Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz [5. Aufl.] 9783814557335

Die zunehmende Bedeutung der Unternehmensfortführung in der Insolvenz wirft auch Fragen der persönlichen Haftung des Ins

186 106 988KB

German Pages 184 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz [5. Aufl.]
 9783814557335

Citation preview

Wolfgang Lüke Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz

RWS-Skript 267

Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz Aktuelle Probleme

5., neu bearb. Auflage 2015

von Prof. Dr. Wolfgang Lüke, LL.M. (Chicago) Richter am Oberlandesgericht Dresden a. D.

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2015 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) zu vervielfältigen. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort Die vorliegende Bearbeitung bringt die Vorauflage aus dem Jahre 2011 auf den Stand vom Mai 2015. Sie berücksichtigt die in der Zwischenzeit ergangene Rechtsprechung und veröffentlichte Literatur. Letztere allerdings der Zwecksetzung des Bandes entsprechend nur zurückhaltend. Es versteht sich, dass das gesamte Insolvenzrecht aus dem Blickwinkel des Haftungsrechts dargestellt werden kann. Das aber ist nicht Aufgabe dieses Bandes. Die Darstellung hat zum Ziel, Haftungsgrundsätze zu vermitteln, um es dem Insolvenzverwalter zu ermöglichen, persönliche Haftungsrisiken zu erkennen und einschätzen zu können. Zur Erleichterung der Lektüre finden sich im Anhang zwei Übersichten sowie im Text angesprochene Vorschriften außerhalb von InsO und BGB. Der Autor dankt für die vielfältige Unterstützung bei Anfertigung des Manuskripts seinem Mitarbeiter, Herrn Ass. jur. Alexander Scherz.

Dresden, im Juni 2015

Wolfgang Lüke

V

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort ............................................................................................................ V Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ XI Literaturverzeichnis .................................................................................. XVII I.

Einleitung ..................................................................................... 1 ........ 1

1.

Aktualität des Themas .................................................................. 1 ........ 1

2.

Systematik der Insolvenzverwalterhaftung ................................. 8 a) Sonstige aufsichtsrechtliche Mittel ...................................... 8 b) Insolvenzzweckwidriges Handeln des Verwalters ............ 29 c) Unterscheidung Massehaftung/Verwalterhaftung ............ 47 d) Eigene vertragliche Verpflichtung des Verwalters ............ 66 e) Die Haftung nach allgemeinen Regeln und nach §§ 60 f. InsO ........................................................................ 79

........ 2 ........ 2 ........ 6 ........ 9 ...... 12 ...... 13

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen ........................................... 92 ...... 17 1.

Aufbau der Regelungen .............................................................. 92 ...... 17 a) Unterscheidung der beiden gesetzlichen Haftungstatbestände ........................................................... 92 ...... 17 b) Unterscheidung Innenhaftung und externe Verantwortlichkeit .............................................................. 96 ...... 17

2.

Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht ................................ a) Pflichten gegenüber den Aussonderungsberechtigten ... b) Pflichten gegenüber Absonderungsberechtigten ............ c) Haftung gegenüber Massegläubigern ............................... aa) Unterscheidung von Gläubigergruppen ................... bb) Besonderheiten bei Masseunzulänglichkeit ............. cc) Weitere Pflichten gegenüber Massegläubigern ........ dd) Abdingbarkeit der Haftung ...................................... d) Pflichten gegenüber Insolvenzgläubigern ........................ e) Pflichten gegenüber dem Schuldner ................................. f) Pflichten gegenüber sonstigen Beteiligten ...................... g) Haftung des Insolvenzverwalters während des Planverfahrens ...................................................................

3.

103 109 137 177 177 181 198 202 205 248 256

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

18 19 23 30 30 31 35 35 36 43 45

258 ...... 45

Verschulden .............................................................................. 273 ...... 47 a) Verschuldensmaßstab ....................................................... 273 ...... 47 VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

b) Haftung für Erfüllungsgehilfen ........................................ 282 ...... 49 c) Verschulden und Zustimmung eines Gläubigerorgans ... 289 ...... 50 4.

Schaden ...................................................................................... 298 ...... 51 a) Unterscheidung Einzelschäden – Gesamtschaden .......... 298 ...... 51 b) Ersatz des negativen Interesses ........................................ 326 ...... 56

5.

Verjährung ................................................................................ 334 ...... 58

6.

Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter ................................................................................... a) Unterscheidung der bürgerlich-rechtlichen Haftung und jener nach InsO ......................................................... b) Haftung wegen Eingehung neuer Verbindlichkeiten nach § 61 InsO .................................................................. aa) Erfordernis der Begründung einer Masseverbindlichkeit durch Rechtshandlung ..................... bb) Unterlassen der Kündigung ...................................... cc) Masseschuldbegründung durch Verursachung von Verfahrenskosten ....................................................... dd) Entlastungsbeweis gem. § 61 S. 2 InsO ....................

341 ...... 60 350 ...... 61 379 ...... 66 387 ...... 68 399 ...... 70 401 ...... 70 417 ...... 73

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters ..................... 460 ...... 81 1.

Haftung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters ........... 460 ...... 81

2.

Haftung des schwachen vorläufigen Verwalters ..................... 462 ...... 81 a) Umfang der Haftung ........................................................ 462 ...... 81 b) Besonderheiten bei Eingehung von Masseverbindlichkeiten aufgrund einer Ermächtigung ............................... 469 ...... 83

3.

Probleme bei von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen ............................................ 479 ...... 84

4.

Lastschriftverfahren .................................................................. 484 ...... 85

5.

Einstandserklärungen des schwachen vorläufigen Verwalters ................................................................................. 521 ...... 93

6.

Verpflichtung zur Erhaltung der Masse .................................. 522 ...... 94

IV. Sachwalterhaftung und Haftung des eigenverwaltenden Schuldners ................................................................................ 529 ...... 97 1.

Veränderungen mit Anordnung der Eigenverwaltung ........... 530 ...... 97

2.

Übertragung der Haftungsgrundsätze auf den eigenverwaltenden Schuldner ........................................................... 537 ...... 98

3.

Binnenhaftung der Gesellschaft im Falle der Eigenverwaltung ....................................................................... 558 .... 102

VIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten ........................................................................ 562 .... 105 1.

2.

Haftung bei Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten ............. a) Haftung nach § 60 InsO ................................................... b) Haftung nach § 61 InsO ................................................... c) Recht zur Freistellung ...................................................... d) Rechtwegzuständigkeit für Haftung nach §§ 60, 61 InsO ................................................................... Haftung für Verletzung sozialrechtlicher Pflichten ............... a) Kein insolvenzspezifischer Charakter sozialrechtlicher Normen ............................................................................. b) Haftung nach § 321 SGB III ............................................ c) Überzahlungen .................................................................. d) Geltendmachung der Haftung ......................................... e) Pflicht zur Abführung von Sozialabgaben des (starken vorläufigen) Insolvenzverwalters ......................

562 562 579 586

.... .... .... ....

105 105 107 108

591 .... 109 598 .... 110 598 600 604 607

.... .... .... ....

110 111 111 112

611 .... 112

VI. Abgabenrechtliche Haftung gem. § 69 AO .......................... 624 .... 115 VII. Versicherungsschutz des Insolvenzverwalters .................... 644 .... 121 VIII. Pflichtigkeit des Verwalters nach Ordnungsrecht ............ 658 .... 125 Anhang Anhang 1 – Übersicht: Persönliche Haftung des Verwalters ..................... 131 Anhang 2 – Übersicht: Bürgerliche und insolvenzrechtliche Haftung des Verwalters im Vergleich ........................................................... 133 Anhang 3 – Gesetzestexte ............................................................................ 135 AO (Auzug) ............................................................................. 135 BBodSchG (Auzug) .................................................................. 137 BImSchG (Auzug) .................................................................... 139 InsVV (Auzug) ......................................................................... 140 KrWG (Auzug) ......................................................................... 141 PatG (Auzug) ........................................................................... 143 SGB III (Auzug) ....................................................................... 144 SGB IV (Auzug) ........................................................................ 148 Insolvenzgeld-DA, DA Verfahren (Auzug) ........................... 149 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 151

IX

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Auffassung

a. a. O.

am angegebenen Ort

abl.

ablehnend

Abs.

Absatz

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

AFG

Arbeitsförderungsgesetz

AG

Amtsgericht/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AktG

Aktiengesetz

allg.

allgemein(es)

Anm.

Anmerkung

Anm. d. Verf.

Anmerkung des Verfassers

AO

Abgabenordnung

ArbG

Arbeitsgericht

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz

ARGE

Arbeitsgemeinschaft

Aufl.

Auflage

AVB-RSW

Allgemeine Versicherungsbedingungen sowie Riskobeschreibungen zur VermögensschadenHaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BB

Betriebsberater (Zeitschrift)

BBodSchG

Bundes-Bodenschutzgesetz

Bd.

Band

BeckRS

Beck-Rechtsprechung (beck-online)

Beschl.

Beschluss

bes.

besondere

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

XI

Abkürzungsverzeichnis

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

DA

Durchführungsanweisung

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

d. i.

das ist

dies.

dieselbe/dieselben

DM

Deutsche Mark

DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

EU

Europäische Union

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

f.

folgende (Singular)

ff.

folgende (Plural)

FG

Finanzgericht

FS

Festschrift

gem.

gemäß

GenG

Genossenschaftsgesetz

ggf.

gegebenenfalls

ggü.

gegenüber

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GS

Gedächtnisschrift

XII

Abkürzungsverzeichnis

HGB

Handelsgesetzbuch

Hlbs.

Halbsatz

h. M.

herrschende Meinung

HSOG

Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung

i. I.

in Insolvenz

insb.

insbesondere

InsO

Insolvenzordnung

InsVV

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung

i. S. d.

im Sinne der/des

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

jurisPR-InsR

juris Praxis-Report Insolvenzrecht

KG

Kammergericht

KO

Konkursordnung

krit.

kritisch

KrW-/AbfG

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

KrWG

Kreislaufwirtschaftsgesetz

KTS

Konkurs, Treuhand, Sanierung (Zeitschrift)

LAG

Landesarbeitsgericht

LG

Landgericht

LMK

Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring

m.

mit

m. Anm.

mit Anmerkung

Mio.

Millionen

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJOZ

Neue juristische Online Zeitschrift (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

Nr.

Nummer

XIII

Abkürzungsverzeichnis

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht

NZA-RR

Neue Zeitschrift für Arbeits- und SozialrechtRechtsprechungsreport

NZI

Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht

OLG

Oberlandesgericht

PatG

Patentgesetz

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

Rn.

Randnummer

RVO

Reichsversicherungsordnung

Rz.

Randziffer

s.

siehe

S.

Seite/Satz

Sächs.

Sächsisch(es)

SächsVBl.

Sächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

SGB III

Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung

SGB IV

Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung

SGB X

Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz

sog.

sogenannt(e)

std. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StGB

Strafgesetzbuch

StrlSchV

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung)

u. a.

unter anderem

unstr.

unstreitig

UPR

Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift)

Urt.

Urteil

USt.

Umsatzsteuer

usw.

und so weiter

v.

vom

Verf.

Verfasser

XIV

Abkürzungsverzeichnis

vertr.

vertraglich

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VIA

Verbraucherinsolvenz aktuell (Zeitschrift)

VwVG

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz

WM

Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht

WuB

Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht

z. B.

zum Beispiel

ZInsO

Zeitschrift für Insolvenzrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

zit.

zitiert

ZPO

Zivilprozessordnung

zust.

zustimmend(er)

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

ZWE

Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht (Zeitschrift)

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess

XV

Literaturverzeichnis Adam Die Prozessführung des Insolvenzverwalters, DZWIR 2006, 321 Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier) Andresen/Schaumann Die D&O-Versicherung: Fluch oder Segen für den Insolvenzverwalter?, ZInsO 2010, 1908 Antoni Die Haftung des Insolvenzverwalters für unterlassene Sanierungsmaßnahmen und gescheiterte Sanierungspläne, NZI 2013, 236 Bärmann Wohnungseigentumsgesetz, 12. Aufl., 2013 (zit. Bearbeiter, in: Bärmann, WEG) Bäumer Haftung bei Widersprüchen gegen Lastschrifteinzüge durch vorläufige Insolvenzverwalter, ZInsO 2011, 1857 F. Baur Die Eigenhaftung des Konkursverwalters bei Fortführung des gemeinschuldnerischen Betriebs, in: Gedächtnisschrift für R. Bruns, 1980, S. 241 (zit.: F. Baur, GS R. Bruns) Berger Die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Prozessgegner bei erfolgloser Prozessführung für die Masse, KTS 2004, 185 ders. Die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Rahmen der Haftungserklärung nach § 35 Abs. 2 InsO, ZInsO 2008, 1101 Berger/Frege Business Judgment Rule bei Unternehmensfortführung in der Insolvenz – Haftungsprivileg für den Verwalter?, ZIP 2008, 204 Berger/Frege/Nicht Unternehmerische Ermessensentscheidung im Insolvenzverfahren – Entscheidungsfindung, Kontrolle und persönliche Haftung, NZI 2010, 321 Blersch/Goetsch/Haas Berliner Praxiskommentar, Insolvenzrecht, Stand 11/14 (zit.: Blersch/Goetsch/Haas/Bearbeiter, InsO)

XVII

Literaturverzeichnis

Bönner Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Insolvenzverwalters im Vergleich mit anderen gesetzlich geregelten Vermögens-Verwaltern, 2009 Brand/Wostry Der Insolvenzverwalter als tauglicher Täter des § 299 Abs. 1 StGB bei Schmiergeldzahlungen, ZInsO 2008, 64 Braun Insolvenzordnung, 6. Aufl., 2014 (zit.: Braun/Bearbeiter, InsO) Brinkmann/Zipperer Die Eigenverwaltung nach dem ESUG aus Sicht von Wissenschaft und Praxis, ZIP 2011, 1337 Buchta/Ott Business Judgement Rule in der Eigenverwaltung – eine Betrachtung 3 Jahre nach Inkrafttreten des ESUG, ZInsO 2015, 288 Büchler Haftungsrisiken bei „faktischer Masseunzulänglichkeit“, ZInsO 2011, 1240 Dahl Pauschaler Widerruf von Einzugsermächtigungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter, NZI 2005, 102 Desch Schutzschirmverfahren nach dem RegE-ESUG in der Praxis, BB 2011, 841 Eckert Konkursforderungen und Masseschulden bei Erfüllung und Abwicklung von Mietverhältnissen, ZIP 1983, 770 Ehlers Haftungsgefahren des zukünftigen Insolvenzverwalters, ZInsO 1998, 356 ders. Haftungsprävention – ein Gebot für Insolvenzverwalter, ZInsO 2011, 458 Ehrenberg Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters, 2008 Ehricke Anforderungen an den Insolvenzverwalter bei der Veräußerung des Unternehmens aus einer beihilfeninfizierten Masse zum Schutz des Erwerbers vor Rückforderungsansprüchen, ZInsO 2005, 516 Erker Die Business Judgment Rule im Haftungsstatut des Insolvenzverwalters, ZInsO 2012, 199 Eyber Lastschrift und Insolvenz – Durchbruch in Rechtsprechung und Praxis oder unendliche Geschichte?, ZInsO 2010, 2363 XVIII

Literaturverzeichnis

Feser Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, in: Festschrift für Runkel, 2009, S. 41 (zit.: Feser, FS Runkel) Feuerborn Der Widerspruch gegen Lastschriften durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter, ZIP 2005, 604 Fischer, G. Widerspruch des Insolvenzverwalters im Lastschriftverkehr, in: Festschrift für Gerhardt, 2004, S. 223 (zit.: Fischer, FS Gerhardt) ders. Haftungsrisiken für Insolvenzverwalter bei unterlassener Inanspruchnahme gewerblicher Prozessfinanzierung, NZI 2014, 241 Fischer, P. Die Einzugsermächtigung in der Insolvenz des Schuldners – eine „Dauerbaustelle“ verändert sich, ZInsO 2011, 1762 Flitsch Zur Frage der pauschalen Widerrufsmöglichkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters gegen die im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgte Kontobelastung des Schuldners, BB 2005, 17 Frege Der Sonderinsolvenzverwalter, 2008 Frege/Nicht Die Anwendung der Business Judgment Rule auf unternehmerische Ermessensentscheidungen des Insolvenzverwalters, in: Festschrift für Wellensiek, 2011, S. 291 (zit.: Frege/Nicht, FS Wellensiek) Frind Lastschrift-„Widerruf“ der Mietzahlung in der Insolvenz des Mieters, Eine Folgenbetrachtung für die Praxis, NZM 2009, 688 ders. Haftungsgefahren für den vorläufigen Sachwalter in Eigenverwaltungsund Schutzschirmverfahren – Eine Betrachtung aus insolvenzgerichtlicher Sicht, NZI 2014, 977 Ganter Die Rückbuchung von Lastschriften auf Betreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters – Bestandsaufnahme nach dem Urteil des BGH vom 4. November 2004 und Ausblick, WM 2005, 1557 ders. Besondere Haftungsrisiken des Insolvenzverwalters bei der Verwertung von Sicherungsgut, in: Festschrift für Wellensieck, 2011, S. 399 (zit.: Ganter, FS Wellensiek)

XIX

Literaturverzeichnis

ders. Das personengebundene Massedarlehen, ZIP 2013, 597 Gehrlein Abberufung und Haftung von Insolvenzverwaltern, ZInsO 2011, 1714 Gerhardt Neue Probleme der Insolvenzverwalterhaftung, ZInsO 2000, 574 Gottwald (Hrsg.) Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Gottwald) Graf-Schlicker (Hrsg.) Insolvenzordnung, 4. Aufl., 2014 (zit.: Graf-Schlicker/Bearbeiter, InsO) Grote Lastschriftwiderruf bei natürlichen Personen – ein Hamburger Modell, ZInsO 2009, 9 Grub Der Regierungsentwurf der Insolvenzordnung ist sanierungsfeindlich!, ZIP 1993, 396 Gundlach/Frenzel/Jahn Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit und die Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 60 InsO, DZWIR 2011, 177 Haas/Scholl Hinweispflicht und Hinweisrecht auf alternative Verwertungsmöglichkeiten gem. § 168 InsO, NZI 2002, 642 Hadding Kann der Insolvenzverwalter ohne anerkennenswerte Gründe Kontobelastungen wegen eingelöster Einzugsermächtigungslastschriften widersprechen?, WM 2005, 1549 Häsemeyer Insolvenzrecht, 4. Aufl., 2007 ders. Die Behandlung der Klage auf Auskunft im Konkurse, ZZP 80 (1967), 263 Hees Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO auch bei Sekundäransprüchen?, ZIP 2011, 502 Heinrich/Ehrenberg Ungerechtfertigte Bereicherung der Masse – Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters?, in: Festschrift für Ganter, 2010, S. 489 (zit.: Heinrich/Ehrenberg, FS Ganter) Hess Insolvenzordnung, 2. Aufl., 2013 (zit.: Hess/Bearbeiter, InsO)

XX

Literaturverzeichnis

Hill Das Eigenverwaltungsverfahren des Diskussionsentwurfs des BMJ im Spannungsfeld zwischen Sanierungsinteresse und Gläubigerschutz, ZInsO 2010, 1825 Hirte Handels-, gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten in der Insolvenz, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 533 (zit.: Hirte, FS Schneider) Hölzle Gesellschaftsrechtliche Veränderungssperre im Schutzschirmverfahren, ZIP 2012, 2427 Hofmann Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, 2005 Huhn Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, 2003 Jacoby Die Insolvenzfestigkeit von Lastschriften gestern, heute und morgen, ZIP 2010, 1725 Jaeger Insolvenzordnung, 1. Aufl., 2004 ff. (zit.: Jaeger/Bearbeiter, InsO) ders. Konkursordnung, 9. Aufl., 1987 (zit.: Jaeger/Bearbeiter, KO) Jungmann Grenzen des Widerspruchsrechts des Insolvenzverwalters beim Einzugsermächtigungsverfahren, NZI 2005, 84 ders. Die Business Judgment Rule im Gesellschaftsinsolvenzrecht, NZI 2009, 80 Kebekus/Zenker Business Judgment Rule und Geschäftsleiterermessen – auch in Krise und Insolvenz?, in: Festschrift für Maier-Reimer, 2010, S. 319 (zit.: Kebekus/Zenker, FS Maier-Reimer) dies. Das Gesellschaftsorgan als Insolvenzverwalter? – Zur Haftungssituation in bei der Eigenverwaltung, in: Festschrift für Kübler, 2015, S. 331 (zit.: Kebekus/Zenker, FS Kübler) Kessler Die Aktiengesellschaft in der Eigenverwaltung, 2006 Kilger/K. Schmidt Insolvenzgesetze, 17. Aufl., 1997

XXI

Literaturverzeichnis

H.-P. Kirchhof, Rechtsprobleme bei der vorläufigen Insolvenzverwaltung, ZInsO, 1999, 365 M. Kirchhof, Die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO gegenüber den Absonderungsberechtigten, 2004 Klöhn Gesellschaftsrecht in der Eigenverwaltung: Die Grenzen des Einflusses auf die Geschäftsführung gemäß § 276a Satz 1 InsO, NZG 2013, 81 Knees/Kröger Zum Umgang der Bank mit pauschalen Widersprüchen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gegen Belastungen aufgrund Einzugsermächtigungslastschriften, ZInsO 2006, 393 Köhler Lastschriftverfahren in der Insolvenz des Schuldners, 2010 Koenig (Hrsg.) Abgabenordnung, 3. Aufl., 2014 (zit.: Koenig/Bearbeiter, AO) Kreft (Hrsg.) Insolvenzordnung, Heidelberger Kommentar, 7. Aufl., 2014 (zit.: HK-InsO/Bearbeiter) Krüger/Kaufmann Exklusivität und Deal Protection beim Unternehmenskauf vom Insolvenzverwalter, ZIP 2009, 1095 Kübler (Hrsg.) Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, Eigenverwaltung und Insolvenzplan, 2. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: HRI) Kübler/Prütting/Bork Kommentar zur Insolvenzordnung, Stand 02/15 (zit.: KPB/Bearbeiter, InsO) Kuder Die einheitliche Rechtsprechung des BGH zum Lastschriftwiderspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters und ihre Folgen für die Praxis, ZInsO 2010, 1665 Küpper/Heinze Das insolvenzrechtliche Instrument der Freigabe als Haftungsproblem des Insolvenzverwalters am Beispiel des Hausgeldes nach dem WEG, ZInsO 2010, 2009 Langen/Lang Auf dem Weg zur insolvenzfesten Lastschrift, NJW 2010, 3484

XXII

Literaturverzeichnis

J. Laws Keine Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO für ungerechtfertigte Bereicherungen der Masse und USt-Masseverbindlichkeiten, ZInsO 2009, 996 R. Laws Die Haftung des Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit – gescheiterten – Anträgen auf Gewährung von Insolvenzgeld, ZInsO 2009, 57 Lissner Das Amt des Insolvenzverwalters – lukrative oder in erster Linie riskante, haftungsrelevante Tätigkeit?, DZWIR 2013, 159 Lüke Die persönliche Haftung des Konkursverwalters, 1986 ders. Der Sonderinsolvenzverwalter, ZIP 2004, 1693 ders. Der Hausgeldanspruch in der Insolvenz des Wohnungseigentümers, in: Festschrift für H.-P. Kirchhof, 2003, S. 287 (zit.: Lüke, FS Kirchhof) ders. Freigabe und was dann? Zu den materiellrechtlichen Folgen der Freigabe der Wohnung in der Insolvenz ihres Eigentümers, in: Festschrift für Wenzel, 2005, S. 235 (zit.: Lüke, FS Wenzel) ders. Beitragsforderungen in der Insolvenz des Wohngeldschuldners, ZWE 2010, 62 A. Maier Lastschriftverfahren und Insolvenz, 2011 Marotzke Das deutsche Insolvenzverfahren: ein Hort institutionalisierter Unverantwortlichkeiten?, KTS 2014, 113 Matthes/Henke Die Kollision von umweltrechtlicher Gefahrenabwehr und Insolvenzrecht, SächsVBl. 2011, 73 Meder Sonderstellung des Insolvenzverwalters im Einzugsermächtigungsverfahren?, NJW 2005, 637 Merz Die Haftung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters und des Sequesters aus der Sicht des BGH, KTS 1989, 277

XXIII

Literaturverzeichnis

Meyer/Schulteis Die Haftung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 60, 61 InsO bei der Fortführung von Unternehmen, DZWIR 2004, 319 Meyer-Löwy/Poertzgen Schranken und Beschränkbarkeit der Insolvenzverwalterhaftung aus §§ 60, 61 InsO, ZInsO 2004, 363 Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung 3. Aufl., 2013 (zit. MünchKomm-Bearbeiter, InsO) Nerlich/Römermann Insolvenzordnung, Stand 08/14 (zit.: Nerlich/Römermann/Bearbeiter, InsO) Nobbe/Ellenberger Unberechtigte Widersprüche des Schuldners im Lastschriftverkehr, sittliche Läuterung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter?, WM 2006, 1885 Oldiges Die Haftung des Insolvenzverwalters unter der Business Judgment Rule, 2011 von Olshausen Die Haftung des Insolvenzverwalters für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten und das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (§ 311a Abs 2 BGB nF), ZIP 2002, 237 Pape Zur Haftung des vorläufigen und des endgültigen Insolvenzverwalters aus § 61 InsO, in: Festschrift für H.-P. Kirchhof, 2003, S. 391 (zit.: Pape, FS Kirchhof) ders. Das Risiko der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO, ZInsO 2003, 1013 ders. Qualität durch Haftung? – Die Haftung des rechtsanwaltlichen Insolvenzverwalters, ZInsO 2005, 963 ders. Haftungsbewehrte Pflicht des Insolvenzverwalters zur Freigabe von Wohnungseigentum?, ZfIR 2007, 817 ders. Die Eigenverwaltung des Schuldners nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2009, S. 767 ders. Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Stärkung der Eigenverwaltung, ZInsO 2010, 1582

XXIV

Literaturverzeichnis

Pape/Graeber (Hrsg.) Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, 2009 (zit.: Bearbeiter, in: Pape/Graeber) Paulus Überlegungen zur Kontoführung eines Insolvenzverwalters, WM 2008, 473 Peschke Die Erfüllung der Valutaforderung im Einzugsermächtigungsverfahren, ZInsO 2006, 470 Rezbach Die Parallelität von Massehaftung und persönlicher Verwalterhaftung bei Versagen des Insolvenzverwalters, 2009 H. E. Richter Strafbarkeit des Insolvenzverwalters, NZI 2002, 121 Richter, M./Völksen Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters wegen unterbliebener Freistellung von Arbeitnehmern bei späterer Anzeige der Masseunzulänglichkeit, ZIP 2011, 1800 Ries Lastschriftwiderruf bei Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2009, 889 Ringstmeier/Homann Der Widerspruch gegen Lastschriften durch den Insolvenzverwalter – auch durch Schweigen?, NZI 2005, 492 dies. Die Fiktion der konkludenten Genehmigung und die Gefahr der Altfälle, ZInsO 2010, 2039 Röpke/Rothe Die Anfechtbarkeit der Abführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter als kongruente Deckung nach § 130 I Nr. 2 InsO, NZI 2004, 430 Schäfferhoff/Gerster Die Strafbarkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verfügungsbefugnis wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmersozialbeiträgen, ZIP 2001, 905 Schlegel Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, 1999 Schleich/Götz/Nübel Lastschriften in der Insolvenz – Rechtssicherheit durch die abgestimmten Entscheidungen des IX. und XI. Senates des BGH?, DZWIR 2010, 409

XXV

Literaturverzeichnis

A. Schmidt (Hrsg.) Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: HambKomm, InsO) K. Schmidt Insolvenzordnung, 18. Aufl., 2013 (zit.: K. Schmidt/Bearbeiter, InsO) ders. „Amtshaftung“ und „interne Verantwortlichkeit“ des Konkursverwalters – Eine Analyse des § 82 KO, KTS 1976, 200 ders. Aktienrecht und Insolvenzrecht, AG 2006, 597 ders. Keine Ordnungspflicht des Insolvenzverwalters? Die Verwaltungsrechtsprechung als staatliche Insolvenzbeihilfe für Umweltkosten, NJW 2010, 1489 ders. Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht im ESUG-Entwurf, BB 2011, 1603 N. Schmidt Die „strahlende“ Insolvenzschuldnerin – Haftungsrisiken und Gefahren für den Insolvenzverwalter im Bereich des Strahlenschutzes, ZInsO 2011, 614 Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Aufl., 2014 (zit.: Schönke/Schröder/Bearbeiter, StGB) Schoppmeyer Die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO – Kontinuität oder Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung?, in: Festschrift für Kreft, 2004, S. 525 (zit.: Schoppmeyer, FS Kreft) Schulte-Kaubrügger Kontoeinrichtung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter – Sonderkonto oder Anderkonto?, ZIP 2011, 1400 Schultz Die Haftung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2015, 529 Seidel/Hinderer Haftung des Insolvenzverwalters bei Masseunzulänglichkeit, NZI 2010, 745 dies. Haftung des Insolvenzverwalters bei Masseunzulänglichkeit, NJOZ 2010, 2048 Siemon Die Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung des VID – des Guten zu viel! Eine kritische Auseinandersetzung mit den GOI und der Prüfungsordnung des VID, ZInsO 2013, 666 XXVI

Literaturverzeichnis

Skauradszun/Schmidt, A.-K. Detailfragen zur steuerlichen Haftung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2014, 1784 Smid Die Haftung des Insolvenzverwalters in der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2009, S. 265 ders. Zahlung von Lästigkeitsprämien aus der Insolvenzmasse, DZWIR 2008, 501 Spickhoff Insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters, KTS 2000, 15 Spliedt Lastschriftwiderspruch – Masse und Insolvenzverwalterhaftung aus dem „Nichts“?, ZIP 2005, 1260 ders. Neues zum Lastschriftwiderspruch des Insolvenzverwalters?, NZI 2007, 72 Stahlschmidt Die Schwierigkeiten eines (Ander-)kontos, NZI 2011, 272 Stephan Der Lastschriftwiderruf im Insolvenzverfahren natürlicher Personen, VIA 2010, 73 Stephan/Riedel Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung, 2010 Ströhmann/Längsfeld Die Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung – Welche Neuerungen brachte § 276a InsO?, NZI 2013, 271 Stüdemann Der Konkursverwalter als Unternehmer, in: Einhundert Jahre Konkursordnung 1877 – 1977, 1977, S. 401 (zit.: Stüdemann, 100 Jahre Konkursordnung) Tetzlaff Lastschriftwiderruf durch den vorläufigen Insolvenzverwalter und kein Ende, ZInsO 2010, 161 Thole/Brünkmans Die Haftung des Eigenverwalters und seiner Organe, ZIP 2013, 1097 Uhlenbruck Insolvenzordnung, 14. Aufl., 2015 (zit.: Uhlenbruck/Bearbeiter, InsO)

XXVII

Literaturverzeichnis

ders. Insolvenzrecht – Haftung des Insolvenzverwalters, RdA 2008, 45 ders. Corporate Governance, Compliance and Insolvency Judgment Rule als Problem der Insolvenzverwalterhaftung, in: Festschrift für K. Schmidt, 2009, S. 1605 (zit.: Uhlenbruck, FS K. Schmidt) Vallender Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Konkursverwalterhaftung, ZIP 1997, 345 Wagner Der „Lastschrift-Friedensschluss“ vom 20.7.2010 und seine Auswirkungen auf die Insolvenzverwalterpraxis, NZI 2010, 785 ders. Handlungsoptionen des Insolvenzverwalters als Reaktion auf die neue Rechtsprechung des BGH zum Einzugsermächtigungsverfahren, ZIP 2011, 846 Webel Die Haftung des Insolvenzverwalters für Masseverbindlichkeiten im Rahmen des § 61 InsO, 2008 ders. Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO für ungerechtfertigte Bereicherungen der Masse und USt-Masseverbindlichkeiten, ZInsO 2009, 363 Weßeler/Schneider Die steuerliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt nach §§ 35, 69 AO wegen des Widerrufs einer genehmigten Lastschriftbuchung im Einzugsermächtigungsverfahren, ZInsO 2012, 301 Zimmermann Haftung und Versicherung im Insolvenzverfahren, NZI 2006, 386 Zipperer Das Insolvenzspezifische – auf den Spuren eines Begriffs, KTS 2008, 167

XXVIII

I. Einleitung 1. Aktualität des Themas Die Haftung des Insolvenzverwalters ist ein Problembereich, der sich nach 1 Jahren relativer Ruhe seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung einer hohen Aufmerksamkeit erfreut. Dies hängt möglicherweise mit einer gestiegenen Zahl von Haftungsfällen zusammen. Die Versuchung ist groß, den Insolvenzverwalter für die finanziellen Folgen wirtschaftlich fehlgeschlagener vertraglicher Beziehungen oder enttäuschter Erwartungen vom Insolvenzverfahren verantwortlich zu machen. Dies ist letztlich nichts Neues, sondern wurde bereits unter der Konkursordnung bemängelt. Gleichwohl haben sich gegenüber der Konkursordnung verschiedene Um- 2 stände geändert: x

die Haftungsvorschriften als solche,

x

die Pflichten des Verwalters, insbesondere soweit es die Betriebsfortführung betrifft,

x

die Möglichkeit eines Planverfahrens,

x

die zunehmende Bedeutung des Eröffnungsverfahrens,

x

das Amt des vorläufigen – starken, schwachen oder halbstarken – Verwalters

x

die Regelung zur Haftung des Gutachters.

Geblieben ist die Neigung der Gläubiger, die Risiken der Insolvenz auf ande- 3 re – hier den Verwalter – abzuwälzen. Der Verwalter wird dagegen – möglicherweise unwillkürlich – sich für Maßnahmen entscheiden, die eine möglichst geringe Gefahr der persönlichen Haftung mit sich bringen. So schon Stüdemann, 100 Jahre Konkursordnung, 401, 414 ff.; Ehlers, ZInsO 1998, 356, 357; Grub, ZIP 1993, 396; Meyer-Löwy/Poertzgen, ZInsO 2004, 363, 366; Vallender, ZIP 1997, 345, 349; Lissner, DZWIR 2013, 159.

So lässt sich im Zweifel leichter nachweisen, dass eine Betriebsfortführung zu 4 lange durchgeführt, als eine Liquidation des Unternehmens voreilig vorgenommen wurde. BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423; OLG München, Urt. v. 21.3.1997 – 14 U 520/96, NZI 1998, 84.

Teilweise wird auch heute noch das Risiko des Verwalters im Rahmen einer 5 Betriebsfortführung als nicht kalkulierbar angesehen. Meyer/Schulteis, DZWIR 2004, 319 ff. m. w. N.

1

I. Einleitung

6 Allerdings tragen die Regelungen der Insolvenzordnung zur Haftung des Insolvenzverwalters (und entsprechend des vorläufigen Verwalters und Sachwalters) grundsätzlich dem Gebot der Entsprechung von Herrschaft und Haftung Rechnung. Damit wird insoweit eine sinnvolle Verhaltenssteuerung erreicht. Gleiches lässt sich für die anderen handelnden Akteure nicht sagen. Zu dieser grundlegenden Frage: Marotzke, KTS 2014, 113 ff.

7 Mittelbar wirken sich auf die Haftung auch die Grundsätze aus, die sich die Verwalter zur Sicherstellung der Qualität der Verwaltung gegeben haben. Auch wenn diese Grundsätze keine Normqualität haben, so ist ihre Einhaltung doch ein Indiz für einen fehlenden Pflichtverstoß. Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung des Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. gem. Beschlussfassung vom 3.5.2013; hierzu Siemon, ZInsO 2013, 666.

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung a) Sonstige aufsichtsrechtliche Mittel 8 Die Haftung soll den Verwalter zur Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten veranlassen. Sie dient daher neben anderem demselben Zweck wie weitere aufsichtsrechtliche Mittel. Der Insolvenzverwalter unterliegt gem. § 58 Abs. 1 S. 1 InsO der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Kraft dieser Befugnis kann das Gericht den Insolvenzverwalter zur Beobachtung aller ihm von Gesetzes wegen obliegenden Pflichten anhalten. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399, 2401, dazu EWiR 2014, 787 (Römermann).

9 Nur im Wege der Aufsicht kann der Verwalter auch zur Beendigung des Verfahrens veranlasst werden. Der Schuldner hat daneben nicht etwa einen Anspruch auf Beendigung des Verfahrens. Auch das Recht auf Schadensersatz gem. § 60 InsO kann einen solchen Anspruch nicht begründen. AG Göttingen, Urt. v. 3.6.2009 – 21 C 24/09, ZIP 2009, 1633 = ZVI 2009, 462.

10 Das Gericht kann jederzeit von ihm Auskünfte, die Vorlage von Belegen oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen (§ 58 Abs. 1 S. 2 InsO). Dieser Aufforderung muss der Insolvenzverwalter kurzfristig nachkommen. Die Auskünfte müssen wahrheitsgemäß, vollständig und nachvollziehbar sein. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399, 2400.

11 Die Erfüllung dieser Aufgaben kann mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden (§ 58 Abs. 2 InsO).

2

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung

Des Weiteren ist das Gericht berechtigt, Bücher und Belege einzusehen und 12 den Kassenstand zu prüfen. Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter darüber hinaus aus wich- 13 tigem Grund aus dem Amt entlassen (§ 59 Abs. 1 S. 1 InsO). Hier allerdings muss das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die Entlassung des Verwalters muss erforderlich sein, da sein Verbleib im Amt nicht mehr vertretbar ist. Als milderes Mittel, das stattdessen vorgenommen werden kann, soll etwa eine engere Beaufsichtigung in Betracht kommen. Gehrlein, ZInsO 2011, 1714.

Der Bundesgerichtshof sieht die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrund- 14 satzes schon wegen des grundrechtlichen Schutzes der Ausübung des Verwalteramts als erforderlich an. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399, 2401.

Allein ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter ist 15 kein ausreichender Grund für eine Entlassung. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399, 2401.

Das entspricht den Grundsätzen bei der Bestellung des Insolvenzverwalters. 16 Vielmehr darf der Verwalter nur entlassen werden, wenn es aus dem Blickwinkel der Belange der Gläubiger und der Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung gerechtfertigt ist, da deren Beeinträchtigung feststeht. Die Rechtsprechung hat eine solche Beeinträchtigung in folgenden Fällen als gerechtfertigt angesehen: x

Vom Gericht auferlegte Handlungen werden trotz mehrmaliger Festsetzung und Bezahlung von Zwangsgeld nicht vorgenommen. BGH, Beschl. v. 12.1.2012 – IX ZB 157/11, ZIP 2012, 1092 (LS) = WM 2012, 280.

x

Forderungen der Masse gegen Dritte (Ehefrau und Tochter des Schuldners) werden nur verzögert verwertet. BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – IX ZB 44/09, NZI 2010, 998.

x

Beauftragung eines Drittunternehmens mit den übertragenen Zustellungen zu stark überhöhtem Entgelt. BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 25/11, NZI 2012, 247.

x

Unterlassene Mitteilung von Umständen, die eine ernstliche Besorgnis der Befangenheit begründet. BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 25/11, NZI 2012, 247.

3

I. Einleitung

x

Verlangen der Zahlung einer überhöhten Vergütung als Voraussetzung für die Vornahme übertragener Aufgaben. BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11, ZIP 2012, 583 = ZVI 2012, 274.

x

Vielzahl von Pflichtverletzungen, die als einzelne nicht, aber in der Summe durchaus eine Entlassung des Verwalters rechtfertigen können. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399, 2400.

17 Die Pflichtverletzungen müssen nicht notwendigerweise in dem konkreten Verfahren vorgenommen worden sein, um dessen Verwaltung es geht. BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, ZIP 2011, 671 = ZVI 2011, 167 = NZI 2011, 282, dazu EWiR 2011, 389 (Voß).

18 Vor Anordnung der Maßnahme ist dem Verwalter rechtliches Gehör zu gewähren. Die Anordnung setzt voraus, dass für das Insolvenzgericht die tatsächlichen Voraussetzungen für die Entlassung zur vollen Überzeugung feststehen. BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZB 35/09, ZVI 2009, 404 = ZInsO 2009, 1491.

19 Zwischen den Maßnahmen der Aufsicht und dem Schadensersatzanspruch besteht kein zwingender Zusammenhang. Daraus folgt, dass nicht immer bei Vorliegen von Tatsachen, die einen Schadensersatzanspruch begründen, auch ein Entlassungsgrund gegeben ist. Vielmehr müssen der einzelne Pflichtverstoß oder die in einer Gesamtschau betrachteten Pflichtverstöße eine entsprechende Schwere aufweisen. Das ergibt sich aus dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit. Allerdings darf das Insolvenzgericht von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen nicht mit der Begründung absehen, die Geschädigten hätten die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – 25.9.2014, ZIP 2014, 2399, 2401.

20 Das verlangt schon die Notwendigkeit, die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens sicherzustellen, der auch die gerichtliche Aufsicht dient. Im konkreten Fall können allerdings die Erkenntnisse des Gerichts im Rahmen der Aufsicht von den Geschädigten bei Durchsetzung ihres Anspruchs etwa im Wege der Akteneinsichtnahme genutzt werden, da der Geschädigte als Beteiligter ein Recht auf Akteneinsichtnahme nach § 4 InsO, § 299 Abs. 1 oder aber zumindest nach § 299 Abs. 2 ZPO hat. Siehe hierzu BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IV AR(VZ) 1/06, ZIP 2006, 1154, dazu Pape, EWiR 2006, 447.

21 In Fällen grob mangelhafter Amtsführung ist es schließlich nach herrschender Auffassung möglich, dass der Verwalter seinen Vergütungsanspruch verwirkt.

4

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, 6 T 38/99, ZInsO 1999, 589; LG Deggendorf, Beschl. v. 24.7.2013 – 13 T 57/13, ZIP 2013, 1975; LG Potsdam, Beschl. v. 9.1.2004 – 5 T 698/03, NZI 2004, 321.

Im Sachverhalt, über den im letztgenannten Fall zu entscheiden war, legte ein 22 Gläubiger gegen die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Begründung Beschwerde ein, dass der vorläufige Insolvenzverwalter „evident gegen die Pflichten eines sorgfältigen, ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters verstoßen“ habe. Seine gutachterlichen Feststellungen würden allein auf einer Befragung der Schuldnerin beruhen. Sie seien nicht hinreichend geprüft worden. Im Übrigen habe der vorläufige Insolvenzverwalter die Geschäftsvorgänge seit Stellung des Insolvenzantrags nicht weiter geprüft. Das Landgericht Potsdam wies die sofortige Beschwerde ab, da die Verwirkung 23 von Vergütungsansprüchen nur dann eintrete, wenn eine Honorierung des Verwalters mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar sei. Dies sei „nur dann anzunehmen, wenn der Verwalter Straftaten begangen“ habe. AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517 (dort ging es um Untreue); Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 48.

Das Gericht stellt im Übrigen klar, dass es sich bei der Honorierung um eine 24 Vergütung für Tätigkeit und nicht etwa für Erfolg handele. Siehe dagegen AG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2000 – 67 c IN 56/00, ZInsO 2001, 69 (betrifft den Fall, dass der vorläufige Insolvenzverwalter anfechtbare Zahlungen des Schuldners in der Eröffnungsphase an den Insolvenzantragsteller duldet, die zur Erledigung des Antrags führen); hierzu kritisch Förster, ZInsO 2001, 70 (Urteilsanm.).

Der Bundesgerichtshof stützt die Versagung der Vergütung auf den Rechts- 25 gedanken des § 654 BGB. Voraussetzung für eine solche Versagung sei, dass „gewichtige, vorsätzliche oder zumindest leichtfertige Pflichtverstöße des Insolvenzverwalters“ festzustellen seien. Auch bei Anwendung dieser Grundsätze sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Das beschränke die Versagung der Vergütung auf einen engen Kreis von Fällen. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214, 1217 = ZVI 2004, 367.

Das Gericht wendet hier die Grundsätze zur Entlassung des Verwalters ent- 26 sprechend an. Es sieht die Voraussetzungen für eine Versagung der Vergütung als erfüllt an, wenn dem Verwalter fachliche Qualifikation oder persönliche Eignung fehlen. So sei die Vergütung verwirkt, wenn der bestellte Verwalter die notwendige Ehrlichkeit vermissen lasse. BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, ZIP 2011, 671 = ZVI 2011, 167.

5

I. Einleitung

27 Wie bei der Entlassung des Verwalters komme es nicht darauf an, ob die fehlende Eignung sich durch Pflichtverstöße in dem Verfahren herausgestellt haben, für das die Vergütung festzusetzen und deren mögliche Verwirkung zu entscheiden sei. Das ist konsequent, da das Gericht aus den Pflichtverstößen eine fehlende persönliche Eignung der bestellten Person folgert. Mit dem Rechtsgedanken des § 654 BGB lässt sich das nur bei sehr weiter Deutung dieser Vorschrift begründen, die das Gericht in ständiger Rechtsprechung vertritt. Danach muss der Makler sich des Maklerlohns würdig erweisen. Maßgeblich sei für dessen Verwirkung die subjektive Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung, nach der der Makler den Lohn nach dem allgemeinen Rechts- und Billigkeitsempfinden nicht verdient habe. BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 327.

28 In Übertragung dieser Grundsätze sieht das Gericht auch in dem unerlaubten Führen eines akademischen Titels einen Umstand, der bei der Feststellung der Verwirkung berücksichtigt werden kann. Im Einzelfall kann dieses Verhalten des Verwalters zumindest dann ausreichen, wenn der Insolvenzverwalter damit über seine Qualifikation getäuscht hat und sich hierdurch die besondere Vertrauensstellung eines Verwalters erschlichen hat. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214, 1216 = ZVI 2004, 367.

b) Insolvenzzweckwidriges Handeln des Verwalters 29 Die Haftung soll die Beteiligten vor pflichtwidrigen Handlungen des Verwalters schützen. Einen weitergehenden Schutz, allerdings beschränkt auf die Insolvenzmasse, stellt der Grundsatz sicher, dass bestimmte Rechtshandlungen, die die Aufgaben des Verwalters überschreiten, ohne Weiteres nichtig sind. 30 Hierzu hat sich der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung grundlegend geäußert, in der er seine Auffassung vom Wahlrecht des Verwalters nach § 103 InsO und dessen Auswirkungen änderte. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = ZIP 2002, 1093, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot).

31 Die Schuldnerin erbrachte für eine ARGE Rohbauarbeiten und ließ von der Klägerin dafür unter Abtretung ihrer Forderungen gegen die ARGE Bauteile erstellen. Bei Gesamtvollstreckungseröffnung hatte die Klägerin weitestgehend erfüllt, nicht aber die Schuldnerin gegenüber der ARGE. 32 Gestützt auf die Sicherungszession und auf eine Abwicklungsvereinbarung mit dem Verwalter, die im Ergebnis eine volle Sicherung anerkannte, machte die Klägerin ein Ersatzabsonderungsrecht an Zahlungen der ARGE geltend, die auf die weitere Erfüllung des Verwalters zurückgingen. 33 Soweit es die Zweckwidrigkeit betrifft, ging es darum, ob eine zwischen der Klägerin und dem Verwalter getroffene Vereinbarung zweckwidrig ist, in der

6

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung

der Verwalter sich verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, wie wenn der Klägerin aufgrund der Sicherungsvereinbarung zwischen ihr und dem Schuldner in Höhe ihrer Werklohnforderung ein Ersatzabsonderungsrecht wegen sämtlicher Zahlungen der ARGE zugestanden hätte. Diese Vereinbarung ging sehr viel weiter als die ursprüngliche Sicherungsab- 34 tretung. Mit der Vereinbarung begründete der Beklagte Verbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe zu Lasten der Masse ohne einen rechtfertigenden Grund, etwa in Form einer Gegenleistung. Das Gericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass der Verwalter die ein- 35 geräumte Rechtsmacht offensichtlich überschritten habe. Im konkreten Fall folgte es der Auffassung, die Unwirksamkeit der Rechtshandlung richte sich nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht. Diese Auffassung hat das Gericht in der Folgezeit in verschiedenen Entscheidungen bestätigt. Siehe z. B. BGH, Versäumnisurt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 = NJW-Spezial 2013, 214, dazu EWiR 2013, 329 (Schulz).

Maßgeblich sei, dass die Rechtshandlung des Verwalters der gleichmäßigen 36 Befriedigung aller Gläubiger widerspreche. Die bloße Unzweckmäßigkeit oder gar Rechtswidrigkeit reiche dagegen nicht aus, um die Nichtigkeit nach sich zu ziehen. BGH, Versäumnisurt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 = NJW-Spezial 2013, 214.

An einer solchen Zweckwidrigkeit fehle es aber, wenn der Verwalter einen 37 bestrittenen Anspruch abtrete, dessen Durchsetzung dem Zessionar überlasse und sich nur eine Erlösbeteiligung vorbehalte. BGH, Versäumnisurt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 = NJW-Spezial 2013, 214.

Neben objektiver Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit ist nach Auffassung 38 des Bundesgerichtshofs in Anlehnung an die Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht BGH, Urt. v. 31.1.1991 – VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315, 320 m. w. N.

erforderlich, dass dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls sich ohne Weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten. Notwendig sei, dass dem Geschäftspartner des Verwalters zumindest grobe 39 Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, soweit es den Umstand betreffe, dass er von der Insolvenzzweckwidrigkeit der Rechtshandlung des Schuldners nichts gewusst habe.

7

I. Einleitung

40 Das Gericht weist im Übrigen ausdrücklich darauf hin, dass es seinen Standpunkt nicht zugleich als Stellungnahme zu dem Streit über die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters verstanden wissen will. In der Sache folgt das Gericht damit Spickhoff, KTS 2000, 15 ff.; MünchKomm-Ott/Vuia, InsO, § 80 Rn. 61 ff.; K. Schmidt/Sternal, InsO, § 80 Rn. 33.

41 So hat das Landgericht Göttingen ein insolvenzzweckwidriges Verhalten in folgender Situation angenommen: 42 Die Schuldnerin, eine GmbH & Co KG, hatte gegenüber Gläubigerin G eine Rechnung in Höhe von 828,39 € gestellt. Etwa einen Monat später erteilte sie G eine Gutschrift über 24,13 €, sodass eine Forderung in Höhe von 804,26 € gegen G verblieb. Diese Forderung stellte die Schuldnerin auf dem bei ihr geführten Kontokorrentkonto des G in genannter Höhe ins Soll. Danach wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Anschließend wurde auf dem Kontokorrent zugunsten G eine Gutschrift in Höhe von 1.602,53 € eingestellt. Ob die Gutschrift Mitarbeiter der Schuldnerin oder der Insolvenzverwalter veranlasst hatten, ließ sich nicht aufklären. Damit verblieb G ein Forderungsbetrag von 798,27 €. Kurze Zeit später erfolgte eine weitere Rechnungsstellung in Höhe von 873,09 €. G bezahlte daraufhin den verbliebenen Differenzbetrag von 74,82 €, da im Übrigen ein Guthaben auf dem Kontokorrent bestanden habe. 43 Nach Auffassung des Landgerichts ist eine Gutschrift, zumindest aber eine Verrechnung auf dem Kontokorrentkonto ohne Wirkung. Aus § 81 InsO ergebe sich, dass zu einem solchen Rechtsgeschäft keine Rechtsmacht bestehe. Soweit aber eine Insolvenzverwaltermaßnahme in Rede stünde, sei diese insolvenzzweckwidrig. Die Vorinstanz stützte sich dagegen auf den fehlenden, im Geschäftsleben üblichen Zusatz „i. I.“, der dazu führe, dass der Insolvenzverwalter die Gutschrift nicht gegen sich gelten lassen müsse; AG Göttingen, Urt. v. 6.5.2009 – 21 C 4/09, ZIP 2009, 2072 = ZVI 2009, 421.

44 Andernfalls werde dieser Gläubigerin eine Vorzugsposition eingeräumt, indem G eine vollständig werthaltige Forderung ermöglicht würde, während ihr sonst nur ein Bruchteil auf die Forderung zugestanden hätte. Diese Zweckwidrigkeit habe sich auch der G als erfahrene Teilnehmerin am Geschäftsverkehr aufdrängen müssen. LG Göttingen, Beschl. v. 16.12.2009 – 6 S 58/09, ZInsO 2010, 858; offen gelassen noch von der Vorinstanz: AG Göttingen, Urt. v. 6.5.2009 – 21 C 4/09, ZIP 2009, 2072 = ZVI 2009, 421.

