverein, in: ebd., Nr. 2, S. 35. 184 Vgl. Launer, S.48f. Launer weist den Vollzug dieses Beschlusses in Jahren 1 8 9 5 / 9 6 allein für Sachsen in mehr als einem Dutzend kleiner Gemeinden nach. 185 Die Arbeit von Gellately, Politics, steht für die erste, Winklers, Mittelstand, bes. S. 44ff. für die zweite Auffassung. 186 Vgl. Bericht über den am 31. Mai und 1. Juni in Leipzig abgehaltenen Verbandstag des Verbandes sächsischer Konsumvereine, in: BGW, 1902, S. 249f. 187 Vgl. Jb ZdK, 1, 1903, Hamburg 1903, S. 22. 188 Ebd., S. 23. 189 Zit. Jb ZdK, 1, 1903, S. 33. 190 Ebd., ganz ähnlich auch der Beitrag von Max May, Politische Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften?, in: Wochen-Bericht der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine, 8, 1901, Nr. 1, S. 4. 191 So organisierte der 1903 gegründete »Verband der Rabattsparvereine Deutschlands«

362

Anmerkungen zu S. 290-305 1911 bereits 387 Vereine mit rd. 65.000 Mitgliedern, vgl. Faucherre, Vereine, S. 86. Es fällt auf, daß die größten Unterverbände (1907) - Sachsen mit 57 Vereinen und 7.000 Mitgliedern und Württemberg 30 Vereine mit 3.159 Mitgliedern - mit den regionalen Schwerpunkten der Konsumvereine zusammenfallen, Zahlen nach Faucherre, S. 88. 192 Zu parallelen, allerdings ungleich wirkungsloseren Versuchen in England vgl. Der Kampf der Kleinhändler gegen die Konsumvereine in England, in: SP, 12, 1902, Nr. 1, Sp. 18f. 193 Vor der Jahrhundertwende dienten insbesondere antisemitische Parolen dazu, die Gegensätze zwischen »altem« und »neuem Mittelstand« zu überspielen; vgl. Beamte gegen Beamtenkonsumvereine in Hamburg, in: Wochen-Bericht der Großeinkaufs-Gesellschaft: Deutsche Consumvereine, 8, 1901, Nr. 2, S. 21. 194 Vgl. Die Rabattgesellschaften, in: Β GW, 1902, S. 409f. 195 Vgl. Thätigkeit der Handwerkskammern auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens, in: BGW, 1902, S. 425ff. Das protektionistische Klima und die daran orientierten Erwartungshaltungen bei den Kleingewerbetreibenden veranlaßten selbst die mittelstandsfreundliche Anwaltschaft zu dem Bemerken: »... das organisierte Handwerk gebärdet sich heute bereits so, als ob es bloß zu fordern brauche, um bewilligt zu erhalten.«, zit. BGW, 1902, S. 285. 196 Vgl. Erlaß des Preußischen Handelsministers vom 9. Juli 1901, in: Preußisches Ministerialblatt 1901, S. 113. Zusammenfassend Wygodzinski, Genossenschaftswesen, S. 125ff., bes. S. 170ff. 197 Vgl. als Beispiel die Notiz im Wochen-Bericht der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine, 8, 1901, Nr. 5, über die Umwandlung einer Hanauer BäckermeisterGenossenschaft in eine Zwangsinnung.

