Betriebsfestigkeit: Bauteile sicher auslegen! [1. Aufl.] 9783658311681, 9783658311698

Dieses verständlich geschriebene Lehrbuch in praxisorientierter Darstellung schließt erstmalig die Lücke zwischen Lehrbü

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German Pages XVII, 362 [369] Year 2020

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Betriebsfestigkeit: Bauteile sicher auslegen! [1. Aufl.]
 9783658311681, 9783658311698

Table of contents :
Front Matter ....Pages i-xvii
Einleitung (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 1-10
Schwingfestigkeit (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 11-35
Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 37-66
Statistische Grundlagen (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 67-94
Lastannahme (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 95-122
Bauteilbeanspruchung (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 123-151
Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 153-173
Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 175-223
Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 225-265
Experimenteller Festigkeitsnachweis (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 267-303
Bruchmechanische Grundlagen (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 305-313
Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 315-328
Erfahrungswerte zur Streuung der Schwingfestigkeit (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 329-330
Ergebnisse der Aufgaben (Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz)....Pages 331-336
Back Matter ....Pages 337-362

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Sebastian Götz Klaus-Georg Eulitz

Betriebsfestigkeit Bauteile sicher auslegen!

Betriebsfestigkeit

Sebastian Götz · Klaus-Georg Eulitz

Betriebsfestigkeit Bauteile sicher auslegen!

Sebastian Götz HTW Berlin Berlin, Deutschland [email protected]

Klaus-Georg Eulitz Institut für Festkörpermechanik Technische Universität Dresden Dresden, Deutschland

ISBN 978-3-658-31168-1 ISBN 978-3-658-31169-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Thomas Zipsner Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Hält’s oder hält’s nicht? Viele Ingenieure1 aus den Bereichen Entwicklung, Berechnung oder Versuch sehen sich früher oder später mit genau dieser Fragestellung konfrontiert. Und wenn es denn hält, schließt sich oft die Frage an, wie sicher das konstruierte Bauteil ist und ob es nicht etwa überdimensioniert und damit zu schwer und zu teuer sei. Eine Antwort darauf kann mit Hilfe der Betriebsfestigkeit gefunden werden. Mit ihr wird nachgewiesen, ob ein Bauteil die geforderte Lebensdauer unter allen im Betrieb auftretenden Belastungen mit ausreichender Sicherheit erreicht. Häufig erfolgt dieser Nachweis als rechnerischer Festigkeitsnachweis auf Grundlage von Normen und Richtlinien. Dabei ist es unerlässlich, die Hintergründe und Anwendungsgrenzen der Verfahren zu kennen und zu verstehen. Beim Einstieg erscheint die Betriebsfestigkeit durch das Zusammenspiel mit vielen verschiedenen Fachgebieten, wie z. B. der Technischen Mechanik, der Werkstoffwissenschaft, der Messtechnik, der Statistik und der Fertigungstechnik, kompliziert und unübersichtlich. Zudem ist die zahlreich vorhandene Literatur zum Thema für den Anfang sehr anspruchsvoll, teilweise auch zu spezifisch oder behandelt das Thema allein auf der Werkstoffebene ohne direkten Bezug zum Bauteil. Hier soll unser Buch eine Lücke schließen. Wir bauen dabei auf den Lehrveranstaltungen zur Betriebsfestigkeit auf, die wir an der TU Dresden und der HTW Berlin gehalten haben. Eine wichtige Grundlage sind außerdem die über viele Jahre an der TU Dresden entstandenen Studienbriefe und Übungsaufgaben zur Betriebsfestigkeit. Wir richten uns an Studierende aller ingenieurwissenschaftlicher Fachrichtungen, die sich mit der Auslegung und dem Festigkeitsnachweis von Bauteilen befassen. Dazu zählen viele Studienrichtungen des Maschinenbaus, wie der Leichtbau, die Fahrzeugtechnik und der allgemeine Maschinenbau, aber z. B. auch der konstruktive Ingenieurbau. Angesprochen sind weiterhin Ingenieure in der beruflichen Praxis, die ihre Kenntnisse auffrischen oder vertiefen wollen. Aufgrund des thematischen Aufbaus im Sinne eines Lehrbuchs ist es möglich, sich den Inhalt einerseits sukzessive in aufeinander aufbauenden Kapiteln zu erarbeiten, andererseits können bestimmte Themen auch gezielt anhand einzelner Kapitel nachgeschlagen werden. Bei diesem Buch haben uns viele Personen unterstützt. Unser herzlicher Dank gilt Herrn Dr.-Ing. Peter Hantschke, Herrn Prof. Dr.-Ing. Roland Rennert, Frau Dr.-Ing. Katrin Fuhrmann und Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Dieter Joensson. Ganz besonders möchten wir uns bei 1

Wir haben uns aus Gründen der Lesbarkeit für die Verwendung des generischen Maskulinums entschieden. Mit der Formulierung »der Ingenieur« meinen wir selbstverständlich »die Ingenieurin« und »den Ingenieur« gleichermaßen. Wir bitten die Leserinnen und Leser dafür um Verständnis.

v

vi

Vorwort

Herrn Dr.-Ing. Franz Ellmer für die zahlreichen Diskussionen und konstruktiven Beiträge bedanken. Seine fachliche Expertise sowie sein großer Überblick zu Veröffentlichungen und Forschungsberichten waren für uns eine große Hilfe. Der HTW Berlin sei ausdrücklich für die großzügige Unterstützung bei der Erstellung des Buches gedankt. Den Mitarbeitern des Springer Vieweg Verlages, allen voran Herrn Thomas Zipsner aus dem Lektorat Maschinenbau, danken wir für die angenehme und konstruktive Zusammenarbeit sowie die vielen wertvollen Anregungen.

Markkleeberg, Radebeul, im Juli 2020

Sebastian Götz, Klaus-Georg Eulitz

Verzeichnis wichtiger Formelzeichen a

Auslastungsgrad

a BK

H

Summenhäufigkeit

Auslastungsgrad des Ermüdungsfes-

Hges

Umfang eines Amplitudenkollektivs

tigkeitsnachweises

I

Regelmäßigkeitsfaktor eines BZV

a d,m ,a d,p Konstanten für technologischen Größenfaktor a SK A

j

Sicherheitszahl, Sicherheitsfaktor

jD

Gesamtsicherheitsfaktor

Auslastungsgrad des statischen Festigkeitsnachweises

j ges

Gesamtsicherheitszahl

Querschnittsfläche bzw. Bruchdeh-

jF

Sicherheitszahl für Streuung der Festigkeit bzw. Sicherheit gegen Fließen

nung C

Konstante der Wöhlerliniengleichung

jN

Hilfsgrößen zur Schätzung des Stan-

jS

Sicherheitszahl in Beanspruchungsrichtung

dardfehlers k

C O ,C O,σ Oberflächenfaktor

Exponent der Wöhlerlinie bzw. Duktilitätskoeffizient bzw. Varianzkenngrö-

C O,τ d

Sicherheitszahl in Lebensdauerrichtung

bzw. der Rissfortschrittsgleichung C m ,C s

(FKM-

Richtlinie)

Proben-/Bauteildurchmesser

bzw.

Stufenabstand im Treppenstufenver-

ße bei IABG-Methode k∗

Exponent der Wöhlerlinie nach Abknickpunkt

such ′

D

Schädigung

K

d eff

effektiver Durchmesser

K BK

D Koll

Schädigung eines Kollektivdurchlaufs

K d,m ,K d,p technologischer Größenfaktor

Dm

mittlere Schädigungssumme

Kerbwirkungszahl

D rel

relative Schädigungssumme aus Ver-

Kf K˜f

gleich mit Versuch

Kp

plastische Formzahl

D¯ rel

mittlere relative Schädigungssumme

K R,σ , K R,τ Rauheitsfaktor

fR

Verfestigungsfaktor (FKM-Richtlinie)

Kt

Formzahl

K T,D

Temperaturfaktor für die Wechselfes-

f W,σ

Zugdruckwechselfestigkeitsfaktor

f W,τ

Schubwechselfestigkeitsfaktor

g

Gewichtungsfaktor

G h

zyklischer Verfestigungskoeffizient Betriebsfestigkeitsfaktor

Schätzwert der Kerbwirkungszahl

tigkeit KV

Randschichtfaktor

Methode

K WK,σ ,

Konstruktionsfaktor

bezogener Spannungsgradient (FKM-

K WK,τ

Richtlinie)

KI

bei

Probit-

keitsgrad

Spannungsintensitätsfaktor für Modus I

Klassenhäufigkeit bzw. MehrachsigΔK I

Schwingbreite des Spannungsintensi-

vii

viii

ΔK I,th

Verzeichnis wichtiger Formelzeichen

tätsfaktors, Modus I

Rm

Zugfestigkeit

Schwellwert des zyklischen Span-

Rz

mittlere Oberflächenrauigkeit nach

nungsintensitätsfaktors, Modus I

DIN 4768

L el

elastische Traglast

s

empirische Standardabweichung

L pl

vollplastische Traglast

sg

Gleitschichtdicke

M ,M σ ,

Mittelspannungsempfindlichkeit

s lg

Standardabweichung des logarith-

Eigenspannungsempfindlichkeit bei

sm

Standardfehler des Mittelwerts

Normalspannungen

ss

Standardfehler der Standardabwei-

Mτ M σ,E n

mierten Merkmalswertes

Stützzahl bzw. Stichprobenumfang

chung

bzw. Exponent für Blechdickenein-

sR

Reststreuung, Standardfehler

fluss

sx y

Kovarianz

werkstoffmechanische Stützzahl

S

Nennspannung

n′

zyklischer Verfestigungsexponent

Sa

Nennspannungsamplitude

n pl

plastische Stützzahl (allgemein)

Sa

Kollektivhöchstwert

n pl,glob

plastische Stützzahl für globales Ver-

S a,ers

Ersatznennspannungsamplitude

sagen

SD

Dauerfestigkeit als Nennspannung

plastische Stützzahl für lokales Versa-

S DK

Amplitude der Bauteildauerfestigkeit



n pl,lok

als Nennspannung

gen N

Lastzyklenzahl

Sm

NB

Bruchlastzyklenzahl im Wöhlerver-

t

NG

Knickpunktlastzyklenzahl, Übergang

TN

Streuspanne in Lebensdauerrichtung

zur Dauerfestigkeit

Tσ , TS

Streuspanne in Spannungsrichtung

Grenzlastzyklenzahl im Wöhlerver-

u

PA

Ausfallwahrscheinlichkeit



Überlebenswahrscheinlichkeit

q

Duktilitätsfaktor (FKM-Richtlinie)

r

relative Klassenhäufigkeit bzw. Anzahl der Brüche im Versuch

v

V90 %

hochbeanspruchtes Volumen mit mindestens 90 % der Maximalspannung

w

Lebensdauer in Kollektivwiederholungen

Summenhäufigkeit R¯

Volumen bzw. Hauptspannungsverhältnis

Referenzradius (KerbspannungskonSpannungsverhältnis bzw. relative

Variationskoeffizient bzw. Völligkeitsmaß

V

zept) R

Quantil der standardisierten Normalverteilung

such

r ref

Blechdicke bzw. Quantile der t Verteilung

such ND

Mittelspannung als Nennspannung

Spannungsverhältnis eines Amplitu-

x

Merkmalswert, Messgröße

denkollektivs

X

Merkmalsgröße

Re

Streckgrenze, Fließgrenze



arithmetischer (empirischer) Mittel-

Rp

Fließgrenze in FKM-Richtlinie

R p0,2

0,2 %-Dehngrenze

R p,ers

Ersatzstreckgrenze

wert einer Stichprobe x¯G

geometrischer (empirischer) Mittelwert einer Stichprobe

Verzeichnis wichtiger Formelzeichen Δε ε0

Gesamtdehnungsschwingbreite

εa,pl εa,t

σhs

Minimum der ertragbaren Dehnung (FKM-Richtlinie)

εa,el

ix

Strukturspannung bei Schweißverbindungen

σk

elastischer Anteil der Dehnungsamp-

Kerbspannung bei Schweißverbindungen

litude

σm

Mittelspannung

plastischer Anteil der Dehnungsamp-

σmax

Maximalspannung

litude

σn

Gesamtdehnungsamplitude (totale

lokale Nennspannung bei Schweißverbindungen

Dehnungsamplitude)

σo

Oberspannung

εertr

ertragbare Dehnung

σSch

Amplitude der Schwellfestigkeit

εlin.-el.

linear-elastisch berechnete Dehnung

σSK

statische Bauteilfestigkeit

εref

Referenzdehnung (FKM-Richtlinie)

σu

Unterspannung

κ

Weibull-Exponent

σW

μ

Mittelwert der Grundgesamtheit

ν

Formparameter Kollektivform

σWK

Amplitude der Bauteil-Wechselfestigkeit

ρ

Kerbradius

σw,T

Warmwechselfestigkeit

σ

Kerbspannung bzw. Standardabwei-

σV

Vergleichsspannung (allgemein)

chung der Grundgesamtheit

σ⊥

Normalspannung

Δσ

Amplitude

der

Zug-Druck-

Wechselfestigkeit

Schwingbreite der Spannung (Dop-

senkrecht

zur

Schweißnaht τ

Schubspannung

σ1 ,σ2 ,σ3 Hauptspannungen

τF

Schubfließspannung

σa

Spannungsamplitude

τW

Amplitude der Schub-Wechselfestigkeit

σa,i

Spannungsamplitude einer Kollek-

τWK

Schub-Bauteilwechselfestigkeit

tivstufe

τ⊥

Schubspannung

pelamplitude)

σAK

in FKM-Richtlinie σD

Amplitude der Dauerfestigkeit

σDK

Amplitude der Bauteil-Dauerfestigkeit

σE

Eigenspannung

σeff

effektive Spannung (TCD)

σh

hydrostatische Spannung

senkrecht

zur

Schweißnaht

Amplitude der Bauteil-Dauerfestigkeit τ∣∣

Schubspannung parallel zur Schweißnaht

ϕ

Winkelorientierung einer Schnittebene

χ′ χ

2

bezogener Spannungsgradient Quantil der χ2 -Verteilung

Abkürzungsverzeichnis Betriebslastennachfahrversuch

KM

konsequente Miner-Regel

BZV

Beanspruchungs-Zeit-Verlauf

LZ

Liu/Zenner Modifikation der Miner-

DABEF

Datensammlung Betriebsfestigkeit

DIN

Deutsches Institut für Normung

MKS

Mehrkörpersimulation

DWL

Dehnungswöhlerlinie

MM

modifizierte Miner-Regel

EBK

Erstbelastungskurve

NH

Normalspannungshypothese

EM

elementare Miner-Regel

OM

originale Miner-Regel

FEM

Finite-Elemente-Methode

RMS

Root Mean Square

FE

Finite-Elemente

SH

Schubspannungshypothese

FKM

Forschungskuratorium Maschinen-

TCD

Theory of Critical Distances

bau

TGL

Technische Normen, Gütevorschrif-

BLNV

Regel

GEH

Gestaltänderungsenergiehypothese

HCM

Hysteresis-Counting-Method

VDI

Verein Deutscher Ingenieure

IfL

Institut für Leichtbau und ökonomi-

VHCF

Very High Cycle Fatigue

sche Verwendung von Werkstoffen

WL

Wöhlerlinie

IIW

International Institute of Welding

ZSD

zyklische Spannungs-Dehnungs (Kur-

IMA

Materialforschung und Anwendungs-

ten und Lieferbedingungen

ve)

technik GmbH

xi

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis wichtiger Formelzeichen

vii

Abkürzungsverzeichnis

xi

1 Einleitung

1

1.1 Einordnung der Betriebsfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1.2 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

1.3 Ziele und Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

1.4 FKM-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

2 Schwingfestigkeit

11

2.1 Phänomen der Materialermüdung bei Metallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

2.1.1 Phasen der Materialermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

2.1.2 Charakteristik des Ermüdungsbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

2.2 Grundlegende Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

2.2.1 Belastung, Beanspruchung und Beanspruchbarkeit . . . . . . . . . . . .

14

2.2.2 Kenngrößen eines Schwingspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2.2.3 Zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2.3.1 Wöhlerlinie, Zeit- und Dauerfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2.3.2 Mittelspannungseinfluss und Dauerfestigkeitsschaubilder . . . . . . . .

24

2.3.2.1

Smith-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

2.3.2.2

Haigh-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

2.3.2.3

Mittelspannungsempfindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2.3.2.4

Modifiziertes Haigh-Diagramm nach FKM-Richtlinie . . . . . .

29

2.3.3 Streuung der Schwingfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

2.4 Grundgedanke der linearen Schadensakkumulation . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2.5 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

37

3.1 Werkstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

3.2 Größeneinfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3.3 Kerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

3.3.1 Kerb- und Stützwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

xiii

xiv

Inhaltsverzeichnis 3.3.2 Stützzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

3.4 Oberflächenrauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

3.5 Eigenspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

3.6 Oberflächenverfestigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

3.7 Umgebungsmedien und Korrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

3.8 Frequenzeinfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

3.9 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

3.10 Bauteilwechselfestigkeit und Konstruktionsfaktor nach FKM-Richtlinie . . . .

63

3.11 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

4 Statistische Grundlagen

67

4.1 Einleitung und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

4.2 Beschreibung von Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4.3.1 Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

4.3.1.1

Dichte- und Verteilungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

4.3.1.2

Standardisierte Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

4.3.1.3

Log-Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

4.3.2 Weitere Verteilungen für stetige Zufallsgrößen . . . . . . . . . . . . . . .

77

4.3.3 Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

4.4 Lineare Regressionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

4.5 Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

4.6 Vertrauensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

4.6.1 Vertrauensbereich des Mittelwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

4.6.2 Vertrauensbereich der Standardabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

4.6.3 Vertrauensbereich für Regressionsgeraden . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

4.7 Sicherheitszahl für Ausfall- und Vertrauenswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . .

90

4.7.1 Sichere Festigkeitskennwerte und nicht streuende Beanspruchung . . .

91

4.7.2 Geschätzte Festigkeitskennwerte und nicht streuende Beanspruchung .

91

4.7.3 Streuung von Festigkeit und Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . .

92

4.8 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

5 Lastannahme

95

5.1 Beanspruchungs-Zeit-Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

5.2 Klassier- und Zählverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

5.2.1 Einparametrische Zählverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5.2.1.1

Spitzenwertzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

5.2.1.2

Klassengrenzenüberschreitungszählung . . . . . . . . . . . . . . 102

5.2.1.3

Momentanwertzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Inhaltsverzeichnis

xv

5.2.1.4

Verweildauerzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

5.2.1.5

Bereichspaarzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

5.2.2 Rainflow-Zählung als zweiparametrisches Verfahren . . . . . . . . . . . . 105 5.2.3 Fazit zu den Zählverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.3 Bemessungskollektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.3.1 Ersatzamplitudenkollektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.3.2 Kenngrößen und Darstellung von Amplitudenkollektiven . . . . . . . . . 112 5.3.3 Extrapolation von gemessenen Kollektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.3.4 Sonderereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5.3.5 Ermittlung von Gesamtkollektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5.4 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

6 Bauteilbeanspruchung

123

6.1 Beanspruchungsgrößen spannungsbasierter Festigkeitskonzepte . . . . . . . . 123 6.2 Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.2.2 Festigkeitshypothesen und Vergleichsspannungen . . . . . . . . . . . . . 130 6.2.3 Beanspruchung an Kerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.3 FEM zur Spannungsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.4 Beanspruchungsermittlung an geschweißten Bauteilen . . . . . . . . . . . . . . 143 6.4.1 Nennspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.4.2 Strukturspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6.4.3 Kerbspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.5 Verständnisfragen zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

153

7.1 Aufbau und Nachweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 7.2 Bauteilfestigkeit und Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7.3 Plastische Stützwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 7.4 Geschweißte Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 7.5 Sicherheitsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 7.6 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

175

8.1 Abgrenzung zum Zeit- und Betriebsfestigkeitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . 175 8.2 Proportionale und nichtproportionale Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . 176 8.3 Nachweisführung bei einachsiger und proportionaler Beanspruchung . . . . . 179 8.3.1 Experimentell ermittelte Bauteildauerfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 179 8.3.2 Abgeschätzte Bauteildauerfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

xvi

Inhaltsverzeichnis 8.4 Stützwirkungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8.4.1 Konzepte basierend auf dem Spannungsgradienten . . . . . . . . . . . . 185 8.4.2 Konzept des höchstbeanspruchten Werkstoffvolumens . . . . . . . . . . 188 8.4.3 Statistischer Größeneinfluss nach Fehlstellenmodell . . . . . . . . . . . . 190 8.4.4 Theory of Critical Distances . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 8.4.5 Werkstoffmechanische Stützzahl in der FKM-Richtlinie . . . . . . . . . . 194 8.4.6 Fazit zu Stützzahlkonzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 8.5 Mittelspannungsbewertung und Überlastungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 8.6 Geschweißte Bauteile und IIW-Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 8.6.1 Wöhlerlinien und FAT-Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 8.6.2 Nennspannungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 8.6.3 Strukturspannungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 8.6.4 Kerbspannungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 8.6.5 Berechnung nach FKM-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 8.7 Behandlung nichtproportionaler mehrachsiger Beanspruchungen . . . . . . . 211 8.7.1 Methode der kritischen Schnittebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 8.7.2 Schubspannungsintensitätshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8.8 Sicherheitsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 8.9 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

225

9.1 Bauteilwöhlerlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 9.2 Schadensakkumulation und Lebensdauerlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 9.3 Modifikationen der Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 9.3.1 Elementare Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 9.3.2 Modifizierte Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 9.3.3 Konsequente Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 9.3.4 Modifikation nach Liu und Zenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 9.3.5 Berechnete Lebensdauerlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 9.4 Treffsicherheit der Lebensdauerabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 9.5 Relative Miner-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 9.6 Umsetzung in der FKM-Richtlinie, Betriebsfestigkeitsfaktor . . . . . . . . . . . 250 9.7 Nachweisart und Konstruktionsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 9.7.1 Art des Nachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 9.7.2 Werkstoffauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 9.7.3 Konstruktionsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 9.7.3.1

Schwingbruchsichere Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . 259

9.7.3.2

Schadenstolerante Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

9.8 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Inhaltsverzeichnis

xvii

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

267

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 10.1.1 Wöhlerversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 10.1.2 Horizontmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 10.1.3 Perlenschnurmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 10.2.1 Treppenstufenverfahren mit Auswertung nach Hück . . . . . . . . . . . . 282 10.2.2 Probit-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 10.2.3 Einschätzung und weitere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 10.2.4 Abschätzung aus der Zeitfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 10.3 Betriebslastennachfahrversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 10.4 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Anhang

305

11 Bruchmechanische Grundlagen

305

11.1 Spannungen an der Rissspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 11.2 Stabiles Risswachstum bei zyklischer Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . 308 11.3 Verhalten kurzer Risse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

315

12.1 Einleitung und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 12.2 Kerbgrundbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 12.3 Schädigungsbewertung und Lebensdauerabschätzung . . . . . . . . . . . . . . 319 12.4 Berücksichtigung weiterer Bauteileinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 12.5 Abschätzung der zyklischen Materialparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 12.6 FKM-Richtlinie (nichtlinear) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

13 Erfahrungswerte zur Streuung der Schwingfestigkeit

329

14 Ergebnisse der Aufgaben

331

Literaturverzeichnis

337

Stichwortverzeichnis

359

1 Einleitung 1.1 Einordnung der Betriebsfestigkeit Der Festigkeitsnachweis von Konstruktionen und Bauteilen gehört zu den Grundaufgaben des Ingenieurs. Er muss nachweisen, ob ein Bauteil allen im Lebenszyklus auftretenden Belastungen mit ausreichender Sicherheit versagensfrei standhält. Dem gegenüber steht die ökonomische Forderung nach geringen Kosten bei der Herstellung und insbesondere im Automobilbau nach leichten Konstruktionen. Dieser scheinbare Widerspruch ist mit den in diesem Buch beschriebenen Methoden der Betriebsfestigkeit lösbar. Unter dem Begriff Betriebsfestigkeit werden im heutigen Verständnis neben der Festigkeit bei variabler Belastung u. a. auch die statische Festigkeit, die Zeit- und Dauerfestigkeit sowie die Festigkeit unter Überlasten, Kriechbelastungen und Verschleiß verstanden. Kurzum sie behandelt das Festigkeitsverhalten von Bauteilen unter allen im Betrieb auftretenden Belastungen. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Behandlung ermüdungsbruchgefährdeter Bauteile. Veränderliche Belastungen verursachen in Bauteilen veränderliche Beanspruchungen, die zur Materialermüdung und letztendlich zum Bruch führen können. Die Schwingfestigkeit beschreibt das Ermüdungsverhalten unter einer Beanspruchung mit konstanter Spannungsamplitude und Mittelspannung. Die Betriebsfestigkeit im ursprünglichen Sinne dagegen behandelt das Ermüdungsverhalten unter variabler Beanspruchung, bei der unterschiedlich große Amplituden und verschiedene Mittelspannungen auftreten können. Sie entwickelte sich als eigenes Fachgebiet aus der Notwendigkeit, z. B. bei Flugzeugen leichter zu bauen und damit auch Beanspruchungen oberhalb der Dauerfestigkeit zuzulassen und dabei gleichzeitig die geforderte Bauteillebensdauer zu gewährleisten. Die Betriebsfestigkeit hat somit die sichere und wirtschaftliche Bemessung ermüdungsbruchgefährdeter Bauteile für eine begrenzte Lebensdauer unter Betriebsbelastungen zum Ziel. Schütz [68] beschreibt die Aufgabe der Betriebsfestigkeit besonders zutreffend und prägnant als die [. . . ] Dimensionierung [von Bauteilen] auf begrenzte, jedoch ausreichende Lebensdauer unter variablen Beanspruchungen [. . . ]. Und genau das trifft den Kern des Fachgebiets. Während früher vorwiegend ruhende Konstruktionen rein statisch bemessen wurden und variabel belastete Bauteile dauerfest, ist es

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_1

1

2

1 Einleitung

erst mit der betriebsfesten Auslegung möglich das Leichtbaupotential einer Konstruktion voll auszuschöpfen. Hohe seltenere Belastungen oberhalb der Dauerfestigkeit können zugelassen werden und gleichzeitig wird die geforderte Lebensdauer eines Bauteils erreicht. Die rechnerische, betriebsfeste Dimensionierung von Bauteilen umfasst die drei folgenden Teilaspekte: • Analyse im Betrieb auftretender Belastungen und Beanspruchungen Das Belastungskollektiv beinhaltet alle Belastungsamplituden eines Bauteils geordnet nach Größe und Häufigkeit und ist die zentrale Eingangsgröße für den Nachweis der Betriebsfestigkeit. Mit der Bauteilgeometrie (Gestalt) lässt sich daraus das Beanspruchungskollektiv ermitteln. • Ermittlung ertragbarer Spannungen im Bauteil Die Wöhlerlinie eines Bauteils beschreibt dessen Schwingfestigkeit und die ertragbaren Lastzyklen abhängig von einer konstanten Beanspruchungsamplitude. In der Bauteilwöhlerlinie müssen alle Einflussgrößen auf das Ermüdungsverhalten berücksichtigt sein. • Hypothese zur Schadensakkumulation Sie ermöglicht die Auslegung von variabel beanspruchten Bauteilen anhand ihrer Wöhlerlinie. Damit werden Bauteile für eine bestimmte Lebensdauer und nicht nur für eine bestimmte Belastungshöhe bemessen.

Konzepte der Betriebsfestigkeit Die genaueste Aussage über die Lebensdauer eines Bauteils liefert der Betriebslastennachfahrversuch am konkreten Bauteil, bei dem die im realen Betrieb auftretenden Lasten direkt auf das Bauteil aufgebracht werden. Dies ist aus Zeit- und Kostengründen meist nicht möglich und der Nachweis muss rechnerisch erfolgen. Darauf legt auch dieses Buch den Schwerpunkt. In der praktischen Anwendung sind dafür prinzipiell drei verschiedene Konzepte relevant. 1. Elastische, spannungsbasierte Konzepte Die Beanspruchung im Bauteil wird unter Annahme linearelastischen Materialverhaltens berechnet. Dies können Nennspannungen, Kerbspannungen oder Strukturspannungen (bei Schweißverbindungen) sein. Die Bauteilwöhlerlinie kann aus Werkstoffkennwerten abgeschätzt oder experimentell ermittelt werden. Typische Anwendungsbereiche sind hochzyklisch beanspruchte Bauteile im Maschinen- und Anlagenbau. 2. Das elastisch-plastische Kerbgrundkonzept Als kennzeichnend für die Materialermüdung wird der elastisch-plastische (örtliche) Spannungs-Dehnungsverlauf betrachtet, welcher aus der Last-Zeit-Folge der Belastung und der Bauteilfließkurve berechnet wird. Die Kennwerte werden experimentell an einachsig belasteten und elastisch-plastisch beanspruchten Werkstoffproben ermittelt oder aus statischen Festigkeitskennwerten abgeschätzt. Die Lebensdauern gelten für

1.1 Einordnung der Betriebsfestigkeit

3

den technischen Anriss. Das Kerbgrundkonzept wird besonders für niederzyklisch beanspruchte Bauteile mit großen Beanspruchungsamplituden eingesetzt, z. B. im Behälterbau. 3. Das Bruchmechanikkonzept Die Lebensdauer eines Bauteils mit Anfangsriss wird bruchmechanisch über das Rissfortschrittsverhalten des Werkstoffs berechnet. Das Konzept findet vor allem Anwendung bei der Ermittlung von Restlebensdauern und Inspektionsintervallen von Bauteilen z. B. im Flugzeugbau. Dieses Buch widmet sich den unter Punkt 1 aufgeführten elastischen, spannungsbasierten Konzepten, wie sie im Maschinenbau hauptsächlich angewendet werden. Die Annahme linearelastischen Materialverhaltens ist für viele mit veränderlichen oder mit konstanten Amplituden beanspruchte Bauteile eine akzeptable Näherung. Sie werden für Lebensdauern mit hohen Lastzyklenzahlen ausgelegt. Dabei sind nur Beanspruchungen ertragbar, bei denen plastische Dehnungen lokal auf den Kerbbereich begrenzt sind. Im Anhang sind die wichtigsten Grundlagen des Kerbgrund- und des Bruchmechanikkonzeptes beschrieben.

Literaturübersicht Zu den Themen der Betriebsfestigkeit existiert eine große Anzahl an Fachbüchern. Deshalb kann der nachfolgende Überblick gezwungenermaßen nur ein subjektiver sein. Als Standardwerke im deutschsprachigen Raum können zweifellos Betriebsfestigkeit von Haibach [25] sowie Ermüdungsfestigkeit von Radaj und Vormwald [54] angesehen werden. Sie behandeln umfassend und mit großer fachlicher Tiefe die Themen der Betriebsfestigkeit, setzen allerdings beim Leser eine gewisse fachspezifische Vorbildung voraus. Ein dazu vergleichbares englischsprachiges Buch ist Fatigue of Structures and Materials von Schijve [66]. Darüber hinaus sind noch [6, 22, 44, 63, 70] zu nennen sowie die Fachbücher [8, 15, 23, 76] aus der ehemaligen DDR. Weitere englischsprachige Bücher sind [3, 12, 28, 38, 49, 73]. Für einen Einstieg in das Thema Schwingfestigkeit eignen sich z. B. die entsprechenden Kapitel aus Festigkeitslehre - Grundlagen [29] von Issler, Ruoß und Häfele und Einführung in die Festigkeitslehre [37] von Läpple. Speziell dem Thema Lastannahme widmet sich Zählverfahren und Lastannahme in der Betriebsfestigkeit [32] von Köhler, Jenne, Pötter und Zenner. Viele praktische Hinweise zur Anwendung der FKM-Richtlinie auf FEM-Berechnungen sind in Angewandter Festigkeitsnachweis nach FKM-Richtlinie [81] von Wächter, Müller und Esderts zu finden. In [51, 52] wird speziell auf die Betriebsfestigkeit von Schweißkonstruktionen eingegangen. Bücher mit besonderem Fokus auf das Ermüdungsverhalten von Werkstoffen sind [7, 67]. Neben den vielen Fachbüchern gibt es auch einige Fachartikel, in denen ein guter Überblick zur Betriebsfestigkeit gegeben wird [103, 110, 245, 267].

4

1 Einleitung

1.2 Historische Entwicklung Die Entwicklung des Wissensgebietes ist direkt mit der Entwicklung der Mess- und Prüftechnik verknüpft. Die wohl erste Prüfmaschine für Schwingbeanspruchungen wurde von Oberbergrat Albert in Clausthal konstruiert, der damit ab 1829 Eisenketten prüfte [101]. Bekannt wurde er später vor allem durch die damit verbundene Erfindung des Drahtseils. Ermüdungsbrüche traten aber vor allem bei Achsen auf. Dies führte, wie in [40] berichtet, zur Vorschrift die eisernen Achsen französischer Postkutschen nach einem Jahr (ungefähr 70.000 km Laufleistung) auf Risse zu überprüfen und gegebenenfalls zu reparieren. Besonders bei Eisenbahnen führten Achsbrüche zu teils verheerenden Unfällen. Systematische Schwingfestigkeitsuntersuchungen wurden ab 1860 von August Wöhler an Eisenbahnachsen durchgeführt [301]. Er konstruierte dafür nicht nur Prüfmaschinen für Axial-, Biege- und Torsionsbelastung, sondern führte auch Belastungsmessungen im Eisenbahnbetrieb durch [300]. 1870 schlussfolgerte Wöhler im Abschlussbericht zu seinen Versuchen [302]: Der Bruch des Materials lässt sich auch durch vielfach wiederholte Schwingungen, von denen keine die absolute Bruchgrenze erreicht, herbeiführen. Die Differenzen der Spannungen, welche die Schwingungen eingrenzen, sind dabei für die Zerstörung des Zusammenhanges maßgebend. Die absolute Größe der Grenzspannungen ist nur in soweit von Einfluss, als mit wachsender Spannung die Differenzen, welche den Bruch herbeiführen, sich verringern. Er hat damit erkannt, dass die Schwingbreite der Spannungen bzw. die Spannungsamplitude entscheidend für die Ermüdung des Materials ist und auch die Mittelspannung Einfluss auf die Höhe der ertragbaren Spannungen hat. Die grafische Darstellung dieses Zusammenhangs, welche heute als Wöhlerlinie bezeichnet wird, und deren mathematische Beschreibung in Form eines Potenzansatzes erfolgte allerdings erst 1910 durch Basquin [104]. Ein wichtiger Schritt zur betriebsfesten Auslegung variabel beanspruchter Bauteile war die Hypothese der linearen Schadensakkumulation. Sie wurde zwischen 1924 und 1945 gleich mehrfach erfunden, wird aber nach der Veröffentlichung von Miner 1945 [226] als Miner-Regel bezeichnet. Der Begriff und das heute bekannte Konzept der Betriebsfestigkeit sind eng mit dem Namen Ernst Gaßner verbunden. Er untersuchte ab 1939 in ersten Betriebsfestigkeitsversuchen die Wirkung variabler Beanspruchungsamplituden auf die Lebensdauer. Dabei fasste er alle im Betrieb eines Bauteils auftretenden Belastungen nach Größe und Häufigkeit geordnet als Belastungskollektiv zusammen und forderte Bauteile für eine vorgegebene Lebensdauer und nicht nur für eine bestimmte Belastungshöhe zu bemessen. Seine Veröffentlichung »Betriebsfestigkeit, eine Bemessungsgrundlage für Konstruktionsteile mit statistisch wechselnden Betriebsbeanspruchungen« [150] von 1954 ist die erste geschlossene Darstellung des Betriebsfestigkeitskonzeptes. Eine rasante Weiterentwicklung des Wissensstandes erfolgte

1.3 Ziele und Aufbau des Buches

5

mit der Entwicklung des Flugzeugbaues und der Automobilindustrie im 20. Jahrhundert. Die Notwendigkeit zum teilweise extremen Leichtbau hat maßgeblich zur Entwicklung der heutigen analytischen und experimentellen Methoden der Betriebsfestigkeit geführt. Einen weiteren Schub erhielt die Betriebsfestigkeit mit der Entwicklung der digitalen Rechentechnik und deren Einführung in den Prüfanlagenbau. Noch heute gültig fasst Macherauch [213] den Prozess der Materialermüdung folgendermaßen zusammen: Das Ermüdungsverhalten metallischer Werkstoffe ist eng mit dem Auftreten plastischer Verformungen verknüpft. Die Kumulierungen plastischer Wechselverformungen, bei denen örtlich Werkstoffumwandlungen, Ausscheidungen, Gefügeveränderungen usw. auftreten können, führen zur Bildung mikroskopischer Ermüdungsrisse, von denen meist einer Ausgangspunkt des die Lebensdauer begrenzenden Makrorisses ist. Dabei können die Plastifizierungen auf submikroskopische Bereiche begrenzt sein. In der Grundlagenforschung zur Materialermüdung wird heute davon ausgegangen, dass sich Mikrorisse bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Ermüdungsschädigung bilden, also lange vor dem technischen Anriss, und dass die weiteren Schädigungsvorgänge in starkem Maße durch das Verhalten dieser kleinen Risse geprägt werden. Für die Anwendung am Bauteil steht aber noch immer der technische Anriss oder das Bauteilversagen durch Bruch im Vordergrund der Betrachtung. Für einen umfassenden Überblick zur historischen Entwicklung der Betriebsfestigkeit werden die Geschichte der Schwingfestigkeit von Schütz [68] sowie Bauteilermüdung von Zenner [84] (unter besonderer Würdigung der Leistungen Wöhlers) empfohlen.

1.3 Ziele und Aufbau des Buches Wozu dieses Buch? Diese Frage ist durchaus berechtigt, zeigt doch die kurze Literaturübersicht am Ende des Abschnitts 1.1, wie viele Fachbücher es bereits zum Thema Betriebsfestigkeit gibt. Dies ist jedoch kein Fachbuch für den Betriebsfestigkeits-Spezialisten, der aktuelle Trends in der Forschung oder ein umfassendes Kompendium zum Fachgebiet sucht. Das vorliegende Buch soll vielmehr die Lücke zwischen einem solchen Fachbuch und den Grundlagenbüchern zur Technischen Mechanik und zur Konstruktionslehre schließen. Dabei wurde Wert auf eine jeweils in sich abgeschlossene Darstellung der einzelnen Teilgebiete gelegt. Viele Probleme beim Verständnis der Betriebsfestigkeit liegen nach Erfahrung der Autoren auch darin begründet, dass oftmals statistische Methoden und Zusammenhänge benötigt werden. Daher werden die zum Verständnis benötigten statistischen Grundlagen in einem eigenen Kapitel gesondert behandelt.

6

1 Einleitung

Das Hauptanliegen ist es, Studierende und in der Praxis tätige Ingenieure mit der Durchführung und den theoretischen Hintergründen des rechnerischen Festigkeitsnachweises vertraut zu machen. Der rechnerische Festigkeitsnachweis auf Grundlage abgeschätzter Kennwerte ist der in der Praxis am häufigsten anzutreffende Fall, sei es während des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses oder zur Freigabe eines fertigen technischen Produktes. Somit stellen die Kapitel 7 bis 9 zu den rechnerischen Festigkeitsnachweisen sowohl thematisch als auch im Umfang den Hauptteil des Buches dar. Die Kapitel behandeln • den statischen Festigkeitsnachweis: bei rein statischer Beanspruchung bzw. nur sehr geringen veränderlichen Lastanteilen und zur Absicherung gegen Sonder- und Missbrauchslasten, • den Dauerfestigkeitsnachweis: für die Auslegung eines Bauteils für große Lastzyklenzahlen bzw. auf eine rechnerisch unbegrenzte Lebensdauer im Sinne der Schwingfestigkeit1 • und den Betriebsfestigkeitsnachweis: für eine begrenzte geforderte Lebensdauer bei variabler Beanspruchung mit Amplituden oberhalb der Dauerfestigkeit. Für jeden Nachweis wird auf die verschiedenen Konzepte mit der Unterscheidung in experimentell ermittelte oder abgeschätzte Bauteilwöhlerlinien sowie auf Behandlung geschweißter und nicht geschweißter Bauteile eingegangen. Abbildung 1.1 zeigt die thematische Zuordnung der einzelnen Buchkapitel am Beispiel des Betriebsfestigkeitsnachweises. Diese Abbildung mit ihren zahlreichen Beziehungen mag für den Einsteiger zunächst verwirrend wirken. Die Autoren hoffen aber, dass dieses Buch Klarheit bringt. Der Aufbau der einzelnen Festigkeitsnachweise wird in den Kapitel 7 bis 9 ausführlich beschrieben und wenn notwendig, ist auf die vorangegangenen Kapitel verwiesen. Heute ist die Spannungsberechnung mittels der Finite-Elemente-Methode der Standard im Maschinenbau. Die so ermittelten Spannungen sind bei linearelastischer Berechnung lokale Kerbspannungen. Die Bewertung der Spannungen erfolgt daher auch anhand dieser Größen und nicht wie früher üblich in Nennspannungen unter Anwendung von Form- und Kerbwirkungszahlen. Daher werden in diesem Buch auch konsequent Kerbspannungen verwendet. Ausnahmen sind die Klassier- und Zählverfahren in Kapitel 5 und die experimentellen Methoden in Kapitel 10. Die Darstellung erfolgt, wie für diese Gebiete üblich, in Nennspannungen. Die Bewertung der Spannungen erfolgt in der Praxis häufig mit der FKM-Richtlinie. Daher bezieht sich dieses Buch auch häufig darauf. Das geschieht in den einzelnen Abschnitten stets dort, wo es fachlich passt und ist durch den grau hinterlegten Text gekennzeichnet. So sollen der Zugang zur Richtlinie erleichtert und gleichzeitig die Hintergründe und Anwendungsgrenzen deutlich werden. Einige Formelzeichen werden in der Richtlinie anders verwendet als sonst in diesem Buch. So wird die Fließgrenze mit R p , anstatt mit R e bezeichnet 1

Die Lebensdauer kann unabhängig davon auch durch Korrosion oder Verschleiß begrenzt sein.

1.3 Ziele und Aufbau des Buches

7

Bauteil Werkstoff

Belastung

Oberfläche

Geometrie

Beanspruchungskollektiv

Schwingfestigkeit des Bauteils Spannungszustand

Kapitel 2: Schwingfestigkeit Kapitel 3: Einflüsse auf die Schwingfestigkeit

Kapitel 6: Bauteilbeanspruchung

Lebensdauerabschätzung

Kapitel 9: Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Kapitel 5: Lastannahme

Sicherheit für geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit

Kapitel 4: Statistische Grundlagen

Nachweis der geforderten Lebensdauer

Abb. 1.1: Einordnung der Buchkapitel in den Betriebsfestigkeitsnachweis

8

1 Einleitung

und die Bauteildauerfestigkeit mit σAK anstelle σDK . In den entsprechenden Abschnitten wurden die Bezeichnungen aus der FKM-Richtlinie übernommen. Dieses Buch bietet allerdings keinen Fahrplan nach dem der Festigkeitsnachweis mit der FKM-Richtlinie zu führen ist und kann diese auch keinesfalls ersetzen. Es ist ein Lehr- und Fachbuch zur Betriebsfestigkeit mit dem Fokus auf den spannungsbasierten Festigkeitsnachweis auf Grundlage von FEM-Berechnungen mit Anwendungshinweisen zur FKM-Richtlinie. In zahlreichen Abbildungen werden Wöhlerlinien mit einzelnen Versuchsergebnissen gezeigt. Dies dient lediglich zur Veranschaulichung der Streuung und der statistischen Auswertung und die Werte sind synthetisch (fiktiv). Die Autoren haben sich dazu entschieden keine konkreten Versuchsergebnisse zu verwenden, damit diese nicht vorschnell zur Bauteilauslegung herangezogen werden, ohne genaue Kenntnis zu den Versuchsbedingungen und den verwendeten Bauteilen und Proben zu haben. Dazu zählen z. B. Werkstoffzustand, Belastungsart, Geometrie, Versagenskriterium und Umgebungsmedien. In Kapitel 3 werden die verschiedenen Einflüsse auf die Schwingfestigkeit metallischer Bauteile und Proben ausführlich beschrieben. Konkrete Versuchsergebnisse in Form von Einzelversuchen, Wöhlerlinien oder Lebensdauerlinien sind u. a. in [131, 133, 134, 181] zu finden.

1.4 FKM-Richtlinien In der ehemaligen DDR war Dresden ein Zentrum der Betriebsfestigkeit. Hier hatte das Institut für Leichtbau (IfL) seinen Sitz, das aus den 1961 geschlossenen Dresdener Flugzeugwerken hervorging und an der TU Dresden wurde 1971 erstmalig an einer deutschen Hochschule eine Professur für Technische Mechanik und Betriebsfestigkeit eingerichtet. Eine der Aufgaben des IfL war die Erarbeitung von DDR-Standards für den Leichtbau. So entstanden auch die TGL-Standards [88, 89, 90] zur Betriebsfestigkeit. Sie sind im Leichtbau-Handbuch des IfL [26] zusammenfassend dargestellt. Durch die Fachzeitschrift IfL-Nachrichten wurden diese Forschungsergebnisse auch in Westdeutschland bekannt. Der Initiative von Prof. Zenner (TU Clausthal) ist es zu verdanken, dass sie nach der politischen Wende nicht in Vergessenheit gerieten. Er initiierte mehrere öffentlich geförderte Forschungsvorhaben beim Forschungskuratorium Maschinenbau (FKM) im Arbeitskreis Bauteilfestigkeit, mit dem Ziel ein einheitliches Regelwerk für den rechnerischen Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile zu entwickeln. So entstand unter Federführung der aus dem IfL hervorgegangenen IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH 1994 die erste Auflage der Richtlinie für den rechnerischen Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile [93, 162]. Neben den TGL-Standards fanden dort auch andere Regelwerke wie z. B. VDI 2226, DIN 18800 oder IIW-Empfehlungen Eingang. Die FKM-Richtlinie wurde und wird ständig durch zahlreiche Forschungsvorhaben weiterentwickelt und liegt ab 2020 in der 7. Auflage vor.

1.4 FKM-Richtlinien

9

Kapitel 0 Allgemeines Nachweis mit Nennspannungen

Nachweis mit örtlichen Spannungen

Kapitel 1 Statischer Festigkeitsnachweis

Kapitel 2 Statischer Festigkeitsnachweis

Kapitel 3 Ermüdungsfestigkeitsnachweis

Kapitel 4 Ermüdungsfestigkeitsnachweis

Kapitel 5 Anhänge

Kapitel 6 Beispiele

Kapitel 7 Formelzeichen

Kapitel 8 Änderungen

Abb. 1.2: Aufbau der FKM-Richtlinie

Die aktuell 7. Auflage der FKM-Richtlinie [95] erlaubt den einheitlichen rechnerischen Festigkeitsnachweis von nichtgeschweißten und geschweißten Bauteilen aus Stahl-, Eisenguss- und Aluminiumwerkstoffen im Maschinen- und Anlagenbau. Der Anwender kann allein aufgrund von Kennwerten aus dem Zugversuch durchgängig den statischen Festigkeitsnachweis und den Ermüdungsfestigkeitsnachweis führen. Abhängig von der Beanspruchungscharakteristik kann der Ermüdungsfestigkeitsnachweis als Dauerfestigkeitsnachweis, Zeitfestigkeitsnachweis oder Betriebsfestigkeitsnachweis erfolgen. Im Aufbau zeichnet sich die Richtlinie durch einen lückenlosen, durchgängigen Berechnungsalgorithmus aus, so dass dem Anwender wenig eigene Entscheidungen abverlangt werden. Die Beanspruchungen im Bauteil werden linearelastisch berechnet, weshalb der Festigkeitsnachweis mit der FKM-Richtlinie zu den elastischen, spannungsbasierten Konzepten gehört. Ein großer Vorteil besteht in der Möglichkeit mittels der FEM berechnete Kerbspannungen als Eingangsgröße für den Nachweis zu verwenden. Diese werden als örtliche Spannungen bezeichnet. Somit entfällt im Unterschied zu anderen Regelwerken die Notwendigkeit zur Definition einer Formzahl, was bei Bauteilen mit komplizierter Geometrie und Belastung häufig nicht sinnvoll möglich ist. Zusätzlich ist auch der Nachweis mit Nennspannungen möglich. Damit kann der Festigkeitsnachweis auch für »händische« Spannungsberechnungen unter Verwendung von Formzahlen erfolgen. Abbildung 1.2 zeigt den Aufbau und die Gliederung der Richtlinie. Die Spannungsermittlung selbst ist nicht Bestandteil der Richtlinie, lediglich deren Bewertung in Bezug auf die Bauteilfestigkeit. Das bedeutet, der Anwender ist selbst verantwortlich für die korrekte Berechnung der Spannungen, z. B. bei der Anwendung der FEM. Einige

10

1 Einleitung

Hinweise dazu sind in Abschnitt 6.3 zu finden. Nachweise gegen Stabilitätsversagen oder Sprödbruch bei schlagartiger Belastung sind nicht Bestandteil der Richtlinie. Weiterhin gilt der Ermüdungsfestigkeitsnachweis erst ab Lebensdauern von N > 104 Lastzyklen. Im niederzyklischen Bereich mit N < 104 steigt der Anteil der plastischen Dehnungen, weshalb die Beanspruchungen nicht mehr linearelastisch berechnet werden können. Diese Fälle sind in der 2019 erstmals erschienenen FKM-Richtlinie (nichtlinear) [91] abgedeckt, welche das elastisch-plastische Werkstoffverformungsverhalten berücksichtigt, siehe Abschnitt 12.6. Daneben existiert noch die FKM-Richtlinie Bruchmechanischer Festigkeitsnachweis, die sich mit der Bewertung fehlerbehafteter oder angerissener Bauteile befasst. Es existieren also insgesamt drei FKM-Richtlinien. Für die praktische Anwendung ist die spannungsbasierte FKM-Richtlinie Rechnerischer Festigkeitsnachweis von Maschinenbauteilen von größter Bedeutung. Sie ist stets gemeint, wenn in diesem Buch von der FKM-Richtlinie die Rede ist.

2 Schwingfestigkeit Das Gebiet der Schwingfestigkeit beschäftigt sich mit der Festigkeit von Bauteilen unter zyklischer Beanspruchung mit konstanten Amplituden. Es bildet damit die Grundlage für die weiteren Themen der Betriebsfestigkeit. Dieses Kapitel stellt die wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge dar, die im weiteren Verlauf des Buches benötigt werden.

2.1 Phänomen der Materialermüdung bei Metallen Brüche durch Materialermüdung treten als Folge von veränderlicher Beanspruchung, z. B. in rotierenden Wellen unter Biegung auf. Während der Gewaltbruch nach einmaliger Überschreitung der Bruchfestigkeit bei duktilen Stählen von großen plastischen Verformungen gekennzeichnet ist, tritt der Ermüdungsbruch erst nach einer bestimmten Anzahl von Lastzyklen und ohne größere plastische Verformungen auf. Dieses Versagen ohne die »Vorankündigung« einer starken Verformung macht die besondere Sicherheitsrelevanz des Betriebsfestigkeitsnachweises aus.

2.1.1 Phasen der Materialermüdung Das Wachstum von Ermüdungsrissen kann bei metallischen Werkstoffen grob in drei Phasen eingeteilt werden: die Rissentstehung, den stabilen Rissfortschritt und den Restbruch [66]. Phase 1, die Rissentstehung, findet innerhalb einzelner Kristallite meist an der Bauteiloberfläche statt. Dabei führen bereits makroskopisch elastische Beanspruchungen zum Fließen und damit zu irreversiblen plastischen Verformungen, wobei es zu Abgleitungen in den Kristalliten in Richtung der maximalen Schubspannung, den Gleitbändern, kommt. Mit weiteren Lastzyklen entstehen benachbarte Gleitbänder, wobei es an der Oberfläche zu Intrusionen und Extrusionen kommt. Der Anriss in Form von Mikrorissen entsteht somit entlang der Gleitbänder unter einem Winkel von 45° zur Richtung der ersten Hauptspannung (Abbildung 2.1). Oft entstehen in Bauteilen aus Konstruktionswerkstoffen Risse auch an Poren und Oberflächendefekten oder Werkstoffinhomogenitäten wie nichtmetallischen Einschlüssen. In diesen Fällen kann die Phase der Rissentstehung bereits nach wenigen Lastzyklen beendet sein. In Phase 2, dem stabilen Risswachstum, wachsen einer oder mehrere Risse mit jedem Lastzyklus senkrecht zur Richtung der ersten Hauptspannung (Abbildung 2.2). Die Risse werden

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_2

11

12

2 Schwingfestigkeit

σ

σ

σ

Intrusion

Extrusion

σ

σ a)

σ b)

Abb. 2.1: a) Entstehung von Gleitbändern, b) Intrusionen und Extrusionen, nach [66]

als Makrorisse bezeichnet wachsen transkristallin, d. h. durch die Kristallite hindurch. Das Wachstum hält solange an, bis die verbleibende Querschnittsfläche so klein ist, dass das Bauteil in Phase 3 durch einen Gewaltbruch versagt. Der Anteil der beiden ersten Phasen an der Bauteillebensdauer hängt neben vielen anderen Einflüssen von der Werkstofffestigkeit und der Geometrie des Bauteils ab. Allgemein nimmt bei Stahl der relative Anteil des stabilen Makrorisswachstums mit steigender Festigkeit und damit geringerer Duktilität ab. Außerdem ist die Risswachstumsphase 2 bei stark gekerbten Bauteilen anteilig länger als bei schwach gekerbten.

2.1.2 Charakteristik des Ermüdungsbruchs In der makroskopischen Betrachtung von Ermüdungsbruchflächen sind vor allem die Merkmale der Phasen des stabilen Risswachstums und des Restbruchs erkennbar. Die Oberfläche im Bereich des stabilen Risswachstums ist fein strukturiert, während der Restbruch die raue Oberfläche eines Gewaltbruchs zeigt. Wenn die Belastung nicht einstufig, also mit konstanter Belastungsamplitude, sondern durch veränderliche Amplituden erfolgt, zeigt sich das oft in Form von Rastlinien. Diese entstehen durch den Wechsel zwischen hohen und niedrigen Belastungen mit Ruhezeiten des Risswachstums. Aus dem Erscheinungsbild der Bruchfläche lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die Art der Belastung und deren Höhe sowie die mögliche Schadensursache ziehen. Ist die Restbruchfläche sehr klein, hat eine sehr langsame Rissausbreitung stattgefunden und man muss die Ursache für die Entstehung des Anrisses zu ergründen suchen. Ist der Flächenanteil der

2.1 Phänomen der Materialermüdung bei Metallen

13

σ

Kristallit (Korn) Rissstillstand

Oberfläche

σ Phase 1 Rissentstehung

Phase 2 Stabiles Risswachstum

Abb. 2.2: Phasen der Rissentstehung und des stabilen Risswachstums, nach [67]

Hohe Beanspruchung, Bruch nach geringer Lebensdauer mild scharf ungekerbt gekerbt gekerbt

Niedrige Beanspruchung, Bruch nach hoher Lebensdauer mild scharf ungekerbt gekerbt gekerbt

Zug schwellend oder wechselnd

Biegung schwellend

Biegung wechselnd

Biegung umlaufend

Abb. 2.3: Ermüdungsbruchflächen nach Jacoby [188]

14

2 Schwingfestigkeit

Rissausbreitung relativ klein, war das Bauteil wahrscheinlich überlastet. Hierbei muss aber die Duktilität des Werkstoffs berücksichtigt werden, denn spröde Werkstoffe haben generell eine kleine Anrissfläche. Die Belastungsart ruft eine typische Lage der Anrisse und eine typische Richtung der Risse hervor. Bei Torsion wachsen Ermüdungsrisse z. B. unter 45° zum Momentenvektor, da dies die Richtung senkrecht zur maximalen Normalspannung ist. Bei Wechselbiegung werden Anrisse von zwei Seiten aus beobachtet, während bei dazu überlagerter Längskraft auch einseitige Anrisse auftreten. Umlaufbiegung führt oft zu Schadensbildern mit allseitigem Anriss. Eine prinzipielle Darstellung enthält Abbildung 2.3.

2.2 Grundlegende Begriffsdefinitionen 2.2.1 Belastung, Beanspruchung und Beanspruchbarkeit Im Betrieb wirken auf ein Bauteil eine oder mehrere Belastungen ein, die konstant oder zeitlich veränderlich sein können. Diese Belastungen können äußere Kräfte und Momente, aber auch aufgezwungene Verformungen (z. B. in Pressverbänden) oder Temperaturfelder sein. Diese äußeren Belastungen stehen im Gleichgewicht mit den daraus resultierenden Beanspruchungen im Bauteilinneren. Diese wiederum sind hauptsächlich von der Geometrie (Form und Abmessungen) und der Belastungsart abhängig. Die Beanspruchungen werden durch mechanische Spannungen σ und τ oder als Verzerrungen ε und γ ausgedrückt, deren Berechnung die Aufgabe der Festigkeitslehre ist. Hier sei dazu auf eine unvollständige Auswahl an geeigneten Fachbüchern verwiesen [2, 9, 16, 17, 19, 20, 29, 34, 37]. Unter Beanspruchbarkeit wird die Beanspruchung verstanden, welche für den Werkstoff und damit für das Bauteil zulässig sind. Das sind zum Beispiel die statischen Festigkeitskennwerte R m und R p0,2 oder die Dauerfestigkeit. Im Gegensatz zur Beanspruchung, die berechnet werden kann, muss die Beanspruchbarkeit experimentell bestimmt oder anhand von Normen und Richtlinien abgeschätzt werden. Die Aufgabe des (Betriebs)-Festigkeitsnachweises ist es, die auftretenden Beanspruchungen den Beanspruchbarkeiten gegenüberzustellen und bezüglich der geforderten Sicherheit zu bewerten. Spannungen werden in der Betriebsfestigkeit als Nenn- oder Kerbspannungen angegeben (Abbildung 2.4). Nennspannungen werden nach den Formeln der elementaren Mechanik für Linientragwerke (Stäbe, Balken, Wellen) für die Grundbelastungsfälle Zug/Druck, Biegung, Schub und Torsion berechnet. Sie gelten für den betrachteten Bauteilquerschnitt ohne die spannungserhöhende Wirkung von Kerben zu berücksichtigen Zur Abgrenzung gegenüber Kerbspannungen werden die Symbole S für Nenn-Normalspannungen und T für NennSchubspannungen verwendet. Teilweise findet sich in der Literatur auch die Bezeichnung mit dem Index n als σn bzw. τn . Als Kerbspannungen werden die unter Annahme der linearen Elastizitätstheorie berechneten lokalen Spannungen im Bauteil unter Berücksichtigung der

2.2 Grundlegende Begriffsdefinitionen

15

F

F

σmax S

A Kerbspannung

Nennspannung

σmax=Kt·S

S=F/A

F

F

Abb. 2.4: Definition von Nennspannung, Formzahl und Kerbspannung

Kerbe bezeichnet. Für Kerbspannungen werden im Folgenden die Symbole σ und τ verwendet. Mittels Formzahl als dimensionsloser Faktor (K t ≥ 1) kann die Maximalspannung in Kerben aus der Nennspannung berechnet werden: σmax = K t ⋅ S.

(2.1)

Formzahlen sind in vielen Normen und Fachbüchern angegeben, sehr umfangreich z. B. in [50, 95]. Im Allgemeinen ist der Spannungszustand in Kerben mehrachsig. Formzahlen beziehen sich dann auf die Spannungskomponente der Kerbspannung, die der Richtung der Nennspannung entspricht (z. B. der Normalspannung in axialer Richtung bei Biegung). Viele Normen sind historisch in Nennspannungen formuliert. Das kann zu Problemen führen, wenn Spannungen in einem Bauteil mittels FEM berechnet werden. Dabei werden stets direkt Kerbspannungen ausgegeben. Diese können lediglich für Bauteile mit einfacher Geometrie und Belastung über den Kerbquerschnitt in Nennspannungen umgerechnet werden. Die FKM-Richtlinie bietet die Nachweisführung mit Nenn- und mit Kerbspannungen an. Allerdings werden Kerbspannungen dort als örtliche Spannungen bezeichnet. Das kann insofern zu Verwechslungen führen, als dass örtliche Spannungen auch als die Spannungen bezeichnet werden, die sich nach Überschreiten der Elastizitätsgrenze in Kerben einstellen. Sie unterscheiden sich aufgrund der damit verbundenen Spannungsumlagerung von elastisch berechneten Kerbspannungen.

16

2 Schwingfestigkeit

Üblich ist auch die Verwendung von Nennspannungen bei der experimentellen Bauteilprüfung oder bei experimentell ermittelten Wöhlerlinien. Bei linearelastischer Spannungsberechnung macht es für den Festigkeitsnachweis keinen Unterschied, welche Definition der Spannung verwendet wird. In diesem Fall können sie stets über einen Faktor ineinander umgerechnet werden. Ausführlich wird auf die Ermittlung der in Bauteilen wirkenden Spannungen in Kapitel 6 eingegangen. Entscheidend ist, dass Beanspruchung und Beanspruchbarkeit zwingend mit den gleichen Beanspruchungsgrößen beschrieben werden müssen.

2.2.2 Kenngrößen eines Schwingspiels Bei zyklischer Beanspruchung ist das Schwingspiel bzw. der Lastzyklus das für die Materialermüdung relevante Ereignis. Die Kenngrößen, mit denen ein Schwingspiel charakterisiert wird, zeigt Abbildung 2.5. Sie sind dort anhand von Kerbspannungen σ definiert, gelten aber analog auch für Schubspannungen, Nennspannungen, Dehnungen oder äußere Belastungen. Als zyklisch wird eine wiederkehrende Beanspruchung bezeichnet. Bleiben Maximal- und Minimalwert und damit auch die Amplitude konstant, wird dies als einstufige Beanspruchung bezeichnet. Die Schwingbreite Δσ ergibt sich aus der Differenz der Extrema: Δσ = σo − σu .

(2.2)

In der Schwingfestigkeit wird ein Schwingspiel üblicherweise mit den Größen Spannungsamplitude σa =

σo − σu Δσ = 2 2

(2.3)

Spannung

σo σa

σm

Δσ Zeit

σu 1 Schwingspiel bzw. Lastzyklus

Abb. 2.5: Kenngrößen eines Schwingspiels

17

Spannung

2.2 Grundlegende Begriffsdefinitionen

Zeit

R=7

R=±∞

R=-2

R=-1

R=-0,5

R=0

R=0,2

R=1

Abb. 2.6: Beispiele unterschiedlicher Spannungsverhältnisse

und Mittelspannung σm =

σo + σu 2

(2.4)

beschrieben. Die absolute Lage des Schwingspiels wird durch das Spannungsverhältnis R charakterisiert1 : R=

σu . σo

(2.5)

Damit lässt sich auch der Zusammenhang zwischen Spannungsamplitude und Mittelspannung ausdrücken als σa =

1−R ⋅ σm . 1+R

(2.6)

In Abbildung 2.6 sind verschiedene Spannungsverhältnisse dargestellt. Insbesondere werden folgende charakteristische Fälle unterschieden: • R = −1: wechselnde Beanspruchung mit σm = 0 • R = 0: (zug-)schwellende Beanspruchung mit σm = σa • R = ±∞: (druck)-schwellende Beanspruchung mit σm = −σa • R = +1: ruhende (statische) Beanspruchung mit σa = 0 Während im Bereich −∞ ≤ R < 1 die Mittelspannung mit dem Spannungsverhältnis ansteigt, steht R = +1 rein formal für eine konstante positive oder negative Spannung. Für Schwingspiele, deren Ober- und Unterspannungen im reinen Druckbereich liegen und die z. B. bei Stützen von Maschinenfundamenten auftreten, ergeben sich Spannungsverhältnisse von R > +1. 1

Der dafür früher für das Spannungsverhältnis verwendete κ-Wert kann folgendermaßen in R umgerechnet werden: für ∣σo ∣ ≥ ∣σu ∣ ist κ = R und für ∣σo ∣ < ∣σu ∣ ist κ = 1/R.

18

2 Schwingfestigkeit

2.2.3 Zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve Die zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve (ZSD-Kurve) beschreibt das Werkstoffverhalten unter zyklischer Beanspruchung. Sie unterscheidet sich von der im Zugversuch ermittelten zügigen Spannungs-Dehnungs-Kurve, da sich unter zyklischer Beanspruchung das Werkstoffverhalten bzw. das Stoffgesetz ändert. Für zyklisch entfestigende Werkstoffe liegt die ZSDKurve unterhalb und für zyklisch verfestigende Werkstoffe oberhalb der zügigen SpannungsDehnungs-Kurve, siehe Abbildung 2.7. Mit zunehmender Schwingspielzahl ändert sich das zyklische Spannungs-Dehnungs-Verhalten nur noch wenig und es stellt sich ein näherungs-

Spannung σ

weise stabilisiertes zyklisches Materialverhalten ein.

zyklisch zügig

Dehnung ε Abb. 2.7: Zügige und zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve für zyklisch verfestigenden Werkstoff (schematisch)

In Abbildung 2.8 ist beispielhaft eine ZSD-Kurve, wie sie für duktile Stähle typisch ist, dargestellt. Die durchgezogene Linie beschreibt die Hysterese, die sich bei einstufiger Beanspruchung im Spannungs-Dehnungs-Pfad einstellt. Aufgrund des elastisch-plastischen Materialverhaltens verläuft die Verformung zwischen den Punkten A und B nicht entlang des gleichen Pfades, sondern wie mit den Pfeilen angedeutet. Nach Lastrichtungsumkehr ist die Verformung zunächst wieder elastisch und verläuft mit dem Anstieg des E-Moduls, bevor wieder die zyklische Elastizitätsgrenze erreicht ist. Die ZSD-Kurve ergibt sich aus den Umkehrpunkten der Hysteresen von Lastzyklen mit jeweils unterschiedlicher Dehnungsamplitude. Die mathematische Beschreibung der Kurve erfolgt oft durch Addition der elastischen und plastischen Dehnungsanteile nach Ramberg-Osgood [239]: ′

εa,t = εa,el + εa,pl =

σa σa 1/n +( ′) . E K

(2.7)

Dafür müssen neben dem E-Modul auch der zyklische Verfestigungskoeffizient K ′ und der

2.2 Grundlegende Begriffsdefinitionen

19

Δε

σ

A

Spannung

Δσ

Dehnung

ε

ZSD-Kurve

Δσ

Hystereseäste B

Δε

Abb. 2.8: Zyklische Spanungs-Dehnungs-Kurve (ZSD-Kurve)

zyklische Verfestigungsexponent n ′ bekannt sein. Weiterhin ist zu beachten, dass in Gl. (2.7) keine explizite Streckgrenze, bis zu der keine plastischen Dehnungen auftreten, definiert ist, sondern für alle Werte der Spannung stets Anteile elastischer und plastischer Dehnung enthalten sind. Die mathematische Beschreibung der Hystereseäste erfolgt nach dem Ansatz von Masing (Masing-Kriterium) [219]. Dieser verwendet die für viele metallische Werkstoffe zutreffende Annahme, dass Hystereseäste durch die in Spannungen und Dehnungen verdoppelte zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve beschrieben werden können:



Δε =

Δσ Δσ 1/n +2( ′ ) . E 2K

(2.8)

Die Hystereseäste stellen sich als im Maßstab 1:2 vergrößerte Kurven der ZSD-Kurve dar, indem die Schwingbreiten Δε und Δσ den doppelten Amplituden εa,t bzw. σa entsprechen. Diese Beschreibung des elastisch-plastischen zyklischen Werkstoffverhaltens wird vor allem beim Kerbdehnungskonzept2 benötigt, auf welches im Anhang unter Abschnitt 12 eingegangen wird. Allerdings ist das Verständnis über das zyklische Werkstoffverhalten für die in Abschnitt 5.2.2 behandelte Rainflow-Zählung notwendig.

2

Dieses wird auch als Örtliches Konzept bezeichnet. Diese Bezeichnung darf nicht mit dem rein spannungsbasierten und elastischen Nachweis mit örtlichen Spannungen in der FKM-Richtlinie verwechselt werden.

20

2 Schwingfestigkeit

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude 2.3.1 Wöhlerlinie, Zeit- und Dauerfestigkeit Die Wöhlerlinie (engl. S-N-curve) beschreibt den Zusammenhang zwischen aufgebrachter konstanter Lastamplitude und ertragbarer Schwingspielzahl bis zum Versagen. Sie ist die Grundlage für den Festigkeitsnachweis schwingend beanspruchter Bauteile. Ihre Ermittlung erfolgt experimentell, indem Bauteile bzw. Proben mit konstanter Amplitude bis zum Versagen oder einer vorher festgelegten Grenzlastzyklenzahl beansprucht werden.3 Werden die Versuche mit Bauteilen durchgeführt, ist das Ergebnis die Bauteilwöhlerlinie. Versuche an ungekerbten Werkstoffproben führen zur Werkstoffwöhlerlinie. Wöhlerlinien, die auf Grundlage von Regelwerken oder anderen Grundlagen abgeschätzt sind, werden auch als synthetische Wöhlerlinien bezeichnet. Die Wöhlerlinie gibt stets nur für • ein Bauteil bzw. eine Probe mit einer bestimmten Geometrie, • einen bestimmten Werkstoff, • bestimmte Fertigungsbedingungen, • eine bestimmte Belastungsart, • ein konstantes Spannungsverhältnis4 , • eine bestimmte Überlebens- bzw. Ausfallwahrscheinlichkeit5 und • für ein bestimmtes Ausfallkriterium, welches z. B. der Bruch oder der Anriss des Bauteils sein kann. Alle Abweichungen davon beeinflussen die Schwingfestigkeit und führen auf eine andere Wöhlerlinie. Die Schwingfestigkeit kann anhand der Wöhlerlinie in Abbildung 2.9 in die drei Bereiche Kurzzeitfestigkeit, Zeitfestigkeit und Dauer- bzw. Langzeitfestigkeit unterteilt werden. Die Kurzzeitfestigkeit umfasst das Gebiet der rein statischen Festigkeit bis zu Lastzyklenzahlen von ca. N = 103 . . . 104 . Die maximale Amplitude, die bei Zugbeanspruchung direkt zum Bruch führt, ist bestimmt durch σo = R m . Damit folgt aus den Gleichungen (2.3) und (2.5) 1−R Rm . (2.9) 2 In Spannungsrichtung ist die Kurzzeitfestigkeit durch die Formdehngrenze begrenzt. Sie σa,max =

entspricht der (linearelastisch berechneten) Spannung, bei welcher im gesamten Bauteilquerschnitt die Streckgrenze erreicht ist [294]. 3

Die Verfahren zur experimentellen Ermittlung der Wöhlerlinie sind in Kapitel 10 dargestellt. Es sind auch Wöhlerlinien für konstante Mittel-, Ober- oder Unterspannungen möglich. 5 Auf die Streuung der Schwingfestigkeit wird in Abschnitt 2.3.3 eingegangen. 4

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude

21

Spannungsamplitude σa (log.)

Kurzzeitfestigkeit Rm Formdehngrenze

σD

Zeitfestigkeit Dauerfestigkeit bzw. Langzeitfestigkeit 103...104

ND ≈ 106...107 Lastzyklen N (log.)

Abb. 2.9: Einteilung der Wöhlerlinie

Für die Betriebsfestigkeit sind im Wesentlichen die Bereiche der Dauer- und der Zeitfestigkeit von Bedeutung. Im Bereich der Zeitfestigkeit nimmt mit fallender Spannungsamplitude die ertragbare Lastzyklenzahl überproportional zu. Der Zusammenhang kann nach [104] durch eine Potenzfunktion beschrieben werden: −k

N = C ⋅ (σa )

(2.10)

Es empfiehlt sich Spannung z. B. auf 1 MPa zu normieren.6 Bei der heute üblichen doppeltlogarithmischen Achsenauftragung7 ergibt sich für Gleichung (2.10) ein gerader Verlauf der Wöhlerlinie und der Anstieg der Geraden ist durch den Wöhlerlinienexponenten k bestimmt: lg N = −k ⋅ lg (σa ) + lgC .

(2.11)

Abbildung 2.10 zeigt die beiden prinzipiellen Möglichkeiten der doppeltlogarithmischen Darstellung der Wöhlerlinie. Das kann wie auf der linken Seite gezeigt durch eine logarithmisch verzerrte Darstellung der Achsen geschehen. Das wird durch (log.) an der Achsenbezeichnung gekennzeichnet. Alternativ dazu können direkt die Logarithmen der Spannungsamplitude lg(σa ) und der Lastzyklenzahl lg(N ) bei linearer Achseneinteilung dargestellt werden. Es ist zu beachten, dass Wöhlerlinien mathematisch üblicherweise als Funktion N = f (σa ) beschrieben werden, die grafische Darstellung im Gegensatz dazu aber mit den Lastzyklen auf der horizontalen und den Spannungsamplituden auf der vertikalen Achse erfolgt. 6 7

Ansonsten ist C keine dimensionslose Konstante und ihre Einheit vom Exponenten k abhängig. Im angelsächsischen Raum wird nur die Achse der Lastzyklen logarithmisch aufgetragen, während die Spannungsamplitude linear aufgetragen ist.

22

2 Schwingfestigkeit

2,6 lg(σa/MPa)

σa/MPa (log.)

400

200

2,4 2,2

100

103

104

105

106

107

2 3

N (log.)

4

5

6

7

lg(N)

Abb. 2.10: Doppeltlogarithmische Darstellungsmöglichkeiten der Wöhlerlinie

Die Zeitfestigkeitsbereich ist zu kleinen Spannungsamplituden hin vom Bereich der Dauerbzw. Langzeitfestigkeit begrenzt. Ab einer bestimmten Lastzyklenzahl ND ≈ 106 . . . 107 , auch Abknickpunkt der Wöhlerlinie bezeichnet, geht diese in einen flachen bis horizontalen Verlauf über. Dieser Punkt wird zur mathematischen Beschreibung genutzt. In der Realität bildet sich allerdings kein Knick, sondern ein kontinuierlicher Übergang aus. Der Bereich dieses kontinuierlichen Übergangs ist durch relativ große Streuungen gekennzeichnet. Die Konstante C in der Wöhlerliniengleichung (2.10) besitzt keine physikalische Bedeutung. Daher wird die Gleichung häufig als Punktrichtungsgleichung durch den Abknickpunkt (σD ; ND ) formuliert:

1

N −k ) σa = σD ⋅ ( ND

(2.12)

σa −k ) . σD

(2.13)

bzw. umgestellt nach N : N = ND ⋅ (

Diese Form hat den Vorteil, dass auch die Informationen über Dauerfestigkeit und Abknicklastzyklenzahl mit enthalten sind. Der Zusammenhang mit der Konstante C in Gleichung (2.10) ergibt sich durch Logarithmieren und Koeffizientenvergleich zu ND ⋅ (σD )k = C .

(2.14)

Wöhlerlinientypen Anhand des Verlaufs der Wöhlerlinie nach dem Abknickpunkt werden zwei prinzipielle Typen unterschieden, die in Abbildung 2.11 dargestellt sind. Werkstoffe mit Wöhlerlinien vom Typ I zeigen eine ausgeprägte Dauerfestigkeit. In diesen Fällen geht die Wöhlerlinie für hohe Schwingspielzahlen in eine Waagerechte über. Dieses Verhalten ist typisch für niedrig- und

Spannungsamplitude σa (log.)

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude

23

Wöhlerlinientyp I mit ausgeprägter Dauerfestigkeit Wöhlerlinientyp II ohne ausgeprägte Dauerfestigkeit

σD

ND

Lastzyklen N (log.) Abb. 2.11: Wöhlerlinientypen mit und ohne ausgeprägter Dauerfestigkeit

unlegierte Stähle (kubisch-raumzentrierte Gitterstruktur) sowie scharf gekerbte Bauteile aus höherfesten Stählen und Titanlegierungen. Bei den Wöhlerlinien des Typs II tritt ein stetiger Übergang zu einer deutlich geringeren Neigung auf und die Schwingfestigkeit nimmt mit steigenden Lastzyklenzahlen weiter leicht ab. Dieses Verhalten zeigt sich bei schwach- oder ungekerbten Bauteilen aus hochfesten, legierten Stählen (R m > 1200 MPa) und metallischen Werkstoffen mit kubisch-flächenzentrierter Gitterstruktur wie Aluminium- und Kupferlegierungen. Außerdem ist unter Einwirkung hoher Temperaturen und korrosiver Medien oder überlagerter tribologischer Schädigung (Verschleiß) mit Typ II-Verhalten zu rechnen. Der Begriff Langzeitfestigkeit bezieht sich auf die Schwingfestigkeit im Übergangspunkt zur Zeitfestigkeit ND . Existenz der Dauerfestigkeit Die Frage, ob überhaupt eine ausgeprägte Dauerfestigkeit existiert, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen [160, 262, 266]. Das Forschungsgebiet der Very High Cycle Fatigue (VHCF) untersucht das Schwingfestigkeitsverhalten bei sehr hohen Lastzyklenzahlen. Ausgangspunkt diese Untersuchungen waren z. B. sehr späte Brüche von Zahnfüßen in Getrieben bei bis zu 109 Lastzyklen, welche nach gängiger Lehrmeinung eine theoretisch unendliche Lebensdauer haben sollten. Aus diesem Grund werden anstelle von Dauerfestigkeit auch die Begriffe Langzeitfestigkeit oder Schwingfestigkeit bei sehr hohen Lastzyklenzahlen verwendet. Möglich wurden Untersuchungen bei so hohen Lastzyklen erst durch die Entwicklung neuer Prüftechnik mit Prüffrequenzen im kHz-Bereich [105]. Es zeigt sich, dass sich im VHCF-Bereich die Ausfallorte ändern. Anrisse gehen dann nicht mehr von Kerben aus, sondern von Gefügeungänzen (innere Fehlstellen), wie nichtmetallischen Einschlüssen (»fish eyes«) [107]. Das ist vor allem bei hochfesten Stählen mit ver-

24

2 Schwingfestigkeit

gleichsweise milden Kerben der Fall. Die Wöhlerlinien zeigen hier nach einem zunächst fast horizontalen Verlauf einen weiteren Abfall der Schwingfestigkeit ab ca. 108 Lastzyklen. Sie werden auch als Wöhlerlinien vom Typ III bezeichnet. Bei scharf gekerbten Stahlbauteilen zeigt sich hingegen meist eine ausgeprägte Dauerfestigkeit. Ein guter Überblick über das Schwingfestigkeitsverhalten im VHCF-Bereich ist z. B. in [111, 140, 238] zu finden. In diesem Buch wird bei der Verwendung der Begriffe Dauerfestigkeit bzw. Dauerfestigkeitsnachweis der Wöhlerlinientyp I vorausgesetzt und die Ausführungen beziehen sich auf Bauteile mit ausgeprägter Dauerfestigkeit. Ausnahmen davon, z. B. bei geschweißten Bauteilen, werden extra gekennzeichnet.

2.3.2 Mittelspannungseinfluss und Dauerfestigkeitsschaubilder Der zweitgrößte beanspruchungsseitige Einfluss auf die ertragbare Lastzyklenzahl ist nach der Spannungsamplitude die zum Schwingspiel gehörende Mittelspannung. So wird die ertragbare Spannungsamplitude durch überlagerte Zugmittelspannungen herabgesetzt und durch überlagerte Druckmittelspannungen erhöht. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und unterscheiden sich für verschiedene Werkstoffe. So werden Gleitvorgänge bei der Bildung und dem stabilen Fortschreiten von Ermüdungsrissen durch gleichzeitig wirkende Normalspannungen erleichtert und durch auf die Gleitebene wirkende Druckspannungen erschwert. Weiterhin führt eine durch die Mittelspannung erhöhte Oberspannung eher zu plastischem Fließen und bei zyklischer Belastung zu einer fortschreitenden Schädigung. Der Mittelspannungseinfluss ist bei der Dauerfestigkeit besonders stark ausgeprägt und nimmt zur Kurzzeitfestigkeit hin ab. Der Begriff Dauerfestigkeit ist dabei der Oberbegriff bei beliebigen Mittelspannungen bzw. Spannungsverhältnissen. Speziell werden die Begriffe Wechselfestigkeit für R = −1 und Schwellfestigkeit für R = 0 verwendet. Die Definition der Schwellfestigkeit unterscheidet sich in der Literatur. In diesem Buch ist damit die Amplitude der Dauerfestigkeit bei R = 0 gemeint. In vielen Konstruktionsbüchern, z. B. [64] wird abweichend davon die Schwingbreite Δσ bei R = 0 und somit die doppelte Amplitude als Schwellfestigkeit bezeichnet. In Dauerfestigkeitsschaubildern werden die dauerhaft ertragbaren Amplituden über der Mittelspannung aufgetragen. Früher war vor allem im Maschinenbau das Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith sehr verbreitet. Heute ist die Darstellung nach Haigh üblich. Dieses hat vor allem den Vorteil, dass verschiedene Betriebspunkte (σa ; σm ) direkt eingetragen werden und der Sicherheitsfaktor abgelesen werden kann.

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude

25

2.3.2.1 Smith-Diagramm Im als Smith-Diagramm bezeichneten Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith [257] werden die Ober- und Unterspannung der Dauerfestigkeit über der Mittelspannung aufgetragen. Dadurch kann, wie in Abbildung 2.12 gezeigt, der zeitliche Spannungsverlauf direkt im Diagramm zugeordnet werden. Für eine gegebene Mittelspannung können die Dauerfestigkeitsamplitude bzw. deren Schwingbreite in vertikaler Richtung ermittelt werden. Die ertragbare Spannungsamplitude nimmt ab, wenn sich die Oberspannung der Zugfestigkeit nähert (gestrichelter Verlauf). Zur Absicherung gegen plastisches Fließen wird jedoch die Oberspannung bei duktilen Werkstoffen meist durch die Streckgrenze R e begrenzt (durchgezogene Linie). Die näherungsweise Konstruktion von Smith-Diagrammen für sprödes und duktiles Werkstoffverhalten sowie für unterschiedliche Beanspruchungsarten ist z. B. in [59] beschrieben.

σ

σ

Rm Re

σo

σsch

Δσ

σa

σw

σm σm

σu

t

Abb. 2.12: Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith

2.3.2.2 Haigh-Diagramm Im Dauerfestigkeitsschaubild nach Haigh [161] wird, wie in Abbildung 2.13 gezeigt, die ertragbare Spannungsamplitude direkt über der Mittelspannung aufgetragen. Die Amplitude der Dauerfestigkeit wird abhängig von der Mittelspannung durch die Grenzkurve dargestellt. Diese geht bei Annäherung der Mittelspannung an die statische Festigkeit gegen Null. Weiterhin können Linien mit konstantem Spannungsverhältnis R strahlenförmig vom Koordinatenursprung ausgehend eingezeichnet werden. Die vertikale Achse entspricht der rein wechselnden Beanspruchung mit R = −1 und ihr Schnittpunkt mit der Dauerfestigkeitslinie

26

2 Schwingfestigkeit

σa

R=-1

σw σsch

R=1 Re

Rm

σm

Abb. 2.13: Dauerfestigkeitsschaubild nach Haigh

ist die Wechselfestigkeit. Punkte auf einer Geraden mit einem Winkel von 45° sind bei gleicher Achseneinteilung rein schwellend beansprucht; R = 0. Die horizontale Achse entspricht einer rein statischen Beanspruchung mit R = 1, da die ertragbare Spannungsamplitude Null ist. Diese einfache Zuordnung der Dauerfestigkeit zum Spannungsverhältnis ist ein weiterer Vorteil des Haigh-Diagramms, da die Schwingbeanspruchung in der Betriebsfestigkeit üblicherweise durch die Spannungsamplitude und das Spannungsverhältnis charakterisiert wird. Sollen plastische Dehnungen vermieden werden, kann die Grenzkurve, wie in Abbildung 2.13 durch die gestrichelte Linie gezeigt, entsprechend abgeschnitten werden. Das ist in vielen Fällen eine konservative Beschränkung, da viele metallische Werkstoffe unter zyklischer Beanspruchung eine Veränderung des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens (Ver- oder Entfestigung) zeigen. Am Verlauf der Grenzkurve ist gut zu erkennen, dass überlagerte Zugmittelspannungen die Dauerfestigkeit herabsetzen und Druckmittelspannungen diese erhöhen. Das gilt allerdings nur für Normalspannungen. Bei Schubbeanspruchung gibt es keine Unterscheidung in Zugnoch Druckbeanspruchung. Schubmittelspannungen setzen daher die Dauerfestigkeit stets herab und das Haigh-Diagramm ist symmetrisch zur σa -Achse. Für die näherungsweise Konstruktion des Haigh-Diagramms existieren verschiedene Ansätze, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Der in der der FKM-Richtlinie verwendete Ansatz für das Haigh-Diagramm wird in Abschnitt 2.3.2.4 ausführlich beschrieben. Das Haigh-Diagramm kann auch auf den Zeitfestigkeitsbereich erweitert werden, Abbildung 2.14. Die Grenzlinien beschreiben dann die Schwingfestigkeit bei konstanter Versagensschwingspielzahl für verschiedene Spannungsverhältnisse bzw. Mittelspannungen. Dafür muss für jedes im Haigh-Diagramm zu belegende Spannungsverhältnis eine Wöhlerlinie vorliegen.

σa

27

σa

R = -1 R=0

R = -1

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude

N = 104 N = 105 N = ND

104 105

N (log.)

ND (R = -1)

σm

ND (R = 0)

Abb. 2.14: Erweiterung des Haigh-Diagramms auf die Zeitfestigkeit

2.3.2.3 Mittelspannungsempfindlichkeit Die Mittelspannungsempfindlichkeit M wurde von Schütz [246] als Kennwert zur Beschreibung des Mittelspannungseinflusses auf die Schwingfestigkeit eingeführt. Sie ist für die Dauerfestigkeit als Anstieg der geraden Verbindung zwischen Wechsel- und Schwellfestigkeit8 im Haigh-Diagramm definiert, siehe Abbildung 2.15. M=

σW − σSch σW = −1 σSch σSch

(2.15)

Analog zu Abbildung 2.14 kann die Mittelspannungsempfindlichkeit für N = konst. im Zeitfestigkeitsgebiet definiert werden. Es gilt dann allgemein M=

σa,R =−1 − 1. σa,R =0

(2.16)

Eine geringe Mittelspannungsempfindlichkeit bedeutet demnach einen geringen Abfall der Schwingfestigkeit bei zunehmenden Zugmittelspannungen. Im Grenzfall M = 0 hat die Mittelspannung keinen Einfluss auf die ertragbare Spannungsamplitude und die Grenzlinie im Haigh-Diagramm verläuft horizontal. Der andere Grenzfall M = 1 bedeutet, dass Mittelspannung und Spannungsamplitude gleichermaßen schädigen, wodurch die Grenzlinie mit steigender Zugspannung im 45° Winkel abfällt. Mit der Mittelspannungsempfindlichkeit wird ein linearer Verlauf der Grenzkurve im HaighDiagramm zwischen R = −1 und R = 0 unterstellt. Das trifft in guter Näherung in vielen Fällen zu. Aus den Gleichungen (2.15) bzw. (2.16) kann damit eine Formel angegeben werden, um die Dauerfestigkeit unter Wirkung von Mittelspannungen im Bereich −1 ≤ R ≤ 0 aus der 8

Auch hier ist unbedingt zu beachten, dass σSch die Amplitude und nicht die Schwingbreite der Schwellfestigkeit bezeichnet.

28

2 Schwingfestigkeit

σa σw σsch

M = tan α α

σsch

Rm

σm

Abb. 2.15: Definition der Mittelspannungsempfindlicheit

mittelspannungsfreien Wechselfestigkeit zu berechnen: σD = σW − M ⋅ σm .

(2.17)

Diese Beziehung gilt entsprechend auch für den Zeitfestigkeitsbereich und ermöglicht es aus einer mittelspannungsbehafteten Spannungsamplitude eine schädigungsäquivalente mittelspannungsfreie Spannungsamplitude zu berechnen9 . In Gleichung (2.17) wird auch die Bezeichnung als »Empfindlichkeit« klar. Die Mittelspannungsempfindlichkeit ist ein Faktor zwischen 0 und 1, der angibt, wie stark die Mittelspannung die ertragbare Spannungsamplitude beeinflusst. Die Mittelspannungsempfindlichkeit wird vereinfacht als reiner Werkstoffkennwert angenommen. Sie ist aber gerade bei Bauteilen aus duktilen Stählen auch von der Bauteil- bzw. Kerbform abhängig. In scharfen Kerben mit lokal hohen Spannungen kommt es bei rein elastischer Nennbeanspruchung bereits zu lokalem Überschreiten der Streckgrenze. Die dabei entstehenden Eigenspannungen überlagern sich mit den Mittelspannungen, was im Fall von Druckeigenspannungen formal zu einer geringeren Mittelspannungsempfindlichkeit führen kann. Das im nachfolgenden Abschnitt beschriebene modifizierte Haigh-Diagramm in der FKM-Richtlinie berücksichtigt dies durch eine abgeminderte Mittelspannungsempfindlichkeit im Bereich hoher Zugmittelspannungen. Weiterhin ist die Mittelspannungsempfindlichkeit von der Beanspruchungsart abhängig und bei Normalspannungen größer als bei Schubspannungen. Zur besseren Unterscheidung werden dafür die Formelzeichen M σ und M τ verwendet. Allgemein steigt die Mittelspannungsempfindlichkeit bei metallischen Werkstoffen mit der statischen Festigkeit der Legierung an. Abbildung 2.16 zeigt diese Abhängigkeit für verschiedene Werkstoffgruppen. Der Anstieg von M mit steigender Festigkeit ist auch beim Härten von Werkstoffen zu beachten. Der Vorteil der höheren Wechselfestigkeit eines Werkstoffs durch 9

Diese werden als Ersatzspannungsamplituden bezeichnet und werden für den Betriebsfestigkeitsnachweis unter variablen Amplituden in Kapitel 9 benötigt. Die Berechnung der Ersatzspannungsamplituden ist in Abschnitt 5.3.3 genauer beschrieben

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude

29

0

GS NiCoMo AM 355 1.7704.6

PH 15-7 Mo

1.6604.6

1000

NiCoMo

Stähle

GS 25 CrMo4 GGG-70 GGG-100 zw.

NiCoMo geglüht 41Cr4 Ti-Leg.

Ck45

500

SAE 4130

St52

0

Stahlguss

Eisengraphitgusswerkstoffe

GTS-70

3.1354.5 3.1254.7 3.4354.7 3.4364.7

G-AlSi7Mg wa G-AlCu4Ti wa St37

0,2

AluminiumKnetlegierungen

GGG-40

0,4

AlMg5 GTS-35 AlMgSi1

AM20 HP G-AlSi 11 MgSr

0,6

AZ91 HP

Al- und MgGusswerkstoffe

0,8

AM50 HP

Mittelspannungsempfindlichkeit M

1

Streubereich für Rundstäbe unter einstufiger Biegung Streubereich für Flachstäbe unter einstufiger Axiabelastung

1500

2000

Zugfestigkeit Rm in MPa

Abb. 2.16: Mittelspannungsempfindlichkeit bei Normalspannungen für verschiedene Werkstoffgruppen nach Schütz [246] und Sonsino [265]

das Härten kann bei hohen Zugmittelspannungen verschwinden. Auch spröde Werkstoffe wie Sinterstahl und Keramiken haben hohe Mittelspannungsempfindlichkeiten. In Abbildung 2.16 ist auch ersichtlich, dass M als rein empirischer Kennwert auch großen Streuungen unterlegen ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Mittelspannungsempfindlichkeit infolge einer Wärmebehandlung der Oberfläche (z. B. durch Einsatzhärten) noch deutlich höhere Werte annehmen kann. In [115] werden bei einsatzgehärteten Stählen mit einer Zugfestigkeit von ca. 1000 MPa Werte bis M = 0,7 ermittelt. In der FKM-Richtlinie wird die Mittelspannungsempfindlichkeit in Anlehnung an [181] aus der Zugfestigkeit abgeschätzt. Sie wird damit als ein reiner Werkstoffkennwert und unabhängig von der Bauteilgeometrie behandelt. Die Formeln sind in Tabelle 2.1 angegeben und gelten für nichtgeschweißte Bauteile. Die Werte für M τ entsprechen den im Verhältnis der Wechselfestigkeiten σW /τW abgeminderten Werten von M σ .

2.3.2.4 Modifiziertes Haigh-Diagramm nach FKM-Richtlinie

Das Haigh-Diagramm wird in der FKM-Richtlinie als mehrfach geknickter Geradenzug beschrieben, siehe Abbildung 2.17. Für R ≤ 0 entspricht der Anstieg der Dauerfestigkeitslinie der in Tabelle 2.1 angegebenen Mittelspannungsempfindlichkeit. Im Bereich hoher Zugmittelspannungen R > 0 wird die Steigung der Grenzlinie durch M σ′ = M σ /3 beschrieben. Für R > 0,5, das entspricht einer Mittelspannung σm = 3 ⋅ σa , nimmt die Dauerfestigkeit bei zunehmender

30

2 Schwingfestigkeit

Mittelspannung nicht weiter ab und die Grenzlinie geht in einen horizontalen Verlauf über. Damit wird dem bereits erwähnten Aufbau von Eigenspannungen bei lokalem Überschreiten der Streckgrenze in Kerben Rechnung getragen. Im Bereich von Druckmittelspannungen steigt die Dauerfestigkeit bis R = ±∞ weiter an und geht danach in einen horizontalen Verlauf über. Entlang der Grenzkurve kann die Dauerfestigkeit bzw. die Schwingfestigkeit für N = konst. für beliebige Spannungsverhältnisse berechnet werden. Die entsprechenden Formeln sind in Tabelle 2.2 angegeben. Bei betragsmäßig hohen Werten der Mittelspannung wird das Haigh-Diagramm durch die statische Festigkeit begrenzt. Das erfolgt durch Abschneiden der Grenzlinie durch eine Gerade, welche die beiden Koordinatenachsen jeweils bei den Werten der statischen Festigkeit schneidet. Die Berechnung der statischen Festigkeit nach FKM-Richtlinie wird in Abschnitt 7 ausführlich beschrieben. Für Schubbeanspruchung wird ein zur vertikalen Achse symmetrisches Haigh-Diagramm verwendet, dessen Grenzkurve auf beiden Seiten analog zu Normalspannungen bei Zugmittelspannungen abfällt.

Tab. 2.1: Abschätzung der Mittelspannungsempfindlichkeit nach FKM-Richtlinie [95] (nichtgeschweißte Bauteile)

Werkstoffgruppe

Normalspannungen

Schubspannungen

Stahl (inkl. nichtrostender Stahl)

M σ = 0,00035 ⋅ R m − 0,10

M τ = 0,577 ⋅ M σ

Stahlguss

M σ = 0,00035 ⋅ R m + 0,05

M τ = 0,577 ⋅ M σ

Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)

M σ = 0,5

Mτ = Mσ

Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)

M σ = 0,4

M τ = 0,65 ⋅ M σ

ADI

M σ = 0,4

M τ = 0,7 ⋅ M σ

Temperguss

M σ = 0,00035 ⋅ R m + 0,13

M τ = 0,75 ⋅ M σ

Al-Knetlegierungen

M σ = 0,001 ⋅ R m − 0,04

M τ = 0,577 ⋅ M σ

Al-Gusslegierungen

M σ = 0,001 ⋅ R m + 0,20

M τ = 0,75 ⋅ M σ

σa

R = -1

σw

R=1

tan(α) = M tan(α) = M/3 tan(α) = 0 R=1

σm Abb. 2.17: Modifiziertes Haigh-Diagramm für Normalspanngen nach FKM-Richtlinie [95]

2.3 Beanspruchbarkeit bei konstanter Amplitude

31

Tab. 2.2: Berechnung der Dauerfestigkeit aus der Wechselfestigkeit nach FKM-Richtlinie [95]

Gültigkeitsbereich

Dauerfestigkeit

Druckschwellbereich

R ≥1

σD (R ) = σW (

1 ) 1 − Mσ

Zug-Druck-Wechselbereich

−∞ ≤ R ≤ 0

σD (R ) = σW (

1 ) 1 + M σ (1 + R )/(1 − R )

niedriger Zug-Schwellbereich

0 ≤ R ≤ 0,5

σD (R ) = σW (

(1 + Mσ /3)/(1 + Mσ ) ) 1 + (M σ /3) ⋅ (1 + R )/(1 − R )

hoher Zugschwellbereich

0,5 ≤ R ≤ 1

σD (R ) = σW (

1 + M σ /3 ) (1 + Mσ )2

2.3.3 Streuung der Schwingfestigkeit Die Schwingfestigkeit unterliegt erheblichen Streuungen. Die Ursachen der Streuung sind vielfältig. Gründe sind z. B. statistisch verteilte Werkstoffinhomogenitäten und Fehlstellen sowie Schwankungen in der Werkstoffzusammensetzung und dem Gefügezustand verschiedener Chargen. Wöhlerlinien werden für eine bestimmte Wahrscheinlichkeit angegeben. In der Betriebsfestigkeit werden die Begriffe Ausfallwahrscheinlichkeit P A und Überlebenswahrscheinlichkeit P Ü verwendet, wobei P A + P Ü = 1 ist. Bei einer Wahrscheinlichkeit von P A = 10 % bzw. P Ü = 90 % versagen 10 % der Bauteile bis zum Erreichen der für diesem Lasthorizont angegebenen Lastzyklenzahl. Zunächst soll die Streuung der Lebensdauer im Zeitfestigkeitsgebiet betrachtet werden. Abbildung 2.18 zeigt schematisch die Ergebnisse von mehreren Schwingfestigkeitsversuchen auf drei verschiedenen Lasthorizonten. Darin sind die Bruchlastzyklenzahlen im Wöhlerdiagramm als Punkte eingetragen. Bei Versuchen mit derselben Spannungsamplitude streut die Lebensdauer. Für jeden Lasthorizont ist zusätzlich die Dichteverteilung der Bruchlastzyklenzahlen als graue Fläche dargestellt. Die Lastzyklenzahl am Maximum der Dichteverteilung beschreibt die Lebensdauer mit 50 % Ausfall- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit N50 % . Mit steigendem Abstand von dieser Lastzyklenzahl nimmt die Dichte der Brüche ab. Eingetragen sind die Wöhlerlinien bei 50 % und 10 % Ausfallwahrscheinlichkeit. Für die Lebensdauer im Zeitfestigkeitsgebiet wird die logarithmische Normalverteilung angenommen. Darauf wird in Abschnitt 4.3 ausführlich eingegangen. Im Allgemeinen nimmt

32

2 Schwingfestigkeit

σa (log.)

statische Festigkeit PA=50 % - Wöhlerlinie PA=10 % -Wöhlerlinie

Dauerfestigkeit σD,50%

σD,10% ND,50%

N (log.)