45 Damit aber bestand die Forderung von 804,26 € fort und mit ihrer Forderung aus der Gutschrift konnte G wegen § 96 Nr. 2 InsO nicht wirksam aufrechnen.

8

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung

Maßgeblich für die Rechtsfolge der Nichtigkeit sind nach diesen Regeln die 46 Umstände des Einzelfalls. Selbst der vergleichsweise Verzicht auf eine Forderung, die aus Sicht des Insolvenzverwalters eindeutig besteht, muss nicht zwingend evident insolvenzzweckwidrig sein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.8.2013 – 9 U 55/13, ZIP 2014, 530,

hat dies für einen Fall entschieden, in dem der Insolvenzverwalter durch den dreiseitigen Abschluss des Vergleichs, der Dritte als Besitzer einer schuldnerischen Immobilie diese räumte. Dadurch konnte der Insolvenzverwalter das Grundstück kurzfristig veräußern. Damit war der Verzicht auf die Forderung nicht nach den vorgenannten Regeln nichtig. c) Unterscheidung Massehaftung/Verwalterhaftung Es ist zwischen der Haftung der Masse und jener des Verwalters zu unter- 47 scheiden. Erstere haftet für Rechtshandlungen des Verwalters gem. § 80 Abs. 1 InsO völlig ohne Ansehung ihrer Qualifikation. Dabei wird vielfach für eine gleichzeitige Haftung von Masse und Verwalter eingetreten. Nach h. M. gibt es hier keinen Vorrang einer Haftung, vielmehr stehen beide Ansprüche nebeneinander. Der Geschädigte ist daher nicht verpflichtet, zunächst den Anspruch gegen die Masse durchzusetzen. H. M.: BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194, dazu EWiR 2006, 179 (Pape); schon RGZ 144, 179, 162; neuerdings: OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.3.2010 – 19 U 247/08 (noch zum alten Recht), juris; s. auch Schultz, ZInsO 2015, 529; Pape, in: Pape/Graeber, Teil 3 Rn. 23 ff.; teilweise abweichend: Rezbach, S. 260 ff.

Der Geschädigte muss im Falle einer Inanspruchnahme des Verwalters diesen 48 Anspruch an den Schädiger gem. § 255 BGB abtreten. Im konkreten Fall kann es dazu führen, dass der Verwalter dem Massegläubiger einen Ausgleich zahlen muss, wenn der an den Verwalter abgetretene Anspruch sich als werthaltiger herausstellt, als jener gegen den Verwalter. Seidel/Hinderer, NZI 2010, 745, 747.

Das Handeln des Verwalters wirkt unmittelbar für die Insolvenzmasse. An 49 diesem Ergebnis besteht unabhängig von den verschiedenen Theorien zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters (Gläubiger- und Schuldnervertretungstheorie, Organtheorie, Amtstheorie [h. M.]), auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, Einigkeit. Konkrete Lösungen lassen sich nicht allein unter Hinweis auf eine dieser Theorien begründen. So schon Jaeger/Henckel, KO, § 6 Rn. 10 ff.; heute auch Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 11.

9

I. Einleitung

50 Die Situation nach der Insolvenzordnung hat sich insoweit gegenüber jener nach der Konkursordnung nicht geändert, auch wenn an mehreren Stellen im Gesetz vom „Amt“ des Insolvenzverwalters die Rede ist (§§ 56 Abs. 2, 57 S. 3, 59 Abs. 1 InsO). MünchKomm-Ott/Vuia, InsO, § 80 Rn. 25.

51 Rechtsgeschäftliches Handeln des Verwalters wirkt für und gegen die Masse. Dieses Ergebnis ist unmittelbar § 80 InsO zu entnehmen. Die einzelnen Theorien unterscheiden sich lediglich in der Begründung dieser Folge des Verwalterhandelns. 52 Soweit in den Entscheidungen überhaupt darauf eingegangen wird, hat der Bundesgerichtshof noch zur Konkursordnung den Verwalter als Repräsentanten der Masse angesehen. BGH, Urt. v. 12.11.1987 – IX ZR 259/86, ZIP 1987, 1586 = KTS 1988, 138, 141, dazu EWiR 1988, 91 (Pape).

53 Praktische Bedeutung scheint der Meinungsstreit im Zusammenhang der Zurechnung schuldhaften Verhaltens des Insolvenzverwalters zu haben, das nicht rechtsgeschäftlicher Art ist. 54 Nach der herrschenden Amtstheorie wird wohl überwiegend eine Haftung der Masse für Handlungen des Verwalters nach § 278 BGB befürwortet. Für deliktisches Handeln des Insolvenzverwalters habe die Masse nicht einzustehen. 55 Eine unmittelbare Anwendung des § 31 BGB kann nur befürwortet werden, wenn man den Insolvenzverwalter als Organ der Masse ansieht. Dies setzt voraus, dass der Masse eine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt. Ein solches Verständnis steht im Widerspruch zu den Regeln der Insolvenzordnung. Diese belässt die Rechtsträgerschaft beim Insolvenzschuldner und überträgt dem Insolvenzverwalter lediglich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO). 56 Dem § 31 BGB liegt der allgemeine Gedanke zugrunde, dass die Vermögensmasse, die die Vorteile der Verwaltung genießt, auch den durch diese Verwaltung angerichteten Schaden tragen muss. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1: Einführungsgesetz und allgemeiner Teil, 1899, S. 408 f.; V. Tuhr, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, Bd. 1: Allgemeine Lehren und Personenrecht, 1910, S. 464.

57 Die Vorschrift sieht daher eine Gleichstellung der juristischen mit der natürlichen Person vor. Führt man § 31 BGB auf diesen allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken zurück, so ist eine analoge Anwendung der Bestimmung für das Handeln des Insolvenzverwalters im Rahmen seiner Tätigkeit für die Insolvenzmasse möglich.

10

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung

Dies wird durch eine zweite Überlegung unterstützt, die häufig als weiterer 58 Zweck des § 31 BGB angeführt wird: Das Handeln des Repräsentanten eines Vermögens habe oft nur deshalb die genannte Wirkung, weil das Vermögen durch diese Person repräsentiert werde. Dann aber müssten auch die Haftungsfolgen das repräsentierte Vermögen treffen. Beide Aspekte rechtfertigen die analoge Anwendung des § 31 BGB auf das 59 Verhältnis von Insolvenzmasse und Insolvenzverwalter. Praktisch folgt daraus, dass die Haftung der Masse für Handlungen des Insolvenzverwalters sich nicht nach § 278 BGB auf bestehende Schuldverhältnisse beschränkt, BGH, Urt. v. 12.3.1986 – VIII ZR 64/85, ZIP 1986, 583, dazu EWiR 1986, 523 (Gerhardt); Eckert, ZIP 1983, 770; vgl. auch Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 121 und Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 112 f.,

sondern auch im deliktischen Bereich gilt. Bislang hat der Bundesgerichtshof noch nicht zu diesem Problem Stellung 60 bezogen. Das Gericht hat in einer Entscheidung, in der es allerdings ein schuldrechtliches Verhältnis zwischen Masse und Geschädigtem gab, eine Haftung der Masse befürwortet, ohne dass deutlich wird, ob dies von ihm als entscheidend angesehen wurde. BGH, Urt. v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86, ZIP 1987, 1398, dazu EWiR 1987, 1127 (Eckert) und WuB IV B § 82 KO 1.88 (Johlke); Letzterer geht davon aus, dass dies für das Gericht entscheidend war; s. dagegen aber: Merz, KTS 1989, 277, 281, wo es wörtlich zu dieser Entscheidung heißt: „für ein Fehlverhalten nach § 823 Abs. 1 BGB, für das der Verwalter persönlich haften muss, haftet allerdings auch noch die Masse daneben, weil durch dieses Fehlverhalten auch eine Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO (das ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, Anm. d. Verf.) begründet wird“.

Die Äußerung des früheren Vorsitzenden des Konkurssenats am Bundes- 61 gerichtshof spricht eher dafür, dass der Senat in dieser Entscheidung nicht maßgeblich auf die bestehende schuldrechtliche Beziehung abgestellt hat. Zu einer Haftung der Masse kann es jedenfalls im Rahmen von bestehenden 62 Schuldverhältnissen kommen, auch wenn man § 278 BGB anwendet. Befürwortet man stattdessen, wie hier vertreten, eine Analogie zu § 31 BGB, so ist die Haftung der Masse nicht auf vertragliche Beziehungen beschränkt. Daneben kann den Verwalter auch eine persönliche Haftung nach allgemeinen Vorschriften und Grundsätzen oder nach §§ 60 f. InsO treffen. Zwischen Schadensersatzansprüchen gegen die Masse und der Haftung des 63 Verwalters gibt es keinerlei Rang- oder Subsidiaritätsverhältnis. BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 = NJW-RR 2006, 694.

11

I. Einleitung

64 Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine solche Gleichrangigkeit auch zwischen dem Primäranspruch auf Erfüllung gegen die Masse und dem Haftungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter an. Beide Ansprüche stünden im Verhältnis einer Gesamtschuld nebeneinander. Es stehe dem Geschädigten frei, wen er in Anspruch nehme oder ob er die Ansprüche gegen beide geltend mache. Das gelte sogar, wenn ein weiterer Anspruch sich gegen einen Dritten (Betriebsübernehmer) richte. BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169, dazu EWiR 2007, 625 (Ferslev).

65 Die Annahme einer Gleichstufigkeit, die Voraussetzung für eine Gesamtschuld ist, begegnet in diesen Fällen allerdings Bedenken. Meist wird es schon an einem Schaden fehlen, wenn der Primäranspruch durchsetzbar ist. Problematisch ist weiterhin, dass der Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse gerichtet ist und nicht auf das Erfüllungsinteresse. Kritisch auch Uhlenbruck, RdA 2008, 45 f.

d) Eigene vertragliche Verpflichtung des Verwalters 66 In besonderen Fällen kann es sogar zu vertraglichen Beziehungen zwischen dem Verwalter und einem Dritten kommen. BGH, Urt. v. 12.11.1987 – IX ZR 259/86, ZIP 1987, 1586, dazu EWiR 1988, 91 (Pape).

67 In dieser Entscheidung bejahte das Gericht die Übernahme einer Verpflichtung durch den Konkursverwalter gegenüber dem Grundpfandgläubiger, sich um den freihändigen Verkauf des Grundstücks an eine bestimmte Person zu bemühen. Der Dritte sagte ihm hierfür die Zahlung von 10.000 DM zu. 68 Im Einzelfall kann es Abgrenzungsprobleme zwischen der Verpflichtung der Masse einerseits und einer persönlichen Verpflichtung des Insolvenzverwalters andererseits geben. Dies gilt etwa für den Fall der Beschäftigung von Hilfspersonen durch den Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltung. 69 Die praktische Bedeutung dieser Frage liegt in der Qualifizierung der Entgeltansprüche. Kommt die vertragliche Bindung zwischen der Masse und der Hilfsperson zustande, so handelt es sich bei den geleisteten Diensten um Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 70 Als Vertragspartner des Insolvenzverwalters schuldet dagegen dieser den Hilfspersonen das Entgelt. Der Verwalter kann dafür Ersatz verlangen, indem er die angefallenen Kosten im Rahmen der Kosten für die Verwaltung erstattet verlangt. In diesem Fall hat der Verwalter für Pflichtwidrigkeiten der Hilfsperson und die hierdurch entstehenden Schäden gem. §§ 60 f. InsO, § 278 BGB einzustehen. 71 Der Bundesgerichtshof stellt grundsätzlich auf den Inhalt der Willenserklärungen – also auf deren objektiven Erklärungswert – ab. Im Zweifelsfall sei 12

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung

unter entsprechender Anwendung des § 164 Abs. 2 BGB die Eingehung einer persönlichen Verpflichtung des Verwalters anzunehmen. Allerdings berücksichtigt das Gericht in dieser Entscheidung eine langjährige 72 Abrechnungspraxis, die als Adressat der Rechnung entweder den Konkursverwalter der Schuldnerin oder die Schuldnerin selber auswies. Im konkreten Fall kam der Bundesgerichtshof daher zur Annahme eines vertraglichen Verhältnisses zwischen Hilfsperson und Masse. BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262 = ZIP 1991, 324, dazu EWiR 1991, 275 (Gottwald) und WuB IV B § 6 KO 1.91 (Sundermann); vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 17.12.1992 – 27 U 111/92, dazu EWiR 1993, 797 (Lüke).

Zu beachten ist, dass nach den neuen Vergütungsregeln ein Ersatz der Auf- 73 wendungen für Personal des Insolvenzverwalters nicht in Betracht kommt. Das Vergütungsrecht unterscheidet zwischen den allgemeinen und beson- 74 deren Aufgaben des Verwalters. Für Tätigkeiten, die zum normalen Arbeitsbereich eines Insolvenzverwalters gehören, darf der Insolvenzverwalter keine dritte Person im Wege des Werkvertrags zu Lasten der Masse einschalten (vgl. auch § 5 InsVV zum Einsatz besonderer Sachkunde). Diese Kosten darf er auch nicht im Wege des Auslagenersatzes ersetzt ver- 75 langen. Die Tätigkeit dieser Personen ist vielmehr mit der Vergütung entgolten (§ 4 Abs. 1 S. 1 InsVV). Gleiches gilt auch für Personal, das er wegen des Falls nur vorübergehend einstellt. Für „besondere Aufgaben“ ermöglicht es § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV, entsprechende 76 Verträge zwischen der Masse und Dritten zu schließen. Das Gesetz schließt aber damit nicht etwa aus, dass der Insolvenzverwalter stattdessen mit solchen Personen selber Verträge schließt und die entstandenen Kosten dann als Auslagen ersetzt verlangt. § 4 Abs. 1 S. 2 und 3 InsVV sollen dem Verwalter dadurch eine Erleichterung 77 bringen, dass sie ihn zur Entnahme der angemessenen Vergütung berechtigten, weil der Verwalter insoweit nicht darauf angewiesen sein soll, beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Auslagenerstattung anzubringen. BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, BGHZ 160, 176 = ZIP 2004, 1717 = ZVI 2004, 606 = ZVI 2004, 606, dazu EWiR 2004, 1037 (Schäferhoff).

Damit lassen sich aus den Vergütungsregeln auch keine zwingenden Folgen 78 für die Auslegung der Willenserklärungen des Insolvenzverwalters ableiten. e) Die Haftung nach allgemeinen Regeln und nach §§ 60 f. InsO Der Insolvenzverwalter hat mit Annahme des Amts alle massebezogenen 79 künftigen und künftig fälligen Pflichten des Insolvenzschuldners mit Masse-

13

I. Einleitung

mitteln zu erfüllen, soweit sie nicht der insolvenzmäßigen Befriedigung unterfallen. 80 Zu diesen Aufgaben gehören auch die öffentlich-rechtlichen Pflichten zur Leistung von öffentlichen Abgaben, die nach Insolvenzeröffnung entstanden sind oder solche nach dem SGB III (vormals AFG). Der Insolvenzverwalter muss das Insolvenzgeld berechnen, Arbeitsbescheinigungen ausstellen sowie Auskünfte erteilen gem. §§ 320 Abs. 2 S. 1, 312, 316 usw. SGB III. 81 Die Beachtung dieser Vorschriften ist entweder durch besondere Haftungsbestimmungen (z. B. § 69 AO, § 321 SGB III) oder durch die deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB sichergestellt. 82 Daneben treffen den Insolvenzverwalter weitere Pflichten, wie etwa die Beachtung von Patentrechten (s. hierzu § 139 Abs. 2 PatG), BGH, Urt. v. 5.6.1975 – X ZR 37/72, NJW 1975, 1969 f. = KTS 1976, 48,

und die Wahrung von Verkehrssicherungspflichten. BGH, Urt. v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86, ZIP 1987, 1398, dazu EWiR 1987, 1127 (Eckert) und WuB IV B § 82 KO 1.88 (Johlke).

83 Der Verwalter ist auch der gesetzlichen Haftung nach allgemeinen deliktischen Regeln ausgesetzt. Diese Bestimmungen sind auch nicht etwa mit der Haftung nach § 60 InsO miteinander zu vermengen. § 60 InsO ist eine eigene Anspruchsnorm und nicht etwa ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB. Unstreitig, insoweit unzutreffend daher LG München, Urt. v. 11.5.2010 – 11 S 23373/09, ZIP 2010, 2168.

84 Die Androhung, eine getrennte Veranlagung zur Einkommenssteuer zu beantragen, löst allerdings keine Haftung nach den §§ 823 BGB, 253 StGB aus, da es an der verwerflichen Zweck-Mittel-Relation fehlt. Vielmehr hatte der Insolvenzverwalter die Pflicht, seine Wahl einer getrennten oder gemeinschaftlichen Veranlagung mit dem Ehegatten von den Auswirkungen für die Masse abhängig zu machen. Wenn Erstere sich zu einem günstigeren Ergebnis für die Masse auswirkte, dann war sie entsprechend durchzuführen. LG Kleve, Urt. v. 13.6.2012 – 2 O 433/11, ZIP 2013, 85 = ZVI 2012, 383.

85 Nur in dem Fall, in dem die Masse keinerlei Vorteil aus der Wahl gegen eine Zusammenveranlagung ziehen kann, ist der Verwalter verpflichtet, ihr zuzustimmen. BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 240/07, ZIP 2010, 2515, dazu EWiR 2011, 51 (Onusseit).

86 Der Verwalter schuldet die Erfüllung der Pflichten nach den §§ 21, 26 oder nach § 15 WpHG nur im Innenverhältnis. Eine Haftung im Außenverhältnis nach §§ 37b, 37c WpHG scheidet daher aus, weil nach diesen Vorschriften

14

2. Systematik der Insolvenzverwalterhaftung

nur der Emittent haftet. Mangels Schutzgesetzcharakters scheidet auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus. Eine persönliche Haftung ist nur im Innenverhältnis gegenüber dem Schuldner oder wegen Beteiligung an kapitalmarktrechtlichen Verbotstatbeständen denkbar. Kritisch hierzu Hirte, FS Schneider, S. 533, 538.

Eine Haftung des Insolvenzverwalters kann sich aus vertraglicher Neben- 87 pflichtverletzung und der Verletzung vorvertraglicher Pflichten ergeben. BGH, Urt. v. 12.11.1987 – IX ZR 259/86, ZIP 1987, 1586, dazu EWiR 1988, 91 (Pape).

Darüber hinaus kann die Haftung ihre Grundlage in einer Garantieerklärung 88 oder einem besonderen Vertrauensverhältnis finden. Auf Einzelheiten ist noch zurückzukommen. Des Weiteren gelten die Bestimmungen der §§ 60 f. InsO.

89

Neben diesen Haftungsnormen tritt die öffentlich-rechtliche Verantwort- 90 lichkeit, wie sie sich etwa aus allgemeinem Polizeirecht ergibt und vor allem im Zusammenhang mit den Altlasten eine praktische Bedeutung gewonnen hat. Auch hierauf wird noch einzugehen sein. Siehe Übersicht Anhang 1.

Hiervon sind die Haftung des Verwalters in seiner Eigenschaft als vorläufiger 91 Verwalter (insoweit gelten über die Verweisung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO die Vorschriften für den Insolvenzverwalter entsprechend) sowie die Haftung des Gutachters abzugrenzen (insoweit ist auf § 839a BGB zu verweisen).

15

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen 1. Aufbau der Regelungen a) Unterscheidung der beiden gesetzlichen Haftungstatbestände Die Struktur des insolvenzrechtlichen Haftungsrechts ist zunächst recht ein- 92 fach. Die Grundnorm ist § 60 InsO, der einen Anspruch auf Schadensersatz der Beteiligten vorsieht, wenn der Verwalter schuldhaft „insolvenzspezifische Pflichten“, das sind nach dem Gesetz ihm gegenüber den Beteiligten obliegende Pflichten, verletzt. Für sog. Massegläubiger, das sind also Gläubiger, die erst nach Eröffnung eine 93 Forderung gegenüber der Masse begründen, enthält § 61 InsO eine Sondervorschrift. Danach hat der Insolvenzverwalter Schadensersatz zu leisten, wenn die durch seine Rechtshandlung begründete Masseverbindlichkeit nicht erfüllt werden kann. Hiervon kann er sich nur „exkulpieren“, indem er nachweist, dass er diesen Mangel an Massemitteln nicht erkennen konnte. Die Vorschrift stellt damit eine „insolvenzspezifische Pflicht“ des Inhalts 94 auf, dass der Verwalter eine Verbindlichkeit nicht eingehen darf, wenn diese im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht erfüllt werden kann. Hierauf wird noch einzugehen sein. Siehe Übersicht Anhang 2.

Zunächst soll die Grundnorm und die dort aufgestellte Voraussetzung der 95 Verletzung einer Pflicht gegenüber dem Beteiligten erörtert werden, die dem Verwalter nach dem Gesetz obliegt. b) Unterscheidung Innenhaftung und externe Verantwortlichkeit Zu der Vorgängervorschrift des § 82 KO wurde teilweise vertreten, dass zwi- 96 schen zwei verschiedenen Haftungstatbeständen zu unterscheiden sei. § 82 KO enthalte einerseits die Innenhaftung gegenüber dem Schuldner und dem Schuldnerunternehmen, andererseits die externe Haftung. K. Schmidt, KTS 1976, 200; Kilger/K. Schmidt, § 82 KO Anm. 1a/b.

Die praktische Bedeutung lag vor allem in zwei Bereichen: zum ersten sollte 97 nur im Rahmen der sog. Innenhaftung eine Zurechnung des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB möglich sein, im Übrigen hätten aber die Grundsätze des Deliktsrechts zu gelten. Zum zweiten richte sich die Verjährung der externen Haftung nach § 852 98 BGB a. F. analog, während Ansprüche im Rahmen der Innenhaftung nach

17

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

der allgemeinen Regel des § 195 BGB a. F. verjährten. Beide Fragen sind nunmehr gesetzlich geregelt (§ 60 Abs. 2 und § 62 InsO), sodass schon unter diesem Aspekt die praktische Bedeutung der Trennung fraglich ist. 99 Gleichwohl wird auch zum neuen Recht nach wie vor von einigen Stimmen in der Literatur vertreten, dass der einheitliche Tatbestand des § 60 InsO entsprechend zu unterteilen sei. Hess/Hess, InsO, § 60 Rn. 20 ff.; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 114 ff.

100 Die Bedeutung liegt wohl vor allem in der besseren Feststellbarkeit einer Konkurrenz von Massehaftung und externer Haftung sowie in der leichteren Erfassung von Fällen des Gesamt- und des Einzelschadens. Siehe dazu Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 115 ff.

101 Insgesamt erscheint es aber zweifelhaft, ob sich eine solche Trennung mit dem Gesetz noch vereinbaren lässt. Die einheitliche Regelung gerade von fremdem Verschulden sowie der Verjährung spricht für eine einheitliche Behandlung der Vorschrift. Im Übrigen wird auch von Vertretern dieser Auffassung anerkannt, dass die beiden Tatbestände oftmals nur schwer voneinander abzugrenzen sind. 102 Die Unterscheidung bringt daher keinen nennenswerten Erkenntnisgewinn und sollte aufgegeben werden. Blersch/Goetsch/Haas/Blersch, InsO, § 60 Rn. 2; ablehnend auch Webel, S. 8 ff. für § 61 InsO.

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht 103 Für den Grundtatbestand des § 60 InsO ist die Verletzung einer dem Verwalter nach dem Gesetz obliegenden Pflicht Grundvoraussetzung. Der Bundesgerichtshof hatte diesen Begriff im Anschluss an eine Auffassung Fritz Baurs erstmalig in einer Entscheidung aus dem Jahre 1986 aufgegriffen. BGH, Urt. v. 4.12.1986 – IX ZR 47/86, BGHZ 99, 151 = ZIP 1987, 115, dazu EWiR 1986, 1229 (Merz); F. Baur, GS R. Bruns, S. 241, 250.

104 Gerade in jüngerer Vergangenheit ist an der Geeignetheit und dem Verständnis des Begriffs der insolvenzspezifischen Pflicht Kritik geübt worden. Siehe hierzu umfassend: Zipperer, KTS 2008, 167 ff., insb. 176 ff., 192 f.

105 So wurde eine solche Qualität nur angenommen, wenn das auf Seiten des Gegenübers einer Minderung von dessen Rechten entsprach. M. Kirchhof, S. 88 ff.

18

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Ein derartiges Verständnis würde zu einer erheblichen Einengung des haf- 106 tungsbewehrten Pflichtenumfangs führen. Entscheidend gegen diese Auffassung spricht der dargelegte Zweck der Vor- 107 schrift. Die Grenze zwischen besonderen und herkömmlichen Risiken verläuft aber nicht dort, wo die rechtlichen Befugnisse des Gegenübers durch die Verwalterbefugnisse beschränkt werden. Vielmehr können sich besondere Risiken auch aus ganz anderen mit dem Amt des Verwalters verbundenen Umständen ergeben. Im Weiteren sollen die einzelnen persönlichen Pflichten des Insolvenzver- 108 walters – geordnet nach Haftungssituationen – dargestellt werden. Kriterium ist dabei zum einen die Aufteilung nach den jeweils geschützten Personen, zum anderen nach dem Inhalt der Pflicht. Um den sachlichen Zusammenhang zu wahren, sollen darüber hinaus schon die an dieser Stelle in Betracht kommenden weiteren Anspruchsgrundlagen geprüft werden. a) Pflichten gegenüber den Aussonderungsberechtigten Grundsätzlich hat der Verwalter gem. § 148 InsO nach Eröffnung des Verfah- 109 rens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz zu nehmen und es zu verwalten. Dies gilt unabhängig davon, ob das Vermögen im In- oder Ausland belegen 110 ist. Dabei muss er allerdings die Rechte der Aussonderungsberechtigten beachten (§§ 47 f. InsO). Er darf fremdes Vermögen, das er von vornherein als solches erkennt, nicht nach § 148 InsO zur Masse ziehen. Dies gilt auch dann, wenn er Belange des Berechtigten gegenüber dem rück- 111 gabepflichtigen Schuldner wahrnehmen will, da er diesen für unzuverlässig hält. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob es sich um eine insolvenzspezifische 112 Pflicht handelt. Sofern man dies ablehnt, bleibt – mangels Anhaltspunkten für ein deliktisches Verhalten des Verwalters – nur eine vertragliche Haftung der Masse für das Verschulden des Verwalters. Die praktische Bedeutung besteht also darin, ob der Geschädigte lediglich auf die Haftung gegen die Masse verwiesen wird. Die h. M. geht hier von einem insolvenzspezifischen Charakter der Pflicht aus. BGH, Urt. v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181 = NJW 1996, 2233, dazu EWiR 1996, 753 (Uhlenbruck); Urt. v. 8.1.1998 – IX ZR 131/97, ZIP 1998, 298 = NJW 1998, 992, dazu EWiR 1998, 321 (Undritz); Urt. v. 5.3.1998 – IX ZR 265/97, ZIP 1998, 655 = NJW 1998, 2213, dazu EWiR 1998, 695 (Undritz); Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194, dazu EWiR 2006, 179 f. (Pape).

19

113

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

114 Eine Untersuchung zu der parallelen Problematik im Zusammenhang mit Absonderungsberechtigten M. Kirchhof, S. 88 ff.

kommt zu dem Ergebnis, dass jedenfalls für die Absonderungsrechte die Verletzung einer gegen die Masse bestehenden Herausgabepflicht grundsätzlich keine insolvenzspezifische Pflicht betreffe. Im Einzelnen sei aber auf das konkrete Sicherungsrecht abzustellen. 115 Sofern man dies bejahte, wäre das auf die Aussonderung zu übertragen. Ein wesentliches Argument besteht für M. Kirchhof in den rechtlichen Befugnissen des Verwalters. Vereinfacht gesagt nimmt der Verfasser eine insolvenzspezifische Pflicht nur in solchen Fällen an, in denen sein Gegenüber durch die Einsetzung des Verwalters eine Einschränkung seiner rechtlichen Befugnisse hinnehmen muss. 116 Geht man von diesem Grundsatz aus, so würde es an einer insolvenzspezifischen Natur der Verpflichtung fehlen. 117 Zwar ist es zutreffend, dass die Insolvenzverwalterhaftung das durch die Einsetzung des Verwalters gesteigerte Risiko ausgleicht. Jedoch überzeugt nicht, die Grenze zwischen insolvenzspezifischen und nicht insolvenzspezifischen Pflichten dort zu ziehen, wo rechtliche Befugnisse des Gegenübers beschränkt werden. 118 Vielmehr kann es auch zu zusätzlichen Risiken durch die rein tatsächliche Einschaltung einer weiteren Person kommen. Für deren Verschulden hat zwar auch die Masse einzustehen; es ist aber unklar, weshalb die besonderen rechtlichen Befugnisse des Verwalters und die damit verbundenen Folgen, die ihrerseits auch besondere Risiken bergen, nicht zu insolvenzspezifischen Pflichten führen. 119 Es kommt hinzu, dass der Verwalter, auch um sich vor Haftungsansprüchen der Masse zu schützen, eher geneigt sein wird, einen Gegenstand zur Masse zu ziehen, um dann dessen Zugehörigkeit zur Masse zu prüfen. Nach dem materiell-rechtlich zwischen der Masse und dem Eigentümer bestehenden Verhältnis mag zwar in einem solchen Verhalten eine Pflichtwidrigkeit liegen, ein von der Insolvenzordnung unerwünschtes und daher die Haftung auslösendes Verhalten wird man darin kaum sehen können. 120 Zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem die Zugehörigkeit zur Masse feststellbar war, wäre es eine Verletzung der dem Verwalter als solchem gegenüber dem Aussonderungsberechtigten obliegenden Verpflichtung zur Prüfung und Herausgabe des Gegenstands. Das freilich rechtfertigt die persönliche Haftung nach Insolvenzrecht und kaum einen Verweis auf das zwischen Masse und Aussonderungsberechtigtem bestehende Schuldverhältnis.

20

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Letztlich geht es in vielen Fällen nur um eine Frage der Schadensabwicklung. 121 Haftet nur die Masse und reichen ihre Mittel zur Begleichung des Schadens aus, so wird sie im Innenverhältnis gegenüber dem Verwalter diesen Schaden gem. § 60 Abs. 1 InsO ausgeglichen verlangen können. Die vorgeschlagene Begrenzung der persönlichen Haftung erscheint daher sehr zweifelhaft. Weitere Pflichten des Verwalters sind die sorgfältige Behandlung und Ver- 122 wahrung des Gegenstands. Auch insoweit ist von einer Insolvenzspezifik der Verpflichtung auszugehen. Hier lässt sich eine klare Linie zwischen dem Insolvenzverwalterbesitz und dem unberechtigten Verwalterbesitz, der nur vertragliche Ausgleichsansprüche gegenüber der Masse auslöst, kaum ziehen. Der Verwalter muss die fremden Sachen sorgfältig behandeln und verwahren. 123 Das schließt den Schutz vor Verlust und verbotener Eigenmacht Dritter ein. OLG Köln, Urt. v. 2.4.1987 – 12 U 169/86, ZIP 1987, 653, 654, dazu EWiR 1987, 701 (Lenzen).

Vom Bundesgerichtshof entschieden,

124

BGH, Urt. v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181 = NJW 1996, 2233,

ist die Frage, ob der Verwalter eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse hat. Im konkreten Fall ging es um eine Maschine, die der Schuldner vor Insolvenzeröffnung an einen Dritten veräußert hatte. Nach Eröffnung verkaufte und übereignete der Verwalter die Maschine an einen anderen. Der Dritte machte nun geltend, dass das Eigentum schon an ihn übergegangen sei. Da die Vereinbarung mit dem Dritten, einer englischen Ltd., in englischer Sprache getroffen wurde, ging es vor allem um den in der Vereinbarung verwendeten Begriff „Property“. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang nochmals ausgeführt, dass ein 125 „Konkursverwalter, der unberechtigt fremdes Eigentum zur Masse zieht“, fahrlässig handelt, wenn er den Sachverhalt unzureichend aufklärt oder eine klare Rechtslage falsch beurteilt. So schon OLG Köln, Urt. v. 14.7.1982 – 2 U 20/82, ZIP 1982, 1107; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.6.1987 – 23 U 150/86, ZIP 1988, 450, dazu EWiR 1988, 391 (Haug).

Grundsätzlich sei es aber Aufgabe dessen, der einen in unmittelbarem Besitz 126 des Schuldners befindlichen Gegenstand aussondern wolle, diesen näher zu bezeichnen und die Umstände konkret darzustellen, auf die er sein Aussonderungsrecht stütze. Würden solche Angaben nicht gemacht, so könne von dem Verwalter nicht erwartet werden, selbst nachzuforschen, ob sich Anhaltspunkte für ein Aussonderungsrecht ergäben.

21

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

127 Allein die Annahme, dass es im Geschäftsleben üblich sei, Waren unter Eigentumsvorbehalt zu liefern, begründet keine konkreten Anhaltspunkte für fremdes Eigentum. OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.6.1987 – 23 U 150/86, ZIP 1988, 450, 452.

128 Gegenüber dem die Aussonderung Begehrenden gilt hinsichtlich der im Besitz des Schuldners befindlichen Gegenstände die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. BGH, Urt. v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181 = NJW 1996, 2233, 2235.

129 Danach werde vermutet, dass Sachen, an denen der Schuldner Eigenbesitz habe, ihm gehören. Eigenbesitz werde vermutet, wenn der Schuldner unmittelbarer Besitzer sei. Der Aussonderungsberechtigte kann diese Vermutung widerlegen OLG Hamburg, Urt. v. 12.10.1983 – 8 U 52/83, ZIP 1984, 348.

130 Die Gegenauffassung, nach der von einer Nachforschungspflicht des Insolvenzverwalters hinsichtlich aller Gegenstände auszugehen sei, die in den letzten Monaten vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner erworben wurden, hat sich demgegenüber nicht durchgesetzt. Der Verwalter hat danach zu prüfen, ob an den Gegenständen eventuell Rechte Dritter bestehen. OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.1986 – 4 U 12/86, zitiert nach OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.6.1987 – 23 U 150/86, ZIP 1988, 450, 452.

131 Die Möglichkeit, eine Ersatzaussonderung zu verlangen, steht der Annahme eines Schadens nachdem der Gegenstand verwertet wurde, jedenfalls dann nicht entgegen, wenn nicht sicher ist, dass das Recht noch besteht und auch durchgesetzt werden kann. OLG Jena, Urt. v. 27.10.2007 – 2 U 414/04, ZInsO 2005, 44, 46.

132 Der Insolvenzverwalter hat jede Verzögerung oder gar Vereitelung der Rückgabe zu verhindern. Die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht gegenüber dem Aussonderungsberechtigten und nicht etwa nur die Verletzung einer mietvertraglichen Pflicht ist auch die unbefugte Untervermietung an einen unzuverlässigen Untermieter, da der Verwalter damit auch den Rückgabeanspruch des Vermieters gefährde. 133 Hier also liegt die Verletzung nicht erst in der unterbliebenen Rückgabe, sondern der Untervermietung und damit verbundenen Risiken für den Aussonderungsberechtigten. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 ausgeführt: „b) Die Untervermietung bedurfte – was der Beklagte nicht in Frage stellt – der vorherigen Erlaubnis der Klägerin. Eine solche Erlaubnis hat der Beklagte nicht eingeholt. Die Pflicht des Mieters, eine Untervermietung nicht ohne Erlaubnis des Vermieters vorzunehmen, wurzelt zwar in dem Mietverhältnis. Sie ergibt sich aus § 540 Abs. 1 S. 1 BGB und wird zumeist – so auch im vorliegenden

22

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht Fall – noch ausdrücklich in den Mietvertrag aufgenommen. Sie trifft den anstelle des insolventen Mieters handelnden Insolvenzverwalter in derselben Weise, wie sie den Mieter getroffen hätte, falls über dessen Vermögen kein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. Diese Pflicht erhält einen insolvenzspezifischen Charakter jedoch dadurch, dass die Untervermietung Auswirkungen auf die Erfüllung der künftigen Rückgabepflicht des Mieters haben kann. Er kann diese, weil er sich des unmittelbaren Besitzes an der Mietsache begeben hat, nur bewirken, wenn der Untermieter seinerseits vertragstreu ist. Die Pflicht des Verwalters, den nach Beendigung des Mietverhältnisses aussonderungsberechtigten Vermieter eines von dem Insolvenzschuldner gemieteten Gegenstandes nicht durch die Verzögerung der Herausgabe oder gar durch deren Vereitelung zu schädigen, ist insolvenzspezifisch… Dasselbe gilt dann für die Pflicht, eine Untervermietung nur mit Erlaubnis des Vermieters vorzunehmen. Die Erfüllung dieser Pflicht trägt dazu bei, dass die mit jeder Untervermietung verbundene Gefährdung des Rückgabeanspruchs vermindert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vermieter – wie im vorliegenden Fall – den in Aussicht genommenen Untermieter kennt und er berechtigte Zweifel an dessen Seriosität und Vertragstreue hegt“. BGH, Urt. v. 25.1.2007 – IX ZR 216/05, ZIP 2007, 539, 540 = ZVI 2007, 375 = ZfIR 2007, 331 (LS), dazu EWiR 2007, 437 (Ferslev).

Die unterbliebene Einholung einer Zustimmung kann die Verletzung einer 134 insolvenzspezifischen Pflicht nicht darstellen, da die Pflicht ihre Grundlage im Mietvertrag findet, für dessen Erfüllung die Masse und nicht der Verwalter persönlich haftet. In Übereinstimmung mit dem Gericht kann aber hierin zugleich die Verletzung eines Aussonderungsrechts des Vermieters zumindest dann gesehen werden, wenn der Untermieter unzuverlässig und eine termingerechte Rückgabe des Mietgegenstands hierdurch gefährdet ist. A. A. Ferslev, EWiR 2007, 437, der letztlich eine Mehrung der Masse auf Risiko des Aussonderungsberechtigten zulassen will.

Eine Schadensersatzpflicht nach § 60 InsO wegen unterlassener Herausgabe 135 der Mietsache an den Vermieter, wenn das Mietverhältnis bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden war, scheidet dann aus, wenn der Verwalter weder zu irgendeinem Zeitpunkt den Mietgegenstand in seinen Besitz genommen noch unter Anerkennung des fremden Eigentums das Recht beansprucht hat, die Mietsache für die Masse zu nutzen. Dies gilt jedenfalls, wenn der Verwalter, nachdem er die Räumungs- und Ver- 136 wertungsmöglichkeit erlangt hatte, hiervon in vertretbarer Zeit Gebrauch gemacht und die Mietsache anschließend zurückgegeben hat. BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, Grundeigentum 2009, 322.

b) Pflichten gegenüber Absonderungsberechtigten Auch ihnen gegenüber wird überwiegend die Verpflichtung zur Inbesitz- 137 nahme als insolvenzspezifische Pflicht angesehen.

23

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen OLG Hamburg, Urt. v. 14.12.1995 – 10 U 103/94, ZIP 1996, 386, dazu EWiR 1996, 323 (Pape); Gerhardt, ZInsO 2000, 574, 581.

138 Eine solche Pflicht besteht nicht, wenn die Masse kein Interesse an dem Absonderungsgegenstand hat, weil dieser etwa für die Masse wertlos ist. Auch hier stellen sich die bereits im Zusammenhang mit dem Aussonderungsrecht erläuterten Fragen zur Insolvenzspezifik. Die von M. Kirchhof, M. Kirchhof, S. 84 ff.

entwickelten Kriterien in Anlehnung an den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter treffen durchaus den Regelungszweck und sind gegenüber der rein formalen Abgrenzung danach, woraus sich die Pflicht ergibt, vorzuziehen. Insoweit ist der Gesetzestext ungenau. Im Übrigen ist aber auf das bereits im Zusammenhang mit dem Aussonderungsrecht Ausgeführte zu verweisen. 139 Überwiegend werden nicht nur die Verpflichtung zur Inbesitznahme, sondern auch die Obhutspflichten bezüglich des Absonderungsgegenstands als insolvenzspezifisch angesehen. Dies rechtfertigt sich im Übrigen auch aus dem mitunter bestehenden Interesse der Masse an einem Erhalt des Gegenstands, da diese weder aus Schadensersatzaspekten vom Dritten in Anspruch genommen werden möchte, noch einen Verlust dadurch erleiden will, dass der eventuell verbleibende Überschuss durch Wertminderung des Gegenstands vereitelt wird. 140 Daher wird man die Verpflichtung zum Abschluss einer Feuerversicherung eines mit einer Hypothek belasteten Grundstücks als eine insolvenzspezifische Pflicht des Verwalters ansehen müssen. 141 Das hiergegen vorgebrachte Argument, nicht alle allgemein vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten dürften „zu einer persönlichen Pflicht aufgewertet“ werden, überzeugt zwar vordergründig, trägt aber dem Umstand zu wenig Rechnung, dass der Verwalter allein rein tatsächlich auf die Masse einwirken kann. 142 Einzuräumen ist freilich, dass es mitunter zu Abgrenzungsproblemen zwischen der persönlichen Verantwortung und den vertraglichen Pflichten, die nur von der Masse zu erfüllen sind, sowie deren Verletzung kommen kann. Bsp.: BGH, Urt. v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86, ZIP 1987, 1398.

143 Auch Auskunftspflichten werden als insolvenzspezifisch angesehen. BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VIII ZR 176/65, NJW 1968, 300, 301; Häsemeyer, ZZP 80 (1967), 263, 274; s. auch HK-InsO/Lohmann, § 60 Rn. 23; hiergegen: M. Kirchhof, S. 160 (Rn. 290), soweit es die allgemeine Auskunftspflicht betrifft.

24

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Ihre Verletzung kann im Übrigen zu Folgepflichten des Verwalters führen, 144 so etwa die Pflicht, die unzutreffende Information gegenüber dem Empfänger richtigzustellen, damit dieser sein Verhalten entsprechend anpassen kann. LG Frankfurt/O., Urt. v. 28.10.2011 – 6a S 108/11, ZVI 2012, 26 = ZInsO 2012, 176; s. unten Rn. 176 a. E.

Der Insolvenzverwalter darf dem Sicherungsnehmer die Herausgabe des 145 Sicherungsguts zur abgesonderten Befriedigung verweigern, wenn unsicher ist, ob einzelne Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt der Lieferanten stehen. OLG Stuttgart, Urt. v. 29.12.1989 – 9 U 224/89, ZIP 1990, 1091, dazu EWiR 1990, 925 (Lüke).

Die Entscheidung betraf die Kollision einer Sicherungsübereignung mit 146 einem möglicherweise bestehenden Eigentumsvorbehalt. Zwar muss der Verwalter den Bestand der Ist-Masse klären und – hier schon aufgrund des Versicherungsvertrags – Auskunft geben. Er kann aber, solange er die Eigentumslage nicht geprüft hat, die Herausgabe des im entschiedenen Falle in Rede stehenden, zur Sicherheit übereigneten Warenlagers verweigern. Dies erfordert schon der notwendige Schutz der Interessen der (Eigentums- 147 vorbehalts-)Lieferanten. Zumindest ihre Belange hätten bei Herausgabe des Warenlagers Schaden genommen. Die Sicherungsnehmerin dagegen erleidet nach der vom Oberlandesgericht 148 Stuttgart vertretenen Auffassung keine Einbußen, vor denen sie sich nicht hätte schützen können. Sie hätte nämlich schon vor Insolvenzeröffnung die vertraglich von der Sicherungsgeberin geschuldeten Bestandsverzeichnisse verlangen können, um ihre Rechte als Sicherungsnehmerin auszuüben. Von einem weiteren Kollisionsfall berichtet Ganter,

149

Ganter, FS Wellensieck, S. 399, 412

der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2010 zugrunde lag. BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – IX ZR 56/07, BeckRS 2010, 23784 (allerdings ohne Sachverhalt).

Die Schuldnerin hatte Waren unter verlängertem Eigentumsvorbehalt mit Ver- 150 arbeitungsklausel erworben. Daneben hatte eine erste Bank sich zur Sicherung ihrer Rückzahlungsansprüche sämtliche Forderungen der Schuldnerin aus Warenlieferungen abtreten lassen. Eine weitere zweite Bank hatte zur Sicherung ihrer Ansprüche einen Raumsicherungsvertrag am Fertigwarenlager mit der Schuldnerin abgeschlossen. Alle drei Gläubiger hatten sich zu einem Sicherheitenpool zusammengeschlossen. Der Verwalter zog zunächst alle offenen Forderungen aus Lieferung und Leistung der Schuldnerin ein und kehrte sie an den Verwalter des Sicherheitenpools aus. Anschließend verwertete er die Waren aus dem Fertigwarenlager zugunsten der zweiten Bank und überließ dieser den Erlös. Letztlich ging somit die erste Bank trotz der Sicherungszession leer aus. 25

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

151 Es stellt sich nun die Frage, ob der Verwalter damit eine insolvenzspezifische Pflicht verletzt hat, dass er die gegenüber den Lieferanten nachrangig besicherten aber untereinander gleichrangigen Gläubigerbanken nicht gleichmäßig behandelte. So hätte der Insolvenzverwalter ebenso gut zunächst das Warenlager veräußern können. Aus dem Erlös wären dann die Lieferanten als Sicherungseigentümer der Waren befriedigt worden. In dem Maße, in dem das geschehen wäre, wäre die zweite Bank ausgefallen und hätte die erste Bank daraus Vorteile gezogen. 152 Der Bundesgerichtshof lehnte die Zulassung der Revision mangels entscheidungserheblicher Frage von grundsätzlicher Bedeutung ab. Eine Gleichbehandlung der beiden Banken hätte für den Verwalter die Verpflichtung bedeutet, bei der Verwertung der Sicherheiten die Belange beider Banken mit entsprechenden Haftungsrisiken gleichmäßig zu berücksichtigen. Eine solche Pflicht wird vom Gericht verneint. Vielmehr könne der Verwalter den einfachsten Weg gehen, ohne sich über die Auswirkungen für nachrangige Sicherungsnehmer Gedanken machen zu müssen. BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – IX ZR 56/07, BeckRS 2010, 23784.

153 In der Sache hat das Gericht damit aber auch der Wahrung von Interessen den Vorrang eingeräumt. Maßstab für die Verwertung sind offenbar in erster Linie die Interessen der Masse. Der Verwalter hat bei der Verwertung zwar nicht den einfachsten, aber den der Masse günstigsten Weg zu wählen. Woraus das Gericht diesen Vorrang ableitet, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Möglicherweise sieht es in dieser Frage keine Folge der Insolvenz, sondern des Sicherheitenpools, um den sich der Verwalter nicht zu kümmern habe. Es handelt sich damit nicht um ein notwendigerweise mit seiner Verwaltung verbundenes Risiko. 154 Die Verwertungsrechte bezüglich der einer Absonderung unterliegenden Gegenstände ergeben sich aus den §§ 165 ff. InsO. Die nicht berechtigte Verwertung spielt danach praktisch keine Rolle mehr. 155 Es kommen aber Pflichtverletzungen wegen unsachgemäßer Verwertung von Sicherungsgut oder bei Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers nach § 170 Abs. 1 InsO in Betracht. Insolvenzspezifische Pflichten werden sowohl verletzt, wenn der Verwalter den Erlös nicht abführt, unstr., z. B. OLG Nürnberg, Urt. v. 11.12.2013 – 12 U 1530/12, ZIP 2013, 280, 285,

als auch wenn er das Absonderungsrecht durch Verwertung vernichtet. BGH, Urt. v. 2.12.1993 – IX ZR 241/92, ZIP 1994, 140, dazu EWiR 1994, 229 (Stadler); ausführlich zu den Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der Verwertung von Sicherungsgut: Ganter, FS Wellensieck, S. 399.

26

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Der Verwalter kann mit dem Absonderungsberechtigten eine Vereinbarung 156 treffen, nach der der Verwalter die Sicherungsgegenstände weiter verarbeiten und veräußern, sowie den erzielten Erlös zur Fortsetzung der Produktion einsetzen darf. Wird eine solche Liquiditätsvereinbarung bereits im Eröffnungsverfahren getroffen, so ist auch eine Regelung darüber zu treffen, ob sie nach Verfahrenseröffnung fortgelten soll. Weiterhin sollte sie stets eine Bestimmung darüber enthalten, dass eine solche Verwertung nur stattfinden darf, wenn und soweit neue Sicherheiten durch die Produktion an die Stelle der alten treten und damit der Bestand an Sicherheiten erhalten bleibt. Das schließt grundsätzlich die Veräußerung eines ganzen Warenlagers, in dem sich zumindest auch sicherungsübereignete Sachen befinden, an eine Auffanggesellschaft aus, wenn diese künftig die Produktion und den Vertrieb im eigenen Namen durchführt. In einem solchen Fall muss der Verwalter die Erlöse von der Masse getrennt verwahren und verwalten, BGH, Urt. v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 = NZI 2009, 171, 174, dazu EWiR 2009, 305 (Frind) (noch zu § 82 KO),

und gem. § 170 Abs. 1 S. 2 InsO vorgehen. Die Einziehung der Forderung durch den Insolvenzverwalter, wenn der als 157 Sicherungsgeber nicht zugleich persönlicher Schuldner des Sicherungsnehmers ist, darf nur bei Verwertungsreife erfolgen. BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228 = ZVI 2009, 69 = NZI 2009, 165, 167, dazu EWiR 2009, 387 (Weiß).

Ist diese zweifelhaft, so hat der Verwalter den Erlös zunächst nicht auszu- 158 kehren. Zahlt der Verwalter stattdessen vorzeitig und kann er den Betrag nicht zurückerlangen, so hat er der Masse den hierdurch entstandenen Schaden nach § 60 InsO zu ersetzen. Ganter, FS Wellensieck, S. 399, 405.

Zwar darf der Verwalter bewegliches Gut freihändig verwerten, doch hat er dem 159 Gläubiger auf dessen Verlangen Auskunft über den Zustand der Sache (§ 167 Abs. 1 InsO) zu erteilen und vor Veräußerung an einen Dritten seine Absicht dem absonderungsberechtigten Gläubiger mitzuteilen (§ 168 Abs. 1 InsO). LG Neubrandenburg, Urt. v. 1.3.2006 – 2 O 237/05, ZIP 2006, 1143 = ZInsO 2006, 381.

Der Umfang der formfreien Information bestimmt sich nach dem Zweck der 160 Vorschrift. Sie soll es dem Sicherungsnehmer ermöglichen, einen Vorschlag zu einer günstigeren Verwertungsform zu machen. LG Düsseldorf, Urt. v. 9.5.2003 – 14d O 34/02, DZWIR 2003, 389 m. zust. Anm. Smid; s. auch Haas/Scholl, NZI 2002, 642.

Die Mitteilung muss daher jedenfalls Angaben über die Verwertungsform 161 und den zu erwartenden Erlös enthalten.

27

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

162 Eine Schadensersatzpflicht des Verwalters wegen Verletzung des § 168 InsO wurde vom Oberlandesgericht Karlsruhe für den Fall abgelehnt, dass der Insolvenzverwalter nach einem Hinweis des absonderungsberechtigten Gläubigers auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit eine noch bessere Möglichkeit ermittelt und dem Sicherungseigentümer davon nicht Mitteilung gemacht hat. Bereits mit der einmaligen Mitteilung sei das Mitwirkungsrecht hinreichend gesichert. OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.10.2008 – 9 U 147/08, ZIP 2009, 282, dazu EWiR 2009, 277 (Heuking).

163 Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof bestätigt. BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZR 208/08, ZIP 2010, 1089 = ZVI 2010, 220.