Siebtes Kapitel: Konsum und Selbsthilfe: Gemeinsamkeiten und nationale Variationen 1 Engels, Lage, S. 355. Ich bin auf das Zitat bei Plaul, S. 286, gestoßen. 2 Zum Effekt, den die Errichtung eines Konsumvereins hatte, vgl. als Beispiel History of the Hawick Co-operative Store 1839: >»Trifling as these transactions werethey had a wonderful effect on the price of provisions in the town; for on the first week after the Store was opened, the retail price of oatmeal fell 4d per stone ...Laws for the goverment of the North West of England United Co-operative Company«]. No. 27184. Seutter, A. L. von, Über die allgemeine Getreide-Theurung im Jahr 1816. Eine Staats- und National-ökonomische Abhandlung, Regensburg 1816. No. 21455. Statistical table of co-operative societies represented in Congress [Co-operative Congress, May 1831], No. 27185. To the [Owenian] Co-operative Society. A letter calling a meeting of delegates, signed: Joseph Smith, president, Wm. Carson, Elijah Dixon, Ε. T. Craig, 1831. No. 27186. Tozer, Τ., The tricks of the bakers exposed, giving an account of the ingredients used by bakers in the making of the best London loaf, and the still worse practices of the cheap bakers..., together with a full account of the mysteries of the bakehouse, in the exchanging of joints, pouring off the fat, or stealing the pudding or potatoes from the poor mans's Sunday dinner. By a journeyman baker, [ca. 1820.]. No. 22986. Woodrow, J., Remarks on banks for savings and friendly societies, with an original plan combining the principles of both instructions; a friendly loan fund and other advantages, 1818. No. 22251.

369

2 . Deutschland Archiv und Bibliothek des Bundes der Konsumgenossenschaften,

Hamburg

Das einzige Findmittel ist das von Ulrich Kurzer 1 9 9 1 erstellte Inventar zu zwei MikroFilmen des Revisionsverbandes Deutscher Konsumgenossenschaften e. V., Hamburg. Diese enthalten zahlreichen Ablichtungen von sonst offenbar nicht mehr überlieferten Originalakten historischer Konsumvereine. Im übrigen ist das Archiv ungeordnet und enthält verschiedene, nicht immer eindeutig zuzuordnende Aktensplitter überwiegend aus den zwanziger Jahren. Nahezu vollständig und an keiner anderen Stelle so verfugbar ist die Sammlung historischer Periodika.

Ungedrucktes Material Arbeiter-Consum-Verein Höchst a. Main, Waaren-Preis-Verzeichnis aus dem Jahre 1 8 9 9 . - , Waarenpreisverzeichnis vom 1 . 7 . 1 9 1 4 . Consum-Verein I zu Hüls, Statuten des Consumvereins, 2 4 . 4 . 1 8 7 0 . Consum-Verein Immenstadt-Blaichach bzw. Immenstadt-Blaichach-Sonthofen, eingetragene Genossenschaft bzw. des Spar- und Consumvereins Immenstadt-Blaichach-Sonthofen, eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht, Rechenschaftsbericht über die Geschäftsführung vom 1 . 9 . 1 8 6 8 - 3 1 . 8 . 1 8 6 9 . - , Rechnungsabschlüsse fur die Geschäftsjahre 1 8 8 3 / 8 4 - 1 8 8 9 / 9 0 , 1 8 9 1 / 9 2 , 1 8 9 9 / 1 9 0 0 , 1909/10, 1913/14. Consumverein Schney, Protokolle der Consum- und Mitgliederversammlungen, ordendichen und außerordentlichen Generalversammlungen (auch Halbjahres-Generalversammlungen), 1 9 0 0 - 1 9 3 5 . Consumverein Stuttgart, Rechenschaftsbericht des Verwaltungsrathes über das erste Vereinsjahr 1 8 6 5 . Darin: Aufzeichnung vom 2 4 . 1 1 . 1 8 6 4 mit dem nachträglichen Zusatz »Tagblatt« über den Beginn der Geschäftstätigkeit des Vereins. - , Rechenschaftsbericht des Verwaltungsrathes über das zweite Vereinsjahr 1 8 6 6 . - , Rechenschaftsbericht des Verwaltungsrathes über das dritte Vereinsjahr 1 8 6 7 . - , Rechenschaftsbericht des Verwaltungsrathes über das sechste Vereinsjahr 1 8 7 0 . Darin: Verzeichnis der Mitglieder im Jahre 1 8 6 7 mit Berufszugehörigkeit. Consumverein U l m , Protokolle der Generalversammlungen, Sitzungen des geschäftsfiihrenden Vorstands und Vorstandssitzungen sowie Statuten des Konsumvereins U l m , eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht, 1 8 7 2 - 1 9 0 7 . Consumverein Waldshut, Statut vom 6 . 1 . 1 8 7 2 . - , Rechnungsabschlüsse 1 8 7 3 - 1 8 8 2 , 1 8 8 4 - 1 9 1 8 . - , Verzeichnis der dem am 6 . 1 . 1 8 7 2 gegründeten Consumverein beigetretenen Mitglieder und über Zahlung von Beiträgen. - , Haushaltungsbücher fur die Jahre 1 9 1 1 , 1 9 1 7 . Consum- und Spargenossenschaft für Reichenbach, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, Gründungs-Protokoll 8 . 2 . 1 8 8 5 . - , Bäcker-Vertrag mit dem ledigen Bäcker Johann Neubauer zur Übernahme der ConsumBäckerei vom 2 6 . 1 0 . 1 9 0 3 . Konsumgenossenschaft Cramme, Protokolle gemeinschaftlicher Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat, Sitzungen des Aufsichtsrats, Sitzungen des Vorstands, Generalversammlungen sowie Revisionen, 1 8 9 1 - 1 9 0 8 . Konsumverein Augsburg und Umgebung, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, Einladung zur ordendichen Generalversammlung am 3 0 . 6 . 1 9 0 6 .