ND,10%

Abb. 2.18: Streuung von Wöhlerlinien

die Streuung bei der Zeitfestigkeit hin zu großen Lastzyklenzahlen zu, weshalb die P A = 10 %Wöhlerlinie etwas stärker abfällt als die 50 %-Wöhlerlinie. Demgegenüber streut die Dauerfestigkeit in Richtung der Festigkeit bzw. in Lastrichtung. Diese streut in Spannungsrichtung. Auch hier liegt beim Maximum der Dichte die 50 %Dauerfestigkeit σD,50 % . Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bauteil eine Dauerfestigkeit oberoder unterhalb dieses Wertes hat, nimmt mit steigendem Abstand ab. Für die experimentelle Bestimmung der Dauerfestigkeit werden Proben bis zu einer Grenzlastzyklenzahl NG , die größer als die Lastzyklenzahl des Abknickpunkts ND,50% sein muss, schwingend belastet und als Ergebnis Bruch (bzw. ein anderes Ausfallkriterium) oder Durchläufer (kein Bruch bis NG ) ausgewertet. Bei der Spannungsamplitude σD,50 % ist das Verhältnis aus Brüchen und Durchläufern im Mittel ausgeglichen, während oberhalb mehr Brüche und unterhalb mehr Durchläufer auftreten.10 Die Streuung der Dauerfestigkeit ist im Allgemeinen größer als die der statischen Festigkeit.

2.4 Grundgedanke der linearen Schadensakkumulation Wird ein Bauteil nur mit konstanter Amplitude beansprucht, kann die zu erwartende Lebensdauer direkt aus der Wöhlerlinie mit dem gleichen Spannungsverhältnis und der geforderten Ausfallwahrscheinlichkeit abgelesen werden. Die Konstantamplituden-Beanspruchung wird auch als einstufige Beanspruchung bezeichnet. Eine mehrstufige Beanspruchung, wie sie 10

Die Verfahren zur experimentellen Bestimmung der Dauerfestigkeit werden in Abschnitt 10.2 behandelt.

2.4 Grundgedanke der linearen Schadensakkumulation

33

z. B. durch unterschiedliche Betriebszustände einer Maschine auftritt, beinhaltet Amplituden unterschiedlicher Größe und Häufigkeit. In diesem Fall kann die Lebensdauer nicht mehr direkt aus der Wöhlerlinie ermittelt werden, da die Wöhlerlinie lediglich für einstufige Beanspruchungen gilt. Zur Ermittlung der Lebensdauer bei mehrstufiger Beanspruchung müssen die Schädigungen, die jede Stufe hervorruft, berechnet und aufsummiert (kumuliert) werden. Der einfachste und auch heute noch gebräuchlichste Ansatz ist die Hypothese der linearen Schadensakkumulation (Miner-Regel). Diese ist, wie der Name bereits vermuten lässt, lediglich eine Hypothese und keine physikalisch exakte Berechnung. Daher wird ihre Anwendung auch treffender als Lebensdauerabschätzung denn als Lebensdauerberechnung bezeichnet. Die Schadensakkumulation wird erst in Kapitel 9.2 genauer behandelt. Dennoch ist der Grundgedanke für das Verständnis von Kapitel 5 wichtig. Die lineare Schadensakkumulation wird anhand einer beispielhaften Wöhlerlinie in der Form von Gleichung (2.13) erklärt: N = ND (

−5 σa −k σa ) = 106 ⋅ ( ) . σD 100 MPa

Diese soll für wechselnde Beanspruchung (R = −1) und eine Ausfallwahrscheinlichkeit von P A = 50 % gelten. Bei rein einstufiger Beanspruchung mit gleichem Spannungsverhältnis wie die gegebene Wöhlerlinie kann die Lebensdauer bzw. ertragbare Lastzyklenzahl bis Bruch direkt aus der Wöhlerlinie ermittelt werden. So ergibt sich z. B. mit der Amplitude σa,1 = 180 MPa aus Gleichung (2.4) die Bruchlastzyklenzahl N1 = 52.922. Der Grundgedanke der linearen Schadensakkumulation ist nun, dass eine schwingende Beanspruchung mit jedem Lastzyklus eine Schädigung D in das Bauteil einbringt, die sich mit jedem weiteren Lastzyklus weiter aufsummiert. Ein Lastzyklus der Amplitude σa führt zu einer Schädigung von D=

1 . N (σa )

(2.18)

Die Schädigung eines Schwingspiels entspricht also dem reziproken Wert der Bruchlastzyklenzahl Ni , die mit der Amplitude σa,i entsprechend der Wöhlerlinie zum Bruch führt. Die mit einer bestimmten Lastzyklenzahl n i aufgebrachte Spannungsamplitude σa,i führt demnach auf die Schädigung Di =

ni . Ni

(2.19)

D i ist kleiner als 1, wenn n i < Ni und das Bauteil versagt, wenn n i = Ni ist. In dem Fall entspricht die Schädigung nach Gleichung (2.19) dem Wert D = 1, siehe Abbildung 2.19. Im Beispiel soll die Amplitude σa,1 = 180 MPa für n 1 = 30.000 Lastzyklen auf das Bauteil aufgebracht werden. Die Teilschädigung beträgt dann nach Gleichung (2.19) D 1 = 0,567. Das bedeutet, nach der linearen Schadensakkumulationshypothese beträgt die Schädigung des Bauteils nach Aufbringen der n 1 Lastzyklen 0,56 oder 56 %.

2 Schwingfestigkeit

σa (log.)

34

Teilschädigung 0 < Di < 1 Bauteilversagen D = 1

σa,i

ni

Ni

N (log.)

Abb. 2.19: Grundgedanke der linearen Schadensakkumulation

Jetzt soll mit Hilfe der Schadensakkumulation auch die Lebensdauer berechnet werden, die ein Bauteil unter mehrstufiger Beanspruchung mit j unterschiedlichen Spannungsamplituden (σa,1 ; n 1 ), (σa,2 ; n 2 ) . . . (σa, j ; n j ), einem sogenannten Beanspruchungskollektiv erreicht. Alle Spannungsamplituden sollen weiterhin dasselbe Spannungsverhältnis wie die Wöhlerlinie aufweisen. Die Schädigung des Spannungskollektivs ist dann die Summe der Teilschädigungen einer jeden Amplitude: j

ni . N i =1 i

D Koll = ∑

(2.20)

Der Kehrwert 1/D Koll ist das Verhältnis dieser Schädigung zur Schädigung beim Bruch (D = 1) und gibt an, wie oft das Bauteil mit dem Kollektiv beansprucht werden kann bis es zum Bauteilversagen durch Bruch kommt. Im konkreten Beispiel soll das Bauteil mit einem zweistufigen Kollektiv beansprucht werden. Die Spannungsamplitude σa,1 = 200 MPa wird n 1 = 2.000 mal und σa,2 = 170 MPa wird n 2 = 10.000 mal aufgebracht. Damit ergibt sich nach Gleichung (2.20) die Kollektivschädigung zu D Koll =

2.000 10.000 2.000 10.000 + = + = 0,206. N1 N2 31.250 70.430

1 Das Kollektiv bestehend aus n 1 +n 2 = 12.000 Lastzyklen kann damit bis zum Bruch 0,206 = 4,854

mal ertragen werden, was rund 58.250 Lastzyklen entspricht. Der linearen Schadensakkumulation liegen die Annahmen zugrunde, dass jeder einzelne Lastzyklus einer konstanten Amplitude in gleichem Maße zur Schädigung beiträgt und die Reihenfolge der Beanspruchung keinen Einfluss hat. Auf die Fehler infolge dieser Annahmen wird in Abschnitt 9.3.5 eingegangen.

2.5 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 2

35

2.5 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 2 Verständnisfragen 1. Was ist der Unterschied zwischen zügiger und zyklischer Beanspruchung? 2. Wie wirken sich Mittelspannungen auf die Schwingfestigkeit aus? 3. Nennen Sie typische Maschinenbauteile, welche mit den Spannnungsverhältnissen R = −1, R = 0, R > 1 oder 0 ≤ R ≤ 1 beansprucht werden. 4. Was ist die Schwellfestigkeit und welche zwei unterschiedlichen Definitionen gibt es dafür? Welches ist die in der Betriebsfestigkeit übliche Definition? 5. Skizzieren Sie für ein Bauteil qualitativ die Wöhlerlinien für wechselnde und schwellende Beanspruchung. 6. Worin unterscheiden sich die Wöhlerlinien für Bauteile aus Baustahl und aus Aluminiumlegierungen generell? 7. Was gibt die Mittelspannungsempfindlichkeit M an und mit welchem Werkstoffkennwert korreliert sie? 8. Nennen Sie eine Werkstoffgruppe, die keine ausgeprägte Dauerfestigkeit besitzt.

Aufgaben 1. Für ein Bauteil wurden für zwei Spannungsamplituden experimentell die Bruchlastwechselzahlen mit 50 %-Überlebenswahrscheinlichkeit ermittelt: σa,1 = 450 MPa → N1,50% = 52404 und σa,2 = 320 MPa → N2,50% = 367118. a) Bestimmen Sie die Parameter der 50 %-Wöhlerlinie nach Gleichung (2.10). b) Berechnen Sie die Abknicklastzyklenzahl ND zur Beschreibung der Wöhlerlinie nach Gleichung (2.13), wenn zusätzlich die Dauerfestigkeit mit σDK = 274 MPa bekannt ist. 2. Konstruieren Sie ein Haigh-Diagramm nach FKM-Richtlinie für ein Bauteil aus Vergütungsstahl mit der Zugfestigkeit R m = 900 MPa und der Bauteilwechselfestigkeit σWK = 400 MPa. Wie groß sind die Bauteildauerfestigkeiten bei den Spannungsverhältnissen R = ±∞, R = 0 und R = 0,5?

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung Der Betriebsfestigkeitsnachweis für Bauteile kann unter Verwendung einer experimentell ermittelten Bauteilwöhlerlinie oder einer abgeschätzten synthetischen Wöhlerlinie erfolgen. Im ersten Fall werden Bauteile möglichst im Einbauzustand und unter Einsatzbedingungen geprüft, so dass alle relevanten Einflüsse auf die Schwingfestigkeit enthalten sind. Bei der Abschätzung von Bauteilwöhlerlinien wird meist die statische Festigkeit des Werkstoffs, beispielsweise die Zugfestigkeit, als Ausgangspunkt verwendet. Diese Kennwerte können aber wesentliche Einflüsse auf die Schwingfestigkeit nicht erfassen. Für jeden der einzelnen Einflüsse existieren empirische Formeln zur Abschätzung von Korrekturfaktoren, die üblicherweise multiplikativ verknüpft werden. Mit diesen kann aus der statischen Festigkeit die Bauteildauerfestigkeit abgeschätzt werden. Hierfür existieren verschiedene Vorschläge und Regelwerke [22, 59, 75, 83, 86, 89, 95, 98, 113, 128, 159, 181, 222], die sich unterscheiden, aber in Teilen auch übereinstimmen. Nachfolgend werden wichtige Einflüsse und die Abschätzung ihres Einflusses auf die Schwingfestigkeit nach FKM-Richtlinie vorgestellt. Anschließend wird in Abschnitt 3.10 gezeigt, wie daraus der Konstruktionsfaktor zur Abschätzung der Bauteildauerfestigkeit berechnet wird.

3.1 Werkstoff Die Wechselfestigkeit eines metallischen Werkstoffs steigt prinzipiell mit größer werdender statischer Festigkeit1 an. Für die Wechselfestigkeit wird meist ein empirischer Zusammenhang mit der Zugfestigkeit, bisweilen auch mit der Streckgrenze formuliert. Als Wechselfestigkeit des Werkstoffs soll hier die Wechselfestigkeit eines polierten Probestabes definierter Größe unter Zug-Druck-Wechselbeanspruchung verstanden werden. Neben der Zug-DruckWechselfestigkeit wird oft auch die Biegewechselfestigkeit eines Werkstoffs mit angegeben. Letztere ist im strengen Sinn kein Werkstoffkennwert, da sich infolge der Biegebeanspruchung ein inhomogener Spannungszustand einstellt. Als Werkstoffkennwert wird hier ein an ungekerbten, polierten Proben unter axialer Belastung ermittelter Kennwert bezeichnet. 1

Die Werkstofffestigkeit hat auch Einfluss auf die Mittelspannungsempfindlichkeit und die Kerbempfindlichkeit, siehe Absatz 3.3. Es ist zu beachten, dass mit zunehmender Werkstofffestigkeit sowohl die Mittelspannungsempfindlichkeit als auch die Kerbempfindlichkeit ebenfalls zunehmen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_3

37

38

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

In der FKM-Richtlinie wird die Wechselfestigkeit direkt aus der Zugfestigkeit über die Beziehung σW = f W,σ ⋅ R m

(3.1)

abgeschätzt. Der Umrechnungsfaktor f W,σ (Zugdruckwechselfestigkeitsfaktor) ist von der Werkstoffgruppe abhängig. Abbildung 3.1 zeigt die Korrelation zwischen Wechselfestigkeit und Zugfestigkeit am Beispiel von Stahl. In Tabelle 3.1 sind die Gleichungen zur Abschätzung der Wechselfestigkeit für Zug-Druck- und Schubbeanspruchung angegeben. Die Wechselfestigkeit unter Schubbeanspruchung ergibt sich mittels τW = f W,τ ⋅ σW .

(3.2)

Für duktile Stähle und Al-Knetwerkstoffe ergibt sich der Schubwechselfestigkeitsfaktor f W,τ = 0,577 = √1 entsprechend der Gestaltänderungsenergiehypothese (siehe dazu auch Abschnitt 3

6.2.2). Für Gusseisen mit Lamellengraphit folgt aus der Normalspannungshypothese σW = τW . Für die Werkstoffgruppen Gusseisen mit Kugelgraphit und Temperguss wird τW über eine gemischte Festigkeitshypothese mit Anteilen der Gestaltänderungsenergiehypothese und der Normalspannungshypothese berechnet. Diese ist in Gleichung (6.34) in Abschnitt 7.1 angegeben.

Tab. 3.1: Abschätzung der Werkstoff-Wechselfestigkeit nach FKM-Richtlinie [95]

Beanspruchungsart Zug-Druck

Schub

Stahl (außer den nachfolgenden)

Werkstoffgruppe

σW = 0,45 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

Einsatzstahl

σW = 0,40 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

nichtrostender Stahl

σW = 0,40 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

Schmiedestahl

σW = 0,40 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

Stahlguss (GS)

σW = 0,34 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)

σW = 0,34 ⋅ R m

τW = 0,65 ⋅ σW

Temperguss (GJM)

σW = 0,30 ⋅ R m

τW = 0,75 ⋅ σW

Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)

σW = 0,34 ⋅ R m

τW = 1,0 ⋅ σW

Al-Knetwerkstoff

σW = 0,30 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

Al-Gusswerkstoff

σW = 0,30 ⋅ R m

τW = 0,577 ⋅ σW

Zug-Druck-Wechselfestigkeit in MPa

3.2 Größeneinfluss

39

700

600 500

σW = 0,45·Rm

400 300 200

Versuche

100

FKM-Richtlinie

0 0

200

400

600

800

1000

1200

1400

Zugfestigkeit in MPa

Abb. 3.1: Abschätzung der Wechselfestigkeit aus der Zugfestigkeit für Stahl nach FKM-Richtlinie, Versuchsdaten aus [181] (der Flächeninhalt der Kreise repräsentiert die Anzahl der Einzelversuche hinter jedem Wert)

3.2 Größeneinfluss Die im Labor an kleinen Proben ermittelten Schwingfestigkeiten führen oft zur Überschätzung der Bauteilfestigkeit und können daher nicht direkt übertragen werden. So haben bereits dünne ungekerbte Stäbe eine höhere Dauerfestigkeit als dicke Stäbe desselben Werkstoffs, Abbildung 3.2. Ähnlich ist der Einfluss der Probenlänge: lange Proben haben bei gleichem Durchmesser eine geringere Dauerfestigkeit als kurze Stäbe. Auch die Art der Belastung und damit der Spannungszustand beeinflusst die Ergebnisse. Wenn an identischen Stäben die Dauerfestigkeit einmal für Zug-Druck-Belastung und ein anderes Mal unter Biegung ermittelt wird, dann ist die Biegedauerfestigkeit bei Stahl um ca. 10 % bis 30 % höher. All diese Effekte werden unter dem Begriff Größeneinfluss auf die Dauerfestigkeit zusammengefasst. Er kann nach Kloos [191] in den technologischen, den spannungsmechanischen und den statistischen Größeneinfluss eingeteilt werden.

Technologischer Größeneinfluss Fertigungstechnologien wie Erschmelzen, Gießen, Schmieden und Umformen weisen größenabhängige Effekte auf. So führt eine geringere Abkühlgeschwindigkeit beim Abschrecken bei größeren Halbzeugen und Bauteilen auf andere Werkstoffzustände (Gefügeausbildungen) als bei kleineren Bauteilen. Auch die Anzahl und Größe nichtmetallischer Einschlüsse nimmt mit steigender Bauteilgröße zu. Unterschiedliche Umformgrade führen wiederum auf

40

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

Probendurchmesser d3> d2> d1

σa (log.)

ႇd1 ႇd2 ႇd3

N (log.) Abb. 3.2: Einfluss der Bauteilgröße auf die Schwingfestigkeit 1 σa (log.)

3

2

1 2

1

Vergütungsgefüge

2

Mischgefüge

3

Ausgangsgefüge

3 N (log.)

Abb. 3.3: Technologischer Größeneinfluss am Beispiel der Wärmebehandlung von Vergütungsstählen, nach [22]

unterschiedlich stark ausgeprägte Eigenspannungen. Auch bei wärmebehandelten Stählen zeigt sich eine starke Abhängigkeit der Schwingfestigkeit vom Durchmesser. Abbildung 3.3 zeigt anhand von drei Wöhlerlinien den Einfluss des Gefüges auf die Schwingfestigkeit. Bei kleinem Durchmesser erstreckt sich das Vergütungsgefüge über den gesamten Querschnitt, während bei großem Durchmesser im Kern ein Gefüge mit geringerer Festigkeit verbleibt. In der FKM-Richtlinie wird der technologische Größeneinfluss auf die Zugfestigkeit durch Multiplikation des technologischen Größenfaktors K d,m mit der Normzugfestigkeit des Werkstoffs berücksichtigt. Der Größeneinfluss wirkt sich damit auch direkt auf die Wechselfestigkeit aus, da diese direkt aus der Zugfestigkeit nach Gleichung (3.1) berechnet wird. Der Größenfaktor ist in Abhängigkeit des effektiven Durchmessers d eff beschrieben, welcher aus dem Verhältnis von Bauteilvolumen zu -oberfläche bestimmt werden kann. Die Festigkeitsabminderung infolge des technologischen Größeneinflusses beginnt erst ab einem bestimmten Wert d eff,N ,

3.2 Größeneinfluss

41

der abhängig vom Werkstoff zwischen 15 mm und 250 mm liegt. Für Stahlbauteile gilt für d eff,N,m ≤ d eff < d eff,max d

K d,m =

1 − 0,7686 ⋅ a d,m ⋅ lg ( 7,5 eff mm )

(3.3)

d

1 − 0,7686 ⋅ a d,m ⋅ lg ( 7,5eff,N,m mm )

Die werkstoffabhängigen Faktoren d eff,N,m und a d,m sind in der Richtlinie angegeben. Zur Berechnung des Größeneinflussfaktors auf die Streckgrenze K d,p wird Gleichung (3.3) mit entsprechend anderen Faktoren d eff,N,p und a d,p verwendet. In Abbildung 3.4 ist der Verlauf beider Faktoren in Abhängigkeit vom effektiven Bauteildurchmesser beispielhaft für

Technologischer Größenfaktor Kd,m

Vergütungsstahl dargestellt.

Vergütungsstahl (vergütet)

1 0,9 0,8 0,7

Kd,m 0,6 0,5

Kd,p 1

10

deff,N

50

100

200

Effektiver Durchmesser deff in mm Abb. 3.4: Technologischer Größeneinfluss nach FKM-Richtlinie am Beispiel von Vergütungsstahl im vergüteten Zustand

Spannungsmechanischer Größeneinfluss Der spannungsmechanische Größeneinfluss beschreibt den Einfluss einer inhomogenen Spannungsverteilung auf die Schwingfestigkeit. Werkstoffkennwerte, wie die Dauerfestigkeit, werden an ungekerbten Rundproben unter Zug-Druck-Belastung ermittelt. Dabei ist die Spannungsverteilung über dem Querschnitt konstant. Bei Bauteilen ist die Spannungsverteilung durch die Wirkung von Kerben oder auch der Beanspruchung (z. B. bei Biegung) nicht mehr homogen, sondern nimmt von der Oberfläche ausgehend ab. Damit wirkt die maximale Spannung nur in einem kleinen Bereich des Querschnitts, wodurch eine höhere Spannungsamplitude als bei homogener Beanspruchung ertragen werden kann. Dieser Effekt

42

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

Mb1

Mb1 b1 σmax

Mb2

b2

Mb2

Abb. 3.5: Einfluss des Probendurchmessers auf den Spannungsgradienten bei Biegung

ist als Stütz- oder Kerbwirkung bekannt und wird im nachfolgenden Abschnitt noch genauer behandelt. Der spannungsmechanische Größeneinfluss zeigt sich bereits beim Vergleich der Schwingfestigkeit zweier durch Biegung belasteter Flachproben in Abbildung 3.5. Bei gleicher Maximalspannung ist der Abfall zum Probeninneren hin für die kleinere Probe stärker. Daher ist auch die Dauerfestigkeit der kleineren Probe höher.

Statistischer Größeneinfluss Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Fehlstelle, von der Ermüdungsrisse ausgehen können, steigt mit zunehmender Bauteilgröße. Dieser Effekt ist besonders bei spröden Werkstoffen relevant. Ein Ansatz den statistischen Größeneinfluss zu erfassen, ist das Fehlstellenmodell nach Weibull [292], welches in Abschnitt 8.4.3 noch näher behandelt wird. In der Regel tritt der statistische Größeneinfluss überlagert mit dem technologischen und dem spannungsmechanischen Größeneinfluss auf. Mit größerem Volumen sind immer auch fertigungsbedingte Einflüsse verbunden und mit steigendem Spannungsgradienten nimmt auch die Größe des beanspruchten Volumens ab.

3.3 Kerben 3.3.1 Kerb- und Stützwirkung Das Thema Kerben und Stützwirkung bei zyklischer Beanspruchung führt immer wieder zu Missverständnissen, denn je nachdem ob die Beanspruchung als Nenn- oder Kerbspannung beschrieben wird, führt dies zu scheinbar widersprüchlichen Aussagen. In Nennspannungen gedacht, setzen Kerben in einem Bauteil die Dauerfestigkeit im Vergleich zu einer ungekerbten Probe herab. Werden jedoch Kerbspannungen betrachtet, dann ist die Dauerfestigkeit eines gekerbten Bauteils größer als die Dauerfestigkeit der ungekerbten Werkstoffprobe.

3.3 Kerben

43 Fa,0

Fa,K

σ'K S'K

SD

b

b

Dicke t

SD≥ S'K

Dicke t

SD≤ σ'K Fa,0

Fa,K

Abb. 3.6: Effekt der Stützwirkung auf die Dauerfestigkeit

Dieser scheinbare Widerspruch soll anhand des Beispiels in Abbildung 3.6 geklärt werden. Dort sind eine ungekerbte und eine gekerbte Probe zyklisch mit einer Axialkraft belastet. Zudem entspricht die Querschnittsfläche der ungekerbten Probe der Querschnittsfläche in der Kerbe mit A = b ⋅ t . Beide Proben sollen nun durch die Kraftamplituden F a,0 bzw. F a,K genau in Höhe der Dauerfestigkeit belastet werden. Dadurch entsprechen die Spannungen in beiden Proben der jeweiligen Dauerfestigkeit. Es ist leicht einzusehen, dass für die Kraftamplituden F a,0 > F a,K gelten muss, da in der Kerbe der rechten Probe eine um die Formzahl erhöhte Maximalspannung wirkt. In Nennspannungen betrachtet muss dasselbe gelten. Die Dauerfestigkeit der ungekerbten Probe ist höher als die der gekerbten: S D > S DK . Aufgrund der gleichen Querschnittsflächen beider Proben unterscheiden sich die Nennspannungen nur wegen der verschiedenen Kraftamplituden. Damit stimmt die erste Aussage im oberen Absatz: Kerben verringern die Dauerfestigkeit. Allerdings verringert sich aufgrund der Stützwirkung die Nennspannungs-Dauerfestigkeit nicht in gleichem Maße, wie die Spannung infolge der Kerbe ansteigt. Dann wäre S DK genau um den Faktor K t kleiner als S D . Sie wird allerdings nur um einen Faktor K f , die Kerbwirkungszahl, verringert: S DK =

SD , Kf

(3.4)

wobei K f Werte zwischen 1 und K t annehmen kann. Die Grenzfälle K f = 1 und K f = K t gelten für einen absolut kerbunempfindlichen bzw. einen voll kerbempfindlichen Werkstoff.

44

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

Nun soll das Beispiel anhand der Kerbspannungen betrachtet werden. Für die ungekerbte Probe gilt S D = σD , da es keine Spannungsüberhöhung gibt. Für den Fall, dass es keine Stützwirkung gäbe, wäre σDK = σD . Da sich aber die Spannungserhöhung nicht voll abmindernd auf die Dauerfestigkeit auswirkt, ist σDK > σD , was die zweite Aussage des Einleitungsabsatzes bestätigt. Werden die lokalen Kerbspannungen betrachtet, so ist die Dauerfestigkeit in der Kerbe aufgrund der Stützwirkung genau um den Faktor K t /K f größer als die Dauerfestigkeit einer ungekerbten Probe σDK =

Kt ⋅ σD . Kf

(3.5)

Das bedeutet aber nicht, dass gekerbte Bauteile höher zyklisch belastet werden können. Die Dauerfestigkeit ist ausgedrückt durch die Belastung F a,K bzw. die Nennspannung S DK geringer für den gekerbten Stab. Lediglich die maximale Spannung in der Kerbe ist größer. Dieser Zusammenhang ist noch einmal in Abbildung 3.7 verdeutlicht. σa (log.)

Sa (log.)

SD SDK

σDK

ungekerbt

σD

gekerbt ungekerbt

gekerbt N (log.)

N (log.)

Abb. 3.7: Verlauf von Nennspannungs- und Kerbspannungswöhlerlinien

In Abbildung 3.7 wird noch ein anderer Effekt der Kerbwirkung ersichtlich. Die Wöhlerlinien gekerbter Proben und Bauteile verlaufen im Allgemeinen steiler als bei ungekerbten Proben. Das heißt, der Wöhlerlinienexponent k wird durch Kerben größer. So sind für ungekerbte Werkstoffproben aus Stahl Werte von k ≈ 10 . . . 20 möglich. Für gekerbte Bauteile ist k = 5 ein mittlerer Wert. Für scharf gekerbte bzw. angerissene Bauteile oder Schweißverbindungen sind Exponenten bis k = 3 möglich. Diese Werte gelten bei Normalbeanspruchung. Unter Schubbeanspruchung verlaufen die Wöhlerlinien meist etwas flacher bzw. mit einem etwas größeren Exponenten. Eine Erklärung für die unterschiedlichen Anstiege der Wöhlerlinien gekerbter Bauteile liegt im Rissforschrittsverhalten. Bei ungekerbten Proben ist unter axialer Belastung die Spannung im gesamten Querschnitt konstant. Wenn ein wachstumsfähiger Ermüdungsriss entstanden ist, wächst dieser vergleichsweise schnell durch Gebiete mit dem gleichen Spannungsniveau bis es zum Bruch der Probe kommt. Die Wöhlerlinien für die beiden Versagenskriterien Anriss und

3.3 Kerben

Sa (log.)

45

Sa (log.)

ungekerbt

gekerbt

SD SDK N (log.)

N (log.)

Abb. 3.8: Unterschiedlicher Verlauf der Wöhlerlinien für die Versagenskriterien Anriss und Bruch

Bruch liegen nah beieinander. Bei gekerbten Bauteilen hingegen schließt sich nach dem Anriss eine deutlich längere Phase des stabilen Ermüdungsrisswachstums an. Risse, die aus dem Kerbgrund heraus wachsen, erreichen zunächst Gebiete geringerer Grundbeanspruchung, in denen das Risswachstum deutlich langsamer verläuft (Abbildung 3.8).

3.3.2 Stützzahl Die Stützwirkung von Kerben auf die Dauerfestigkeit kann durch die Stützzahl n beschrieben werden2 . Sie entspricht, in Nennspannungen gedacht, dem Verhältnis von Formzahl und Kerbwirkungszahl n=

Kt . Kf

(3.6)

Eine große Stützzahl bedeutet also, dass das Verhältnis aus Nenn- und Kerbbeanspruchung in einer Kerbe größer ist als das Verhältnis der in Nenn- und Kerbspannungen ausgedrückten Dauerfestigkeiten. Die Kerbe erhöht zwar die wirkenden Spannungen, aber senkt nur in einem geringeren Maße die Dauerfestigkeiten herab. In Kerbspannungen gedacht, entspricht die Stützzahl in Gleichung (3.6) genau dem Verhältnis der (Kerbspannungs-)Dauerfestigkeit eines Bauteils zur Dauerfestigkeit einer ungekerbten Werkstoffprobe n=

σDK . σD

(3.7)

Damit kann bei bekannter Stützzahl die Bauteildauerfestigkeit σDK aus der Werkstoffdauerfestigkeit σD berechnet werden. Für die Berechnung der Stützzahl wiederum existiert eine Vielzahl verschiedener Ansätze. Auf diese wird noch ausführlich in Abschnitt 8.4 eingegangen. Konkret hängt die Stützzahl von zwei Einflüssen ab. Das ist zum einen der Werkstoff. In der 2

In der Literatur ist oft auch der etwas unglückliche Begriff Stützziffer zu finden. Da n eine reelle Zahl ist und nicht nur ganzzahlige Werte annehmen kann, ist die Bezeichnung als Stützzahl oder Stützfaktor treffender.

46

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

Regel haben Bauteile aus höherfesten metallischen Werkstoffen bei gleicher Kerbform eine kleinere Stützzahl als bei geringer Festigkeit. Sie sind also kerbempfindlicher. Zum anderen hat die Kerbform einen großen Einfluss. So steigt n mit zunehmender Kerbschärfe an. Scharfe Kerben kennzeichnet eine lokal begrenzte starke Spannungserhöhung. Der Bereich, in dem sehr hohe Spannungen wirken, ist dort sehr klein. Das ist z. B. der Fall bei geringen Kerbradien. Bei milden Kerben hingegen nimmt die Spannung zur Kerbe hin langsam zu und der Bereich hoher Spannungen erstreckt sich auf ein größeres Gebiet. Das ist bei großen Kerbradien der Fall. Daraus leitet sich auch der Begriff Stützwirkung ab. Er entspricht der Vorstellung, dass sich in Kerben die hochbeanspruchten Bereiche auf den benachbarten Bereichen mit niedrigerer Beanspruchung abstützen.

Bezogener Spannungsgradient Ein verbreiteter Ansatz die Kerbschärfe durch einen einzigen Parameter zu beschreiben ist die Verwendung des bezogenen Spannungsgradienten χ′ . Dieser geht auf Siebel und Stieler [253, 273, 254] zurück und wird auch in der FKM-Richtlinie verwendet. Wie Abbildung 3.9 verdeutlicht, entspricht der Spannungsgradient dem Anstieg des Kerbspannungsverlaufs an der Stelle der maximalen Kerbspannung in der Richtung senkrecht zur Bauteiloberfläche. Dazu wird die Spannung unter Annahme von linearelastischem Materialverhalten berechnet. Der bezogene Spannungsgradient wird durch die Normierung des Spannungsgradienten auf die maximale Kerbspannung gebildet: χ′ = −

1 dσ ⋅ ∣ . σmax dr r =0

(3.8)

Durch die Normierung auf σmax wird erreicht, dass χ′ nicht mehr von der Lasthöhe abhängt, mit der das Bauteil belastet wird. Der bezogene Spannungsgradient χ′ ist eine nur von der Bauteil- bzw. Kerbgeometrie und der Belastungsrichtung abhängige Größe und damit ein Maß für die Kerbschärfe. Mit zunehmender Kerbschärfe nimmt auch χ′ zu. Im Grenzfall einer ungekerbten Probe unter axialer Belastung ist die Spannungsverteilung konstant und damit χ′ = 0. Als Spannungskomponente zur Berechnung des bezogenen Spannungsgradienten in Gleichung (3.8) wird üblicherweise die maximale Hauptspannung oder die in Lastrichtung wirkende Normalspannung verwendet. Im Prinzip ist aber auch die Verwendung einer Vergleichsspannung möglich oder χ′ wird für jede Spannungskomponente einzeln berechnet3 . Für einfache Kerbgeometrien kann der bezogene Spannungsgradient aus Tabellen abgeschätzt werden. Er setzt sich prinzipiell aus einem belastungsbedingten Anteil (bei Biegung oder Torsion abhängig vom Durchmesser χ′ = 2/d ) und einem von der Kerbschärfe abhängigen 3

Das ist z. B. in der FKM-Richtlinie der Fall, wo der Festigkeitsnachweis zunächst für jede Spannungskomponente einzeln geführt wird.

3.3 Kerben

47

σ σmax S α r χ′ = −

1 σmax

tan α ⋅ dσ dr ∣r =0 = σmax

Abb. 3.9: Definition des bezogenen Spannungsgradienten χ′ Tab. 3.2: Abschätzung des bezogenen Spannungsgradienten χ′ am Beispiel eines Rundstabs mit umlaufender Kerbe

χ′ (Belastung)

Probengeometrie ρ d

χ′ (Kerbe)

χ′ (gesamt)

Zug

0

2/ρ

2/ρ

Biegung

2/d

2/ρ

2/d + 2/ρ

Torsion

2/d

1/ρ

2/d + 1/ρ

Anteil zusammen. Letzterer kann über den Kerbradius ρ abgeschätzt werden. In Tabelle 3.2 wird dies am Beispiel eines Rundstabs gezeigt. Weitere Beispiele sind z. B. in [95, 25, 59] zu finden. Für kompliziertere Kerben ist eine FEM-Berechnung erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass für den Spannungsgradienten ein deutlich feineres Netz notwendig ist, als für die Berechnung der Kerbspannung an sich (siehe dazu auch Abschnitt 6.3). Während der bezogene Spannungsgradient ein geeignetes Maß für die Kerbschärfe im Sinne der Stützwirkung ist, trifft das für die Formzahl nicht zu. Eine große Formzahl bedeutet zwar eine starke Überhöhung der Kerbspannung im Verhältnis zur Nennspannung, beschreibt aber nicht, ob diese Überhöhung auf einen kleinen Bereich beschränkt ist. Das wäre aber der Fall bei einer scharfen Kerbe. Die Erklärung ist analog zum Beispiel in Abbildung 3.5. Wird ein Bauteil bei gleicher Form in der Größe skaliert, so ändert sich die Formzahl nicht. Sie ist nur von den relativen Bauteilabmessungen zueinander abhängig. Der bezogene Spannungsgradient hingegen nimmt mit zunehmender Bauteilgröße ab, da auch der Bereich, in dem z. B. 90 % und mehr der maximalen Spannung wirken, größer wird. Im Extremfall mit

48

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

gegen unendlich gehender Bauteilgröße geht der Kerbradius gegen Null und damit auch der bezogene Spannungsgradient im Kerbgrund. Damit wird offensichtlich, dass die Formzahl kein geeignetes Maß für die Kerbschärfe sein kann. In der Literatur ist zum Teil der Zusammenhang große Formzahl gleich scharfe Kerbe zu finden. So sind auch ältere Konzepte zur Berechnung der Stützzahl abhängig von der Formzahl definiert, wie z. B. in [28, 50]. Die Formzahl ist aber lediglich ein Maß für die Größe der Spannungserhöhung an Kerben, aber nicht für den Gradienten der Spannung.

Ermittlung der Stützzahl Für die Ermittlung der Stützahl auf Grundlage des bezogenen Spannungsgradienten werden Stützzahldiagramme verwendet. Diese beruhen auf Versuchsdaten und sind rein empirisch. Es wurden die Verhältnisse von Dauerfestigkeiten unterschiedlich stark gekerbter Proben zur Dauerfestigkeit der ungekerbten Werkstoffprobe für verschiedene Werkstoffe über dem bezogenen Spannungsgradienten dargestellt und ausgewertet. Nach dem ursprünglichen Ansatz von Siebel und Stieler wird die Stützzahl mit der Beziehung n = 1+



s g ⋅ χ′

(3.9)

berechnet, wonach diese neben dem bezogenen Spannungsgradienten χ′ noch vom Material in Form der Gleitschichtdicke s g abhängt. Diese korreliert für Stähle mit dem mittleren Korndurchmesser. Die Stützzahldiagramme sind in Abbildung 3.10 gezeigt. Darin lassen sich einige grundlegende Tendenzen erkennen. • Die Stützzahl steigt mit dem bezogenen Spannungsgradienten, ist also für scharfe Kerben größer als für milde Kerben. • Höherfeste Werkstoffe innerhalb einer Werkstoffgruppe sind kerbempfindlicher. Die Stützzahl nimmt mit steigender Zugfestigkeit eines Werkstoffs ab. • Feinkörnige Werkstoffe sind kerbempfindlicher als grobkörnige Werkstoffe. Die zunehmende Inhomogenität der Mikrostruktur führt demnach zu höheren Stützzahlen. Der letzte Punkt ist auch der Grund, warum für Gusseisen die Stützzahlen größer sind als für Stahl. Besonders Gusseisen mit Lamellengraphit hat bereits eine hohe innere Kerbwirkung und damit niedrige Werkstoffdauerfestigkeit. Diese wird durch geometrische Kerben nur noch in geringem Maße weiter herabgesetzt, was sich in einer geringen Kerbempfindlichkeit bzw. den hohen Stützzahlen zeigt. Gleiches gilt aufgrund der Porosität auch für Sinterstahl [153]. Mit der vom bezogenen Spannungsgradienten abhängigen Stützzahl lässt sich auch die im Vergleich zur Zug-Druck-Wechselfestigkeit höhere Biegewechselfestigkeit erklären. Bereits bei ungekerbten Proben liegt unter Biegung ein nicht konstanter Spannungsverlauf mit einem bezogenen Spannungsgradienten χ′ > 0 vor. Die damit verbundene Stützwirkung führt auf

3.3 Kerben

49

Abb. 3.10: Stützzahlen in Abhängigkeit vom bezogenen Spannungsgradienten nach [83], zitiert aus [37]

Tab. 3.3: Werkstoffkonstanten zur Abschätzung der Stützzahl nach [83]

Werkstoffgruppe

K in MPa

c 1 in MPa

m

Ferritische Stähle

R p0,2

127,0

1,16

Austenitische Stähle

R p0,2

28,3

0,45

Gußeisen, Stahlguss

Rm

12,5

0,21

Al- und Mg-Legierungen

R p0,2

5,5

0,59

AlCuMg-Legierungen

R p0,2

14,5

0,45

eine höhere Wechselfestigkeit im Vergleich zur homogenen Spannungsverteilung bei ZugDruck Belastung. Zur Berechnung der Stützzahlen in Abbildung 3.10 wird folgende Näherung nach [83] verwendet: n = 1+(

c1 m ) ⋅ K



c2 . ρ

(3.10)

Die Konstante K entspricht der statischen Werkstofffestigkeit und ist mit den weiteren werkstoffabhängigen Konstanten m und c 1 in Tabelle 3.3 angegeben. Der Quotient c 2 /ρ ist eine Näherung für den bezogenen Spannungsgradienten, welcher aus dem Kerbradius ρ und der Beanspruchungsart abgeschätzt wird. Letztere wird mit der Konstante c 2 berücksichtigt. Es gilt c 2 = 2 mm bei Normalspannungen und c 2 = 1 mm bei Schubspannungen.

50

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

3

GJL GJM GJS

2

1,6

GS

Stützzahl n (log.)

1,4

Stahl

1,2 1,1 1,06 1,04 σW,zd / σW,b

1,02 1,01 0,01

0,1

0,267

1

bezogener Spannungsgradient Gσ in

10

mm-1

(log.)

Abb. 3.11: Stützzahldiagramm für Stahl- und Eisenguss nach FKM-Richtlinie

In der FKM-Richtlinie ist die Abschätzung der Stützzahl ebenfalls über den bezogenen Spannungsgradienten möglich4 . Dazu wird das Stützzahldiagramm nach Abbildung 3.11 verwendet. Für den bezogenen Spannungsgradient wird hier allerdings das Formelzeichen G σ verwendet. Das Stützzahldiagramm ist zunächst bis G σ = 10 mm−1 definiert, kann aber für sehr scharfe Kerben darüber hinaus extrapoliert werden [210]. Die mathematische Beschreibung des Diagramms erfolgt mit den in Abschnitt 8.4.1 angegebenen Gleichungen (8.22) bis (8.24). Die mit Punkten gekennzeichneten Stützzahlen bei G σ = 0,267 mm−1 entsprechen dem Verhältnis von Biege- zu Zug-Druck-Wechselfestigkeit. Sie gelten für einen Norm-Probendurchmesser von d 0 = 7,5 mm.

3.4 Oberflächenrauigkeit Die Schwingfestigkeit ist im Gegensatz zur statischen Festigkeit in hohem Maße von der Oberflächenrauigkeit abhängig. Die Bauteiloberfläche ist in der Regel Ausgangspunkt von Ermüdungsrissen, da dort die maximalen Spannungen auftreten. Zudem ist die Oberfläche 4

Bis zur 5. Auflage war dies die einzige Möglichkeit, ab der 6. Auflage ist alternativ dazu die Berechnung einer werkstoffmechanisch begründeten Stützzahl möglich. Deren Berechnung wird in Abschnitt 8.4.5 beschrieben.

3.4 Oberflächenrauigkeit

51

Umgebungsmedien ausgesetzt, die durch Korrosion ebenfalls die Anrissbildung begünstigen. Der Einfluss der Oberflächenrauigkeit auf die Schwingfestigkeit steigt mit zunehmender Lastzyklenzahl und wirkt am stärksten auf die Dauerfestigkeit. Im Vergleich dazu hat die Oberflächenbeschaffenheit mit Ausnahme sehr spröder, homogener Werkstoffe keinen nennenswerten Einfluss auf die statische Festigkeit und ihre Kennwerte R m und R e . Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich daher ausschließlich auf die Dauerfestigkeit. Der Einfluss der Oberflächenrauigkeit auf die Dauerfestigkeit hängt von zwei wesentlichen Parametern ab: der mittleren Rautiefe Rz und der statischen Festigkeit, charakterisiert durch die Zugfestigkeit R m . Die Rauigkeit einer Oberfläche wirkt wie viele kleine Kerben, die lokal spannungserhöhend wirken und die Anrissbildung begünstigen. Mit zunehmender Rautiefe nimmt die Kerbwirkung zu. Wie stark sich diese auf die Dauerfestigkeit auswirken, hängt wiederum vom Werkstoff ab. Werkstoffe mit hoher Festigkeit sind im Allgemeinen feinkörniger und haben eine homogenere Mikrostruktur. Dort wirkt sich die Rauigkeit stark auf die Schwingfestigkeit aus. Das wird auch durch die höhere Kerbempfindlichkeit und die damit geringere Stützwirkung bei Werkstoffen hoher Festigkeit begünstigt. Daraus ergeben sich bei hochfesten Stählen auch die Anforderungen an eine gut bearbeitete Oberfläche, da dort bereits Kratzer kritisch im Bezug auf die Schwingfestigkeit sind. Werkstoffe mit geringerer Festigkeit haben ein grobkörnigeres Gefüge und aufgrund ihrer inhomogenen Mikrostruktur bereits eine innere Kerbwirkung. Diese führt bereits bei glatten Proben zu einer geringeren Dauerfestigkeit. Die Kerben der Oberflächenrauigkeit wirken sich dann nicht mehr so stark auf die Schwingfestigkeit aus. Der Erklärungsansatz über die Kerbwirkung bei rauen Oberflächen ist nur zum Teil zutreffend. Bei der spanenden Bearbeitung von Bauteiloberflächen entstehen abhängig vom konkreten Fertigungsverfahren (Drehen, Bohren, Fräsen usw.) und den Prozessparametern (z. B. der Schnittgeschwindigkeit) in der oberflächennahen Schicht Eigenspannungen, die sich analog zu Mittelspannungen auf die Schwingfestigkeit auswirken (vgl. Abschnitt 3.5). Außerdem wird der schwingfestigkeitsmindernde Einfluss der Oberflächenrauigkeit unter Einwirkung korrosiver Medien noch verstärkt. Dieser Sachverhalt ist in den nachfolgend beschriebenen Ansätzen nicht mit berücksichtigt. Im Festigkeitsnachweis wird der Einfluss der Oberflächenrauigkeit durch den Oberflächenfaktor C O berücksichtigt. Dieser beschreibt das Verhältnis der Dauerfestigkeit einer Probe mit einer bestimmten Oberflächenrauigkeit zu der Dauerfestigkeit einer glatten, polierten Referenzprobe: CO =

σD,Rz σD,Ref.

(3.11)

Der Einfluss ist unter Wirkung von Normal- und Schubspannungen unterschiedlich, weshalb zur Unterscheidung die Formelzeichen C O,σ und C O,τ verwendet werden. Die mittlere Rautiefe Rz der Oberfläche wird nach DIN 4768 in μm angegeben. Die Ermittlung des Oberflächen-

52

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

faktors geht auf Siebel und Gaier [255] zurück und kann nach Hück [181] für Stahlwerkstoffe unter Normalspannungen folgendermaßen berechnet werden: C O,σ = 1 − 0,22 ⋅ (lg (

Rz 0,64 Rm Rz 0,53 )) ⋅ lg ( ) + 0,45 ⋅ (lg ( )) . μm MPa μm

(3.12)

Der Abminderungsfaktor ist von der Mittelspannung weitgehend unabhängig [54]. Er kann sowohl für die Wechselfestigkeit als auch für die Dauerfestigkeit bei unterschiedlichen Mittelspannungen angewendet werden. Der Einfluss der Oberflächenrauigkeit nimmt mit zunehmender Kerbschärfe ab. Die Diagramme und Formeln für den Oberflächenfaktor gelten meist für ungekerbte Proben. Bei gekerbten Bauteilen fallen die Werte etwas kleiner aus. Der Oberflächenfaktor wird in der FKM-Richtlinie als Rauheitsfaktor K R,σ wie bereits in der TGL 19340 [89] berechnet: K R,σ = 1 − a R,σ ⋅ lg (

Rz

μm

) ⋅ lg (

2R m ). R m,N,min

(3.13)

Im Vergleich zu Gleichung (3.12) fällt die Abminderung hier etwas geringer aus. Das wird damit begründet, dass mit den ursprünglichen Versuchen von Siebel und Gaier extreme Fertigungsbedingungen zugrunde lagen, die nicht verallgemeinerbar sind [162]. Der Wert R m,N,min steht für den minimalen Normwert einer Werkstoffgruppe und ist mit der Konstante a R,σ in Tabelle 3.4 angegeben. Der Einfluss der Oberflächenrauigkeit unter der Wirkung von Schubspannungen ist geringer. Es gilt K R,τ = 1 − f W,τ ⋅ a R,σ ⋅ lg (

Rz

μm

) ⋅ lg (

2R m ). R m,N,min

(3.14)

Der Schubwechselfestigkeitsfaktor f W,τ ist entsprechend zu Gleichung (3.2) und Tabelle 3.1 definiert und ist für Stahl f W,τ = 0,577. Der Rauheitsfaktor für Stahl unter dem Einfluss von Normalspannungen ist in Abbildung 3.12 in Abhängigkeit von Rz und R m dargestellt. Für Schweißverbindungen wird kein Rauheitsfaktor berücksichtigt, da die Rauigkeit nach dem Schweißen in der entsprechenden Kerbfallklasse der Schweißnaht (siehe FAT-Klasse in Abschnitt 8.6) mit berücksichtigt wird. Die Abnahme des Einflusses der Oberflächenrauigkeit wird in der Richtlinie durch die Kopplung von K R,σ mit der Kerbwirkungszahl K f erreicht. Der Oberflächenfaktor für gekerbte Bauteile wird entsprechend der Definition für C O in Gleichung (3.11) zu C O,σ,K = (1 +

−1 1 1 ⋅( − 1)) K˜f K R,σ

(3.15)

berechnet. Diese Beziehung wird für den Festigkeitsnachweis unter Verwendung von Kerbspannungen verwendet. Da im allgemeinen Fall keine Formzahl und demzufolge auch keine Kerbwirkungszahl definiert werden können, muss für letztere ein Schätzwert K˜f verwendet

3.4 Oberflächenrauigkeit

53

werden. Dessen Berechnung ist in der FKM-Richtlinie beschrieben. Für stark gekerbte Bauteile mit entsprechend großen Werten für K˜f fällt der Einfluss der Oberflächenrauigkeit geringer aus als für schwach gekerbte Bauteile mit kleineren Werten für K˜f . Für gekerbte Bauteile aus Stahl kann näherungsweise K˜f = 2 gesetzt werden. Im Zweifel kann mit K˜f = 1 eine konservative Abschätzung erfolgen. Außerdem ist zu beachten, dass in der FKM-Richtlinie C O nicht explizit berechnet wird. Die Beziehung in Gleichung (3.15) ist Teil des Konstruktionsfaktors K WK,σ in Gleichung (3.19), welcher alle Einflüsse zur Berechnung der Bauteilwechselfestigkeit σWK aus der Werkstoffwechselfestigkeit σW berücksichtigt.

Tab. 3.4: Konstanten zur Berechnung des Rauheitsfaktors K R,σ nach FKM-Richtlinie

Werkstoffgruppe

Stahl

GS

GJS, ADI

GJM

GJL

Al-Knet.

Al-Guss.

a R,σ

0,22

0,20

0,16

0,12

0,06

0,22

0,20

R m,N,min in MPa

400

400

400

350

100

133

133

1

3,2 6,3

0,8

12,5 0,7

25

100 0,5

200

0,4 300

500

700

1000

1300

1600

2000

Zugfestigkeit Rm in MPa

Abb. 3.12: Rauheitsfaktor K R,σ für Stahl nach FKM-Richtlinie [95]

geschruppt

50

0,6

geschlichtet

Rauheitsfaktor KR,σ

0,9

geschliffen

≤1,0 1,6

poliert

Rz in —m

54

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

3.5 Eigenspannungen

Eigenspannungen sind Spannungen in Bauteilen, die ohne die Einwirkung einer äußeren Belastung auftreten. Wie Mittelspannungen sind sie der zyklischen Beanspruchung überlagert und können als Druckeigenspannungen schwingfestigkeitssteigernd wirken oder als Zugeigenspannung die Schwingfestigkeit herabsetzen. Sie befinden sich stets im statischen Gleichgewicht, d. h. über das gesamte Bauteil betrachtet heben sich Eigenspannungen auf. Es treten in einem Bauteil also immer Zug- und Druckeigenspannungen gemeinsam auf, wenn auch an verschiedenen Stellen. Es wird bezogen auf ihre räumliche Ausdehnung zwischen drei Arten von Eigenspannungen unterschieden [212]: Eigenspannungen 1. Art (über makroskopische Bereiche), Eigenspannungen 2. Art (über mehrere Kristallite) und Eigenspannungen 3. Art (innerhalb eines Kristallits). Für die Schwingfestigkeit sind vor allem die makroskopischen Eigenspannungen, also die 1. Art relevant. Die Ursachen für die Entstehung von Eigenspannungen können prinzipiell in zwei Gruppen unterschieden werden: fertigungs- bzw. montagebedingte Eigenspannungen und belastungsbedingte Eigenspannungen. Zur ersten Gruppe gehören Eigenspannungen, die bei der Bauteilherstellung durch Urformen, Umformen, spanende Bearbeitung und Änderung der Stoffeigenschaften (z. B. Härten, Kugelstrahlen) entstehen. Auch durch unterschiedliche Abkühlgeschwindigkeiten treten Eigenspannungen auf. Dazu gehören insbesondere Schweißeigenspannungen [53]. Ebenso entstehen durch Fügeverfahren, wie Pressverbindungen, Eigenspannungen. Das bewusste Einbringen von Druckeigenspannungen in die oberflächennahe Schicht eines Bauteils wird zur Steigerung der Schwingfestigkeit verwendet. Einige Verfahren und Berechnungsansätze sind in Abschnitt 3.6 beschrieben. Die zweite Gruppe, belastungsbedingte Eigenspannungen, entstehen durch Überschreitung der Streckgrenze bei inhomogener Spannungsverteilung. Das wird anhand eines auf Zug beanspruchten Kerbstabes in Abbildung 3.13 verdeutlicht. Vereinfachend soll ideal-plastisches Materialverhalten angenommen werden. Dabei tritt keine Verfestigung auf. Bei Belastung des Stabes sind aufgrund der Kerbwirkung die Spannungen an der Bohrung erhöht. Nach Überschreitung der Streckgrenze steigt dort die Spannung nicht mehr proportional zur Dehnung an, sondern bleibt konstant. Weil bei Entlastung die Spannung wieder proportional abfällt, verbleiben im vollständig entlasteten Zustand an der Kerbe plastische Dehnungen. Da im zuvor elastisch beanspruchten Gebiet die Dehnungen weiter zurückgehen, entstehen an der Kerbe Druckeigenspannungen, die durch Zugeigenspannungen in anderen Bereichen des Querschnitts statisch ausgeglichen werden. Ähnlich entstehen Eigenspannungen auch bei Biege- oder Torsionsbelastung. Wird jedoch bei ungekerbten Stäben unter Zugbelastung die Streckgrenze überschritten, so sind Spannung und Dehnung im gesamten Querschnitt weiterhin konstant und nach Entlastung liegt die verbleibende plastische Dehnung eigenspannungsfrei vor.

3.5 Eigenspannungen

55 F

σ

Dehnung ε

Kerbgrundbeanspruchung bei ideal-plastischem Materialverhalten

Spannung σ

F = Fmax

Re

ε Belastet mit F = Fmax

F=0

Entlastet mit F = 0

F Abb. 3.13: Eigenspannungen infolge plastischer Verformung

Die Überlagerung von Spannungen aus einer äußeren Belastung und Eigenspannungen ist am Beispiel der Biegebelastung schematisch in Abbildung 3.14 gezeigt. Vereinfachend soll angenommen werden, dass die Druck- und Zugeigenspannung in ihrem Bereich jeweils konstant sind. Die Druckspannungen am Rand werden durch Zugspannungen in der Mitte des Querschnitts ausgeglichen. Bei zusätzlicher Belastung durch ein Biegemoment wird die daraus resultierende Spannung mit der Eigenspannung überlagert. Dadurch ist die resultierende maximale Zugspannung kleiner als der Zuganteil der Biegespannung. Allerdings ist die resultierende maximale Druckspannung im gleichen Maße erhöht. Für den Fall, dass die Biegebelastung zyklisch erfolgt, ist die Schwingfestigkeit durch die Druckeigenspannung nahe der Bauteiloberfläche höher. Der Einfluss auf die Schwingfestigkeit kann analog zum Mittelspannungseinfluss durch die Eigenspannungsempfindlichkeit M E berücksichtigt werden. Wirken sowohl Mittelspannungen als auch Eigenspannungen, so kann die Dauerfestigkeit mit σD = σW − M ⋅ σm − M E ⋅ σE

(3.16)

abgeschätzt werden. Die Eigenspannungsempfindlichkeit ist, wie die Mittelspannungsempfindlichkeit M , von der Festigkeit des Werkstoffs abhängig. Allerdings ist sie kleiner: M E ≈ 0,7 ⋅ M [303]. Ein Grund dafür ist, dass bei zyklischer Belastung Eigenspannungen im Unterschied zu lastbedingten Mittelspannungen abgebaut werden können. Für sehr feste Stähle ist M E im Verhältnis zu M noch stärker abgemindert. Für Werkstoffe mit einer Zugfestigkeit von über 1500 MPa ist kein weiterer Anstieg von M E zu beobachten [303] (siehe Abb. 3.15).

56

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

Eigenspannung

+

Spannung aus Belastung

kombinierte Spannung

=

σmax - σE,d

σmax

-σE,d

-

+

+

+

Mb

-

-

-σmax

-σmax - σE,d

σE,z

Mb

MittelVSDQQXQJV-und Eigenspannungsempfindlichkeit

Abb. 3.14: Überlagerung von Eigenspannungen und Spannungen aus Belastungen (schematisch)

0,7 0,6

0,5 0,4 0,3 0,2



0,1

ME

0

0

500

1000

1500

2000

2500

Zugfestigkeit Rm

Abb. 3.15: Abhängigkeit der Eigenspannungsempfindlichkeit von der Zugfestigkeit, nach [303]

3.6 Oberflächenverfestigung

57

3.6 Oberflächenverfestigung

Eine für die Praxis wichtige Möglichkeit für das Einbringen und Nutzen von Eigenspannungen sind die Verfahren der Oberflächenverfestigung. Ermüdungsrisse gehen meist von der Bauteiloberfläche aus. Mittels Oberflächenverfestigung wird einerseits die Härte und damit die Festigkeit der oberflächennahen Randschicht erhöht und andererseits werden dabei Druckeigenspannungen eingebracht. Dadurch ist eine deutliche Steigerung der Schwingfestigkeit möglich. Zu den gebräuchlichen Verfahren zur Oberflächenverfestigung gehören: • chemisch-thermische Verfahren, wie Nitrieren, Einsatzhärten und Karbonitrieren, • thermische Verfahren, wie Flamm- und Induktivhärten, • mechanische Verfahren, wie Festwalzen, Kugelstrahlen, Autofrettage. Mit den ersten beiden Verfahrensgruppen wird die Härte der Oberfläche gesteigert. Mit der höheren Härte steigen auch die statische Festigkeit und die Schwingfestigkeit an. Beim Härten wird das Gefüge durch schnelle Abkühlung und Einlagerung von Kohlenstoff von Austenit in Martensit umgewandelt. Martensit hat im Vergleich zum Austenit ein ca. 2 % höheres spezifisches Volumen. Dadurch entstehen neben der Festigkeitssteigerung auch Eigenspannungen. Die Ausdehnung des Martensits wird im ungehärteten Kern elastisch abgestützt, so dass am Rand Druck- und im Kern Zugeigenspannungen entstehen. Ein ähnlicher Effekt wird durch Härten mit Nitridbildung legierter Stähle erzielt. Der Effekt des Randschichthärtens hängt von der Kerbschärfe ab. Das wird anhand von Abbildung 3.16 verdeutlicht. Aufgrund des großen Spannungsgradienten wird die hohe Kerbspannung innerhalb der Randschicht vollständig mit den Druckeigenspannungen überlagert. Im ungehärteten Kernbereich treten jedoch deutlich geringere Spannungen auf, die sich mit den Zugeigenspannungen hinter der Randschicht überlagern. Bei zu geringer Einhärtetiefe oder geringen Spannungsgradienten bei schwach gekerbten Bauteilen kann es dazu kommen, dass im Kern höhere oder nur leicht geringere kombinierte Spannungen auftreten als am Rand. Da der Kern mit dem Ausgangsgefüge die unveränderte Festigkeit aufweist, wird so der Ausgangspunkt für die Entstehung von Ermüdungsrissen nach innen verschoben. In diesem ungünstigen Fall kann die Randschichtverfestigung zu einer geringeren Schwingfestigkeit als im Ausgangszustand führen und gleichzeitig die Rissentstehung ins Bauteilinnere verlagern. Es ist zu beachten, dass der Effekt der oberflächennahen Eigenspannungen bei scharfen Kerben zwar am ausgeprägtesten ist, gleichzeitig mit steigender Härte aber auch die Kerbempfindlichkeit der Randschicht zunimmt. Die positive Wirkung der Oberflächenverfestigung auf die Dauerfestigkeit kann dadurch bei scharfen Kerben aufgehoben sein. Durch mechanische Verfahren, wie das Festwalzen oder das Kugelstrahlen, wird die oberflächennahe Schicht plastisch aufgeweitet, wobei durch elastische Abstützung der inneren

58

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

σ

σ

scharfe Kerbe

milde Kerbe

x

Eigenspannung

Spannung aus Belastung

x

kombinierte Spannung

Abb. 3.16: Einfluss von Randschicht und Eigenspannungen bei unterschiedlicher Kerbschärfe

Schichten wiederum Druckeigenspannungen an der Oberfläche entstehen. Außerdem kommt es zur Kaltverfestigung des Werkstoffs. Beide Effekte führen zu einer höheren Schwingfestigkeit. Die teilweise enorme Schwingfestigkeitssteigerung durch oberflächennahe Druckeigenspannungen (bis zu Faktor 3) lässt sich nicht alleine damit erklären, dass Druckmittelspannungen die Beanspruchbarkeit erhöhen. Dies wird durch einen Blick auf das Haigh-Diagramm und die typischen Werte für die Mittelspannungsempfindlichkeit deutlich. Druckeigenspannungen bewirken Schließen von Rissen, womit die für das Risswachstum effektiv wirksamen Spannungsamplituden herabgesetzt werden [249]. Generell haben die Verfahren zur Randschichtverfestigung den größten Einfluss im Bereich der Dauerfestigkeit. Der Effekt nimmt in Richtung der Zeit- und Kurzzeitfestigkeit deutlich ab, da Eigenspannungen bei überlagerter elastisch-plastischer Beanspruchung abgebaut werden. Insbesondere bei großen Lastspitzen durch Sonderereignisse können Eigenspannungen abgebaut oder umgelagert werden. Das betrifft jedoch nicht die Festigkeitssteigerung mit höherer Härte. Bei der Schwingfestigkeitssteigerung durch Härten ist weiterhin zu beachten, dass mit einer höheren Härte auch die Kerbwirkung und Mittelspannungsempfindlichkeit ansteigen. Der Einfluss der Randschichtverfestigung wird in der FKM-Richtlinie durch den Randschichtfaktor K V berücksichtigt. Die Bauteilwechselfestigkeit wird direkt um diesen Faktor erhöht. Es wird aus den bereits aufgeführten Gründen zwischen gekerbten und schwach- bis ungekerb-

3.6 Oberflächenverfestigung

59

ten Bauteilen unterschieden. Aufgrund der Vielzahl an Verfahrensvarianten und -parametern sind die in Tabelle 3.5 angegebenen Werte für den Randschichtfaktor lediglich Richtwerte mit einer großen Streubreite. Mit der 6. Auflage wird ebenfalls ein Berechnungsverfahren zur Abschätzung der Dauerfestigkeit randschichtverfestigter Bauteile aus Walzstahl bereitgestellt, welches im Gegensatz zu den pauschalen Werten in Tabelle 3.5 eine genauere Bewertung ermöglicht [164]. Der Nachweis wird als Doppelnachweis für die Randschicht und den Kern geführt.

Tab. 3.5: Richtwerte des Randschichtfaktors K V für nichtgeschweißte Bauteile aus Stahl nach FKMRichtlinie

Verfahren

schwach

oder

gekerbt

Einhärtetiefe

Oberflächenhärte

ungekerbt Chemisch-thermische Verfahren Nitrieren Einsatzhärten Karbonitrier-

1,10 - 1,15

1,30 - 2,00

(1,15 - 1,25)

(1,90 - 2,00)

1,10 - 1,50

1,20 - 2,00

(1,20 - 2,00)

(1,50 - 2,50)

(1,80)

0,1 . . . 0,4 mm

700 . . . 1000 HV 10

0,2 . . . 0,8 mm

670 . . . 750 HV 10

0,2 . . . 0,4 mm

mind. 670 HV 10

härten Mechanische Verfahren Festwalzen Kugelstrahlen

1,10 - 1,25

1,30 - 1,80

(1,20 - 1,40)

(1,50 - 2,20)

1,10 - 1,20

1,10 - 1,50

(1,10 - 1,30)

(1,40 - 2,50) Thermische Verfahren

Flamm- und In- 1,20 - 1,50 duktivhärten

(1,30 - 1,60)

1,50 - 2,50

0,9 . . . 1,5 mm

(1,60 - 2,80)

Werte gelten für Bauteildauerfestigkeit und für 30 bis 40 mm Durchmesser. Werte in Klammern gelten für 8 bis 15 mm Durchmesser. Für Zeit- und Betriebsfestigkeit gelten in der Regel geringere Werte.

51 . . . 64 HRC

60

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

3.7 Umgebungsmedien und Korrosion Korrosion von Metallen wird durch Umgebungsmedien wie Salzwasser, Säuren oder feuchte Luft begünstigt und lässt sich langfristig nur unter sehr kontrollierten Bedingungen, z. B. im Vakuum oder in säurefreiem Öl, komplett ausschließen. An durch Korrosion angegriffenen und aufgerauten Oberflächen wird die Entstehung und das Wachstum von Ermüdungsrissen beschleunigt, womit die Schwingfestigkeit herabgesetzt wird. Darüber hinaus zeigt sich bei Schwingfestigkeitsversuchen in korrosiven Medien keine Dauerfestigkeit mehr, sondern ein weiteres Absinken der Wöhlerlinie bei hohen Lastzyklenzahlen. Die gleichzeitige Schädigung durch Korrosion und Schwingbeanspruchung wird als Schwingrisskorrosion bezeichnet. Daneben tritt Reibkorrosion, z. B. an Pressverbindungen oder Schraubverbindungen, mit zyklischer Relativbewegung in Form von Passungsrost auf. Diese tribologische Schädigung geht ebenfalls mit der Aufrauhung der Oberfläche und einer Gefügeänderung einher und führt zur Abnahme der Schwingfestigkeit [66]. Zwar existieren zahlreiche Untersuchungen zum Einfluss der Korrosion [116, 130], ein allgemeines Berechnungskonzept gibt es allerdings nicht. Im konkreten Fall muss die Schwingfestigkeit mit der entsprechenden Kombination aus Werkstoff, Medium, Belastung und Belastungsfrequenz experimentell ermittelt werden.

3.8 Frequenzeinfluss Der Begriff Frequenzeinfluss ist streng genommen unzutreffend, da sich die Effekte, welche bei Versuchen mit veränderter Belastungsfrequenz beobachtet werden, auf andere Einflüsse zurückführen lassen. So ist der Einfluss der Belastungsfrequenz auf die WerkstoffSchwingfestigkeit bei Stahl im Bereich bis ca. 1000 Hz sehr gering. Das gilt allerdings nur für rein elastische Beanspruchung und ohne den Einfluss erhöhter Temperaturen und Korrosion. In diesen Fällen kann eine starke Abhängigkeit der Schwingfestigkeit von der Frequenz beobachtet werden. Bei Leichtmetallen, wie Aluminiumlegierungen, tritt ein teils erheblicher Einfluss bereits bei niedrigeren Frequenzen auf [54]. Bei gekerbten Bauteilen entstehen bei einer Schwingbeanspruchung im Kerbgrund bei Überschreitung der Streckgrenze wechselnde plastische Dehnungen, die zur Erwärmung in diesem Bereich führen. Bei hohen Belastungsfrequenzen kann die Wärme nach jeder Verformung nicht schnell genug abgeführt werden, womit es zur weiteren Erwärmung und der damit verbundenen Abnahme der Schwingfestigkeit kommt. Dieser Effekt tritt besonders im Zeitfestigkeitsgebiet bei schwach gekerbten Bauteilen aus duktilen metallischen Werkstoffen auf. Bei schwach gekerbten Bauteilen ist der Bereich, in dem plastische Dehnungen auftreten, größer, da die Spannung hinter der Kerbe nur schwach abfällt. Außerdem treten im Zeitfestigkeitsbereich duktiler Stähle bereits vergleichbar hohe plastische Dehnungen auf, die zur Erwärmung führen. Im Gegensatz dazu können Bauteile mit scharfen Kerben und

3.9 Temperatur

61

aus spröden Werkstoffen mit deutlich höheren Frequenzen ohne negativen Einfluss auf die Schwingfestigkeit belastet werden. Es ist jedoch immer zu prüfen, ob durch hohe Belastungsfrequenzen im Kerbgrund infolge örtlicher Plastifizierung Temperaturen auftreten, die einen Abfall der Schwingfestigkeit bewirken.5 Auch unter Korrosionseinfluss zeigt sich eine starke Abhängigkeit der Schwingfestigkeit von der Belastungsfrequenz. So steigt die ertragbare Lastzyklenzahl mit der Belastungsfrequenz. Der Effekt der Korrosion hängt von der einwirkenden Zeit ab und bei hohen Frequenzen gibt es in der gleichen Zeit mehr Lastzyklen als bei niedrigen Frequenzen. Daher ist bei der experimentellen Ermittlung der Schwingfestigkeit in korrosiven Medien möglichst darauf zu achten, dass die Prüffrequenz von der gleichen Größenordnung wie die Belastungsfrequenz des Bauteils im tatsächlichen Einsatz ist.

3.9 Temperatur Die Schwingfestigkeit nimmt ebenso wie die statische Festigkeit mit steigenden Betriebstemperaturen ab. Bei höheren Temperaturen wird die Schädigung durch Materialermüdung mit der Schädigung durch Kriechen des Werkstoffs überlagert. Der damit verbundene Abfall der Schwingfestigkeit ist bei Leichtmetalllegierungen stärker als bei Stahl ausgeprägt. Im Bereich hoher Lastzyklenzahlen ist bei hohen Temperaturen mit einem weiteren Abfall der Schwingfestigkeit anstelle einer ausgeprägten Dauerfestigkeit zu rechnen (Wöhlerlinientyp II). Bei tiefen Temperaturen ist ein Anstieg der Schwingfestigkeit zu beobachten [72]. Dabei wird auch der Korrosionsprozess verlangsamt. Jedoch steigt dabei die Kerbempfindlichkeit und die Sprödbruchgefahr. Der Anwendungsbereich der FKM-Richtlinie ist begrenzt auf Betriebstemperaturen von • -40 °C bis 500 °C bei Stahl, • -25 °C bis 500 °C bei Eisengusswerkstoff, • -25 °C bis 200 °C bei Aluminiumwerkstoff. Oberhalb einer werkstoffgruppenabhängigen Grenztemperatur wird der Abfall der Werkstoffwechselfestigkeit durch den Temperaturfaktor K T,D berücksichtigt σw,T = K T,D ⋅ σW ,

(3.17)

welcher für Normal- und Schubspannungen gleich ist. Mit Gleichung (3.17) kann zwar die Wechselfestigkeit bei erhöhter Temperatur berechnet werden, jedoch erfolgt die Berücksichtigung des Temperatureinflusses in der FKM-Richtlinie nur bei der Berechnung des anzusetzen5

siehe dazu Tabelle 3.6 im nachfolgenden Abschnitt

62

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

den Gesamtsicherheitsfaktors (siehe Abschnitt 8.8, Gleichung (8.72)). Der Temperaturfaktor wird mit den in Tabelle 3.6 angegebenen Gleichungen berechnet und ist in Abbildung 3.17 dargestellt.

Tab. 3.6: Temperaturfaktor für Werkstoffwechselfestigkeit nach FKM-Richtlinie [95]

Werkstoffgruppe

Temperaturbereich in °C

Temperaturfaktor K T,D

Stahl (außer nachfolgenden)

100 . . . 500

1 − 1,4 ⋅ 10−3 ⋅(T/°C-100)

Feinkornbaustahl

60 . . . 500

1 − 10−3 ⋅(T/°C)

nichtrostender Stahl

-

keine Werte bekannt

Stahlguss (GS)

100 . . . 500

1 − 1,2 ⋅ 10−3 ⋅(T/°C-100)

Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)

100 . . . 500

1 − 1,6 ⋅ (10−3 ⋅T/°C)2

Temperguss (GJM)

100 . . . 500

1 − 1,3 ⋅ (10−3 ⋅T/°C)2

Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)

100 . . . 500

1 − 1,0 ⋅ (10−3 ⋅T/°C)2

Aluminiumwerkstoff

50 . . . 200

1 − 1,2 ⋅ 10−3 ⋅(T/°C-50)

1

Stahl Feinkornbaustahl

0,9 Temperaturfaktor KT,D

GS GJS

0,8

GJM 0,7

GJL Alu.-Leg.

0,6 0,5 0,4 100

200

300

400

500

Temperatur T in °C

Abb. 3.17: Temperaturfaktor zur Berechnung der Wechselfestigkeit bei erhöhten Temperaturen nach FKM-Richtlinie [95]

3.10 Bauteilwechselfestigkeit und Konstruktionsfaktor nach FKM-Richtlinie

63

3.10 Bauteilwechselfestigkeit und Konstruktionsfaktor nach FKM-Richtlinie

Ausgangspunkt zur Ermittlung der Bauteilwechselfestigkeit in der FKM-Richtlinie ist die Wechselfestigkeit des Werkstoffs σW . Diese wird wiederum aus der Zugfestigkeit des Werkstoffs R m nach Gleichung (3.1) abgeschätzt: σW = f W,σ ⋅ R m . Dabei muss R m bereits den technologischen Größeneinfluss nach Gleichung (7.7) beinhalten, wie es in Abschnitt (3.2) beschrieben ist. Die Bauteilwechselfestigkeit wird mit dem Konstruktionsfaktor K WK berechnet: σWK =

σW K WK,σ

(3.18)

In K WK,σ gehen sämtliche geometrischen und fertigungsbedingten Einflussfaktoren mit ein: K WK,σ =

1 1 1 1 [1 + ( − 1)] . nσ K V ⋅ K S ⋅ K NL,E K˜f K R

(3.19)

Diese sind im einzelnen • n σ Stützzahl: berücksichtigt den in Abschnitt 3.3 beschriebenen Einfluss von Kerben auf die Dauerfestigkeit (siehe Abschnitt 8.4 für die verschiedenen Ansätze zur Berechnung von n σ ) • K˜f Schätzwert für die Kerbwirkungszahl (siehe Oberflächenfaktor, Gleichung (3.15)) • K R Rauigkeitsfaktor: Einfluss der Oberflächenrauigkeit (wird nach Gleichungen (3.13) bis (3.15) berechnet) • K V Randschichtfaktor: für schwingfestigkeitssteigernden Effekt einer Randschicht (Berechnung wie in Abschnitt 3.6 beschrieben) • K S Schutzschichtfaktor: berücksichtigt den Einfluss einer Schutzschicht bei Aluminiumwerkstoffen sowie Stahl und Eisengusswerkstoff mit Schutzschicht infolge galvanischer Verzinkung, Feuerverzinkung oder Zinklamellenbeschichtung (beschrieben in der FKMRichtlinie unter Abschnitt 4.3.4) • K NL,E : Einfluss des nicht linearelastischen Spannungs-Dehnungsverhalten bei GJL, (beschrieben in der FKM-Richtlinie unter Abschnitt 4.3.5) Die Bauteilschubwechselfestigkeit wird analog dazu berechnet: τWK =

τW K WK,τ

(3.20)

64

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

mit K WK,τ =

1 1 1 1 [1 + ( − 1)] . ˜ nτ KV ⋅ KS Kf KR

(3.21)

Die Konstruktionsfaktoren für Schub- und Normalspannungen unterscheiden sich hauptsächlich in der Stützzahl n, sofern der bezogene Spannungsgradient χ′ für σ und τ unterschiedlich ist. Außerdem ist K NL,E bei Schubspannungen nicht definiert (wird auf 1 gesetzt), da dabei kein Zug- und Druckbereich existiert. Die Einflussfaktoren für hohe Temperaturen werden erst bei der Berechnung des Gesamtsicherheitsfaktors benötigt.

3.11 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 3

65

3.11 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 3 Verständnisfragen 1. Ist bei gleich großer Spannungsamplitude die Schwingfestigkeit unter Biegebeanspruchung größer, gleich oder kleiner als unter Zug-Druck-Beanspruchung? 2. Warum kann aus einer großen Formzahl nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass es sich um eine scharfe Kerbe handelt? 3. Nennen Sie zwei Gründe, warum die Verwendung eines höherfesten Werkstoffs nicht zwangsläufig zu einer Steigerung der Schwingfestigkeit eines Bauteils führt. 4. Welche Werkstoffe sind empfindlich bezüglich einer hohen Oberflächenrauigkeit? 5. Nennen Sie zwei mechanische Verfahren zur Steigerung der Schwingfestigkeit gekerbter Bauteile. 6. Welchen Einfluss haben Eigenspannungen auf die Dauerfestigkeit? 7. Warum sind Druckeigenspannungen in einem Bauteil auch immer mit Zugeigenspannungen verbunden? 8. Die Zug-Druck-Dauerfestigkeit eines Werkstoffes wurde an Rundproben mit 10 mm bzw. 35 mm Durchmesser und gleicher Länge bestimmt. Wie unterscheiden sich die Ergebnisse? 9. Wie ändert sich der bezogene Spannungsgradient bei a) Änderung des Kerbradius und b) Änderung der Belastungshöhe? 10. Begründen Sie, warum eine gehärtete Randschicht die Dauerfestigkeit gekerbter Bauteile positiv beeinflusst. 11. Warum ist es erforderlich, bei randschichtverfestigten Bauteilen einen Nachweis für Randschicht und Kern zu führen? 12. Nennen Sie je ein Beispiel, wann eine höhere Belastungsfrequenz zu einer höheren und wann zu einer niedrigeren Lebensdauer führt. 13. Wann kann der Einfluss der Belastungsfrequenz auf die Schwingfestigkeit nicht vernachlässigt werden? 14. Unter welchen Bedingungen kann für ein Bauteil mit dem Wöhlerlinientyp I (ausgeprägte Dauerfestigkeit) nicht mehr von einer ausgeprägten Dauerfestigkeit ausgegangen werden?

66

3 Einflüsse auf die Schwingfestigkeit und deren Abschätzung

Aufgaben 1. Ein gekerbter Stab aus Stahl (Formzahl K t = 2,45, Querschnittsfläche im Kerbbereich A = 250 mm2 ) wird wechselnd auf Zug-Druck belastet. Die Wechselfestigkeit eines ungekerbten Stabs aus demselben Werkstoff und gleicher Oberfläche beträgt σD = 367 MPa. Weiterhin wurde die Stützzahl zur Abschätzung Kerbwirkung auf die Schwingfestigkeit anhand eines Regelwerks mit n = 1,43 ermittelt. Berechnen Sie die zulässige Kraftamplitude, mit welcher der Stab wechselfest belastet werden kann. 2. Für eine auf Zug beanspruchte unendliche Scheibe mit Kreisloch können die Spannungen analytisch berechnet werden. Für die Normalspannungskomponente (Kerbspannung σ) in Richtung der Nennspannung S gemäß Abbildung gilt 1 R 2 3 R 4 σ(r ) = S (1 + ( ) + ( ) ) . 2 r 2 r Berechnen Sie für diesen Fall die Formzahl K t sowie den bezogenen Spannungsgradienten χ′ . S

σ

σmax

R

r

S

4 Statistische Grundlagen 4.1 Einleitung und Grundbegriffe Aufgrund der Streuung der Schwingfestigkeit basieren die Methoden der Betriebsfestigkeit auf statistischen Verfahren. Die dafür erforderlichen Grundlagen werden im Folgenden erklärt, wobei diese Einführung auf das Notwendige beschränkt bleibt und auf Herleitungen sowie die Beschreibung der theoretischen Hintergründe weitgehend verzichtet wird. Für tiefer gehende Betrachtungen werden z. B. folgende Bücher empfohlen: [62, 39, 13, 60, 61, 11, 5]. In den nachfolgenden Kapiteln wird an vielen Stellen wieder auf die Grundlagen dieses Kapitels verwiesen, so dass es zunächst auch übersprungen werden kann, um später darauf zurückzukommen. Viele statistische Formeln sind in mathematischen Programmsystemen als Funktion direkt hinterlegt. Ausgewählte statistische Funktionen werden hier am Beispiel von Microsoft Excel® gezeigt, da es relativ weit verbreitet und einfach in der Handhabung ist. Festigkeitskennwerte sind statistische Kenngrößen. Dabei streut die Schwingfestigkeit stärker als die statische Festigkeit. Mit zunehmender ertragbarer Lastzyklenzahl, bzw. abnehmender Spannungsamplitude, steigt die Streuung weiter an. Da bei der Material- und Bauteilprüfung stets nur ein kleiner Teil aller möglichen Proben geprüft werden kann, sind die ermittelten Festigkeitskennwerte selbst mit gewissen Unsicherheiten behaftet, die ebenfalls mit zu berücksichtigen sind. Das ist umso wichtiger, da Schwingfestigkeitsversuche teuer und langwierig sind und geringe Versuchsumfänge eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Neben den in Kapitel 10 beschriebenen Verfahren zur Planung von Schwingfestigkeitsversuchen und deren Auswertung werden statistische Methoden zur Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten und Sicherheitsfaktoren benötigt. Für das weitere Verständnis sind folgende Grundbegriffe zu klären. Als Merkmalsgröße X wird eine streuende Zufallsgröße, z. B. die Dauerfestigkeit, die Lebensdauer oder die Belastungsamplitude bezeichnet. Als messbare physikalische Größen sind sie quantitativer Art und können diskret oder stetig sein. Diskrete Merkmalsgrößen sind endlich abzählbar, wie die Anzahl der Brüche oder Durchläufer auf einem Lasthorizont. Stetige Merkmalsgrößen hingegen können in einem gegebenen Intervall theoretisch jeden Wert annehmen, was praktisch aber von der Genauigkeit des Messgeräts bzw. der Abtastrate beschränkt wird. Auch wenn bei Zeitfestigkeitsversuchen die Lebensdauer meist nur in ganzen Schwingspielen gezählt wird, liegt eine stetige Merkmalsgröße vor. Einzelne Messwerte eines Versuchs werden als Merkmalswerte x i bezeichnet. Sie sind die einzelnen Werte der streuenden Merkmalsgröße X . Die Grundge-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_4

67

68

4 Statistische Grundlagen

samtheit umfasst alle theoretisch messbaren Merkmalswerte, ist aber bei der Materialprüfung experimentell praktisch nicht bestimmbar. Eine Versuchsreihe mit n Versuchen stellt lediglich eine Stichprobe der Grundgesamtheit dar. Die daraus ermittelten Parameter, wie der Mittelwert, sind lediglich Schätzgrößen des tatsächlichen Wertes der Grundgesamtheit. Die Schätzung ist umso besser, je größer der Stichprobenumfang ist.

4.2 Beschreibung von Stichproben Der Mittelwert einer Stichprobe wird auch als Lageparameter bezeichnet, da er über die Lage des Schwerpunkts der Versuchsergebnisse Auskunft gibt. Er wird auch als empirisch bezeichnet, da dieser auf Grundlage einer endlichen Anzahl von Versuchen mit dem Stichprobenumfang n den tatsächlichen Mittelwert der Grundgesamtheit lediglich schätzt. Man unterscheidet den arithmetischen (empirischen) Mittelwert x¯ =

1 n ∑ xi n i =1

(4.1)

und den geometrischen (empirischen) Mittelwert x¯G =

√ n

x1 ⋅ x2 . . . xn ,

(4.2)

wobei der geometrische stets kleiner oder gleich dem arithmetischen Mittelwert ist. Wird der arithmetische Mittelwert der logarithmierten Merkmalsgröße gebildet, ergibt sich der Logarithmus des geometrischen Mittelwerts: lg x¯G =

1 n ∑ lg xi n i =1

(4.3)

Das ist der Fall bei logarithmisch-normalverteilten Merkmalsgrößen, wie der Lebensdauer im Zeitfestigkeitsgebiet (vgl. Abschnitt 4.3.1). Die Berechnung in Excel erfolgt über die Befehle

=MITTELWERT() bzw. =GEOMITTEL(). Daneben existieren z. B. mit dem Median, dem harmonischen Mittelwert oder dem Modalwert noch weitere Lageparameter, die in diesem Zusammenhang keine Anwendung finden. Neben der Lage des Versuchsschwerpunks ist auch die Größe des Bereichs, in dem die Messwerte um den Mittelwert streuen, von Interesse. Diese wird durch die sogenannten Formparameter beschrieben, welche die Größe der Abweichungen vom Mittelwert erfassen. Auch sie stellen lediglich Schätzwerte der Streuung der Grundgesamtheit dar. Die (empirische) Varianz s 2 gibt den mittleren quadratischen Abstand vom Mittelwert an: s2 =

1

n

∑ (x i − x¯ )2 .

n − 1 i =1

(4.4)

4.2 Beschreibung von Stichproben

69

Positive und negative Abweichungen gehen infolge des Quadrats in gleicher Weise ein. Die Division durch n − 1 statt durch n lässt sich mit dem Freiheitsgrad der Stichprobe erklären. Aus der Definition des Mittelwerts in Gleichung (4.1) folgt ∑ni (x i − x¯ ) = 0. Somit ist die letzte Abweichung x n − x¯ schon mit den ersten n − 1 Abständen bestimmt. Es variieren nur n − 1 Abweichungen frei. Diese Anzahl entspricht dem Freiheitsgrad. Weiterhin ist die empirische Standardabweichung s als Wurzel aus der empirischen Varianz definiert: s=



s2

  1 n  = ∑ (x i − x¯ )2 . n − 1 i =1

(4.5)

Sie hat damit dieselbe Dimension wie die Merkmalsgröße X und ermöglicht dadurch eine anschaulichere Deutung. Für die Berechnung der Streuungsmaße einer Stichprobe werden in Excel die Funktionen =VAR.S() bzw. =STABW.S() verwendet. Weiterhin hat der Variationskoeffizient v als relatives Streuungsmaß eine gewisse Bedeutung. Er gibt die Standardabweichung bezogen auf den Mittelwert an: v=

s . x¯

(4.6)

Das ist in sofern von Bedeutung, da die absolute Größe der Standardabweichung von der Höhe des Mittelwerts abhängig ist. Anhand von zwei Stichproben A = (1; 2; 3; 4; 5) und B = (51; 52; 53; 54; 55) lässt sich das leicht veranschaulichen. Beide haben die gleiche Standardabweichung von s = 1,58. Jedoch streut A bezogen auf den Mittelwert viel stärker als B , da v A = 52,7 % und v B = 3,0 % ist. Zur übersichtlichen Darstellung der Häufigkeitsverteilung von Stichproben werden Histogramme verwendet. Da sich bei stetigen Merkmalen aus n Versuchen auch n verschiedene Werte x i ergeben, ist eine Einteilung in Klassen notwendig (Abb. 4.1, links). Dabei werden die Werte x i in mehreren Klassen gleicher Breite zusammengefasst (Abb. 4.1, mitte). Für Stichprobenumfänge von n > 25 lässt sich die geeignete Anzahl k der zu wählenden Klassen aus k ≈



n abschätzen [5]. Die Breite einer Klasse entspricht b =

x max −x min , k

wobei x max und

x min der maximale und der minimale Wert der Stichprobe sind. Die Klassenhäufigkeit h j gibt die Anzahl der Merkmalswerte x in der Klasse j mit j = 1 . . . k an. Die Summenhäufigkeit H j entspricht der kumulierten Häufigkeit der Werte x aller Klassen unterhalb und einschließlich der Klasse j : j

H j = ∑ hl .

(4.7)

l =1

Oft werden bei großer Versuchsanzahl anstelle der absoluten Häufigkeiten die auf den Stichprobenumfang normierten Werte der relativen Häufigkeit rj =

hj n

(4.8)

x

Messergebnisse

Klasse 5

Klasse 4

Klasse 3

Klasse 1 Merkmalswert

Häufigkeit h

4 Statistische Grundlagen

Klasse 2

70

x

b Klasseneinteilung

x Histogramm

Abb. 4.1: Darstellung von Häufigkeitsverteilungen im Histogramm

und der relativen Summenhäufigkeit Rj =

Hj

(4.9)

n

verwendet. Auf der linken Seite von Abbildung 4.2 sind die Histogramme der relativen Häufigkeiten über der Merkmalsgröße X abgebildet. Die Darstellung der relativen Klassenhäufigkeit gibt die relative Anzahl der Ereignisse in jeder Klasse an. Die Breite des Histogramms ist ein Indikator für die Größenordnung der Streuung. Diese Darstellung wird daher auch als empirische Dichtefunktion bezeichnet, da sie die Merkmalsdichte in den Klassen anzeigt. In Abbildung 4.2 rechts sind die relativen Summenhäufigkeiten aufgetragen. Sie geben qualitativ eine Art Eintrittswahrscheinlichkeit des Merkmals pro Klasse an. Für jede Klasse j kann abgelesen werden, wie viele Ereignisse bezogen auf den Stichprobenumfang unterhalb der oberen Grenze dieser Klasse eingetreten sind. Die Verbindung der Punkte der oberen Klassengrenzen ergibt die empirische Verteilungsfunktion. Die Lage des Merkmalswertes x 50 % kann für den Wert abgeschätzt werden, dessen relative Summenhäufigkeit bei ca. 0,5 liegt, bei dem also die Hälfte der Ereignisse eingetreten sind.

Relative Summenhäufigkeit

Rj

Relative Häufigkeit

rj

x

Empirische Verteilungsfunktion

1

0,5

x

Abb. 4.2: Histogramm relativer Klassen- und Summenhäufigkeiten, empirische Verteilungsfunktion

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen

71

Bisher wurden lediglich Kennwerte von Stichproben berechnet, bzw. diese grafisch dargestellt. Ziel ist die übersichtliche Aufbereitung von Versuchswerten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von beschreibender oder deskriptiver Statistik. Ein Rückschluss auf die Grundgesamtheit der Merkmalsgröße X ist damit noch nicht erfolgt. Dies ist Teil der schließenden oder induktiven Statistik.

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen Verteilungsfunktionen beschreiben, wie sich die Wahrscheinlichkeiten der Merkmalswerte einer Grundgesamtheit verteilen. Dazu ist zunächst der Begriff der Wahrscheinlichkeit zu klären. Die Wahrscheinlichkeit P ist eine Funktion, die jedem Bereich des Merkmalswertes eine reelle Zahl zuordnet. Dabei gilt 0 ≤ P ≤ 1. Oft wird die Wahrscheinlichkeit prozentual von 0 % bis 100 % angegeben. Es gilt außerdem P (−∞ ≤ X ≤ +∞) = 1. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Wert des Merkmals X kleiner oder größer als ein bestimmter Wert b ist, ist eins: P ( X > b ) + P ( X < b ) = 1.

(4.10)

In der Betriebsfestigkeit werden dafür die Begriffe Ausfallwahrscheinlichkeit P A und Überlebenswahrscheinlichkeit P Ü verwendet. Bezogen auf die Dauerfestigkeit beschreibt P A die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Bauteil bei einer bestimmten Spannungsamplitude nicht die Lastzyklenzahl ND des Abknickpunkts in die Dauerfestigkeit erreicht und P Ü mit der es bei dieser Spannungsamplitude diese Lastzyklenzahl erreicht. Analog kann auch die Wahrscheinlichkeit beschrieben werden, mit der ein Bauteil unterhalb einer gewissen Lastzyklenzahl versagt oder nicht. Die Begriffe werden auch für die statische Festigkeit verwendet, z. B. im Zugversuch zur Beschreibung von R m . Aus Gleichung (4.10) folgt direkt: PÜ = 1 − PA.

(4.11)

Die Dichtefunktion f (x ) und die Verteilungsfunktion F (x ) einer Grundgesamtheit werden auch als ideale Funktionen bezeichnet und lassen sich analog zu den empirischen Verteilungsfunktionen erklären. Sie beschreiben die Lage der Merkmalswerte und die Wahrscheinlichkeit für deren Auftreten. Für n → ∞ gehen die empirischen in die idealen Funktionen über. Mit der Verteilungsfunktion F (x ) wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass die Merkmalsgröße X einen Wert kleiner oder gleich x annimmt: F (x ) = P ( X ≤ x )

(4.12)

Die Verteilungsfunktion wird aus dem Integral über der Dichtefunktion einer Verteilung berechnet.

x

F (x ) = ∫ f (x˜ ) dx˜ −∞

(4.13)

72

4 Statistische Grundlagen

Analog zu Stichproben besitzen auch Wahrscheinlichkeitsverteilungen Form- und Lageparameter. So beschreibt der Erwartungswert μ einer Verteilung den Schwerpunkt und damit den Mittelwert aller Werte der Grundgesamtheit. Entsprechend wird die quadratische Abweichung einer Merkmalsgröße vom Erwartungswert durch die Varianz einer Verteilung σ2 beschrieben. Auch hier ist die Wurzel aus der Varianz σ die Standardabweichung der Verteilung. Die für eine Stichprobe ermittelten empirischen Kenngrößen x¯ und s 2 sind somit die Schätzer der Werte μ und σ2 der Grundgesamtheit. Es existieren in der Statistik zahlreiche Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Diese sind stets Modellvorstellungen um die Realität abzubilden. Im Folgenden wird lediglich auf die wichtigsten Wahrscheinlichkeitsverteilungen im Zusammenhang mit der Betriebsfestigkeit eingegangen.

4.3.1 Normalverteilung 4.3.1.1 Dichte- und Verteilungsfunktion Die Normalverteilung ist von zentraler Bedeutung für viele statistische Vorgänge in Natur und Technik. Zum einen können viele Prozesse zumindest näherungsweise mit der Normalverteilung beschrieben werden. Zum anderen folgt aus dem zentralen Grenzwertsatz, dass die Summe vieler unabhängiger Merkmale näherungsweise auch normalverteilt ist.1 Die Dichtefunktion f (x ) ist durch die beiden Parameter μ und σ vollständig beschrieben, weshalb die Normalverteilung als zweiparametrische Verteilung bezeichnet wird: 1 x −μ 1 − ( ) f (x ) = √ e 2 σ . σ 2π 2

(4.14)

In Abbildung 4.3 a) ist die Dichtefunktion für verschiedene Parameterkombinationen dargestellt. Sie wird nach ihrem Entdecker C. F. Gauß auch als Gaußsche Glockenkurve bezeichnet. Die Normalverteilung ist an den Rändern offen, d. h. sie ist nach Gleichung (4.14) zwischen

−∞ und +∞ definiert. Außerdem ist sie eine symmetrische Verteilung, bei der das Maximum der Dichtefunktion beim Mittelwert liegt. Der Abstand der Merkmalswerte an den beiden Wendepunkten zum Mittelwert entspricht der Standardabweichung, Abbildung 4.4. Wenn x die Beanspruchung für den Ausfall oder Bruch eines Bauteils unter Annahme eines normalverteilten Prozesses beschreibt, dann ist die Ausfallwahrscheinlichkeit entsprechend Gleichung (4.12) x

P A (x ) = ∫ f (x˜ ) dx˜

(4.15)

0 1

Die Merkmalsgrößen selbst müssen dafür nicht notwendigerweise normalverteilt sein, sondern lediglich aus derselben Grundgesamtheit (mit Erwartungswert und Varianz) stammen. Die Summe aus n Merkmalswerten ist dann im Grenzübergang n → ∞ normalverteilt.

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen

a)

f(x) 0,6

73

b)

μ=2,5, σ=2

F(x) 1

μ=0, σ=1 —=-3, σ=0,7

0,8 0,4 0,6 0,4

0,2

μ=2,5, σ=2

0,2

μ=0, σ=1 —=-3, σ=0,7

0

0 -6

-4

-2

0

2

4

6

x

-6

-4

-2

0

2

4

6

x

Abb. 4.3: Einfluss von Mittelwert und Streuung a) auf die Dichtefunktion und b) auf die Verteilungsfunktion der Normalverteilung

F(x)

Maximum

f(x) Wendepunkt

Wendepunkt

Dichtefunktion f(x) Verteilungsfunktion F(x) —-σ

—

—+σ

x

Abb. 4.4: Dichte- und Verteilungsfunktion der Normalverteilung

und entsprechend Gleichung (4.11) die Überlebenswahrscheinlichkeit x

P Ü (x ) = 1 − P A (x ) = 1 − ∫ f (x˜ ) dx˜ .