164 Das Gericht lehnt in einem Nichtannahmebeschluss eine Pflicht des Insolvenzverwalters in derartigen Situationen zur nochmaligen Information nach bereits erfolgter Mitteilung der Veräußerungsabsicht ab, wenn der Insolvenzverwalter die Sache auf ein nachgebessertes Angebot an einen Dritten veräußert. Mit der Mitteilung nach § 168 Abs. 1 S. 1 InsO solle sichergestellt werden, dass der absonderungsberechtigte Gläubiger eine Veräußerung der Sache unter Wert verhindern könne. Zweck sei hingegen nicht, dem Gläubiger zu ermöglichen, mit dem interessierten Dritten in eine Art Bieterwettstreit einzutreten, der zu einer Verzögerung des Verfahrens führen könne und von § 168 InsO gerade verhindert werden soll. Letztlich sei dem Gläubiger zuzumuten, auf eine Mitteilung des Verwalters über eine beabsichtigte Veräußerung sogleich einen Betrag anzubieten, der aus Sicht des Gläubigers angemessen ist. 165 § 168 Abs. 3 InsO soll nicht etwa ein Selbsteintrittsrecht des Absonderungsberechtigten zu einem möglichst niedrigen Preis gewähren. Der Insolvenzverwalter ist daher verpflichtet, bei einem niedrigen Angebot des Gläubigers sich zugunsten der Masse um eine bessere Verwertungsmöglichkeit zu bemühen. Im Reflex verhindert diese Auffassung auch, dass der Gläubiger mit dem Gegenstand „spekuliert“, indem er den Gegenstand – nachdem er ihn für einen geringen Betrag erstanden hat – selber zu einem höheren Preis weiterveräußert. BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 181/04, BGHZ 165, 28 = ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61 = NZI 2006, 32; Gundlach/ Frenzel, NZI 2010, 525 f. (Urteilsanm.).

166 An dem vom Verwalter unberechtigt eingezogenen Betrag einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung besteht ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO. Das gilt auch für den Fall eines verlängerten Eigentumsvorbehalts, wenn das Absonderungsrecht an der Forderung untergegangen ist. BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZR 59/08, BeckRS 2009, 28209.

167 Ist eine solche Ersatzabsonderung mangels unterscheidbarer Aufbewahrung nicht möglich, so hat der Sicherungsnehmer einen Anspruch gegen die Masse

28

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, 3 InsO. Im Falle der Masseunzulänglichkeit droht ihm eine Haftung aus § 60 InsO, da es sich auch hierbei um eine insolvenzspezifische Pflicht handelt. MünchKomm-Ganter, InsO, § 48 Rn. 64.

Im Übrigen, d. h. bei berechtigter Veräußerung hat der Verwalter den Ver- 168 wertungserlös dem Sicherungsgläubiger nach § 170 InsO auszukehren. Wenn der vorläufige Verwalter eine Forderung mit gerichtlicher Ermächtigung 169 eingezogen hat und der eingezogene Betrag von ihm auf einem separaten Konto verwahrt wird, so beschränkt sich die Stellung des Sicherungsgläubigers nach Insolvenzeröffnung nicht auf die des Inhabers einer Insolvenzforderung auf Auszahlung. Vielmehr ist der Betrag vom Verwalter analog § 170 Abs. 1 S. 2 InsO an den Gläubiger herauszugeben, soweit der Erlös sich noch unterscheidbar in der Masse befindet. Dieser gesetzlich nicht geregelte Fall ist ebenso zu behandeln wie jener der Veräußerung durch den Insolvenzverwalter. BGH, 21.1.2010 – IX ZR 65/09, NJW 2010, 2585 m. zust. Anm. Henkel.

Auf diese Weise wird verhindert, dass die Masse auf Kosten des Sicherungs- 170 gläubigers gemehrt wird. Auch dies ist eine insolvenzspezifische Pflicht des Verwalters gegenüber dem Absonderungsberechtigten. Grundsätzlich können nach § 166 Abs. 1 InsO zwar nur bewegliche Gegen- 171 stände vom Verwalter freihändig verkauft werden. Es ist aber unstreitig, dass diese Möglichkeit auch bei Grundstücken neben dem Weg über der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung besteht. Dem hat der Gläubigerausschuss gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO, in Ermangelung dessen die Gläubigerversammlung (§ 160 Abs. 1 S. 1 InsO), zuzustimmen. K. Schmidt/Sinz, InsO, § 165 Rn. 30.

Der Verwalter muss auch mit den Inhabern von Grundpfandrechten an den 172 Grundstücken Kontakt aufnehmen, um die Möglichkeit einer freihändigen Verwertung zu klären. Erst nach Durchführung der Gläubigerversammlung im Falle deren notwendiger Zustimmung darf die Verwertung erfolgen. OLG Koblenz, Beschl. v. 5.1.2015 – 3 W 616/14, ZIP 2015, 392 = ZVI 2015, 108 = NZI 2015, 232.

In der Regel wird der Erwerber lastenfreien Erwerb wollen. Das bedeutet, 173 dass der Verwalter mit den Inhabern der Grundpfandrechte eine Verwertungsvereinbarung treffen muss. Um von nachrangigen Gläubigern, deren Recht zwar wertlos ist, auch die Löschungsbewilligung zu erhalten, wird der Verwalter an die Gläubiger eine sog. Lästigkeitsprämie zahlen. Der Bundesgerichtshof steht auf dem Standpunkt, eine derartige Zahlung widerspreche dem Grundsatz gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung.

29

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 = NZI 2008, 365, dazu EWiR 2008, 471 (Schulz); a. A. z. B. Smid, DZWIR 2008, 501, 503; Büchler, in: HambKomm, InsO, § 165 Rn. 13a.

174 Angesichts dessen wird man dem Verwalter zur Vermeidung seiner Haftung anraten müssen, zumindest auf die Insolvenzweckwidrigkeit seines Handelns hinzuweisen, um eine spätere Rückforderung zu ermöglichen (s. o. Rn. 29 ff.). Ganter, FS Wellensieck, S. 399, 412.

175 Allerdings besteht auch dann noch das Risiko der Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Angesichts dessen wird man dem Verwalter aus Vorsichtsgründen von der Zahlung derartiger Gelder abraten müssen, selbst wenn das dann die freiwillige Veräußerung verhindert. Anders sollte der Verwalter sich nur verhalten, wenn er den Nachweis erbringen kann, dass der Masse nur so ein die Zahlungen übersteigender materieller Vorteil zuwächst. 176 Unterlässt der Absonderungsberechtigte es, den Nachweis des Forderungsausfalls innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 190 InsO zu führen, da der Insolvenzverwalter auf Anfrage dem Absonderungsberechtigten sich zumindest im Nachhinein als falsch herausstellende Angaben über die Dauer des Insolvenzverfahrens gemacht hat, so haftet der Verwalter dem Absonderungsberechtigten gegenüber auf Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens, wenn der Absonderungsberechtigte auf die Richtigkeit der Auskunft vertraut hat und deshalb den Verlauf des Verfahrens nicht weiter beobachtet hat. Der Schaden, der dadurch entsteht, dass der übergangene Gläubiger mangels Masse nicht mehr den übrigen Gläubigern gleichgestellt werden kann, beläuft sich bis zur Höhe der (hypothetischen) Quote, die auf den Gläubiger entfallen wäre. Der Verwalter hat auch dafür Sorge zu tragen, dass die Forderungen der Gläubiger ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet, geprüft und festgestellt werden können. Bei Erstellung des Schlussverzeichnisses hat er den Inhalt der Forderungstabelle mit den übrigen Unterlagen zu vergleichen und auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Bei Erteilung unzutreffender Auskünfte ist er verpflichtet, gegenüber dem Absonderungsberechtigten die unzutreffende Information richtigzustellen, damit dieser nicht Gefahr läuft, nach § 190 InsO mit dem Nachweis der Höhe des Ausfalls ausgeschlossen zu sein. Aufgrund der unzutreffenden Auskunft trifft den Gläubiger auch kein relevantes Mitverschulden. LG Frankfurt/O., Urt. v. 28.10.2011 – 6a S 108/11, ZVI 2012, 26 = ZInsO 2012, 176.

c) Haftung gegenüber Massegläubigern aa) Unterscheidung von Gläubigergruppen 177 Auch die Massegläubiger gehören zu den Beteiligten des Verfahrens. Ihnen gegenüber ist der Verwalter daher ebenso nach § 60 InsO für die Erfüllung insolvenzspezifischer Pflichten persönlich verantwortlich. 30

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Daneben haftet der Verwalter auch neuen Massegläubigern gegenüber per- 178 sönlich, wenn die von ihm begründete Verbindlichkeit bei Fälligkeit mangels ausreichender Mittel nicht aus der Masse befriedigt werden kann (§ 61 InsO). Hierauf ist an späterer Stelle ausführlich einzugehen. Siehe Rn. 341 ff.

Die Massegläubiger sind wiederum danach zu unterscheiden, ob sie zu sol- 179 chen durch Handlungen des Verwalters oder auf andere Weise (etwa durch Handlungen des vorläufigen Verwalters oder durch Fortbestand eines vom Verwalter so rasch nicht kündbaren Vertrags) geworden sind. Alle Massegläubiger sind vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Dies 180 ist eine insolvenzspezifische Pflicht, deren Verletzung zur Schadensersatzpflicht nach § 60 InsO führen kann. bb) Besonderheiten bei Masseunzulänglichkeit Besondere Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit der Anzeige der 181 Masseunzulänglichkeit. Ausführlich hierzu: Seidel/Hinderer, NJOZ 2010, 2048 ff.; dies., NZI 2010, 745 ff.

Diese ist gem. § 208 Abs. 2 S. 2 InsO besonders zuzustellen. Die Anzeige der 182 Masseunzulänglichkeit obliegt zum einen zwar dem Verwalter gegenüber dem Gericht, ist aber zum anderen zugleich eine insolvenzspezifische Pflicht gegenüber den Massegläubigern. Konnte der Insolvenzverwalter aufgrund seiner Finanzplanung und der von 183 ihm vorgenommenen Einschätzung, die sachlich nachvollziehbar war, annehmen, dass eine Fortführung des schuldnerischen Betriebs sachgerecht ist, so scheidet eine Haftung des Verwalters wegen verspäteter Anzeige der Masseunzulänglichkeit aus. Z. B. LAG Hamm, Urt. v. 27.5.2009 – 2 Sa 331/09, ZInsO 2009, 1457; s. auch LG Hamburg, Urt. v. 11.11.2005 – 306 O 362/04, ZInsO 2006, 1279.

Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit tritt die Trennung nach § 209 InsO 184 ein, und es ist zwischen Altmasse- und Neumassegläubigern zu unterscheiden. Wie sich schon aus § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO ergibt, ist die Begründung von Neumasseverbindlichkeiten nicht ausgeschlossen. An die Überprüfung der Erfüllbarkeit, die zentrale Frage bei der Begründung von Neumasseverbindlichkeiten, sind aber besonders strenge Anforderungen zu stellen. ArbG Kiel, Urt. v. 16.5.2002 – 1 Ca 2470 d/01, ZInsO 2002, 893, dazu EWiR 2002, 1101 (Schmidt).

31

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

185 Mit einem Problem der Anwendung des § 209 InsO hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf, OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.1.2012 – I-22 U 49/11, NZI 2012, 675,

zu befassen. Konkret ging es um die Frage, wie das Verhältnis zu befriedigender Lohnforderung von freigestellten Arbeitnehmern zu Weiterbeschäftigten ist, wenn die Masseunzulänglichkeit droht. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Pflicht des Verwalters zu gleichmäßiger Gläubigerbehandlung schon ende, wenn mit der Masseunzulänglichkeit ernsthaft zu rechnen sei. Dies folge aus den §§ 209 Abs. 1, 208 Abs. 1 S. 2 InsO. Auf die Anzeige der Masseunzulänglichkeit könne es nicht ankommen, da ansonsten der Verwalter den Zeitpunkt der Anwendung des § 209 InsO verhindern oder verzögern könne. 186 Im Übrigen dürfen die Altmassegläubiger nur in der in § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Rangstelle befriedigt werden. Die Rangfolge des § 209 InsO hat gerade den Vorzug, dass das Haftungsrisiko des Verwalters bei massearmen Verfahren auf ein zumutbares Maß vermindert ist, indem er nur noch die Vorabbefriedigung der Neumassegläubiger sicherstellen muss. 187 Eine Inanspruchnahme des Verwalters kommt aber dann in Betracht, wenn er die Massearmut zu spät anzeigt und die Verbindlichkeit somit nicht in den Genuss der Privilegierung nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO kommt. Dem ließe sich allerdings entgegenhalten, dass es für die Anwendung des § 209 InsO auf diese Anzeige nach dem Verständnis des Bundesgerichtshofs eben gerade nicht ankommt. BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = ZfIR 2011, 62 (m. Anm. Bank, S. 64), dazu EWiR 2011, 123 (Fuchs); hierzu ausführlich Gundlach/Frenzel/Jahn, DZWIR 2011, 177 ff.

188 So hat der Bundesgerichtshof eine Haftung des Insolvenzverwalters in folgendem Fall abgelehnt: I ist Insolvenzverwalter in dem am 19. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. K ist Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage, in der sich eine zur Insolvenzmasse gehörende Wohnung befindet. Am 12. Dezember 2007 wird von I Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt. Die K ist der Auffassung, diese Anzeige hätte bereits im September erfolgen müssen. Da die Gemeinschaft für das auf die Monate September bis Dezember entfallende Wohngeld keine Befriedigung erhält, nimmt K den I darauf in Anspruch. BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = ZfIR 2011, 62 (m. Anm. Bank, S. 64); hierzu ausführlich Bühler, ZInsO 2011, 1240 ff.

189 Das Gericht geht überzeugend davon aus, dass § 61 InsO nicht einschlägig sei. Diese Vorschrift betreffe eben die Begründung von Verbindlichkeiten (und sei es auch nur durch unterbliebene Kündigung). Pflichten für die Zeit 32

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

nach Begründung würden durch die Vorschrift nicht auferlegt. Demzufolge habe der Insolvenzverwalter auch keine Pflicht zur Freigabe. Siehe hierzu u. Rn. 312 ff.

Weitergehend lehnt das Gericht eine insolvenzspezifische Pflicht gegenüber 190 dem Massegläubiger und damit eine Haftung gem. § 60 Abs. 1 InsO ab. Zwar treffe den Verwalter die Pflicht zur rechtzeitigen Anzeige der Masseunzulänglichkeit (gem. § 208 Abs. 1 InsO), gleichwohl bestehe gegenüber dem Gläubiger keine Pflicht des Verwalters, „… so rechtzeitig Masseunzulänglichkeit anzuzeigen, dass der Masse aufgezwungene Verbindlichkeiten ab deren Eintritt bevorzugt mit dem Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO befriedigt werden …“ BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = ZfIR 2011, 62 (m. Anm. Bank, S. 64).

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs würde die Gegenauffassung, die 191 auch vom Berufungsgericht vertreten wurde, den Schutzzweck des Gesetzes „überspannen“ und eine „unzulässige Ausdehnung der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters bedeuten“. Mittelbar hätte der Insolvenzverwalter gleichwohl für die Erfüllbarkeit von auf die Masse übergegangenen Dauerschuldverhältnissen persönlich einzutreten, ohne diese begründet zu haben. Dem ließe sich freilich entgegnen, dass die Pflicht nach § 208 InsO lediglich dazu führen würde, dem Gläubiger, der eine verspätete Anzeige der Masseunzulänglichkeit rügt, so zu stellen, als wäre auch er noch (mit Anteil seiner Forderungen) Neumassegläubiger. Dies bedeutet freilich nicht notwendigerweise, dass der Gläubiger insoweit so zu stellen wäre, als wäre er voll befriedigt worden. Ob eine volle Befriedigung überhaupt möglich gewesen wäre, müsste in jedem Einzelfall geprüft werden. Überzeugender als dieses Argument des Bundesgerichtshofs ist die Über- 192 legung, dass der Gesetzgeber dem Insolvenzverwalter insoweit einen Handlungsspielraum überlassen hat, von dem er – schon mit Blick auf die drohende Haftung gegenüber neuen Massegläubigern gem. § 61 InsO – aus eigenem Interesse verantwortungsvoll Gebrauch machen wird. Das Gericht sieht die Massegläubiger gleichwohl nicht schutzlos gestellt. Vielmehr treffe den Verwalter im Zeitpunkt der drohenden Masseunzulänglichkeit die Verpflichtung, die Befriedigung der Massegläubiger gem. § 209 Abs. 1 InsO vorzunehmen. Verletze er diese Pflichten, wenn er von dieser Vorschrift vorzeitig oder verspätet Gebrauch macht, so hafte er den hiervon betroffenen Massegläubigern. Der Insolvenzverwalter müsse „… vor jeder Auszahlung prüfen, ob die Masse überhaupt ausreicht, um alle Masseforderungen zu begleichen.“ So auch BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104, 114 f. = ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender);

33

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169, dazu EWiR 2007, 625 (Ferslev); s. auch BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZR 105/09, ZInsO 2012, 137 f.

193 Folgt man dem Bundesgerichtshof, so stellt die unterbliebene Anzeige letztlich keine haftungsbegründende Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten dar. Gundlach/Frenzel/Jahn, DZWIR 2011, 177, 179 f.; unklar ist daher, warum der BGH auch eine Haftung bei zu später oder zu früher Anzeige für möglich hält.

194 Dies gilt im Übrigen auch gegenüber den Neumassegläubigern, die nach dem Zeitpunkt der „drohenden Masseunzulänglichkeit“ eine Forderung gegen die Masse begründen. Zwar werden sie nicht rechtzeitig über die finanzielle Lage der Masse in Folge der unterbliebenen Anzeige informiert, dies ist allerdings unschädlich, wenn der Insolvenzverwalter gleichwohl in der Lage ist, die Verbindlichkeit im Fälligkeitszeitpunkt mit Massemitteln zu befriedigen. Bei einem Ausfall der Forderung aber würde der Insolvenzverwalter nach § 61 InsO haften. 195 Eine Haftung kommt auch dann in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter bei drohender Masseunzulänglichkeit Masseverbindlichkeiten ohne Rücksicht auf eine vor- oder gleichrangige Forderung des Gegners erfüllt. BGH, Urt. v. 5.7.1988 – IX ZR 7/88, ZIP 1988, 1068, dazu EWiR 1988, 1015 (Lüke).

196 Bei drohender Masseunzulänglichkeit muss der Verwalter vielmehr durch Bildung von Rückstellungen die Befriedigung auch dieser Gläubiger sicherstellen. Siehe BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169, dazu EWiR 2007, 625 (Ferslev); Bühler, ZInsO 2011, 1240, 1242.

197 Nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung gleichrangiger Forderungen. Die Rangstelle der Forderung ist zumindest bei angezeigter Masseunzulänglichkeit § 209 InsO zu entnehmen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt, LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 14.3.2007 – 3 Sa 477/04, ZInsO 2007, 1007 f., zu diesem Grundsatz s. auch o. Rn. 185 a. E. und OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.1.2012 – I-22 U 49/11, NZI 2012, 675,

soll es sogar zulässig sein, bei fehlender Masse zur Befriedigung aller sonstigen Masseverbindlichkeiten, in Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Betriebsfortführung zunächst die Lieferantenforderungen und die Entgeltforderungen der tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer zu befriedigen und erst dann die fälligen Verzugslohnansprüche freigestellter Arbeitnehmer zu bedienen.

34

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

cc) Weitere Pflichten gegenüber Massegläubigern Gegenüber allen Massegläubigern hat der Insolvenzverwalter ebenfalls 198 Pflichten, die durch § 60 InsO gesichert sind. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 2004, BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender); s. auch unten Rn. 344 ff.,

stellt es etwa eine Pflicht des Insolvenzverwalters dar, Massegläubiger eben nicht nachrangig, sondern vorab aus der Masse zu befriedigen. Daher kam es für die Entscheidung des Falls maßgeblich darauf an, welche Art von Forderung die in den Sicherheitenpool aufgenommenen Gläubiger hatten. Die im Gesetz sich aus den §§ 53 ff. InsO ergebende Verpflichtung zur Vorwegbefriedigung der Masseverbindlichkeiten stellt eine insolvenzspezifische Pflicht dar, die entsprechend vom Verwalter zu beachten ist. Nicht zu den Masseverbindlichkeiten gehört etwa die Verpflichtung, einen 199 aus der Masse verkauften Gegenstand zu übereignen. Hierbei geht es um die Erfüllung einer vertraglichen Pflicht, auf die der Regelungsgedanke der Insolvenzverwalterhaftung nicht passt. Schoppmeyer, FS Kreft, S. 525, 532 f.

Nicht zu den Pflichten des Verwalters gehört es daher auch, die Abfindungs- 200 summe aus einem für die Masse mit einem gekündigten Arbeitnehmer geschlossenen Vergleich zu zahlen. Die Erfüllung und Durchsetzung der Masseforderung aus dem Vergleich richten sich vielmehr nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB und der ZPO. BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38, 41, dazu EWiR 2012, 211 (Schumacher).

Persönliche Pflicht des Verwalters ist es aber, für eine vollständige und 201 rechtzeitige Buchung aller Masseverbindlichkeiten zu sorgen, in dem er die hierzu eingeschalteten Hilfskräfte ordnungsgemäß anleitet und überwacht. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1108, 1113.

dd) Abdingbarkeit der Haftung Im Rahmen des § 61 InsO stellt sich auch unter dem Aspekt der persön- 202 lichen Haftung des Insolvenzverwalters die Frage, ob dieser nur dann einen Kaufvertrag über die Immobilie eingehen darf, wenn er in der Lage ist, eventuelle Mängelansprüche, sollten sie geltend gemacht werden, auch befriedigen zu können. Ein solches Risiko lässt sich auch kaum mit der Begründung mindern, dass er den Mangel der Sache nicht kannte, da der Ausfall in den fehlenden Massemitteln und nicht in der Mangelhaftigkeit der Sache begründet liegt.

35

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

203 Angesichts dessen erhebt sich die Frage, ob die Haftung nach § 61 InsO vom Verwalter abbedungen werden kann. Dem steht zwar nicht entgegen, dass es sich bei der Haftung um eine gesetzliche Haftung handelt. Auch diese kann durchaus abbedungen werden. Allerdings muss eine solche Vereinbarung, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschieht, die hierfür geltenden Grenzen beachten (§ 309 Nr. 7 BGB). Geschieht das im Rahmen des Vertrags mit dem Erwerber, so ist Folgendes zu beachten: Da mit einem Haftungsausschluss in der Regel ein niedrigerer Preis verbunden ist, besteht ein offensichtlicher Interessenkonflikt zwischen dem Verwalter, der seine persönliche Haftung abbedingen will, und der Masse, die den bestmöglichen Preis erzielen will. Dieser Situation wird der Verwalter sich durch Einschaltung eines Sonderverwalters entziehen können. 204 Als Weiteres stellt sich die Frage, ob es des Ausschlusses zum Schutz vor derartigen Ansprüchen überhaupt bedarf. § 61 InsO ist darauf gerichtet, dass der Verwalter durch (rechtsgeschäftliches) Handeln keine Verbindlichkeiten eingeht, die durch Massemittel nicht abgedeckt sind. Die von ihm zu Massegläubigern gemachten Personen sollen sich darauf verlassen dürfen, dass er wie ein ordentlicher Kaufmann handelnd erfüllbare Verbindlichkeiten eingegangen ist. Unter diesem Aspekt erscheint es sehr zweifelhaft, ob Gewährleistungsansprüche überhaupt unter die Bestimmung fallen und er persönlich für die Erfüllung auch dieser Verbindlichkeiten haftet. Rechtsgeschäftlich begründet wird nur die Primärpflicht, nicht aber werden irgendwelche Sekundäransprüche begründet, deren Entstehung von weiteren gesetzlichen Voraussetzungen abhängig ist und die gerade nicht unmittelbar auf einer Rechtshandlung des Verwalters beruhen. Schon das spricht gegen eine Anwendung des § 61 InsO. Gleiches gilt für den Zweck der Vorschrift, da der Verwalter nicht von dem Entstehen derartiger Ansprüche ausgehen kann. Bestätigt wird dies durch die Kontrollüberlegung, wie die Situation außerhalb der Insolvenz ist. Auch hier besteht keine Verpflichtung, für eventuelle Gewährleistungsansprüche, deren Entstehung höchst ungewiss ist, Rücklagen zu treffen. Unabhängig davon besteht für die Gegenpartei die Möglichkeit, im Rahmen des Vertrags mit der Masse eine Gewährleistungsbürgschaft zu verlangen, wodurch die Gegenseite vor dem Ausfall geschützt würde. d) Pflichten gegenüber Insolvenzgläubigern 205 Im Übrigen treffen den Verwalter zahlreiche insolvenzspezifische Pflichten gegenüber dem Insolvenzgläubiger. Die Beachtung dieser Pflichten wird durch § 60 InsO sichergestellt. 206 Zu diesen Pflichten gehören die Aufnahme der Forderungen in das Verzeichnis sowie ein Hinweis auf die unzureichende Forderungsanmeldung. Noch zur KO: KG, Urt. v. 2.6.1987 – 7 U 107/87, ZIP 1987, 1199, dazu EWiR 1987, 803 (Eickmann); s. im Übrigen schon oben Rn. 176 a. E.

36

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Die Masse soll nicht auf Kosten uninformierter Insolvenzgläubiger gemehrt 207 werden. Eine weitere Pflicht besteht auch gegenüber Insolvenzgläubigern darin, die 208 Masse zu verwalten (§ 148 InsO) und damit auch zu erhalten. Der Bundesgerichtshof sieht den Insolvenzverwalter aufgrund dessen sogar als verpflichtet an, unter bestimmten Voraussetzungen nicht benötigte Gelder bis zur endgültigen Verteilung der Masse zinsgünstig anzulegen. Die Befugnis des Gläubigerausschusses nach § 149 InsO zu bestimmen, an welcher Stelle und zu welchen Bedingungen u. a. Geld hinterlegt oder angelegt werden soll, stehe dem nicht entgegen, da der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift nicht eine den Insolvenzverwalter treffende Pflicht habe ausschließen wollen. Fehle es an einer entsprechenden Beschlussfassung, so sei die zinsgünstige Anlage Sache des Insolvenzverwalters. Grundlage dieser Verpflichtung sei die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung der Masse. Sie beziehe sich auf vorgefundenes Vermögen, wie auch Neuerwerb und Gelder, die im Wege der Verwertung in die Masse gelangten. BGH, Urt. v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448, 1499 = ZVI 2014, 377 = NJW-RR 2014, 1516, 1517, dazu EWiR 2014, 563 (Jungmann).

Maßstab für das Entstehen der Pflicht sei das Leitbild des ordentlichen und 209 gewissenhaften Insolvenzverwalters. Diesem sei eine gewisse Einarbeitungszeit zuzugestehen, die das Gericht zwar durchaus als von Art und Umfang des Insolvenzverfahrens abhängig sieht, ohne das näher auszuführen; regelmäßig erfordere diese Einarbeitung aber nicht mehr als sechs Wochen. Dabei sei auch die Zeit der Tätigkeit als vorläufiger Verwalter (und im Einzelfall sogar als Sachverständiger) anzurechnen, der als solcher unabhängig von seinen Entscheidungsbefugnissen sich einen Überblick über das Vermögen des Schuldners verschaffen müsse. Das Gericht definiert folgende Voraussetzungen für die Pflicht zur Anlage von Geldern: Es müsse sich um erhebliche Mittel handeln, die für das laufende Verfahren 210 nicht benötigt würden. Der für den Anlagezeitraum zu erzielenden Ertrag müsse den mit der Anlage verbundenen Aufwand rechtfertigen. In der Regel sei darauf abzustellen, welche Zinsen mit sog. Tagesgeldkonten erzielt werden könnten. Die Gelder müssten durch ein Einlagensicherungssystem gedeckt sein. BGH, Urt. v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448, 1450 = ZVI 2014, 377.

Die Entscheidung mag auf den ersten Blick überzeugen, hat aber, wie die Dar- 211 legungen zeigen, die Schwäche, vor allem durch unbestimmte Voraussetzungen gekennzeichnet zu sein. Diese betreffen die Höhe, die Art der Einlagensicherung sowie die Frage, welche Bemühungen der Verwalter unternehmen muss, um eine solche Anlagemöglichkeit zu finden. Im Einzelfall kann auch die Antwort auf die Frage zweifelhaft sein. Beispielhaft 212 sei auf einen Fall verwiesen, der dem Landgericht Hamburg zur Entscheidung

37

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

vorlag. Dort trug der Verwalter vor, er habe die liquiden Mittel für die operative Tätigkeit der Auffanggesellschaft vorhalten müssen. Das Gericht lehnte ein solches Erfordernis ab. Es vertritt wohl pauschal die Auffassung, der Verwalter dürfe grundsätzlich keine Mittel für die operativ tätige Auffanggesellschaft vorhalten, da er keine Massemittel für Auffanggesellschaften einsetzen dürfe. Verstoße er hiergegen, so schädige er die Masse, da ihr dadurch (hier: Zahlung auf die Honorarforderung eines für die Auffanggesellschaft tätigen Akquisiteurs) keine „unmittelbaren“ Vorteile zugutekämen. LG Hamburg, Urt. v. 13.9.2012 – 323 O 601/09, ZIP 2013, 738 = ZInsO 2012, 2102, dazu EWiR 2013, 209 (Desch/Nachtmann).

213 Hier wird man dem Verwalter nicht nur einen gewissen Ermessensspielraum zubilligen müssen, sondern im Übrigen die Fälle durchaus unterschiedlich danach beurteilen müssen, ob ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft vorgesehen ist. Siehe auch Desch/Nachtmann, EWiR 2013, 209; in diesem Punkt unklar das LG Hamburg, das vom Fehlen einer Absicherung der Schuldübernahme spricht, ohne dass klar würde, ob es hierin einen erheblichen Umstand sieht.

214 Ausdrücklich stellt der Bundesgerichtshof fest, der Verwalter habe keine besonders günstigen Angebote zu ermitteln. BGH, Urt. v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448, 1450 = ZVI 2014, 377.

215 Damit bleibt die Frage offen, was er dann konkret zu tun hat. Die konkrete Pflicht und deren Verletzung werden also nur schwer zu ermitteln sein. Damit aber gibt das Urteil dem Verwalter keine nachvollziehbaren Maßgaben, an denen dieser seine Amtsführung ausrichten kann. Angesicht des derzeitigen Zinsniveaus wird sich die Frage eher stellen, welchen Aufwand der Verwalter betreiben muss, um die Entstehung von Negativzinsen zu vermeiden. Kritisch Wagner, NZI 2014, 760 ff. (Urteilsanm.); insoweit auch krit. Harder, VIA 2014, 68 (Urteilsanm.).

216 Die Pflicht zur Erhaltung der Masse hat unmittelbare Auswirkung auf die Betriebsfortführung. Zu den Haftungsrisiken in der Betriebsfortführung im Überblick: Meyer/Schulteis, DZWIR 2004, 319 ff.

217 Der Verwalter ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er es schuldhaft unterlässt, den schuldnerischen Betrieb stillzulegen, obgleich die Fortführung weitere Verluste nach sich zieht. Im Rahmen seiner Pflicht zur Erhaltung der Masse muss der Insolvenzverwalter auch den Abschluss und die Aufrechterhaltung einer D&O Versicherung prüfen. Hierzu ausführlich: Andresen/Schaumann, ZInsO 2010, 1908, 1913 ff.

38

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Lediglich in der Phase bis zum Berichtstermin darf die Betriebsfortführung 218 Verluste zur Folge haben, die aber nicht erheblich sein dürfen (§ 158 Abs. 2 S. 2 InsO). Unzutreffend ist es, diese Verpflichtung auch bei der Haftung gegenüber dem Massegläubiger zu prüfen. Für die Frage der Haftung wegen Eingehung neuer Masseverbindlichkeiten nach § 61 InsO kommt es nicht auf eine Vergleichsrechnung an, ob die Fortführung oder Zerschlagung der Masse ein besseres Ergebnis bringt. So aber OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.11.2002 – 12 U 112/02, ZIP 2003, 267, 269.

Für die Haftung nach § 61 InsO ist ausschließlich von Bedeutung, dass die 219 Masseverbindlichkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit erfüllt werden kann. Anders verhält es sich freilich, soweit es die Betriebsfortführung nach Begrün- 220 dung der Masseverbindlichkeit angeht. Die pflichtwidrige, da zu lange andauernde Betriebsfortführung, stellt gegenüber Massegläubigern ein haftungsbegründendes Verhalten dar, wenn die Masse nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht. Hier verlaufen die Pflichten gegenüber Insolvenzgläubigern und Massegläu- 221 bigern in Bezug auf die Erhaltung der Masse weitgehend parallel. Die Vergleichsrechnung ist insoweit im Rahmen der Haftung gem. § 60 InsO bei beiden Gläubigergruppen von Bedeutung. Diese Parallelität zeigt sich auch bei der vom Verwalter vor der Entscheidung über eine Fortführung anzustellenden Prognose. So ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, vor einer Entscheidung über die Fortführung des Schuldnerunternehmens, die bestehenden und künftig zu begründenden Masseforderungen realistisch einzuschätzen. Wenn diese Prognose nicht positiv endet, so ist der Betrieb einzustellen. BGH, Urt. v. 6.10.2011 – IX ZR 105/09, ZInsO 2012, 137.

Im Übrigen ist auf den bereits an früherer Stelle dargestellten Aspekt hin- 222 zuweisen, dass im Einzelfall es zu einer Haftung des Verwalters gegenüber den Insolvenzgläubigern wegen Minderung der Insolvenzmasse auch dann kommen kann, wenn die Masse von Schadensersatzansprüchen belastet ist, die letztlich auf ein Verhalten des Insolvenzverwalters zurückzuführen sind (Masseschmälerung durch vom Verwalter verursachte Schadensersatzpflicht). Zu der dem Verwalter obliegenden Verwaltung (§ 148 InsO) gehört auch des- 223 sen Pflicht gegenüber den Insolvenzgläubigern und anderen, die Leistungen aus der Masse erhalten sollen, Ansprüche der Masse gegen Dritte geltend zu machen. Unterlässt der Verwalter etwa die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen, so liegt darin ein haftungsbegründendes Verhalten, wenn er die Erhebung der Klage unterlassen hat, obwohl sie erforderlich war, Erfolg versprach und wirtschaftlich vertretbar war. LG Krefeld, Urt. v. 6.2.2014 – 3 O 271/13, NZI 2014, 410.

39

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

224 Dem kann der Verwalter auch nicht entgegenhalten, er habe sich wegen der positiven Fortführungsprognose zunächst der Betriebsfortführung gewidmet. LG Dresden, Urt. v. 31.5.2013 – 10 O 3091/12, ZIP 2013, 1440, das freilich unzutreffend von einem Spannungsverhältnis zwischen Sanierung und Gläubigerbefriedigung als Verfahrensziel ausgeht. Erstere ist schon nach dem Wortlaut des § 1 InsO kein eigener Verfahrenszweck.

225 Diese Pflicht zur Verfolgung massemehrender Ansprüche schließt allerdings nicht aus, eine Insolvenzforderung an einen Dritten gegen Erfolgsbeteiligung abzutreten, der die bestrittene Forderung gerichtlich durchsetzen will. Hierzu schon Rn. 37.

226 Der Verwalter muss bei fehlender Liquidität und Erfolglosigkeit eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe trotz hinreichender Erfolgsaussichten auch die Frage prüfen, ob er die Kosten des Verfahrens mittels Hinzuziehens eines Prozessfinanzierers aufbringen kann. Über diese Möglichkeit muss er die Organe vor ihrer Entscheidung über die Prozessführung informieren. Droht Verjährung oder die Forderung uneinbringlich zu werden, so kann es im Einzelfall erforderlich sein, nicht erst die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe abzuwarten. Ausführlich zu diesen Fragen: G. Fischer, NZI 2014, 241, 244 ff.

227 Der Verwalter hat die Masse vor unberechtigter Inanspruchnahme zu schützen. 228 Zu den Pflichten des Verwalters unter diesem Aspekt gehört die Prüfung, ob dem Insolvenzschuldner Ansprüche auf Steuerrückerstattung gegenüber der Finanzverwaltung zustehen. Sollte hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehen, so muss er die rechtlich gebotenen Schritte einleiten. Im Einzelfall kann aber ein Schadensersatzanspruch am Verschulden scheitern. Siehe hierzu u. Rn. 637.

229 Der Verwalter ist auch zu einer Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger verpflichtet. Die Pflicht setzt auch der Möglichkeit Grenzen, dass bei der übertragenden Sanierung der Erwerber „freiwillig“ Altverbindlichkeiten – etwa auf Gewährleistung für Leistungen des Schuldners – übernimmt. Hierauf darf der Insolvenzverwalter nur eingehen, wenn diese Verpflichtung des Erwerbers sich nicht auf den Kaufpreis auswirkt. Leithaus, NZI 2015, 279 (Anm. zu BGH, Urt. v. 13.11.2014 – IX ZR 277/13, NZI 2015, 277).

230 Zu einer Schädigung der Insolvenzgläubiger kann es zudem kommen, wenn der Insolvenzverwalter auf bestimmte Forderungen trotz Nachrang (insbesondere bei kapitalersetzenden Darlehen) zahlt und damit das an die übrigen Gläubiger zu verteilende Vermögen mindert. Das Gleiche gilt, wenn ein Insolvenzverwalter nach Erfüllungsverlangen nach § 103 InsO bei einem teilbaren Dauerschuldverhältnis auch die Gegenleistung für den Teil der Leistung

40

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

erbringt, der für die Leistung geschuldet wird, die vor Insolvenzeröffnung erbracht wurde (teilbarer Vertrag nach § 105 InsO). LG Hamburg, Urt. v. 13.9.2012 – 323 O 601/09, ZIP 2013, 738, 740 = ZInsO 2012, 2102, dazu EWiR 2013, 209 (Desch/Nachtmann).

Anderes könnte – so das Landgericht Hamburg – gelten, wenn etwa bei einem 231 Versicherungsvertrag der Versicherer bereits vor Insolvenzeröffnung qualifiziert gemahnt und die Kündigung angedroht habe (§ 39 VVG). LG Hamburg, Urt. v. 13.9.2012 – 323 O 601/09, ZIP 2013, 738, dazu EWiR 2013, 209, 210 (Desch/Nachtmann).

Nicht als pflichtwidrig ist es anzusehen, wenn der Insolvenzverwalter im 232 Rahmen der Verwaltung ein Anderkonto errichtet. Zwar erleichtert dieses dem Verwalter die Möglichkeit, Gelder zu unterschlagen oder anderweit zu missbrauchen, doch kann dies kaum ein überzeugendes Argument sein, um die Einrichtung eines solchen Kontos als pflichtwidrig anzusehen. Vor solchem Verhalten schützt § 60 InsO hinreichend. Auch ist der Insolvenzverwalter befugt, für ein Verfahren mehrere Konten einzurichten. Paulus, WM 2008, 473, 475.

Selbst die Einrichtung eines Insolvenz-Sammelkontos wird man als zulässig 233 erachten können. Es dient letztlich der Masseerhaltung und -mehrung, indem für die Gelder bei dem Kreditinstitut bessere Konditionen erzielt werden können. Auch insoweit ist bis zum Grad der Insolvenzzweckwidrigkeit der Insolvenzgläubiger durch den Schadensersatzanspruch nach § 60 InsO sowie die Kontrolle durch das Insolvenzgericht genügend geschützt. Paulus, WM 2008, 473, 475.

Erfolgt auf ein solches Konto eine irrtümliche Überweisung, so sind derartige 234 Zahlungen an den (vorläufigen) Insolvenzverwalter als nur an ihn und nicht an die Insolvenzmasse geleistet anzusehen. Der gezahlte Betrag ist nicht Bestandteil der Insolvenzmasse geworden. BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 = ZVI 2009, 260 = NZI 2009, 245 f., dazu EWiR 2009, 343 (Ferslev).

Der Insolvenzverwalter ist Schuldner des Bereicherungsanspruchs aus § 812 235 BGB. Dies macht angesichts der persönlichen Haftung das Anderkonto für den Verwalter allerdings sehr unattraktiv. Für den Entreicherungseinwand gelten die allgemeinen Grundsätze. Hat der Bereicherungsgläubiger den Insolvenzverwalter durch ein Schreiben über die Fehlbuchung informiert, so ist letzterer mit Zugang dieser Mitteilung bösgläubig und unterliegt damit der strengen Haftung gem. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 292 Abs. 1, 989 BGB. Der Ausgleich muss dann unter Heranziehung seines persönlichen Vermögens erfolgen.

41

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

236 Der Gläubiger kann seinerseits allerdings die Masse in Anspruch nehmen, wenn diese von einer Masseverbindlichkeit durch die Zahlung befreit wurde. Anders ist es bei einer Bereicherung vor Verfahrenseröffnung. Hier hat die Forderung lediglich die Qualität einer Insolvenzforderung. BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 = ZVI 2009, 260 = NZI 2009, 245 f.; s. auch BGH, Urt. v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZVI 2008, 69 = NZI 2008, 39, dazu EWiR 2008, 213 (Mitlehner); LG Essen, Urt. v. 10.9.2010 – 9 O 9/10, NZI 2011, 543; Stahlschmidt, NZI 2011, 272 ff.; hierzu auch Schulte-Kaubrügger, ZIP 2011, 1400 ff.

237 Insgesamt wird die Praxis der Verwaltung wohl dazu übergehen, die Einrichtung von Anderkonten aufzugeben, um das mit ihnen verbundene Risiko der persönlichen Inanspruchnahme aus Bereicherungsrecht zu vermeiden. 238 In der Literatur wird teilweise die Einrichtung eines Sonderkontos, sei es als Eigenkonto des (vorläufigen) Insolvenzverwalters mit der Bezeichnung als Sonderkonto für den Schuldner oder als Fremdkonto auf den Namen des Schuldners empfohlen. In der Sache handele es sich um eine Ermächtigungstreuhand, für deren Einrichtung jedoch gewisse formale Erfordernisse erfüllt werden müssen. Hierzu Stahlschmidt, NZI 2011, 272, 276; Schulte-Kaubrügger, ZIP 2011, 1400, 1403 ff.

239 Nicht als Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten, sondern als einen Fall deliktischer Haftung hat der Bundesgerichtshof den Verstoß gegen die allgemeine Verkehrssicherungspflicht angesehen. BGH, Urt. v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86, ZIP 1987, 1398, dazu EWiR 1987, 1127 (Eckert).

240 Fraglich ist hier allerdings, ob diese Haftung den Verwalter persönlich trifft oder nicht vielmehr allein die Masse über die Zurechnungsnorm des § 31 BGB eintreten muss. Vieles scheint eher für die letzte Auffassung zu sprechen. 241 Weiter gehört es zu den Pflichten des Verwalters gegenüber den Insolvenzgläubigern, die Massegegenstände bestmöglich zu verwerten. Das gilt auch bei Veräußerung an eine Auffanggesellschaft, wenn Gegenstände veräußert werden, um sie einer Beihilferückforderung zu entziehen, Cranshaw, Anm. zu BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 47/06, jurisPR-InsR 2/2008 Anm. 1.

242 Dabei ist ihm die Art und Weise der Veräußerung überlassen. Zu den Pflichten des Verwalters unter dem Aspekt einer Vermeidung der Entstehung von Rückforderungsansprüchen auf geleistete Beihilfen nach EU-Recht gegen den Erwerber, s. Ehricke, ZInsO 2005, 516, insb. 519 f.

42

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht

Bei der Veräußerung des Unternehmens hat das zu bedeuten, dass der Ver- 243 walter alle vertraglichen Möglichkeiten nutzen muss. Im Einzelfall kann daher auch eine Exklusivitätsvereinbarung erforderlich sein. Hierzu ausführlich Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095 ff.

Bislang wurde vom Bundesgerichtshof noch nicht die Frage entschieden, ob 244 der Verwalter eine insolvenzspezifische Pflicht verletzt, wenn er dem Insolvenzgläubiger unrichtige Rechtsauskünfte erteilt. BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 = ZVI 2008, 208, dazu EWiR 2008, 309 (Eckert), konnte das offen lassen, da es im konkreten Fall eines vorläufigen Verwalters jedenfalls an einer Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden gefehlt hätte.

Eine solche insolvenzspezifische Pflicht besteht nicht, da die Erteilung von 245 Rechtsauskünften nicht zum Pflichtenkreis des (vorläufigen) Verwalters nach der Insolvenzordnung gehört. Der gegenteilige Standpunkt würde im Übrigen zu einer Erweiterung der Haftungsrisiken des Verwalters führen und ihn erheblich in der Durchsetzung der Gläubiger- und Masseinteressen behindern. Der Verwalter hat eben keine neutrale Mittlerposition. Siehe auch Eckert, EWiR 2008, 309 f.

Das Risiko unzutreffender Rechtsauffassung trifft den Dritten oder Vertrags- 246 partner in der Insolvenz ebenso wie außerhalb der Insolvenz. Nur als Sachwalter (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) oder nach deliktischen Grundsätzen kann der Verwalter solchen Personen haftbar sein. Entsprechend muss der Verwalter auch Ansprüche gegen die Masse geltend 247 machen können, ohne dabei Gefahr zu laufen, bei ungerechtfertigter Geltendmachung hierfür von seinem Gegenüber auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, wenn dieser wegen mittlerweile eingetretener Masseunzulänglichkeit seinen Rückforderungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung des Verwalters für Prozesskosten. e) Pflichten gegenüber dem Schuldner Der Verwalter hat spezifische Pflichten auch gegenüber dem Schuldner.

248

Smid, in: Kölner Schrift, S. 265 Rn. 32.

Weitergehend haftet er ihm gegenüber für Schäden, die durch eine übereilte 249 Veräußerung des Unternehmens entstehen. BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, dazu EWiR 1985, 313 (Kübler).

Der Insolvenzverwalter hat die in die Masse fallenden Forderungen einzuziehen. 250 Dazu gehört auch, bei Ausbleiben einer freiwilligen Leistung durch den vermeintlichen Schuldner, die Aussichten einer gerichtlichen Durchsetzung und

43

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

deren wirtschaftliche Erfolgsaussichten in Betracht zu ziehen. Im Übrigen hat der Verwalter einen möglichst hohen Erlös aus der Verwertung des Vermögens zu erzielen. Mögliche Fehlerquellen sind hier neben dem zu geringen Preis, BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, ZIP 1991, 324,

die Begehung von Fehlern bei der Verhandlung des Vertrags. Ein Vertrag mit einem Partner ohne hinreichende Bonität, nachteilige Vertragsbedingungen oder verspätete Veräußerung kommen als weitere Fehler in Betracht. Gundlach, in: Pape/Graeber, Teil 3 Rn. 277 ff.

251 Der Pflichtenkreis wird entscheidend bestimmt von dem vorrangigen Verfahrensziel der Gläubigerbefriedigung. Daher ist es zumindest sehr zweifelhaft, eine Haftung nach § 60 InsO auch für die Wahrnehmung sämtlicher steuerlicher Belange des Schuldners anzunehmen. So aber offenbar Smid, in: Kölner Schrift, S. 265 Rn. 42 f.

252 An einer Pflichtverletzung fehlt es, wenn der Verwalter nach sorgfältiger Abwägung der Erfolgsaussichten und der Risiken sich gegen einen Widerspruch gegen eine angemeldete Forderung entscheidet. OLG Celle, Beschl. v. 18.3.2005 – 16 W 13/05, ZInsO 2005, 441.

253 Keine insolvenzspezifische Pflicht gegenüber dem Insolvenzschuldner bildet die Verpflichtung des Verwalters, bei Beendigung des Amtes aufgrund Beendigung des Verfahrens oder seiner Abberufung oder Entlassung, Rechnung zu legen (§ 66 InsO). Der Schuldner kann hierauf auch nicht etwa sein Begehren auf Schadensersatz stützen, wenn bspw. aufgrund einer angeblich zu späten Schlussrechnung die Wohlverhaltensphase des § 295 InsO später beginnt und dadurch eine Erbschaft voll, statt nur in Höhe von 50 Prozent (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO) an die Insolvenzmasse auszukehren ist. OLG Koblenz, Beschl. v. 5.1.2015 – 3 W 616/14, NZI 2015, 232, 233 f.

254 Da die Pflicht aus § 66 InsO gegenüber der Gläubigerversammlung besteht, kann eine Haftung auch nur gegenüber den an dieser Versammlung teilnehmenden Mitgliedern als Gesamtschaden eintreten, der erst nach Beendigung des Verfahrens von einem einzelnen Gläubiger (zu einem Teil) in Höhe des entsprechenden Quotenschadens geltend gemacht werden kann. Siehe hierzu unten Rn. 298 ff.

255 Verstößt der Insolvenzverwalter gegen die mietvertragliche Pflicht, bei Unterverpachtung einer gepachteten Gaststätte die Zustimmung des Vermieters einzuholen, so wird dadurch keine dem Verwalter obliegende insolvenzspezifische Pflicht gegenüber dem Schuldner verletzt. Eine Haftung scheidet unter diesem Aspekt daher aus. Vielmehr ist denkbar, dass den Insolvenzgläubigern (ein Gesamt-)Schaden entstanden ist und dieser vom Verwalter ersetzt verlangt werden kann, wenn der Masse als solcher Pachteinnahmen entgehen.

44

2. Verletzung insolvenzspezifischer Pflicht OLG München, Beschl. v. 30.10.2012 – 14 U 2739/12, ZInsO 2013, 1530.

f) Pflichten gegenüber sonstigen Beteiligten Auch anderen Personen gegenüber können Pflichten bestehen. Beispielhaft 256 sei nur genannt x

der Nacherbe bei einem Verstoß gegen § 83 Abs. 2 InsO, Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 10,

x

die zur Hinterlegungsstelle bestimmte Bank. BGH, Urt. v. 30.1.1962 – VI ZR 18/61, KTS 1962, 106.

Gegenüber dem (Allein-)Gesellschafter einer insolventen GmbH ist der Ver- 257 walter von deren Vermögen nicht nach § 60 InsO haftpflichtig. Ihm gegenüber treffen den Verwalter keine insolvenzspezifischen Pflichten. Gleiches gilt für Aktionäre einer AG. So haftet bei Masseverschleuderung der Verwalter der Gemeinschuldnerin gegenüber, nicht aber deren Gesellschaftern. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.1.2013 – 9 U 129/11, ZIP 2013, 1237.

g) Haftung des Insolvenzverwalters während des Planverfahrens Im Rahmen des Planverfahrens kann es durchaus zu besonderen Haftungs- 258 situationen kommen. Das Landgericht Stuttgart, LG Stuttgart, Urt. v. 11.12.2002 – 27 O 295/02, DZWIR 2003, 171,

hatte über eine solche Frage zu entscheiden. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: K lieferte an die spätere Schuldnerin laufend Furnier- und Dünnspanplatten. Am 31.5.2000 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Verwalter führte den Geschäftsbetrieb fort. Mit Schreiben vom 31.5.2000 wurden die Lieferanten darum gebeten, die Schuldnerin weiterhin vertragsgemäß zu beliefern. Die Bezahlung der Lieferungen sei sichergestellt. Ein Insolvenzplan wurde am 18.8.2000 durch das zuständige Amtsgericht 259 bestätigt. Der Beklagte wurde mit der Überwachung des Plans beauftragt. Am 26.3.2001 ging bei der Klägerin ein Auftragsschreiben ein, das einen maschinenschriftlichen Aufdruck „der Verwalter“ versehen mit einer unleserlichen Unterschrift enthielt. Am 5.4.2001 wurde die Aufhebung des Insolvenzverfahrens beschlossen. Am 260 6.4.2001 bestellte die frühere Schuldnerin schriftlich erneut Waren bei der Klägerin. Auch diese Schreiben waren mit dem vorgenannten Zusatz versehen. Am 20.4.2001 wurde der Aufhebungsbeschluss des Amtsgerichts im Bundes-

45

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

anzeiger veröffentlicht. Es erfolgte in derselben Weise erneut eine Bestellung bei der Klägerin. 261 Von den offenen Forderungen bezahlte die frühere Schuldnerin nur einen geringen Teil. Mit Beschluss vom 20.11.2001 wurde erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. 262 Die Klägerin meldete ihre offenen Forderungen zur Tabelle an. Der Verwalter erkannte die Forderungen an. Eine Zahlung erfolgte nicht. Nunmehr nimmt K den Verwalter persönlich in Anspruch. Zwar stammten die Unterschriften auf den Bestellungen nicht von dem beklagten Verwalter, doch müsse er sie sich zurechnen lassen. 263 Das Gericht ließ die Frage der Begründetheit der Forderungen offen und stellte fest, dass aufgrund der Kontoauszüge bis zum 31.3.2001 der Verwalter nachweisen konnte, dass im Zeitpunkt der Bestellung keine Veranlassung bestand, von einer zukünftigen Nichterfüllbarkeit aufgrund von Massearmut bei Fälligkeit der klägerischen Forderungen auszugehen. Die klägerischen Forderungen beliefen sich mit dem 31.3.2001 auf 46.000 €, die liquiden Mittel auf 209.000 € nach Abzug der Kosten des Insolvenzverfahrens. 264 Die Bestellungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens konnten keine Masseverbindlichkeiten begründen. Von besonderem Interesse sind jedoch die Ausführungen des Landgerichts dazu, ob der Insolvenzverwalter zwischen rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans und dessen Aufhebung die Verpflichtung obliegt, die während des Verfahrens begründeten Masseverbindlichkeiten zu befriedigen oder zumindest Sicherheit für diese zu leisten. 265 Im Konkreten geht es um die Anwendung des § 258 Abs. 2 InsO der den Verwalter grundsätzlich zur Berichtigung oder Sicherung unstreitiger Masseansprüche verpflichtet. Überraschenderweise will das Gericht die Vorschrift nicht auf den vorliegenden Fall anwenden. Der Schuldnerin habe ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden und deshalb komme eine Berichtigung der Forderungen nicht in Betracht. Das Gericht sieht sich bestätigt durch die frühere Rechtsprechung zu §§ 190, 191 KO für den Zwangsvergleich, auf die die Begründung des Regierungsentwurfs hinweist. 266 Dies ist in der Literatur auf Widerspruch gestoßen, da eine solche Lösung nicht nur dem Wortlaut der Vorschrift widerspreche, sondern es würde die Fortführung auf Grundlage eines Insolvenzplans überhaupt ausgeschlossen, da der Plan gem. § 231 Abs. 1 Nr. 3 InsO von Amts wegen zurückzuweisen sei. Dies gilt freilich nicht für Verbindlichkeiten, die aus der „plangesteuerten Betriebsfortführung“ entstanden sind. Entscheidender Zeitpunkt ist danach jener der Bestätigung des Planes. Für Einzelheiten s. Busch, DZWIR 2003, 172 ff. (Urteilsanm.).