370

- , Einladung zur öffentlichen Volks-Versammlung am 2 0 . 9 . [ 1 9 0 6 ] über eine »Verschlechterung der Ernährungsverhältnisse und wie kann einer drückenden Milchpreis-Erhöhung begegnet werden?«. - , Mitteilung an die Mitglieder über den versuchsweisen Verkauf Münchener Versandbieres »während der Dauer des über die hiesigen Brauereien verhängten Boykotts«. Zusammenstellung: »Die Leistungsfähigkeit des Consum-Vereins gegenüber den Mitgliedern des Rabatt-Sparvereins, 31.6.1906«. Verband Süddeutscher Consum-Vereine, Programm zum 36. Verbandstag am 2. u. 3. 8. 1902 in Augsburg. Vieth, F., Die Geschichte der nordwestdeutschen Verbrauchergenossenschaftsbewegung von 1850 bis 1933, o.O. o.J. [Unveröffentlichtes Manuskript, 1934],

Festschriften und Berichte [Berlin] Lange, P., Die Konsum-Genossenschaft Berlin und Umgegend und ihre Vorläufer. Zu ihrem 25jährigen Bestehen hg. im Auftrage des Vorstandes und des Aufsichtsrates von Paul Lange, Vorsitzender des Aufsichtsrates, Berlin 1924. [Bielefeld] Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bielefelder Konsumvereins 1892-1917, o.O. 1917. [Erlangen] Bericht zum 50jährigen Jubiläum der K O N S U M G E N O S S E N S C H A F T ERLANG E N E. G . M . B . H . , o.O. o.J. [Erlangen 1951]. [Essen] Bildliche Darstellungen des Bürger- und Arbeiter-Konsumvereins »Eintracht« e. G.m.b.H., Essen o.J. (1902?). [Essen] Zehn Jahre Bürger- und Arbeiterkonsumverein »Eintracht« e.G.m.b.H. 1902-1912, Essen 1912. [Esslingen] Denkschrift zum Vierzigjährigen Bestehen des Consum- und Sparvereins Esslingen 1865-1905. [Frankfurt am Main] XI. Geschäfts-Bericht und Lieferanten-Verzeichnis des Konsum-Vereins für Frankfurt a. M. und Umgegend, Frankfurt 1911. [Freiburg] Festschrift der Verbrauchergenossenschaft Freiburg i. Br. Zum Tag des 75jährigen Bestehens unserer Verbrauchergenossenschaft [ 1 8 6 5 - 1 9 4 0 ] , o.O. o.J. [ 1 9 4 0 ] . [Göttingen] Geschichte des Konsum-Vereins Göttingen 1866-1916. Verfaßt von H . Eggers (= Festschrift zum 50jähr. Jubiläum), Göttingen 1916. [Hamburg] Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« zu Hamburg, Geschäftsbericht für das 10. Geschäftsjahr 1908 mit einem Rückblick auf die zehnjährige Entwicklung der Genossenschaft von 1 8 9 9 - 1 9 0 9 , o.O. o.J. (Hamburg 1910). [Hamburg] Konsum-, Bau- und Sparverein »Produktion« Hamburg, Geschäftsbericht über das 22. Geschäftsjahr 1920 mit den Berichten der Handelsgesellschaft »Produktion« m.b.H. in Hamburg und der Bau- und Grundstückserwerbs-Gesellschaft »Produktion« m.b.H. in Altona. [Hannover] Hannoverscher Konsum-Verein, 25 Jahre 1888-1913. Geschäftsbericht für das Jahr 1 9 1 2 / 1 3 . [Köln] Festschrift zum 25jährigen Bestehen [ 1 9 0 2 - 2 7 ] der Konsum-Genossenschaft »Eintracht« E.G.M.B.H. Köln, hg. vom Vorstand o.O. o.J. [1927], [Leipzig] Konsum-Verein Leipzig-Plagwitz und Umgegend E. G. Μ. Β. H., Bericht über das Geschäftsjahr 1 9 0 3 / 0 4 , 1 9 0 5 / 0 6 , 1 9 0 6 / 0 7 , 1 9 0 8 / 0 9 , 1 9 2 1 / 2 2 , 1 9 3 0 / 3 1 . [Mönchengladbach] Festschrift zur 25-Jahr-Feier [ 1 9 0 1 - 2 5 ] , hg. vom Vorstand der KonsumGenossenschaft »Eintracht«, Mönchengladbach 1926. [Mülheim] Geschäftsbericht der Konsum-Genossenschaft »Hoffnung«, Mülheim am Rhein über das dritte Geschäftsjahr vom 1. Juli 1903 bis zum 30. Juni 1904.