(4.16)

0

4.3.1.2 Standardisierte Normalverteilung Das zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit zu bestimmende Integral in (4.15) und (4.16) ist für die Normalverteilung nicht geschlossen lösbar und muss daher numerisch berechnet werden. Alternativ kann die Berechnung über die standardisierte Normalverteilung erfolgen. Dafür sind in vielen mathematischen Tabellenbüchern die Werte tabelliert. Als standardisiert

74

4 Statistische Grundlagen

wird die Normalverteilung mit μ = 0 und σ = 1 verstanden (durchgezogene Linie in Abb. 4.3). Sie wird durch die Zufallsvariable U beschrieben, welche aus einer beliebig anderen Normalverteilung mit U=

X −μ σ

(4.17)

berechnet wird. Die Merkmalswerte u werden auch als Quantile der standardisierten Normalverteilung bezeichnet. Die Werte der Verteilungsfunktion Φ(u ) = P A (U ≤ u ) sind in Abbildung 4.5 dargestellt. Die praktische Bedeutung der standardisierten Normalverteilung besteht in der Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit einer beliebig normalverteilten Größe über die Beziehung F (x ) = P A ( X ≤ x ) = Φ (u ) = Φ (

x −μ ) σ

(4.18)

berechnen zu können. Das bedeutet, dass die Quantile u den Abstand des Merkmalswertes x vom Mittelwert μ als ein Vielfaches der Standardabweichung beschreiben. Mit den bekannten Quantilen u P A kann so für eine Merkmalsgröße X mit beliebigem Mittelwert und Standardabweichung der Merkmalswert x (P A ) für die Ausfallwahrscheinlichkeit P A aus Gleichung (4.17) berechnet werden: x (P A ) = μ + u P A ⋅ σ.

(4.19)

Dabei beschreibt x (P A ) den Wert der Zufallsgröße, für den die Werte x mit der Wahrscheinlichkeit P A unterhalb von x (P A ) liegen. Aufgrund der Symmetrie der Normalverteilung gilt u (1−P ) = −u. Daher erfolgt die Umrechnung einer Merkmalsgröße unter Verwendung der Überlebenswahrscheinlichkeit nach x (P Ü ) = μ − u P Ü ⋅ σ.

(4.20)

Ausfallwahrscheinlichkeit PA

100 0

Quantil u

1

10-1

10-2

10-3

10-4

10-5

10-6

10-7

-1,282

2 -2,326 3 4 5

-3,090 -3,719 -4,265 -4,753 -5,199

6

Abb. 4.5: Quantile der standardisierten Normalverteilung

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen

75

Sind die Werte der Grundgesamtheit nicht bekannt, werden anstelle von μ und σ die Schätzer x¯ und s aus der Stichprobe verwendet.2 Die Quantile für die Ausfallwahrscheinlichkeit können in Excel auch direkt mit der Funktion

=NORM.S.INV(P A ) berechnet werden. Bei der Berechnung der Überlebenswahrscheinlichkeit sind diese Werte entsprechend mit −1 zu multiplizieren. Alternativ lassen sich die Merkmalswerte für eine bestimmte Wahrscheinlichkeit auch ohne den Umweg über die standardisierte Normalverteilung mit =NORM.INV(P A ;μ;σ) bestimmen. Beispiel Die Zugfestigkeit eines Werkstoffs ist mit μ = R m,50 % = 532 MPa und σ = 41 MPa normalverteilt. Gesucht ist die Zugfestigkeit für die Überlebenswahrscheinlichkeit von P Ü = 99 %. Lösung Aus Abbildung 4.5 oder Excel und unter Ausnutzung der Symmetrie der Normalverteilung folgt u (P Ü =99 %) = 2,326. Mit Gleichung (4.20) berechnet sich:

R m,(P Ü =99 %) = R m,50 % − u (P Ü =99 %) ⋅ σ = 532 MPa − 2,326 ⋅ 41 MPa = 437 MPa.



4.3.1.3 Log-Normalverteilung Die Verteilung der Lebensdauer eines schwingend beanspruchten Bauteils lässt sich sehr gut mit der log-Normalverteilung beschreiben [230]. Das ist keine neue Verteilung, sondern bedeutet, dass die Logarithmen der Merkmalswerte anstelle der Merkmalswerte selbst normalverteilt sind. Für sie gelten dann die gleichen Zusammenhänge aus Abschnitt 4.3.1.1. Hierbei ist darauf zu achten, zu welcher Basis der Logarithmus gebildet wird. Die nachfolgenden Formeln gelten für den Logarithmus zur Basis 10. Wird die Verteilung für den linearen Merkmalswert aufgetragen, ist die log-Normalverteilung schief und nur für positive Werte definiert. In Abbildung 4.6 ist die Dichtefunktion der log10 -Normalverteilung für verschiedene Standardabweichungen und jeweils μ = 1 dargestellt. Mit zunehmender Streuung wird die Verteilung immer schiefer. Der Mittelwert für eine Stichprobe aus n Versuchen mit konstanter Spannungsamplitude im Zeitfestigkeitsgebiet kann aus lg N = lg N50 % =

2

1 n ∑ lg Ni n i =1

(4.21)

Dazu kann der Vertrauensbereich, innerhalb dessen die Parameter der Grundgesamtheit um die Schätzwerte liegen, nach Abschnitt 4.6 abgeschätzt werden.

76

4 Statistische Grundlagen

Standardabweichungen σ1 < σ2 < σ3

f(x)

1σ1, μ 2σ2, μ 3σ3, μ

x Abb. 4.6: Dichtefunktion der log-Normalverteilung für verschiedene Streuungen σi und identischen Mittelwerten μ bei linearer Auftragung des Merkmals x

berechnet werden und die logarithmische Standardabweichung in Lebensdauerrichtung ist

  1 n 2  s lg N =  ∑ (lg Ni − lg N50 % ) . n − 1 i =1

(4.22)

Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit erfolgt dann entsprechend nach Gleichung (4.19) mit den Logarithmen von N : lg NP = lg N50 % ± u P ⋅ s lg N

(4.23)

NP = 10lg N50 % ±uP ⋅slg N .

(4.24)

bzw.

Anstelle der logarithmischen Standardabweichung wird in der Betriebsfestigkeit häufig die Streuspanne T als Maß für die Streuung verwendet. Sie ist in Lebensdauerrichtung als TN =

N(P Ü =10 %) N(P Ü =90 %)

bzw.

TN =

N(P A =90 %)

(4.25)

N(P A =10 %)

definiert. Der Grund liegt in der besseren Anschaulichkeit im Vergleich zur logarithmischen Standardabweichung. So gilt für T N = 3,4, dass die Lebensdauer bei 10 % Überlebenswahrscheinlichkeit dem 3,4-fachen der Lebensdauer bei 90 % Überlebenswahrscheinlichkeit entspricht. In Spannungsrichtung gilt für die Streuspanne Tσ =

σa,(P Ü =10 %) σa,(P Ü =90 %)

bzw.

Tσ =

σa,(P A =90 %) σa,(P A =10 %)

.

(4.26)

Im Zeitfestigkeitsgebiet lassen sich die Streuspannen über den Wöhlerlinienexponenten k ineinander umrechnen: T N = Tσk .

(4.27)

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen

77

Weiterhin besteht zwischen der Streuspanne und der logarithmischen Standardabweichung folgender Zusammenhang: T N = 102,563⋅slg N

und

Tσ = 102,563⋅slg σ

(4.28)

Dieser ergibt sich durch Einsetzen der Gleichungen (4.24) in (4.25), wobei der Faktor 2,563 = 2 ⋅ u 90 % ist. Bisweilen wird die Streuspanne auch reziprok zu Gleichung (4.25) bzw. (4.26) definiert, z. B. in [25]. Dann bedeutet zwar T = 1 ∶ 3,4 dieselbe Streuung wie T = 3,4, allerdings muss dies beim Rechnen mit der Streuspanne berücksichtigt werden. So ist der Exponent in Gleichung (4.28) mit −1 zu multiplizieren. Außerdem ist zu beachten, dass die Streuspanne nur bei log-Normalverteilung ein sinnvolles Maß für die Streuung ist.

4.3.2 Weitere Verteilungen für stetige Zufallsgrößen Weibullverteilung Die nach Weibull [293] benannte dreiparametrische Verteilung wird ebenfalls zur Beschreibung der Lebensdauer von technischen Bauteilen verwendet. Ihr Vorteil besteht darin, dass sie durch geeignete Wahl ihrer Parameter an verschiedene andere Verteilungen angepasst werden kann. Die Dichtefunktion ist mit κ x − x min κ−1 −( xx −−xxmin ) ⋅( ) ⋅ e 0 min x 0 − x min x 0 − x min

κ

f (x ) =

(4.29)

definiert. Dabei ist x die Merkmalsgröße, der Weibull-Exponent κ ist als Formparameter ein Maß für die Streuung, der Maßstabsfaktor x 0 entspricht dem Merkmalswert bei P A = 63,21 % und x min ist die minimale Merkmalsgröße. Durch x min ist die Weibullverteilung nach unten hin geschlossen. Für x < x min ist die Ausfallwahrscheinlichkeit P A = 0. Im Allgemeinen ist es aber sehr aufwendig, diese untere Grenze zu bestimmen. Die Verteilungsfunktion zur Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit ergibt sich durch Integration von Gleichung (4.29): F (x ) = 1 − e

κ x −x −( x −xmin ) 0 min .

(4.30)

Wird der Verschiebungsparameter x min = 0 gesetzt, ergibt sich die zweiparametrische Weibullverteilung, welche wie die log-Normalverteilung im Bereich 0 ≤ x ≤ ∞ definiert ist. Die Weibullverteilung wird in der Betriebsfestigkeit zur Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten selten verwendet, findet aber bei Prozessen mit überlagertem Verschleiß, z. B. Wälzlagern und elektronischen Bauteilen breite Anwendung.

Logistische Verteilung Die logistische Verteilung, bisweilen auch als Logitverteilung bezeichnet, ist ähnlich der Normalverteilung symmetrisch und mit 2 Parametern, nämlich α und β, beschreibbar. Die

78

4 Statistische Grundlagen

Dichtefunktion ist mit e

f (x ) =

−( x −βα )

β (1 + e

−( x −βα )

(4.31)

2

)

definiert und die Verteilungsfunktion folgt durch Integration von Gleichung (4.31) zu F (x ) =

1 1+e

−( x −βα )

.

(4.32)

Der Erwartungswert der Verteilung ist μ = α und die Varianz entspricht σ2 = π2 β2 /3. Ein Vorteil im Vergleich zur Normalverteilung ist die Möglichkeit, die Quantile x der Verteilungsfunktion direkt durch Umstellen von Gleichung (4.32) zu berechnen, ohne auf tabellierte Werte zurückgreifen zu müssen. Die logistische Verteilung ist zur Beschreibung der Streuung der Schwingfestigkeit gut geeignet [205]. Dennoch wird sie in der Schwingfestigkeit und Materialprüfung nur selten verwendet.



arcsin P -Verteilung



Bisweilen wird zur Beschreibung der Dauerfestigkeit auch die arcsin P -Verteilung verwendet. Sie besitzt einen Lage- und einen Formparameter. Aufgrund ihrer mathematischen Formulierung ist sie auf beiden Seiten geschlossen und ermöglicht somit die Angabe von 0 %- und 100 %-Ausfallwahrscheinlichkeiten. Diese Werte ergeben sich bereits im Abstand von 2,38 Standardabweichungen vom Mittelwert, was experimentellen Untersuchungen zur Dauerfestigkeit mit großen Stichproben widerspricht. Da sich diese Grenzwerte lediglich aus den beiden Parametern für Lage und Streuung der Verteilung ergeben, ohne wie bei der dreiparametrischen Weibullverteilung separat durch einen weiteren zu definierenden Parameter, ist



von der Anwendung der arcsin P -Verteilung in der Betriebsfestigkeit unbedingt abzuraten. Vergleich der Verteilungen Abbildung 4.7 zeigt beispielhaft die Verteilungsfunktionen der Normalverteilung, der logNormalverteilung, der logistischen Verteilung und der zweiparametrischen Weibullverteilung. Alle Verteilungen haben den gleichen Erwartungswert μ = 100 und die gleiche Standardabweichung σ = 7. Dazu sind noch die im Mittel zu erwartenden Ergebnisse einer normalverteilten Stichprobe mit dem Umfang n = 10 eingetragen. Die Darstellung erfolgt im Warscheinlichkeitsnetz, bei dem die Ordinatenachse mit der Ausfallwahrscheinlichkeit so eingeteilt ist, dass sich für die Normalverteilung ein gerader Verlauf ergibt (siehe Abschnitt 4.5). Es ist gut zu erkennen, dass die Unterschiede zwischen den Verteilungen bei so kleinen Stichprobenumfängen vernachlässigbar klein sind und somit nicht auf die optimale Verteilungsfunktion geschlossen werden kann. Größere Unterschiede zeigen sich aber im Bereich niedriger bzw. hoher Ausfallwahrscheinlichkeiten. Weiterhin zeigt sich, dass die Weibullverteilung bei geringer Ausfallwahrscheinlichkeit auf die konservativsten Ergebnisse führt und

4.3 Statistische Verteilungsfunktionen

79

99,9

Ausfallwahrscheinlichkeit in %

99 Normalverteilung 90

log-Normalverteilung logistische Verteilung

50

Weibullverteilung (zweiparametrisch) mittlere normalverteilte Stichprobe n = 10

10

1 0,1 70

80

90

100

110

120

130

Merkmalswert x Abb. 4.7: Vergleich verschiedener Verteilungsfunktionen mit gleichem Erwartungswert μ = 100 und gleicher Standardabweichung σ = 7

ebenso wie die log-Normalverteilung nicht symmetrisch ist. Insbesondere im Bereich der Dauerfestigkeit kann die tatsächliche Verteilung experimentell nur mit sehr großem Aufwand ermittelt werden. Eine Möglichkeit dafür bietet die Probit-Methode (siehe Hinweis in Abschnitt 10.2.3).

4.3.3 Binomialverteilung Im Gegensatz zu den vorangegangenen Verteilungen ist die Binomialverteilung keine stetige, sondern eine diskrete Verteilung. Sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit von Zufallsexperimenten mit binären Merkmalen. Das bedeutet, es gibt nur zwei mögliche, sich gegenseitig ausschließende Ausgänge: Erfolg oder Misserfolg. Das ist z. B. der Fall bei Schwingfestigkeitsversuchen im Dauerfestigkeitsgebiet. Bis zu einer bestimmten Grenzlastzyklenzahl3 gibt es die beiden möglichen Ergebnisse: Versagen oder kein Versagen des Bauteils. Wird das Experiment n-mal wiederholt, kann die Anzahl der Erfolge X als diskrete Zufallsvariable aufgefasst und mit der Binomialverteilung beschrieben werden. Bei diskreten Verteilungen entspricht die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsgröße X den konkreten Wert x annimmt, 3

Schwingfestigkeitsversuche müssen nach einer endlichen Zeit abgebrochen werden. Dies geschieht nach Erreichen der Grenzlastzyklenzahl NG , die hinreichend weit oberhalb des Abknickpunktes der Wöhlerlinie ND liegen muss. Genauere Erläuterungen finden sich in Abschnitt 10.2.

80

4 Statistische Grundlagen

dem Funktionswert der Dichtefunktion: n P ( X = x ) = f (x ) = ( )p x (1 − p )n −x x

(4.33)

Dabei beschreibt p die Erfolgswahrscheinlichkeit, also das Verhältnis von positiven zu möglichen Ausgängen der Grundgesamtheit und 1 − p die Misserfolgswahrscheinlichkeit. Die Verteilungsfunktion gibt wieder die Wahrscheinlichkeit an, mit der bei n Versuchen die Zufallsgröße einen Wert X ≤ x annimmt: x n P ( X ≤ x ) = F (x ) = ∑ ( )p k (1 − p )n −k . k =0 k

(4.34)

Die Binomialverteilung besitzt den Erwartungswert x¯ = n ⋅ p

(4.35)

s 2 = n ⋅ p ⋅ (1 − p ).

(4.36)

und die Varianz

4.4 Lineare Regressionsrechnung Mittels Regression wird ein funktionaler Zusammenhang zwischen zwei Größen beschrieben. Im Spezialfall der linearen Regression wird eine Ausgleichsgerade durch n Messpunkte (x i ; y i ) in der Form y = a ⋅x +b

(4.37)

berechnet. Dabei ist zwischen der im Versuch gemessenen abhängigen Größe y, der Wirkung (z. B. der Bruchlastzyklenzahl), und der im Versuch vorgegebenen unabhängigen Variable x, der Ursache (z. B. der Spannungsamplitude), zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist wichtig und hat unter Umständen einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Nach der Methode der kleinsten Quadrate wird der quadrierte Abstand jedes Messwertes in y-Richtung zur noch unbekannten Regressionsgeraden als Fehlermaß verwendet (Abbildung 4.8) und deren Summe minimiert:

n

2

∑ ( y i − a ⋅ x i − b ) → min

(4.38)

i =1

Aus Gleichung (4.38) folgt ein lineares Gleichungssystem, dessen Lösung die beiden Parameter a und b der gesuchten Ausgleichsgeraden sind: a=

sx y s x2

(4.39)

und b = y¯ − a ⋅ x¯

(4.40)

4.4 Lineare Regressionsrechnung

81

y

y

Messwerte Regressionsgerade Abstand in Regressionsrichtung x

x

Abb. 4.8: Prinzip der linearen Regression

Die in Gleichungen (4.39) und (4.40) verwendeten Größen sind die Kovarianz der x- und y-Werte sx y =

1 n −1

n

(∑ x i y i − i =1

n 1 n ∑ xi ∑ y i ) n i =1 i =1

(4.41)

(in Excel über =KOVARIANZ.S() berechenbar), die Varianz der x-Werte s x2 =

2

⎛n 2 1 n ⎞ ∑ x i − (∑ x i ) n − 1 ⎝i =1 n i =1 ⎠ 1

(4.42)

und die arithmetischen Mittelwerte von x und y x¯ =

1 n ∑ xi n i =1

und

y¯ =

1 n ∑ yi . n i =1

(4.43)

Die Streuung der Messpunkte um die Regressionsgerade wird durch die Reststreuung (auch: Standardfehler der Residuen) s R beschrieben: s R2 =

=

1

n

2

∑ ( y i − y (x i ))

n − 2 i =1

2

n n ⎞ ⎛n 2 1 n 1 n ∑ y i − (∑ y i ) − a (∑ x i y i − ∑ x i ∑ y i ) . n − 2 ⎝i =1 n i =1 n ⎠ i =1 i =1 i =1

1

(4.44)

Bei der linearen Regression wird neben der Lage der Geraden, ausgedrückt durch die Konstante b auch der Anstieg a geschätzt. Der Freiheitsgrad ist durch die Schätzung zweier Parameter nur noch n − 2. Das wird bei der Berechnung der Varianz durch Division mit n − 2 anstelle von n − 1 wie in Gleichung (4.5) für Stichproben berücksichtigt. Nur so ist Gleichung (4.44) ein

82

4 Statistische Grundlagen

y

y Messwerte y-Richtung x-Richtung x

x

Abb. 4.9: Einfluss der Fehlerrichtung auf die Lage der Regressionsgeraden

erwartungstreuer Schätzer der Varianz [13]. In Excel ist Gleichung (4.44) unter der Funktion

=STFEHLERYX( X ;Y ) hinterlegt. Selbstverständlich bieten die meisten Programme eine automatische Regression an. Dabei ist jedoch stets darauf zu achten, in welcher Richtung das Fehlermaß gebildet und minimiert wird. So wird in Excel der Fehler stets in y-Richtung betrachtet. Bei der Ermittlung der Wöhlerlinie aus n Versuchspunkten muss bei der automatischen Regression y = lg N und x = lg σa gesetzt werden, obwohl die Wöhlerlinie üblicherweise mit N auf der horizontalen Achse dargestellt wird. Wenn alle Messpunkte genau auf einer Geraden liegen, führen beide Regressionsrichtungen auf dasselbe Ergebnis. Abbildung 4.9 zeigt ein extremes Beispiel mit drei Messwerten.4 Hier hat die Richtung des Fehlermaßes einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Der Schnittpunkt beider Regressionsgeraden ist dabei stets der Schwerpunkt der Versuchsdaten.

4.5 Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz Eine alternative Methode zur statistischen Auswertung von Stichproben stellt die Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz dar. Die Auswertung kann sowohl grafisch »per Hand« als auch rechnerisch geschehen. Nach [135] ist dies die treffsicherste Methode zur Auswertung von Schwingfestigkeitsversuchen im Zeitfestigkeitsgebiet. Im Wahrscheinlichkeitsnetz sind die Quantile der Verteilungsfunktion über der Merkmalsgröße aufgetragen. Der typische S-Schlag der Verteilungsfunktion wird durch das lineare Auftragen der Quantile anstelle der Wahr4

Bei einem solchen Versuchsergebnis stellt sich allerdings die Frage, ob der Stichprobenumfang zu gering gewählt ist, oder überhaupt ein linearer Zusammenhang zwischen den Größen gilt.

4.5 Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz

83

100 90 Ausfallwahrscheinlichkeit in %

80 70

60 50 40

30 20

10 0

3

99

2

90

1

50

0 -1

10

-2

1

-3

0,1 0,01

Merkmalswert x

Quantil u0

Ausfallwahrscheinlichkeit in %

4

99,99 99,9

-4 Merkmalswert x

Abb. 4.10: Verteilungsfunktion mit linearer Einteilung der Wahrscheinlichkeit (links) und linearer Einteilung der Quantile (rechts)

scheinlichkeit gerade gezogen (Abbildung 4.10).Zum Eintragen der einzelnen Versuchspunkte muss deren Ausfall- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit geschätzt werden. Dafür sollte die Näherungsformel nach Rossow [242] verwendet werden: 3i − 1 . (4.45) 3n + 1 Darin ist n die Anzahl der Versuche und i die Ordnungszahl. Sie ergibt sich, wenn die ErgebP (i ) =

nisse einer Stichprobe der Größe nach geordnet und beginnend beim kleinsten Wert mit i = 1 aufsteigend durchnummeriert werden. Gleichung (4.45) schätzt dann die Ausfallwahrscheinlichkeit der einzelnen Ergebnisse. Soll die Überlebenswahrscheinlichkeit berechnet werden, wird beginnend beim größten Wert absteigend durchnummeriert. Anschließend werden zu den berechneten Wahrscheinlichkeiten die Quantile ermittelt. Das kann z. B. wieder mit Excel mittels =NORM.S.INV(P ) berechnet oder anhand von Tabellen abgelesen werden. Aus den Wertepaaren (x i ; u i ) wird dann im Wahrscheinlichkeitsnetz eine Ausgleichsgerade berechnet, wobei der Abstand zur streuenden Merkmalsgröße minimiert wird. Das bedeutet, dass die Verteilungsfunktion direkt an die Messergebnisse angepasst wird. Der Schnittpunkt der Linie mit dem Quantilswert u = 0 bzw. P = 50 % entspricht dem 50 %-Wert und aus dem Anstieg kann direkt, wie in Abbildung 4.11 dargestellt, die Streuung in Form der Standardabweichung abgelesen werden. Bei der rein grafischen Anwendung der Methode wird durch die Wertepaare (x i ; P i ) im Wahrscheinlichkeitsnetz die Ausgleichsgerade direkt mit der Methode des scharfen Hinsehens per Lineal gezogen.

4 Statistische Grundlagen

4

99,99 99,9

3

99

2

90

1 u=1

50

0

s

-1

10

Quantil u

Ausfallwahrscheinlichkeit in %

84

-2 1

Messwerte

0,1 0,01

-3

Ausgleichsgerade

xത

Merkmalswert x

-4

Abb. 4.11: Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz

Anhand von Gleichung (4.45) kann ebenfalls abgeschätzt werden, welcher Bereich der Verteilung mit der gegebenen Versuchsanzahl n abgedeckt wird. So sind beispielsweise die extremen Wahrscheinlichkeiten für n = 10: P min = 6,45 % bzw. P max = 93,5 5% und für n = 25: P min = 2,63 % bzw. P max = 97,37 %. Um mit einer Stichprobe Wahrscheinlichkeiten von über 99 % bzw. 1 % mit abzudecken, sind im Schnitt n = 67 Versuche notwendig.

Beispiel Für einen Stahl wurde die 0,2 %-Dehngrenze in 8 Versuchen gemessen. Die ErgebnisT se lauten R p0,2 = (420; 408; 388; 430; 402; 436; 415; 405) MPa.

Gesucht sind Mittelwert und Standardabweichung der Stichprobe mittels Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz. Lösung Die Ergebnisse werden aufsteigend nummeriert und mit Gleichung (4.45) die Ausfallwahrscheinlichkeit geschätzt. Die Regression nach Abschnitt 4.4 ergibt mit x = u und y = R p0,2 (streuende Größe) die Gleichung R p0,2 = a ⋅ u + b mit den Werten a = 16,94 und b = 413,0. Damit können der Mittelwert mit R¯p0,2 = b = 413 MPa und die Standardabweichung mit s = a = 16,9 MPa berechnet werden. Zum Vergleich kann die Stichprobe auch mit den Gleichungen (4.1) und (4.5) ausgewertet werden. Der Mittelwert ist identisch zur Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz mit R¯p0,2 = 413 MPa. Für die Standardabweichung ergibt sich mit s = 15,6 MPa jedoch ein geringerer Wert als im Wahrscheinlichkeitsnetz.

4.5 Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz

i

PA(i)

u(i)

388

1

8%

-1,41

402

2

20%

-0,84

405

3

32%

-0,47

408

4

44%

-0,15

415

5

56%

0,15

420

6

68%

0,47

430

7

80%

0,84

436

8

92%

1,41

2 1,5 1 Quantil u

Rp0,2%

85

0,5

0 -0,5 -1

-1,5 -2 380

400

420

440

460

Rp0,2 in MPa

◻ Einen weiteren Vorteil bietet das Wahrscheinlichkeitsnetz zur qualitativen Beurteilung einer Stichprobe. In Abbildung 4.12 sind drei charakteristische Fälle dargestellt. Auf der linken Seite handelt es sich um eine nicht-normalverteilte Größe. Es ist zu erkennen, dass die Versuchspunkte einen S-förmigen Verlauf haben und besonders an den Rändern nicht auf einer Geraden liegen. Dies ist nicht mit einem Verteilungstest gleichzusetzen, sondern ermöglicht lediglich eine qualitative Abschätzung. Dazu ist eine gewisse Erfahrung erforderlich, zumal die Unterschiede erst ab einer gewissen Stichprobengröße deutlich werden. Mittig in Abbildung 4.12 ist eine normalverteilte Stichprobe mit einem Ausreißer am unteren Rand dargestellt. Auch hier kann lediglich vermutet werden, dass bei dem Probekörper oder auch bei der Versuchsdurchführung Fehler vorlagen. Statistisch ist dieses Ergebnis dennoch möglich. Auf der rechten Seite ist eine Mischverteilung dargestellt. Sie besteht aus zwei normalverteilten Chargen. Davon hat die eine einen kleineren Mittelwert bei einer hohen Streuung und die andere einen höheren Mittelwert bei geringer Streuung. Bei log-normalverteilten Größen werden für die Regression im Wahrscheinlichkeitsnetz die logarithmierten Merkmalswerte eingetragen. Für die »händische Regression« werden auch Wahrscheinlichkeitsnetze mit logarithmischer Achsenskalierung verwendet und das Merkmal direkt eingetragen. Weiterhin gibt es für andere Verteilungen auch entsprechende Wahrscheinlichkeitsnetze, so z. B. das Weibullnetz. Auch dafür werden wieder die Quantile linear über dem Merkmal aufgetragen. Allerdings unterscheidet sich die Auswertung von der hier für die Normalverteilung dargestellten.

4 Statistische Grundlagen

Ausfallwahrscheinlichkeit in %

86

99,99 99,9

99 90

50 10 1

0,1 0,01

Merkmalswert x

Merkmalswert x

Merkmalswert x

Abb. 4.12: links: nicht normalverteilte Größe, mittig: Normalverteilung mit Ausreißer, rechts: Mischverteilung aus zwei Normalverteilungen mit unterschiedlichen Mittelwerten und Streuungen

4.6 Vertrauensbereich Eine Versuchsreihe schätzt die Kennwerte der Grundgesamtheit μ und σ mit den empirischen Kennwerten Mittelwert x¯ und Standardabweichung s lediglich ab. Würden die Versuche wiederholt werden, ergäben sich andere Werte für x¯ und s, obwohl sie wie die erste Versuchsreihe zur selben Grundgesamtheit gehören. Eine Übereinstimmung mit der Grundgesamtheit oder der ersten Stichrobe wäre rein zufällig. Damit sind die Parameter x¯ und s einer Stichprobe selbst Zufallsgrößen. Von Stichprobe zu Stichprobe streut x¯ um den Mittelwert der Grundgesamtheit μ mit einer Standardabweichung von σ sm = √ . n

(4.46)

Dieser Wert wird auch als Standardfehler des Mittelwertes bezeichnet. Er ist von der Standardabweichung der Grundgesamtheit σ abhängig und wird mit steigender Versuchsanzahl immer kleiner, d. h. μ wird immer besser geschätzt. Der Vertrauensbereich (auch als Konfidenzintervall bezeichnet) gibt für eine bestimmte Vertrauenswahrscheinlichkeit γ (das Konfidenzniveau) den Bereich um die geschätzten Werte der Stichprobe an, in dem die Kenngröße der Grundgesamtheit liegt. Eine Vertrauenswahrscheinlichkeit von γ = 1 − α = 90 % bedeutet, dass mit 90 %-iger Wahrscheinlichkeit das angegebene Intervall den Parameter der Grundgesamtheit enthält, bzw. mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von α = 10 % nicht enthält. Üblich ist die Angabe von Vertrauensbereichen mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von 90 % . . . 95 %. Außerdem ist die Breite des Vertrauensbereichs noch vom Stichprobenumfang

87

Versuchsreihe

4.6 Vertrauensbereich

—

xത

Abb. 4.13: Vertrauensbereich des Mittelwerts für 10 Stichproben mit 90 % Konfidenz

abhängig. Der Vertrauensbereich wird schmaler und damit die Schätzung besser, wenn n größer wird. In Abbildung 4.13 ist dieser Sachverhalt veranschaulicht. Für α = 10 % liegt der Mittelwert μ im Vertrauensbereich von durchschnittlich 9 aus 10 Stichproben.

4.6.1 Vertrauensbereich des Mittelwertes Die Mittelwerte vieler Stichproben streuen normalverteilt um μ. Das gilt auch näherungsweise, wenn die Grundgesamtheit selbst nicht normalverteilt ist5 . Bei bekannter Standardabweichung der Grundgesamtheit σ (z. B. als typische Werte ähnlicher Bauteile6 ) wird der Vertrauensbereich wie folgt berechnet: σ x¯ − u (1− α ) ⋅ √ 2 n



μ



σ x¯ − u ( α ) ⋅ √ . 2 n

(4.47)

Hier sind u (1− α ) wieder die Quantile der Standardnormalverteilung für die gewünschte Ver2

trauenswahrscheinlichkeit 1 − α. In der Betriebsfestigkeit und Materialprüfung sind allerdings

die einseitigen Konfidenzintervalle von Interesse. Es soll mit einer gewissen Konfidenz gewährleistet sein, dass der Mittelwert der Grundgesamtheit nicht größer als ein bestimmter Grenzwert ist. Das Unterschätzen der Festigkeit ist unkritischer als das Überschätzen. Mit dem einseitigen Vertrauensintervall wird die untere Grenze des Mittelwertes angegeben: μ



σ x¯ − u (1−α) √ n

(4.48)

In Abbildung 4.14 ist der Unterschied zwischen beidseitigem und einseitigem Vertrauensbereich dargestellt. Ist die Standardabweichung der Grundgesamtheit unbekannt, muss diese ebenfalls aus den Versuchsergebnissen geschätzt werden. Dadurch ist die Angabe des Vertrauensintervalls für 5

Das ist die Grundaussage des zentralen Grenzwertsatzes. Für hinreichend große Stichproben nähert sich die

6

Verteilung der Mittelwerte verschiedener Stichproben der Normalverteilung an. Beispiele sind in Anhang 13 gegeben.

88

4 Statistische Grundlagen

f(x)

α/2

f(x)

1-α

1-α

α/2

α x

x

Abb. 4.14: Beidseitiger und einseitiger Vertrauensbereich

den Mittelwert nicht mehr so genau möglich. Zur Berechnung des Vertrauensintervalls wird die t -Verteilung7 verwendet. Diese ermöglicht es aus einer Stichprobe auf den Mittelwert einer normalverteilten Grundgesamtheit mit unbenannter Varianz zu schließen. Die untere Vertrauensgrenze des Mittelwertes ist dann μ



s x¯ − t (1−α;n −1) √ . n

(4.49)

Die Quantile t (1−α;n −1) sind neben der Vertrauenswahrscheinlichkeit noch vom Stichprobenumfang abhängig. So ist z. B. für die Irrtumswahrscheinlichkeit α = 10 % und n = 20 Versuche t (1−α;n −1) = t (0,9;19) = 1,328. Die Berechnung mit Excel erfolgt über =T.INV(0,9;19). Die Quantile der t -Verteilung konvergieren für große Stichprobenumfänge gegen die Quantile der Standardnormalverteilung, was z. B. für n > 30 leicht in Excel überprüft werden kann. Das bedeutet, für genügend große Stichproben wird die Standardabweichung der Grundgesamtheit hinreichend genau abgeschätzt.

4.6.2 Vertrauensbereich der Standardabweichung Der Vertrauensbereich einer geschätzten Standardabweichung s kann mit der χ2 -Verteilung berechnet werden. Die zugehörigen Quantile sind wiederum von der geforderten Vertrauenswahrscheinlichkeit und dem Stichprobenumfang abhängig. Es ist

   s ⋅

n −1 χ2

(1− α2 ;n −1)



σ



  n −1  2 s ⋅ χ

(4.50)

( α2 ;n −1)

das beidseitige Konfidenzintervall für die Standardabweichung σ. Zum Beispiel ist das Quantil für eine Irrtumswahrscheinlichkeit α = 10 % bei n = 20 Versuchen χ2

(1− α2 ;n −1)

= χ2(0,95;19) =

30,14. Die Berechnung mit Excel erfolgt mit dem Befehl =CHIQU.INV(0,95;19). Wie

beim Mittelwert ist auch für die Streuung die einseitige Vertrauensgrenze von Interesse. So 7

Die t -Verteilung zählt zu den Prüfverteilungen. Ihre Dichtefunktion hat ähnlich der Normalverteilung eine Glockenform und ist symmetrisch. Allerdings ist sie an den Rändern breiter und ihr Maximum niedriger.

4.6 Vertrauensbereich

89

soll die Standardabweichung mit einer bestimmten Konfidenz nicht zu klein geschätzt werden. Diese obere Grenze wird mit σ



   s ⋅

n −1 χ2(1−α;n −1)

(4.51)

berechnet.

4.6.3 Vertrauensbereich für Regressionsgeraden Auch die Ermittlung einer Regressionsgeraden (4.37) aus einer Stichprobe stellt eine Schätzung dar, deren Vertrauensbereich angegeben werden kann. Für ein beidseitiges Konfidenzintervall werden die untere und obere Grenze bei einer Konfidenz α durch

 2 1 (x − x¯ ) y u (x,α,n ) = a ⋅ x + b − t (1− α ;n −2) ⋅ s R ⋅   + n  n 2 2 ∑ (x i − x¯ )

(4.52)

 2 1 (x − x¯ ) y o (x,α,n ) = a ⋅ x + b − t ( α ;n −2) ⋅ s R ⋅   + n  n 2 2 ∑ (x i − x¯ )

(4.53)

i =1

i =1

beschrieben. Damit wird der Bereich für die tatsächliche Regressionsgerade eingegrenzt, siehe Abbildung 4.15. Dabei ist s R die Standardabweichung der Versuchspunkte zur Regressionsgeraden (Reststreuung) nach (4.44). Soll wieder die untere Grenze des einseitigen Vertrauensbereichs angegeben werden, so ist das Quantil t (1−α;n −2) zu verwenden. y

Messwerte Regression beidseitig

einseitig unten

x

Abb. 4.15: Beidseitiger und einseitiger Vertrauensbereich einer Regressionsgeraden

90

4 Statistische Grundlagen

4.7 Sicherheitszahl für Ausfall- und Vertrauenswahrscheinlichkeit Sicherheitszahlen (Sicherheitsfaktoren) wurden früher ausschließlich auf Grundlage von Erfahrungen festgelegt. Bei bekannter Streuung der Festigkeit ist es aber auch möglich, diese statistisch begründet für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit zu berechnen. Die Sicherheitszahl j definiert das dafür notwendige Verhältnis der 50 %-Werte aus Festigkeit (Index F) und Beanspruchung (Index B) jσ =

σaF,50 % , σaB,50 %

(4.54)

bzw. dem Verhältnis von ertragbaren zu vorhandenen (aufgebrachten) Schwingspielen jN =

Nertr,50 % . Nvorh,50 %

(4.55)

Im Zeitfestigkeitsbereich lassen sich beide Sicherheitszahlen über den Exponenten der Wöhlerlinie ineinander umrechnen: 1

jσ = ( j N ) k .

(4.56)

In Abbildung 4.16 ist anhand einer Wöhlerlinie die Verschiebung für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit von P A = 0,1 % in Festigkeits- und Lebensdauerrichtung gezeigt. Die nachfolgenden Zusammenhänge gelten stets unter Annahme einer logarithmischen Normalverteilung der Schwingfestigkeit und Lebensdauer. Es werden die nachfolgend aufgeführten Fälle zur Berechnung der Sicherheitszahl unterschieden.

lg σa

lg jσ lg σa,gef.

lg jN

lg TN lg Tσ

PA=90% PA=50%

PA=10% PA=0,1% lg Ngef.

lg N

Abb. 4.16: Sicherheitszahlen für geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit

4.7 Sicherheitszahl für Ausfall- und Vertrauenswahrscheinlichkeit

91

4.7.1 Sichere Festigkeitskennwerte und nicht streuende Beanspruchung Es sollen Festigkeitskennwerte aus umfangreichen Versuchsreihen betrachtet werden, von denen angenommen werden kann, dass sie mit ausreichender Genauigkeit den Kennwerten der Grundgesamtheit entsprechen. Nicht streuende Beanspruchungen bzw. Belastungen sind eher die Ausnahme, aber beispielsweise in Fertigungsmaschinen bei gut überwachten Prozessen anzutreffen. Meist ist aber die Streuung der Beanspruchung unbekannt, weshalb sichere Werte angenommen werden, die bereits mit einer Sicherheit beaufschlagt sind. In diesem Fall entspricht die Sicherheitszahl dem Verhältnis von mittlerer Festigkeit zur Festigkeit bei geforderter Ausfallwahrscheinlichkeit: j σ = j P A,σ =

σaF,50 % σaF,P A

bzw.

j N = j P A,N =

Nertr,50 % . Nertr,P A

(4.57)

Dabei kann σaF,P A bzw. Nertr,P A über Gleichung (4.19) ermittelt oder durch Einsetzen in Gleichung (4.57) die Sicherheitszahl direkt aus der logarithmischen Standardabweichung der Grundgesamtheit σlg und dem Quantil der geforderten Ausfallwahrscheinlichkeit berechnet werden. In Festigkeits- und Lebensdauerrichtung gilt gleichermaßen: j P A = 10−uPA ⋅σlg .

(4.58)

Beispiel Gegeben ist eine Wöhlerlinie für P A = 50 %, mit dem Exponenten k = 5 und einer Streuspanne in Lebensdauerrichtung T N = 4. Gesucht sind die Sicherheitszahlen j N und j σ für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit von P A = 10−4 . Lösung Mit s lg,N = 0,235 aus Gleichung (4.28) und u 0,01 % = −3,719 (aus Abbildung 4.5 bzw. mit Excel berechnet) beträgt die Sicherheitszahl nach Gleichung (4.58) j N = 7,47. Die Beziehung (4.56) führt auf j σ = 1,50.

◻ 4.7.2 Geschätzte Festigkeitskennwerte und nicht streuende Beanspruchung Werden die Kenngrößen in Versuchen bestimmt (geschätzt), so berücksichtigt die Sicherheitszahl j n das Risiko eines von der Grundgesamtheit abweichenden Mittelwerts bei kleinen Stichprobenumfängen. Dafür ist wieder eine Vertrauenswahrscheinlichkeit festzulegen. Bei bekannter Standardabweichung der Grundgesamtheit8 folgt aus Gleichung (4.48) der Sicherheitsfaktor für kleine Stichprobenumfänge: j n = 10 8

z. B. im Anhang, Kapitel 13

σlg u (1−α) ⋅ √ n.

(4.59)

92

4 Statistische Grundlagen

Ist diese nicht bekannt, muss nach Gleichung (4.48) mit der im Versuch geschätzten Standardabweichung s lg und den entsprechenden Quantilen der t -Verteilung gerechnet werden: j n = 10

s lg t (1−α;n −1) ⋅ √ n.

(4.60)

Die Gesamt-Sicherheitszahl in Festigkeits- bzw. in Lebensdauerrichtung ist dann j = j PA ⋅ j n .

(4.61)

4.7.3 Streuung von Festigkeit und Beanspruchung Ist auch die Verteilung der Belastung bzw. Beanspruchung mit Mittelwert und Standardabweichung bekannt, wie in Abbildung 4.17 gezeigt, ergibt sich das folgende Vorgehen. Es wird für beide Verteilungen eine logarithmische Normalverteilung angenommen, sodass die Merkmale x = lg σ wieder normalverteilt sind. Die Beanspruchung x B streut mit der Standardabweichung s B um den Mittelwert x¯B und die Festigkeit x F mit s F um x¯F . Es kommt zum Versagen, wenn die Differenz aus Festigkeit und Beanspruchung z = xB − xF

(4.62)

größer oder gleich null wird. Die Differenzwerte z sind wieder normalverteilt und zwar mit dem Mittelwert m = m F − m B und der Standardabweichung s =



s F2 + s B2 . Es lässt sich über

Normierung auf die Standardnormalverteilung folgende Sicherheitszahl für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit herleiten [25]: j P A = 10

f(x)

√ −u P ⋅ sF2 +sB2

.

(4.63)

Beanspruchung Festigkeit sF

sB

z

xത B

xF

xB

xത F

x

Abb. 4.17: Berechnung der Sicherheitszahl bei streuender Festigkeit und Beanspruchung

4.8 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 4

93

Um die Unsicherheit der experimentell bestimmten Festigkeit und Beanspruchung abzudecken, kann hier jeweils ein Sicherheitsfaktor j nF und j nB entsprechend Gleichungen (4.59) bzw. (4.60) hinzu gerechnet werden. Die Sicherheitsfaktoren in der FKM-Richtlinie werden ebenfalls mit j bezeichnet, lassen sich aber nicht direkt mit den hier behandelten statistisch begründeten Sicherheitszahlen vergleichen. Im Gegensatz zu den hier aufgeführten, werden sie mit Festigkeitskennwerten multipliziert, die bereits für eine Überlebenswahrscheinlichkeit von P Ü = 97,5 % gelten. Ihr konkreter Wert wird pauschal je nach Schadensfolgen und Inspektionsmöglichkeit des Bauteils festgelegt. Weiterhin decken sie neben der Streuung der Festigkeitskennwerte noch die Unsicherheiten des Betriebsfestigkeitsnachweises selbst mit ab. Auf die Treffsicherheit des Betriebsfestigkeitsnachweises wird in Abschnitt 9.4 genauer eingegangen.

4.8 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 4 Verständnisfragen 1. In mehreren Versuchen werden die Bruchlastwechselzahlen Ni auf einem Lasthorizont ermittelt. Warum entspricht der arithmetische Mittelwert N¯ i dieser Bruchslastwechselzahlen nicht der 50 %-Lastwechselzahl? 2. Was versteht man unter Form- und Lageparameter einer Verteilung? 3. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Dichte- und Verteilungsfunktion? 4. Wie wird die Ausfall- in die Überlebenswahrscheinlichkeit umgerechnet? 5. Warum sollte die arcsin-Verteilung nicht für die Schwingfestigkeit angewendet werden? 6. Welche Funktion wird im Wahrscheinlichkeitsnetz dargestellt? Wie wird sie linearisiert? 7. Was versteht man unter Vertrauenswahrscheinlichkeit? 8. Was versteht man unter der Standardnormalverteilung? Wozu wird sie verwendet? 9. Für welche Größe wird bei linearer Regression der Fehler zur Ausgleichsgeraden minimiert? 10. Wann muss bei der Berechnung der Sicherheit auch die Vertrauenswahrscheinlichkeit mit berücksichtigt werden? 11. Warum wird in der Betriebsfestigkeit der einseitige Vertrauensbereich verwendet?

94

4 Statistische Grundlagen

Aufgaben 1. Berechnen Sie eine Regressionsgerade durch die Punkte xi

50

100

150

200

yi

23

45

55

112

wobei einmal der Fehler in x-Richtung und einmal der Fehler in y-Richtung minimiert werden soll. Stellen Sie die Punkte mit den Regressionsgeraden grafisch dar und ¯ y¯) ein. zeichnen Sie zusätzlich den Schwerpunkt der Punktwolke (x, 2. In 9 Schwingfestigkeitsversuchen mit konstanter Kraftamplitude und dem Spannungsverhältnis R = −1 wurden folgende Bruchschwingspielzahlen ermittelt: N = (99.600; 88.100; 55.500; 147.300; 73.000; 85.200; 61.600; 38.100; 81.600). Ermitteln Sie die Bruchschwingspielzahl N50 % , die Standardabweichung s lg N und die Streuspanne T N a) rechnerisch b) mittels Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz. 3. Eine Wöhlerlinie wurde aus 25 Versuchen im Zeitfestigkeitsgebiet für P A = 50 % ermittelt. Die Streuspanne in Lebensdauerrichtung beträgt T N = 3,8 und der Wöhlerlinienexponent ist k = 6,2. Berechnen Sie die Sicherheitszahlen in Lebensdauer- und Lastrichtung j N und j S für die geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit P A = 0,01 % bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von α = 5 %.

5 Lastannahme Die Schwingfestigkeit in Kapitel 2 beinhaltet die Beanspruchbarkeit eines Werkstoffs oder Bauteils unter schwingender Beanspruchung, d. h. unter konstanter Amplitude. Allerdings ist eine rein schwingende Beanspruchung von Bauteilen eher die Ausnahme. Häufig treten, z. B. aufgrund verschiedener Betriebszustände einer Maschine, Beanspruchungen mit unterschiedlichen Amplituden auf. In diesem Fall kann die Lebensdauer in Form von ertragbaren Lastzyklen mittels linearer Schadensakkumulation, wie in Abschnitt 2.4 beschrieben, abgeschätzt werden. Im allgemeinen Fall treten die Belastungen und damit auch die Beanspruchungen stochastisch auf und lassen sich zunächst nicht als geschlossene Schwingspiele mit Spannungsamplitude und Mittelspannung beschreiben. Diese werden aber für die Berechnung der Lebensdauer mittels Schadensakkumulation zwingend benötigt, da die Wöhlerlinie die Beanspruchbarkeit als die Anzahl der ertragbaren Schwingspiele N bei einer bestimmter Spannungsamplitude angibt. In diesem Kapitel werden verschiedene Zählverfahren beschrieben, mit denen aus einem beliebigen Beanspruchungs-Zeit-Verlauf (BZV) ein Amplitudenkollektiv mit verschiedenen Spannungsamplituden und den dazugehörigen Häufigkeiten ihres Auftretens ermittelt werden kann. Dies ist in Abbildung 5.1 beispielhaft dargestellt und wird in den nachfolgenden Abschnitten noch genauer erläutert.

Spannung S

Spannungs-Zeit-Verlauf

Zeit t

bezogene Spannungsamplitude Sa / Sa,max

Amplitudenkollektiv 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 1

10

100

1000

10000

100000

1000000

Summenhäufigkeit H

Abb. 5.1: Beanspruchungs-Zeit-Verlauf und Amplitudenkollektiv

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_5

95

96

5 Lastannahme

Eine möglichst zuverlässige Lastannahme ist wesentlich für die Treffsicherheit eines Festigkeitsnachweises. Häufig sind aber gerade die Belastungen eines Bauteils nur unzureichend bekannt, was auch aus dem Begriff »Lastannahme« ablesbar ist. Im Gegensatz dazu werden die aus den Lasten resultierenden Spannungen oft sehr genau berechnet. Diese Genauigkeit ist jedoch wertlos, wenn die Lasten falsch oder nur sehr ungenau bekannt sind. Für die Ermittlung der Lasten gibt es drei verschiedene Möglichkeiten: 1. Direkte Messung am konkreten oder ähnlichen Bauteil im realen Betrieb, meist über Dehnungs- oder Beschleunigungsmessungen 2. Numerische Simulation mittels dynamischer Mehrkörpersimulation (MKS) 3. Verwendung von typischen Beanspruchungskollektiven aus Regelwerken, z. B. für Krane oder Schienenfahrzeuge. Eine fehlerfreie Messung ist die genaueste Methode zur Ermittlung der auf ein Bauteil einwirkenden Lasten. Allerdings muss dabei sicher gestellt werden, dass auch seltene hohe Belastungen mit erfasst werden und in der Messdauer die auftretenden Lasten entsprechend ihrer relativen Häufigkeit richtig enthalten sind. Bei der Simulation virtueller Prototypen mittels Mehrkörpersimulation wurden in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht [211]. Dabei werden z. B. im Automobilbau Erprobungsstrecken im Ergebnis GPS-unterstützter Vermessung als virtuelle Straße in der Simulation verwendet. Der auf ein Bauteil einwirkende Belastungs-Zeit-Verlauf wird bei der simulierten Überfahrt virtueller Prototypen über diese virtuelle Straße berechnet. In Messungen am realen, im Entwicklungszeitraum deutlich später verfügbaren Prototyp werden die Simulationsergebnisse validiert. Nur für wenige Anwendungsfälle sind Beanspruchungskollektive in Regelwerken angegeben. Meist ist das auch nicht sinnvoll, da die Beanspruchung einzelner Bauteile von vielen einzelnen Parametern, wie Eigengewicht, Steifigkeit der angrenzenden Baugruppen oder dem relativen Anteil verschiedener Betriebszustände abhängt. Für die experimentelle Erprobung existieren jedoch verschiedene Standardlastfolgen, die in Tabelle 10.3, Abschnitt 10.3 angegeben werden. Für die Beanspruchung wird in diesem Kapitel in Formeln und Abbildungen die Nennspannung S verwendet. Dies liegt darin begründet, dass bei der experimentellen Belastungsmessung die Schnittlasten üblicherweise nur elementar in Nennspannungen umgerechnet werden, anstelle die Kerbspannung aufwändig zu berechnen. Nennspannungen können für weitere Berechnungen und unter Annahme elastischen Materialverhaltens jederzeit mittels eines konstanten Übertragungsfaktors in die Kerbspannung umgerechnet werden.

5.1 Beanspruchungs-Zeit-Verlauf

97

5.1 Beanspruchungs-Zeit-Verlauf Der Beanspruchungs-Zeit-Verlauf (BZV) gibt den zeitlichen Verlauf einer Lastkomponente auf ein Bauteil an. Aus den Belastungen werden abhängig von der Bauteilgeometrie die Beanspruchungen ermittelt. Somit kann der Beanspruchungs-Zeit-Verlauf auch für jede Beanspruchungskomponente (Normalspannungen, Schubspannungen, Vergleichsspannungen) angegeben werden. Abhängig von ihrer Ursache können die Belastungen statisch, quasistatisch oder dynamisch auf ein Bauteil einwirken. Statische Belastungen und Beanspruchungen sind über die Zeit konstant und entstehen z. B. durch Grundbelastungen wie Eigengewicht, Vorspannung beim Einbau oder in Fügeverbindungen (Fugenpressung in Welle-Nabe-Verbindungen). Quasistatische Belastungen hingegen sind zeitlich veränderlich. Allerdings ändern sie sich so langsam, dass die Trägheitslasten durch Beschleunigung von Massen vernachlässigbar klein gegenüber den restlichen Belastungen sind. Dynamisch sind Belastungen, wenn die Trägheitslasten nicht mehr vernachlässigbar sind. Liegen die Belastungsfrequenzen nahe bei den Eigenfrequenzen der Konstruktion, werden darüber hinaus Schwingungen angeregt. In diesem Fall existiert kein linearer Zusammenhang mehr zwischen der äußeren Belastung und der Beanspruchung im Bauteil. Sie unterscheiden sich frequenzabhängig in Amplitude und Phase. Beanspruchungs-Zeit-Verläufe können abhängig von ihrer Ursache in deterministisch und stochastisch (zufallsartige) unterschieden werden. Deterministische BZV sind kausal, d. h. sie folgen einer Gesetzmäßigkeit (z. B. aus dem Arbeitsprozess einer Maschine). Dadurch kann der BZV zu jedem Zeitpunkt eindeutig beschrieben werden. Im Gegensatz dazu kann für stochastische BZV der zeitliche Verlauf nicht berechnet werden. Mittels mathematischer Statistik ist lediglich eine Aussage zur Wahrscheinlichkeit eines Wertes des BZV möglich, sofern ihm stationäre Prozesse zu Grunde liegen. Dabei können aus der spektralen Leistungsdichteverteilung des BZV Amplituden und Häufigkeiten abgeschätzt werden [47]. Für die nachfolgenden Betrachtungen werden ausschließlich deterministische oder konkret gemessene BZV betrachtet. Eine wichtige Charakteristik eines BZV ist das Auftreten von Mittellaständerungen. Diese können z. B. als Folge unterschiedlicher Beladung auftreten. Mittellaständerungen treten aber auch an Tragflügeln von Flugzeugen auf. Am Boden hängen die Tragflügel am Rumpf und in der Luft hängt der Rumpf an den Tragflügeln. Die dieser Grundbeanspruchung überlagerten Lastzyklen treten um die Mittellasten dieser beiden Zustände auf. Als Kennwert für die Mittellaständerungen eines BZV wird der Regelmäßigkeitsfaktor I verwendet: I=

N0 . N1

(5.1)

Dieser entspricht dem Verhältnis von Mittelwertdurchgängen N0 zur Anzahl aller Extremwerte

98

5 Lastannahme

Zeit

reguläre Extremwerte

Spannung

b)

Spannung

a)

Zeit

irreguläre Extremwerte

Abb. 5.2: a) Regelmäßige (I = 1) und b) unregelmäßige (I < 1) BZV

N1 des BZV. Abbildung 5.2 a) zeigt eine regelmäßige Lastfolge mit I = 1. Es gibt ebenso viele Extrema wie Mittelwertdurchgänge. Ein regelmäßiger Prozess mit I ≈ 1 besteht fast nur aus regulären Extremwerten, d. h. alle Maxima liegen oberhalb der Mittelspannung bzw. der Mittellast und alle Minima darunter. Mit abnehmender Regelmäßigkeit treten vermehrt irreguläre Extremwerte auf, also Maxima unterhalb der Mittelspannung und Minima oberhalb der Mittelspannung.

5.2 Klassier- und Zählverfahren Die Grundvoraussetzung für die Lebensdauerabschätzung mittels Schadensakkumulation und anhand von Wöhlerlinien ist ein Amplitudenkollektiv. Mit den nachfolgend beschriebenen Zählverfahren können kontinuierliche BZV in Amplitudenkollektive überführt werden. Allerdings gehen dabei die Informationen zu Frequenz und Reihenfolge der Lastzyklen verloren. Am Beispiel des in Abbildung 5.3 dargestellten Beanspruchungs-Zeit-Verlaufs, nachfolgend als Bsp-BZV bezeichnet, werden die verschiedenen Verfahren erläutert und demonstriert. In einem ersten Schritt wird der kontinuierliche Verlauf in eine diskrete Umkehrpunktfolge umgewandelt. Die konkrete Signalform und die Frequenz spielen darin keine Rolle mehr. Diese Vereinfachung ist insoweit gerechtfertigt, weil sich mit der Lastumkehr auch der für die Rissbildung relevante Gleitmechanismus umkehrt. Anschließend erfolgt die eigentliche Klassierung. Dabei wird der Messbereich in mehrere Klassen gleicher Breite eingeteilt und die Umkehrpunkte werden den Klassenmitten der jeweiligen Klasse zugeordnet, in der sie auftreten. Sie werden also zur Klassenmitte verschoben. Die Klassenbreite hängt von der Anzahl der Klassen insgesamt ab. Üblich ist die Einteilung des Messbereichs in 64 oder 128 Klassen. Aus historischen Gründen wurden früher je nach Stand der Technik 8, 16 oder ein Vielfaches davon als Klassenanzahl verwendet. Heute gibt es diesbezüglich keine Einschränkungen mehr. Bei der Klasseneinteilung sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die Klassenbreite in einem sinnvollen Verhältnis zur Messgenauigkeit steht.

5.2 Klassier- und Zählverfahren

99

12

180

150

11

150

120

10

120

90

9

90

60

8

60

30

Klassennummer

Spannung S

180

7

30

6

0

5

-30

4

-60

-90

3

-90

-120

2

-120

-150

1

-150

0

Zeit

-30 -60

Klassenmittenwerte Si

Umkehrpunktfolge des BZV

Beanspruchungs-Zeit-Verlauf (BZV)

Abb. 5.3: Prinzip der Klassierung

Durch die Klassierung werden kleine Schwankungen des Messsignals innerhalb einer Klasse vernachlässigt. Um kleine Schwankungen direkt an der Grenze zweier Klassen ebenfalls zu verhindern, wird die Rückstellbreite verwendet. Diese bewirkt, dass ein Umkehrpunkt erst dann in einer bestimmten Klasse gezählt wird, wenn er die Klassengrenze um einen bestimmten Anteil der Klassenbreite überschritten hat. Die Anzahl der in einer Klasse i registrierten Ereignisse wird als Klassenhäufigkeit h i bezeichnet. Werden die Klassenhäufigkeiten klassenweise summiert, ergibt sich die Summenhäufigkeit H der Klasse i zu

i

Hi = ∑ h j .

(5.2)

j =1

Das Zählverfahren beschreibt nun den Algorithmus, mit dem aus der klassierten Umkehrpunktfolge ein Amplitudenkollektiv entsprechend Abbildung 5.1 abgeleitet wird. Die Darstellung eines Amplitudenkollektivs erfolgt üblicherweise über der Summenhäufigkeit. Das bedeutet, zu der Häufigkeit der Amplituden einer Kollektivstufe werden die Häufigkeiten der darüber liegenden Stufen hinzuaddiert. Es wird, abhängig davon wie viele Kenngrößen mit dem Verfahren erfasst werden, zwischen einparametrischen und zweiparametrischen Zählverfahren unterschieden. Bei einparametrischen Verfahren wird ein einziger Parameter gezählt, z. B. die Extremwerte oder Klassengrenzenüberschreitungen. Sie reduzieren den gesamten Informationsinhalt eines BZV auf die

100

5 Lastannahme

Amplituden der idealisierten Lastzyklen1 mit der Häufigkeit ihres Auftretens. Zweiparametrische Zählverfahren ordnen den Amplituden eine zusätzliche Aussage zum Mittelwert2 des Lastzyklus zu.

Als zweiparametrisches Verfahren wird in diesem Buch das Verfahren der Rainflow-Zählung behandelt (Abschnitt 5.2.2). Dieses ist auch zur Ableitung eines Spannungskollektivs zum Festigkeitsnachweis in der FKM-Richtlinie vorgeschrieben und wird als Stand der Technik angesehen.

Einparametrische Verfahren werden heute in Folge der technischen Entwicklung mit wenigen berechtigten Ausnahmen kaum noch angewendet. Ihre Kenntnis ist jedoch erforderlich, weil einige Firmen durchaus bei der Bemessung auf früher abgeleitete Beanspruchungskollektive aus einparametrischer Klassierung noch heute zurückgreifen. Die Verfahren sind auch in vielen Programmen zur Versuchsauswertung noch auswählbar. Besonders die Momentanwertzählung und die Verweildauerzählung werden bei der Ableitung von Kollektiven im Getriebebau heute noch angewendet [298].

5.2.1 Einparametrische Zählverfahren Nachfolgend werden die einparametrischen Verfahren nur kurz erklärt. Für die meisten Anwendungsfälle sollte die Rainflow-Klassierung in Abschnitt 5.2.2 verwendet werden. Sollte nur diese von Interesse sein, kann der nachfolgende Abschnitt direkt übersprungen werden.

5.2.1.1 Spitzenwertzählung Das bei der Spitzenwertzählung3 gezählte Ereignis sind die Extrema pro Klasse des klassierten BZV. Dabei werden Minima und Maxima gemäß Abbildung 5.4 getrennt erfasst. Die Maxima werden dann, wie in der Abbildung als Zählergebnis gezeigt, in abfallender Reihenfolge in einem Diagramm übereinander aufgetragen. Begonnen wird mit dem betragsmäßig größten Wert und die Auftragung erfolgt über der Summenhäufigkeit der gezählten Maxima. Die Minima werden ansteigend über der Summenhäufigkeit eingetragen. Diese Darstellung wird als Extremwertkollektive bezeichnet. Irreguläre Extrema werden nicht mit gezählt, da aus ihnen keine Lastzyklen gebildet werden können. Die Zählung endet also im Schnittpunkt der 1

Dabei ergeben sich verfahrensbedingt zu den Spannungsamplituden auch unterschiedliche Mittelspannungen. Diese sind allerdings physikalisch nicht korrekt, weil der zeitliche Bezug der den Lastzyklus bildenden

2

Extremwerte verloren ging. Im Gegensatz zu den einparametrischen Verfahren sind das die tatsächlichen Mittelspannungen eines

3

Schwingspiels. Das Verfahren wird auch als Extremwertzählung und im Englischen als peak counting bezeichnet.

5.2 Klassier- und Zählverfahren

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

Zählung hi,max Hi,max hi,min Hi,min 1 0 2 1 1 1 1 1

1 1 3 4 5 6 7 8

1 1 2 1 1 0 1 1

8 7 6 4 3 2 2 1

Zählergebnis

Nennspannung S in MPa

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Beanspruchungsverlauf

Klassenmittenwerte Si in MPa

Klassen i

101

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

Maxima

Minima 1 5 10 Summenhäufigkeit H

Summationsrichtung

Abb. 5.4: Prinzip der Spitzenwertzählung

Verbindungslinien der Maxima und Minima. Dieser Schnittpunkt beschreibt näherungsweise den Mittelwert der Beanspruchung (Prozessmittelwert). Die Gesamthäufigkeit der registrierten Ereignisse, also der Extremwerte, ergibt sich damit als + und der regulären Minima H − : Summe der regulären Maxima Hmax min + − + Hmin . Hges = Hmax

(5.3)

Aus dem Extremwertkollektiv wird ein Amplitudenkollektiv gebildet, indem Maxima und Minima gleicher Häufigkeit zu ganzen Schwingspielen zusammengefasst werden. Dabei entsteht immer eine neue Stufe des Amplitudenkollektivs, wenn ein Sprung im Verlauf der Maxima oder Minima (in Abbildung 5.4, unter Zählergebnis) auftritt. Die Anzahl n der so gezählten Schwingspiele entspricht der Hälfte der gezählten regulären Extremwerte: n=

Hges 2

=

+ + H− Hmax min

2

.

(5.4)

Aus den Ober- und Unterspannungen eines so erfassten Schwingspiels ergeben sich dann die Spannungsamplituden und Mittelspannungen. Es werden lediglich Maxima und Minima gleicher Häufigkeit zu Lastzyklen zusammengefasst, auch wenn sie zeitlich in dem ursprünglichen BZV nichts miteinander zu tun hatten. Die Spitzenwertzählung ist daher ein sehr »hartes« Zählverfahren, da immer die größten Extrema zusammen Lastzyklen bilden und damit die Lastfolge rechnerisch auf eine zu hohe Schädigung führt. Abbildung 5.5 zeigt für das Beispiel das Amplitudenkollektiv nach der Spitzenwertzählung. Die unterschiedlichen Mittelwerte der Spannungsamplituden gehen aus dieser Darstellung nicht hervor.

5 Lastannahme Spannungsamplitude SA in MPa

102 180 160

n

Sa/MPa

Sm/MPa

140

1

165

15

120

1

120

0

1

90

30

60

1

60

30

40

1

30

30

1

15

15

100 80

20 0

1

3

2

4

5

6

Summenhäufigkeit H

Abb. 5.5: Amplitudenkollektiv am Beispiel der Spitzenwertzählung

5.2.1.2 Klassengrenzenüberschreitungszählung Die Klassengrenzenüberschreitungszählung war das erste mit elektromechanischen Geräten realisierte Klassier- und Zählverfahren. Die Überschreitung eines Schwellenwertes war elektrisch am einfachsten zu registrieren. An den aufsteigenden Ästen des BZV wird die Überschreitung von Klassengrenzen gezählt. Das Verfahren wird teilweise bis heute angewendet, obwohl es sehr problematisch sein kann. Mit der Überschreitungszählung werden prinzipiell Summenhäufigkeiten registriert. Die Klassenhäufigkeiten ergeben sich aus deren Subtraktion. Die registrierten Summenhäufigkeiten können aber von den tatsächlich aufgetretenen abweichen. Am Beispiel in Abbildung 5.6 wird anhand von Klasse 6 deutlich, dass jeder irreguläre Extremwert einen regulären Extremwert in der gleichen Klasse löscht.

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

HG

0 1 1 3 4 4 4 3 3 2 2 1 0

Zählung hi Hi,max Hi,min 1 0 2 1 0 0 1 0 1 0 1 1

1 1 3 4 4 4 5 5 6 6 7 8

Summationsrichtung

8 7 7 5 4 4 4 3 3 2 2 1

Zählergebnis

Nennspannung S in MPa

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Beanspruchungsverlauf

Klassenmittenwerte Si in MPa

Klassen i

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

max

min 1 5 10 Summenhäufigkeit H

Abb. 5.6: Prinzip der Klassengrenzenüberschreitungszählung

5.2 Klassier- und Zählverfahren

103

Das Ergebnis ist ein Extremwertkollektiv. Die Gesamthäufigkeit der gezählten Extremwerte ist um die zweifache Anzahl der irregulären Extremwerte vermindert: + − + − Hges,KGÜZ = Hmax + Hmin − 2 ⋅ (Hmin + Hmax ).

(5.5)

Je geringer die Regelmäßigkeit des BZV ist, desto mehr reguläre Extremwerte werden gelöscht. Dieses Klassierverfahren schätzt Prozesse mit geringer Regelmäßigkeit im Sinne ihrer Ermüdung falsch ein und darf, wenn überhaupt, nur bei BZV mit einem Regelmäßigkeitsfaktor 0,8 < I < 1,0 angewendet werden. Der Vergleich der Abbildungen 5.4 und 5.6 zeigt diese Problematik in ihrer Auswirkung auf die Anzahl der Lastzyklen. Auch bei diesem Zählverfahren ergeben sich Lastzyklen aus dem Zusammenfügen von Maxima und Minima gleicher Häufigkeit.

5.2.1.3 Momentanwertzählung Das Verfahren wird mit Abb. 5.7 deutlich. Es ist für die Messung von Drehmomenten oder Leistungen an z. B. Antriebssträngen mit meist konstanten Drehzahlen geeignet und auch heute aktuell. Der Messwert wird mit einem konstanten Zeittakt abgetastet und die Werte in Klassen eingeordnet. Die Darstellung erfolgt als Häufigkeit der Registrierung des Messwertes in den Klassen. Wird die Abtastrate zur Drehzahl von Wellen oder zum Übersetzungsverhältnis eines Getriebezahnrades in Verbindung gebracht, können mit diesem Klassierverfahren z. B. die Lastzyklen der Getriebewellen oder der Getriebezahnbelastungen ermittelt werden. An Stelle eines konstanten Zeittaktes kann die Zählung auch durch Umdrehungsimpulse ausgelöst werden. Damit ist der direkte Bezug zu Belastungen der Getriebeteile auch bei variierenden Drehzahlen näherungsweise hergestellt.

5.2.1.4 Verweildauerzählung Auch dieses Verfahren wird hauptsächlich bei Getrieben oder Wellen angewendet. Registriert wird die Zeit, die das Messsignal in der jeweiligen Klasse verweilt, siehe Abb. 5.8. Bei Fahrzeuggetrieben wird häufig die zweiparametrische Verweildauerzählung benutzt. Für jeden einzelnen Getriebegang wird eine Matrix von Drehmoment über Drehzahl gebildet und in den jeweiligen Matrixelementen die Verweildauer registriert. Aus der Verweildauer t i j und der Drehzahl n j kann für jedes Matrixelement die Lastzyklenzahl h i j = t i j ⋅ n j berechnet werden, mit der ein einzelner Getriebezahn belastet wird. Für jede Drehmomentklasse M i kann nun durch Summation die Lastzyklenzahl h i dieser Klasse bestimmt werden. Auch wenn hier zwei Parameter (Drehmoment und Drehzahl) registriert werden, bleibt es formal ein einparametrisches Zählverfahren im Sinne der Beanspruchung. Der zweite Parameter dient nur als Hilfsmittel zur Lastzyklenerfassung.

104

5 Lastannahme

Zählung hi 180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

2

4

6 8 10 Zeitpunkte Δt

12

1 2 5 9 14 9 10 10 7 5 2 1

Zählergebnis

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

Nennspannung S in MPa

Beanspruchungsverlauf

Klassenmittenwerte Si in MPa

Klassen i

1

14

5 10 15 Häufigkeit hi

Abb. 5.7: Prinzip der Momentanwertzählung

Zählung ti

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150 0

1

2 3 Zeiteinheiten t

4

5

0,065 0,131 0,330 0,668 0,807 0,701 0,624 0,669 0,479 0,270 0,195 0,060

Zählergebnis

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150 0,01

Nennspannung S in MPa

Beanspruchungsverlauf

Klassenmittenwerte Si in MPa

Klassen i

Abb. 5.8: Prinzip der Verweildauerzählung

0,1 1 Verweildauer ti

5.2 Klassier- und Zählverfahren

105

5.2.1.5 Bereichspaarzählung Unter dieser Bezeichnung wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Algorithmen verstanden. Zunächst wurden steigende und fallende Äste der gleichen Bereichsbreite, jedoch häufig mit unterschiedlichen Mittelwerten zu den so genannten Bereichspaaren zusammengefasst. Diese Zusammenfassung wurde später als physikalisch falsch erkannt. Aus heutiger Sicht setzt die Bereichspaarzählung einen zweiparametrischen Zählalgorithmus voraus.

5.2.2 Rainflow-Zählung als zweiparametrisches Verfahren Die Rainflow-Zählung als zweiparametrisches Zählverfahren ist heute der Stand der Technik. Es geht auf Matsuishi und Endo zurück [220] und wurde vielfach weiterentwickelt. Der hier vorgestellte Verfahrensablauf entspricht dem HCM-Verfahren von Clormann und Seeger [119]. Im Gegensatz zu den einparametrischen Zählverfahren, die nur die Amplituden zählen4 , werden hier die Ober- und Unterspannung eines Schwingspiels registriert, woraus sich zusammengehörige Amplituden und Mittelspannungen ergeben. Das Ergebnis der Rainflow-Zählung ist die Rainflowmatrix, in der geschlossene Schwingspiele mit Ober- und Unterspannung sowie ihrer Häufigkeit beinhaltet sind. Die Bezeichnung Rainflow-Zählung geht auf die anschauliche Beschreibung zurück, dass bei Drehung des BZV um 90° Regen in Richtung der Zeitachse fließt. Dieser tropft von den Dächern, welche die Umkehrpunkte bilden, auf eine Flanke des BZV und markiert somit ein Schwingspiel. Diese Interpretation verdeckt allerdings den werkstoffmechanischen Hintergrund des Verfahrens. Denn mit der Rainflow-Zählung definierte Schwingspiele entsprechen geschlossenen Hysteresen im σ − ε-Diagramm. Der werkstoffmechanische Hintergrund besteht also in dem berechtigten Postulat, dass geschlossene Hysteresen als schädigungsrelevante Ereignisse zu bewerten sind. Dies entspricht genau der Beanspruchung, die der Wöhlerlinie zu Grunde liegt: bei der Beanspruchung mit konstanter Amplitude und konstanter Mittelspannung bilden sich geschlossene Hysteresen. Der Algorithmus der Rainflow-Zählung lässt sich anschaulich am Beispiel von elastischplastischer Beanspruchung erklären. Nur dann bilden sich im σ − ε-Diagramm sichtbare Hysteresen. Bei rein elastischer Beanspruchung liegen alle Beanspruchungen auf der Hooke’schen Geraden. Das Verfahren kann jedoch auch bei rein elastischer Beanspruchung und auf beliebig andere Zeitverläufe, z. B. auch für Nennspannungen, Kräfte, Momente oder Wege, angewendet werden. Für die Beschreibung eines BZV im σ − ε-Diagramm sind zwei, auch experimentell nachweisbare, Modellvorstellungen des elastisch-plastischen zyklischen Materialverhaltens notwendig: das Masingverhalten und das Werkstoffgedächtnis (Werkstoff-Memory). 4

Die Mittelspannungen der Schwingspiele ergeben sich rein formal, gehören aber physikalisch nicht zu den Amplituden.

106

5 Lastannahme

a) Masingverhalten: Die Erstbelastungskurve wird bei zyklischer elastisch-plastischer Beanspruchung durch die ZSD-Kurve, Gleichung (2.7) beschrieben. Sie ist symmetrisch zum Koordinatenursprung, besitzt also einen betragsmäßig gleichen Verlauf für Zug- und Druckbeanspruchung. Außerdem entspricht der Verlauf von Hystereseästen der in Spannung und Dehnung verdoppelten Erstbelastungskurve, Gleichung (2.8). Beide Verläufe sind in Abbildung 2.8 beispielhaft dargestellt. b) Werkstoff-Memory: Es werden zudem drei Arten des Werkstoff-Memory-Verhaltens unterschieden, die anhand von Abb. 5.9 verdeutlicht werden: • Memory 1: Nach dem Schließen einer Hysterese, die von der Erstbelastungskurve ausging, setzt sich der Spannungs-Dehnungs-Pfad auf der Erstbelastungskurve fort. • Memory 2: Nach dem Schließen einer Hysterese, die von einem Hystereseast ausging, setzt sich der Spannungs-Dehnungs-Pfad auf dem ursprünglichen Hystereseast fort. • Memory 3: Ein von der Erstbelastungskurve ausgehender Hystereast setzt sich bei Erreichen der Erstbelastungskurve im gegenüberliegenden Quadranten auf dieser fort. Spannungs-Dehnungs-Pfad

σörtlich

Erstbelastungskurve

7 M3

Hystereseäste

1

Memory (Werkstoffgedächtnis) Typ 1, 2 und 3 M1

M2

3

M1

5

M3

εtotal 2 M2 M3

6

4

7

Last

3

1

5 2

4

Zeit

6

Abb. 5.9: Drei Varianten des Werkstoff-Memory-Verhaltens nach [70]

Unter Berücksichtigung dieser Gesetzmäßigkeiten des zyklischen Werkstoffverhaltens kann für einen beliebigen BZV ein entsprechender Verlauf im σ-ε-Pfad erstellt werden, ohne dass ein bestimmtes Materialverhalten ε = f (σ) bekannt sein muss. In Abb. 5.10 ist zu erkennen, dass für jedes Mal, wenn eine Hysterese geschlossen wird, ein Schwingspiel registriert wird. Die Klasse des oberen und unteren Umkehrpunktes wird, wie in Abbildung 5.11 gezeigt, in die Rainflow-Matrix eingetragen5 . Dort wird in den Zeilen der untere Umkehrpunkt (schließender 5

Bisweilen werden in der Rainflow-Matrix auch Amplituden und Mittelwerte anstelle der Umkehrpunkte dargestellt.

5.2 Klassier- und Zählverfahren

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Beanspruchungsverlauf M1 M1M3

Spannungs-Dehnungs-Pfad

12

180 150 4 10 d 120 2a 90 8c 60 16 11 30 14 3 0 6 b 1 9 -30 e 13 -60 7 -90 -120 15 -150 5 M3

Klassenmittenwerte Si in MPa

Klassen i

107

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 -150

Erstbelastungskurve  - -Pfad

M2 6 b 7 5

M2 10 M1 4 d M2 2 8 a 11 c 3 14 9 e 1 13 M2

M315

M3

12

Memory 0

Dehnung 

Abb. 5.10: Grundlage der Rainflow-Klassierung: Schließende Hysteresen im σ-ε-Pfad

Rainflowmatrix Si in MPa -150 -120 -90 -60 -30 0 30 60 90 120 150 180

Spannungs-Dehnungs-Pfad

schließender Ast nach Klasse

Si in MPa

Memory

Si in MPa -150 -120 -90 -60 -30 0 30 M2 60 Erstbelast90 ungskurve 120  - -Pfad 150 Dehnung  180

M2 10 M1 4 M2 d 2 8 a 11 c 3 14 9 e 1 13

M2 6 b 7 M315

0

M3

12

schließender Ast von Klasse

180 150 120 90 60 30 0 -30 -60 -90 -120 5 -150

i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 2 3 4 b 5 6 e c 7 a 8 d 9 10 11 12

Residuum: 0; 120; -150; 180; -120; 30 bzw. als Umkehrpunkte: 1-4-5-12-15-16

Abb. 5.11: Eintragen der Schwingspiele in Rainflowmatrix, Residuum

Ast von Klasse) und in den Spalten der obere Umkehrpunkt (schließender Ast nach Klasse) registriert. Der Zahlenwert eines Matrixelements entspricht der Häufigkeit dieses Schwingspiels in dem BZV. Die zu einer geschlossenen Hysterese gehörenden Umkehrpunkte werden nicht wieder berücksichtigt. Sie können für die weitere Zählung aus dem BZV gestrichen werden. Am Ende der Zählung verbleiben nur noch nicht wieder geschlossene Hystereseäste. Sie werden als Residuum bezeichnet und müssen mit bewertet werden. Das ist notwendig, weil das Residuum oftmals die größten Extrema des BZV enthält. Üblich ist die Zählung der

108

5 Lastannahme

Residuenäste in der Rainflowmatrix als halbe Schwingspiele mit der Häufigkeit 0,5. Residuenäste, die von der Erstbelastungskurve ausgehen, können auch bei mehrfachen Durchlauf des BZV nicht mehr geschlossen werden. Mit jeder Wiederholung ändert sich ausschließlich die Rainflowmatrix, das Residuum bleibt nach jeder Wiederholung unverändert. Die oberhalb der Hauptdiagonale der Rainflowmatrix eingetragenen Hysteresen »hängen«, die unterhalb eingetragenen »stehen« auf ihrem Ausgangspunkt im σ-ε-Pfad. Spiegelbildlich zur Hauptdiagonalen belegte Matrixelemente besitzen die gleiche Amplitude und Mittelspannung, aber unterschiedliche Dehnung. Weil in das Beanspruchungskollektiv keinerlei Informationen zur Dehnung einfließt, ist es üblich, den unteren Teil der Matrix entlang der Hauptdiagonalen »hochzuklappen« (Addition der Matrixelemente mit vertauschten Indizes) und danach nur die obere Halbmatrix zu betrachten. Das numerische HCM-Verfahren kann auch als grafischer Algorithmus dargestellt werden, Abb. 5.12. Dieser besteht darin, dass beim Schließen einer Hysterese die dazu gehörenden

nächster Umkehrpunkt S

Gibt es mindestens 2 gültige Umkehrpunkte vor dem aktuellen Punkt für Hysteresen? ja

nein

Wird eine Hysterese geschlossen Æ Wird mit dem aktuellen Punkt der Wert des vorletzten Punktes wieder erreicht?

nein

ja

Wird die EBK fortgesetzt? |S| > |S|max

nein

ja Memory: • senkrechte Linie vor aktuellen Punkt (davor ungültige Punkte) • |S| als neues |S|max merken

• Hysterese in Matrix schreiben • ersten und zweiten Punkt der Hysterese aus Lastfolge streichen

EBK - Erstbelastungskurve S - Wert der Last

Abb. 5.12: Grafische Darstellung des Rainflow-Algorithmus

5.2 Klassier- und Zählverfahren

109

Abb. 5.13: Rainflowmatrix aus gemessener Last-Zeit-Folge [114]

zwei Umkehrpunkte deutlich sichtbar gestrichen werden und außerdem das Auftreten von Memory 1 und Memory 3 in der Lastfolge kenntlich gemacht werden. Alle bis zu diesen Memory-Ereignissen noch nicht gestrichenen Umkehrpunkte gehören zum Residuum, weil diese im σ-ε-Pfad nie wieder erreicht werden können. Aus der Rainflowmatrix können die Ergebnisse der einparametrischen Klassierverfahren Spitzenwertzählung und Klassengrenzenüberschreitungszählung abgeleitet werden [32]. Weiterhin können die Anzahl der Minima, Maxima und Mittelwertdurchgänge und damit der Regelmäßigkeitsfaktor I ermittelt werden. Abbildung 5.13 zeigt beispielhaft die aus einer Messfahrt ermittelte Rainflowmatrix einer Antriebswelle. Der große Anteil von Schwingspielen mit hoher Mittellast und kleinen Amplituden ist typisch für Wandlergetriebe in Nutzfahrzeugen.

5.2.3 Fazit zu den Zählverfahren Bei einparametrischen Zählverfahren werden die größten Maxima mit den kleinsten Minima zu Lastzyklen zusammengefasst, auch wenn sie zeitlich in dem ursprünglichen BZV nichts miteinander zu tun hatten. Im Sinne der Ermüdung entsteht so ein sehr »hartes« Kollektiv. Im

110

5 Lastannahme

Gegensatz dazu werden mit der Rainflow-Zählung werkstoffmechanisch begründet geschlossene Hysteresen zu Schwingspielen mit entsprechender Amplitude und Mittelspannung zusammengefasst. Die Rainflow-Zählung erfasst dadurch den Schädigungsinhalt eines BZV am besten [135]. Dies zeigt sich auch bei der Bewertung der Treffsicherheit der rechnerischen Lebensdauerabschätzung (siehe Abschnitt 9.4). Sie ist am besten, wenn das Amplitudenkollektiv mittels Rainflow-Zählung ermittelt wird.

5.3 Bemessungskollektive Das Ergebnis der Zählverfahren sind Amplitudenkollektive. Für diese wird der Begriff Bemessungskollektive verwendet, wenn sie für die Lebendauerabschätzung eines Bauteils mittels linearer Schadensakkumulation verwendet werden. Ein Bemessungskollektiv muss dabei nicht alle im Bauteilleben zu erwartenden Lastzyklen, aber alle zu erwartenden Amplituden (Größe) beinhalten. Die Form des Kollektivs, also das Verhältnis der Amplituden und ihrer Häufigkeiten, muss aber der Verteilung im gesamten Bauteilleben entsprechen. Die Schadensakkumulation erfolgt im Allgemeinen anhand einer Wöhlerlinie mit einem konstanten Spannungsverhältnis. Das ist in der Regel R = −1. Die Kollektive beinhalten aber Spannungsamplituden mit unterschiedlichen Spannungsverhältnissen. Daher ist es zuerst erforderlich ein schädigungsgleiches Ersatzamplitudenkollektiv zu bilden, in dem sämtliche Kollektivstufen auf das Spannungsverhältnis der zu verwendenden Bemessungswöhlerlinie umbewertet werden.

5.3.1 Ersatzamplitudenkollektiv Für jede Kollektivstufe mit ihren Ober- und Unterspannungen können Amplitude, Mittelspannung und Spannungsverhältnis berechnet werden: So − Su 2 So + Su Sm = 2 Su R= . So Sa =

(5.6) (5.7) (5.8)

Die Umbewertung der mittelspannungsbehafteten Spannungsamplituden S a in mittelspannungsfreie, schädigungsgleiche Ersatzspannungsamplituden S a,ers = S a,(R =−1)

(5.9)

erfolgt über die Mittelspannungsempfindlichkeit. Für hohe Zugmittelspannungen wird der Verlauf des modifizierten Haigh-Diagramm der FKM-Richtlinie (Abbildung 2.17) angenommen. Zur Berechnung der Ersatzspannungsamplituden werden die Gleichungen in Tabelle

5.3 Bemessungskollektive

111

Amplituden Sa

Sa, Sa,ers, Sm

Mittelspannungen Sm Ersatzamplituden Sa,ers

+

+ -

+ -

-

Lastzyklen N (Summenhäufigkeit)

Abb. 5.14: Amplitudenkollektiv und mittelspannungsfreies Ersatzamplitudenkollektiv

2.2 unter Beachtung von Gleichung (2.6) nach σW umgestellt. Weiterhin werden die Kerbspannungen durch Nennspannungen ersetzt. Der einzige Unterschied zu den Gleichungen in Tabelle 2.2 ist, dass jetzt beliebig hohe Spannungsamplituden schädigungsäquivalent umgerechnet werden und nicht nur die Dauerfestigkeit auf die Wechselfestigkeit. Es gilt: • Druckschwellbereich R ≥ 1: S a,ers = (1 − M ) ⋅ S a

(5.10)

• Zug-Druck-Wechselbereich −∞ < R ≤ 0: S a,ers = S a + M ⋅ S m

(5.11)

• niedriger Zug-Schwellbereich 0 < R ≤ 0,5: S a,ers =

1+M M ⋅ (S a + ⋅ S m ) 1 + M /3 3

(5.12)

• hoher Zugschwellbereich (0,5 ≤ R ≤ 1) S a,ers =

(1 + M )2 ⋅ Sa 1 + M /3

(5.13)

Das führt bei Amplituden mit Druckmittelspannungen zu niedrigeren Ersatzamplituden und bei Amplituden mit Mittelspannungen im Zugbereich zu höheren Ersatzamplituden. Die der Umbewertung zugrunde liegende Hypothese ist, dass die Schädigung des Ersatzamplitudenkollektivs äquivalent der Schädigung des mit Mittelspannungen behafteten Kollektivs ist. Abbildung 5.14 zeigt ein Spannungskollektiv vor und nach der Umbewertung. Allgemein kann ein Ersatzamplitudenkollektiv mehr Kollektivstufen enthalten als das ursprüngliche Amplitudenkollektiv. Das ist der Fall, wenn es Kollektivstufen mit gleicher Spannungsamplitude und unterschiedlicher Mittelspannung gibt.

112

5 Lastannahme Beispiel Aus der in Abbildung 5.11 ermittelten Rainflowmatrix der Beispiellastfolge soll das mittelspannungsfreie Ersatzspannungsamplitudenkollektiv berechnet werden. Die Mittelspannungsempfindlichkeit beträgt M = 0,3 und die Residuen sollen als jeweils halbe Schwingspiele berücksichtigt werden. Lösung Die Amplituden, Mittelspannungen und Spannungsverhältnisse folgen anhand der Gleichungen (5.6) bis (5.8). Die Ersatzspannungsamplituden werden in Abhängigkeit

Residuum

Hysteresen

vom Spannungsverhältnis mit den Gleichungen (5.10) bis (5.13) berechnet: n 1 1 1 1 1 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5

So/MPa 90 -30 60 120 0 120 120 180 180 30

Su/MPa 30 -60 0 60 -30 0 -150 -150 -120 -120

Sa/MPa 30 15 30 30 15 60 135 165 150 75

Sm/MPa 60 -45 30 90 -15 60 -15 15 30 -45

R 0,33 2 0 0,5 -∞ 0,00 -1,25 -0,83 -0,67 -4,00

Sa,ers/MPa 42,5 10,5 39,0 46,1 10,5 78,0 130,5 169,5 159,0 61,5

◻ Manchmal kann es physikalisch sinnvoll sein, auf die Bildung eines Ersatzamplitudenkollektivs zu verzichten und nach einer Rainflow-Zählung die Informationen zum Mittelwert der Amplitude nicht zu nutzen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Beanspruchungskollektive auf unterschiedliche Werkstoffe angewendet werden sollen oder auch in manchen Fällen der Übertragung einer Belastungsklassierung auf daraus resultierende Beanspruchungen. Der physikalische Vorteil der Rainflow-Zählung, nämlich dass die Amplituden aus geschlossenen Hysteresen ermittelt wurden, bleibt gegenüber den einparametrischen Zählverfahren erhalten. In diesem Fall werden die Matrixelemente mit gleichem Abstand zur Hauptdiagonalen (siehe Abb. 5.11) addiert. Dieses Verfahren wird als Bereichs-Mittelwert-Zählung (range mean counting) bezeichnet [32].

5.3.2 Kenngrößen und Darstellung von Amplitudenkollektiven Häufig werden Amplitudenkollektive in normierter Form entsprechend Abbildung 5.15 über der Summenhäufigkeit H der Amplituden dargestellt. Kollektive aus einem klassierten BZV sind stets getreppt. Es können aber auch synthetische Kollektive mit stetigem Verlauf angenommen werden, die dann für die Lebensdauerabschätzung getreppt werden müssen. In den nachfolgenden Abbildungen erfolgt die Darstellung der Kollektive der Einfachheit halber als stetig.

5.3 Bemessungskollektive

113

_

SD / SD 1

Hges

H (log.)

Abb. 5.15: Spannungskollektiv in normierter Darstellung

Zur Charakterisierung von Amplitudenkollektiven werden folgende Kennwerte verwendet: • Der Kollektivhöchstwert S a beschreibt die größte Spannungsamplitude des Kollektivs. • Der Kollektivumfang Hges , auch als Nges bezeichnet, beschreibt die Anzahl aller Lastwechsel des Kollektivs. • Unter dem Spannungsverhältnis R¯ des Kollektivs wird im Allgemeinen das Verhältnis von Unter- und Oberspannung des Kollektivgrößtwertes verstanden. Das bedeutet, dass jede andere, kleinere Amplitude eines Kollektivs i. A. ein anderes Spannungsverhältnis besitzt6 . • Die Kollektivform kann durch verschiedene Parameter definiert werden: den Formparameter ν, das Völligkeitsmaß v und den p-Wert. Sie werden nachfolgend erklärt. Bei normalverteilten Kollektiven ergibt sich in der für Kollektive typischen halblogarithmischen Darstellung (Amplituden linear über logarithmierter Summenhäufigkeit aufgetragen) eine Parabelform. Bei Kollektiven mit Exponentialverteilung der Amplituden ergibt sich bei halblogarithmischer Auftragung ein linearer Verlauf. Diese werden daher auch als Geradlinienverteilung bezeichnet. • Die Regelmäßigkeit I wurde bereits durch Gleichung (5.1) definiert. Die Beschreibung der Kollektivform mit dem Formparameter ν geht auf Hanke [165] zurück und erfolgt abhängig von der bezogenen Spannungsamplitude x = S a /S a nach 1− x ν

H (x ) = ( Hges )

.

(5.14)

Die Kollektivformen für verschiedene Werte des Formparameters sind in Abbildung 5.16 bei einem Kollektivumfang von Hges = 106 dargestellt. Nach [32] sind für typische Formen bei logarithmischer Darstellung der Summenhäufigkeit folgende Werte charakteristisch: 6

Bei Literaturangaben zum Spannungsverhältnis R eines Kollektivs sollte kontrolliert werden, ob tatsächlich alle Amplituden des Kollektivs das gleiche Spannungsverhältnis aufweisen, oder R¯ gemeint ist.

5 Lastannahme

1

ν=∞

_

bez. Spannungsamplitude SA / SA

114

0,8 0,6 0,4 Hges = 106

0,2 0

1

10

100

1000

10000

100000

1000000

Summenhäufigkeit H (log.) Abb. 5.16: Kollektivformen für unterschiedliche Formparameter ν

ν = 0,8

konkave Form: z. B. bei log-Normalverteilung der Beanspruchung

ν = 1,0

gerader Verlauf: Exponentialverteilung, z. B. als Mischverteilung verschiedener Normalverteilungen

ν = 2,0

parabelförmiger Verlauf, z. B. bei Normalverteilung

ν = 4,0

konvexe Form, typisch im Kran und Brückenbau

ν→∞

Rechteckkollektiv, konstante Amplitude

Weiterhin wird das Völligkeitsmaß v zur Beschreibung des Schädigungsvermögens eines Kollektivs mit gegebenem Kollektivhöchstwert und Kollektivumfang verwendet:

  σa,i k 1 k  ) . v= ∑ hi ( Hges

i

σa

(5.15)

Das Völligkeitsmaß ist vom Exponenten der Bauteilwöhlerlinie abhängig, mit der die Lebensdauerabschätzung erfolgen soll. Die Werte können im Bereich 0 ≤ v ≤ 1 liegen. Die größte Schädigung liegt mit v = 1 bei Einstufenbeanspruchung, da dies der maximalen Völligkeit entspricht. Für Schweißkonstruktionen im Kranbau findet auch der Kollektivbeiwert p zur Charakterisierung der Kollektivform Anwendung [52]. Er beschreibt das Verhältnis der Minimal- zur Maximalamplitude der Beanspruchung. Damit werden Normkollektive, sogenannte p-WertKollektive beschrieben. Analog zum Völligkeitsmaß liegt p zwischen 0 und 1, wobei p = 1 wieder der Einstufenbelastung entspricht. Den prinzipiellen Zusammenhang der Kollektivform mit der Schädigung zeigt Abbildung 5.17. Die Schädigung wird allgemein größer, je stärker sich ein Kollektiv der Rechteckform, also einer Einstufenbeanspruchung, annähert.

5.3 Bemessungskollektive

115

Schädigung ↑ bzw. Lebensdauer ↓

_

SA / SA 1

Hges

H (log.)

Abb. 5.17: Einfluss der Kollektivform auf die Schädigung

5.3.3 Extrapolation von gemessenen Kollektiven Der gemessene BZV ist im Sinne der Statistik stets eine Stichprobe der Grundgesamtheit der Belastung während des gesamten Bauteillebens. Durch eine Extrapolation des Amplitudenkollektivs können selten auftretende und wahrscheinlich nicht gemessene Ereignisse abgeschätzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Form des gemessenen Kollektivs bereits repräsentativ für die Belastung des Bauteils ist und die Verhältnisse der Amplituden und Häufigkeiten der Kollektivstufen untereinander richtig abgebildet werden. Die Extrapolation entspricht einer fiktiven Verlängerung der Messzeit. Aus dem gemessenen Kollektiv vom Umfang HM wird so ein Bemessungskollektiv mit dem Umfang HN , Abbildung 5.18. Die Extrapolation umfasst folgende Schritte: 1. Multiplikation der Häufigkeiten aller Kollektivstufen mit einem konstanten Faktor 2. Extrapolation durch Verlängerung der Hüllkurve des Kollektivs für Amplituden oberhalb der aus dem gemessenem BZV ermittelten, maximalen Amplituden 3. Kontrolle, dass durch die Extrapolation keine physikalischen Grenzwerte überschritten werden. Letzteres ist notwendig, da die Extrapolation in Richtung der Spannungsamplituden oft ohne jeglichen physikalischen Hintergrund erfolgt und die so ermittelten, neuen Kollektivgrößtwerte evtl. überhaupt nicht möglich sind. Gegebenenfalls müssen die Kollektivhöchstwerte entsprechend der konstruktiven Bedingungen gekappt werden. Die Verlängerung der Hüllkurve in Schritt 2 erfolgt zumeist grafisch. Eine analytische Extrapolation unter Verwendung des Völligkeitsmaßes ν wird in [177] beschrieben. Dabei wird der Erhöhungsfaktor in Lastrichtung E=

S a,N S a,M

(5.16)

116

5 Lastannahme

_

Sa _

E

Sa,N

Extrapolation der Beanspruchung

_

Sa,M

Extrapolation der Lastzyklen gemessenes Kollektiv

e

HM

HN

H (log.)

Abb. 5.18: Extrapolation eines gemessenen Kollektivs, nach [177]

in Abhängigkeit vom Extrapolationsfaktor in Lastzyklenrichtung e=

HN HM

(5.17)

wie folgt berechnet: 1

lg(e ⋅ HM ν E =( ) . lg HM )

(5.18)

In der praktischen Anwendung wird oft nur Schritt 1 der beschriebenen Extrapolation durchgeführt, wenn lediglich die Ermüdungsfestigkeit nachgewiesen werden soll und kein statischer Nachweis gegen Sonderlasten erfolgt.

Extrapolation der Rainflowmatrix Neben der oben beschriebenen direkten Extrapolation des Amplitudenkollektivs besteht alternativ die Möglichkeit, unter Anwendung entsprechender Software die Rainflowmatrix zu extrapolieren. Der Vorteil besteht darin, dass nicht nur die Amplituden, sondern auch die zugehörigen Mittelspannungen mit extrapoliert werden. Dabei werden Spline-Funktionen als Dichteschätzer für die dreidimensionale Häufigkeitsfläche der Rainflowmatrix verwendet. Weil diese Funktionen mathematisch auch Häufigkeiten kleiner eins zulassen, können nach Multiplikation mit dem Extrapolationsfaktor auch zuvor leere Matrixelemente mit Häufigkeiten größer eins belegt werden, wie in Abbildung 5.19 gut zu erkennen ist.

5.3 Bemessungskollektive

117

Abb. 5.19: Extrapolation der Rainflowmatrix

5.3.4 Sonderereignisse Sonderereignisse sind Beanspruchungen, die bei üblichen Messungen nicht auftreten, für die betriebsfeste Auslegung eines Bauteils aber berücksichtigt werden müssen. Sonderereignisse können z. B. Grabendurchfahrten bei Traktoren und Landmaschinen, Bordsteinkantenüberfahrten bei PKW, Stromausfälle bei Anlagen, Blockierung von Antriebssystemen oder ein Sturzflug bei Flugzeugen sein. Sie gehören nicht zum Missbrauch des Erzeugnisses. Solch ein Missbrauchsereignis kann z. B. das Überfahren eines Hindernisses mit höherer Geschwindigkeit sein. Das auslegungsrelevante Kriterium für Missbrauchsereignisse ist die Formdehngrenze des Bauteils, welche bei gekerbten Bauteilen über der Streckgrenze des Werkstoffs liegt. Als Formdehngrenze wird die örtliche Vergleichsdehnung oder zugehörige Vergleichsspannung verstanden, bei der nach Entlastung eine bleibende Verformung eines zu definierenden Maßes im Bauteil verbleibt. Oftmals ist aber der Übergang zwischen Sonderereignissen und Missbrauch fließend. Deshalb sollten im Allgemeinen auch Sonderereignisse gegen die Formdehngrenze untersucht werden. Sonderereignisse können in der Regel nur durch gezielte Messungen erfasst werden. Das Teilkollektiv dieser Sonderereignismessungen wird dann dem extrapolierten Kollektiv überlagert, Abbildung 5.20. Eine andere Möglichkeit zur Abschätzung der Sonderereignisse ist eine statistische Extremwertbetrachtung (wenn z. B. die Messung der Sonderereignisse zu gefährlich ist). Dazu werden die Extremwerte von mehreren, den Sonderereignissen nahe kommenden Messungen im Wahrscheinlichkeitsnetz aufgetragen (vgl. Abschnitt 4.5). Die Extrapolation seltener auftretender Extremwerte erfolgt dann für eine bestimmte Eintrittswahrscheinlichkeit im Wahr-

118

5 Lastannahme

_

Sa

Sonderereignisse

Extrapolation der Beanspruchung Sa,M

Extrapolation der Lastzyklen

gemessenes Kollektiv

HM

HN

H (log.)