46

3. Verschulden

Den Verwalter trifft als insolvenzspezifische Pflicht eine Pflicht zur Vorlage 267 eines Insolvenzplans (§ 218 Abs. 1 S. 1 InsO). Zu dieser Pflicht und der Möglichkeit einer Haftung nach § 60 InsO wegen ihrer Verletzung: Antoni, NZI 2013, 236, 238 f.

Diese Pflicht endet nicht etwa mit der Beauftragung durch die Gläubiger, einen 268 Plan auszuarbeiten unter Berücksichtigung bestimmter Planvorgaben. A. A. Gerbers, in: Pape/Graeber, Teil 3 Rn. 1759, der die Pflicht zur Planerstellung dem Votum der Gläubiger unterordnet.

Es stellt daher keinen haftungsbegründenden Tatbestand dar, wenn der Ver- 269 walter trotz eines solchen Auftrags einen Dritten mit der Ausarbeitung eines weiteren Plans beauftragt. Die Angaben innerhalb des Plans müssen zutreffen und vollständig sein. Auch 270 insoweit haftet der Verwalter. Das Verschulden Dritter muss sich der Verwalter gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Allerdings wird es dem einzelnen Gläubiger schwer fallen, eine Kausalität zwischen Fehlinformation und Abstimmungsverhalten darzulegen. Hier sollte auf den objektiv urteilenden Insolvenzverwalter abgestellt werden. Sieht der Plan eine Abschlagszahlung durch den Insolvenzverwalter vor, so 271 wird damit die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung der Masse näher bestimmt. Eine vorzeitige Abschlagszahlung stellt damit eine pflichtwidrige Handlung i. S. d. § 60 InsO dar. Der Schaden kann dann im Zinsausfall für die Masse liegen. LG Berlin, Urt. v. 1.12.2011 – 9 O 293/11, ZInsO 2012, 326 ff.

Soweit dem Verwalter die Überwachung der Plandurchführung übertragen 272 wurde (§§ 260 Abs. 1, 261 Abs. 1 S. 1 InsO), kommt ebenfalls eine persönliche Haftung in Betracht. 3. Verschulden a) Verschuldensmaßstab Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auf die Sonderregelung des § 61 273 InsO hinzuweisen. Im Übrigen sind folgende Besonderheiten zu beachten: Mit dem Sorgfaltsmaßstab „eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters“ beabsichtigte der Gesetzgeber eine Lockerung des Verschuldensmaßstabs. Siehe zu vergleichbaren Vorschriften: § 347 Abs. 1 HGB: Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns; § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und § 34 Abs. 1 S. 1 GenG: Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters; § 43 Abs. 1 GmbHG: Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.

47

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

274 Damit soll den besonderen Umständen Rechnung getragen werden, die üblicherweise bei der Insolvenzverwaltung bestehen, indem der objektive Mindestmaßstab spezifischer festgelegt wird. 275 Berücksichtigt werden müssen die für die Einarbeitung in den Fall zur Verfügung stehende Zeit, die Größe des zu verwaltenden Vermögens und die Schwierigkeiten der vorgefundenen Buchführung des Schuldners. Letzteres rechtfertigt es, nicht denselben Maßstab anzulegen, der an den Geschäftsführer eines gesunden Unternehmens anzulegen ist. Auch insoweit kann im Rahmen der Masseschuldbegründung die Abhängigkeit des Verwalters von Zuarbeiten Dritter berücksichtigt werden. 276 Gänzlich abgelehnt wird ein Verschulden für sog. aufgezwungene Masseverbindlichkeiten, deren Begründung vom Verwalter nicht beeinflusst werden kann. Hierunter wird man auch das Entstehen von Umsatzsteuerpflichten ordnen müssen, da anderenfalls das Insolvenzverfahren letztlich an der fehlenden Erfüllungsmöglichkeit solcher fiskalischer Verbindlichkeiten scheitern würde, ausführlich zu den Problemen des Umsatzsteuerrechts im Zusammenhang mit § 61 InsO: Webel, S. 178 ff.,

weil eine Verwertung nicht möglich wäre. 277 Ein Rechtsirrtum ist grundsätzlich unbeachtlich und nur unter engen Voraussetzungen lässt er ein Verschulden entfallen. OLG Köln, Urt. v. 14.5.1982 – 6 U 221/81, ZIP 1982, 977.

278 Ein Verschulden ist immer dann zu verneinen, wenn der Inhalt des Gesetzes mehrfache Deutungen zulässt und die den Vorzug verdienende Auslegung durch Wissenschaft und Praxis noch nicht festgelegt ist. 279 Teilweise wird eine Anwendung der Business Judgment Rule, wie sie das Aktienrecht in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG für die Mitglieder des Vorstands kennt, auch für den Insolvenzverwalter befürwortet. Diese haftungsrechtliche Privilegierung soll dem Interesse der Aktionäre dienen, indem sie ein bestimmtes Entscheidungsverhalten der Aktionäre, das nicht in ihrem Interesse ist, ausgleicht. Ausführlich hierzu Jungmann, NZI 2009, 80, 82 ff.; Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321 ff.; Frege/Nicht, FS Wellensiek, S. 291 ff.

280 Die Insolvenz aber ist schon wegen der sehr viel weitergehenden Interessen der Beteiligten des Verfahrens, die allesamt für die Haftung in Anspruch nehmen können, mit dieser Situation nicht vergleichbar. 281 Eine Übertragung der Grundsätze auf den Insolvenzverwalter ist daher abzulehnen. Mittels einer angemessenen Bestimmung der Pflichten des Verwalters und der flexiblen Anwendung des Verschuldensmaßstabs lassen sich im Übrigen ohne Weiteres angemessene Ergebnisse erzielen. Damit wird auch die Gefahr vermieden, zu übersehen, dass die Insolvenzverwaltung anders

48

3. Verschulden

als die Unternehmensführung keinem Selbstzweck, sondern allein den Zielen des § 1 InsO dient. Ablehnend auch so schon de lege lata K. Schmidt, AG 2006, 597, 601 f.; Jungmann, NZI 2009, 80, 82 ff.; a. A. dagegen de lege ferenda Berger/Frege, ZIP 2008, 204, 210; Uhlenbruck, FS K. Schmidt, S. 1605, 1615, der von einer „Insolvency Judgment Rule“ spricht; sowie de lege lata: Bönner, S. 111 ff.; Oldiges, S. 130 ff.; Kebekus/ Zenker, FS Maier-Reimer, S. 319 ff. (allerdings beschränkt auf eine Haftung nach § 60 InsO wegen Schäden der Masse); Erker, ZInsO 2012, 199 ff.

b) Haftung für Erfüllungsgehilfen Grundsätzlich muss der Verwalter sich das Verschulden seiner Erfüllungs- 282 gehilfen gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Das gilt vor allem für die Tätigkeit seiner Mitarbeiter. Auf die Besonderheiten im Zusammenhang mit der Einsetzung von Angestellten des Schuldners (§ 60 Abs. 2 InsO) wurde bereits hingewiesen. Hier wird für Fälle die Zurechnung eingeschränkt, in denen der Verwalter keine andere Möglichkeit als deren Einsatz hatte. Die Gründe für eine solche Angewiesenheit können etwa in speziellen Kennt- 283 nissen der Angestellten liegen oder finanzieller Natur sein, um unnötige Belastungen der Masse zu verhindern. Für solche Personen trifft den Verwalter lediglich eine Überwachungs- und Einstandspflicht, soweit es Entscheidungen von besonderer Bedeutung angeht. Das bedeutet für den Verwalter, dass er zunächst die Zuverlässigkeit und 284 Kompetenz in jedem Einzelfall zu prüfen hat. Unterlaufen ihm hierbei Fehler, so trifft ihn ein persönliches Verschulden. Die Verwaltung ist zwar dem Verwalter höchstpersönlich übertragen. Er kann 285 dieses Amt auf keinen anderen übertragen. Insolvenzverfahrensspezifische Handlungen darf er nur persönlich vornehmen. Der Einsatz von Mitarbeitern in größeren Verfahren ist aber praktisch unvermeidbar oder gar geboten. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399.

Der Verwalter kann sich grundsätzlich durch die Delegierung auf Dritte 286 nicht seiner Verantwortung entziehen. Dies wird man jedenfalls im Regelfall annehmen müssen, es sei denn, es liegt die besondere Situation vor, in der die Einsetzung des Dritten wegen der besonderen Kenntnisse erforderlich ist. Siehe schon oben Rn. 283.

In diesen Fällen schuldet der Verwalter eine ermessensfehlerfreie Auswahl 287 der Hilfsperson, d. h. die Beauftragung eines sachkundigen und sorgfältig ausgewählten Dritten sowie dessen Beaufsichtigung. OLG Jena, Urt. v. 27.10.2007 – 2 U 414/04, ZInsO 2005, 44, 46, für die Verwertung durch eine Verwertungsgesellschaft.

49

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

288 Hinsichtlich des mitwirkenden Verschuldens des geschädigten Gläubigers ist zu berücksichtigen, dass allein der Umstand, mit einem Insolvenzverwalter eine vertragliche Beziehung einzugehen, nicht die Annahme eines solchen mitwirkenden Verschuldens rechtfertigt. c) Verschulden und Zustimmung eines Gläubigerorgans 289 Für bestimmte Maßnahmen bedarf der Insolvenzverwalter eines entsprechenden Beschlusses der Gläubigerversammlung (§§ 162 Abs. 1, 157 S. 1, 100 Abs. 1, 163 Abs. 1 InsO) oder des Gläubigerausschusses (s. z. B. §§ 160 Abs. 1 sowie 100 Abs. 2 InsO). Die fehlende Zustimmung des Gläubigerorgans lässt die Wirksamkeit der Rechtshandlung unberührt (§ 164 InsO, der einen allgemeinen Grundsatz enthält). 290 In der sofortigen Veräußerung des schuldnerischen Betriebs, ohne die vom Gesetz gem. §§ 159, 160, 162 InsO verlangte Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung herbeizuführen, liegt ein schuldhafter Verstoß gegen die insolvenzspezifischen Pflichten im Rahmen der Verwertung. OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011 – 5 U 31/08, NZI 2011, 488.

291 In dem vom Oberlandesgericht Rostock entschiedenen Fall kam hinzu, dass der Verkauf an eine nahe stehende Person i. S. v. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO und unter Wert erfolgte. Dem, so das Oberlandesgericht, könne man auch nicht entgegenhalten, dass eine sofortige Veräußerung notwendig gewesen sei. Der Insolvenzverwalter hätte im fraglichen Fall durchaus die Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses durch das Insolvenzgericht gem. § 67 Abs. 1 InsO anregen können. Ob hier allerdings die Zustimmung des Gläubigerausschusses genügt hätte, erscheint zumindest fraglich, verlangt § 162 InsO doch, dass bei einer Betriebsveräußerung an besonders Interessierte die Gläubigerversammlung zustimmt. Das Gericht weist im Übrigen überzeugend auf die Möglichkeit hin, sich dadurch zu behelfen, statt der Veräußerung übergangsweise das Unternehmen an den Interessierten zu verpachten, bis das Votum der Gläubigerversammlung eingeholt werden konnte. 292 Haftungsrechtlich führt das zur Alleinverantwortlichkeit des Verwalters. Nach herrschender Auffassung soll umgekehrt die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung die Verantwortlichkeit des Verwalters nicht entfallen lassen. BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425.

293 Sie ist jedoch ein Indiz für sorgfältiges Verhalten. Teilweise wird auch ein Zusammenhang zwischen Bindungswirkung der Zustimmung und Haftung des Verwalters gesehen. Sei eine Bindung gegeben, so dürfe der Verwalter nicht persönlich verantwortlich sein.

50

4. Schaden

Bei Erteilung der Genehmigung bedeutet dies jedoch keineswegs, dass der 294 Verwalter die Maßnahme vornehmen müsse, sondern nur, dass er sie vornehmen dürfe. Im Einzelnen wird man verschiedene Situationen unterscheiden müssen: x

Scheitert der Verwalter mit seinem Antrag auf Aufhebung des Beschlusses, so kommt eine persönliche Haftung nicht in Betracht.

x

Im Übrigen scheidet ein Haftungsausschluss auch jenen Beteiligten gegenüber aus, die an der Beschlussfassung nicht mitwirkten (Massegläubiger und Absonderungsberechtigte).

x

Uneingeschränkt haftbar ist der Verwalter für die zutreffende und vollständige Information des Gläubigerorgans.

x

Inwieweit die Zustimmung dann im Rahmen des Verschuldens berücksichtigt werden kann, ist streitig. Der Bundesgerichtshof hat eine Auswirkung auf den Umfang der Haftung des Insolvenzverwalters in den Fällen abgelehnt, in denen die Zustimmungsbedürftigkeit fehlte. BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, dazu EWiR 1985, 313 (Kübler).

Demgegenüber kann auch ein „freiwilliger“ Zustimmungsbeschluss ein Ver- 295 schulden entfallen lassen. Das hiergegen oft vorgetragene Argument, die Verwaltung obliege allein dem Verwalter und dieser könne sich durch die Einholung der Zustimmung des Gläubigerausschusses seiner persönlichen Haftung nicht entziehen, vermag nicht zu überzeugen. Gerade der Gläubigerausschuss soll ein Hilfsmittel für den Verwalter sein. 296 Ihm sollen besonders sachkundige Personen als Mitglieder angehören. Zu diesem Zweck dürfen sogar am Insolvenzverfahren unbeteiligte Personen in den Gläubigerausschuss gewählt werden, eine Möglichkeit, die das Gesetz nunmehr für den vorläufigen Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren wegen des fehlenden Verweises in § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO auf § 67 Abs. 3 InsO nicht gibt. Die flexibelste Lösung ist es, die Mitwirkung des Gläubigerausschusses im Rahmen des Innenausgleichs zwischen Gläubigerausschuss und Insolvenzverwalter zu berücksichtigen. Im Übrigen kann es zu einem völligen Haftungsausschluss kommen, wenn 297 der Gläubigerausschuss in der zu entscheidenden Frage besonders sachkundig war und er gerade deshalb eingesetzt wurde. 4. Schaden a) Unterscheidung Einzelschäden – Gesamtschaden Grundsätzlich ist zwischen den Schäden der einzelnen geschädigten Beteiligten 298 und solchen zu unterscheiden, die in der Minderung der Masse liegen und als Gesamtschaden bezeichnet werden. Schäden im Vermögen eines einzelnen Beteiligten können schon während des Insolvenzverfahrens geltend gemacht 51

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

werden. Der Gesamtschadensersatzanspruch ist von einem Sonderinsolvenzverwalter oder – im Falle einer Entlassung des bisherigen Verwalters – von dem neuen Verwalter einzufordern (§ 92 InsO). 299 Der Gesamtschaden kann auch nach Beendigung des Verfahrens nicht vom Schuldner geltend gemacht werden. Vielmehr können die einzelnen Insolvenzgläubiger dann den auf sie entfallenden sog. Quotenverringerungsschaden geltend machen. Der Anspruch auf Ersatz des Gesamtschadens ist vermögensrechtlich den geschädigten Insolvenzgläubigern zugewiesen und letztlich die Summe der Quotenverringerungsschäden. Statt der Geltendmachung durch die einzelnen geschädigten Gläubiger kann der Anspruch auch durch den Insolvenzverwalter im Rahmen einer Nachtragsverteilung verfolgt werden, der dann nach erfolgreicher Durchsetzung die erlangte Summe auf die Insolvenzgläubiger zu verteilen hat. BGH, Hinweisbeschl. v. 14.5.2009 – IX ZR 93/08, ZIP 2009, 2012, dazu EWiR 2010, 157 (Runkel/Schmidt, J. M.).

300 Die Zulässigkeit der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters etwa bei bestehender Interessenkollision ist anerkannt. Einzelfragen sind allerdings sehr streitig. Vielfach wird ein solcher Sonderinsolvenzverwalter zunächst mit der Prüfung eventuell bestehender Schadensersatzansprüche vom Gericht, Lüke, ZIP 2004, 1693,

beauftragt. BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, ZIP 2006, 36, 37; s. z. B. auch AG Charlottenburg, Beschl. v. 12.2.2015 – 36a IN 51/11, ZInsO 2015, 582.

301 Wichtig ist, dass das Gericht in seinem Beschluss, der die Sonderinsolvenzverwaltung anordnet, die Aufgaben des Sonderinsolvenzverwalters klar umschreibt. Wird der Sonderinsolvenzverwalter mit der Prüfung der Frage beauftragt, ob gegen den Insolvenzverwalter Ansprüche auf Schadensersatz bestehen, so umfasst das nicht auch die – gerichtliche – Durchsetzung derartiger Ansprüche. BGH, Urt. v. 17.7.2014 – IX ZR 301/12, ZIP 2014, 2043, dazu EWiR 2015, 53 (Baumert) und Lüke, WuB 2015, 82.

302 Eine solche Befugnis kann in der Regel auch nicht durch Auslegung des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses gewonnen werden. In der zitierten Entscheidung geht das Gericht davon, dass sowohl die Gläubigerversammlung als auch das Insolvenzgericht eine solche Beauftragung beschließen kann. Das ist im Hinblick auf den Schutz von Minderheiten im Verfahren problematisch. Beherrschen einzelne Großgläubiger die Gläubigerversammlung, so werden sie entsprechende Beschlüsse verhindern können, wenn das für sie – in welcher Form auch immer – mit Vorteilen verbunden ist. Ob die Möglichkeit, die Aufhebung eines solchen Beschlusses nach § 78 InsO zu beantragen, hiergegen einen wirkungsvollen Schutz bietet, erscheint zweifelhaft. Siehe auch Rn. 306.

52

4. Schaden

Die klare Umschreibung der Aufgaben ist vor allem erforderlich, um die Be- 303 fugnisse des Sonderinsolvenzverwalters gegenüber dem bestellten Insolvenzverwalter bestimmen zu können. Ausreichend ist für die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters, dass Ansprüche auf Schadensersatz nicht fern liegend erscheinen. Pape, ZInsO 2005, 963.

Der einzelne Gläubiger kann die Bestellung lediglich anregen.

304

Ein Rechtsmittel gegen die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters soll nicht bestehen, BGH, Beschl. v. 1.2.2007 – IX ZB 45/05, ZIP 2007, 547 = ZVI 2007, 319, dazu EWiR 2007, 373 (Hess); BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen); Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, Rn. 236 ff., 254 ff.

Das Gericht hat genau zu prüfen, inwieweit die Bestellung eines solchen 305 Insolvenzverwalters nur angeregt wurde, um den im Amt befindlichen Verwalter bei seiner Arbeit zu behindern, also mit der Anregung rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt werden. Dies ist ebenso zu vermeiden, wie es umgekehrt sinnlos erscheint, allein den 306 Gläubigern letztlich die Entscheidung darüber zu überlassen, ob Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter geltend zu machen sind, auch wenn der Sonderinsolvenzverwalter von deren Bestehen ausgeht. Die Gegenauffassung führte letztlich zu einer Wirkungslosigkeit der Bestel- 307 lung des Sonderinsolvenzverwalters als aufsichtsrechtliches Mittel und würde den „Großgläubigern“, die die Mehrheit in der Gläubigerversammlung haben, die Möglichkeit verschaffen, gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter eine gegen die Interessen der Gläubigergesamtheit gerichtete Maßnahme haftungsrechtlich zu sanktionieren. Der Gesamtschaden besteht in der Minderung der Masse oder durch Erhöhung 308 des Forderungsbestands gegen die Masse, vor allem in Folge des schuldhaften Verhaltens des Verwalters. Im Zusammenhang mit der Erhaltung der Masse steht die Frage nach der 309 Freigabe von Massegegenständen. Grundsätzlich unterliegt die Freigabe dem Ermessen des Verwalters. Der Schutz der Masse kann aber eine Freigabe erforderlich machen. Hierzu Küpper/Heinze, ZInsO 2010, 2009.

Die pflichtwidrige Freigabe eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter 310 führt zu einem Gesamtschaden. KG, Beschl. v. 30.9.2005 – 7 W 61/05, ZIP 2006, 43.

53

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

311 Gegenüber Dritten trifft den Verwalter keine Pflicht zur Freigabe, da diese die Masse, nicht aber den von einer Freigabe möglicherweise begünstigten Gläubiger schützen soll. 312 Unzutreffend ist es daher, wenn man zum Schutze der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Verpflichtung des Verwalters zur Freigabe mit der Folge annimmt, dass bei einem Unterlassen der Freigabe eine Haftung nach §§ 60 f. InsO in Betracht kommt, sofern der Verwalter sah, dass er das künftig fällige Hausgeld nicht aus der Masse begleichen kann. 313 Zwar entsteht der Hausgeldanspruch nicht erst mit Beginn des Monats, für den er zu entrichten ist, sondern mit Beschluss der Wohnungseigentümer über seine Festsetzung, Lüke, FS Kirchhof, S. 287, 292 ff.; s. auch ders., ZWE 2006, 370; a. A. LG Stuttgart, Urt. v. 23.4.2008 – 10 S 5/07, ZVI 2008, 490 = NZI 2008, 442; vgl. auch Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 55 Rn. 35 f.,

gleichwohl ist das Hausgeld für die Zeit, in der die Wohnung der Masse zugehörig ist, mit deren Mitteln zu begleichen. Ist dies angesichts der Unzulänglichkeit der Masse nicht möglich, so handelt es sich um oktroyierte Masseverbindlichkeiten, zum Begriff s. oben Rn. 276,

für die der Verwalter auch nach § 61 InsO nicht einzustehen hat. Lüke, ZWE 2010, 62, 67; s. aber Becker, in: Bärmann, WEG, § 16 Rn. 225.

314 Die „Mitgliedschaft“ des Schuldners in der Wohnungseigentümergemeinschaft ist insoweit nicht einem Mietverhältnis und der Situation, in der der Verwalter eine Kündigung unterlässt, gleichzustellen. LG Stuttgart, a. a. O.; Pape, ZfIR 2007, 817 ff.; s. auch Lüke, FS Wenzel, S. 235, 245; a. A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.4.2006 – I-3 Wx 299/05, ZIP 2007, 687 = ZfIR 2007, 870 (m. Bespr. Pape, S. 817).

315 Die Gegenauffassung berücksichtigt nicht genügend den Zweck der Freigabe. Die Freigabe dient dem Schutz der Masse und nicht des Gegenübers. 316 Aus diesem Grund wird man im Rahmen eines Wohnmietverhältnisses auch keine Pflicht des Verwalters nach § 109 InsO zur Erklärung nach Abs. 1 S. 2 dieser Vorschrift befürworten können, nur weil die Miete aus der Masse nicht beglichen werden kann. Auch durch diese Erklärung soll die Masse geschützt werden und nicht etwa die Belange des Gegenübers. Im Verhältnis zur Masse ist der Verwalter allerdings dann zur Kündigung des Mietverhältnisses verpflichtet, wenn für den Verwalter erkennbar ist, dass auch der

54

4. Schaden

Schuldner nicht in der Lage sein wird, die Miete mittels des freien Vermögens zu begleichen. Ansonsten bestünde für die Masse die Gefahr, auf den Ausfall in Anspruch 317 genommen zu werden (§ 109 Abs. 1 S. 3 InsO). Durch die Erklärung gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO soll der Schuldner aber nur vor einer Kündigung durch den Verwalter geschützt werden, wenn der Wohnraum für die Masse ohne Nutzen ist. Dem Schuldner soll aber keine Verlängerung der Mietzeit zu Lasten der Masse 318 und des Vermieters auch dann ermöglicht werden, wenn er die dafür erforderlichen Mittel nicht erbringen kann. A. A. LG Osnabrück, Beschl. v. 16.12.2004 – 1 O 2998/04, ZInsO 2005, 156.

In einer Entscheidung, die noch zur Konkursordnung ergangen ist,

319

BGH, Urt. v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, ZIP 2004, 1218 = NZI 2004, 496, dazu EWiR 2004, 817 (Gundlach/Schmidt),

hat der Bundesgerichtshof nochmals bestätigt, dass der sog. Quotenverringerungsschaden Teil des Gesamtschadens ist und daher bis zum Abschluss des Konkursverfahrens nur von einem Konkursverwalter geltend gemacht werden kann. Dieses Urteil ist auf die Regelungen der Insolvenzordnung übertragbar. Der 320 Konkursverwalter (und auch der [Sonder-]Insolvenzverwalter) haben allein die Prozessführungsbefugnis für die Dauer des Insolvenzverfahrens. Dies ist notwendig, um eine Gleichbehandlung der einzelnen Gläubiger zu erreichen. Die Rechtszuständigkeit des Verwalters gilt auch für Feststellungsklagen. Eine 321 Prozessführungsbefugnis des einzelnen Gläubigers für den Quotenschaden würde dazu führen, dass die Gefahr divergierender Entscheidungen entstünde. Die Klage des einzelnen Insolvenzgläubigers könnte einen anderen Ausgang nehmen als die Klage des Insolvenzverwalters auf Ersatz des Gesamtschadens. Mit seiner Auffassung stellt das Gericht einen Gleichklang mit § 92 InsO 322 her. Zugleich befasst es sich mit der Verzögerung. Hinsichtlich der Verjährungsfrist sei, so das Gericht, auf die Person desjenigen abzustellen, der die Forderung geltend machen könne. Für den einzelnen Insolvenzgläubiger beginnt damit die Verjährungsfrist erst mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt ist. Ausdrücklich offen gelassen hat das Gericht die Frage, ob hiervon eine 323 Ausnahme zu machen ist, wenn sämtliche Gläubiger sich über Schaden und Person des Ersatzpflichtigen im Klaren waren, aber keiner von ihnen eine Sonderverwaltung oder die Ablösung des Schadensersatzpflichtigen und die Einsetzung eines neuen Verwalters beantragt hat.

55

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

324 Zumindest angedeutet hat das Gericht, es könne in einem solchen Fall das Interesse des ersatzpflichtigen Verwalters überwiegen, dass die Verjährung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs nicht länger als nötig aufgeschoben wird. 325 Allerdings wird man hier auch die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen, die vor allem darin bestehen können, dass der Verwalter sich gegen die Einsetzung eines Sonderverwalters (erfolgreich) mit der Begründung gewehrt hat, dass es keinen Anhaltspunkt gebe, die Einsetzung eines Sonderverwalters zu verlangen. b) Ersatz des negativen Interesses 326 Der Bundesgerichtshof hat erstmals in einer Entscheidung zu § 61 InsO über den Umfang des Schadensersatzanspruchs entschieden. Darin hat das Gericht, BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender); zustimmend auch Sächs. LAG, Urt. v. 10.12.2004 – 3 Sa 385/04, juris,

festgestellt, dass die Verpflichtung im Rahmen des § 61 InsO auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist. Das Gericht befindet sich damit im Einklang mit der schon h. M. in der Literatur und seiner Auffassung zu § 82 KO und vertritt diesen Standpunkt seither in ständiger Rechtsprechung. Z. B. BGH, Urt. v. 13.2.2014 – IX ZR 313/12, ZIP 2014, 736 = NZI 2014, 400, dazu EWiR 2014, 389 (Dahl/Schmitz); BGH, Beschl. v. 4.7.2013 – IX ZR 264/12, ZIP 2013, 1927 (LS) = ZInsO 2013, 1960 (betr. Auslassen einer günstigen Möglichkeit zur Verwertung von Absonderungsgegenständen); s. auch BAG unten Rn. 423.

327 Die entscheidenden Argumente sind zum einen die Systematik zu § 60 InsO, der einen Ersatzanspruch auf das negative Interesse gewähre. § 61 InsO sei aber demgegenüber nur ein spezieller Tatbestand. Zum anderen verweist das Gericht auf historische Argumente und vergleicht die Fälle mit jenen, in denen das BGB Ausgleich des positiven Interesses gewährt (§ 281 BGB). 328 Zwar seien die Äußerungen in der Regierungsbegründung nicht ganz eindeutig, doch rechtfertige sich die Auslegung letztlich auch aus dem Zweck. Hier verweist das Gericht vor allem auf die vorläufige Insolvenzverwaltung und den schwachen Insolvenzverwalter mit konkreter Einzelermächtigung. Diese Möglichkeit würde kaum wahrgenommen, wenn die Haftungsrisiken in diesem Fall durch eine Ausdehnung der Schadensersatzpflicht auf das positive Interesse weiter verschärft würden. 329 Der Geschädigte ist danach so zu stellen, wie er stünde, wenn er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Bei der Haftung nach § 61 InsO braucht der Geschädigte sich die Quote nach § 209 Abs. 1 InsO nicht anrechnen zu lassen. Vielmehr kann er gem. § 255 BGB nach den allgemeinen Grundsätzen des 56

4. Schaden

schadensrechtlichen Bereicherungsverbots Abtretung des Anspruchs auf die Quote an den Verwalter verlangen. In dieser Rechtsfolge unterscheidet sich die Insolvenzverwalterhaftung auch 330 nicht grundsätzlich von der Sachwalterhaftung nach § 311 Abs. 2 und 3 BGB i. V. mit §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Auch sie ist auf das negative Interesse gerichtet, anders als die Haftung nach § 311a BGB, die nach herrschender Auffassung wohl Schadensersatz statt der Leistung gewährt. Kritisch hierzu von Olshausen, ZIP 2002, 237, 239.

Keinen danach ersatzfähigen Schaden stellen die Räumungskosten dar, wenn 331 der Verwalter es unterlassen hat, eine Nutzungsvereinbarung zu kündigen, nachdem das für die Nutzung entstehende Entgelt nicht mehr aus der Masse geleistet werden konnte. Diese Kosten wären ohnehin entstanden und stehen daher nicht in dem ursächlichen Zusammenhang mit der Masseschuldbegründung. OLG Celle, Urt. v. 28.2.2013 – 16 U 143/12, ZIP 2013, 1037 = ZVI 2013, 265 = ZfIR 2013, 342 (LS) = NZI 2013, 442 (hierzu auch Rn. 585.

Konsequent hat der Bundesgerichtshof diese Grundsätze mittlerweile auch auf 332 die Haftung aus § 60 InsO angewandt. Wörtlich führt das Gericht hierzu aus: „Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Schadensersatzanspruch aus § 60 InsO der Klägerin keinen Ersatzschuldner verschafft, sondern eine gesetzliche Haftung begründet, die regelmäßig auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist (BGHZ 159, 104, 118 = ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345; Fischer, WM 2004, 2185, 2187). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie wenn der Insolvenzverwalter die Pflichtverletzung nicht begangen hätte (§ 249 Abs. 1 BGB). Für einen Mietausfallschaden wegen der von dem Beklagten persönlich – der insoweit außerhalb des Mietverhältnisses steht – zu verantwortenden verspäteten Rückgabe des Mietobjekts gilt § 252 S. 1 BGB. Die Klägerin hätte darlegen müssen, wann sie das Objekt bei rechtzeitiger Rückgabe anderweitig hätte vermieten können und zu welchem Mietzins. Dazu fehlt jeder Vortrag. Die Darlegungserleichterung gemäß § 252 S. 2 BGB ändert nichts daran, dass der Geschädigte Anknüpfungstatsachen vorzutragen und zu beweisen hat, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der geltend gemachte Gewinn zu erzielen gewesen wäre (BGHZ 54, 45, 55; BGH, Urt. v. 17.6.1998 – XII ZR 206/96, WM 1998, 1787, 1788; v. 27.9.2001 – IX ZR 281/00, NJW 2002, 825, 826, dazu EWiR 2002, 87 (Hirtz); v. 17.10.2003 – V ZR 84/02, ZfIR 2004, 307 (LS) = NJW-RR 2004, 79, 81)“. BGH, Urt. v. 25.1.2007 – IX 216/05, ZIP 2007, 539 = NZI 2007, 286.

Auch im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze bei der Schadensermitt- 333 lung. Notwendig ist, dass die Vermögensminderung durch das haftungsbegründende Ereignis eingetreten ist. Nur solche Minderungen sind als Schaden anzuerkennen, die ohnedies nicht eingetreten wären. Ist durch das pflichtwidrige Handeln des Verwalters das Eigentum des Geschädigten untergegangen (Weiterverarbeitung und Veräußerung an Gutgläubige trotz bestehenden

57

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

Eigentumsvorbehalts), so kann der verdrängte Rechtsinhaber den Verkehrswert der Sachen ersetzt verlangen. BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671.

5. Verjährung 334 Die Haftungsansprüche nach §§ 60 f. InsO verjähren seit der Schuldrechtsmodernisierung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (§ 62 S. 1 InsO). Gem. § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. In Letzterem besteht die Neuerung der Vorschrift durch die Schuldrechtsmodernisierung. Es bedarf heute nicht mehr eines weiten Verständnisses der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners. So etwa MünchKomm-Brandes/Schoppmeyer, InsO, §§ 60, 61 Rn. 7.

335 Maßgeblich ist die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht aber deren zutreffende rechtliche Würdigung. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.3.2010 – 19 U 247/08, juris (noch zum alten Recht); s. auch BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252.

Beispiel: Der Insolvenzverwalter kehrt den Erlös aus der Verwertung der in die Mietsache eingebrachten Sachen überwiegend an eine Gläubigerin aus, die an den Gegenständen Sicherungseigentum hatte. Dabei übergeht er insoweit das an den Sachen bestehende Vermieterpfandrecht. Vor Verteilung des Erlöses kündigt der Verwalter gegenüber den Beteiligten sein Vorgehen schriftlich an. Bereits mit Zugang dieses Schreibens ist ein Schaden anzunehmen, da hierzu bereits der Verlust des Herausgabeanspruchs an dem Verwertungserlös genügt und dieser nicht etwa nur eine Vermögensgefährdung darstellt. OLG Frankfurt/M., a. a. O.

336 Da es keine Subsidiarität zwischen dem Anspruch gegen die Masse und jenem gegen den Verwalter gibt, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist nicht erst nach erfolgloser Inanspruchnahme der Masse (für Gesamtschäden s. oben Rn. 322). BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194, dazu EWiR 2006, 179 (Pape).

337 Zu einem besonderen Problem kann es bei der Sonderinsolvenzverwaltung kommen, wenn der Sonderverwalter zunächst nur mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen beauftragt ist. Hier stellt sich die Frage, ob der Verjährungsbeginn von einer entsprechenden ausdrücklichen Beauftragung zur 58

5. Verjährung

gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche abhängt. Der Bundesgerichtshof hat dies in einer Entscheidung vom 17. Juli 2014 verneint. BGH, Urt. v. 17.7.2014 – IX ZR 301/12, ZIP 2014, 2043 = NZI 2014, 973, dazu Lüke, WuB 2015, 82.

Der Beklagte ehemalige Konkursverwalter (das Konkursverfahren war im 338 Dezember 1997 eröffnet worden) wurde auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Im Jahre 2004 wurde eine Sonderverwalterin vom Insolvenzgericht zunächst nur ermächtigt, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter zu prüfen. Die Sonderverwalterin konnte somit zunächst eventuelle Ansprüche auf Schadensersatz nicht gerichtlich durchsetzen. Eine andere Auslegung des Beschlusses war nach Überzeugung des Gerichts nicht möglich. Da § 199 BGB für den Beginn der Verjährungsfrist darauf abstellt, ob der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, stellte sich die Frage, ob neben diesen Voraussetzungen es auch darauf ankommt, eine Befugnis zur Durchsetzung der Ansprüche zu haben. Derartige Gesamtschadensersatzansprüche können – wie bereits ausgeführt (s. o. Rn. 298) – für die Dauer des Insolvenzverfahrens nur von einem Sonderverwalter geltend gemacht werden. Da die subjektive Kenntnis regelmäßig an der Möglichkeit gemessen wird, mit hinreichender Aussicht auf Erfolg zumindest eine Feststellungsklage zu erheben, könnte man auch für den Lauf der Verjährungsfrist auf die Erteilung einer entsprechenden Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung abstellen. Dies hat der Bundesgerichtshof abgelehnt. Die Beteiligten – Gläubiger und Konkurs- bzw. Insolvenzgericht – hätten es sonst in der Hand, darüber zu entscheiden, ob die Verjährungsfrist zu laufen beginne. Maßgeblich sei vielmehr die Kenntnis des Sonderverwalters von den anspruchs- 339 begründenden Umständen. Der Sonderverwalter sei verpflichtet, das Gericht und die Gläubiger kurzfristig von den Ergebnissen seiner Untersuchungen zu unterrichten. Dies habe erforderlichenfalls in Form von Zwischenberichten zu geschehen. Zugleich habe er „zu gegebener Zeit eine Klage gegen den Konkursverwalter anzuregen.“ Selbst wenn der Sonderinsolvenzverwalter eine solche Geltendmachung von 340 Ansprüchen unterlässt, ist es dem einzelnen Gläubiger möglich, Ersatz für den auf ihn entfallenden „Quotenschaden“ zu fordern, soweit der Sonderverwalter diesen nicht bereits erfolglos als Teil des Gesamtschadens begehrt hat. Die Verjährungsfrist dieses Anspruchs beginnt erst nach Kenntnis des einzelnen Gläubigers von den Umständen i. S. d. § 199 BGB zu laufen, frühestens ab Beendigung des Insolvenzverfahrens. Ob dies freilich eine realistische Möglichkeit ist, wird sich danach richten, inwieweit der Zeitablauf dem einzelnen Gläubiger der Nachweis dieser Umstände unmöglich macht.

59

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter 341 Ein zentrales Problem des Haftungsrechts nach der InsO war zunächst die Bestimmung des § 61 InsO. Wie bereits eingangs angedeutet, besteht die Gefahr, dass die Norm sich für die Verwalter zu einer erheblichen Belastung entwickelt und damit negative Auswirkungen auf die Praxis der Insolvenzabwicklung hat. Mittlerweile sind zu wichtigen Fragen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen, auf die im Einzelnen noch einzugehen sein wird. Bei all diesen Haftungsfällen nach § 61 InsO geht es stets um die Begründung einzelner Masseverbindlichkeiten, die aus der Masse nicht erfüllt werden können. Ohne Bedeutung ist es daher auch, ob bei einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile die Fortführung sich als sachgerecht herausstellt. BGH, Beschl. v. 17.6.2010 – IX ZR 135/09, juris.

342 Dies ergibt sich nicht nur aus der konkreten Norm, sondern auch aus der Überlegung, dass andernfalls die Betriebsfortführung jedenfalls teilweise auf Kosten der (neuen) Massegläubiger finanziert würde. Dies aber ist vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt, wie die gegenüber der Haftung nach § 60 InsO weitergehende Haftungsnorm des § 61 InsO zeigt. 343 Die Problematik sei zunächst anhand des Sachverhalts erläutert, der der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 61 InsO zugrunde lag. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender).

344 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 1999 bemühte sich der Verwalter darum, das Unternehmen der Schuldnerin zu sanieren, und führte den Betrieb fort. Noch am Eröffnungstag teilte er den Lieferanten mit, dass „wie schon während der Zeit des Vorverfahrens… die Zahlung aller ab dem 2.12.1999 bestellten Lieferungen und Leistungen gesichert“ sei. 345 Im März 2000 bestellte der Verwalter bei K Waren, die K lieferte und in Rechnung stellte. Die Forderungen waren jeweils zum 15. des auf die Lieferung folgenden Monats fällig. Der Verwalter bezahlte die Rechnung in Höhe von insgesamt 765.300,34 DM brutto nicht. 346 Im Juli 2000 verkaufte der Verwalter einerseits die Warenbestände und andererseits die Maschinen, die maschinellen Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung und immateriellen Wirtschaftsgüter mit Wirkung zum 1.11.2000 an zwei verschiedene Abnehmer. Der Kaufpreis für die Warenbestände war in zwei hälftigen Raten ab November 2000 und ab 1.5.2001 fällig. 347 Der Kaufpreis für das Anlagevermögen betrug 12 Mio. DM zzgl. Umsatzsteuer und war in Raten ab Februar 2001 fällig. Am 24.11.2000 ging die erste Kaufpreisrate für die Warenbestände in Höhe von 9,2 Mio. DM ein. Noch an demselben Tage leitete der Verwalter von dieser Summe ca. 8 Mio. DM an einen Gläubiger- und Lieferantenpool weiter.

60

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

Weitere Zahlungen der Käufer erfolgten nicht. Mit Schreiben vom März 2001 348 zeigte der Verwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Er wird daraufhin von K wegen Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten persönlich in Anspruch genommen. In Betracht kommt eine Haftung entweder aus §§ 311 Abs. 3 i. V. m. 241 349 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB oder aus §§ 60, 61 InsO. a) Unterscheidung der bürgerlich-rechtlichen Haftung und jener nach InsO Mit der Haftung nach bürgerlichem Recht hat sich die Vorinstanz,

350

OLG Hamm, Urt. v. 16.1.2003 – 27 U 45/02, NZI 2003, 263, dazu EWiR 2003, 829 (Pape).

nicht befasst. Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass die Pflichtverletzung nicht in erster Linie in der Eingehung der Verbindlichkeit, sondern in dem weiteren Umgang mit der Masse, insbesondere in der Auskehr des Veräußerungserlöses an den Sicherheitenpool gesehen wurde. Dies aber ist offensichtlich nicht als Gegenstand einer Pflicht aus dem vorver- 351 traglichen Verhältnis angesehen worden. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof dem Oberlandesgericht aufgegeben, auch dieser Frage nachzugehen. Trotz der speziellen Regelung des § 61 InsO wird es auch in Zukunft erfor- 352 derlich sein, die vorvertragliche Haftung des Insolvenzverwalters aus Sachwaltergesichtspunkten von jener nach der Insolvenzordnung abzugrenzen. Hieran haben auch verschiedene Änderungen der Rechtslage (einerseits des 353 Insolvenzrechts, andererseits des bürgerlichen Rechts) nichts geändert. Zur Verdeutlichung werden die wesentlichen Merkmale der drei Haftungstatbestände in einer Übersicht dargestellt. Siehe Übersicht Anhang 2.

Aus der Gegenüberstellung ergeben sich folgende Unterschiede: Es bedarf 354 schon einer besonderen tatbestandlichen Situation für die Annahme der Voraussetzungen einer Sachwalterhaftung des Insolvenzverwalters. Hierauf ist noch einzugehen. Des Weiteren bestehen folgende Abweichungen: x

Unterschiedliche Nachweise sind gefordert beim Verschulden.

x

Der Verschuldensmaßstab ist in der InsO ein wenig strenger als nach BGB.

x

Bei der Zurechnung gibt es nach InsO gewisse Lockerungen.

x

Im Übrigen ist auch die Verjährungsregelung des Insolvenzrechts für den Insolvenzverwalter durch die Privilegien nach § 62 S. 2 und 3 InsO teilweise günstiger.

61

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

355 Insgesamt betrachtet bietet die Haftung nach Insolvenzrecht für den Geschädigten bestimmte Nachteile gegenüber der bürgerlich-rechtlichen Haftung; spiegelbildlich stellt sich die Haftung nach Insolvenzrecht für den Verwalter günstiger dar. 356 Die Abgrenzung der Sachwalterhaftung von jener nach Insolvenzrecht war schon ein Problem unter der Geltung der Konkursordnung. Die hierzu ergangene, zunächst wichtigste Entscheidung war ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. April 1987, BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, BGHZ 100, 346 = ZIP 1987, 650, dazu EWiR 1987, 609 (Baur),

in dem das Gericht feststellte, dass die Haftung bei Eingehung neuer Verbindlichkeiten sich nicht aus der Konkursordnung, sondern aus allgemeinen Vorschriften ergebe. 357 In Betracht käme eine persönliche Haftung des Verwalters etwa aus Übernahme eigener Pflichten, Begründung eines Vertrauenstatbestands oder unerlaubter Handlung. Das Gericht nahm in diesen Fällen nicht die Verletzung einer konkursspezifischen Pflicht an, die eine Haftung nach § 82 KO nach sich ziehen könnte. 358 Der Gesetzgeber hat vor allem unter Hinweis auf diese Entscheidung die Notwendigkeit gesehen, eine Haftung für die Eingehung neuer Verbindlichkeiten ausdrücklich zu regeln. Wörtlich heißt es in der Begründung zu § 61 InsO: „Ist diese Voraussetzung (das ist die Voraussetzung einer voraussichtlich fehlenden Erfüllungsmöglichkeit, Anm. d. Verf.) gegeben, so trifft den Vertragspartner ein erhöhtes Risiko, das über die allgemeinen Gefahren eines Vertragsabschlusses – auch des Vertragsschlusses mit einem Insolvenzverwalter – weit hinaus geht und das den Verwalter daher schon nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen zu einer Warnung des Vertragspartners verpflichtet. Würde auch in diesem Fall eine Haftung des Verwalters mit der Begründung abgelehnt, die Geschäftspartner des Verwalters seien durch die Verfahrenseröffnung gewarnt und müssten sich bewusst sein, dass sie das Risiko der Masseunzulänglichkeit eingingen (vgl. BGHZ 100, 346, 358 = ZIP 1987, 650), so ergäbe sich die Gefahr, dass Dritte nicht mehr bereit wären, Geschäftsbeziehungen mit dem insolventen Unternehmen aufzunehmen, ohne besondere Sicherheiten für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Unternehmens zu verlangen. Die Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahrens könnte entscheidend erschwert werden“. BT-Drs. 12/2443, S. 129.

359 Dies zeigt die Intention des Gesetzgebers, die er mit der Schaffung des Haftungstatbestands gem. § 61 InsO verfolgte. Beispiel: Der I, Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH, veräußert an K neben anderem im Rahmen der Masseverwertung die Bildmarke und das Recht zur Firmierung unter der Bezeichnung „D. M.“. Als K die Marke nutzte, wurde sie von einer anderen Gesellschaft auf Unterlassung verklagt und letztlich zur

62

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

Unterlassung verurteilt. Nunmehr klagt K gegen I auf Haftung. K hatte im vorangehenden Prozess über das Unterlassungsbegehren diesem als Insolvenzverwalter den Streit verkündet. K stützt sein Begehren gegen den Insolvenzverwalter auf § 61 InsO. Dieser habe ihm etwas verkauft, das aus der Masse nicht geleistet werden könne, da es nicht Bestandteil der Masse gewesen sei. Sachverhalt stark vereinfacht nach LG Flensburg, Urt. v. 24.11.2006 – 4 O 568/04, juris.

Schon das erstinstanzliche Gericht hat überzeugend eine Haftung nach dieser 360 Norm abgelehnt. Zwar ergebe sich das nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, doch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Es gehe darum, den Vertragspartner vor dem spezifischen Risiko zu schützen, dass der Insolvenzverwalter wegen fehlender finanzieller Mittel die Verbindlichkeiten nicht erfüllen könne. Hier aber gehe es um eine Minderlieferung aus einem Vertragsverhältnis zur Masse, für die dem Vertragspartner grundsätzlich die kaufrechtlichen Rechte offen stünden, die aber wegen unterlassener Rüge gem. § 377 Abs. 1 und 2 HGB hier konkret ausgeschlossen seien. Der Verwalter hafte persönlich nur nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen und Regeln (Übernahme einer eigenen Verpflichtung, Verschulden bei Vertragsschluss, unerlaubte Handlung). LG Flensburg, Urt. v. 24.11.2006 – 4 O 568/04, juris.

Der Bundesgerichtshof ist dem in der Sache im Rahmen eines Nichtzulas- 361 sungsverfahrens gefolgt. BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZR 235/07, ZIP 2008, 2126 = ZVI 2009, 19 = ZIP 2008, 2126, dazu EWiR 2009, 115 (Eckert).

Eine Haftung nach § 60 InsO scheitere an dem fehlenden insolvenzspezifi- 362 schen Charakter der verletzten Pflicht. Diese ergibt sich eben auch hier – bei einem Vertrag mit einem Insolvenzverwalter – aus dem Kaufrecht. Eine Verantwortlichkeit nach § 61 InsO verlange aber, dass die Masse zur Erfüllung der Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht ausreichen werde. Es habe sich gerade kein besonderes mit der Insolvenzverwaltung zusammenhängendes, sondern das ganz normale Risiko verwirklicht, dem jeder Vertragspartner ausgesetzt sei. Die Verpflichtung, sich zu vergewissern, dass die Masse ausreichen werde, die begründete Verbindlichkeit im Fälligkeitszeitpunkt mit Massemitteln zu erfüllen, betreffe nur die (primären) Erfüllungsansprüche, nicht aber sekundäre Leistungspflichten. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Es fehle im Übrigen jeglicher Grund dafür, dem Vertragspartner mehr Rechte zuzusprechen als einer Person außerhalb der Insolvenz des Vertragspartners. Kritisch hierzu: Hees, ZIP 2011, 502 ff.

Wie bereits vom Landgericht Flensburg angesprochen, ist auch nach Geltung 363 der Insolvenzordnung unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftung anzunehmen. Beispielhaft sei hier auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig hingewiesen, in der das Gericht sich mit der persönlichen Haftung

63

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

eines vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters gegenüber dem Geschäftspartner des Schuldners beschäftigen musste. OLG Schleswig, Urt. v. 31.10.2003 – 1 U 42/03, NZI 2004, 92, dazu EWiR 2004, 393 (Undritz).

364 Dort hatte der schwache vorläufige Verwalter durch einen Mitarbeiter dem Geschädigten mitteilen lassen, dass die Ernennung zum vorläufigen Verwalter erfolgt sei. Weiter führte er in dem Schreiben aus: „Ferner teile ich Ihnen mit, dass die Kosten für Warenlieferungen ab Anordnung der vorläufigen Insolvenz (26.3.2002) aus der Insolvenzmasse übernommen werden, sofern die Aufträge durch mich abgezeichnet worden sind.“ 365 In der Folgezeit bezog die Schuldnerin Waren im Gesamtwert von etwa 5.600 €. Die klagende Lieferantin verlangte ohne Erfolg Bezahlung und wurde von dem vorläufigen Insolvenzverwalter darüber aufgeklärt, dass mittlerweile Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde und eine Befriedigung der Gläubiger nicht absehbar sei. Daraufhin nahm die Lieferantin den vorläufigen Verwalter in Anspruch. 366 Eine Haftung nach § 61 InsO kam schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Masseverbindlichkeit bei einem schwachen Verwalter nicht entstehen kann. Eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 2 S. 2 InsO wurde von dem Gericht in Übereinstimmung mit der h. M., BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt); BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 = ZVI 2008, 208 = NJW 2008, 1442 m. Anm. Gundlach, ZIP 2008, 417, dazu EWiR 2008, 309 (Eckert); teilweise abl. Drasdo, NZI 2008, 296 f. (Urteilsanm.),

abgelehnt. Das Gericht hatte daher Anlass, sich mit der Haftung nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu befassen. Es befürwortete letztlich eine Sachwalterhaftung. 367 Der vorläufige Verwalter habe sich das Verschulden seines Mitarbeiters gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen. Dieser habe durch das Schreiben den Eindruck erweckt, „es würden durch die Kaufverträge Masseverbindlichkeiten begründet, die vorrangig befriedigt würden und bei deren Nichterfüllung eine Haftung des Beklagten gem. § 61 InsO in Betracht käme.“ 368 Zwar sei es richtig, dass auch die Vertragspartner aufgrund des Beschlusses des ernennenden Amtsgerichts hätten erkennen können, wie sich die wahre Rechtslage darstelle. Das zwischen dem Vertragspartner und dem Insolvenzverwalter üblicherweise bestehende „Informationsgefälle“ erfordere aber, dass sich der Verwalter „eindeutig und klar gegenüber Dritten so äußere, dass Missverständnisse möglichst vermieden“ würden.