371

[München] Geschäfts-Bericht »Consumverein« Sendling-München für das siebzehnte Geschäftsjahr vom 1. Januar bis zum 3 1 . Dezember 1 9 0 3 ; . . . für das achtzehnte Geschäftsjahr vom 1. Januar bis zum 3 1 . Dezember 1 9 0 4 ; . . . über das 31. Geschäftsjahr 1. Juli 1 9 1 6 bis 3 0 . Juni 1 9 1 7 ; ... 3 9 . Geschäfts-Bericht über das Geschäftsjahr vom 1. Juli 1 9 2 4 bis 3 0 . Juni 1 9 2 5 ; . . . 4 1 . Geschäfts-Bericht 1 9 2 6 / 2 7 ; . . . Geschäfts-Bericht über das 4 2 . Geschäftsjahr vom 1. Juli 1 9 2 7 bis 3 0 . Juni 1 9 2 8 . [München] 1 8 8 6 - 1 9 8 6 . Konsumverein Sendling-München e. G m b H . 1 0 0 Jahre Dienst am Verbraucher, co-op Südbayern Verbraucher AG. [Neunkirchen]

Konsumgenossenschaft

»Asko«

Neunkirchen-Heinitz,

[Festschrift]

1 8 6 8 - 1 9 5 3 , 8 5 Jahre. [Nürnberg-Fürth] 2 5 Jahre Konsum-Genossenschaft Nürnberg-Fürth und Umgegend. Jubiläums- und Jahresbericht. Den Gründern, Mitarbeitern und Mitgliedern gewidmet von der Gesamtverwaltung [ 1 9 0 2 - 2 7 ] . [Nürnberg-Fürth] Konsumgenossenschaft Nürnberg-Fürth und Umgegend E . G . M . B . H . , Bericht über das Geschäftsjahr 1 9 3 0 / 3 1 . [Osnabrück] 2 0 Jahre Konsum- und Sparverein für Osnabrück und Umgegend 1 9 0 7 / 2 7 , Hamburg o.J. [Osnabrück] Konsum-Verein »Vorwärts« für Osnabrück und Umgegend E . G . M . B . H . , Jahresbericht über das zweite Geschäftsjahr umfassend die Zeit 1. Oktbr. 1 9 0 8 bis 3 0 . Septbr. 1 9 0 9 , Hannover 1 9 0 9 . [Rheinisch-Bergisch] 3 0 Jahre [ 1 9 0 1 - 3 1 ] Dienst am Volke. Eine Festschrift der RheinischBergischen Konsumgenossenschaft E . G . M . B . H . »Hoffnung«. [Saarbrücken] ASKO Konsumgenossenschaft A S K O E G M B H Saarbrücken, Geschäftsbericht 1947. [Stuttgart] Denkschrift zum Vierzigjährigen Bestehen des Spar- & Consum-Vereins Stuttgart 1864-1904. [Stuttgart] Spar- und Konsumverein Stuttgart, Jahres-Bericht des Vorstandes und Aufsichtsrats über das 55. Geschäftsjahr 1 9 1 9 , Stuttgart. [Stuttgart] Spar- & Konsum-Verein Stuttgart, Jahres-Bericht