Abb. 5.20: Einfügen von Sonderereignisse in ein extrapoliertes Kollektiv

scheinlichkeitsnetz. Die Voraussetzung dafür sind stationäre Prozesse. Es dürfen daher nur die Extremwerte von Teilkollektiven eines Betriebszustands und keine Mischkollektive extrapoliert werden [32]. Es muss in jedem Einzelfall entschieden werden, ob die Extrapolation des gemessenen Kollektivs bereits die Größenordnung von Sonderereignissen erfasst oder ob Extremwertbetrachtungen bzw. Sonderversuche erforderlich sind.

5.3.5 Ermittlung von Gesamtkollektiven Nur in seltenen Fällen wird ein Bauteil nur durch einen Betriebszustand bzw. eine Beanspruchungsursache beansprucht. Dies verdeutlicht Abbildung 5.21 am Beispiel eines PKW. Mehrere Einsatzzustände bestimmen die gesamte Nutzung. Das Belastungskollektiv des Bauteils ist dann als Gesamtkollektiv zu bilden. Die Berechnung eines Gesamtkollektivs erfolgt in folgenden Schritten: 1. Analyse von Art und Umfang des Einsatzes im »Gesamtleben« Für die verschiedenen Einsatzzustände wird der zeitliche (prozentuale) Anteil am Gesamtleben ermittelt. Einsatzzustände sind beispielsweise der Straßen- und Beladungsanteil bei Straßenfahrzeugen, verschiedene Anbaugeräte und Straßenfahrt bei Landmaschinen oder Steig- und Sinkflug, Manöver und Böen bei Flugzeugen. 2. Messung von Teilkollektiven für die verschiedenen Einsatzzustände Für jeden ermittelten Einsatzzustand muss ein Teilkollektiv gemessen und ermittelt werden. Bei dieser Messung sollte vorher bedacht werden, dass die Kollektive überlagert werden sollen. Dies betrifft die Wahl des Messbereiches bzw. der Klassenbreite bei der Klassierung und die Wahl der Messzeit. Es ist empfehlenswert, möglichst gleiche

5.3 Bemessungskollektive

119

Klassenbreiten oder deren ganzzahlige Vielfache zu wählen, weil sonst Rundungsfehler, aber auch Fehler bei der Hysteresendefinition bei der Rainflow-Zählung auftreten können. 3. Überlagerung der Teilkollektive Die mit gleichem physikalischen Maßstab und gleicher Messzeit (z. B. 1 h oder 100 km) ermittelten Teilkollektive werden mit ihren Häufigkeiten entsprechend ihrem prozentualen Zeitanteil am Gesamtleben für jede Klasse oder jedes Rainflowmatrix-Element addiert. Die Gesamthäufigkeit des Matrixelements kl ergibt sich dann aus den relativen Häufigkeiten der z Teilkollektive: z

h ges,kl = ∑ h kl ,i ⋅ i =1

ti . t ges

(5.19)

Sollten die Klassenbreiten der Teilkollektive nicht mit der Gesamtmatrix übereinstimmen und sind sie ganzzahlig vergleichbar, muss zuvor eine einfache lineare Umrechnung der Häufigkeiten vorgenommen werden. Entsprechend ihrer Amplituden und Mittelspannungen ordnen sich die Teilkollektive in die Gesamtmatrix ein. Abschließend wird das Gesamtkollektiv bzw. die Gesamtmatrix extrapoliert und um Sonderereignisse erweitert. Oftmals ist es sinnvoller, aber leider auch aufwändiger, vor der Überlagerung die einzelnen Teilkollektive zu extrapolieren.

Stadtverkehr 33%

Bundesstraße 25%

Autobahn 15% Kreisstraße 10%

Landstraße 17%

Abb. 5.21: Mögliche Einsatzzustände von PKW

120

5 Lastannahme

5.4 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 5 Verständnisfragen 1. Was versteht man unter einem Amplitudenkollektiv? 2. Was ist das Ziel der Klassierung? 3. Wozu dienen Zählverfahren? 4. Welche Informationen gehen durch die Klassierung eines BZV verloren? 5. Wann kann eine veränderliche Belastung als quasistatisch angenommen werden? 6. Warum sollte die Klassengrenzenüberschreitungszählung ab einer Regelmäßigkeit des Belastungsprozesses I < 0,8 nicht mehr angewendet werden? 7. Was ist der Unterschied zwischen ein- und zweiparametrischen Zählverfahren? 8. Was ist der werkstoffmechanische Hintergrund der Rainflow-Zählung? 9. Kann das Verfahren der Rainflow-Zählung auch bei rein elastischer Beanspruchung angewendet werden? 10. Welche der folgenden Größen können direkt aus der Rainflowmatrix ermittelt werden: Amplitude, Spannungsverhältnis, Teilschädigung, Häufigkeit, Ersatzamplitude, Mittelspannung, Wöhlerlinienexponent? 11. Wie ergibt sich bei der Rainflow-Zählung ein Lastzyklus und wie ergibt er sich bei der Spitzenwertzählung? 12. In welchem Bereich haben einparametrische Zählverfahren heute noch Bedeutung? 13. Warum gehören bei einparametrischen Zählverfahren die Mittelspannungen der Lastzyklen physikalisch nicht zu den Amplituden? 14. Wozu benötigt man ein Ersatzamplitudenkollektiv? 15. Welche weitere Information wird benötigt, um aus Spannungsamplitude und Mittelspannung die Ersatzamplitude zu berechnen? 16. Was ist bei der Extrapolation von Amplituden-/Extremwertkollektiven zu beachten? 17. Warum wird zur Extrapolation von gemessenen Kollektiven nicht einfach die Häufigkeit mit einem Faktor skaliert? 18. Was ist der Unterschied zwischen Sonder- und Missbrauchsereignissen?

5.4 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 5

121

Aufgaben Für eine Maschinenkomponente wurde eine Beanspruchungsmessung mit Dehnmessstreifen durchgeführt. Die gemessenen Dehnungen wurden in Nennspannungen umgerechnet und liegen als Umkehrpunktfolge vor, die bereits in 8 Klassen eingeteilt ist (siehe Abbildung). Für das betrachtete Bauteil beträgt die Mittelspannungsempfindlichkeit M = 0,3 und es gilt das Haigh-Diagramm nach FKM-Richtlinie nach Abbildung 2.17. 165

60

44

150 10

135

34

20

105

26

16

22

28

42

46

54 56

75

64

60 2 4

8

12 14

18

24

30 32

48 50 52

36 38 40

30

45

27

58

45

62

55

15

0 1 3 5 7 9 11 13 15

19

23 25

33

29

37 39 41

47

53

57 59 61

65

-15

Klassengrenzen SKG in MPa

6

90

-30 17

49 51

43

31

63

-45

-60 21

35

-75

Umkehrpunktlastfolge (8 Klassen)

1. Spitzenwertzählung a) Klassieren Sie die Umkehrpunktfolge nach dem einparametrischen Zählverfahren Spitzenwertzählung. Tragen Sie das Ergebnis in das H -S-Diagramm ein. 150

Klassenmitten SKM in MPa

Klassenmitten SKM in MPa

120

120 90 60 30

0 -30

-60 1

10 Summenhäufigkeit H (log.)

50

122

5 Lastannahme b) Ermitteln Sie für die Schwingspiele die Häufigkeiten, Amplituden, Mittelwerte und Spannungsverhältnisse. c) Bilden Sie ein mittelspannungsfreies Ersatzamplitudenkollektiv.

2. Rainflowklassierung a) Führen Sie für die gegebene Umkehrpunktfolge eine Rainflowzählung durch und geben sie die Rainflowmatrix an. Beachten Sie, dass der Beginn als Erstbelastung zu werten ist. b) Ermitteln Sie für die Schwingspiele die Häufigkeiten, Amplituden, Mittelwerte und Spannungsverhältnisse. Berücksichtigen Sie dabei das Residuum als halbe Schwingspiele. c) Bilden Sie ein mittelspannungsfreies Ersatzamplitudenkollektiv.

6 Bauteilbeanspruchung 6.1 Beanspruchungsgrößen spannungsbasierter Festigkeitskonzepte Die in diesem Buch vorgestellten spannungsbasierten Konzepte der Betriebsfestigkeit sind eng miteinander verwandt. Sie unterscheiden sich zum einen in der Ermittlung der Bauteilwöhlerlinie und zum anderen in der verwendeten Beanspruchungsgröße. Letzteres ist eher eine formale Unterscheidung, da sämtliche Spannungen elastisch berechnet werden und daher über einen Faktor ineinander umrechenbar sind. Der Ablauf der Nachweisführung ist prinzipiell für alle Konzepte identisch. Abbildung 6.1 zeigt einen Überblick über die verwendeten Beanspruchungsgrößen für geschweißte und nicht geschweißte Bauteile abhängig von der Art der Ermittlung der Bauteilwöhlerlinie. Nicht geschweißte Bauteile

Geschweißte Bauteile

Bauteilwöhlerlinie experimentell

abgeschätzt

experimentell

abgeschätzt

Beanspruchungsgröße Nennspannungen

Nennspannungen

Nennspannungen

Kerbspannungen

Nennspannungen

Kerbspannungen

Strukturspannungen

Abb. 6.1: Übersicht Beanspruchungsgrößen spannungsbasierter Betriebsfestigkeitskonzepte

Die Bezeichnung Nennspannungskonzept wird meist für die Nachweisführung auf Grundlage einer experimentell bestimmten Bauteilwöhlerlinie verwendet. Diese wird am konkreten Bauteil unter der im Betrieb auftretenden Belastung ermittelt. In diesem Fall muss die genaue Beanspruchung im Bauteil nicht berechnet werden, da Beanspruchung und Beanspruchbar-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_6

123

124

6 Bauteilbeanspruchung

keit in Nennspannungen formuliert sind. Alternativ können anstelle der Nennspannung auch direkt Kräfte und Momente verwendet werden. Das Nennspannungskonzept auf Grundlage einer experimentell ermittelten Bauteilwöhlerlinie ist für geschweißte und nicht geschweißte Bauteile identisch. Beim Kerbspannungskonzept werden rechnerisch abgeschätzte (synthetische) Wöhlerlinien verwendet. Diese gelten für die versagenskritische Stelle, meist eine Kerbe des Bauteils. Daher wird auch der Begriff der lokalen Wöhlerlinie verwendet. Der Grundgedanke hierbei ist, dass ein Bauteil an jeder Stelle eine andere lokale Festigkeit besitzt. Diese hängt, wie in Kapitel 3 beschrieben, vom Spannungszustand, der Oberfläche und anderen Einflussgrößen ab. Die Bauteilwöhlerlinie in Kerbspannungen ist damit die lokale Wöhlerlinie für die Stelle der höchsten Auslastung bzw. der geringsten Sicherheit gegen Versagen. Der Festigkeitsnachweis mit örtlichen Spannungen nach FKM-Richtlinie ist dem Kerbspannungskonzept zuzuordnen. Das gilt im Prinzip auch für den FKM-Nachweis mit Nennspannungen. Auch dabei wird die Bauteilwöhlerlinie rechnerisch abgeschätzt. Die Beanspruchung und die Beanspruchbarkeit werden für den lokalen Nachweispunkt lediglich als Nennspannungen formuliert. Somit ist die Nachweisführung für einfache Bauteile auch ohne FE-Berechnungen möglich. Für geschweißte Bauteile kann die lokale Festigkeit einer Schweißverbindung anhand von Kerbfallklassen auf Grundlage der Nennspannungen, durch Strukturspannungen oder Kerbspannungen abgeschätzt werden. Auf die Unterschiede wird in Abschnitt 6.4 eingegangen. Entsprechend werden die Begriffe Nennspannungskonzept, Strukturspannungskonzept und Kerbspannungskonzept bei der Verwendung abgeschätzter Bauteilwöhlerlinien geschweißter Bauteile verwendet.

6.2 Spannungszustand In diesem Abschnitt werden die im weiteren benötigten Zusammenhänge der Festigkeitslehre lediglich kurz zusammengefasst. Für eine umfassendere Darstellung wird auf geeignete Fachliteratur zu den Grundlagen der Technischen Mechanik verwiesen, z. B. [2, 16, 20, 30, 34]. Die Beschreibung ist auf die lineare Elastizitätstheorie beschränkt. Das deckt sich mit den in diesem Buch behandelten spannungsbasierten Konzepten, denen elastizitätstheoretisch berechnete Spannungen zu Grunde liegen.1

1

Für den statischen Festigkeitsnachweis und auch im Zeitfestigkeitsbereich treten durchaus Spannungen oberhalb der Streckgrenze auf. Diese werden im Rahmen elastischer Konzepte allerdings ebenfalls anhand von elastizitätstheoretisch berechneten Spannungen bewertet.

6.2 Spannungszustand

125

Schnittebene A t

t τ

dA

n

M

dA

n

σ

F

Abb. 6.2: Definition des Spannungsvektors

6.2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor Spannungsvektor Äußere Belastungen bewirken im Bauteil innere Reaktionen, die den äußeren Belastungen entgegengesetzt sind. Bei quasistatischer2 Beanspruchung stehen die inneren Reaktionen mit den äußeren Belastungen im Gleichgewicht. In Abbildung 6.2 ist ein belasteter Körper entlang einer Schnittebene A mit dem Normalenvektor n geschnitten dargestellt. Auf jedem Flächenelement ΔA der Schnittfläche wirkt ein Kraftvektor ΔF . Der Spannungsvektor t ist für einen Punkt der Schnittfläche definiert als t = lim

ΔF

ΔA →0 ΔA

=

dF . dA

(6.1)

Er kann in zwei Komponenten zerlegt werden. Die Koordinate der Komponente normal zur Schnittebene ist die Normalspannung σ = t ⋅n

(6.2)

und die Koordinate der Komponente tangential zur Schnittebene ist die Schubspannung τ=

√ ∣t ∣2 − σ2 .

(6.3)

Spannungstensor Abhängig von der Ausrichtung (Winkel) der Schnittebene in einem Punkt des Bauteils ergeben sich unterschiedliche Spannungsvektoren. Der Spannungszustand in einem Punkt wird erst vollständig beschrieben, wenn die Spannungsvektoren auf drei normal aufeinander 2

Eine Belastung ist quasistatisch, wenn sie sich so langsam ändert, dass keine dynamischen Lasten durch Trägheiten entstehen. Eine veränderliche, aber quasistatische Belastung kann daher als Abfolge von verschiedenen Gleichgewichtszuständen betrachtet werden.

126

6 Bauteilbeanspruchung

y σyy τyx τyz τxy τzy

τxz

x σzz

σxx

τzx

z

Abb. 6.3: Definition des Spannungstensors, nach [34]

stehenden Schnittebenen bekannt sind. Das ist in Abbildung 6.3 gezeigt. Die Spannungsvektoren der drei Schnittebenen werden in die kartesischen Komponenten des durch die Schnittebenen beschriebenen Koordinatensystems zerlegt. Der erste Index der Koordinaten der Spannungsvektoren gibt die Normalenrichtung der jeweiligen Schnittebene an und der zweite Index die Richtung der Komponente. Bei den Normalspannungen wird oft der zweite Index weggelassen, so dass z. B. σxx = σx gilt. Diese neun skalaren Spannungen bilden die karthesischen Koordinaten des Spannungstensors σ. Er enthält für ein gegebenes Koordinatensystem (x,y,z ) alle Normalspannungen und Schubspannungen in den durch das Koordinatensystem definierten drei Schnittebenen. Die Koordinaten des Spannungstensors können als 3x3 Matrix dargestellt werden:

⎡σ τ ⎤ ⎢ x x y τxz ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ σ = ⎢τ y x σ y τ y z ⎥ ⎥. ⎢ ⎥ ⎢τzx τz y σz ⎥ ⎣ ⎦

(6.4)

Der Spannungstensor ist symmetrisch, d. h. die zugeordneten Schubspannungen sind gleich groß3 τx y = τ y x ,

τxz = τzx ,

τ y z = τz y .

(6.5)

Es kann über Gleichgewichtsbetrachtungen weiterhin gezeigt werden, dass t = σ⋅n

(6.6)

gilt. Dieser Zusammenhang wird als Cauchy’sches Fundamentaltheorem bezeichnet. Es bedeutet, dass bei bekanntem Spannungstensor die Komponenten des Spannungsvektors in einer beliebigen Schnittebene mit dem Normaleneinheitsvektor n bestimmt werden können. Der Spannungszustand in einem Punkt ist durch den Spannungstensor eindeutig beschrieben. 3

Die Symmetrie des Spannungstensors folgt aus dem Momentengleichgewicht an einem Volumenelement.

6.2 Spannungszustand

127

Dabei ist es egal, bezüglich welches Koordinatensystems die Komponenten des Spannungstensors angegeben werden. Dies ist die charakteristische Eigenschaft eines Tensors: Die physikalische Aussage ist unabhängig von der Wahl des Koordinatensystems. Mathematisch betrachtet erfolgt durch den Spannungstensor in Gleichung (6.6) die lineare Abbildung des Normaleneinheitsvektors auf den Spannungsvektor. Aufteilung des Spannungstensors Der Spannungstensor kann in einen hydrostatischen und einen deviatorischen Anteil aufgeteilt werden. Der hydrostatische Anteil eines Spannungszustands ist so definiert, dass er der Beanspruchung in einer ruhenden Flüssigkeit entspricht. Dabei wirkt allseitig die mittlere Normalspannung bzw. die hydrostatische Spannung σh =

1 (σx + σ y + σz ) , 3

(6.7)

ohne das gleichzeitig Schubspannungen vorhanden sind. Dieser Spannungszustand wird durch den Kugeltensor

⎡σ ⎤ ⎢ h 0 0⎥ ⎢ ⎥ ⎢ σ = ⎢ 0 σh 0 ⎥ ⎥ K ⎢ ⎥ ⎢ 0 0 σh ⎥ ⎣ ⎦

(6.8)

beschrieben. Bei isotropem Material bewirkt die hydrostatische Beanspruchung ausschließlich eine Volumenänderung und keine Gestaltänderung (Formänderung). Der deviatorische Anteil folgt durch Subtraktion des Kugeltensors vom Spannungstensor und wird als Spannungsdeviator s bezeichnet.

⎡σ − σ τx y τxz ⎤ ⎢ x ⎥ h ⎢ ⎥ ⎢ s = σ − σ = ⎢ τy x σ y − σh τy z ⎥ ⎥ K ⎢ ⎥ ⎢ τzx τz y σz − σh ⎥ ⎣ ⎦

(6.9)

Im Gegensatz zum hydrostatischen Spannungszustand bewirkt die rein deviatorische Beanspruchung bei isotropem ausschließlich eine Gestaltänderung eines Körpers bei konstantem Volumen. Der Spannungsdeviator wird z. B. bei der Formulierung von Stoffgesetzen für plastisches Materialverhalten und der Formulierung der Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese benötigt. Hauptspannungen Für jeden Spannungszustand existiert ein Koordinatensystem, in dem sämtliche Schubspannungen zu Null werden, das Hauptachsensystem. In dieser Ausrichtung zeigen die Spannungsvektoren in exakt dieselben Richtungen wie die Normaleneinheitsvektoren. Die Normalspannungen in diesen Richtungen sind die maximal möglichen bzw. minimal möglichen Normalspannungen von allen Drehrichtungen des Koordinatensystems. Sie werden als die

128

6 Bauteilbeanspruchung σyy

y

z

σ1

τyx

τyz τzy x σzz

σ2

τxy σxx τzx

τxz

σ3

Abb. 6.4: Allgemeiner Spannungszustand und Hauptspannungszustand

Hauptspannungen σ1 , σ2 und σ3 bezeichnet, siehe Abbildung 6.4. Die Berechnung der Hauptspannungen und ihrer Richtung entspricht mathematisch einer Hauptachsentransformation, welche die Lösung des Eigenwertproblems

(σ − σE ) ⋅ n = 0

(6.10)

beinhaltet. Darin entsprechen die Eigenwerte σ den Hauptspannungen und die Eigenvektoren n beschreiben die Richtungen des Hauptachsensystems. Die charakteristische Gleichung des Eigenwertproblems lautet

⎡σ − σ τ τxz ⎤ ⎢ x ⎥ xy ⎢ ⎥ ⎥ det (σ − σE ) = ⎢ τ σ − σ τ y y z ⎥ = 0, ⎢ yx ⎢ ⎥ ⎢ τzx τz y σz − σ⎥ ⎣ ⎦

(6.11)

woraus die kubische Gleichung σ3 − I 1 ⋅ σ2 + I 2 ⋅ σ − I 3 = 0

(6.12)

folgt. Die Koeffizienten sind die Hauptinvarianten des Spannungstensors und werden wie folgt berechnet: I 1 = σx + σ y + σz I2 =

σx ⋅ σ y + σx ⋅ σz + σ y ⋅ σz − τ2x y

I 3 = det (σ) .

(6.13)

− τ2xz

− τ2y z

(6.14) (6.15)

Die Hauptspannungen sind die stets reellen Nullstellen von Gleichung (6.12). Die Bezeichnung erfolgt üblicherweise der Größe nach, so dass σ1 ≥ σ2 ≥ σ3 ist. Die Hauptrichtungen können aus Gleichung (6.10) ermittelt werden. Im Hauptachsensystem dargestellt, ist der Spannungstensor

⎡σ ⎤ ⎢ 1 0 0⎥ ⎢ ⎥ ⎢ σ = ⎢ 0 σ2 0 ⎥ ⎥. ⎢ ⎥ ⎢ 0 0 σ3 ⎥ ⎣ ⎦

(6.16)

6.2 Spannungszustand

129

Die Hauptschubspannungen treten in Ebenen auf, deren Normalen jeweils senkrecht auf einer der Hauptachsen stehen und mit den beiden anderen einen Winkel von 45° einschließt. Analog zu den Hauptnormalspannungen sind dies die extremen Schubspannungen aller möglicher Schnittebenen. Die maximale Schubspannung ist dabei durch τmax =

σ1 − σ3 2

(6.17)

gegeben. Im Unterschied zu den Hauptnormalspannungen werden im Koordinatensystem der Hauptschubspannungen die Normalspannungen nicht zu Null.

Ebener Spannungszustand Von großer Bedeutung ist der ebene Spannungszustand (ESZ) als ein Sonderfall des allgemeinen dreiachsigen Spannungszustands. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass die Spannungskomponenten in einer Raumrichtung zu Null werden. Das ist stets der Fall an lastfreien Oberflächen eines Bauteils, wie in Abbildung 6.5 dargestellt. Wenn z die Normalenrichtung der Oberfläche ist, sind die Spannungen σz , τxz und τ y z gleich Null. Viele Probleme der Betriebsfestigkeit beziehen sich auf den ebenen Spannungszustand, da lastfreie Kerboberflächen versagensrelevante Orte und damit Nachweisstellen sind. Der Spannungstensor kann für den Fall des ebenen Spannungszustandes durch folgende Matrix dargestellt werden σx σ=[ τy x

τx y σy

].

(6.18)

σyy τyx τxy σxx

σxx

τxy τyx

z

σyy

y x

lastfreie Oberfläche: σzz = τzx = τzy = 0

Abb. 6.5: Ebener Spannungszustand an lastfreier Oberfläche

130

6 Bauteilbeanspruchung σyy τyx

v

y

σvv

τxy u

ϕ

x

τuv

σxx

σxx

τxy σxx

τxy

ϕ τyx

τyx σyy

σyy

Abb. 6.6: Schnittspannungen im ebenen Spannungszustand

Bei der Drehung des Koordinatensystems um einen Winkel ϕ (Abbildung 6.6) lassen sich die Koordinaten des Spannungsvektors wie folgt berechnen: σv v (ϕ) =

σx + σ y 2

τuv (ϕ) = −

+

σx − σ y 2

σx − σ y 2

⋅ cos 2ϕ + τx y ⋅ sin 2ϕ

⋅ sin 2ϕ + τx y ⋅ cos 2ϕ.

(6.19) (6.20)

Im ebenen Spannungszustand ist σz = 0 stets eine Hauptspannung. Die anderen beiden Hauptspannungen betragen σ=

σx + σ y 2

√ ±

(

σx − σ y 2

2

) + τ2x y .

(6.21)

und die zugehörigen Hauptspannungsrichtungen sind durch tan ϕ1 =

τx y σx − σ2

bzw.

tan ϕ2 =

τx y σx − σ1

(6.22)

angegeben. Die Werte für σ1 und σ2 entsprechen den nach Gleichung (6.21) berechneten Hauptspannungen in der Ebene mit σ1 ≥ σ2 . Die Nummerierung kann variieren, je nachdem ob die Spannungen größer oder kleiner als die zur Ebene senkrechte Hauptspannung sind. Im 45°-Winkel zu den Hauptachsen liegen wieder die Schnittebenen, in denen die maximalen Schubspannungen τmax auftreten.

6.2.2 Festigkeitshypothesen und Vergleichsspannungen Bei der Festigkeitsbewertung von Bauteilen liegt an den Nachweisstellen i. A. ein mehrachsiger Spannungszustand vor. Dieser kann infolge zusammengesetzter Belastung, beispielsweise durch Biegung und Torsion oder auch durch Kerben auftreten. Die Problemstellung besteht

6.2 Spannungszustand

131

dann darin, diesen mehrachsigen Spannungszustand mit einem unter einachsiger Beanspruchung ermittelten Festigkeitskennwert zu vergleichen. Festigkeitskennwerte aus Versuchen mit ungekerbten Normproben werden als Werkstoffkennwerte bezeichnet, da sie für eine rein einachsige Beanspruchung mit über den Querschnitt konstant verteilter Spannung ermittelt wurden. Mit einer Festigkeitshypothese wird ein mehrachsiger Spannungszustand schädigungsäquivalent in einen einachsigen Spannungszustand, die Vergleichsspannung, umgerechnet und damit der Vergleich mit Werkstoffkennwerten ermöglicht. Dabei hängt die anzuwendende Hypothese vom Werkstoff ab, bei metallischen Werkstoffen hauptsächlich von dessen Duktilität. Nachfolgend sind die wichtigsten Festigkeitshypothesen für metallische Konstruktionswerkstoffe aufgeführt. Eine ausführliche Behandlung zum Thema ist z. B. in [33] zu finden. Normalspannungshypothese NH Die Normalspannungshypothese geht auf Rankine [55] zurück und ist die älteste Festigkeitshypothese. Sie gilt für die Annahme, dass bei spröden Materialien der statische Trennbruch eintritt, wenn bei statischer Beanspruchung die größte Zug-Normalspannung die Bruchfestigkeit erreicht. Demnach entspricht die Vergleichsspannung nach der NH der maximalen Hauptspannung: σV,NH = σ1 .

(6.23)

Da Trennbruch nur unter Zugspannungen möglich ist, muss σ1 > 0 gelten. Bei reiner Druckbeanspruchung, wenn also alle Hauptspannungen negativ sind, erfolgt das Versagen durch Schubbeanspruchung und kann nicht mehr mit der klassischen Normalspannungshypothese beschrieben werden. In diesem Fall wird die Mohrsche Versagenshypothese als Erweiterung der NH verwendet. Die entsprechende Grenzkurve ist in Abbildung 6.7 b) dargestellt und wird durch die Zugfestigkeit R m und die Druckbruchfestigkeit σdB bestimmt. Für den ebenen Spannungszustand folgt die Vergleichsspannung aus Gleichung (6.21) σV,NH =

σx + σ y 2



+

(

σx − σ y 2

2

) + τ2x y .

(6.24)

Abbildung 6.9 a) zeigt die Grenzkurve für diesen Fall. Für den einfachen Sonderfall von Linientragwerken (Balken, Wellen) mit einer Normalspannung σ und einer Schubspannung τ vereinfacht sich Gleichung (6.24) zu σ σV,NH = + 2



σ 2

2

( ) + τ2

(6.25)

Die Normalspannungshypothese findet typischerweise bei sprödem Materialverhalten, z. B. für martensitisch gehärteten Stahl, Gusseisen mit Lamellengraphit, Sinterstahl (für Dichten kleiner als 7,0 g/cm3 ) oder bei keramischen Werkstoffen Anwendung.

132

6 Bauteilbeanspruchung σ2

σ2 Rm

Rm Rm

Rm

σ1

σ1

σdB

a)

b)

σdB

Abb. 6.7: Versagensgrenzlinien im Hauptachsensystem für a) Normalspannungshypothese und b) Mohrsche Versagenshypothese

Schubspannungshypothese SH Die Schubspannungshypothese nach Tresca [286] wird zur Ermittlung der Sicherheit gegen plastisches Fließen verwendet. Demnach setzt plastisches Fließen bei duktilen Werkstoffen ein, wenn die maximale Schubspannung die Schubfließspannung τF erreicht: τF = τmax .

(6.26)

Unter Berücksichtigung von τF = R e /2 und von Gleichung (6.17) gilt für den Grenzfall (plastisches Fließen):

R e σ1 − σ3 . = 2 2

(6.27)

Somit ist die Vergleichsspannung für die Versagensbedingung Fließbeginn σV,SH = σ1 − σ3 .

(6.28)

Damit ist σV,SH doppelt so groß wie die maximale Schubspannung τmax . Das ist plausibel, wenn statt der Schubfließgrenze die Streckgrenze als Normalspannung R e verwendet wird. Im einachsigen Spannungszustand gilt τmax = 0,5 ⋅ σ1 . Die Grenzlinie für den Fall einer zweiachsigen Beanspruchung im Hauptachsensystem ist in Abbildung 6.8 gezeigt. Sie entspricht einem Sechseck, welches die Hauptspannungsachsen bei R e schneidet. Für den technisch relevanten Sonderfall von Balken unter Zug/Druck, Biegung und Torsion ist σV,SH =



σ2 + 4τ2 .

(6.29)

Die entsprechende Grenzkurve im σ − τ-Diagramm wird durch eine Viertel-Ellipse beschrieben, siehe Abbildung 6.9.

6.2 Spannungszustand

133 σ2

Re

Re

Re

Re

σ1

SH

Re

GEH

Abb. 6.8: Versagensgrenzlinien im Hauptachsensystem für Schubspannungshypothese und Gestaltänderungsenergiehypothese für den ebenen Spannungszustand

Die Schubspannungshypothese wird für duktile Metalle angewendet, deren Versagen durch plastisches Fließen bestimmt wird. Außerdem kann sie für spröde Werkstoffe unter mehrachsiger, allseitiger Druckbeanspruchung angewendet werden. In diesem Fall erfolgt der Bruch als Scherbruch in der Ebene der maximalen Schubspannung (vgl. Mohrsche Versagenshypothese in Abbildung 6.7). Gestaltänderungsenergiehypothese GEH Die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese beruht auf der Fließbedingung nach von Mises [227] und wird daher auch als von Mises-Vergleichsspannung bezeichnet. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass der hydrostatische Spannungszustand zu einer reinen isotropen Volumenänderung ohne Formänderung führt. Da plastische Verformungen stets unter Volumenkonstanz erfolgen, müssen die durch einen hydrostatischen Spannungszustand hervorgerufenen Verformungen stets elastisch sein. Für plastisches Fließen ist allein die in einem Volumenelement elastisch gespeicherte spezifische Gestaltänderungsenergie entscheidend. Diese wird durch den deviatorischen Anteil des Spannungstensors, Gleichung (6.9), hervorgerufen. Plastisches Fließen tritt ein, wenn die Gestaltänderungsenergie in einem mehrachsig beanspruchten Werkstoffelement den gleichen Wert erreicht, der sich bei einachsiger Beanspruchung im Zugversuch bei Erreichen der Fließgrenze R e einstellt. Die Vergleichsspannung wird mit

√ σV,GEH =

1 [(σx − σ y )2 + (σ y − σz )2 + (σz − σx )2 + 6 (τ2x y + τ2y z + τ2zx )] 2

(6.30)

berechnet. Für die Herleitung wird z. B. auf [33] verwiesen. Dort sind auch alternative physikalische Interpretationen der von Mises-Fließbedingung zu finden. Die Vergleichsspannung

134

6 Bauteilbeanspruchung

Schubspannung τ/σzul

1 NH GEH SH

0,8 0,6 0,577 0,4 0,2 0 0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Normalspannung σ/σzul

Abb. 6.9: Vergleich der Versagensgrenzlinien für kombinierte Beanspruchung von Balken durch Zug/Druck/Biegung (σ) und Torsion (τ)

kann äquivalent auch in Hauptspannungen ausgedrückt werden:



σV,GEH =

1 [(σ1 − σ2 )2 + (σ2 − σ3 )2 + (σ3 − σ1 )2 ]. 2

(6.31)

Aus dieser Formulierung wird auch ersichtlich, dass bei hydrostatischem Spannungszustand, also bei σ1 = σ2 = σ3 , die Vergleichsspannung zu Null wird und kein Fließen auftritt, da in Gleichung (6.31) nur die Differenzen der Hauptspannungen eingehen. Die Grenzkurve der Gestaltänderungsenergiehypothese ist in Abbildung 6.8 dargestellt. Im Sonderfall von kombinierter Normal- und Schubbeanspruchung von Balken ist σV,GEH =



σ2 + 3τ2 .

(6.32)

Die entsprechende Versagensgrenzkurve ist ebenfalls in Abbildung 6.9 dargestellt. Unter reiner Schubbeanspruchung tritt nach der GEH Fließen ein, wenn σV,GEH = R e . Daraus folgt für die Schubfließgrenze Re τF = √ ≈ 0,577 ⋅ R e . 3

(6.33)

Abschließende Bemerkungen Für das Versagenskriterium Fließbeginn von duktilen Werkstoffen ist sowohl die SH als auch die GEH prinzipiell anwendbar. In Regelwerken ist die anzuwendende Festigkeitshypothese bzw. Vergleichsspannung meist festgeschrieben. Dabei ist die SH etwas konservativer und führt auf leicht höhere Werte der Vergleichsspannung, wie in Abbildungen 6.8 und 6.9 ersichtlich ist. Die größte Abweichung beträgt ca. 15% bei den Spannungszuständen σ2 /σ1 = 0,5 (z. B. dünnwandige, zylindrische Druckbehälter) und σ2 /σ1 = −1 (reine Schubbeanspruchung).

6.2 Spannungszustand

135

Allen Vergleichsspannungen ist gemein, dass die Information über Vorzeichen und Art der Spannung nach Bildung der Vergleichsspannung verloren geht. Die vorgestellten Festigkeitshypothesen gelten weiterhin nur für das statische Versagen durch Bruch bzw. plastisches Fließen. Sie können nur in Sonderfällen auf schwingende Beanspruchung übertragen werden. Das ist gegeben, wenn sich während der Beanspruchung die Spannungen zueinander proportional verhalten. Für diesen Fall bleiben die Hauptspannungsrichtungen konstant und die Festigkeitshypothesen können näherungsweise angewendet werden (siehe Abschnitt 8.3.2). Verändern sich die Spannungskomponenten in einem Bauteil nichtproportional zueinander, ändern sich auch die Hauptspannungsrichtungen während der Beanspruchung und der Festigkeitsnachweis muss mit den in Abschnitt 8.7 beschriebenen Konzepten geführt werden.

In der FKM-Richtlinie ist für den statischen Festigkeitsnachweis von Bauteilen aus duktilen Werkstoffen (Stahl, Stahlguss und Alu-Knetlegierungen) die GEH vorgeschrieben. Für Werkstoffe geringerer Duktilität wird eine kombinierte Vergleichsspannung angewendet, die aus einer gewichteten Überlagerung der GEH und der NH besteht4 : σV = q ⋅ σNH,q + (1 − q ) ⋅ σGEH,q .

(6.34)

Die Wichtung erfolgt über den Duktilitätsfaktor q, welcher vom Schubfestigkeitsfaktor f τ , dem Verhältnis aus Schubfließgrenze und Zug-Fließgrenze in Gleichung (3.2), abhängig ist:



3 − 1/ f τ q= √ . 3−1

(6.35)



Die Vergleichsspannung für duktile Werkstoffe mit der GEH ist mit f τ = 1/ 3 als Sonderfall in (6.34) enthalten. Für Werkstoffe mit unterschiedlicher Zug- und Druckfestigkeit werden die zur Berechnung der Vergleichsspannungen σNH,q und σGEH,q verwendeten Spannungskomponenten durch einen Druckfestigkeitsfaktor abgemindert, sofern das Bauteil an der Nachweisstelle auf Druck beansprucht wird.

6.2.3 Beanspruchung an Kerben Technische Bauteile sind stets in irgendeiner Form gekerbt. Zu den Kerben zählen einerseits konstruktive Details, wie z. B. Übergänge, Einstiche, Verzahnungen oder Querbohrungen. Andererseits führen auch Fügestellen, wie Schweißnähte, Lagerungen und Lasteinleitungsstellen zu den für Kerben typischen Spannungskonzentrationen und inhomogenen Spannungsverteilungen in einem Bauteil. 4

In der Richtlinie wird GH anstelle GEH als Abkürzung der Gestaltänderungsenergiehypothese verwendet.

136

6 Bauteilbeanspruchung a r

t

a - axial r - radial t - tangential

σa

F σt σ

σa,max σa

σt

σt σa

σr

σt σr

σr

σa

σt F

σa

Abb. 6.10: Ausbildung mehrachsiger Spannungszustände an Kerben

Am Beispiel des in Abbildung 6.10 dargestellten gekerbten Rundstabs unter axialer Belastung sollen typische Effekte von Kerben auf den Spannungszustand näher betrachtet werden. In hinreichend großer Entfernung von der Kerbe führt die Zugbelastung auf einen homogenen Spannungszustand: die Normalspannung S axial ist im gesamten Querschnitt konstant. Dort entspricht die auf den vollen Querschnitt bezogene Nennspannung der lokalen Kerbspannung5 . Durch den verminderten Querschnitt ist die Nennspannung im Kerbbereich bereits erhöht. Zusätzlich führt die in Kraftrichtung gekrümmte Oberfläche zur lokalen Spannungskonzentration an der Kerboberfläche. Die Normalspannung in axialer Richtung erreicht dort den Wert σa,max und liegt damit nach Gleichung (2.1) um den Faktor K t über der dort theoretisch wirkenden Nennspannung.

Darüber hinaus stellt sich im Kerbbereich ein mehrachsiger Spannungszustand ein, obwohl die Grundbeanspruchung einachsig ist. Während an der lastfreien Kerboberfläche ein zweiachsiger Spannungszustand entsteht, ist der Spannungszustand im Inneren des Stabes dreiachsig. Im betrachteten Zylinderkoordinatensystem treten lediglich Normalspannungen in axialer, radialer und tangentialer Richtung und keine Schubspannungen auf. Es sind daher 5

Streng genommen kann es in einem ungekerbten Querschnitt auch keine Kerbspannung geben. Hier wird allerdings als Kerbspannung die lokale, elastizitätstheoretisch berechnete Spannung σ bezeichnet, die in ungekerbten Querschnitten der Nennspannung S entspricht, da K t = 1 ist.

6.3 FEM zur Spannungsermittlung

137

die Hauptspannungen und das betrachtete zylindrische Koordinatensystem beschreibt an jedem Punkt des Kerbquerschnitts die Richtungen der Hauptachsen. Die sich einstellende Mehrachsigkeit ist eine Folge der inhomogenen Verteilung der axialen Spannung und der daraus resultierenden unterschiedlichen Querkontraktion, die sich nicht ungehindert über den Querschnitt verteilt einstellen kann. Dies führt auf Zugspannungen in Richtung der beiden zur axialen Grundbelastung senkrecht stehenden Achsen. Formzahlen zur Abschätzung der Spannungsüberhöhung an Kerben sind vielfach in Diagrammen dargestellt. Eine sehr ausführliche Zusammenstellung von Formzahlen ist in z. B. [50] zu finden. Damit ist die Beanspruchungsermittlung an Bauteilen auch ohne numerische Methoden wie der FEM möglich. Es ist jedoch auf die oft uneinheitliche Definition der Formzahl zu achten. Bisweilen wird nur das Verhältnis zur Grundbeanspruchungskomponente angegeben. Im Beispiel in 6.10 ist das die Axialspannung σa . In anderen Fällen ist die Formzahl mit der maximalen Vergleichsspannung in der Kerbe definiert. So stellt sich bei einer Welle mit Querbohrung unter Torsionsbelastung in der Querbohrung ein einachsiger Spannungszustand ein, während die Grundbeanspruchung reiner Schub zweiachsig ist. Eine generelle Aussage über die für die Stützwirkung relevante Kerbschärfe ist mit der Formzahl nicht möglich, obwohl das in einigen Publikationen unterstellt wird. Auf diese Problematik wurde bereits in Abschnitt 3.3 (Seite 47) hingewiesen. Die heute übliche Bauteilberechnung mittels FEM führt stets auf Kerbspannungen mit allen Komponenten des Spannungstensors an jedem Punkt des Bauteils. Früher wurden Kerbspannungen komplizierter Bauteile experimentell ermittelt. Das geschah z. B. durch Dehnungsmessung in Kerben an gegenüber der ursprünglichen Bauteilform proportional vergrößerten Proben. Daneben kann mittels der Methode der Spannungsoptik unter Verwendung von polarisiertem Licht die Spannungsverteilung in lichtdurchlässigen Proben untersucht werden. Eine ausführliche Beschreibung der Verfahren der experimentellen Beanspruchungsermittlung erfolgt beispielsweise in [27] und [58]. Für wenige Sonderfälle existieren geschlossene analytische Lösungen für die Spannungsverteilung an Kerben. Dafür sei besonders auf die Kerbspannungslehre von Neuber [45] verwiesen.

6.3 FEM zur Spannungsermittlung Die Finite-Elemente-Methode (FEM) ist die Standardmethode zur Ermittlung von Bauteilbeanspruchungen für die Festigkeitsberechnung. Mit diesem Abschnitt werden lediglich einige wichtige Aspekte mit Bezug auf die Betriebsfestigkeit benannt und erläutert. Am Ende des Absatzes finden sich Literaturhinweise für eine grundlegende Einführung in die FEM.

138

6 Bauteilbeanspruchung

Grundidee Die FEM basiert für die Strukturmechanik meist auf der Verschiebungsmethode. Das heißt, dass die Verschiebung die primär berechnete Größe ist. Die Grundidee der FEM beinhaltet die Aufteilung der zu berechnenden Struktur in viele kleine finite Elemente. Innerhalb der Elemente wird die Lösung durch Polynome als Ansatzfunktionen für die Verschiebung angenähert. Die Aufteilung der Struktur in Elemente mit lokalen Ansatzfunktionen wird als Diskretisierung bezeichnet. Als Konsequenz werden die partiellen Differentialgleichungen, die das Feldproblem von Festkörpern beschreiben, in lineare algebraische Gleichungen überführt. Die Elemente sind an den Knoten miteinander verbunden. Dort werden die Verschiebungen berechnet. Mit der Ansatzfunktion werden dann aus den Knotenverschiebungen die Verschiebungen innerhalb eines Elements angenähert. Die Kopplung der Elementverschiebung an den Knoten führt auf ein stetiges Verschiebungsfeld über die Elementgrenzen hinweg. Üblich ist dabei die Verwendung von quadratischen Ansatzfunktionen. Diese Elemente werden daher vereinfacht auch als quadratische Elemente bezeichnet. Aus den Verschiebungen werden mittels Differentiation die Dehnungen in jedem Element gewonnen. Über das Materialgesetz folgen aus den Dehnungen die Spannungen. So sind Dehnungen und Spannungen bei Elementen mit quadratischem Verschiebungsansatz linear über ein Element verteilt. Eine Konsequenz daraus ist, dass zwar die Verschiebungen an den Knoten von jedem benachbarten Element aus betrachtet stetig (kompatibel) sind, die daraus abgeleiteten Größen, wie die Spannungen, an den Elementgrenzen aber Sprünge aufweisen. In vielen FEM-Programmen werden daher die Spannungen (und Dehnungen) mit der Ansatzfunktion von den Integrationspunkten des Elements auf die Knoten hin extrapoliert und dort mit den Ergebnissen der anliegenden Elemente gemittelt. Diese werden als gemittelte Spannungen (averaged) oder Knotenspannungen (nodal stresses) bezeichnet.

Elementtypen unterschiedlicher räumlicher Dimension Im Allgemeinen werden kompakte Maschinenbauteile mit 3D-Elementen (Kontinuumselementen) vernetzt. Dabei werden alle Raumrichtungen mit vernetzt und es werden keine vereinfachenden kinematischen Annahmen, wie bei Balken- oder Schalenelementen getroffen. Die Verwendung dreidimensionaler Elemente führt korrekt angewandt zwar zu den genauesten Ergebnissen, allerdings auch auf große FE-Netze mit entsprechend hohem numerischen Rechenaufwand. Für Linientragwerke, also Bauteile, bei denen die Länge deutlich größer als die Querschnittsabmessungen ist, kann die Vernetzung mit 1D-Elementen wie Stabelementen für Fachwerkstrukturen oder Balkenelementen z. B. für Wellen erfolgen. Hierbei wird nur in Richtung der Längsachse vernetzt und die Querschnittabmessungen in Form von Querschnittsfläche

6.3 FEM zur Spannungsermittlung

139

oder Flächenträgheitsmoment sind Teil der Elementformulierung. Die berechneten Spannungen und Schnittreaktionen entsprechen denen der elementaren Festigkeitslehre. Die Spannungen sind also Nennspannungen und auch als solche zu bewerten. Kerben können mit 1D-Elementen generell nicht modelliert werden. Bei Flächentragwerken sind zwei Dimensionen deutlich größer als die dritte. Daher kann, analog zu den 1D-Elementen, die Vernetzung der Fläche mit 2D-Elementen unter der Annahme des ebenen Spannungszustands erfolgen. Auch Bauteile im ebenen Verzerrungszustand oder rotationssymmetrischer Geometrie und Belastung können zweidimensional berechnet werden. Wahl der Ansatzfunktion Die Berechnung der für die Betriebsfestigkeit relevanten Spannungen an gekerbten Bauteilen sollte i. A. mit Elementen quadratischer Ansatzfunktion erfolgen. In diesem Fall sind Spannungen und Dehnungen linear über einem FE-Element verteilt. Elemente mit linearer Ansatzfunktion führen hingegen auf konstante Spannungen in einem Element. Außerdem sind insbesondere lineare Tetraederelemente zu steif und führen somit auf zu geringe Spannungen. Lineare Elemente haben dennoch in einigen Bereichen ihre Berechtigung. Bei Simulationen mit sehr großen Verzerrungen, wie in der Umformsimulation oder bei Crashsimulationen mit expliziter Zeitintegration sind lineare Elemente zum Teil geeigneter. Tetraeder und Hexaeder Prinzipiell führen Hexaederelemente bei vergleichbarer Knotenanzahl und damit vergleichbarem numerischen Aufwand zu besseren Ergebnissen als Tetraederelemente. Gleiches gilt bei zweidimensionalen Berechnungen, wobei viereckige Elemente besser als dreieckige sind. Der Unterschied ist allerdings bei quadratischen Elementen nicht so stark ausgeprägt wie bei linearen Elementen, die als Tetraederform zu vermeiden sind. Allerdings ist die Vernetzung komplizierter Geometrien mit Hexaedern nur eingeschränkt automatisierbar und daher mit höherem zeitlichen Aufwand verbunden als die automatische Tetraedervernetzung. Wenn ein feines Hexaedernetz ohne die Verwendung von Kontaktelementen mit einem groben Hexaedernetz verbunden werden soll, sind Teraederelemte oft ebenfalls unvermeidbar. Im Hinblick auf die andauernde Leistungssteigerung der Rechentechnik ist es meistens allerdings auch einfacher, schneller und damit günstiger, Bauteile gleich mit vielen kleinen Tetraederelementen zu vernetzen und zu berechnen als ein aufwändigeres Hexaender-Netz mit weniger Freiheitsgraden zu erstellen. Netzqualität Die Genauigkeit der berechneten Spannungen hängt unmittelbar mit der Qualität der Vernetzung zusammen. Dabei spielt das FE-Netz in Kerben als typische Ausgangspunkte von

140

6 Bauteilbeanspruchung

Ermüdungsrissen eine besondere Rolle. Der Spannungsverlauf in unmittelbarer Kerbnähe ist besonders bei scharfen Kerben mit hohen Spannungsgradienten verbunden. Da dieser Spannungsverlauf von Elementen mit quadratischer Ansatzfunktion durch einen linearen Verlauf angenähert wird, ist in Kerben eine entsprechend feine Vernetzung mit vielen kleinen Elementen erforderlich. Die Berechnung des Spannungsgradienten erfordert ein noch feineres Netz als die Berechnung der maximalen Kerbspannung. Das liegt daran, dass der Spannungsgradient die Ableitung der Spannung nach dem Ort entspricht und damit der 2. Ableitung des Verschiebungsfeldes. Dieser Zusammenhang wird durch das Beispiel am Ende des Abschnitts verdeutlicht. Es existieren verschiedene Parameter zur Bewertung der Qualität der einzelnen Elemente. Ein wichtiges Kriterium ist das Seitenlängenverhältnis (aspect ratio) von Elementen. Dieses sollte im Bereich 0,5. . . 2 liegen. Im Idealfall sollten Elemente bezüglich ihrer Idealform6 möglichst gering verzerrt sein. Die Kantenlänge darf allerdings in den Richtungen größer sein, in denen der Gradient der Beanspruchung gering ist (z. B. in Dickenrichtung eines flachen Kerbstabes). Bei allem Bestreben die Spannungen in einem Bauteil möglichst exakt zu berechnen, sollte beachtet werden, dass die Lasten häufig nur ungenügend genau bekannt sind. Ein sehr feines Netz mit entsprechend genauem FE-Ergebnis (z. B. mit maximal 2% Abweichung zur exakten Lösung) spiegelt eine falsche Ergebnisgüte vor, wenn die Lastannahmen z. B. nur auf ±20% genau bekannt sind.

Bewertung der Ergebnisgenauigkeit Zur Bewertung der Ergebnisgüte einer FEM-Berechnung existieren verschiedene Möglichkeiten. Der Vergleich mit einer analytischen Lösung ist selten möglich, da das Vorhandensein einer solchen die FE-Rechnung von vornherein überflüssig gemacht hätte. Allerdings können die Ergebnisse bei unterschiedlich feiner Vernetzung miteinander verglichen werden. Ändern sich die Spannungen ab einer bestimmten Netzfeinheit nicht weiter, wird dies als Netzkonvergenz bezeichnet. Sie ist ein guter Indikator für eine ausreichend feine Vernetzung. Dabei ist zu beachten, dass Spannungen an singulären Stellen nicht ausgewertet werden dürfen. Sie gehen bei elastischem Materialgesetz mit zunehmender Netzfeinheit gegen unendlich. Solche singulären Stellen sind nicht nur Kerben ohne Kerbradius (und Kerböffnungswinkel

< 180°), sondern treten auch an Stellen mit konzentrierter Lasteinleitung (Punktlasten) und Verschiebungsrandbedingungen auf. Eine weitere Möglichkeit die Genauigkeit der berechneten Spannungen qualitativ zu bewerten ist der Vergleich von ungemittelten Elementspannungen und gemittelten Knotenspannungen. Bei hinreichend feiner Vernetzung verschwinden die Unterschiede. Als entsprechendes Fehlermaß kann die Klaffung F σ der Spannungskomponente σi j am Knoten k eines Elements 6

Für Hexaeder ist der Würfel die Idealform. Tetraederelemente haben im Idealfall die gleiche Kantenlänge.

6.3 FEM zur Spannungsermittlung

141

aus der gemittelten und der ungemittelten Spannung berechnet werden: F σi j =

∣σi j,k (ungemittelt) − σi j,k (gemittelt)∣ σi j,k (gemittelt)

.

(6.36)

Daneben existieren weitere Fehlerschätzer, wie z. B. in integraler Form auf Grundlage energetischer Betrachtungen. Diese sind ausführlich in [85] dargestellt. Dort ist auch der in ANSYS verwendete Fehlerindikator nach Zienkiewicz und Zhu aufgeführt. Bei all diesen Betrachtungen sollte nicht vergessen werden, dass erfahrungsgemäß die größte Fehlerquelle in falschen Lastannahmen und der unrealistischen Aufbringung von Last- und Verschiebungsrandbedingungen liegt.

Weiterführende Literatur Das Angebot von Lehr- und Fachbüchern zur FEM ist ebenso vielfältig wie unübersichtlich. Die nachfolgende Auswahl stellt daher nur eine subjektive Auswahl dar. Neben grundlegenden Standardwerken, wie [4] und [85], in denen ausführlich auf die mathematischen Zusammenhänge der FEM eingegangen wird, bieten z. B. [31], [43], [57] und [82] eine gute und an der Ingenieurpraxis orientierte Einführung. Außerdem existieren viele Bücher, worin die Anwendung am konkreten Beispiel bestimmter FEM-Software gezeigt wird. Für die Software ANSYS seien hier [14, 41] sowie [81] mit speziellem Fokus auf die Betriebsfestigkeit genannt. Beispiel

Am Beispiel der nebenstehend abgebildeten dünnen Scheibe unter konstanter Zugbeanspruchung soll mittels FEM berechnete maximale Kerbspannung und den bezogenen Spannungsgradienten in der Kerbe

2 mm 16 mm

der Einfluss der Netzfeinheit auf die

σ0

σ0

20 mm

gezeigt werden. Dazu wird von der Scheibe unter Ausnutzung der Doppelsymmetrie nur ein Viertel modelliert und mit Viereckselementen mit quadratischer Ansatzfunktion vernetzt. Dabei wird die Elementgröße e in der Kerbe zwischen e = 0,4 mm und e = 0,01 mm variiert. Die Beanspruchungen werden unter Annahme des ebenen Spannungszustandes ermittelt. Lösung Ausschnitte des FE-Netzes an der Kerbe sind für verschiedene Elementgrößen nachfolgend gezeigt. Die Ergebnisse der verschiedenen Netze werden auf das Ergebnis mit dem feinsten Netz (Elementgröße e = 0,01 mm) als Referenzlösung bezogen.

142

6 Bauteilbeanspruchung Dabei zeigt sich, dass bereits mit dem sehr groben FE-Netz mit der Elementgröße von e = 0,4 mm die maximale Kerbspannung mit 97 % der Referenzlösung recht gut berechnet wird. Die weitere Verkleinerung der Elemente ändert an diesem Ergebnis praktisch nichts mehr. Ganz anders sieht das für den bezogenen Spannungsgradienten aus, der aus der Spannungsdifferenz der 1. Hauptspannung im ersten Element an der Kerboberfläche nach Gleichung (3.8) berechnet wurde. Dieser Wert konvergiert deutlich schlechter.

e = 0,2 mm

e = 0,1 mm

e = 0,05 mm

e = 0,02 mm

e = 0,01 mm

Netzkonvergenz

Wert bezogen auf Referenzlösung

100% 90%

max. Spannung bez. Spannungsgradient

80%

70% 60% 50%

0

0,1

0,2

0,3

0,4

Elementgröße 1. Schicht [mm]

Zur Berechnung eines möglichst genauen Werts des bezogenen Spannungsgradienten muss also ein deutlich größerer Aufwand betrieben werden. Das relativiert sich jedoch wieder etwas, wenn der Einfluss eines ungenauen Spannungsgradienten auf die Stützzahl betrachtet wird. Diese soll beispielhaft nach FKM-Richtlinie (mit Gleichung (8.23) bzw. Abbildung 3.11) für einen hochfesten Vergütungsstahl mit R m = 1000 MPa und für Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL) mit R m = 100 MPa berechnet werden. Der Einfluss des Fehlers des bezogenen Spannungsgradienten auf die Stützzahl ist aufgrund des degressiven Zusammenhangs zwischen dem bezogenen Spannungsgradienten und der Stützzahl gering.

6.4 Beanspruchungsermittlung an geschweißten Bauteilen e in mm

σmax in MPa

χ' in mm-1

143 nχ' (Stahl)

nχ' (GJL)

Rm = 1000 MPa

Rm = 100 MPa

0,40

298,9

97,0%

1,13

52,0%

1,14

97,9%

2,08

0,22

301,9

98,0%

1,48

67,8%

1,15

98,7%

2,15

91,6% 94,8%

0,14

305,0

99,0%

1,71

78,5%

1,15

99,2%

2,19

96,7%

0,10

306,4

99,5%

1,86

85,5%

1,16

99,5%

2,22

97,9%

0,05

307,6

99,9%

2,04

93,8%

1,16

99,8%

2,25

99,1%

0,02

308,0

100%

2,14

98,3%

1,16

99,9%

2,26

99,8%

0,01

308,0

100%

2,18

100%

1,16

100%

2,27

100%



6.4 Beanspruchungsermittlung an geschweißten Bauteilen Schweißnähte bewirken als Kerben an sich bereits Spannungskonzentrationen. Häufig sind sie außerdem an Stellen von Querschnittsänderungen und damit geometrischen Kerben anzutreffen, womit es zur Überlagerung der Wirkung beider Kerben kommt. Beide Kerbarten werden beim Festigkeitsnachweis von Schweißverbindungen an Bauteilen verschieden berücksichtigt. Somit kann der Nachweis anhand von drei prinzipiell verschiedenen Beanspruchungsgrößen erfolgen: der lokalen Nennspannung σn , der Strukturspannung σhs und der Kerbspannung σk . Entsprechend unterscheidet man den Nachweis in die Konzepte: Nennspannungs-, Strukturspannungs- und Kerbspannungskonzept. Nach welchem Ansatz der Nachweis zu führen ist, wird in den anzuwendenden Normen und Richtlinien beschrieben. Neben der FKM-Richtlinie mit der grundsätzlichen Übereinstimmung zu den IIW-Empfehlungen [97] sind das z. B. auch DIN EN 1993 (Eurocode 3) [87], die Standards des Germanischen Lloyds und die AD 2000 für Druckbehälter [99].

6.4.1 Nennspannungen Das Nennspannungskonzept für Schweißverbindungen setzt die eindeutige Definition einer Nennspannung σn voraus. Weiterhin muss die Schwingfestigkeit der Schweißverbindung in Form einer Kerbfallklasse zugeordnet werden können. Diese werden in Abschnitt 8.6 behandelt. Viele Schweißkonstruktionen bestehen aus einzelnen Blechen oder Rohren. Die Nennspannungen können daher mittels elementarer Mechanik auf Grundlage der Balkentheorie oder als Scheiben und Platten berechnet werden. Die Definition der Nennspannungen unterscheidet sich allerdings zu der von nichtgeschweißten Bauteilen. So bleibt zwar die Spannungskonzentration der Schweißnaht unberücksichtigt, aber die Spannungskonzentration der makroskopischen Bauteilgeometrie muss berücksichtigt werden, wie dies in Abbildung 6.11 dargestellt ist. Um diesen wichtigen Unterschied deutlich zu machen, wird der Begriff der lokalen Nennspannung verwendet. Auch die span-

144

6 Bauteilbeanspruchung Mb F σn

σn

σn

Mb

F

Abb. 6.11: Nennspannung, korrigiert um geometrische Effekte, nach [97]

F

σn

σn

axialer Versatz

F

F

σn

σn

F

Winkelversatz

Abb. 6.12: Spannungsüberhöhung durch axialen Versatz und Winkelversatz, nach [97]

nungsüberhöhende Wirkung durch Versatz, wie in Abbildung 6.12 dargestellt, muss bei der Ermittlung der Nennspannung σn berücksichtigt werden, sofern dies nicht von der Kerbfallklasse in Form einer abgeminderten Schwingfestigkeit mit abgedeckt wird.

6.4.2 Strukturspannungen Bei Bauteilen mit komplizierter Geometrie ist die sinnvolle Definition einer Nennspannung oft nicht mehr möglich. Außerdem umfassen die nennspannungsbasierten Kerbfallklassen, die die Schwingfestigkeit einer Schweißverbindung angeben, nur einfache, typische konstruktive Ausführungen. Deshalb ist das Strukturspannungskonzept entwickelt worden. Der Grundgedanke geht auf Haibach [156] zurück. Die Entwicklung erfolgte zunächst für Schweißkonstruktionen an Offshoreanlagen. Inzwischen wird das Strukturspannungskonzept auch in vielen anderen Bereichen, wie im Behälter- oder Fahrzeugbau, angewendet und hat in wichtige Regelwerke und Richtlinien Eingang gefunden (Eurocode 3, FKM-Richtlinie/IIWEmpfehlungen). Strukturspannungen lassen sich auf Grundlage von FE-Berechnungen sehr einfach ermitteln. Dabei ist der Modellierungsaufwand deutlich geringer als beim nachfolgend behandelten Kerbspannungskonzept für Schweißnähte (Abschnitt 6.4.3). Ähnlich zu den lokalen Nennspannungen beim Nennspannungskonzept werden beim Strukturspannungskonzept die Einflüsse der Bauteilgeometrie und der Schweißnaht auf die Bean-

6.4 Beanspruchungsermittlung an geschweißten Bauteilen

145

spruchung getrennt. In unmittelbarer Nähe zur Schweißnaht steigt die Spannung aufgrund der Schweißnaht überproportional stark an. Unter Strukturspannung versteht man diejenige Spannung, die sich durch die makroskopische Bauteilgeometrie und die Geometrie des Schweißknotens einstellt. Sie enthält also alle last- und geometriebedingten Spannungserhöhungen, außer denen infolge der Schweißnaht selbst. Ihre Berechnung am Nahtübergang erfolgt durch Extrapolation des Spannungsverlaufs kurz vor der Schweißnaht zur Naht hin. Durch die Elimination der Spannungskonzentration direkt am Nahtübergang können sämtliche Schweißnähte mit der gleichen Schweißnahtwöhlerlinie bewertet werden. Diese ist in Abschnitt 8.6 für Strukturspannungen angegeben. Aus der Extrapolation resultiert eine wichtige prinzipielle Einschränkung der Festigkeitsbewertung mit Strukturspannungen: Es kann nur der Nachweis gegen Anrisse erfolgen, die vom Nahtübergang ausgehen, nicht aber von der Nahtwurzel. Daher sollte das Konzept nur für durchgeschweißte Verbindungen und nicht für Kehlnähte erfolgen. Zur Ermittlung der Strukturspannung existieren verschiedene Ansätze. Sie unterscheiden sich in der Art der Linearisierung des Spannungsveraufs vor der Schweißnaht: 1. Extrapolation der Spannungen, die in definiertem Abstand zur Naht auf der Blechoberfläche liegen nach Niemi [208] 2. Mittelung der Biege- und Membranspannungen über der Blechdicke direkt unterhalb der Schweißnaht nach Radaj [51] 3. Mittelung der Biege-, Membran- und Schubspannungen über der Blechdicke in einem bestimmten Abstand δ vor der Schweißnaht nach Dong [126] Im Folgenden wird nur auf die erste Methode genauer eingegangen. Sie findet in der Praxis verbreitet Anwendung und wird auch in den IIW-Empfehlungen angewendet. Die Extrapolation des Spannungsverlaufs von den Referenzpunkten hin zum Schweißnahtübergang ist in Abb. 6.13 gezeigt. Der Abstand der Referenzpunkte vom Nahtübergang ist dabei von der Blechdicke t abhängig. In den IIW-Empfehlungen wird als Spannungskomponente die Hauptspannung verwendet, welche am ehesten senkrecht zur Schweißnaht steht (±60°). Sollte eine weitere Hauptspannung nicht vernachlässigbar klein sein, ist die Bewertung dieser Komponente nach dem Nennspannungskonzept für parallel zur Naht verlaufende Spannungen zu führen. Die Berechnung erfolgt im Postprocessing einer FE-Analyse durch Auswertung der Spannungen entlang des Pfades vor der Naht. Bei Bauteilen, die mit 3D-FE-Elementen berechnet werden, muss die Schweißnaht mit modelliert werden. Bei der Verwendung von Schalenelementen wird die Schweißnaht durch Verbundkontakt der Elemente ohne die Naht abgebildet. Auch die Extrapolationsvorschrift unterscheidet sich bei Volumen- und Schalenelementen. Es wird zudem zwischen Nachweispunkten von Typ a: Nahtübergang auf der Oberfläche einer Platte und Typ b: Nahtübergang auf der Kante einer Platte, gemäß Abbildung 6.14 unterschie-

146

6 Bauteilbeanspruchung σ

σhs

σmax Referenzpunkte

r F

t

F

Abb. 6.13: Ermittlung der Strukturspannung durch Extrapolation des Spannungsverlaufs, nach [97]

Typ a Typ b

Typ a

Abb. 6.14: Nachweispunkte vom Typ a und Typ b, nach [97]

den. Es existieren in den IIW-Empfehlungen jeweils verschiedene Extrapolationsregeln, die entsprechend des Anwendungsfalls vom Anwender auszuwählen sind. Sie gelten stets für Elemente mit quadratischer Ansatzfunktion.

Strukturspannung σhs am Nachweispunkt (hot spot) vom Typ a Für feine FE-Netze mit Elementkantenlängen e ≤ 0,4 ⋅ t am Nachweispunkt gilt σhs = 1,67 ⋅ σ(r =0,4⋅t ) − 0,67 ⋅ σ(r =1,0⋅t ) .

(6.37)

Bei stark inhomogener (nichtlinearer) Spannungsverteilung, z. B. in der Nähe scharfer Kerben, wird für feine Netze (e ≤ 0,4 ⋅ t ) eine quadratische Extrapolation mit 3 Referenzpunkten empfohlen: σhs = 2,52 ⋅ σ(r =0,4⋅t ) − 2,24 ⋅ σ(r =0,9⋅t ) + 0,72 ⋅ σ(r =1,4⋅t ) .

(6.38)

6.4 Beanspruchungsermittlung an geschweißten Bauteilen

147

Für grobe FE-Netze mit Elementkantenlängen gleich der Blechdicke t , erfolgt die Extrapolation der Spannungen an den Elementmittelknoten: σhs = 1,50 ⋅ σ(r =0,5⋅t ) − 0,50 ⋅ σ(r =1,5⋅t ) .

(6.39)

Strukturspannung σhs am Nachweispunkt (hot spot) vom Typ b Liegen Nachweisstellen nicht auf der Blechoberfläche, sondern auf der Blechkante, ist die Lage der Extrapolaktionspunkte von der Blechdicke unabhängig. Es gilt folgende quadratische Extrapolationsvorschrift für feine Netze (e ≤ 0,4 ⋅ t ) σhs = 3 ⋅ σ(r =4 mm) − 3 ⋅ σ(r =8 mm) + σ(r =12 mm) .

(6.40)

Bei groben Netzen mit Elementkantenlängen von 10 mm wird die lineare Extrapolation der Spannungen an den Elementmittenknoten angewendet: σhs = 1,5 ⋅ σ(r =5 mm) − 0,5 ⋅ σ(r =15 mm) .

(6.41)

Bei Feinblechen mit Blechdicken t ≤ 3 mm erfolgt die Modellierung der Struktur zur Auswertung der Strukturspannungen mit Schalenelementen. Dabei haben die Elemente an der Schweißnaht die doppelte Dicke des dünneren Blechs. Das Verfahren ist genauer in [139] beschrieben. Darüber hinaus werden noch weitere Methoden zur Berechnung der Strukturspannungen z. B. in [144] beschrieben, welche nicht Teil des Nachweises nach IIW-Empfehlungen sind. Beispiel Für die nachfolgend abgebildete Schweißverbindung soll die Strukturspannung ermittelt werden. Die umlaufende Schweißnaht ist voll durchgeschweißt (DHV Fuge). Die Belastung erfolgt durch eine axiale Kraft von F = 40 kN.

10 mm

F = 40 kN

40 mm

100 mm 10 mm F = 40 kN

148

6 Bauteilbeanspruchung Lösung Das FE-Modell wird unter Ausnutzung der Doppelsymmetrie als Viertelmodell berechnet. Die Berechnung erfolgte mit 3D-Elementen mit quadratischem Verschiebungsansatz. Als globale Elementkantenlänge wurde 5 mm vorgegeben. Angezeigt sind die gemittelten Spannungen. Die maximale Beanspruchung tritt in der Symmetrie auf. Gezeigt ist die Spannung σx in Richtung der Kraft. y x z

Der Verlauf der Normalspannung σx auf der Blechoberfläche ist durch die durchgezogene Linie in der nachfolgenden Abbildung gezeigt. Aus der Blechdicke von t = 10 mm ergeben sich die beiden Stützstellen für die lineare Extrapolation nach Gleichung (6.37) bei 0,4 ⋅ t = 4 mm und 1,0 ⋅ t = 10 mm. Die entsprechenden Spannungswerte sind σx,(0,4⋅t ) = 49,51 MPa und σx,(1,0⋅t ) = 44,76 MPa. Damit folgt die Strukturspannung zu σhs = 1,67 ⋅ 49,51 MPa − 0,67 ⋅ 44,76 MPa = 52,69 MPa. σx/MPa 60

40 20

y x

◻ 6.4.3 Kerbspannungen Das Kerbspannungskonzept für Schweißnähte ist im Vergleich zu den beiden voran vorgestellten Konzepten am aufwändigsten, ist aber mit den wenigsten Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit verbunden und kann für beliebige Bauteil- und Schweißnahtformen verwendet werden. Es ist für beide Nachweisstellen, Schweißnahtwurzel und Schweißnahtübergang, anwendbar. Das Konzept geht auf Radaj [51] zurück und ist heute in vielen Regelwerken verankert.

6.4 Beanspruchungsermittlung an geschweißten Bauteilen

149

Referenzradius rref = 1 mm

F

F

Abb. 6.15: Referenzradius r ref zur Berechnung von Kerbspannungen an Nahrübergängen, nach [54]

Tab. 6.1: Empfohlene Elementkantenlängen e zur Berechnung von Kerbspannungen nach [145]

Elementtyp

relativ zum Kerb- r ref = 1 mm

r ref = 0,05 mm

radius quadratisch linear

≤ r /4 ≤ r /6

Anz.

Elemente

auf 1/8-Kreis e ≤ 0,25 mm

e ≤ 0,012 mm

e ≤ 0,15 mm

e ≤ 0,008 mm

≥3 ≥5

Die Schweißverbindung wird mit FEM-Volumenelementen modelliert und als Beanspruchungsgröße wird direkt die Kerbspannung σk,max ausgewertet. Das Materialverhalten wird, wie bei den vorangegangenen Konzepten, als linearelastisch angenommen. Für alle Schweißverbindungen gilt wie beim Strukturspannungskonzept eine einzige Wöhlerlinie (siehe Abschnitt 8.6), gegen die die auftretende Kerbspannung bewertet wird. Die Übergangsradien an den Schweißnahtenden werden mit einem einheitlichen Referenzradius r ref , gemäß Abb. 6.15, modelliert. Durch den Referenzradius wird die Nahtkerbe abgerundet und so eine entsprechend geringere Beanspruchung ermittelt. Damit soll die Stützwirkung in der Nahtkerbe berücksichtigt werden. Der zu wählende Referenzradius hängt von der geschweißten Blechdicke ab. Für Grobbleche mit t ≥ 5 mm wird r ref = 1,0 mm verwendet. Dünne Bleche mit t < 5 mm werden mit r ref = 0,05 mm berechnet [269]. Für den allgemein zweiachsigen Spannungszustand in der Schweißnahtkerbe kann die Vergleichsspannung nach der GEH oder der NH gebildet werden. Je nachdem unterscheidet sich die anzusetzende Schwingfestigkeit (FAT-Klasse), siehe Abschnitt 8.6. Für die Ermittlung der Kerbspannungen sind sehr fein aufgelöste FE Netze notwendig. Ausführliche Modellierungshinweise dazu sind in [145] und [221] zu finden. Die darin empfohlenen Elementgrößen im Verrundungsradius der Schweißnaht sind in Tabelle 6.1 zusammengefasst. Viele Praktische Hinweise zur FEM-basierten Modellierung von Schweißnähten nach dem Strukturspannungskonzept und dem Kerbspannungskonzept sind auch in [243] zusammengestellt. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass die IIW-Empfehlungen nach Kenntnis der Autoren derzeit das einzige Regelwerk sind, welches den Festigkeitsnach-

150

6 Bauteilbeanspruchung

weis für Schweißverbindungen konsequent mit Vernetzungshinweisen zur FEM-Anwendung verbindet, siehe dazu auch [209]. Beispiel Für das vorherige Beispiel sollen nun auch die Kerbspannungen in der Schweißnaht berechnet werden. Die Belastung und Geometrie bleiben dafür unverändert. Lösung Das FE-Modell wird wieder unter Ausnutzung der Doppelsymmetrie als Viertelmodell mit 3D-Elementen mit quadratischem Verschiebungsansatz berechnet. Um den Übergang am Nahtübergang mit dem Referenzradius r ref = 1 mm mit einem regelmäßigen Hexaedernetz zu vernetzen, wird die Struktur, wie in der Abbildung ersichtlich, in verschiedene Teilvolumina zerlegt. Nachdem die Kerbe vernetzt wurde, erfolgt die Vernetzung der restlichen Geometrie mit Tetraederelementen.

Ausgewertet wird die maximale Hauptspannung, deren Maximum in der Symmetrieebene mit σ1,max = 112,93 MPa auftritt. Dieser Wert ist mehr als doppelt so groß wie die Strukturspannung im vorangegangenen Beispiel. Allerdings sind auch die durch die FAT-Klassen angegebenen ertragbaren Kerbspannungen (Abschnitt 8.6.4) in vergleichbarem Maße größer als die ertragbaren Strukturspannungen (Abschnitt 8.6.3). In der Abbildung sind die gemittelten Spannungen angezeigt.



6.5 Verständnisfragen zu Kapitel 6

151

6.5 Verständnisfragen zu Kapitel 6 1. Welche Spannungskomponenten kennzeichnen den allgemeinen räumlichen Spannungszustand? 2. Was wird unter zugeordneten Schubspannungen verstanden? 3. Was ist der deviatorische Anteil des Spannungstensors und wie kann er berechnet werden? 4. Welche physikalische Bedeutung haben die Eigenwerte und Eigenvektoren des Spannungstensors? 5. Wozu dienen Festigkeitshypothesen? 6. Wie kann die Gestaltänderungsenergiehypothese physikalisch gedeutet werden? 7. Welcher Spannungszustand liegt i. A. an der unbelasteten Bauteiloberfläche in der Kerbe vor? 8. Warum tritt in Kerben allgemein ein mehrachsiger Spannungszustand auf? 9. Mit welchen FE-Elementtypen werden bei linearelastischer Analyse Nennspannungen und mit welchen Kerbspannungen berechnet? 10. Warum ist zur Ermittlung des bezogenen Spannungsgradienten in Kerben mit der FEM ein feineres Netz erforderlich als zur Ermittlung der Maximalspannung? 11. Welche Möglichkeiten gibt es die Ergebnisgüte einer FEM-Berechnung zu bewerten? 12. Was ist mit lokalen Nennspannungen bei Schweißverbindungen gemeint? 13. Welche Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit bestehen beim Strukturspannungskonzept? 14. Welche Radien werden für die Schweißnahtübergänge im FE-Modell beim Kerbspannungskonzept verwendet? 15. Warum sind Kerbspannungen i. A. deutlich größer als Strukturspannungen?

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis Mit dem statischen Festigkeitsnachweis wird die Sicherheit statisch beanspruchter Bauteile gegen Gewaltbruch oder unzulässig große plastische Verformungen bei duktilen Werkstoffen nachgewiesen. Er ist auch stets in Verbindung mit dem Betriebsfestigkeitsnachweis und beim Dauerfestigkeitsnachweis mit σm ≠ 0 zu führen. In diesem Fall dient er zur Absicherung gegen die Maximalspannung der Last-Zeit-Folge und wenn notwendig gegen Sonderlasten, Überlastfälle oder ungünstige Betriebszustände1 . Wird der statische Nachweis zusammen mit dem Betriebsfestigkeitsnachweis geführt, ist der Nachweis mit der höchsten Auslastung bzw. der geringsten Sicherheit entscheidend.

7.1 Aufbau und Nachweisführung Für den statischen Festigkeitsnachweis wird die Beanspruchung in einem Bauteil, mit der zulässigen Beanspruchung, der statischen Bauteilfestigkeit σSK , vermindert um einen Sicherheitsfaktor j , verglichen. Für den im Allgemeinen mehrachsigen Spannungszustand am Nachweispunkt eines Bauteils ist eine geeignete Vergleichsspannung σV nach Abschnitt 6.2.2 zu wählen. Der Nachweis ist erfüllt, wenn σV ≤

σSK j

(7.1)

gilt. Bezogen auf eine geforderte Mindestsicherheit j min muss folglich gelten: j min ≤

σSK . σV

(7.2)

Die statische Bauteilfestigkeit beinhaltet alle werkstoff-, fertigungs-, umgebungs- und konstruktionsbedingten Einflüsse. Diese sind in Abschnitt 7.2 beschrieben. Allgemein werden duktile Werkstoffe gegen die Streckgrenze und spröde Werkstoffe gegen die Zugfestigkeit ausgelegt. Der anzusetzende Sicherheitsfaktor j min hängt von der Überlebenswahrscheinlichkeit der verwendeten Festigkeitskennwerte R e bzw. R m ab und wird in der verwendeten Norm oder Richtlinie festgelegt. Er ist also Bestandteil der jeweiligen Norm und kann nicht in eine andere übertragen werden.

1

Darunter fallen auch Belastungen, die beim Transport oder der Montage eines Bauteils auftreten können.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_7

153

154

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

Der statische Festigkeitsnachweis ist nach der FKM-Richtlinie erbracht, wenn der Auslastungsgrad a ≤ 1 ist. Der erforderliche Sicherheitsfaktor, in der Richtlinie mit j bezeichnet, ist darin bereits enthalten. Der Auslastungsgrad wird mit a SK =

σV σSK / j ges

(7.3)

berechnet. Die Vergleichsspannung σV wird abhängig von der Duktilität des Werkstoffs nach unterschiedlichen Festigkeitshypothesen berechnet. Für duktile Werkstoffe wie Stahl, Stahlguss und Alu-Knetlegierungen wird die Gestaltänderungsenergiehypothese verwendet. Für semiduktile und spröde Werkstoffe wird eine kombinierte Vergleichsspannung aus der Gestaltänderungsenergiehypothese und der Normalspannungshypothese nach Gleichung (6.34) gebildet. Der geforderte Gesamtsicherheitsfaktor j ges wird nach Abschnitt 7.5 berechnet. Der Einfluss der mit steigender Temperatur abnehmenden Werkstofffestigkeit wird in der FKM-Richtlinie ausschließlich durch einen Anteil am Gesamtsicherheitsfaktor und nicht als abmindernder Korrekturfaktor auf die Festigkeit berücksichtigt. Weiterhin wird ein zusätzlicher Nachweis für den hydrostatischen Anteil der Spannungen gefordert, wenn der Mehrachsigkeitsgrad h einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Der Mehrachsigkeitsgrad eines Spannungszustandes entspricht dem Verhältnis aus hydrostatischem Anteil der Spannungen σh nach (6.7) und der verwendeten Vergleichsspannung: h=

σh . σV

(7.4)

Für den einachsigen Spannungszustand ist h = 1/3, bei reinem Schub ist h = 0 und für den hydrostatischen Spannungszustand wird h = ∞. Bei hohem Mehrachsigkeitsgrad ∣h ∣ > 1,333 muss zusätzlich der Nachweis für den hydrostatischen Anteil der Spannung geführt werden. Dieser ist in der 7. Auflage der FKM-Richtlinie in Abschnitt 3.6.1.2 beschrieben. Liegt der Nachweispunkt an einer unbelasteten Bauteiloberfläche, ist dieser Nachweis aufgrund des dort vorherrschenden ebenen Spannungszustands im Allgemeinen nicht erforderlich.

7.2 Bauteilfestigkeit und Einflussgrößen Beim statischen Festigkeitsnachweis ist zwischen sprödem und duktilem Werkstoffverhalten zu unterscheiden. Bei spröden Werkstoffen erfolgt der Nachweis gegen Bruch mit der Zugfestigkeit R m . Bauteile aus duktilen Werkstoffen werden gegen plastisches Fließen, also mit R e ausgelegt. Die statische Bauteilfestigkeit σSK ist von der Halbzeuggröße abhängig, aus der das Bauteil gefertigt wurde (technologischer Größeneinfluss). Bauteile besitzen i. A.

7.2 Bauteilfestigkeit und Einflussgrößen

155

einen größeren Querschnitt als genormte Probestäbe, was mit einer geringeren Festigkeit einhergeht. Bei Walz- und Schmiedebauteilen muss weiterhin die Anisotropie der Festigkeit berücksichtigt werden, da hier die Festigkeit quer zur Bearbeitungsrichtung geringer als in Bearbeitungsrichtung ist. Liegt bei Bauteilen aus duktilem Werkstoff eine inhomogene Beanspruchung vor (durch Biegung, Torsion oder generell in Kerben), so kann ein lokales Überschreiten der Streckgrenze zugelassen werden. Sind die plastischen Dehnungsanteile gering und lokal begrenzt, können sie vom Werkstoff ertragen werden und haben aufgrund des umgebenden, elastisch beanspruchten Bereichs nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtverformung des Bauteils. Das wird als plastische Stützwirkung bezeichnet und kann durch die plastische Stützzahl n pl berücksichtigt werden. Dadurch erfolgt die Berücksichtigung des nichtlinearen Werkstoffverhaltens nach Überschreitung der Streckgrenze auf der Seite des Nachweises, während die Ermittlung der Bauteilbeanspruchung rein linearelastisch erfolgt. Die Berechnung von n pl wird in Abschnitt 7.3 gezeigt. Die statische Bauteilfestigkeit entspricht somit bei duktilen Werkstoffen σSK = n pl ⋅ R e .

(7.5)

Die Normfestigkeiten R p,N und R m,N sind in Abschnitt 5.1 der FKM-Richtlinie angegeben. Sie gelten für einen von der Werkstoffgruppe abhängigen effektiven Probendurchmesser von d eff,N und eine Überlebenswahrscheinlichkeit von P Ü = 97,5%. Die Bauteil-Normwerte der Streckgrenze bzw. der Zugfestigkeit werden damit wie folgt berechnet: R p = K d,p ⋅ K A ⋅ R p,N ,

(7.6)

R m = K d,m ⋅ K A ⋅ R m,N .

(7.7)

Die Berechnung des technologischen Größenfaktors K d,m wird in der Richtlinie in Abschnitt 3.2.1.4 beschrieben. Für Stahl ist die Berechnungsformel durch Gleichung (3.3) bereits in Abschnitt 3.2 angegeben. Es gilt K d,m = K d,p . Die Bauteilgröße ist durch den effektiven Durchmesser des Bauteils d eff an der Nachweisstelle charakterisiert. Dabei werden zwei Fälle unterschieden. Fall 1 gilt für Bauteile aus vergütetem Vergütungsstahl, einsatzgehärtetem Einsatzstahl, vergütetem und nitriertem Nitrierstahl und Eisenguss. Der effektive Durchmesser kann aus dem Volumen und der Oberfläche des betrachteten Bauteilquerschnitts berechnet werden: d eff = 4 ⋅

V . A

(7.8)

Bei Bauteilen mit kompliziertem Querschnitt kann vereinfachend an der Nachweisstelle der Querschnitt durch ein Rechteck mit den Kantenlängen b und s angenähert werden. Der

156

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

effektive Durchmesser ist dann d eff =

2b ⋅ s . b+s

(7.9)

Fall 2 gilt für Bauteile aus unlegiertem Baustahl, Feinkornbaustahl, normalgeglühtem Vergütungsstahl, Stahlguss und Aluminiumwerkstoff. Der effektive Durchmesser entspricht in diesem Fall der Wandstärke des Bauteils. Die abgeminderte Festigkeit von Walz- und Schmiedeteilen, die quer zur Bearbeitungsrichtung belastet sind, wird durch den Anisotropiefaktor K A berücksichtigt. Für Stahl sind die Werte in Tabelle 7.1 angegeben. Bei Beanspruchung in Bearbeitungsrichtung, bei Schubspannungen und allgemein bei mehrachsigen Spannungszuständen gilt K A = 1. Die statische Bauteilfestigkeit wird für alle Werkstoffe mit der Streckgrenze und der plastischen Stützzahl (Abschnitt 7.3) berechnet: σSK = n pl ⋅ R p

(7.10)

Der Nachweis gegen die Zugfestigkeit R m erfolgt beim Nachweis ausschließlich über einen eigenen Sicherheitsfaktor. Bei sehr hohen oder tiefen Temperaturen muss deren Einfluss auf die Festigkeit mit berücksichtigt werden. Für den Festigkeitsnachweis ist mit einer geringeren Warmfestigkeit R m,T bzw. R p,T zu rechnen: R m,T = K T,m ⋅ R m ,

(7.11)

R p,T = K T,p ⋅ R p .

(7.12)

Die Temperaturfaktoren K T,m und K T,p sind identisch und sind in Abbildung 7.1 über der Temperatur aufgetragen. Sie unterscheiden sich allerdings von den in Tabelle 3.6 angegebenen Temperaturfaktoren für die Wechselfestigkeit K T,D . Wenn hohe Temperaturen über eine lange Zeit hinweg wirken, kommt es außerdem zum Kriechen. Dabei steigt die Verformung bei konstanter Belastung mit der Zeit an. Für den Festigkeitsnachweis sind dann folgende zwei Kennwerte entscheidend: die Zeitstandfestigkeit als diejenige Spannung, die bei der wirkenden Temperatur T nach einer bestimmten Zeit zum Bruch führt und die Zeitdehngrenze als die Spannung, die bei der wirkenden Temperatur T nach einer bestimmten Zeit zu einer bestimmten bleibenden Dehnung führt. Bei tiefen Temperaturen sind hingegen eine abnehmende Duktilität und die dadurch steigende Sprödbruchgefahr zu beachten. In der FKM-Richtlinie werden die Temperaturfaktoren nicht explizit zur Abminderung der Festigkeit bei hohen Temperaturen verwendet. Der Temperatureinfluss wird lediglich durch den von diesen Faktoren bestimmten, höheren Sicherheitsfaktor berücksichtigt.

7.3 Plastische Stützwirkung

157

Temperaturfaktoren KT,m bzw. KT,p

1

Stahl (außer nichtrost. Stahl) Feinkornbaustahl

0,8

GS 0,6 GJS

0,4

GJM GJL

0,2

Aluminiumwerkstoff Alu.-Leg. (aushärtbar)

0 0

100

200

300

400

500

Alu.-Leg. Aluminiumwerkstoff (nicht aushärtbar)

Temperatur T in °C

Abb. 7.1: Temperaturfaktor zur Berechnung der Warmfestigkeit nach FKM-Richtlinie [95]

Tab. 7.1: Anisotropiefaktor K A für Walz- und Schmiedeteile aus Stahl

R m in MPa

bis 600

600-900

900-1200

über 1200

KA

0,9

0,86

0,83

0,80

7.3 Plastische Stützwirkung Zur Berechnung der plastischen Stützzahl müssen die beiden möglichen Versagensarten2 von Bauteilen berücksichtigt werden: lokales Versagen, bei dem die zulässige Dehnung im Kerbgrund überschritten wird und globales Versagen, welches durch das vollständige Plastifizieren des Bauteilquerschnitts gekennzeichnet ist. Die plastische Stützzahl wird durch das Versagen bestimmt, welches zuerst eintritt bzw. für das die kleinste plastische Stützzahl berechnet wird: n pl = min (n pl,lok ; n pl,glob ) 2

(7.13)

Darüber hinaus ist noch das Stabilitätsversagen durch Knicken oder Beulen möglich. Dies wird im Maschinenbau, anders als im Stahlbau, üblicherweise nicht mit im Festigkeitsnachweis berücksichtigt.

158

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

Spannung

σ

tatsächliche Fließkurve

Re idealplastisches Materialverhalten

Dehnung

ε

Abb. 7.2: Linearelastisch-idealplastisches Materialverhalten

Zur Berechnung der Stützzahl wird vereinfachend linearelastisch-idealplastisches Materialverhalten angenommen. Dabei kann, wie in Abbildung 7.2 ersichtlich, keine höhere Spannung als die Fließspannung R e auftreten. Diese Annahme führt zu konservativen Ergebnissen im Bezug auf die Sicherheit, da aufgrund des Verfestigungsvermögens metallischer Werkstoffe nach Überschreiten der Streckgrenze auch Spannungen σ > R e auftreten können.

Lokales Versagen Die elastisch-plastische Beanspruchung in Kerben, die sich nach Überschreitung der Streckgrenze einstellt, kann anhand einer elastizitätstheoretisch berechneten Spannung mit der Neuber-Regel [206] abgeschätzt werden. Sie besagt, dass das Produkt aus Spannung und Dehnung bei linearelastischem Material gleich dem bei linearelastisch-plastischem Materialverhalten ist, solange die Nennspannungen im elastischen Bereich liegen. Bei idealplastischem Materialverhalten gilt somit σmax ⋅ εlin.-el. = R e ⋅ εges .

(7.14)

Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 7.3 verdeutlicht. Bei linearelastischem Material stellt sich in der Kerbe die maximale Spannung σmax bei einer rein elastischen Dehnung εlin.-el. ein. Der Schnittpunkt der Kurve σ ⋅ ε = konst., die durch Punkt 1 verläuft, ergibt mit dem elastisch-plastischen Materialgesetz die tatsächlichen Werte für Spannung und Dehnung in Punkt 2. Für linearelastisch-idealplastisches Material wiederum ist die Streckgrenze R e die maximal mögliche Spannung. Der Schnittpunkt 2 führt auf die Gesamtdehnung εges = εel + εpl . Die Dehnung εlin.-el. ist eine rein theoretische Größe und entspricht nicht dem tatsächlichen elastischen Dehnungsanteil εel der Gesamtdehnung. Zur Ermittlung der plastischen Stützzahl, also dem Faktor, um den die elastisch berechnete Kerbspannung über der Streckgrenze liegen darf, wird die Gesamtdehnung gleich der er-

7.3 Plastische Stützwirkung

159

σ

Spannung

σmax

1 2

Re

linearelastisch linearelastischidealplastisch

εpl

εel

Neuber-Hyperbel

εlin.-el.

εges ε

Dehnung

Abb. 7.3: Spannungsumbewertung nach Neuber für plastische Stützzahl

tragbaren Dehnung gesetzt: εges = εertr . Weiterhin wird die elastizitätstheoretisch berechnete Dehnung durch εel.-th. = σmax /E ersetzt und Gleichung (7.14) umgestellt: σmax =





R e ⋅ E ⋅ εertr =

E ⋅ εertr ⋅ Re . Re

(7.15)

Der Wurzelausdruck entspricht der plastischen Stützzahl in Gleichung (7.10) für lokales Versagen:

√ n pl,lok =

E ⋅ εertr . Re

(7.16)

Die ertragbare Dehnung in der Kerbe hängt von der Bruchdehnung A des Werkstoffs ab. Allerdings kommt es bei hoher Mehrachsigkeit des Spannungszustands zur Dehnungsbehinderung, was zu geringeren ertragbaren plastischen Dehnungen führt. In der FKM-Richtlinie wird die ertragbare Dehnung abhängig vom Mehrachsigkeitsgrad h (Gleichung (7.4)) berechnet. εertr = εref εertr = ε0 + 0,3 ⋅ (

3⋅h

εref − ε0 ) 0,3

für h ≤ 1/3

(7.17)

für h > 1/3

(7.18)

160

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

Die Referenzdehnung εref entspricht der ertragbaren Dehnung bei einachsigem Spannungszustand, wobei der Mehrachsigkeitsgrad h = 1/3 gilt. Für hohe Mehrachsigkeitsgrade stellt ε0 das Minimum der ertragbaren Dehnung dar. Beide Werte sind von der Werkstoffgruppe abhängig, siehe Tabelle 7.2. Dieser Zusammenhang lässt sich in Form einer Grenzkurve darstellen. Abbildung 7.4 zeigt diese für den Vergütungsstahl C45. Die in Gleichung (7.18) benötigten Größen können Tabelle 7.2 entnommen werden.

Tab. 7.2: Parameter zur Ermittlung der ertragbaren Gesamtdehnung nach Gleichung (7.18)

Werkstoffgruppe

E in GPa

εref

ε0

ertragbare Dehnung εertr

A ≥ 0,06

A < 0,06

Stahl, GS

210

A + R p /E

GJS

170

0,4 ⋅ A + R p /E

0,04

R p /E

0,05

ADI

170

0,4 ⋅ A + R p /E

0,02

R p /E

GJM

180

0,4 ⋅ A + R p /E

0,02

R p /E

GJL

100

0,006

-

R p /E

Alu-Knetleg.

70

A + R p /E

0,05

R p /E

Alu-Guss

70

0,4 ⋅ A + R p /E

0,02

R p /E

εref

Vergütungsstahl C45

0,12

0,1 0,08 ε0 0,02 0

1/3

1

2

3

Mehrachsigkeitsgrad h

Abb. 7.4: Ertragbare Dehnung für C45 abhängig vom Mehrachsigkeitsgrad nach FKM-Richtlinie [95]

7.3 Plastische Stützwirkung

161

Globales Versagen Erreicht die Spannung bei einem gekerbten Bauteil gerade die Streckgrenze, dann ist der umliegende Bereich zunächst noch rein elastisch verformt. Die zugehörige Belastung wird als elastische Traglast L el bezeichnet. L kann ganz allgemein eine Kraft, ein Moment oder ein Druck bzw. eine beliebige Kombination daraus sein. Bei weiterer Laststeigerung3 kommt es zur Spannungsumlagerung im Kerbbereich. Aufgrund der geringeren Steifigkeit des Materials bei Spannungen oberhalb der Streckgrenze wird der Bereich um die Kerbe höher beansprucht. Das lässt sich besonders anschaulich erklären, wenn idealplastisches Materialverhalten entsprechend Abbildung 7.2 unterstellt wird. Bereiche, in denen die Streckgrenze bereits erreicht wurde, können keine höheren Spannungen mehr aufnehmen, so dass jede weitere Laststeigerung durch höhere Spannungen im umliegenden elastischen Bereich aufgenommen werden muss. Dieser Zusammenhang wird anhand der Bauteilfließkurve in Abbildung 7.5 verdeutlicht. Sie zeigt den Zusammenhang zwischen der maximalen Dehnung im Kerbgrund eines Bauteils zur äußeren Beanspruchung. Zum besseren Verständnis ist darunter das Spannungs-DehnungsDiagramm (Werkstofffließkurve) des idealplastischen Werkstoffs bei gleicher Skalierung der Dehnungsachse dargestellt. Nach Überschreitung der elastischen Grenzlast nimmt die Bauteilsteifigkeit ab, d. h. die maximale Dehnung steigt überproportional stark zur Laststeigerung an, bis die Bauteilfließkurve in einen horizontalen Verlauf übergeht. Dabei ist die Streckgrenze in einem durchgehenden Bauteilquerschnitt vollständig erreicht, der Querschnitt ist durchplastifiziert. Eine weitere Laststeigerung ist nicht mehr möglich und dieser Zustand kennzeichnet das globale Versagen (auch plastischer Kollaps genannt) eines Bauteils. Die zugehörige Last wird als vollplastische Traglast L pl bezeichnet. Die plastische Stützzahl für globales Versagen entspricht dem Faktor, um den die elastische Traglast noch erhöht werden kann, bis es zum globalen Versagen kommt. Folglich ist sie das Verhältnis aus vollplastischer und elastischer Traglast: n pl,glob =

L pl L el

.

(7.19)

Die Verwendung eines idealplastischen Materialgesetzes führt besonders bei Stählen mit großem Verfestigungsvermögen zu stark konservativen Ergebnissen für das globale Versagen, da die Zugfestigkeit deutlich oberhalb der Streckgrenze liegt. Daher kann zur Berechnung der plastischen Traglast die Ersatzstreckgrenze R e,ers = 3

Re + Rm 2

(7.20)

Im Falle einer überlagerten Belastung aus mehreren Lastkomponenten müssen diese proportional zueinander ansteigen.

162

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

Bauteilbelastung L

Re

Re

Re

plastische Grenzlast

Lpl L1

L1 = Lel · npl,lok

Lpl = Lel · npl,glob

Bauteilfließkurve elastische Grenzlast

Lel

Spannung σ

Dehnung im Kerbgrund ε Re Werkstofffließkurve εertr

Re/E

Dehnung Werkstoffprobe ε

Abb. 7.5: Ermittlung der plastischen Stützzahl für lokales und globales Versagen, in Anlehnung an [83]

verwendet werden. Wenn die plastische Traglast mit der tatsächlichen Streckgrenze berechnet wurde, kann die plastische Stützzahl alternativ um den Einfluss der Ersatzstreckgrenze erhöht werden: n pl,glob,ers =

L pl L el

⋅(

1 + R m /R e ). 2

(7.21)

Je nach Bauteil- und Kerbform kommt es zuerst zu lokalem oder globalem Versagen. Im Beispiel in Abbildung 7.5 wird die maximal ertragbare Dehnung εertr bereits bei einer geringeren Last L 1 < L pl erreicht. Somit tritt zuerst lokales Versagen ein, da n pl,lok < n pl,glob ist. Generell tritt lokales Versagen mit steigender Kerbschärfe eher ein, während es bei milden Kerben zuerst zum globalen Versagen kommt. Im Grenzfall eines ungekerbten Stabes unter Zugbelastung ist L el = L pl und n pl,glob = 1, da es bei homogener Spannungsverteilung keine Traglastreserven gibt.