64

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

Das Gericht sieht offenbar hierin auch den entscheidenden Grund dafür, von 369 einer besonderen Verpflichtung des Verwalters auszugehen. Ob dies in jedem Fall zutreffend ist, kann bezweifelt werden. Sachgerechter erscheint es, darauf abzustellen, dass nicht üblicherweise, sondern ob tatsächlich ein Informationsgefälle besteht. Nur dann kann ein besonderes Vertrauensverhältnis angenommen werden. Das Gegenüber konnte ohne Weiteres die Fehlerhaftigkeit der gemachten 370 Äußerungen erkennen. Gleichwohl zeigt die Entscheidung ein besonderes Risiko, das in der Zusicherung der Erfüllung durch den Verwalter oder – wie im vorliegenden Falle durch den vorläufigen Verwalter – liegt. Der Verwalter erhöht sein Haftungsrisiko jedenfalls in der vorläufigen Verwaltung nicht unerheblich, wenn er ansonsten als schwacher Verwalter nicht gem. den §§ 60, 61 InsO für die Erfüllung der Verbindlichkeit einstehen muss. Vielfach ist es gerade die Intention, die mit der fehlenden Geltung des § 55 371 Abs. 2 InsO ausgelöste Unsicherheit des Gegenübers zu beseitigen. Kehrseite ist dann freilich die Übernahme einer eigenen Haftung, sei es aus den genannten Bestimmungen des BGB, sei es aus Garantieerklärung. An Letztere wird man allerdings im tatsächlichen Bereich strenge Anforderungen stellen müssen. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345; abl. für den Insolvenzverwalter im konkreten Fall etwa: BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38, 41 = NJW 2011, 3739, 3741.

Dabei ist auch zu beachten, dass die Garantie einen verschuldensfreien An- 372 spruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens gewährt. Der Garantiegeber tritt für einen bestimmten Erfolg ein, selbst auf die Gefahr hin, dass sich ein untypisches Risiko verwirklicht. Beispiel: Der (vorläufige) Insolvenzverwalter führt den Betrieb fort. In einer Betriebsversammlung wird von Arbeitnehmerseite die Frage gestellt, wie er sich verhalten werde, wenn bei dem an sich guten Auftragsbestand ein Auftraggeber mit der Zahlung säumig sei und nicht zahlen werde. Der Insolvenzverwalter erklärte daraufhin, dass man die Aufträge abarbeiten solle. Zahle einmal ein Auftraggeber nicht, so sei er selbst gut versichert. Kurze Zeit später wird der Betrieb aufgrund einer – im Zeitpunkt der Äußerung jedenfalls unbekannten – Gewerbeuntersagung eingestellt und die Arbeitnehmer werden freigestellt. Eine solche Erklärung, wie sie der Verwalter abgegeben hat, dient dem Zweck, 373 bei den Arbeitnehmern Vertrauen zu erwecken, dass man Arbeitslohn auch bei Ausfall eines Auftraggebers erhalten werde, und damit zugleich die Arbeitnehmer zur Fortsetzung der Arbeit zu bewegen. Ihr kann aber nicht entnommen werden, dass der Insolvenzverwalter im umfassenden Sinne eines Garantiegebers den Arbeitnehmer gegen alle Eventualitäten einer Fortführung des

65

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

Betriebs absichern will. Vielmehr ging es bei Abgabe der Erklärung um die Risiken des Ausfalls bei zahlungsunwilligen oder -unfähigen Auftraggebern. 374 Aus diesen Gründen sah sich das Bundesarbeitsgericht an der Annahme einer Garantieerklärung gehindert. BAG, Urt. v. 25.6.2009 – 6 AZR 210/08, ZIP 2009, 1772, dazu EWiR 2009, 617 (Fölsing); restriktiv auch in einem ähnlichen Fall: ArbG Trier, Urt. v. 16.4.2009 – 2 Ca 1091/08, juris: Eine persönliche Haftung komme neben den §§ 60 f. InsO nur „in besonderen Ausnahmefällen“ in Betracht; im Ergebnis ebenso LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.9.2009 – 2 Sa 338/09, ZInsO 2010, 1110, wohl dasselbe Insolvenzverfahren betreffend; in dem dort entschiedenen Fall kam hinzu, dass dem Arbeitnehmer mehrfach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Situation im Insolvenzverfahren angeboten wurde, dieser aber abgelehnt hatte und im Betrieb weiterarbeitete. Zur Frage des Handelns auf eigene Gefahr im Zusammenhang mit § 61 InsO, s. Ehrenberg, S. 198 ff.

375 Als weiteres Beispiel kann die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, OLG Celle, Urt. v. 21.10.2003 – 16 U 95/03, NZI 2004, 89, dazu EWiR 2004, 445 (Undritz),

dienen. Dort hatte der vorläufige schwache Verwalter in einem Brief an den Lieferanten mitgeteilt, dass dieser seine Leistungen weiter an die Schuldnerin erbringen solle. Zudem hieß es in dem Schreiben: „Gleichwohl möchte ich Ihnen hiermit in der Eigenschaft als vorläufiger Verwalter bestätigen, dass Ihre Leistungen zunächst weiterhin benötigt werden und dass die diesbezüglichen Zahlungen durch das Insolvenzsonderkonto sichergestellt sind.“

376 Zu einem späteren Zeitpunkt teilte der vorläufige Verwalter mit, dass die Zusicherung ab einem bestimmten Datum nicht mehr in vollem Umfang aufrechtzuerhalten sei. 377 Das Oberlandesgericht sah hierin eine Garantieerklärung. Nicht zuletzt die zweite Mitteilung mache deutlich, dass auch der vorläufige Verwalter von rechtlichen Wirkungen der Erklärung ausgegangen sei. 378 Der Fall zeigt im Übrigen sehr schön, dass es für den schwachen vorläufigen Verwalter keine Möglichkeit gibt, die Sicherheit einer starken vorläufigen Verwaltung mit den Vorteilen der schwachen vorläufigen Verwaltung zu verbinden. b) Haftung wegen Eingehung neuer Verbindlichkeiten nach § 61 InsO 379 In dem eingangs dargestellten Fall des Bundesgerichtshofs bejahte das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsgericht eine Haftung nach § 61 InsO. Es räumte zwar ein, dass dies dem Wortlaut widerspreche, sah sich aber aufgrund 66

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

des Regelungszwecks und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift veranlasst, eine analoge Anwendung zu befürworten. Seine Argumente waren: x

Es fehle an einer Rechtfertigung, jenen Verwalter, der bei Eingehung der Masseverbindlichkeit pflichtgemäß gehandelt habe, besser zu stellen als den Verwalter, der schon eine falsche Prognose hinsichtlich der Erfüllbarkeit angestellt habe.

x

Insolvenzspezifische Pflicht des Verwalters sei nicht nur, die Bestellung von Lieferungen zu unterlassen, wenn voraussichtlich keine ausreichenden Mittel zur Bezahlung zur Verfügung stünden, sondern auch, danach alles zu tun, um die Bezahlung der Verbindlichkeit zu sichern.

Der Bundesgerichtshof hat dem entschieden widersprochen.

380

BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107, 1108 ff., dazu Lüke/Stengel, WuB VI A § 61 InsO 1.05; s. auch BAG, Urt. v. 1.6.2006 – 6 AZR 59/06, ZIP 2006, 1830.

Im Wesentlichen stützt auch er sich auf die Entstehungsgeschichte. Die bereits 381 dargelegten Ausführungen in den Gesetzesmaterialien sprechen in der Tat für seine Auffassung. Das Gesetz soll ersichtlich diesen Fall unabhängig von den strengen Voraus- 382 setzungen der Sachwalterhaftung zugunsten der Massegläubiger regeln. Dies galt aber eben gerade für die Eingehung einer solchen Verbindlichkeit. Vorvertragliche Pflichten aus Sachwaltererwägungen betreffen eben auch nur diesen Schutzbereich. Das Oberlandesgericht Hamm, das ausführte, es sei „geradezu paradox“, den 383 Verwalter nur bei Eingehung, nicht aber im Weiteren haften zu lassen, berücksichtigt zu wenig, dass die Haftung nach § 60 InsO von der Ablehnung des § 61 InsO unberührt bleibt. Insoweit geht es letztlich nur um die Frage der Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden. Auch wenn der Verwalter mit einer bei der Schuldnerin tätigen Person ver- 384 einbart, dass sie im Interesse der Fortführung des vom Beklagten verwalteten schuldnerischen Betriebs selbstständig Dienste höherer Art, etwa als Geschäftsführerin, erbringt und sie dafür ein monatliches Entgelt von 2.000 € erhalten soll, so kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Vereinbarung unter der Bedingung eines Gewinns von mindestens diesem Betrag steht. OLG Schleswig, Urt. v. 17.12.2004 – 1 U 90/04, ZInsO 2005, 606.

Da die Vorschrift dem Insolvenzverwalter eine besondere Pflicht auferlege 385 sich zu vergewissern, ob er bei normalem Geschäftsablauf zur Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird, scheidet eine Haftung nach § 61 InsO aus, wenn sie mit dem Ausfall des Gläubigers mit seinem Sekundäranspruch begründet wird.

67

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

386 Maßgeblich muss für die Haftung nach dieser Vorschrift sein, dass sich das spezifische Risiko eines Vertrags mit einem Insolvenzverwalter verwirklichte, das abzugrenzen ist von Risiken, die von dem Umstand unabhängig sind, dass der Vertragspartner eine in der Insolvenz befindliche Partei ist. BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZR 235/07, ZIP 2008, 2126 = ZVI 2009, 19, dazu EWiR 2009, 115 (Eckert).

aa) Erfordernis der Begründung einer Masseverbindlichkeit durch Rechtshandlung 387 Bislang ist streitig wie der Begriff der Rechtshandlung auszulegen ist. Nach einer Ansicht hat dies weit zu geschehen. Danach fallen nicht nur rechtsgeschäftliche Handlungen hierunter, sondern auch jene rechtsgeschäftsähnlicher Natur. Siehe hierzu Heinrich/Ehrenberg, FS Ganter, S. 489, 492 m. w. N.

388 Neben rechtsgeschäftlichem und rechtsgeschäftsähnlichem Handeln soll die Vorschrift auch bei einem Erfüllungsverlangen nach § 103 ff. InsO Anwendung finden, das Masseverbindlichkeiten entstehen lässt (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Das Problem liegt in diesen Fällen weniger in der Frage, ob es überhaupt ein „Handeln“ gibt. 389 Vielmehr verändert nach der heutigen Auslegung des § 103 InsO durch den Bundesgerichtshof, BGH, Urt. v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, BGHZ 135, 25 = ZIP 1997, 688, dazu EWiR 1997, 517 (Huber),

die Forderung ihre Qualität und wird Masseforderung. Hierin sah schon der Gesetzgeber ausweislich der Materialien einen hinreichenden Grund für eine besondere Haftung. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung: „Der Begründung einer neuen Verbindlichkeit durch den Verwalter steht es gleich, wenn der Verwalter die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages wählt (§ 117 Abs. 1 des Entwurfs) oder von der möglichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses absieht. Er hat auch in diesen Fällen unter den Voraussetzungen des § 72 (das ist § 61 InsO, Anm. d. Verf.) persönlich dafür einzustehen, dass die Masseverbindlichkeiten, deren Entstehung er hätte vermeiden können, erfüllt werden.“ 390 In neuerer Zeit wird dagegen zunehmend die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift nur rechtsgeschäftliches Handeln erfasse. Die Beschränkung der Auslegung geschieht u. a. mit Blick auf die Verwertung von Insolvenzgegenständen und die dadurch entstehende Umsatzsteuerhaftung gegenüber dem Fiskus, die vielfach nicht erfüllt werden kann. So auch BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236 = ZIP 2005, 131 = NJW 2005, 155; s. hierzu schon oben Rn. 276.

68

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

Sie erscheint angesichts der dargestellten Ausführungen in den Materialien 391 so nicht richtig. Im Übrigen ist fraglich, ob nicht die Entstehung der gesetzlichen Verbindlichkeiten nach Abgabenrecht letztlich nicht ebenfalls auf ein rechtsgeschäftliches Tun (die Verwertungshandlung) zurückzuführen ist. Auch unter diesem Aspekt erscheint eine solche Auffassung fragwürdig, 392 ohne damit aber letztlich eine Haftung nach § 61 InsO zu befürworten. So aber Webel, ZInsO 2009, 363, 366 ff. der einen § 61 InsO zu Grunde liegenden Vertrauenstatbestand annimmt; ders., S. 59. Dagegen J. Laws, ZInsO 2009, 996, 999 unter Hinweis auf die ausschließliche vertragliche Natur der Erfüllungsansprüche, die von § 61 InsO geregelt würden.

Ein entsprechender Streit besteht hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vor- 393 schrift bei ungerechtfertigter Bereicherung der Masse. Jene Stimmen, die für eine rechtsgeschäftliche Begründung der in § 61 InsO geregelten Verbindlichkeiten eintreten, lehnen insoweit eine Anwendbarkeit der Vorschrift ab. Z. B. J. Laws, a. a. O.; a. A. dagegen Webel, ZInsO 2009, 363.

Teilweise wird dies auch mit der fehlenden synallagmatischen Verknüpfung 394 der Ansprüche mit einer Gegenleistung begründet. Die Vorschrift regele nämlich nur – wie sich der Gesetzesbegründung und der dortigen Nennung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO entnehmen lasse – nur Sachverhalte, die unter diese Vorschrift fielen. Siehe hierzu Heinrich/Ehrenberg, FS Ganter, S. 489, 497 ff.

Statt mit dem Ziel einer Haftungsbegrenzung nach dieser Vorschrift den 395 Begriff der Rechtshandlung im dargestellten Sinne einengend auszulegen, um anschließend dann doch wieder verschiedene Ausnahmen machen zu müssen, wird man sich mit dem sehr viel flexibleren Maßstab des Verschuldens behelfen können. Die Steuerverbindlichkeit erscheint jenen oktroyierten Verbindlichkeiten sehr ähnlich, auf die im Zusammenhang mit dem Verschulden eingegangen wurde (s. Rn. 276). Ob der Abschluss eines Vergleichs (etwa auch als Prozessvergleich) eine per- 396 sönliche Haftung des Insolvenzverwalters begründen kann, ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden worden. Ausdrücklich offen gelassen von BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169, dazu EWiR 2007, 625 (Ferslev).

In aller Regel wird es aber am Schaden fehlen, wenn schon die alte Verbind- 397 lichkeit aus der Masse nicht beglichen werden konnte, sodass es auf die Frage nicht ankommt, ob durch den Vergleich eine neue Verbindlichkeit begründet wird oder aber die bisherige Verbindlichkeit lediglich teilweise erlassen wird, im Übrigen aber fortbesteht.

69

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

398 Können die eingegangenen Verbindlichkeiten nicht vollständig aus der Masse befriedigt werden, so kommt es zu einem Ausfallschaden. Dieser liegt schon dann vor, wenn die Altmassegläubiger in absehbarer Zeit keine Befriedigung erhalten werden, weil der Insolvenzverwalter die offenen Forderungen der Masse nicht ohne Weiteres durchsetzen kann. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107, 1108 ff. = ZVI 2004, 345, dazu Lüke/Stengel, WuB VI A § 61 InsO 1.05; s. auch BGH, Urt. v. 13.2.2014 – IX ZR 313/12, ZIP 2014, 736 = NZI 2014, 400.

bb) Unterlassen der Kündigung 399 Unterlässt der Verwalter die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses und kommt es damit zu einer Begründung von neuen Masseverbindlichkeiten, so haftet der Verwalter ebenfalls nach § 61 InsO. Bis zur möglichen Kündigung handelt es sich um sog. oktroyierte Forderungen, für deren Erfüllung der Verwalter nicht einzustehen hat. Unstr., s. BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 321/11, ZIP 2013, 638, dazu EWiR 2013, 211 (Mückl/Herrnstadt) und Baumert, AP § 61 InsO Nr. 4.

400 Daraus lässt sich folgende Pflicht formulieren: Der Verwalter muss ein Vertragsverhältnis kündigen, wenn eine solche Kündigung rechtlich möglich ist und er erkennen kann, dass die fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht aus der Masse befriedigt werden können. cc) Masseschuldbegründung durch Verursachung von Verfahrenskosten 401 Soweit es die eigenen Anwaltskosten betrifft, gelten die vorgenannten Grundsätze zur rechtsgeschäftlichen Begründung von Masseverbindlichkeiten. Problematisch ist weiterhin die Kostenpflicht des Verwalters für den Fall eines Unterliegens hinsichtlich der Gerichtskosten und der Anwaltskosten des Gegners. 402 Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung zur Konkursordnung festgestellt, dass es hier an einer insolvenzspezifischen Pflicht fehlt. BGH, Urt. v. 26.6.2001 – IX ZR 209/98, ZIP 2001, 1376, dazu EWiR 2001, 823 (Pape); s. hierzu auch Adam, DZWIR 2006, 321 ff.

403 Zu der Frage, ob dasselbe auch für § 61 InsO gilt, ist der Bundesgerichtshof BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236 = ZIP 2005, 131 = NJW 2005, 155; ebenso: OLG Köln, Beschl. v. 21.11.2007 – 2 U 110/07, ZIP 2008, 1131; einen Sonderfall stellt BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 dar, da dort zwar eine Haftung im Zusammenhang mit der Prozessführung befürwortet wird, die insolvenzspezifische Pflicht aber sich aus den Pflichten gegenüber dem klagenden Aussonderungsberechtigten ergab;

70

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

jenen Stimmen gefolgt, die für § 61 InsO auf eine rechtsgeschäftliche Begründung abheben. Damit ist die fehlende Haftung des Insolvenzverwalters bei Entstehung von Prozesskosten, die aus der Masse nicht beglichen werden können, leicht zu begründen, da die Klageerhebung oder – wie auch Prozessführung ganz allgemein – kein rechtsgeschäftliches Tun darstellt. So etwa Berger, KTS 2004, 185, 191 f.

Wörtlich heißt es in dem Urteil des Bundesgerichtshofs:

404

„Entsprechend dem Zweck der Vorschrift, die Bereitschaft zur Kreditgewährung an die Masse zu fördern, betrifft § 61 InsO hauptsächlich die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Vertragsschluss und daneben noch die Erfüllungswahl und die unterlassene Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses… Massegläubiger, die für oder im Zusammenhang mit ihrem Anspruch gegen die Masse keine Gegenleistung erbringen, fallen hingegen nicht unter § 61 InsO.“ BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131, 132.

Selbst wenn man entgegen diesem Standpunkt eine rechtsgeschäftliche 405 Handlung nicht verlangt, so rechtfertigt der Zweck des § 61 InsO unabhängig davon eine Anwendung auf den vorliegenden Fall nicht. Das Risiko des Ausfalls mit dem Kostenersatzanspruch stellt kein typisches 406 Risiko der Insolvenzverwaltung dar, vor dem der Prozessgegner besonders geschützt werden muss. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, 407 dass eine völlig vergleichbare Situation im Rahmen der Liquidation einer Gesellschaft auftreten kann. Es kommt hinzu, dass der gegenteilige Standpunkt dazu führen könnte, die Möglichkeiten der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung der Masse einzuschränken. Zutreffend lehnt das Gericht auch die Übernahme von Wertungen aus dem 408 Recht der Prozesskostenhilfe ab. Diese haben fiskalische Interessen im Auge. So schon Lüke, Die persönliche Haftung des Konkursverwalters, 1986, S. 93.

Auch eine Haftung gem. § 826 BGB wird bei Prozessführung trotz unzurei- 409 chender Insolvenzmasse nur in seltenen Fällen in Betracht kommen. Hierzu, noch zum Konkursrecht, BGH, Urt. v. 25.3.2003 – VI ZR 175/02, ZIP 2003, 962 = ZfIR 2003, 660 (LS).

Der VI. Senat stellte nochmals ausdrücklich klar, dass das Betreiben eines 410 gesetzlich geregelten Verfahrens nur in Ausnahmefällen eine Haftung begründen kann. Grundsätzlich haftet der jeweilige Kläger seinem Gegner außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung für die Folgen einer fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage.

71

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

411 Der Schutz des Prozessgegners werde regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet. Der Kläger sei grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Klageerhebung sorgfältig in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht die sachliche Berechtigung seines Begehrens zu prüfen oder gar seine Interessen gegen die des Beklagten abzuwägen. Dies sei auch erforderlich, um den Bürger den ungehinderten Zugang zu den staatlichen Rechtspflegeverfahren zu gewähren. 412 Teilweise wird hiergegen vorgetragen, dass entscheidend sein muss, ob der Verwalter sich mit seiner Prozessführung evident und unter missbräuchlicher Ausnutzung der Verwalterstellung über Vermögensinteressen des Prozessgegners in der Weise hinwegsetzt, dass das Handeln für eine unzureichende fremde Vermögensmasse einen Schutz des Privatvermögens nicht mehr „legitimiert“. So etwa Berger, KTS 2004, 194.

413 Diese Betrachtung bringt die deliktische Haftung allerdings doch am Ende der Haftung wegen Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten sehr nahe. Es geht eben gerade nicht um die missbräuchliche Ausnutzung einer Verwalterstellung. 414 Im Übrigen scheidet aus den dargelegten Erwägungen zur Schutzbedürftigkeit des Prozessgegners und den Zielen der Verwalterhaftung eine Haftung auch nach § 60 InsO aus. Es fehlten, so der Bundesgerichtshof, insolvenzspezifische Pflichten, deren Verletzung die Haftung nach § 60 InsO zur Folge haben könnte. Siehe auch BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236 = ZIP 2005, 131 = NJW 2005, 155.

415 Der Bundesgerichtshof hat seine Auffassung konsequent auf folgenden Fall erstreckt: Beispiel: I ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E-GmbH. Am 22. Dezember zeigte er Masseunzulänglichkeit an, die am 14. Januar des Folgejahres öffentlich bekannt gemacht wurde. Monate danach beantragte I aufgrund einer zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin eingetragenen Grundschuld, die den Anspruch auf Einzahlung des halben Stammkapitals der Schuldnerin sicherte, die Anordnung der Zwangsverwaltung über ein dem Gesellschafter E gehörendes Grundstück. Das zuständige Amtsgericht bestellte den K zum Zwangsverwalter. Nach vergeblichen Aufforderungen, eine Kostendeckungszusage für eine Gebäude sowie eine Hausund Grundbesitzerversicherung abzugeben, nahm I den Antrag auf Zwangsverwaltung zurück. Einnahmen, aus denen der Zwangsverwalter seine festgesetzte Vergütungsforderung hätte befriedigen können, wurden aus der Zwangsverwaltung der vom Gesellschafter E privat bewohnten Immobilie nicht erzielt. Der K forderte daher den I auf, die Vergütung mit Massemitteln zu befriedigen. Dies lehnte I unter

72

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

Hinweis auf die Masseunzulänglichkeit ab. Daraufhin nahm K den Insolvenzverwalter I persönlich in Anspruch und stützte sein Begehren auf § 61 InsO. BGH, Urt. v. 10.12.2009 – IX ZR 220/08, ZIP 2010, 242 = ZVI 2010, 322 = ZfIR 2010, 251 (m. Anm. Keller, S. 253), dazu EWiR 2010, 253 (Kexel); Vorinstanz: LG Neuruppin, Urt. v. 21.10.2008 – 4 S 44/08, ZIP 2009, 431, dazu EWiR 2009, 271 (Webel).

Das Gericht betont auch in dieser Entscheidung, dass

416

„gesetzliche Schuldverhältnisse oder Einstandspflichten der Masse, die nur mittelbar auf einer Rechtshandlung des Insolvenzverwalters beruhen,“

von der Vorschrift nicht erfasst würden. Der Insolvenzverwalter, der sich mit dem Antrag auf Zwangsverwaltung eines gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege bediene, könne für dessen Betreiben nur in Ausnahmefällen haften. Dies komme nur in Betracht, wenn das Verfahren mit bedingtem Schädigungsvorsatz eingeleitet und geführt werde. Ansonsten müsse das Verfahren wie jedermann auch dem Insolvenzverwalter, zugänglich sein. Im Übrigen sei das Ausfallrisiko des Zwangsverwalters durch die Möglichkeit begrenzt, vom Gläubiger Vorschuss zu verlangen verbunden mit der Androhung, andernfalls das Verfahren einzustellen (§ 161 Abs. 3 ZVG). Insoweit zust.: Webel, EWiR 2009, 271.

dd) Entlastungsbeweis gem. § 61 S. 2 InsO Zentrale Bedeutung hat bislang in den (rechtsgeschäftlichen) Haftungsfällen 417 nach § 61 InsO der Entlastungsbeweis. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei § 61 InsO um eine Haftung für vermutetes Verschulden, die dem Verwalter die Möglichkeit einer Widerlegung durch Entlastungsbeweis gibt. Hierbei geht es vor allem um die Anforderungen an den Entlastungsbeweis. Hierfür ist erforderlich, dass der Verwalter darlegt, im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses habe man objektiv von einer zur Erfüllung der betreffenden Schuld ausreichenden Masse ausgehen können, das Fehlen ausreichender Massemittel sei für ihn aber nicht erkennbar gewesen. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107, 1108 ff. = ZVI 2004, 345; hierzu Lüke/Stengel, WuB VI A § 61 InsO 1.05; BGH, Urt. v. 13.2.2014 – IX ZR 313/12, ZIP 2014, 736 = NZI 2014, 400.

Die Rechtsprechung folgt der Auffassung der Literatur, dass es einer Liqui- 418 ditäts- und Finanzplanung bedarf. Diese muss den Mittelbedarf und die zu seiner Deckung erwarteten Mittel gegenüberstellen. Die Außenstände müssen darauf überprüft werden, in welcher Zeit sie realisiert werden können. Nur kurzfristig einbringliche Forderungen können die Liquidität verbessern. OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.11.2002 – 12 U 112/02, ZIP 2003, 267, 269; OLG Brandenburg, Urt. v. 3.7.2003 – 8 U 58/02, NZI 2003, 552, 553.

73

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

419 Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 17. Dezember 2004 mit dieser Frage zu befassen. Das Gericht bemüht sich dabei, die Standards an eine solche Liquiditätsplanung zu konkretisieren: „§ 61 S. 2 InsO schließt eine Haftung aus, wenn der Insolvenzverwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Mithin kann sich der Verwalter auf zweierlei Art entlasten. Er hat zu beweisen, dass entweder objektiv von einer zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichenden Masse auszugehen war oder er die Unzulänglichkeit nicht erkennen konnte. (MünchKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rn. 35; vgl. bereits Weber, Festschrift für Lent, S. 301, 318). Der Verwalter kann den Beweis im Allgemeinen nur führen, wenn er eine plausible Liquiditätsrechnung erstellt und diese bis zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit ständig überprüft und aktualisiert (BGH, Urt. v. 6.5.2004, ZIP 2004, 1107, 1111; Laws, a. a. O.; Lüke, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft Bd. III, S. 701, 711; MünchKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rn. 37). § 61 InsO erhebt dies zur insolvenzspezifischen Pflicht des Verwalters. Grundlage ist eine Prognose aufgrund der aktuellen Liquiditätslage der Masse, der realistischen Einschätzung noch ausstehender offener Forderungen und der künftigen Geschäftsentwicklung für die Dauer der Fortführung (Kübler/ Prütting/Lüke, InsO, § 61 Rn. 7). Forderungen, bei denen ernsthafte, durch konkrete Umstände belegte Zweifel bestehen, dass sie in angemessener Zeit realisiert werden können, scheiden aus (MünchKomm-InsO/Brandes, a. a. O.). Stellt der Verwalter keine präzisen Berechnungen an, über welche Einnahmen er verfügt und welche Ausgaben er zu tätigen hat, kann er sich nicht entlasten (Pape, Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, S. 391, 398 f.; Braun/Kind, InsO, § 60 Rn. 15). Der Verwalter muss mithin – wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend annimmt – plausibel darlegen, auf welcher Basis er bei Begründung der jeweiligen Verbindlichkeit von einer positiven Prognose ausgegangen ist. In der Regel wird der Insolvenzverwalter dabei erläutern müssen, dass er sämtliche gegenwärtigen Verbindlichkeiten und Ansprüche der Masse in den Plan eingestellt hat, mit welchen zukünftigen Verbindlichkeiten und Ansprüchen der Masse er gerechnet hat und warum er von einem Zahlungseingang zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgegangen ist. Der Insolvenzverwalter hat somit im Rahmen des ihm obliegenden Entlastungsbeweises die Liquiditätspläne im Einzelnen zu erläutern. Jedoch bezieht sich der von § 61 S. 2 InsO verlangte Beweis lediglich auf die Erkenntnismöglichkeiten des Insolvenzverwalters im Zeitpunkt der Begründung der Ansprüche. Maßgebend ist grundsätzlich, wann der Rechtsgrund gelegt ist; der anspruchsbegründende Tatbestand muss materiell-rechtlich abgeschlossen sein. In der Regel – so auch hier – wird dies der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein (BGH Urt. v. 6.5.2004, a. a. O.). Folglich kann sich der Verwalter entlasten, wenn er zum Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit einen – aus damaliger Sicht – auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden und sorgfaltsgemäß erstellten Liquiditätsplan vorweisen kann, der eine Erfüllung der fälligen Masseverbindlichkeit erwarten ließ. Wie zeitnah die Prognose erstellt oder aktualisiert werden muss, ist dabei eine Frage des Einzelfalls.

74

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter Erweist sich die Prognose im Nachhinein als falsch, darf dies nicht dazu führen, dem Verwalter die Darlegungs- und Beweislast für die Ursachen einer von der Prognose abweichenden Entwicklung aufzuerlegen. Der Verwalter hat insoweit allerdings darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er eine bestimmte Entwicklung aus der Sicht ex ante nicht bedenken musste oder anders einschätzen durfte. Ist diese Einschätzung des Verwalters aus der ex ante Perspektive zutreffend oder nicht vorwerfbar unrichtig, haftet er auch dann nicht, wenn sich die Ursachen für die Abweichungen von der Liquiditätsplanung später nicht aufklären lassen. Insbesondere ist unerheblich, warum einzelne Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht bezahlt worden sind. Daher scheitert der dem Verwalter obliegende Beweis im vorliegenden Fall nicht schon daran, dass die A. sich erst nach Fälligkeit der Forderungen der Klägerin aus nicht näher festgestellten Gründen geweigert hat, die Restforderung zu bezahlen.“ BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311 = NZI 2005, 222, dazu EWiR 2005, 679 (Pape).

Trotz dieser Versuche und weiterer Entscheidungen der Instanzgerichte geben die bislang entschiedenen Sachverhalte nur einen ungefähren Anhaltspunkt für die einzelnen Anforderungen eines Liquiditäts- und Finanzplans. In Einzelfällen wird dabei der Entlastungsbeweis zu weit interpretiert. Das gilt etwa für das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, das in einem Urteil aus dem Jahre 2009 formulierte:

420

„Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der Beklagte (d. i. der Verwalter, Anm. des Verf.) sowohl bei Abschluss des Vergleichs am 1.4.2004 als auch bei Ablauf der Widerrufsfrist am 13.8.2004 im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen durfte, dass die Erfüllbarkeit der eingegangenen Forderung nicht weniger wahrscheinlich war als der Eintritt der Masseunzulänglichkeit“. LAG Niedersachsen, Urt. v. 10.12.2009 – 7 Sa 333/09, juris.

Dann aber durfte der Verwalter die Verbindlichkeit nicht eingehen. Es müsste 421 vielmehr im Zeitpunkt der Schuldbegründung (oder hier des Ablaufs der Widerrufsfrist) aufgrund der Liquiditätsplanung zu erwarten sein, dass die begründete Verbindlichkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit mit Massemitteln erfüllt werden könne. Ist eine solche Möglichkeit aber nur so wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, so bestehen ernsthafte Zweifel, die Verbindlichkeit erfüllen zu können und der Verwalter muss von dem Geschäft ablassen. Die Gegenauffassung läuft darauf hinaus, dass das Gegenüber die Risiken einer solchen Entwicklung allein trägt. Das ist aber vom Gesetz gerade nicht gewollt. Ob die vorgenannte Entscheidung letztlich gleichwohl im Ergebnis richtig 422 ist, hängt entscheidend davon ab, wie man den Umstand bewertet, dass der Insolvenzverwalter die Unsicherheit und die Gründe dafür seinem Gegenüber ausdrücklich mitgeteilt und bereits bei Abschluss des Vertrags darauf hingewiesen hat, dass die aus der Masse zu zahlende vereinbarte Abfindung nur dann geleistet werden könne, wenn die Verhandlungen zur Veräußerung des Betriebs erfolgreich abgeschlossen werden. 75

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

423 Genau dies hat das Bundesarbeitsgericht in der mittlerweile entschiedenen Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts als Begründung für die Ablehnung einer Haftung nach § 61 InsO angeführt. BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 = NJW 2011, 3739.

424 Eine Haftung nach dieser Vorschrift scheide dann aus, wenn der Vergleich aufgrund einer Beurteilung in voller Kenntnis aller Tatsachen und Risiken geschlossen worden sei und damit auf einem bewussten Handeln auf eigenes Risiko beruhe. Dies sei zumindest dann so, wenn beide Seiten zudem eine weiträumige Widerrufsfrist erhalten hätten, um ihnen zu ermöglichen, dass sie das weitere Geschehen – insbesondere den Erfolg der Veräußerungsbemühungen – beobachteten und erforderlichenfalls den Widerruf erklärten. In einer solchen Situation könne der Arbeitnehmer nicht auf den Widerruf des Verwalters vertrauen, sondern müsse selbst initiativ werden. 425 Dem wird man im Ergebnis zustimmen müssen. Der Anspruch auf Schadensersatz wird, wenn schon nicht an der fehlenden Pflichtwidrigkeit, so doch zumindest an der Einwilligung scheitern. Ersteres bietet sich vor allem an, wenn man in § 61 InsO einen besonderen, gesetzlich geregelten Fall der Vertrauenshaftung sieht. Das Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass die Höhe des Anspruchs auf Ersatz des negativen Schadens im konkreten Falle entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung sich nur auf den Betrag belaufen könne, den der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn der Insolvenzverwalter rechtzeitig und ordnungsgemäß gekündigt und den Kündigungsschutzprozess sorgfältig geführt hätte. BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38, 41 = NJW 2011, 3739, 3741.

426 Auch die Äußerungen im Schrifttum und auf Vortragsveranstaltungen zu den Anforderungen an eine ordentliche Finanz- und Liquiditätsplanung sind – selbst wenn sie von Betriebswirten gemacht werden – nicht sehr aussagekräftig. Folgende Erfordernisse lassen sich feststellen: 427 Der Finanzplan muss jedenfalls erkennen lassen, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung ausreichend Liquidität vorhanden ist, um die Verbindlichkeit zu begleichen. Es versteht sich, dass es sich bei den Annahmen in einem Liquiditätsplan stets um eine Prognose der Liquiditätsentwicklung aufgrund der zum jeweiligen Erstellungszeitpunkt verfügbaren Zahlen handelt. 428 Daraus folgt zum einen, dass diese Planung stets an die veränderten Gegebenheiten anzupassen ist. Die neuen Istzahlen sind in regelmäßigen Abständen in den Plan einzufügen. Dabei lassen sich allgemeine Aussagen über die zeitlichen Abstände, in denen dies zu geschehen hat, kaum treffen. 429 Das hängt vor allem von den geschäftlichen Entwicklungen ab, der Größe des Unternehmens und dem Umfang der Verbindlichkeit, die begründet

76

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

wird. Näheres lässt sich den bislang ergangenen Entscheidungen nicht entnehmen. Eine taggenaue Finanzübersicht ist jedenfalls nicht zu verlangen. LG Stuttgart, Urt. v. 11.12.2002 – 27 O 295/02, DZWIR 2003, 171, 172 m. Anm. Busch; offen gelassen BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311 = NZI 2005, 222.

Hilfreich für den Entlastungsbeweis ist weiterhin, wenn der Verwalter darlegen 430 kann, dass er das Instrument des Finanzplans auch zur Steuerung des Geschäftsverhaltens einsetzt. Wird das Fehlen eines Verschuldens damit begründet, dass es kurzfristig un- 431 vorhersehbare Forderungsausfälle gegeben habe, so muss der Verwalter zur Entlastung dartun und beweisen, x

dass die Entwicklung unvorhersehbar war, OLG Celle, Urt. v. 25.2.2003 – 16 U 204/02, ZIP 2003, 587, 588, dazu EWiR 2003, 333 (Pape),

und x

dass ohne die unvorhersehbare Entwicklung eine Befriedigung möglich gewesen wäre. OLG Celle, Urt. v. 18.11.2003 – 16 U 88/03, NZI 2004, 319, 320.

Der Verwalter muss seine Liquiditätsplanung auf bestimmtes Zahlenmaterial 432 stützen. Hier wird häufig die Frage gestellt, worauf der Verwalter seinen Liquiditätsplan aufbauen darf. Zunächst einmal ist klarzustellen, dass es um Zahlen vor allem aus dem kauf- 433 männischen Bereich des Unternehmens geht. Es versteht sich einerseits, dass der Verwalter nicht sämtliche Berechnungen überprüfen kann. Andererseits ist es auch nicht sachgerecht, wenn der Verwalter allein unter Berufung auf ihm von Angestellten des Schuldners zur Verfügung gestelltes Zahlenmaterial, das sich vielleicht nachträglich als fehlerhaft herausstellt, seine persönliche Haftung verhindern kann. Das Landgericht Köln,

434

LG Köln, Urt. v. 21.10.2003 – 5 O 190/03, NZI 2003, 652,

hat es etwa als nicht möglich angesehen, sich allein unter Berufung auf Fehler eines von dritter Seite erstellten Finanzplans zu exkulpieren. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Unternehmensberater, der von 435 dem Verwalter u. a. beauftragt worden war, sämtliche noch nicht abgewickelten Verträge der Schuldnerin zu prüfen. Die Aktualisierung der Liquiditätsplanung erfolgte in wöchentlichen Abständen. Es ging um einen Unterauftrag im Rahmen eines Bauprojekts, das die spätere 436 Schuldnerin übernommen hatte. K stellte der Schuldnerin zur Erbringung der Bauleistungen Transportfahrzeuge zur Verfügung. 77

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

437 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entwickelte sich der zunächst von dem Berater B als „sehr lukrativ“ bezeichnete Vertrag negativ, sodass zwischen der Schuldnerin und dem Generalunternehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt Einvernehmen erzielt wurde, den Auftrag zu beenden. 438 Der Generalauftragnehmer hatte bis dahin Abschlagszahlungen geleistet. Durch Vergleich verpflichtete sich der Generalunternehmer zur Zahlung weiterer 10.000 €. Der Verwalter zeigte die Masseunzulänglichkeit an. 439 Nunmehr nahm K den Verwalter für den Ausfall in Anspruch. Der Verwalter berief sich darauf, wöchentlich dem Unternehmensberater B die maßgeblichen Daten mitgeteilt zu haben, damit dieser die Unzulänglichkeit des Unternehmens feststellen kann. 440 Das Landgericht Köln bejahte zwar die Möglichkeit, Hilfspersonen einzusetzen. Die Einschätzung des Unternehmensberaters, der Auftrag im Rahmen des Bauprojektes sei lukrativ, reiche allerdings zur Entlastung des Verwalters nicht aus, da der Hinweis „völlig pauschal und unsubstantiiert“ sei. LG Köln, Urt. v. 21.10.2003 – 5 O 190/03, NZI 2003, 652, 653.

441 In dem Bericht des Unternehmensberaters fehlten jegliche Zahlen, Kalkulationen oder sonstige Gegenüberstellungen. Dieser habe auch keine Aufmaßberechnungen durchgeführt und sich insoweit allein auf die Angaben des Geschäftsführers der Schuldnerin verlassen. 442 Hierauf, aber auch auf dessen Angaben über die Werthaltigkeit der Forderung gegen den Auftraggeber, durfte der Beklagte nicht vertrauen. Daran ändere auch nichts der pauschale Abschlag in Höhe von 25 Prozent, da diesem eine konkrete Kalkulation habe vorausgehen müssen. Hieran fehle es ebenso wie an der Klärung der Frage, inwieweit die für Bauprozesse typischen Mängelansprüche drohten. 443 Im Weiteren stellt das Gericht klar, dass an seiner Beurteilung weder die von dem Auftraggeber gemachten Akontozahlungen etwas änderten, noch erkennbar sei, dass eine Überprüfung der Kostenkalkulation des Auftrags und damit dessen Werthaltigkeit stattgefunden habe. 444 Die Ausführungen der 5. Kammer des Landgerichts machen im Übrigen deutlich, dass an die Überprüfung des aus dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Zahlenmaterials strenge Anforderungen zu stellen sind. Dabei wird man diese danach differenzieren müssen, in welchem Zeitpunkt des Verfahrens die Begründung der Masseverbindlichkeit stattfindet. 445 Je länger der für die Planung zur Verfügung stehende Zeitraum ist, desto eher wird man auch eine in die Tiefe gehende Prüfung verlangen können. Unmittelbar nach Übernahme des Verfahrens können an die Kontrolle der Zahlen nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, wie etliche Monate nach Ernennung zum Insolvenzverwalter. 446 In der Sache muss aber der Insolvenzverwalter auch bei Übernahme eines Bauunternehmens die Kostenkalkulationen nachprüfen. Er darf sich hierbei 78

6. Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten durch den Verwalter

durchaus des schuldnerischen Personals bedienen. Freilich ist insoweit eine Überprüfung der Arbeitsleistung des jeweiligen Betroffenen zwingend erforderlich. Nur wenn der Verwalter diese vornimmt und entsprechend auch darlegen kann, kann er sich auf fehlendes eigenes Verschulden berufen. Hier hilft dann § 60 Abs. 2 InsO. Völlig ausgeschlossen ist es, dass der Verwalter sich dieser Pflicht zur Liqui- 447 ditätsplanung gänzlich entledigt, indem er die Planung einem externen Dritten überträgt. Hier bedarf es vielmehr einer Überprüfung der angestellten Berechnungen. Er darf die Berechnungen eines anderen nicht etwa unbesehen übernehmen. 448 Vielmehr muss er den Plan auf Fehler, Sachgerechtigkeit und insbesondere darauf überprüfen, dass der Plan von zutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgeht. Pape, ZInsO 2003, 1013, 1019.

So hat das Oberlandesgericht Celle,

449

OLG Celle, Urt. v. 25.2.2003 – 16 U 204/02, ZIP 2003, 587, 588,

es als nicht ausreichend angesehen, dass der Verwalter sich pauschal darauf bezogen habe, der von ihm mit der Buchhaltung und dem Insolvenzplan beauftragte Steuerberater habe sich auf „geschönte“ Zahlen gestützt. Eine solche Behauptung sei zu pauschal. Nach eigenem Vortrag habe er sich auf die vom Steuerberater festgestellte 450 vermeintlich gute Ertragslage verlassen, ohne die Vertretbarkeit der einzelnen getätigten Bestellungen zu prüfen. Soweit es das Verschulden des Mitarbeiters betrifft, muss er sich dessen Wissen und Handeln gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Die 11. Kammer des Landgerichts Köln sah es als ausreichend für den Entlas- 451 tungsbeweis an, wenn der Verwalter darlegt, dass er mit Hilfe eines Wirtschaftsprüfers eine Liquiditätsplanung aufgestellt hat, die eine ausreichende Liquidität im Fälligkeitszeitpunkt ergab. Die Liquiditätsreserve von gerade einmal 2.057 DM erachtete es als ausreichend. Einzelheiten des Plans werden nicht mitgeteilt, sodass sich eine Bewertung 452 dieser gegenüber der 5. Kammer des Landgerichts Köln offenbar sehr viel großzügigeren Haltung hinsichtlich der Planungen des Verwalters nicht vornehmen lässt. Allerdings ist allgemein zu sagen, dass der Verwalter sich nicht ohne Weiteres 453 auf die von dritter Seite erstellte Planung verlassen darf. Vielmehr muss er diese selbst dann überprüfen, wenn der Wirtschaftsprüfer von ihm und nicht etwa vom Schuldner beauftragt wurde. LG Köln, Urt. v. 30.4.2002 – 11 S 296/01, NZI 2002, 607.

79

II. Die persönliche Haftung des Verwalters nach insolvenzrechtlichen Regelungen

454 Nicht zur Liquiditäts- und Finanzplanung gehört das Aufstellen einer Vergleichsrechnung aus der sich ergibt, ob durch Fortführung oder Zerschlagung ein besseres Verwertungsergebnis zu erzielen ist. Dies betrifft vielmehr einen anderen Pflichtenkreis, auf den an anderer Stelle eingegangen wurde (s. Rn. 220). Siehe aber OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.11.2002 – 12 U 112/02, ZIP 2003, 267, 269; OLG Brandenburg, Urt. v. 3.7.2003 – 8 U 58/02, NZI 2003, 552, 553; zu den Anforderungen an ein tragfähiges Konzept einer Betriebsfortführung s. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 4.1.2011 – 5 Sa 138/10, ZInsO 2011, 688, dazu EWiR 2011, 675 (Weitzmann).

455 Eine von dem Steuerberater des Schuldners erstellte Zwischenbilanz ist ohne Überprüfung keine taugliche Grundlage für den Entlastungsbeweis. A. A. Braun/Baumert, InsO, § 61 Rn. 12.

456 Gleiches gilt auch für Auskünfte des Geschäftsführers der Schuldnerin. LG Cottbus, Urt. v. 8.5.2002 – 3 O 277/00, NZI 2002, 441, 443.

457 Die Liquiditätsplanung hat nicht etwa Selbstzweck, sondern zum Ziel, dass eine vorausschauende und gegenüber neuen Gläubigern verantwortungsvolle Entscheidung getroffen werden kann. 458 Daraus folgt, dass es dann an einer Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden fehlt, wenn der Verwalter durch entsprechendes Sachverständigengutachten nachweist, eine Liquiditätsplanung hätte den Mangel an finanziellen Mitteln bei Fälligkeit im Zeitpunkt der Entscheidung nicht gezeigt. 459 Trotz dieser Möglichkeit ist der Verwalter gut beraten seine Geschäftsentscheidungen umfassend zu dokumentieren, um bei Unzulänglichkeit die Möglichkeit zu haben, einen Entlastungsbeweis zu führen.

80

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters 1. Haftung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO gelten für den vorläufigen Verwalter die Haf- 460 tungsvorschriften des Verwalters entsprechend. Es ist dabei zwischen den verschiedenen Arten des Verwalters zu unterscheiden. Uneingeschränkte Anwendung findet die Haftung auf den vorläufigen starken 461 Verwalter. Er muss damit nicht nur für die Erfüllung seiner ihm nach Insolvenzrecht obliegenden Pflichten persönlich einstehen (§ 60 InsO), sondern haftet neuen Massegläubigern (§ 55 Abs. 2 InsO) für die Erfüllung im Zeitpunkt der Fälligkeit gem. § 61 InsO. Gerade diese strenge Haftung hat bekanntlich dazu geführt, dass der starke Verwalter in der Praxis eher die Ausnahme bildet. Hierzu Feser, FS Runkel, S. 41, 45 ff.

2. Haftung des schwachen vorläufigen Verwalters a) Umfang der Haftung Wegen seiner beschränkten Befugnis ist der Haftungsumfang des schwachen 462 vorläufigen Verwalters auch geringer als der eines starken vorläufigen Verwalters. Der Insolvenzverwalter muss nur für die ordnungsgemäße Erfüllung der ihm obliegenden Aufsichtspflichten einstehen. Eine Haftung des vorläufigen Verwalters gegenüber Gläubigern, die erst zu solchen durch Handlungen des Schuldners in der Phase der Insolvenzeröffnung werden (§ 55 Abs. 2 InsO findet insoweit keine Anwendung), scheidet nach § 61 InsO in aller Regel aus. Feser, FS Runkel, S. 41, 57 ff.

Das gilt auch für die Haftung nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grund- 463 sätzen. Beispiel: I ist Insolvenzverwalterin. Im Eröffnungsverfahren war sie vorläufige schwache Insolvenzverwalterin über das Vermögen der O GmbH & Co. KG. Während des Eröffnungsverfahrens informierte die O GmbH & Co. KG ihre Geschäftspartner, darunter auch K, in einem Rundschreiben über die Beantragung des Insolvenzverfahrens und die Bestellung der Beklagten als vorläufige Insolvenzverwalterin. Das Schreiben enthielt auch folgenden Passus: „Zu Ihrer und unserer Absicherung bringen wir in Vorschlag, dass für all diejenigen Bestellungen, die durch die vorläufige Insolvenzverwalterin gegengezeichnet sind, die Zusage des Rechnungsausgleiches innerhalb der vorgenannten Zahlungsfristen als zugesagt gilt.“ Für das Schreiben wurde das Briefpapier der O GmbH & Co. KG verwendet, der Geschäftsführer der Gesellschaft unterzeichnete den Brief. Die Insolvenzverwalterin zeichnete gegen. Dem Schreiben lag ein Rückschein bei, der folgenden Text enthielt: „Vorgenanntes Schreiben haben wir zur Kenntnis ge81

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

nommen und erklären uns mit der Vorgehensweise einverstanden.“ Die O GmbH & Co. KG gab zwei Bestellungen bei der K auf, die gegengezeichnet wurden. In der Folgezeit liefen weitere Verhandlungen über die Sanierung der Insolvenzschuldnerin. Auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.4.2007 folgte ein Schreiben der I, in dem sie eine mögliche Übernahme der O GmbH & Co. KG andeutete und folgenden Passus einfügte: „Soweit im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung Forderungen durch Lieferungen begründet wurden, gehe ich davon aus, dass diese zeitnah zum Ausgleich gebracht werden.“ Letztlich scheiterten die Sanierungsbemühungen. Hierüber informierte I die Gläubiger in einem weiteren Schreiben. Die vorgenannten Lieferbeträge wurden von der O GmbH & Co. KG nicht erfüllt. Auch wurde die Ware nicht abgenommen. Daraufhin nimmt K die I auf Schadensersatz in Anspruch aufgrund der Bestellungen der O GmbH & Co. KG. LG Trier, Urt. v. 23.3.2009 – 6 O 204/08, ZInsO 2009, 1208, dazu EWiR 2009, 683 (Webel).

464 Das Gericht lehnte die Annahme einer Garantieerklärung seitens I und einer hierauf gestützten Haftung gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 3 BGB überzeugend ab. Das Rundschreiben könne nicht als eine solche Einstandserklärung ausgelegt werden. Entsprechendes sei auch nicht aus den Formulierungen „bringen wir in Vorschlag“ und „Gegenzeichnung durch die Insolvenzverwalterin“ herauszulesen. 465 Zugleich wurde eine Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens und eine hierauf gestützte Haftung verworfen. Zwar habe ein vorläufiger Insolvenzverwalter aufgrund der Kenntnisse des konkreten Falls eine höhere Sachkenntnis als ein sonstiger Vertragspartner und verfüge darüber hinaus über besondere Sachkenntnisse über das rechtliche Verfahren der vorläufigen Verwaltung. Das Rundschreiben enthält jedoch keine Aussagen über Zahlungsfähigkeit und Durchführbarkeit der Geschäfte und ihre Sicherstellung. Die in dem Rundschreiben gemachten Aussagen seien hierfür zu vage und in ihren Formulierungen zu unspezifisch. Im Übrigen habe die Klägerin erkennen müssen, dass gerade Geschäfte mit einer in vorläufiger Insolvenz befindlichen Kapitalgesellschaft ein „Restrisiko des Zahlungsausfalles mit sich bringen.“ LG Trier, a. a. O.