des Vorstands und Aufsichtsrates für das 4 6 . Geschäftsjahr, Stuttgart 1 9 1 0 . [Wien] Geschäftsbericht über das Geschäftsjahr 1 9 1 9 - 1 9 2 0 . Erster niederösterreichischer Arbeiter-Konsumverein r.G.m. und. Haft. Wiener Haushaltsverband (K.V. »Vorwärts«) r. G. m. b. H . , Spar- und Konsumverein Fünfhaus r.G.m. und. Haft. Arbeiter-Konsumverein Donaustadt r. G. m.

Archiv und Bibliothek des Deutschen Gewerkschaflsbundes Düsseldorf

(Bundesvorstand),

Periodika.

Bibliothek des Altonaer Museums,

Altona

Periodika.

Bibliothek des Instituts ßir das Genossenschaftswesen an der Universität Münster Periodika, Spezialliteratur.

372

Nachlaß

Klaus Novy,

Köln

Verschiedenes Sammlung zur Genossenschaftsgeschichte, Periodika, Broschüren, (z.T. in Fotokopie), Fotomaterial etc. Schwerpunkt: Gebiet des heutigen Landes Nordrhein-Westfalen. Stadtarchiv

Eilenburg

Ungedrucktes Material Akten des Magistrates betr. Eilenburger Lebensmittelassociation, Periodika. Staatsarchiv

Münster

Ungedrucktes Material Oberpräsidum 24. Rep. Β 120,1, Ld. Nr. 3 6 5 , 1 1 2 , 367, 3 6 6 , 3 6 9 , 3 6 8 , 3 7 1 , 3 7 2 , 373, 374, 376, 377, 380, 381, 382, 375, 378. Rep. Β 120,2 LIII Arbeiter, 2510. Rep. Β 120,2 LH Versicherung, 3837. Rep. Β 120,2 L Volkswirtschaft, 2755, 4153. Rep. Β 120,2 XLVIII Gewerbe, Fortbildungsschulen, 1180, 2778. Rep. B. 120,2 LV, Versorgungswesen, 2512, 2493, 2494, 2490. Rep. Β 120,2 XLVII Handel, 752,753, 754, 755, 756. Staatsarchiv

Detmold

Ungedrucktes Material Reg. Minden, M1TU, Handels- und Gewerbeverwaltung, 5 3 - 6 6 , 67, 84, 85, 86, 178, 179, 242, 243. Lebens- und Genußmittel, 683. Genossenschaften usw., 1234, 1235, 1236, 1237, 1238. Handels- und Gewerbeaufsicht, 1239, 1240, 1241, 1242, 1245, 1246, 1325. Polizei, Μ 1 I P, Bau und Einrichtung von Warenhäusern (1899-1932), 1150. Stadtarchiv

Bielefeld

Statut des Bielefelder Konsum-Vereins, o.O. o.J. (Bielefeld 1932). Jahresberichte des Bielefelder Konsumvereins: 1918, 1923/24, 1925/26-1927/28, 1929/ 30-1930/31.