Berechnung mittels FEM Die Berechnung der vollplastischen Traglast muss im allgemeinen Fall mittels einer nichtlinearen FE-Analyse erfolgen. Das Material wird hierbei als linearelastisch-idealplastisch angenommen. Die Last wird oberhalb der elastischen Traglast solange gesteigert, bis es keine konvergente Lösung mehr gibt. Das ist der Fall, wenn die vollplastische Traglast erreicht wird

7.3 Plastische Stützwirkung

163

und die Bauteilsteifigkeit zu null wird und somit keine weitere Laststeigerung möglich ist. Für diesen Zustand kann keine Gleichgewichtslösung mehr ermittelt werden. Praktisch wird die Last des letzten konvergierten Lastschritts als vollplastische Traglast definiert. Da hierbei nicht die maximalen Kerbspannungen, sondern das Erreichen einer bestimmen Spannung im gesamten Querschnitt von Interesse ist, kann diese Berechnung mit einem vergleichsweise groben FE-Netz erfolgen. Abschätzung aus der Formzahl Für einfache Bauteilquerschnitte, für die eine sinnvolle Definition eines Bezugsquerschnitts und einer Grundbelastungsart wie Zug/Druck, Biegung oder Torsion möglich ist, kann die vollplastische Stützzahl aus der Formzahl abgeschätzt werden. Sie entspricht dem Faktor aus elastischer Formzahl K t und plastischer Formzahl für Nennspannungen K p : n pl,glob ≈ K t ⋅ K p .

(7.22)

Die plastische Formzahl für Nennspannungen entspricht dem Verhältnis L pl /L el für einen ungekerbten Querschnitt. Sie hat bei Zug/Druck-Belastung stets den Wert 1. In Tabelle 7.3 ist K p für einige Beispielquerschnitte angegeben. Die so abgeschätzten plastischen Stützzahlen sind konservativ im Vergleich zur Berechnung mittels FEM. Infolge der dabei berücksichtigten Mehrachsigkeit des Spannungszustandes kommt es zur Fließbehinderung (Constraint) und damit zu noch höheren plastischen Traglasten [163]. Tab. 7.3: Beispiele für plastische Formzahlen für Nennspannungen

Querschnittsform

Biegung K p,b

Torsion K p,t

Zug/Druck K p,zd

Rechteck

1,5

-

1,0

Vollkreis

1,70

1,33

1,0

Kreisring (dünnwandig)

1,27

1,0

1,0

Die Berechnung der plastischen Stützzahl in der FKM-Richtlinie erfolgt so, wie voran beschrieben mit der tatsächlichen Streckgrenze R p . Das Verfestigungsvermögen des Werkstoffs wird durch den Verfestigungsfaktor f R berücksichtigt: f R = 0,5 ⋅ (1 +

Rm ) Rp

(7.23)

Die plastische Stützzahl wird mit n pl,glob = f R ⋅

L pl L el

(7.24)

berechnet. Die Berechnung nach Gleichung (7.24) ist vergleichbar zur Verwendung der Ersatzstreckgrenze nach Gleichung (7.21).

164

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

Abschließende Bemerkungen zur plastischen Stützzahl Der Festigkeitsnachweis unter Verwendung der plastischen Stützzahl liefert lediglich eine Aussage zur Festigkeit. Es ist separat zu prüfen, ob durch die zugelassenen plastischen Dehnungen eventuell Bauteilverformungen auftreten, die bezüglich Maßhaltigkeit und Toleranzen die Funktion des Bauteils oder der Baugruppe beeinträchtigen. Weiterhin ist zu beachten, dass durch das Zulassen plastischer Dehnungen die versagenskritische Stelle im Bauteil nicht zwangsläufig mit der Stelle der höchsten elastizitätstheoretischen Spannung zusammenfallen muss. So kann in einer scharfen Kerbe zwar die Streckgrenze bereits bei einer geringen äußeren Belastung erreicht werden, aufgrund der hohen plastischen Stützzahl an dieser Kerbe ist jedoch noch eine hohe Laststeigerung über die elastische Grenzlast hinaus möglich. An einer milden Kerbe kann die elastische Grenzlast zwar höher sein, dort aber dennoch die höchste Auslastung der statischen Festigkeit liegen, da die plastische Stützzahl klein ist. Beispiel Für einen Wellenabsatz mit Freistich gemäß Abbildung ist die plastische Formzahl gesucht. Die Welle wird ausschließlich auf Torsion beansprucht und ist aus dem Vergütungsstahl C45 hergestellt. Vergütungstahl C45 (vergüteter Zustand)

R3

ႇ 24 mm

0,5 mm

ႇ 36 mm

Rm,N = 700 MPa Re,N = 490 MPa A = 14%

Lösung Die Lösung gliedert sich in drei Teilaufgaben. Zunächst müssen die Bauteilnormwerte der Festigkeit berechnet werden. Anschließend wird die plastische Stützzahl für globales und lokales Versagen berechnet.

Bauteilnormwerte Die Bauteilnormwerte werden aus den Halbzeugnormwerten mit dem technologischen Größeneinflussfaktor K d,p bzw. K d,m nach Gleichungen (7.6) und (7.7) berechnet. Dafür kann Gleichung (3.3) mit den entsprechenden Faktoren aus der FKMRichtlinie verwendet werden, oder es werden Faktoren direkt aus Abbildung 3.4 abgelesen. Der effektive Durchmesser entspricht dem Halbzeugdurchmesser, aus dem die Welle gedreht worden ist. Es wird d eff = 40 mm angenommen. Somit ergeben sich folgende Werte: K d,p = 0,86 und damit R e = 0,86 ⋅ 490 MPa = 423,3 MPa und K d,m = 0,90 und damit R m = 0,90 ⋅ 700 MPa = 630,5 MPa.

7.3 Plastische Stützwirkung

165

Globales Versagen Zur Ermittlung der plastischen Stützzahl für globales Versagen wird der Spannungszustand im Wellenabsatz mittels FEM berechnet. Die Berechnung erfolgt mit 3DElementen mit quadratischem Verschiebungsansatz. Der relevante Kerbbereich wird mit Hexaederelementen mit einer Kantenlänge von e = 0,75 mm vernetzt. FE-Modell

Schubspannungen bei Mt,0 = 200 Nm

Die linearelastische Analyse bei einer Belastung von M t,0 = 200 Nm ergibt die maximale Schubspannung in der Kerbe von τ = 116,0 MPa. Die für den Fließbeginn bei duktilen Werkstoffen entscheidende Vergleichsspannung nach der GEH beträgt σV,GH = 200,9 MPa. Das entspricht genau einer Erhöhung um dem Faktor



3, der

auch aus Gleichung (6.32) bei reiner Schubbeanspruchung folgt. Aufgrund der linearen Berechnung kann die elastische Traglast direkt aus dem Verhältnis von Vergleichsspannung und Streckgrenze berechnet werden: Re L el = σV,GH ⋅ Mt,0 = 423,3 200,9 ⋅ 200 Nm = 421,4 Nm.

Zur Abschätzung der plastischen Traglast wird das Modell anschließend mit einem linearelastisch-idealplastischen Materialmodell mit der Streckgrenze R e = 423,3 MPa entsprechend Abbildung 7.2 berechnet. Dabei wird die Last ausgehend von M t = 500 Nm in 50 Nm-Schritten solange gesteigert, bis keine konvergente Lösung mehr gefunden wird. Das ist im 8. Lastschritt bei M t = 800 Nm der Fall. Aus numerischen Gründen werden vom FE-Programm die 50 Nm-Schritte in kleinere Unterlastschritte (substeps) unterteilt. Der letzte konvergierte Unterlastschritt war bei 790 Nm, welcher somit als plastische Traglast gewertet wird: L pl = 790 Nm. Das Streckgrenzenverhältnis entspricht R e /R m = 0,67. Damit kann die plastische Stützzahl nach Gleichung (7.21) berechnet werden: n pl,glob =

L pl L el

⋅(

1+R m /R e ) = 2,33. 2

Im nachfolgenden Diagramm ist der Verlauf der Vergleichsspannung im höchstbeanspruchten Kerbquerschnitt bei verschiedenen Lastschritten zwischen der elastischen und der plastischen Traglast dargestellt. Aufgrund der symmetrischen Spannungsverteilung ist nur die Hälfte des Pfades durch den Querschnitt angezeigt. Es ist gut zu

166

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis erkennen, wie Anfangs lediglich im Kerbgrund die Streckgrenze erreicht wird und Vergleichsspannung σV,GH in MPa

bei weiterer Laststeigerung immer größere Bereiche plastifizieren. 450 400 350

300 250 200 150 100 50 0 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

Position in mm Mt=421 Nm

Mt=500 Nm

Mt=550 Nm

Mt=600 Nm

Mt=650 Nm

Mt=700 Nm

Mt=750 Nm

Mt=790 Nm

Zum Vergleich wird noch die vereinfachte Abschätzung anhand der Formzahl betrachtet. Die Nennspannung bezüglich des Wellendurchmessers im Kerbgrund ist T = 16 ⋅ M t,0 /(π ⋅ d 3 ) = 83,7 MPa. Das entspricht im Vergleich zur maximalen Schubspannung aus der linearelastischen FE-Rechnung einer Formzahl von K t = 116/83,7 = 1,39. Die plastische Stützzahl kann somit nach Gleichung (7.22) unter Verwendung der plastischen Formzahl für Nennspannungen in Tabelle 7.3 berechnet werden: n pl,glob ≈ K t ⋅ K p = 1,39 ⋅ 1,33 = 1,84. Dieser Wert muss ebenfalls noch um den Faktor 0,5 ⋅ (1 + R m /R e ) entsprechend Gleichung (7.24) erhöht werden, so dass die Abschätzung der Stützzahl aus der Formzahl schließlich n pl,glob = 2,29 ergibt. Die Übereinstimmung mit dem Ergebnis aus der FE-Rechnung ist in diesem Fall recht gut. Lokales Versagen Für den Nachweis gegen lokales Versagen wird auch die Stützzahl nach Gleichung (7.16) berechnet. Die ertragbare Dehnung wird in Abhängigkeit vom Mehrachsigkeitsgrad h bestimmt. Dieser ist nach Gleichung (7.4) bei reiner Schubbelastung gleich Null. Somit ist εertr = A = 0,14 (Gleichung (7.18) und Tabelle 7.2) und es folgt: n pl,lok =



E ⋅εertr Re

= 8,33.

Ergebnis Nach Gleichung (7.13) ist damit die gesuchte plastische Stützzahl: n pl = min(8,33; 2,33) = 2,33.



7.4 Geschweißte Bauteile

167

7.4 Geschweißte Bauteile Viele Schweißkonstruktionen bestehen aus geometrisch einfachen Blechen und die Spannungen können nach der elementaren Festigkeitslehre berechnet werden. Daher ist in vielen Regelwerken noch der nennspannungsbasierte Nachweis der Standard. Generell gibt es in verschiedenen Branchen recht unterschiedliche Regelwerke zum Nachweis von Schweißnähten. Im geregelten Bereich (z. B. Stahlbau, Eisenbahnwesen, Kranbau oder Druckbehälterbau) ist genau zu prüfen, welche Norm anzuwenden ist. Der statische Festigkeitsnachweis muss dabei meist für den Grundwerkstoff und die Schweißnaht4 separat geführt werden. Bei entfestigenden Aluminiumwerkstoffen ist noch die Wärmeeinflusszone in einem bestimmten Bereich um die Naht separat nachzuweisen, womit der Entfestigung infolge der hohen Temperaturen beim Schweißen Rechnung getragen wird. Der Nachweis für den Grundwerkstoff wird wie für nichtgeschweißte Bauteile geführt. Für die Schweißnaht ist zu beachten, dass die Festigkeit außer vom Werkstoff auch von der Nahtform (z. B. Stumpfnaht oder Kehlnaht), der Art der Beanspruchung und der Nahtgüte (sowie der Art der Prüfung der Schweißnaht) abhängt. Ein weiterer Unterschied besteht in der Ermittlung der wirkenden Spannungskomponenten. Diese werden unterschieden in Normalspannungen senkrecht zur Naht σ⊥ , Schubspannungen senkrecht zur Naht τ⊥ und Schubspannungen parallel zur Naht τ∣∣ . Die Vergleichsspannung wird im Stahlbau nach Eurocode 3 [87] mit der GH gebildet: σV,W,GH =



σ2⊥ + 3 ⋅ τ2⊥ + 3 ⋅ τ2∣∣ .

(7.25)

In vielen älteren Regelwerken, wie z. B. der inzwischen zurückgezogenen Stahlbaunorm DIN 18800-1, wird die empirische Vergleichsspannung als geometrische Summe der Spannungskomponenten gebildet5 : σV,W =



σ2⊥ + τ2⊥ + τ2∣∣ .

(7.26)

Die FKM-Richtlinie bietet seit der 6. Auflage auch die Möglichkeit, Schweißnähte mit Kerbspannungen nachzuweisen. Dabei wird, wie in Abschnitt 6.4.3 beschrieben, die Schweißnaht vollständig im FE-Modell modelliert. Nahtübergang und Nahtwurzel werden mit dem Referenzradius r ref = 1 mm ausgeführt [164]. Die Festlegung auf den gleichen Referenzradius wie beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis hat den Vorteil, dass alle Nachweise mit dem gleichen FE-Modell durchgeführt werden können. Da die höchste Beanspruchung in den Übergangsradien an der Oberfläche auftritt, liegt ein ebener Spannungszustand vor. Die Vergleichsspannung wird mit der GH nach Gleichung (6.30) gebildet. Da durch die direkte Modellierung der 4

Der statische Nachweis der Schweißnaht kann in einigen Normen entfallen, wenn durch diese keine Kraft

5

übertragen wird bzw. nur Normalspannungen parallel zur Naht auftreten. Gleiches gilt für den Nachweis geschweißter Bauteile mit Nenn- oder Strukturspannungen nach FKMRichtlinie.

168

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

Schweißnaht die Einflüsse von Nahtart, Bauteilgeometrie und Belastungsart auf die Beanspruchung mit erfasst werden, müssen bei der Ermittlung der statischen Bauteilfestigkeit diese Einflüsse in Form des Schweißnahtfaktors nicht noch einmal extra erfasst werden. Die Berechnung der plastischen Stützzahl erfolgt analog zu nichtgeschweißten Bauteilen. Allerdings gelten bei der Berechnung der ertragbaren Dehnung andere Werte. Der Index »wK« steht dabei für den Schweißnahtnachweis (w - weld) nach dem Kerbspannungskonzept (K). εertr,wK = εref,wK εertr,wK = ε0,wK + 0,3 ⋅ (

für h ≤ 1/3 3⋅h

εref,wK − ε0,wK ) 0,3

für h ≥ 1/3

(7.27)

Die entsprechenden Parameter sind in Tabelle 7.4 aufgeführt. Mit der ertragbaren Dehnung εertr,wK wird dann, wie in Abschnitt 7.3 beschrieben, die plastische Stützzahl für globales und lokales Versagen berechnet. Die statische Bauteilfestigkeit kann damit wie folgt berechnet werden: σWK = R p ⋅ n pl .

(7.28)

Die anzuwendenden Werte für R p entsprechen denen der DIN 18800. Sie sind für Baustahl in Tabelle 7.5 aufgeführt.

Tab. 7.4: Parameter zur Berechnung der ertragbaren Dehnung beim statischen Nachweis von Schweißnähten mit Kerbspannungen nach FKM-Richtlinie

Festigkeitsbereich

ε0,wK

εref,wK

R p0,2 ≤ 460 MPa

0,05

0,17

460 MPa ≤ 690 MPa

0,05

0,14

Tab. 7.5: Statische Festigkeit von Baustahl in geschweißten Bauteilen nach DIN 18800

Stahlsorte S235 S275 S355 S450

t in mm

R e in MPa

R m in MPa

≤ 40

240

360

40 . . . 100

215

360

≤ 40

275

410

40 . . . 80

255

410

≤ 40

360

470

40 . . . 80

355

470

≤ 40

440

550

40 . . . 80

410

550

7.5 Sicherheitsfaktoren

169

7.5 Sicherheitsfaktoren Die erforderlichen Sicherheitsfaktoren sind in jedem Regelwerk auf unterschiedliche Weise geregelt. Prinzipiell kann zwischen deterministischen Sicherheitskonzepten mit erfahrungsbasierten Gesamt- oder Teilsicherheitsfaktoren und probabilistischen Sicherheitskonzepten mit statistisch begründeten Sicherheitszahlen, wie sie in Abschnitt 4.7 beschrieben sind, unterschieden werden. Für letztere fehlen allerdings meist die notwendigen Eingangsdaten zur Streuung der Festigkeit und vor allem zur Streuung der Belastung. Daher werden die erforderlichen Sicherheiten meist deterministisch festgelegt. Im Maschinenbau wird der Nachweis oft in traditioneller Form mit einem globalen Sicherheitsfaktor j geführt. Dabei werden sichere Werte der Beanspruchung und der Festigkeit gegenüber gestellt, so z. B. in [59, 46]. Der Nachweis wird bei spröden Werkstoffen gegen die Bruchfestigkeit und bei duktilen Werkstoffen gegen plastisches Fließen geführt, Abbildung 7.6. Typische Werte liegen in der Größenordnung von • j F = 1,2 . . . 1,8 (erforderliche Mindestsicherheit gegen Fließen), • j B = 1,5 . . . 3 (erforderliche Mindestsicherheit gegen Bruch). Die geringeren Werte für den Nachweis duktiler Werkstoffe gegen Fließen liegen in den nach Überschreitung der Streckgrenze noch vorhandenen Traglastreserven begründet. Sie gelten daher meist ohne Berücksichtigung der plastischen Stützwirkung oder müssen bei Verwendung der plastischen Stützzahl ggf. höher angesetzt werden. Die anzusetzende Größe des Gesamtsicherheitsfaktors hängt von verschiedenen Faktoren ab: • der Werkstoffgruppe (meist werden für Eisengusswerkstoffe höhere Sicherheiten als für Walz- und Schmiedestähle gefordert), • der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der maximalen Spannung bzw. Spannungskombination, • den Schadensfolgen bei Versagen des Bauteils. σ

Re σzul

a)

σ Rm

Sicherheit jF

σzul

ε

b)

Sicherheit jB

ε

Abb. 7.6: Sicherheitsfaktoren für den statischen Festigkeitsnachweis für a) duktile Werkstoffe (ohne plastische Stützwirkung) und b) spröde Werkstoffe

170

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

In vielen neuen Regelwerken, wie dem Eurocode und auch der FKM-Richtlinie, wird das ursprünglich aus dem Bauwesen stammende Teilsicherheitskonzept angewendet. Hier wird der Gesamtsicherheitsfaktor aus verschiedenen Teilsicherheitsfaktoren berechnet, mit denen die verschiedenen streuenden Einflussgrößen unterschiedlich berücksichtigt werden. Dazu zählen: • die Streuung der Festigkeit, • die Art der Qualitätsprüfung, z. B. bei Gussbauteilen oder Schweißnähten, • ständige Lasten, z. B. Eigengewicht, • seltene Lasten, z. B. durch Montage oder Havariefälle, • Beanspruchung durch Temperaturänderung. Der Gesamtsicherheitsfaktor der FKM-Richtlinie setzt sich aus den Teilsicherheitsfaktoren für die Festigkeit, dem Materialfaktor j F und für die Last, dem Lastfaktor j S , zusammen: j ges = j S ⋅ j F .

(7.29)

Der Materialfaktor wird mit den Teilsicherheitsfaktoren gegen Bruch j m und gegen Fließen j p bei normalen oder nur kurzzeitig wirkenden hohen Temperaturen berechnet. Bei über lange Zeiten wirkenden hohen Temperaturen werden zusätzlich noch die Sicherheitsfaktoren für die Zeitstandfestigkeit j mt und die Zeitdehngrenze j pt verwendet. Die Werte sind in Tabelle 7.6 angegeben. Maßgeblich für den Materialfaktor ist dann der Maximalwert der verschiedenen Teilsicherheiten. Bei der Berechnung von j F wird zwischen duktilen und spröden Werkstoffen unterschieden. Für duktile Stähle mit dem Streckgrenzenverhältnis R p /R m ≤ 0,75 sowie geschweißte Bauteile aus Walzstahl und duktilem Aluminiumwerkstoff ist j F = max ( Bei spröden Werkstoffen mit

Rp Rm

jp j pt ; ). K T,p K Tt,p

(7.30)

> 0,75 wird der Lastfaktor mit

j F = max (

j m R p j mt R p ⋅ ; ⋅ ) K T,m R m K Tt,m R m

(7.31)

berechnet. Hierin sind K T,m und K T,p die in Abbildung 7.1 dargestellten Temperaturfaktoren. Bei normalen Temperaturen ist K T,m = K T,p = 1 zu verwenden. Nur bei langzeitig wirkenden Temperaturen oberhalb von ca. 350°C werden die Langzeittemperaturfaktoren K Tt,m und K Tt,p verwendet, deren Berechnung in Abschnitt 3.2.1.9 der FKM-Richtlinie beschrieben ist. Ansonsten entfallen die Anteile mit diesen Faktoren in Gleichungen (7.30) und (7.31). Der Lastfaktor wird j S = 1 gesetzt, sofern keine statistisch auswertbaren Lastmessungen bzw. Lastannahmen vorhanden sind. Indirekt wird mit den Lastfaktoren die Sicherheit bzw.

7.5 Sicherheitsfaktoren

171

Genauigkeit der Lastannahme und damit auch der Beanspruchung berücksichtigt. Dies erfolgt wie in Tabelle 7.6 angegeben in zwei Stufen: hohe bzw. niedrige Wahrscheinlichkeit des Auftretens der wirkenden Spannung. Zusätzliche Teilsicherheitsfaktoren werden bei Gussbauteilen ( j G ) sowie geschweißten Bauteilen ( j w ) im Gesamtsicherheitsfaktor j ges multiplikativ berücksichtigt. Außerdem wird für nichtduktile Gusswerkstoffe ein weiterer Teilsicherheitsbeiwert, der Sprödigkeitssummand Δ j zum Materialfaktor j F addiert. Diese additive Verknüpfung anstelle eines Faktors ist historisch bedingt und geht auf die VDI-Richtlinie 2226 zurück. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Sicherheitsfaktoren der FKM-Richtlinie nur in Verbindung mit der Überlebenswahrscheinlichkeit der dort angegebenen Werkstoffkennwerte von P Ü = 97,5 % gelten und daher nicht ohne weiteres auf andere Regelwerke übertragbar sind. Weiterhin ist zu beachten, dass die Gleichungen (7.30) und (7.31) in der FKM-Richtlinie in einer Gleichung zusammengefasst sind.

Tab. 7.6: Teilsicherheitsfaktoren für den Materialfaktor j F nach FKM-Richtlinie

Wahrscheinlichkeit des Auftretens der max. Last hoch

niedrig

Schadensfolgen Sicherheitsfaktor

hoch

mittel

niedrig

jm

2,0

1,85

1,75

jp

1,5

1,4

1,3

j mt

1,5

1,4

1,3

j pt

1,0

1,0

1,0

jm

1,8

1,7

1,6

jp

1,35

1,25

1,2

j mt

1,35

1,25

1,2

j pt

1,0

1,0

1,0

172

7 Rechnerischer Statischer Festigkeitsnachweis

7.6 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 7

Verständnisfragen 1. Warum ist beim Betriebsfestigkeitsnachweis mit variablen Amplituden stets auch der statische Festigkeitsnachweis zu führen? 2. Bei welchen Stahlwerkstoffen kann nicht von einer Isotropie der Festigkeitseigenschaften ausgegangen werden? 3. Vergleichen Sie qualitativ den Einfluss hoher Temperaturen auf die statische Festigkeit bei Stahl und Aluminium. 4. Was ist der Unterschied zwischen lokalem und globalem Versagen? 5. Wie groß ist die plastische Stützzahl für einen ungekerbten Stab unter Zugbelastung? 6. Welches angenommene Materialverhalten liegt bei der Berechnung der plastischen Stützzahl für lokales Versagen zu Grunde. 7. Wie sind die Spannungen bei Erreichen der plastischen Traglast im Querschnitt verteilt? 8. Warum wird zur Berechnung der plastischen Traglast die Ersatzstreckgrenze gebildet. Wofür wird damit Rechnung getragen? 9. Welches Versagen (lokal oder global) tritt mit steigender Kerbschärfe tendenziell eher auf? 10. Wie wird die plastische Traglast bei einer FE-Analyse ermittelt? 11. Der statische Festigkeitsnachweis sei für ein statisch belastetes Bauteil erfüllt. Welche weiteren Versagensarten sind ggf. noch zu überprüfen? 12. Wann kann auf den statischen Nachweis einer Schweißnaht verzichtet werden? 13. Wie wird eine Schweißnaht im FE-Modell für den statischen Festigkeitsnachweis mit Kerbspannungen modelliert? 14. Wovon hängt der in der FKM-Richtlinie anzusetzende Sicherheitsfaktor für den statischen Festigkeitsnachweis ab?

Aufgaben 1. Ein Bauteil aus einem Al-Gusswerkstoff soll für statische Belastung ausgelegt werden. An der Nachweisstelle (unbelastete Oberfläche im Kerbgrund) wurden mittels einer FE-Analyse folgende Spannungen ermittelt: σx = 65 MPa, σ y = 28 MPa und τx y = 28 MPa. Berechnen Sie die Vergleichsspannung σV nach FKM-Richtlinie. Hinweis: Der Schubfestigkeitsfaktor für Al-Gusswerkstoff beträgt f τ = 0,75.

7.6 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 7

173

2. Berechnen Sie die statische Bauteilfestigkeit σSK für ein gekerbtes Bauteil aus Vergütungsstahl. Für den Werkstoff sind unter Berücksichtigung des technologischen Größeneinflusses folgende Kennwerte bekannt: R m = 731 MPa,

Re = 522 MPa, und E = 205.000 MPa.

Die maximal zulässige Gesamtdehnung im Kerbbereich ist auf εertr = 7 % begrenzt. Das Bauteil ist auf Biegung belastet und hat einen rechteckförmigen Kerbquerschnitt mit der Formzahl K t = 1,45. Hinweise: Die plastische Traglast soll ohne FE-Analyse abgeschätzt werden. Verwenden Sie zur Berechnung die Ersatzstreckgrenze.

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis Mit dem Dauerfestigkeitsnachweis wird ein variabel belastetes Bauteil für eine sehr große Lebensdauer ausgelegt. Dies unterscheidet ihn vom Zeit- und Betriebsfestigkeitsnachweis, denn dort erfolgt die Auslegung für eine bestimmte zu erreichende Lebensdauer. Der Dauerfestigkeitsnachweis ist damit im Bezug auf das Ergebnis dem statischen Festigkeitsnachweis ähnlich, da mit beiden die Festigkeit eines Bauteils formal ohne Lebensdauerbegrenzung nachgewiesen wird. Das setzt allerdings Bauteile aus Werkstoffen mit Wöhlerlinientyp I, also mit ausgeprägter Dauerfestigkeit, voraus. Das ist z. B. der Fall bei gekerbten Bauteilen aus niedrig- und unlegierten Stählen. Auf die Frage, ob und wann tatsächlich von einer unbegrenzten Lebensdauer ausgegangen werden kann, wurde am Ende von Abschnitt 2.3.1 genauer eingegangen. Beim Wöhlerlinientyp II erfolgt der Nachweis der Langzeitfestigkeit analog zur Zeitfestigkeit immer für eine bestimmte Lastzyklenzahl.

8.1 Abgrenzung zum Zeit- und Betriebsfestigkeitsnachweis Ob für ein variabel belastetes Bauteil ein Zeit-, Dauer- oder Betriebsfestigkeitsnachweis geführt werden muss, hängt hauptsächlich von der Lastzyklenzahl der größten Kollektivstufe ab. Das wird durch Abbildung 8.1 verdeutlicht.Die beiden oberen Kollektive sind einstufig. Der Dauerfestigkeitsnachweis ist dann notwendig, wenn der Kollektivumfang größer als die Lastzyklenzahl des Abknickpunktes der Wöhlerlinie ist: n 1 > ND . Ansonsten liegt ein Zeitfestigkeitsproblem vor, bei dem die Lebensdauer direkt anhand der Wöhlerlinie abgeschätzt werden kann. Bei mehrstufigen Kollektiven ist es entscheidend, ob die Lastzyklenzahl der obersten Stufe größer oder kleiner als ND ist. Ist sie größer, muss das Bauteil auf Dauerfestigkeit ausgelegt werden und zwar für die Spannungsamplitude der größten Kollektivstufe. Dabei spielt es keine Rolle, wie die restlichen Kollektivstufen verteilt sind. Für den Fall, dass n K,max < ND ist, kann das Bauteil wie in Abschnitt 9 beschrieben mittels Schadensakkumulation betriebsfest, also für die geforderte Lebensdauer, ausgelegt werden. Selbstverständlich kann die Auslegung immer dauerfest erfolgen. Dann muss die Dauerfestigkeit des Bauteils größer sein als die größte Spannungsamplitude des Kollektivs. Das führt aber in den Fällen der beiden rechten Kollektive in Abbildung 8.1 zu überdimensionierten und damit im Sinne des Leichtbaus zu schweren Bauteilen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_8

175

176

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

σa (log.)

σa (log.)

Dauerfestigkeitsproblem

Zeitfestigkeitsproblem

σ1

σ1

ND

σa (log.)

n1

n1 ND

N (log.)

σa (log.)

Dauerfestigkeitsproblem

N (log.)

Betriebsfestigkeitsproblem

σK,max

σK,max

ND nK,max

N (log.)

nK,max

ND

N (log.)

Abb. 8.1: Abgrenzung zwischen Zeit-, Betriebs- und Dauerfestigkeitsnachweis in Abhängigkeit vom Belastungskollektiv

Typische Bauteile, die auf Dauerfestigkeit ausgelegt werden, finden sich z. B. im Motorenbau, wie Pleuel, Wellen oder Ventilfedern. Sie werden durch viele Lastzyklen umfassende, füllige Kollektive beansprucht.

8.2 Proportionale und nichtproportionale Beanspruchungen Bauteile unter variabler Belastung werden im Betrieb häufig durch verschiedene Belastungsarten, wie Biegung und Torsion, beansprucht. Diese können sich hinsichtlich Amplitude, Mittelwert, Frequenz und Phasenlage unterscheiden. Daraus resultieren im allgemeinen Fall mehrachsige Beanspruchungszustände mit über der Zeit veränderlichen Hauptspannungsrichtungen. Es wird prinzipiell zwischen • proportionaler Beanspruchung: einer mehrachsigen Beanspruchung mit konstanten Hauptspannungsrichtungen und • nichtproportionaler Beanspruchung: einer mehrachsigen Beanspruchung mit veränderlichen Hauptspannungsrichtungen, unterschieden. Am Beispiel einer Welle mit unterschiedlichen Belastungskombinationen aus Biegung und Torsion sind in Abbildung 8.2 verschiedene Fälle der proportionalen und nichtproportionalen Spannungsüberlagerung gezeigt. Unter dem zeitlichen Verlauf der beiden

8.2 Proportionale und nichtproportionale Beanspruchungen

t

σ τ

Spannung

Spannung

σ τ

177

t

Verh. σ/τ

Verh. σ/τ

t

a) σm = τm = 0 , f σ = f τ, φσ = φτ proportional

proportional

t

Spannung

t

Verh. σ/τ

Verh. σ/τ

Spannung

σ τ

c) σ = konst. τm = 0

σ τ

t

t d) σm = τm = 0, f σ = f τ, φσ ≠ φτ

nichtproportional

nichtproportional

σ τ

Spannung

σ τ

Spannung

t b) σa /σm = τ a / τ m f σ = f τ , φσ = φτ

t

t

Verh. σ/τ

Verh. σ/τ

t

t

e) σm ≠ τm, f σ = f τ, φσ = φτ

f) σm = τm =0, f σ ≠ f τ, φσ ≠ φτ

nichtproportional

nichtproportional

Abb. 8.2: Proportionale und nichtproportionale Beanspruchung bei überlagerter Biegung und Torsion abhängig von Mittelspannungen, Frequenz f und Phasenwinkel ϕ

178

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Spannungskomponenten ist der Verlauf des Verhältnisses aus Normal- und Schubspannung abgebildet. Je nach Überlagerung von Normal- und Schubspannungen ist die daraus resultierende Mehrachsigkeit verschieden: a) mittelspannungsfreie Beanspruchung mit gleicher Frequenz, in Phase

→ proportional, b) Spannungsamplituden haben jeweils gleiches Verhältnis zur Mittelspannung, Beanspruchung mit gleicher Frequenz, in Phase

→ proportional, c) mittelspannungsfreie zyklische Beanspruchung überlagert durch die rein statische Beanspruchung einer anderen Spannungskomponente

→ nichtproportional, d) mittelspannungsfreie Beanspruchung mit gleicher Frequenz, aber phasenverschoben

→ nichtproportional, e) verschiedene Mittelspannungen, Beanspruchung mit gleicher Frequenz, in Phase

→ nichtproportional und f) mittelspannungsfreie Beanspruchung mit unterschiedlicher Frequenz

→ nichtproportional. Offensichtlich liegt eine proportionale Beanspruchung nur bei gleichfrequenter, phasengleicher Beanspruchung vor, wobei die jeweiligen Mittelspannungen im gleichen Verhältnis zu den Spannungsamplituden stehen. Das schließt die rein wechselnde Beanspruchung unter a) als Sonderfall von Fall b) mit ein. Ansonsten ändern sich die Spannungen nichtproportional zueinander1 . Für den Festigkeitsnachweis ist es allerdings entscheidend, wie stark sich das Hauptachsensystem während der Belastung ändert. Bei geringfügig drehenden Hauptspannungsrichtungen kann näherungsweise noch wie bei proportionaler Beanspruchung verfahren werden. So können die Fälle c) und e) nach einem Vorschlag in [22] zu mittelspannungsfreien Ersatzamplituden (siehe Abschnitt 5.3.1) transformiert und danach näherungsweise als proportionale Beanspruchungen behandelt werden. Die Grenzen dafür sind allerdings fließend und es lässt sich kein fester Grenzfall formulieren, bis wann eine Beanspruchung noch näherungsweise als proportional behandelt werden kann. Einige Anhaltspunkte dazu finden sich in Abschnitt 8.7 zu Hypothesen bei nichtproportionaler Beanspruchung. Im Falle proportionaler Beanspruchung kommen die in Abschnitt 6.2.2 beschriebenen Festigkeitshypothesen für statische Beanspruchung zur Anwendung. Ihre Anwendbarkeit bei 1

Die Darstellung der Änderung des Winkels der 1. Hauptspannung anstelle des Verhältnisses σ/τ in Abbildung 8.2 wäre daher konsequent gewesen. Allerdings entstehen dabei Sprünge über 90°, wenn die Normalspannung in den Druckbereich geht und dann als 3. anstatt wie vorher als 1. Hauptspannung definiert ist.

8.3 Nachweisführung bei einachsiger und proportionaler Beanspruchung

179

zyklischer Beanspruchung wird dabei lediglich vorausgesetzt. Die Bewertung von nichtproportionalen Beanspruchungen ist deutlich komplizierter und gegenwärtig noch Gegenstand der Forschung. Einige etablierte Methoden werden in Abschnitt 8.7 behandelt. Die nachfolgenden Abschnitte beziehen sich zunächst auf die Bewertung der Dauerfestigkeit bei proportionalen Beanspruchungen.

8.3 Nachweisführung bei einachsiger und proportionaler Beanspruchung 8.3.1 Experimentell ermittelte Bauteildauerfestigkeit Experimentell ermittelte Bauteildauerfestigkeiten werden meist in Nennspannungen S DK angegeben. Diese beinhalten alle Einflüsse auf die Schwingfestigkeit, wenn die Versuche am realen Bauteil unter realen Betriebsbedingungen (Temperatur, Umgebungsmedien) durchgeführt wurden und der realen Belastungssituation (Lastkombination, Mittelspannungen etc.) entsprachen. Im Abschnitt 10.2 werden die wichtigsten Methoden zur Planung, Durchführung und Auswertung von Versuchen zur experimentellen Ermittlung der Dauerfestigkeit beschrieben. Solche Versuchsreihen sind sehr zeit- und kostenintensiv und werden oft nur für Großserien durchgeführt. Das Ergebnis liefert dafür die bestmögliche Aussage zu Mittelwert und Streuung der Festigkeit. Somit kann der Nachweis direkt für eine geforderte Überlebenswahrscheinlichkeit des Bauteils geführt werden. Es wird empfohlen als statistische Verteilungsfunktion für die Dauerfestigkeit die logarithmische Normalverteilung anzunehmen2 . Damit ist die angenommene Verteilungsfunktion in Zeit- und Dauerfestigkeit konsistent. Die Bauteildauerfestigkeit für die Überlebenswahrscheinlichkeit P Ü wird entsprechend Gleichung (4.23) mit Spannungen berechnet: lg S DK,PÜ = lg S DK,50 % − u PÜ ⋅ s lg ,S .

(8.1)

Der Festigkeitsnachweis ist erbracht, wenn für die Beanspruchungsamplitude gilt: S a ≤ S DK,PÜ .

(8.2)

Analog dazu kann die Berücksichtigung der geforderten Ausfallwahrscheinlichkeit auch durch die Sicherheitszahl j nach Abschnitt 4.7 erfolgen. Dann muss Sa ≤ 2

S DK,50 % j

(8.3)

Zur Auswertung der Streuung von Dauerfestigkeitsversuchen sind sowohl die Annahme einer Normalverteilung als auch einer log-Normalverteilung üblich. Für nähere Ausführungen dazu wird auf Abschnitt 10.2 verwiesen.

180

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

gelten, wobei die Sicherheitszahl neben der geforderten Überlebenswahrscheinlichkeit auch noch die Unsicherheit bei kleinen Stichprobenumfängen der Versuchsreihe beinhalten kann, wie es in Gleichung (4.61) der Fall ist.

8.3.2 Abgeschätzte Bauteildauerfestigkeit Der rechnerische Festigkeitsnachweis mit einer abgeschätzten Dauerfestigkeit ist der Normalfall im Sondermaschinenbau, bei Kleinserien sowie für kleine und mittlere Unternehmen. Außerdem wird er in frühen Entwicklungsstadien z. B. zur Bewertung verschiedener konstruktiver Varianten angewandt. Die Bauteilwechselfestigkeit σWK wird meist aus der Wechselfestigkeit des Werkstoffs σW und diese wiederum aus der statischen Festigkeit abgeschätzt. Den prinzipiellen Ablauf zeigt Abbildung 8.3. Sämtliche weitere Einflussgrößen auf die Schwingfestigkeit müssen dann, wie in Kapitel 3 beschrieben, separat berücksichtigt werden. Sie ergeben zusammen den Konstruktionsfaktor, welcher meist als Multiplikation mit der Werkstofffestigkeit die Bauteilwechselfestigkeit ergibt. In Abschnitt 3.10 ist die Berechnung des Konstruktionsfaktors K WK der FKM-Richtlinie gezeigt. Bei der Abschätzung der Festigkeit aus Normwerten fehlen oft Aussagen zur Streuung der Festigkeit. Daher wird die erforderliche Sicherheit j ges mit erfahrungsbasierten Gesamt- oder Teilsicherheitsfaktoren (deterministisches Sicherheitskonzept) festgelegt, siehe Abschnitt 8.8.

statische Festigkeit Rm, Re, A Technologischer Größeneinfluss

Werkstoffgruppe

Werkstoffwechselfestigkeit σW Geometrie, Kerben

Oberflächenrauigkeit

Temperatur

Oberflächenverfestigung

Eigenspannungen

Umgebungsmedien Bauteilwechselfestigkeit σWK

Mittelspannung

Überlastungsfall Bauteildauerfestigkeit σDK

Abb. 8.3: Abschätzung der Bauteildauerfestigkeit, Einflussgrößen

8.3 Nachweisführung bei einachsiger und proportionaler Beanspruchung

181

Es ist zu unterscheiden, ob an der Nachweisstelle des Bauteils ein lokal ein- oder mehrachsiger Spannungszustand vorliegt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch bei einer Beanspruchung durch mehrere Komponenten im Bauteil ein einachsiger Spannungszustand vorliegen kann. Ein Beispiel ist eine Welle mit Querbohrung unter Biegung und Torsion. An der höchstbeanspruchten Stelle, der Querbohrung, treten dabei lediglich Normalspannungen auf. In diesem Fall kann der Nachweis in der einfacheren Form für einachsige Beanspruchung durchgeführt werden.

Lokal einachsige Beanspruchung Der Dauerfestigkeitsnachweis für Bauteile, die an der Nachweisstelle nur mit der Spannungsamplitude σa beansprucht sind, ist für σa ≤

σDK j ges

(8.4)

erbracht. Der Nachweis läuft bei reiner Schubbeanspruchung τ, z. B. bei Torsion, analog ab. Lokal mehrachsige, proportionale Beanspruchung mit σ und τ, duktiler Werkstoff Ein für den Maschinenbau häufig auftretender Sonderfall ist die überlagerte Belastung aus Biegung und Torsion, woraus Normalspannungen σ und Schubspannungen τ resultieren. Aufgrund der bei proportionaler Beanspruchung konstanten Hauptspannungsrichtungen kann aus den jeweiligen Spannungsamplituden σa und τa eine Vergleichsspannungsamplitude gebildet werden, die mit der Wechselfestigkeit bei einachsiger Normalspannung verglichen wird. Für duktile Werkstoffe wird diese nach der GEH gebildet. Bei Beanspruchung mit einer Normalspannungs- und einer Schubspannungskomponente ist nach Gleichung (6.32) σV,GH =



σ2 + 3τ2 .

Durch den Faktor 3 ist das Verhältnis von Schub- und Normalspannungsfließgrenze von



τF /R e = 1/ 3 ≈ 0,577 festgelegt. Übertragen auf die Wechselfestigkeit liegt das Verhältnis τW /σW für duktile Stähle jedoch tendenziell leicht darüber [201]. Die Anpassung an das tatsächliche Wechselspannungsverhältnis gelingt, indem dieses direkt in die Vergleichsspannung eingesetzt wird. Damit ist die Vergleichsspannungsamplitude

 2  σW  ⋅ τa ) σa,V,GEH = σ2a + ( τW

(8.5)

und die Sicherheit j kann direkt mit der Bauteilwechselfestigkeit σWK berechnet werden: j=

σWK . σa,V,GEH

(8.6)

182

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

τ

2

2

τa σa + τ =1 σWK WK

Grenzlinie Dauerfestigkeit (j = 1):

τWK

Beanspruchbarkeit

τa

Beanspruchung σa

σWK

σ

Abb. 8.4: Grenzkurve der Dauerfestigkeit bei proportionaler Schub- und Normalbeanspruchung duktiler Werkstoffe

Wird nun Gleichung (8.5) in Gleichung (8.6) eingesetzt und angenommen, dass für die Verhältnisse der Werkstoff- und Bauteilwechselfestigkeiten τWK /σWK ≈ τW /σW gilt3 , dann ist die Sicherheit j=

1

2  σ 2 ⎛ a ⎞ ⎛ τa ⎞   + ⎝ σWK ⎠ ⎝ τWK ⎠

.

(8.7)

Für j = 1 wird mit Gleichung (8.7) eine elliptische Grenzkurve beschrieben, welche die dauerfest ertragbaren Kombinationen der Schub- und Normalspannungsamplitude beschreibt, siehe Abbildung 8.4. Bei proportionaler Erhöhung der Spannungsamplituden kann die Sicherheit im Verhältnis zur Beanspruchbarkeit abgelesen werden, die sich durch Verlängerung der Geraden durch den Ursprung und die Beanspruchung ergibt.

Lokal mehrachsige, proportionale Beanspruchung mit σ und τ, spröder Werkstoff Für spröde Werkstoffe wird die Vergleichsspannungsamplitude mit der Normalspannungshypothese berechnet. Diese wird mit Gleichung (6.25) σ σV,NH = ∣ ∣ + 2



σ 2

2

( ) + τ2

berechnet und beinhaltet das Streckgrenzenverhältnis τF/Re = 1. Bei abweichenden Wechselspannungsverhältnissen wird dieses wieder als Faktor vor der Schubspannungsamplitude 3

Die Verhältnisse können leicht verschieden sein, da sich z. B. der für die Stützzahl entscheidende bezogene Spannungsgradient für Schub- und Normalspannungen unterscheiden kann. Ansonsten werden σWK und τWK an einem Punkt des Bauteils mit dem identischen Konstruktionsfaktor K WK nach Gleichung (3.19) bzw. Gleichung (3.21) berechnet.

8.3 Nachweisführung bei einachsiger und proportionaler Beanspruchung

τ

Grenzlinie Dauerfestigkeit (j = 1):

τWK

σa + 2·σWK

σa 2·σWK

2

+

τa

τWK

183

2

ൌ1

Beanspruchbarkeit

τa

Beanspruchung σa

σWK

σ

Abb. 8.5: Grenzkurve der Dauerfestigkeit bei proportionaler Schub- und Normalbeanspruchung spröder Werkstoffe

eingesetzt:



2 2 σa   σa + ( σW ⋅ τ ) . + σa,V,NH = a 2 4 τW

(8.8)

Die Sicherheit wird wieder mit der Wechselfestigkeit für Normalspannungen σWK gebildet: j=

σWK

.  2 σa   σ2a ⎛ σW ⎞  + + ⋅ τa 2 4 ⎝ τW ⎠

(8.9)

Wird die Sicherheit j = 1 gesetzt, entsteht eine parabolische Grenzkurve. Diese zeigt Abbildung 8.5, worin ebenfalls das Wechselfestigkeitsverhältnis τWK /σWK ≈ τW /σW gesetzt ist. Für den Fall, dass für beide Spannungskomponenten das Verhältnis aus Mittelspannung und Amplitude gleich ist, können die Spannungsamplituden über die Mittelspannungsempfindlichkeit zunächst in mittelspannungsfreie Ersatzspannungsamplituden umgerechnet werden. Dies kann mit den Gleichungen (5.10) bis (5.13) geschehen. Alternativ können die Wechselfestigkeiten mit den Gleichungen in Tabelle 2.2 in mittelspannungsbehaftete Dauerfestigkeiten überführt und diese anstelle der Wechselfestigkeiten in Gleichung (8.7) eingesetzt werden. Dies führt auf das gleiche Ergebnis. Die nach Abschnitt 3.10 berechnete Bauteilwechselfestigkeit σWK enthält bereits sämtliche fertigungsbedingten und geometrischen Einflüsse. Mit dem Mittelspannungsfaktor K AK (siehe Abschnitt 8.5) die Bauteildauerfestigkeit σAK für ein beliebiges Spannungsverhältnis R berechnet: σAK = K AK,σ ⋅ σWK .

(8.10)

Das Formelzeichen der Bauteildauerfestigkeit unterscheidet sich zwischen FKM-Richtlinie und diesem Buch. Die Größen σDK und σAK bezeichnen das gleiche.

184

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Der Dauerfestigkeitsnachweis ist hier ein Sonderfall des allgemeinen Ermüdungsfestigkeitsnachweises. Dieser wird mit der Bauteilbetriebsfestigkeit σBK geführt, welche mit dem Betriebsfestigkeitsfaktor K BK berechnet wird: σBK = K BK,σ ⋅ σAK .

(8.11)

Mit dem Faktor K BK wird die Schädigungsrechnung mittels Schadensakkumulation für eine geforderte Bauteillebensdauer berücksichtigt. Hier soll eine einstufige Beanspruchung bzw. die Spannungsamplitude der höchsten Kollektivstufe für eine formal unbegrenzte Lebensdauer nachgewiesen werden und somit ist K BK,σ = 1, woraus folgt: σBK = σAK

(für Nachweis der Dauerfestigkeit).

(8.12)

Analog zu den Gleichungen (8.10) und (8.11) wird die Bauteilbetriebsfestigkeit τBK mit den Faktoren K AK,τ und K BK,τ aus der Bauteilschubwechselfestigkeit τWK berechnet. Der zu verwendende maßgebliche Auslastungsgrad hängt von der Bauteilbeanspruchung ab und ist in Abschnitt 4.6.3 der FKM-Richtlinie beschrieben. Der Nachweis erfolgt wie beim statischen Festigkeitsnachweis durch die Berechnung von Auslastungsgraden. Der zyklische Auslastungsgrad a BK beinhaltet bereits den geforderten Sicherheitsfaktor. Für den erbrachten Nachweis muss daher a BK < 1 gelten. Für eine Normalspannungskomponente gilt z. B. a BK,σ =

σa ⋅ jD. σBK

(8.13)

Bei mehrachsiger, proportionaler Beanspruchung erfolgt der Nachweis mit dem zyklischen Auslastungsgrad für zusammengesetzte Spannungskomponenten a BK,σV (Vergleichsauslastungsgrad) mit: a BK = a BK,σV ≤ 1.

(8.14)

Für mehrachsige, nichtproportionale Spannungszustände müssen zusätzlich noch die Auslastungsgrade der einzelnen Spannungskomponenten berechnet werden. Entscheidend für den Nachweis ist der maximale Auslastungsgrad. Für den ebenen Spannungszustand gilt: a BK = MAX {a BK,σx ; a BK,σ y ; a BK,τ ; a BK,σV } .

(8.15)

Die Berechnung der Auslastungsgrade für nichtgeschweißte und geschweißte Bauteile wird in der FKM-Richtlinie ausführlich beschrieben.

8.4 Stützwirkungskonzepte

185

8.4 Stützwirkungskonzepte Der Einfluss von inhomogenen Spannungsverteilungen an Kerben auf die Dauerfestigkeit ist ausführlich in Abschnitt 3.3 beschrieben. Die Grundaussage lautet, dass Kerben zur Erhöhung der Spannungen führen und dadurch die dauerfest ertragbaren Nennspannungsbzw. Lastamplituden abnehmen. Diese Abnahme steht allerdings nicht im Verhältnis zur Spannungserhöhung, sondern ist durch die Stützwirkung geringer. In Kerbspannungen formuliert ist die lokale Dauerfestigkeit in der Kerbe σDK größer als in einer ungekerbten Probe σD . Mit der Stützzahl n kann diese Steigerung berechnet werden. Unter Vernachlässigung aller anderen Einflussgrößen auf die Schwingfestigkeit (bzw. wenn diese für Bauteil und Probe identisch sind) gilt: σDK = n ⋅ σD .

(8.16)

Zur Berechnung der Stützzahl existieren verschiedene Konzepte. Allen ist gemein, dass zur Bewertung der Stützwirkung grundsätzlich zwei Informationen benötigt werden. Zum einen muss die Kerbe bzw. die versagenskritische Stelle bezüglich ihrer Form und des daraus resultierenden Beanspruchungsfeldes beschrieben werden. Zum anderen ist die Wirkung des damit verbundenen inhomogenen Spannungszustands auf das Material zu bewerten. Die Kerbwirkung und damit die Größe der Stützzahl sind dementsprechend von Form und Material abhängig. In den meisten Konzepten wird nicht die Kerbe an sich, sondern das die Kerbe umgebende Spannungsfeld zur Bewertung herangezogen. Dieses kann mit phänomenologischen Parametern wie dem bezogenen Spannungsgradienten näherungsweise beschrieben werden. Andere Konzepte verwenden als Parameter das höchstbeanspruchte Volumen, in dem eine bestimmte Spannung nicht unterschritten wird, das Integral über der Spannung in einem bestimmten Volumen oder die über einem charakteristischen Bereich gemittelte Spannung.

8.4.1 Konzepte basierend auf dem Spannungsgradienten Auf Siebel [253] geht der Ansatz zurück, die Kerbschärfe durch den bezogenen Spannungsgradienten χ′ zu charakterisieren, wie er in Abbildung 3.9 und Gleichung (3.8) definiert ist.

Ansatz nach Siebel und Stieler Die Stützzahl ist neben dem bezogenen Spannungsgradienten auch vom Werkstoff über die Gleitschichtdicke s g abhängig: n = 1+



s g χ′ .

(8.17)

Die Gleitschichtdicke drückt als Werkstoffkennwert die Kerbempfindlichkeit aus. Eine direkte Korrelation mit der Kristallitgröße ist für einige Werkstoffe experimentell bestätigt [254].

186

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Allerdings ist das nicht für beliebige metallische Werkstoffe verallgemeinerbar. Im DDRStandard TGL 19340 [89] wurde die Gleitschichtdicke aus der 0,2 %-Dehngrenze des Materials abgeschätzt:



s g = 10

R

0,2 −(0,33+ 712pMPa )

.

(8.18)

Hück, Thrainer, Schütz Zur Berechnung von synthetischen Wöhlerlinien wird von Hück, Thrainer und Schütz [181] ein Stützzahlkonzept unter Verwendung des bezogenen Spannungsgradienten vorgestellt, welches im Gegensatz zu anderen Spannungsgradientenmodellen unabhängig von der statischen Festigkeit der Werkstoffe ist. Eine Unterscheidung erfolgt lediglich in die drei verschiedenen Werkstoffgruppen Stahl, Stahlguss und Grauguss. Die Ableitung erfolgte anhand einer Wöhlerliniensammlung, die sich aus verschiedenen Literaturquellen zusammensetzt. Die Stützzahl wird je nach Werkstoffgruppe unterschiedlich berechnet: n = 1 + 0,45 ⋅ χ′

(0,30)

(Stahl, 250 ≤ R m ≤ 1200 MPa)

(8.19)

n = 1 + 0,33 ⋅ χ

′ (0,65)

(Stahlguss, 250 ≤ R m ≤ 800 MPa)

(8.20)

n = 1 + 0,43 ⋅ χ

′ (0,68)

(Grauguss, 150 ≤ R m ≤ 350 MPa) .

(8.21)

FKM-Richtlinie, Spannungsgradientenansatz Bis zur 5. Auflage der FKM-Richtlinie (2003) war der auf dem Spannungsgradienten basierende Ansatz die einzige Möglichkeit zur Berechnung der Stützzahl. Mit der 2012 erschienenen 6. Auflage ist alternativ auch die Verwendung der werkstoffmechanischen Stützzahl, wie sie weiter hinten beschrieben wird, möglich. Die Berechnung der Stützzahl mit dem bezogenen Spannungsgradienten χ′ (wird in der FKM-Richtlinie mit G bezeichnet) erfolgt abhängig von der statischen Werkstofffestigkeit R m und der Werkstoffgruppe. Für χ′ ≤ 0,1 mm−1 gilt: n = 1 + χ′ ⋅ mm ⋅ 10

Rm ) G ⋅MPa

−(aG −0,5+ b

,

(8.22)

für 0,1 mm−1 < χ′ ≤ 1 mm−1 gilt: n = 1+ und für χ′ > 1 mm−1 gilt: n = 1+



χ′ ⋅ mm ⋅ 10

√ 4

χ′ ⋅ mm ⋅ 10

Rm ) G ⋅MPa

(8.23)

Rm ) G ⋅MPa

(8.24)

−(aG + b

−(aG + b

.

Die Konstanten aG und bG sind werkstoffgruppenspezifisch und in Tabelle 8.1 angegeben. Bis zur 6. Auflage der FKM-Richtlinie war Gleichung (8.24) zusätzlich noch auf Werte χ′ ≤ 100 mm−1 begrenzt. Diese Einschränkung entfällt in der 7. Auflage.

8.4 Stützwirkungskonzepte

187

Tab. 8.1: Konstanten aG und bG

nichtrost.

anderer

Stahl

Stahl

GS

GJS, ADI

GJM

GJL

Aluknet.

Aluguss

aG

0,40

0,50

0,25

0,05

-0,05

-0,05

0,05

-0,17

bG

2400

2700

2000

3200

3200

3200

850

850

FEMFAT-Methode Das in der kommerziellen Betriebsfestigkeitssoftware FEMFAT implementierte Stützzahlkonzept geht auf Eichlseder [127, 128] zurück und stellt eine Weiterentwicklung des Verfahrens von Hück, Thrainer, Schütz dar. Als zusätzlicher Parameter wird hier noch die Biegedauerfestigkeit σD,b benötigt. Die Berechnung der Stützzahl erfolgt mit KD

n = 1+(

σD,b χ′ − 1) ⋅ ( 2 ) σD b

.

(8.25)

Die Exponenten K D sind identisch mit denen in Gleichungen (8.19) bis (8.21). Allerdings wird hier die Stützzahl so verschoben, dass die Biegedauerfestigkeit σD,b exakt berechnet wird. Mit dem Spannungsgradienten einer glatten Probe bei Biegung: χ′ = 2/b, (b - Probendicke) wird n = σD,b /σD . Abschließende Bemerkungen Neben den vorgestellten Ansätzen existieren noch etliche weitere, die den bezogenen Spannungsgradienten verwenden. Der Zusammenhang zwischen dem bezogenen Spannungsgradienten und der Stützzahl ist empirisch und muss für jeden Werkstoff aus experimentellen Daten separat abgeleitet werden. Aufgrund der relativ einfachen Ermittlung des bezogenen Spannungsgradienten (direkt aus der FEM oder Abschätzung aus dem Kerbradius, wie in Tabelle 3.2) sind darauf beruhende Konzepte in vielen Richtlinien und Normen verankert. Oft ist allerdings nicht explizit angegeben, für welche Spannungskomponente der Gradient berechnet werden soll. Häufig wird die maximale Hauptspannung oder eine Vergleichsspannung verwendet. Das Problem besteht beim Nachweis mit der FKM-Richtlinie nicht, da dort der Nachweis zunächst für jede Spannungskomponente separat geführt wird. Somit kann auch der bezogene Spannungsgradient für jede Spannungskomponente einzeln erfasst werden. Weiterhin ist darauf zu achten, welcher Anteil der Spannung zur Berechnung von χ′ verwendet wird. Wenn die Mittelspannung und die Spannungsamplitude aus derselben äußeren Last folgen, sich also bei Lasterhöhung proportional zueinander ändern, kann χ′ aus der Spannungsamplitude, der Mittelspannung oder auch der Maximalspannung berechnet

188

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

σ

σ

V90%

r

V90%

r

Abb. 8.6: Höchstbeanspruchtes Volumen und bezogener Spannungsgradient bei unterschiedlicher Kerbschärfe

werden. Das Ergebnis ist dasselbe, da der bezogene Spannungsgradient stets auf den Maximalwert normiert ist. Sollte die Mittelspannung unabhängig von der Spannungsamplitude sein und beispielsweise aus einer Pressverbindung resultieren, ist χ′ nicht gleich und sollte nur für die Spannungsamplitude berechnet werden.

8.4.2 Konzept des höchstbeanspruchten Werkstoffvolumens Eine alternative Größe zur Charakterisierung der Kerbschärfe ist das hochbeanspruchte Werkstoffvolumen in einer Kerbe. Dieses kann alternativ zum bezogenen Spannungsgradienten zur Berechnung der Stützzahl herangezogen werden. Grundgedanke des Konzeptes (Concept of Highly Stressed Volume) ist es, dass mit steigender Kerbschärfe das Volumen abnimmt, in dem es zur Ermüdungsrissbildung kommen kann, Abb. 8.6. Damit wird neben dem statistischen auch der spannungsmechanische Größeneinfluss erfasst, da mit steigendem höchstbeanspruchten Volumen auch die Wahrscheinlichkeit anrissiniziierender Werkstofffehler ansteigt. Mit steigender Kerbschärfe nimmt das höchstbeanspruchte Volumen ab und der bezogene Spannungsgradient zu. Kuguel [194] verwendete erstmals das Verhältnis der Volumina, in denen jeweils 95 % der maximalen Spannung überschritten werden, für die Übertragung von Schwingfestigkeitskennwerten von ungekerbten Proben auf Bauteile. Das Konzept wurde von Sonsino aufgegriffen [260] und verschiedentlich verwendet (z. B. [189, 263, 199, 264]). Heute ist es üblich, 90 % der maximalen Spannung als Schwellwert für das höchstbeanspruchte Volumen zu verwenden [260], welches dann als V90 % bezeichnet wird. Da der Spannungszustand in Kerben allgemein

Stützzahl n

189

Stützzahl n

8.4 Stützwirkungskonzepte

höchstbeansp. Volumen V90%

bez. Spannungsgradient χ'

Abb. 8.7: Prinzipielle Abhängigkeit der Stützzahl vom hochbeanspruchten Volumen und vom bezogenen Spannungsgradienten

mehrachsig ist, muss das Volumen für eine entsprechende Vergleichsspannung berechnet werden. Die Stützzahl wird mit n =(

V90%,Kerbe −w ) V90%,Referenz

(8.26)

berechnet. Der Exponent w drückt die Kerbempfindlichkeit des Werkstoffs aus. Beispiele für w sind in Tab. 8.2 angegeben. Durch den negativen Exponenten wird deutlich, dass die Stützzahl mit steigendem Volumen V90 % abnimmt, Abb. 8.7. Tab. 8.2: Exponenten w für den Zusammenhang zwischen höchstbeanspruchtem Werkstoffvolumen und Festigkeitskennwerten

Werkstoff 37Cr4V

Exponent w

Referenz

0,05

[189]

Fe-1,5%Cu

0,0629

[260]

Ck45 (vergütet)

0,0607

[260]

100Cr6

0,029

[296]

St52-3

0,033

[295]

42CrMo4V

0,059

[210]

S275

0,089

[210]

AlMgSi1

0,075

[210]

0,029. . . 0,034

[199]

ADI

Die Berechnung von V90 % kann mittels FEM nach der Methode SPIEL von Diemar [123] erfolgen. Das Verfahren ist am Beispiel von ANSYS ausführlich in [81] beschrieben. Alternativ kann V90 % z. B. in ANSYS auch als Iso-Volumen, in dem die Spannung σ ≥ 0,9 ⋅ σmax ist, in Form einer Geometriedatei ausgegeben und vermessen werden. Eine alternative Formulierung der Stützzahl in [153] verwendet V90 % als reinen Parameter für die Kerbschärfe, analog zu den Spannungsgradientenansätzen: ′

−w n = 1 + A ⋅ V90 %.

(8.27)

190

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Die Parameter A und w ′ müssen (wie auch w in Gleichung (8.26)) aus Versuchen ermittelt werden. Für Sinterstähle beispielsweise konnten mittels Gleichung (8.27) die Versuchsergebnisse besser abgebildet werden als mit Gleichung (8.26).

8.4.3 Statistischer Größeneinfluss nach Fehlstellenmodell Die Berechnung des statistischen Größeneinflusses beruht auf dem Fehlstellenmodell von Weibull [292]. Es wurde zur statistischen Beschreibung der Zugfestigkeit spröder Werkstoffe entwickelt und u. a. von Heckel und Köhler auf die Schwingfestigkeit übertragen [171]. Demnach hängen die Festigkeitseigenschaften direkt von der Proben- bzw. Bauteilgröße ab und sind in der statistischen Verteilung von Fehlstellen begründet. Festigkeitseigenschaften wie die Dauerfestigkeit nehmen mit steigender Bauteilgröße ab, da die Wahrscheinlichkeit der Anrissbildung an den statistisch verteilten Fehlstellen ansteigt. Auch die höhere Dauerfestigkeit gekerbter Strukturen lässt sich damit erklären. Infolge der Spannungskonzentration an Kerben ist hier das höchstbeanspruchte Volumen, von dem das Versagen ausgeht, kleiner als in einer homogen beanspruchten Werkstoffprobe. Die Herleitung soll hier nur kurz skizziert werden. Dazu wird ein Bauteil als ein in Reihe geschaltetes System von Volumenelementen verschiedener Ausfallwahrscheinlichkeiten betrachtet. Tritt am schwächsten Glied dieser Kette Versagen auf, dann versagt das ganze Bauteil (Weakest Link - Modell). Die Überlebenswahrscheinlichkeit jedes mit σ beanspruchten Volumenelements wird nach Gleichung (4.30) unter Beachtung von Gleichung (4.11) durch κ

P Ü (σ) = e

−( σσ )

(8.28)

0

beschrieben. Die Bezugsgröße σ0 gibt als Lageparameter die dauerhaft ertragbare Spannung für P Ü = 36,8 % an und der Weibull-Exponent κ ist das Maß für die Streuung der Festigkeitseigenschaften des Werkstoffs. Für ein Bauteil mit inhomogener Spannungsverteilung wird dieses Volumen in n Teilvolumina ΔVi konstanter Spannung σ (Vi ) zerlegt. Die Überlebenswahrscheinlichkeit, bezogen auf ein Referenzvolumen V0 , ergibt sich zu: PÜ = e

− ∑ni=1

ΔVi V0

⋅(

σ(Vi ) κ σ0 )

.

(8.29)

Im Fall mehrachsiger Beanspruchungen ist für σ die entsprechende Vergleichsspannung zu verwenden. Der Grenzübergang ΔVi → 0 für i → ∞ führt auf PÜ = e

−V

κ 1 κ ⋅∫ (σ(x,y,z )) dV 0 σ0 V

.

(8.30)

Die Parameter σ0 und κ sind für eine Referenzprobe (Ref) und ein Bauteil (Bt) identisch, wenn beide aus demselben Werkstoff bestehen. Somit stimmt die Überlebenswahrscheinlichkeit

8.4 Stützwirkungskonzepte

191

für die Referenzprobe und das Bauteil überein, wenn κ

κ

∫V (σRef (x,y,z )) dV = ∫V (σBt (x,y,z )) dV

(8.31)

Bt

Ref

gilt. Durch die Einführung der bezogenen Spannungsfunktion g (x,y,z ) =

σ(x,y,z ) σmax

(8.32)

erfolgt die Wichtung der Beanspruchung mit der maximal auftretenden Spannung. Durch Einsetzen von Gleichung (8.32) kann Gleichung (8.31) nach den maximalen Spannungen aufgelöst werden und es ergibt sich der Zusammenhang zwischen den maximalen Spannungen in Referenzprobe und Bauteil bei gleicher Überlebenswahrscheinlichkeit 1

κ

∫V g Ref (x,y,z ) dVRef κ ) ⋅ σmax,Ref . σmax,Bt = ( Ref κ ∫VBt g Bt (x,y,z ) dVBt

(8.33)

Aus dem Verhältnis der maximalen Spannungen folgt die Stützzahl für den statistischen Größeneinfluss zu

1

κ σmax,Bt ∫V g Ref (x,y,z ) dVRef κ n= = ( Ref ) . κ σmax,Ref ∫VBt g Bt (x,y,z ) dVBt

(8.34)

Üblicherweise werden die Spannungsintegrale in Gleichung (8.34) mit I V,Ref bzw. I V,Bt abgekürzt:

1

n =(

I V,Ref κ ) . I V,Bt

(8.35)

Abhängig davon, ob das Versagen vom Bauteilinneren oder von der Oberfläche ausgeht, werden die Spannungsintegrale über g (x,y,z ) auch als Oberflächenintegrale gebildet: κ

1

I A,Ref κ ∫ A g Ref (x,y,z ) dA Ref κ n = ( Ref ) =( ) . κ I A,Bt ∫ ABt g Bt (x,y,z ) dA Bt 1

(8.36)

Allerdings kann dann z. B. der Unterschied der Dauerfestigkeit bei Zug-Druck-Beanspruchung und bei Umlaufbiegebeanspruchung nicht erfasst werden. In beiden Fällen sind die Spannungsintegrale über der Oberfläche gleich. Die Unterschiede zeigen sich nur bei der Integration über dem Volumen. In Gleichung (8.34) bzw. (8.36) verbleibt κ als einziger zu bestimmender Materialparameter. Er ist direkt von der Streuung der Werkstoffeigenschaften abhängig. Die Ermittlung von κ kann direkt durch Auftragen der Versuchspunkte (P ; σ) aus Schwingfestigkeitsuntersuchungen im Weibull-Wahrscheinlichkeitsnetz bestimmt werden. Der Wert entspricht der Steigung der Ausgleichsgeraden. Alternativ ist die Abschätzung aus der Streuspanne der Schwingfestigkeit Tσ möglich [25]. Unter Annahme der Weibullverteilung für Tσ gilt κ=

1,34 lg Tσ

(8.37)

192

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

und für die logarithmische Normalverteilung κ=

1,3151 . lg Tσ

(8.38)

Ist lediglich die Streuspanne der Zeitfestigkeit in Lastzyklenrichtung T N bekannt, kann die Umrechnung über den Wöhlerlinien-Exponenten k entsprechend Gleichung (4.27) erfolgen: 1

Tσ = (T N ) k . Bei der Ermittlung des Spannungsintegrals wichtet κ den Einfluss unterschiedlich hoher Spannungen, bezogen auf das Gesamtintegral. Für große κ dominieren die hochbeanspruchten Bereiche den Wert des Integrals, während mit fallendem κ der Einfluss niedriger beanspruchter Bereiche zunimmt. Die Berechnung des Integrals kann mittels FEM und der Methode SPIEL [123] erfolgen. Bei Bauteilen mit komplizierter Form können mehrere potenzielle Versagensorte vorliegen. Liegen diese weit genug voneinander entfernt, sind sie statistisch unabhängig und müssen getrennt voneinander betrachtet werden. Das bedeutet, dass für jeden potenziellen Versagensort die Stützwirkung durch den Statistischen Größeneinfluss separat berechnet wird. Die Berechnung eines Spannungsintegrals über das gesamte Volumen führt bei Bauteilen mit mehreren unabhängigen anrisskritischen Orten hingegen zu falschen Ergebnissen. Sind die Versagensorte statistisch abhängig voneinander, so sind gemeinsam zu betrachten und es wird ein Spannungsintegral über allen Orten gebildet. Zur Identifikation getrennt bzw. gemeinsam zu betrachtender Versagensorte wurde von Hoyer [180] eine Methode vorgestellt und an Gusseisen erfolgreich validiert. Eine allgemeingültige Lösung existiert bisher jedoch noch nicht.

8.4.4 Theory of Critical Distances Die Theory of Critical Distances (TCD) beruht auf der Annahme, dass der Vorgang der Materialermüdung, insbesondere der Anrissbildung, ausschließlich durch das Spannungsfeld in direkter Kerbnähe bestimmt wird. Dieser Ansatz wurde bereits von Neuber [207] verfolgt, der mit dem Konzept der Mikrostützwirkung den Grundstein zur TCD legte. Demnach entspricht die für die Anrissbildung wirksame Spannung im Kerbgrund der über einer charakteristischen Länge des Materials gemittelten Kerbspannung. Ein einheitliches theoretisches Modell der TCD wurde seit 1997 insbesondere von Lazzarin, Taylor, Susmel und Bellett entwickelt [108, 198, 274, 279, 280, 281]. Einen guten Überblick bieten z. B. [275] und [283]. Dabei werden die Fortschritte genutzt, welche der damaligen Anwendung der Theorie von Neuber im Wege standen: eine formale Definition des werkstofftypischen Längenparameters mit Hilfe der linearelastischen Bruchmechanik und die einfache Möglichkeit zur Berechnung elastischer Spannungsfelder um Kerben mit Hilfe numerischer Methoden wie der FEM.

8.4 Stützwirkungskonzepte

193

Die Kerbempfindlichkeit des Werkstoffs wird in Form des materialspezifischen Längenparameters L berücksichtigt: L=

1 ΔK I,th 2 ( ) . π 2σD

(8.39)

Mit dem Spannungsintensitätsfaktor K wird in der linearelastischen Bruchmechanik der Beanspruchungszustand an Rissen beschrieben, siehe Anhang 11. Bei zyklischer Beanspruchung ist ΔK I,th der Schwellwert (threshold) des Spannungsintensitätsfaktors, für den ein vorhandener Riss nicht weiter wächst. Er kann als bruchmechanisches Gegenstück zur Dauerfestigkeit für Bauteile mit Rissen aufgefasst werden. In [92, 77, 78] sind für verschiedene Werkstoffe Werte für ΔK I,th angegeben. Auf eine Einführung in die Grundlagen der Bruchmechanik wird an dieser Stelle verzichtet und auf geeignete Fachliteratur, z. B. [18, 35] verwiesen. Diese sind aber für das weitere Verständnis und zur praktischen Anwendung der TCD nicht zwingend nötig. Die TCD besagt, dass eine zyklische Beanspruchung dauerfest ertragen werden kann, wenn die effektive (Kerb-)Spannung σeff gleich der Dauerfestigkeit des entsprechenden Werkstoffs ist: σeff = σD .

(8.40)

Die effektive Spannung wird abhängig vom Parameter L berechnet und ist in Kerben stets kleiner als die maximale Kerbspannung. Die Stützzahl entspricht dem Verhältnis aus 1. Hauptspannung im Kerbgrund und der effektiven Spannung: n=

σI,max . σeff

(8.41)

Zur Berechnung der effektiven Kerbspannung existieren verschiedene Methoden (Abb. 8.8): • Point Method (PM): die effektive Kerbspannung entspricht der 1. Hauptspannung im Abstand L /2 hinter der Kerbe in Richtung des maximalen Spannungsgradienten σeff,PM = σ1 (r = 0,5 ⋅ L )

(8.42)

• Line Method (LM): die effektive Kerbspannung entspricht der über der Strecke 2 ⋅ L gemittelten 1. Hauptspannung hinter der Kerbe in Richtung des maximalen Spannungsgradienten 2L

σeff,LM =

1 ∫ σI (r ) dr 2L

(8.43)

0

• Area Method (AM): die effektive Kerbspannung entspricht der über einem Halbkreis mit dem Radius 1,32 ⋅ L gemittelten Spannung hinter der Kerbe σeff,AM =

1 ∫ σI (x,y ) dA A A

(8.44)

194

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

σI σeff

L/2

2·L

Point Method

Line Method

1,32·L

r

r

Area Method

Abb. 8.8: Kritischer Abstand für a) Point Method, Line Method und b) Area Method der TCD

• Volume Method (VM): die effektive Kerbspannung entspricht der über einer Halbkugel mit dem Radius 1,53 ⋅ L räumlich gemittelten Spannung hinter der Kerbe σeff,VM =

1 ∫ σI (x,y ) dV. V

(8.45)

V

Für das Beispiel eines ebenen Risses führen alle 4 Methoden auf dasselbe Ergebnis. Unterschiede treten bei der Anwendung an Kerben auf. Die Point Method und die Line Method werden nicht nur wegen ihrer vergleichsweise einfachen Anwendung am häufigsten verwendet, sie haben auch eine bessere Treffsicherheit, wie verschiedene Untersuchungen in [109, 153, 197, 280, 282, 284, 305] zeigen. Aufwändiger ist die Spannungsmittlung über der Fläche oder dem Volumen. Dies kann wieder unter Anwendung der Methode SPIEL [123] anhand von FE-Modellen erfolgen.

8.4.5 Werkstoffmechanische Stützzahl in der FKM-Richtlinie Als Alternative zur auf dem bezogenen Spannungsgradienten basierenden Stützzahl kann ab der 6. Auflage der FKM-Richtlinie auch die werkstoffmechanische Stützzahl verwendet werden. Mit ihr werden die Stützzahlen insbesondere bei scharfen Kerben und damit hohen Spannungsgradienten besser abgeschätzt. Nach einem Ansatz von Liu [205] wird dabei die Stützzahl als Produkt der verschiedenen Einflussfaktoren aus statistischer Stützzahl n st , verformungsmechanischer Stützzahl n vm und

8.4 Stützwirkungskonzepte

195

bruchmechanischer Stützzahl n bm berechnet: n σ = n st ⋅ n vm ⋅ n bm .

(8.46)

Die statistische Stützzahl n st wird, wie in Abschnitt 8.4.3 beschrieben, nach dem Fehlstellenmodell von Weibull berechnet. Dazu wird wie in Gleichung (8.36) das Spannungsintegral über der Bauteiloberfläche gebildet: 1

n st = (

A ref,st kσ ) . A σ,st

(8.47)

Im Vergleich zur Beschreibung in Abschnitt 8.4.3 sind hier lediglich die Bezeichnungen verschieden. Der Wert des Spannungsintegrals wird mit A und der Weibull-Exponent mit k σ bezeichnet. Der Wert A ref,st wird für die Werkstoffprobe bestimmt, an der die Werkstoffwechselfestigkeit bestimmt wurde. Diese ist als Rundprobe mit dem Durchmesser 8 mm und einer Länge von 20 mm festgelegt. Da der Spannungszustand in einer axial belasteten Rundprobe homogen ist, ergibt sich unabhängig vom Weibull-Exponenten der Wert A ref,st = 500 mm2 . Die anzuwendenden Werte von k σ für die von der FKM-Richtlinie abgedeckten Werkstoffgruppen sind dort tabellarisch angegeben. Zur Spannungsart bzw. Spannungskomponente, mit der das Spannungsintegral berechnet werden soll, werden keine konkreten Angaben gemacht. Es ist naheliegend, hier eine für den Werkstoff geeignete Vergleichsspannung zu verwenden. Die Berechnung unter Verwendung der Methode SPIEL ist sehr ausführlich in [81] beschrieben. Mit der verformungsmechanischen Stützzahl n vm wird berücksichtigt, dass bei einer Beanspruchung in Höhe der Wechselfestigkeit σW noch plastische Dehnungsamplituden εpl,W auftreten können. Für duktile Stähle betragen diese im Mittel etwa εpl,W = 0,0026 % [200]. Für gekerbte Bauteile führt das bei einer Beanspruchung auf Höhe der Wechselfestigkeit zur lokalen Plastifizierung und damit zur Spannungsumlagerung im Kerbgrund. Ähnlich wie bei der plastischen Stützwirkung im statischen Festigkeitsnachweis sind damit die maximalen Kerbspannungen geringer, als sie rein elastisch berechnet werden. Die Umrechnung zwischen elastisch berechneter Kerbspannung und tatsächlicher Kerbspannung im elastisch-plastischen Bereich erfolgt mit Hilfe der Näherungsformel von Neuber [206]. Das ist in Abbildung 8.9 dargestellt. Weiterhin ist darin zu erkennen, dass die verformungsmechanische Stützzahl noch von der statistischen Stützzahl abhängt, da die Wechselfestigkeit und damit die zugehörige plastische Dehnungsamplitude von der Bauteilgröße abhängen. In der Richtlinie wird sie für duktile Stähle und Aluminiumknetlegierungen nach Liu in [202] mit

√ n vm =

1+

E ⋅ εpl,W σW

(1/n ′ −1)

⋅ (n st )

(8.48)

196

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

berechnet. Für alle anderen Werkstoffgruppen führt εpl,W = 0 auf: n vm = 1.

(8.49)

Der Verfestigungsexponent der zyklischen Spannungs-Dehnungskurve n ′ aus Gleichung (2.7) und die plastische Dehnungsamplitude werden auf Basis des Uniform Material Law nach Bäumel [106] abgeschätzt. Die Werte für Stahl und Aluminium können der FKM-Richtlinie entnommen werden. Mit zunehmender Bauteilgröße nimmt die statistische Stützzahl ab und die verformungsmechanische Stützzahl geht gegen eins, siehe Abbildung 8.10. Die verformungsmechanische Stützwirkung ist nur bei kleineren Bauteilen relevant und kann bei Großbauteilen vernachlässigt werden. Außerdem geht aus Abbildung 8.10 hervor, dass bei geringer Festigkeit die verformungsmechanische Stützzahl größer ist und bei hoher Festigkeit die statistische.

σa

Neuber-Hyperbel σ·ε = konst.

elastizitätstheoretisches Werkstoffverhalten

nvm· nst· σW

verformungsmechanische Stützwirkung

nst·σW

statistische Stützwirkung

σW zyklisches Werkstoffverhalten

εpl,W

εa

Abb. 8.9: Zusammenhang zwischen der statistischen und der verformungsmechanischen Stützzahl nach Liu [202]

Mit der bruchmechanischen Stützzahl n bm wird der Einfluss der inhomogenen Spannungsverteilung in Kerben auf das Wachstum von Ermüdungsrissen berücksichtigt. So ist die Beanspruchung für einen Riss gleicher Länge im homogenen Spannungsfeld einer ungekerbten Probe stets größer als im inhomogenen Spannungsfeld gleicher Maximalspannung. Bei sehr scharfen Kerben kann es zum Stillstand des Ermüdungsrisswachstums kommen, wenn die Rissbeanspruchung unter den Grenzwert des zyklischen Risswachstums fällt [173].

verformungsmechanische Stützzahl nvm

8.4 Stützwirkungskonzepte

197

1,6

1,4

1,2

1

0,8 0,8

1

1,2

1,4

1,6

statistische Stützzahl nst

Abb. 8.10: Abhängigkeit der spannungsmechanischen Stützzahl von der Zugfestigkeit und der statistischen Stützzahl für Stahl

Die Berücksichtigung der bruchmechanischen Stützwirkung setzt also formal das Vorhandensein eines Ermüdungsrisses voraus. Für die Stützwirkung in Bezug auf die Dauerfestigkeit ist dabei die charakteristische Mikrostrukturlänge a ∗ von Bedeutung. Sie entspricht der in Anhang 11 angegebenen Risslänge a 0 , Gleichung (11.14). Diese ist eine vom Werkstoff abhängige Größe mit der Dimension einer (Riss-)Länge. Ermüdungsrisse unterhalb dieser Länge können bei einer Beanspruchung auf Höhe der Dauerfestigkeit des Werkstoffs nicht weiter wachsen, längere Risse hingegen schon. Die Größe a ∗ ist analog zum Längenparameter L in Gleichung (8.39) eine fiktive Rechengröße und nicht physikalisch messbar. Bei Stählen mit homogener Mikrostruktur korreliert sie mit dem Korngrößendurchmesser [205] und ist damit prinzipiell mit der Gleitschichtdicke s g in Gleichung (8.17) vergleichbar. Die bruchmechanische Stützzahl in der FKM-Richtlinie wurde am Beispiel einer Scheibe mit Kreisloch unter Zugbeanspruchung hergeleitet [164]. In der formzahlfreien Formulierung wird sie in Abhängigkeit vom bezogenen Spannungsgradienten berechnet, der in der FKMRichtlinie mit G bezeichnet ist: n bm =

5+



G ⋅ mm

5 ⋅ n vm ⋅ n st + R Rm ⋅ m,bm





7,5+ √G ⋅mm 1+0,2⋅ G ⋅mm

.

(8.50)

In dieser Fomulierung ist die charakteristische Mikrostrukturlänge mit a ∗ = 0,1 mm ⋅ (

R m,bm 2 ) Rm

(8.51)

198

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

bereits implizit enthalten. Die Referenzzugfestigkeit R m,bm unterscheidet sich nur in die Werkstoffgruppen Stahl und Aluminium. Wie in Gleichung (8.50) zu erkennen ist, hängt die bruchmechanische Stützzahl auch explizit von der statistischen und der verformungsmechanischen Stützzahl ab. Die bruchmechanische Stützzahl trägt erst bei sehr scharfen Kerben zur Gesamtstützzahl in Gleichung (8.46) bei, siehe Abbildung 8.11. Bei sehr milden Kerben hingegen dominiert die statistische Stützzahl. Rein rechnerisch können sich bei milden Kerben für n bm auch Werte kleiner eins ergeben. In diesen Fällen gilt n bm = 1.

bruchmechanische Stützzahl nbm

3 nst · nvm = 1

2

nst · nvm = 2

1,6 1,4 1,2

1,1 1,06 1,04

1,02 1,01

1

10 bezogener Spannungsgradient Gσ in mm-1

100

Abb. 8.11: Abhängigkeit der bruchmechanischen Stützzahl vom bezogenen Spannungsgradienten, nach [164]

8.4.6 Fazit zu Stützzahlkonzepten Die Ausnutzung der Stützwirkung auf die Dauerfestigkeit ermöglicht eine im Sinne des Leichtbaus günstige Bauteilauslegung. Das gilt vor allem bei Werkstoffen mit geringer Kerbempfindlichkeit, wie niedrigfesten Stählen, Gusseisen oder Sinterstählen. Sofern der Festigkeitsnachweis nach einer Norm oder Richtlinie erfolgt, ist das anzuwendende Stützzahlkonzept darin vorgegeben. Dabei werden die Stützzahlen meist auf der Grundlage des bezogenen Spannungsgradienten berechnet.

8.5 Mittelspannungsbewertung und Überlastungsfälle

199

Für Werkstoffe, die von den klassischen Konzepten noch nicht abgebildet werden, ist insbesondere die TCD in Abschnitt 8.4.4 interessant. Hier müssen mit der Werkstoffdauerfestigkeit und dem Grenzwert für den zyklischen Rissfortschritt lediglich zwei Werkstoffparameter bestimmt werden. Die Stützzahl kann damit für beliebige Bauteilformen berechnet werden. Für die Ableitung einer empirischen, z. B. auf dem bezogenen Spannungsgradienten basierenden Gleichung, sind hingegen viel mehr Einzelversuche notwendig. Dies ist aufwändiger und teurer.

8.5 Mittelspannungsbewertung und Überlastungsfälle Bei rein wechselnder Beanspruchung entspricht die Bauteildauerfestigkeit der Bauteilwechselfestigkeit: σDK,(R =−1) = σWK . Die Sicherheit bei einer wechselnden Beanspruchung mit σa,(R = −1) kann somit direkt berechnet werden: j=

σWK . σa

(8.52)

Für alle anderen Spannungsverhältnisse muss die Bauteildauerfestigkeit über die Mittelspannungsempfindlichkeit M σ (Tabelle 2.1, Abschnitt 2.3.2.3) berechnet werden. Die erforderlichen Gleichungen zur Berechnung sind in Tabelle 2.2 angegeben. Im Haigh-Diagramm ist die Dauerfestigkeit als Grenzlinie über der Mittelspannung aufgetragen (Abschnitt 2.3.2.4). Für eine gegebene Beanspruchung mit der Amplitude σa,B und der Mittelspannung σm,B in Abbildung 8.12 stellt sich nun die Frage, wo auf der Grenzlinie die Bauteildauerfestigkeit σDK liegt, mit der die Sicherheit gegen Versagen berechnet werden muss. Dafür gibt es prinzipiell 4 verschiedene Möglichkeiten. Diese werden als Überlastungsfälle F1 bis F4 bezeichnet. Mit Überlastungsfall ist kein Havariefall oder eine bestimmte Sonderlast gemeint. Er beschreibt, in welchem Verhältnis sich Ober-, Mittel-, Unterspannung und Spannungsamplitude bei Laststeigerung ändern und gibt damit an, in welcher Richtung im Haigh-Diagramm die Sicherheit berechnet wird. Von praktischer Relevanz sind vor allem zwei Fälle: • Überlastungsfall F1: Die Mittelspannung bleibt konstant und nur die Spannungsamplitude steigt. Das ist z. B. der Fall für eine Fahrzeugachse, bei der die Mittelspannung aus der physikalisch nicht überschreitbaren Gewichtskraft resultiert oder bei Auslegung einer Pressverbindung mit maximaler Pressüberdeckung und überlagerter Biegung. • Überlastungsfall F2: Das Spannungsverhältnis R bleibt konstant. Die Spannungsamplitude und die Mittelspannung ändern sich proportional. Dies ist der in der Praxis häufig auftretende Fall und gilt z. B. für Spannungen, die durch einen schwingenden Prozess hervorgerufen werden. Diese sind in Abbildung 8.12 gezeigt. Bei Überlastungsfall F1 mit konstanter Mittelspannung ergibt sich die Bauteildauerfestigkeit σDK,1 aus dem Schnittpunkt einer vertikalen Linie durch

200

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

σa

σDK,1 σDK,2

Dauerfestigkeit σDK (σm) F1

σa,B

F2

σm

σm,B

Abb. 8.12: Ermittlung der Bauteildauerfestigkeit für die Überlastungsfälle F1 und F2 im HaighDiagramm (nach FKM-Richtlinie)

den Punkt der Beanspruchung mit der Grenzlinie. Die Bauteildauerfestigkeit σDK,2 für den Überlastungsfall F2 wird durch eine Linie definiert, die vom Koordinatenursprung durch den Punkt der Belastung geht. Darüber hinaus gilt der Überlastungsfall F3 für eine konstante Unterspannung sowie der Überlastungsfall F4 für eine konstante Oberspannung. Die Linien für die Fälle F3 und F4 verlaufen jeweils im Winkel von 45 ° durch den Punkt der Beanspruchung zur Grenzlinie hin. In Abbildung 8.13 sind alle 4 Fälle gezeigt. Es ist zu erkennen, dass die Bauteildauerfestigkeit bei F2 am kleinsten ist und somit F2 auf die konservativsten Ergebnisse führt4 . Wenn der richtige Überlastungsfall nicht entschieden werden kann, sollte der F2 zur Anwendung kommen. Die Unterschiede zwischen den Überlastungsfällen sind vor allem bei großer Mittelspannungsempfindlichkeit relevant. Außerdem steigen die Unterschiede mit größer werdendem Sicherheitsfaktor an. Die Bauteildauerfestigkeit für eine gegebene Mittelspannung wird in der FKM-Richtlinie abweichend von der Notation in diesem Buch mit σAK anstelle σDK bezeichnet. Sie wird mit dem Mittelspannungsfaktor K AK berechnet: σAK = K AK,σ ⋅ σWK

(8.53)

τAK = K AK,τ ⋅ τWK

(8.54)

Der Mittelspannungsfaktor hängt von der Mittelspannungsempfindlichkeit und dem anzuwendenden Überlastungsfall ab. Bis zur 6. Auflage beinhaltete die FKM-Richtlinie alle 4

Das gilt für positive Mittelspannungen. Bei Druckmittelspannungen führt F3 zur geringsten Sicherheit.

8.5 Mittelspannungsbewertung und Überlastungsfälle

σa

201

F4

F1

F3

45°

F2

45°

σm

Abb. 8.13: Vergleich der Überlastungsfälle F1, F2, F3 und F4

Überlastungsfälle F1 bis F4. Mit der aktuell 7. Auflage ist sie auf die beiden wichtigen Fälle F1 und F2 beschränkt. Mit den 4 Bereichen des Haigh-Diagramms (Abbildung 8.14) ergeben sich somit 8 Gleichungen zur Berechnung des Mittelspannungsfaktors. Die Berechnung ist in der Richtlinie beschrieben. Für Schubspannungen gibt es keine Unterscheidung zwischen Zug- und Druckbeanspruchung. Positive wie negative Schubmittelspannungen setzen die Dauerfestigkeit gleichermaßen herab. Daher ist das Haigh-Diagramm für Schubspannungen symmetrisch, wie in Abbildung 8.15 gezeigt.

R = -1

σAK

Bauteildauerfestigkeit σAK

1

σWK 2

3

4 R=1

σm

Abb. 8.14: Bereiche des Haigh-Diagramms zur Berechnung der Bauteildauerfestigkeit für Normalspannungen

202

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

R = -1

τa

τWK

tan(α) = Mτ

tan(α) = Mτ/3

R=1

R=1

τm Abb. 8.15: Haigh-Diagramm für Schubspannungen

8.6 Geschweißte Bauteile und IIW-Empfehlungen 8.6.1 Wöhlerlinien und FAT-Klassen Der Ermüdungsfestigkeitsnachweis geschweißter Bauteile ist für viele Bereiche traditionell durch Vorschriften und Normen geregelt. Den aktuellen Stand der Technik stellen die IIWEmpfehlungen [97] dar, die in nahezu allen Bereichen der Schweißtechnik anwendbar sind. Die Inhalte des Abschnitts 8.6 beziehen sich daher größtenteils auf die IIW-Empfehlungen. Diese wurden vom IIW (International Institute of Welding) in den Jahren 1990-1996 erarbeitet und werden seitdem stetig weiterentwickelt. Die IIW-Empfehlungen sind auch in der FKMRichtlinie integriert. Im Unterschied zu ungeschweißten Bauteilen hängt die Schwingfestigkeit geschweißter Verbindungen nicht mehr von der Zugfestigkeit des verwendeten Stahls ab, sondern nur von der Art und Güte der Schweißnaht. Auch wird für geschweißte Verbindungen meist nicht von einer ausgeprägten Dauerfestigkeit ausgegangen5 [270]. In den IIW-Empfehlungen wird zwischen Standardanwendungen (mit Dauerfestigkeit) und VHCF-Anwendungen (ohne Dauerfestigkeit) unterschieden. Andere Regelwerke, wie auch die FKM-Richtlinie, ermöglichen den Dauerfestigkeitsnachweis mit horizontalem Verlauf der Wöhlerlinie nach dem Abknickpunkt. Abbildung 8.16 zeigt die Wöhlerlinie für ein geschweißtes Bauteil ohne Dauerfestigkeit. Im Vergleich zu nichtgeschweißten Bauteilen gibt es noch einige weitere wichtige Unterschiede: 5

Wie bei nichtgeschweißten Bauteilen ist auch bei geschweißten Bauteilen das Schwingfestigkeitsverhalten bei sehr hohen Lastzyklenzahlen (VHCF) und damit die Frage nach der Existenz einer Dauerfestigkeit nicht abschließend geklärt. Untersuchungen von Steppeler in [271, 272] an axial beanspruchten Stumpfnahtverbindungen deuten auf eine ausgeprägte Dauerfestigkeit hin.

Schwingbreite Δσ (log.)

8.6 Geschweißte Bauteile und IIW-Empfehlungen

203

k=3

FAT k* = 22

2·106 107

109

Last]\NOHQ N (log.)

Abb. 8.16: Wöhlerlinie für geschweißte Bauteile unter Normalspannungen, Definition der FAT-Klasse

• Die Beanspruchung wird generell als Schwingbreite Δσ (doppelte Spannungsamplitude) angegeben. • Unabhängig von der Form der Schweißnaht haben alle Wöhlerlinien bis zum Knickpunkt bei N = 107 denselben Exponenten von k = 3. • Im Bereich hoher Lastzyklenzahlen N > 107 erfolgt ein weiterer Abfall der Schwingfestigkeit von 10 % pro Dekade (IIW-Empfehlungen). Dies entspricht einem Wöhlerlinienexponenten von k ∗ = 22. • Die Lage der Wöhlerlinie in Spannungsrichtung wird durch die FAT-Klasse angegeben. Ihr Wert entspricht der ertragbaren Schwingbreite bei NFAT = 2 ⋅ 106 in MPa. • Die FAT-Klasse und damit die Wöhlerlinie sind unabhängig von der Mittelspannung. Sie gelten bereits für den schlimmsten Fall mit hohen Schweißzugeigenspannungen, weil Schweißeigenspannungen in der Regel nicht abschätzbar sind. Die Zahlenwerte gelten bei Normalspannungen. Bei Schubspannungen ist der Exponent k = 5 und der Abknickpunkt bei N = 108 . Nach dem Abknickpunkt gilt wie bei Normalspannungen k ∗ = 22. Die Definition der FAT-Klasse bezieht sich bei Schubspannungen ebenfalls auf N = 2 ⋅ 106 Lastzyklen. Die Schwingbreite der Strukturspannung σhs ist durch die Festigkeit des Grundmaterials begrenzt und sollte den Wert 1,5 ⋅ R e nicht überschreiten. Der mit k = 3 sehr steile Verlauf der Wöhlerlinien wird bruchmechanisch erklärt. Der größte Teil der Lebensdauer ist durch den Rissfortschritt gekennzeichnet. Die Bildung eines Ermüdungsrisses erfolgt bedingt durch die rissähnliche scharfe Einbrandkerbe der Schweißnaht sehr zeitig. Die Wöhlerlinien angerissener Bauteile und auch die Rissfortschrittskurven in der Bruchmechanik haben typische Exponenten von k ≈ 3 [25].

204

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Berücksichtigung der Mittelspannungen Allgemein müssen die durch die FAT-Klassen definierten Wöhlerlinien nicht an das Spannungsverhältnis der Belastung angepasst werden. Sie gelten für die Annahme, dass aufgrund hoher Schweißeigenspannungen das Spannungsverhältnis bereits im Bereich R > 0,5 liegt. In diesem Bereich erfolgt kein weiterer Abfall der Schwingfestigkeit (siehe Abschnitt 2.3.2.4). Wenn die Größe der Schweißeigenspannungen bekannt ist und das Spannungsverhältnis unter Berücksichtigung der Belastung und der Eigenspannungen R < 0,5 ist, können diese durch einen Bonusfakor (enhancement factor) f (R ) berücksichtigt werden. Dieser Faktor ist mit der FAT-Klasse zu multiplizieren und kann nach Abbildung 8.17 ermittelt werden. Dabei wird pauschal zwischen geringen, mäßigen und hohen Eigenspannungen unterschieden. Geringe Eigenspannungen (geringer als 0,2 ⋅ R e ) liegen bei spannungsarmgeglühten Schweißverbindungen vor. Mäßige Eigenspannungen treten z. B. bei dünnwandigen Trägern mit kurzen Schweißnähten oder thermisch getrennten Kanten auf. Eine Extrapolation des Bonusfaktors in Richtung R < −1 ist nach den IIW-Richtlinien nicht zulässig. Zusätzlich zur Schweißnaht ist zu untersuchen, ob durch konstruktionsbedingte Zwängungen noch globale Eigenspannungen vorliegen. Die Anwendung des Bonusfaktors setzt genaue Kenntnisse des Eigenspannungszustandes voraus. Im Zweifelsfall ist mit f (R ) = 1 zu rechnen. 1,7 I: geringe Eigenspannungen

Bonusfaktor f(R)

1,6

II: mäßige Eigenspannungen

1,5

III: hohe Eigenspannungen

1,4 1,3 1,2 1,1 1 -1

-0,75

-0,5

-0,25

0

0,25

0,5

0,75

Spannungsverhältnis R

Abb. 8.17: Bonusfaktor zur Berücksichtigung von Eigen- und Mittelspannungen auf die FAT-Klasse

Blechdickeneinfluss Die FAT-Klassen gelten für Grobbleche mit einer Blechdicke von t ≥ 25 mm. Bei dickeren Blechen muss die Schwingfestigkeit durch einen Abminderungsfaktor f (t ) auf die FAT-Klasse nach unten korrigiert werden [231] f (t ) = (

25 mm n ) . t

(8.55)

Der Exponent n ist in Tabelle 8.3 angegeben. Für den Nachweis mit dem Kerbspannungskonzept für Schweißnähte wird der Blechdickeneinfluss nicht berücksichtigt.