466 Eine Haftung aus § 61 InsO wird vom Gericht mit der Erwägung abgelehnt, dass I nicht zur Begründung von Verbindlichkeiten ermächtigt sei. Dies sei auch der Klägerin bekannt gewesen. 467 Allerdings kann der Insolvenzverwalter aus § 60 InsO wegen Masseschädigung haften, wenn ein Massedarlehen und dessen Aufnahme zu Nachteilen für die künftige Masse führen würden und er den Schuldner nicht vor der Aufnahme eines solchen Darlehens gewarnt hat. So etwa Ganter, ZIP 2013, 597, 602, 604, in Bezug auf „Changeof-Control-Klauseln“.

82

2. Haftung des schwachen vorläufigen Verwalters

Auch die Prozessführung gehört nicht zu den Aufgaben des vorläufigen Ver- 468 walters – welcher Art auch immer –, da ihm nicht die Verwertung der Masse obliegt. Anderes gilt nur, wenn bei Unterlassung der Prozessführung Verjährung oder Uneinbringlichkeit droht. Ein mitbestimmender Verwalter muss in diesem Fall sich um eine entsprechende Einzelanordnung bemühen und im Rahmen dessen auch die Frage der Prozesskostenaufbringung unter Einbeziehung von Prozesskostenhilfe und die Hinzuziehung eines Prozesskostenfinanzierers prüfen. Für Einzelheiten G. Fischer, NZI 2014, 241, 246 ff.; s. schon oben Rn. 401 ff.

b) Besonderheiten bei Eingehung von Masseverbindlichkeiten aufgrund einer Ermächtigung Da der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 18. Juli 2002,

469

BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 = ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250,

die Möglichkeit der Begründung von Masseverbindlichkeiten kraft Ermächtigung befürwortet hat (analog § 55 Abs. 2 InsO), stellte sich die Frage nach der Haftung eines solchen Verwalters. Sie wurde letztlich in der mehrfach angesprochenen Entscheidung des Bun- 470 desgerichtshofs zur Haftung nach § 61 InsO im Zusammenhang mit der Begründung einer Haftung auf das negative Interesse bejaht. So im Ergebnis auch schon Pape, FS Kirchhof, S. 391, 418 f.

Dabei kommt es wohl nicht entscheidend darauf an, ob das Gericht tatsäch- 471 lich vor Ermächtigung und vor Eingehung der Masseverbindlichkeiten prüfen muss, dass diese auch aus der Masse beglichen werden können. Dies scheint in der Tat an den Bedürfnissen der Praxis vorbeizugehen und die Aufgabenverteilung zwischen Insolvenzgericht und Verwalter zu verwischen. So aber Pape, a. a. O.

Selbst wenn man dem aber nicht zustimmt, so verstärkt das ein Bedürfnis 472 nach einer uneingeschränkten Anwendung des § 61 InsO auf diese Art von Verwalter. Ob sich aus der gerichtlichen Zustimmung zur Eingehung einer bestimmten Masseverbindlichkeit eine Haftungserleichterung ergeben kann, wie mitunter befürwortet wird, erscheint aber aus den genannten Gründen ebenfalls sehr fraglich. Insgesamt wird man aber im Rahmen der Haftung die Prüfungszeit für die 473 Frage der Erfüllbarkeit der Verbindlichkeit und die Notwendigkeit der Eingehung einer solchen Masseverbindlichkeit berücksichtigen müssen. Zuverlässige Liquiditätsplanung setzt eine Prüfung der Finanzplanung in einer gewissen Tiefe voraus. Diese lässt sich nicht innerhalb kurzer Zeit durchführen.

83

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

474 Allein die Verpflichtung des Verwalters, das schuldnerische Unternehmen gem. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO fortzuführen, rechtfertigt es im Eröffnungsverfahren nicht, unerfüllbare Masseverbindlichkeiten einzugehen. A. A. Kirchhof, ZInsO, 1999, 365, 366 f.

475 Der gegenteilige Standpunkt löst die Fortführungspflicht einseitig zu Lasten der (neuen) Massegläubiger. Diese würden gezwungen, im Interesse der Massemehrung oder -erhaltung für die bisherigen Massegläubiger ein Vermögensopfer zu bringen. 476 Der Verwalter hat vielmehr dann die Zustimmung des Gerichts gem. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO zur Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens einzuholen. Neue Verbindlichkeiten darf er nicht mehr begründen. 477 Versagt das Gericht die Zustimmung zur Stilllegung, so kann dies bei durch den Verwalter neu begründeten Verbindlichkeiten dessen Haftung entfallen lassen. Unterlässt es der Verwalter hingegen, eine entsprechende Zustimmung einzuholen, so trägt er die vollen Haftungsfolgen gem. § 61 InsO. 478 Hiergegen wird der Einwand vorgebracht, der neue Massegläubiger habe vielfach als Außenstehender keinen Kontakt zur späteren Masse gehabt. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, ob und zu welchem Zeitpunkt der vorläufige Insolvenzverwalter die Betriebseinstellung hätte beantragen müssen. Dem ist zu entgegnen, dass dies letztlich angesichts der Regelung des § 61 InsO ohnehin nicht verfängt. Es kann hier nur mit Fritz Baur, F. Baur, GS R. Bruns, S. 241, 249,

entgegnet werden, dass dem Vertragspartner im Geschäftsleben in der Regel ein Einblick in die Verhältnisse des Kontrahenten bei Vertragsbegründung fehlt. Im Übrigen bedeutet das Abstellen auf die Möglichkeit einer wirksamen Kontrolle, dass man vom Verwalter einerseits nichts Unmögliches verlangt, andererseits ihn zur sorgfältigen Kontrolle anhält. Damit erfüllt die Haftungsnorm aber die notwendige Steuerungsfunktion. 3. Probleme bei von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen 479 Mit einer im Mietrecht wohl häufiger auftretenden Problematik hatte sich der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Januar 2008 zu befassen. BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 = ZVI 2008, 208 = NJW 2008, 1442 m. Anm. Gundlach, dazu EWiR 2008, 309 (Eckert); teilweise abl. Drasdo, NZI 2008, 296 f. (Urteilsanm.).

480 Der Kläger ist Hauptvermieter, der eine Eigentumswohnung an die Schuldnerin als gewerbliche Zwischenvermieterin vermietet hatte. Nach Bestellung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters (mit Zustimmungsvorbehalt)

84

4. Lastschriftverfahren

zahlt der Untermieter die Mieten an den vorläufigen Insolvenzverwalter, der diese Zahlungen nicht an den Hauptvermieter weiterleitet. Ein solches Verhalten hatte der vorläufige Verwalter dem Hauptvermieter 481 bereits angekündigt und ihn im Übrigen darauf hingewiesen, dass er gem. § 112 InsO nicht kündigen könne. Der Hauptvermieter nahm daraufhin die Insolvenzmasse sowie den vorläufigen Verwalter vor allem in Höhe der ausgebliebenen Mietzahlungen in Anspruch. Beide Anträge blieben ohne Erfolg. Das Gericht hat eine persönliche Haftung abgelehnt, ohne dabei die Frage 482 entscheiden zu müssen, ob die unrichtige rechtliche Belehrung durch den vorläufigen Verwalter die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht darstellen kann. Hier jedenfalls fehle es an der Kausalität, da der Hauptschuldner gleichwohl gekündigt habe. Die eigentliche Bedeutung der Entscheidung liegt in der Abgrenzung dieser Entscheidung zu einer früheren Entscheidung des VIII. Zivilsenat, BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, ZIP 2005, 1085 = ZfIR 2005, 708 (LS) = NZI 2005, 450 m. Anm. Drasdo,

die häufig in dem Sinne verstanden wurde, dass der vorläufige Verwalter das vereinnahmte Geld an den Vermieter abführen müsse. Der IX. Senat vertritt dagegen die Auffassung, dass der Verwalter die fälligen 483 Mieten zahlen könne, aber keine entsprechende Pflicht habe. Nach Auffassung des IX. Senats habe der VIII. Senat sich lediglich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Hauptvermieter das Mietverhältnis unter den Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB kündigen könne, ohne dass ein Zahlungsverzug vorliege. Das war seinerzeit vom Gericht bejaht worden, wenn eine Fortführung des Mietverhältnisses wegen der eindeutigen Ankündigung des Einbehalts der vereinnahmten Mieten unzumutbar sei. Kritisch zu den sich hieraus ergebenden Folgen für den Hauptvermieter Drasdo, NZI 2008, 297.

4. Lastschriftverfahren Ein besonderes Problem stellt in der Eröffnungsphase das Lastschriftverfah- 484 ren dar. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, BGH, Urt. v. 2.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 = ZIP 2004, 2442 (m. Anm. Bork, S. 2446 u. Bespr. Feuerborn, ZIP 2005, 604) = ZVI 2005, 33, dazu EWiR 2005, 121 (Gundlach/Frenzel); hierzu Ganter, WM 2005, 1557; bestätigt von: BGH, Urt. v. 21.9.2006 – IX ZR 173/02, ZIP 2006, 2046 = ZVI 2006; s. auch LG Hildesheim, Urt. v. 6.7.2006 – 4 O 40/06, ZInsO 2006, 1286, dazu EWiR 2006, 763 (Schelske); anders noch OLG Hamm, Urt. v. 11.12.2003 – 27 U 130/03, ZIP 2004, 814, dazu EWiR 2004, 237 (Bork); zur Rechtsprechung des BGH: Ries, ZInsO 2009, 889 ff.,

85

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

hatte mehrfach entschieden, dass bis zur Genehmigung der per Einzugsermächtigung eingezogenen Beträge der vorläufige schwache und auch der starke Verwalter, BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273 (m. Bespr. Jungmann, ZIP 2008, 295) = ZVI 2008, 64 = ZInsO 2007, 1216, 1217,

Widerspruch gegen die Belastungsbuchung gem. Abschn. III Nr. 2 S. 1 des Lastschriftabkommens erklären können, Zum „Widerspruch“ durch Schweigen, s. Ringstmeier/Homann, NZI 2005, 492,

ohne sich einem Schadensersatzanspruch der Bank auszusetzen. Die vom Schuldner dem Gläubiger erteilte Einzugsermächtigung enthalte nur eine Gestattung, sich des technischen Verfahrens des Lastschrifteinzugs zu bedienen. Der vorläufige Verwalter unterliege bei Ausübung des Widerspruchs nicht den Grenzen, die sich für den Schuldner aus der Haftung gem. § 826 BGB ergeben, da nach Einsetzung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt die Erfüllung der Forderung der Zustimmung des vorläufigen Verwalters bedürfe. Hierbei habe sich der vorläufige Verwalter aber ausschließlich an den Zielen des Eröffnungsverfahrens zu orientieren. 485 Demgegenüber stand der XI. Zivilsenat auf dem Standpunkt, der (vorläufige) Insolvenzverwalter könne nicht mehr Rechte haben, als der Schuldner. Erforderlich sei daher für den Widerspruch, dass er materiell-rechtlich begründet sei. Andernfalls mache sich der Insolvenzverwalter nach § 826 BGB haftbar. BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZIP 2008, 1977 (m. Anm. Bork, S. 1984 u. Haas, S. 1985 u. Bespr. Schulte-Kaubrügger, S. 2348) = ZVI 2008, 477 = ZBB 2008, 403 (m. Bespr. Jungmann, S. 409) = ZInsO 2008, 1076, dazu EWiR 2008, 625 (Keller).

486 Die Auffassung des IX. Zivilsenats wurde auch im Schrifttum teilweise heftig kritisiert. Siehe z. B. Bork, ZIP 2004, 2446 (Urteilsanm.); Hadding, WM 2005, 1549; Jungmann, NZI 2005, 84, 86 f.; Kuder, ZInsO 2004, 1356; Meder, NJW 2005, 637; Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 (hierzu Spliedt, NZI 2007, 72, 73 ff.); Peschke, ZInsO 2006, 470, 474; Spliedt, ZIP 2005, 1260; zustimmend dagegen z. B.: Dahl, NZI 2005, 102; Feuerborn, ZIP 2005, 604, 605; Flitsch, BB 2005, 17; Knees/Kröger, ZInsO 2006, 393; Köhler, S. 59 ff. (wenn auch mit Einschränkungen).

487 Ihr wurde teilweise vorgeworfen, sie stelle die Nutzbarkeit des Lastschriftverfahrens überhaupt in Frage. Dieser Meinungsstreit kann als beendet angesehen 86

4. Lastschriftverfahren

werden. In zwei Entscheidungen, denen eine interne Abstimmung vorausging, haben die beiden Senate sich auf einen gemeinsamen Standpunkt geeinigt: BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 (m. Bespr. Jacoby, S. 1725 u. Wagner, ZIP 2011, 846) = ZVI 2010, 382, dazu EWiR 2010, 537 (Vosberg); BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556; hierzu: Eyber, ZInsO 2010, 2363; Ringstmeier/Homann, ZInsO 2010, 2039; Jacoby, ZIP 2010, 1725; Kuder, ZInsO 2010, 1665; Langen/Lang, NJW 2010, 3484; Schleich/Götz/Nübel, DZWIR 2010, 409; Stephan, VIA 2010, 73; Tetzlaff, ZInsO 2010, 161; Wagner, NZI 2010, 785; ders., ZIP 2011, 846.

Auch der XI. Senat folgt nun der Genehmigungstheorie, nach der bei der 488 Ermächtigungslastschrift der Lastschriftschuldner diese gegenüber seinem Kreditinstitut genehmigt und der (vorläufige) Insolvenzverwalter der Lastschrift grundsätzlich noch widersprechen kann. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 (m. Bespr. Jacoby, S. 1725 u. Wagner, ZIP 2011, 846), dazu EWiR 2010, 539 (Lenhardt/Priebe).

Die Anwendung der Genehmigungstheorie führt haftungsrechtsrechtlich 489 dazu, dass der vorläufige Verwalter mit Verfügungsbefugnis, der „endgültige“ Insolvenzverwalter und der Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren letztlich diese Maßnahme grundsätzlich ergreifen muss, um die künftige Masse zusammenzuhalten, wann immer ihm das aus der Sicht des Zwecks der Massesicherung zu Gunsten der „künftigen“ Insolvenzgläubiger notwendig erscheint. G. Fischer, FS Gerhardt, S. 223, 231 f.; s. auch AG Hamburg, Beschl. v. 18.3.2009 – 68 c IK 207/08, NZI 2009, 331, 333; Frind, NZM 2009, 688, 690; Schröder, in: HambKomm, InsO, § 22 Rn. 157, 161; A. Maier, S. 174 f.

Andernfalls setzt er sich dem Risiko aus, wegen Schädigung des Sonder- 490 vermögens persönlich gem. § 60 InsO in Anspruch genommen zu werden. Hieran hat sich auch durch die Entscheidung des IX. Zivilsenat nichts geändert. Das Einzugsermächtigungsverfahren ist damit nicht insolvenzfest. Allerdings wird die Möglichkeit zum Widerspruch nach der Rechtsprechung 491 des Bundesgerichtshofs vor allem auf zweierlei Weise eingeschränkt: 1. der fehlenden Berechtigung zum Widerspruch bei Verwendung des schuldnerischen „Schonvermögens“, 2. der Möglichkeit konkludenter Genehmigung. 87

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

492 Eine solche Möglichkeit zum Widerspruch soll auch bei Umbuchungen zwischen inhabergleichen Konten im Lastschriftverfahren möglich sein. Hier entfalle der Schutzzweck, eine Möglichkeit zur Überprüfung der materiellen Berechtigung zu sichern. OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 10.3.2011 – 13 U 33/11, ZIP 2011, 1406.

493 Lastschriftbuchungen nach dem SEPA-Verfahren verändern darüber hinaus die Situation zugunsten des Gläubigers und machen die Lastschriftbuchung insolvenzfest. 494 Grundsätzlich hält der IX. Zivilsenat an den Folgen der Genehmigungstheorie fest. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter dürfe einer gebuchten Lastschrift, solange der Schuldner noch nicht genehmigt habe, zwar ohne dass eine sachlich begründete Einwendung des Schuldners erforderlich sei, widersprechen. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 (m. Bespr. Jacoby, S. 1725 u. Wagner, ZIP 2011, 846) = ZVI 2010, 382; zur Frage eines Schadensersatzanspruchs des Gläubigers in einem solchen Fall nicht berechtigter Rückbuchung, OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.12.2014 – 17 U 221/13, ZInsO 2015, 712.

495 Allerdings muss der Senat einräumen, dass die schematisch unterbliebene Genehmigung zu teilweise sozial unerwünschten Ergebnissen führt. Dies gelte vor allem, wenn die Lieferungen und Leistungen Gegenstände des täglichen Bedarfs beträfen, wie etwa die Miete, Energie- und Wasserversorgung etc. Diese Folge soll dadurch verhindert werden, dass der Treuhänder den Lastschriften nicht widersprechen darf, wenn diese aus dem pfändungsfreien Vermögen des Schuldners bedient worden sind. Unter Heranziehung der einschlägigen oder analog anzuwendenden Schuldnerschutzvorschriften (§ 36 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 850c, 850i und § 850k ZPO) und dem Verweis auf die umgekehrte Entscheidung zu § 850b ZPO im Zusammenhang mit bedingt pfändbaren Bezügen, die der Bundesgerichtshof ohne entsprechenden Beschluss für pfändbar angesehen hatte, bedürfe es auch im vorliegenden Fall keines Gerichtsbeschlusses. Kritisch hierzu Wagner, NZI 2010, 785, 787.

496 Der (vorläufige) Insolvenzverwalter könne angesichts dessen in der Insolvenz der Privatperson nicht mehr pauschal den noch nicht genehmigten Buchungen widersprechen. Vielmehr müsse er im Einzelfall prüfen, wie weit seine Rechtsmacht reiche. Insbesondere müsse er prüfen, ob die Buchungen pfändungsfreies „Schonvermögen“ des Schuldners betreffen. Dann scheide ein Widerspruch gegen die jeweilige Buchung grundsätzlich aus. Ein Widerspruch sei allerdings auch bei solchem Vermögen zulässig, wenn die Zahlung später anfechtbar oder bereits an der Höhe des fraglichen Lastschriftbetrags erkennbar sei, dass es sich nicht um Zahlungen aus dem Schonvermögen, sondern nur aus der Masse handeln könne. Insofern sei die Unterscheidung

88

4. Lastschriftverfahren

zwischen dem vorläufigen Verwalter mit Verfügungsbefugnis, einem solchen mit Zustimmungsvorbehalt oder einem Treuhänder ohne Bedeutung. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 (m. Bespr. Jacoby, S. 1725 u. Wagner, ZIP 2011, 846) = ZVI 2010, 382.

Für die hier im Mittelpunkt stehende Frage der Haftung des Insolvenzver- 497 walters ist zu beachten, dass der Senat eine solche Haftung annimmt, wenn der Verwalter ohne Prüfung der Buchung widerspricht, obgleich er eine fehlende Berechtigung hätte erkennen können. BGH, a. a. O.; s. schon Grote, ZInsO 2009, 9, 17.

Voraussetzung für eine Haftung ist weiterhin, dass dem Schuldner aus der 498 Rückbelastung ein Schaden entstanden ist. Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass die Zahlstelle ihrerseits prüfen darf, ob der Verwalter „ultra vires“ handele. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552. 1555 (m. Bespr. Jacoby, S. 1725 u. Wagner, ZIP 2011, 846) = ZVI 2010, 382.

Da es ein Schonvermögen nur bei Privatpersonen gibt, betrifft diese Recht- 499 sprechung die Insolvenz von Unternehmen nicht. OLG München, Urt. v. 20.12.2010 – 19 U 2126/09, ZIP 2011, 43, dazu EWiR 2011, 191 (Gantenberg/Grochowski).

Im Übrigen bleibt es zwar dabei, dass bei einer vom Schuldner erteilten Ge- 500 nehmigung der Buchung, zu der der vorläufige Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt nicht in der Lage ist, ein Widerspruch ausscheidet. Allerdings entwickelt das Gericht die Möglichkeit konkludenter Genehmigungen fort. Die Frage, ob eine solche Genehmigung vorliegt, ist nunmehr für diese Buchungsvorgänge vorrangig zu prüfen. Kuder, ZInsO 2010, 1665; s. auch P. Fischer, ZInsO 2011, 1762; krit. Jacoby, ZIP 2010, 1725.

Dies bestätigt die seither ergangene Rechtsprechung, die sich in erster Linie 501 mit den Voraussetzungen der konkludenten Genehmigung zu befassen hatte. Maßgeblich dafür sei der objektive Erklärungswert des Kontoinhabers. BGH, Urt. v. 26.7.2011 – XI ZR 197/10, ZIP 2011, 1557, dazu EWiR 2011, 701 (Dörrscheidt).

Absprachen zwischen dem Schuldner und der kontoführenden Bank könnten 502 zwar grundsätzlich als konkludente Genehmigung gedeutet werden, einer solchen Auslegung wird aber häufig der Umstand entgegenstehen, dass der Schuldner keine ausreichende Gelegenheit zur Überprüfung hatte. Im Einzelfall könnten nachfolgende Zahlungen des Schuldners für eine solche Genehmigung vorangehender Abbuchungen sprechen. Gleiches gilt für Einzahlungen des Kontoinhabers, um den Mangel an Liquidität mit Blick auf eine

89

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

andere Lastschrift zu beseitigen, da ansonsten die Deckung einfacher im Wege des Widerspruchs gegen die Lastschriftbuchung beschafft werden könnte. BGH a. a. O.

503 So hat sich eine stark differenzierte Rechtsprechung zur konkludenten Genehmigung herausgebildet, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Siehe z. B. BGH, Urt. v. 26.7.2011 – XI ZR 197/10, ZIP 2011, 1557; BGH, Urt. v. 27.9.2011 – XI ZR 328/09, ZIP 2011, 2400, dazu EWiR 2012, 77 (Mordhorst); BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398; BGH, Urt. v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018, dazu EWiR 2012, 379 (Hiebert).

504 Unverändert ist die Auffassung des Gerichts zur Anwendung der Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken, wonach diese Vorschrift auch im Rechtsverhältnis zum endgültigen und zum vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter wirkt. Da der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nicht befugt ist, Masseverbindlichkeiten zu begründen, sondern nur eine Minderung des Schuldnervermögens verhindern soll, gilt diese Regelung für ihn daher nicht. 505 Über die Bestimmung der Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken hinaus, wurde etwa eine konkludente Genehmigung im unternehmerischen Geschäftsverkehr dann befürwortet, wenn ein Kontoinhaber nicht eingelöste Lastschriften durch konkrete, nachträgliche Überweisungen ausgleicht. BGH, Urt. v. 25.1.2011 – XI ZR 171/09, ZIP 2011, 482, dazu EWiR 2011, 221 (Hiebert).

506 Dabei ist eine solche konkludente Genehmigung auch vor Ablauf der 6Wochen-Frist der Nr. 7 Abs. 2 S. 1 AGB-Banken möglich. BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, ZIP 2010, 2407, 2408, dazu EWiR 2011, 153 (Wagner).

507 Maßgeblich ist „der durch normative Auslegung zur ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Kontoinhabers“, BGH, Urt. v. 1.3.2011 – XI ZR 320/09, ZIP 2011, 826, dazu EWiR 2011, 413 (Wagner).

508 Allein die Tatsache, dass ein Schuldner einer Belastungsbuchung aus einer Einzugsermächtigung sein Konto über einen Monat weiternutze, ohne der Abbuchung zu widersprechen, sei nicht als eine solche konkludente Genehmigung zu werten. Dies bedürfe vielmehr weiterer Umstände, um irgendeine derartige Erklärung sehen zu können. BGH, Urt. v. 23.11.2010 – XI ZR 370/08, ZIP 2011, 91 = ZVI 2011, 57, dazu EWiR 2011, 119 (Ringstmeier); BGH, Urt. v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09, ZIP 2011, 1252, dazu EWiR 2011, 493 (Jungmann) (auf Besonderheiten beim Verbraucher eingehend);

90

4. Lastschriftverfahren für weitere Entscheidungen der Obergerichte s. etwa OLG Koblenz, Urt. v. 26.11.2009 – 2 U 1497/08, ZIP 2010, 344 (LS) = ZVI 2010, 64 = NZI 2010, 18; davor OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.2010 – 13 U 127/09, ZIP 2010, 1305; OLG München, Beschl. v. 13.12.2010 – 5 U 3486/10, ZIP 2011, 1228.

Es stellt sich unter dem Aspekt der Haftung des Insolvenzverwalters die 509 Frage, ob auch der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, die Frage zu prüfen. Das Oberlandesgericht München, OLG München, Urt. v. 20.12.2010 – 19 U 2126/09, ZIP 2011, 43, dazu EWiR 2011, 191 (Gantenberg/Grochowski); hierzu jetzt die Revisionsentscheidung, BGH, Urt. v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018.,

hat dies unter Hinweis auf die im Prozess bestehende Beweislage verneint. Wörtlich heißt es dort in einem Fall der Unternehmensinsolvenz: „Die Darlegungs- und Beweislast für eine zuvor erteilte konkludente Genehmigung des Schuldners trifft nach allgemeinen Grundsätzen die Bank, die sich auf eine solche Genehmigung beruft. Daher trifft den Insolvenzverwalter schon keine Rechtspflicht, vor dem Widerspruch zu prüfen, ob der Schuldner vielleicht einzelne Lastschriften schon konkludent genehmigt hat.“ OLG München, a. a. O.

Ein solcher pauschaler Widerspruch könne auch keine sittenwidrige Schädi- 510 gung i. S. v. § 826 BGB sein. Im Übrigen stehe es der Bank frei, dem Insolvenzverwalter in seiner Auffassung zu folgen oder den Widerspruch als unwirksam zu betrachten. Ob das Gericht damit eine sinnvolle Entscheidung trifft, erscheint zweifel- 511 haft. Es ist dem Gericht allerdings einzuräumen, dass die Beschränkung des Schonvermögens nur die Privatinsolvenz betrifft. Der oben wiedergegebene allgemein gehaltene Leitsatz der Entscheidung des IX. Zivilsenats (s. oben Rn. 486) würde dagegen auch eine Prüfungspflicht des Verwalters mit Blick auf erteilte Genehmigungen tragen. Das Argument der Beweislast trifft letztlich selbst für die Privatinsolvenz zu, ohne dass das Gericht hierin einen Grund sah, eine Prüfpflicht abzulehnen. Der Bundesgerichtshof bedient sich der Überlegung fehlender Rechtsmacht, 512 soweit es das massefreie Schonvermögen angeht, um eine Befugnis zum Widerspruch abzulehnen. Das legt die Frage nahe, ob bei erfolgter Genehmigung durch den Schuldner es auch an einer Rechtsmacht zum Widerspruch fehlt und dieser aufgrund dessen unwirksam ist. Sofern man dem zustimmt, wäre zu erklären, weshalb beide Fälle unterschiedlich behandelt werden sollten. Freilich ist dem Oberlandesgericht München einzuräumen, dass auch der XI. Zivilsenat einen pauschalen Widerspruch anerkannt hat, ohne dass dieser eine Haftung auslöste. BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, ZIP 2010, 2407.

91

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

513 Sofern der Verwalter zu dem Ergebnis kommt, dass eine Genehmigung nicht erteilt wurde, darf er der Buchung widersprechen, ohne dass es eines besonderen Grunds bedürfte. Hierzu ist auch der vorläufige Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt in der Lage. Durch den Widerspruch verhindert der Verwalter eine Genehmigung durch den Schuldner (auch die Fiktion nach Nr. 7 Abs. 3 S. 3 AGB-Banken a. F.), zu der der vorläufige Verwalter nicht in der Lage ist, wenn er keine Verfügungsbefugnis hat. Ein solcher Widerspruch ist auch bei der Umbuchungslastschrift nicht pflichtwidrig. LG Hamburg, Urt. v. 22.3.2010 – 321 O 74/09, ZIP 2010, 1966, dazu EWiR 2010, 719 (van Alen).

514 Man wird bei unterbliebenem Widerspruch, hierauf wurde schon hingewiesen, sogar eine Haftung wegen einer Schädigung der Insolvenzgläubiger prüfen müssen, wenn hierdurch der Masse Mittel zugunsten der Gläubiger verloren gingen. Hier kann der Verwalter allenfalls entgegenhalten, dass die Umstände ihm eine erteilte Genehmigung nahelegten und es daher an dem gem. § 60 InsO erforderlichen Verschulden fehlte. Zu den Folgen der Genehmigungsrechtsprechung für die Fiskalverwaltung s. Bäumer, ZInsO 2011, 1857 einerseits und Weßeler/ Schneider, ZInsO 2012, 301 anderseits. Erstere schließt eine Haftung mangels Verschulden aus, wenn der Widerruf bei konkludenter Genehmigung erfolgte, da insoweit bis zur Rechtsprechung des BGH die Rechtslage ungewiss gewesen sei. Dem wird von den Zweitgenannten widersprochen.

515 Wenn in dem „mechanischen“ Widerspruch eine mögliche Pflichtverletzung des vorläufigen Insolvenzverwalters liegt, so kann das eine Haftung nach § 69 AO i. V. m. §§ 34, 35 AO nicht auslösen, da dieser Verwalter weder Vermögensverwalter i. S. d. § 34 AO noch Verfügungsberechtigter i. S. d. § 35 AO ist. FG Münster, Beschl. v. 16.8.2011 – 11 V 1844/11 AO, ZIP 2011, 1731 sowie Bäumer a. a. O. und Weßeler/Schneider a. a. O.

516 Im Falle des Widerspruchs einer bereits genehmigten Lastschrift und daran anschließend einer Gutschrift durch die Schuldnerbank, kann der Gläubiger nicht etwa vom Insolvenzverwalter die Rückzahlung des Betrags wegen ungerechtfertigter Bereicherung verlangen, sondern er muss sich mit dem Begehren auf Wiedergutschrift an seine Bank wenden. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 23.1.2013 – 4 U 62/12, ZIP 2013, 1643, 1635.

517 Selbst in einem Fall, in dem der Verwalter die genehmigte Lastschrift mit der Absicht widerrufen habe, die Schuldnerbank zur Rückbuchung zu veranlassen, so dass zumindest ein Anspruch nach § 826 BGB zustehen könnte, fehlt es daher an einem ersatzfähigen Schaden. Der Gläubiger kann vielmehr von seiner Bank verlangen, die ihm zu Unrecht entzogene Buchposition wieder einzuräumen. OLG Frankfurt/M. a. a. O.

92

5. Einstandserklärungen des schwachen vorläufigen Verwalters

Darüber hinaus hebt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hervor, dass 518 im Lastschriftverfahren auf SEPA-Basis, das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren kann von der Kreditwirtschaft in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem SEPA-BasisLastschriftverfahren nachgebildet werden, § 675j Abs. 1 BGB,

die Zahlstelle bereits vorab mit der Erteilung des SEPA-Lastschriftenmandats autorisiert werde, da das SEPA-Mandat nicht nur die Gestattung des Zahlungsempfängers enthalte, den Betrag vom Konto des Zahlungspflichtigen einzuziehen, sondern auch die an die Zahlstelle gerichtete Weisung des Zahlenden, die vom Zahlungsempfänger auf das Schuldnerkonto gezogene SEPA-Lastschrift einzulösen. Im Deckungsverhältnis finde der Vermögensabfluss beim Schuldner bereits mit der Belastung seines Kontos statt. Damit behalte diese Form der Lastschriftbuchung auch dann ihre Wirkung, wenn nach der Belastungsbuchung über das Vermögen des Zahlungspflichtigen das Insolvenzverfahren eröffnet, bzw. ein Eröffnungsverfahren mit entsprechenden Sicherungsmaßnahmen angeordnet wird. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 (m. Bespr. Jacoby, S. 1725 u. Wagner, ZIP 2011, 846).

Abweichend vom SEPA-Firmenlastschrift-Verfahren gelte für Verbraucher, 519 dass hier der Zahlungsempfänger erst acht Wochen nach der Belastungsbuchung eine endgültig gesicherte Buchung erlange. Bis zu diesem Zeitpunkt könne der Zahler von seiner Bank ohne Angabe von Gründen Erstattung des Zahlungsbetrags verlangen. Zwar ließe sich hieraus nicht schließen, dass auch im Valutaverhältnis zwischen dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger gewollt sei, die Erfüllung solle erst nach Ablauf dieser Frist eintreten. Allerdings habe der Gläubiger ein anerkennenswertes Interesse daran, dass er den Schuldner wieder aus dem ursprünglichen Verhältnis in Anspruch nehmen könne. Dies erreicht das Gericht dadurch, dass die Erfüllung nur dann rückwirkend entfalle, wenn es – ausnahmsweise – zu einer solchen Rückbelastung komme. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556, 1560.

Für Fälle, in denen das SEPA-Verfahren nicht gilt – weil es zum fraglichen 520 Zeitpunkt noch nicht existierte oder es die Allgemeinen Bedingungen des Kreditinstituts nicht vorsehen – ist die (konkludente) Genehmigung das wichtigste Mittel, wie eine Buchung insolvenzfest ausgestaltet werden kann. 5. Einstandserklärungen des schwachen vorläufigen Verwalters Auf die Fragen der Garantie und der Einstandserklärungen, die gerade im 521 Eröffnungsverfahren eine besondere Rolle spielen, wurde bereits an anderer Stelle eingegangen (s. Rn. 357 ff.).

93

III. Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters

6. Verpflichtung zur Erhaltung der Masse 522 Eine sehr weitgehende Verpflichtung auch des vorläufigen Verwalters hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2011 gezogen. BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 = ZIP 2011, 1419, dazu krit. EWiR 2011, 605 (Hackenberg); s. auch Seagon, LMK 2012, 327757.

523 Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die A-GmbH (im Weiteren A) betrieb im gesamten Bundesgebiet Textileinzelhandelsgeschäfte. Mit der N-GmbH & Co. KG (im Weiteren N) hatte sie einen Kooperationsvertrag geschlossen, kraft dessen die N gegen Zahlung einer monatlichen Kostenumlage die von ihr vertriebene Tisch- und Bettwäsche in den Geschäftslokalen der A verkaufen durfte. Der Beklagte (B) wurde zum vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der N bestellt. A kündigte aufgrund offener Forderungen gegen N den Kooperationsvertrag und machte an den von N eingebrachten Waren das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht geltend. Das Angebot der A, die Waren gegen Zahlung eines bestimmten Betrags zu übernehmen und unter Verzicht auf weitergehende Ansprüche freihändig zu verkaufen, lehnte der Beklagte ab. Der Klage der A auf Gestattung des Pfandverkaufs (§ 371 Abs. 3 HGB) wurde rechtskräftig stattgegeben. Daraufhin forderte die A den B auf, der freihändigen Veräußerung des Warenbestands zuzustimmen. Der vorläufige Verwalter verband seine Zustimmung allerdings mit dem Vorbehalt, dass die Masse in Höhe von 10 Prozent an dem Erlös beteiligt werde. Die N wurde von der A nicht um ihre Zustimmung nachgesucht. 524 Die A nahm daraufhin den vorläufigen Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch, da im Falle einer freihändigen Veräußerung der erzielte Erlös gegenüber dem tatsächlichen Erlös erheblich höher gewesen wäre. Diese Differenz habe der vorläufige Verwalter zu ersetzen, da er pflichtwidrig der freihändigen Veräußerung nicht zugestimmt habe. Die Klägerin hatte diese vermeintliche Schadensersatzforderung im Wege mehrfacher Zession erworben und mit ihrem Begehren in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. 525 Der Bundesgerichtshof stellt hingegen fest, dass der vorläufige Verwalter einer freihändigen Veräußerung der mit einem kaufmännischen Zurückhaltungsrecht belasteten Ware zustimmen musste, wenn zu erwarten ist, dass diese gegenüber einer Versteigerung einen höheren Erlös erwarten lässt. Das Gericht befasst sich neben schwierigen Erwägungen zur Kausalität, insbesondere auch zum rechtmäßigen Alternativverhalten, mit der Frage, ob der vorläufige Verwalter im vorliegenden Fall seine insolvenzspezifische Pflicht zur Masseerhaltung verletzt habe. Dies wird von ihm bejaht. Auch der lediglich mitbestimmende vorläufige Verwalter sei verpflichtet, der freihändigen Veräußerung durch den Absonderungsberechtigten gemäß § 1246 BGB zuzustimmen. Mache er das entgegen der Vorschrift nicht, so verletzte er damit eine Pflicht, die ihm gegenüber dem Absonderungsberechtigten obliege.

94

6. Verpflichtung zur Erhaltung der Masse

Diese allgemein sachenrechtliche Norm gibt jedem an der Pfandverwertung 526 Beteiligten einen Anspruch auf Zustimmung zu einer von den gesetzlichen Regeln abweichenden Verwertung, wenn dies nach billigem Ermessen den Interessen der Beteiligten entspricht. Danach konnte die A die Zustimmung für diese Form der Verwertung verlangen. Eine Verhaltensnorm stellt aber § 1246 BGB nicht dar, was man schon daran erkennen kann, dass ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung des § 1246 BGB nicht begründbar ist, da keine Schutznorm verletzt wurde. Man muss sich daher fragen, wieso hieraus sich insolvenzspezifische Pflichten ergeben können. Dies aber sieht das Gericht offenbar als klar an. Der beklagte vorläufige Ver- 527 walter habe durch seine Weigerung, dem freihändigen Verkauf zuzustimmen, pflichtwidrig gehandelt. Schon der nach § 371 HGB erlangte Titel auf freihändigen Verkauf habe ihn zu einer solchen Zustimmung verpflichtet. Die Verweigerung habe den hier geltend gemachten Schaden (adäquat kausal) verursacht. In seiner weiteren Begründung führt das Gericht auch aus, dass zwar grundsätzlich das Versäumnis der A, von der N Zustimmung zu verlangen, ein Mitverschulden nach § 254 BGB begründen könne. Der hier entstandene Schaden sei dem Beklagten aber in vollem Umfang mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 1246 BGB zuzurechnen. Er sei gegenüber der Absonderungsberechtigten A auch verpflichtet gewesen darauf hinzuweisen, dass ein Einverständnis Voraussetzung für eine freihändige Veräußerung sei. Das Gericht zieht den Umfang der Hinweispflichten sogar noch weiter: Bei unterlassener Zustimmung durch die N hätte der Beklagte darauf hinweisen müssen, durch einen entsprechenden Antrag an das Gericht eine Einzelanordnung zu erwirken, die einen freihändigen Verkauf ohne Zustimmung der N ermögliche. Die Entscheidung nimmt damit einen weiten Rahmen der Pflichten eines nur mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters an. Grundsätzlich wird man durchaus dem Bundesgerichtshof zwar zustimmen 528 können, wenn er ausführt, dass auch ein nur mitbestimmender vorläufiger Verwalter oder ein Verwalter ohne jegliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens verpflichtet ist. Der vorliegende Fall wirft jedoch die Frage auf, ob sich der beklagte vorläufige Verwalter auf die fehlende Zustimmung der N berufen konnte. Dies hat das Gericht – wie dargestellt – abgelehnt. Damit aber verpflichtet es auch den vorläufigen mitwirkenden Verwalter zur Wahrung von Interessen des Absonderungsberechtigten. Angesichts der Zweckrichtung der vorläufigen Verwaltung erscheint dies aber zumindest fraglich, jedenfalls wenn hieraus auch die dargestellte Hinweispflicht abgeleitet wird. Die schwierige Situation des Verwalters illustriert der Fall sehr eindrücklich. B wollte im vorliegenden Fall durch sein Verhalten für die von ihm wahrgenommenen Interessen der Masse den Vorteil erlangen, dass er eine Erlösbeteiligung von 10 Prozent begehrte. Das aber ist offenbar – so ist das Gericht zu verstehen – eine pflichtwidrige Unterlassung der Zustimmung.

95

IV. Sachwalterhaftung und Haftung des eigenverwaltenden Schuldners Kaum praktische Bedeutung haben bislang Fragen der Haftung von Sachwalter 529 und eigenverwaltendem Schuldner gespielt. Angesichts des mit dem ESUG auch verfolgten Ziels einer vermehrten Eigenverwaltung soll im Weiteren auf die sich hier stellenden Probleme eingegangen werden. 1. Veränderungen mit Anordnung der Eigenverwaltung Das Verfahren der Eigenverwaltung ist keine eigenständige Form des Insol- 530 venzverfahrens. Es handelt sich vielmehr um eine Abwandlung der Fremdverwaltung, die sich 531 von dieser durch die Person des die Masse Verwaltenden unterscheidet. Die Frage, ob der eigenverwaltende Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das ihm gehörige Vermögen erst durch entsprechende Bestellung seitens des Insolvenzgerichts erhält, die ihm zunächst durch Eröffnung entzogen wird, oder diese ihm von Beginn an verbleibt und durch den Beschluss beschränkt wird, ist hier nicht weiter von Bedeutung. Ringstmeier, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 270 InsO Rn. 30; Hofmann, S. 48 ff.; Pape, in: Kölner Schrift, S. 767 Rn. 53 ff.; hierzu auch Huhn, Rn. 603; Schlegel, S. 111.

In keinem Fall kann es zweifelhaft sein, dass der Schuldner als Amtswalter 532 über das eigene Vermögen verfügt und dieses verwaltet und bei Aufhebung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht wieder – unbegrenzt – an den Schuldner zurückfällt, sondern dann von einem zu bestellenden Fremdverwalter auszuüben ist. KPB/Pape, InsO, § 272 Rn. 37.

Dem Schuldner wird ein Sachwalter an die Seite gestellt, der vor allem die 533 Aufgabe hat, die Tätigkeit des eigenverwaltenden Schuldners zu überwachen (§ 274 Abs. 2 InsO). Neben den Überwachungsaufgaben obliegen dem Sachwalter Mitwirkungs- und Zustimmungspflichten. Schließlich hat der Sachwalter einige Befugnisse. So kann er etwa die Kassenführung übernehmen, die Haftung nach den §§ 92, 93 InsO und die Anfechtung geltend machen sowie die Masseunzulänglichkeit feststellen und dem Gericht anzeigen. Daneben kann ein Gläubigerausschuss bestellt werden, dessen Aufgaben sich grundsätzlich von jenen im Verfahren der Fremdverwaltung nicht unterscheiden. Die Besonderheit der Eigenverwaltung besteht darin, dass anders als in der 534 Fremdverwaltung der eigenverwaltende Schuldner mit jenem identisch ist, der über das insolvenzfreie Vermögen verfügen kann und dieses verwaltet. Dieselbe Person wird somit sowohl als Amtswalter als auch als Schuldner tätig. Seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ergibt sich für das insolvenzfreie Vermögen aus dem allgemeinen Zivilrecht. 97

IV. Sachwalterhaftung und Haftung des eigenverwaltenden Schuldners

535 Das lange Zeit streitige Problem dieses Verhältnisses von Gesellschaftsorganen zum Organ des Schuldners, Pape, in: Kölner Schrift, S. 767 Rn. 9 ff.

das die Eigenverwaltung durchführt, sollte mit der Regelung des § 276a InsO gelöst werden. Danach haben Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung oder „entsprechende Organe“ grundsätzlich keinen rechtlichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. Stellungnahmen im Schrifttum zum Verständnis dieser Vorschrift, z. B. Hölzle, ZIP 2012, 2427 ff.; Klöhn, NZG 2013, 81 ff.; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 276 ff.; s. auch AG Montabaur, Beschl. v. 19.6.2012 – HRB 20744, ZIP 2012, 1307, dazu z. B. Scheibner, DZWIR 2013, 279 f.,

zeigen, dass die angestrebte Lösung allenfalls teilweise gelungen ist. Siehe auch die Diskussion zum Entwurf, in der vor allem gerügt wurde, die Regelung greife zu weitgehend in Befugnisse der Gesellschafter ein; siehe hierzu: Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337, 1345; Desch, BB 2011, 841, 845; Hill, ZInsO 2010, 1825, 1827 f.; Pape, ZInsO 2010, 1582, 1595; K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1606 f.

536 Die Insolvenzeröffnung hat somit auf die Geschäftsführung oder den Vorstand der Gesellschaft, die zwar grundsätzlich im Amt bleiben, einschneidende Auswirkungen. Das gilt sowohl für die Aufgaben als auch die Stellung in der Gesellschaftsstruktur. Mit Anordnung der Eigenverwaltung verändert sich der Inhalt der Pflichten des eigenverwaltenden Schuldners grundlegend. Der Geschäftsführer verfolgt das Interesse der Gesellschaft und ist ihm verpflichtet. Als Geschäftsführer im Rahmen der Eigenverwaltung unterliegt er stattdessen den Regelungen der Insolvenzverwaltung. Die Geschäftsführung wird als eigenverwaltender Schuldner aus dem Regelungsgefüge der Gesellschaft herausgetrennt und in eine andere Struktur der Gläubigerorgane (Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung) gestellt. Der eigenverwaltende Schuldner ist nicht mehr dem Gesellschaftszweck verpflichtet, sondern § 1 InsO. Seine Befugnisse richten sich nach der Insolvenzordnung. Dies alles gilt – wie bereits ausgeführt – allerdings grundsätzlich nur für den Bereich der Vermögensverwaltung, also den „Verdrängungsbereich“. 2. Übertragung der Haftungsgrundsätze auf den eigenverwaltenden Schuldner 537 Der Sachwalter ist für die Erfüllung der ihn treffenden insolvenzspezifischen Pflichten persönlich verantwortlich. Da ihm in aller Regel nur Überwachungspflichten obliegen, verweist das Gesetz in § 274 Abs. 1 InsO konsequent nur auf § 60 InsO und nicht auf § 61 InsO. Eine Einstandspflicht für die Erfüllung neu begründeter Masseverbindlichkeiten besteht daher nicht. § 277 Abs. 1 S. 3 InsO macht aber hiervon eine Ausnahme, wenn der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit zustimmt. Dann soll § 61 InsO entsprechend gelten.

98

2. Übertragung der Haftungsgrundsätze auf den eigenverwaltenden Schuldner

Eine Haftungsvorschrift für den eigenverwaltenden Schuldner gibt es nicht. 538 § 270 InsO ordnet ganz allgemein für die Eigenverwaltung an, dass das Verfahren sich auch bei Eigenverwaltung nach allgemeinen Vorschriften richtet, soweit Sonderregelungen nichts anderes vorsehen. Ob damit auf die dargestellten Haftungsbestimmungen verwiesen ist, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Wohl überwiegend wird eine Haftung mit unterschiedlicher, Flöther, in: HRI, § 18 Rn. 3; Hofmann, S. 100 ff.; Haas, in: Gottwald, § 90 Rn. 53; Kessler, S. 73 ff.,

oder ohne jegliche Begründung abgelehnt, Bierbach, in: HRI, § 11 Rn. 185; HK-InsO/Landfermann, § 270 Rn. 26,

während andere Stimmen jedenfalls für eine – zumindest teilweise, Schlegel, S. 166; Huhn, Rn. 625; Kessler, S. 73 ff.,

Anwendung der Haftungsbestimmungen, ohne Einschränkung AG Duisburg, Beschl. v. 4.10.2005 – 60 IN 136/02, ZIP 2005, 2335,

auf den eigenverwaltenden Schuldner oder – ersatzweise oder kumulativ – sogar für eine entsprechende Anwendung auf die handelnden Organe, Flöther, in: HRI, § 18 Rn. 25 ff.; Fiebig, in: HambKomm, InsO, § 270 Rn. 43; MünchKomm-Tetzlaff, InsO, § 270 Rn. 179; AG Duisburg, Beschl. v. 4.10.2005 – 60 IN 136/02, ZIP 2005, 2335,

eintreten. Das Problem sei anhand eines einfachen Beispiels illustriert. Beispiel: Über das Vermögen der S-GmbH wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Es wird auf entsprechenden Antrag Eigenverwaltung angeordnet. Geschäftsführer G führt die Eigenverwaltung unter der Aufsicht des Sachwalters SW aus. Bei Einziehung der offenen Forderungen versäumt G, eine werthaltige Forderung in Höhe von 50.000 € rechtzeitig geltend zu machen. Der Schuldner dieser Forderung beruft sich auf die Verjährung. Nach anwaltlicher Prüfung ist eine klageweise Geltendmachung nicht erfolgversprechend. Der Masse entsteht in diesem Fall bei unterstellter Einträglichkeit dieser 539 Forderung ein Schaden in Höhe des Nennbetrags der Forderungen. Die Einziehung offener Forderungen gehört zu den Aufgaben eines Verwalters. Im Falle einer Fremdverwaltung könnte der Sonderverwalter oder ein neuer Fremdverwalter eine Schadensersatzforderung in dieser Höhe gem. § 60 InsO geltend machen. Verschulden unterstellt, hätte der (alte) Verwalter 50.000 € an die Masse zu zahlen. Bei Eigenverwaltung würde die S-GmbH nach § 60 InsO schadensersatz- 540 pflichtig sein, wenn man eine Anwendung dieser Vorschrift befürwortet. Es handelte sich bei diesem Schaden um einen sog. Gesamtschaden, da die Ge99

IV. Sachwalterhaftung und Haftung des eigenverwaltenden Schuldners

samtheit der Insolvenzgläubiger geschädigt ist. Entsprechend den zur Insolvenzverwalterhaftung geltenden Grundsätzen wären die Insolvenzgläubiger zwar Inhaber des Ausgleichsanspruchs. Sie könnten den Ersatzanspruch für diese Schäden als Quotenschäden während des Verfahrens aber nicht geltend machen. Die Geltendmachung des Gesamtschadens obliegt vielmehr dem Sachwalter (§§ 280 BGB, 92 InsO). Im Beispielsfall hätte SW also den Anspruch gegen die S-GmbH durchzusetzen. 541 Unterstellt man, dass die Haftungsvoraussetzungen zwischen beiden Seiten unstreitig sind, so hätte die S-GmbH also in das Vermögen der S-GmbH den Betrag zu leisten. Diese Zahlung könnte zwar in aller Regel nur aus dem insolvenzbefangenen Vermögen der S-GmbH bestritten werden. Da Forderungsinhaber die geschädigten Gläubiger wären, träte keine Konfusion ein, und die Forderung würde nicht erlöschen. Gleichwohl wird in einer solchen Haftung von zahlreichen Stimmen kein Sinn gesehen. Z. B. Hofmann, S. 100; Schlegel, S. 166.

542 Hiergegen lässt sich nicht überzeugend einwenden, der eigenverwaltende Schuldner verpflichte im Falle einer Pflichtwidrigkeit das freie Vermögen. Häsemeyer, Rn. 8.14.

543 Diese Ansicht bietet weder eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung, noch ist zu erklären, weshalb der Schuldner gerade in dieser Funktion im Rahmen der Insolvenz sich mit dem freien Vermögen verpflichten können soll, wo sich doch seine Befugnisse als eigenverwaltender Schuldner gerade auf die Masse und nicht auf das freie Vermögen beziehen. 544 Die Ablehnung einer Haftung wird vielfach auf das Argument gestützt, dass ein wirtschaftlicher Nutzen nicht erkennbar sei. Das wird auch von Häsemeyer, a. a. O. Rn. 8.14 Fn. 61, eingeräumt; ablehnend auch: Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1103.

545 Dies hat jedenfalls auf den ersten Blick eine gewisse Plausibilität für sich. Die Eigenverwaltung würde – so ließe sich allerdings hiergegen einwenden – dadurch nicht gerade attraktiver, wenn die Gläubiger nicht vor Pflichtverletzungen des verwaltenden Schuldners geschützt werden. Doch, so ließe sich entgegnen, liegt der Grund weniger in der Ablehnung der Haftung als in dem Umstand begründet, dass für eine Haftung eben kein getrenntes Haftungsvermögen zur Verfügung steht und der Schuldner in einer Situation, in der nur grundsätzlich ein Marktaustritt erfolgen soll, eine Marktteilnahme ermöglicht wird. 546 Des Weiteren wird die Frage gestellt, welchen Zweck eine persönliche Haftung des eigenverwaltenden Insolvenzschuldners in der Insolvenz haben soll, wenn es gerade das Ziel des Insolvenzverfahrens ist, das schuldnerische Vermögen zu verwerten, aus dem aber auch ein Haftungsanspruch beglichen werden müsste. Hier wird also – anders als bei der Fremdverwaltung – mit der persönlichen Haftung kein Zugang zu einem anderen Haftungsvermögen verschafft.

100

2. Übertragung der Haftungsgrundsätze auf den eigenverwaltenden Schuldner Flöther, in: HRI, § 18 Rn. 3; Hofmann, S. 100; s. auch Kesseler, S. 79 f.: es versage bei einer solchen Haftung die generalpräventive Wirkung der Vorschrift, da das Vermögen ohnehin liquidiert werde.