373

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400

Register

1. Orte Aachen 202 Aberdeen 98 Adorf 131 Almondbury 80 Altona 138, 140 Annaberg 131 Auerbach 131 Augsburg 138 Ayreshire 42 Baden 246, 284f. Bannockburn 71 Barham Downs 50 Bayern 137, 235,239, 246, 281, 284f. Belgien 15, 120 Belper 80 Berlin 31ff., 120, 122ff., 130ff., 147, 154, 160, 176, 179, 207f., 234, 238, 249, 254, 257, 259f. Bethnal Green 80 Beverley 50 Bielefeld 11,256 Billingsgate 85 Bingley 71 Birmingham 50, 80, 87 Brandenburg 31, 124,215, 228, 239, 259 Braunschweig 119, 246, 284, 286 Brentford 50 Breslau 124, 188, 215 Bridgeton 297 Brighton 79f. Bristol 80 Buer 235 Cannstadt 124 Canterbury 80 Chatham 51 Chemnitz 131, 140, 175, 186, 188, 231, 251,270,276 Cheshire 67 Chisleshurst 50 Congleton 80

Covent Garden 85 Cumberland 63 Delitzsch 138f., 153, 156f., 159f. Deutschland 1 5 , 2 0 , 2 2 , 2 5 , 3 5 , 4 4 , 8 4 , 1 0 3 , 106, 109, 128, 222f., 225, 230, 236, 241, 255, 270, 272, 274, 282f., 292f., 300ff. Derby 80, 104 Derbyshire 80 Devonport 50 Donaueschingen 221 Dresden 251 Duffield 80 Duisburg 180 Durham 53, 63 Edinburgh 46 Eilenburg 11, 138ff., 145ff., 159ff., 184, 213 Elberfeld 1 2 1 , 1 3 8 , 1 6 8 England 14f., 20, 22, 25, 31, 33, 35ff., 44, 65, 81f., 103f., 106ff., 113, 116, 118, 128, 130,133, 135,138, 141,169, 213, 243, 258, 270, 274, 277, 279f., 282, 292ff., 300ff. Erfurt 138 Erlangen 117, 138,140 Essen 171, 235 Esslingen 138, 140 Fenwick 42, 49 Flöha 131 Frankenberg 131 Frankfurt/M. 126, 138 Frankfurt/O. 124, 126, 138 Frankreich 15, 75, 113, 120, 132f., 141, 222, 294 Gera 131 Glauchau 131, 138 Gmünd 124

401

Göppingen 124 Görlitz 215 Govan 42 Greenwich 80 Großbritannien 9 2 , 9 6 , 1 8 0 , 222, 237,282, 284 Hagen 109 Halifax 81 Hamburg 124f., 138ff., 143f., 161ff., 239ff., 246, 254f., 258, 261ff., 270f., 274, 278, 283, 287 Hampstead 80 Hannover 246, 259 High Royd 80 Hoxton New Town 80 Hull 50, 52 Iserlohn 266 Italien 15 Jena 249 Kent 50 Kidderminster 80 Kiel 131, 138 Kingstanley 80 Kirk Heaton 80 Kirkby 88 Kopenhagen 294 Krefeld 179 Kreuznach 287 Lancashire 51, 65, 67, 81, 86, 91, 297 Larkhall 42f. Leeds 51, 68, 80 Leicestershire 46 Leipzig 133,136, 138,146, 151,188, 231, 2 5 1 , 2 5 3 , 2 5 9 , 2 7 6 , 2 8 6 , 289 Leith 46 Lennoxtown 42 Limbach 131 London 11,59ff., 6 3 , 6 5 , 7 0 , 7 3 , 8 0 , 8 5 , 8 7 , 90, 96, 222 Loughborough 80 Ludwigsburg 124 Lüdenscheid 185, 266 Magdeburg 174,182,205,215f., 224,227, 244, 259 Mainz 178 Manchester 11, 39, 58, 68, 80, 83, 223 Mannheim 224 Mary-le-bone 80 Meerane 131