8.6 Geschweißte Bauteile und IIW-Empfehlungen

205

Tab. 8.3: Exponent für Blechdickeneinfluss, nach [97]

Stoßform

Beschaffenheit

kreuz- und querbelastete T-Stöße, Bleche mit

unbearbeitet

0,3

Querstreifen, Enden von Längsstreifen

Nahtübergang beschliffen

0,2

querbelastete Stumpfstöße

unbearbeitet

0,2

blecheben beschliffene Stumpfstöße, längs bean- beliebig

n

0,1

spruchte Schweißnähte oder Anschweißteile

Nahtnachbehandlung Die IIW-Empfehlungen enthalten weiterhin Bonusfaktoren, um die Schwingfestigkeitssteigerung durch Nahtnachbehandlungsmethoden zu berücksichtigen. Dazu zählen Schleifen der Schweißstelle, WIG-Nachbehandlung und Kugelstrahlen. Darauf wird hier nicht näher eingegangen und auf [97] verwiesen. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass durch einige Nachbehandlungsverfahren, z. B. Kugelstrahlen, die Festigkeit des Grundwerkstoffs einen Einfluss auf die Festigkeit der Schweißverbindung bekommt [304].

8.6.2 Nennspannungskonzept Die Wöhlerlinie eines geschweißten Bauteils wird im Nennspannungskonzept nur durch Geometrie, Werkstoffgruppe und Ausführung der Schweißverbindung bestimmt. Der spannungserhöhende Einfluss der Schweißnaht wird dadurch als abgeminderte Schwingfestigkeit auf der Seite der Beanspruchbarkeit berücksichtigt. Dafür steht ein umfangreicher Katalog an Kerbfällen mit zugehörigen FAT-Klassen zur Verfügung. Dieser umfasst in den IIWEmpfehlungen 82 verschiedene Fälle bei Normalspannungen zwischen FAT 140 und FAT 36 für Stahl und FAT 50 und FAT 12 für Aluminium. Abbildung 8.18 zeigt drei Beispiele mit einem Stumpfstoß ohne und mit Wurzelkerbe sowie einer Querstreife. Entsprechend der Definition in Abbildung 8.16 ergeben sich damit je nach FAT-Klasse verschiedene Wöhlerlinien, die bei doppeltlogarithmischer Auftragung parallel zueinander liegen, siehe Abbildung 8.19. Die Höhe der FAT-Klasse hängt ausschließlich von der konstruktiven Gestaltung der Schweißnaht ab und ist unabhängig vom Grundmaterial. Daher werden die zugehörigen Wöhlerlinien durch die Wöhlerlinie des Grundmaterials begrenzt. In Abbildung 8.19 wird dem Grundmaterial die FAT-Klasse 160 zugeordnet. Dieser Wert sollte für Werkstoffe mit höherer Festigkeit nur dann nach oben angepasst werden, wenn dies durch experimentelle Untersuchungen oder andere Berechnungsvorschriften abgedeckt ist [97]. Der Anstieg der Wöhlerlinie des Grundmaterials ist mit dem Exponenten k = 5 derselbe wie für ungeschweißte Bauteile. Bei Schubspannungen wird lediglich zwischen den beiden in Tabelle 8.4 aufgeführten Kerbfällen unterschieden. Wie in Abschnitt 8.6.1 beschrieben, haben diese den Exponenten k = 5 und den Abknickpunkt N = 108 .

206

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Δσn für N = 2·106 in MPa

Kerbfall

FAT Stahl

FAT Aluminium

σn

σn

90 MPa

36 MPa

σn

σn

36 MPa

12 MPa

σn

σn

71 MPa

22 MPa

Abb. 8.18: Beispiele für Kerbfallklassen mit Angabe der Schwingbreite des FAT-Wertes nach IIW/FKM-

Spannungsschwingbreite Δσ in MPa

Richtlinie

400 200

100

FAT 160

70

FAT 125 FAT 100

40

FAT 80 FAT 63 FAT 50

20

1E+04

FAT 40

1E+05

1E+06

1E+07

1E+08

FAT 112 FAT 90 FAT 71 FAT 56 FAT 45 FAT 36

1E+09

Lastzyklen N

Abb. 8.19: Wöhlerliniensystem verschiedener FAT-Klassen für Nennspannungskonzept, Stahl unter Normalspannungen nach IIW-Empfehlungen (ohne Dauerfestigkeit)

Tab. 8.4: FAT-Klassen für Nennschubspannungen

Kerbfall

FAT (Stahl)

FAT (Al.-Leg.)

Grundwerkstoff und voll durchgeschweißte Nähte

100

36

Kehlnähte und nicht voll durchgeschweißte Nähte

80

28

8.6 Geschweißte Bauteile und IIW-Empfehlungen

207

8.6.3 Strukturspannungskonzept Strukturspannungen an einer Schweißverbindung werden, wie in Abschnitt 6.4.2 beschrieben, aus einer FE-Berechnung mittels Extrapolation des Spannungsverlaufs zur Schweißnaht hin ermittelt. Der spannungserhöhende Einfluss der konstruktiven Ausführung der Schweißverbindung ist im Unterschied zum Nennspannungskonzept auf Seite der Beanspruchung in der Strukturspannung enthalten. Für Schweißverbindungen unter Normalspannungen wird daher nur zwischen den beiden in Tabelle 8.5 aufgeführten Fällen unterschieden. Tab. 8.5: FAT-Klassen für das Strukturspannungskonzept unter Normalspannungen

Verbindung und Beanspruchung

FAT (Stahl)

FAT (Al.-Leg.)

100

40

90

36

durchgeschweißt bzw. nicht durchgeschweißt aber nicht direkt tragend nicht durchgeschweißt und direkt tragend

An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Nachweis mit Strukturspannungen konzeptbedingt nur für den Anrissort Nahtübergang möglich ist, nicht aber, wenn das Versagen von der Nahtwurzel ausgeht. Für den Nachweis von Schubspannungen werden im Strukturspannungskonzept dieselben in Tabelle 8.4 angegebenen FAT-Klassen wie im Nennspannungskonzept verwendet. Auch Exponent und Abknickpunkt der Wöhlerlinien sind bei Schubspannungen identisch.

8.6.4 Kerbspannungskonzept Beim Nachweis mit Kerbspannungen werden die spannungserhöhenden Einflüsse einer Schweißnaht ebenfalls auf der Beanspruchungsseite erfasst. Die FAT-Klasse der Wöhlerlinie hängt vom Referenzradius, der im FE-Modell zur Modellierung der Schweißnaht verwendet wurde, der Werkstoffgruppe, der Nachweisposition (Nahtübergang oder Nahtwurzel) und der Art der Spannung ab. Der aktuelle Stand der Technik ist im DVS Merkblatt 0905 [221] zusammengefasst. Demnach ist der Referenzradius abhängig von der Blechdicke zu wählen: • r ref = 1 mm für Blechdicken t ≥ 5 mm • r ref = 0,05 mm für Blechdicken t < 5 mm Die zu verwendenden FAT-Klassen sind in Tabelle 8.6 zusammengefasst. Die Werte für r ref = 1 mm entstammen den IIW-Empfehlungen. Die Modellierung mit r ref = 0,05 ist eine Weiterentwicklung für Feinbleche mit scharf gekerbten Nahtübergängen [145, 268]. Im Falle von Nahtübergängen mit geringer Spannungskonzentration, d. h. milden Kerben, kann das Kerbspannungskonzept zu Ergebnissen auf der unsicheren Seite führen. Daher

208

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

erfolgt auch hier eine Begrenzung der Schwingfestigkeit mit der Wöhlerlinie des Grundwerkstoffs. Die zugehörige FAT-Klasse entspricht FAT 160, erhöht um einen Kerbfaktor K W . Dieser entspricht dem Verhältnis aus maximaler Hauptspannung in der mit r ref = 1 mm modellierten Nahtkerbe und der Spannung im Auslauf der Kerbe [270]. Mindestens jedoch ist mit einem Wert von K W = 1,6 und damit FAT 256 zu rechnen [270]. Für Stahl ist die Kerbspannungswöhlerlinie in Abbildung 8.20 gezeigt.

Tab. 8.6: FAT-Werte in MPa für Kerbspannungen nach DVS Merkblatt 0905 [221]

r ref in mm

Nachweisposition∗

1

NÜ und NW

225

71

0,05



500

160

0,05

NW

630

200

1

NÜ und NW

160

0,05



240

90

0,05

NW

320

120

FAT (Stahl)

FAT (Aluminium)

Normalspannungen

Schubspannungen



63

NÜ: Nahtübergang, NW: Nahtwurzel

Spannungsschwingbreite Δσ in MPa

1000 800 600 500 400

300

FAT 160·KW

FAT 225

200 FAT 160

100 1E+04

1E+05

1E+06

KW ≥ 1,6

1E+07

1E+08

1E+09

Lastzyklen N

Abb. 8.20: Bemessungswöhlerlinie für Stahl nach dem Kerbspannungskonzept (ohne Dauerfestigkeit) mit Begrenzung durch den Grundwerkstoff, nach [270]

8.6 Geschweißte Bauteile und IIW-Empfehlungen

209

8.6.5 Berechnung nach FKM-Richtlinie Der Ermüdungsfestigkeitsnachweis geschweißter Bauteile nach FKM-Richtlinie entspricht im Wesentlichen den IIW-Empfehlungen. Die formalen Unterschiede sind dadurch bedingt, dass die Nachweisführung an den Berechnungsgang für nichtgeschweißte Bauteile angepasst wurde. Im Unterschied zu den IIW-Empfehlungen wird allerdings auch bei geschweißten Bauteilen aus Stahl von einer Dauerfestigkeit ausgegangen. Diese liegt bei ND = 5 ⋅ 106 für Normalspannungen bzw. bei ND = 1 ⋅ 108 für Schubspannungen, siehe Abbildung 8.21. Der Wöhlerlinienexponent von k = 3 bzw. k = 5 bleibt unverändert. Ein weiterer Unterschied betrifft die Überlebenswahrscheinlichkeit für die in Form von FAT-Klassen angegebenen Schwingfestigkeitswerte. In der FKM-Richtlinie gelten diese generell für P Ü = 97,5 % mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von γ = 50 % (wie in Abschnitt 4.6 definiert). In den IIWEmpfehlungen wird dafür die Überlebenswahrscheinlichkeit von P Ü = 95 % und γ = 75 % bei einem beidseitigen Vertrauensbereich angegeben. Der Unterschied wird als praktisch vernachlässigbar angesehen [97]. Der Nachweis kann mit Nennspannungen, Strukturspannungen und Kerbspannungen erfolgen. Allerdings wird bei der Verwendung von Kerbspannungen keine Vergleichsspannung wie in den IIW-Empfehlungen gebildet, sondern wie auch bei nichtgeschweißten Bauteilen in der Kerbe bezüglich eines an der Schweißnaht ausgerichteten Koordinatensystems zwischen den Spannungskomponenten σ⊥ , σ∣∣ und τ unterschieden.

Spannungsamplitude σa (log.)

Normalspannungen: k = 3 und ND = 5·106 Schubspannungen: k = 5 und ND = 1·108

WL-Exponent k

FAT/2 σAK

k=0

2·106

ND

Lastzyklen N (log.)

Abb. 8.21: Wöhlerlinie für geschweißte Bauteile nach FKM-Richtlinie, ohne Mittelspannungseinfluss (hohe Schweißeigenspannungen)

210

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Da die je nach Konzept zu verwendenden FAT-Klassen den Spannungsschwingbreiten Δσ bei NFAT = 2 ⋅ 106 entsprechen, müssen diese für den FKM-Nachweis noch in ertragbare Spannungsamplituden beim Abknickpunkt in die Dauerfestigkeit ND umgerechnet werden. Das geschieht über den Umrechnungsfaktor f FAT . Für Normalspannungen bzw. für Schubspannungen ist dieser: f FAT,σ = 0,5 ⋅ ( f FAT,τ

1

1

1

1

NFAT kσ 2 ⋅ 106 3 ) = 0,5 ⋅ ( ) = 0,37 ND 5 ⋅ 106

NFAT kτ 2 ⋅ 106 5 = 0,5 ⋅ ( ) = 0,5 ⋅ ( ) = 0,23. ND 1 ⋅ 108

(8.56)

Die Bauteilwechselfestigkeit wird aus diesen Umrechnungsfaktoren, dem Einflussfaktor für die Blechdicke f t , dem Randschichtfaktor bei Oberflächenverfestigung K V nach Tabelle 3.5 und dem Eigenspannungsfaktor K E berechnet. Dies geschieht bei Schweißverbindungen wieder für Normalspannungen senkrecht und parallel zur Schweißnaht sowie für Schubspannungen. σWK,⊥ = FAT⊥ ⋅ f FAT,σ ⋅ f t ⋅ K V ⋅ K E,σ σWK,∣∣ = FAT∣∣ ⋅ f FAT,σ ⋅ f t ⋅ K V ⋅ K E,σ τWK = FATτ ⋅ f FAT,τ ⋅ f t ⋅ K V ⋅ K E,τ

(8.57)

Der Abminderungsfaktor f t wird analog zu den IIW-Empfehlungen nach Gleichung (8.55) berechnet. In der FKM-Richtlinie kann die Berechnung auch für dünnwandige Bleche mit t < 25 mm erfolgen. Das ist bis t ≥ 10 mm mit dem Exponenten n = 0,1 möglich. Dadurch wird f t für dünne Bleche zu einem Bonusfaktor mit einem Maximalwert von 1,1 bei t = 10 mm. Bei geringen Schweißeigenspannungen kann die Bauteilfestigkeit mit dem Eigenspannungsfaktor K E nach oben korrigiert werden. Pauschal wird dabei wieder zwischen hohen, mäßigen und geringen Schweißeigenspannungen unterschieden. Die Werte für den Eigenspannungsfaktor sind in der FKM-Richtlinie angegeben. Die Bauteildauerfestigkeit in Abhängigkeit der Belastungsmittelspannungen wird wie für ungeschweißte Bauteile mit dem Mittelspannungsfaktor berechnet: σAK,⊥ = K AK,⊥ ⋅ σWK,⊥ σAK,∣∣ = K AK,∣∣ ⋅ σWK,∣∣ τAK = K AK,τ ⋅ τWK .

(8.58)

Die für K AK benötigte Mittelspannungsempfindlichkeit hängt von der Höhe der Schweißeigenspannungen ab. Im Grenzfall sehr hoher Eigenspannungen ist M σ = 0 und Druckmittelspannungen erhöhen die Bauteildauerfestigkeit nicht. Das wird in Abbildung 8.22 verdeutlicht.

8.7 Behandlung nichtproportionaler mehrachsiger Beanspruchungen

211

R = -1

σa σAK für geringe bzw. mäßige Eigenspannungen

σWK·KEσ



1 Mσ/3

σAK für hohe Eigenspannungen

1

σWK

σm Abb. 8.22: Bauteildauerfestigkeit σAK für geschweißte Bauteile nach FKM-Richtlinie

8.7 Behandlung nichtproportionaler mehrachsiger Beanspruchungen Wird ein Bauteil durch verschiedene Belastungen beansprucht, wie z. B. Biegung und Torsion und ändern sich diese Belastungen nicht proportional zueinander, dann entsteht im Bauteil ein zeitlich nichtproportionaler Spannungszustand. Weil dabei das Verhältnis der Spannungskomponenten zueinander nicht konstant bleibt, ändern sich mit der Belastung auch die Hauptspannungsrichtungen und damit die Richtungen in denen Ermüdungsrisse entstehen und wachsen können. Es existieren zahlreiche Ansätze und Hypothesen, um den Einfluss mehrachsiger Beanspruchungen auf die Dauer- und Schwingfestigkeit abzuschätzen. Damit beschäftigt sich das Forschungsgebiet multiaxial fatigue. Einen Überblick über die vorhandenen Festigkeitshypothesen ist z. B. in [71, 234, 166, 216, 290, 148] enthalten. Eine umfangreiche Zusammenstellung von Veröffentlichungen dazu ist auch in [54] zu finden. Beim Nachweis der Dauerfestigkeit sind die aus der Belastung resultierenden plastischen Dehnungen meist sehr gering. In diesem Fall können spannungsbasierte Hypothesen angewandt werden. Viele davon beziehen sich auf Sonderfälle, wie z. B. nur phasenverschobene Spannungs-Zeit-Verläufe und können nicht auf andere Fälle übertragen werden. Es existieren aber auch allgemeine Ansätze für beliebig nichtproportionale Beanspruchungsverläufe. Diese können grundsätzlich in zwei Arten unterschieden werden: Festigkeitshypothesen der kritischen Schnittebene und der integralen Anstrengung.

212

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

8.7.1 Methode der kritischen Schnittebene Die Methode wurde ursprünglich für spröde Werkstoffe entwickelt [155, 187, 287, 259]. Die Grundidee, dass das Versagen von mehrachsig beanspruchten Bauteilen in verschiedenen Schnittebenen zu untersuchen ist, geht auf Findley [141] zurück. Dabei werden die Spannungskomponenten am Nachweispunkt des Bauteils in Schnitten verschiedener Orientierung ausgewertet. Für jede Schnittebene ergeben sich unterschiedliche Werte der Amplituden und Mittelwerte der Schnittspannungen. Die Schnittebene mit der ungünstigsten Kombination aus Amplituden und Mittelwerten wird als entscheidend für die Schädigung und damit für den Festigkeitsnachweis angesehen. Bei spröden Werkstoffen werden in den Schnittebenen ausschließlich die Normalspannungen ausgewertet. Abhängig vom Werkstoffverhalten existieren aber Ansätze, bei denen Schubspannungen oder eine Kombination aus Normal- und Schubspannung ausgewertet werden. Im typischen Fall von Nachweispunkten an der unbelasteten Bauteiloberfläche liegt ein ebener Spannungszustand vor. Die Schnittebenen liegen dann alle normal zur Oberfläche und unterscheiden sich um einen Winkel ϕ, siehe Abbildung 8.23. In jeder Schnittebene ergibt beim ebenen Spannungszustand entsprechend Abbildung 6.6 genau eine Normalspannung σv v (ϕ) und eine Schubspannung τuv (ϕ). Diese werden mit den Gleichungen (6.19) und (6.20) berechnet. Der Berechnungsablauf wird anhand eines Beispiels in Abbildung 8.24 verdeutlicht. Die Beanspruchung erfolgt durch eine Normalspannungs- und eine Schubspannungskomponente. Weiterhin wird sprödes Materialverhalten unterstellt, weshalb nur die Normalspannungen in den Schnittebenen ausgewertet werden. Für jeden Schnittwinkel wird der Spannungsϕ Orientierung der Schnittebene

Nachweispunkt

n τuv(ϕ) σvv(ϕ)

Abb. 8.23: Schnittspannungen abhängig vom Winkel der Schnittebene

8.7 Behandlung nichtproportionaler mehrachsiger Beanspruchungen

213

Beanspruchungs-Zeit-Verlauf

σ, τ σa

τa σ(t)

σm

τ(t)

τm

t

Amplitude σa(ϕ)

Mittelwert σm(ϕ)

Spannungsberechnung in Schnittebenen

Schnittwinkel ϕ

Schnittwinkel ϕ

Darstellung und Auswertung im Haigh-Diagramm

σa(ϕ)

maximale Auslastung

Beanspruchung

σm(ϕ)

Abb. 8.24: Prinzip der Methode der kritischen Schnittebene am Beispiel ausgewerteter Normalspannungen

214

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Zeit-Verlauf σv v (t ) berechnet. Daraus können dann die Amplituden und Mittelwerte der Normalspannung in jeder Schnittebene ermittelt werden: σa (ϕ) =

max(σv v (t )) − min(σv v (t )) 2

(8.59)

σm (ϕ) =

max(σv v (t )) + min(σv v (t )) . 2

(8.60)

Zur Bewertung der Dauerfestigkeit werden anschließend die Punkte (σa ; σm ) aller Schnittebenen ins Haigh-Diagramm eingetragen. Die Auslastung bzw. die Sicherheit kann dann, wie in Abschnitt 8.5 beschrieben, direkt ermittelt werden. In der Abbildung ist der Schnittwinkel mit der maximalen Auslastung nach Überlastungsfall F2 angegeben. Die Schnittebenen werden üblicherweise in 5°-Schritten variiert, womit die Extremwerte zur Berechnung von Spannungsamplitude und Mittelspannung ausreichend genau erfasst werden. In Fällen, in denen das Versagen nicht von der Oberfläche ausgeht, wie z. B. bei randschichtgehärteten Bauteilen oder bei Hertzschem Kontakt, müssen die Spannungskomponenten in allen verschiedenen räumlichen Schnittebenen eines Volumenelements ermittelt werden. Dies bedeutet noch einmal einen deutlich höheren Berechnungsaufwand. Bei duktilem Werkstoffverhalten wäre die analoge Auswertung von Schubspannungen in verschiedenen Schnittebenen möglich. Dies kann allerdings bei Beanspruchungen mit hohen Normalspannungen auf nicht konservative Ergebnisse führen und wird nicht empfohlen [166]. Auswertung mit skalierter Normalspannung Die Auswertung der skalierten Normalspannung nach Gaier und Dannbauer [147] erlaubt auch die Behandlung von duktilen und semi-duktilen Werkstoffen. Das Verfahren kommt in der Betriebsfestigkeits-Software FEMFAT zum Einsatz. Die Grundidee besteht darin, die Normalspannung in den Schnittebenen abhängig vom Spannungszustand (einachsig, reiner Schub, hydrostatisch und Kombinationen daraus) zu skalieren. Dadurch werden bei der Auswertung der Normalspannungen in der Schnittebene auch die Schubspannungen berücksichtigt. Der Skalierungsfaktor f ist f = 1 + (1 − k ) ⋅ V.

(8.61)

Der Spannungszustand wird durch das Hauptspannungsverhältnis V charakterisiert: σ3 , wenn ∣σ1 ∣ > ∣σ3 ∣ σ1 σ1 , wenn ∣σ3 ∣ > ∣σ1 ∣ V= σ3 Die möglichen Werte liegen zwischen −1 ≤ V ≤ 1 mit den charakteristischen Fällen: V=

(8.62) (8.63)

8.7 Behandlung nichtproportionaler mehrachsiger Beanspruchungen

215

• V = −1: Dominante Schubbelastung • V = 0: Dominante Zug-Druck-Belastung • V = 1: Hydrostatischer Spannungszustand. Der Duktilitätskoeffizient k ist das Verhältnis der Werkstoff-Wechselfestigkeit von Normalund Schubspannungen6 : k=

σW . τW

(8.64)

Er entspricht damit dem Kehrwert des Schubfestigkeitsfaktors f W,τ der FKM-Richtlinie. Für duktile Werkstoffe ist k = 1,73 und für spröde Werkstoffe ist k = 1. Bis auf die Skalierung der Normalspannungen ist der Ablauf identisch mit dem in Abbildung 8.24 gezeigten. Beispiel Eine Maschinenkomponente aus duktilem Stahl wird rein wechselnd durch ein Biegemoment mit der Kreisfrequenz ω belastet. Dem überlagert wirkt ein Torsionsmoment mit halber Frequenz und dem Spannungsverhältnis R = 0,2. An der nachzuweisenden Stelle resultiert daraus folgender Spannungs-Zeit-Verlauf: σ(t ) = 150 MPa ⋅ sin(ωt ) τ(t ) = 100 MPa ⋅ sin(0,5 ⋅ ωt ) + 150 MPa. Spannungs-Zeit-Verlauf

Spannung in MPa

300 200 100 σ(t) 0

τ(t)

-100 -200 Zeit t

Es handelt sich hierbei um eine nichtproportionale mehrachsige Beanspruchung. Die Auswertung erfolgt nach der Methode der kritischen Schnittebene. Aufgrund des duktilen Materialverhaltens werden skalierte Normalspannungen berechnet. Der Duktilitätskoeffizient ist k = 1,73. Die Bauteildauerfestigkeit ist mit σDK = 315 MPa angegeben und die Mittelspannungsempfindlichkeit beträgt M σ = 0,145. Zur Auswertung wird das Haigh-Diagramm der FKM-Richtlinie verwendet. 6

Sollte das Verhältnis aus Normal- und Schubfließgrenze nicht ebenfalls dem Wert k entsprechen, so muss zur Skalierung der Mittelspannungen in Gleichung (8.61) das Verhältnis der Fließgrenzen eingesetzt werden.

216

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis Lösung Die Beanspruchungspunkte aus Amplitude und Mittelwert werden für die verschiedenen Schnittebenen im Haigh-Diagramm dargestellt. Die grauen Markierungen zeigen die Ergebnisse in den um jeweils 5° gedrehten Schnittebenen. Zum Vergleich ist auch die Auswertung in nicht-skalierten Normalspannungen mit weißen Markierungen angegeben, welche für spröde Werkstoffe verwendet werden. Auswertung im Haigh-Diagramm

Spannungsamplitude σa in MPa

500

Dauerfestigkeit

skal. Normalspannung

400

Normalspannungen

300 200 100 0 -400

-200 0 200 Mittelspannung σm in MPa

400

Je nach zutreffendem Überlastungsfall kann nun die Sicherheit für die Dauerfestigkeit, wie in Abschnitt 8.5 beschrieben, ermittelt werden. Beim Nachvollziehen dieses Beispiels in FEMFAT kann es zu leichten Abweichungen kommen, da dort eine Mittelspannungskorrektur mit der Neuber-Regel durchgeführt wird.

◻ 8.7.2 Schubspannungsintensitätshypothese Die Schubspannungsintensitätshypothese gehört zu den Hypothesen der integralen Anstrengung. Das heißt, es wird nicht nur die Beanspruchung in einer einzigen Schnittebene als relevant für die Schädigung betrachtet, sondern in allen Schnittebenen. Der Begriff Schubspannungsintensität bezieht sich auf den quadratischen Mittelwert der Schubspannungen in allen Schnittebenen:

 π 2π  1 2 ⋅ τ¯ =    4π ∫ ∫ τγϕ sin(γ) dγ dϕ.

(8.65)

γ=0 ϕ=0

Es lässt sich zeigen, dass τ¯ mit der Vergleichsspannung GEH nach v. Mises identisch ist [308].7 7

Diese Interpretation des von Mises-Kriteriums geht auf Novoshilov 1952/1961 zurück [48].

8.7 Behandlung nichtproportionaler mehrachsiger Beanspruchungen

217

z n

τγϕ γ x ϕ

y

Abb. 8.25: Schubspannungen in einer Schnittebene, definiert durch Normale n⃗ auf Kugelfläche

Diese Beziehung wurde von Simbürger, Zenner und Liu zur Schubspannungsintensitätshypothese weiterentwickelt [201, 256, 306, 307]. Damit kann ein variables Wechselspannungsverhältnis σW /τW und auch der Mittelspannungseinfluss für Normal- und Schubspannungen separat berücksichtigt werden. Zunächst wird eine mittelspannungsfreie Vergleichsspannung gebildet:

 π 2π   15 2 2 2 ⋅ σva =    8π ∫ ∫ [a ⋅ τγϕa (1 + m ⋅ τγϕm ) + b ⋅ σγϕa (1 + n ⋅ σγϕm )] sin(γ) dγ dϕ.

(8.66)

γ=0 ϕ=0

Die Konstanten a und b berücksichtigen ein variables Wechselspannungsverhältnis

a =

1 σW 2 (3 ( ) − 4) 5 τW

(8.67)

b =

1 σW 2 (6 − 2 ( ) ) 5 τW

(8.68)

218

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

und m und n die Mittelspannungsempfindlichkeiten

m =

n =

σW 2 τsch 2 ) ⋅( ) τW 2 4 τsch 2 ( ) 7 2

(8.69)

σsch 2 4m σsch 2 ) − ( ) 2 21 2 . 5 σsch ( ) 7 2

(8.70)

σ2W − (

σ2W − (

Die Schwellfestigkeiten σsch und τsch entsprechen den Dauerfestigkeiten bei R = 0. Es ist zu beachten, dass hier nicht die Amplituden gemeint sind, sondern die Schwingbreiten. Die Sicherheit des Dauerfestigkeitsnachweises folgt aus dem Vergleich mit der Wechselfestigkeit j=

σW . σva

(8.71)

Im Vergleich mit Versuchsergebnissen zeigt sich eine vergleichsweise gute Treffsicherheit der Schubspannungsintensitätshypothese [308, 234]. Jedoch ist der Rechenaufwand bei der Auswertung von Gleichung (8.66) beträchtlich [25]. Ein frei verfügbares Programm zur Anwendung der Schubspannungsintensitätshypothese ist z. B. der PragTic solver von Papuga [235].

Abschließende Bemerkungen Allgemein ist die Bewertung nichtproportionaler mehrachsiger Schwingbeanspruchung nicht abschließend geklärt und noch Gegenstand der aktuellen Forschung. Das zeigt sich auch in der großen Anzahl verschiedener Berechnungsverfahren dazu, siehe z. B. [216, 234, 290]. Deshalb sei an dieser Stelle vor allem auf den experimentellen Lebensdauernachweis (vgl. Abschnitt 10.3) verwiesen. Wenn eine der örtlich wirkenden Spannungskomponenten kleiner als 10 % der anderen ist, kann sie vernachlässigt werden. Der Fehler bewegt sich im Rahmen der Streuung von Schwingfestigkeitsversuchen.

8.8 Sicherheitsfaktoren Der Verwendung zutreffender Sicherheitsfaktoren kommt bei zyklischer Belastung eine noch entscheidendere Rolle zu als beim statischen Festigkeitsnachweis. Ein Grund dafür ist die höhere Streuung der Schwingfestigkeit. Außerdem streut häufig auch die Belastung stark bzw. ist gar nicht so genau bekannt. In Abschnitt 4.7 ist gezeigt, wie bei bekannter Streuung

8.8 Sicherheitsfaktoren

219

von Festigkeit und Belastung für eine geforderte Überlebenswahrscheinlichkeit eine statistisch begründete Sicherheitszahl abgeleitet werden kann. Anhaltswerte für die Streuung von Schwingfestigkeitskennwerten sind in Anhang 13 angegeben. Da die Streuung in vielen Fällen nicht genau bekannt ist, müssen erfahrungsbasierte empirische Sicherheitsfaktoren verwendet werden. In vielen Konstruktionsbüchern sowie Normen und Regelwerken sind die Werkstofffestigkeiten aus verschiedenen Standards übernommen, so z. B. aus der DIN EN 10025 für Baustähle oder der DIN EN 10083 für Vergütungsstähle. Auch die FKM-Richtlinie verwendet diese Werte. Es ist wichtig zu beachten, dass die geforderten Sicherheitsfaktoren in einem Regelwerk unbedingt zu den dort angegebenen Werkstoffkennwerten gehören. Wenn Daten aus anderen Quellen mit anderen Überlebenswahrscheinlichkeiten verwendet werden, müssen diese erst auf die zu den Sicherheitsfaktoren gehörenden Überlebenswahrscheinlichkeit, wie in Abschnitt 4.3 beschrieben, umgerechnet werden. Das gilt insbesondere für Festigkeitskennwerte, die selbst experimentell ermittelt wurden. Dabei muss im Übrigen auch beachtet werden, dass genormte Festigkeiten zu Proben mit einem bestimmten Durchmesser, z. B. d = 16 mm gehören. Liegen Werte von anderen Probendurchmessern vor, muss dies über den Größeneinfluss (Abschnitt 3.2) zusätzlich berücksichtigt werden. Darüber hinaus müssen auch betriebswirtschaftliche Aspekte beachtet werden. So sind für Serienbauteile mit großer Stückzahl geringere Ausfallwahrscheinlichkeiten und damit höhere Sicherheiten erforderlich als bei Einzelanfertigungen im Sondermaschinenbau.

In der FKM-Richtlinie wird entsprechend dem Konzept der Teilsicherheiten ein Gesamtsicherheitsfaktor j D gebildet, der sich aus dem Lastsicherheitsfaktor j S , welcher die Streuung der Belastung abdeckt, dem Materialsicherheitsfaktor j F für die Streuung der Schwingfestigkeit und dem Temperaturfaktor K T,D nach Tabelle 3.6 (Seite 62) zusammensetzt: jD = jS ⋅

jF K T,D

(8.72)

Bei sicheren Lastannahmen ist für den Lastsicherheitsfaktor j S = 1 zu wählen. Ansonsten kann bei bekannter Streuung der Belastung der Lastsicherheitsfaktor analog zu Gleichung (4.58) mit dem Quantil der geforderten Wahrscheinlichkeit und der logarithmischen Standardabweichung der Belastungsstreuung berechnet werden. Der Materialsicherheitsfaktor hängt pauschal von Schadensfolgen bei Bauteilversagen sowie der Regelmäßigkeit von Inspektionen des Bauteils ab, Tabellen 8.7 und 8.8. Die Unterscheidung erfolgt in • hohe Schadensfolgen: Verlust menschlichen Lebens, • mittleren Schadensfolgen: Verlust der ganzen Konstruktion und

220

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

• geringe Schadensfolgen: Verlust sekundärer Bauteile und Möglichkeit der Lastumlagerung in statisch unbestimmten Systemen. Für Bauteile aus Eisen- und Aluminiumgusswerkstoff muss der Materialsicherheitsfaktor j F noch mit dem Gussfaktor j G nach Tabelle 8.9 multipliziert werden. Dieser berücksichtigt Festigkeitsschwankungen abhängig von Qualitätsprüfungen.

Tab. 8.7: Materialsicherheitsfaktor j F für nichtgeschweißte Bauteile nach FKM-Richtlinie

Schadensfolgen regelmäßige Inspektionen nein ja

hoch

mittel

niedrig

1,5

1,4

1,3

1,35

1,25

1,2

Tab. 8.8: Materialsicherheitsfaktor j F für geschweißte Bauteile nach FKM-Richtlinie

Schadensfolgen regelmäßige Inspektionen

hoch

mittel

niedrig

nein

1,4

1,25

1,15

ja

1,2

1,1

1,0

Tab. 8.9: Gussfaktor j G nach FKM-Richtlinie

jG nicht zerstörungsfrei geprüfte Bauteile

1,4

zerstörungsfrei geprüfte Bauteile

1,25

Premium-Gussteile∗

1,0



wie in der FKM-Richtlinie beschrieben

8.9 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 8

221

8.9 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 8

Verständnisfragen 1. Wann muss ein durch ein Amplitudenkollektiv belastetes Bauteil dauerfest ausgelegt werden? 2. Wodurch unterscheiden sich proportionale von nichtproportionalen Beanspruchungen? 3. Was sind die wichtigsten Einflussgrößen, die bei der Abschätzung der Bauteildauerfestigkeit aus der Werkstoffdauerfestigkeit zu berücksichtigen sind? 4. Was unterscheidet den Sicherheitsfaktor bzw. die Sicherheitszahl vom Auslastungsgrad bei einer Festigkeitsberechnung? Für welche Größe ist der Wert 1 ausreichend? 5. Für welches Bauteil ist bei gleicher Spannungsamplitude und R = −1 die Lebensdauer kürzer: Eine stillstehende Achse unter Wechselbiegung oder eine Welle unter Umlaufbiegung? 6. Ein gekerbtes Bauteil wird bei identischer Form (Abmessungen bleiben im gleichen Verhältnis zueinander) auf die doppelte Größe skaliert. Die Belastung bleibt unverändert. Wie verändern sich qualitativ a) Formzahl, b) bezogener Spannungsgradient, c) höchstbeanspruchtes Volumen? 7. Welcher Einfluss auf die Dauerfestigkeit wird mit dem verformungsmechanischen Anteil der werkstoffmechanischen Stützzahl in der FKM-Richtlinie erfasst? 8. Wozu wird zur Berechnung der Sicherheit bzw. der Auslastung in verschiedene Überlastungsfälle unterschieden? 9. Was bedeuten die Überlastungsfälle F1 und F2 im Haigh-Diagramm? 10. Eine Welle wird auf Torsion mit der Amplitude τa beansprucht. Wie unterscheidet sich die Dauerfestigkeit, wenn eine Mittelspannung τm positiv oder negativ mit gleichem Betrag überlagert ist? 11. Welchen Einfluss hat die Verwendung eines Baustahls mit höherer Festigkeit auf die Schwingfestigkeit einer Schweißverbindung? 12. Wie kann der steile Anstieg der Wöhlerlinien geschweißter Bauteile erklärt werden? 13. Warum sind FAT-Klassen nicht für ein bestimmtes Spannungsverhältnis angegeben? 14. Warum gibt es kerbfallabhängige FAT-Klassen für Nennspannungen, nicht aber für Struktur- und Kerbspannungen? 15. Wann können die aus der statischen Festigkeitsberechnung bekannten Vergleichsspannungshypothesen bei zyklischer Beanspruchung nicht mehr angewendet werden?

222

8 Rechnerischer Dauerfestigkeitsnachweis

Aufgaben 1. Für eine Antriebswelle soll die Dauerfestigkeit nach FKM-Richtlinie nachgewiesen werden. Die Belastung erfolgt durch ein Biegemoment mit der Amplitude M b,a = 125 Nm, bei einem Spannungsverhältnis R = −0,3. Die Berechnung mittels FEM ergab für die Belastung mit M b,a = 125 Nm eine maximale Kerbspannung von σmax = 205,3 MPa. Die Kerbspannung nimmt weiterhin über dem ersten Element (Elementdicke e = 0,11 mm) auf σ = 185,2 MPa ab (senkrecht in die Bauteiloberfläche hinein betrachtet). An der Nachweisstelle im Kerbgrund liegt näherungsweise ein einachsiger Spannungszustand vor. Die Welle wurde aus einem bereits vergüteten Halbzeug mit Vollkreisquerschnitt und dem Durchmesser D = 40 mm gefertigt und besteht aus Vergütungsstahl 28Mn6 im vergüteten Zustand mit der Werkstoffnormzugfestigkeit R m,N = 800 MPa. Die mittlere Oberflächenrauigkeit im Kerbbereich beträgt R z = 6,3 μm. a) Berechnen Sie die Bauteil-Zugfestigkeit unter Berücksichtigung des technologischen Größeneinflusses: R m = K d,m ⋅ R m,N . Hinweis: Ermitteln Sie den technologischen Größenfaktor K d,m anhand von Abbildung 3.4 oder aus Gleichung (3.3) mit den Parametern d eff,N,m = 16 mm und a d,m = 0,3. Der effektive Durchmesser d eff entspricht nach FKM-Richtlinie für diesen Werkstoff und diese Querschnittsform dem Halbzeugdurchmesser D. b) Berechnen Sie die Werkstoff-Wechselfestigkeit σW . c) Konstruktionsfaktor (Abschnitt 3.10) c1) Berechnen Sie die Stützzahl mit dem Spannungsgradientenansatz der FKMRichtlinie (Abschnitt 8.4.1). c2) Berechnen Sie den Rauheitsfaktor K R,σ zur Berücksichtigung der Oberflächenrauigkeit (Abschnitt 3.4). c3) Ermitteln Sie den Konstruktionsfaktor K WK,σ (Abschnitt 3.10). Hinweis: Als Schätzwert für die Kerbwirkungszahl kann K˜f = 2 verwendet werden. d) Berechnen Sie die Bauteilwechselfestigkeit σWK . e) Berechnen Sie die Bauteildauerfestigkeit (Überlastungsfall F2) für das gegebene Spannungsverhältnis. Hinweis: Zur Berechnung nach Gleichung (8.53) muss der Mittelspannungsfaktor K AK,σ nach Abschnitt 4.4.2.5 der FKM-Richtlinie (7. Auflage) berechnet werden. Die Berechnung wird nicht in diesem Buch gezeigt. Für den Überlastungsfall F2 kann die Dauerfestigkeit allerdings direkt mit den in Tabelle 2.2 angegebenen Formeln berechnet werden.

8.9 Verständnisfragen und Aufgaben zu Kapitel 8

223

f) Geben Sie den zutreffenden Sicherheitsfaktor an. Gehen Sie von niedrigen Schadensfolgen und sicheren Lastannahmen aus. Regelmäßige Inspektionen finden nicht statt. Der Einfluss hoher Temperaturen muss nicht berücksichtigt werden. g) Ermitteln Sie den zyklischen Auslastungsgrad für die gegebene Belastung. 2. Werten Sie die beiden nachfolgenden Beanspruchungsverläufe nach der Methode der kritischen Schnittebene für Normalspannungen in 5°-Schritten aus und stellen Sie das Ergebnis im σm -σa -Diagramm (Haigh-Diagramm) dar. a) Wechselnde Schubsspannung τa = 100 MPa und überlagerte konstante Normal-

Spannnung in MPa

spannung σm = 200 MPa: 300 200

100

σ(t)

0

τ(t)

-100 -200 Zeit t

b) Wechselnde Normalspannung σa = 200 MPa und überlagerte konstante Schub-

Spannnung in MPa

spannung τm = 100 MPa: 300 200 100 0 -100 -200 -300

σ(t) τ(t)

Zeit t

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

9.1 Bauteilwöhlerlinie Das eigentliche Ziel der Betriebsfestigkeit ist die Lebensdauerabschätzung, also die Ermittlung der Lebensdauer eines Bauteils unter der Beanspruchung mit veränderlichen Amplituden. Als Grundlage dafür wird die Bauteilwöhlerlinie benötigt, welche die Lebensdauer eines Bauteils unter zyklischer Beanspruchung mit konstanten Amplituden abhängig von der Beanspruchungsamplitude angibt. Zur Bewertung von veränderlichen Amplituden bedarf es zusätzlich noch einer Hypothese zur Schadensakkumulation. In Abschnitt 6.1 sind die verschiedenen Konzepte für den Betriebsfestigkeitsnachweis bereits aufgeführt. Diese unterscheiden sich nur in der zu Grunde liegenden Wöhlerlinie. Prinzipiell ist die Nachweisführung bei allen spannungsbasierten Konzepten gleich. Der Nachweis mit experimentell ermittelten Wöhlerlinien wird als Nennspannungskonzept bezeichnet, da diese Wöhlerlinien meist in Nennspannungen oder auch nur in Belastungsgrößen (z. B. Kräfte oder Momente) angegeben sind. Der Nachweis mit abgeschätzten (synthetischen) Wöhlerlinien wird bei ungeschweißten Bauteilen als Kerbspannungskonzept (auch Konzept der örtlichen Spannungen) bezeichnet. Bei geschweißten Bauteilen können darüber hinaus Wöhlerlinien für Nennspannungen und Strukturspannungen abgeschätzt werden, siehe Abschnitt 6.4. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und einer einheitlichen Bezeichnung werden die Spannungen auch in diesem Kapitel als Kerbspannungen σ angegeben. Sie können in den Formeln zur Schadensakkumulation ohne Einschränkung auch durch Nennspannungen oder Strukturspannungen ersetzt werden. Da bei spannungsbasierten Konzepten lediglich elastizitätstheoretisch berechnete Beanspruchungen betrachtet werden, kann theoretisch zwischen den verschiedenen Spannungsgrößen mittels eines Faktors beliebig umgerechnet werden. Art und Aufbau des Nachweises ändern sich dabei nicht. Daraus resultiert aber auch die Anwendungsgrenze dieser Konzepte. Liegen die Beanspruchungen im Bereich der Kurzzeitfestigkeit mit hohen plastischen Dehnungen, muss der Nachweis über das elastisch-plastische Kerbdehnungskonzept erfolgen (siehe Anhang 12). Entsprechend gilt die FKM-Richtlinie auch nur für Beanspruchungskollektive mit N > 104 Lastzyklen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_9

225

226

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Abschätzung von k und ND Der die Neigung der Wöhlerlinie bestimmende Exponent k hängt stark von der Bauteilform und dabei insbesondere von der Kerbschärfe ab. Für Stahl unter Normalspannungen liegt er für • ungekerbte Proben bei k ≈ 12 . . . 20, • typisch gekerbte Maschinenbauteile bei k ≈ 4 . . . 7 und • Bauteile mit scharfen Kerben bei k ≈ 3 . . . 4. Bei Schubspannungen verlaufen die Wöhlerlinien etwas flacher. Abbildung 9.1 zeigt das Ergebnis einer umfangreichen Datenauswertung von Hück [181]. Es ist eine prinzipielle Korrelation des Wöhlerlinienexponenten k mit der Formzahl K t erkennbar. Sie wird von Hück mit k ≈ 12/K t2 + 3 angegeben. Die Abhängigkeit zum bezogenen Spannungsgradienten oder dem Verhältnis R m /σW korrelierte für die untersuchten Daten schlechter. In der aus diesen Untersuchungen resultierenden Richtlinie Synthetische Wöhlerlinien [181] wurde k letztendlich in Abhängigkeit von der Kerbwirkungszahl K f und dem Einflussfaktor für die Oberflächenrauigkeit berechnet. Daneben existieren noch andere Abschätzformeln für den Wöhlerlinienexponenten, z. B. [88, 228], die aber ebenfalls die Form- bzw. Kerbwirkungszahl verwenden und daher für Bauteile, bei denen keine Formzahl sinnvoll definiert werden kann, nicht anwendbar sind.

20

Wöhlerlinienexponent k

Versuche 15

FKM-Richtlinie: k = 5

10

5

0

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Formzahl Kt

Abb. 9.1: Korrelation des Wöhlerlinienexponenten k mit der Formzahl für Stahlproben unter Normalspannungen, Versuchsdaten aus [181] (der Flächeninhalt der Kreise repräsentiert die Anzahl der Einzelversuche hinter jedem Wert)

9.1 Bauteilwöhlerlinie

227

Zenner [204] leitet über den statistischen und spannungsmechanischen Größeneinfluss her, dass der Wöhlerlinienexponent letztendlich von der Formzahl unabhängig ist und stattdessen von der Kerbschärfe (dort: Kerbgrundgröße) abhängig sein muss1 . Er erklärt den anderweitig oft bemühten Zusammenhang zur Formzahl mit den üblich verwendeten Proben, bei denen mit steigender Formzahl auch die Kerbgrundgröße abnimmt. Ein weiterer Grund für den mit zunehmender Kerbschärfe ansteigenden Wöhlerlinienexponenten liegt im Rissfortschrittsverhalten begründet. Der Anteil der Gesamtlebensdauer, der zur Anrissbildung führt, ist von der Kerbschärfe und damit vom Spannungsgradienten abhängig [103]. Bei scharf gekerbten Bauteilen ist der Anteil des Risswachstums deutlich länger (siehe Abbildung 3.8). Weitere Einflüsse auf die Neigung, wie z. B. durch das Spannungsverhältnis R, sind gering. Inzwischen hat sich der pragmatische Vorschlag Haibachs [159] durchgesetzt, für gekerbte Bauteile einen einheitlichen Exponenten zu verwenden. Dieser beträgt beispielsweise für Bauteile aus Stahl unter Normalspannungen k = 5. Dieser Wert wurde auch in die FKMRichtlinie übernommen, siehe Tabelle 9.1 am Ende des Abschnitts. Haibach [25] erklärt die unterschiedliche Neigung bei mild und scharf gekerbten Bauteilen folgendermaßen. Wie bereits in Abbildung 2.9 (Seite 21) gezeigt, verlaufen Wöhlerlinien im Gebiet der Kurzzeitfestigkeit flacher als in der Zeitfestigkeit. Den Übergang zwischen beiden Bereichen markiert die Formdehngrenze. Beanspruchungen oberhalb dieser Grenze führen zu plastischen Dehnungsanteilen im gesamten Bauteilquerschnitt, die Nenndehnung ist nicht mehr rein elastisch. Im Zeitfestigkeitsbereich mit steilerem Anstieg treten plastische Dehnungsanteile nur lokal begrenzt im Kerbgrund auf, wobei die Nenndehnung rein elastisch bleibt. Bei schwach und ungekerbten Bauteilen unter axialer Belastung hingegen sind die Dehnungen oberhalb der Dauerfestigkeit im gesamten Querschnitt stets auch plastisch. Haibach [25] schlussfolgert daraus für den flachen Verlauf der Wöhlerlinien ungekerbter Bauteile, dass dort der Zeitfestigkeitsbereich eigentlich dem Kurzzeitfestigkeitsbereich zuzuordnen ist. Die Lastzyklenzahl ND des Abknickpunkts der Wöhlerlinie liegt bei scharf gekerbten, nichtgeschweißten Bauteilen prinzipiell weiter vorn als bei schwach gekerbten. Nach Hück [181] und Wirthgen [299] korreliert sie mit dem Wöhlerlinienexponenten. Dennoch wurde bereits in der TGL [88] pauschal ein konstanter Wert von ND = 2 ⋅ 106 festgelegt. In der FKM-Richtlinie wurde der Vorschlag von Haibach [24] einer von der Bauteilform unabhängigen Knickpunktlastzyklenzahl übernommen. Sie beträgt für nichtgeschweißte Bauteile ND = 1 ⋅ 106 .

1

Darauf, dass eine große Formzahl nicht zwangsläufig eine scharfe Kerbe bedeutet, wurde bereits in Abschnitt 3.3 hingewiesen

228

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Als Grundlage für die Bauteilwöhlerlinie dient in der FKM-Richtlinie die Bauteildauerfestigkeit σAK . Abhängig von Werkstoff und Beanspruchungsart werden die Parameter k und ND nach Tabelle 9.1 bestimmt, womit eine Bauteilwöhlerlinie entsprechend Abbildung 9.2 voll definiert ist. Dabei wird noch zwischen den Wöhlerlinientypen I und II unterschieden. Typ II gilt für Bauteile aus Aluminiumlegierungen und austenitischem Stahl. Im Unterschied zur Definition des Wöhlerlinientyps II in Abschnitt 2.3.1 existiert hier ein weiterer Abknickpunkt ND,II . Dieser markiert den Übergang in die Dauerfestigkeit, welche in der Richtlinie formal auch bei Wöhlerlinientyp II definiert ist. Eine über die FKM-Richtlinie hinaus gehende Erklärung für das Auftreten des Wöhlerlinientyps II wird bei der Erläuterung von Abbildung 2.11 gegeben. Für Bauteile aus hochfesten Stahl- und Eisengusswerkstoffen mit R m > 1000 MPa kann bei einstufiger Beanspruchung (konstante Amplituden) abweichend vom Wöhlerlinientyp I nach dem Abknickpunkt mit einem weiteren Abfall der Schwingfestigkeit um 5 % pro Dekade

Spannungsamplitude σa (log.)

gerechnet werden. Das entspricht für N > ND einem Wöhlerlinienexponenten von k I I = 45.

k

WL-Typ I

σAK

kII

≈104

ND

WL-Typ II

ND,II

Lastzyklen N (log.)

Abb. 9.2: Verlauf abgeschätzter Bauteilwöhlerlinien nach FKM-Richtlinie

9.2 Schadensakkumulation und Lebensdauerlinie

229

Tab. 9.1: Kennwerte abgeschätzter Bauteilwöhlerlinien nach FKM-Richtlinie [95]

ND

k

Normalspannung

106

5

Schubspannung

106

8

ND,II

k II

Stahl und Eisenguss

Stahl und Eisenguss (randschichtgehärtet) Normalspannung

106

15

Schubspannung

106

25

Al-Werkstoff und austenit. Stahl, ADI Normalspannung

106

5

108

15

Schubspannung

106

8

108

25

Schweißverbindungen aus Stahl, Eisenguss und Al-Werkstoff Normalspannung (t ≥ 7 mm)

5 ⋅ 106

3

(t < 7 mm)

5 ⋅ 106

5

Schubspannung (t ≥ 7 mm)

108

5

(t < 7 mm)

108

7

t : Wandstärke

9.2 Schadensakkumulation und Lebensdauerlinie Die Wöhlerlinie gibt die Anzahl der Lastzyklen Ni an, bei der ein mit der konstanten Spannungsamplitude σa,i beanspruchtes Bauteil versagt. Bei der Beanspruchung durch ein Kollektiv mit unterschiedlichen Spannungsamplituden muss die Schädigung der Lastzyklen jeder Kollektivstufe zur Gesamtschädigung des Kollektivs zusammengefasst werden. Die älteste und trotz ihrer Mängel praktisch immer noch bedeutsamste Methode ist die Hypothese der linearen Schadensakkumulation. Sie wurde unabhängig voneinander durch Palmgren 1924 [233], Langer 1937 [196], Serensen 1940 [252] und Miner 1945 [226] veröffentlicht. Seit der Veröffentlichung durch Miner wird die lineare Schadensakkumulation Miner-Regel genannt, manchmal auch Palmgren-Miner-Regel. Das Prinzip der linearen Schadensakkumulation wurde bereits in Abschnitt 2.4 erläutert und soll hier wieder aufgegriffen werden. Als Eingangsgröße wird beanspruchungsseitig ein Spannungskollektiv benötigt, welches die auf das Bauteil einwirkenden Spannungsamplituden mit ihrer Häufigkeit beinhaltet. Die Beanspruchbarkeit ist durch die Bauteilwöhlerlinie

230

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

einschließlich der Dauerfestigkeit gegeben. Als Voraussetzung gilt weiterhin, dass Spannungskollektiv und Bauteilwöhlerlinie das gleiche Spannungsverhältnis R, meist R = −1, haben oder für die gleiche Mittelspannung gelten. Üblich ist die Bildung eines Ersatzspannungsamplitudenkollektivs (siehe Abschnitt 5.3.1) auf das Spannungsverhältnis der vorliegenden Wöhlerlinie. Wie in Abbildung 2.19 verdeutlicht, entspricht die Teilschädigung einer Kollektivstufe mit der Spannungsamplitude σa,i dem Verhältnis von aufgebrachten Lastzyklen n i zu den nach der Wöhlerlinie ertragbaren Lastzyklen Ni : Di = mit Ni = ND (

ni Ni

σa,i −k ) σDK

(9.1)

(für σa,i ≥ σDK ).

(9.2)

Die Gesamtschädigung des Kollektivs folgt dann nach Gleichung (2.20) als Summe der Teilschädigungen jeder Kollektivstufe D i : D Koll = ∑ D i = ∑ i

i

ni Ni

Der Ausfall des Bauteils erfolgt theoretisch, wenn D = 1 erreicht ist2 . Dabei gilt das Ausfallkriterium der Wöhlerlinie. Bei spannungsbasierten Konzepten ist das üblicherweise der Bruch des Bauteils, kann aber z. B. auch der Anriss sein. Die Gesamtlebensdauer Nert , also die Anzahl der ertragbaren Lastzyklen bis zum Ausfall des Bauteils, folgt aus dem Verhältnis der Lastzyklen aller Kollektivstufen und der Schädigung eines Kollektivdurchlaufs: Nertr =

∑ ni i

D Koll

=

∑ ni i

n

∑ Nii

.

(9.3)

i

Bei der originalen Miner-Regel (OM) gilt die Einschränkung, dass nur die Spannungsamplituden oberhalb der Dauerfestigkeit des Bauteils schädigen. Trotz dessen wird sie auch für Kollektive mit Stufen unterhalb der Dauerfestigkeit angewandt. Dem liegt die (falsche) Annahme zu Grunde, dass bei mehrstufiger Beanspruchung die Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit nicht zur Schädigung des Bauteils beitragen. Die Schädigung eines Kollektivdurchlaufs nach Miner-Original ist damit unter Anwendung der in Abbildung 9.3 definierten Indexbezeichnungen: j

ni . N i =1 i

D OM = ∑ 2

Davon kann es starke Abweichungen geben. Das wird in Abschnitt 9.4 gezeigt.

(9.4)

9.2 Schadensakkumulation und Lebensdauerlinie

231

σa (log.) σa,1

Beanspruchungskollektiv

1

Lebensdauerlinie

Wöhlerlinie

σa,i

j

σD

m

Dauerfestigkeit

Zählindex i Zählindex ɋ l ND

N1

1≤i ≤l m ≤ν≤l

Hges

NKoll

N (log.)

Zählindex aller Kollektivstufen Zählindex aller Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit

1

größte Stufe des Kollektivs

l

kleinste Stufe des Kollektivs

j

letzte Kollektivstufe oberhalb der Dauerfestigkeit

m

erste Kollektivstufe unterhalb der Dauerfestigkeit

Abb. 9.3: Summationsgrenzen für Miner-Regel und ihrer Modifikationen

Das Versagen tritt bei D = 1 ein. Die Lebensdauer entspricht dann 1/D Kollektivwiederholungen: l

NOM =

l

∑ ni

1 i =1 ⋅ ∑ ni = j D OM i =1 ni



i =1

(9.5)

Ni

Ein einfaches Berechnungsbeispiel zur Lebensdauerabschätzung mit der originalen MinerRegel ist in Tabelle 9.2 angegeben. Zusätzlich zur Annahme, dass Spannungsamplituden unterhalb der Dauerfestigkeit auch bei variabler Belastung nicht schädigen bzw. die Dauerfestigkeit über die gesamte Bauteillebensdauer unverändert bleibt, liegen der linearen Schadensakkumulationshypothese noch zwei weitere Annahmen zu Grunde, die einer Diskussion bedürfen: • Die Schädigung erfolgt linear. Für viele Werkstoffe ändert sich aber das Materialverhalten im Verlauf der Schädigung (zyklische Ver- oder Entfestigung). Damit ändert sich die Form der σ-ε-Hysterese, die Schädigung erfolgt tatsächlich nichtlinear.

232

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Tab. 9.2: Berechnungsbeispiel zu Miner-Original, Wöhlerlinie mit σDK = 100 MPa, ND = 106 und k = 5

Di =

ni Ni

i

σa,i /MPa

ni

Ni

1

200

10

31.250

3,200 ⋅ 10−4

3,200 ⋅ 10−4

2

160

90

95.367

9,437 ⋅ 10−4

1,264 ⋅ 10−3

3

120

1.000

401.878

2,488 ⋅ 10−3

3,752 ⋅ 10−3

4

80

9.000

0

3,752 ⋅ 10−3

5

40

10.000

∞ ∞

0

3,752 ⋅ 10−3

D sum,i

Schädigung eines Kollektivdurchlaufs D OM = 3,752 ⋅ 10−3 Kollektivwiederholungen bis D = 1: w ges = 266,52 Gesamtlebensdauer NOM = 5.357.088

Außerdem verläuft der Ermüdungsprozess in den Phasen der Rissentstehung und des stabilen Risswachstums unterschiedlich. Abhängig von der Bauteilform haben beide Phasen einen unterschiedlichen Anteil an der Gesamtlebensdauer. Alle bekannten Ansätze, diese Nichtlinearität zu beschreiben, erforderten umfangreiche Zusatzversuche. Dieser Aufwand kann adäquat in die experimentelle Bestimmung der Bauteillebensdauer investiert werden, die - wie in Abschnitt 10.3 beschrieben - immer genauer als eine rechnerische Lebensdauerabschätzung ist. In [138] ist eine Vielzahl von nichtlinearen Schadensakkumulationstheorien beschrieben. • Die Reihenfolge hat keinen Einfluss auf die Schädigung. Die Reihenfolge als Wechselwirkung zwischen großen und kleinen Lastzyklen ist ein wesentliches Problem bei der Anwendung der linearen Schadensakkumulation. Sie lässt sich in spannungsmechanische und werkstoffmechanische Reihenfolgeeinflüsse unterteilen. Die ersteren ergeben sich aus Eigenspannungsveränderungen durch örtliche Plastifizierungen im Kerbgrund. Sie sind mit spannungsbasierten elastischen Konzepten prinzipiell nicht zu beschreiben. Das elastisch-plastische Kerbdehnungskonzept (Örtliches Konzept), siehe Anhang 12, ist dazu in der Lage. Dort wird die Lastfolge sequentiell mit ihrer Reihenfolge berücksichtigt und nicht nur als Kollektiv. In Abbildung 9.4 ist der Effekt von Lasten mit örtlicher Plastifizierung gezeigt. Der gleiche Effekt ist auch für die falsche Annahme verantwortlich, dass Amplituden unterhalb der Dauerfestigkeit nicht schädigen. Entstehen nach einer großen Last im Kerbgrund Zugeigenspannungen, so überlagern sich diese mit den nachfolgenden Amplituden. Deshalb kann eine Amplitude, die im Wöhlerversuch, also unter Belastung mit konstanter Amplitude, tatsächlich nicht schädigt, bei variabler Belastung durchaus zur Schädigung beitragen. Weitere werkstoffmechanische Reihenfolgeeinflüsse ergeben sich aus den strukturellen Veränderungen und Anpassungen des Werkstoffes. Sie entziehen sich bis heute nahezu vollständig einer analytischen Erfassung.

9.3 Modifikationen der Miner-Regel

F

233

F t

t

σ

σ

σm

ε

Fall 1: Große Last zuerst in Zugrichtung

σm

ε

Fall 2: Große Last zuerst in Druckrichtung

Abb. 9.4: Reihenfolgeeffekt aufgrund örtlicher Plastifizierung

Diese Annahmen sind also nachweislich unzutreffend und stellen eine grobe Vereinfachung des realen Ermüdungsprozesses dar. Das zeigt sich in den teils großen Abweichungen zwischen den mittels linearer Schadensakkumulation berechneten und im Betriebslastennachfahrversuch experimentell ermittelten Lebensdauern (siehe Abschnitt 9.4). Dennoch ist bis heute die lineare Schadensakkumulationshypothese der einzige Ansatz, der ohne über die Kenntnis der Wöhlerlinie hinaus gehende experimentell zu ermittelnde Kennwerte eine rechnerische Lebensdauerabschätzung ermöglicht.

Lebensdauerlinie Zur bereits in Abbildung 9.3 abgebildeten Lebensdauerlinie bedarf es noch einiger Erläuterungen. Für ein gegebenes Beanspruchungskollektiv folgt rechnerisch genau eine ertragbare Lastzyklenzahl bzw. Lebensdauer. Dieser Punkt wird mit der berechneten Lebensdauer auf ¯ angetragen. Weitere Punkte auf der der Höhe der Spannung der obersten Kollektivstufe σ Lebensdauerlinie können durch Skalierung des Kollektivs in Beanspruchungsrichtung berechnet werden. Dabei bleiben Kollektivform und -umfang erhalten. Abbildung 9.5 verdeutlicht dieses Vorgehen. Die Lebensdauerlinie ist also eine Analogie zur Wöhlerlinie, welche die Lebensdauer für eine bestimmte Kollektivform bezogen auf den Kollektivgrößtwert darstellt.

9.3 Modifikationen der Miner-Regel Lebensdauern, die mittels Miner-Original berechnet werden, liegen im Vergleich zu im Betriebslastennachfahrversuch experimentell ermittelten Lebensdauern auf der unsicheren Seite. In der Berechnung wird die Lebensdauer also überschätzt. Das ist besonders bei Kol-

234

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

σa (log.) Lebensdauerlinie

Wöhlerlinie σ1 σ2

konst. Faktor Hges

N1

N2

N (log.)

Abb. 9.5: Zur Darstellung der Lebensdauerlinie

lektiven der Fall, deren Höchstwert nur leicht oberhalb der Dauerfestigkeit liegt. Als ein wesentlicher Grund für die Abweichungen wird angesehen, dass die Bauteildauerfestigkeit im Zuge der Belastung absinkt. Bei Bauteilen mit Vorschädigung durch bereits ertragene Beanspruchungen schädigen auch Amplituden unterhalb der ursprünglichen Dauerfestigkeit. Letztendlich geht die Dauerfestigkeit im Laufe der Bauteillebensdauer bis zum Bruch gegen Null. Außerdem führen, wie in Abschnitt 9.2 gezeigt, örtlich plastische Verformungen bei großen Lastzyklen nach Entlastung zu Eigenspannungen. Im Zusammenwirken von großen und kleinen Amplituden können damit auch kleine Amplituden unterhalb der Dauerfestigkeit durch die Überlagerung von Zugeigenspannungen und äußeren Spannungen zur Schädigung beitragen. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Modifikationen der Miner-Regel veröffentlicht, von denen die wichtigsten nachfolgend aufgeführt werden.

9.3.1 Elementare Miner-Regel Bei der elementaren Miner-Regel (EM) wird vereinfachend angenommen, dass die Amplituden unterhalb der Dauerfestigkeit in gleicher Weise schädigen, wie die oberhalb. Die Wöhlerlinie wird deshalb für die Schadensakkumulation unterhalb der Dauerfestigkeit mit derselben Neigung wie im Zeitfestigkeitsgebiet verlängert. Schädigen alle Kollektivstufen, ändert sich im Vergleich zu Gleichung (9.3) nur die Summationsgrenze der Teilschädigungen: l

ni i =1 Ni

D EM = ∑

(9.6)

9.3 Modifikationen der Miner-Regel

235

Die Lebensdauer ist damit l

NEM =

∑ ni

i =1 l



i =1

.

(9.7)

ni Ni

Gegen Miner-Elementar spricht die experimentell nachgewiesene Tatsache, dass bei Stahlwerkstoffen Amplituden bis zu Grenzwerten von ca. 20 % - 50 % der Dauerfestigkeit ohne Einfluss auf die Lebensdauer weggelassen werden können (siehe Omission in Abschnitt 10.3). Tabelle 9.3 zeigt das Beispiel für Miner-Elementar. Tab. 9.3: Berechnungsbeispiel zu Miner-Elementar, Wöhlerlinie mit σDK = 100 MPa, ND = 106 und k = 5

Di =

ni Ni

i

σa,i /MPa

ni

Ni

1

200

10

31.250

3,200 ⋅ 10−4

3,200 ⋅ 10−4

2

160

90

95.367

9,437 ⋅ 10−4

1,264 ⋅ 10−3

3

120

1.000

401.878

2,488 ⋅ 10−3

3,752 ⋅ 10−3 6,701 ⋅ 10−3 6,804 ⋅ 10−3

4

80

9.000

3.051.758

2,949 ⋅ 10−3

5

40

10.000

97.656.250

1,024 ⋅ 10−4

D sum,i

Schädigung eines Kollektivdurchlaufs D EM = 6,804 ⋅ 10−3 Kollektivwiederholungen bis D = 1: w ges = 146,98 Gesamtlebensdauer NEM = 2.954.336

9.3.2 Modifizierte Miner-Regel Als Kompromiss zwischen den Grenzfällen der originalen und der elementaren Miner-Regel bezüglich der Schädigung von Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit berücksichtigt Haibach [157] das Absinken der Dauerfestigkeit mit fortschreitender Schädigung. Für ein Bauteil, welches durch vorangegangene Beanspruchungen bereits eine Vorschädigung D aufweist, ist nach linearer Schadensakkumulation die ertragbare Lastzyklenzahl einer Kollektivstufe um den Faktor (1 − D ) vermindert N (D ) = (1 − D ) ⋅ N0 ,

(9.8)

wobei N0 die ertragbare Lastzyklenzahl des Bauteils ohne Vorschädigung ist. Außerdem hat durch die Vorschädigung die Dauerfestigkeit abgenommen. Der Schädigungsexponent q beschreibt den Abfall der ursprünglichen Dauerfestigkeit σDK,0 (Index 0 für ungeschädigt D = 0) mit zunehmender Schädigung: 1

σDK (D ) = σDK,0 ⋅ (1 − D ) q .

(9.9)

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Spannungsamplitude σa (log.)

236

Ni

σa,i Ni(D)

D=0

σDK,0

D>0

σDK(D) ND,0

ND(D)

Lastzyklen N (log.)

Abb. 9.6: Verschiebung der Wöhlerlinie nach Vorschädigung D

Somit ist für das mit D vorgeschädigte Bauteil die ursprüngliche Wöhlerlinie in Lastzyklenrichtung um (1 − D ) nach links verschoben und die Dauerfestigkeit nach Gleichung (9.9) auf σDK (D ) abgesunken, siehe Abbildung 9.6. Der neue Abknickpunkt der Wöhlerlinie folgt nach einigen Umformungen mit ND (D ) = ND,0 (

−(k −q )

σDK (D ) ) σDK,0

.

(9.10)

Weiterhin wird vereinfachend angenommen, dass Beanspruchungen unterhalb der ursprünglichen Dauerfestigkeit gleichmäßig über die Lebensdauer des Bauteils verteilt auftreten. Dann kann der schädigungsabhängige Dauerfestigkeitsabfall für die Schadensakkumulationsrechnung durch die fiktive Verlängerung der Ausgangswöhlerlinie unterhalb der Dauerfestigkeit mit dem Exponenten (k + q ) berücksichtigt werden: Nfiktiv = ND (

σa −(k +q ) ) σWK

für σa < σDK

(9.11)

Es fehlt noch die Bestimmung des Schädigungsexponenten q. Haibach wählte auf der Basis bruchmechanischer Überlegungen und vorliegender Versuchsergebnisse von Blockprogrammversuchen für duktile Werkstoffe q = k − 1. Damit erfolgt die fiktive Fortsetzung der Wöhlerlinie unterhalb der Dauerfestigkeit mit dem Exponenten k ∗ = 2k − 1, siehe Abbildung 9.7. Von Sonsino wird für spröde Werkstoffe wie Guss- und Sinterstahlbauteile der Exponent k ∗ = 2k − 2 angegeben [261]. Die lineare Schadensakkumulation erfolgt dann als getrennte Bewertung der Kollektivstufen oberhalb der Dauerfestigkeit (Summationsindex i = 1 . . . j ) und derer unterhalb der Dauerfestigkeit (Summationsindex ν = m . . . l ) (siehe Abbildung 9.3). Die Teilschädigung eines

Spannungsamplitude σa (log.)

9.3 Modifikationen der Miner-Regel

237

Exponent k

OM

σDK

MM EM

fiktive Verlängerung mit Exponent k* = 2k-1

ND Lastzyklen N (log.)

Abb. 9.7: Verlauf der Wöhlerlinie für die Schadensakkumulation nach der originalen (OM), modifizierten (MM) und elementaren (EM) Form der Miner-Regel

Kollektivdurchlaufs ist j

l ni nν +∑ . N N ν=m fiktiv,ν i =1 i

D MM = ∑

(9.12)

Die Lebensdauer in Lastzyklen folgt wieder durch Division aller Lastzyklen des Kollektivs mit der Kollektivschädigung: l

NMM =

∑ ni

i =1 j

l ni nν + ∑ ∑ ν=m Nfiktiv,ν i =1 Ni

.

(9.13)

Im Beispiel in Tabelle 9.4 zeigt sich der Unterschied zur elementaren Miner-Regel in den Schädigungen der Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit.

9.3.3 Konsequente Miner-Regel Mit dieser Bezeichnung wird die mathematisch konsequente Berücksichtigung des von Haibach abgeleiteten Dauerfestigkeitsabfalls beschrieben, ohne die bei Miner-Modifiziert getroffenen vereinfachenden Annahmen zu benötigen. Sie wurde erstmals von Gnilke [15] veröffentlicht. In abgewandelter Form war diese Lösung die Grundlage der ehemaligen Norm TGL 19350 [90]. Auch die FKM-Richtlinie empfiehlt die Anwendung der konsequenten MinerRegel. Der Rechengang ist folgenderweise zu beschreiben: • Gemäß der originalen Miner-Regel schädigen zunächst nur Lastzyklen oberhalb der Dauerfestigkeit σDK .

238

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Tab. 9.4: Berechnungsbeispiel zu Miner-Modifiziert, Wöhlerlinie mit σDK = 100 MPa, ND = 106 und k = 5 bzw. k ∗ = 2k − 1

i 1

σa,i /MPa 200

ni

Di =

Ni bzw. Nfiktiv,ν

10

ni Ni

D sum,i

31.250

3,200 ⋅ 10−4

3,200 ⋅ 10−3 1,264 ⋅ 10−3

2

160

90

95.367

9,437 ⋅ 10−4

3

120

1.000

401.878

2,488 ⋅ 10−3

3,752 ⋅ 10−3 4,960 ⋅ 10−3 4,963 ⋅ 10−3

4

80

9.000

7.450.581

1,208 ⋅ 10−3

5

40

10.000

3.814.697.266

2,621 ⋅ 10−6

Schädigung eines Kollektivdurchlaufs D MM

= 4,963 ⋅ 10−3

Kollektivwiederholungen bis D = 1: w ges = 201,51 Gesamtlebensdauer NMM = 4.050.280

• Nach einer Vorschädigung D i fällt die Dauerfestigkeit entsprechend Gleichung (9.9) ab, so dass die nächste, ursprünglich unter der Dauerfestigkeit des ungeschädigten Bauteils liegende Kollektivstufe nunmehr auch schädigt. Bis dahin wurden n i Lastzyklen des Gesamtkollektivs aufgebracht. • Weitere Kollektivstufen unterhalb σDK tragen erst zur Schädigung bei, wenn σDK (D ) auf das Niveau der jeweiligen Stufe abgefallen ist. • Die Berechnung wird schrittweise (im Sinne der Einbeziehung einer jeweils weiteren, darunter liegenden Kollektivstufe in die Schädigung) fortgesetzt, bis D = 1 oder nach Dauerfestigkeitsabfall die ertragbare Lastzyklenzahl für den Kollektivgrößtwert nach Gleichung (9.10) den Wert N1 = 0 ergibt. Durch die direkte Abhängigkeit der ertragbaren Lastzyklenzahl von der Schädigung Ni = f (D ) ist die konsequente Form streng genommen eine nichtlineare Schadensakkumulation. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Modifikationen ist damit eine Berechnung der Kollektivschädigung nicht mehr möglich, sondern nur der Gesamtlebensdauer. Umgesetzt als Gleichung folgt für Wöhlerlinien vom Typ I:



⎜( σDK k −q l NKM,I = ND ( ) (∑ n i ) ⎜ ⎜ σ1 ⎜ i =1 ⎝

σDK q σ1 ) j



i =1

− ( σσm1 )

k n i ( σσ1i )

q

q q⎞ ( σσν1 ) − ( σσν+1 1 ) ⎟ ⎟. +∑ ⎟ ν σ k ⎟ ν=m ∑ n i ( σ1i ) ⎠ i =1 l

(9.14)

Für den Schädigungsexponenten q wird wie bei Miner-Modifiziert q = k − 1 für duktile Werkstoffe3 bzw. q = k − 2 für spröde Werkstoffe verwendet. Die Summationsindizes entsprechen weiterhin den in Abbildung 9.3 angegebenen. 3

In der TGL 19350 war die ursprüngliche Empfehlung von Gnilke mit q = (k − 1)/2 enthalten.

9.3 Modifikationen der Miner-Regel

239

Gnilke hat dieses Vorgehen auch auf Wöhlerlinien vom Typ II (also solche ohne ausgeprägte Dauerfestigkeit) umgesetzt. Die Lebensdauer folgt aus



⎜ σDK k1 −q l ) (∑ n i ) ⎜ NKM,II = ND ( ⎜ σ1 ⎜ i =1

q

( σσDK ) − ( σσm1 ) 1 j

k 2 −k 1

k1

1 ) n i ( σσ1i ) + ( σσDK ⎝ i∑ =1

q l

k2

⋅ ∑ n ν ( σσν1 ) ν=m

⎞ l ⎟ ⎟. +∑ ⎟ ν l ν=m σi k 1 σi k 2 ⎟ σ1 k 2 −k 1 ( ( ) ) ( ) ⋅ ∑ n i σ1 ⎠ ∑ n i σ1 + σDK i =1 i =ν+1 q ( σσν1 )

(9.15)

q − ( σσν+1 1 )

Es ist leicht zu erkennen, dass beide Gleichungen nur mit Software umgesetzt werden können. Kaum eines der kommerziellen Software-Programme bietet aber die konsequente MinerRegel für den Wöhlerlinientyp II an. Das liegt auch daran, dass die modifizierte Miner-Regel, zumindest im experimentell untersuchten Bereich der Literatur, bei weit einfacherer Berechnung verglichen mit der konsequenten Miner-Regel vergleichbare Lebensdauerabschätzungen liefert [193]. Deutliche Unterschiede treten erst für Kollektive auf, deren Höchstwerte nur leicht über der Dauerfestigkeit liegen. Dort ist die Lebensdauerlinie weiter in Richtung größerer Schwingspielzahlen verschoben, siehe Abbildung 9.9.

Formalismus nach Hantschke Für den Wöhlerlinientyp I gibt Hantschke [168] als Alternative zu Gleichung (9.14) einen übersichtlichen und einfach umsetzbaren Formalismus für die konsequente Miner-Regel an. Dafür ist eine zusätzliche Kollektivstufe mit σa = 0 und n = 0 anzuhängen. Folgende Größen sind pro Kollektivstufe i zu berechnen (i = 1 für Stufe mit Kollektivhöchstwert wie in Abbildung 9.3 angegeben): 1. ertragbare Lastzyklen Ni nach Miner-Elementar 2. Teilschädigung D i der Stufe i und aufsummierte Schädigung bis zu dieser Stufe D sum,i 3. Schädigung, bei der die Dauerfestigkeit auf Höhe der Kollektivstufe abgefallen ist: D i ,min = 1 − (

σa,i q ) σDK

(9.16)

(Für alle Stufen mit σa,i > σDK ist D min,i = 0.) 4. Schädigungsdifferenz zur vorherigen Stufe ΔD min,i = D i ,min − D min,(i − 1) 5. Lebensdauer der Stufe i in Kollektivwiederholungen wi =

ΔD min,i D sum,(i − 1)

(9.17)

240

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

6. Lebensdauer in Kollektivwiederholungen der Stufen unterhalb der ursprünglichen Dauerfestigkeit l

w ges = ∑ w i

(9.18)

i =m

7. Lebensdauer in Lastzyklen l

NKM,I = Hges ⋅ w ges = (∑ n i ) ⋅ w ges

(9.19)

i =1

Da mit Miner-Konsequent die Lebensdauer direkt berechnet wird und nicht über die Kollektivschädigung, kann diese nur als Analogie mit D KM =

1 w ges

(9.20)

angegeben werden. Das in Tabelle 9.5 gezeigte Beispiel ist nach Miner-Konsequent mittels des Formalismus von Hantschke berechnet worden. Unterhalb der tiefsten Stufe wird eine weitere mit σa = 0 MPa angehängt. Tab. 9.5: Berechnungsbeispiel zu Miner-Konsequent nach Hantschke, Wöhlerlinie mit σDK = 100 MPa, ND = 106 und k = 5

i

σa,i /MPa

ni

Ni

Di =

ni Ni

D sum,i

D min,i

ΔD min,i

w

3,200 ⋅ 10−4

0

0

0

0

0

0

1

200

10

31.250

3,200 ⋅ 10−4

2

160

90

95.367

9,437 ⋅ 10−4

1,264 ⋅ 10−3 3,752 ⋅ 10−3

3

120

1.000

401.878

2,488 ⋅ 10−3

0

0

4

80

9.000

3.051.758

2,949 ⋅ 10−3

6,701 ⋅ 10−3

0,590

0,590

157,35

5

40

10.000

97.656.250

1,024 ⋅ 10−4

6,804 ⋅ 10−3

0,974

0,384

57,30

1

0,026

3,76

6

∞ 0 6,804 ⋅ 10−3 Kollektivwiederholungen bis D = 1: w ges = 218,42 Gesamtlebensdauer NKM = 4.390.257 0

0

0

9.3.4 Modifikation nach Liu und Zenner Nach der Modifiktion von Liu und Zenner (LZ) [203] wird die Wöhlerlinie für die Schadensakkumulation auch im Zeitfestigkeitsgebiet verändert. Unter der pauschalen Annahme, dass die Lebensdauer bis zum Bruch zu gleichen Teilen aus der Rissbildung und dem Rissfortschritt besteht, wird eine Ersatzwöhlerlinie mit einem aus Bauteilwöhlerlinie und Rissfortschrittswöhlerlinie gemittelten Exponenten k ∗ gebildet. Für den Wöhlerlinienexponenten angerissener Bauteile (Rissfortschrittswöhlerlinien) wird ein mittlerer Wert von k = 3,6 aus [183]

9.3 Modifikationen der Miner-Regel

241

Spannungsamplitude σa (log.)

Bauteilwöhlerlinie Bemessungswöhlerlinie nach Liu/Zenner Exponent k

σ1

Exponent k* = (k+3,6)/2

σDK σDK/2

Spannungskollektiv N1

ND ND*

Lastzyklen N (log.)

Abb. 9.8: Wöhlerlinie für Schadensakkumulation nach Liu und Zenner

übernommen, so dass k ∗ = (3,6 + k )/2 ist. Zur Berücksichtigung von Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit wird diese außerdem auf 50 % abgesenkt. Damit für den Grenzfall eines einstufigen Kollektivs die Lebensdauerlinie der Wöhlerlinie entspricht, erfolgt die Drehung der Wöhlerlinie um den Punkt (σ1 ; N1 ) der Ausgangswöhlerlinie. In Abbildung 9.8 wird das Vorgehen verdeutlicht. Die Schadensakkumulation erfolgt dann mit der Ersatzwöhlerlinie wie bei Miner-Original. Ein Beispiel ist in Tabelle 9.6 angegeben.

Tab. 9.6: Berechnungsbeispiel zur Modifikation nach Liu/Zenner, Wöhlerlinie mit σDK = 100 MPa, ND = 106 und k = 5 bzw. k ∗ = 4,3, σ∗DK = 50 MPa und ND∗ = 12.125.732,5

i

σa,i /MPa

ni

Ni

Di =

ni Ni

D sum,i

1

200

10

31.250

3,200 ⋅ 10−4

3,200 ⋅ 10−4

2

160

90

81.576

1,103 ⋅ 10−3

1,423 ⋅ 10−3 4,981 ⋅ 10−3

3

120

1.000

281.060

3,558 ⋅ 10−3

4

80

9.000

1.606.912

5,601 ⋅ 10−3

1,058 ⋅ 10−2

5

40

10.000



0

1,058 ⋅ 10−2

Schädigung eines Kollektivdurchlaufs D LZ = 1,058 ⋅ 10−2 Kollektivwiederholungen bis D = 1: w ges = 94,50 Gesamtlebensdauer NLZ = 1.899.448

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Spannungsamplitude σa bzw. σa in MPa (log.)

242

400 320

OM

BauteilWöhlerlinie

berechnete Lebensdauerlinien

EM

280

MM

240

KM

200 180 160

ZL

140 120 100 80 103

104

105

106

107

108

109

1010

Lastzyklen N (log.)

Abb. 9.9: Berechnete Lebensdauerlinien nach verschiedenen Modifikationen der Miner-Regel

9.3.5 Berechnete Lebensdauerlinien In Abbildung 9.9 sind die berechneten Lebensdauerlinien nach den verschiedenen Modifikationen der Miner-Regel gezeigt. Für die Berechnung wurde das 5-stufige Kollektiv der vorangegangenen Beispiele (Tabellen 9.2 bis 9.6) verwendet. Modifikationsabhängig tragen Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit nicht oder unterschiedlich stark zur Schädigung bei. Liegen alle Stufen des Kollektivs oberhalb der Dauerfestigkeit, unterscheiden sich die berechneten Lebensdauerwerte nicht (außer bei Liu/Zenner). Die Lebensdauerlinie der elementaren Miner-Regel verläuft stets parallel zum Zeitfestigkeitsbereich der Wöhlerlinie, die nach Liu/Zenner links danebenliegend anfänglich ebenfalls. Die Lebensdauerlinie nach Miner-Original weist wegen der sprunghaften Berücksichtigung von Kollektivstufen unterhalb der Dauerfestigkeit einen getreppten Verlauf auf. Nach Skalierung des Kollektivs in Spannungsrichtung liegt eine Stufe plötzlich nicht mehr oberhalb der Dauerfestigkeit und wird somit in der Schädigungsrechnung nicht mehr berücksichtigt. Die Sprünge werden mit zunehmender Anzahl an Kollektivstufen und damit feinerer Einteilung kleiner. Auch bei Liu/Zenner gibt es bei kleinen Kollektivgrößtwerten wegen der Summationsgrenze bis σD /2 diesen sprunghaften Verlauf. Die größten Unterschiede treten für Kollektive mit Höchstwerten knapp oberhalb der Dauerfestigkeit auf. Dann sollte die Berechnung nach Miner-Konsequent erfolgen. Die Modifikation nach Liu/Zenner führt, wie in Abschnitt 9.4 aufgeführt, auf eine gute Treffsicherheit. Allerdings sind dabei folgende Einschränkungen zu beachten. Für Kollektive mit

9.3 Modifikationen der Miner-Regel

243

hohen Amplituden, z. B. durch Sonderereignisse, schätzt die Modifikation wegen der Drehung um den Kollektivhöchstwert die Lebensdauer zu niedrig ab. Bei Kollektiven mit einem Größtwert knapp über der Dauerfestigkeit (z. B. im Getriebebau) wird die Lebensdauer wegen der Überbewertung der Schädigung kleiner Amplituden (Halbierung der Dauerfestigkeit) als zu niedrig abgeschätzt. Je völliger das Kollektiv ist, desto näher rückt die Lebensdauerlinie in Richtung der Wöhlerlinie. Für den Grenzfall des Rechteckkollektivs (Konstantamplitude) fällt die Lebensdauerlinie mit der Wöhlerlinie zusammen. Mit abnehmender Häufigkeit großer Amplituden relativ zum Kollektivumfang wandert die Lebensdauerlinie nach rechts in Richtung hoher Lastzyklenzahlen. Das ist beispielhaft in Abbildung 9.10 für Kollektive mit gleichem Umfang und Kollektivhöchstwert aber verschiedenen Formparametern ν (nach Gleichung (5.14)) dargestellt. Auch wenn dieses Beispiel rein rechnerisch (synthetisch) ist, bestätigt es die experimentellen Ergebnisse, wonach sich die Lebensdauer je nach Kollektivform um bis zu 4 Dekaden unterscheiden kann ([151, 232], zitiert in [25]).

Spannungsamplitude σa bzw. σa in MPa (log.)

ν=∞

ν = 20

ν=5

ν=2

ν=1

ν = 0,5

400

200 Wöhlerlinie

100 103

104

105

106

107

108

109

1010

1011

Lastzyklen N (log.)

Abb. 9.10: Einfluss der Kollektivform bzw. -völligkeit auf die Lebensdauerlinie, berechnet mit MinerModifiziert, Wöhlerlinie: σDK = 100 MPa, ND = 106 , k = 5, 100 Kollektivstufen mit linear eingeteilten Spannungsstufen

244

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

9.4 Treffsicherheit der Lebensdauerabschätzung Beim Vergleich von berechneten Bauteillebensdauern zu den experimentell im Betriebslastenversuch ermittelten tatsächlichen Lebensdauern kommt es zu teils erheblichen Abweichungen. Diese liegen oft auf der unsicheren Seite, die Lebensdauer wird demnach in der Rechnung überschätzt. Daher werden in der Fachwelt die Begriffe Lebensdauerabschätzung oder Lebensdauerprognose anstelle von Lebensdauervorhersage vorgezogen. Die Gründe liegen in den in Abschnitt 9.2 aufgeführten unzulänglichen Annahmen bei der linearen Schadensakkumulation. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie treffsicher rechnerische Lebensdauerabschätzungen sind und wie den Ungenauigkeiten begegnet werden kann. Ist die tatsächliche, d. h. experimentell bestimmte Lebensdauer bekannt, kann durch den Vergleich zur Berechnung die Treffsicherheit eingeschätzt werden. Rechnerisch tritt das Bauteilversagen bei der Schädigung D = 1 ein. Die tatsächliche Schädigung, bei der das Bauteil versagt, gibt die relative Schädigungssumme D rel an. Sie entspricht dem Verhältnis aus tatsächlicher und berechneter Lebensdauer: D rel =

NVersuch . NRechnung

(9.21)

Eine fundierte Aussage zur Treffsicherheit einer Methode kann nur erfolgen, wenn dieser Vergleich zur Versuchslebensdauer möglichst oft vorgenommen wird und die Abweichungen dann statistisch ausgewertet werden. Dazu ist eine möglichst umfangreiche und zuverlässige Datensammlung von Betriebsfestigkeitsversuchen notwendig. Eine solche wurde im Rahmen der FVA-Vorhaben [133] und [134] erstellt. Sie liegt als Datenbank DABEF vor [131] und ist seit Bestehen mehrfach erweitert worden. Sie enthält ca. 21.000 Einzelversuche, die alle neu statistisch ausgewertet wurden, um den subjektiven Einfluss der statistischen Auswertung zu minimieren. Ihr besonderer Vorteil besteht darin, dass auch für frühere Untersuchungsergebnisse die experimentell aufgebrachten Lastfolgen mit den jeweils angewendeten Programmen erneut generiert und digitalisiert wurden. Dadurch existieren Umkehrpunktfolgen und Rainflow-Matrizen und nicht nur die Amplitudenkollektive, welche den Einfluss der Klassiermethode beinhalten. Die statistische Auswertung der tatsächlichen Schädigungssummen erfolgt unter der Annahme einer logarithmischen Normalverteilung für D rel . Der Mittelwert D¯ rel einer solchen Auswertung kann durch einen einfachen Korrekturfaktor in der Lebensdauerberechnung berücksichtigt werden, wie es bei der in Abschnitt 9.5 beschriebenen relativen Miner-Regel gemacht wird. Der Mittelwert sagt jedoch noch nichts über die Treffsicherheit an sich aus. Entscheidend ist die Streuung der Abweichungen vom Mittelwert, hier beschrieben mit der Streuspanne TD =

D rel,10 % . D rel,90 %

(9.22)

9.4 Treffsicherheit der Lebensdauerabschätzung

245

Abbildung 9.11 zeigt das Ergebnis der statistischen Auswertung einer Nachrechnung von 964 Versuchsreihen nach dem Nennspannungskonzept, also mit experimentell ermittelten Wöhlerlinien. Dabei sind die Abweichungen von der experimentellen Lebensdauer lediglich vom Berechnungsverfahren abhängig. Die ideale Berechnungsmethode müsste auf D¯ rel = 1 führen. Bei der Bewertung der Streuspanne TD muss beachtet werden, dass diese natürlich nicht geringer werden kann als die der zugrunde liegenden Wöhlerlinien. Diese liegt in der untersuchten Datenbasis bereits im Bereich TD ≈ 2,0 . . . 3,5. Das Berechnungskollektiv wurde einheitlich aus der Rainflow-Matrix als Ersatzamplitudenkollektiv gebildet (vgl. Gl. (5.6)-(5.8)) und die Berechnung nach den verschiedenen Modifikationen der Miner-Regel durchgeführt, siehe Tabelle 9.7. Die Streuspanne ist mit TD = 12,7 (Miner-Konsequent) überraschend hoch und wurde erstmals mit dieser Untersuchung [134] gezeigt. Die Fehler der rechnerischen Lebensdauerabschätzung können also bis zu rund anderthalb Dekaden betragen. Die gesamte Streuung setzt sich aus einer Überlagerung verschiedener Einflüsse zusammen. Jeder für sich ist normalverteilt, ihre verschiedenen Mittelwerte führen aber zur großen Streuung der Gesamtheit. Die Bildung spezifischer, von Werkstoff, Belastung und Miner-Modifikation abhängigen Untergruppen führt zu einer deutlich besseren Treffsicherheit der Lebensdauerabschätzung. Dies verdeutlicht Abbildung 9.12. Bezogen auf die Werkstoffgruppe zeigt sich im Mittel: D¯ rel,Stahl < D¯ rel,Fe-Guss < D¯ rel,Al-Leg. . Untersuchungen in [154] deuten darauf hin, dass auch bei Sinterstahl die mittleren relativen Schädigungssummen im Bereich von Stahl liegen. Die Abweichung der Mittelwerte von D = 1 kann, wie bereits erwähnt, durch einen Korrekturfaktor auf die berechnete Lebensdauer korrigiert werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen in [134] fanden in dieser Form als Untergrenze der effektiven Miner-Summe D m,min Eingang in die FKM-Richtlinie, siehe Abschnitt 9.6. Beim Vergleich der Streuungen der unterschiedlichen Miner-Modifikationen liefert das Verfahren nach Liu/Zenner die besten Ergebnisse. Offensichtlich haben die Mittelung mit der Rissfortschrittswöhlerlinie und die damit steilere Bezugswöhlerlinie sowie die Absenkung der Dauerfestigkeit auf 50 % einen positiven Einfluss auf die Treffsicherheit. Hier kann jedoch auch ein rein statistisch begründeter Effekt wirken. Durch die Mittelung der Wöhlerlinienexponenten mit einem konstanten Wert (k ∗ = 3,6) werden die im Experiment durchaus auch rein zufällig bestimmten sehr großen oder sehr kleinen Exponenten dem Durchschnitt aller Exponenten näher gebracht. Auch dies führt zu einer kleineren Streuspanne der Schadenssummen. Die tatsächlichen Schädigungssummen von Schweißverbindungen sind mit denen mechanisch gekerbter Proben und Bauteile vergleichbar, wie Untersuchungen in [136] zeigen. Der Mittelwert der Schädigungssummen liegt bei D¯ rel = 0,3 . . . 0,4, wenn von experimentell ermittelten Wöhlerlinien ausgegangen wird.

246

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

99,9 99,5 99 98 95

Vertrauenswahrscheinlichkeit [%]

90 80 70 60 50 40 30 20 10 5 2 1 0,5 0,1 0,001

Vergleich von Berechnungsverfahren Konsequent Miner Miner-Liu/Zenner jeweils mit transformierter Amplitude und 964 Werten

0,01

0,1

1

10

100

Schädigungssumme

Abb. 9.11: Statistische Auswertung tatsächlicher Schädigungssummen nach Miner-Konsequent und Liu/Zenner [135] (Zahlenwerte für D¯ rel und TD in Tabelle 9.7)

9.4 Treffsicherheit der Lebensdauerabschätzung

Berechnungsgruppe Zug/Druck, Stahl

Elementar Miner T = 7,1

Zug/Druck, Al-Leg.

T = 7,3

Flachbiegung, Stahl

T = 7,9

Flachbiegung, Eisenguss Flachbiegung, Al-Leg. Zug/Druck, Stahl

T = 8,6

T = 9,2

0,63

0,30

T = 8,9

Flachbiegung, Stahl Flachbiegung, Eisenguss

T = 8,1

0,37 0,65

Liu / Zenner T = 6,2 T = 6,1

0,17

0,26

T = 14,8

Zug/Druck, Al-Leg.

Flachbiegung, Al-Leg.

0,29 0,35

T = 8,8

Flachbiegung, Stahl

Zug/Druck, Stahl

0,17 0,24

Konsequent Miner T = 7,2 T = 8,6

Flachbiegung, Al-Leg.

0,57 0,81

T = 13,9

Zug/Druck, Al-Leg. Flachbiegung, Eisenguss

0,48

Modifiziert Miner T = 7,3

Flachbiegung, Stahl

Zug/Druck, Stahl

0,31

T = 6,9

T = 8,9

Flachbiegung, Al-Leg.

0,24

T = 14,0

Zug/Druck, Al-Leg. Flachbiegung, Eisenguss

247

0,44 0,63 0,69

T = 10,4

1,19

T = 6,5

1,09

0,01

0,1 1 ഥ mittlere relative Schädigungssumme D rel

10

Abb. 9.12: Mittlere relative Schädigungssummen ausgewertet für verschiedene Berechnungs- und Werkstoffgruppen [135]

248

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Der Unsicherheit durch die großen Streuungen muss hingegen mit entsprechenden Sicherheitsfaktoren begegnet werden. Hierbei ist zu bedenken, dass die Auswertung von Schädigungssummen in Lebensdauerrichtung erfolgt. Der Ingenieur betrachtet normalerweise die Spannungsrichtung. Das Verhältnis zwischen Spannung und Lebensdauer beschreibt bei konstanter Schwingbeanspruchung die Wöhlerlinie. Wird das von Seeger [175] vorgeschlagene Q 0 -Verfahren angewendet, lassen sich die eben dargestellten Streuspannen der Schädigungssummen in Streuspannen in Spannungsrichtung umrechnen (Abbildung 9.13). Die Faktoren und Streuspannen in Spannungsrichtung liegen bereits in der Größenordnung herkömmlicher Sicherheitsfaktoren. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese Untersuchungen für eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 50 % durchgeführt wurden. Berechnungsgruppe Zug/Druck, Stahl

Elementar Miner T = 1,39

Zug/Druck, Al-Leg.

T = 1,42

Flachbiegung, Stahl

T = 1,55

Flachbiegung, Eisenguss

T = 1,48

Flachbiegung, Al-Leg.

T = 1,52

Zug/Druck, Stahl

Modifiziert Miner T = 1,41

Zug/Druck, Al-Leg.

T = 1,49

Flachbiegung, Stahl

T = 1,58

Flachbiegung, Eisenguss

T = 1,45

Flachbiegung, Al-Leg.

T = 1,60

Zug/Druck, Stahl Zug/Druck, Al-Leg.

0,83 0,86 0,92 0,96 0,74 0,79 0,77 0,85 0,91

Konsequent Miner T = 1,41 0,74 T = 1,48 0,80

Flachbiegung, Stahl

T = 1,63

Flachbiegung, Eisenguss

T = 1,49

Flachbiegung, Al-Leg.

T = 1,60

Zug/Druck, Stahl

0,78

Liu / Zenner T = 1,39

0,78 0,86 0,91 0,87

Zug/Druck, Al-Leg.

T = 1,40

0,92

Flachbiegung, Stahl Flachbiegung, Eisenguss

T = 1,59

0,91

T = 1,46

Flachbiegung, Al-Leg.