Lässt man diese Überlegungen beiseite, und befürwortet man trotz der Ein- 547 wände einen solchen Anspruch, so wäre zu klären, welche Qualität ein solcher Anspruch haben würde. Nach allgemeinen Grundsätzen des Insolvenzrechts wäre diese vom Geschäftsführer als in der Eigenverwaltung Handelnden begründete Forderung als sonstige Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren. Hier unterscheidet sich die Eigenverwaltung von der Fremdverwaltung. Diese verpflichtet zwar im Falle der Schädigung Dritter auch die Masse. Daneben haftet aber gem. § 60 InsO der Fremdverwalter, also eine vom Schuldner unterschiedliche Person, persönlich. Wandelt man den Beispielsfall in dem Sinne ab, dass nicht die Masse geschädigt 548 wird, sondern ein einzelner Rechtsinhaber, etwa ein Absonderungsberechtigter, so hätte dieser einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Masse etwa aus Delikt oder Vertrag, da das Handeln des Geschäftsführers ihr zuzurechnen ist. Daneben bestünde ein Anspruch aus § 60 InsO, der sich wegen der Eigenverwaltung wiederum gegen die Masse richtete. Beide Ansprüche hätten den Ersatz desselben Schadens zum Ziel und wären lediglich unterschiedliche Anspruchsgrundlagen im Rahmen einer Anspruchskonkurrenz. Ein konkreter Vorteil würde sich ergeben, wenn die Voraussetzungen des § 60 InsO im Gegensatz zu jenem der weiteren Ansprüche gegen die Masse erfüllt wären. Bei Eingehung neuer Verbindlichkeiten für die Masse bestünde eine ähnliche 549 Situation, befürwortete man wie beim Fremdverwalter eine Haftung gem. § 61 InsO. Der Massegläubiger hätte einen weiteren Anspruch, freilich gerichtet auf Schadensersatz wegen des Ausfalls mit der vom eigenverwaltenden Schuldner begründeten Forderung. Dieser Anspruch würde sich wieder gegen die insolvente Schuldnerin richten. In Höhe des durch die Pflichtverletzung der Masse oder dem einzelnen Beteiligten entstandenen Schadens hätte dieser einen Anspruch gegen die Masse. Auch hier ist zu fragen, welchen Sinn ein solcher Anspruch haben soll, wenn die Masse den pflichtwidrig begründeten Anspruch nicht begleichen kann. Auch hier läge eine Bedeutung des weiteren Anspruchs in dem Umstand, dass zwar eine Überschneidung der Haftungsbereiche der einzelnen Anspruchsnormen vorliegen kann, angesichts möglicher unterschiedlicher Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlagen aber nicht vorliegen muss. So knüpft § 61 InsO an andere Voraussetzungen als etwa die deliktische Haftung wegen Eingehungsbetrugs an. Die Ausführungen zeigen, dass die Annahme eines Schadensersatzanspruchs 550 gegen den eigenverwaltenden Schuldner dem Geschädigten im Falle eines Einzelschadens einen weiteren Ausgleichsanspruch gibt, der an andere tatsächliche Voraussetzungen anknüpft und daher einen Anspruch gegen die Masse bieten kann, der nach allgemeinen zivilrechtlichen Normen nicht gegeben ist. So jetzt im Ergebnis auch Kebekus/Zenker, FS Kübler, S. 331, 334 f.

101

IV. Sachwalterhaftung und Haftung des eigenverwaltenden Schuldners

551 Bei Gesamtschäden ist die Bedeutung eines solchen Anspruchs weniger klar erkennbar. Hier wirkt sich die Annahme eines Ausgleichsanspruchs zugunsten der Insolvenzgläubiger aus, wenn die Situation der Masseunzulänglichkeit eintritt. Zugunsten der Gläubiger kann ein Teil der Masse an die weiteren Massegläubiger nicht verteilt werden, da auch die Insolvenzgläubiger diesen Status haben, soweit es den Betrag betrifft, um den die Masse durch den eigenverwaltenden Schuldner geschädigt wird. 552 Die Haftung nach den §§ 60 f. InsO wird aus unterschiedlichen Erwägungen abgelehnt, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. 553 Unter anderem wird auf den Zweck des § 60 InsO verwiesen, der bei einer Anwendung des § 60 InsO in der Eigenverwaltung nicht erreicht werden könne. Hofmann, S. 102.

554 Dabei fällt auf, dass dieser Zweck der Norm uneinheitlich verstanden wird. Teilweise wird die Norm so verstanden, dass sie das Vermögen der Gläubiger schützen soll. Flöther, in: HRI, § 18 Rn. 6, unter unklarem Verweis auf: Pape, in: Pape/Graeber, Teil 5 Rn. 4.

555 Dieses Verständnis ist insoweit unvollständig, als es um den Schutz all jener Personen geht, denen gegenüber der Insolvenzverwalter insolvenzspezifische Pflichten hat. Dieser Kreis ist – wie dargelegt – nicht auf die Insolvenzgläubiger beschränkt. 556 Von anderen wird die Steuerungsfunktion der Vorschrift in den Vordergrund gerückt. Ausführlich zum Bedarf einer weitergehenden Haftung des eigenverwaltenden Schuldners, Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1101 f.

557 Eine solche Funktion ist allen Schadensersatznormen eigen und kann möglicherweise auch hier erreicht werden. Entsprechendes gilt für die Feststellung, dass mit der Anwendung der Vorschrift nicht erreicht werde, auf andere Haftungsobjekte zugreifen zu können. Ob dies zutrifft, soll im anschließenden Abschnitt geprüft werden. 3. Binnenhaftung der Gesellschaft im Falle der Eigenverwaltung 558 Schließlich ist zu erörtern, welche Folgen die Haftung des Schuldners im Rahmen der Eigenverwaltung für die Binnenhaftung der Schuldnerin nach sich zieht. Diese können in der Insolvenz kaum anders sein als außerhalb der Insolvenz. Der eigenverwaltende Schuldner kann im Innenverhältnis unter den Voraussetzungen des § 43 GmbHG, des § 93 AktG oder des § 280 BGB von dem handelnden Organ Schadensersatz verlangen. Dieses Organ ist zumindest unter dem Aspekt des Schutzes des Gesellschaftsvermögens vor Schädigungen zum Ersatz der aus seinem Handeln entstandenen Schäden 102

3. Binnenhaftung der Gesellschaft im Falle der Eigenverwaltung

verpflichtet. Die Eigenverwaltung ist Zweck des Unternehmens geworden und durch das handelnde Organ nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu verfolgen. Damit sind Pflichtverstöße – auch wenn Insolvenzrecht verletzt wurde – im Innenverhältnis von den Organmitgliedern gem. den einschlägigen (gesellschaftsrechtlichen) Vorschriften (§§ 43 GmbHG, 93, 116 AktG, 280 BGB) auszugleichen. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass es sich bei dem Vermögen um Insolvenzmasse handelt. Allerdings wird auch bei der Haftung des eigenverwaltenden Schuldners der Verschuldensmaßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters anzulegen sein, da dessen Aufgaben von dem handelnden Organ faktisch wahrgenommen werden. Schlegel, S. 201; für eine Anwendung der Business Judgement Rule, Buchta/Ott, ZInsO 2015, 288.

In dem oben dargestellten Beispielsfall hätte G somit der S-GmbH wegen ihrer 559 Inanspruchnahme Schadensersatz zu leisten und diese von der Inanspruchnahme durch den Sachwalter oder den Geschädigten freizustellen. So auch Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1103 f.

Damit zeigt sich aber auch, dass die dargestellten weiteren Argumente gegen 560 eine analoge Anwendung der Verwalterhaftung auf den eigenverwaltenden Schuldner nicht zutreffen. Mit einer solchen Haftung nach den §§ 60 f. InsO wird durchaus der Zugriff auf das Vermögen eines Dritten, nämlich des Handelnden, erreicht. Das für ihn im Binnenverhältnis zur Gesellschaft bestehende Haftungsrisiko kann den Handelnden veranlassen, sich pflichtgemäß zu verhalten. Denn auch über den Umweg der Binnenhaftung der Gesellschaft wird letztlich ein der Haftung bei der Fremdverwaltung sehr ähnliches Ergebnis erreicht. Im Eröffnungsverfahren kommt dagegen eine Haftung des Schuldners nicht 561 in Betracht, da er nur als solcher und nicht als vorläufiger eigenverwaltender Schuldner tätig ist. Für die handelnden Gesellschaftsorgane gelten vielmehr die für das Handeln in der Krise geltenden allgemeinen Grundsätze fort. Der dem Schuldner an die Seite gestellte vorläufige Sachwalter hat dagegen nur beschränkte Befugnisse, wie sie auch nach Eröffnung des Verfahrens gelten (§ 270a Abs. 1 S. 2 InsO). Gleiches gilt für die Haftung (§§ 270a Abs. 1 S. 2, 274 Abs. 1, 60 InsO). Der Gesetzgeber sah die bestehende Haftungsverfassung sowie die Haftung des vorläufigen Sachwalters offenbar als ausreichend an. Zur Haftung des vorläufigen Sachwalters im Eigenverwaltungsund Schutzschirmverfahren, s. Frind, NZI 2014, 977.

103

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten 1. Haftung bei Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten a) Haftung nach § 60 InsO Der Verwalter hat die dem Schuldner als Arbeitgeber obliegenden Pflichten 562 zu erfüllen. Eine persönliche Haftung des Verwalters kann sich nach allgemeinen Grundsätzen nur unter besonderen Umständen ergeben. Grundsätzlich haftet für die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten die Insolvenzmasse. Die Pflichten des Insolvenzverwalters sind nicht etwa weiter als jene des In- 563 solvenzschuldners. So obliegen dem Insolvenzverwalter grundsätzlich keine Pflichten hinsichtlich der Beantragung von Insolvenzgeld. Vielmehr handelt es sich dabei um Obliegenheiten des Arbeitnehmers. OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2008 – I-27 U 122/07, ZIP 2008, 1695 (LS) = ZVI 2008, 353 = ZInsO 2008, 673.

Es besteht nicht etwa eine vertragliche Nebenpflicht des Insolvenzverwalters, 564 den Arbeitnehmer über die fristgerechte Beantragung von Insolvenzgeld zu informieren. R. Laws, ZInsO 2009, 57, 58.

Soweit es das Insolvenzgeld angeht, schuldet der Insolvenzverwalter lediglich 565 die Erstellung von Bescheinigungen nach § 314 Abs. 1 SGB III und ergänzende Auskünfte nach § 316 SGB III. Anders ist es nur, wenn der Verwalter eine solche Pflicht gegenüber dem 566 Arbeitnehmer übernommen hat. Dann ist er verpflichtet, solche Anfragen korrekt zu beantworten. Siehe BAG, Urt. v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, BAGE 47, 169.

Auch in dieser Situation ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Verwalter 567 die Pflicht gegenüber dem Arbeitnehmer persönlich übernehmen wollte. In der Regel ist vielmehr davon auszugehen, dass er im Rahmen des arbeitsrechtlichen Verhältnisses zum Arbeitnehmer tätig wurde. Gegenüber dem Arbeitnehmer haftet daher die Masse, ausführlich hierzu R. Laws, ZInsO 2009, 57, 63 ff.,

die allerdings im Wege des Schadensersatzes wegen Masseschädigung, aufgrund fehlerhafter Ermessensausübung oder unrichtiger Auskünfte und dadurch bedingter Inanspruchnahme den Verwalter in die Haftung nehmen kann. A. A. OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2008 – I-27 U 122/07, ZIP 2008, 1695 (LS) = ZVI 2008, 353 = ZInsO 2008, 673, das eine persönliche Haftung annimmt.

105

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten

568 Umstritten und bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob der Arbeitnehmer sich die verspätete Antragstellung des Insolvenzverwalters zurechnen lassen muss, wenn der Verwalter die Antragstellung oder Weiterleitung des Antrags übernommen hat. Teilweise wird eine solche Zurechnung abgelehnt wegen Fehlens einer entsprechenden Zurechnungsnorm. Die Gegenauffassung stützt sich auf die Grundsätze des Bundessozialgerichts für die Zurechnung von Vertreterverschulden. BSG, Urt. v. 29.10.1992 – 10 RAr 14/91, BSGE 71, 213 = ZIP 1993, 372, dazu EWiR 1993, 209 (Grunsky); ausführlich hierzu R. Laws, ZInsO 2009, 57, 59 ff. mit zahlreichen Nachweisen unveröffentlichter Entscheidungen.

569 Folgt man der letztgenannten Auffassung, so stellt sich das bereits dargelegte Haftungsproblem. 570 Auch hier ist, soweit es die Haftung nach § 60 InsO betrifft, darauf zu achten, dass die Vorschrift die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten verlangt. Die vom Insolvenzverwalter zu erfüllenden Pflichten, die aus der Arbeitgeberrolle folgen, sind grundsätzlich nicht insolvenzspezifischer Art. 571 Außerhalb des Insolvenzverfahrens hätte sie der Insolvenzschuldner erfüllen müssen. Auch die Geltung spezieller Vorschriften, die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verändern, wie etwa die §§ 113, 123 oder 125 InsO, machen die Pflichten nicht zu solchen mit insolvenzspezifischem Charakter. 572 Auch die Kündigung durch den Insolvenzverwalter stellt keine Rechtshandlung dar, die gegenüber dem Arbeitnehmer insolvenzspezifische Pflichten begründet. Dies gilt selbst dann, wenn die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses nach § 113 S.1 InsO in der Frist des § 113 S. 2 InsO erfolgt. 573 Der für diesen Fall gesetzlich vorgesehene Schadensersatzanspruch wegen sog. Verfrühungsschadens richtet sich gegen die Insolvenzmasse und ist als einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO zu befriedigen. 574 Davon zu trennen ist allerdings die Frage, inwieweit das Unterlassen bestimmter arbeitsrechtlicher Maßnahmen zu einer Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber der Masse wegen Minderung führt. Dies gilt etwa in Bezug auf die unterlassene Kündigung. Siehe BAG, Urt. v. 1.6.2006 – 6 AZR 59/06, ZIP 2006, 1830 = ZInsO 2007, 830.

575 Eine insolvenzspezifische Pflicht, den Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Arbeitspflicht freizustellen, um einen Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen, besteht nicht. Der Anspruch auf Freistellung ergibt sich aus gesetzlichen oder tariflichen Regelungen und weist als solcher keinen Bezug auf das Insolvenzrecht aus. BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 312/11, ZIP 2013, 638, 640, dazu EWiR 2013, 211 (Mückl/Herrnstadt); Baumert, AP § 61 InsO Nr. 4;

106

1. Haftung bei Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten zur Haftung wegen unterbliebener Freistellung s. im Übrigen ausführlich: Richter/Völksen, ZIP 2011, 1800, insb. 1802 ff.

Daran ändert sich im Übrigen auch nichts, wenn die Beschäftigung der 576 Arbeitnehmer für die Masse zu keinem Massezuwachs führe. Hierin kann allerdings eine Verletzung der Verpflichtung des Verwalters liegen, die Masse zu schützen, die einen entsprechenden Anspruch wegen Gesamtschadens nach sich ziehen kann. Baumert, a. a. O.; dies nicht ausschließend dagegen BAG a. a. O.

Der Insolvenzverwalter, der ein Alten- und Pflegeheim auf die Käuferin 577 überträgt, verletzt keine insolvenzspezifische Pflicht i. S. v. § 60 InsO, wenn er das Heim ohne jegliche Bonitätsprüfung auf eine zahlungsunfähige Käuferin nach § 613a BGB überträgt. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.3.2005 – 2 Sa 952/04, juris.

Für die nach dem früheren Arbeitsförderungsgesetz bestehenden Pflichten 578 und deren Erfüllung hat der Insolvenzverwalter gem. § 321 SGB III gegenüber der Bundesagentur für Arbeit persönlich einzustehen. Zu diesen Pflichten gehören die Ausstellung von Arbeitsbescheinigungen (§ 312 SGB III) und Insolvenzgeldbescheinigungen (§ 314 SGB III). Für Erfüllungsgehilfen und deren Verschulden hat der Verwalter nach allgemeinen Grundsätzen einzustehen. b) Haftung nach § 61 InsO Besondere Bedeutung kommt bei der Haftung nach § 61 InsO der Möglich- 579 keit einer Kündigung zu. Es sei hierzu nochmals an die bereits an früherer Stelle dargelegten Grundsätze erinnert: Eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO wegen Nichterfüllung einer Verbindlichkeit aus einem Dauerschuldverhältnis kommt nur in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter die Entstehung der Verbindlichkeit in zurechenbarer Weise herbeigeführt hat. Sie scheidet daher aus, wenn es sich um sog. oktroyierte Masseverbindlichkeiten 580 handelt, d. h. solche Verbindlichkeiten, deren Entstehen vom Verwalter nicht beeinflusst werden kann (zum fehlenden Verschulden s. oben Rn. 276). LAG Hamm, Urt. v. 4.12.2003 – 4 Sa 1116/03, ZInsO 2004, 694; LAG Hamm, Urt. v. 27.5.2009 – 2 Sa 331/09, ZInsO 2009, 1457, 1459 (betrifft Schadensersatz wegen unterbliebener Freistellung eines Arbeitnehmers).

Dies gilt etwa, wenn das Dauerschuldverhältnis trotz § 113 InsO nicht zu 581 einem früheren Zeitpunkt beendet werden kann. Bei Dauerschuldverhältnissen kommt eine persönliche Haftung nach § 61 InsO nur in Betracht, wenn der Verwalter es unterlässt, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, um so das Entstehen weiterer Masseverbindlichkeiten zu verhindern. Einstehen

107

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten

muss der Verwalter nur für die Verbindlichkeiten, deren Entstehen er durch eine solche rechtzeitige Kündigung hätte vermeiden können. BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, ZIP 2012, 533 = ZVI 2012, 261, dazu EWiR 2012, 287 (Henkel).

582 Für derartige Verbindlichkeiten gilt bei Masseunzulänglichkeit der Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. 583 Anders ist es nach Freigabe des schuldnerischen Vermögens aus selbstständiger Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 S. 1 InsO durch den Verwalter. Hier kommt es auf die Möglichkeit zur Kündigung nicht an. Auf die selbstständige Tätigkeit bezogene vertragliche Ansprüche von Gläubigern, deren Forderungen nach dem Zugang der Erklärung des Verwalters beim Schuldner entstehen, können nur gegen diesen und nicht gegen die Masse geltend gemacht werden. BGH a. a. O.

584 Das erfordert schon der Zweck dieser Art von Freigabe, die sich auf das gesamte Vermögen erstreckt, das der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners gewidmet ist. 585 Das Oberlandesgericht Celle, OLG Celle, Urt. v. 28.2.2013 – 16 U 143/12, ZIP 2013, 1037 = ZVI 2013, 265 = ZfIR 2013, 342 (LS) = NZI 2013, 442,

sieht es dagegen nicht als einen mit der unterlassenen Kündigung vergleichbaren Fall an, wenn der Vermieter nach Erlangung eines rechtskräftigen Räumungstitels eine Nutzungsvereinbarung schließt, die für den Fall der ausbleibenden Zahlung der Nutzungsentschädigung die Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckung vorsehe. Hier verfüge der Vermieter über einen Räumungstitel und könne jederzeit die Beziehung beenden, wenn der Insolvenzverwalter nicht zahle. Einer Rechtshandlung zur Beendigung des Rechtsverhältnisses bedürfe es hier gerade nicht. c) Recht zur Freistellung 586 Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht zwar auch in der Insolvenz, es sind aber die besonderen Umstände zu berücksichtigen. Sie können eine Freistellung des Arbeitnehmers rechtfertigen. Dies gilt etwa für die völlige oder teilweise Betriebseinstellung oder aber die Minderung der Produktion. 587 Gerade im Hinblick auf die Haftung nach § 61 InsO kommt der Freistellungsmöglichkeit besondere Bedeutung zu. Nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO gelten Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat, nach der Eröffnung als Masseverbindlichkeiten. 588 Um eine persönliche Haftung zu vermeiden, hat der Verwalter die Möglichkeit, Arbeitnehmer von ihrer Arbeitspflicht freizustellen, sobald auf deren

108

1. Haftung bei Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten

Arbeitspflicht verzichtet werden kann. Eine Privilegierung von Entgeltansprüchen rechtfertigt sich daher regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer durch tatsächliche Arbeitsleistung zur Anreicherung der Masse beiträgt. Der Masse muss ein wirtschaftlicher Wert zufließen. BAG, Urt. v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, BAGE 111, 80 = ZIP 2004, 1660, dazu EWiR 2004, 1139 (Schneider).

Teilweise ist in diesem Zusammenhang von insolvenzspezifischem Freistel- 589 lungsrecht des Verwalters die Rede, LAG Hamm, Urt. v. 27.9.2000 – 2 Sa 1178/00, ZIP 2001, 435 = ZInsO 2001, 333, dazu EWiR 2001, 487 (Moll),

an das mitunter als weitere Voraussetzung geknüpft ist, dass der Insolvenzverwalter unverzüglich Maßnahmen ergreift, um das Arbeitsverhältnis zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. LAG Nürnberg, Beschl. v. 30.8.2005 – 6 Sa 273/05, ZIP 2006, 256 = NZA-RR 2006, 151.

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte schränkt diese Freistellungsmög- 590 lichkeit im Einzelfall ein, so etwa wenn der Insolvenzverwalter die Freistellung eines Betriebsratsvorsitzenden anordnet und damit begründet, er habe als solcher ohnehin kaum noch Arbeiten für den Betrieb ausgeübt. Damit werde die Betriebsratstätigkeit und deren Folgen in unzulässiger Weise auf die Ebene der insolvenzrechtlichen Freistellung verlagert. d) Rechtwegzuständigkeit für Haftung nach §§ 60, 61 InsO Für die Haftung nach § 61 InsO hat das Bundesarbeitsgericht schon in einer 591 Entscheidung aus dem Jahre 2003, BAG, Beschl. v. 9.7.2003 – 5 AZB 34/03, ZIP 2003, 1617, dazu EWiR 2003, 1115 (Balle),

festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist, wenn es um Schäden aus der Nichterfüllung der vom Verwalter begründeten arbeitsverträglichen Ansprüche geht. Ihm komme die Stellung eines Ersatzarbeitsgebers zu, der im weiteren Sinne als Rechtsnachfolger i. S. d. § 3 ArbGG zu behandeln sei. Seine Haftung sei mit der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung vergleichbar. Dieser Auffassung hat sich der Bundesgerichtshof für Schadensfälle nach 592 § 61 InsO mit arbeitsrechtlichem Einschlag angeschlossen. BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – IX ZB 57/06, ZIP 2007, 94 = ZVI 2007, 274= ZInsO 2007, 33, dazu EWiR 2007, 353 (Weitzmann).

Das Gericht lehnt allerdings eine Parallele zur gesellschaftsrechtlichen Durch- 593 griffshaftung ab, da der Verwalter nicht als Schuldner neben den Arbeitgeber trete. Vielmehr hafte der Verwalter auf das negative Interesse, da er die Masseverbindlichkeit begründet habe, obgleich sie im Zeitpunkt der Fälligkeit 109

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten

nicht mit Massemitteln erfüllt werden könne. Diese Haftung tritt neben den fortbestehenden Erfüllungsanspruch, der mit Massemitteln eben nicht erfüllt werden könne. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104, 117 = ZIP 2004, 1107, 1111 f. = ZVI 2004, 345.

594 Erforderlich ist, dass der Rechtsstreit eine enge Verbindung zum Arbeitsverhältnis hat. BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – IX ZB 57/06, ZIP 2007, 94 = ZVI 2007, 274 = ZInsO 2007, 33.

595 Ob entsprechend auch die Zuständigkeit für Haftungsansprüche nach § 60 InsO zu beurteilen ist, wurde bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Verschiedene Landesarbeitsgerichte haben die Grundsätze auf die Haftung nach § 60 InsO übertragen. 596 Der Bundesgerichtshof hat allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit möglicherweise anders zu beurteilen sei, da die persönliche Haftung nicht zwingend an die Stelle derjenigen als Partei kraft Amtes treten müsse. Vielmehr könne eine Haftung unter beiden Aspekten zusammentreffen. BGH, a. a. O.; hierzu KPB/Lüke, InsO, § 60 Rn. 54.

597 Vieles spricht dafür, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte von der inhaltlichen Nähe des Verfahrensgegenstands zum arbeitsrechtlichen Verhältnis abhängig zu machen. Lüke, a. a. O.

2. Haftung für Verletzung sozialrechtlicher Pflichten a) Kein insolvenzspezifischer Charakter sozialrechtlicher Normen 598 Dem Insolvenzverwalter obliegt die Erfüllung der sozialrechtlichen Pflichten etwa im Zusammenhang mit Kranken-, Renten- und Unfallversicherung des Schuldners. Auch diese Pflichten ergeben sich nicht aus der Insolvenzordnung. Sie stehen mit der Insolvenz in keinem inneren Zusammenhang und sind daher nicht insolvenzspezifischer Natur. Ihre Verletzung kann keine Haftung gem. § 60 InsO nach sich ziehen. 599 Das gilt auch für den Schutz der Interessen des Schuldners, soweit es Vermögen betrifft, das nicht der Insolvenzverwaltung unterliegt. So ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, gegen eine insolvenzrechtlich unzulässige Verrechnung vorzugehen, die sich auf das massefreie, da gem. §§ 850c, 850e Nr. 2a ZPO unpfändbare Vermögen des Schuldners bezieht. BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685.

110

2. Haftung für Verletzung sozialrechtlicher Pflichten

b) Haftung nach § 321 SGB III Eine besondere Rolle spielt die Haftung nach § 321 SGB III. Sie regelt das 600 Indienstnahmeverhältnis zwischen Bundesagentur für Arbeit und dem Arbeitgeber oder dem Insolvenzverwalter im Falle einer Insolvenz. Dort hat der Verwalter verschiedene Aufgaben, die teilweise sich nur aus dem Umstand der Insolvenz ergeben, teilweise vom Verwalter in seiner Funktion für den Insolvenzschuldner als Arbeitgeber wahrgenommen werden müssen. Beispielhaft sind für letztere die Ausstellung von Arbeits- und Nebenein- 601 kunftsbescheinigungen, die Pflicht zur Errechnung und Auszahlung sowie zur Auskunft beim Kurzarbeitergeld (§§ 321 Nr. 3, 320 Abs. 1 und 2 SGB III) zu nennen. Andere Pflichten betreffen nur die Insolvenz, wie etwa alle Pflichten des 602 Verwalters in Bezug auf das Insolvenzgeld (§ 321 Nr. 1, 2 und 3 SGB III) z. B. Bescheinigungspflichten (§ 314 Abs. 1 SGB III) oder Auskunftspflichten (§ 316 Abs. 1 SGB III). Weiterhin sind die Pflichten zur Auszahlung und Berechnung (§ 321 Nr. 4 SGB III) zu nennen. In welcher Form diese Pflichtverletzung begangen werden muss, damit sie 603 Grundlage eines Haftungsanspruchs sein kann, ergibt sich aus dem jeweiligen Tatbestand der sozialrechtlichen Pflicht. Wenn der Insolvenzverwalter die im Vordruck einer Bescheinigung enthaltenen Fragen, deren Beantwortung die Bundesagentur nicht verlangen kann (da sie die rechtliche Subsumtion unter eine spezielle Vorschrift verlangt), falsch ausfüllt, auch wenn dies fahrlässig geschieht, begründet das keinen Schadensersatzanspruch. BSG, Urt. v. 11.1.1989 – 7 RAr 88/87, NZA 1989, 535, dazu EWiR 1989, 627 (Gagel).

c) Überzahlungen Häufig werden Überzahlungen als Schäden geltend gemacht, die dadurch ent- 604 stehen, dass gegenüber einer Person Leistungen erbracht wurden, die ihr von Gesetzes wegen nicht zustehen. In diesen Fällen steht dem Gläubiger im Sozialrecht wie auch sonst im öffent- 605 lichen Recht Ersatz des Zinsschadens nur zu, wenn ein solcher Anspruch in einer gesetzlichen Vorschrift das ausdrücklich vorsieht. Std. Rspr., s. schon BVerwG, Urt. v. 10.4.1975 – III C 78.73, BVerwGE 48, 133; BSG, Urt. v. 18.12.1979 – 2 RU 3/79, BSGE 49, 227.

Die Bundesagentur sollte im Übrigen zunächst versuchen, die Leistung von 606 dem Leistungsempfänger zurück zu erlangen. Erst wenn ihr dies nicht gelingt, sollte sie den Insolvenzverwalter in Anspruch nehmen, da ansonsten das Unterlassen der Behörde, anderweitig Ersatz zu erlangen, den Einwand des Mitver-

111

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten

schuldens unter dem Aspekt des § 254 BGB rechtfertigen kann, sofern der anderweitige Anspruch tatsächlich durchsetzbar war. BSG, Urt. v. 20.10.1983 – 7 RAr 41/82, BSGE 56, 20 = NZA 1984, 59.

d) Geltendmachung der Haftung 607 Streitig ist, ob die Haftung nach § 321 SGB III im Wege des Verwaltungsakts geltend gemacht werden kann. Dies wird vom 7. Senat des Bundessozialgerichts in älteren Entscheidungen abgelehnt, die noch zu § 145 AFG ergangen sind. BSG, Urt. v. 12.2.1980 – 7 RAr 106/78, ZIP 1980, 348.

608 Seine Argumente haben auch nach Aufnahme des AFG in das SGB III ihre Gültigkeit behalten. Es fehlt für die Befugnis zu einem Verwaltungsakt an einer ausdrücklichen Regelung aber auch an dem hoheitlichen Charakter der Haftungsregelung. 609 Demgegenüber steht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1990 der 11. Senat des Bundessozialgerichts auf dem Standpunkt, dass der Anspruch auch im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden könne. BSG, Urt. v. 30.1.1990 – 11 RAr 11/89, BSGE 66, 188, 190.

610 Auf diese nicht unproblematische Entscheidung stützt auch die Bundesagentur ihre Verwaltungspraxis, nach der Schadensersatzansprüche nach dem VwVG durchzusetzen seien. Insolvenzgeld-DA 5. Abs. 14/Verfahren i. V. mit 4. Abs. 5/Verfahren.

e) Pflicht zur Abführung von Sozialabgaben des (starken vorläufigen) Insolvenzverwalters 611 Zur Abführung der Sozialabgaben ist der Insolvenzverwalter ebenso verpflichtet wie der Schuldner. Hierfür haftet er gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 3 StGB. Letztgenannter Vorschrift kommt Schutzgesetzcharakter i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB zu. Siehe BGH, Urt. v. 11.12.2001 – VI ZR 123/00, ZIP 2002, 261, dazu EWiR 2002, 263 (Plagemann).

612 Der Verwalter wird von der wohl h. M. der Amtstheorie folgend als i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB vom Insolvenzgericht beauftragt angesehen, den Betrieb zu leiten. Schäferhoff/Gerster, ZIP 2001, 905, 907; Brand/Wostry, ZInsO 2008, 64, 65.

613 Teilweise wird in dem Insolvenzverwalter auch ein gesetzlicher Vertreter des Insolvenzschuldners i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB gesehen. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 14 Rn. 24.

112

2. Haftung für Verletzung sozialrechtlicher Pflichten

Problematisch sind die Auswirkungen von Zahlungen der Agentur für Arbeit 614 auf die Schadensersatzpflicht des starken vorläufigen Insolvenzverwalters. Das Problem besteht darin, dass nach § 175 Abs. 1 S. 1 1. Hlbs. SGB III die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbetrag nach § 28d SGB IV zahlt, der auf das Arbeitsverhältnis im Zeitraum der letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis fällt. Erhält der Insolvenzverwalter Insolvenzgeld, so sieht sich der vorläufige Insol- 615 venzverwalter zwei sich widersprechenden Pflichten gegenüber: Einerseits hat er die Sozialversicherungszahlungen an den Träger abzuführen, andererseits ist er verpflichtet, die Liquidität des schuldnerischen Betriebs zu erhalten. Bislang steht eine höchstrichterliche Entscheidung zur Lösung dieser Problematik noch aus. Zur Rechtslage nach KO und RVO s. BGH, Urt. v. 4.7.1989 – VI ZR 23/89, NJW-RR 1989, 1185.

Überwiegend wird eine Abführungspflicht mit unterschiedlicher Begründung 616 abgelehnt. So wird ausgeführt, der Beitragsanspruch sei vom Insolvenzgeldanspruch unabhängig und könne schon deshalb sich auf die Strafbarkeit des vorläufigen Verwalters nicht auswirken, da der Zeitraum des Insolvenzgelds erst durch die Verfahrenseröffnung bestimmt werde. Röpke/Rothe, NZI 2004, 430, 432 f.

Andere Stimmen halten für den vorläufigen Insolvenzverwalter ein normge- 617 mäßes Verhalten für unzumutbar. Schäferhoff/Gerster, ZIP 2001, 905, 909 f.

Die Gegenauffassung stellt auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Sozial- 618 versicherungsaufkommens ab, die Schutzzweck des § 266a StGB sei. Diesem habe sich auch der Grundsatz der Fortführung des schuldnerischen Betriebs vor allem in der Eröffnungsphase unterzuordnen. Richter, NZI 2002, 121, 127.

Teilweise wird mit Blick auf die Zahlung durch die Bundesagentur ein Schaden 619 abgelehnt. Das erscheint aber wegen des Fortbestands der Forderung des Sozialversicherungsträgers problematisch. Die Forderung geht nicht auf die leistende Bundesagentur über, sondern 620 bleibt gem. § 175 Abs. 2 S. 1 SGB III gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Sie wird aber gem. § 55 Abs. 3 S. 2 InsO ebenso wie bei einem Übergang gem. § 169 SGB III von Gesetzes wegen zu einer einfachen Insolvenzforderung zurückgestuft. Der Gesetzgeber erkennt durchaus den Sinn des Insolvenzgelds als ein Mittel 621 zur Subventionierung von Unternehmen in der Krise an. Dem würde es aber widersprechen, wenn der Verwalter in dieser Phase zur vorrangigen Befriedigung der Sozialversicherungsforderungen verpflichtet wäre.

113

V. Haftung im Zusammenhang mit arbeits- und sozialrechtlichen Pflichten

622 Verstößt der Verwalter hiergegen, so macht der vorläufige Insolvenzverwalter sich gem. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 60 InsO wegen „Masseschmälerung“ und ggf. damit zusammenhängend wegen pflichtwidriger Unterlassung haftbar, das Unternehmen fortzuführen. Anders ist es grundsätzlich, soweit es die Sozialabgaben außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums betrifft. 623 Allerdings wird dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine angemessene Frist eingeräumt, während der er sich ein Bild von dem schuldnerischen Betrieb und seiner Fortführungswürdigkeit verschaffen kann. OLG Schleswig, Urt. v. 22.2.1985 – 14 U 187/84, ZIP 1985, 556, 559, dazu EWiR 1985, 205 (Kilger).

114

VI. Abgabenrechtliche Haftung gem. § 69 AO Die AO enthält für die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten eine eigene 624 Haftungsnorm, die sich an gesetzliche Vertreter und Vermögensverwalter richtet. Zu deliktsrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit der steuerlichen Veranlagung bei Eheleuten, s. schon oben Rn. 84 f..

Der Insolvenzverwalter unterfällt den Vermögensverwaltern i. S. d. § 34 625 Abs. 3 AO. Koenig/Koenig, AO, § 34 Rn. 26.

Das Gesetz zieht den Kreis der haftenden Personen aber weiter. Selbst Ver- 626 fügungsberechtigte, die nicht hierzu zählen, unterliegen gem. § 35 AO dieser Haftung, wenn sie in der Lage sind, die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters rechtlich wie tatsächlich zu erfüllen. Hierbei ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine „mittelbare rechtliche Verfügungsbefugnis“ ausreichend. Dies trifft etwa für den Alleingesellschafter einer GmbH zu, der sich jederzeit zum Geschäftsführer bestellen kann. BFH, Urt. v. 16.3.1995 – VII R 38/94, BFHE 177, 209, dazu EWiR 1995, 735 (Onusseit).

Beispiel: K wird im August 1999 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH bestellt. Verfügungen der GmbH, die gesetzlich von zwei Geschäftsführern vertreten wird, bedürfen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. K wird weiter ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen für die X-GmbH einzuziehen sowie Lastschrift- und Einziehungsermächtigungen zu widersprechen. Die Löhne für den Monat August werden nur in Höhe eines Abschlags gezahlt. Die auf die Zahlungen entfallenden Steuerabzugsbeträge werden von der GmbH ordnungsgemäß entrichtet. Die Restlöhne werden im November 1999 von einem von K zum Empfang von Zahlungen von Schuldnern der GmbH eingerichteten Anderkonto überwiesen. Hierauf werden keine Lohn- und Kirchensteuern sowie Solidaritätszuschläge entrichtet. Das Finanzamt erlässt daraufhin gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter einen Haftungsbescheid, den es auf § 69 i. V. m. §§ 34 Abs. 3, 35 AO stützt. Sachverhalt nach BFH, Beschl. v. 27.5.2009 – VII B 156/08, ZIP 2009, 2255.

Der Bundesfinanzhof hat überzeugend eine Haftung des vorläufigen schwa- 627 chen Insolvenzverwalters abgelehnt, da er weder Vermögensverwalter i. S. d. § 34 AO sei, zust. FG Münster, Urt. v. 1.7.2010 – 3 K 3206/06 L, ZInsO 2010, 1896 ff.; anders aber für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter: Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 AO,

115

VI. Abgabenrechtliche Haftung gem. § 69 AO

noch als Verfügungsberechtigter i. S. d. § 35 AO angesehen werden könne. Verfügender bleibe trotz des Zustimmungsvorbehalts die Schuldnerin. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Befugnisse wirksam überschreite, das mache ihn aber noch nicht zu einem Verfügungsberechtigten i. S. v. § 35 AO. Anders etwa als der Alleingesellschafter einer GmbH, der weitgehende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung habe, bedürfe der Verwalter hierzu der Mitwirkung des Insolvenzgerichts, um seine Befugnisse auszuweiten. Das aber stehe einer Haftung gem. §§ 69, 35 AO entgegen. Die rein tatsächliche Möglichkeit genüge nicht, um die rechtliche Stellung als Verfügungsberechtigter i. S. d. Vorschrift zu befürworten. 628 Voraussetzung für eine Haftung ist die Verletzung von steuerlichen Pflichten durch diese Personen, zu denen auch der Insolvenzverwalter gehört. Der Anwendungsbereich des § 69 AO und des § 60 InsO lassen sich danach abgrenzen, ob es sich um ein rein steuerrechtliches Fehlverhalten oder aber ein solches handelt, dessen Folgen den Fiskus treffen wie jeden anderen. So hat der Verwalter etwa für die Entrichtung der nach der Eröffnung entstandenen Steuerschulden zu sorgen (§ 34 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 AO). Die Erfüllung einer solchen Pflicht ist durch die Haftung nach § 69 AO gesichert. Gleiches gilt für die Abgabe von Steuererklärungen. Für Schäden, die durch Verspätungen in der Abgabe entstanden sind, muss der Verwalter nach § 69 AO einstehen. Soweit der GmbH-Geschäftsführer die auf sein Gehalt zu entrichtende Lohnsteuer in einer GmbH nicht an den Fiskus zahlt, verletzt er die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten. Der Insolvenzverwalter kann hierfür nicht in Anspruch genommen werden. Die Arbeitskraft des Geschäftsführers gehört nicht zur Insolvenzmasse. Daher schuldet der Verwalter nicht die Überwachung der beruflichen Pflichterfüllung des Insolvenzschuldners. Der Anspruch ist damit auch nicht eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da die bloße Duldung der Geschäftsführertätigkeit durch den Insolvenzverwalter nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse i. S. d. Vorschrift erfüllt. 629 Bei selbstständiger Geschäftsführertätigkeit gehört das gesamte Einkommen in die Insolvenzmasse. Auch hier wären Haftungsschulden nicht als die Insolvenzmasse mindernder Betrag zu berücksichtigen. BFH, Urt. v. 21.7.2009 – VII R 49/08, ZIP 2009, 2208 (m. Anm. Kahlert/Mordhorst, S. 2210), dazu EWiR 2010, 23 (Onusseit).

630 Das vorgenannte Urteil, das noch nach § 35 Abs. 1 InsO a. F. zu entscheiden war, wäre auch nach Inkrafttreten von § 35 Abs. 2 und 3 InsO nicht anders zu behandeln. Hier hatte der Insolvenzverwalter lediglich die Möglichkeit, die selbstständige Tätigkeit des Schuldners „freizugeben“. Lediglich wenn der Insolvenzverwalter von der Freigabebefugnis keinen Gebrauch macht, stellt sich die Frage, ob in diesem Fall die Duldung der selbstständigen Geschäftsführertätigkeit Verwalterhandeln in diesem Sinne darstellt. Bejahend: Berger, ZInsO 2008, 1101; wohl auch Graf-Schlicker/ Kexel, InsO, § 35 Rn. 27;

116

VI. Abgabenrechtliche Haftung gem. § 69 AO eine Anscheinsvollmacht annehmend: Nerlich/Römermann/ Andres, InsO, § 35 Rn. 103 f.

Dem widerspricht allerdings die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und der 631 Wortlaut der Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte gerade vermeiden, dass die Frage des „Duldens“ zur Unsicherheit führen kann. Demgegenüber besteht für eine Haftung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch kein Anlass, da vor eventuellen Schäden der Fiskus gem. § 60 InsO geschützt ist. BFH, Urt. v. 21.7.2009 – VII R 49/08, ZIP 2009, 2208, 2212 (m. Anm. Kahlert/Mordhorst, S. 2210); s. auch BT-Drs. 16/4194, S. 31.

Insolvenzspezifische Pflichten werden dagegen verletzt, wenn der Insolvenz- 632 verwalter bei Massearmut den Fiskus wegen Altmasseverbindlichkeiten mit dem ihnen nach § 209 InsO zustehenden Rang befriedigt. Zwischen den beiden Vorschriften besteht also kein Verhältnis der Spezialität, 633 sondern die Trennung nach Art der verletzten Pflicht wird hier konsequent fortgesetzt. BGH, Urt. v. 1.12.1988 – IX ZR 61/88, BGHZ 106, 134 = ZIP 1989, 50, 50, dazu EWiR 1989, 389 (Wellensiek); s. auch Skauradszun/Schmidt, ZInsO 2014, 1784, 1788, die allerdings wenig überzeugend die Abgrenzung einzig nach dem formalen Kriterium des Regelungsorts vornehmen wollen.

634

Beispielhaft lässt sich die Unterscheidung an folgendem Fall erläutern: Beispiel: I wird zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der S-GmbH bestellt. Die S-GmbH hatte gegen verschiedene Umsatzsteuerbescheide Einspruch eingelegt. Die Einsprüche sind im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht entschieden. Die Aufforderung des Finanzamts zu erklären, ob I die schwebenden Einspruchsverfahren auf- oder den Widerspruch gegen die Forderungen zurücknehme, wurde von I nicht erwidert. Die Einsprüche wurden abgewiesen. I übersendet der SGmbH die beiden Einspruchsentscheidungen mit der Bitte um Mitteilung, ob die Steuerforderungen richtig seien. Ihm selbst lägen keine Unterlagen zur Überprüfung vor. Die S-GmbH teilt I daraufhin mit, dass sie die Forderungen des Finanzsamts nicht in voller Höhe anerkenne und verwies auf die Korrespondenz mit dem Finanzamt. I lässt die Einspruchsentscheidungen bestandskräftig werden. Die Steuerfestsetzungen verstießen gegen die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Steuerfreiheit von Geldspielautomatenumsätzen.

Die letztgenannte Frage ist eine des Steuerrechts und betrifft keine insolvenz- 635 spezifischen Pflichten. Wird die Steuerpflicht nicht erfüllt, so hat das die steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO zur Folge. Stellt sich freilich heraus, dass der Insolvenzverwalter die Einspruchsverfahren hätte fortführen müssen, um eine Bestandskraft der Entscheidung zu verhindern, da die Einsprüche auf117

VI. Abgabenrechtliche Haftung gem. § 69 AO

grund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs begründet waren, so stellt sich die Frage nach der Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den Beteiligten. Hier ist die Pflicht des I verletzt, zugunsten der aus der Masse zu befriedigenden Gläubiger Ansprüche zu prüfen und bei begründeten Aussichten auch durchzusetzen. Diese Pflicht ist freilich eine insolvenzrechtliche Pflicht des Insolvenzverwalters, die sogar den Kernbereich seiner Tätigkeit betrifft. So im Ergebnis auch LG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.2011 – 7 O 193/09, ZIP 2011, 441 = ZVI 2011, 254.

636 Allerdings kann etwa bei schwierigen Rechtsfragen für den Verwalter eine mögliche Rechtswidrigkeit schon nicht erkennbar sein. Dem Verwalter obliegt freilich bei Zweifeln, die Frage von einer fachlich kompetenten Person prüfen zu lassen. Inwieweit diese hier angebracht waren, soll nicht vertieft werden; sehr weitgehend erscheint insoweit der Standpunkt des Berufungsgerichts: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.7.2012 – 7 U 22/11, ZInsO 2012, 2296.

637 Eine unvollständige Belehrung über den wahren Verfahrensstand durch das Finanzamt kann allerdings einen Pflichtverstoß entfallen lassen, wenn aufgrund dessen eine realistische Einschätzung der Aussichten einer Klage nicht möglich ist. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.7.2012 – 7 U 22/11, ZInsO 2012, 2296.

638 Zur Abgrenzung beider Bereiche lässt sich zusammengefasst Folgendes sagen: Die Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit Steuerinsolvenzforderungen, etwa durch unterbliebene, verspätete oder unvollständige Erfüllung führt zu einer Haftung nach § 60 InsO. 639 Gleiches gilt für Steuermasseverbindlichkeiten aus der Zeit vor Masseunzulänglichkeit. Ansonsten führen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Steuermasseverbindlichkeiten, die den Einschränkungen der insolvenzmäßigen Befriedigung nicht unterliegen, zur Haftung nach § 69 AO. Gleiches gilt für die Verletzung steuerlicher Handlungspflichten. 640 Die Unterscheidung hat weitreichende Bedeutung. § 69 AO setzt im Gegensatz zu den §§ 60 f. InsO eine grob fahrlässige Pflichtverletzung voraus. Die Zurechnung fremden Verschuldens erfolgt im Gegensatz zu § 60 Abs. 2 InsO uneingeschränkt. Im Übrigen gelten unterschiedliche Verjährungsvorschriften (§ 169 AO und § 62 InsO). 641 Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Durchsetzung der Forderung. Nur die Haftung nach § 69 AO kann mittels Haftungsbescheid (§ 191 AO) durchgesetzt werden, nicht jedoch jene nach den §§ 60 f. InsO, selbst wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten steht.

118

VI. Abgabenrechtliche Haftung gem. § 69 AO

Im Gegensatz zu § 60 InsO gilt bei § 69 AO der haftungsbeschränkende 642 Grundsatz der anteiligen Tilgung der Forderungen des Finanzamts und der privaten Gläubiger. Eine Haftung kommt danach nur insoweit in Betracht, wie aus den zur Verfügung stehenden Mitteln Steuerschulden ebenso wie sonstige Verbindlichkeiten hätten getilgt werden können. Siehe schon BFH, Urt. v. 5.3.1991 – VII R 93/88, ZIP 1991, 1008, dazu EWiR 1991, 853 (Halaczinsky).

Dieser Grundsatz wurde allerdings vom Bundesfinanzhof,

643

BFH, Urt. v. 28.11.2002 – VII R 41/01, ZIP 2003, 582 = ZfIR 2003, 400 (LS) = ZInsO 2003, 27, dazu EWiR 2003, 303 (Onusseit),

bei Massearmut eingeschränkt. Demzufolge richtet sich die Höhe des Ersatzanspruchs nach der Quote, die bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Verwalters gem. § 209 InsO auf den Fiskus entfallen wäre. Andere Forderungen sind also zum Vorteil des Fiskus’ in die Betrachtung nicht einzubeziehen.

119

VII. Versicherungsschutz des Insolvenzverwalters Die Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters im Verfahren stellt eine Haft- 644 pflicht i. S. d. §§ 100 ff. VVG dar. Unstr., ausführlich Zimmermann, NZI 2006, 386.

Der Verwalter kann sich gegen sein Haftungsrisiko mit einer Vermögensscha- 645 den-Haftpflichtversicherung schützen. Ein solcher Versicherungsschutz ist nicht nur für ihn selber, sondern auch die Masse von Vorteil. Inwieweit ihre Kosten über die Vergütung abgegolten werden, war streitig. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung und Vereinfachung der Aufsicht im Insolvenzverfahren (GAVI) war eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Versicherung vorgesehen, die pro Versicherungsfall eine Mindestversicherungssumme von 1,5 Mio. € vorsehen sollte. Die Bundesregierung hat demgegenüber freilich darauf hingewiesen, dass eine solche Versicherung gerade bei vorsätzlichem Handeln des Insolvenzverwalters keinen Schutz bietet. Gemäß §§ 63 InsO, 4 Abs. 3 InsVV sind die Kosten einer Haftpflichtversi- 646 cherung grundsätzlich mit der Vergütung abgegolten. Anders ist es nur, wenn mit dem Insolvenzverfahren ein besonderes Haftungsrisiko verbunden ist und daher eine angemessene zusätzliche Versicherung erforderlich wird. Die Kosten für diese Versicherungen können dann als Auslagen erstattet verlangt werden. Der Verwalter darf derartige Kosten nur nach gerichtlicher Festsetzung der 647 Masse entnehmen. Für die Erforderlichkeit einer zusätzlichen Versicherung ist auf das objektive 648 Durchschnittsverfahren abzustellen. Nur wenn die Risiken des konkreten Insolvenzverfahrens diese Grenzen überschreiten, kann eine zusätzliche Versicherung mit der Möglichkeit des Auslagenersatzes abgeschlossen werden. Stephan/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 28.

Die Kosten einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die vor allem 649 für Schäden durch hinzugezogene Mitarbeiter des Verwalters eintreten, stellen dagegen allgemeine Aufwendungen i. S. d. § 4 Abs. 1 InsVV dar und können daher nicht erstattet verlangt werden. Stephan/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 29.

Bei Insolvenzverwaltern, die zugleich zugelassene Rechtsanwälte sind, besteht 650 zugleich eine Versicherungspflicht gem. § 51 BRAO. Diese Berufshaftpflichtversicherung deckt in aller Regel (soweit die AVB-RSW anzuwenden sind) die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Insolvenzverwaltung nicht ab, wenn z. B. die Tätigkeit als Sachverständiger im Eröffnungsverfahren gem. § 839a BGB oder als Sachwalter im Verfahren der Eigenverwaltung in den AVB-RSB nicht aufgeführt sind. Soweit aber die Tätigkeit vom Versicherungsschutz umfasst ist, kann der Insolvenzverwalter das Insolvenzgericht auf den 121

VII. Versicherungsschutz des Insolvenzverwalters

bestehenden Versicherungsschutz hinweisen und auf diese Weise die Kosten für seine weitere Versicherung ersparen. Graeber, in: Pape/Graeber, 3. Teil Rn. 1707.

651 Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters fällt grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von sog. Risikoausschlussklauseln, die für Schäden im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Leiter, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied privater Unternehmen, Vereine, Verbände und als mit Dienstvertrag angestellter „Syndikus“ verabredet werden. Im Gegensatz zu diesen Personen strebt der Verwalter mit seiner Tätigkeit nicht die bloße Gewinnerwirtschaftung an. BGH, Urt. v. 30.1.1980 – IV ZR 86/78, ZIP 1980, 851 ff.

652 Das Gericht sieht vor allem auch das Risiko des Insolvenzverwalters aufgrund der Mitwirkung des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung und ihren Möglichkeiten, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen, als geringer an als bei einem Unternehmer. 653 In einer weiteren Entscheidung, die ebenfalls noch zur Konkursordnung erging und die Auslegung einer Ausschlussklausel für Haftpflichtansprüche zum Gegenstand hatte, die auf fehlerhafter oder unterbliebener Ausübung kaufmännischen Ermessens „beruhen“, verneinte das Gericht einen solchen Zusammenhang, wenn der schuldnerische Betrieb in der Übereinstimmung mit den Gläubigerorganen fortgeführt werde. BGH, Urt. v. 13.1.1982 – IVa ZR 162/80, ZIP 1982, 326 mit zust. Anm. Prölss.