402

Merseburg 147 Mittweida 131 Mongewell 42 Mountsorrel 46 Mülhausen 22, 294 München 1 7 4 , 1 8 2 , 2 0 5 , 215 Münster 11 Mylau 240 Nassau 246 Nehren 124 Netschkau 240 Neustadt 174, 182, 205, 215 New Lanark 57f., 73, 294 Newport Pagneil 50 Niederwürschnitz 138 Nottingham 80 Nürnberg 27 Oederan 131 Österreich 15 Ostpreußen 240 Oxford 42 Pforzheim 266 Plagwitz 253, 2 5 9 , 2 7 6 , 2 8 6 , 289 Plauen 240 Polen 114 Pommern 240 Posen 240 Preußen 38, 110, 114ff., 120, 123, 145, 148, 213, 223, 235, 240, 284f. Preston 80 Quorndon 46 Reichenbach 240 Rheinland 238f., 281, 288 Rheine 108 Ripponden 95 Rixdorf 261f. Rochdale 40f., 67ff., 72ff., 78, 85f., 90, 112, 141, 159, 163, 172f., 232, 294f., 297 Rosenheim 199, 215 Rostock 227 Rothley 46 Rüdersdorf 197 Schlesien 229, 239 Schottland 46, 98 Schweidnitz 260 Schweiz 15,120, 132, 141 Shadwell 80 Sheerness 50

Sheffield 46 Sileby 46 Sindelfingen 124 Skandinavien 15 Smithfield 85 Stanford/Hall 11 Stepney 80 Stettin 124 Stollberg 132 Stuttgart 124, 126, 138, 174, 188, 215 Thalheim 132 Thüringen 207,215, 246, 281 Toadlane 40 Tschechoslowakei 15 Tumbridge 80 Uley 80

Wales 15, 38, 82,107f. Waterloo 55 Wattenscheid 235 Werdau 132 Westpreußen 240 West-Riding 67, 81 Westfalen 239, 281, 288 Whitby 50 White Chapel 80 Witten 172, 180 Wolverhampton 51 Woolwich 51 Worcester 80 Worthing 80 Württemberg 120, 124, 235, 246, 281, 284f. York 100

Ulm 120,124ff., 182

Yorkshire 5 1 , 6 5 , 8 1

Waldshut 182

Zschopau 132

2. Personen Accum, F. 64, 73 Arons, L. 259 Bernstein, E. 259 Blackstone, W. 36 Booth, C. 103 Born, S. 136 Braun, Η. 259 Brentano, L. 34 Cassau, Th. 282 Cobbett, W. 59 David, G. 259 Delbrück, C. v. 230 Dürkopp 256 Elm, A. v. 258, 290 Engels, F. 292, 294 Etherington, Η. 52 Fourier, C. 22 Francke, E. 282 Friedrich II 114f. Fritzsche, A. 150f., 159 Gangloff, C. 146 Göhre, P. 263

Haas, W. 32, 294 Harkort, F. 2 8 , 1 0 9 , 1 1 6 Hengstenberg 256 Hirsch, Μ. 34 Holyoake, G. J. 40f., 94 Huber, V. A. 34, 136, 259 King, W. 60ff., 79, 297 Krupp, A. 57, 171 Landauer, G. 259 Lange, F. Α. 180 Lassalle, F. 136, 246 Liedke, G. S. 119ff., 131ff., 140, 178f. 252 Michels, R. 273ff. Mill, J. S. 83, 103 Moser, J. 115 Oppenheimer, F. 259 Oppermann, G. 216, 259 Owen, R. 40,57ff., 66ff., 7 9 , 8 1 , 8 3 , 8 7 , 9 0 . 94, 98, 1 0 3 , 1 3 3 , 1 4 4 , 297 Parisius, L. 33, 172, 208 Pfeiffer, E. 34, 180, 223 Prittwitz von 124, 178

403

Raiffeisen, F.-W. 32, 294 Richter, Ε. 172, 180

Spiethoff 172,180 Streit, F. 168

Scheidemann, P. 236 Schneider, F. 209 Schulze-Delitzsch, H. 18, 22, 31, 34, 141, 153, 159f., 167f., 180, 208f., 211, 218, 224f., 228, 2 3 7 , 2 5 3 , 259, 294, 303 Smiles, S. 94, 103 Smith, A. 113

Thompson, Ε. P. 20, 5 2 , 1 1 3

404

Watt, J. 51 Webb, Β. 41, 95f. Webb, S. 90, 95f. Weitling, W. 132 Wichern, J. 34