T = 1,50 0,5

1,03 1,02 1 Spannungsfaktor

1,5

Abb. 9.13: Mittlere Spannungsfaktoren für verschiedene Berechnungs- und Werkstoffgruppen [193]

9.5 Relative Miner-Regel

249

Regelwerke wie die FKM-Richtlinie berücksichtigen die dargestellten Unsicherheiten bei einer Lebensdauerabschätzung auf zweierlei Weise. Zum einen wird bei der Lebensdauerberechnung von Wöhlerlinien mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit ausgegangen, z. B. 97.5 %. Zum anderen werden Sicherheitsfaktoren zwingend vorgeschrieben, welche sich in ihrer Größe nach Schadensfolge und Inspizierbarkeit unterscheiden.

Einfluss des Klassierverfahrens Da die Datenbank für jeden Betriebslastenversuch auch die originale Last-Zeit-Folge beinhaltet, konnten die Kollektive für die Lebensdauerberechnung mit verschiedenen Klassierverfahren erstellt werden. Somit war erstmals auch eine statistisch fundierte Aussage zum Einfluss des Klassierverfahrens möglich. In Tabelle 9.7 sind die Ergebnisse zusammengefasst.

Tab. 9.7: Einfluss des Zählverfahrens auf die Lebensdauerabschätzung [135]

Klassierverfahren

Elementar D¯ rel TD

Modifiziert D¯ rel TD

Konsequent D¯ rel TD

Liu/Zenner D¯ rel TD

Rainflow-Zählung

0,39

12,3

0,28

12,6

0,29

12,7

0,75

9,2

Bereichspaarzählung

0,37

14,7

0,26

15,1

0,27

15,3

0,70

11,8

KGÜZ*

0,81

24,2

0,61

26,0

0,63

25,9

1,56

18,0

*Klassengrenzenüberschreitungszählung

Es zeigt sich, dass das direkt aus der Rainflowmatrix ermittelte und mittels Haigh-Diagramm umbewertete Ersatzamplitudenkollektiv die geringsten Streuspannen liefert. Bei der Klassengrenzenüberschreitungszählung ist die Streuung hingegen unvertretbar groß. Das resultiert aus der Tatsache, dass diese Zählmethode nicht geeignet ist, unsymmetrische Prozesse mit ausgeprägten Mittelwertschwankungen zutreffend zu beschreiben. Aus heutiger Sicht kann nur der Rainflow-Algorithmus empfohlen werden.

9.5 Relative Miner-Regel Auf Schütz [247] geht der Ansatz zurück, mit der sogenannten relativen Miner-Regel die umfangreichen Erfahrungswerte aus dem Vergleich von Betriebslastenversuch und Lebensdauerabschätzung zu berücksichtigen. Der Grundgedanke besteht darin, anstelle der Schädigungssumme D = 1 für das Bauteilversagen die reale Schädigungssumme D Bezug zu verwenden, die an einem ähnlichen Bauteil oder einem vergleichbaren Vorgängerprodukt bei ähnlicher Belastung ermittelt wurde. Dazu wird das Verhältnis aus der tatsächlichen Lebensdauer dieses ähnlichen Bauteils NBezug und der mittels Schadensakkumulation berechneten Lebensdauer

250

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

gebildet: D Bezug =

NBezug NRechnung

(9.23)

Diese Lebensdauer NBezug ist bei der Vorentwicklung eines neuen Erzeugnisses aus der Erprobung bzw. Serienbetreuung des Vorgängererzeugnisses oftmals bekannt. Für das neue Bauteil wird dann mit der relativen Miner-Regel (RM) die berechnete Lebensdauer korrigiert: NRM = D Bezug ⋅ NRechnung .

(9.24)

Ist spezielle Erfahrung zum nicht näher definierten Begriff »ähnliches Bauteil unter ähnlicher Belastung« vorhanden, sollte immer diese Erfahrung zur Berechnung der Schädigungssumme D Bezug benutzt werden. Ansonsten können die in Abbildung 9.12 angegebenen durchschnittlichen Schädigungssummen als Richtwerte zur Korrektur der berechneten Lebensdauer verwendet werden. Die Verwendung konstanter Schädigungssummen als Korrekturfaktoren steht jedoch im Widerspruch mit der Erfahrung, dass die Schädigungssummen mit steigender Kollektivvölligkeit ansteigen. Im Grenzfall eines einstufigen Kollektivs muss D m = 1 sein, da die Lebensdauer ohne Schadensakkumulation direkt aus der Wöhlerlinie des Bauteils folgt. In der aktuellen Auflage der FKM-Richtlinie werden daher die durchschnittlichen Schädigungssummen (in der FKM-Richtlinie als effektive Miner-Summe bezeichnet) in Abhängigkeit von der Kollektivform berechnet.

9.6 Umsetzung in der FKM-Richtlinie, Betriebsfestigkeitsfaktor

Mit den bisher gezeigten Methoden wird die Lebensdauer N eines Bauteils direkt berechnet. Der Nachweis erfolgt durch den Vergleich mit der geforderten Lebensdauer und unterscheidet sich damit prinzipiell vom statischen Nachweis und vom Dauerfestigkeitsnachweis. Dort werden zulässige und auftretende Spannungen gegenübergestellt. Im Sinne einer einheitlichen Nachweisführung wird daher auch der Betriebsfestigkeitsnachweis in der FKM-Richtlinie formal in Spannungsrichtung geführt. Dies geschieht in folgenden Schritten, die anschließend noch genauer erläutert werden. 1. Abschätzung der Bauteilwöhlerlinie, siehe Abbildung 9.2 bzw. Tabelle 9.1 2. Berechnung des Betriebsfestigkeitsfaktors K BK , der von der Wöhlerlinie, der Kollektivform und der geforderten Bauteillebensdauer N¯ abhängt 3. Anheben der Bauteildauerfestigkeit auf die Bauteilbetriebsfestigkeit: σBK = K BK ⋅ σAK

(9.25)

9.6 Umsetzung in der FKM-Richtlinie, Betriebsfestigkeitsfaktor

251

4. Berechnung des Auslastungsgrades aus Kollektivhöchstwert σa,1 , Bauteilbetriebsfestigkeit und gefordertem Sicherheitsfaktor in gleicher Weise wie beim Dauerfestigkeitsnachweis: a BK,σ =

σa,1 ⋅ jD ≤ 1 σBK

(9.26)

Der Nachweis für Schubspannungskomponenten ist analog dazu. Es muss beachtet werden, dass das Spannungskollektiv alle(!) Lastzyklen der geforderten Lebensdauer beinhalten muss und das Kollektiv nicht mehrmals durchlaufen wird. Das wird durch die Nachweisführung in Spannungsrichtung notwendig. Das Kollektiv wird also einmal durchlaufen und dafür die Sicherheit bzw. Auslastung berechnet. Liegt ein repräsentatives Spannungskollektiv oder Normkollektiv mit weniger als den geforderten Lastzyklen vor, ist dies vorher auf den Kollektivumfang Hges = N¯ in Lebensdauer zu skalieren. Die Schadensakkumulation in der FKM-Richtlinie ist nach Miner-Elementar und Miner-Konsequent möglich. Einstufenkollektiv Die Lebensdauer für ein Einstufenkollektiv folgt direkt aus der Bauteilwöhlerlinie. Der Betriebsfestigkeitsfaktor gibt dann lediglich an, wie weit die Bauteildauerfestigkeit angehoben werden kann, wenn anstelle des Dauerfestigkeitsnachweises eine begrenzte Lebensdauer N = N¯ gefordert wird, also ein Zeitfestigkeitsnachweis zu erbringen ist. 1

K BK = (

ND k ) N¯

(Zeitfestigkeitsnachweis)

(9.27)

Für den Dauerfestigkeitsnachweis ist K BK = 1, da die Bauteilbetriebsfestigkeit der Bauteildauerfestigkeit entspricht, siehe Gleichung (8.12). Mehrstufenkollektiv, Elementar-Miner Bei einem mehrstufigen Kollektiv hat der Betriebsfestigkeitsfaktor drei Aufgaben. Er soll die geforderte Lebensdauer, den Einfluss der Kollektivform und die Korrektur der Lebensdauer nach der relativen Miner-Regel beinhalten. Er wird zu 1

K BK = (

A ⋅ ND ⋅ D m k ) N¯

(9.28)

berechnet. Die Berechnung und Bedeutung der darin enthaltenen Größen lässt sich am einfachsten am Beispiel der elementaren Miner-Regel erläutern. Die geforderte Lebensdauer wird zunächst nicht für das eigentliche Kollektiv, sondern für ein Einstufenkollektiv auf Höhe des Kollektivmaximums σa,1 berechnet. Das Verhältnis ND /N¯ in Lebensdauerrichtung entspricht einem Faktor (ND /N¯ )(1/k ) in Spannungsrichtung. Um diesen wird die Dauerfestigkeit angehoben, wenn ND > N¯ oder abgesenkt, wenn ND < N¯ ist, Abbildung 9.14.

252

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

b)

Kollektiv

Wöhlerlinie Miner-Elementar

σa (log.)

σa (log.)

a)

Wöhlerlinie Miner-Elementar Kollektiv

ND/N

(ND/N)1/k σAK

σAK

(ND/N)1/k

ND/N N

ND

ND N N (log.)

N (log.)

Abb. 9.14: Anteil des Betriebsfestigkeitsfaktors zur Berücksichtigung der geforderten Lebensdauer für a) N¯ < ND und b) N¯ > ND , Berechnung mit Miner-Elementar

Die eigentliche Schadensakkumulation erfolgt in der Berechnung des mit A bezeichneten Lebensdauervielfachen. Der Wert von A entspricht dem Verhältnis aus Lebensdauer bei Kollektivbeanspruchung NKoll und Einstufenbeanspruchung NEinst bei gleichem Kollektivhöchstwert σa,1 . Nach der elementaren Miner-Regel folgt A ele mit den Gleichungen (9.2), (9.6) l

und (9.7) sowie unter Beachtung von ∑ = N¯ mit i =1

A ele =

NKoll = NEinst

N¯ D EM = σa,1 −k l ⎛ ND ( ) ∑⎜ σAK



⎞ ⎟ −k i =1 ⎝ N ( σa,i ) ⎠ D σ ni

⋅ ND (

σa,1 k ) σAK

AK

=

1 n i σa,i k ) ∑ ¯ ⋅( σa,1 i =1 N l

.

(9.29)

Die Summationsgrenzen sind zugunsten einer einheitlichen Darstellung wie in Abbildung 9.3 definiert und damit abweichend von der FKM-Richtlinie gewählt. Das Lebensdauervielfache A ist auch charakteristisch für die Form des Kollektivs. Kleine Werte stehen für völlige Kollektive, im Grenzfall des Einstufenkollektivs ist A = 1. Nimmt das Verhältnis der Häufigkeit von großen zu kleinen Amplituden und somit die Völligkeit des Kollektivs ab, nimmt A zu und die ertragbare Lebensdauer verschiebt sich in Richtung größerer Lastzyklenzahlen. Zu dem in früheren Ausgaben der Richtlinie verwendeten Völligkeitsmaß v nach Gleichung (5.15)

9.6 Umsetzung in der FKM-Richtlinie, Betriebsfestigkeitsfaktor

253

besteht der Zusammenhang v = A −1/k . Die Berechnung für den Wöhlerlinientyp II erfolgt bei Elementar-Miner ebenfalls mit Gleichung (9.29). Zuletzt wird noch die effektive Miner-Summe D m berechnet, die entsprechend der relativen Miner-Regel die berechneten Lebensdauern korrigiert. Dies erfolgt nach Hinkelmann [178, 179] in Abhängigkeit der durch A charakterisierten Kollektivform, um die Abnahme der effektiven Miner-Summe bei weniger völligen Kollektiven berücksichtigen zu können (IMAB4 Verfahren). Im Bereich 16 ≤ A ≤ 16/D m,min ist

2 Dm = √ . 4 A

(9.30)

Die Obergrenze für A < 16 ist D m = 1. Für völligere Kollektive erfolgt keine Korrektur der Le4 bensdauer. Die untere Grenze bei A = 16/D m,min wird mit den in Tabelle 9.8 angegebenen Wer-

ten aus [134] berechnet. Abbildung 9.15 zeigt die Abhängigkeit der effektiven Miner-Summe vom Lebensdauervielfachen. Die Zwischenschritte zur Berechnung des Betriebsfestigkeitsfaktors nach Elementar-Miner sind in Abbildung 9.16 zusammenfassend dargestellt.

Tab. 9.8: Untergrenze der effektiven Miner-Summe, FKM-Richtlinie

Werkstoffgruppe

D m,min 0,3

geschweißte Bauteile

0,5

GJS, GJM und GJL (nicht geschweißt)

1,0

Dm (log.)

Stahl, GS und Al-Leg. (nicht geschweißt)

1

Dm,min

16

16/(Dm,min)4

A (log.)

Abb. 9.15: Effektive Miner-Summe in Abhängigkeit des Lebensdauervielfachen

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

σa (log.)

254

Wöhlerlinie

Lebensdauerlinie

σBK (A·Dm)1/k

KBK

(ND/N)1/k

σAK

A·Dm Kollektiv N

ND

N (log.)

Abb. 9.16: Zur Berechnung des Betriebsfestigkeitsfaktors nach Elementar-Miner

Mehrstufenkollektiv, Konsequent-Miner Bei Anwendung der konsequenten Miner-Regel muss die Berechnung iterativ erfolgen, da N nicht wie in Gleichung (9.14) bzw. (9.15) direkt berechnet wird, sondern die zu ertragende Lastzyklenzahl N¯ vorgegeben und die ertragbare Maximal-Spannungsamplitude des Kollektivs (Bauteilbetriebsfestigkeit) gesucht ist. Als Startwert wird eine mit Miner-Elementar berechnete Äquivalentspannungsamplitude verwendet:

˜ äqu = σ

σa,1 , K BK,ele

(9.31)

worin K BK,ele dem nach Gleichung (9.28) berechneten Betriebsfestigkeitsfaktor entspricht. Mit diesem Startwert wird die zugehörige Zyklenzahl

N˜ = A kon ⋅ ND ⋅ D m ⋅ (

˜ äqu σ σa,1

k

)

(9.32)

mit dem Lebensdauervielfachen k −1

A kon = (

l Z1 Z2 σa,1 +∑ )⋅( ) ˜ äqu σ N 1 ν=1 N 2

(9.33)

9.6 Umsetzung in der FKM-Richtlinie, Betriebsfestigkeitsfaktor

255

und den Hilfsgrößen Z1 = (

Z2 = (

N1 =

˜ äqu σ σa,1

k −1

)

−(

σa,m k −1 ) σa,1

σa,ν k −1 σa,ν+1 k −1 ) −( ) σa,1 σa,1

m −1

ni

σa,i

k

) ∑ ¯ ⋅( σa,1 i =1 N

ν n i σa,i k N2 = ∑ ⋅( ) ¯ σa,1 i =1 N

(9.34)

berechnet. Auch hier sind die Summationsgrenzen zu Gunsten der Einheitlichkeit nach Abbildung 9.3 und damit abweichend von der FKM-Richtlinie definiert. Es sind l

die Anzahl aller Kollektivstufen, bzw. die Nummer der letzten Stufe,

m

˜ äqu die Nummer der ersten Kollektivstufe unterhalb σ (ändert sich in jedem Iterationsschritt),

i

der Zählindex über alle Kollektivstufen und

ν

˜ äqu . der Zählindex der Kollektivstufen unterhalb σ

˜ äqu wird anschließend iterativ geändert, bis die ZyklenDie Äquivalentspannungsamplitude σ zahl in Gleichung (9.32) der geforderten Lastzyklenzahl entspricht: N˜ = N¯ . Der Wert für A kon dieses Iterationsschrittes wird dann in Gleichung (9.27) für den Betriebsfestigkeitsfaktor K BK eingesetzt. Der Nachweis mit dem Wöhlerlinientyp II für Bauteile aus Aluminiumwerkstoff oder austenitischem Stahl erfolgt mit einem entsprechend abgeänderten Formelsatz, der in der FKMRichtlinie ebenfalls angegeben ist. Die Berechnung nach Miner-Konsequent ist in kommerziellen Softwareprodukten umgesetzt, aber z. B. auch als online erhältliche Berechnungsvorlage zum Buch Angewandter Festigkeitsnachweis nach FKM-Richtlinie [81]. Obere Grenze der Maximalamplitude Nach oben hin ist die Bauteilbetriebsfestigkeit bzw. die ertragbare maximale Spannungsamplitude des Kollektivs durch die statische Festigkeit begrenzt. Amplituden in dieser Größenordnung sind dem Kurzzeitfestigkeitsbereich zuzuordnen und nicht mehr durch die Wöhlerlinie des Zeitfestigkeitsbereiches abgedeckt. Die Beschränkung erfolgt für geschweißte und ungeschweißte Bauteile sowie Normal- und Schubspannungen gleichermaßen auf 75% der statischen Festigkeit. Dies ist in Abbildung 9.17 mit Hilfe des Haigh-Diagramms verdeutlicht.

256

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Für Normalspannungen gilt: σBK,max = 0,75 ⋅ R e ⋅ n pl ⋅ K AK,σ .

(9.35)

R=-1

σa

σBK

σWK

R=1

σm

Abb. 9.17: Begrenzung der Bauteilbetriebsfestigkeit durch die statische Festigkeit im Haigh-Diagramm nach FKM-Richtlinie [95]

Beispiel Das in Tabelle 9.3 berechnete Beispiel der Lebensdauerabschätzung nach MinerElementar soll nach dem Formalismus der FKM-Richtlinie gelöst werden. Dazu muss die Berechnung quasi rückwärts erfolgen. Die in Tabelle 9.3 berechnete Lebensdauer wird nun für das Kollektiv als nachzuweisende Lebensdauer von N¯ = 2.954.336 vorgegeben und die der Bauteilbetriebsfestigkeit entsprechende maximale Spannungsamplitude des Kollektivs ist gesucht. Die Bauteilfestigkeit ist wieder durch die Wöhlerlinie mit den Größen σAK = 100 MPa, ND = 106 und k = 5 gegeben. Eine Korrektur im Sinne der relativen Miner-Regel findet nicht statt, D m = 1. Lösung Da in der FKM-Richtlinie das Kollektiv alle erforderlichen Lastzyklen beinhalten soll, müssen die Stufenhäufigkeiten n i noch skaliert werden. Der Skalierungsfaktor f N ist das Verhältnis aus Summenhäufigkeit des Kollektivs in Tabelle 9.3 zur jetzt geforderten Lastzyklenzahl: 2.954.336 = 146,98. 20.100 Somit wird für die Berechnung das nachfolgende, in Lastzyklen skalierte Kollektiv fN =

verwendet:

9.7 Nachweisart und Konstruktionsprinzipien

257

i

σa,i /MPa

1

200

1.470

2

160

13.228

3

120

146.982

4

80

1.322.837

5

40

1.469.819

ni

Das Lebensdauervielfache folgt aus Gleichung (9.29) zu A ele = 94,539, woraus der Betriebsfestigkeitsfaktor mit K BK = 2,0 folgt. Die Bauteilbetriebsfestigkeit ist somit σBK = K BK ⋅ σAK = 200 MPa. Das Ergebnis stimmt exakt mit dem Beispiel in Tabelle 9.3 überein, da die Bauteilbetriebsfestigkeit dem dortigen Kollektivhöchstwert entspricht: σBK = σa,1 .



9.7 Nachweisart und Konstruktionsprinzipien Die Konstruktion und der Festigkeitsnachweis eines Bauteils werden durch drei Aspekte bestimmt: den Einsatzbereich des Produktes, die Belastungscharakteristik und den Sicherheitsaspekt, welcher für das angewendete Konstruktionsprinzip entscheidend ist.

9.7.1 Art des Nachweises Die Art des zu führenden Festigkeitsnachweises hängt von der Belastungscharakteristik und dem Einsatzgebiet des Bauteils ab. Der stets zu führende statische Nachweis ist bei vorwiegend ruhender oder wenig wiederholter Belastung entscheidend. Das ist auch der Fall, wenn sehr hohe Belastungen von lediglich deutlich kleineren variablen Lasten überlagert sind, die aufgrund der Bauteildimensionierung dauerfest ertragen werden könnten. Die Entscheidung für einen Dauer-, Zeit- oder Betriebsfestigkeitsnachweis hängt von Form und Umfang des Belastungskollektivs ab, wie in Abschnitt 8.1 beschrieben.

258

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Der Einsatz des Bauteils ist entscheidend dafür, wie der Festigkeitsnachweis geführt wird. Neben dem rein experimentellen Festigkeitsnachweis mit dem konkreten Bauteil unter der im Betrieb auftretenden Belastung (siehe Abschnitt 10.3) und dem rein rechnerischen Festigkeitsnachweis, z. B. mit der FKM-Richtlinie, sind auch Zwischenformen möglich. So kann z. B. die rechnerische Lebensdauerabschätzung anhand einer experimentell ermittelten Bauteilwöhlerlinie erfolgen. Typisch für den experimentellen Festigkeitsnachweis sind sicherheitsrelevante Bauteile in der Großserie, z. B. Fahrwerkskomponenten. Das schließt jedoch nicht aus, dass während der Entwicklung eine rechnerische Vordimensionierung erfolgt. So können verschiedene Konstruktionsvarianten verglichen und Bauteile in Bezug auf die Festigkeit und Gewicht/Kosten optimiert werden. Der Betriebslastenversuch dient dann zur Absicherung und als Freigabeprüfung. Der rein rechnerische Nachweis anhand von Normen und Richtlinien ist typisch im Sondermaschinenbau und dort, wo Bauteile in begrenzter Stückzahl hergestellt werden. Hier wäre der experimentelle Nachweis am fertigen Produkt viel zu teuer und zeitaufwändig. Aber auch in vielen mittleren und kleinen Betrieben erfolgt der Festigkeitsnachweis rein rechnerisch. Neben dem Kostenaspekt besteht häufig auch gar nicht die Kapazität zur experimentellen Erprobung in Form von Prüfständen. Daneben ist der Festigkeitsnachweis nach Normen im geregelten Bereich gesetzlich vorgeschrieben. Das betrifft z. B. den Flugzeug- und den Schienenfahrzeugbau, Druckbehälter, kerntechnische Anlagen und Bereiche des Stahlbaus. Oft sind darin auch die anzunehmenden Lasten vorgeschrieben (z. B. Wind- und Schneelasten).

9.7.2 Werkstoffauswahl Die konstruktive Gestaltung eines Bauteils hat einen weitaus größeren Einfluss auf die Schwingfestigkeit als die Wahl des Werkstoffs. So kann vielfach allein durch die Änderung der lokalen Geometrie die Spannung im Bauteil nennenswert gesenkt und dadurch die zulässige Belastung des Bauteils erhöht werden. Im Vergleich dazu ist der Wechsel zu einem höherfesten Werkstoff meist deutlich teurer und aufgrund der geringeren Stützwirkung bei stark gekerbten Bauteilen sogar wirkungslos bis kontraproduktiv. Die leider häufig anzutreffende Aussage, ein Werkstoff mit höherer statischer Festigkeit bzw. höherer Schwingfestigkeit erhöht auch die Schwingfestigkeit eines Bauteils, gilt nur bei schwach- und ungekerbten Bauteilen. Die Schwingfestigkeit einer ungekerbten Werkstoffprobe beschreibt ein gekerbtes Bauteil nur unzureichend. Sind scharfe Kerben unvermeidbar, sollte aus Sicht der Schwingfestigkeit besser ein niedrigfester Werkstoff verwendet werden. Das hat außerdem die Vorteile geringer Werkstoff- und Bearbeitungskosten sowie geringeren Maschinenverschleißes bei der Bearbeitung. Darüber

9.7 Nachweisart und Konstruktionsprinzipien

259

hinaus sind die Verfahren der Oberflächenverfestigung (Abschnitt 3.6) oft effektiver und wirtschaftlicher als die Wahl eines anderen Werkstoffs und konstruktive Maßnahmen. Auch bei Beanspruchungen mit hohen Mittelspannungen kann ein Teil der höheren Werkstofffestigkeit aufgrund der ebenfalls höheren Mittelspannungsempfindlichkeit des Werkstoffs aufgehoben werden. Ein hochfester Werkstoff kann unabhängig davon dennoch aus anderen Gründen erforderlich sein, um z. B. Anforderungen bezüglich der Sicherheit im Crashverhalten genüge zu tun.

9.7.3 Konstruktionsprinzipien Bei der betriebsfesten Bemessung von Konstruktionen sind folgende Probleme zu berücksichtigen: • Sowohl die Belastung (Beanspruchung) als auch die Bauteilfestigkeit (Beanspruchbarkeit) sind mit Streuungen behaftet und können nur statistisch beschrieben werden. • Bei Annahme der nach unten und oben offenen Normalverteilung kann es keine absolute Sicherheit geben. Das Versagen einer Konstruktion kann daher nur mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden. • Alle Schadensakkumulationstheorien sind fehlerbehaftet. • Auch bei Laborversuchen und zeitraffenden Erprobungen (siehe Abschnitt 10.3) gibt es Übertragungsprobleme zur realen Nutzung. • Exakte Einsatzerprobungen sind fast nie mit ausreichend großer Stichprobe möglich, um statistisch gesicherte Aussagen zur Lebensdauer treffen zu können. Aus diesen Gründen und als Konsequenz aus den Flugzeugabstürzen der Comet-Serie in den 1950-iger Jahren wurde zu dem bis dahin angewandten schwingbruchsicheren Konstruktionsprinzip (safe-life design) das schadenstolerante Konstruktionsprinzip (damage-tolerant design) entwickelt, welches vor allem Gesichtspunkte der Rissausbreitung berücksichtigt.

9.7.3.1 Schwingbruchsichere Konstruktion Die schwingbruchsichere Konstruktion (Safe-Life-Design) wird angewendet, wenn das Bauteil das einzige kraftübertragende Element ist, sein Ausfall den Totalausfall oder katastrophale Folgen bedeuten würde und eine geringe Inspizierbarkeit gegeben ist. Deshalb ist ein wachstumsfähiger Anriss während der gesamten Einsatzzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die Berechnung der notwendigen Sicherheitszahl für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit ist in Abschnitt 4.7 ausführlich beschrieben. Bezüglich der Streuung der Belastung werden zwei Fälle unterschieden. Fall 1 entspricht einer kaum streuenden Belastung. Ein typisches

260

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Beispiel für diesen Fall sind Pleuel moderner Verbrennungsmotoren. Die Motoren werden meist abgeregelt, die Maximalbeanspruchung streut nur im Rahmen der Fertigungstoleranzen und die Sicherheitszahl berücksichtigt nur die Streuung der Festigkeit. Im Fall 2 streuen sowohl Belastung als auch Festigkeit. Die Sicherheitszahl beschreibt dann den Abstand bzw. die Überschneidung der beiden statistischen Verteilungen, wie in Abbildung 4.17 gezeigt. Die statistische Verteilung der Beanspruchung verdeutlicht das Beispiel, dass ein »sportlicher« Autofahrer mit Sicherheit das Fahrwerk härter beanspruchen wird als ein »normaler« Autofahrer. Einen guten Überblick über die schwingbruchssichere Auslegungsphilosophie im Automobilbau wird in [176] gegeben. Die schwingbruchsichere Konstruktion wird für wartungsfreie Konstruktionen verwendet. Mit ihr kann nicht das volle Leichtbaupotential ausgeschöpft werden, da insbesondere bei streuender Belastung stets der härteste Fall berücksichtigt werden muss. Das wird am Beispiel von PKW besonders deutlich. Im Gegensatz z. B. zum zivilen Flugzeugbau streuen die Bauteilbelastungen in PKW-Fahrwerken extrem. Um Ausfälle auszuschließen, müssen sehr harte Lastannahmen getroffen werden. Das führt zur Überdimensionierung der meisten PKW für den normalen Gebrauch [68]. Hinweis zur statistischen Sicherheit Häufig werden die Verteilungsparameter Mittelwert und Streuung aus kleinen Stichproben mit n ≈ 10 . . . 30 Versuchen geschätzt. Die Extrapolation auf sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeiten, wie sie für Bauteile in Großserien gefordert sind, ist mit großer Unsicherheit verbunden. Hinzu kommt, dass sich die verschiedenen Verteilungen im Bereich nahe dem Mittelwert zwar kaum unterscheiden, an den Rändern dagegen sehr. Dabei ist es bis heute ungeklärt, welche die richtige Verteilung der Schwingfestigkeit ist. Die log-Normalverteilung, bei der für P A → 0 auch die Festigkeit gegen Null geht, oder Verteilungen mit einer festen Untergrenze > 0, wie die 3-parametrische Weibullverteilung oder die arcsin-Verteilung (siehe Abschnitt 4.3.2). Ein weiteres Problem für eine rein statistisch begründete Bauteilauslegung besteht in der häufig kaum bekannten Streuung der Beanspruchung. Diese Probleme sind bis heute nur durch Erfahrung mittels empirischer Sicherheitsfaktoren lösbar.

9.7.3.2 Schadenstolerante Konstruktion Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Konzepts, welches auf Grundlage der Bruchmechanik den Rissfortschritt berücksichtigt, sind vor allem streng einzuhaltende Inspektionsintervalle. Es existieren zwei Ansätze: Ein tragendes Strukturelement Das Strukturelement ist tragend, besitzt einen langsamen Rissfortschritt und eine hohe Restfestigkeit. Besonders in diesem Fall muss untersucht werden, ob seltene Sonderereignisse,

9.7 Nachweisart und Konstruktionsprinzipien

261

die zufällig auftreten können, die kritische Risslänge überschreiten und damit zum plötzlichen Totalausfall führen können. Unter Berücksichtigung des Bemessungskollektivs (ohne Sonderereignisse) ergibt sich ein kollektivtypischer Zusammenhang zwischen Rissfortschritt und Lastzyklen. Die seltenen Ereignisse können durchaus vorher zum Totalausfall führen. Die kritische Risslänge am Erzeugnis darf also nur unter Berücksichtigung der Sonderereignisse festgelegt werden.

Mehrere parallel tragende Strukturelemente Im Falle eines Ausfalls eines Strukturelements übernehmen andere die tragende Funktion. Hier handelt es sich immer um mehrfach statisch unbestimmte Bauteile. Auch hier ist die niedrige Rissausbreitungsgeschwindigkeit in Verbindung mit hoher Restfestigkeit Auslegungskriterium. Die schadenstolerante Konstruktion muss folgende Anforderungen erfüllen: • Die Struktur muss die geforderte Lebensdauer aufweisen, entweder als rissfreier Abschnitt oder als ein Abschnitt, in dem der Rissfortschritt so gering ist, dass er mit Sicherheit durch Inspektionen erfasst werden kann. • Die Struktur muss auch beim Vorhandensein von Rissen eine hohe Restfestigkeit aufweisen. • Kritische Risse müssen im Betrieb oder bei Inspektionen gefunden werden können. • Geschädigte Bauteile müssen ausgetauscht oder repariert werden können. Die Festlegung des Inspektionsintervalls erfolgt bruchmechanisch mittels Rissfortschrittsrechnung. Sie erlaubt es, die Lebensdauer eines Bauteils mit Anfangsriss bis zu einer kritischen Risslänge rechnerisch abzuschätzen, siehe hierzu auch Abschnitt 11.2 im Anhang. Abbildung 9.18 verdeutlicht das schematisch am Beispiel einer einstufigen Belastung mit konstanter Amplitude. Bei der ersten Inspektion werden keine Risse gefunden. Daher wird ein Riss mit der minimal detektierbaren Länge a min angenommen und der Zeitpunkt bzw. die Lastzyklen bis zur nächsten Inspektion berechnet, bevor der Riss eine maximal zulässige Länge a zul erreicht hat. Auch bei der zweiten Inspektion werden keine Risse gefunden, weshalb in gleicher Weise die dritte Inspektion festgelegt wird, bei der ein Riss mit der Länge a 1 detektiert wird. Damit wird die Restlebensdauer bis zum Anwachsen des Risses auf a zul berechnet, bis zu der das Bauteil ausgetauscht werden muss. Die schadenstolerante Konstruktion ist Konstruktionsprinzip des Flugzeugbaus. Überspitzt kann festgestellt werden, dass die meisten Passagiere in Flugzeugen mit Rissen fliegen. Aber Rissfortschritt, kritische Risslänge und Inspektionsintervalle wurden mit den für eine Flugzeugzulassung geforderten Betriebsfestigkeitsversuchen so ermittelt, dass alle Flugzeuge in ihrem vorgesehenen Leben mit vertretbar geringer Ausfallwahrscheinlichkeit fliegen.

262

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis

Rissgröße a

akrit

Bruch des Bauteils

zulässig

azul

Detektionsgrenze

amin Insp. 1

Insp. 2

Insp. 3

Austausch

Zeit t bzw. Lastzyklen N

Abb. 9.18: Festlegung der Inspektionsintervalle bei schadenstoleranter Konstruktion bis zum Austausch des Bauteils, nach [54]

9.8 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 9 Verständnisfragen 1. Wodurch grenzt sich der Betriebsfestigkeitsnachweis vom Dauerfestigkeitsnachweis ab? 2. Warum ist es ab einer bestimmten Kerbschärfe im Bauteil nicht mehr von Vorteil, einen Werkstoff mit höherer Schwingfestigkeit zu verwenden? 3. Ordnen Sie die Anstiege der Wöhlerlinien folgender Proben vom steilsten Anstieg zum flachsten Anstieg: a) ungekerbte Werkstoffprobe, b) geschweißte Probe, c) Flachstab mit mittiger Kreisbohrung (Radius 20 mm). 4. Welche Annahmen und Einschränkungen liegen der linearen Schadensakkumulation zugrunde? 5. Bei welcher Gesamtschädigung fällt ein Bauteil nach der linearen Schadensakkumulationshypothese aus? 6. Wodurch unterscheiden sich die originale, elementare und modifizierte Form der MinerRegel? Wie unterscheiden sich die Lebensdauern? 7. Wozu wurden die Modifikationen der Miner-Regel entwickelt? Welcher Effekt soll damit erfasst werden und welcher kann nicht erfasst werden? 8. Warum können Amplituden unterhalb der Dauerfestigkeit, welche im Wöhlerversuch nicht schädigen, bei variabler Beanspruchung doch zur Schädigung beitragen?

9.8 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 9

263

9. Welcher Wöhlerlinientyp wird für die Verwendung der modifizierten Miner-Regel vorausgesetzt? 10. Warum kann bei der konsequenten Miner-Regel keine Kollektivschädigung berechnet werden? 11. Was ist der prinzipielle Unterschied zwischen der Wöhlerlinie und der Lebensdauerlinie eines Bauteils? 12. Wie beeinflusst die Kollektivform (Völligkeit) die Lebensdauer, wenn der Kollektivumfang unverändert bleibt? 13. Wozu dient die relative Miner-Regel? 14. Wie wird die relative Schädigungssumme berechnet? Nennen Sie den Richtwert für mechanisch gekerbte Maschinenbauteile aus Stahl. 15. Was versteht man unter schwingbruchsicherer Konstruktion? 16. Welche Anforderungen muss eine schadenstolerante Konstruktion erfüllen?

Aufgaben 1. Für Schweißproben aus Stahl wurde die Wöhlerlinie für P A = 50 % experimentell mit ND = 2,15 ⋅ 106 , S D = 58,23 MPa und k = 3,87 ermittelt. Weiterhin wurden Betriebslastenversuche mit einer Lastfolge durchgeführt, für die das Ersatzamplitudenkollektiv (R = −1) nachfolgend angegeben ist: i

S a,i /S a,1

ni

1

1,000

2

2

0,907

16

3

0,781

280

4

0,656

2.720

5

0,520

20.000

6

0,367

92.000

7

0,224

280.000

8

0,086

605.000

In den Betriebslastenversuche mit den maximalen Spannungsamplituden S a,1 wurden mit einer Überlebenswahrscheinlichkeit P A = 50 % die folgenden Lastwechselzahlen NV erreicht. S a,1 /MPa

NV

200

1,37 ⋅ 106

180

2,22 ⋅ 106

150

5,04 ⋅ 106

264

9 Rechnerischer Betriebsfestigkeitsnachweis a) Ermitteln Sie die rechnerische Lebensdauer für P A = 50 % nach Miner-Elementar für die drei Beanspruchungsniveaus der Betriebslastenversuche. b) Berechnen Sie mit Hilfe der versuchstechnisch ermittelten Werte die relativen Schädigungssummen D rel aus den im Versuch ermittelten und den berechneten Lebensdauerwerten.

2. Die Lebensdauer des Achsschenkel eines PKW soll rechnerisch abgeschätzt werden. Für eine diesem Bauteil ähnliche Probe (abgesetzte Welle mit gleicher Kerbform) gleichen Werkstoffs und gleicher Fertigungsart ist die Wöhlerlinie für das Spannungsverhältnis R = −1 und die Ausfallwahrscheinlichkeit P A = 50 % bekannt: N = ND ⋅ (

σa −k ) σDK

mit ND = 788.400, σDK = 510 MPa und k = 5,62. Die Streuspanne in Lebensdauerrichtung beträgt T N = 2,04. Der Achsschenkel wird durch ein 16-stufiges Amplitudenkollektiv belastet, dessen Ersatzamplitudenkollektiv (R = −1) in nachfolgender Tabelle angegeben ist und welches einer Fahrstrecke von ca. 1.500 km entspricht. Die Tabelle enthält für alle Kollektivstufen i die Verhältnisse der Spannungsamplituden σa,i zur maximalen Spannungsamplitude des Kollektivs σa,1 sowie die Häufigkeiten n i , mit denen die Spannungsamplituden auftreten. Die maximale Spannungsamplitude beträgt σa,1 = 720 MPa. Ersatzamplitudenkollektiv

i

σa,i /σa,1

ni

i

σa,i /σa,1

ni

1

1,000

1

9

0,500

954

2

0,967

2

10

0,433

2.396

3

0,900

4

11

0,367

6.019

4

0,833

10

12

0,300

15.119

5

0,767

24

13

0,233

37.977

6

0,700

60

14

0,167

95.394

7

0,633

151

15

0,100

239.618

8

0,567

380

16

0,033

601.893

a) Bei derartigen, sicherheitsrelevanten Bauteilen wird eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit gefordert. Schätzen Sie eine Wöhlerlinie ab, die für P A = 10−6 unter den Annahmen gilt, dass die Sicherheitszahl in Spannungsrichtung j S für Zeit- und Dauerfestigkeit gilt sowie der Wöhlerlinienexponent k und die Ecklastzyklenzahl ND unverändert bleiben. b) Schätzen Sie die Lebensdauer nach der originalen, der elementaren, der modifizierten und der konsequenten Miner-Regel mit der Wöhlerlinie für die Ausfallwahrscheinlichkeit P A = 10−6 ab.

9.8 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 9

265

c) Genügt die konstruktive Ausführung der Forderung nach einer Fahrzeuglebensdauer von 300.000 km? Gehen Sie davon aus, dass Ihnen aus Untersuchungen an ähnlichen Bauteilen die relative Schädigungssumme bis Bruch von D rel = 0,4 (Berechnung der Lebensdauer mit Miner-Modifiziert) bekannt ist.

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Die experimentelle Ermittlung von Bauteilwöhlerlinien oder auch der rein experimentelle Betriebsfestigkeitsnachweis ist nach wie vor von großer Bedeutung. Nur damit ist im Unterschied zu den bisher vorgestellten rechnerischen Verfahren eine abgesicherte Aussage über Mittelwert und Streuung der Festigkeit möglich. Dies ist insbesondere bei Großserien notwendig. Auch wenn im Entwicklungsprozess häufig nur der rechnerische Festigkeitsnachweis (z. B. beim Vergleich von Konstruktionsvarianten) zum Einsatz kommt, erfolgen am fertigen Produkt zumindest experimentelle Freigabeprüfungen. Experimentelle Untersuchungen sind außerdem bei der Verwendung neuer Werkstoffe notwendig, für die noch keine abgesicherten Schwingfestigkeitskennwerte vorliegen. Auch für Fälle, die von Normen und Richtlinien nicht abgedeckt sind, z. B. bestimmte Welle-Nabe-Verbindungen, muss die Schwingfestigkeit im Versuch bestimmt werden. Dabei sind seitens des Versuchsingenieurs u. a. folgende Punkte von besonderer Relevanz: • der notwendige Stichprobenumfang, • das Versuchsverfahren und die Auswertemethode, • die anzunehmende statistische Verteilungsfunktion und die Ableitung von Sicherheitsfaktoren, • die Entscheidung, ob Versuche am realen Bauteil notwendig sind oder ob bauteilähnliche Proben genügen und • die Genauigkeit, mit der die realen Betriebsbelastungen und Umgebungseinflüsse im Versuch abgebildet werden sollen bzw. können. Dieses Kapitel behandelt die wichtigsten Versuchs- und Auswerteverfahren für die Zeit- und Dauerfestigkeit und führt in die Thematik der Betriebslastennachfahrversuche ein. Als Beanspruchungsgröße wird abweichend zu den vorangegangenen Kapiteln die Nennspannung verwendet. So steht S a für die Spannungsamplitude und S D für die Dauerfestigkeit einer Probe bzw. eines Bauteils. Das ist bei der Beschreibung kraftgesteuerter Versuche üblich.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_10

267

268

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit 10.1.1 Wöhlerversuche Beim Wöhlerversuch, als Grundlage zur experimentellen Bestimmung der Wöhlerlinie, wird ein Bauteil oder eine Probe mit konstanter Amplitude und einem festen Mittelwert beansprucht. Die Belastung erfolgt meist auf Zug-Druck, Biegung oder Torsion. Im Zeitfestigkeitsgebiet endet der Versuch mit dem Versagen des Bauteils. Als Versagen wird bei kraftgeregelten Versuchen meist der Bruch gewertet. Aber auch der technisch detektierbare Anriss, eine bestimmte Risslänge oder das Überschreiten einer zulässigen Verformung sind möglich. Als Ergebnis eines Wöhlerversuchs steht die Versagens- bzw. Bruchlastzyklenzahl bei einer bestimmten Lastamplitude (S a ; N ). August Wöhler [301] erkannte den Zusammenhang zwischen aufgebrachter konstanter Schwingbreite der Last bzw. Lastamplitude und der Bruchlastzyklenzahl im Bereich der Zeitfestigkeit, weshalb die Darstellung des S a -N -Diagramms als Wöhlerlinie bezeichnet wird. Die Belastung wird in lastgesteuerten Versuchen bei konstanter Amplitude mit einer Schwingprüfmaschine aufgebracht. Wöhlers erste Schwingprüfmaschine für Umlaufbiegung wurde durch eine Dampfmaschine über eine Riemenscheibe angetrieben und erreichte eine Prüffrequenz von 15 Umdrehungen pro Minute (0,25 Hz), [301]. Mit modernen, servohydraulischen und vor allem Resonanz- und Ultraschallprüfmaschinen werden deutlich höhere Belastungsfrequenzen bis in den kHz-Bereich erreicht. Die Durchführung und Auswertung von Schwingfestigkeitsversuchen sind in Deutschland durch die DIN 50100 geregelt. Zur experimentellen Ermittlung des Zeitfestigkeitsbereiches gibt es zwei Methoden. Bei der Horizontmethode werden auf verschiedenen Lasthorizonten jeweils mehrere Wöhlerversuche durchgeführt und für jeden Horizont statistisch ausgewertet. Als Perlenschnurmethode wird die Prüfung von jeweils einer Probe auf vielen unterschiedlichen Lasthorizonten bezeichnet.

10.1.2 Horizontmethode Die Ermittlung der Zeitfestigkeitsgeraden erfolgt durch die nachfolgend erläuterten Schritte: 1. Festlegen mehrerer Lasthorizonte 2. Durchführung mehrerer Wöhlerversuche pro Horizont 3. statistische Auswertung jedes Horizontes für sich 4. Regression der Wöhlerlinie durch Punkte gleicher Ausfallwahrscheinlichkeit aller Horizonte Die Prüfung erfolgt auf üblicherweise 2 bis 5 verschiedenen Lasthorizonten im Zeitfestigkeitsgebiet. Zwei Horizonte sind das Minimum, um Lage und Neigung der Wöhlerlinie zu

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit

269

bestimmen, drei Horizonte sind anzustreben. Die Spannungsamplituden der Horizonte sollten für eine gute Schätzung der Wöhlerlinienneigung möglichst weit auseinander liegen, ohne dabei in das Übergangsgebiet zur Kurzzeit- oder zur Dauerfestigkeit zu gelangen. Dies setzt voraus, dass die Lage der Wöhlerlinie bereits ungefähr bekannt ist. Es wird ein Horizontabstand von mindestens Faktor 1,2, besser 1,5 empfohlen. Auf jedem Horizont erfolgt die Prüfung von mindestens 4, besser 6-10 Proben unter gleichen Bedingungen. Die Anzahl ist von der geforderten Aussagegenauigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Streuung, abhängig. Die statistische Auswertung erfolgt für jeden Horizont getrennt, wie in Abbildung 10.1 gezeigt. Dadurch ist es möglich, die typischerweise mit sinkender Spannungsamplitude ansteigende Streuung zu erfassen. Die Auswertung erfolgt bei metallischen Werkstoffen üblicherweise unter Annahme einer Normalverteilung für die Logarithmen von N (logarithmische Normalverteilung). Dafür gibt es neben der in Abbildung 10.1 dargestellten Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz auch die Möglichkeit unter Verwendung der in Abschnitt 4.2 angegebenen Formeln, den Mittelwert und die Standardabweichung aus einer Stichprobe zu schätzen. Dies wird als Momentenmethode bezeichnet. Die am besten zutreffende Auswertung der Versuche ist die Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz [133].

Horizontauswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz Die Auswertung erfolgt wie in Abschnitt 4.5 beschrieben. Die gemessenen Lastzyklenzahlen der verschiedenen Versuche auf einem Horizont werden zunächst der Größe nach geordnet aufsteigend für die Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit und fallend für die Berechnung der Überlebenswahrscheinlichkeit. Jedem Versuch wird anschließend eine geschätzte Wahrscheinlichkeit zugewiesen. Dafür wird die Rossow-Formel aus Gleichung (4.45) verwendet: P (i ) =

3i − 1 . 3n + 1

Die Versuchspunkte (Ni ; P i ) werden anschließend im Wahrscheinlichkeitsnetz eingetragen und mittels Regression die statistischen Parameter bestimmt. Im Schnittpunkt mit der 50 %-Linie liegt der mittlere Wert N50% und die Streuung folgt aus dem Anstieg der Regressionsgeraden. Die Regression erfolgt in Richtung der streuenden Größe, der Fehler muss also in N -Richtung minimiert werden (siehe dazu auch Abschnitt 4.4). Sofern kein Wahrscheinlichkeitsnetz für die log-Normalverteilung vorliegt, kann die Regression auch durch Auftragung der Quantile u über lg(Ni ) erfolgen. In der Ausgleichsgeraden entspricht der Anstieg der Standardabweichung und der Konstantanteil dem Mittelwert: lg(N ) = a ⋅ u + b

= s lg N ⋅ u + lg(N50% ).

(10.1)

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Ausfallwahrscheinlichkeit in %

270

Wahrscheinlichkeitsnetz 99,99 99,9 99 90 50 10

1 0,1 0,01 10.000

100.000

1.000.000

Spannungsamplitude Sa in MPa (log.)

Lastzyklenzahl N (log.)

300

Wöhlerdiagramm

200

150

PA = 10 % 100 10000

100000

PA = 50 %

1000000

Lastzyklenzahl N (log.)

Abb. 10.1: Bestimmung der Zeitfestigkeitsgeraden nach der Horizontmethode

Ein Vorteil des Wahrscheinlichkeitsnetzes gegenüber der Auswertung mit der Momentenmethode besteht in der Möglichkeit Horizonte zu erkennen, die im Übergangsgebiet zur Kurzzeit- oder zur Dauerfestigkeit liegen. Diese sind nicht mehr log-Normalverteilt (siehe auch Abbildung 4.12) und sollten nicht in die Ermittlung der Zeitfestigkeitsgeraden eingehen, da sonst die Wöhlerlinie zu flach bzw. der Wöhlerlinienexponent zu groß geschätzt wird. Mit den pro Horizont ermittelten Parametern Mittelwert N50% und Standardabweichung s lg N kann die jeweils zu erwartende Lebensdauer für eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit NP A mittels Gleichungen (4.23) bzw. (4.24) ermittelt werden: NP A = 10lg N50 % +uPA ⋅slg N . Die in der Betriebsfestigkeit häufig verwendete Streuspanne T N kann mit N(P A =10%) und

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit

271

N(P A =90%) direkt aus Gleichung (4.25) berechnet werden. Der Zusammenhang mit der Standardabweichung folgt durch Umstellen von Gleichung (4.28): s lg N =

lg T N . 2,564

(10.2)

Horizontauswertung über Momentenmethode Alternativ können Mittelwert N50% und Standardabweichung s lg N direkt mit den Gleichungen (4.21) und (4.22) berechnet werden. Allerdings wird damit die Standardabweichung einer Stichprobe mit den in der Betriebsfestigkeit üblichen geringen Stichprobenumfängen im Mittel unterschätzt. Von Hück [185] wurde auf Grundlage von Simulationsrechnungen ein Korrekturvorschlag unterbreitet, der auf ein zuverlässigeres Ergebnis führt:

  n − 0,41 n 2  s lg N =  ⋅ ∑ (lg Ni − lg N50% ) . (n − 1)2 i =1

(10.3)

Unabhängig davon sollte die Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz erfolgen. Ermittlung der Wöhlerlinie Die Wöhlerlinie für eine bestimmte Ausfall- oder Überlebenswahrscheinlichkeit folgt durch Regression der Punkte (S a ; NP A ) jedes Horizontes. Prinzipiell genügt es auf zwei Horizonten zu prüfen, sofern diese in Lastrichtung nicht zu nah beieinander liegen. In diesem Fall kann die Wöhlerlinie in Form von Gleichung (2.10) direkt als Geradengleichung durch die Punkte

(lg(N1 ); lg(S a,1 )) und (lg(N2 ); lg(S a,2 )) berechnet werden: lg(N2 ) − lg(N1 ) lg(S a,1 ) − lg(S a,2 )

(10.4)

k k = N1 ⋅ S a,1 = N2 ⋅ S a,2

(10.5)

k = C

Bei mehr als zwei Horizonten ist die Wöhlerlinie über eine lineare Regressionsrechnung durch die logarithmierten Punkte zu bestimmen. Der Fehler ist dafür wieder in Lebensdauerrichtung lg(N ) zu minimieren, wofür die Wöhlerliniengleichung durch Logarithmieren in die Form y = a ⋅ x + b gebracht wird: N = ND ⋅ (

S a −k ) SD



k lg(N ) = lg(ND ⋅ S D ) − k ⋅ lg(S a )

Die Regression erfolgt mittels Gleichungen (4.39) bis (4.43), wobei entsprechend y = lg(N ) x = lg(S a ) a = −k b = lg(ND ) + k ⋅ lg(S D )

(10.6)

272

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

einzusetzen ist. Sofern die Dauerfestigkeit und damit S D und ND nicht bekannt sind, kann der Zeitfestigkeitsbereich analog dazu mit Gleichung (2.10) beschrieben werden. Beispiel Für eine scharf gekerbte Maschinenkomponente soll die Wöhlerlinie im Zeitfestigkeitsbereich bestimmt werden. Dazu wurden auf 3 Lasthorizonten mit den Nennspannungen 140 MPa, 170 MPa und 210 MPa jeweils 8 Wöhlerversuche durchgeführt. Die statistische Auswertung soll im Wahrscheinlichkeitsnetz erfolgen. Gesucht ist die Wöhlerlinie für eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 10 % und eine Konfidenz von 50 %. Folgende Bruchlastzyklenzahlen wurden ermittelt: S a = 210 MPa

S a = 170 MPa

S a = 140 MPa

56364

181635

677330

73282

99541

378355

39994

249804

447507

63387

301023

227039

104713

139348

251884

78343

182222

613197

49888

124595

471194

71121

218776

880643

Lösung Für die Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz werden die Bruchlastzyklenzahlen logarithmiert und mit Gleichung (4.45) die Ausfallwahrscheinlichkeit P A geschätzt. Dazu muss den ansteigend sortierten Bruchlastzyklenzahlen eine Ordnungszahl i zugeordnet werden. Für die Regression im Wahrscheinlichkeitsnetz müssen noch die Quantile der Standardnormalverteilung zu den Ausfallwahrscheinlichkeiten, wie in Abschnitt 4.3.1.2 beschrieben, berechnet werden. S a = 210 MPa

S a = 170 MPa

S a = 140 MPa

i

PA

Quantil u

lg(N )

lg(N )

lg(N )

1

0,08

-1,405

4,602

4,998

5,356

2

0,20

-0,842

4,698

5,096

5,401

3

0,32

-0,468

4,751

5,144

5,578

4

0,44

-0,151

4,802

5,259

5,651

5

0,56

0,151

4,865

5,261

5,673

6

0,68

0,468

4,852

5,34

5,788

7

0,80

0,842

4,894

5,398

5,831

8

0,92

1,405

5,020

5,479

5,940

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit

273

Die lineare Regression erfolgt durch Minimierung des Fehlers in Richtung lg(N ), also nach Abschnitt 4.4 mit y = lg(N ) und x = (u ). Die Darstellung erfolgt dennoch üblicherweise vertauscht, also mit dem Quantil u über lg(N ), wie nachfolgende Abbildung zeigt.

2 Sa = 210 MPa

1,5

Sa = 170 MPa

Sa = 140 MPa

Quantil u

1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 4,4

4,6

4,8

5

5,2

5,4

5,6

5,8

6

6,2

Bruchlastzyklenzahl lg(N)

Aus der Ausgleichsgeraden folgen nach Gleichung (10.2) Mittelwert und Standardabweichung. Daraus kann nach Gleichung (4.28) die Streuspanne direkt berechnet werden. Zur Ermittlung der Wöhlerlinie für 10 % Ausfallwahrscheinlichkeit müssen für jeden Horizont nach Gleichung (4.24) die zugehörigen Lastzyklenzahlen berechnet werden. S a = 210 MPa

S a = 170 MPa

S a = 140 MPa

N50%

64640

176482

449573

s lg N

0,1383

0,1746

0,2206

TN

2,26

2,80

3,68

42975

105410

234462

N10%

Die P A,10% -Wöhlerlinie folgt aus der Regression der Punkte (lg(S a,i ); lg(N10%,i )) aller 3 Horizonte. Da die Dauerfestigkeit nicht bekannt ist, wird die Wöhlerlinie in Form von Gleichung (2.10) angegeben: N10% = C 10% ⋅ (

S a −k10% ) MPa

mit C 10% = 2,2622 ⋅ 1014 und k 10% = 4,185.

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Spannungsamplitude Sa in MPa (log.)

274

300

200

150 N10% = 2,2622·1014·(Sa/MPa)-4,185 100 10000

100000

1000000

Bruchlastzyklenzahl N (log.)

In der Aufgabe war eine Konfidenz (Vertrauenswahrscheinlichkeit) von 50 % gefordert, was durch die Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz erfüllt ist. Für höhere Vertrauenswahrscheinlichkeiten müssten die Lastzyklenzahlen jedes Horizontes noch, wie in Abschnitt 4.6 beschrieben, umgerechnet werden.



10.1.3 Perlenschnurmethode Diese Methode wird vor allem angewendet, wenn nur wenige Prüflinge zur Verfügung stehen, der typische Fall in der industriellen Praxis. Sie sollte auch bei völlig unbekannter Lage des Zeitfestigkeitsbereichs angewendet werden, da sonst eine sinnvolle Festlegung von Lasthorizonten für die Horizontmethode nicht möglich ist. Die Perlenschnurmethode beinhaltet folgende Schritte: 1. Durchführung von Wöhlerversuchen auf jeweils verschiedenen Lasthorizonten, 2. Ermittlung der 50 %-Wöhlerlinie durch Regression aller Versuchspunkte, 3. Berechnung der Streuung durch die gemeinsame Auswertung aller Versuche in Bezug auf die 50 %-Wöhlerlinie. Abbildung 10.2 verdeutlicht das Verfahren. Gezeigt ist eine Versuchsreihe nach der Perlenschnurmethode mit 8 Wöhlerversuchen auf verschiedenen Horizonten, die sich wie entlang einer Perlenschnur um die Zeitfestigkeitsgerade reihen. Die Lasthorizonte sollten den Zeitfestigkeitsbereich möglichst gut abdecken. Es werden mindestens 8-12 Versuche empfohlen. Prinzipiell sind dabei auch mehrere Versuche pro Horizont möglich. Der Vorteil der Methode besteht darin, dass auch bei einer relativ kleinen Stichprobe auf die Grundgesamtheit geschlossen werden kann. Es lässt sich zeigen, dass die 50 %-Wöhlerlinie mit der Perlen-

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit

275

Spannungsamplitude Sa in MPa (log.)

Wöhlerversuche 50 %-Wöhlerlinie Perlenschnurmethode

Bruchlastzyklenzahl N (log.)

Abb. 10.2: Ermittlung der Zeitfestigkeitsgeraden mit der Perlenschnurmethode

schnurmethode im Mittel erwartungstreu geschätzt wird [230]. Allerdings sind im Einzelfall auch flachere oder steilere Wöhlerlinienneigungen möglich. Ein Nachteil zur Horizontmethode ist, dass Ausreißer oder Versuche im Übergangsgebiet zur Kurzzeit- und Dauerfestigkeit nicht mehr so einfach wie im Wahrscheinlichkeitsnetz erkennbar sind. Die Regression der Wöhlerlinie entspricht dem Vorgehen bei der Horizontmethode für eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Regression erfolgt wieder in Richtung der Lebensdauer mit y = lg(N ) und x = lg(S a ). Berechnung der Standardabweichung aus der Reststreuung Ein prinzipieller Unterschied zur Horizontmethode liegt in der Abschätzung der Standardabweichung. Die gemeinsame Auswertung aller Lasthorizonte bedeutet, dass ein über die Lebensdauer konstantes Streuband unterstellt wird. Damit ist die Streuung unabhängig von der Belastungshöhe, weshalb Wöhlerlinien mit unterschiedlicher Ausfallwahrscheinlichkeit parallel zueinander verlaufen. Dies steht im Widerspruch zur experimentellen Erfahrung, dass die Streuung in Richtung abnehmender Lastamplitude bzw. in Richtung zunehmender Lebensdauer ansteigt, wie bereits in Abbildung 2.18 gezeigt. Die Standardabweichung wird aus der Varianz der Versuchswerte zur regressierten 50 % Wöhlerlinie (Reststreuung s R ) nach Gleichung (4.44) ermittelt: s lg N =



s R2 .

(10.7)

Allerdings wird damit bei kleinen Stichprobenumfängen (n < 10) die Standardabweichung im Mittel unterschätzt. In [218] wird dafür ein Korrekturfaktor eingeführt, mit dem die Standard-

276

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

abweichung erwartungstreu geschätzt wird: s lg N ,korr =

n − 1,74 √ 2 ⋅ sR n −2

(10.8)

Diese Korrektur wurde auch in die aktuelle Version der DIN 50100 (Schwingfestigkeitsversuch) von 2016 übernommen.

Berechnung der Standardabweichung durch Horizontverschiebung Häufig wird die Standardabweichung durch Verschieben aller Versuchsergebnisse auf einen gemeinsamen Horizont berechnet. Dies führt direkt auf Gleichung (10.7) und ist somit identisch mit der Berechnung der Standardabweichung aus der Reststreuung. Die Horizontverschiebung veranschaulicht lediglich die Berechnung der Streuung zur Regressionsgeraden. Dazu werden die Ergebnisse der Perlenschnurmethode formal auf die Horizontmethode überführt. Wie in Abbildung 10.3 gezeigt, werden dazu alle Versuche über den Exponenten der Wöhlerlinie auf einen gemeinsamen Lasthorizont S a,fiktiv umgerechnet1 . Aufgrund des angenommenen, über die Zeitfestigkeit konstanten Streubandes ist es dabei unerheblich, welches Spannungsniveau für S a,fiktiv gewählt wird. Die auf den fiktiven Bezugshorizont umbewerteten Lebensdauern werden mit Ni ,fiktiv = Ni ⋅ (

S a,fiktiv −k ) S a,i

(10.9)

berechnet. Die Standardabweichung wird dann unter Beachtung des um 2 verminderten Freiheitsgrades der Stichprobe berechnet

√ s lg N =

1 n −2

2

⋅ ∑ (lg Ni ,fiktiv − lg N50%,fiktiv ) = i



s R2 ,

(10.10)

was identisch mit Gleichung (10.7) bzw. Gleichung (4.44) ist. Bei kleinen Stichproben sollte wieder die Korrektur nach Gleichung (10.8) erfolgen.

Wöhlerlinie für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit Da bei der Perlenschnurmethode Wöhlerlinien für unterschiedliche Ausfallwahrscheinlichkeiten parallel zur 50 % - Wöhlerlinie verlaufen2 , unterscheiden sie sich nur um einen Faktor. Der Anstieg bzw. der Exponent k bleibt unverändert. Die 50 %-Wöhlerlinie folgt aus der Regression z. B. in der Form N50% = C 50% ⋅ (S a )−k

(10.11)

1

Anstelle der Nennspannung S wird in der DIN 50100 das Formelzeichen L für Last allgemein verwendet.

2

Davon wurde hier zu Gunsten einer einheitlichen Darstellung abgesehen. Dabei ist immer gemeint: bei doppeltlogarithmischer Achseneinteilung bzw. Auftragung der logarithmierten Werte.

Spannungsamplitude Sa in MPa (log.)

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit

277

Gemeinsame Auswertung

Sa,fiktiv

Versuche Umrechnung auf Sa,fiktiv

N50%,fiktiv Bruchlastzyklenzahl N (log.)

Abb. 10.3: Umrechnung der Versuchsergebnisse auf gemeinsamen Lasthorizont zur Berechnung der Standardabweichung

Zur Umrechnung auf eine andere Ausfallwahrscheinlichkeit P A muss daher lediglich der Faktor in Gleichung (10.11) mit dem Quantil der Standardnormalverteilung u P A (siehe Abschnitt 4.3.1.2) neu berechnet werden:

C 50% , 10−uP A ⋅slg N

(10.12)

NP A = C P A ⋅ (S a )−k

(10.13)

C PA = womit die Wöhlerlinie bestimmt ist:

Abschließende Hinweise zur experimentellen Ermittlung der Zeitfestigkeit In Abbildung 10.4 sind die unterschiedlichen Streubänder von Horizontmethode und Perlenschnurmethode gezeigt. Nur die Horizontmethode kann eine lastabhängige Streuung abbilden. Prinzipiell liefert die Horizontmethode bei gleichen Voraussetzungen die besseren Ergebnisse zu Anstieg und Lage der Wöhlerlinie im Zeitfestigkeitsgebiet [217]. Das setzt allerdings voraus, dass die Lage ungefähr bekannt ist, so dass die Lasthorizonte ausreichend entfernt voneinander gelegt werden können. Sie liegen im Idealfall möglichst nah am Kurzzeitund Dauerfestigkeitsgebiet, ohne hinein zu geraten. Das heißt, es darf nicht zur Plastifizierung des Bauteilquerschnitts (Kurzzeitfestigkeit) oder zu Durchläufern (Dauerfestigkeit) kommen. In der DIN 50100:2016 werden als Richtwerte N = 50.000 Lastzyklen für den oberen und N = 500.000 Lastzyklen für den unteren Horizont angegeben. Liegen die Horizonte zu nah

278

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Horizontmethode

Sa (log.)

Sa (log.)

Perlenschnurmethode

N (log.)

N (log.)

Abb. 10.4: Unterschiedliche Streubänder bei Perlenschnurmethode und Horizontmethode

an den Übergangsbereichen wird der Anstieg zu flach abgeschätzt. Die zur Platzierung der Horizonte erforderliche Erfahrung zur ungefähren Lage der Wöhlerlinie kann in einer Voruntersuchung mittels Perlenschnurmethode gewonnen oder auf Grundlage von Regelwerken abgeschätzt werden. Ein Vorteil der Perlenschnurmethode besteht in der Möglichkeit, die Versuche sequentiell und damit abhängig von den vorherigen Ergebnissen zu platzieren. Damit kann verhindert werden, in die Übergangsbereiche zur Kurzzeit- und Dauerfestigkeit zu gelangen. Auch hierbei sollten die Versuche möglichst weit weg vom Schwerpunkt, der Mitte des Zeitfestigkeitsbereichs, gelegt werden. Punkte nahe dem Schwerpunkt haben bei der Regression nur einen geringen Einfluss auf die Neigung. Für die Streuung besteht bei der Perlenschnurmethode die Einschränkung eines konstanten Streubandes über der Zeitfestigkeit. Allerdings wird zur Berechnung der gesamte Stichprobenumfang verwendet. Das ist jedoch auch mit der Horizontmethode möglich, wenn alle Versuche, wie in Abbildung 10.3 gezeigt, auf einen Horizont bezogen und gemeinsam zur Berechnung der Standardabweichung herangezogen werden. Die erforderliche Anzahl von Versuchen hängt von der Streuung der Grundgesamtheit und der geforderten Treffsicherheit bezüglich Lage, Anstieg und Streuung der Wöhlerlinie ab. In der DIN 50100:2016 ist dafür die erforderliche Anzahl von Proben in Form von Tabellen auf Grundlage der Untersuchungen in [230] angegeben. Bei Vorhandensein sehr weniger Prüflinge (z. B. n = 5) wird folgender Hinweis3 gegeben. Die Versuche können mittels Perlenschnurmethode auf verschiedenen Horizonten durchgeführt werden. Die Lage der Wöhlerlinie wird über den (logarithmischen) Schwerpunkt der Versuche

3

Dies ist keinesfalls als Empfehlung zu verstehen.

10.1 Ermittlung der Zeitfestigkeit abgeschätzt: lg N¯ =

279

1 n ∑ lg Ni n i =1

und

lg S¯a =

1 n ∑ lg S a,i n i =1

(10.14)

Durch diesen Schwerpunkt wird die Wöhlerlinie mit einem geschätzten Anstieg gelegt (z. B. nach FKM-Richtlinie k = 5 für gekerbte Bauteile oder k = 3 für geschweißte Bauteile). Beispiel Zur Bestimmung der Zeitfestigkeitsgeraden eines gekerbten Bauteils wurden 12 Wöhlerversuche nach der Perlenschnurmethode durchgeführt und folgende Bruchlastzyklenzahlen ermittelt: Lasthorizont S a in MPa

Bruchlastzyklenzahl N

210

47863

208

31441

205

24216

205

45040

195

61660

191

45248

171

68328

149

228613

147

355795

141

131917

140

187284

140

449883

Lösung Die Regression der Form y = a ⋅ x + b führt mit y = lg(N ) und x = lg(S a ) nach Gleichungen (4.39) bis (4.43) auf a = −5,106 und b = 16,38. Daraus folgt die Wöhlerlinie mit k = −a = 5,106 und C

= 10b = 2,397 ⋅ 1016 .

Die Streuspanne wird aus der Reststreuung nach Gleichung (4.44) (bzw. mit der Excel-Funktion =STFEHLERYX( X ;Y )) berechnet: s lg N =



s R2 = 0,1807.

280

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis Die Korrektur für kleine Stichprobenumfänge nach Gleichung (10.8) erhöht diesen Wert leicht auf s lg N ,korr = 0,1854. Die Streuspanne in Lebensdauerrichtung kann mit Gleichung (4.28) aus der Standardabweichung berechnet werden: T N = 102,563⋅slg N = 2,99. Wird die Standardabweichung wie in DIN 50100:2016 durch Verschiebung und Auswertung auf einem beliebigen, einzigen Horizont berechnet, wird das identische Ergebnis erzielt.

Spannungsamplitude Sa in MPa (log.)

300 250

200 175 150

120 N = 2,397·1016 · Sa-5,106

100 10000

100000

1000000

Bruchlastzyklenzahl N (log.)



10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit Die Verfahren zur Ermittlung der Dauerfestigkeit bzw. der Langzeitfestigkeit unterscheiden sich prinzipiell von denen zur Zeitfestigkeit. Für die Zeitfestigkeit besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der aufgebrachten Spannungsamplitude und der streuenden Zufallsgröße, der Bruchlastzyklenzahl N . Im Dauerfestigkeitsgebiet kommt es auch bei Wöhlerlinientyp I nicht immer zum Bruch des Bauteils. Aus Zeit und Kostengründen werden die Wöhlerversuche bei einer zuvor zu definierenden Grenzlastzyklenzahl NG abgebrochen. Es

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

281

gibt dann nur zwei mögliche Versuchsergebnisse: Ausfall oder Durchläufer bis zum Erreichen von NG . Diese binären Ergebnisse müssen statistisch ausgewertet werden. Die Grenzlastzyklenzahl muss in jedem Fall größer als die Knickpunktlastzyklenzahl ND sein. Typische Werte für Baustahl liegen im Bereich von NG = 2 ⋅ 106 . . . 3 ⋅ 106 . Beim Wöhlerlinientyp II wird ebenfalls eine Grenzlastzyklenzahl vorgegeben, ab der ein Versuch formal als Durchläufer festgelegt wird. Die nachfolgend vorgestellten Verfahren zur Auswertung der Versuche werden für die Wöhlerlinientypen I und II gleichermaßen angewendet. Allerdings gilt die bei Wöhlerlinientyp II ermittelte Langzeitfestigkeit nur für die festgelegte Grenzlastzyklenzahl. Zur Untersuchung des Verlaufs der Wöhlerlinie im Langzeitfestigkeitsgebiet sind zusätzlich Versuche bei einer höheren Grenzlastzyklenzahl mit NG,2 > NG erforderlich. Die Verfahren in diesem Abschnitt werden für die Dauerfestigkeit beschrieben, gelten aber analog für die Ermittlung der Langzeitfestigkeit. Es ist zu beachten, dass in der DIN 50100:2016 für Schwingfestigkeitsversuche generell der Begriff Langzeitfestigkeit verwendet wird, die darin enthaltenen Methoden aber auch für die Dauerfestigkeit gelten. In Abbildung 10.5 werden die Unterschiede zwischen Zeit- und Dauerfestigkeit verdeutlicht. Der obere Horizont liegt komplett im Zeitfestigkeitsgebiet. Die Bruchlastzyklenzahlen können als stetige Merkmalsgröße, wie in Abschnitt 10.1.2 beschrieben, ausgewertet werden. Die drei unteren Lasthorizonte liegen im Dauerfestigkeitsgebiet bzw. im Übergang dazu. Hier wird das Verhältnis aus Brüchen und Durchläufern der Horizonte ausgewertet. Die Dauerfestigkeit

Spannungsamplitude Sa (log.)

streut daher in Lastrichtung und nicht wie die Zeitfestigkeit in Lebensdauerrichtung.

Bruch

50 % - WL

Durchläufer

2 6

SD,50%

11

ND,50% NG Lastzyklenzahl N (log.)

Abb. 10.5: Streuung der Zeit- und der Dauerfestigkeit

282

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Als statistische Verteilungsfunktion kann sowohl die Normalverteilung als auch die logNormalverteilung angenommen werden. Im Unterschied zur Zeitfestigkeit liegen in der Literatur keine so umfangreichen Versuchsdaten vor, aus denen die zutreffende Verteilung abgeschätzt werden kann. Allerdings streut die Dauerfestigkeit in Spannungsrichtung nicht über mehrere Dekaden, wie es bei der Zeitfestigkeit in Lebensdauerrichtung der Fall ist. Es ist daher für typische Stichprobenumfänge letztendlich nicht entscheidend, welche von beiden Verteilungen unterstellt wird, siehe auch Abbildung 4.7. Meist wird aus Gründen der Konsistenz von einer log-Normalverteilung wie bei der Zeitfestigkeit ausgegangen. Damit wird auch vermieden, dass die Dauerfestigkeit für sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeiten negative Werte annimmt, wie es unter Annahme der Normalverteilung möglich wäre. Die nachfolgend vorgestellten Verfahren zur Ermittlung der Dauerfestigkeit können prinzipiell auch für Wöhlerlinien ohne ausgeprägte Dauerfestigkeit (Typ II) angewendet werden. In diesem Fall wird die (Langzeit-)Schwingfestigkeit bei der Lastzyklenzahl NG ermittelt.

10.2.1 Treppenstufenverfahren mit Auswertung nach Hück Das Treppenstufenverfahren ist eine Form der Versuchsdurchführung zur Bestimmung der Dauerfestigkeit. Die Versuche werden sequentiell als Folgeversuche durchgeführt, wobei der Lasthorizont eines neuen Versuchs vom Ergebnis des vorherigen abhängt. Durch dieses Vorgehen gruppieren sich die Versuche um die mittlere Dauerfestigkeit. Die Methodik wurde 1948 von Dixon und Mood [124] zur Erprobung von Grenzbelastungen, wie der Schlagempfindlichkeit von Sprengstoffen oder der Wirksamkeit von Insektiziden entwickelt. Ransom und Mehl [240] veröffentlichten erstmalig die Anwendung des Treppenstufenverfahrens zur Ermittlung der Dauerfestigkeit metallischer Werkstoffe4 . Eine verbesserte Auswertung mit treffsicheren Schätzwerten für Mittelwert und Streuung wird von Hück in [182] vorgestellt. Sie wird auch als IABG-Methode bezeichnet und entspricht dem Stand der Technik. Versuchsdurchführung Einen beispielhaften Versuchsablauf zeigt Abbildung 10.6. Eine Versuchsreihe beinhaltet folgende Schritte: 1. Festlegen einer geeigneten Grenzlastzyklenzahl NG > ND 2. Einteilung des erwarteten Dauerfestigkeitsgebietes in Lasthorizonte (Stufen) gleichen Abstands d 3. Start auf einem Lasthorizont nahe der vermuteten Dauerfestigkeit, Ergebnis ist Bruch oder Durchläufer 4. Stufenwahl des nächsten Versuchs, abhängig vom vorherigen Versuch: nach einem Bruch eine Stufe niedriger bzw. nach einem Durchläufer eine Stufe höher 4

Im deutschsprachigen Raum fand das Verfahren erst durch Bühler und Schreiber [117] Verbreitung.

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

283

Anschnitt

Stufe i

4 d

3

Bruch

2

Durchläufer

1

fiktiver Versuch

0

Abb. 10.6: Beispiel des Ablaufs eines Treppenstufenversuchs

5. Antragen eines fiktiven Versuchs nach dem letzten Versuch auf einer Stufe entsprechend der Vorschrift (Punkt 4) 6. Streichen von Versuchen auf Horizonten des Versuchsreihenbeginns, die nicht wieder erreicht wurden (Anschnitt) Der nach Punkt 2 zu wählende Stufenabstand d hängt sowohl von der Anzahl der geplanten Versuche als auch von der Standardabweichung s ab und ist nach Tabelle 10.1 zu wählen. Da die Standardabweichung vor Versuchsbeginn natürlich nicht bekannt ist, muss sie geschätzt werden. Dafür können die Werte in Anhang 13 als Orientierung gelten. Meist liegt die Standardabweichung zwischen 3 % (für oberflächenverfestigte Stahlproben mit hoher Oberflächengüte) und 10 % (für Guß- und grobe Schmiedeteile ohne Bearbeitung, mit Grat usw.) der mittleren Dauerfestigkeit. Der Stufenabstand d bzw. lg(d ) bei logarithmischer Normalverteilung ist konstant.

Tab. 10.1: Bestimmung des Stufenabstands nach [182]

Anzahl der Versuche s /d

10-19

20-29

30-50

0,7

0,9

1,1

Der Anschnitt in Form von nicht auswertbaren Horizonten entsteht, wenn die Versuche weit oberhalb oder weit unterhalb der Dauerfestigkeit begonnen und deren Stufe im weiteren Ablauf des Treppenstufenversuchs nicht wieder erreicht werden. Im Zweifel sollte eher zu weit oben begonnen werden, da somit Brüche und keine Durchläufer entstehen, wodurch Zeit gespart wird. Der Anschnitt kann stets nur am Anfang der Versuchsreihe liegen. Werden danach Horizonte nur einmal erreicht, so müssen sie in die Auswertung mit einbezogen werden. Die Versuchsanzahl bestimmt maßgeblich die Treffsicherheit des Ergebnisses. Zur Abschätzung der mittleren Dauerfestigkeit sind deutlich weniger Versuche notwendig, als für die Standardabweichung. Eine Orientierung liefert Tabelle 10.2.

284

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Tab. 10.2: Planung des Versuchsumfangs von Treppenstufenversuchen nach [182]

Anzahl der Versuche 5-9

Qualität der Aussage Grobe Abschätzung des Mittelwerts

>13

Mittelwert mit Vertrauensbereich

>17

Brauchbarer Wert für Standardabweichung

>25

Gute Schätzung der Standardabweichung

Wie nachfolgend noch gezeigt wird, werden für die Auswertung Brüche und Durchläufer nicht getrennt gezählt, sondern nur die Anzahl aller Versuche eines Horizonts. Der Ausgang eines Versuchs (Bruch oder Durchläufer) wird implizit durch die Lage des darauffolgenden Versuchs berücksichtigt. Daher dient der angehängte, nach Ende der Versuchsreihe anzufügende fiktive Versuch (Punkt 5) lediglich als Information zum Ausgang des letzten wirklichen Versuchs. Versuchsauswertung für Mittelwert und Standardabweichung Zunächst werden die festgelegten Stufen von Null beginnend mit zunehmendem Lastniveau aufsteigend mit der Ordnungszahl i durchnummeriert. Die Anzahl aller Versuche eines Horizonts (Brüche und Durchläufer) wird mit dem Wert f i angegeben. Dazu ist auch der zuletzt angehängte fiktive Versuch zu zählen. Für die weitere Auswertung werden dann folgende Hilfsgrößen berechnet: F = ∑ fi ,

A = ∑ i ⋅ fi ,

i

B = ∑ i 2 ⋅ fi

i

(10.15)

i

Damit kann der Schätzwert der mittleren Dauerfestigkeit x¯ berechnet werden: A (10.16) F Hier ist x 0 die Spannungsamplitude des untersten belegten Horizontes (nach Entfernung des x¯ = x 0 + d ⋅

¯ x 0 die logarithmierten Anschnitts). Für die Auswertung mit log-Normalverteilung sind für x, Spannungswerte einzusetzen. Für d ist der Abstand der logarithmierten Lastniveaus der Stufen bzw. der Logarithmus des Faktors zwischen den tatsächlichen Lastniveaus einzusetzen. Dann ist die geschätzte mittlere Dauerfestigkeit S D,50% = x¯ bei Normalverteilung und S D,50% = 10x¯ bei log-Normalverteilung. Die Streuung der Dauerfestigkeit kann im Treppenstufenversuch nicht direkt aus der Varianz der Brüche und Durchläufer ermittelt werden. Sie kann aber mit Hilfe der in Abbildung 10.7 dargestellten Korrekturfunktion bestimmt werden. Dazu muss die Varianzkenngröße k für die Varianz aller gültigen Versuche berechnet werden5 . k= 5

F ⋅ B − A2 F2

(10.17)

Diese entspricht der auf den quadrierten Stufenabstand normierten Varianz aller gültigen Versuche.

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

6

Anz. Versuche +1

10

15

285

λ

20 25 30 35 40 50 60 75 100

s/d bzw. slg / lg(d)

5

4

3

2

1

0 0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Varianzkenngröße k

Abb. 10.7: Schätzung der logarithmischen Standardabweichung aus Versuchsanzahl, Stufenabstand d und Varianzkenngröße k nach [182]

Die Standardabweichung wird schließlich in Abhängigkeit der Versuchsanzahl (n + 1) und der Varianzkennzahl k als Verhältnis zum Stufenabstand s /d bzw. s lg / lg(d ) aus Abbildung 10.7 abgelesen. Diese Abschätzung ist möglich bis s /d < 6. Entsprechend ist eine anfängliche Verschätzung der Standardabweichung zur Bestimmung des Stufenabstands nach Tabelle 10.1 in dieser Größenordnung noch möglich. Der Gültigkeitsbereich ist auf k ≥ 0,5 und 0,5 ≤ s /d ≤ 6 beschränkt. Daraus folgt, in welchem Maße eine schlechte Schätzung der Standardabweichung und damit ein ungünstiger Stufenabstand noch korrigiert werden kann. In der aktuellen Ausgabe der DIN 50100 von 2016 wird für kleine Werte der Varianzkenngröße von k < 0,5 das Verhältnis aus Standardabweichung und Stufenabstand konstant auf den Wert 0,5 festgelegt (gestrichelte Linie in Abbildung 10.7).

Vertrauensbereiche (Konfidenz) In Abschnitt 4.6 wurde gezeigt, dass aus Stichproben geschätzte Mittelwerte x¯ normalverteilt um den Mittelwert μ der Grundgesamtheit streuen. Das trifft auch für die aus Treppenstufenversuchen geschätzte Dauerfestigkeit zu. Der Standardfehler s m in Gleichung (4.46) entspricht der Standardabweichung dieser Verteilung. Nach Hück kann der Standardfehler mittels sm = C m ⋅ s

(10.18)

286

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Anz. Versuche +1 0,5

10 15

Hilfsgröße Cm

0,4

20 0,3

30 40 60 80 100

0,2

0,1

0,0 0

1

2

3 s/d bzw. slg / lg(d)

4

5

6

Abb. 10.8: Hilfsgröße C m zur Schätzung des Standardfehlers für den Mittelwert nach [182]

aus der geschätzten Standardabweichung s berechnet werden. Die Hilfsgröße C m wird abhängig von der Versuchsanzahl n + 1 und dem Verhältnis s /d aus Diagramm 10.8 ermittelt. Bei Festigkeitsbewertungen ist für den mittleren Wert nur die Abweichung nach oben von praktischem Interesse, weshalb der einseitige Vertrauensbereich entsprechend Gleichung (4.48) berechnet wird. Die obere Grenze bei Normalverteilung mit der Vertrauenswahrscheinlichkeit 1 − α ist



μ

x¯ − u (1−α) ⋅ s m .

(10.19)

Der Standardfehler der Standardabweichung s s wird aus dem Stufenabstand d und der Hilfsgröße C s nach Abbildung 10.9 berechnet: ss = C s ⋅ d .

(10.20)

Die obere Grenze der tatsächlichen Standardabweichung der Grundgesamtheit σ für die Konfidenz (1 − α) ist somit σ



s − u (α) ⋅ s s .

(10.21)

Mit diesen Größen kann schließlich die Dauerfestigkeit für eine geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit mit einer bestimmten Konfidenz angegeben werden. Dabei werden die Standardfehler für Mittelwert und Standardabweichung, wie bereits in [124] vorgeschlagen, geometrisch addiert: x (P A ,1 − α) = x¯ + u P A ⋅ s − u (1−α) ⋅



2

2 + (u ⋅ s ) sm PA s

(10.22)

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

4

Anz. Versuche +1 10

15

25

20

287

30 35 40

50

60

70

Hilfsgröße Cs

3 100 2

1

0 0

1

2

3 s/d bzw. slg / lg(d)

4

5

6

Abb. 10.9: Hilfsgröße C s zur Schätzung des Standardfehlers für die Standardabweichung nach [182]

Je nach unterstellter Verteilung entsprechen x und x¯ wieder direkt den Spannungen oder deren Logarithmen. Die Auswertung kann näherungsweise auch für andere Verteilungen angewendet werden. Diese müssen symmetrisch sein bzw. sich auf symmetrische Verteilungen zurückführen lassen. Der einzige Unterschied besteht in den dann anderen Werten der Quantile für die Ausfallwahrscheinlichkeit u P A . Für die Vertrauensbereiche werden weiterhin die Quantile der Standardnormalverteilung eingesetzt. Nachfolgendes Beispiel verdeutlicht den vorgestellten Berechnungsablauf. Beispiel Für ein Bauteil soll die Dauerfestigkeit mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von P A = 0,5 % bei 90 %-iger Vertrauenswahrscheinlichkeit ermittelt werden. Dazu stehen 18 Prüflinge zur Verfügung, die im Treppenstufenversuch getestet werden. Eine rechnerische Vorabschätzung ergibt für die Dauerfestigkeit eine Nennspannungsamplitude von ca. 120 MPa. Zur Festlegung des Stufenabstands wird die Standardabweichung als 5 % der Dauerfestigkeit geschätzt. Lösung unter Annahme der Normalverteilung Aus Tabelle 10.1 folgt für 18 geplante Versuche s /d = 0,7. Mit der geschätzten Standardabweichung 0,05 ⋅ 120 MPa resultiert daraus der Stufenabstand d = 4,2 MPa. Mit dem ersten Versuch eine Stufe oberhalb der geschätzten Dauerfestigkeit beginnend zeigt sich folgendes Ergebnis:

288

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Durchläufer

fiktiver Versuch

fi

i · fi

i2 · fi

120,0

3

9

27

2

115,8

6

12

24

1

111,6

6

6

6

0

107,4

i

Sa/MPa

4

124,2

3

Bruch

2+1

0

0

F = 18

A = 27

B = 57

Da der erste Versuch als Anschnitt nicht ausgewertet werden kann, verbleiben noch n = 17 gültige Versuche, die zusammen mit dem auf der untersten Stufe liegenden fiktiven Versuch wieder n + 1 = 18 Versuche ergeben. Die Berechnung erfolgt mit den in der Tabelle bereits berechneten Hilfsgrößen F , A und B und führt auf folgende Ergebnisse. • mittlerer Wert der Dauerfestigkeit nach Gleichung (10.16): S D,50% = x¯ = 107,4 MPa + 4,2 MPa ⋅ (27/8) = 113,7 MPa • Varianzkenngröße nach Gleichung (10.17): k = 0,917 • Standardabweichung s für n + 1 = 18 nach Abbildung 10.7 aus s /d = 1,8: s = 7,56 MPa • Dauerfestigkeit für P A = 0,5 % ohne Vertrauenswahrscheinlichkeit nach Gleichung (4.19) mit Quantil für Ausfallwahrscheinlichkeit u P A = −2,576: S D,0,5% = S D,50% − 2,576 ⋅ 7,56 MPa = 94,2 MPa • Hilfsgrößen zur Berechnung der Standardfehler aus Abbildungen 10.8 und 10.9: C m = 0,29 C s = 3,4. • Die Standardfehler nach Gleichungen (10.18) und (10.20): s m = 2,19 s s = 14,28 • Quantil für 90 %-ige Vertrauenswahrscheinlichkeit: u 1−α = u 0,9 = 1,282 • Dauerfestigkeit mit Konfidenz nach Gleichung (10.22): S D,0,5% ≥ 47,0 MPa. Dieser Wert ist sehr klein im Vergleich zur Angabe ohne Konfidenz und führt wahrscheinlich zur Überdimensionierung des Bauteils. Einen engeren Vertrauensbereich

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

289

und damit eine höhere untere Schranke der Dauerfestigkeit lässt sich nur durch eine höhere Anzahl an Versuchen erreichen. Alternativ können abgesicherte Werte der Standardabweichung ähnlicher Bauteile verwendet werden. Sind solche Werte bekannt, genügt es, im Treppenstufenversuch den Mittelwert mit Konfidenz zu ermitteln. Lösung unter Annahme der log-Normalverteilung In diesem Fall liegen die Stufen um den konstanten Faktor d auseinander. Es wurde d = (120 + 4,2)/120 = 1,035 verwendet, um vergleichbare Stufen wie im vorherigen Fall zu erreichen und die Ergebnisse vergleichen zu können. Es wird angenommen, dass sich genau der gleiche Versuchsablauf wie zuvor und damit auch dieselben Hilfsgrößen F , A und B ergeben. Bruch

Durchläufer

fiktiver Versuch

fi

i · fi

i2 · f i

i

Sa/MPa

4

124,2

3

120,0

3

9

27

2

115,9

6

12

24

1

112,0

6

6

6

0

108,2

2+1

0

0

F = 18

A = 27

B = 57

Die Berechnung verläuft wie folgt: • Mittlerer Wert nach Gleichung (10.16) unter Beachtung, dass für x¯ und x 0 die logarithmierten Spannungen einzusetzen sind: A = 2,057 F S D,50% = 10x¯ = 113,96 MPa x¯ = x 0 + lg(d ) ⋅

• Varianzkenngröße: k = 0,917 • Standardabweichung aus Abbildung 10.7 s lg = 0,0269 • Dauerfestigkeit für P A = 0,5 % ohne Vertrauenswahrscheinlichkeit nach Gleichung (4.19): x 0,5% = x¯ − 2,576 ⋅ s lg = 1,987 S D,0,5% = 10x0,5% = 97,1 MPa • Hilfsgrößen sind im Vergleich zur Auswertung mit Normalverteilung unverändert, da s /d und s lg / lg(d ) identisch: C m = 0,29

290

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis C s = 3,4 • Standardfehler: lg s m = C m ⋅ s lg = 0,0078 lg s s = C s ⋅ lg(d ) = 0,0508 • Dauerfestigkeit für gesuchte Ausfallwahrscheinlichkeit und Konfidenz entsprechend Gleichung (10.22) x (P A ) = x¯ + u P A ⋅ s lg − u (1−α) ⋅

√ 2 (lg sm )2 + (u P A ⋅ lg ss ) = 1,82

S D,0,5% ≥ 66,0 MPa. Mit beiden Verteilungen werden demnach die 50 %-Werte und Standardabweichungen vergleichbar geschätzt. Auch die Dauerfestigkeit für P A = 0,5 % ohne Konfidenz unterscheidet sich nur geringfügig. Ein großer Unterschied tritt erst durch die Berücksichtigung der Vertrauenswahrscheinlichkeit auf.



10.2.2 Probit-Methode Die Probit-Methode wurde erstmals von Finney [142] vorgeschlagen. Mit ihr können ebenfalls Treppenstufenversuche ausgewertet werden. Sie ist aber nicht darauf beschränkt. So können mit der Methode auch Versuche auf verschiedenen Horizonten im Dauerfestigkeitsgebiet ausgewertet werden, weshalb sie sich besonders für parallele Versuche auf mehreren Prüfständen eignet. Die Lasthorizonte müssen weder einen definierten Stufenabstand haben, noch zwangsweise sowohl oberhalb als auch unterhalb der 50 %-Dauerfestigkeit liegen. Der Grundgedanke ist in Abbildung 10.10 skizziert. Für jeden Horizont i wird anhand der Versuche die Ausfallwahrscheinlichkeit P A,i geschätzt und anschließend die Wertepaare (S a,i ,P A,i ) im Wahrscheinlichkeitsnetz ausgewertet. Auch hier kann die Auswertung bei unterstellter logNormalverteilung der Dauerfestigkeit mit den logarithmierten Spannungen analog erfolgen.

Versuchsergebnis

Wahrscheinlichkeitsnetz Quantil u(PA)

Sa Sa3 Sa2 Sa1

Sa1 Bruch

Sa2

Durchläufer

Abb. 10.10: Prinzip der Probit-Methode

Sa3

Sa

291

2

2

1

1

1

1

0

-1

-1 -2

0

SD,50% a)

-2

Quantil u

2

Quantil u

2

Quantil u

Quantil u

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

0

b)

-2

slg

-1

-1

SD,50%

1 0

SD,50% c)

-2

SD,50% d)

Abb. 10.11: Beispiele zur Anwendung der Probit-Methode bei log-Normalverteilung: a) mehrere Horizonte ober- und unterhalb von S D,50% , b) 2 Horizonte, c) alle Horizonte unterhalb von S D,50% , d) ein Horizont bei bekannter Standardabweichung

Ähnlich dem Horizontverfahren für die Zeitfestigkeit haben Horizonte mit großem Abstand zum mittleren Wert einen größeren Einfluss auf die Neigung der Ausgleichsgerade als Horizonte mit geringem Abstand. Das bedeutet, dass Prüfhorizonte nahe dem 50 %-Wert der Dauerfestigkeit eine geringe Aussagekraft bezüglich der Streuung haben, welche dem Anstieg der Ausgleichsgeraden im Wahrscheinlichkeitsnetz entspricht. Bei als bekannt vorausgesetzter Verteilungsfunktion, also z. B. Normalverteilung oder logNormalverteilung, sind mindestens zwei gemischte Horizonte6 notwendig, um den 50 %-Wert und die Streuung der Dauerfestigkeit zu ermitteln. Um deren Höhe sinnvoll festzulegen, muss die ungefähre Lage der Dauerfestigkeit bekannt sein. Ist dies nicht der Fall, wird empfohlen, analog zum Treppenstufenverfahren Versuche auf verschiedenen Horizonten zu fahren, bis das erste Mal ein Durchläufer nach nur Brüchen oder umgekehrt auftreten. Hinweise dazu und zur Festlegung weiterer Horizonte sind in [132] angegeben. Ist die Streuung bereits bekannt und es soll lediglich die Lage der Dauerfestigkeit ermittelt werden, genügt die Prüfung auf nur einem Horizont, da der Anstieg durch die Standardabweichung festgelegt ist, siehe Abbildung 10.11.

Auswertung bei rein gemischten Horizonten Zur Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz muss zunächst die Ausfallwahrscheinlichkeit P A,i auf einem Horizont geschätzt werden. Ein geeigneter Schätzer dafür ist die relative 6

Es müssen sowohl Brüche als auch Durchläufer auf beiden Horizonten auftreten.

292

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Bruchhäufigkeit7 P A,i =

ri , ni

(10.23)

wobei n i die Anzahl der Versuche und r i die Anzahl der Brüche pro Horizont angeben. Zur Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz werden die Quantile der Standardnormalverteilung (Abschnitt 4.3.1.2) für die geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt. Die Regression ist wieder in Richtung der streuenden Größe durchzuführen. In diesem Fall ist das die geschätzte Ausfallwahrscheinlichkeit.

Bewertung nicht gemischter Horizonte Komplizierter ist die Frage nach der anzusetzenden Ausfallwahrscheinlichkeit bei nicht gemischten Horizonten, auf denen also nur Brüche (r = n ) oder nur Durchläufer (r = 0) auftreten. Die Ausfallwahrscheinlichkeit würde dann von Gleichung (10.23) mit P A,i = 1 bzw. P A,i = 0 unterschätzt und ließe sich auch aufgrund der gegen unendlich gehenden Quantile nicht mehr im Wahrscheinlichkeitsnetz eintragen. Von Hück wird dafür in [184] eine Abschätzung in Form einer Ungleichung vorgeschlagen. Dabei wird der Bereich der Ausfallwahrscheinlichkeit berechnet, für den es wahrscheinlicher ist, bei n Versuchen genau n Durchläufer bzw. Brüche zu erhalten als alle anderen möglichen Kombinationen aus Brüchen und Durchläufern. Die Wahrscheinlichkeit P i , auf einem Lasthorizont mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit P A,i in n Versuchen genau r Brüche zu erhalten, kann mit der Binomialverteilung entsprechend Gleichung (4.33) berechnet werden: ni P i (r i ,n i ,P A,i ) = ( )p r i (1 − P A,i )ni −r i ri

(10.24)

Damit kann die Grenze berechnet werden, bei der mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % nur gleiche Ergebnisse auftreten, und zwar indem P i = 0,5 und r i = n i bzw. r i = 0 eingesetzt wird. Daraus folgen die Bereiche der Ausfallwahrscheinlichkeit mit 1

P A,i ≥ 0,5 ni und

1

P A,i ≥ 1 − 0,5 ni

für r i = n i (nur Brüche)

(10.25)

für r i = 0 (nur Durchläufer).

(10.26)

Die nicht gemischten Horizonte werden nur dann für die Regression im Wahrscheinlichkeitsnetz berücksichtigt, wenn die Regressionsgerade außerhalb des von den Ungleichungen (10.25) und (10.26) abgegrenzten Bereichs verläuft. Eine einfache lineare Regression kann 7

Damit wird erreicht, dass die Anzahl der Brüche stets dem Erwartungswert der Binomialverteilung, Gleichung (4.35), entspricht. Das ist z. B. bei der Verwendung der Rossow-Formel aus Gleichung (4.45) nicht der Fall. Diese gilt für metrische Merkmale (wie Bruchlastzyklenzahlen auf einem Zeitfestigkeitshorizont) und sollte hier nicht angewendet werden, da sie zudem die Ausfallwahrscheinlichkeit bei binominalverteilten Grundgesamtheiten (Bruch/Durchläufer) systematisch unterschätzt.

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

293

2 Regression mit Horizonten 1, 2, 3 und 4

Quantil u

1

0

3

4

2

Regression mit Horizonten 1, 2 und 3 Regression mit Horizonten 2 und 3 Horizont 1, nur Durchläufer

-1

Horizonte 2 und 3, gemischt

1

Horizont 4, nur Brüche -2 Sa

Abb. 10.12: Beispiel zur Berücksichtigung nicht gemischter Horizonte bei der Probit-Methode

somit nicht stattfinden. Mathematisch bedeutet dies ein nichtlineares Optimierungsproblem, bei dem unter Veränderung der Parameter der Ausgleichsgeraden die Summe der Fehlerquadrate der Lastamplituden minimiert wird. Ein pragmatischer Ansatz dies zu umgehen ist es, schrittweise zu überprüfen, ob einer dieser nicht gemischten Horizonte in jedem Fall eindeutig zum Fehler der Regressionsgeraden beiträgt. Diese Horizonte dürfen dann in die Regression einbezogen werden. Horizonte, bei denen das nicht der Fall ist, könnten sowohl zu einer Vergrößerung als auch zu einer Verkleinerung der Streuung beitragen und dürfen für die Regression nicht berücksichtigt werden. Abbildung 10.12 verdeutlicht dies für ein Beispiel mit zwei gemischten Horizonten (2 und 3), einem nur mit Durchläufern besetzten (Horizont 1) und einem nur mit Brüchen besetzten (Horizont 4). Für die nicht gemischten Horizonte sind die nach den Ungleichungen möglichen Bereiche mit Pfeilen gekennzeichnet. Würden alle Horizonte in die Regression einbezogen, könnte der Horizont 4 die Streuung (also den Anstieg der Ausgleichsgeraden) sowohl verringern als auch erhöhen, der Horizont 1 jedoch nur verringern. Dasselbe ist der Fall, wenn der Horizont 1 nicht mit bei der Regression berücksichtigt wird. Deshalb darf Horizont 4 nicht mit in die Regression einbezogen werden und die schwarze Linie ist die korrekte Ausgleichsgerade für dieses Beispiel.