654 Machten einzelne Gläubiger Ansprüche wegen fehlender Aufklärung über mangelnde oder zweifelhafte Erfüllbarkeit der Verträge geltend, so beruhten ihre Ansprüche nicht auf derartigen Entscheidungen, da sie im Zusammenhang mit den übrigen Geschäften kaufmännisch durchaus sinnvoll gewesen seien. Das Gericht verlangt in dieser Entscheidung somit eine Identität zwischen der kaufmännischen Fehlentscheidung und dem zur Haftung führenden Verhalten des Verwalters. Siehe auch Ehlers, ZInsO 2011, 458, 462 ff.; ausführlich zum Versicherungsschutz Graeber, in: Pape/Graeber, 3. Teil Rn. 1696 ff.

655 Kommt das Gericht im Haftpflichtprozess zu dem Ergebnis, dass der Insolvenzverwalter durch die Begründung von Masseverbindlichkeiten, die schon im Zeitpunkt ihrer Begründung voraussichtlich nicht vollständig erfüllt werden können, nach § 61 InsO Schadensersatz schuldet, so steht das auch für den Deckungsprozess zwischen dem Verwalter und dem Haftpflichtprozess fest. Das Gericht des Deckungsprozesses kann nach dem sog. Trennungsprinzip die im Haftpflichtprozess vom Gericht getroffene Entscheidung als solche und die ihr zugrunde liegenden Feststellungen nicht in Frage stellen. BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13, ZIP 2015, 184, dazu EWiR 2015, 187 (Wittmann/Scholl).

122

VII. Versicherungsschutz des Insolvenzverwalters

Diese Bindung ergibt sich aus dem Leistungsversprechen des Haftpflichtver- 656 sicherers im Wege der Auslegung. Unstr., s. z. B. BGH, Urt. v. 30.9.1992 – IV ZR 314/91, NJW 1993, 68.

Wendet der Versicherer die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung als Risiko- 657 ausschlussgrund ein, so trägt er dafür die volle Darlegungs- und Beweislast. Insoweit bindet die Entscheidung im Haftpflichtprozess nicht. Der Versicherer muss darlegen und bei Bestreiten beweisen, dass der Versicherungsnehmer gewusst habe, wie er sich hätte verhalten müssen. Bei einer Verletzung grundlegender beruflicher Pflichten, deren Kenntnis vorausgesetzt werden kann, muss der Versicherer einen Sachverhalt vortragen, der auf eine Wissentlichkeit zumindest hindeutet und hierfür entsprechende Anknüpfungstatsachen enthält. Dem Versicherungsnehmer obliegt nicht etwa im Rahmen der sekundären Darlegungslast, vorzutragen und plausibel zu machen, aus welchen Gründen es zum Verstoß gekommen sei. Gelingt dem Versicherer dieser erste Beweis, so muss der Versicherungsnehmer seinerseits dartun und beweisen, warum der aus dem Vortrag des Versicherers zu ziehende Schluss auf eine Wissentlichkeit nicht zutreffend ist. Erschüttert er diesen Schluss, so liegt die Darlegungs- und Beweislast wieder beim Versicherer. BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13, ZIP 2015, 184, dazu EWiR 2015, 187, 188 (Wittmann/Scholl).

123

VIII. Pflichtigkeit des Verwalters nach Ordnungsrecht Die Frage des Verhältnisses von Insolvenzrecht und Ordnungsrecht stellte 658 sich vor allem im Bereich des Umweltrechts, insbesondere im Zusammenhang mit Altlasten auf Grundstücken, die Bestandteil der Insolvenzmasse waren. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu mittlerweile mehrere grundlegende Entscheidungen getroffen, die den Problemkreis entscheidend beeinflusst haben. Grundsätzlich ist auch der Insolvenzverwalter wie der Schuldner beim Betrieb 659 des schuldnerischen Unternehmens ordnungspflichtig. Er unterliegt insoweit keinen anderen Vorschriften. Regelmäßig verändert das Insolvenzrecht nicht solche bestehenden Pflichtigkeiten. Alles andere würde für den Insolvenzschuldner einen nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht insolventen Schuldnern bedeuten. Für Gefahren, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden 660 sind, ist ordnungsrechtlich der Verwalter verantwortlich. Zu den Pflichten nach der StrlSchV, N. Schmidt, ZInsO 2011, 614, 616.

Das ergibt sich schon aus seinen Befugnissen nach § 80 InsO in Bezug auf 661 die Masse und seiner Stellung als Amtswalter. Er hat dafür aber nicht persönlich, sondern mit dem Massevermögen einzustehen. Die Pflichtigkeit ist insoweit nicht anders als eine Masseverbindlichkeit zu behandeln. BVerwG, Urt. v. 10.2.1999 – 11 C 9/97, BVerwGE 108, 269, 273 = ZIP 1999, 538, 540 = NZI 1999, 246, 247 = ZInsO 1999, 291, 292, dazu EWiR 2000, 629 (Lüke/Blenske).

Allenfalls indirekt, aufgrund einer hierdurch bedingten Masseschmälerung 662 haftet der Verwalter persönlich mit seinem Vermögen. Insoweit haftet der Insolvenzverwalter für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht persönlich. Gleichwohl soll wegen des dargestellten Zusammenhangs zu einer möglichen Haftung auf die Probleme der Umwelthaftung des Insolvenzverwalters in der gebotenen Kürze eingegangen werden. Problematisch ist die Rechtsfolge einer schon im Eröffnungszeitpunkt be- 663 stehenden Gefahrenlage. Dieses lange Zeit im Schrifttum diskutierte Problem, das zu grundsätzlichen Stellungnahmen Anlass gab, ob nun die Gläubiger oder der Steuerzahler die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands zahlen müsse, wurde vom Bundesverwaltungsgericht – vereinfacht ausgedrückt – so gelöst, dass es den Umstand der Insolvenzeröffnung völlig ausblendet. BVerwG, Urt. v. 10.2.1999 – 11 C 9/97, BVerwGE 108, 269, 273 = ZIP 1999, 538, 540 = NZI 1999, 246, 247 = ZInsO 1999, 291, 292.

Es komme lediglich darauf an, ob nach der als Rechtsgrundlage anzuwendenden 664 Vorschrift die Eingriffsvoraussetzungen vorlägen. So sei es für die immissions-

125

VIII. Pflichtigkeit des Verwalters nach Ordnungsrecht

rechtliche Haftung des Insolvenzverwalters maßgeblich, ob der Verwalter „Betreiber“ i. S. d. Immissionsschutzrechts sei. Hieran knüpfe die Haftung nach § 5 BImSchG an, ohne dass der Rechtsgrund der Betriebsübernahme von Bedeutung sei. BVerwG, Urt. v. 22.10.1998 – 7 C 38/97, BVerwGE 107, 299, 302 = ZIP 1998, 2167; s. auch BVerwG, Urt. v. 10.2.1999 – 11 C 9/97, BVerwGE 108, 269, 272 = ZIP 1999, 538, 540 = ZInsO 1999, 291; BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22/03, BVerwGE 122, 75 = ZIP 2004, 2145 = ZfIR 2005, 27 = NZI 2005, 51 = ZInsO 2004, 1206, dazu EWiR 2005, 439 (Kreft); ausführlich zu diesem Fragenkreis: Matthes/Henke, SächsVBl. 2011, 73 ff.; für einen gleich gelagerten Fall einer Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt nach § 10 Abs. 1 BBodSchG: OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9.5.2012 – 2 M 13/12, ZInsO 2013, 742; s. auch unten Rn. 671.

665 Ebenso wenig ist es von Bedeutung, dass jedenfalls ein Teil der ordnungsrechtlich zu beseitigenden Stoffe bereits vor Übernahme der Betreiberstellung angefallen sind, so wie es ohne Bedeutung sei, ob der Gefahrentatbestand vor oder nach der Insolvenzeröffnung begründet worden sei. 666 Der Haftung kann der Betreiber sich auch nicht durch Freigabe des störenden Massegegenstands entziehen. Die Erfüllung der Pflichten sei aus der Masse zu bestreiten. BVerwG, Urt. v. 22.10.1998 – 7 C 38/97, BVerwGE 107, 299, 302 = ZIP 1998, 2167; s. auch BVerwG, Urt. v. 10.2.1999 – 11 C 9/97, BVerwGE 108, 269, 272 = ZIP 1999, 538, 540 = ZInsO 1999, 291; BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22/03, BVerwGE 122, 75 = ZIP 2004, 2145 = NZI 2005, 51 = ZInsO 2004, 1206.

667 Diese Entscheidung, die auch auf die Kritik des Bundesgerichtshofs, BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252, 260 = ZIP 2001, 1469 = ZfIR 2001, 728, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst),

gestoßen ist, wurde durch zwei spätere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts etwas modifiziert. Das Gericht hat in einem Urteil vom 22. Juli 2004, BVerwG, Urt. v. 22.7.2004 – 7 C 17/03, ZIP 2004, 1766,

zwar eine Pflichtigkeit des Insolvenzverwalters im konkreten Fall abgelehnt, stützt sich dabei aber auf die fehlenden Tatbestandsvoraussetzungen für eine Pflichtigkeit nach dem damals anzuwendenden § 3 Abs. 5 und 6 KrW-/AbfG (heute im Wesentlichen § 3 Abs. 8 und 9 KrWG). Der Abfallbesitz sei mit Veräußerung des Betriebs verloren gegangen und damit entfielen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Inanspruchnahme. Ebenso: OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.12.2009 – 7 ME 55/09, ZIP 2010, 999; VG Weimar, Urt. v. 12.2.2014 – 7 K 608/11 We, juris Rn. 107 (bei Besitzverlust nach Freigabe);

126

VIII. Pflichtigkeit des Verwalters nach Ordnungsrecht s. auch OVG Magdeburg, Beschl. v. 25.3.2015 – 2 M 7/15, NZI 2015, 528 zur insoweit folgenlosen Freigabe, wenn die ordnungsrechtliche Verpflichtung auf dem Betrieb der Anlage beruht.

Die Frage der Betreiberstellung kann im Einzelfall sehr problematisch sein. 668 So hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel eine solche Betreiberstellung etwa abgelehnt bei einem Insolvenzverwalter, in dessen betreuter Masse sich auch ein Tanklager (bis zur Freigabe) befand. Der Verwalter hatte die Verwaltung über die Masse und damit über das Tanklager übernommen, als bereits eine Stilllegungsverfügung ergangen war. Es fehlte damit an einer Fortführung des Betriebs des Tanklagers und damit an dessen wirtschaftlicher Nutzung für die Masse. Die Wahrnehmung allein der Gefahrabwehrverpflichtung erfülle nicht den Tatbestand des Betreibens der Anlage. VGH Kassel, Beschl. v. 20.4.2009 – 7 B 838/09, NZI 2009, 695 m. abl. Anm. Drasdo; s. hierzu auch OVG Magdeburg, Beschl. v. 25.3.2015 – 2 M 7/15, NZI 2015, 528 zu „betriebsgestaltendem Handeln“ des Insolvenzverwalters auf einer Abfallentsorgungsanlage.

Ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann dagegen 669 schon mangels Verfügungsbefugnis kein Betreiber sein. VGH Kassel, Beschl. v. 11.9.2009 – 8 B 1712/09, ZIP 2010, 92; ebenso N. Schmidt, ZInsO 2011, 614, 616 für den Betrieb eines Unternehmens, das unter die StrlSchV fällt.

Nicht geändert hat sich jedoch die Auffassung des Bundesverwaltungsge- 670 richts, dass auch in der Insolvenz eine an der Zustandshaftung anknüpfende Pflichtigkeit aufgrund eines Gefahrentatbestands uneingeschränkt gegeben und nicht etwa mit Blick auf die Regelungen des Insolvenzrechts von einer Rechtsposition der öffentlichen Hand auszugehen ist, die wie eine Insolvenzforderung behandelt werden müsse. Maßgeblich seien jeweils die ordnungsrechtlichen Vorschriften und die dort für die Pflichtigkeit aufgestellten Voraussetzungen. Auch in einer zweiten Entscheidung betreffend ein Altlastengrundstück be- 671 stätigte das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung, nach der gem. § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die betroffenen Grundstücke sanierungspflichtig sei. Der Insolvenzverwalter sei als verwaltungsbefugte Person bodenschutzrechtlich verantwortlich. Es handele sich dabei um eine wie eine Masseverbindlichkeit zu behandelnde Rechtsposition. Allerdings sei dem Verwalter die Möglichkeit gegeben, hieran durch entspre- 672 chende Freigabe des Gegenstands, die inzwischen auch bei juristischen Personen vom Bundesgerichtshof für möglich erachtet wird, BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034 = ZVI 2005, 492, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch),

127

VIII. Pflichtigkeit des Verwalters nach Ordnungsrecht

etwas zu ändern. Diese scheitere auch nicht etwa an § 138 BGB und sei mit dem Fall der Dereliktion nicht zu vergleichen. BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22/03, BVerwGE 122, 75 = ZIP 2004, 2145 = ZfIR 2005, 27 = NZI 2005, 51 = ZInsO 2004, 1206.

673 Allgemein sieht das Gericht es als Aufgabe des Ordnungsrechts an, darüber Auskunft zu geben, ob den Insolvenzverwalter eine Ordnungspflicht für eine Störung trifft, während das Insolvenzrecht über die Qualifizierung der ordnungsrechtlichen Pflicht als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung Auskunft gebe. 674 Je nach tatsächlicher und rechtlicher Lage kann es auch zulässig sein, nur den Insolvenzverwalter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt und Zustandsverantwortlichen ordnungsrechtlich zu verpflichten. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19.9.2013 – 2 M 114/13, UPR 2014, 274.

675 Ob dem Bundesverwaltungsgericht damit eine sachgerechte Entscheidung gelungen ist, darf bezweifelt werden. Ablehnend etwa K. Schmidt, NJW 2010, 1489 ff.

676 Sie ist wohl vor allem von dem Bestreben beherrscht, sich streng an die gesetzlichen Vorschriften des Ordnungsrechts zu halten und kann sich auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beziehen. Zu bedenken ist, dass sie Vorschriften anwendet, die den ordnungsrechtlichen Ausnahmefall der Insolvenz kaum berücksichtigt haben. 677 Für die Praxis des Insolvenzverfahrens ist aber von dieser Rechtsprechung auszugehen, sodass der Verwalter stets eine Freigabe der belasteten Sache erwägen muss, um eine Haftung aus öffentlich-rechtlicher Pflichtigkeit zu vermeiden. So hat etwa der Verwaltungsgerichtshof Kassel in einer Entscheidung die Zustandsverantwortlichkeit des Insolvenzverwalters für ein Tanklager gem. § 7 Abs. 2 HSOG als beendet angesehen, nachdem der Verwalter das Tanklagergrundstück freigegeben hatte. Mit der einseitigen Erklärung des Insolvenzverwalters gelange das Grundstück wieder in das insolvenzfreie Vermögen. VGH Kassel, Beschl. v. 20.4.2009 – 7 B 838/09, NZI 2009, 695; zum Fall der Freigabe eines mit einem abzureißenden Haus bebauten Grundstücks, s. OVG Saarlouis, Beschl. v. 13.1.2015 – 2 A 397/14, ZInsO 2015, 579. Dort erfolgte die Freigabe durch den Insolvenzverwalter vor Erlass der verwaltungsrechtlichen Abbruchaufforderung; der Abriss erfolgte im Wege der Ersatzvornahme. Die Forderung auf Kostenersatz richtet sich gegen den Schuldner. An der Restschuldbefreiung nahm die Forderung mangels Charakters als Insolvenzforderung nicht teil.

678 Besteht eine Umwelthaftpflichtversicherung und erklärt sich der Versicherer auf eine Schadensmeldung des Versicherungsnehmers nicht eindeutig diesem 128

VIII. Pflichtigkeit des Verwalters nach Ordnungsrecht

gegenüber, so wird dieser gegenüber dem Geschädigten, der Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat, in eine Situation der Unklarheit gebracht, wenn der Geschädigte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Forderung zur Tabelle anmeldet. Entschließt der Verwalter sich, der geltend gemachten Forderung nicht zu widersprechen, so liegt darin keine Verletzung des Anerkenntnisverbots, wenn der Versicherer es in der Zeit davor unterlassen hat, die Haftpflichtfrage zu prüfen und unberechtigte Ansprüche abzuwehren, sowie den Ersatz der Entschädigung im Falle bestehenden Deckungsschutzes. Unterlässt er eine Prüfung und eine klare Äußerung zum Deckungsschutz, und widerspricht daraufhin der Insolvenzverwalter der angemeldeten Forderung nicht, so liegt darin kein Verstoß gegen das Anerkenntnisverbot. Der Versicherer kann sich hierauf auch nicht haftungsbefreiend berufen. LG Dortmund, Urt. v. 1.4.2010 – 2 O 355/09, ZInsO 2011, 1416 ff.

Damit liegt in dem Verhalten auch keine Verletzung von Pflichten, die nach 679 § 60 InsO haftungsbewehrt sind.

129

Vertrag

deliktische Haftung

Halterhaftung

quasi vertr. Haftung

§ 823 I/II BGB

allgemeine zivilrechtliche Haftung

sonstige Patentrecht etc.

nach allg. Norm

bes. Situation gegenüber Massegläubigern

spezielle zivilrechtliche Haftung

zivilrechtliche Haftung

Persönliche Haftung des Verwalters

Anhang 1 – Übersicht: Persönliche Haftung des Verwalters

§ 69 AO

§ 321 SGB III

allg. Polizeirecht

öffentlich-rechtliche Haftung und Verantwortlichkeit

Anhang 1

131

Haftung gem. § 61 InsO

Insolvenzverwalter

_

Eingehung einer Verbindlichkeit trotz fehlender Möglichkeit, sie mit Massemitteln vollständig zu erfüllen Schaden Verschulden wird widerleglich vermutet, § 61 S. 2 InsO

Sorgfalt eines ordentlichen gewissenhaften Insolvenzverwalters § 60 Abs. 1 S. 2 InsO

Haftung gem. §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB

Dritter der besonderes Vertrauensverhältnis begründet hat (§ 311 Abs. 3 BGB)

Vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 Abs. 2 BGB

Verletzung einer Pflicht zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB)

Schaden

Verschulden wird widerleglich vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB)

Verschuldensmaßstab: § 276 BGB

Sorgfalt eines ordentlichen gewissenhaften Insolvenzverwalters § 60 Abs. 1 S. 2 InsO

Verschulden erforderlich, Darlegungs- und Beweislast trägt Geschädigter

Schaden

Verletzung einer nach der InsO obliegenden Pflicht

_

Insolvenzverwalter

Haftung gem. § 60 InsO

Anhang 2 – Übersicht: Bürgerliche und insolvenzrechtliche Haftung des Verwalters im Vergleich

Anhang 2

133

134 Zurechnung des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen: § 278 BGB, mit der Besonderheit bei notwendiger Verwendung von Angestellten des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit, keine Zurechnung, wenn diese nicht offensichtlich ungeeignet sind; dann Verantwortung nur für Überwachung und Entscheidung von besonderer Bedeutung (§ 60 Abs. 2 InsO).

§ 62 InsO, maximale Dauer drei Jahre ab der Aufhebung oder Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 62 S. 2 InsO).

Zurechnung des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen: § 278 BGB

Verjährung: §§ 195, 199 BGB, maximale Dauer ist länger: § 199 Abs. 3 BGB

Fortsetzung

§ 62 InsO, maximale Dauer drei Jahre ab der Aufhebung oder Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 62 S. 2 InsO).

Zurechnung des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen: § 278 BGB, mit der Besonderheit bei notwendiger Verwendung von Angestellten des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit, keine Zurechnung, wenn diese nicht offensichtlich ungeeignet sind; dann Verantwortung nur für Überwachung und Entscheidung von besonderer Bedeutung (§ 60 Abs. 2 InsO).

Anhang 2

AO (Auszug)

Anhang 3 – Gesetzestexte Abgabenordnung (AO) § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter (1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. (2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben. (3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht. § 35 Pflichten des Verfügungsberechtigten Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. § 69 Haftung der Vertreter Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. § 169 Festsetzungsfrist (1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für

135

Anhang 3

die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist 1. der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder 2. bei öffentlicher Zustellung die Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes bekannt gemacht oder veröffentlicht wird. (2) Die Festsetzungsfrist beträgt: 1. ein Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen, 2. vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind. Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat. § 191 Haftungsbescheide, Duldungsbescheide (1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich zu erteilen. (2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind. (3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt

136

BBodSchG (Auszug)

vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist. (4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind. (5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen, 1. soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann, 2. soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist. Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat. Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) §4 Pflichten zur Gefahrenabwehr (1) Jeder, der auf den Boden einwirkt, hat sich so zu verhalten, daß schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden. (2) Der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen. (3) Der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, daß dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Soweit dies nicht möglich oder unzumutbar ist, sind sonstige Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen durchzuführen. Zur Sanierung ist auch verpflichtet, 137

Anhang 3

wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast belastet ist, gehört, und wer das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt. (4) Bei der Erfüllung der boden- und altlastenbezogenen Pflichten nach den Absätzen 1 bis 3 ist die planungsrechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks und das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis zu beachten, soweit dies mit dem Schutz der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Bodenfunktionen zu vereinbaren ist. Fehlen planungsrechtliche Festsetzungen, bestimmt die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung das Schutzbedürfnis. Die bei der Sanierung von Gewässern zu erfüllenden Anforderungen bestimmen sich nach dem Wasserrecht. (5) Sind schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nach dem 1. März 1999 eingetreten, sind Schadstoffe zu beseitigen, soweit dies im Hinblick auf die Vorbelastung des Bodens verhältnismäßig ist. Dies gilt für denjenigen nicht, der zum Zeitpunkt der Verursachung auf Grund der Erfüllung der für ihn geltenden gesetzlichen Anforderungen darauf vertraut hat, daß solche Beeinträchtigungen nicht entstehen werden, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist. (6) Der frühere Eigentümer eines Grundstücks ist zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen mußte. Dies gilt für denjenigen nicht, der beim Erwerb des Grundstücks darauf vertraut hat, daß schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nicht vorhanden sind, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist. § 10 Sonstige Anordnungen (1) Zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und den auf Grund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen. Werden zur Erfüllung der Verpflichtung aus § 4 Abs. 3 und 6 Sicherungsmaßnahmen angeordnet, kann die zuständige Behörde verlangen, daß der Verpflichtete für die Aufrechterhaltung der Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen in der Zukunft Sicherheit leistet. Anordnungen zur Erfüllung der Pflichten nach § 7 dürfen getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung festgelegt sind. Die zuständige Behörde darf eine Anordnung nicht treffen, wenn sie auch im Hinblick auf die berechtigten Nutzungsinteressen einzelner unverhältnismäßig wäre. (2) Trifft die zuständige Behörde gegenüber dem Grundstückseigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Erfüllung der Pflichten nach § 4 Anordnungen zur Beschränkung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung sowie zur Bewirtschaftung von Böden, so hat sie, wenn diese nicht 138

BImSchG (Auzug)

Verursacher der schädlichen Bodenveränderungen sind, für die nach zumutbaren innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen verbliebenen wirtschaftlichen Nachteile nach Maßgabe des Landesrechts einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, wenn die Nutzungsbeschränkung andernfalls zu einer über die damit verbundene allgemeine Belastung erheblich hinausgehenden besonderen Härte führen würde. Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) §5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen (1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; 2. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; 3. Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; 4. Energie sparsam und effizient verwendet wird. (2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

139

Anhang 3

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung 1. von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, 2. vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und 3. die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Betriebsgeländes gewährleistet ist. (4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend. Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) §4 Geschäftskosten, Haftpflichtversicherung (1) Mit der Vergütung sind die allgemeinen Geschäftskosten abgegolten. Zu den allgemeinen Geschäftskosten gehört der Büroaufwand des Insolvenzverwalters einschließlich der Gehälter seiner Angestellten, auch soweit diese anlässlich des Insolvenzverfahrens eingestellt worden sind. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, zur Erledigung besonderer Aufgaben im Rahmen der Verwaltung für die Masse Dienst- oder Werkverträge abzuschließen und die angemessene Vergütung aus der Masse zu zahlen. (2) Besondere Kosten, die dem Verwalter im Einzelfall, zum Beispiel durch Reisen, tatsächlich entstehen, sind als Auslagen zu erstatten. (3) Mit der Vergütung sind auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung abgegolten. Ist die Verwaltung jedoch mit einem besonderen Haftungsrisiko verbunden, so sind die Kosten einer angemessenen zusätzlichen Versicherung als Auslagen zu erstatten

140

KrWG (Auzug)

§5 Einsatz besonderer Sachkunde (1) Ist der Insolvenzverwalter als Rechtsanwalt zugelassen, so kann er für Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen. (2) Ist der Verwalter Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater oder besitzt er eine andere besondere Qualifikation, so gilt Absatz 1 entsprechend. Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) §3 Begriffsbestimmungen (1) Abfälle im Sinne dieses Gesetzes sind alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung. (2) Eine Entledigung im Sinne des Absatzes 1 ist anzunehmen, wenn der Besitzer Stoffe oder Gegenstände einer Verwertung im Sinne der Anlage 2 oder einer Beseitigung im Sinne der Anlage 1 zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. (3) Der Wille zur Entledigung im Sinne des Absatzes 1 ist hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, 1. die bei der Energieumwandlung, Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist, oder 2. deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen. (4) Der Besitzer muss sich Stoffen oder Gegenständen im Sinne des Absatzes 1 entledigen, wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, auf Grund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden und deren Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann.

141

Anhang 3

(5) Gefährlich im Sinne dieses Gesetzes sind die Abfälle, die durch Rechtsverordnung nach § 48 Satz 2 oder auf Grund einer solchen Rechtsverordnung bestimmt worden sind. Nicht gefährlich im Sinne dieses Gesetzes sind alle übrigen Abfälle. (6) Inertabfälle im Sinne dieses Gesetzes sind mineralische Abfälle, 1. die keinen wesentlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen unterliegen, 2. die sich nicht auflösen, nicht brennen und nicht in anderer Weise physikalisch oder chemisch reagieren, 3. die sich nicht biologisch abbauen und 4. die andere Materialien, mit denen sie in Kontakt kommen, nicht in einer Weise beeinträchtigen, die zu nachteiligen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führen könnte. Die gesamte Auslaugbarkeit und der Schadstoffgehalt der Abfälle sowie die Ökotoxizität des Sickerwassers müssen unerheblich sein und dürfen insbesondere nicht die Qualität von Oberflächen- oder Grundwasser gefährden. (7) Bioabfälle im Sinne dieses Gesetzes sind biologisch abbaubare pflanzliche, tierische oder aus Pilzmaterialien bestehende 1. Garten- und Parkabfälle, 2. Landschaftspflegeabfälle, 3. Nahrungs- und Küchenabfälle aus Haushaltungen, aus dem Gaststättenund Cateringgewerbe, aus dem Einzelhandel und vergleichbare Abfälle aus Nahrungsmittelverarbeitungsbetrieben sowie 4. Abfälle aus sonstigen Herkunftsbereichen, die den in den Nummern 1 bis 3 genannten Abfällen nach Art, Beschaffenheit oder stofflichen Eigenschaften vergleichbar sind. (8) Erzeuger von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, 1. durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Ersterzeuger) oder 2. die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vornimmt, die eine Veränderung der Beschaffenheit oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken (Zweiterzeuger). (9) Besitzer von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. (10) Sammler von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, das heißt, aus Anlass einer anderweitigen gewerblichen oder wirt142

PatG (Auzug)

schaftlichen Tätigkeit, die nicht auf die Sammlung von Abfällen gerichtet ist, Abfälle sammelt. (11) Beförderer von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, das heißt, aus Anlass einer anderweitigen gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf die Beförderung von Abfällen gerichtet ist, Abfälle befördert. (12) Händler von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, das heißt, aus Anlass einer anderweitigen gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf das Handeln mit Abfällen gerichtet ist, oder öffentlicher Einrichtungen in eigener Verantwortung Abfälle erwirbt und weiterveräußert; die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft über die Abfälle ist hierfür nicht erforderlich. (13) Makler von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, das heißt, aus Anlass einer anderweitigen gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf das Makeln von Abfällen gerichtet ist, oder öffentlicher Einrichtungen für die Bewirtschaftung von Abfällen für Dritte sorgt; die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft über die Abfälle ist hierfür nicht erforderlich. … Patentgesetz (PatG) § 139 (1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. (2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte. (3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die

143

Anhang 3

berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungsund Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) § 169 Anspruchsübergang Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur über. § 165 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die gegen die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung findet gegen die Bundesagentur statt. § 175 Zahlung von Pflichtbeiträgen bei Insolvenzereignis (1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Vierten Buches, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist, zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle; davon ausgenommen sind Säumniszuschläge, die infolge von Pflichtverletzungen des Arbeitgebers zu zahlen sind, sowie die Zinsen für dem Arbeitgeber gestundete Beiträge. Die Einzugsstelle hat der Agentur für Arbeit die Beiträge nachzuweisen und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigungszeit und das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt einschließlich des Arbeitsentgelts, für das Beiträge nach Satz 1 gezahlt werden, dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitgeteilt werden. Die §§ 166, 314, 323 Absatz 1 Satz 1 und § 327 Absatz 3 gelten entsprechend. (2) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 Satz 1 genannten Beiträge bleiben gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Soweit Zahlungen geleistet werden, hat die Einzugsstelle der Agentur für Arbeit die nach Absatz 1 Satz 1 gezahlten Beiträge zu erstatten. § 312 Arbeitsbescheinigung (1) Der Arbeitgeber hat auf Verlangen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers oder auf Verlangen der Bundesagentur alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erheblich sein können (Arbeitsbescheinigung); dabei hat er den von der Bundesagentur hierfür vorgesehenen Vordruck zu benutzen. In der Arbeitsbescheinigung sind insbesondere 1. die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers,

144

SGB III (Auzug)

2. Beginn, Ende, Unterbrechungen und Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und 3. das Arbeitsentgelt und die sonstigen Geldleistungen, die der Arbeitnehmer erhalten oder zu beanspruchen hat, anzugeben. Die Arbeitsbescheinigung ist dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen. (2) Macht der Arbeitgeber geltend, die Arbeitslosigkeit sei die Folge eines Arbeitskampfes, so hat er dies darzulegen, glaubhaft zu machen und eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen. Der Arbeitgeber hat der Betriebsvertretung die für die Stellungnahme erforderlichen Angaben zu machen. (3) Für Zwischenmeister und andere Auftraggeber von Heimarbeitern sowie für Leistungsträger und Unternehmen, die Beiträge nach diesem Buch für Bezieher von Sozialleistungen oder Krankentagegeld zu entrichten haben, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. (4) Nach Beendigung des Vollzuges einer Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozeßordnung hat die Vollzugsanstalt dem Entlassenen eine Bescheinigung über die Zeiten auszustellen, in denen er innerhalb der letzten sieben Jahre vor der Entlassung als Gefangener versicherungspflichtig war. § 313 Nebeneinkommensbescheinigung (1) Wer jemanden, der Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld, Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld (laufende Geldleistungen) beantragt hat oder bezieht, gegen Arbeitsentgelt beschäftigt oder gegen Vergütung eine selbständige Tätigkeit überträgt, ist verpflichtet, diesem unverzüglich Art und Dauer der Beschäftigung oder der selbständigen Tätigkeit sowie die Höhe des Arbeitsentgelts oder der Vergütung für die Zeiten zu bescheinigen, für die diese Leistung beantragt worden ist oder bezogen wird. Er hat dabei den von der Bundesagentur vorgesehenen Vordruck zu benutzen. Die Bescheinigung über das Nebeneinkommen ist dem Bezieher der Leistung vom Dienstberechtigten oder Besteller unverzüglich auszuhändigen. (2) Wer eine laufende Geldleistung beantragt hat oder bezieht und Dienstoder Werkleistungen gegen Vergütung erbringt, ist verpflichtet, dem Dienstberechtigten oder Besteller den für die Bescheinigung des Arbeitsentgelts oder der Vergütung vorgeschriebenen Vordruck unverzüglich vorzulegen. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Personen, die Kurzarbeitergeld beziehen oder für die Kurzarbeitergeld beantragt worden ist, entsprechend.

145

Anhang 3

§ 313a Elektronische Bescheinigung Die Bescheinigungen nach den §§ 312, 312a und 313 können von dem Bescheinigungspflichtigen der Bundesagentur elektronisch unter den Voraussetzungen des § 23c Absatz 2a des Vierten Buches übermittelt werden, es sei denn, dass die Person, für die eine Bescheinigung nach den §§ 312 und 313 auszustellen ist, der Übermittlung widerspricht. Die Person, für die die Bescheinigung auszustellen ist, ist von dem Bescheinigungspflichtigen in allgemeiner Form schriftlich auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen. § 312 Absatz 1 Satz 3 und § 313 Absatz 1 Satz 3 finden keine Anwendung; die Bundesagentur hat der Person, für die eine Bescheinigung nach den §§ 312 und 313 elektronisch übermittelt worden ist, unverzüglich einen Ausdruck der Daten zuzuleiten. § 314 Insolvenzgeldbescheinigung (1) Die Insolvenzverwalterin oder der Insolvenzverwalter hat auf Verlangen der Agentur für Arbeit für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer, für die oder den ein Anspruch auf Insolvenzgeld in Betracht kommt, Folgendes zu bescheinigen: 1. die Höhe des Arbeitsentgelts für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses, die der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorausgegangen sind, sowie 2. die Höhe der gesetzlichen Abzüge und derjenigen Leistungen, die zur Erfüllung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt erbracht worden sind. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Höhe von Entgeltteilen, die gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und vom Arbeitgeber nicht an den Versorgungsträger abgeführt worden sind. Dabei ist anzugeben, welcher Durchführungsweg und welcher Versorgungsträger für die betriebliche Altersversorgung gewählt worden ist. Er hat auch zu bescheinigen, inwieweit die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gepfändet, verpfändet oder abgetreten sind. Dabei hat er den von der Bundesagentur vorgesehenen Vordruck zu benutzen. Wird die Insolvenzgeldbescheinigung durch den Insolvenzverwalter nach § 36a des Ersten Buches übermittelt, sind zusätzlich die Anschrift und die Daten des Überweisungsweges mitzuteilen. (2) In den Fällen, in denen ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird oder nach § 207 der Insolvenzordnung eingestellt worden ist, sind die Pflichten des Insolvenzverwalters vom Arbeitgeber zu erfüllen. § 316 Auskunftspflicht bei Leistung von Insolvenzgeld (1) Der Arbeitgeber, der Insolvenzverwalter, die Arbeitnehmer sowie sonstige Personen, die Einblick in die Arbeitsentgeltunterlagen hatten, sind verpflichtet, 146

SGB III (Auzug)

der Agentur für Arbeit auf Verlangen alle Auskünfte zu erteilen, die für die Durchführung der §§ 165 bis 171, 175, 320 Absatz 2, des § 327 Abs. 3 erforderlich sind. (2) Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer sowie sonstige Personen, die Einblick in die Arbeitsentgeltunterlagen hatten, sind verpflichtet, dem Insolvenzverwalter auf Verlangen alle Auskünfte zu erteilen, die er für die Insolvenzgeldbescheinigung nach § 314 benötigt. § 320 Berechnungs-, Auszahlungs-, Aufzeichnungs- und Anzeigepflichten (1) Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen die Voraussetzungen für die Erbringung von Kurzarbeitergeld und Wintergeld nachzuweisen. Er hat diese Leistungen kostenlos zu errechnen und auszuzahlen. Dabei hat er beim Kurzarbeitergeld von den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte in dem maßgeblichen Antragszeitraum auszugehen; auf Grund einer Bescheinigung der für den Arbeitnehmer zuständigen Agentur für Arbeit hat er den erhöhten Leistungssatz auch anzuwenden, wenn ein Kind auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers nicht bescheinigt ist. (2) Die Insolvenzverwalterin oder der Insolvenzverwalter hat auf Verlangen der Agentur für Arbeit das Insolvenzgeld zu errechnen und auszuzahlen, wenn ihr oder ihm dafür geeignete Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer des Betriebs zur Verfügung stehen und die Agentur für Arbeit die Mittel für die Auszahlung des Insolvenzgeldes bereitstellt. Für die Abrechnung ist der von der Bundesagentur vorgesehene Vordruck zu benutzen. Kosten werden nicht erstattet. (3) Arbeitgeber, in deren Betrieben Wintergeld geleistet wird, haben für jeden Arbeitstag während der Dauer der beantragten Förderung Aufzeichnungen über die im Betrieb oder auf der Baustelle geleisteten sowie die ausgefallenen Arbeitsstunden zu führen. Arbeitgeber, in deren Betrieben Saison-Kurzarbeitergeld geleistet wird, haben diese Aufzeichnungen für jeden Arbeitstag während der Schlechtwetterzeit zu führen. Die Aufzeichnungen nach S. 1 und 2 sind vier Jahre aufzubewahren. (4) Arbeitgeber, in deren Betrieben Kurzarbeitergeld geleistet wird, haben der Agentur für Arbeit jeweils zum Quartalsende Auskünfte über Betriebsart, Beschäftigtenzahl, Zahl der Kurzarbeiter, Ausfall der Arbeitszeit und bisherige Dauer, Unterbrechung oder Beendigung der Kurzarbeit für die jeweiligen Kalendermonate des Quartals zu erteilen. Arbeitgeber, in deren Betrieben Saison-Kurzarbeitergeld geleistet wird, haben die Auskünfte nach Satz 1 bis zum 15. des Monats zu erteilen, der dem Monat folgt, in dem die Tage liegen, für die Saison-Kurzarbeitergeld ausgezahlt wird. (4a) Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit die Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen nachzuweisen. Auf Anforderung der Agentur für Arbeit hat der Arbeit147

Anhang 3

geber das Ergebnis von Maßnahmen zur Feststellung der Eingliederungsaussichten mitzuteilen. (5) Arbeitgeber, in deren Betrieben ein Arbeitskampf stattfindet, haben bei dessen Ausbruch und Beendigung der Agentur für Arbeit unverzüglich Anzeige zu erstatten. Die Anzeige bei Ausbruch des Arbeitskampfes muß Name und Anschrift des Betriebes, Datum des Beginns der Arbeitseinstellung und Zahl der betroffenen Arbeitnehmer enthalten. Die Anzeige bei Beendigung des Arbeitskampfes muß außer Name und Anschrift des Betriebes, Datum der Beendigung der Arbeitseinstellung, Zahl der an den einzelnen Tagen betroffenen Arbeitnehmer und Zahl der durch Arbeitseinstellung ausgefallenen Arbeitstage enthalten. § 321 Schadensersatz Wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. eine Arbeitsbescheinigung nach § 312, eine Nebeneinkommensbescheinigung nach § 313 oder eine Insolvenzgeldbescheinigung nach § 314 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig ausfüllt, 2. eine Auskunft auf Grund der allgemeinen Auskunftspflicht Dritter nach § 315, der Auskunftspflicht bei beruflicher Aus- und Weiterbildung und bei einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 318 oder der Auskunftspflicht bei Leistung von Insolvenzgeld nach § 316 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt, 3. als Arbeitgeber seine Berechnungs-, Auszahlungs-, Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten bei Kurzarbeitergeld, Wintergeld und Leistungen zur Förderung von Transfermaßnahmen nach § 320 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 3 und 4a nicht erfüllt, 4. als Insolvenzverwalter die Verpflichtung zur Errechnung und Auszahlung des Insolvenzgeldes nach § 320 Abs. 2 Satz 1 nicht erfüllt, ist der Bundesagentur zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) § 28d Gesamtsozialversicherungsbeitrag Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Satz 1 gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Kran-

148

Insolvenzgeld-DA, DA Verfahren (Auzug)

kenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Die nicht nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten gelten zusammen mit den Beiträgen zur Rentenversicherung und Arbeitsförderung im Sinne des Satzes 1 ebenfalls als Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Sammelweisungen Insolvenzgeld (Insolvenzgeld-DA) DA Verfahren 4. Auskunftspflicht … (5) Verletzung der Auskunftspflicht Die Verletzung der Auskunftspflicht nach § 316 SGB III stellt eine Ordnungswidrigkeit i. S. des § 404 Abs. 2 Nr. 23 SGB III dar, die mit einer Geldbuße bis zu 2.000,– € (§ 404 Abs. 3 SGB III i. d. F. des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung) geahndet werden kann. Daneben besteht Anspruch auf Schadensersatz gem. § 321 Nr. 2 SGB III, wenn die Auskunftspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt und hierdurch eine Überzahlung verursacht wurde. Verstöße gegen die Auskunftspflichten können nicht nur als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden; § 66 Abs. 1 SGB X eröffnet zusätzlich die Möglichkeit, mit Zwangsmitteln nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) vorzugehen. Solche Zwangsmittel können auch neben einer verhängten Geldbuße angedroht werden (vgl. § 13 Abs. 6 VwVG). Die Anwendung des VwVG dürfte insbesondere in den Fällen in Frage kommen, in denen sich der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 316 SGB III vorsätzlich entzieht. Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten wird durch die Anwendung coLei PC OWi unterstützt. 5. Ausstellung und Prüfung der Insolvenzgeldbescheinigung … (14) Verletzung der Nachweispflicht Die Verletzung der Nachweispflicht nach § 314 Abs. 1 oder 2 SGB III ist gem. § 404 Abs. 2 Nr. 22, Abs. 3 SGB III mit einer Geldbuße bis zu 2.000 € bedroht. Außerdem kann ein Schadensersatzanspruch gem. § 321 Nr. 1 SGB III bestehen. Im Übrigen gilt DA 4. Abs. 5/Verfahren entsprechend.

149

Stichwortverzeichnis

Abdingbarkeit – der Haftung 202 Abfallbesitz 667, s. auch Altlasten Abgabenrecht – Grundsatz anteiliger Tilgung der Forderung 642 – Haftung nach 624, 639 – Verbindlichkeiten nach 391 Absonderungsberechtigte 114 – Hinweis auf günstigere Verwertungsmöglichkeit 162 – Pflichten ggü. 137 – Pflicht zur unverzüglichen Befriedigung 155 Altlasten 671 Altmassegläubiger 186 Anderkonto 232 ff. Anspruch der Masse – Geldendmachung 539 ff. Arbeitsbescheinigung 578, 601 Auffanggesellschaft 156, 212, 241 Aufsicht – des Insolvenzgerichts über den Verwalter 8 – Mittel der 8 Ausfallschaden 398 Auskünfte 10, 244, 602 Auskunftspflichten 143 Aussonderungsberechtigte 109 Aussonderungsrecht – des Vermieters 134

Bericht über Sachstand

10 Bescheinigungen – (Pflicht zur) Erstellung von 389, 578, 602 – Nebeneinkunftsbescheinigung 601 Besonderes Vertrauensverhältnis 88, 369 Betreiber i. S. d. Immissionsschutzrechts 664

Betriebsfortführung 2, 4, 220 Business Judgment Rule 279

Dereliktion

672

Eigenbesitz 129 Eigentum – Eigentumsvermutung 128 – Nachforschungspflicht des Insolvenzverwalters 124 Eigenverwaltender Schuldner 529 ff. Einstandserklärung (des schwachen vorläufigen Verwalters) 521, s. auch Garantieerklärung Einzelschaden s. Schaden Entlassung (des Insolvenzverwalters) 13, 298 Entlastungsbeweis 417, 430 Erbschaft 253 Erfüllungsgehilfe(n) s. Hilfspersonen/Hilfskräfte Eröffnungsverfahren 2 Ersatzaussonderung 131 Ersatz des negativen Interesses 326 Exklusivitätsvereinbarung 243 Externe Verantwortlichkeit 96 Finanzplan s. Liquiditäts- und Finanzplan Forderungsanmeldung – Hinweispflicht auf unzureichende 205 Freigabe – eines Grundstücks 309 ff., 666 ff. – von Massegegenständen 309 – von Wohnungseigentum 312 Freistellung von Arbeitnehmern 586

151

Stichwortverzeichnis

Garantieerklärung

88, 371, 521 Gesamtschaden s. Schaden Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger 229, 320 Gutachter – Haftung des 2 Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung 7

Haftung vgl. auch Pflichten – abgabenrechtliche 624, 639 – aus Garantieerklärung 88, 371 – bei Begründung neuer Masseverbindlichkeiten 218, 341, 379 – bei rechtsgeschäftlicher Masseschuldbegründung 390 – bei Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten 562 ff. – besondere Haftungsbestimmungen 81 – der Masse 59, 112 – der Masse aus ungerechtfertigter Bereicherung 393 – des Gutachters 2 – des vorläufigen Insolvenzverwalters 91, 363, 460, 469 – externe Verantwortlichkeit 96 – für Prozesskosten/wg. Prozessführung 247, 409 – für Verletzung sozialrechtlicher Pflichten 598 – im Lastschriftverfahren 486 ff. – im Planverfahren 258 – Innenhaftung 96 – nach bürgerlichem Recht 350 – nach Ordnungsrecht s. Ordnungspflichtigkeit des Verwalters – Sachwalterhaftung 330 – wg. unrichtiger Belehrung 482 – wg. unterlassener Kündigung 574 Haftungsanspruch – Gleichrangigkeit Erfüllung und Haftung 64

152

– Primäranspruch auf Erfüllung gegen Masse 64 Hilfspersonen/Hilfskräfte 282, 440 – Beschäftigung 68 – Überwachung 201 – Zurechnung von Verschulden 97, 282, 367, 450 Hinterlegungsstelle 208, 256

Indienstnahmeverhältnis 600 Innenhaftung 96 Insolvenzgeld 565 – Beantragung 563 – Bescheinigung über 578, 602 – verspätete Beantragung durch Verwalter 568 Insolvenzplan – Überwachung der Plandurchführung 271 – Vorlagepflicht 267 Insolvenzverwalter – Aufsicht des Gerichts 8 – Entlassung 13, 298 – insolvenzzweckwidriges Handeln 29, 233 – Pflichten 79, s. Pflichten – Stellung 47 – Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 55 – vorläufiger s. vorläufiger Insolvenzverwalter Kündigung – durch Verwalter als Arbeitgeber 572 – Haftung bei unterlassener 574

Lastschriftverfahren

484 ff. – konkludente Genehmigung 500 – Schonvermögen 486 ff. – SEPA-Verfahren 518 – Widerspruch 495 f.

Stichwortverzeichnis

Liquidation des Unternehmens 4 Liquiditäts- und Finanzplanung 418, 427, 432, 434, 447, 454, 473

Masse – Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung 393 – Haftung der 59, 112 Masseerhaltung 233, 525 Massegegenstände – Freigabe 309, 312 – Veräußerung 577 Massegläubiger – Altmassegläubiger 186 – neue 178, 461, 478 Masseschädigung/Masseschmälerung – durch Verwalter 222 – Schadensersatz 567 Masseunzulänglichkeit 581 – Anzeige 181 – drohende 196 Masseverbindlichkeiten 93 – aufgezwungene/oktroyierte 276, 313, 395, 580 – Begründung durch Prozessvergleich 396 – Begründung durch Unterlassen der Kündigung 399 – Begründung kraft Ermächtigung 469 – Haftung bei Begründung neuer 218, 341, 379 – rechtsgeschäftliche Begründung 390 – Verursachung von Verfahrenskosten 401 Mietvertrag 132 ff., 255 Missbrauch der Vertretungsmacht 35

Nacherbe 256 Nebeneinkunftsbescheinigung 601 Negatives Interesse – Ersatz des 326

Obhutspflichten 139 Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit 90 Ordnungspflichtigkeit des Verwalters 658 ff. – Gefahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 660 – im Eröffnungszeitpunkt bestehende Gefahrenlage 663 – Zustandshaftung 670 Patentrechte 82 Pfandverwertung 522 ff. Pflichten des Insolvenzverwalters – Auskunftspflichten 143, 602 – Bescheinigungspflichten 601, 602 – des vorläufigen Verwalters zur Unternehmensfortführung 474 – ggü. Absonderungsberechtigten 137, 155 – ggü. Aussonderungsberechtigten 109 – ggü. Vermieter bei Mieterinsolvenz 316 – Hinweispflicht 205 – im Planverfahren 258 – Inbesitznahme 137 – insolvenzspezifische Pflicht(en) 94, 104 – Mitteilung der Verwertung 159 – Nachforschungspflichten bezüglich Eigentum 124 – Obhutspflichten 139 – ordnungsrechtliche Pflichten s. Ordnungspflichtigkeit des Verwalters – sachgemäße Verwertung 155 – sorgfältige Behandlung/ Verwahrung 122 – sozialrechtliche Pflichten 598 ff. – steuerliche Pflichten 250

153

Stichwortverzeichnis

– Ersatz des negativen Interesses 326 – Gesamtschaden 100, 298, 321, 322 – Quotenverringerungsschaden 319 – Verfrühungsschaden 573 Selbsteintrittsrecht 165 Sicherheitenpool 198, 350 Sonderinsolvenzverwalter 300 – Beschluss über Bestellung 300 Sonderkonto 238, 375 Sozialabgaben 611

– Umsatzsteuerpflichten 276 – unverzügliche Befriedigung d. Absonderungsberechtigten 155 – Verkehrssicherungspflichten 82, 239 – vertragliche Nebenpflichten 83 – vorvertragliche Pflichten 83 – zur Abführung von Sozialabgaben 611 – zur Vorlage eines Insolvenzplans 267 Pflichtverletzung s. Pflichten Planverfahren 2, 258 Prozessfinanzierung 226, 468 Prozessführung – deliktische Haftung 409 – des vorläufigen Insolvenzverwalters 468 Prozessführungsbefugnis – bei Gesamtschaden 321 Prozesskosten 247, 401 Prozesskostenhilfe 226, 468

gaben auf Dritte 285, 440 Überzahlungen 604 Unternehmensfortführung des vorläufigen Insolvenzverwalters 474 Unterverpachtung 255

Quotenverringerungsschaden

Verarbeitung

s. Schaden

Räumungskosten 331 Rechtliches Gehör 18 Rechtsauskünfte 244 Rechtshandlung – Begriff der 387 Rechtswegzuständigkeit – bei Schadensersatzstreitigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen 591 Risikoausschlussgrund 657 Rückgabe – Verzögerung/Vereitelung 132 Sachwalterhaftung

330 Schaden – Abtretung des Anspruches auf die Quote 329 – Einzelschaden 100

154

Trennungsprinzip – versicherungsrechtliches 655

Übertragung von Verwalterauf-

150, 333 Veranlagung zur Einkommenssteuer 84 f., 664 Veräußerung – freihändige 67, 159, 171 f., 523 ff. Verfrühungsschaden s. Schaden Vergleich 46, 200, 396 f., 420 ff. Vergütung 73 – des vorläufigen Insolvenzverwalters 22 – Verwirkung des Anspruches auf 13, 23 Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der 13 ff. – Verjährung 98, 334 – bei Gesamtschaden 322 Verkehrssicherungspflicht 82, 239 Verschulden – Maßstab 273 – mitwirkendes 288

Stichwortverzeichnis

– Zurechnung von 97, 282, 367, 450 Versicherungsschutz 644 ff. – Berufshaftpflicht 650 – Kosten der Versicherung 645 – Risikoausschlussklausel 651 f. – Schäden durch Mitarbeiter 649 Vertragliche Ausgleichsansprüche 122 Vertragliche Verpflichtungen des Verwalters 66 Vertrag mit Schutzwirkung 138 Vertrauenstatbestand 392 Vertretungsmacht – Missbrauch der 35 Verwalter s. Insolvenzverwalter Verwertung (freiwillige) 159 Vorläufiger Insolvenzverwalter – Haftung 91, 460 – halbstarker 2 – schwacher 2, 363, 521 – starker 460 – Vergütung 22 – Verpflichtung zur Unternehmensfortführung 474

Widerspruch gegen Belastungsbuchung 484 ff. Wohnungseigentum – Freigabe 312

Zurechnung – des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen 97, 282, 367, 450 – von (deliktischen) Handlungen des Insolvenzverwalters 53, 54, 240 Zustandshaftung 670 Zustimmung – als Mittel der Haftungserleichterung 472 – Erforderlichkeit der 294 – der Gläubigerversammlung 289 – des Gerichts 472, 476 – des Gläubigerausschusses 289 – unterbliebene Einholung (beim Mietvertrag) 134 Zwangsgeld 10 Zwischenbilanz 455

155