Gewichtung der Horizonte Horizonte mit sehr geringer bzw. sehr hoher Ausfallwahrscheinlichkeit haben bei gleicher Versuchsanzahl eine geringere statistische Sicherheit als Horizonte nahe dem 50 %-Wert. Daher müssen für die gleiche statistische Aussagekraft auf den entfernten Horizonten deutlich mehr Versuchsergebnisse vorliegen. Das ist häufig nicht der Fall. Diese Horizonte müssen

294

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

daher bei der Regression unterschiedlich stark berücksichtigt werden. Nach Hück [184] wird der Gewichtungsfaktor g i für gemischte Horizonte mit

√ gi =

ri ni ⋅ r i ⋅ (1 − ) ni − 1 ni

(10.27)

berechnet. Für nicht gemischte Horizonte wird daraus unter Berücksichtigung von Gleichung (10.25) bzw. (10.26)

  n2   i ⋅ 0,5 n1i (1 − 0,5 n1i ). gi = ni − 1

(10.28)

Bei der Regressionsrechnung wird dann das Minimum der gewichteten Fehlerquadrate gesucht. Aus Gleichung (4.38) wird somit n

2

∑ g i ⋅ ( y i − a ⋅ x i − b ) → min .

(10.29)

i =1

Allerdings ist der Unterschied im Vergleich zur Auswertung ohne die Gewichtungsfaktoren meist sehr gering bis vernachlässigbar. Das zeigt auch das folgende Beispiel. Beispiel Zur Ermittlung der Dauerfestigkeit einer Schweißverbindung mit der Probit-Methode stehen 40 Proben zur Verfügung. Die Prüfung erfolgt auf 4 Horizonten mit jeweils 10 Proben um die auf 43 MPa geschätzte Dauerfestigkeit. Versuchsergebnisse

Auswertung

Horizont

S a,i in MPa

Versuche

Brüche

lg(S a,i )

P A,i

u P A,i

gi

4

50

10

8

1,70

0,8

0,84

1,33

3

44

10

4

1,64

0,4

-0,25

1,63

2

42

10

2

1,62

0,2

-0,84

1,33

1

40

10

1

1,60

0,1

-1,28

1,00

Lösung mit Gewichtung der Horizonte • Regression in der Form u = a ⋅ lg(S a ) + b (gewichtete Fehlerminimierung in Richtung Wahrscheinlichkeit) a = 22,03 b = −36,56 • geschätzter Mittelwert x¯ =

b a

= 1,659 und damit S D,50% = 45,64 MPa (entspricht

der Spannung bei u = 0) • Standardabweichung s lg =

1 a

= 0,0454 (entspricht dem Anstieg der Regressionsge-

raden) bzw. Streuspanne T = 1,307

10.2 Ermittlung der Dauer- und Langzeitfestigkeit

295

Vergleich ohne Gewichtung Die Berechnung ohne Gewichtung bzw. mit g i = 1 führt auf nahezu das selbe Ergebnis: • S D,50% = 45,61 und • s lg = 0,0455 bzw. T = 1,308.

Quantil u

2,00

Regression mit Gewichtung

1,00

Regression ohne Gewichtung

0,00 -1,00 -2,00 1,50

1,60

1,70

1,80

lg Sa

◻ 10.2.3 Einschätzung und weitere Verfahren Nach der Erfahrung der Autoren findet das Treppenstufenverfahren nach Hück die meiste Anwendung. Das liegt vor allem daran, dass damit aufgrund der Versuchsführung bereits mit wenigen Proben (n = 10 . . . 20) die mittlere Dauerfestigkeit gut abgeschätzt wird. Die ProbitMethode sollte erst ab n = 20 Versuchen angewendet werden. Wenn die ungefähre Lage des Mittelwertes bekannt ist, genügen zwei gemischte Horizonte, ansonsten sollten mindestens drei Horizonte angestrebt werden. Neuere Untersuchungen von Ellmer [132] und Müller [230] zeigen, dass zur treffsicheren Abschätzung der Standardabweichung bei beiden Verfahren im Allgemeinen mindestens n = 40 . . . 50 Versuche notwendig sind. Das ist deutlich mehr, als ursprünglich von Hück in Tabelle 10.2 angegeben. Stehen genug Versuche zur Verfügung, unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen Treppenstufenverfahren und Probit-Methode kaum [132]. Ein praktischer Vorteil der Probit-Methode ist die Möglichkeit, auf mehreren Prüfständen parallel zu testen und dadurch Zeit zu sparen. Außerdem kann mit ihr aufgrund der Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz die Verteilungsfunktion qualitativ nachgewiesen werden. Dafür muss allerdings auf vielen Horizonten geprüft werden. Liegen diese im Wahrscheinlichkeitsnetz nicht auf einer Geraden, weist das auf die Annahme einer unpassenden Verteilung (Normalverteilung bzw. log-Normalverteilung) hin. Neben den beiden zuvor beschriebenen Verfahren zur Ermittlung der Dauerfestigkeit, existieren noch weitere, die hier nur kurz genannt werden. Das Treppenstufenverfahren wurde

296

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

ursprünglich von Dixon und Mood [124] mit einer entsprechenden Auswertung entwickelt. Deubelbeiss beschreibt in [122] eine alternative Auswertemethode. Außerdem ist die Auswertung von Treppenstufenversuchen auch mit der Probit-Methode und der MaximumLikelihood-Methode [143] (ausführlich in Bezug auf die Dauerfestigkeit z. B. in [132] beschrieben) möglich. Die Anwendung der Probit-Methode mit nur zwei Prüfhorizonten wird oft auch als Abgrenzungsverfahren [214] bezeichnet. Eine solche Unterscheidung ist im Sinne der Methodik jedoch unnötig. In [132] wird gezeigt, dass Probit-Methode mit zwei Prüfhorizonten für die Abschätzung eines Quantils der Dauerfestigkeit sehr geeignet ist, ebenso wie das in [122] beschriebene Verfahren von Deubelbeiss. Das Verfahren nach Klubberg [192] ist eine Kombination aus Treppenstufen- und Abgrenzungsverfahren.

10.2.4 Abschätzung aus der Zeitfestigkeit Eine grobe Abschätzung der Dauerfestigkeit ist anhand des experimentell bestimmten Zeitfestigkeitsbereiches der Wöhlerlinie möglich. Ist dieser bekannt, kann die Dauerfestigkeit aus der Extrapolation bis ND ermittelt werden. Für Bauteile aus Stahl unter Zug/Druck- und Biegebeanspruchung kann die Knickpunktlastzyklenzahl anhand des Wöhlerlinienexponenten k nach Wirthgen [299] wie folgt abgeschätzt werden: ln ND = 15,5 −

7,5 k

(10.30)

Eine solche, relativ grobe Abschätzung der Dauerfestigkeit ist selbstverständlich nur vertretbar, wenn keine dauerfeste Bemessung bei hoher Auslastung des Bauteiles erforderlich ist. So ist z. B. bei der Lebensdauerabschätzung nach Abschnitt 9 die genaue Kenntnis der Dauerfestigkeit nur von untergeordneter Bedeutung, wenn der Kollektivhöchstwert die Dauerfestigkeit hinreichend übersteigt.

10.3 Betriebslastennachfahrversuche Die sicherste Methode zur Ermittlung der Lebensdauer eines Bauteils ist der Betriebslastennachfahrversuch (BLNV). Dies ist daraus zu erklären, dass heute die tatsächlich auftretenden, regellosen BZV versuchstechnisch realisierbar sind. Ernst Gaßner hatte mit seiner Einführung im Jahr 1939 [149] das Fachgebiet der Betriebsfestigkeit begründet. Gaßner teilte das Beanspruchungskollektiv in Blöcke konstanter Amplituden ein, die nacheinander und wiederholt aufgebracht wurden. Damit gelang erstmals eine Durchmischung, eine gewisse Reihenfolgewirkung. Bereits in den 1960er Jahren wurde erkannt, dass dieses »Blocken« der Betriebsbelastung die Lebensdauer gegenüber der tatsächlich regellosen Belastung zu hoch ermittelt und die Ergebnisse damit auf der unsicheren Seite liegen. Mit der Entwicklung

10.3 Betriebslastennachfahrversuche

297

der Regelungs-, Speicher- und digitalen Rechentechnik wurde es möglich, ab Beginn der 1960er Jahre gemessene Belastungs-Zeit-Folgen direkt nachzufahren oder aber Lastfolgen (Folgen von Umkehrpunkten) aus Klassierergebnissen zu generieren. Dabei bestand aus heutiger Sicht das Problem, dass die generierten Lastfolgen wegen des Zufallsgenerators jeweils anders abliefen. Auch wenn einige Programme deterministische Abläufe erzeugten, konnten gleichartige Untersuchungen wegen Freiräumen bei den Startbedingungen und den damit verbundenen Reihenfolgeeinflüssen in verschiedenen Laboren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Der heutige Stand der Technik beim Betriebslastennachfahrversuch wird gekennzeichnet durch: • Betriebslastennachfahrversuche von im Zeitbereich abgespeicherten, meist mehrkomponentigen BZV, die im Sinne der Extrapolation und der Versuchszeitverkürzung (siehe weiter hinten) mit entsprechender Software editiert werden. Diese Nachfahrversuche sind regelungstechnisch extrem aufwändig. Der Ganzfahrzeugtest eines PKW mit bis zu 28 Kraftkomponenten ist wegen seiner höheren Frequenzanteile sehr kompliziert. Beim Ermüdungstest eines Flugzeuges hingegen werden zwar vergleichsweise niederfrequente Lastfolgen aber bis zu 200 verschiedenen Kraftkomponenten eingesetzt. • Anwendung von Standardlastfolgen, die als definierte Folge von Umkehrpunkten, heute auch mit Zeitbezug, eigentlich deterministisch sind, durch ihre Länge aber der Ermüdungswirkung stochastischer Prozesse gleichgesetzt werden können. Beispiele sind in Tabelle 10.3 gegeben. Ein umfangreicher Überblick findet sich auch in [248].

Tab. 10.3: Auflistung wichtiger Standardlastfolgen

CC9

Gaußprozess mit H0 = 106 und I = 0,99

CC7

Gaußprozess mit H0 = 106 und I = 0,7

CC3

Gaußprozess mit H0 = 106 und I = 0,3

TWIST FALSTAFF HELIX/FELIX WASH WISPER WAWESTA CARLOS CARLOS multi

Flügel von Transportflugzeugen Flügel von Kampfflugzeugen Hubschrauber-Rotoren (schwenkbar/fest) Offshore Bauwerke Windturbinen-Rotorblätter Walzwerksantriebe Car Loading Standard PKW-Vorderradaufhängung

CARLOS TC

PKW-Anhängevorrichtungen

CARLOS BC

PKW-Anhängevorrichtungen mit Fahrradheckträger

298

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Methoden der Versuchszeitverkürzung Für den Betriebslastennachfahrversuch werden folgende Methoden angewendet, um im Labor in vergleichsweise kurzer Zeit die Lebensdauer von Bauteilen nachzuweisen: 1. Weglassen der Standzeiten Standzeiten haben im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Lebensdauer. Zu beachten und zu beurteilen sind sie jedoch bei erheblichen Korrosionswirkungen oder bei Werkstoffen mit rheologischem (zeitabhängigem) Stoffgesetz, z. B. Kunststoffen. Hier können Standzeiten z. B. durch Relaxation zum Abbau von Eigenspannungen führen. 2. Erhöhung der Prüffrequenz Solange durch die Erhöhung der Prüffrequenz keine kritische Erwärmung eintritt (vgl. Abschnitt 3.8), wird diese Methode nur durch die Leistungsfähigkeit der Prüfanlage begrenzt. Es ist jedoch auszuschließen, ob dadurch sonst nicht erregte Eigenfrequenzen erreicht werden. 3. Erhöhung des Kollektivgrößtwertes Bei dieser Methode werden alle Amplituden des Kollektivs mit einem konstanten Erhöhungsfaktor multipliziert. Mittels der unter Abschnitt 9.2 behandelten linearen Schadensakkumulationshypothese wird die Versuchszeitverkürzung ermittelt. Es muss ausgeschlossen werden, dass untypische Plastifizierungen im Kerbgrund auftreten. Außerdem ist zu beachten, ob das Bauteil mehrere Schwachstellen hat. Durch Erhöhung des Kollektivgrößtwertes kann dann eventuell eine andere Schwachstelle zum Ausfall führen und das Experiment wird dadurch nicht mehr vergleichbar zur realen Beanspruchung. 4. Verwendung eines völligeren Kollektivs Diese Methode wird oftmals dann angewendet, wenn das Bauteil mit einer Geradlinienverteilung beansprucht wird. Die Versuchszeitverkürzung durch z. B. ein normalverteiltes Prüfkollektiv wird wieder mittels Schadensakkumulation berechnet. Ebenso wie bei der unter Punkt 3 erläuterten Problematik verschiedener Schwachstellen führen auch die unter Abschnitt 9.4 erläuterten Probleme der Miner-Regel zu Unsicherheiten beim Lebensdauernachweis. 5. Weglassen kleiner Amplituden (Omission) Bei Stahlwerkstoffen gilt, dass Amplituden mit 0,2 ⋅ S D < S a < 0,5 ⋅ S D nicht zur Schädigung beitragen [174]. Dieser Grenzbereich ist abhängig vom Belastungsprozess und vom Bauteil und erfahrungsbasiert nutzbar8 . Durch das Weglassen dieser Amplituden ist eine Versuchszeitverkürzung bis auf 10% möglich. Unsicherheiten bestehen bei der Anwendung auf andere Werkstoffgruppen, auf Bauteile mit mehreren versagenskritischen Stellen, bei Reibkorrosion oder im Stadium der Rissausbreitung. 8

Untersuchungen im Forschungsvorhaben Speedfat [291] zeigen, dass für Bauteile mit nur einer versagenskritischen Stelle und unter Anwendung der rechnerischen Schädigungsrechnung auch deutlich höhere Omissionlevels möglich sind.

10.3 Betriebslastennachfahrversuche

299

Probleme und Lösungsansätze beim Betriebslastennachfahrversuch Zum Aufbringen einer vorgegebenen Last-Zeit-Funktion auf ein Bauteil im BLNV kommen servohydraulische, digital geregelte Prüfstände zum Einsatz. Das Ziel einer stabilen, sehr genauen und reproduzierbaren Regelung lässt sich aber häufig nicht erreichen. Das bedeutet, die vorgegebenen Lastfolgen können nicht hinreichend genau auf das Bauteil aufgebracht werden. Die Gründe dafür liegen vor allem am nichtlinearen dynamischen Verhalten des Gesamtsystems bestehend aus Bauteil und Prüfstand. Mögliche Ursachen sind nichtlineares Materialverhalten (z. B. Elastomerlager), Spiele und Mechanismen im Prüfstandsaufbau oder die Prüfung nahe von Eigenfrequenzen. Eine Lösung der beschriebenen Probleme stellt die Target-Response-Simulation nach Cryer [121] dar. Das Verfahren ist in verschiedener kommerzieller Prüfsoftware umgesetzt, z. B. RS TWR der Firma Instron oder RPC PRO der Firma MTS. Sie funktionieren immer noch auf dem ursprünglichen Prinzip [125]. Die Grundidee besteht in der Identifikation des dynamischen Systems Bauteil-Prüfstand als Modell, welches das aufgebrachte Sollsignal (die Last-Zeit-Folge) verfälscht. Ist es möglich das Modell zu invertieren, kann aus dem angestrebten Sollsignal ein verfälschtes Steuersignal in der Art berechnet werden, dass auf das Bauteil die angestrebte Lastfolge aufgebracht wird. Dieser Prozess erfolgt iterativ, so dass durch wiederholte Korrekturen am Steuersignal auf Basis des verbleibenden Fehlers das Ergebnis gegen die angestrebten Zielsignale konvergiert. Dabei muss in jedem Iterationsschritt die komplette Last-Zeit-Folge aufgebracht werden, weshalb diese im Vergleich zur Gesamtlebensdauer des Prüfteils nicht zu lang, also hinreichend oft wiederholbar, sein muss. Da die Target-Response-Simulation auf einem linearen Modellansatz beruht, sind besonders bei stark nichtlinearen Prüfständen mehrere Iterationsschritte nötig. Das kann problematisch sein, wenn allein durch den Iterationsprozess schon ein erheblicher Teil der Schädigung auf ein Bauteil aufgebracht wird. Von Hantschke wird in [167, 169] mit IFKM-Iteration eine Verfahrensweise vorgestellt, welche die Signaliteration servohydraulischer Betriebslastennachfahrversuche deutlich vereinfacht und gleichzeitig die Qualität der Iterationsergebnisse verbessert.

Fehlergrößendefinition zur Beurteilung der Signalabbildungsqualität am Prüfstand Bei der Target-Response-Simulation erfolgt die Korrektur des aufgebrachten Signals durch den Vergleich von Zielsignal y Z (Target) mit dem Messsignal y (Response). Dies erfolgt jeweils in den unterschiedlichen Bereichen, dem Zeitbereich, dem Frequenzbereich und dem Amplitudenbereich. Bei theoretisch exakter Signalreproduktion am Prüfstand sind die Fehler aller 3 Bereiche gleich null. Das ist aber in der Praxis unmöglich. Das Ziel der Iteration ist es daher, die Fehler aller drei Bereiche innerhalb vorgegebener Grenzen zu halten.

300

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis • Fehlergrößendefinition im Zeitbereich Die wesentliche Fehlergröße basiert auf dem RMS-Wert (root mean square). Der Vergleich erfolgt zu den diskreten Zeiten des Signals t j . Dabei sind die beiden Varianten über den RMS-Fehler

  k  [ y (t ) − y (t )]2 ∑ Z j j  j =1 fe =  →0  k  2   ∑ [ y Z (t j )]

(10.31)

j =1

oder über das RMS-Verhältnis

  k 2   ∑ [ y (t j )]  j =1 fe =  →1  k    ∑ [ y Z (t j )]2

(10.32)

j =1

möglich. Weitere aussagekräftige Fehlergrößen ergeben sich aus dem Vergleich vom Maximum, dem Minimum und der Spanne des jeweiligen Signals zur Sollgröße. • Fehlergrößendefinition im Frequenzbereich Hierfür müssen die Zeitsignale zeitfensterweise in den Frequenzbereich überführt werden. Der Fehler folgt aus dem Vergleich des einseitigen Leistungsdichtespektrums PSD (engl. Power Spectral Density) des Messsignals und des Zielsignals. Damit kann die Signalgüte einzelner Frequenzbereiche getrennt eingeschätzt werden. Das ist unter anderem für die Einschätzung wichtig, ob Eigenfrequenzen des Bauteils gewollt oder ungewollt angeregt werden. Für weitergehende Ausführungen zur Berechnung der Größen wird auf geeignete Fachliteratur z. B. [21, 36] verwiesen. • Fehlergrößendefinition im Amplitudenbereich Als aussagefähigster Fehlerparameter für die Schädigung in Sinne der Betriebsfestigkeit wird das fiktive Schädigungsverhältnis angewandt. Es werden dazu das am Bauteil gemessene Signal und das Zielsignal klassiert und mittels Rainflowzählung (siehe Abschnitt 5.2.2) in den Amplitudenbereich übertragen. Anschließend wird die Schädigung mittels linearer Schadensakkumulation (meist Miner-Elementar nach Abschnitt 9.3.1) für Ziel- und Messsignal berechnet. Dazu wird eine fiktive Wöhlerlinie, z. B. mit k = 5 und C = 107 nach Gleichung (2.10), vorgegeben. Als Fehlergröße zur Bewertung wird das Verhältnis der Schadenssummen verwendet: D Messsignal . fD = D Zielsignal

(10.33)

Das Verständnis der verschiedenen Fehlergrößen ist insofern von Bedeutung, als dass sie in den Programmen zur Prüfstandsregelung angeboten werden. Je nach Anwendungsfall kann die Bedeutung der 3 Bereiche variieren.

10.4 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 10

301

10.4 Aufgaben und Verständnisfragen zu Kapitel 10

Verständnisfragen 1. Welche Verfahren zur experimentellen Bestimmung des Zeitfestigkeitsbereichs der Wöhlerlinie gibt es? Welches kann einen möglichen Anstieg der Streuung mit steigender Lastzyklenzahl erfassen? 2. Wie wird bei der Horizontmethode für die einzelnen Bruchlastwechselzahlen auf einem Lasthorizont eine Wahrscheinlichkeit ermittelt? 3. Welche Größe wird bei der Regression der Wöhlerlinie als Fehlergröße verwendet? 4. Warum dürfen die Lasthorizonte bei der Horizontmethode nicht zu nah an den Übergangsbereichen zur Kurzzeit- und Dauerfestigkeit liegen? Wie würde sich das auf die ermittelte Wöhlerlinie auswirken? 5. Wie wird bei der Perlenschnurmethode die Wöhlerlinie für eine Ausfallwahrscheinlichkeit P A < 50 % berechnet? 6. Nach welchen verschiedenen Methoden kann ein Treppenstufenversuch ausgewertet werden? 7. Was ist der Unterschied zwischen Grenzlastzyklenzahl und Knickpunktlastzyklenzahl. Welcher Wert sollte stets größer sein? 8. Wovon hängt der zu wählende Stufenabstand beim Treppenstufenversuch ab? 9. Welches der Ergebnisse wird bei der experimentellen Ermittlung der Dauerfestigkeit mit höherer statistischer Sicherheit bestimmt, der Mittelwert oder die Streuung? 10. Nennen Sie einen Richtwert, wie viele Versuche beim Treppenstufenversuch im Schnitt notwendig um ein treffsicheres Ergebnis für die Standardabweichung zu erhalten. 11. Wozu dient der fiktive Versuch bei der Auswertung des Treppenstufenversuchs nach der IABG-Methode und weshalb darf er überhaupt angefügt werden? 12. In welche Richtung ist die Regression zur Auswertung im Wahrscheinlichkeitsnetz bei der Probitmethode durchzuführen? 13. Welche Möglichkeiten zur Verkürzung von Betriebslastennachfahrversuchen gibt es? 14. Warum ist es beim Betriebslastennachfahrversuch nicht ausreichend die Signalgüte im Zeitbereich zu bewerten.

302

10 Experimenteller Festigkeitsnachweis

Aufgaben 1. Zur Ermittlung des Zeitfestigkeitsbereichs der Wöhlerlinie einer gekerbten Maschinenkomponente nach der Horizontmethode wurden auf drei Spannungshorizonten Wöhlerversuche bis zum Bruch mit folgendem Ergebnis durchgeführt: S a /MPa

NB /105

330

280

250

0,912

1,850

3,113

1,052

2,220

3,813

1,160

2,625

4,550

1,280

2,900

5,088

1,430

3,150

5,175

1,490

3,300

5,975

1,585

3,525

6,400

1,690

4,175

7,100

1,960

4,840

8,750

Bestimmen Sie die Gleichung der Wöhlerlinie für die Ausfallwahrscheinlichkeiten P A = 50 % und P A = 10 %. 2. Für die Maschinenkomponente aus Aufgabe 1 wurden zusätzlich Versuche im Treppenstufenverfahren durchgeführt. Sa/MPa

Durchläufer

Bruch

233 223 213 203 193

Werten Sie die Versuche nach Hück (IABG-Methode) aus und geben Sie die Dauerfestigkeit für P A = 50 % und P A = 10 %. Ermitteln Sie weiterhin die Lastzyklenzahl des Abknickpunkts ND der 50 %-Wöhlerlinie unter Einbeziehung der Ergebnisse von Aufgabe 1. 3. Die Zeitfestigkeit eines auf Zug-Druck beanspruchten Bauteils aus Stahl wurde experimentell ermittelt. Schätzen Sie aus der 50 %-Zeitfestigkeitslinie −k

N = C ⋅ (S a )

mit k = 5,64 und C = 6,384 ⋅ 1019 MPak die 50 %-Bauteildauerfestigkeit durch Extrapolation des Zeitfestigkeitsbereichs bis ND ab.

Anhang

11 Bruchmechanische Grundlagen Die nachfolgend dargestellten Zusammenhänge liefern nur einen groben Einblick in die Bruchmechanik, insoweit sie für das Verständnis der vorangegangenen Kapitel von Belang sind oder direkt daran anknüpfen. Von der zahlreichen Fachliteratur, die einen tiefergehenden Einblick in das Thema bieten, können z. B. die Bücher von Gross/Seeling [18] und Anderson [1] empfohlen werden. Einen besonderen Fokus auf Ermüdungsrisse haben die Bücher von Radaj/Vormwald [54] und Richard/Sander [56]. Außerdem wird bei Kuna [35] speziell auf die Anwendung der FEM für bruchmechanische Berechnungen eingegangen. Mit der Bruchmechanik kann der Anteil der Lebensdauer von der Entstehung eines wachstumsfähigen Ermüdungsrisses bis zum Bruch des Bauteils beschrieben werden. Für Bauteile mit anfänglichen Rissen bzw. rissähnlichen Fehlern umfasst das die Gesamtlebensdauer. Aus makroskopischer, kontinuumsmechanischer Betrachtung sind Risse lokale Trennungen des Materials in einem Bauteil. Die gegenüberliegenden Oberflächen in einem Riss werden als Rissoberflächen bezeichnet. Sie treffen bei räumlicher Ausdehnung in der Rissfront bzw. bei ebener Betrachtung in der Rissspitze aufeinander. Das Ligament bezeichnet die Ebene direkt hinter dem Riss. Mit der linearelastischen Bruchmechanik (LEBM) werden die Beanspruchungen an Rissen auf Grundlage der linearen Elastizitätstheorie berechnet. Voraussetzung dafür ist, dass die plastischen Vorgänge um die Prozesszone (plastische Zone), in der beim Rissfortschritt der eigentliche Prozess der Materialtrennung stattfindet, auf sehr kleine Regionen im Vergleich zur Rissgröße und den Bauteilabmessungen beschränkt sind. Die Beanspruchung an der Rissspitze wird dann vom umgebenden elastisch beanspruchten Feld bestimmt. Die Beschreibung mit der LEBM ist insbesondere bei spröden Werkstoffen zulässig, kann aber unter den voran genannten Voraussetzungen auch bei duktilen Werkstoffen angewandt werden. Es werden hinsichtlich der Deformation der Rissfront die drei in Abbildung 11.1 dargestellten Rissöffnungsarten unterschieden: Modus I (symmetrisch zur x − z-Ebene), Modus II (antisymmetrisch in x-Richtung) und Modus III (antisymmetrisch in z-Richtung).

11.1 Spannungen an der Rissspitze Im Folgenden wird ausschließlich der für das Ermüdungsrisswachstum wichtige Beanspruchungsmodus I in ebener Betrachtungsweise (ESZ) behandelt. Das Gebiet um die Rissspitze

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_11

305

306

11 Bruchmechanische Grundlagen Modus II

Modus I

y

Modus III

y

y

x

x

z

z

x z

Abb. 11.1: Rissöffnungsarten nach Modus I, II und III

wird durch die Polarkoordinaten r und ϕ beschrieben (Abb. 11.2). Das Spannungsfeld in unmittelbarer Rissspitzenumgebung kann mit dem Spannungsintensitätsfaktor K I nach Irwin [186] nach folgenden Näherungsbeziehungen beschrieben werden: ϕ ϕ 3ϕ )) 2 2 2 2πr KI ϕ ϕ 3ϕ √ ⋅ cos ( ) ⋅ (1 + sin ( ) ⋅ sin ( )) 2 2 2 2πr KI ϕ ϕ 3ϕ √ ⋅ sin ( ) ⋅ cos ( ) ⋅ cos ( ) . 2 2 2 2πr KI

σx

= √

σy

=

τx y

=

⋅ cos ( ) ⋅ (1 − sin ( ) ⋅ sin (

(11.1) (11.2) (11.3)



An der Rissspitze bei r → 0 haben die Spannungsverläufe eine Singularität vom Typ 1/ r und gehen dort theoretisch gegen unendlich. Die Höhe der Spannungen wird natürlich durch die Elastizitätsgrenze und die Bruchfestigkeit des Materials beschränkt. Bei kleiner plastischer Zone wird der Spannungsverlauf im Rissspitzennahfeld damit dennoch gut beschrieben. Der Spannungsintensitätsfaktor K I bestimmt die Höhe des parabelförmigen Spannungsverlaufs. Er kann z. B. aus Gl. (11.2) bestimmt werden, wenn das Spannungsfeld bekannt ist: K I = lim

r →0



2π ⋅ r ⋅ σ y (ϕ = 0) .

(11.4)



Der Spannungsintensitätsfaktor K I hat die Dimension N⋅mm−3/2 bzw. MPa⋅ mm. Für den einfachen Fall eines ebenen geraden Risses der Länge 2a in einer unendlichen Scheibe unter der Nenn-Zugbeanspruchung S normal zum Riss ist der Spannungsintensitätsfaktor



K I = S πa.

(11.5)

Bei von diesem einfachen Beispiel abweichenden Bedingungen (Geometrie, Beanspruchung) ergeben sich andere Werte für den Spannungsintensitätsfaktor. Diese Unterschiede werden

11.1 Spannungen an der Rissspitze

307

σy

τy

y

σx

r

σy(ϕ=0)

ϕ

Riss

x

Abb. 11.2: Koordinatensystem für das Spannungsfeld im Bereich der Rissspitze und Normalspannung im Ligament

in Form einer Geometriefunktion Y berücksichtigt:



K I = S πa ⋅ Y (a,Geometrie).

(11.6)

Abbildung 11.3 gibt Geometriefunktionen für einige einfache Fälle an. Diese gelten jeweils für Risse in unendlichen bzw. halbunendlichen Körpern bzw. in guter Näherung, wenn die Risse sehr klein gegenüber den Bauteilabmessungen sind. In diesem Fall ist Y ein konstanter Geometriefaktor. Ansonsten hängt Y von der Risslänge und den Bauteilabmessungen ab. Für die Geometriefunktionen von Rissen in Bauteilen mit endlichen Abmessungen oder komplizierteren Geometrien existieren umfangreiche Kompendien, so z. B. [276, 79]. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Nennspannung in der Bruchmechanik meist auf den Bruttoquerschnitt bezogen wird, also ohne die Rissgröße von der Querschnittsfläche abzuziehen. In der Betriebsfestigkeit hingegen ist die Nennspannung gekerbter Querschnitte auf den Nettoquerschnitt, also den von der Kerbe geschwächten Querschnitt bezogen. Der Spannungsintensitätsfaktor unterscheidet sich auch ganz prinzipiell von der Formzahl K t . Zwar werden beide unter Annahme von linearelastischem Materialverhalten berechnet, die Formzahl ist allerdings eine dimensionslose Größe, die nur von der Kerbgeometrie und der Belastungsart abhängt. Der Spannungsintensitätsfaktor hingegen ist direkt zur Belastungshöhe proportional und daher auch nicht dimensionslos. Die Anwendung des Spannungsintensitätsfaktors (K -Konzept) ist auf die linearelastische Bruchmechanik begrenzt. Darüber hinaus wird in der elastisch-plastischen Bruchmechanik

308

11 Bruchmechanische Grundlagen

S

2·a

S

S

a 2·a S

S

S Y=2/π

Y=1,1215

Y=1

Abb. 11.3: Beispiele für den Geometriefaktor Y

das J -Integral von Rice [241] als Beanspruchungsparameter an der Rissspitze verwendet. Weitere Ausführungen dazu sind in der eingangs des Abschnitts erwähnten Fachliteratur zu finden. Mit dem Spannungsintensitätsfaktor ist die Formulierung von Festigkeitskriterien für Risse möglich. Bei statischer Belastung kann ein Riss fortschreiten, wenn K I eine kritische Größe, die Bruchzähigkeit K Ic erreicht.

11.2 Stabiles Risswachstum bei zyklischer Beanspruchung Unter zeitlich veränderlichen Lasten kommt es bereits bei Beanspruchungen unterhalb der Bruchzähigkeit zum Risswachstum. Dieser Vorgang wird als Ermüdungsrisswachstum bezeichnet. Als Beanspruchungsparameter für Risse bei zyklischer Belastung wird der zyklische Spannungsintensitätsfaktor ΔK I verwendet, der als Schwingbreite zwischen Minimum und Maximum des Spannungsintensitätsfaktors während eines Lastzyklus definiert ist. ΔK I = K I,max − K I,min = (S max − S min ) ⋅



= ΔS ⋅ πa ⋅ Y √ = 2 ⋅ S a ⋅ πa ⋅ Y .



πa ⋅ Y

(11.7)

Der Rissfortschritt bei zyklischer Belastung mit konstanter Amplitude kann als Wachstumsrate der Risslänge pro Lastzyklus da / dN über der Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors aufgetragen werden, wie Abbildung 11.4 zeigt. Dabei entsteht der dargestellte charakteristische Verlauf mit den in Abschnitt 2.1.1 beschriebenen drei verschiedenen Phasen des Risswachstums. Während der Phase I kommt es zur Bildung von Mikrorissen. Dieser Vorgang wird in hohem Maße von der Mikrostruktur des Werkstoffs bestimmt. Auf das besondere Verhalten von Mikro-

11.2 Stabiles Risswachstum bei zyklischer Beanspruchung

309

dA/dN (log.)

Phase III

m

Phase II 1

Phase I

KI,max = KIc

ΔKI,th ΔK (log.)

Abb. 11.4: Phasen des Ermüdungsrisswachstums

rissen wird kurz in Abschnitt 11.3 eingegangen. Der Schwellwert des zyklischen Rissfortschritts ΔK I,th stellt die Grenzbeanspruchung dar, unterhalb der es nicht zum (Makro-)Risswachstum kommt. Damit lässt sich ΔK I,th als bruchmechanische Dauerfestigkeit interpretieren. Mit zunehmender Risslänge nimmt der Einfluss der Mikrostruktur auf die Rissbeanspruchung und damit das Risswachstumsverhalten ab. In Phase II wird schließlich die Beanspruchung des Risses maßgeblich vom elastischen Spannungsfeld beeinflusst und das stabile Risswachstum ist mit linearelastischer Bruchmechanik beschreibbar. Der Zusammenhang zwischen der Rissfortschrittsrate und dem zyklischen Spannungsintensitätsfaktor kann nach einer Hypothese von Paris [236] mit einem Potenzansatz der Form da m = C ⋅ (ΔK I ) dN

(11.8)

beschrieben werden. Die Konstanten C und m dieser Rissfortschrittsgleichung sind außer vom Werkstoff auch noch vom Spannungsverhältnis R abhängig. Typische Werte des Exponenten liegen in der Größenordnung m = 2 . . . 4. Neben der ursprünglichen Form der Gleichung (11.8) existieren zahlreiche Varianten, die auch die asymptotischen Verläufe in den Phasen I und III mit beschreiben (ausführlich beschrieben in [1]). In Phase III beschleunigt der Rissfortschritt bis zum Gewaltbruch des Bauteils, wenn die Bruchzähigkeit K Ic erreicht wird. Der jeweilige Anteil der Risswachstumsphasen an der Gesamtlebensdauer ist vom Werkstoff, der Bauteilgeometrie und der Belastungshöhe abhängig. Mit Gleichung (11.8) kann die Lebensdauer Nc eines Bauteils mit der Anfangsrissgröße a 0

310

11 Bruchmechanische Grundlagen

bis zu einer kritischen Rissgröße a c in Phase II berechnet werden. Sie folgt durch Integration über die Risslänge mit Nc

ac

Nc = ∫ dN = ∫ a0

0

1 da. C ⋅ ΔK Im

(11.9)

Durch Einsetzen von Gleichung (11.6) folgt die Beziehung ac

1 1 Nc = ∫ √ m da, C ⋅ ΔS m ( π ⋅ a ⋅ Y (a )) a

(11.10)

0

die im Allgemeinen numerisch integriert werden muss. Für den Sonderfall von sehr kleinen Rissen im Verhältnis zu den Bauteilabmessungen gilt Y ≈ konst. und Gleichung (11.10) kann für m ≠ 2 geschlossen integriert werden. Die ertragbaren Lastzyklen bis zur kritischen Rissgröße sind dann

(1−m /2)

Nc =

(1−m /2)

− a0 . m C ⋅ ΔS m ⋅ πm /2 ⋅ (1 − m 2 )⋅Y ac

(11.11)

Die integrierte Rissfortschrittsgleichung (11.10) entspricht von der Struktur her Gleichung (2.10). Sie beschreibt die Wöhlerlinie eines angerissenen Bauteils. Das wird durch Ausklammern der halben Schwingbreite, also der Spannungsamplitude, der Nennspannung deutlich:

⎡ ⎢

ac



⎥ −m 1 1 ⎥ √ ∫ m da ⎥ ⋅ S a . m ⎢ C ⋅ 2 a ( π ⋅ a ⋅ Y (a )) ⎥ ⎣ ⎦

Nc = ⎢ ⎢

(11.12)

0

Der Ausdruck in der eckigen Klammer entspricht der Konstante C aus Gleichung (2.10). Sie ist nicht identisch mit der Konstante C der Rissfortschrittsgleichung (11.10). Der Exponent der Wöhlerlinie des angerissenen Bauteils ist k = m. Er stimmt mit den Angaben zum Wöhlerlinienexponenten in Abschnitt 9.1 gut überein, welcher mit steigender Kerbschärfe kleiner wird und für angerissene bzw. sehr scharf gekerbte Bauteile mit k ≈ 3 im Bereich der Werte für m liegt. Weiterhin kann im Sinne der Dauerfestigkeit für ein angerissenes Bauteil die risslängenabhängige Spannungsamplitude S th angegeben werden, bei der es nicht zu weiterem Risswachstum kommt. Sie folgt aus Gleichung (11.6) durch Einsetzen des Schwellwertes ΔK I,th :

ΔK I,th S th = √ . 2 πa 0 ⋅ Y (a 0 )

(11.13)

Bei veränderlicher Schwingbreite der Beanspruchung kann die Rissfortschrittsrechnung sequentiell für jedes Schwingspiel erfolgen. Es lässt sich zeigen, dass dies identisch ist mit der linearen Schadensakkumulation nach Miner aus Abschnitt 9, wenn sie mit der Wöhlerlinie des angerissenen Bauteils aus Gleichung (11.12) durchgeführt wird [25]. Liegen einige Spannungsamplituden unterhalb der Dauerfestigkeit, für welche dann ΔK I < ΔK I,th ist, entspricht die schwingspielweise Integration der konsequenten Form der Miner-Regel. Aus dieser Betrachtung wird ersichtlich, dass der schwingspielweisen Integration der Rissfortschrittsgleichung

11.3 Verhalten kurzer Risse

311

dieselben problematischen Annahmen wie der Miner-Regel zu Grunde liegen. Der Einfluss der Belastungsreihenfolge auf den Rissfortschritt wird nicht berücksichtigt. Bei Änderungen der Spannungsamplituden und Mittelspannungen kommt es auch zum veränderten Rissfortschrittsverhalten. So führt der Wechsel hin zu geringeren Beanspruchungen zu einer stärkeren Verzögerung und zu höheren Beanspruchungen zu einer stärkeren Beschleunigung des Rissfortschritts, als von der Rissfortschrittsgleichung berechnet wird. Die vorangegangenen Gleichungen gelten nur für Phase II des stabilen Risswachstums. Meist ist jedoch der Anteil von Phase III an der Gesamtlebensdauer vernachlässigbar klein.

11.3 Verhalten kurzer Risse Kurze Risse, auch als Mikrorisse bezeichnet, sind auch unterhalb des Schwellwertes des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors ΔK I,th für lange Risse wachstumsfähig. Bei ihnen sind die Annahmen der linearelastischen Bruchmechanik verletzt. Kurze Risse können in zwei Arten eingeteilt werden [74]: • mikrostrukturell kurze Risse • mechanisch kurze Risse. Mikrostrukturell kurze Risse haben Risslängen in der gleichen Größenordnung wie charakteristische Abmessungen der Mikrostruktur. Die Annahme eines homogenen Werkstoffs, auf der die kontinuumsmechanisch begründete Bruchmechanik aufbaut, ist in diesen Größenordnungen nicht mehr gegeben. Hier treten Mikrostruktureffekte (Korngrenzen, Gefügeeinschlüsse, Poren etc.) in den Vordergrund. Sie können das Risswachstum beschleunigen oder auch behindern. Das Risswachstum wird daher maßgeblich von der Mikrostruktur beeinflusst. Es verzögert sich bei der Annäherung an mikrostrukturelle Hindernisse und kann an diesen auch stehen bleiben. Auf das Wachstum von Makrorissen haben diese Hindernisse keinen Einfluss. Mit mechanisch kurzen Rissen werden Risse in der Größenordnung der plastischen Zone an der Rissspitze bezeichnet. Die Grundannahme der linearelastischen Bruchmechanik, einer im Vergleich zum Riss kleinen plastischen Zone, ist nicht mehr erfüllt. Dadurch werden die Beanspruchungen an der Rissspitze auch nicht mehr durch das elastische Rissspitzennahfeld dominiert. Im Vergleich zu Makrorissen wachsen Mikrorisse schneller und dies bereits bei niedrigeren Belastungen [223, 118]. Mikrorisse bilden sich bereits in Größenordnungen unterhalb der Kristallgrenze des jeweiligen Werkstoffs. Während in Einkristallen die Initiierungsphase für Mikrorisse viele Lastzyklen umfassen kann, bilden sie sich in Werkstoffen inhomogener Mikrostruktur bereits deutlich schneller [224]. Sie können auch dann wachsen, wenn die Nenn-Beanspruchung unterhalb des Schwellwertes für Makrorisse liegt. Das Makrorissver-

312

11 Bruchmechanische Grundlagen

Rissfortschritt da/dN (log.)

mikrostrukturelles Hindernis

ΔS > ΔSD ΔS = ΔSD ΔS < ΔSD Mikroriss

Makroriss

a0

Risslänge a (log.)

Abb. 11.5: Rissfortschritt von Mikro- und Makrorissen bei zyklischer Beanspruchung (schematisch), nach [195]

halten wird hauptsächlich durch das den Riss umgebende Beanspruchungsfeld und nicht durch die Mikrostruktur bestimmt. Die Abgrenzung zwischen beiden Rissarten ist demnach mikrostrukturell begründet. Dies wird anhand von Abbildung 11.5 verdeutlicht. Die Risslänge a 0 markiert den Übergang vom Mikro- zum Makroriss und wird als charakteristische mikrostrukturelle Größe angesehen. Bei zyklischen Beanspruchungen unterhalb der Dauerfestigkeit des Materials können zwar Mikrorisse gebildet werden und auf eine gewisse Größe anwachsen, allerdings bleiben diese an mikrostrukturellen Hindernissen stehen. Die Dauerfestigkeit des Materials ist die Beanspruchungsgrenze für das Anwachsen von Mikrorissen zu einem wachstumsfähigen Makroriss. Liegt die zyklische Beanspruchung oberhalb der Dauerfestigkeit, wird das Mikrorisswachstum lediglich an mikrostrukturellen Hindernissen verzögert, bevor es in stabiles Makrorisswachstum übergeht. Die Risslänge a 0 ist ein materialabhängiger Parameter. Sie entspricht nach El Haddad, Smith und Topper [129] der Länge eines Risses, der unter Beanspruchung auf Höhe der Dauerfestigkeit gerade noch nicht wachstumsfähig ist. Am Beispiel eines Außenrisses in einer halbunendlichen Scheibe unter Zug (Geometriefunktion Y = 1,1215, Abbildung 11.3) folgt a 0 aus Gleichung (11.7) mit ΔS = ΔS D und ΔK I = ΔK I,th zu a0 =

1 ΔK I,th 2 ( ) . π ΔS D

(11.14)

In Abbildung 11.6 nach Kitagawa und Takahashi [190] wird die Bedeutung von a 0 verdeutlicht. Es wird der Einfluss der Risslänge a auf die Grenzbeanspruchung ΔS th dargestellt, bei der es

Spannungsschwingbreite ΔS (log.)

11.3 Verhalten kurzer Risse

313

ΔSth =

ΔKI,th

ሺπ·a) ·Y

ΔSD

ΔSth =

ΔKI,th (π·(a+a0) ·Y

Rissstillstand

Mikrorisse

Makrorisse a0

Risslänge a (log.)

Abb. 11.6: Kitagawa-Diagramm (schematisch)

nicht zum Risswachstum kommt, da ΔK I = ΔK I,th ist. Nach der linearelastischen Bruchmechanik (LEBM) geht die ertragbare Spannung ΔS th für a → 0 gegen unendlich (gestrichelter Verlauf). Sie ist jedoch nach oben durch die Dauerfestigkeit des Materials begrenzt. Experimentelle Daten zeigen einen asymptotischen Übergang in Richtung der Dauerfestigkeit, wie es in Abbildung 11.6 dargestellt ist [277]. Zur analytischen Beschreibung schlagen El Haddad et al. eine Risslängenkorrektur auf a + a 0 für die Berechnung des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors vor: ΔK I,th = ΔS th



π (a + a 0 ).

(11.15)

Der Abfall der dauerfest ertragbaren Spannung mit steigender Risslänge kann damit durch

√ ΔS th = ΔS D

a0 a + a0

(11.16)

angegeben werden. Geht die Risslänge a gegen null, konvergiert die Grenzbeanspruchung ΔS th gegen die Dauerfestigkeit des Materials. Dies bestätigt die Interpretation der Dauerfestigkeit als Grenzwert für das weitere Anwachsen von Mikrorissen [225], wie bereits in Abbildung 11.5 gezeigt. Gleichzeitig markiert a 0 die Grenze zwischen dem klassischen spannungsbasierten Festigkeitskonzept der Dauerfestigkeit und dem Bruchmechanikkonzept.

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts 12.1 Einleitung und Aufbau Das Kerbgrundkonzept basiert auf dem Ermüdungsverhalten des Werkstoffs und verwendet nur Kennwerte aus einachsig beanspruchten Werkstoffproben, ohne dass Bauteilversuche notwendig sind. Für den Nachweis wird der elastisch-plastische Verlauf der Spannungen und Dehnungen am Nachweispunkt des nachzuweisenden Bauteils ermittelt und den ertragbaren Spannungen und Dehnungen des Werkstoffs gegenübergestellt. Dieser Beanspruchungsverlauf wird anhand einer konkreten Last-Zeit-Folge und des zyklischen Materialverformungsverhaltens berechnet. Die Kenntnis eines Lastkollektivs wie bei den spannungsbasierten Konzepten ist daher nicht ausreichend. Die grundlegende Annahme des Konzepts besagt, dass die Schädigungen in einem gekerbten Bauteil und einer ungekerbten Werkstoffprobe vergleichbar sind, wenn der SpannungsDehnungs-Verlauf übereinstimmt. Diese Annahme bedingt, dass mit dem Kerbgrundkonzept nur die Lebensdauer bis zum Anriss beschrieben werden kann. Die Phase des zyklischen Risswachstums verläuft in gekerbten Bauteilen und glatten Werkstoffproben verschieden. Praktisch wird meist der technische Anriss als Versagenskriterium definiert, welcher mit einfachen Mitteln messtechnisch erkennbar ist. Das Kerbgrundkonzept kann für geschweißte und nicht geschweißte Bauteile gleichermaßen angewendet werden. Besondere Berechtigung hat das Konzept insbesondere bei hohen Beanspruchungen mit geringen Lebensdauern (Kurzzeitfestigkeitsbereich). Dort enthalten die Dehnungsamplituden einen großen plastischen Anteil, welcher für die Lebensdauer bestimmend ist. Die Anwendung ist jedoch nicht darauf beschränkt, sondern bis in den Langzeitund Dauerfestigkeitsbereich möglich. Für die elastisch-plastischen Beanspruchungen ist auch die Bezeichnung örtliche Beanspruchungen üblich. Das Kerbgrundkonzept wird daher auch als Örtliches Konzept bezeichnet. Hierbei sind Verwechslungen mit den örtlichen Spannungen in der FKM-Richtlinie zu vermeiden, die rein elastisch berechnet werden. Seit 2019 existiert die FKM-Richtlinie (nichtlinear) in der ersten Auflage [91]. Sie ermöglicht den rechnerischen Festigkeitsnachweis unter Berücksichtigung des nichtlinearen (elastisch-plastischen) Werkstoffverformungsverhaltens im Sinne des Kerbgrundkonzepts. Eine kurze Einführung in die Richtlinie bietet Abschnitt

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8_12

315

316

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

12.6. Für eine ausführlichere Behandlung des Kerbgrundkonzepts im Allgemeinen werden die entsprechenden Kapitel in folgenden Büchern empfohlen: [10, 25, 54, 70]. Die Lebensdauerabschätzung nach dem Kerbgrundkonzept erfolgt auf den in Abbildung 12.1 dargestellten Eingabegrößen und Berechnungsschritten, die in den nachfolgenden Abschnitten noch ausführlicher beschrieben werden.

12.2 Kerbgrundbeanspruchung Zyklisches Spannungs-Dehnungs-Verhalten (ZSD-Kurve) Bereits in Abschnitt 2.2.3 wurde die ZSD-Kurve zur Beschreibung des Werkstoffverformungsverhaltens bei zyklischer Beanspruchung eingeführt. Im Kerbgrundkonzept ist die näherungsweise Beschreibung mit dem Potenzansatz nach Ramberg-Osgood durch Gleichung (2.7) üblich1 :



σa σa 1/n +( ′) . E K Die Gleichung beschreibt die Verbindungslinie vom Umkehrpunkten stabilisierter, mittelspanεa,t = εa,el + εa,pl =

nungs- und mitteldehnungsfreier σ − ε-Hysteresen, siehe Abbildung (12.3). Berechnung der Kerbgrundbeanspruchung, Neuber-Regel Wenn das Werkstoffgesetz (ZSD-Kurve) für das zu untersuchende Bauteil bekannt ist, lassen sich die Kerbgrundbeanspruchungen beispielsweise mit Hilfe von elastisch-plastischen FEAnalysen ermitteln. Eine solche Berechnung müsste sequentiell, also von Lastumkehrpunkt zu Lastumkehrpunkt, erfolgen. Der dabei entstehende Rechenaufwand ist beachtlich, da Last-Zeitfolgen mit mehreren Millionen Lastzyklen nicht unüblich sind. Es existieren zahlreiche Näherungsansätze zur Abschätzung der elastisch-plastischen Kerbgrundbeanspruchung. Eine bekannte und relativ einfache Näherung stammt von Neuber [206]. Die Neuber-Regel wurde bereits in Abschnitt 7.3 zur Berechnung der plastischen Stützzahl verwendet. Für den Fall, dass die Nennspannungen im elastischen Bereich liegen, kann die Neuber-Regel in der einfachen Form σel ⋅ εel = σ ⋅ ε

(12.1)

angewendet werden. Sie bedeutet, dass das Produkt aus rein elastisch berechneter Spannung und Dehnung im Kerbgrund dem Produkt der örtlichen Spannung und Dehnung, also der elastisch-plastisch berechneten Beanspruchung, entspricht. Gleichung (12.1) beschreibt eine Hyperbel im σ-ε-Diagramm, auf deren Schnittpunkt mit der Hookeschen Geraden die elastischen Beanspruchungen und auf dem Schnittpunkt mit dem Werkstoffgesetz die 1

Im Prinzip sind auch andere Ansätze für die ZSD-Kurve möglich. Der Einfluss auf die mit dem Kerbgrundkonzept berechnete Lebensdauer ist allerdings sehr gering.

12.2 Kerbgrundbeanspruchung

317

Eingangsdaten

Berechnungsmodule Kerbgrundbeanspruchung

F σ

σel linear-elastisch berechnete Kerbspannung σel

σel

σa

F ZSD-Kurve σ

εel

ε

ε

εa

Örtlicher Spannungs-Dehnungs-Verlauf σ

Last-Zeit-Folge F

ε

Pi t

εa (log.)

P (log.)

Dehnungswöhlerlinie

Schädigungsbewertung

Pi Ni

N (log.)

N (log.) lineare Schadensakkumulation rechnerisches Bauteilversagen (Anriss), wenn ෍ Di ൌ i

i

ͳ ൌ1 Ni ሺPi ሻ

Abb. 12.1: Schematischer Berechnungsablauf des Kerbgrundkonzepts

318

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

σel = E· εel

Spannung

σel

Neuber-Hyperbel σel·εel = σ · ε

σ

Werkstoffgesetz σ σ 1Τn′ εൌ ൅

E

εel

K′

ε Dehnung

Abb. 12.2: Anwendung der Näherungsformel nach Neuber

örtlichen Beanspruchungen liegen. Abbildung 12.2 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Zur Berechnung der örtlichen Beanspruchungen aus der Kerbspannung σel wird die Gleichung der ZSD-Kurve in Gleichung (12.1) eingesetzt: σ2el E



=

σ2 σ1+1/n + 1/n ′ . E K

(12.2)

Die Lösung von (12.2) muss iterativ erfolgen. Gleichung (12.1) ist für scharfe Kerben unter Schubbeanspruchung hergeleitet worden. Vielfältige Untersuchungen z. B. in [102] haben gezeigt, dass die Neuber-Regel, bei tendenziell leichter Überschätzung der plastischen Dehnungen, in guter Näherung auch über dieses Ableitungsbeispiel hinaus angewendet werden kann. Das gilt allerdings nur, solange der Bauteilquerschnitt nicht vollständig plastifiziert ist. Für diese Fälle haben Seeger und Beste [250] eine Erweiterung der Neuber-Regel entwickelt. Darüber hinaus existieren noch etliche weitere Näherungsformeln, wie z. B. [244, 102, 152], was der Popularität der einfachen Neuber-Regel jedoch nicht geschadet hat. Werkstoffverhalten bei zyklischer Belastung Mit der Neuber-Regel werden die örtlichen Beanspruchungen unter monotoner Belastung berechnet. Zur Ermittlung des örtlichen Spannungs-Dehnungs-Verlaufs bei variabler Belastung werden noch zwei weitere Ansätze benötigt.

12.3 Schädigungsbewertung und Lebensdauerabschätzung

ZSD-Kurve

319

σ

geschlossene Hysteresen

ε

Abb. 12.3: Zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve und stabilisierte Hysteresen

1. Masing-Verhalten: Die Hystereseäste werden, wie in Abbildung 12.3 gezeigt, durch die in Spannungen und Dehnungen verdoppelte ZSD-Kurve nach Gleichung (2.8) beschrieben. 2. Memory-Verhalten: Die drei Arten des Werkstoffgedächtnisses beschreiben den Verlauf des σ-ε-Pfades nach dem Schließen von Hysteresen. Beide Arten des zyklischen Werkstoffverhaltens lassen sich auch messtechnisch nachweisen. Eine ausführliche Beschreibung des Masing- und Memoryverhaltens ist in Abschnitt 5.2.2 zur Rainflow-Zählung zu finden.

12.3 Schädigungsbewertung und Lebensdauerabschätzung Als relevante Ereignisse im Sinne der Schädigung werden geschlossene Hysteresen im σ-εPfad bewertet. Dafür werden die Dehnungswöhlerlinie und ein Schadensparameter benötigt.

Dehnungswöhlerlinie (DWL) Die Dehnungswöhlerlinie gibt den Zusammenhang zwischen zyklisch stabilisierter Dehnungsamplitude und der Anrisslastzyklenzahl an. Sie wird an glatten Werkstoffproben in dehnungsgeregelten Versuchen und unter rein wechselnder Beanspruchung ermittelt. Üblich ist die mathematische Beschreibung nach Manson, Coffin und Morrow [215, 120, 229] mit

Dehnungsamplituden εa (log.)

320

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

εf' c 1 εa,t = εa,el + εa,pl

σf' E

b 1

εa,Hl εa,pl

0,5

NT

ND

Lastzyklen N (log.)

Abb. 12.4: Dehnungswöhlerlinie

einem Potenzansatz für die elastischen und plastischen Dehnungsanteile: εa,t = εa,el + εa,pl =

σ′f E

(2N ) + ε′f (2N ) b

c

(N ≤ ND )

Bei doppeltlogarithmischer Auftragung (Abbildung 12.4) entsprechen die Exponenten b und c den Anstiegen der Dehnungswöhlerlinien für den elastischen und plastischen Anteil. Der Schnittpunkt NT (transition life) verschiebt sich mit zunehmender statischer Festigkeit und abnehmender Duktilität hin zu kleineren Lastzyklenzahlen.

Zusammenhänge zwischen DWL und ZSD-Kurve Sowohl bei der ZSD-Kurve als auch bei der DWL ist die Gesamtdehnungsamplitude additiv in einen elastischen und einen plastischen Anteil unterteilt. Kompatibilität zwischen beiden Gleichungen bedeutet, dass jeweils die elastischen und plastischen Dehnungsanteile übereinstimmen. Dafür müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: n′ =

b c

und

K′ =

σ′f

n′

(ε′f )

.

(12.3)

Dies verdeutlicht Abbildung 12.5, wo aus Gründen der Darstellung die ZSD-Kurve um 90° gedreht ist. Bei getrennter statistischer Auswertung von dehnungsgeregelten Wöhlerversuchen zum einen für die ZSD-Kurve und zum anderen für die DWL sind die Kompatibilitätsbedingungen i. A. nicht erfüllt bzw. müssen, wie z. B. in [146] gezeigt, durch eine nichtlineare Optimierung unter Vorgabe von (12.3) erreicht werden.

12.3 Schädigungsbewertung und Lebensdauerabschätzung

321

Dehnungswöhlerlinie Dehnungsamplitude εa (log.)

εa,pl,ZSD = εa,pl,DWL

Dehnungsamplitude εa (log.)

ZSD-Kurve

εa,el,ZSD = εa,el,DWL

Spannungsamplitude σa (log.)

Lastzyklen N (log.)

Abb. 12.5: Zusammenhang zwischen ZSD-Kurve und Dehnungswöhlerlinie, nach [25]

Aus den elastischen Anteilen beider Gleichungen lässt sich die Spannungs-Wöhlerlinie des Werkstoffs für das Ausfallkriterium Anriss ableiten: −1/b

N=

(σ′f )

2

1/b

⋅ (σa )

.

(12.4)

Die Gleichung entspricht in ihrer Struktur der Wöhlerliniengleichung nach Basquin aus Gleichung (2.10). Wie in Abschnitt 12.5 gezeigt, kann für Stahl näherungsweise b = −0,087 angenommen werden. Das entspricht einem Wöherlinienexponenten von k = 11,5, was typischen Werten für ungekerbte Werkstoffproben aus Stahl entspricht.

Schadensparameter Die DWL gilt für mitteldehnungsfreie Hysteresen. Bei variabler Belastung entstehen aber i. A. mitteldehnungs- und mittelspannungsbehaftete Hysteresen. Um dies zu berücksichtigen, werden beim Kerbgrundkonzept Schadensparameter P verwendet, für die es in der Literatur zahlreiche Vorschläge gibt. Am gebräuchlichsten ist der Schadensparameter P SWT nach Smith, Watson und Topper [258]: P SWT =

√ (σa + σm ) ⋅ εa,t ⋅ E .

(12.5)

Mit dem Schadensparameter erfolgt eine Umbewertung mittelspannungsbehafteter Hysteresen in schädigungsgleiche mittelspannungsfreie Hysteresen. Dieses Vorgehen entspricht der Bildung mittelspannungsfreier Ersatzamplituden mit dem Haigh-Diagramm bei den spannungsbasierten Konzepten. Der Schadensparameter ist eine Funktion P SWT = f (σ,ε). Wird die ZSD-Kurve mit σ = f (ε) und die DWL mit ε = f (N ) in Gleichung 12.5 eingesetzt, so lässt sich eine Wöhlerlinie des

322

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

Schadensparameters, auch als P -Wöhlerlinie bezeichnet, bestimmen: P SWT (N ) =



σ′f2 ⋅ (2N )2b + σ′f ⋅ ε′f ⋅ E ⋅ (2N )b +c .

(12.6)

Voraussetzung für die Anwendung dieser Gleichung ist aber, dass die Kompatibilitätsbedingungen (12.3) zwischen ZSD-Kurve und DWL gelten. Weil dies häufig nicht der Fall ist, werden in den Programmen zur Lebensdauerberechnung nach dem Kerbgrundkonzept die P -Wöhlerlinien oftmals punktweise berechnet, sinnfällig mit den Klassenmitten der RainflowMatrix übereinstimmend. Es lässt sich zeigen, dass mit P SWT insbesondere bei höherfesten Werkstoffen der Einfluss von Mittelspannungen unterschätzt wird [25]. Bergmann [112] schlug als Korrektur vor, die Mittelspannung in der Berechnung von P SWT mit einem Parameter zu skalieren. Dieser Ansatz ist in der FKM-Richtlinie (nichtlinear) in Form des Schadensparameters P RAM weiterentwickelt worden, so dass der Schadensparameter explizit von der Mittelspannungsempfindlichkeit M des Materials abhängt. Darüber hinaus existieren Schadensparameter, die neben dem Mittelspannungseinfluss auch Reihenfolgeeinflüsse der Belastung berücksichtigen. Diese basieren auf dem Rissöffnungsund Rissschließverhalten kurzer Risse in elastisch-plastisch beanspruchten Werkstoffen. Dazu gehören die Parameter nach Haibach und Lehrke P HL [158], Heitmann P ZD [172] und Vormwald P J [288]. Letzterer kann ebenfalls in der FKM-Richtlinie (nichtlinear) verwendet werden. Weitergehende Ausführungen zu den verschiedenen Schadensparametern sind in der Literatur, z. B. in [54, 25] zu finden.

Schadensakkumulation Auch beim Örtlichen Konzept wird die lineare Schadensakkumulation angewendet. Die Schadensakkumulationsrechnung erfolgt nach der Miner-Regel gegenüber der P -Wöhlerlinie. Diese hat die Dimension der Spannung und ist damit prinzipiell mit der Bauteilwöhlerlinie bei den spannungsbasierten Konzepten vergleichbar. Für jede geschlossene Hysterese i wird der Schadensparameter P i berechnet und die sich daraus ergebende Teilschädigung aus der zugehörigen Anrisslastzyklenzahl N der P -Wöhlerlinie ermittelt: Di =

1 . Ni (P i )

(12.7)

Für P SWT wird Ni aus Gleichung (12.6) berechnet. Die Teilschädigungen werden linear nach Miner summiert, bis bei

∑ Di = 1

(12.8)

i

der Anriss im Bauteil (rechnerisch) eintritt. Wird die Dehnungswöhlerlinie in Gleichung 12.4 ohne die Beschränkung N > ND für die Schadensparameter-Wöhlerlinie verwendet, können

12.4 Berücksichtigung weiterer Bauteileinflüsse

323

bei der Schadensakkumulation auch Beanspruchungen unterhalb der ursprünglichen Dauerfestigkeit verwendet werden. Alternativ kann die P -Wöhlerlinie anstelle der geschlossenen Form in (12.6) auch mit einem einfachen Potenzansatz wie eine Spannungswöhlerlinie angenähert werden. Damit ist es möglich, die verschiedenen Modifikationen der Miner-Regel für die Schadensakkumulation anzuwenden (siehe Abschnitt 9.3).

Relative Miner-Regel Die Schädigungsrechnung mit der linearen Schadensakkumulationshypothese führt wie auch schon bei den spannungsbasierten Konzepten auf das Problem der Übertragbarkeit des Schwingfestigkeitsverhaltens unter einstufiger Beanspruchung auf regellose Beanspruchung. In analoger Weise kann auch hier die berechnete Lebensdauer mit der relativen Miner-Regel korrigiert werden. Dazu wird, wie in Abschnitt 9.5 beschrieben, die reale Schädigungssumme D Bezug eines ähnlichen Bauteils unter ähnlicher Belastung und identischem Berechnungsablauf D Bezug =

NBezug NRechnung

(12.9)

als Korrekturfaktor für die Lebensdauer eines neuen Bauteils verwendet: NRM = D Bezug ⋅ NRechnung,neu .

(12.10)

Nach [134] sind die durchschnittlichen mittleren Schädigungssummen unter Anwendung von P SWT für Stahl D m ≈ 1,4.

12.4 Berücksichtigung weiterer Bauteileinflüsse Wie auch beim spannungsbasierten Festigkeitsnachweis nach FKM-Richtlinie wird auch im Kerbgrundkonzept die Bauteilfestigkeit aus Kennwerten abgeschätzt, die an Werkstoffproben ermittelt wurden. Deshalb gibt es auch hier das Problem der Übertragbarkeit des Ermüdungsverhaltens von der glatten Werkstoffprobe auf das Bauteil. Einige Ansätze zur Berücksichtigung der wichtigsten Einflüsse werden nachfolgend kurz genannt.

Einfluss der Bauteilgröße Der technologische Größeneinfluss berücksichtigt den Einfluss der Größe des verwendeten Halbzeuges auf die Festigkeit des Bauteils. Wenn die Werkstoffproben, an denen die zyklischen Materialkennwerte der ZSD-Kurve und der DWL ermittelt wurden, aus dem kritischen Bereich des Bauteils stammen, ist dieser Einfluss bereits in den Kennwerten enthalten. Ansonsten kann der Einfluss z. B. mit dem technologischen Größenfaktor K d,m , siehe Abschnitt 3.2, als Faktor auf die P-Wöhlerlinie erfasst werden.

324

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

Stützwirkung Die Stützwirkung an Kerben lässt sich mit der werkstoffmechanischen Stützzahl aus der FKM-Richtlinie, siehe Abschnitt 8.4.5, berücksichtigen. Da beim Kerbgrundkonzept die verformungsmechanische Stützwirkung bereits durch die Anwendung der Neuber-Regel implizit erfasst ist, sind nur die Beiträge der statistischen und der bruchmechanischen Stützzahlen aus Gleichung (8.46) zu berücksichtigen: n = n st ⋅ n bm .

(12.11)

Bei der Anwendung anderer Stützwirkungskonzepte ist unbedingt zu prüfen, ob diese bereits den Einfluss plastischer Verformungen, also den werkstoffmechanischen Anteil der Stützzahl, beinhalten. Das ist der Fall bei empirischen Konzepten, die direkt aus Versuchsergebnissen abgeleitet wurden, wie solche, die auf dem Spannungsgradienten oder dem höchstbeanspruchten Werkstoffvolumen basieren. Diese Stützzahlen müssen dann noch durch die werkstoffmechanische Stützzahl dividiert werden.

Oberflächenrauigkeit Wie beim technologischen Größeneinfluss ist auch der Einfluss der Oberflächenrauigkeit bereits implizit erfasst, wenn die den Werkstoffkennwerten zugrundeliegenden Werkstoffproben dieselbe Rauigkeit wie das zu bewertende Bauteil besitzen. Ist dies nicht der Fall, besteht ein pragmatischer Ansatz darin, den Rauheitsfaktor K R,σ aus der FKM-Richtlinie (siehe Abschnitt 3.4) als Abminderungsfaktor mit der P -Wöhlerlinie zu multiplizieren. Bei bruchmechanisch orientierten Schadensparametern wie P J kann alternativ eine am Bauteil vorhandene Rauigkeit auch als Vergrößerung der Anfangsrisslänge interpretiert werden.

Berücksichtigung von Eigenspannungen Meist sind die im Fertigungsprozess mit Eigenspannungen beaufschlagten Randschichten sehr dünn gegenüber den Abmessungen des gesamten Bauteils. Der aus Gleichgewichtsgründen im Bauteil zu berücksichtigende Einfluss der Randschicht auf den Spannungszustand im Grundwerkstoff kann also vernachlässigt werden. Für diese Fälle kann das Modell Dünne Randschicht von Seeger und Heuler [251] angewendet werden. Weil die Randschicht als sehr dünn gegenüber dem Grundwerkstoff gilt, wird der Randschicht der Dehnungsverlauf aufgezwungen, der vom Grundwerkstoff in Folge der äußeren Last vorgegeben ist. Mit den Eigenspannungen und Eigendehnungen ergibt sich in der Randschicht ein entsprechend verschobener σ-ε-Pfad. Die Schädigungsbewertung erfolgt sowohl für den örtlichen Beanspruchungsablauf der Randschicht als auch für den des Grundwerkstoffs. Je nachdem, wo zuerst die Schädigungssumme D = 1 erreicht wird, wird der Anriss des Bauteils berechnet.

12.5 Abschätzung der zyklischen Materialparameter

325

12.5 Abschätzung der zyklischen Materialparameter Das Uniform Material Law von Bäumel und Seeger [106] ermöglicht die Abschätzung von ZSD-Kurven und Dehnungswöhlerlinien für Stahl, Aluminium- und Titanlegierungen allein auf Grundlage der Zugfestigkeit R m . Die Korrelationen wurden aus einer umfangreichen Datensammlung von 290 Versuchsreihen mit 2530 Einzelversuchen abgeleitet. Daneben gibt es noch weitere, teilweise speziellere Ansätze wie [170, 289, 285].

12.6 FKM-Richtlinie (nichtlinear) Die FKM-Richtlinie (nichtlinear) [91] ist im Rahmen des AiF-Vorhabens No. 17612 entwickelt worden. Sie beschreibt den rechnerischen Festigkeitsnachweis unter Erfassung des elastisch-plastischen Werkstoffverformungsverhaltens nach dem Kerbgrundkonzept. Wie die FKM-Richtlinie (linear)2 gliedert auch sie sich in den statischen Festigkeitsnachweis und den Ermüdungsfestigkeitsnachweis. Nachfolgend werden lediglich die Grundzüge und wesentlichen Unterschiede zur FKM-Richtlinie (linear) aufgeführt.

Statischer Festigkeitsnachweis Für den statischen Festigkeitsnachweis sind nichtlineare, elastisch-plastische FE-Analysen erforderlich, mit denen die örtliche Beanspruchung unter Verwendung der wahren SpannungsDehnungs-Kurve3 des Werkstoffs ermittelt wird. Die entscheidenden Beanspruchungsparameter sind die plastische Vergleichsdehnung εpl,V und der Spannungsmehrachsigkeitsgrad h, wie er bereits in der FKM-Richtlinie (linear) und in Gleichung (7.4) definiert ist. Die Beanspruchbarkeit ist in Form einer Versagensgrenzkurve gegeben, welche die ertragbare plastische Vergleichsdehnung in Abhängigkeit vom Mehrachsigkeitsgrad der Spannungen h angibt: εertr = f (h )

(12.12)

Die Versagensgrenzkurve wird aus den Kennwerten Gleichmaßdehnung, Bruchdehnung und Brucheinschnürung abgeschätzt. Für den Nachweis wird die Bauteilbelastung schrittweise 2

Damit ist nachfolgend die FKM-Richtlinie für den (spannungsbasierten) rechnerischen Festigkeitsnachweis [95] gemeint. Der Zusatz (linear) wird hier nur zur besseren Unterscheidung zur FKM-Richtlinie (nichtlinear)

verwendet. 3 Im Unterschied zur technischen Spannungs-Dehnungs-Kurve werden die Spannungen und Dehnungen der wahren Spannungs-Dehnungs-Kurve auf den momentanen Querschnitt bzw. die momentane Länge, anstelle deren Ausgangswerte bezogen.

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

plastische Vergleichsdehnung εpl,V

326

Versagensgrenzkurve εertr(h)

Mit FE simulierte Lastinkremente an den Stellen 1 und 2

Bauteilversagen Stelle 1

Stelle 2 Spannungsmehrachsigkeitsgrad h

Abb. 12.6: Versagensbewertung in Abhängigkeit von der plastischen Vergleichsdehnung und dem Spannungsmehrachsigkeitsgrad (schematisch)

gesteigert und die Beanspruchung an den versagenskritischen Punkten anhand der Versagensgrenzkurve bewertet. Der Festigkeitsnachweis ist erbracht, wenn die Beanspruchung εpl,V (h ) an jeder nachzuweisenden Stelle unterhalb der Versagensgrenzkurve liegt. Abbildung 12.6 verdeutlicht das für zwei untersuchte Stellen eines Bauteils. Der Festigkeitsnachweis ist in diesem Beispiel nicht erbracht, da die Beanspruchung an Stelle 2 die Versagensgrenzkurve schneidet. Weitere Besonderheiten stellen die Berücksichtigung des technologischen Größeneinflusses und der Material-Sicherheitsfaktoren dar. Die Spannungs-Dehnungs-Kurve wird oberhalb der Streckgrenze in Spannungsrichtung mit dem Faktor K d / j F skaliert. Hier entspricht K d dem technologischen Größeneinflussfaktor aus der FKM-Richtlinie (linear) und j F dem Materialsicherheitsfaktor j F . Der Sicherheitsfaktor für die Last wird hingegen mit der Belastung multipliziert. Das bedeutet, der Materialsicherheitsfaktor und der technologische Größeneinflussfaktor mindern die Fließkurve in Spannungsrichtung ab, während der Lastsicherheitsfaktor die äußere Belastung erhöht. Zur Berechnung der Versagenslast F Bruch wird die tatsächliche Belastung F 0 in der FE-Analyse soweit gesteigert, bis bei der Belastung F Bruch die Versagensbedingung εpl,V = εertr (h ) erfüllt ist. Der Auslastungsgrad für die statische Festigkeit folgt dann aus a SK =

F0 . F Bruch

(12.13)

12.6 FKM-Richtlinie (nichtlinear)

327

Der statische Festigkeitsnachweis mit der FKM-Richtlinie (nichtlinear) ermöglicht eine realistischere und teils deutlich weniger konservative Abschätzung der statischen Festigkeit eines Bauteils als bisher mit der FKM-Richtlinie (linear). Das geht mit einem erhöhten Berechnungsaufwand einher. Ermüdungsfestigkeitsnachweis

Voraussetzung für den Ermüdungsfestigkeitsnachweis ist ein erfolgreicher statischer Festigkeitsnachweis, welcher nach beiden FKM-Richtlinien erfolgen kann, linear oder nichtlinear. Die Bauteilbeanspruchung wird zunächst rein elastisch (z. B. mittels der FEM) ermittelt. Daraus können die örtlichen Spannungen und Dehnungen mit der einfachen Neuber-Regel nach Gleichung (12.1) oder bei plastischen Dehnungen im gesamten Bauteilquerschnitt mit dem erweiterten Ansatz nach Seeger und Beste [250] berechnet werden. Der örtliche σ-ε-Pfad wird anschließend aus der klassierten Lastfolge mit dem Rainflow-Zählverfahren (HCM-Algorithmus nach Clormann [119]) ermittelt. Für die Schädigungsbewertung gibt es zwei Möglichkeiten: den an P SWT angelehnten Schadensparameter P RAM oder den Schadensparameter P RAJ . Letzterer ist eine Weiterentwicklung von P J nach Vormwald [288] und berücksichtigt die Reihenfolgeeinflüsse infolge von Rissschließeffekten. P RAJ ist deutlich aufwändiger zu berechnen als P RAM . Der materialabhängige Mittelspannungseinfluss bei P RAM wird durch Skalierung der Mittelspannungen mit dem Parameter k berücksichtigt, welcher sich direkt aus der Mittelspannungsempfindlichkeit des Materials berechnen lässt: P RAM =

√ (σa + k ⋅ σm ) ⋅ εa ⋅ E

(12.14)

Die zur Schädigungsrechnung benötigte P -Wöhlerlinie ist abschnittsweise durch zwei Potenzfunktionen beschrieben, die bei N = 103 ineinander übergehen, siehe Abbildung 12.7. Sie beinhaltet die Stützzahl nach Gleichung (8.46) (ohne den verformungsmechanischen Anteil) und den Faktor zur Berücksichtigung der Oberflächenrauigkeit. Die lineare Schadensakkumulation erfolgt nach Miner-Elementar, also ohne Berücksichtigung der Dauerfestigkeit. Nicht geschlossene Hysteresen werden als halbe Schwingspiele gewertet. Eine Korrektur der berechneten Lebensdauer im Sinne der relativen Miner-Regel findet nicht mehr statt. Im Unterschied zur FKM-Richtlinie (linear) erfolgt der Betriebsfestigkeitsnachweis in Lebensdauerrichtung und nicht in Spannungsrichtung. Der Nachweis ist erbracht, wenn die ertragbare Lastzyklenzahl größer als die geforderte ist. Ein Auslastungsgrad wird nicht berechnet. Daher wird der Sicherheitsfaktor für die Streuung der Beanspruchbarkeit bereits

328

12 Grundzüge des elastisch-plastischen Kerbgrundkonzepts

PRAM (log.)

1/d1 1/d2

PRAM,Z PRAM,D

103

ND

N (log.)

Abb. 12.7: P -Wöhlerlinie für den Schadensparameter P RAM (schematisch)

als Abminderungsfaktor in Spannungsrichtung mit der P -Wöhlerlinie multipliziert. Liegt der maximale Schadensparameter unterhalb der Dauerfestigkeit P RAM,D der P -Wöhlerlinie, ist der Nachweis erbracht und das Bauteil kann als dauerfest angesehen werden.

13 Erfahrungswerte zur Streuung der Schwingfestigkeit Streuung der Zeitfestigkeit nach Haibach [25] und Adenstedt [100] Haibach

Adenstedt

Werkstoff, maßgebende Bauteilgestalt und berücksichtigte Streueinflüsse

TN slogN

Tσ slogσ

TN slogN

Tσ slogσ

Spanabhebend bearbeitete Kerbstäbe aus Stahl, unter überwachten Bedingungen gefertigt

2,5 0,155

1,20 0,0309

1,87 0,106

1,12 0,0190

Spanabhebend bearbeitete Kerbstäbe aus Stahl, mit mäßiger bis mittlerer Kerbwirkung

3,2 0,197

1,26 0,0392

Spanabhebend bearbeitete Bauteile aus Al-Legierungen mit mäßiger bis mittlerer Kerbwirkung

3,2 0,197

1,26 0,0392

Spanabhebend bearbeitete Kerbstäbe aus Eisengusswerkstoffen,

4,0 0,235

1,26 0,0392

3,12 0,193

1,19 0,0291

Geschmiedete und vergütete Bauteile aus Stahl, belassene Schmiedeoberfläche, ohne Querschnittseinfluss

4,5 0,255

1,35 0,0509

2,19 0,133

1,145 0,0229

Geschmiedete und vergütete Bauteile wie zuvor, doch mit Querschnittsstreuung durch Gesenkabnutzung

5,5 0,289

1,33 0,0484

Stahl geschmiedet, spanend bearbeitet, randschichtbehandelt

1,80 0,10

1,16 0,025

Al-Knetlegierungen, geschmiedet, unbearbeitete Oberfläche

3,25 0,20

Al-Guss, unbearbeitete Oberfläche

3,07 0,19

1,18 0,028

Mg-Guss, unbearbeitete Oberfläche

1,80 0,10

1,14 0,022

2,89 0,180

1,25 0,0378

Liniennähte Feinblech, Stahl

2,57 0,16

1,22 0,034

Punktschweißverbindungen, Feinblech, Stahl

2,73 0,17

1,22 0,033

Reibschweißverbindungen (Al-Al, St-Al, St-St)

2,42 0,15

1,16 0,025

3,00 0,186

1,33 0,0486

Hallo Welt gekerbt, ohne Chargeneinflüsse

Fachgerechte Schweißverbindungen aus Baustahl, unter einheitlichen Bedingungen ausgeführt

2,5 0,155

1,30 0,0445

Fachgerechte Schweißverbindungen aus Baustahl, unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeführt

3,0 0,186

1,45 0,0630

Fachgerechte Schweißverbindungen aus Al-Legierungen, unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeführt

5,0 0,273

1,45 0,0630

Passfederverbindungen

1,91 0,11

Schraubverbindungen

3,89 0,23

1,17 0,026

Al/Ti-Nietverbindungen

2,28 0,14

1,20 0,031

Al-Clinchverbindungen

4,92 0,27

1,32 0,047

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329

330

13 Erfahrungswerte zur Streuung der Schwingfestigkeit

Streuung der Bauteildauerfestigkeit nach Adenstedt [100] Bauteil

slgσ



Zahnräder, randschichtbehandelt

0,024

1,15

Schrauben, Festigkeitsklasse 8.8

0,039

1,26

Schrauben, Festigkeitsklasse 12.9

0,050

1,34

Schweißverbindungen aus Stahl, Liniennähte, Blechdicke t > 5 mm

0,044

1,30

14 Ergebnisse der Aufgaben Kapitel 2 1.

a) k = 5,71 C = 7,40 ⋅ 1019 MPak b) ND = 890550

2. R = ±∞ ∶

σDK = 509,6 MPa

R =0∶

σDK = 329,2 MPa

R = 0,5 ∶

σDK = 290,4 MPa

Kapitel 3 1. F a,(R = −1) = 53,55 kN 2. K t = 3 χ′ =

7 2,33 mm−1 ≈ mm−1 3⋅R R

Kapitel 4 1. Regression in y-Richtung: y = 0,544 ⋅ x − 10,50 Regression in x-Richtung: y = 0,623 ⋅ x − 19,17 Schwerpunkt: x¯ = 125; y¯ = 58,75 y

y-Richtung

100

x-Richtung S

50 0 0

2.

50

100

150

200

x

a) N50% = 76085 s lg N = 0,1663 T N = 2,67 b) N50% = 76085 s lg N = 0,1771

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331

332

14 Ergebnisse der Aufgaben T N = 2,84

Quantil u

2 1 0 -1 -2 4,4

4,6

4,8

5

5,2

5,4

lg(N)

3. j P A,N = 6,938 j n = 1,195

(mit s lg N = 0,226 und u 0,01 % = −3,719) (mit t (1−α;n −1) = 1,711)

→ Sicherheitszahlen: j N = 8,29 und j S = 1,41 Kapitel 5 1.

a) Ergebnis der Spitzenwertzählung

Klassenmitten SKM in MPa

150 Maxima

120 90 60 30

0 Minima

-30

-60 1

50

10 Summenhäufigkeit H (log.)

b) & c) i

hi

S a,i /MPa

S m,i /MPa

Ri

S a,ers,i /MPa

1

2

105

45

-0,4

118,5

2

2

75

45

-0,25

88,5

3

3

60

30

-0,33

69

4

1

45

15

-0,5

49,5

5

7

30

30

0

39

6

15

15

15

0

19,5

333 2.

a) aufsteigende Nummerierung der Klassen: Kl. 1 =ˆ -60 MPa . . . Kl. 8 =ˆ 150 MPa, Hysteresen in Reihenfolge ihres Auftretens gekennzeichnet durch schließenden Ast: von Klasse→nach Klasse: 3→4; 3→4; 4→3; 3→6; 4→3; 4→3; 5→3; 3→4; 6→2; 4→3; 3→5; 5→4; 4→3; 3→4; 2→6; 1→7; 3→4; 3→4; 3→4; 2→5; 1→7; 5→4; 4→3; 4→2; 3→4; 4→5; 4→3; 3→5; 2→8; 4→3 Rainflowmatrix in Klasssen mit schließenden Ästen von Zeile nach Spalte: 1 1

2 0

3

4

5

6

7

8

0

0

0

0

2

0

0

0

1

1

0

1

8

2

1

0

0

1

0

0

0

2

0

3

0

0

4

0

1

8

5

0

0

1

2

6

0

1

0

0

0

7

0

0

0

0

0

0

8

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0 0

0

(Residuenäste: 3→8; 8→2; 2→5; 5→3) b) & c)

i

hi

S a,i /MPa

S m,i /MPa

Ri

S a,ers,i /MPa

1

1,5

90

60

-0,2

108

2

2

90

30

-0,5

99

3

0,5

75

75

0

97,5

4

2

60

30

-0,33

69

5

1

45

45

0

58,5

6

1,5

45

15

-0,5

49,5

7

3,5

30

30

0

39

8

1

30

0

-1

30

9

3

15

45

0,5

23,05

10

16

15

15

0

19,5

Kapitel 7 1. Hauptspannungen: σ1 = 79,23 MPa, σ2 = 13,77 MPa → Zugbeanspruchung, Vergleichsspannungen: σNH,q = 79,23 MPa, σGEH,q = 73,32 MPa, Duktilitätsfaktor nach Gl. (6.35): q = 0,545, kombinierte Vergleichsspannung nach Gl. (6.34): σV = 76,54 MPa 2. n pl,lok = 5,24, n pl,glob,ers = 2,61 (mit Ersatzstreckgrenze berechnet), σSK = R e ⋅ n pl,glob,ers = 1362,6 MPa

334

14 Ergebnisse der Aufgaben

Kapitel 8 1.

a) K d,m = 0,900

(Gleichung (3.3))

R m = 720,6 MPa b) σW = 324,3 MPa

(Tabelle 3.1)

c1) bezogener Spannungsgradient χ′ = 0,89 mm−1 Stützzahl n = 1,161 c2) K R,σ = 0,902 c3) K WK,σ = 0,908

(Gleichung (8.23))

(Gleichung (3.13) und Tabelle 3.4) (Gleichung (3.19), mit K V = 0 und K S = 0)

d) σWK = 357,2 MPa

(Gleichung (3.18))

e) Mittelspannungsempfindlichkeit M σ = 0,152 σAK = 330,1 MPa f) j D = 1,3

(Gleichung 8.72)

g) a BK,σ = 0,81

Spannungsamplitude σa in MPa

a)

b) Spannungsamplitude σa in MPa

2.

(Tabelle 2.1)

(Tabelle 2.2 bzw. Gleichung (8.10))

→ Nachweis erbracht

150

100

50

0 -50

0

50 100 150 Mittelspannung σm in MPa

200

250

0 -150

-100

-50 0 50 Mittelspannung σm in MPa

100

150

250 200 150

100 50

335

Kapitel 9 1.

a) Berechnete Lebensdauerwerte S a,1 /MPa

NEM

200

3,59 ⋅ 106

180

5,40 ⋅ 106

150

1,09 ⋅ 107

b) relativen Schädigungssummen

2.

S a,1 /MPa

D rel

200

0,38

180

0,41

150

0,46

a) → für P A = 10−6 Verschiebung der Wöhlerlinie in Spannungsrichtung, da ND unverändert bleiben soll, Streuspanne in Spannungsrichtung: Tσ = 1,135

(Gleichung (4.27)),

Standardabweichung in Lebensdauerrichtung s lg σ = 0,0215 Sicherheitszahl für P A

= 10−6 :

j σ = 1,2653

(Gleichung (4.28)),

(Gleichung (4.58)),

Dauerfestigkeit für P A = 10−6 : σDK,(P A =10−6 ) = 403,08 MPa,

Wöhlerlinie für P A = 10−6 :

N(P A =10−6 ) = ND ⋅ (

b) Kollektivumfang:

σa σDK,(P A =10−6 )

−k

)

∑ n i = 1.000.002 i

Miner-Original:

D OM = 0,00162474 NOM = 615.485.882 s OM = 615.485 km

Miner-Elementar:

D EM = 0,00477358 NEM = 209.486.846 s EM = 209.486 km

Miner-Modifiziert:

D MM = 0,002363918 NMM = 423.027.424 s MM = 423.027 km

Miner-Konsequent:

NKM = 422.034.185 s KM = 422.033 km

c) D rel ⋅ NMM = 169.210.969 Lastzyklen, entspricht einer Fahrstrecke von 253.816 km

→ Forderung nicht erfüllt!

336

14 Ergebnisse der Aufgaben

Kapitel 10 1.

• Horizont mit S a = 330 MPa: N(P A =50%) = 136.018 N(P A =10%) = 97.232 • Horizont mit S a = 280 MPa: N(P A =50%) = 305.456 N(P A =10%) = 201.789 • Horizont mit S a = 250 MPa: N(P A =50%) = 531.364 N(P A =10%) = 342.429 −k

• Parameter der Wöhlerlinie N = C ⋅ (S a ) P A = 50% ∶

k = 4,91

und

C = 3,148 ⋅ 1017 MPak

P A = 10% ∶

k = 4,53

und

C = 2,456 ⋅ 1016 MPak

2. Auswertung für Normalverteilung, da konstanter Stufenabstand konstant d = 10 MPa, mittlere Dauerfestigkeit: S (D,50%) = 207,1 MPa, Abknickpunkt der 50 %-Wöhlerlinie in die Dauerfestigkeit bei ND = 1,339 ⋅ 106 , Varianzkenngröße k = 0,73, Standardabweichung s = 9,3 MPa S (D,P A = 10 %) = 195,2 MPa 3. ND = 1,426 ⋅ 106 , S D = 263,3 MPa

(s /d = 0,93 aus Tabelle 10.7 abgelesen),

Literaturverzeichnis

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Stichwortverzeichnis Abgrenzungsverfahren, 296

FKM-Richtlinie, 29, 201, 256

Abknickpunkt, siehe Knickpunktlastzyklen-

nach Haigh, 25

zahl

nach Smith, 25

Amplitudenkollektiv, 95, 112

Dehnungswöhlerlinie, 319

Anschnitt, 283

Dichtefunktion, 70

Ausfallsichere Konstruktion, siehe Schwing-

Durchläufer, 32

bruchsichere Konstruktion Ausfallwahrscheinlichkeit, 71 Auslastungsgrad, 154, 251

Ebener Spannungszustand, 129 Eigenspannungen, 54, 58 Eigenspannungsempfindlichkeit, 55

Bauteilwöhlerlinie, siehe Wöhlerlinie

Einstufige Beanspruchung, 16

Beanspruchungs-Zeit-Verlauf, 97

Ersatzamplitudenkollektiv, 110

Beanspruchungskollektiv, siehe Amplitu-

Ersatzstreckgrenze, 161

denkollektiv Belastungskollektiv, siehe Amplitudenkollektiv Bemessungskollektiv, 110 Bereichspaarzählung, 105

Extrapolation von Kollektiven, 115 FAT-Klasse, 203, 205, 207 Fehlstellenmodell, 190 Festigkeitshypothesen, siehe Vergleichsspannung

Betriebsfestigkeitsfaktor, 250

Finite-Elemente-Methode, 137

Betriebsfestigkeitsnachweis, 225

FKM-Richtlinie, 8, 15, 29, 38, 40, 50, 52, 58,

Betriebslastennachfahrversuch, 296

61, 63, 93, 100, 135, 154, 155, 159,

Blechdickeneinfluss, 204

163, 167, 170, 183, 186, 194, 200,

Bruchfläche, 12 Bruchmechanikkonzept, 305 Dauerfestigkeit, 22 Abschätzung nach FKM-Richtlinie, 183, 200, 209 Existenz, 23

209, 219, 228, 250 FKM-Richtlinie nichtlinear, 325 Formdehngrenze, 20, 117 Formparameter (Kollektiv), 113 Formzahl, 15, 47 Frequenzeinfluss, 60

experimentelle Ermittlung, 280

Gaßnerlinie, siehe Lebensdauerlinie

geschweißte Bauteile, 202

Geometriefunktion, 307

Nachweis, 179

Gesamtkollektiv, 118

Dauerfestigkeitsschaubild

Gestaltfestigkeit, siehe Kerbwirkung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Götz und K.-G. Eulitz, Betriebsfestigkeit, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31169-8

359

360

Stichwortverzeichnis

Gleitbänder, 11

Langzeitfestigkeit, siehe Dauerfestigkeit

globales Versagen, 157, 161

Lastannahme, 96

Grenzlastzyklenzahl, 32, 280

Lastfolge,

siehe

Beanspruchungs-Zeit-

Verlauf

Größeneinfluss, 39 spannungsmechanischer, 41

Lastzyklus, 16

statistischer, 42, 190

Lebensdauerabschätzung, siehe MinerRegel

technologischer, 39

Lebensdauerlinie, 233, 242 Haigh-Diagramm, siehe Dauerfestigkeitsschaubild Hauptspannungen, 127

Lineare

Schadensakkumulation,

siehe

Miner-Regel lokales Versagen, 158

Horizontmethode, 268 Hysterese, 18, 105, 316

Masing-Verhalten, 19, 106, 319 Mehrachsigkeitsgrad, 154

IIW-Empfehlungen, 145, 149, 202

Memory, 106, 319

Inspektionsintervall, 261

Merkmalsgröße, 67 Miner-Regel, 33, 229, 322

Kerbfallklasse, siehe FAT-Klasse

elementar, 234

Kerbgrundbeanspruchung, 316

konsequent, 237

Kerbgrundkonzept, 315

Liu und Zenner, 240

Kerbspannung, 14, 44, 136

modifiziert, 235

Kerbspannungskonzept, 124, 148, 207

relativ, 249, 323

Kerbwirkung, 42

Rissfortschritt, 310

Kerbwirkungszahl, 43

Mittelspannung, 17, 110

Klassengrenzenüberschreitungszählung,

Mittelspannungseinfluss, 24, 203, 204, 321

102

Mittelspannungsempfindlichkeit, 27

Klassenhäufigkeit, 69, 99

Mittelwert, 68

Klassierung, 98

Momentanwertzählung, 103

Knickpunktlastzyklenzahl, 22, 227

Momentenmethode, 271

Kollektivform, 113 Kollektivhöchstwert, 113 Kollektivumfang, 113 Konfidenz, siehe Vertrauensbereich Konstruktionsfaktor, 63 Konstruktionsprinzipien, 257 Korrosionseinfluss, 60

Nahtnachbehandlung, 205 Nennspannung, 14 Nennspannungskonzept, 123, 143, 205 Neuber-Regel, 158, 316 nichtproportionale Beanspruchung, 176, 211

Kovarianz, 81

Oberflächenrauigkeit, 50

Kritische Schnittebene, 212

Oberflächenverfestigung,

Kurzzeitfestigkeit, 20

schicht

siehe

Rand-

Stichwortverzeichnis

361

Omission, 298

Schwingbruchsichere Konstruktion, 259

Örtliches Konzept, siehe Kerbgrundkon-

Schwingspiel, siehe Lastzyklus

zept

Sicherheitsfaktor, siehe Sicherheitszahl Sicherheitszahl, 90, 169, 218

p-Wert, 114 Paris-Gleichung, siehe Rissfortschrittsgleichung Perlenschnurmethode, 274 plastische Stützzahl, 157 Probit-Methode, 290 proportionale Beanspruchung, 176 Quantil, 74

Smith-Diagramm, siehe Dauerfestigkeitsschaubild Sonderereignisse, 117 Spannung, 14, 125 Spannungs-Dehnungs-Kurve, 18 Spannungsamplitude, 16 Spannungsgradient, 46, 141 Spannungsintegral, 191 Spannungsintensitätsfaktor, 306

Rainflow-Matrix, 105

Spannungsumlagerung, 161

Rainflow-Zählung, 105

Spannungsverhältnis, 17

Ramberg-Osgood, 18

Spitzenwertzählung, 100

Randschicht, 57

Stützwirkung, siehe Kerbwirkung

Regelmäßigkeitsfaktor, 97

Stützzahl, 45, 185

Regression, 80

bruchmechanisch, 196

Reihenfolgeeinfluss, 232

FKM-Richtlinie, 186

relative Häufigkeit, 69

Höchstbeanspruchtes Werkstoffvolu-

relative Schädigungssumme, 244

men, 188

relative Summenhäufigkeit, 70

Spannungsgradient, 48, 185

Residuum, 107

statistisch, 190, 195

Reststreuung, 81, 275

Theory of Critical Distances, 192

Rissfortschrittsgleichung, 309

verformungsmechanisch, 195

Rissfortschrittslebensdauer, 310

werkstoffmechanisch, FKM-Richtlinie,

Rossow-Formel, 269 Rückstellbreite, 99

194 Standardabweichung, 69 Statischer Festigkeitsnachweis, 153, 325

Schadensakkumulation, siehe Miner-Regel Schadensparameter, 321, 327 Schadenstolerante Konstruktion, 260 Schädigung, 33, 230 Schubspannungsintensitätshypothese, 216

Stichprobe, 68 Streuspanne, 76 Streuung, 31, 68, 92 Strukturspannungskonzept, 144, 207 Summenhäufigkeit, 69

Schubwechselfestigkeit, 38 Schweißverbindungen, 143, 167, 202

Teilschädigung, siehe Schädigung

Schwellfestigkeit, 24

Temperatureinfluss, 61, 156

Schwingbreite, 16

Theory of Critical Distances, siehe Stützzahl

362

Stichwortverzeichnis

Treffsicherheit, 244

Wechselfestigkeit, 24, 38

Treppenstufenverfahren, 282

Werkstoffeinfluss, 37, 258

Überlastungsfälle, 199 Überlebenswahrscheinlichkeit, 71 Umgebungsmedien, siehe Korrosionseinfluss Unregelmäßigkeitsfaktor, siehe Regelmäßigkeitsfaktor Varianz, 68 Variationskoeffizient, 69 Verfestigungsfaktor, 163 Vergleichsspannung, 131 geschweißte Bauteile, 167 Gestaltänderungsenergiehypothese, 133 kombiniert nach FKM-Richtlinie, 135 Normalspannungshypothese, 131 Schubspannungshypothese, 132 Schubspannungsintensitätshypothese, 217 skalierte Normalspannung, 214 Verteilung



arcsin P -Verteilung, 78 Binomialverteilung, 79 log-Normalverteilung, 75 Logistische Verteilung, 77 Normalverteilung, 72 standardisierte Normalverteilung, 73 Weibullverteilung, 77, 190 Verteilungsfunktion, 70, 71, 79 Vertrauensbereich, 86, 285 Vertrauenswahrscheinlichkeit, 86 Verweildauerzählung, 103 Very High Cycle Fatigue, 23 Völligkeitsmaß, 113 Vollplastische Traglast, 161 Wahrscheinlichkeitsnetz, 82

Wöhlerlinie, 20, 225 FKM-Richtlinie, 209, 228 geschweißte Bauteile, 202 Typ, 22, 228 Wöhlerversuch, 268 Zählverfahren, 98 Zeitfestigkeit, 21 experimentelle Bestimmung, 268